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German Pages 573 [578] Year 2016
Wissenschaftsgeschichte Franz Steiner Verlag
Uwe Hoßfeld
GESCHICHTE
der biologischen
ANTHROPOLOGIE in Deutschland
Von den Anfängen bis in die Nachkriegszeit
Uwe Hoß feld Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland
Uwe Hoß feld
Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland Von den Anfängen bis in die Nachkriegszeit
2. überarbeitete und aktualisierte Auflage
Franz Steiner Verlag
Cover: Gabriel von Max, Affen als Kunstrichter (1889), Neue Pinakothek München | Fotomontage Copyright des Originals: bpk | Bayerische Staatsgemäldesammlung Covergestaltung: André Karliczek, JUSTORANGE | Jena Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11238-3 (Print) ISBN 978-3-515-11239-0 (E-Book)
Für meine Eltern, Adolf und Eveline
»Laut spricht auch die Geschichte über den Werth der Anthropologie, indem sie Zeugniß ablegt, daß beim Aufleben der Kultur in einem Volke die ersten Fragen, die den mündig werdenden Geist beschäftigen, den Ursprung des Menschen und sein Verhältniß zur Natur betrafen; ja, man kann behaupten, daß eben darin das Erwachen der Kultur bestehe, daß der Mensch Kunde über sein Daseyn fordert.« Karl Ernst von Baer 1824 »Indem wir die Einheit des Menschengeschlechts behaupten, widerstreben wir auch jener unerfreulichen Annahme von höheren und niederen Menschenrassen. Es gibt bildsame, höher gebildete, durch geistige Kultur veredelte, aber keine edleren Volksstämme. Alle sind gleichmäßig zur Freiheit bestimmt.« Alexander von Humboldt 1827/28 »Die Frage aller Fragen für die Menschheit – das Problem, welches allen übrigen zu Grunde liegt und welches tiefer interessirt als irgend ein anderes –, ist die Bestimmung der Stellung, welche der Mensch in der Natur einnimmt, und seiner Beziehungen zu der Gesammtheit der Dinge. Woher unser Stamm gekommen ist, welches die Grenzen unserer Gewalt über die Natur und der Natur Gewalt über uns sind, auf welches Ziel wir hinstreben: das sind die Probleme, welche sich von Neuem und mit unvermindertem Interesse jedem zur Welt geborenen Menschen darbieten.« Thomas H. Huxley 1863 »Den wahren Ursprung des Menschen erkannt zu haben, ist für alle menschlichen Anschauungen eine so folgenschwere Entdeckung, dass eine künftige Zeit dieses Ergebnis der Forschung vielleicht für das Größte halten wird, welches dem menschlichen Geiste zu finden beschieden war.« Hermann Schaaffhausen 1867
Vorwort zur zweiten Auflage
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äuft man durch eine Großstadt, bemerkt man unweigerlich, wie vielfältig das Erscheinungsbild der Menschen ist: dick oder dünn, groß oder klein, tätowiert und gepierct oder nicht, behaart oder unbehaart. Einige haben auch eine blasse weiße Hautfarbe, andere hingegen sind dunkel oder hellbraun. Auch die Haarfarbe, der Haartyp, die Lippen, Nase, Ohren und Augen oder die Gesichts- und Schädelform variieren. Zum Teil haben wir uns an diese Unterschiede gewöhnt und benutzen sie, um bekannte, verwandte Menschen wieder zu erkennen. Unterschiedlichkeit ist keine Illusion! Damit stellen die Menschen körperlich eine der variantenreichsten Spezies auf der Erde dar. Die Unterscheide werden aber auch seit langem dazu benutzt, um Rückschlüsse auf die Abstammung der Menschen zu ziehen. Dieser menschliche Hang stets kategorisieren zu wollen, hat zu ungeheurem menschlichem Leid im Laufe der Geschichte geführt. Ganze Menschengruppen wurden so wegen ihrer Hautfarbe, Augen- oder Schädelform, verfolgt, ermordet oder versklavt. Die italienischen Biologen Luca und Francesco Cavalli-Sforza haben 1994 in ihrem Buch Verschieden und doch gleich mit eindrucksvollen (vorwiegend genetischen) Argumenten dem wissenschaftlich argumentierenden Rassismus jedwede Grundlage entzogen. Eine der wichtigsten Aussagen des Buches lautete: Die Einteilung der Menschen in Rassen ist wissenschaftlich unhaltbar. Zudem konnten sie zeigen, dass äußere Merkmale wie Haut- und Haarfarbe, die gerade von einem Dutzend von insgesamt 150.000 Erbfaktoren bestimmt werden, nur der Anpassung der Natur an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu verdanken ist. Wir Menschen sind verschieden und dennoch gleich, weil wir genetisch eine breite Mixtur aus ethnischen Gemeinsamkeiten darstellen. Dennoch erleben wir aber bis heute, dass Menschen aus oben genannten Gründen angegriffen, verfolgt und auch getötet werden, wobei eben die rassistischen Übergriffe die grundsätzlichsten sind, denn biologische Merkmale sind unveränderlich. Bis heute gibt es keine wissenschaftlich haltbare Definition des Begriffes »Rasse« – und dennoch besteht der Rassismus unter den Menschen weiter (Bliss 2012). Rassenforschung, Rassenkunde, Rassenhygiene bzw. Eugenik im 20. Jahrhundert sind dabei nur einige »Sonderwege« rassischen Denkens und Handelns. Es ist daher anzunehmen, dass der Rassismus menschlichen Bedürfnissen nach Abgrenzung voneinander und dem Wunsch nach »Kategorisierung« entgegenkommt. Dabei
Vor wor t zur z weiten Auflage
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erscheint es scheinbar leicht, zwischen Menschen aus verschiedenen Teilen der Erde Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild (Haarfarbe, Hautpigmentierung usw.) zu erkennen, obwohl die zugrunde liegenden genetischen Variationen selbst viel weniger ausgeprägt sind. Die Wahrnehmung von morphologisch-phänotypischen (äußeren) Unterschieden kann uns aber eben irrtümlicherweise dazu verleiten, von diesen auf genetische (innere) Unterschiede zu schließen. Ein besonders perfides Beispiel im letzten Jahrhundert war das stark antisemitisch orientierte »Rasse-Konzept« der Nationalsozialisten in Deutschland mit ihrem Hauptprotagonisten Hans F. K. Günther. Hier verschmolzen Wissenschaft, Ideologie, Gesellschaft und Politik zu einem eugenisch bzw. rassenhygienisch motivierten Weltbild. Angeblich wissenschaftlich begründete Forschungserkenntnisse wurden als biologisch-medizinische Rechtfertigungen für den Völkermord sowie die Ausgrenzung anderer Menschengruppen herangezogen: »Rassismus ist der Glaube, dass menschliche Populationen sich in genetisch bedingten Merkmalen von sozialem Wert unterscheiden, so dass bestimmte Gruppen gegenüber anderen höherwertig oder minderwertig sind. Es gibt [bis heute] keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg, mit dem dieser Glaube gestützt werden könnte« (Stagl & Reinhard 2005: 723). Das 20. Jahrhundert ist die Epoche, in der sich Wissenschaft, Gesellschaft und Politik am weitesten auf die Ideologie des Rassismus eingelassen haben, diese zum Teil neu begründete und an der praktischen Umsetzung beteiligt war. Dieser Zusammenhang war ein wichtiger Faktor und treibendes Moment der Verwirklichung politisch-ideologischer Visionen. Dabei ging es bspw. um Visionen einer »reinen Rasse«, einer »Rasse ohne Fremdkörper« oder Kranke. Eine der größten Perversionen ethnischen Denkens bestand dann in einer Verquickung von »Rasse« und Kultur – also in der Tendenz, ein Volk nicht nur kulturell, sondern auch genetisch für andersartig zu halten (vgl. hier schon Friedrich Keiters Trilogie Rasse und Kultur, 1938–1940). Während des Jugoslawienkrieges karikierten Kroaten ihre serbischen Gegner als blond und groß, während Serben die dunklere Haar- und Hautfarbe der Kroaten verächtlich fanden. Die Genforschung hat nun den Schwachpunkt solcher Überzeugungen aufgedeckt. Jede Gruppe ist eine Mischung aus vielen früheren Gruppen, eine sich ständig verändernde Auswahl genetischer Varianten aus einem gemeinsamen genetischen Erbe (Olson 2003). Aktuelle Befunde der Evolutions- und Molekularbiologie deuten heute darauf hin, dass es im Verlauf der Evolution des modernen Menschen relativ wenig Veränderungen in der genetischen Grundausstattung der menschlichen Populationen gegeben hat. Zudem legen neuere Genanalysen (Neandertaler, Human Genome Projects etc.) den Verdacht nahe, dass der moderne Mensch sich erst vor relativ kurzer Zeit in die bewohnbaren Gebiete der Erde ausbreitete und sich während dieses Prozesses an die unterschiedlichen Umweltbedingungen (Klima etc.) anpassen musste (Antón et al. 2014). Als der moderne Mensch (Homo sapiens) vor ca. 50000 bis 60000 Jahren Afrika verließ, traf er in Eurasien nach heutigem Erkenntnisstand mindestens drei seiner unmittelbaren Verwandten – Homo erectus, den Neandertaler und wohl auch den jüngst entdeckten Denisova-Menschen aus dem russischen Altai-Gebirge (Reich et al. 2010; Krause et al. 2007 a, 2010). Diese Notwendigkeit der Anpassung an die jeweils unterschiedlichen Umweltbedingungen hat aber eben nur in einer kleinen Untergruppe von Genen, die die Empfindlichkeit gegenüber Umweltbedingungen betrifft, Veränderungen bewirkt. Zu Konsequenzen
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für das eigentliche (Über)leben haben sie aber nicht geführt, so dass die Deutung irreführend ist, sie spiegelten wesentliche Unterschiede zwischen Menschengruppen wider. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind nun mehr als 10 Jahre vergangen. Jahre, in denen die (paläo)anthropologische, (paläo)genetische, evolutionsbiologische und wissenschaftshistorische Forschung weiter zu diesem Thema fortgeschritten ist und uns bspw. mit neuen Erkenntnissen zu Australopithecus sediba (Berger 2010, 2013; du Ruiter 2013), Homo floresiensis (Jungers et al. 2009; Brown & Maede 2009; Orr et al. 2013), Australopithecus deyiremeda sp. nov. (Haile-Selassie et al. 2015), Homo habilis (Spoor et al. 2015), Homo naledi (Dirks et al. 2015; Berger et al. 2015; Gibbons 2015), zum Neandertaler (Green et al. 2010; Pääbo 2014) oder weiteren Fossilfunden im Osten des Turkana-Sees in Kenia (Leakey 2012) bzw. in Äthiopien (Villmoare et al. 2015) bereichert hat. Für die nun hier vorliegende zweite Auflage wurde daher die Literatur der ersten Auflage aktuell ergänzt, verschiedene Abschnitte entsprechend überarbeitet, neu geschrieben sowie einige Abbildungen hinzugefügt. Im letzten Jahrzehnt hatte ich zudem die Gelegenheit, mit Kolleginnen und Kollegen, verschiedene Aspekte der Erstauflage sowie neuerer Forschungen zu diskutieren und zu hinterfragen. An dieser Stelle gilt deshalb mein Dank besonders Michal Šimůnek und Marco Stella (Prag), Amos Morris-Reich (Haifa), Ursula Wittwer-Backofen (Freiburg/ Br.), Hans Sommer und Mitarbeitern (Coburg), Georgy S. Levit und Lennart Olsson (Jena), Ulrich Kutschera (Kassel), Hubert Walter (Hameln, †), Winfried Henke (Mainz), Gisela Grupe (München), Bernhard Heeb (Berlin), André Karliczek sowie Jörg Pittelkow (Jena). Herrn Dr. Thomas Schaber – Verlagsleiter im Franz Steiner Verlag in Stuttgart – danke ich für sein Interesse an einer zweiten Auflage. Jena, im Herbst 2015 Uwe Hoßfeld
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Vorwort zur ersten Auflage
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ährend der Beschäftigung mit evolutionsbiologischen Fragestellungen in den letzten Jahren wurde mir klar, daß die in den neueren Forschungen zur Geschichte und Theorie der Evolutionsbiologie aufgezeigten Defizite ebenso auf eine Geschichte der biologischen Anthropologie, die bisher noch nicht geschrieben ist, zu übertragen sind. Nachdem ich nach der Promotion den gesamten Nachlaß des Zoologen und Anthropologen Gerhard Heberer am Ende der 1990er Jahre zur wissenschaftlichen Bearbeitung von dessen Familie überlassen bekam und auswertete, mich zahlreiche Reisen in den vergangenen Jahren in verschiedene anthropologische Institute, Bibliotheken, Museen sowie auf Tagungen in Europa und Amerika führten, zudem im Herbst 2000 die umfangreiche Sonderdrucksammlung des Anthropologen Hubert Walter (Bremen/Hameln) von diesem dem Ernst-Haeckel-Haus in Jena überlassen wurde, erwuchs der Wunsch, mit einer Abhandlung zur Geschichte der biologischen Anthropologie im Spannungsfeld von Politik, Ideologie und Wissenschaft die bestehende Lücke schließen zu helfen. Dabei konnte ich zudem auf eigene Vorarbeiten zur Evolutionsbiologie, Zoologie, vergleichenden Anatomie/Morphologie, allgemeinen Wissenschafts- und Universitätsgeschichte zurückgreifen und diese dann in die Argumentationsstränge vorliegender Arbeit mit integrieren. Nachfolgend soll es um eine Darstellung der Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland – im Spannungsfeld von Politik, Ideologie und Wissenschaft – in einem ausgewählten Zeitabschnitt gehen. Dieser Zeitabschnitt ist markiert durch das wegweisende von Karl Ernst von Baer und Rudolph Wagner organisierte »Göttinger Anthropologentreffen« (1861), dem Zusammenbruch der politisch gegründeten Institute einer nationalsozialistischen Rassenlehre (1945) bis hin zu den spezifischen Entwicklungen in der Nachkriegszeit. Dabei wird unter vergleichenden Aspekten besonders auf die Entwicklungen und Traditionslinien einer biologischen Anthropologie an der Universität Jena verwiesen. Die Gesamtanalyse ist damit sowohl für die Wissenschafts- als auch Universitätsgeschichte bedeutsam, denn aufgrund dieser hat die Universität Jena im Laufe ihres fast 450-jährigen Bestehens (2008) jede der nachfolgend behandelten Epochen dieses Zeitraumes mit wissenschaftlichen Konzepten, Protagonisten usw. entscheidend beeinflußt und geprägt. Die Salana wurde damit zu einem bedeutenden Zentrum für die biologische
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Anthropologie in den letzten beiden Jahrhunderten. Das Buch führt im Schlußkapitel ferner über den Nationalsozialismus hinaus bis hin zur Darstellung der Rezeption der so genannten »zweiten darwinschen Revolution« (Synthetischer Darwinismus), welche in Deutschland mit dem Erscheinen der paläoanthropologischen Bände des von Gerhard Heberer edierten Sammelwerkes über Die Evolution der Organismen (1959, 1974) einen vorläufigen Abschluß fand. An dieser Stelle möchte ich nicht versäumen, einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen zu danken: Hubert Walter sei an dieser Stelle für sein stetes Interesse an meinen Arbeiten gedankt sowie für die zahlreichen Gespräche, Einladungen nach Bremen, die Überlassung der Sonderdrucksammlung für das Institut sowie die vielen ausführlichen Briefe in den letzten Jahren, die oft mit anthropologischen Insider-Informationen versehen waren. Olaf Breidbach (Jena) danke ich dafür, daß er mir in seinem Institut stets beste Arbeitsbedingungen ermöglicht(e), in den letzten Jahren großes Interesse an dieser Thematik bekundete und jederzeit bei Fragen und Problemen beratend zur Seite stand. Das Gleiche gilt für Hans-Werner Hahn (Jena) und meine anderen Kollegen in der Senatskommission zur Aufarbeitung der Jenaer Universitätsgeschichte im 20. Jahrhundert, die sowohl ideell als auch materiell die Arbeit begleiteten. Der Jenaer Universitätsleitung sei ebenso dafür gedankt, durch Bereitstellung finanzieller Zuwendungen aus der Titelgruppe 71 Arbeitsaufenthalte in der Schweiz (Zürich, Winterthur) und Archivbesuche in Deutschland ermöglicht zu haben. Ich danke auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), mit deren finanzieller Unterstützung mehrere Kongreß- und Archivreisen nach Rußland (u. a. Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg) realisiert werden konnten. Seit Oktober 2002 (noch bis Oktober 2006) fördert die DFG zudem ein von Olaf Breidbach und mir initiiertes Projekt »Evolution ohne Genetik – Alternativtheorien in der Evolutionsbiologie des 20. Jahrhunderts« (Ho 2143/5–1; Ho 2143/5–2), aus dem erste Forschungsergebnisse bereits in diese Arbeit einfließen konnten. Im März 2003 und 2005 war es schließlich möglich, mit einem Forschungsstipendium für Wissenschaftsgeschichte der Royal Swedish Academy of Sciences für zwei Wochen in Archiven in Schweden (Stockholm, Uppsala) zu diesem Thema zu forschen. Ferner möchte ich auch einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen danken, die durch Auskünfte und Diskussionen zur Abrundung der Arbeit beigetragen haben: Gustl Anzenberger und Kollegen (Zürich), Walter Bock (New York), Peter Bowler (Belfast), Natalie Chaoui (Zürich), Uwe Claussen (Jena), Norbert Elsner (Göttingen), Eve-Marie Engels (Tübingen), Tore Frängsmyr und Karl Grandin (Stockholm, Uppsala), Gabriel Finkelstein (Denver, CO), Armin Geus (Marburg), Jürgen Haffer (Essen), der Familie Heberer (Uslar), Winfried Henke (Mainz), Wolf Herre (Kiel, †), Nick Hopwood (Cambridge, UK), Ilse Jahn (Berlin), Jürgen John (Jena), Thomas Junker (Frankfurt am Main), Michael und Joachim Kaasch (Halle a. S.), Erika Krauße (Jena, †), Gerald Krefft (Frankfurt am Main), Ulrich Kutschera (Kassel), Hans-Werner Kümmel (Mainz), Georg Levit (Jena), Eberhard May (Braunschweig), Ernst Mayr (Cambridge, MA, †), Kay Meister (Jena), Eberhard Mey und Rudolf Möller (Rudolstadt, Schwarza), Lennart Olsson (Jena), Jörg Pittelkow (Jena), WolfErnst Reif (Tübingen), Bob Richards (Chicago), Nicolaas A. Rupke (Göttingen), Michael Ruse (Tallahassee, FL), Gretchen Schafft (Washington), Hans-Konrad Schmutz (Winterthur), Friedemann Schrenk (Frankfurt am Main), Michal Simunek und Sta-
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nislav Komarek (Prag), Dietrich Starck (Frankfurt am Main, †), Rüdiger Stutz (Jena), Walter Thiede (Köln), Mark Walker (Schenectady, NY), Paul Weindling (Oxford) und Volker Wissemann (Jena). Ebenso sei an dieser Stelle den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den zahlreichen im Anhang aufgeführten Archiven für ihre Unterstützung gedankt, hier besonders aber dem Jenaer Universitätsarchiv. Danken möchte ich zudem meinen Kolleginnen und Kollegen im Ernst-HaeckelHaus für manches vertiefende Gespräch und ergänzende Literaturhinweise. Für die Hilfe bei der Literaturbeschaffung, Erstellung der Abbildungen sowie dem Korrekturlesen danke ich besonders Ruth Rosenhan, Ines Müller und Christian Reiss. Herrn Dr. Thomas Schaber – Verlagsleiter im Franz Steiner Verlag in Stuttgart – danke ich für die großzügige Unterstützung bei der Drucklegung und sein Interesse an dieser Arbeit. Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um meine (leicht redigierte) Habilitationsschrift, die im Wintersemester 2003/04 von der Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena angenommen wurde. Jena, im Frühjahr 2005 Uwe Hoßfeld
Vor wor t zur ers ten Auflage
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Inhalt
Vorwort zur zweiten Auflage Vorwort zur ersten Auflage
9 13 21 21
1.3 1.4
Einführung Grundansatz Forschungsstand zur Geschichte und Theorie der biologischen Anthropologie Definition und Periodisierungen Zum Aufbau der Arbeit
2. 2.1 2.2 2.3
Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie Historie und Terminologie Inhalte, Gliederung, Stellung, Bedeutung und Hauptfachrichtungen Zusammenfassung
37 37 48 55
3. 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3
Die Situation vor Darwin Ausgangslage Die Zeit der Aufklärung Von Kant zu Sömmerring Historische Anthropologie und Rassenanthropologie Physiognomik, Phrenologie und späte Naturphilosophie Anfänge der Paläoanthropologie
58 59 63 70 75 79 84
4. 4.1 4.1.1 4.2
Der Beginn einer biologischen Anthropologie im 19. Jahrhundert Karl Ernst von Baer als Anthropologe Sein Lehrer Karl Friedrich Burdach Das Göttinger Anthropologen-Treffen 1861
87 88 93 96
5. 5.1 5.2
Die Internationale der biologischen Anthropologen Deutschland – von Ernst Haeckel bis zu Ludwig Büchner England – von James Cowles Prichard bis zu Charles Darwin
1. 1.1 1.2
23 31 34
101 101 119
Inhalt
17
5.3 5.4 5.5
Italien – von Paolo Mantegazza bis zu Filippo de Filippi Frankreich – von Jean-Baptiste de Lamarck bis zu Paul Broca Ausblick auf die Internationale
136 138 144
6. 6.1
147
6.1.1 6.2 6.3
Ernst Haeckel als Anthropologe Von der Generellen Morphologie (1866) bis zu Unsere Ahnenreihe (1908) Der Mensch und seine Ahnen aus der Sicht eines Jenaer Anatomen Ernst Haeckel und der Antisemitismus Darwinismus und Paläoanthropologie – ein Exkurs
147 168 171 175
7. 7.1 7.2 7.3
Zur Institutionalisierung der (biologischen) Anthropologie Impulse für die Anthropogeneseforschung in Deutschland Die Institutionalisierung der Anthropologie in anderen Ländern Ausblick
181 181 187 194
8. 8.1
Aufstieg und Fall bis zur zweiten darwinschen Revolution Biologische Anthropologie um 1900 unter dem Einfluß aus Zürich und München Die »Politisch-anthropologische Revue« Popularisierung der biologischen Anthropologie und Tendenzen des Übergangs Sozialdarwinismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde Ludwig Plate und das »Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie« Das Kruppsche Preisausschreiben (1900) und das Jenaer Umfeld Zusammenfassung
196
8.1.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 9. 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.2.1 9.2.2.2 9.2.2.3 9.2.2.4 9.2.2.5 9.2.3 9.3 9.4
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Inhalt
Von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus – Fallbeispiel Jena Eine Universität mit Tradition im Wandel Biowissenschaften im Dritten Reich – Sonderwege an der Salana Zur Genese der Fächer Rassenkunde und Rassenhygiene in Thüringen Die »Rassen-Quadriga« Hans F. K. Günther – Sozialanthropologie (1930) Karl Astel – Menschliche Erbforschung und Rassenpolitik (1934/35) Victor Franz – Phylogenetik, Vererbungslehre und Geschichte der Zoologie (1936) Gerhard Heberer – Allgemeine Biologie und Anthropogenie (1938) Weitere Adlaten der Rassenlehre in Jena Thüringische »Rasse«-Exkurse Finanzen – Regionale und nationale Netzwerke der Kooperation Rassige Intrigen und Konflikte
196 200 204 210 214 216 220 222 223 228 228 237 238 249 260 283 286 296 300 305
9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5 9.5
Haeckels Erben im Konflikt Kampf den Antidarwinisten Verfolgung eines Dialektikers Plagiat durch den Doktorvater Persönliche Suche nach einer SS-Professur Resümee
10.
Biologische Anthropologie und Evolutionsbiologie im Dritten Reich 10.1 Das Sammelwerk Die Evolution der Organismen (1943) 10.1.1 Teilfazit: Ein Sammelwerk zwischen Politik, Ideologie und Wissenschaft 10.2 Ausgewählte Zeitschriften 10.2.1 »Der Biologe« (1930/31–1944) 10.2.1.1 Weltanschauliche Diskussionen und wissenschaftliche Kontroversen 10.2.2 »Unsere Welt« (1930–1941) 10.2.3 »Nationalsozialistische Monatshefte« (1930–1943) 10.2.4 »Volk und Rasse« (1926–1943) 10.2.5 »Natur und Geist« (1934–1939) 10.2.6 »Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft« (1935/6–1944) 10.2.7 »Volk im Werden« (1933–1943) 10.2.8 »Zeitschrift für Rassenkunde« (1935–1943/44) 10.3 Zusammenfassung 11.
Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945 11.1. Protagonisten einer biologischen Anthropologie – Kontinuitäten 11.1.1 Hans Weinert 11.1.2 Wilhelm Gieseler 11.1.3 Adolf Remane 11.1.4 Gerhard Heberer 11.1.5 Adolph H. Schultz 11.2 Fallbeispiele für Alternativen – Diskontinuitäten 11.3 Institutioneller Neubeginn nach 1945 11.3.1 Perspektiven in Deutschland 11.3.2 Kontinuitäten und Diskontinuitäten an der Universität Jena 11.4 Biologische Perspektiven der Hominidenevolution im 20. Jahrhundert 11.5 Biologische Anthropologie, Evolutionsbiologie und zweite darwinsche Revolution 11.5.1 Die Evolution der Organismen (1954–1959) 11.5.1.1 Ausblick zur zweiten Auflage 11.5.2 Die Evolution der Organismen (1967–1974) 11.5.2.1 Ausblick zur dritten Auflage 11.5.3 Die Evolution der Organismen – eine Trilogie (1943–1974)
305 307 310 311 314 315 320 321 331 333 334 343 359 363 368 375 379 385 387 389 392 394 394 399 404 406 410 412 416 416 425 436 440 441 449 450 460 461
Inhalt
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11.5.5 11.6 11.6.1 11.7 11.7.1 11.7.2 11.7.3 11.7.4 11.8
Menschliche Abstammungslehre – Fortschritte der »Anthropogenie«, 1863–1964 Evolutionsbiologie mit/ohne biologische Anthropologie Anthropologisches Schrifttum Festschriften Zur Entwicklung der anthropologischen Teilgebiete Biologische Anthropologie in Forschung und Lehre – heute Restitution und anthropologische Sammlungen »Rasse« im deutschen Grundgesetz Tendenzen und Trends im 21. Jahrhundert Rückblick auf zwei Jahrhunderte
463 466 470 472 478 479 480 481 483 485
12.
Epilog
489
13.
Bibliographie Archivquellen Bücher und Artikel Zeitschriften Abkürzungen
495 495 495 562 563
14.
Register
564
11.5.4
20
Inhalt
1. Einf ührung
1.1 Grundansatz
A
ls 1859 Charles Darwins klassisches Werk The Origin of Species by Means of Natural Selection or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life erschien, war es der erste wissenschaftliche Versuch, eine methodisch haltbare Analyse über die Evolutionsabläufe in der belebten Natur und deren Ursachen vorzulegen. Bis heute hat es in der Geschichte der Biologie kein vergleichbares Buch gegeben, das für die verschiedenen Bereiche der Biowissenschaften von solcher Bedeutung gewesen ist. Dabei rückte nun auch der Mensch, der schon nach der Linnéschen Systematik nichts anderes als ein Primat gewesen war, zusehends in den Mittelpunkt der Diskussionen um die Konsequenz einer Evolutionslehre.1 In Darwins Origin of Species selbst finden sich humanphylogenetische Aussagen, so bei der Erörterung des Auslesewertes einer Eigenschaft oder der Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl, die später aber umfangreiche Ergänzungen erfuhren. Im Jahre 1859 begnügte sich Darwin auch noch mit der allgemein gehaltenen Aussage, »viel Licht wird auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte fallen.« Daß dieser Umbruch im biologischen Denken nicht ohne wissenschaftliche und weltanschauliche Auseinandersetzungen und Folgen vor sich gehen konnte, zeigte sich bereits einige Jahre später in Europa. Anders als der Heidelberger Zoologe Heinrich G. Bronn, der in seiner deutschen Darwin-Übersetzung von 1860 noch den zitierten »Licht«-Satz unterschlug, setzten sich in etwa zur selben Zeit in Deutschland der Jenaer Zoologe Ernst Haeckel und weitere seiner Kollegen sowie in England »Darwins Bulldogge« Die zahlreichen Umschreibungen in den letzten Jahrhunderten für diese Sonderstellung des Menschen in der Natur zeigen dabei die Ambivalenz und inhaltliche Breite der Thematik besonders eindrucksvoll auf. So ist die Rede vom Menschen als »Mittelglied zweier Welten« (J. G. Herder), »freihandelndes Wesen« (I. Kant), »denkender Geist« (G. W. F. Hegel), »Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse« (K. Marx), »Sonderwesen gegenüber der Welt« (M. Scheler, H. Pleßner, A. Gehlen), »animal symbolicum« (E. Cassirer) oder »betendes Tier« (A. Hardy) bis hin zu »Mörderaffe« (R. Adrey), »der dritte Schimpanse« (J. Diamond), »Homo loquens« (M. Paolo), »Homo creator« (P. Brügger), »Homo medialis« (M. L. Pirner u. a.), »Homo Aestheticus« (E. Dissanayake), »evolutionäres Zwitterwesen« (Engels 1999), »Homo oeconomicus« und »Homo culturalis« (Goldschmidt & Nutzinger 2009), »Homo Imperii«(Mogilner 2013) usw. 1
Grundansat z
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Thomas Henry Huxley bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die Propagierung dieser damals revolutionären Ideen (eben auch in ihrer Anwendung auf den Menschen) ein.2 Damit wurden wichtige Impulse für die Etablierung der biologischen Anthropologie nach Darwin vorgegeben, einem Verständnis von Anthropologie, das nun vorwiegend auf evolutionsbiologischen Fakten und Interpretationen beruhte. Der sich dabei seit 1859 abzeichnende Kausalnexus zwischen biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie in seinem Einfluß auf Politik, Ideologie und Wissenschaft sollte dann innerhalb der Entwicklung darwinistischen Denkens zentrale Bedeutung erlangen und zu einem wichtigen Bestandteil der biowissenschaftlichen Diskussionen in den letzten 140 Jahren werden. So heißt es bereits 1888 in einer klassischen Abhandlung zur Anthropologie von Paul Topinard: Der Mensch, mag seine Entstehung, seine Zukunft sein, wie sie wolle, ist für die Anthropologie nur ein Säugethier, und zwar dasjenige, dessen Organisation, Bedürfnisse und Krankheiten die verwickeltesten sind, und dessen Gehirn mit seiner bewunderungswürdigen Leistungsfähigkeit den höchsten Grad der Entwickelung erreichte. Er ist denselben Gesetzen wie die übrigen Thiere unterworfen und nimmt Theil an ihrem Geschicke. Als Individuum wird er geboren, pflanzt sich fort und stirbt. Als Geschlecht wirft er ein helles Licht und verewigt sich, wie die Sonnen, welche die Welten erleuchten, um schliesslich zu erlöschen (Topinard 1888: 528).
Hatte sich die (biologische) Anthropologie vor Darwin vorwiegend noch als »Naturgeschichte des Menschen« definiert, beeinflußt durch zahlreiche Aussagen der Psychologie, (Natur-) Philosophie, Ethnologie/Urgeschichte, Phrenologie und Physiognomik sollte der Fokus der Betrachtung in der Zeit nach Darwin dann hauptsächlich auf der Verbindung von Anthropologie und darwinistischer Evolutionsbiologie liegen.3 Anfangs rein naturalistische und spekulative Auslegungen bzw. Interpretationen wurden nach 1859 dann begriffsgeschichtlich in eine biologische Anthropologie überführt, die Bestandteil des Faches Anthropologie war.4 Die Jenaer Universität und an ihr lehrende Naturwissenschaftler spielten innerhalb der Genese der biologischen Anthropologie über einen Zeitraum von fast 80 Jahren (1863–1945) eine bedeutende Rolle. Das Wirken des Evolutionsbiologen und Vgl. di Gregorio (1984), Bowler (1984), Richards (1987), Junker & Hoßfeld (2001, 2009), Hoßfeld (2010), Hoßfeld & Olsson (2014). 3 Die geführten Auseinandersetzungen innerhalb der Biowissenschaften hinsichtlich der Frage nach der Herkunft des Menschen sind aufgrund der vorgelegten wissenschaftlichen Fakten und Befunde heute nicht mehr so kontrovers wie noch zu Darwins Zeiten, vielmehr wurde die biologische Anthropologie der Nach-Darwin-Ära durch humangenetische und molekularbiologische Untersuchungsmethoden und Fragestellungen – auch als Folge der Entdeckung der DNA (Watson & Crick 1953) – ergänzt, in manchen Bereichen sogar komplett ersetzt. Gerade die vielfältigen (neuen) Lehrmeinungen über die genealogische Zugehörigkeit des Menschen zu tierischen Ahnen sind dabei ambivalent zu interpretieren und werden/wurden bis heute dementsprechend oftmals als Einzelmeinung der Darwinisten hingestellt, die man entweder widerlegen oder bekämpfen kann. 4 »Der Hauptgrund aber für die späte Festigung einer anthropologischen Wissenschaft war deren Anspruch, den Menschen zu erforschen, also nicht etwa, wie die Anatomie, sich zu bescheiden mit Beobachtungen über Bau und Organe des menschlichen Körpers oder, wie etwa die Geschichte, mit der Erforschung der Schicksale und Taten der Völker, nein, den Menschen, seine Herkunft, seine Stellung in der Natur, in der Schöpfung, sein eigentliches Wesen. Das wollten schon die ersten Gelehrten, die dafür den Namen Anthropologie gebrauchten« (Fischer 1953: 196, Hervorhebungen im Orig.). 2
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Einführung
Johannes Müller–Schülers Ernst Haeckel war dabei zentral und erlangte nicht nur regionale Bedeutung. Seine vorgetragenen humanphylogenetischen, weltanschaulichen und rassenhygienischen Auffassungen sollten zudem über seinen Tod hinaus für die Zeit des Nationalsozialismus und die Zeit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wirksam sein. Mit der vorliegenden Abhandlung soll nun die Geschichte und Theorie der biologischen Anthropologie behandelt werden, ein Forschungszweig der Anthropologie, der sich im Laufe der Zeit so vielseitig und in so verschiedene Richtungen entwickelt hat. Dabei wird besonders auf die Zeit vor und nach Darwin eingegangen und am Beispiel der Universität Jena werden wichtige Traditionslinien für die Genese sowie Inhalte des Faches aufgezeigt. Es zeigt sich hierbei, daß insbesondere nach 1859 diese naturwissenschaftliche Disziplin als Einheit von Anthropologie und Evolutionsbiologie (und nicht mehr nur als Naturgeschichte des Menschen mit Verbindungen zur Psychologie und Philosophie) aufzufassen ist. Der zeitliche Rahmen der Studie wird dabei markiert vom ersten Treffen deutscher Anthropologen 1861 in Göttingen und dem Wirken von Carl Ernst von Baer bis hin zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Neben einer Darlegung der Gesamtperspektive soll zudem eine wissenschaftshistorisch abgesicherte Studie der für die (Jenaer) Universitätsgeschichte so zentralen Problemfelder »Rasse«, »Rassenhygiene/Rassenkunde« und »(Paläo)Anthropologie« erarbeitet werden. Die Arbeit führt hierbei im Schlußteil über den Nationalsozialismus hinaus bis hin zur Darstellung der Rezeption der sogenannten »zweiten darwinschen Revolution« (Synthetische Theorie der Evolution/Synthetischer Darwinismus), welche in Deutschland mit dem Erscheinen des letzten Bandes (Paläoanthropologie) des von Gerhard Heberer edierten Sammelwerkes Die Evolution der Organismen (1974) einen vorläufigen Abschluß fand.
1.2 Forschungsstand zur Geschichte und Theorie der biologischen Anthropologie
Eine Geschichte der biologischen Anthropologie (für den deutschen Sprachraum) ist bisher noch nicht geschrieben. Es existiert lediglich aus DDR-Zeiten eine von Siegfried Kirschke herausgegebene Aufsatzsammlung über Grundlinien der Geschichte der biologischen Anthropologie (1990), die einzelne Fragestellungen und Entwicklungslinien dieser Themenstellung aufzuzeigen versucht und dabei für eine Verbindung von Disziplin(en)entwicklung (am Beispiel der biologischen Anthropologie) und Wissenschaftsgeschichte5 eintritt: Selbstverständlich qualifiziert der Anteil an der Disziplinenentwicklung – mag er auch gravierend sein – einen Wissenschaftler noch nicht ohne weiteres zum Historiker seiner Disziplin – dazu ist auch noch mehr erforderlich als historisches Interesse und Gespür […] Wissenschaftsgeschichte muß darüber hinaus die Frage nach der spezifischen Rolle wissenschaftsin»Die Wahl gerade dieses Themas erfolgte im Einklang mit den auch in unserem Lande [DDR] unternommenen Anstrengungen zur tiefgründigeren Erforschung von Ontogenese und Phylogenese der biopsychosozialen Einheit Mensch im dynamischen Gefüge natürlicher und soziokultureller Bedingungen« (Schuh 1990: 11). 5
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terner und -externer Faktoren für die Entwicklung einer bestimmten Disziplin im System der Wissenschaften erklären, ihren Beitrag zur geistigen Kultur der jeweiligen Kultur der jeweiligen Epoche der Menschheitsentwicklung bestimmen, ihre Eingebundenheit in die Gesellschaftspolitik analysieren sowie auch die Wissenschaftsethik in ihre Betrachtungen einbringen […] (Schuh 1990: 12).
Mit diesem wissenschaftlichen Ansatz wurde für die biologische Anthropologie in der DDR ein Themenfeld eröffnet sowie eine Diskussionsgrundlage vorgegeben, die weit mehr als die (in der Bundesrepublik Deutschland) dominierend rassenbiologischen und abstammungsgeschichtlichen Aussagen und bearbeiteten Fragestellungen umfaßte. Analysiert man die nationale und internationale wissenschaftliche Literatur zur Geschichte/Theorie der biologischen Anthropologie bzw. aus unmittelbar für die Anthropologie wichtigen Schwesterdisziplinen, so fällt auf, daß sich zwar keine geschlossene Abhandlung dazu, jedoch der Begriff »biologische Anthropologie« zumindest in einigen wenigen Buch- oder Aufsatztiteln findet. Die Bücher, bei denen der Begriff im Titel erscheint, stammen dabei mehrheitlich aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und sind weitgehend den Biowissenschaften zuzuordnen. Dennoch konnte ein Buch aus dem geisteswissenschaftlichen Umfeld6 mit »biologischer Anthropologie« im Titel recherchiert werden (Gadamer & Vogler 1972).7
Geisteswissenschaftliche Buchtitel (wie aus der Philosophie, Philosophy of Mind, Neurophilosophy bis hin zur Pädagogik etc.) operieren in der Regel oftmals nur mit dem Begriff »Anthropologie« und einem Zusatz (wie beispielsweise philosophisch, historisch, pädagogisch, linguistisch usw.). Vgl. aus der Fülle der Abhandlungen stellvertretend: Pleßner, H. (1982): Mit anderen Augen. Aspekte einer philosophischen Anthropologie. Stuttgart: Reclam; Landmann, M. (1982): Philosophische Anthropologie. Berlin: de Gruyter; Böhme, G. (1994): Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Darmstädter Vorlesungen, NF 301, Frankfurt a. M.: Suhrkamp; Mattner, D. & M. Gerspach (1997): Heilpädagogische Anthropologie. Stuttgart: Kohlhammer; Valverde, C. (1999): Der Mensch als Person. Philosophische Anthropologie. Paderborn: Bonifatius; Endreß, M. [Hg.] (2000): Anthropologie und Moral. Würzburg: Königshausen & Neumann; Haeffner, G. (2000): Philosophische Anthropologie. Stuttgart: Kohlhammer; Heindl, E. (2001): Der Mensch – Situation und Sinnfrage. Grundriss einer medizinisch-philosophischen Anthropologie. Müchnen: Herbert Utz Verlag; Levi-Strauss, C. (2002): Strukturale Anthropologie I. Frankfurt a. M.: Suhrkamp; Knorr-Cetina, K. (2002): Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Wissenschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp; Böhme, H. et al. [Hrsg.] (2004): Tiere. Eine andere Anthropologie. Schriften des deutschen Hygiene-Museums Dresden, Bd. 3, Köln: Böhlau; Tanner, J. (2004): Historische Anthropologie zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag; Thies, Ch. (2004): Einführung in die philosophische Anthropologie. Darmstadt: WBG; Holzer, J. (2005): Linguistische Anthropologie. Bielefeld: Transcript; Illies, C. (2006): Philosophische Anthropologie im biologischen Zeitalter. Zur Konvergenz von Moral und Natur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp; Tugendhat, E. (2007): Anthropologie statt Metaphysik. München: Beck; Turner, S. P. (2007): Philosophy of anthropology and sociology. Amsterdam: Elsevier; Hartung, G. (2008): Philosophische Anthropologie. Stuttgart: Reclam; Fischer, J. (2009): Philosophische Anthropologie. Eine Denkrichtung des 20. Jahrhunderts. Freiburg/München: Alber; Sturm, T. (2009): Kant und die Wissenschaften vom Menschen. Paderborn: Mentis Verlag; Rölli, M. (2011): Kritik der anthropologischen Vernunft. Berlin: Matthes & Seitz; Sternad, C. & G. Pöltner [Hrsg.] (2011): Phänomenologie und Philosophische Anthropologie. Würzburg: Königshausen & Neumann usw. 7 Teilweise kann man noch Ulrich Aselmeiers Abhandlung Biologische Anthropologie und Pädagogik (Weinheim/Basel: Beltz) von 1973 dazu rechnen. 6
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Einführung
Nachfolgend sollen als exemplarischer Überblick, zur Themenhinführung und Verdeutlichung der Themenvielfalt einige Werke über biologische Anthropologie in ihrer Struktur und mit den jeweiligen Thesen kurz vorgestellt werden. Im Jahre 1975 präsentierte Solomon H. Katz (Pennsylvania) unter dem Titel Biological Anthropology verschiedene »readings« aus der Zeitschrift Scientific American und gliederte diese in fünf Sektionen (von »The evolutionary roots and potentials of the human species« bis zu »The challenge of the present«). In seinem ausführlichen Prolog bemerkte er zur Zielsetzung: In compiling this book of Scientific American readings, I have attempted to show how evolutionary and adaptive theory and evidence might yield answers to vital questions of concern to humanity now and in the near future. With this aim, I have selected what seem to me to be the best current articles in biological anthropology, including summaries and syntheses of significant data and issues, and have incorporated with them a number of milestone articles from other sciences that have shaped or will be shaping the concerns of the whole field of anthropology […] Biological anthropology encompasses various areas of specialization, which frequently overlap. Human paleontologists, specialists in the morphology or structure of early humans, work with geologists, archeologists, and other specialists to explore the course of human evolution from our primate ancestors to the species Homo sapiens (Katz 1975: 1, Hervorhebungen im Orig.).
Der Blick auf Interdisziplinarität, Internationalität sowie Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse und das Bewußtwerden der wissenschaftshistorischen Traditionen bestimmten dabei die Auswahl an Beiträgen. Die Bedeutung der »evolutionary roots« für eine biologische Anthropologie wird aber nicht nur in einzelnen Kapitelüberschriften, sondern auch in der fachgerechten Kommentierung der abgedruckten Beiträge (insbesondere zur Hominidenevolution) deutlich (ebd.: 6). Nur vier Jahre nach dem Band von Katz folgten Kenneth A. Bennetts (Wisconsin) Fundamentals of biological anthropology (1979). Auch er behandelt unter diesem Titel vorwiegend Themen zur menschlichen Evolution. Bennett unterteilt sein Buch in 19 Kapitel mit drei großen Abschnitten: 1. »The Genetic Background«, 2. »The Origin and Evolution of the Human Species« und 3. »Topics on Modern Human Biology« (Bennett 1979: IX–X). Zentral für das hier zu behandelnde Thema sind dabei Bennetts Aussagen in den einleitenden Bemerkungen, wo er neben dem Versuch einer Definition auch auf aktuelle Forschungen auf dem Gebiet der biologischen Anthropologie verweist: In light of the diverse interests of physical anthropologists, it is remarkable that they do possess a strong sense of unity. This is due, no doubt, not only to a common basic anthropological orientation, but mostly to the fact that they are generally interested in human evolution from both anthropological and biological viewpoints. For all of these reasons, and because anthropology is too often taken to mean only cultural anthropology, many of us today prefer to label ourselves as ›biological anthropologists‹ […] Like all other scientific disciplines, the number of subdivisions one wishes to recognize in biological anthropology is purely a matter of individual choice. Many biological anthropologists are engaged in highly specialized studies that may seem only indirectly related to the field […] As a matter of fact, the term ›biological anthropology‹ is a relatively new term most synonymous with human biology as envisioned by Harrison et al. (1964) […] (Bennett 1979: 3–4).
Es ist ein großes Verdienst von George W. Stocking, jr. (Chicago) im angelsächsischen Sprachraum seit dem Ende der 1960er Jahre mit zahlreichen Veröffentlichungen zur
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Geschichte der Anthropologie ein Interesse an Fragestellungen aus diesem Bereich (auch international) geweckt zu haben. Maßgeblich dazu beigetragen hat sein Essayband Race, Culture, and Evolution. Essays in the History of Anthropology (1968)8 sowie die von ihm bis Band 9 betreute Buchreihe mit dem Titel History of Anthropology. In dieser Reihe ist 1988 als fünfter Beitrag der Essayband Bones, Bodies, Behavior. Essays on Biological Anthropology erschienen, ein Werk, in dem die Wortkombination »biologische Anthropologie« im Untertitel erscheint.9 Das mag zunächst verwundern, findet man doch innerhalb der angelsächsischen »anthropology« (s. u.) die biologische Anthropologie häufig unter dem Term »physical anthropology.«10 Gebraucht man nun aber das Adjektiv »physisch« entsprechend seiner Bedeutung (Physis griech. Natur) als Gegensatz beispielsweise zu metaphysisch, handelt es sich um ein synonymes Begriffspaar zur biologischen Anthropologie und hat daher seine Berechtigung. In diesem Fall der Namengebung liegt also der Schwerpunkt bei der Betrachtung in der »Natur« und nicht in der »Kultur« des Menschen.11 Stocking versuchte deshalb schon mit seinen einleitenden Bemerkungen die Gefahr einer inhaltlichen und begrifflichen Mißdeutung zu umgehen. Er stützte sich hier insbesondere auf die Genese von bekannten Theorien und Aussagen sowie auf praxisrelevante Basisfakten und Befunde aus der aktuellen Forschung sowie der Geschichte der Anthropologie.12 Für sein Vorgehen findet sich folgende Begründung: So long as that is the case, the borderland between biology and culture is likely to remain a controversial ground. Historically, one response has been for the protagonists of one or the Die relativ frühe Bandbreite in Stockings Themata verdeutlichen bereits die 11 in diesem Buch zu findenden Essays: 1. On the Limits of »Presentism« and »Historicism« in the Historiography of the Behavioral Sciences, 2. French Anthropology in 1800, 3. The Persistence of Polygenist Thought in Post-Darwinian Anthropology, 4. Matthew Arnold, E. B. Tylor, and the Uses of Invention, 5. »Cultural Darwinism« and »Philosophical Idealism« in E. B. Tylor, 6. The Dark-Skinned Savage: The Image of Primitive Man in Evolutionary Anthropology, 7. From Physics to Ethnology, 8. The Critique of Racial Formalism, 9. Franz Boas and the Culture Concept in Historical Perspective, 10. Lamarckianism in American Social Science, 1890–1915, 11. The Scientific Reaction Against Cultural Anthropology, 1917–1920 (Stocking 1968: 1–307). 9 Weitere Bände unter der Herausgeberschaft von Stocking Jr. umfaßten die Themen: Vol. 1 – Observers Observed. Essays on Ethnographic Fieldwork, Vol. 2 – Functionalism Historicized. Essays on British Social Anthropology, Vol. 3 – Objects and Others. Essays on Museum and Material Culture, Vol. 4 – Malinowski, Rivers, Benedict and Others. Essays on Culture and Personality, Vol. 6 – Romantic Motives. Essays on Anthropological Sensibility, Vol. 7 – Colonial Situations. Essays on the Contextualization of Ethnographic Knowledge, Vol. 8 – Volksgeist as Method and Ethic. Essays on Boasian Ethnography and the German Anthropological Tradition. 10 »If the history of anthropology is defined in terms of ›the systematic study of human unity-in-diversity‹ […], then the history of thought about physical variety of humankind, and about the relations of the biological and the cultural in the understanding of human behavior, must command attention« (Stocking 1988: 3). Vgl. ebenso Beals & Hoijer (1953) sowie Harrison & Montagna (1969); weiterführend siehe Hrdlicka (1918), Lasker (1961), Kelso (1970), Lasker (1970), Buettner-Janusch (1973), Johnston (1982). 11 Da aber gerade in Deutschland das Wort »physisch« oftmals im Zusammenhang mit »psychisch« Verwendung fand bzw. findet, läuft die physische Anthropologie samt ihrer Definition »Gefahr, als rein somatische Anthropologie mißgedeutet zu werden« (Knußmann 1988: 4). Es ist daher präziser von biologischer Anthropologie zu sprechen. 12 Vgl. auch Ingold (1985). 8
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other side to claim as much of the disputed territory as possible; another has been that of intellectual isolationism, either mutual or asymmetrical. But there is also an historical basis for an embracive and holistic conception of anthropology, in which the interface between biology and culture, rather than a disputed boundary, is primary arena of inquiry. However dangerous the ground in that arena, it seems unlikely that it will be abandoned permanently. And despite – or as a respone to – the powerful centrifugal forces at work in the discipline today, there have recently been voices raised on both sides of the Atlantic in favor of a more unified science of humankind […] (Stocking 1988b: 15).
Stocking sieht ferner im weiteren Verlauf seiner Darstellung eine wissenschaftliche Kontinuität der Anthropologie zur Evolutionsbiologie, wobei er besonders die 1940er Jahre als eine Zeit beschreibt, in der ein interdisziplinäres Umdenken in der Anthropologie auf internationalem Niveau durch Fortschritte in den Biowissenschaften am eindrucksvollsten gelang (Zeit der zweiten darwinschen Revolution): By the 1940 s, however, many of the conceptual, methodological, and ideological barriers that had reinforced the anti-evolutionary orientation in sociocultural anthropology and sustained its separation from paleoanthropological and other biological inquiry were being broken down […] More generally, the elaboration of the modern ›synthetic theory of evolution‹ in the works of Theodosius Dobzhansky, Julian Huxley, Ernst Mayr, and George Gaylord Simpson provided the basis for a more dynamically adaptive paleoanthropology (Stocking 1988b: 13).
Das Buch von 1988 besteht aus sieben, teilweise sehr heterogenen Beiträgen, wobei allerdings unmittelbar nur die Fallstudien von Michael Hammond (»The shadow man paradigm in paleoanthropology«), Robert Proctor (»From anthropology to Rassenkunde in the German anthropological tradition«), Elazar Bazar (»Mobilizing scientists against nazi racism«) sowie Donna J. Haraway (»Remodelling the human way of life: Sherwood Washburn and the new physical anthropology«) für das hier zu behandelnde Thema relevant sind (vgl. auch Chiarelli 1992, Mikels-Carrasco 2012). Einen Definitionsversuch für biologische Anthropologie etc. sucht man – obwohl im Titel angekündigt – in den Beiträgen vergeblich. Als Abschluß der hier stellvertretend angeführten Beispiele aus der anglo-amerikanischen Literatur soll noch kurz auf das Werk von Noel T. Boaz (Bend, Oregon) und Alan J. Almquist (Hayward) eingegangen werden (1997, 1999). Nachdem im Jahre 1995 Boaz gemeinsam mit Linda D. Wolfe (Greenville) bereits das Buch Biological Anthropology. The State of the Science vorgelegt hatte, folgten im Abstand von zwei Jahren zusammen mit Almquist zwei weitere synthetische Werke zum gleichen Thema.13 Stellvertretend sei hier auf das Buch Essentials of Biological Anthropology aus dem Jahre 1999 hingewiesen.14 Es ist neben Parks Buch (1999) nicht nur »Biological anthropology has become a field that is advancing on many fronts at once – molecular, paleoanthropological, and socio-ecological, to name just three of the most active. But equally important are developments in evolutionary medicine, growth and development, human diversity, and studies in adaptability. In addition to theoretical developments, methodological advances present a challenge to practicing biological anthropologists. Methods of analysing data are changing and new ways of communicating information are flourishing. Significant among these are biostatistics, three dimensional imaging, and electronic communication and publishing. Finally the field is still searching for how to incorporate that quintessentially human adaptation, ›culture,‹ into its research paradigm, and still retain its central biological and ›evolutionary‹ perspective, subjects discussed in the last chapters in the book« (Boaz & Wolfe 1995: V). 14 Vgl. auch Boaz & Almquist (1997) sowie Park (1999). 13
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das derzeit aktuellste, sondern auch das übersichtlichste Werk zu dieser Thematik, ziehen doch die Autoren in mehreren Kapiteln inhaltliche Querverbindungen von »Evolutionary Perspectives on Human Biology and Behavior« (Kapitel 1) bis hin zu »The Modern Human Condition in Evolutionary Perspective: Applied Biological Anthropology« (Kapitel 13). Zahlreiche Aussagen ihres Vorgängerwerkes Biological Anthropology. A Synthetic Approach to Human Evolution (1997) sind allerdings mit denen von 1999 identisch. Biologische Anthropologie verstehen die Autoren als »the study of human evolution, biology, Imperivariation, and adaptation (also known as physical anthropology) [und als] historical science, concerned with reconstructing past events.« Weiter heißt es: Biological Anthropology is about humankind’s place in nature, how we came to be, how and why our bodies and brains are built the way they are, and why we behave as we do. Portions of these subjects are studied by scientists in many diverse disciplines, but the general, or holistic, study of them is the domain of biological anthropology. This broad-based understanding of the human organism is the strength of biological anthropology, and in today’s increasingly specialized world of science, it is an important perspective (Boaz & Almquist 1999: 1, 6 Hervorhebungen im Orig.).
Zentral für alle Arbeiten auf diesem Gebiet sei ferner »evolution by natural selection, Charles Darwin’s theory to explain the origin and diversity of species on earth« (ebd., Hervorhebung im Orig.).15 Als Paradigmen einer biologischen Anthropologie sehen die Autoren im Gegensatz zu Thomas S. Kuhns Definition (1962): 1. die (idealistische) Typologie, 2. die Kultur und 3. Evolution durch natürliche Auslese (ebd.: 5–7).16 Für einen anderen methodologischen Zugang zur biologischen Anthropologie (als die bisher vorgestellten Ansätze) entschieden sich 1972 in der BRD der Philosoph Hans-Georg Gadamer sowie der Mediziner Paul Vogler; wobei der von Gadamer sich hier grundlegend von den anthropologisch-philosophischen Ansätzen Max Schelers, Arnold Gehlens, Helmut Pleßners oder Edmund Husserls unterscheidet. Es handelt sich um zwei Teilbände der von Gadamer und Vogler edierten siebenbändigen Reihe Neue Anthropologie, die die Überschrift Biologische Anthropologie tragen. In diesen beiden Sammelbänden versuchten 20 Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fachbereichen sich in Kapiteln über Grundlagen (u. a. P. Vogler, St. Vogel), Evolutionslehre (u. a. O. H. Schindewolf, A. Remane, H. M. Peters), Verhaltensforschung/ Humanethologie (u. a. B. Hassenstein, I. Eibl-Eibesfeldt) und Humanmedizinische Aspekte (u. a. K. Goerttler, W. Kretschmer, P. Vogler) dem Themengegenstand zu nähern. Dabei bemerkte Gadamer zur methodologischen Herangehensweise und über die Aufgaben einer neuen Anthropologie aus der Sicht des Philosophen:
»Biological anthropologists deal with the problems of understanding how and why groups of people differ physically and genetically from one another, how they adapt biologically to their environment, how they grow and develop, and how the human species ultimately originated in the animal world. These questions can be framed broadly as questions relating to human evolution, that is, the laws that underlie human variation, adaptation, and patterns of physical change through space and time« (Boaz & Almquist 1997: 10). 16 Paradigma = a framework for understanding and interpreting observations (ebd.). Paradigma(ta) – disziplinäre Matrix: allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern (Kuhn 1962). 15
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Der Wechselwirkungen zwischen dem auf wissenschaftliche Weise durch die anthropologische Forschung ermittelten Menschlichen und diesem in sich kontroversen und relativen Wertbild sind viele […] Kurz, das normative Menschenbild, das, noch so unvollständig und vage, allem menschlichen Sozialverhalten zugrunde liegt, läßt sich nicht nur in der Forschung nie ganz ausschalten – es sollte auch nie ganz ausgeschaltet werden. Es macht die Wissenschaft erst zu einer Erfahrung für den Menschen. Alles, was die Wissenschaft der Anthropologie leisten kann, die eine Integration unseres Wissens vom Menschen versucht, ist, beide Wissensströme zu vereinigen und die Vorurteile, die auf beiden dahingetragen werden, bewußt zu machen […] So dient die Wissenschaft über den Menschen dem Wissen des Menschen von sich selbst und damit der Praxis (Gadamer 1972: XXXVI).
Obwohl sich Gadamer über Aussagen der philosophischen Anthropologie dem Thema näherte, nimmt dennoch bei ihm – wie schon zuvor bei Stocking jr. sowie Boaz & Almquist – der Bezug zur Evolutionslehre eine zentrale Position ein, auch ausgewiesen durch ein separates Kapitel. Für die Herausgeber scheint demnach zwischen Anthropologie und Evolutionsbiologie in Form der biologischen Anthropologie ein deutbarer Kausalnexus zu bestehen. Die Ausführungen des Paläontologen Otto Heinrich Schindewolf zur »Phylogenie und Anthropologie aus paläontologischer Sicht« und des Zoologen und Anthropologen Adolf Remane über »Die Bedeutung der Evolutionslehre für die allgemeine Anthropologie« zielen in diese angestrebte Richtung, obwohl beide im deutschen Sprachraum nicht gerade zu den prägendsten Evolutionstheoretikern im darwinschen Sinne gerechnet werden können, da sie teilweise antievolutionäre Sichtweisen vertraten.17 Remane, von seiner Ausbildung sowohl Anthropologe als auch Zoologe, konstatierte dennoch treffend: Eine allgemeine Anthropologie wurde erst möglich, als der Mensch als Naturwesen erkannt und in die biologische Natur eingereiht wurde (Remane 1972: 293).
Die beiden hier erwähnten Teilbände der Neuen Anthropologie wie auch die aus dem angelsächsischen Sprachraum vorgestellten Werke präsentieren aus unterschiedlichen Blickwinkeln den derzeitigen Forschungsstand und zeigen dabei gleichzeitig die Defizite in der Bearbeitung auf. Gemeinsam ist allen Bänden, anthropologische Ergebnisse mit evolutionsbiologischen oder umgekehrt zu verbinden bzw. in Einklang bringen zu wollen.18 Unterschiede zeigen sich in den Herangehensweisen und den jeweiligen Schwerpunktsetzungen. Zudem fehlt in nahezu fast allen hier besprochenen Werken eine wissenschaftshistorische Verortung des Faches; ein Zugang, wie ihn aber bereits 30 Jahre zuvor der Philosoph Hugo Dingler in seiner »Philosophischen Begründung …« zu Heberers Sammelwerk über Die Evolution der Organismen (1943) gewählt hatte. Parallel zu diesen Entwicklungen war das Thema Ende der 1980er Jahre ebenso in der DDR präsent. So veranstaltete die am 21. Januar 1986 in Berlin gegründete Sektion »Theorie und Geschichte der Biologie« der Biologischen Gesellschaft der DDR am 17. März 1988 in Halle (Saale) ein Symposium zum Thema »Grundlinien Vgl. Junker (2000b), Reif (1983, 1986, 1999, 2000), Zachos & Hoßfeld (2001) sowie Hoßfeld & Zachos (2009). 18 In Parks Buch von 1999 findet sich beispielsweise in den 15 Überschriften der Teilkapitel das Wort bzw. ein Bezug zur »Evolution« acht mal. Vgl. weiterführend Binford (1987), Boyd & Silk (1997), Clark & Willermet (1997), Marks (1995), Podolefsky & Brown (1994) sowie Relethford (1997). 17
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der Geschichte der biologischen Anthropologie«. Der daraufhin 1990 erschienene Sammelband (Kirschke 1990) ist mit seinen spezifischen Beiträgen dem Problemfeld »biologische Anthropologie« unmittelbar zuzuordnen.19 Bis heute existiert – bis auf die eingangs erwähnte kleine Abhandlung aus DDRZeiten (Kirschke 1990) – keine Geschichte der biologischen Anthropologie für den deutschen Sprachraum. Hingegen wurde versucht, sowohl in Abhandlungen das Gesamtfach betreffend – wie die Geschichte der Anthropologie von von Eickstedt in seiner Abhandlung »Forschung am Menschen« (1937–43: 189–357), der Geschichte von Mühlmann (1. Auflage 1948, 2. Auflage 1968) und der von Ilse Schwidetzky (in: Knußmann 1988, S. 47–126)20 – wie auch in einer Reihe von Aufsätzen in Zeitschriften, Sach- und Lehrbüchern, Sammelbänden sowie Katalogen21, sich mit einzelnen Facetten zur Geschichte der (biologischen) Anthropologie auseinanderzusetzen. Interessant ist weiterhin, daß die Geschichte der Anthropologie bis auf Emanuel Rádls Ausführungen in seiner Geschichte der biologischen Theorien (1909: 305–326) in der Folgezeit in keiner weiteren Biologiegeschichte des 20./21. Jahrhunderts mehr thematisiert wurde.22
Damit schloß man inhaltlich u. a. an das zuvor im Herbst 1985 abgehaltene X. Kühlungsborner Kolloquium »Der Mensch als biopsychosoziale Einheit« (Geißler & Hörz 1988) an. Vom 2. bis 3. Oktober 1987 veranstaltete die Leopoldina ein Symposium »Humanethologie im Spektrum der Wissenschaften« (Kirschke & Kirschke 1988), im Jahr 1991 erschien die Abhandlung »Menschwerdung« (Herrmann & Ullrich 1991). 20 Bereits 1865 hatte der Thüringer Gymnasiallehrer Karl Schmidt eine Geschichte der Anthropologie vorgelegt, die thematisch in die Bereiche der Psychologie und Philosophie hineinreichte. 21 Vgl. Scheidt (1922, 1923), A. H. Schultz (1930), Schmidt (1932), von Eickstedt (1937–43), Sombart (1938), Saller (1950), Mühlmann (1951), Fischer (1953), Weinert (1960), Preuschoft (1972), Stagl (1974), Querner (1986), Zängl-Kumpf (1990), Elsner (2002), Rabinow et al. (2004) sowie Regenspurger & v. Zantwijk (2005a/b). Hier ragt, was ihren wissenschaftshistorischen Gehalt betrifft, das Werk von von Eickstedt besonders heraus. Auf 2645 Seiten entwirft er eine detaillierte Darstellung einer »Allgemeinen Anthropologie«, mit zahlreichen Querverweisen auf die Geschichte und Theorie des Faches. Sie hat »in der anthropologischen Lehrbuchliteratur keine ebenbürtige Entsprechung« (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 121). Für den anglo-amerikanischen Sprachraum vgl. u.a. Spencers zweibändige History of physical anthropology (1997). 22 Vgl. u.a. Tschulok (1910), Locy (1910, 1915), May (1914), Nordenskiöld (1920–24, 1926), Almquist (1931), Schmucker (1936), Nowikoff (1949), Buddenbrock (1951), Ballauf (1954), Bodenheimer (1958), Asimov (1964, 1968), Ungerer (1966), Blacher (1972), Hoppe (1976), Jahn et al. (1982), Mayr (1982, 1984), Coleman (1987), Singer (1989), Jahn (1990b, 1998), Bäumer (1991–1996) und Junker (2004b). Nur die 2003 erschienene schwedische Biologiegeschichte, verfaßt von Nils Uddenberg, ragt mit einem separaten Kapitel »Folkslagens natur. Om biologisk antropologi och rasbiologi« in dieser Aufzählung heraus. Diese zuvor getroffene Einschätzung trifft weitgehend auch für Abhandlungen zur »Geschichte der Medizin« zu: vgl. aus der Fülle an Publikationen hier u. a. Meyer-Steineg, Th. & K. Sudhoff (1950): Geschichte der Medizin im Überblick mit Abbildungen. Jena: Gustav Fischer; Rothschuh, K. E. (1978): Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart. Stuttgart: Hippokrates Verlag oder Eckart, W. (1990): Geschichte der Medizin. Berlin: Springer. 19
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1.3 Definition und Periodisierungen
In den einleitenden Bemerkungen konnte gezeigt werden, daß sich die »biologische Anthropologie« einerseits als eine Disziplin der Biologie definieren läßt, die den Menschen als Organismus behandelt und sich dabei besonders auf die menschliche Stammesentwicklung (Phylogenese), die menschliche Keimesentwicklung (Ontogenese), auf Fragen der Variabilität, des Wachstums und der Konstitution des Menschen bezieht. Das gilt insbesondere für die Zeit nach 1859.23 Andererseits kann man unter »biologischer Anthropologie« aber ebenso eine Art von Anthropologie verstehen, die Teile der historischen und aktuellen Biowissenschaften – insbesondere aus dem Gebiet der Evolutions- und Darwinismusforschung – in sich schlüssig integriert (hier wird auch die Zeit vor 1859 beachtet).24 Nachfolgend soll mit dem zweiten Definitionsvorschlag – »Biologische Anthropologie als Teil der Biowissenschaften, die ihr Hauptaugenmerk auf die Kausalverbindungen zur Evolutionsbiologie richtet« – gearbeitet werden.25 Der Grund für die Bevorzugung dieser Definition liegt darin, daß sich diese Kooperation, retrospektiv betrachtet, als die produktivste für die Anthropologie im Laufe der letzten 150 Jahre erwiesen und den Gang der Naturwissenschaften entscheidend mitgeprägt und beeinflußt hat.26 Aktuell ist auch von einer »evolutionären Anthropologie« und »biohistorischen Anthropologie« die Rede, die Bestandteile einer biologischen Anthropologie umfaßt (Sommer & Krüger 2011, Sommer 2015; vgl. auch Georgievsky 2009): Park definiert die biologische Anthropologie als »Subfield of anthropology that studies humans as a biological species […] bioanthropology: Another name for biological anthropology« (Park 1999: 9). Für eine Analyse des Anthropologiebegriffs im 18. Jahrhundert vgl. Linden (1976). 24 Des weiteren ließen sich, ähnlich der Eugenik-Definition, auch zwei Teildefinitionen – mit einem Zugang über die Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsideologie – formulieren: zum einen eine positive biologische Anthropologie, die sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hominidenforschung, Primatologie usw. stützt, zum anderen eine negative biologische Anthropologie, die unrühmliche Höhepunkte in der Anwendung anthropologischen Wissens in der Rassenbiologie, Rassenhygiene etc. erlebte. Vgl. z.B. den Band »Biologie«, Bd. 1/A-Me, S. 250–51, Leipzig: VEB F. A. Brockhaus Verlag, 1986. 25 Der Fachbereich 21 der Universität Mainz definierte (seinerzeit) das Forschungsziel der biologischen Anthropologie ähnlich: »das Problemfeld Evolution des Menschen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschreiben, zu analysieren und zu interpretieren […] Studium der Variabilität der Hominiden (Fam. Menschenartige) in Raum und Zeit« (http://www.uni-mainz.de/FB/Biologie/ Anthropologie/anthro.html). 26 Es sei an dieser Stelle bereits darauf verwiesen, daß im weiteren Verlauf der Begriff Anthropologie weitgehend ohne Zusatz im Sinne von »biologischer« Anthropologie benutzt wird, also auch »in dem Sinne, in dem allein der Begriff im deutschsprachigen Raum eine institutionalisierte Wissenschaft bezeichnet« (Knußmann 1988: 4). Anthropologie meint in dieser Abhandlung damit nachfolgend immer »biologische Anthropologie«. Katz hat aus anglo-amerikanischer Perspektive in seinem Essayband dazu folgendes bemerkt: »›Physical anthropology‹ was the first term used for studying the physical evidence (fossil and skeletal) of human evolution. Recently this term has been generally supplanted by ›human biology‹ in England and ›biological anthropology‹ in the United States. Rather than attempt to make fine distinctions of questionable value to a book of readings organized around holistic and synthetic concepts, I have chosen to use the term ›biological anthropology‹ throughout« (Katz 1975: 1, Fußnote). 23
Definition und Periodisierungen
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Unter Evolutionärer Anthropologie oder dem häufiger anzutreffenden englischen Begriff evolutionary anthropology wird heute zumeist ein integratives Forschungsfeld verstanden, das die biologische und kulturelle Vielfalt und Geschichte der Menschheit aus evolutionstheoretischer Perspektive untersucht. Es handelt sich dabei um syn- und diachrone vergleichende Forschung zu den Unterschieden in Genen, kognitiven Fähigkeiten, Sozialsystemen und Kulturen der Primaten (Sommer 2015: 9; Hervorhebungen im Orig.).
Neben der Klärung von Definitionsfragen und sprachlichen Aspekten27 erscheint für eine Bearbeitung des Themas ebenso die Frage nach der Periodisierung (nach zeitlichen Epochen und thematischen Inhalten) bedeutsam. An Vorschlägen für wissenschaftshistorische Periodisierungen innerhalb der Anthropologie sind in der Literatur in den letzten Jahren verschiedene Varianten vorgestellt und diskutiert worden, von denen stellvertretend an dieser Stelle zwei erwähnt seien. Es handelt sich zum einen um eine europäische Variante, die an die deutschsprachige Entwicklung anschließt, zum anderen um eine außereuropäische, mehr angelsächsisch orientierte Einteilung. Im Jahre 1968 erschien die zweite Auflage der Geschichte der Anthropologie des deutschen Ethnologen Wilhelm E. Mühlmann (1904–1988). Das Manuskript zur ersten Auflage hatte Mühlmann seinerzeit für die von Erich Rothacker herausgegebene Buchreihe »Geschichte der Wissenschaften« verfaßt.28 Mühlmann unterteilt seine Geschichte in 11 Phasen (ebd.: 25–243) und orientiert sich dabei vorwiegend an der eigenen Erfahrung: I. II. III.
Die Anthropologie in der antiken Welt (Einstellung zu den Barbaren, Herodot und Thukydides, Hellenismus), Die Anthropologie im Zeitalter der Entdeckungen (Mittelalter, arabische Reisende, Epoche der Conquista), Die kritische Epoche (der cartesianische Bruch, jesuitische Missionare, Linné usw.),
Zur Sprache der biologischen Anthropologie bemerkten Boaz und Almquist in ihrem Lehrbuch 1997: »The language of biological anthropology is composed of the specialized jargons of a number of scientific disciplines, as well as some jargon unique to biological anthropology itself. Much of this terminological details is unnecessary at an introductory level. Some general categories of terms are, however, necessary for an understanding of the field. Many of the basic descriptive terms in biological anthropology are anatomical. In fact biological anthropology is frequently called ›physical anthropology‹ because of its roots in investigating the physical structure of the human body« (ebd.: 16). 28 Zur Genese sowie den Folgen bemerkte er: »Nach dem Erscheinen [der 1. Auflage] war der Verfasser eine Zeitlang bei den Fachgenossen als Historiker der Anthropologie abgestempelt. Nichts hätte falscher sein können. […] So konnte ich mich lange Zeit nicht entschließen, an die längst fällig gewordene 2. Auflage heranzugehen, obwohl die Kritik der 1. Auflage, besonders von amerikanischer Seite, freundlich und ermutigend gewesen war. […] Was mich zur Neubearbeitung reizte, waren weniger die Unvollkommenheiten jener Nachkriegspublikation mit ihrem damals nötigen Verzicht auf viele Details, auf eine präzise Nachweisung der Quellen und Belege und eine ausgiebige Bibliographie. Es waren vorab andere Überlegungen: 1. Ich konnte jetzt versuchen, das Konzept einer überfachlichen Anthropologie […] zur Reife zu bringen […] 3. So konnte ich also auch meine eigene Eingespanntheit in das Netz der Forschung nicht mehr als Hindernis empfinden, im Gegenteil. Manche der Entwicklungen […] habe ich selber mitverfolgt, zum Teil aus nächster Nähe, auf einigen Fachgebieten in bescheidenem Maße mitbestimmend« (Mühlmann 1968: 11–12, Hervorhebungen im Orig.). 27
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Einführung
IV.
Die klassische Epoche (Aufschwung der deutschen Anthropologie, J. R. und G. Forster, Blumenbach, Meiners, Herder, Kant, W. von Humboldt usw.), V. Romantik und historische Schule (Lehre vom »Volksgeist« usw.), VI. Westeuropäische Entwicklungen (Comtes Positivismus, Naturforschung usw.), VII. Die Entfaltung des Positivismus (1860–1900) – (anthropologische Gesellschaften, Rassenkunde und Abstammungslehre, H. Spencer, Sozialdarwinismus usw.), VIII. Krise und Besinnung (A. Schopenhauer, F. Nietzsche, Philosophie und Anthropologie usw.), IX. Die Erforschung der »menschlichen Natur« (Erblehre, Sozialpsychologie, Persönlichkeitsforschung usw.), X. Fortentwicklung der hominiden Anthropologie (Paläo-Anthropologie, Rassenbiologie und Genetik des Menschen usw.), XI. Fortentwicklung der humaniden Anthropologie (Ethnographische Soziologie, Mythologie und Religionsphänomenologie usw.). Dieser Ansatz ist umfassend, weist aber methodologische und inhaltliche Lücken für das 19. und erst recht das 20. Jahrhundert auf, dem zentralen Zeitraum für die Genese der biologischen Anthropologie. Die vielfältigen und zum Teil widrigen Verflechtungen der Anthropologie mit der jeweils vorherrschenden Politik und Ideologie (Weimarer Republik bis Drittes Reich) werden nur sporadisch aufgezeigt. Die Stärken der Mühlmannschen Argumentation liegen in der Darstellung der »Verhältnisse« bis 1900 sowie in der umfassenden Referenz der Fachliteratur.29 Demgegenüber unterbreitete im Jahre 1974 der langjährige Kurator des Pitt River Museums und ehemalige »Diploma Secretary« für Anthropologie an der Universität Oxford (1939–1963), Thomas Kenneth Penniman, in einem Reprint30 mit dem Titel A hundred years of anthropology31, einen anderen Vorschlag. Nach einem einführenden Später haben dann u. a. Helmut Hofer und Günter Altner ein plausibles »Zweiphasenmodell« postuliert: »Von Darwin (1859) und Th. H. Huxley (1863) bis etwa zur Mitte des dritten Jahrzehntes unseres Jahrhunderts war das Hauptanliegen der Nachweis, daß der Mensch ein Primat ist, der von subhumanen Formen abstammt. Der Beweis konnte nur anhand fossiler Dokumente, im Sinne des historischen Ablaufes des Evolutionsgeschehens geführt werden. Das Jahr 1925 markiert den Beginn der zweiten Periode [A. R. Dart veröffentlichte seine Studie über Australopithecus africanus, …]. Damit änderte sich die Fragestellung, die die zweite Periode kennzeichnet: Was hat es für die Interpretation des Menschen zu bedeuten, daß er von subhumanen Primaten abstammt, deren stammesgeschichtliches Erbe er mit sich trägt?« (Hofer 1972: 4, Hervorhebungen im Orig.). 30 Dem Reprint waren bereits drei Auflagen (1. Aufl. 1935) des gleichnamigen Buches vorausgegangen. 31 »Anthropology is the science of man, a master-science, embracing first, such biological studies as help to explain what man is and was, and his place in the realm of animated nature […] In one aspect it is a branch of natural history, and embraces the study of his origin and position in the realm of animated nature. In so far as it is a comparative study of the anatomical and physiological characters which determine man’s zoological position, it forms a part of the general study of zoology […] In another aspect, anthropology is the science of history, in that it explains how ›man, in his collective capacity, must needs act in order to furnish the material of that regular sequence of events which may be recorded or not, but which when it is recorded, goes by the name of history« (Penniman 1974: 9, 15). 29
Definition und Periodisierungen
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Kapitel unterscheidet Penniman aus der Tradition und Sichtweise des anglo-amerikanischen Sprachraumes heraus fünf Perioden (Penniman 1974: 23–373): I. II. III. IV.
V.
The Formulary Period: Anthropology before 1835, The Convergent Period: 1835–1859, The Constructive Period: 1859–1900 (The Origin of Species, Biological Discoveries and General Anthropology, The Study of Primitive Peoples, Linguistics, Technology, Archaeology, Palaeontology, Recapitulation), The Critical Period: 1900–1935 (The Subject Outlined; Physical Anthropology; Psychology, the Link between Physical and Cultural Anthropology; Cultural Anthropology; Environment, the Medium in Which Man and Culture Develop; General Ethnology and Ethnography), Convergence and Consolidation: 1935- (Trends Towards a New Constructive Period; Prehistory and Technology in the Old World; Physical Anthropology: A Survey of Developments; Americanist Studies; General Ethnology and Social Anthropology; Postcript).
Diese Periodisierung fokussiert schärfer als der Ansatz von Mühlmann, ist begrifflich exakter formuliert und zeigt deutlicher, was sowohl inhaltlich als auch zeitlich unter Anthropologie subsumiert werden kann. Diese auf der angelsächsischen Anthropologietradition beruhende Einteilung erscheint damit zunächst übersichtlicher, hat aber Schwächen beispielsweise in der Nichtberücksichtigung deutscher oder französischer Traditionslinien. Nachfolgend wird mit keinem der beiden hier erwähnten Vorschläge gearbeitet, da in beiden Periodisierungen sowohl die Evolutionsbiologie als auch der Einfluß des Darwinismus auf die Anthropologie nur wenig Berücksichtigung findet. Vielmehr soll ein eigener Vorschlag unterbreitet werden, der stärker die Geschichte der Anthropologie und Geschichte der Evolutionsbiologie innerhalb ihrer Entwicklungen berücksichtigt, scheinen doch hier zahlreiche Parallelen und Gemeinsamkeiten aufzutreten, während die Unterschiede geringer sind. Damit wird einer biologischen Anthropologie adäquat Rechnung getragen. Für eine wissenschaftshistorische Darstellung der biologischen Anthropologie im deutschen Sprachraum ergeben sich demnach zwei Großphasen mit fünf Unteretappen: I. Biologische Anthropologie vor/mit Darwin: 1. die vordarwinsche Zeit bis 1859 (Anfänge), 2. die Zeit um/nach 1859 (erste darwinsche Revolution); II. Biologische Anthropologie nach Darwin: 3. die Zeit um 1900 (zwischen Mendelismus, Eugenik und Sozialdarwinismus), 4. die 1930er bis 1940er Jahre (zweite darwinsche Revolution) und 5. die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Mitte der 1970er Jahre (Teilung Deutschlands, Kalter Krieg usw.).
1.4 Zum Aufbau der Arbeit
Der Inhalt des Buches folgt der Chronologie der Ereignisse, d. h. in den jeweiligen Kapiteln werden die einzelnen Perioden anhand wichtiger Protagonisten, Ereignisse, Strukturen und Forschungsergebnisse dargestellt. Dabei wird mit Hilfe ausgewähl-
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Einführung
ter Beispiele ein synthetischer Diskussionsansatz propagiert, der bestimmte Elemente von biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie in der Betrachtung und Analyse zu vereinen sucht. Das Wechselverhältnis von Politik, Ideologie und Wissenschaft wird dabei stets berücksichtigt (Ash 2002). Dieser synthetische Diskussionsansatz soll ferner in die noch aufzuzeigende Traditionslinie einer speziellen biologischen Anthropologieentwicklung (für Jena) integriert werden, da hier die Genese des Faches schon frühzeitig – durch das Wirken Haeckels, Schleidens u. a. – im evolutionsbiologischen Kontext stand. Nach der Einleitung, die den Grundansatz des Buches, eine Analyse des Forschungsstandes sowie Fragen der Definition und Periodisierung von biologischer Anthropologie beinhaltet, folgt zunächst ein wissenschaftstheoretisches Kapitel über »Wesen und Methoden der Anthropologie«. An dieser Stelle wird bereits deutlich werden, wie vielfältig sich in der Historie die Definitionsversuche zur Anthropologie aus heutiger Sicht präsentieren. Ebenso wird auf die Inhalte, Gliederung, Stellung, Bedeutung und die Hauptfachrichtungen des Faches verwiesen. Im dritten Kapitel wird ein Bogen von dieser methodologisch-theoretischen Seite zur Vorgeschichte des Faches gespannt und die Genese desselben anhand der Zeitepochen – vom Orient bis hin zur Aufklärung – untersucht. Dabei werden wichtige Protagonisten sowie deren Werke und Aussagen zu Wort kommen, aber auch Querverbindungen zum Evolutionsgedanken der vordarwinschen Ära sowie Verbindungen zur jeweiligen Politik und Gesellschaftsform Berücksichtigung finden. Daran anschließend wird die Gründungs- und Findungsphase des Faches, die unmittelbar im Anschluß an die Veröffentlichung von Darwins Werk Origin of Species (1859) erfolgte, näher beleuchtet. Das Werk des Naturforschers Karl Ernst von Baer und seines Lehrers Karl Friedrich Burdach sowie das auf Initiative von von Baer und Rudolph Wagner 1861 in Göttingen organisierte »Anthropologen-Treffen« waren dabei wichtige Meilensteine dieses Prozesses. Das fünfte Kapitel ist dem für die Entwicklung der biologischen Anthropologie so bedeutsamen Jahr 1863 gewidmet, als zeitgleich und in verschiedenen Ländern Naturwissenschaftler sich mit der Frage nach der Herkunft und der Stellung des Menschen in der Natur beschäftigten und ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in zahlreichen Publikationen vorlegten. Die Universität Jena und dortige Gelehrte ragen dabei besonders heraus. Das Jahr 1863 kann unmittelbar als das Gründungsjahr für eine biologische Anthropologie, deren Aussagen stark auf dem darwinschen Theoriengebäude basierten, angesehen werden. Wie im fünften Kapitel dargestellt, spielten an der Universität Jena lehrende Wissenschaftler (Haeckel, Schleicher, Schleiden, Snell) eine dominierende Rolle bei der inhaltlichen Findung und Etablierung des Faches. Zentral war hierfür das Wirken Haeckels, dessen anthropologisches Werk im sechsten Kapitel näher untersucht wird. Dieser Aspekt seines Werkes ist in bisherigen Untersuchungen über Leben und Werk des Jenaer Zoologen vernachlässigt worden, war aber ebenso bedeutend wie dessen zoologische, deszendenztheoretische und philosophische Verdienste. Für Deutschland sollten Haeckels Aussagen für zwei Wissenschaftlergenerationen, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, prägend werden. Um entsprechend diese im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten deutschen Entwicklungstrends innerhalb der »Internationale der biologischen Anthropolo-
Zum Aufbau der Arbeit
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gen« einordnen und vergleichen zu können, folgen im siebenten Kapitel kurze Analysen der Institutionalisierung der Anthropologie in anderen Ländern (Österreich, Schweiz, Rußland/Sowjetunion, Skandinavien, USA). Das achte Kapitel schließt wieder an die Ausführungen des sechsten Kapitels an, indem nun in der Chronologie fortfahrend, auf die Zeit um/nach 1900 geblendet wird. Die Wiederentdeckung der Mendelschen Regeln um 1900 stellte dabei nicht nur für die Biologie im Allgemeinen, sondern auch für eine Reihe spezieller Fachdisziplinen einen Wendepunkt dar. Mit diesen Regeln wurde nun erstmals ein Material verfügbar gemacht, das es den Wissenschaftlern erlaubte, die gefundenen Ergebnisse nicht mehr nur auf das Pflanzen- und Tierreich, sondern auch konkret auf den Menschen zu übertragen. Es begann die Zeit der Eugenik, des Sozialdarwinismus und der aufkommenden Rassenhygiene und Rassenkunde. Daneben wurde aber auch noch eine Reihe von Zeitschriften gegründet bzw. fanden landesweit institutionelle Veränderungen statt. Das neunte Kapitel ist dem Übergang der biologischen Anthropologie von der Weimarer Republik zum Dritten Reich gewidmet, wobei Haeckel die zentrale Gestalt und Jena der spezielle Ort ist. Am Fallbeispiel der Universität Jena werden generelle und individuelle Entwicklungstrends vorgestellt. Es wird dabei deutlich, daß Jena innerhalb der Genese der biologischen Anthropologie (nach 1863) nun unter nationalsozialistischen Rahmenbedingungen in Deutschland wiederum eine Sonderstellung zukam. Im sich anschließenden zehnten Kapitel werden anhand einer umfassenden inhaltlichen Analyse von Texten aus ausgewählten biowissenschaftlichen Zeitschriften sowie eines Standardwerkes der damaligen Zeit, Heberers Die Evolution der Organismen (1943), Trends, Diskussionen und Kontroversen innerhalb der nun stattfindenden »zweiten darwinschen Revolution« aufgezeigt. Diese werden im Fokus des Kausalnexusses von Anthropologie und Synthetischer Theorie der Evolution ebenso wie im nationalen und internationalen Zusammenhang (unter dem Einfluß von Politik, Ideologie und Weltanschauung) diskutiert. Das vorletzte Kapitel behandelt dann einzelne Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie in Deutschland nach 1945. Dabei stehen ausgewählte Protagonisten des Faches und deren Werk, Aussagen zum institutionellen Neubeginn in Deutschland (exemplifiziert am Beispiel von Jena und damit auch für die gesamte Entwicklung in der DDR stehend) ebenso im Mittelpunkt wie ein kurzer Überblick über die Etappen der Hominidenevolution im 20. Jahrhundert. Der umfassendste Teilpunkt im zehnten Kapitel ist aber der Analyse von wichtigen Schriften der Nachkriegszeit hinsichtlich des Zusammenhanges von Anthropologie und Evolutionsbiologie gewidmet. Dabei kommen auch die wissenschaftlichen Gegner einer solchen Verbindung zu Wort. Danach folgen noch Aussagen zur Entwicklung der anthropologischen Teilgebiete sowie zur biologischen Anthropologie als akademischem Fach (aus heutiger Sicht). Das Kapitel wird schließlich mit einem Ausblick auf die beiden Jahrhunderte beendet.
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Einführung
2. Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
2.1 Historie und Terminologie
D
er Term »Anthropologie«1 geht auf Aristoteles zurück und taucht in dessen Nikomachischer Ethik auf.2 Auch finden sich erste Hinweise bei spätantiken Autoren wie z. B. bei Pseudo-Dionysius Areopagita, dessen Schriften als »Einbruchstelle der gnostisch-theosophischen Spekulationen des Orients ins christlich-abendländische Denken« gedeutet werden können (Marquardt 1965: 224, Stagl 1974: 15).3 In der mittelalterlichen Theologie kannte man ebenso das Wort Anthropologie nicht, hatte aber wohl eine Lehre vom Menschen, die in der thomistischen Formel vom »animal rationale« zusammengefaßt werden kann (Gehlen 1961: 7, Hinske 1962: 112). Später erscheint das Wort erst wieder 1655 bei Isaak de la Peyriére in dessen Buch über die »Praeadamiten«, wo er bereits die Herkunftsfrage sowie die Frage nach den Unterschieden innerhalb des Menschengeschlechts gestellt hatte. La Peyriére verstand unter Anthropologie Anatomie und Physiologie.4 Der erste bedeutende Buchtitel, in dem das Wort vorkommt, war die Schrift Anthropologium de hominis dignitate, natura et proprietatibus, de elementis, partibus et Anthropologie ist die Wissenschaft vom Menschen, wie das Wort in eigentlicher Übersetzung besagt (anthropos gr. Mensch, logos gr. Kunde = Menschenkunde). 2 Dort hat es »die wenig reputierliche Bedeutung von Schwätzer« (Müller 1972: 198, Anm. 160). 3 »Der Begriff »Anthropologie« wurde von der nominalistischen, anthropozentrischen Strömung getragen, die mit der Renaissance im Abendland zum Durchbruch kam. Auch der Begriff »Humanismus« gehört – schon rein sprachlich – in diesen Zusammenhang. Die Anthropologie unternahm es, den Menschen dergestalt zu verselbständigen, daß sie ihn sowohl aus seinen theologisch-metaphysischen als auch aus seinen mathematisch-naturwissenschaftlichen Bezügen herauslöste und ihn als geschlossene Ganzheit darstellte […] Mit Hilfe des Schlagwortes Anthropologie emanzipierte sich die humanistische Schulphilosophie aus der theologisch-metaphysischen Tradition des Mittelalters […] In diesem Sinne galt die Anthropologie bis ins 19. Jahrhundert hinein als etwas spezifisch Deutsches« (Stagl 1974: 16). 4 »Vor Adam habe es schon Menschen gegeben, zu ihnen gehören alle fremden Völker, die Heiden. Sie wurden zusammen mit den Tieren geschaffen« (Querner 1986: 284). 1
His torie und Terminologie
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membris humani corporis etc. de spiritu humano etc. de anima humana et ipsius appendiciis des Leipziger Magisters Magnus Hundt (1449–1519) von 1501.5 Erst im 18. Jahrhundert, 300 Jahre nach Hundt, sollte dann aber beispielsweise mit den Schriften Johann Christian August Heinroths Lehrbuch der Anthropologie (1822), Ernst Platners Anthropologie für Aerzte und Weltweise (1772) bzw. Neue Anthropologie für Ärzte und Weltweise (1790) oder Johann Iths Versuch einer Anthropologie oder Philosophie des Menschen nach seinen körperlichen Anlagen (1794/95) eine umfassende und die eigentliche Thematisierung der Anthropologie einsetzen.6 Als älteste Zeitschrift für Anthropologie gilt das »Magazin für die Naturgeschichte des Menschen«, herausgegeben vom Gräflich Stollbergschen Hofrath Dr. C. Grosse (Halle) – »der Weltweisheit Doktor, der Naturforschenden Gesellschaft in Halle ordentliches Mitglied« – und ab 1788 bei Johann David Schöps in Zittau/ Leipzig verlegt (Knußmann 1988: 60). Blumenbach u. a. Gelehrte haben hier publiziert, der dritte Band war ausschließlich Blumenbach gewidmet. Allerdings mußte das Erscheinen nach diesem Band eingestellt werden: Der Inhalt dieser ältesten anthropologischen Zeitschrift zeigt eine wissenschaftlich einwandfreie Haltung [… Sie] ist ein würdiger Vorläufer der besten späteren anthropologischen Zeitschriften und sondert sich – im übrigen für die damalige Zeit verständlicherweise – von den modernen Fachorganen nur dadurch [ab], daß gelegentlich auch noch individualbiologische Ansätze hereingenommen werden. Diese gehören heute natürlich in anatomische, physiologische oder psychologische Zeitschriften (von Eickstedt 1937–43: 302).
Eine zweite Zeitschrift, die bisher in diesem Zusammenhang kaum Erwähnung in der Literatur zur Anthropologiegeschichte fand, erschien ab 1823 – »als die Anthropologie schon unter der Zersetzung durch die Naturphilosophie zu leiden hatte« – unter Leitung des Psychiaters Friedrich Nasse (1778–1851) bei Carl Cnobloch in Leipzig (Schwidetzky 1986: 233–236). Sie trug den Titel »Zeitschrift für Anthropologie«. Für seine Zeit ungewöhnlich, beschrieb Nasse die Aufgabe der Anthropologie im ersten Heft mit folgenden Worten: Es ist erfreuend zu schauen, wie der uralte Stamm naturwissenschaftlicher Forschung seine Zweige immer gedrängter […] in den unendlichen Raum hinaustreibt. Wer die Physik, die Chemie, die Zoologie der jetzigen Zeit denen vor hundert Jahren vergleicht, dem mag wohl […] der Gedanke entstehen, es nahe mit raschen Schritten das Ziel naturwissenschaftlicher Erkenntniß, wo der Mensch die Einsicht in den Zusammenhang der Dinge […] zu seiner Befriedigung erlangt haben wird […] In der Naturgeschichte hat man lange den Menschen unter die Thiere gerechnet, und noch jetzt muß er bei den Zoologen hier und da als ein solches figurieren […] Gerade an einer so reich ausgestatteten Natur, wie die des Menschen, mußte am meisten zu theilen seyn, und so zerfiel sie denn an Psychologen, Zoologen, Physiologen und Anatomen; jeglicher nahm sein Theil […] Und auf diesem Punkt steht die Anthropologie denn noch jetzt. »Es ist eine in Lateinisch geschriebene allgemeine Anatomie und Psychologie des Menschen, nach dem damaligen Stand der Kenntnisse mit vielen spekulativen Passagen. Ähnlich ist die Anthropologia von Casmannus (1596) aufgebaut. Bei J. Sperling (1656) tritt im Titel zum erstenmal das Wort »physische Anthropologie« (Anthropologia physica) auf, doch wird wiederum die seelisch-geistige Seite des Menschen mitbehandelt« (Knußmann 1988: 81; Marquardt 1971). 6 Erweiterte Diskussionsansätze finden sich aber auch bei Ludwig (1796), Wenzel (1802) oder Hillebrand (1822). So unterteilt Hillebrand die »Menschenkunde« beispielsweise in drei Teile: 1. Allgemeine Naturlehe des Menschen, 2. Besondere Naturlehre des Menschen und 3. Pragmatische Anthropologie. Vgl. dazu weiterführend Regenspurger & v. Zantwijk (2005a). 5
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Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
Abb. 1: Der phrenologische Versuch in der Anthropologie des Magnus Hundt 1501. In: Eickstedt, Egon Frh. von: Rassenkunde und Rassengeschichte des Menschen, Zweiter Band, Stuttgart 1944, S. 977.
Die Erkenntniß, die Lehre vom Menschen müßte eben den Menschen, und den ganzen, umfassen, sie müsse dies naturwissenschaftlich, also derselben Betrachtungsweise folgend, durch die ihre vorgeeilten naturforschenden Gefährtinnen das geworden sind, was sie jetzt sind, ist zwar lebendiger geworden […] Das Leben der Anthropologie ist erwacht, aber es hat sich noch keinen Organismus gebildet […] (Nasse 1823: 1, 5, 8).
Mit dieser Beschreibung des Faches schloß Nasse nahtlos und explizit an die Ausführungen von Casmann (Anthropologia, 1596) an, indem er als Erster Körper und Seele in den Mittelpunkt der Betrachtung rückte.7 Bereits nach vier Jahrgängen stellte diese Zeitschrift – wie ihre Vorläuferin, die »Zeitschrift für psychische Ärzte« (1818–1822) – aber ihr Erscheinen ein. Vier Jahre nach dem letzten Band der »Zeitschrift für Anthropologie« gründete Nasse 1830 dann nochmals eine neue Zeitschrift mit dem Titel »Die Jahrbücher für Anthropologie und zur Pathologie und Therapie des Irrseyns«; es erschien aber nur ein Band (Schwidetzky 1986: 235).8 In der Folgezeit bis etwa zur Veröffentlichung von Darwins Origin of Species gab es dann zahlreiche weitere Versuche, sich inhaltlich und per definitionem der In den folgenden Bänden publizierte er dann zu anthropologischen Themata wie beispielsweise »Über die Bedingungen der Menschenverschiedenheit« (1823), »Zur Physiologie des Negerkörpers« (1823) oder »Über den Ursprung der Sprache« (1826). 8 Ähnliches gilt für das »Central-Blatt für Anthropologie«, das ebenso nach ein paar Monaten sein Erscheinen einstellen mußte. 7
His torie und Terminologie
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Anthropologie zu nähern, wobei aber naturgeschichtliche und psychologisch-philosophische Argumentationsmuster überwogen.9 So sei als frühes Beispiel einer Anthropologie-Definition aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts auf die in Johann Peter Ludewigs Universallexikon (1733) verwiesen. Hier finden sich in der Spalte 522 folgende Ausführungen: Anthropologia, von Anthropos, dem Menschen, und Logos, die Rede, heißet auch sonsten Anthropometria, eine Rede vom Menschen, ist das Special-Theil der Physic, in welchem die natürliche Beschaffenheit und der gesunde Zustand des Menschen, sonderlich was seine physicalischen und natürlichen Eigenschaften betrifft, abgehandelt und erklähret wird. Ob nun schon diese Lehre eigentlich zur Physic gehöret, wie denn auch sogar in etlichen Systematibus der Welt-Weißheit ein besonderer Teil der Philosophie unter diesem Nahmen anzutreffen, so haben doch die Medici, weil sie von denen Physicis meistenteils nicht vollkommen tractiret wird, sondern nur die Anfangs-Gründe darinn gezeiget werden, ihnen aber viel daran gelegen ist, solche Abhandlung vor sich nehmen müssen. Anbey ist auch noch dieses zu mercken, daß, wenn man das Wort Anthropologie überhaupt nehmen will, auch die Lehre von der moralischen Beschaffenheit des Menschen zugleich mit abzuhandeln, ja auch die Vernunfft-Lehre dahin zu ziehen wäre; weil aber hieraus ein ungeheurer Cörper erwachsen würde, so hat man die moralische Betrachtung des Menschen in die Ethik und die Untersuchung des menschlichen Verstandes in die Logic lociret.10
In ähnlicher Weise sollte dann auch der Anatom und Physiologe Karl Friedrich Burdach seine Definition von Anthropologie fast einhundert Jahre später formulieren (vgl. Kapitel 4.1.1; Breidbach 2005). Für den eigentlichen begrifflichen Wandel der Anthropologie11 steht in der vordarwinschen Phase dann eigentlich erst Burdachs Schüler Karl Ernst von Baer. Hatte dieser noch 1824 die Anthropologie als Anatomie und Physiologie des Menschen umschrieben, sprach er fast vier Jahrzehnte später auf dem Göttinger-Treffen dann schon von einer »vergleichenden Anthropologie« (v. Baer & Wagner 1861: 2).12 Vgl. Marquardt (1992), Nowitzki (2001), Eckardt et al. (2001) usw. Zitiert nach Mühlmann (1951: 84). 11 So lange das Fachgebiet der Anthropologie existiert, so lange haben sich auch schon die Gelehrten darüber verständigt, wie denn nun sowohl terminologisch als auch inhaltlich die »Anthropologie« zu fassen, zu definieren sei. Es ist daher bis heute noch keine leichte Aufgabe, den Forschungszweig der Anthropologie umfassend zu beschreiben, hat er sich doch im Laufe der Zeit so vielseitig und in so verschiedene Richtungen entwickelt. Ebenso fällt es nach wie vor schwer, die Anthropologie gegenüber ihren Nachbargebieten wie beispielsweise der Ur- und Frühgeschichte, der Völkerkunde oder auch der Psychologie eindeutig abzugrenzen: »Die Psychologie und die Soziologie sind heute die wichtigsten Nachbarwissenschaften der naturwissenschaftlichen Anthropologie geworden, nicht mehr (wie zu Brocas und Virchows Zeiten) die Völkerkunde und die Urgeschichte. Für den Kliniker oder Biologen, der um die Erkenntnis des Menschen bemüht ist, sind heute die Ergebnisse und Methoden der Tiefenpsychologie, Sozial- und Entwicklungspsychologie im allgemeinen wichtiger als die der Urgeschichte, die der Soziologie bedeutungsvoller als etwa einer kulturhistorisch orientierten Völkerkunde« (Mühlmann 1951: 89–90, Hervorhebungen im Orig.). Vgl. auch »Anthropology as a Natural Science« (Nikityuk 1978) bzw. »Anthropologie als Naturwissenschaft« (Schwidetzky 1977). 12 Mit wachsender Institutionalisierung des Faches kam es ebenso zu verschiedenen Inhaltsbezeichnungen: so beispielsweise 1870 anläßlich der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (als Deutsche Anthropologische Gesellschaft später abgekürzt). Mit dieser Bezeichnung verstand sich die Anthropologie einerseits als gleicher naturwissenschaftlicher Bestandteil neben anderen Fachdisziplinen, andererseits aber auch als Überbegriff für 9
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Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
Inhaltliche und konzeptionelle Forschungsergebnisse sollten sich im Laufe der Jahrzehnte dann immer wieder direkt in den Anthropologiedefinitionen niederschlagen, wobei die biologischen Inhalte in den einzelnen Definitionen zunahmen. So liest man dann beispielsweise in der nach der dritten französischen Ausgabe von Richard Neuhaus übersetzten Anthropologie (1888) von Paul Topinard (1830–1911) gegenüber Ludewigs Definition von 1733: Die Anthropologie ist derjenige Zweig der Naturgeschichte, welcher vom Menschen und seinen Rassen handelt. Diese Formulirung schliesst die folgenden ein: Anthropologie ist die Wissenschaft, welche das Studium der Gruppe Mensch zum Gegenstande hat und sie in ihrer Gesammtheit, ihren Einzelheiten und ihren Beziehungen zur übrigen Natur betrachtet. (Broca.) Die Anthropologie ist eine reine und bestimmte Wissenschaft, welche die vollständige Kenntnis der Gruppe Mensch zum Ziele hat und sie studirt 1) in jeder der vier typischen Eintheilungen (Varietät, Rasse, Art, falls es eine giebt), unter einander und mit ihrer jedesmaligen Umgebung verglichen; 2) in ihrer Gesammtheit und ihren Beziehungen zur übrigen Fauna. (Bertillon.) Die Anthropologie ist die Naturgeschichte des Menschen als Monographie in dem Sinne eines Zoologen, der ein Thier studirt. (de Quatrefages.) Ihre Aufgabe ergiebt sich daraus (Topinard 1888: 2).
Als umfassendster Definitionsversuch im 20. Jahrhundert gilt der Vorschlag von Rudolf Martin, den er 1914 in der ersten Auflage seines Lehrbuches der Anthropologie unterbreitete: Die Anthropologie ist die Naturgeschichte der Hominiden in ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung. Damit ist festgelegt 1) daß die Anthropologie eine Gruppenwissenschaft ist und daß daher Menschliche Anatomie, Physiologie usw. als Individualwissenschaften aus ihrem Rahmen ausgeschlossen sind, 2) daß sie sich nur mit der Physis der Hominiden beschäftigt, und 3) daß sie den ganzen Formenkreis dieser zoologischen Gruppe ohne jede Einschränkung umfaßt« (Martin 1914: 1).13
Eugen Fischer schränkte jedoch vier Jahrzehnte später diesen Vorschlag ein und ergänzte: Mit dem Begriff ›Hominiden‹ in obiger Definition umfaßt man sowohl die gesamte lebende Menschheit (zoologisch) wie auch alle Formen der Vergangenheit, die wir nach ihrer Morphologie und geologischen Lagerung als deren Ahnen oder deren Anverwandte ansprechen können (Paläanthropologie). Die Naturgeschichte der Hominiden ist damit eine abgegrenzte Wissenschaft neben den anderen, wenn auch der Name Anthropologie für sie umstritten und zweideutig bleibt. Das Wort enthält nur den Begriff Mensch, nicht aber, was hier anders als beim Wort Zoologie nötig wäre, den Begriff Natur, um die Beschränkung auf das Naturwisdie in der Gesellschaft verbundenen Fachgebiete. Später löste sich dann die physische Anthropologie aus dem Fächerverbund und machte sich wie in einer Reihe anderer Länder selbständig. 13 »Wer den Schaden kennt, den der Mangel einer solchen genauen Begriffsbestimmung der Anthropologie gebracht hat, wird es begreiflich finden, wenn ich mich kurz auf eine Definitionsformulirung einlasse« (Martin 1901: 6). Martins Vorschlag sollte dabei in den nächsten Jahrzehnten für die Geschichte der biologischen Anthropologie zentral werden, kommen doch hier gleich zwei Teilaspekte vor, denen man bei einem wissenschaftshistorischen Exkurs durch die Anthropologie immer wieder begegnet. So schlägt Martin im ersten Teil der Definition eine historische Brücke zu jener Zeit, in der man unter Anthropologie insbesondere die Naturgeschichte des Menschen verstand und dabei wesentliche Elemente der Psychologie sowie Philosophie integrierte. Der zweite Teil hingegen weist mit der Terminologie jener Jahre bereits auf anthropologische Entwicklungen und Inhalte hin, wo die Verbindung von anthropologischem Wissen mit der Evolutionsbiologie zentral werden sollte.
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senschaftliche auszudrücken. Darum können so viele andere den Namen mit ganz anderem ausfüllen als der Naturforscher! Und mit Recht, denn jener hat weder Prioritätsrechte noch sprachliche Gründe noch selber Einheitlichkeit seiner Auffassungen (Fischer 1953: 199, Hervorhebung im Orig.).14
Aus Fischers Kritik wird sichtbar, daß die eigentliche Übersetzung des Wortes aus dem Griechischen (auch noch aus heutiger Sicht) für eine allgemeine Definition nicht ausreicht, sondern es aufgrund von Sprachbarrieren, unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen, verschiedenen Kulturkreisen, Problemen in der Grenzziehung des Faches usw. eher zu einer Vieldeutigkeit in den begrifflichen Formulierungen – anstatt einer Vereinheitlichung – gekommen ist: Die terminologische Verwirrung erscheint also, international betrachtet, fast hoffnungslos. Man könnte aber Beispiele dafür beibringen, daß selbst innerhalb Deutschlands die Konfusion derartig angewachsen ist, daß manche Fachvertreter der (naturwissenschaftlichen) Anthropologie den Terminus ›Anthropologie‹ heute bereits als belastet empfinden und davon abrücken; sie bezeichnen sich als ›Humanbiologen‹ oder ›Humangenetiker‹ (Mühlmann 1951: 86).
Nachfolgend sollen einige dieser zum Teil heute noch gebräuchlichen Begrifflichkeiten und Definitionsversuche15 für Anthropologie exemplarisch vorgestellt werden, um auf die historische (nationale) Bandbreite zu verweisen. So liest man bei Wolfgang Hauschild in dessen Grundriß (1926): Als Anthropologie bezeichnet man die Naturgeschichte des Menschen mit Rücksicht auf seine Stellung im Tierreiche. Diese Wissenschaft setzt also einen Vergleich voraus – den Vergleich des Menschen mit dem Tier und der Menschen untereinander in körperlicher Hinsicht – die sogenannte physische Anthropologie, oder in geistiger, auf Grund seiner intellektuellen Erzeugnisse, die physische Anthropologie und Ethnologie […] Die Wissenschaft ist also rein beschreibend auf geschichtlicher Grundlage, die sich nicht nur mit den lebenden Primaten (Herrentiere), sondern auch mit allen verwandten Formen befaßt, welche bisher die Erde bevölkerten und als Ahnen der heute lebenden Herrentiere zu betrachten sind. Dadurch wird das ganze Gebiet der Anthropologie zoologisch und auch zeitlich umgrenzt (Hauschild 1926: 1).
Walter Scheidt definierte die Anthropologie 1948 in seinem Lehrbuch als die Lehre von der Natur des denkenden Menschen. Sie setzt die Zoologie des Menschen voraus. Diese besteht aus den Kennerschaften der Anatomie, der Organphysiologie, der Entwicklungsgeschichte und der Genetik. Die Aufgabe der Anthropologie wird aus der Kulturgeschichte, besonders aus der Geschichte der Naturforschung und der Mathematik und aus den erkenntnistheoretischen Systemen ersichtlich (Scheidt 1948: 7).
Wilhelm E. Mühlmann führte hingegen in seiner Geschichte der Anthropologie (1951) aus: Anthropologie als eine zusammenfassende theoretische Wissenschaft vom Menschen wird von mir definiert als: die Wissenschaft von der Entstehung, Entwicklung und Differenzierung der Daraus erwachse ferner nun die Notwendigkeit, einen fest geprägten eigenen Namen zu formulieren, »damit die Unsicherheit, ob man von Anthropologie im engeren oder weiteren Sinn spricht, ob man bei Zufügung von ›physisch‹ wirklich Erbpsychologie ausschließen will, endlich aufhört« (ebd.: 199). 15 »Grundsätzlich besteht ein stufenloser Übergang von Namen zu Definitionen; denn je ausgedehnter eine Bezeichnung für ein Fach ist, desto mehr nimmt sie den Charakter einer Definition an« (Knußmann 1988: 4). 14
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menschlichen Art und von den variierenden Formen ihres Verhaltens in der Auseinandersetzung mit variierenden (physischen, sozialen und kulturellen) Umwelten (Mühlmann 1951: 90).
Die vielleicht bis heute brauchbarste Definition im Hinblick auf eine »Systemanalyse der Anthropologie« (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982) findet sich in der »Zeitschrift für die vergleichende Forschung am Menschen – HOMO« (1974) und wurde von sechs namhaften deutschen Anthropologen verfaßt: Als anthropologisch sollen alle Arbeiten klassifiziert werden, die sich mit der Variabilität normaler biologischer Merkmale der Hominiden befassen (Jürgens et al. 1974: 37).
Die Beispiele ließen sich noch beliebig fortführen. Es wird an dieser Stelle aber bereits deutlich, daß es schwer fällt, sich auf die, auf eine Definition für Anthropologie zu einigen. Der Vergleich der angeführten Definitionen zeigt im Laufe der Jahrhunderte einen Wandel von einer zunächst vorherrschenden Reduktion auf geisteswisenschaftliche hin zu einer Fokussierung auf mehr naturwissenschaftliche (biologische) Inhalte.16 So heißt es demzufolge in einer Definition zur (biologischen) Anthropologie in einem der neueren biologischen Nachschlagewerke: Abgesehen v. der geisteswissenschaftlichen Seite der A. (Philosophische A., Psychologische A., Kultur-A., Theologische A., Pädagogische A.), beschäftigt sich die naturwissenschaftlichbiologisch orientierte A. mit der körperl. Konstitution u. dem Verhalten (Anthropobiologie, Humanbiologie), der Abstammung (Paläo-A.) u. der Erbbiologie des Menschen (Humangenetik), einschl. der angeborenen Stoffwechselkrankheiten (Medizinische A.).17
Als treffendster und wohl allgemein verständlichster Zusatz sollte sich neben einer Reihe von Adjektiven wie philosophisch, medizinisch, psychologisch, pädagogisch, kybernetisch18 usw. – auch aufgrund seiner inhaltlichen Breite sowie thematischen Relevanz und Aktualität – das Adjektiv biologisch (teilweise auch im Sinne von naturwissenschaftlich verwendet; s. o.) erweisen. Auch, wenn die biologische Anthropologie als Themengegenstand in den letzten Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Literatur mehr oder weniger vernachlässigt wurde, stammten doch die grundlegendsten anthropologischen Forschungsergebnisse (bis in die Mitte der 1970er Jahre hinein) hauptsächlich aus dem Umfeld der Bio- und Naturwissenschaften und sollten deshalb unter dem Begriff biologische Anthropologie subsumiert werden.19 Im Jahre 1953 hatte E. Fischer deshalb schon einen Vorschlag unterbreitet, wie er sich die Um die Vieldeutigkeit in der Begriffs- und Themenfokussierung – die bis in unsere heutigen Tage anhält – aufgrund der unterschiedlichen wissenschaftlichen Verwendungen jedoch einzugrenzen, hat man in den letzten Jahrzehnten dem Wort »Anthropologie«, besonders im deutschen Sprachgebiet, präzisierend jeweils ein Adjektiv davor gestellt. 17 Vgl. Herder »Lexikon der Biologie«, Erster Band: A bis Bilzingsleben, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg et al., 1994, S. 199, Abkürzungen und Hervorhebungen im Orig. 18 Als kybernetische Anthropologie »sei die zukünftige Wissenschaft bezeichnet, welche menschliches Denken und Verhalten auf die Wirkung informationeller Strukturen zurückführt« (Steinbuch 1972: 59). Vgl. ebenso Mühlmann (1956), Mohr (1981) usw. 19 »[Geschichte der biologischen Anthropologie], zu der im deutschsprachigen Raum die Humangenetik, die Konstitutionsforschung, die menschliche Abstammungslehre und die Rassenkunde gehören [… ebenso dazu gehören auch] Teile des anthropologischen Werkes von Kant bis Herder sowie die Bemühungen, die Geschichte des Menschen und die politischen Auseinandersetzungen naturgeschichtlich zu deuten, wie man es vor allem im 19. Jahrhundert findet« (Querner 1986: 281). 16
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Aufgaben einer zukünftigen Anthropologie – der »Anthropobiologie«20 – vorstellte (Fischer 1953: 206). Er unterteilte diese in acht Hauptgruppen und wollte damit Umfang und Vielseitigkeit aufzeigen, aber auch Einseitigkeit vermeiden.21 Es gab aber auch den Versuch, neben der Erfassung der Seite des Menschen durch die Methoden der Naturwissenschaft eine Zuordnung von physischen und kognitiven Leistungen zur Anthropologie (wie bereits zur Zeit der Aufklärung) zu treffen, insbesondere durch von Eickstedt und seine »Mainzer Schule« (I. Schwidetzky, R. Knußmann u. a.): Bewußt also wird die Form, und zwar die lebende, wechselnde, wirkende und wirkliche Form, auch die handelnde und beseelte ganze Form in den Vordergrund gestellt. Von diesem natürlichen und wirklichkeitsgegebenen Zentrum können und müssen die Fäden zu jenen Nachbarwissenschaften gesponnen werden, die die Wirkung von Zeit und Raum auf den Menschen unter ihren jeweiligen Sondergesichtspunkten untersuchen […] Denn ohne Form keine Abstammung und keine Genetik, ohne Form keine Erscheinung und keine Wirkung, ohne lebendige, bewußtseinstragende, ohne ausdrucksfähige, vielgestaltige Form keine Seele, keine Rasse, kein Wirken. Ohne lebendige Form und Ganzheit aber auch keine fruchtbare Anthropologie (von Eickstedt 1936a: 7–9, Hervorhebung im Orig.).
Durch diese Konzentration auf die geisteswissenschaftliche Seite der Anthropologie konnte nun die Martinsche Definition von 1914 dahingehend erweitert werden, daß auch andere wissenschaftliche Teildisziplinen, die ebenfalls das Wesen des Menschen erforschen, sich der alten Bezeichnung »Anthropologie« bedienten. Die Anthropologie im Sinne von Broca (l’anthropologie est l’histoire naturelle du genre humain) und Martin mußte sich also terminologisch und inhaltlich durch ein Adjektiv hervorheben. So etablierten sich beispielsweise die »Philosophische Anthropologie« (M. Scheler)22, die Kulturanthropologie (E. Rothacker, A. Gehlen, W. E. Mühlmann), die medizinische Anthropologie (V. v. Weizsäcker; Grätzel & Schlimme 2014) oder die christliche Anthropologie (H. Thielicke)23; in Großbritannien hat sich hingegen Bereits 1913 in seiner Rehobother-Arbeit hatte er dazu bemerkt: »Zur Anthropo-Biologie, der wenigst gekannten Wissenschaft unter allen, die den Menschen als Objekt haben, sollen folgende Blätter [Bezug nehmend auf diese Arbeit] einen kleinen Beitrag leisten« (Fischer 1913: III). 21 Vgl. I. Anthropogenetik: Erblehre (Humangenetik), Variationslehre, Auslese, II. Anthropomorphologie, III. Anthropophysiologie, -psychologie, -pathologie, IV. Paläanthropologie: Palämorphologie der Hominiden, Anthropogenese, V. Rassenkunde: Rassenentstehung, Rassensystematik, Rassengeschichte, spezielle Rassenbeschreibung (Anthropographie), VI. Sozialanthropologie: Auslese, Gegenauslese, Siebung; Historische Anthropologie; Gruppenanthropologie (Kriminal-, Familienanthropologie usw.), VII. Angewandte Anthropologie (Eugenik, Rassenhygiene), VIII. Anthropologische Methodenlehre (als Anhang). 22 Die Thematik der »Philosophischen Anthropologie« gehört zum Grundbestand der abendländischen Philosophie. Die Erstellung und Tradierung »philosophischer Menschenbilder« in Theorien über den Menschen steht dabei im Mittelpunkt des Interesses. Als Disziplin geht sie aber bereits auf das 16. Jahrhundert zurück (Hundt, Casmann). Vgl. u.a. Bordt (2011). 23 Neben solchen Einzelbestrebungen übte ebenso die jeweils vorherrschende politische, gesellschaftliche Seite einen Einfluß auf die Inhalte und Namengebung der Anthropologie aus. So bemerkte der 1935 von den Nationalsozialisten in Göttingen mit Berufsverbot belegte Karl Saller anläßlich seiner Antrittsvorlesung über den »Begriff der Anthropologie« am 6. Mai 1949 an der Münchner Universität zum verhängnisvollen Zusammenschluß von Anthropologie und Politik während der Zeit des Dritten Reiches: »Die anthropologische Aufgabe mag groß sein und sie ist es tatsächlich. Das soll uns nicht abschrecken, sondern im Gegenteil anreizen. Deutschland hat in den vergangenen 20
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weitgehend die »Human Biology« gegenüber der Bezeichnung »Physical Anthropology« durchgesetzt (Roberts 1974).24 In den letzten 15 Jahren hat sich das Spektrum bei der Verwendung des Begriffes »Anthropologie« in der Titelei zahlreicher Bücher im deutschen Sprachraum geradezu inflationär entwickelt und es ist beispielsweise von Historischer Anthropologie (Tanner 2008), Strukturaler Anthropologie (Lévi-Strauss 1992), Literarischer Anthropologie (Kosenina 2008), Bild-Anthropologie (Belting 2011), Anthropologie der Migration (Six-Hohenbalken & Tosic (2009), Pädagogischer Anthropologie (Wulf & Zirfas 2013), Anthropologie des Ausdrucks (Meuter 2006), Theologischer Anthropologie (Pröpper 2011), funktioneller und spiritueller Anthropologie (Rohen 2009), Anthropologie der Romantik (Schweizer 2008), Interdisziplinärer Anthropologie (Hartung & Herrgen 2008), Psychosomatischer Anthropologie (Frick 2015) oder Anthropologischer Psychiatrie (Bock et al. 2013) die Rede! Versuch einer Lösung
In welcher Breite das Thema (Inhalte und Definition von Anthropologie) eigentlich bearbeitet werden müßte, wurde in den 1970er Jahren mittels einer Studie von Ilse Schwidetzky deutlich. Hierbei handelt es sich um die umfassendste, bisher durchgeführte Analyse zu diesem Themengegenstand. Im Oktober 1970 fand auf der Reisensburg (Gästehaus der Universität Ulm) eine Tagung über die Lage der Anthropologie in Deutschland statt. Hauptergebnis dieser Zusammenkunft war der Beschluß, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Mittel für eine »Systemanalyse der Anthropologie« zu beantragen.25 An der Tagung nahmen insgesamt 28 Wissenschaftler teil. Ein Thesenpapier von Schwidetzky beschäftigte sich dabei ausschließlich mit der Frage der Definition von Anthropologie, wobei von ihr 130 Definitionsvorschläge (in einer Analyse zusammengefaßt) präsentiert werden konnten. Die Analyse umfaßte drei Kategorien: 1. Allgemeine Enzyklopädien, 2. deutschsprachige Fachwörterbücher und 3. Anthropologiedefinitionen von Anthropologen (Schwidetzky 1974: 1). Um für allgemeingültige Aussagen möglichst vergleichbare und einheitliche Quellen zu haben, beschränkte man sich auf Definitionen in allgemeinen Enzyklopädien und führte mit diesen zwei Jahren einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch erlitten wie kaum ein Volk zuvor in seiner Geschichte. Es ist in sein Unglück gesunken, weil es den Menschen verkannt hat und die Menschlichkeit vergewaltigt bis ins Konzentrationslager und in Gaskammern. So ist uns heute fast nichts mehr verblieben als Aufgaben, Aufgaben freilich, die unser Glück sein können und gerade in unserem Ruin auch unsere Stärke, umso mehr, je größer sie vor uns hingestellt werden« (Saller 1950: 213). 24 »Heute kann man Dutzende von Anthropologien aufführen, die von einem bestimmten Fach oder von bestimmten Personen oder Gegenständen aus ein allgemeines Bild des Menschen zu zeichnen versuchen […] Man muß dies als Symptom der, wenn auch vielleicht nicht Mißachtung, so doch einer gewissen Nichtbeachtung der Anthropologie sehen, die im kontinentaleuropäischen Wissenschaftsbetrieb bisher allein die Bezeichnung Anthropologie führte. Hier liegt vielleicht eine der Wurzeln für die Identitätskrise in der Anthropologie« (Knußmann 1988: 81). 25 Der Antrag, unterzeichnet von den Anthropologen H. Baitsch (Ulm) und I. Schwidetzky (Mainz), wurde am 7. Dezember 1971 abgeschickt und mit Schreiben vom 25. Januar 1973 zu großen Teilen von der DFG genehmigt. Vgl. ebenso Schwidetzky (1975).
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Abb. 2: Verbreitung der Typen von Anthropologiedefinitionen in Europa. In: Homo XXV, 1974, S. 4.
Vergleiche durch: 1. den »synchron-regionalen Vergleich, dem die jeweils neuesten Enzyklopädien der europäischen Länder« zugrunde lagen und 2. den diachronen Vergleich, »für den sämtliche Auflagen der deutschsprachigen Konversationslexika von Brockhaus und Meyer zur Verfügung standen sowie eine Reihe von französischen Lexika, und zwar ab 1866 der große Larousse, für die Zeit davor eine Reihe älterer französischer Lexika« (ebd.: 2, Hervorhebungen im Orig.). Anschließend zählte man in den benutzten Lexika wie viele Zeilen des Textes bei dem Stichwort Anthropologie auf die Anthropologie entfielen, die heute in den Anthropologischen Instituten Deutschlands betrieben wird. Sie kann als ›vergleichende Forschung am Menschen‹ (v. Eickstedt), als Variationskunde der Hominiden oder als Bevölkerungs- und Evolutionsbiologie des Menschen (Weiner 1965) umschrieben werden (ebd.: 2).
Der synchron-regionale Vergleich erbrachte das Ergebnis, daß man drei Gruppen (Hauptregionen) von Anthropologiedefinitionen in neueren Enzyklopädien innerhalb der europäischen Länder unterscheiden konnte: 1. entweder man verstand
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unter Anthropologie nur die vergleichende biologische Anthropologie (z. B. in den ost- und südeuropäischen Ländern), oder 2. philosophische Anthropologie (z. B. Deutschland, Schweiz, Benelux-Staaten)26 oder 3. wurde die vergleichende biologische Anthropologie unter der Bezeichnung »physical anthropology« als Unterabteilung der anthropology geführt (z. B. Großbritannien, Frankreich). In den damaligen sozialistischen Ländern verstand man hingegen unter Anthropologie ausschließlich Naturwissenschaft.27 Der diachrone Vergleich der Schwidetzky-Studie von 1974 verdeutlichte hingegen noch ein anderes Phänomen. Etwa ab Beginn der 1860er Jahre erfolgte in der wissenschaftlichen Literatur ebenso eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Anthropologiebegriff. Mit dieser wissenschaftlichen Wende in unmittelbaren Zusammenhang stehen Ereignisse wie die Gründung des ersten Lehrstuhles für Anthropologie in Paris (1855), das Erscheinen von Darwins Origin of Species (1859), das 1861 in Göttingen stattgefundene Anthropologentreffen, die Gründung des Archivs für Anthropologie 1865 usw. Daraus schlußfolgerte Schwidetzky: Anthropologie ist zunächst im wörtlichen Sinne eine sehr umfassende, sehr allgemeine ›Wissenschaft vom Menschen, allerdings mit starkem Akzent auf den Naturwissenschaften. Das gilt schon für Magnus Hundt (1501), bei dem das Wort Anthropologie in der lateinischen Form Antropologium zum ersten Mal auftritt, und reicht bis zu den zahlreichen Darstellungen der Anthropologie in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts […] Neben dieser Entwicklungslinie läuft, und mit ihr zunächst nur schwach terminologisch verknüpft, die der Naturgeschichte des Menschen. Sie hat um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bereits so viel Stoff gesammelt, daß sie inmitten der anderen sich spezialisierenden Fächer zur Konsolidierung eines eigenen akademischen Faches drängt. Da sich alle anderen Fächer mit Fremdworten bezeichnen – die die internationale Verständigung erleichtern – braucht auch die Naturgeschichte einen solchen Fremdwortnamen. Es bietet sich das Wort Anthropologie an […] (ebd.: 7).
In dieser Beschreibung fokussiert Schwidetzky letztlich nochmals auf den für lange Zeit existierenden Parallellauf von philosophischer Anthropologie und Naturgeschichte des Menschen, der aber schließlich mit dem Jahr 1859 einen Abschluß fand.
»Als Teilfach der Philosophie besteht die philosophische Anthropologie. Sie geht als eigene philosophische Richtung insbesondere auf die zwanziger Jahre des deutschsprachigen Raums zurück, in denen versucht wurde, die Aussagen der sich immer mehr differenzierenden Fachwissenschaften zu einem philosophischen Gebäude über das Wesen des Menschen zu verarbeiten, wobei vor allem eine Sonderstellung des Menschen unter den Lebewesen betont wurde« (Knußmann 1988: 3, Hervorhebung im Orig.). Vgl. ebenso Altner (1972) oder Groh (1999). 27 »Anthropologie ist eine Naturwissenschaft, welche alle in der Biologie der pflanzlichen und tierischen Organismen üblichen Fragestellungen (taxonomischer, morphologischer, physiologischer, genetischer, ökologischer u. ä. Art) auf den Menschen anwendet. Zum Unterschied von den in der Biologie meist noch üblichen Gruppierungen nach taxionomischen [sic] Gesichtspunkten, welche sich vorwiegend aus dem Studium der für eine Systematik brauchbaren Formeigentümlichkeiten ergaben, muß aber die Anthropologie auch die biologische Bedeutung derjenigen Gruppierungen untersuchen, welche sich aus dem höchst differenzierten gesellschaftlichen Aufbau der Menschheit ergeben« (Grimm 1961: 1). Vgl. auch Jürgens et al. (1974). 26
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2.2 Inhalte, Gliederung, Stellung, Bedeutung und Hauptfachrichtungen
Um auf die Inhalte der Anthropologie aus heutiger Sicht näher einzugehen, sollte man den von Knußmann 1980 unterbreiteten Vorschlag aufgreifen, wo er formuliert hatte: Gegenstände der (biologischen) Anthropologie sind die Deskription und Kausalanalyse der Variabilität innerhalb der Hominiden sowie der Vergleich des Menschen mit dem Tier, soweit sich diese Aufgaben auf nicht-pathologische und mit naturwissenschaftlichen Mitteln faßbare Merkmale beziehen (Knußmann 1980: 6).
Im Handbuch der vergleichenden Biologie des Menschen, zugleich die 4. Auflage des von R. Martin begründeten Lehrbuches der Anthropologie, werden entsprechend diesem Zugang deshalb zunächst Vorschläge für eine inhaltliche Unterteilung in vier Teilbereiche gemacht: 1.
Methodische und genetische Bereiche: Morphologie, Kraniologie, Anthropometrie, Morphognostik, Dermatoglyphik, Serogenetik, Verhaltensgenetik usw., 2. Variabilität im Raum: Populationsdifferenzierung (nach Vogel 1974)28, Sozial-, Industrie-, Sport-, Geschlechter- und Konstitutionsanthropologie, Anthropographie usw., 3. Variabilität in der Zeit: Evolutionsbiologie, Paläoanthropologie, prähistorische Anthropologie usw., 4. Tier-Mensch-Vergleich: Kulturanthropologie, Primatologie, Humanethologie usw. Diese Einteilung nach Inhalten ist von allen hier untersuchten Lehrbüchern die umfassendste und fand sich in keinem Vorgängerwerk. Um hingegen eine Gliederung für die Anthropologie zu erhalten, mußten diese (mehr oder weniger in Büchern benannten inhaltlichen) Teilbereiche in einen systematischen Zusammenhang gebracht werden.29 Das Festlegen auf eine Gliederung bringt letzten Endes aber genauso wie eine Definition kein endgültiges Resultat, sondern führt mehr oder weniger wieder zwangsläufig zu Kompromissen. Mit Hilfe dieser Kompromisse wird der Anthropologe jedoch arbeitsfähig, komplettieren sich doch so erst im Verlauf der Arbeit das wissenschaftliche Vokabular und die Denkmuster. Zudem wird auch in diesem Punkt eine Abhängigkeit der Gliederung von der jeweils bevorzugten Anthropologiedefinition deutlich, zumal gesellschaftliche Verhältnisse und die Persönlichkeit des Forschers ebenso wichtige Einflußkriterien bei der Formulierung des Gliederungsvorschlages zu sein scheinen. So ist an einigen Stellen dann auch die Rede von allgemeinen oder speziellen Gesichtspunkten, von räumlichen oder zeitlichen Momenten, von Fragen nach dem Objekt oder Subjekt
als Äquivalent zu »Rassenkunde«. »Objekt, Form und Inhalt der Anthropologie, ihr gesamter und umfangreicher Stoff, kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus geordnet und gegliedert werden, und je nach Schule, Zeitströmung und Blickpunkt ist denn auch im Lauf der Entwicklung der biologischen Forschung des Menschen das Fach verschieden gegliedert worden« (von Eickstedt 1937–43: 121). 28 29
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usw., während andere Vorschläge präziser (entweder nach Formalbegriffen, Forschungsobjekten oder methodischen Aspekten) formuliert werden (s. u.). Am deutlichsten tritt der Wandel von Gliederungskonzepten innerhalb von Lehrbüchern zutage, wie beispielsweise ein Vergleich der drei im Zeitraum von 1914 bis 1957 erschienenen Auflagen des Martinschen Lehrbuches zeigt. So unterteilte Martin in der ersten Auflage von 1914 folgende Abschnitte: I. Abschnitt: Allgemeiner Teil, II. Abschnitt: Somatologie, III. Abschnitt: Kraniologie, IV. Abschnitt: Osteologie (ebd.: IX–XVI). Als System der Anthropologie empfahl er (Martin 1914: 2–3): I. Allgemeine Anthropologie30; II. Spezielle oder systematische Anthropologie: Somatologie31, Morphologie oder Merologie32, Physiologie inklusive Psychologie, Pathologie; III. Anthropographie: Beschreibung der einzelnen menschlichen Rassen. In der zweiten Auflage von 1928, in nunmehr drei Bänden mit 1816 Seiten, wurde dieses System weitgehend beibehalten. Eine völlig neue Struktur, entsprechend dem damaligen Wissensstand, findet sich dann aber in der dritten Auflage von 1957. Diese Auflage, vier Bände mit 2999 Seiten, hatte Karl Saller mit seinen Mitarbeitern (Baitsch, Bauer, Schwarzfischer, Ziegelmayer) überarbeitet und darin die Verwendung des nachfolgenden Systems postuliert (Saller 1957: 10–11): I. Allgemeine Anthropologie33, II. Allgemeine Methoden der Anthropologie34, III. Systematische Anthropologie35, IV. Angewandte Anthropologie36. Hatte Martin 1914 in seinem Lehrbuch noch in »Allgemeine Anthropologie«, »Spezielle oder systematische Anthropologie« und »Anthropographie« unterteilt,
Wesen und Aufgaben der Anthropologie, Variabilität und Variation, Erblichkeit und Vererbungsgesetze, selektive Prozesse, Wirkung äußerer Faktoren, Mischung und Kreuzung, Rassenentwicklung und Rassentod, Phylogenie der Hominiden, Beziehungen zu den übrigen Primatengruppen, Ort und Zeit der Anthropogenese, die ausgestorbenen Formen der Hominiden, Klassifikation und geographische Verbreitung der Menschenrassen. 31 Aus dem Griechischen (der Körper) – im Sinne von lebendem Körper. Vgl.: Äußere Körperform, Größe, Wachstum, Gewicht; Körpermaße und Proportionen; Integumentalorgane wie Haut, Haare und Nägel; Augenfarbe, Färbungstypen; Kopf- und Gesichtsform; einzelne Teile des Gesichtes wie die Weichteile der Augengegend, Mund- und Wangenregion, äußere Nase, Ohrmuschel. 32 Aus dem Griechischen (der Körperteil) – im Sinne des isolierten Organs, das erst nach dem Tode durch Zersplitterung des Körpers der Untersuchung zugänglich wird. Vgl. Kraniologie – Gehirnschädel, Variation der einzelnen Knochen, Gesichtsschädel, Variation der einzelnen Knochen resp. Abschnitte des Gesichtsschädels, Typologie des Schädels; übriges Skeletsystem – Proportionen, Rumpfskelet, Extremitätenskelet; Muskelsystem – Muskelvarietäten; Verdauungssystem; Respirationssystem; Urogenitalsystem – äußere Geschlechtsmerkmale; Gefäßsystem; Nervensystem – Gehirn; Sinnesorgane. 33 Vgl. A. Wesen und Aufgabe der Anthropologie, B. Geschichte der Anthropologie, C. Allgemeine Begriffe der Anthropologie (Genetik, Systematik), D. Ordnung der Primaten (Abstammungslehre), E. Klassifikation der Rassen (Rassenentstehung, Rassendynamik, Rassenlehre), F. Gliederung der Konstitutionen. 34 Vgl. A. Methoden der Materialgewinnung, B. Methoden der Messung und Beschreibung, C. Methoden der Materialbeschaffung (Statistik). 35 Vgl. A. Somatische (morphologische und physiologische) Anthropologie, B. Psychologische Anthropologie, C. Konstitutionsanthropologie (Korrelationsanthropologie). 36 Vgl. A. Alltagsanthropologie, B. Gerichtliche Anthropologie, C. Bevölkerungsbiologie und Eugenik (Erbhygiene), D. Anthropologische Medizin. 30
Inhalte, Gliederung, Stellung, Bedeutung und Haupt fachrichtungen
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erfolgte 40 Jahre später in der dritten Auflage (1957) eine Detaillierung in mehr methodisch gestützte, systematisch und praxisorientierte Bereiche. Diese zunächst mehr mittels Formalien etc. durchgeführte Gliederung (1. und 2. Auflage bei Martin) erfuhr aber bereits während der Zeit des Nationalsozialismus durch die Vorschläge von von Eickstedt auch entsprechende Ergänzungen und Präzisierungen hinsichtlich politisch-ideologischer Komponenten, wobei der Term »Rasse« zentral werden sollte und nunmehr eine zunehmende Biologisierung/Ideologisierung innerhalb der Anthropologie aufzeigte.37 In seiner umfassenden Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit unterbreitete von Eickstedt folgenden Vorschlag38: 1. Allgemeine Anthropologie oder Menschenkunde: Lehre von Ursache, Entwicklung und Verschiedenheiten derjenigen Formverbindungen, die allgemein bei allen Menschen auftreten39; 2. Spezielle systematische Anthropologie und Rassenkunde: Lehre derjenigen Formverbindungen und ihrer Verbreitung, die speziell bei bestimmten Rassen und Rassenvorfahren auftreten40; 3. Spezielle biologische Anthropologie oder Völkerbiologie (auch Sozialanthropologie oder Volkskörperforschung): Lehre von den Lebensvorgängen, die in speziellen biologischen Verbänden wie Sippen, Stämmen und Siebungsgruppen als Teile von Völkern bzw. eines einzelnen Volkskörpers auftreten. Die praktische Nutzanwendung der gewonnenen Erkenntnisse führt zur Eugenik = Rassenhygiene41. Einige Jahre nach von Eickstedt sprach Mühlmann 1951 dann von einem »anthropologischen Dreieck« (1951: 90), bestehend aus »drei speziellen Anthropologien« wie der Anthropobiologie (spezielle Anthropologie der Hominiden), der AnthropoVgl. von Eickstedt (1937–43: 121–123; Unterkapitel »Gliederung der Anthropologie«). Dort heißt es u. a.: »Wir unterscheiden demnach zwei Gliederungsprinzipien für die Anthropologie. Das erste ist das kosmische, das nach den Komponenten des Kosmos, nach Raum und Zeit, vorgeht, das zweite das gegenständliche, das nach den Bewußtseinsformen, dem Subjekt und Objekt, vorgeht. Beziehungen laufen hinüber und herüber und wurden und werden in weniger glücklichen Gliederungen auch mehr-minder erzwungen oder gedehnt. Die letztgenannte Gliederung aber wird bald mit diesen oder jenen Umstellungen und unter Hervorhebung bald dieses oder jenen Einzelgebiets besonders gern im Unterricht verwandt und läßt den materiellen Inhalt der einzelnen Unterabteilungen gut erkennen« (ebd.: 122–123); aus heutiger Sicht vgl. u.a. Cooper (2003). 38 Ebd., hier S. 123. Einen ganz anderen Gliederungsansatz, der mehr auf methodischen Aspekten beruht, findet man beispielsweise in der von Eickstedt herausgegebenen Zeitschrift für Rassenkunde im Teil »Neues Schrifttum«. Vgl. z.B. Zeitschrift für Rassenkunde, 8. Bd., 1938: 1. Biologische Anthropologie, 2. Morphologische Anthropologie, 3. Psychologische Anthropologie, 4. Historische Anthropologie und 5. Geographische Anthropologie. Noch heute lehnt sich der Referateteil der Nachfolgezeitschrift Homo weitestgehend an diese Einteilung der Vorgängerzeitschrift an. 39 Vgl. a) Menschliche Biologie: Lebensvorgänge, Hormone und Vererbung, Mutation, Auslese und Bastardierung (als zoologische, nicht als soziale Prozesse), die seelischen Verhaltensweisen; b) Rassenmorphologie der einzelnen anatomischen Regionen des Körpers, Wachstum und Proportionen, Geschlechts-, Alters- und Konstitutionsverschiedenheiten. 40 Vgl. a) Abstammungslehre und Primatenkunde, Paläanthropologie (Lehre von den ausgestorbenen Menschenrassen); b) Körperliche und verhaltensmäßige Rassenbeschreibung (Anthropographie), Rassenverbreitung und Rassenwanderung (Rassengeographie und -geschichte). 41 Vgl. a) Familienbiologie nebst Erbpathologie und Erbpsychologie, Kriminal- und Sportanthropologie, Berufstypen und Hormonaltypen, Blutgruppen; b) Bevölkerungsbiologie nebst quantitativer und qualitativer Eugenik, Gautypenforschung und Stadtanthropologie, Bevölkerungskunde (Statistik, Völkertod, Farbigenfrage), Nationalitätenpsychologien und psychologische Typenlehre. 37
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Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
psychologie (spezielle Anthropologie der Persönlichkeit) und der Anthroposoziologie (spezielle Anthropologie der Humaniden). Acht Jahre nach Mühlmann finden sich dann im Fischer-Lexikon der Anthropologie folgende Arbeits- und Zuständigkeitsgebiete der Anthropologie als Gliederung ausgewiesen (Heberer et al. 1959: 41). Dieser Vorschlag sollte zumindest bis weit in die 1970er Jahre hierbei bestimmend werden: 1. Anthropomorphologie (vergleichende allgemeine Gestaltungslehre des Körpers, der Organsysteme und Organe der Hominiden), 2. Rassenkunde (Rassenmorphologie, -systematik und -geschichte), 3. Paläanthropologie (Morphologie der fossilen Hominiden – im Rahmen der Primaten, Abstammungsgeschichte/Anthropogenese), 4. Humangenetik/Anthropogenetik (Erbgänge, Variationslehre, Auslese, Populationsgenetik usw.), 5. Anthropophysiologie (vergleichende Funktionsuntersuchung), 6. Anthropopsychologie (Erforschung der Verhaltensunterschiede), 7. Anthropopathologie (morphologische und physiologische Aberrationen), 8. Sozialanthropologie (Gruppenanthropologie) und 9. Angewandte Anthropologie (Eugenik). Die Anthropologie jener Jahrzehnte, wenn auch nicht explizit als biologische Anthropologie ausgewiesen, war entsprechend der oben angeführten Gliederungen immer biologischer und differenzierter geworden, verstand es nun besser, sich auf ihre biologischen Wurzeln (1860er Jahre) zu besinnen, diese nachhaltig zu integrieren und dabei auch die aktuellen Entwicklungstrends (Humangenetik, Molekularbiologie usw.) zu berücksichtigen. Als aktuelles und zugleich letztes Beispiel, welches weitgehend in dieser neuen Denktradition steht, soll die Gliederung aus der zweiten Auflage des Knußmannschen Lehrbuches von 1996 angeführt werden. Dieser schlägt darin folgende Einteilung vor (Knußmann 1996: IX–XII): 1.
Gegenstand, Geschichte und Methoden von Anthropologie und Humangenetik42, 2. Die Erbgrundlage und Variabilität menschlicher Merkmale43, 3. Der Lebenslauf, die geschlechtliche und die individuelle Differenzierung des Menschen (anthropologische Ontogenetik)44, 4. Die Abstammung und die geographische Differenzierung des Menschen (anthropologische Phylogenetik)45. Vgl. A. Anthropologie und Humangenetik in ihrer wissenschaftlichen Entwicklung und heutigen Bedeutung; B. Methoden der Anthropologie und Humangenetik. 43 Vgl. A. Prinzipien der Vererbung beim Menschen (Allgemeine Humangenetik), B. Ausprägung und Vererbung normaler menschlicher Merkmale (Phänomenologie und Spezielle Humangenetik normaler Merkmale), C. Vererbung und Krankheit (Spezielle Humangenetik pathologischer Merkmale). 44 Vgl. A. Entwicklung des Individuums (dynamische Konstitutionsanthropologie), B. Biologische Differenzierung der erwachsenen Bevölkerung (statistische Konstitutionsanthropologie), C. Sportund Industrieanthropologie (angewandte Konstitutionsanthropologie). 45 Vgl. A. Allgemeine Abstammungslehre des Menschen, B. Der biologische Vergleich von Mensch und Tier (indirekte Stammesgeschichte), C. Die Aussagen der Fossilgeschichte zur Abstammung des Menschen (direkte Stammesgeschichte), D. Die geographische Differenzierung des Menschen (Rassenkunde). 42
Inhalte, Gliederung, Stellung, Bedeutung und Haupt fachrichtungen
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Diese wenigen Beispiele verdeutlichen, daß ähnlich den Definitionen von Anthropologie auch innerhalb der Gliederungsvorschläge eher Heterogenität als Homogenität das Bild bestimmt; zwischen beiden Punkten aber auch ein Zusammenhang sichtbar wird. Der Einfluß der jeweils vorherrschenden Politik und Ideologie (vor und nach 1945) scheint im Gegensatz zu den Definitionen deutlicher hervorzutreten, insbesondere, wenn man sich die Gliederung von von Eickstedt aus der Zeit des Dritten Reiches näher betrachtet. Auch in der DDR ging man eigene Wege, wie die nachfolgend angeführte Gliederung beweist. So unterschied Hans Grimm (Berlin) in seiner Einführung in die Anthropologie 13 Punkte, davon einige besonders relevante für die damalige sozialistische Forschungspraxis (Grimm 1961, Inhaltsübersicht): 1. Anthropologie, ein Teil der Biologie, 2. Die Besonderheiten des Menschen vom Standpunkt der vergleichenden Biologie, 3. Einige Methoden der Anthropologie, 4. Anteil der Anthropologie an den Grundlagen der Sozialhygiene, 5. Anthropologie und Körperkultur, 6. Anthropologie als Hilfsmittel in der Rechtspflege, 7. Anteil der Anthropologie an der Psychologie, 8. Anthropologie als Voraussetzung der Soziologie, 9. Anthropologie und bildende Kunst, 10. Anthropologie als Schwesterwissenschaft der Völkerkunde, 11. Anthropologie als Hilfswissenschaft der Vorgeschichte, 12. Anthropologie als Grundlagenforschung für die Produktion und 13. Anthropologie als völkerverbindende Wissenschaft. Daneben gab es aber auch in der DDR konkrete weltanschauliche Versuche, bestimmte Teile anthropologischer Forschung wie die Betrachtung der Anthropogenese zur materialistischen Dialektik in Zusammenhang zu stellen46 oder sich bewußt von einer rassischen Inanspruchnahme der biologischen Anthropologie zu distanzieren (S. Kirschke 1987). Die Beziehungen (Kognitionswissenschaften, philosophy of mind usw.) und Bezüge der Anthropologie gegenüber anderen Wissenschaften sind außerordentlich vielseitig, wobei sich seit etwa dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die Humangenetik als unmittelbarster und engster wissenschaftlicher Partner erwiesen hat (Tomasello 2006–2014).47 Ebenso sind aber auch die Evolutionsbiologie sowie die Anatomie und Physiologie zu erwähnen. Wie noch zu zeigen sein wird, hing dieses Verhältnis unmittelbar vom jeweiligen Kenntnisstand des Wissenschaftlers in der »Die intensive Forschungstätigkeit brachte insbesondere in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Daten, deren theoretische Verarbeitung die objektive Dialektik der Anthropogenese immer offener werden läßt […] Als philosophisch-theoretische und methodologische Grundlage dienen die materialistisch-dialektische Entwicklungskonzeption, insbesondere in der marxistisch-leninistischen Literatur vorliegende Ausarbeitungen zum qualitativen Sprung, und die historisch-materialistische Auffassung vom Menschen und seiner Gesellschaft als Entwicklungskriterium« (Foerster 1981: 7) 47 »Spätestens seit den dreißiger Jahren schließt sich die Anthropologie immer stärker an die Humangenetik an. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (eröffnet 1927) unter Eugen Fischer spielte dabei eine katalysierende Rolle. Die Grenze zwischen den beiden Fächern lag dabei eigentlich nicht zwischen Anthropologie oder Humangenetik, sondern […] zwischen Anthropologie + Normal-Humangenetik und klinischer Genetik. Ein Strukturwandel der Beziehungen vollzog sich jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Entdeckung der sog. genetischen Polymorphismen […]« (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 197). Vgl. auch von Verschuer (1964) sowie Schwidetzky & Spiegel-Rösing (1976). 46
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Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
entsprechenden gesellschaftlichen Epoche ab. Während die vergleichende Anatomie als relativ alte wissenschaftliche Disziplin gilt, trifft dies für die Evolutionsbiologie, moderne Genetik und Anthropologie nicht zu. Weitere inhaltliche Beziehungen der Anthropologie zu anderen biologischen Disziplinen sind vor allem zur Zoologie, ferner noch in einer ausgeprägten Beziehung zur Allgemeinen Biologie und Genetik zu sehen. Die älteste und engste Verflechtung bestand aber schon immer in der Triade »Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte«, mit später einsetzenden Differenzierungsprozessen der beteiligten Fächer.48 Daneben existierten auch Verbindungen zur Anatomie49 oder zur Humangenetik50. Außerdem sind an dieser Stelle noch die inhaltlichen Bezüge zu anderen Fachdisziplinen erwähnenswert, so u. a. zur Sportwissenschaft (Sportanthropologie), Rechtswissenschaft (Vaterschaftsbegutachtung), Arbeits- und Sozialmedizin (Industrieanthropologie) usw.51 Die Bedeutung der Anthropologie läßt sich an dieser Stelle ebenfalls nicht umfassend darstellen, so mannigfaltig sind heute die Fachbereiche und Disziplinen, in die anthropologisches Wissen mit einfließt. Die wichtigsten aktuellen Anwendungsbereiche liegen in der Forensischen Anthropologie (Personenidentifikation, Altersdiagnose usw.), Vaterschaftsbegutachtung sowie der Industrie- und Sportanthropologie52: Anthropologisches Wissen vermag aber nicht nur wertvolle Entscheidungshilfen für das eigene Handeln zu geben, sondern es betrifft auch die Verantwortlichkeit der Gesellschaft. Deren sinnvolle Lenkungen durch die zuständigen staatlichen Organe sind in mancher Hinsicht von Erkenntnissen der Anthropologie abhängig. Deshalb kommt der Anthropologie eine hohe gesellschaftliche Relevanz zu. Die enorme politische Erheblichkeit der Anthropologie bürdet dem Anthropologen, insbesondere dem wissenschaftlich tätigen, ein hohes Maß an Verantwortung auf […] So besitzt die Anthropologie für die Erziehung der Jugend eine immense didaktische Relevanz (Knußmann 1988: 17, Hervorhebungen im Orig.).53 Vgl. hier besonders die Wahl von Gesellschafts-Namen oder die Titel von wissenschaftlichen Zeitschriften; vgl. dazu weiterführend u. a. Ranke (1893), Mühlmann (1968), Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982: 158–199) sowie Schlette (1990). 49 So entstanden später eine Reihe Anthropologischer Institute als Abteilungen Anatomischer Institute – Breslau, Kiel, Tübingen usw.; waren zahlreiche Anatomen in den Editorial Boards anthropologischer Zeitschriften wie z. B. in der Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie, Zeitschrift für Rassenkunde zu finden etc.; vgl. auch von Eggeling (1943). 50 Vgl. dazu als Beispiele: das Erscheinen der Erbpathologie von E. Baur, E. Fischer & F. Lenz (1921); die Leitung einer »Abteilung für Genealogie und Demographie« der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in München durch Ernst Rüdin; das Aufkommen der Populationsgenetik (T. Dobzhansky, Thomas H. Morgan u. a.), die fortan maßgeblich die Inhalte in den Biowissenschaften mitprägen sollte; die Organisation von Gesellschaften für Humangenetik wie beispielsweise 1965 die Gründung der Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik in Freiburg (Greil & Grupe 2013) usw. 51 Zu Beziehungen der Anthropologie hinsichtlich der Forschungspraxis vgl. Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982) sowie Knußmann (1988: 15–16). 52 Industrieanthropologie: Gestaltung der Umwelt des Menschen nach seinen physischen Bedürfnissen – Arbeitsplatzgestaltung; Sportanthropologie: Aufzeigen von Beziehungen zwischen Körperbau und sportlicher Leistung. 53 Knußmann sieht darüber hinaus noch folgende Probleme, mit denen sich die Anthropologie zukünftig aufgrund ihres Gegenstandes und ihrer Bedeutung auseinandersetzen muß: a) mit der Identifizierung (Anthropologie versus Natur- oder Geisteswissenschaft), b) mit der Thematik (Unüberschaubarkeit der Bezüge zu anderen Fachdisziplinen usw.), c) mit der Ideologie (Erbe aus dem 48
Inhalte, Gliederung, Stellung, Bedeutung und Haupt fachrichtungen
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An Hauptfachrichtungen der Anthropologie (die teilweise bis heute Bestand haben) konnten in Anlehnung an Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982: 105 ff.) und unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungen im deutschen Sprachraum folgende ermittelt werden: 1.
Die Fossil- und Abstammungsgeschichte des Menschen (sie umfaßt die erste Klassifikation von Linné’s Systema Naturae bis hin zu den heutigen Aussagen über die Herkunft der Menschheit); 2. die prähistorisch-historische Anthropologie (R. Wagner war einer der Ersten, der den Begriff »historische Anthropologie« bereits 1861 verwendete; diese Fachrichtung beinhaltet vor allem die Bearbeitung menschlicher Skelettfunde und deren Einordnung in die Zeitreihe der Fossilfunde; in Deutschland war es Alexander Ecker, der 1865 die Reihe umfassender Bearbeitungen prähistorisch-historischen Materials eröffnete; vgl. auch die Forschungsergebnisse der Paläodemographie und der Paläopathologie, das Mainzer Neolithikumsymposium 1966, die Gründung der Mainzer Datenbank für die prähistorische Anthropologie 1969 usw.); 3. Rassenkunde/Populationsdifferenzierung (umfaßte die ersten Aussagen von Blumenbach; der Jenaer Anthropologe Bernhard Struck lieferte 1924 mit Hilfe seiner Merkmalskartierungen in Günthers Kleine Rassenkunde Europas wichtige Grundlagen für Rassenklassifikationen und Rassenkarten; Fachrichtung mit besonders starkem Mißbrauch im Dritten Reich; später fand eine teilweise Tabuisierung des Rassenbegriffes und eine inhaltliche Hinwendung zur »Rassenevolution« statt); 4. Bevölkerungsbiologie (Grundlage für diese Fachrichtung waren Bevölkerungsuntersuchungen in allen Erdteilen gewesen, wobei R. Martin mit seiner Untersuchung über Die Inlandstämme der Malaiischen Halbinsel (1905) sozusagen den Auftakt für die deutschsprachige Tradition bildet; später folgte dann von von Eickstedt mit seiner Indien-Expedition (Preuß 2007b, 2009, 2010) bzw. nach dem Krieg Anthropologen mit ihren Untersuchungen in verschiedenen Gebieten der Erde wie Indien (Vogel, Walter), Afghanistan und Pakistan (Bernhard), Afrika (Jürgens, Knußmann, Matznetter, Rösing), Neuguinea (Büchi), Island (Henke), Spanien (Schaeuble), Kanarische Inseln (Schwidetzky) usw. Daneben wurde aber auch die regionale Ebene (Regionalanthropologie) vorangetrieben, spätestens seit den von Virchow 1886 initiierten Schulkinderuntersuchungen, wobei auf diesem Gebiet Jena die längste Tradition bis heute besitzt. Hier wurden auf Initiative des Pathologen Wilhelm Müller seit 1880 ähnliche Messungen vorgenommen. Daneben sind auch noch verschiedene Landes- und Dorferhebungen (z. B. Westfalen und Rheinland-Pfalz), die Isolatforschung und multidisziplinäre Forschung als Beispiele an dieser Stelle zu erwähnen; 5. Sozialanthropologie (umfaßt die Wechselbeziehungen zwischen der biologischen Beschaffenheit des Menschen und den Sozialvorgängen im engeren Sinne; vgl. als Beispiele für eine frühe Studie die Land-Stadt-Untersuchungen von Otto Dritten Reich, Biologismus usw.) sowie d) im Probanden-Problem (Persönlichkeits- und Datenschutz usw.).
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Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
Ammon im Jahre 1899; nach begrifflichen Klärungen fand eine breite Anwendung statt; der Lehrstuhl des »Rasse-Günther« in Jena 1930 erhielt auf Vorschlag von A. Ploetz den Zusatz »Sozialanthropologie«54; vgl. ebenso die späteren Untersuchungen über Siebungs- und Ausleseprozesse sowie über differenzierte Fortpflanzung auf Grundlage soziographischer und demographischer Daten usw.); 6. Wachstumsanthropologie (vgl. hier die Aussagen unter Punkt 4 betreffs der Schulkinderuntersuchungen sowie die Arbeiten von Widukind Lenz oder R. Knußmann); 7. Angewandte Anthropologie (umfaßt die anthropologisch-erbbiologische Abstammungsprüfung und die Industrie-Anthropologie/Ergonomie)
2.3 Zusammenfassung
Es ist das maßgebliche Verdienst des Forschungszweiges »biologische Anthropologie« in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Schwesterdisziplinen wie der Urund Frühgeschichte, Evolutionsbiologie u. a., vor allem in der nachdarwinschen Phase, auch aufgrund der gemeinsam gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnisse, der Menschheit Auskunft über das Woher und Wohin ihrer Entwicklung gegeben zu haben bzw. in der Zukunft noch zu geben.55 Erste derartige wissenschaftliche Ansätze finden sich aber bereits in der vordarwinschen Phase, so beispielsweise bei Carl E. von Baer. Eine allgemein gebräuchliche Definition für biologische Anthropologie gibt es bis heute nicht. Hierzu hatte bereits Eugen Fischer zu Beginn der 1950er Jahre bemerkt, daß man endlich in den wissenschaftlichen Diskussionen aufhören solle, mit weiteren Definitionsversuchen die bestehende Unsicherheit über die Inhalte sowie den Sinn der Anthropologie aufrecht zu erhalten und vorgeschlagen, vielmehr einen terminologischen Bezug zur Naturwissenschaft herzustellen. Diese Brücke sollte durch eine »Anthropobiologie« geschlagen werden.56 Egon Freiherr von Eickstedt forderte hingegen, neben eine botanische und zoologische noch eine »dritte Biologie« zu stellen, eine umfassende Biologie des Menschen57, in der die Dieser hatte 1923 einen umfassenden Artikel zur »Sozialanthropologie« (S. 587–658) im von G. Schwalbe und E. Fischer herausgegeben Band »Anthropologie«, innerhalb der Reihe Die Kultur der Gegenwart, veröffentlicht. 55 »Contemporary biological anthropology is a dauntingly broad field. It studies humans in the same way that zoologists study their subject species – from a perspective that includes all aspects of the species’ biology and that emphasizes the interrelationships among those aspects. In addition to the traditional topics of the human fossil record and human biological variation, bioanthropology includes primatology, modern technologies in molecular genetics, human demography, development of the individual, life histories, and such applications as forensic anthropology. Bioanthropology also appreciates that our cultural behaviour is an integral part of our behavior as a species« (Park 1999: V, Hervorhebung im Orig.). 56 »Es wäre zweifellos am besten, den Namen Anthropologie, entsprechend seiner wörtlichen Übersetzung, für die Menschheitskunde ganz im Allgemeinen und allumfassend zu benützen und die NATURWISSENSCHAFT des Menschen als ANTHROPOBIOLOGIE zu bezeichnen« (Fischer 1953: 199, Hervorhebungen im Orig.). 57 Von Eickstedt spricht 1936 in seiner Zeitschrift für Rassenkunde von der »Anthropologie [als] For54
Zusammenfassung
55
»physische Anthropologie« nur einen Grundpfeiler bilden sollte. Knußmann hat mit der von ihm postulierten »vergleichenden Biologie des Menschen«58 dann am Ende des 20. Jahrhunderts ebenso einen inhaltlichen und terminologischen Bezug zu den Biowissenschaften herstellen wollen. Diese Versuche, wie die anderer Autoren, mittels Umbenennung des Faches mehr Klarheit innerhalb der scientific community zu erzielen, scheiterten ebenso wie alle anderen, mittels der Einführung von Adjektiven, Eindeutigkeit in Definitionsfragen zu erlangen.59 Ein Vergleich der meisten Anthropologiedefinitionen und -gliederungen zeigt bis heute, daß sich diese häufig darin unterscheiden, ob sich die Anthropologie ausschließlich mit der somatischen Seite beschäftigt oder ob auch die physische Seite des Menschen (Verhalten) mit einbezogen wird. Diese Frage führt direkt zur Abgrenzung des Faches gegenüber Teildisziplinen wie der Psychologie, Humangenetik, Anatomie, Physiologie, Zoologie, Paläontologie, Medizin, Demographie sowie den Sozial- und Kulturwissenschaften (Knußmann 1988: 6–9).60 Jedoch ist zu sehen, daß die oben angeführten Definitionen, Gliederungen, Inhalte und Hauptfachrichtungen der Anthropologie im Laufe der letzten Jahrzehnte immer biologischer und differenzierter geworden sind und die Anthropologen es nun besser verstanden, sich auf ihre biologiehistorischen/naturwissenschaftlichen Wurzeln zu besinnen. Nach einer zunehmenden Biologisierung und Ideologisierung der Anthropologie im Nationalsozialismus (vgl. hier auch die Gliederung von von Eickstedt u. a.) und dem starken Bezug auf das Konstrukt »Rasse«, sollte nach 1945 die weitere anthropologische Entwicklung in den beiden deutschen Staaten völlig verschieden verlaufen, zumal sich die Anthropologie neu definieren und gegenüber ihren Nachbardisziplinen auch neu abgrenzen mußte. Dies erfolgte aber, wie noch weiter auszuführen sein wird, in der BRD vorwiegend über Anwendungsbezüge. menkunde der Hominiden« (von Eickstedt 1936a: 2), 1940 im Vorwort seiner in mehreren Lieferungen erschienenen Überblicksdarstellung Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit von der »vergleichenden Lebenskunde der Hominiden« und 1949/50 schließlich von der »vergleichenden Biologie des Menschen. Vgl. ebenso: »Anthropologie ist diejenige Naturwissenschaft, die sich mit Wesen, Verbreitung und Verhaltensweisen der lebenden Formengruppen innerhalb der Hominiden befaßt – oder kurz: die Formenkunde der Hominiden« (von Eickstedt 1937–43: 119). 58 So spricht er noch in der zweiten Auflage seines Lehrbuches der Anthropologie und Humangenetik von einer Anthropologie als »vergleichende Biologie des Menschen […] vergleichend innerhalb der eigenen Art und die eigene Art mit anderen« (Knußmann 1996: 4). Daß Knußmann sich hier stark an von Eickstedt anlehnt, beweist folgendes Zitat: »So wurde die Anthropologie ein geschlossenes und lebenskräftiges Fach der vergleichenden Biologie des Menschen. Darin liegt das geistig Entscheidende. Darin liegt aber auch die reale Zukunft […] Der feste Kern des Faches: das sind Begriff und Gestalt des lebendigen Menschen. Und die klare Verankerung des Faches: das ist die Biologie als Kreis der Wissenschaften vom Lebendigen« (von Eickstedt 1949/50: 5). 59 Vgl. von Eickstedt (1936a, 1937a, 1963) oder Mühlmann (1951). 60 »Das Wort Anthropologie ist heute wohl deshalb so in Mode, weil es von einer »integrativen« Strömung getragen wird, die auf die Aufhebung der Gegensätze von Natur- und Geisteswissenschaften sowie von Wissenschaft und Philosophie hinzielt. Anthropologie im Sinne der Zusammenfassung der Einzelwissenschaften im Hinblick auf den Menschen ist gegenwärtig eine »emphatische philosophische Losung«; diese Richtung »bezeichnet das fällige philosophische Zentralthema, wird zum Synonym für echte Philosophie überhaupt« (Marquardt 1965, 209)« (Stagl 1974: 18).
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Wesen und Methoden der (biologischen) Anthropologie
Mit diesen Ausführungen sollen die theoretisch-methodologischen Überlegungen zur Geschichte der biologischen Anthropologie sowie des Faches Anthropologie vorerst abgeschlossen sein. Im weiteren geht es nun darum, anhand der Chronologie der Ereignisse, die Genese des Faches aus entwicklungsgeschichtlicher und inhaltlicher Perspektive entsprechend dem Zusammenhang von Politik, Ideologie und Wissenschaft aufzuarbeiten und zu hinterfragen.
Zusammenfassung
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3. Die Situation vor Darwin
D
ie nachfolgenden Kapitel werden verdeutlichen, daß die verschiedenen Fragenkomplexe, mit denen sich die biologische Anthropologie befaßt(e), auch eine sehr differenzierte Geschichte besitzen. Der Bogen spannt sich dabei in der vordarwinschen Ära von den ältesten Beobachtungen über die geographische Variabilität des Menschen aus dem alten Ägypten, der ebenso alten Frage nach der »Natur des Menschen« vor dem Hintergrund des Vergleiches mit dem »Tier« bis hin zu einer »ausgreifenderen Anthropologie«, die nach der »Wirklichkeit des Menschen« fragte (Mann & Dumont 1990: 12). Das andere Hauptthema der biologischen Anthropologie, die Evolution des Menschen, tritt dann erst nach 1859 auf. Das galt vor allem für die Fossilgeschichte des Menschen, die heute oftmals als Paläoanthropologie im Mittelpunkt der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussionen steht (Hoßfeld & Wissemann 2005; Henke & Rothe 2006; Henke 2007a, 2007b; Henke & Tattersall 2007a-c, 2015a-c; Delisle 2007; Kaasch et al. 2007; Wuketits 2015; Tattersall 2015). Obwohl natürlich Evolutionsideen geschichtlich auch bis in die Anfangszeit anthropologischen Denkens zurückreichen, gewannen sie doch erst im Zusammenhang mit der Deutung fossiler Funde und der Auseinandersetzung mit den darwinschen Theorien unmittelbar an Bedeutung (Bitterli 1977, Querner 1986, Bowler 1986, Junker & Hoßfeld 2001, 2009).1
Ein solcher wissenschaftshistorischer Über- und Rückblick muß aufgrund der Materialfülle, des hier begrenzt zur Verfügung stehenden Platzes und der noch bestehenden Forschungslücken deshalb gerafft werden und kann nur subjektiv ausgewählte markante Punkte aufführen. Allzu oft blieben nämlich die Irrungen und Wirrungen eines Faches, seiner Protagonisten bzw. Gegner und damit die Genese desselben im Dunklen, reagierte man mit Desinteresse auf wissenschaftshistorische Fragestellungen oder suchte man sich nach entsprechender wissenschaftspolitischer und weltanschaulicher Interessenlage nur publikumswirksame Meinungen oder bequem zu interpretierende Erfolge heraus. Damit prägte man entscheidend, manchmal auch wissentlich, verschiedene Argumentationsmuster innerhalb der scientific community. Das gilt insbesondere für die an Jahren jungen biologischen Fachgebiete wie die Evolutionsbiologie, Genetik sowie Anthropologie (Rassenkunde). Vgl. hierzu die Studie von Lüddecke (2000) oder Preuß (2009). 1
58
Die Situation vor Dar win
3.1 Ausgangslage
Aus dem Kulturkreis des Orients besitzen wir hinsichtlich eines Interesses an der »Natur des Menschen« kaum Überlieferungen. Es ist aber aufgrund der Bedeutung und Interpretation der alten orientalischen Kunst (Reliefs der Assyrer, babylonische oder persische Bildwerke usw.) zu vermuten, daß man in einigen Regionen bereits versuchte, sich seiner vorgeschichtlichen Wurzeln bewußt zu werden. Dazu beigetragen hat maßgeblich die Entwicklung und Ausbreitung der jeweiligen materiellen und sozialen Kultur. Aus Babylonien und den Überlieferungen in den medizinischnaturwissenschaftlichen Papyri (Papyri Ebers, Brugsch, Hearst usw.) ist bekannt, daß es bereits medizinische Hochschulen und Ärzte verschiedener Spezialrichtungen gegeben hat, ebenso wie zoologische Gärten und umfangreiche Erfahrungen in der Tier- und Pflanzenzüchtung. Die Herkunft der Lebewesen (und damit auch der Menschen) wurde mit Schöpfungsmythen erklärt, daneben existierten aber auch Urzeugungsvorstellungen von Würmern, Fröschen u. a. Einen, wenngleich geringen Einfluß auf das anthropologische Denken findet man ebenso im alten China. Religion und Philosophie unterschieden sich hier doch sehr von der Ägyptens. Zudem kannte man seit Jahrhunderten und bis zu Beginn des Reisezeitalters nur mongolide Völker. Das sollte sich aber ändern, als die Kulturvölker des Yangtse und des Hoangho mit anderen in Kontakt traten. Konfuzius und die philosophischen Schulen des Mohismus und Daoismus sollten dabei bedeutende Denkansätze für das Begreifen der Verschiedenartigkeit von Lebewesen und die Entstehung von Lebensvorgängen liefern. Ein besonders frühes anthropologisches Interesse findet sich bei den Pharaonen im alten Ägypten. Zahlreiche Grabfunde und Freskendarstellungen haben gezeigt, daß hier bereits Kenntnisse über eine menschliche Formenvielfalt vorhanden gewesen sein müssen. Während die ägyptische Kultur allmählich ihren Höhepunkt überschritt, bildete sich in Südeuropa ein neuer kultureller und entscheidender Mittelpunkt heraus. Es waren die Griechen, die um 600 v. Chr. die Wissenschaft in die Welt brachten (Schmucker 1936: 19; Harig & Kollesch 1998). Zentral für eine Vorgeschichte der Anthropologie sind aus dieser Epoche Platons (427–347 v. u. Z.) Gedanken. Der Lehrer von Aristoteles war in seinen philosophischen Aussagen bemüht, die Ethik seines Lehrers Sokrates sowie die Philosophie und die Psychologie auf den Menschen selbst anzuwenden, Mensch und Seele somit als Ganzes zu betrachten. Dieser Zugang schlägt sich schließlich in seiner Ideenlehre und den Gedanken zum idealen Staat nieder.2 Dennoch blieb es im frühen Griechenland zunächst bei Anfängen. Obwohl schon seit Aischylos’ und Homers Zeiten den Griechen auch »primitive Völker« bekannt waren (vgl. ihre Vasenmalereien), erlebte die rassenkundliche Völkerkunde erst wieder zu Herodots und Hekatäos Zeiten einen Aufschwung. Dabei hatten sich die Griechen gegenüber den Barbaren (»Ausländern«) oder »edlen Wilden« (AnDer später in Jena, Berlin und Freiburg lehrende »Rasse-Günther« (Hans F. K. Günther) hat sich in einer frühen Schrift direkt auf Platon bezogen und dessen Ideen auf die nationalsozialistische Rassenlehre übertragen. So heißt es im entsprechenden Buchtitel bezeichnenderweise: »Platon als Hüter des Lebens. Platons Zucht- und Erziehungsgedanken und deren Bedeutung für die Gegenwart« (1928). 2
Ausgangslage
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tonym im 18. Jahrhundert) als das überlegene Volk gesehen.3 Zudem gab es noch keine »Rassenfrage«; man unterschied die Völker nicht nach der Hautfarbe, sondern unterteilte lediglich in Freie und Sklaven. Zu den zentralen Denkern jener Zeit in Bezug auf frühe Aussagen über die menschliche Entwicklung zählten neben Platon u. a. noch Herodot – Herodotos von Halikarnassos (ca. 484–425 v. Chr.), Hippokrates von Kos (460–377 v. Chr.) sowie Aristoteles von Stagiros (384–322 v. Chr.): Herodot gilt als Vater der Geschichte sowie der Völker- und Landeskunde. Als weitgereister Gelehrter vereinigte er in seinem Werk über die neun Musen unzählige Informationen über fremde Völker und deren Kulturen, ihre Geschichte, Sitten usw. Herodot verwendete in seinen Beschreibungen aber nicht den Begriff der Rasse, sondern den des Ethnos, das sich mittels Blut, Sprache und Kultur zusammenhält. Hippokrates gilt neben Empedokles von Agrigent als Schöpfer der Humoral- und Temperamentenlehre, Heilkunde und Physiologie. Für die Vorgeschichte anthropologischer Forschung ist sein Buch über Luft, Wasser und Ortslage relevant (Kapferer 1934). Aufbauend auf die Viersäftelehre der altgriechischen Medizin entwickelte er eine Konstitutionstypologie, in der er die Menschen in cholerische (gelbgallige), phlegmatische (schleimige), sanguinische (vollblütige) und melancholische (schwarzgallige) Typen unterteilte (Dittmer 1940).4 Der Philosoph Aristoteles war es aber letztlich, im Gegensatz zum Geographen Herodot sowie dem Mediziner Hippokrates, der als eigentlicher »Anthropologe« in Erscheinung trat, propagierte er doch im Lykeion neben seiner systematischen Logik auch eine ganzheitliche Psychologie und Naturbetrachtung. Eine systematische Beobachtungsgabe, umfangreiches wissenschaftliches Material sowie eine vergleichend-anatomische Klassifikation der Lebewesen bildeten dafür die Grundlage.5 Nach der Antike trat man für die nachfolgenden Jahrhunderte dann schließlich in die Epoche des Mittelalters ein, in der ein analogisierendes Naturdenken überwog.6 Einige der Vorstellungen über die Entstehung und Ausbreitung der Menschen Was für die Griechen die Skythen, waren für die Römer die Germanen gewesen. Im Mittelalter sollten es die Tartaren werden, die man als Barbaren zu Geißeln liebte (Bitterli 1977: 368); vgl. weiterführend auch von Engelhardt (1975). 4 Galen hat später diese Vierertypologie weiter abgerundet und zu seiner speziellen Temperamentenlehre ausgebaut, in der er die enge Beziehung zwischen körperlicher und seelischer Konstitution beim Menschen postulierte (Kloos 1951, Knußmann 1988). 5 Daneben sind aber auch noch Poseidonios von Apameia mit seinen ethnographischen Beobachtungen oder Diodorus Siculus mit seinen Beschreibungen über die afrikanischen Paviane zu erwähnen. 6 Dennoch konnten zwischen dem 4. bis 15. Jahrhundert in Syrien und Spanien Teile der alten griechischen Wissenschaftstradition fortleben, zunächst unter islamischer Herrschaft, einiges fand sich in Byzanz und ein Jahrtausend später schließlich im lateinisch-christlichen Europa. Damit sind auch schon die Abschnitte skizziert (Byzanz, arabisch-islamisches und lateinisch-christliches Kulturgebiet), die man unter dem Epochenbegriff »Mittelalter« zusammenfassen kann (Nabielek 1998: 88; Günther 1967). Zentral für eine Ausbreitung der alten klassischen Bildung wurde nach dem Niedergang Alexandriens und der Gründung Konstantinopels jedoch zunächst Byzanz. Auch wenn nie unter einem kirchlichen Dogma stehend, finden sich dennoch hier (vornehmlich) theologische Einflüsse was die Menschenauffassung und Naturgeschichte angeht: »Die Naturwissenschaft galt als eine okkulte, astrologisch-chiromantische, ja unheimliche und geheime Wissenschaft, die mit Teufelsbund und unverständlichen Experimenten (Roger Bacon 1294, Albertus u. a.) arbeitete, die Got3
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Die Situation vor Dar win
basierten zum Großteil in dieser Zeit noch auf überlieferten Sagen, Märchen oder dem allgemeinen europäischen Volksglauben, waren teilweise aber auch der griechischen Mythologie oder den Schilderungen Homers entlehnt. Zudem existierte noch keine anatomische Forschung, Völkervorstellungen und Rassengliederungen wurden aus der Bibel entnommen, die Psychologie fußte auf der Interpretation aristotelischer Lehren usw. Bedeutende Scholastiker des 13. Jahrhunderts wie Albertus Magnus (um 1206–1280), Thomas von Aquin (1225–1247) oder Petrus de Alvernia (1240–1304) thematisierten aber indirekt auch schon anthropologische Themata. So fragten sie beispielsweise, ob die Pygmäen (damals Bezeichnung für Menschenaffen; Kollmann 1903) Menschen seien.7 Petrus verstand unter den Pygmäen kleinwüchsige indische Stämme, während Albertus sich auf die antiken Schilderungen über afrikanische Zwerge bezog. Beide verneinten schließlich die menschliche Zugehörigkeit aufgrund angeblich fehlender Vernunft und das, obwohl sich die Pygmäen doch durch die Sprache vom Affen unterschieden (Mühlmann 1968: 30). Anstatt durch Forschungsreisen, wissenschaftliche Versuche etc. empirische Belege für ihre Aussagen zu sammeln, beschritten die Gelehrten der damaligen Zeit einen rein spekulativen Weg. Es sollten schließlich noch einige Jahrhunderte vergehen, bis auch mit dem Zeitalter der großen Entdeckungen dieser Erkenntnishorizont der Gelehrten erheblich erweitert werden sollte. Expeditionen und Reisen wie die des flämischen Franziskaners Wilhelm von Rubruck (1215–1270) oder des venetianischen Kaufmanns Marco Polo (1254–1323) stehen für diese neue Periode, die auch als Beginn des Gefühls der Rassenüberlegenheit und des Zivilisationshochmutes gegenüber anderen, schwächeren Völkern gedeutet werden kann. Die Schicksale der Eingeborenen Amerikas und Sibiriens sind hier die tragischsten und frühesten Beispiele, auch die Inquisition in Mittel- und Südamerika blieb nicht ohne Folgen (Bitterli 1977, 1990).8 Mit dem Aufkommen der italienischen Renaissance sollte sich schließlich aber die arrogante Einstellung der Europäer zu fremdartigen Rassen und Völkern ändern.9
tes Weltregierung erkunden wollte, was verwerflich genug erschien, aber sich doch nicht an Gottes Ebenbild wagte, was verwerflicher gewesen wäre« (von Eickstedt 1937–43: 230). 7 A. Magnus stand neben T. von Aquin für die konkrete Zusammenführung von aristotelischer Philosophie und katholischer Theologie. 8 »Im allgemeinen aber steht die ethnographische Reiseliteratur der damaligen Zeit wissenschaftlich nicht sehr hoch. Auf sachlich-historische Treue der ethnographischen Schilderungen kommt es im 16. und 17. Jahrhundert noch nicht an; die den Reiseberichten beigefügten Holzschnitte entbehren der ethnographischen Treue, die verschiedenen Rassen, – Malaien, Neger oder Indianer – werden ganz uncharakteristisch als muskulöse Europäer abgebildet. Der dokumentarische Wert der anthropologischen Tatsachen ist eben noch nicht begriffen, hierzu hätte es eines historisch-individualisierenden Denkens bedurft, das aber erst eine Frucht späterer Zeit ist. Nur mit beklemmender Langsamkeit ringt sich der europäische Geist aus den mittelalterlichen Fesseln empor« (Mühlmann 1968: 36, Hervorhebung im Orig.). 9 Noch wichtiger als der italienische Input erwies sich der spanische Einfluß oder der durch die Jesuiten in Brasilien: »Ihre wertvollste Frucht für die Anthropologie war das Werk des Franziskaners Bernhardino Ribeirade de Sahagún (1500–1590). Dieser, ein Zögling der Universität Salamanca, kam 1529 als Missionar nach Mexiko, wo er mit durchaus modern anmutenden Methoden authentisches ethnographisches und sprachliches Material zu sammeln begann […]« (Mühlmann 1968: 37). Vgl. auch Cassirer (1927).
Ausgangslage
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Es mußten noch zwei weitere Jahrhunderte vergehen, bis das Wort »Anthropologie« – als Ganzheit von Leib und Seele verstanden – erstmalig in einer Abhandlung auftauchen sollte (1501 – Anthropologium von M. Hundt). Hundt folgten dann mit anthropologisch-rassenkundlichen Bemerkungen im gleichen Sinne der Alchimist Theophrastus Bombastus Paracelsus ab Hohenheim (Mikro- und Makrokosmos, Rassenformen des Menschen) bzw. Andreas Wittich von Wesel (= Vesalius) mit anatomischen Äußerungen zur Unterscheidung von Mensch und Affe (öffentliche Sektion eines Affen in Bologna). Vesalius’ reich bebildertes Werk De humani corporis fabrica libri septem (1543) ersetzte und erweiterte dann schließlich Galens Anatomie; indem er gegenüber Galenos über einhundert anatomische Abweichungen beschrieb.10 Zu erwähnen sind ebenso noch die Beiträge von Pierre Belon, der in seiner Naturgeschichte der Vögel (L’historie de la Nature des Oysseaux, 1555) ein Menschenneben einem Vogelskelett abbildete11 oder das umfassende enzyklopädische Werk von Ulysse Aldrovandi, das Bestandteil von ganze Naturgeschichte umspannenden Publikationen war. Aldrovandi hatte sich dabei an den Vorarbeiten von Belon, Gessner u. a. orientiert und neben einer dreibändigen Abhandlung über Ornithologie (1599–1603), im Jahre 1602 sein bekanntes Buch De Animalibus Insectis Libri Septem veröffentlicht. Später publizierten mehrere seiner Schüler, aufgrund des umfangreichen Materials ihres Lehrers, noch weitere Bände über die verschiedenen Klassen der Wirbeltiere wie 1606 (über Wirbellose) und 1642 (über Fabeltiere und Monstren). Letztlich ist aber auch der Einfluß der frühneuzeitlichen Philosophie eines de Montesquieu, Bacon oder Descartes auf die anthropologische Meinungsbildung nicht hoch genug einzuschätzen. Parallel zu den Arbeiten von Conrad Gessner (Historia animalum), dem umfassenden Entwurf Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz’ (Monadenlehre) oder der neuen mathematischen Konzeption Isaac Newtons (Atomismus) wurde schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit diesen Denkern und den von ihnen gewonnenen und diskutierten Erkenntnissen aus Mathematik, Astronomie und Physik, zunehmend ein Methodenwandel in den Lebenswissenschaften und der Naturphilosophie sichtbar (Vermeulen 2015). Als 1655 das (anonyme) Werk von La Peyriére über die »Praeadamiten« erschien, hatte sich bereits zuvor Rene Descartes in ähnlicher Weise den Menschen zum Objekt seiner naturwissenschaftlichen Betrachtung gemacht und ihm zwei Abhandlungen gewidmet: Traité de l’homme (1632) und La description du corps humaine von 1648 (Querner 1986: 284). Beide Bücher erschienen erst nach seinem Tode (1664). Sie bestimmten dann, beeinflußt durch William Harveys Entdeckung des Blutkreislaufes (1628), eine mechanisch-hydraulische Physiologie, die die Funktion des menschlichen Organismus in einen umfassenden innernatürlichen Erfahrungsansatz einband (French 1994, Cunningham & French 1990). Die Anthropologie jener Zeit war also in ihrer Ausdeutung eine umfassende Physiologie des Menschen unter Einbeziehung der Psychologie (teilweise auch der Auch Galens Zeitgenosse, der Niederländer Volcher Coiter, leistete mit der Gründung der niederländischen Schule der vergleichenden Anatomie einen wertvollen Beitrag. 11 »1640 kam der erste menschenähnliche (anthropoide) Affe nach Europa, und Nikolaus Tulpius, derselbe, den Rembrandt in seinem berühmten Gemälde ›Anatomie‹ dargestellt hat, beschrieb ihn in seinen ›Observations medicae‹ (1641) als Orang-Utan oder indischen Waldmenschen« (Schmidt 1932: XIII). 10
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Die Situation vor Dar win
Philosophie). Die Fortschritte in der biologischen Forschung erfolgten im 17. Jahrhundert weitgehend im Rahmen der Medizin.
3.2 Die Zeit der Aufklärung
Hatte also das Mittelalter inhaltlich und methodologisch kaum oder nur wenig zur Etablierung eines Faches Anthropologie beigetragen, sollte der sich anschließende Zeitraum der Aufklärung und des deutschen Idealismus einen ersten bedeutenden Wendepunkt darstellen (Pittelkow 1991a, Hanke 2007). Die naturwissenschaftliche Betrachtung des Menschen rückte immer mehr in den Fokus der Diskussion, man wandte sich zunehmend auch nomenklatorischen Gliederungen der Menschen zu, hatte man sich doch zunächst auf die ersten Vorschläge von Francois Bernier (1625– 1688), Richard Bradley12 oder Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)13 gestützt. Es kam zu einer ersten Blütezeit der »Menschenforschung«, wobei der entscheidende Anstoß zur Begründung der »physischen« Anthropologie von Bernier kam. Am 24. April 1684 wurde ein Brief von Bernier vor der Französischen Akademie verlesen, in dem dieser vorschlug, die Erde nicht nur in geographische Regionen, sondern auch hinsichtlich der unterschiedlichen Arten und Rassen zu unterteilen. Der Aufsatz hatte den Titel »Eine neue Einteilung der Erde nach den verschiedenen Arten oder Rassen der Menschen, welche sie bewohnen«14 und unterteilte Europide, Negride, Mongolide, Lappide und Khoisanide; Eigennamen fehlen noch (von Eickstedt 1937a: 214; 1937b; Querner 1986: 285).15 Eine Vielfalt von wissenschaftlichen Ansätzen
Obwohl die Anthropologie zu jener Zeit im deutschen Sprachraum kaum institutionalisiert war, beschäftigten sich dennoch zahlreiche Gelehrte aus den verschiedensten Fachgebieten16 mit anthropologischen Fragen.
Bradley, Professor für Astronomie in Oxford, versuchte 1721 eine Einteilung nach Hautfarbe, Haarwuchs und Haarform. Er unterschied vier Rassen: Weiße mit Bart (Europäer), Weiße ohne Bart (Amerikaner), Schwarze mit schlichtem Haar (Abessynier) und Schwarze mit krausem Haar (Neger); die Mulatten faßte er als Mischlingsrasse auf (Scheidt 1922: 282). 13 Leibniz unterschied ebenfalls vier Rassen: 1. die Lappländer, 2. die Äthiopier, 3. die orientalische oder mongolische Rasse und 4. die okzidentalische oder europäische Rasse. »Der ersten und zweiten Gruppe wird dabei eine äußere, der dritten und vierten Gruppe eine vermittelnde Stellung in dieser Ordnung angewiesen, doch offenbar lediglich in Hinsicht auf die Augenfälligkeit der kennzeichnenden Merkmale« (Scheidt 1922: 282). 14 Nouvelle Division de la Terre, par les différentes Espéces ou Races d’hommes qui l’habitent, envoyée par un fameux Voyageur. Journal des Scavans VI, S. 85–89, 1684. 15 Vorläufer für verschiedene anthropologische Gedankengänge sind zu jener Zeit auch innerhalb der Diskussionen um eine Abstammungslehre zu finden. So wurde beispielsweise von Bennoit de Maillet (Telliamed) die Vermutung geäußert, Landtiere seien aus Meeresgeschöpfen entstanden, wurde 1768 von Jean B. Robinet betont, der Mensch zeige eine Höherentwicklung etc. (Junker & Hoßfeld 2001, 2009). Vgl. ebenso Vermeulen (2015). 16 »Nebenher-Anthropologen« (Mühlmann 1968: 47). 12
Die Zeit der Aufk lärung
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Name
Fachgebiet
Werke
Kant, I.
Philosophie
Von den verschiedenen Racen der Menschen (1775), Bestimmung des Begriffs einer Menschenrace (1785), Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie (1788), Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798)
Blumenbach, J. F.
Naturgeschichte
De generis humani varietate nativa (1775)
Zimmermann, E. W. A.
Physik, Geographie
Geographische Geschichte des Menschen und der allgemein verbreiteten Tiere nebst einer hierhergehörigen zoologischen Weltkarte (1778)
Sömmerring, S. T. v.
Medizin
Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer (1785)
Herder, J. G.
Philosophie
Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784–1791), Briefe zur Beförderung der Humanität (1793–1797)
Meiners, Ch.
Philosophie
Grundriß der Geschichte der Menschheit (1786)
Forster, G. R.
Forschungsreisender
Noch etwas über die Menschenrassen (1786)
Loder, J. Ch.
Medizin
Anfangsgründe der medicinischen Anthropologie und der Staats-Arzneykunde (1791)
Hufeland, C. W.
Medizin
Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern – »Makrobiotik« (1796)
Oken, L.
(Natur)Philosophie, Zoologie, Medizin
Abriß des Systems der Biologie (1805), Lehrbuch der Naturphilosophie (1809–11), Lehrbuch der Naturgeschichte (1812–26)
Carus, C. G.
Medizin
Lehrbuch der Zootomie mit stäter Hinsicht auf Physiologie (1818), Vergleichende Anatomie und Physiologie (1828)
Burdach, K. F.
Medizin
Der Mensch nach den verschiedenen Seiten seiner Natur. Anthropologie für das gebildete Publicum (1837)
Wie die Übersicht17 verdeutlicht, lassen sich zum Ende des 18. Jahrhunderts drei Stränge der anthropologischen Forschung klassifizieren: a) Diskussionen über ein allgemeines Menschenbild auf der Grundlage des »Tier-Mensch-Vergleiches«, b) Hier sind einige der wichtigsten Repräsentanten aufgeführt, wobei entsprechend der Chronologie der Ereignisse nachfolgend nur die markierten Wissenschaftler mit ihrem Werk näher analysiert werden. 17
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Die Situation vor Dar win
Abb. 3: Die Anthropomorpha Linné’s. In: Huxley, Thomas Henry: Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, Braunschweig 1863, S. 14.
der konkrete Beitrag von Ärzten (insbesondere von vergleichenden Anatomen) bei der Erarbeitung von Kenntnissen über Variationen und die menschliche Anatomie/ Morphologie sowie c) das Sammeln von Fakten zur geographischen Variabilität und Verbreitung des Menschen während der umfangreichen Sammelexpeditionen und wissenschaftlichen Reisen. All dies vereinigte sich dann in der/zu einer Naturgeschichte des Menschen (Daston & Park 2001). Nachfolgend sollen entsprechend der Chronologie der Ereignisse einige der wichtigsten (meist deutschen) Vertreter mit ihren Konzepten vorgestellt werden. Es wird dabei deutlich, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entscheidende Fragestellungen und Werke hervortraten, die zu wichtigen Grundpfeilern der Anthropologie im 19. Jahrhundert werden sollten. Die hier vorgestellten Wissenschaftler bewegten sich bereits auf einem Terrain, das, später als biologische Anthropologie bezeichnet, Bedeutung erlangen sollte. Neben Berniers Arbeiten sollten aber zunächst die Auffassungen des schwedischen Gelehrten Carl von Linné (1707–1778) in der Mitte des 18. Jahrhunderts (auch für die Etablierung einer späteren biologischen Anthropologie) zentral werden; gelang es diesem doch zum ersten Mal, von kosmographischen und barocken enzyklopädischen Überlegungen über die Herkunft der Menschen, den Schritt zu einer biologisch arbeitenden und denkenden Anthropologie zu vollziehen. Es ist Linnés Verdienst, in der Nachfolge von Aristoteles, den Menschen wieder in eine vergleichende Betrachtung der Tierwelt (eine Biologie des Menschen) eingebettet zu haben
Die Zeit der Aufk lärung
65
(Broberg 1994).18 Bereits 1735 findet sich in der ersten Auflage seines Werkes Systema Naturae, das bis 1766 zwölf Auflagen erleben sollte, eine für die damalige Zeit bemerkenswerte Klassifikation des Tierreiches mit dem Menschen an der Spitze.19 Dabei stellte er den Menschen (Homo sapiens) in die Ordnung der Primates (Herrentiere), die außer der Gattung Homo nach dem Wissen der damaligen Zeit noch die Gattungen Simia (Affen), Lemur (Halbaffen) und Vespertilio (Fledermaus) umfaßten. Der erste lateinische Name bezeichnet bei Linné die Gattung, der zweite die Art – so entstand Homo sapiens; mit einem dritten Subnamen war es möglich, die Rasse zu bestimmen. Zunächst nach dem Einzelmerkmal der Hautfarbe unterscheidend (später kommen noch Körpergestalt und Temperamentsunterschiede hinzu), benennt er vier Varietäten: Homo Europaeus albescens, Americanus rubescens, Asiaticus fuscus und Africanus nigrescens. Noch bedeutender waren aber seine Bemerkungen in der 10. umgearbeiteten Auflage (Systema Naturae) vom 1. Januar 1758, dem Stichtag für die Einführung der exakten lateinischen Fachnomenklatur in den Biowissenschaften und damit auch für die Anthropologie. In dieser Auflage fügte Linné zum Genus Homo (sapiens americanus, europaeus, asiaticus, afer) zudem in seiner Übersicht noch die Gruppen Homo (sapiens) ferus – verwilderte Menschen sowie Homo (sapiens) monstrosus – Individuen mit krankhaften Formabweichungen hinzu. An anderer Stelle schlägt er dann eine zweite Einteilung der Varietäten der Species Homo vor: albus, badius, niger, cupreus, fuscus.20 Das Bedeutende an der Klassifikation von Linné für die Geschichte der biologischen Anthropologie war die damit verbundene Nennung bzw. Einführung der (noch heute) gültigen Fachnamen der Menschengruppen – Indianide, Europide, Mongolide und Negride – wobei die Indianiden erstmals überhaupt auftraten.21 Als neu, aber bedeutungslos, erwies sich die Nennung der Wild- und Monstermenschen. Die 1684 von Bernier beschriebenen Lappide22 und Khoisanide23 fehlen ebenfalls Linné setzte dabei eine Konstanz der Arten voraus, d. h. er ging davon aus, daß jede Art unabhängig von der anderen so wurde, wie es ihr von Ewigkeit her bestimmt war: »Tot sunt genera et species, quo ab initio mundi creatae sunt« – Es gibt so viele Arten von Lebewesen, wie sie am Anfang der Welt erschaffen wurden. 19 In der ersten Ausgabe, die nur wenige Folioseiten umfaßt, stützte er sich aber noch auf die von Bernier vorgeschlagenen Hauptrassen. 20 Vgl. Linnaei, C. (1758): Systema Naturae per regna tria naturae. X. Aufl., I. Hominae, S. 20–24; Schwartz & Tattersall (2015). 21 Vgl. dazu auch Huxley (1863: 14). Auf eigene Beobachtungen von menschenähnlichen Affen hatte sich Linné nicht stützen können. 22 »Kleinwüchsig, untersetzt […] niedrig-breites Gesicht mit leichter Betonung der Wangenbeine; Nase mittelbreit […] – Verbreitung: nomadisierende Saami (Lappen) in Wäldern und Tundren NSkandinaviens (einschl. Finnlands des russ. Anteils mit Halbinsel Kola)« (Knußmann 1996: 439– 440). 23 »Die Buschmänner (Buschleute) lassen sich unter morphologischen und serogenetischen Gesichtspunkten mit den weniger spezialisierten Hottentotten zur eigenständigen Rassengruppe Khoisaniden zusammenfassen […] Sanide: Pygmoider Wuchs, kindliche Proportionen […] sehr faltige, fahlgelbe, hell-gelbbraune oder bronzefarbene Haut. – Verbreitung: nomadisierende Restsplitter in den Halbwüsten der Kalahari und des Kaukausveldes (z. B. !Kung), vereinzelt auch in Süd-Angola. Khoide: Kleinwüchsig oder klein- bis mittelwüchsig, keine kindlichen Proportionen […]; khoi = Eigenbenennung der Hottentotten, san = hottentottischer Name der Buschmänner« (Knußmann 1996: 437, Fußnote 53). 18
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Die Situation vor Dar win
in Linnés Übersicht. Sein System wandte er dann schließlich noch auf die Einwohner Schwedens an und beschrieb in seiner Fauna Suecica von 1746 die Homines in Schweden als Gothi, Fennones und Lappones.24 Linnés Klassifikation, noch fern jedes biologischen Evolutionsdenkens, erfuhr dann insbesondere durch die Übersetzungen seiner Werke, verschiedene Kommentare usw., zahlreiche Änderungen, insbesondere durch den Erlanger Professor für Naturgeschichte Philipp L. S. Müller sowie die Zoologen Ch. Ch. Gmelin (1762–1837) und Johann Christian Polykarp Erxleben (1744–1777)25. Gmelin veröffentlichte 1791 eine Übersetzung der 13. Auflage von Linnés Hauptwerk und fügte hier verschiedene Veränderungen hinzu, die sich aber vorwiegend bei der systematischen (Neu)Gliederung auf die Hautfarbe bezogen.26 Umfassender als Linné dachte der französische Naturforscher Georges Louis Leclerc Comte de Buffon (1707–1788)27, Direktor des Jardin du Roi, dessen Histoire naturelle générale et particuliére, avec la description du Cabinet du Roi 1749 erschien (Pittelkow 1991b). Diese Naturgeschichte war übersichtlich gegliedert und entsprach in ihrer Gesamtheit den vielfältigen Interessen des Autors. In seinem dritten Band (von insgesamt 49 Bänden; S. 305 »Histoire naturelle de l’homme«) bezog Buffon den Menschen und die ihn umgebende Lebewelt in seine Betrachtungen mit ein.28 Die Beschreibung der körperlichen Verschiedenheiten der Menschen (nach Hautfarbe, Körpergröße, Körperform, ethnische Charakterzüge) sowie die Darstellung von Völkern und der Lebenskurve sind das Neue gegenüber den Auffassungen seiner Vorgänger; oftmals in der Argumentation bezugnehmend auf Schilderungen aus der Vgl. Linnaei, C. (1746): Fauna Suecica. Sistens Animalia Succiae Regni: Quadrupedia, Aves, Amphibia, Pisces, Insecta, Vermes, Distributa per Classes et Ordines, Genera et Species. Lugduni Batavorum; hier Ausgabe von 1761, S. 1. Vgl. dazu auch weiterführend die früheren Äußerungen von Olaus Rudbeck (Eriksson 1994). 25 Erxleben veränderte die Linnésche Klassifikation, indem er in seinem Werk Systema Regni Animalis, zwei neue und damit weitere Namen in die Nomenklatur einführte. So findet sich unter »Classis I Mammalia. I. Homo«: »Sapiens I. Homo«, gefolgt von Homo Lappo (neu), Homo Tatarus (neu), Homo Asiaticus, Homo Europaeus, Homo Afer und Homo Americanus. Vgl. Erxleben, J. Ch. P. (1777): Systema Regni Animalis per Classes, Ordines, Genera, Species, Varietates cum Synonymia et Historia Animalium. Leipzig, S. 1–2. 26 Vgl. Müller, Ph. L. St. (1773): Des Ritters Carl von Linné, Königlich Schwedischen Leibarztes vollständiges Natursystem nach der zwölften lateinischen Ausgabe und nach Anleitung des holländischen Houttuynischen Werks mit einer ausführlichen Erklärung. I. Theil. Von den säugenden Thieren. Nürnberg; Gmelin, Ch. Ch. (1806): Gemeinnützige Naturgeschichte der Säugethiere. Mannheim. 27 Neben Buffon war es insbesondere J. J. Rousseau, der mit idealisierenden Vorstellungen zu jener Zeit die anthropologische Forschung in Frankreich mit beeinflußte. Ch. M. Wieland (Betrachtungen über J. J. Rousseaus ursprünglichen Zustand des Menschen 1770 etc.) hat später in Deutschland auf die unwissenschaftlichen Zugänge seitens Rousseau’s hingewiesen. Nach der Revolution war es dann erst wieder J. J. Virey, der 1801 ein anthropologisches Buch Histoire Naturelle du Genre Humain veröffentlichte, später folgten dann u. a. noch Äußerungen zum Thema von Montesquieu, Voltaire, Georges Cuvier, Graf de Lacépéde, A. Desmoulins oder M. Bory de St. Vincent (von Eickstedt 1937– 43: 242–253); Barkhaus (1997). 28 Vgl. Buffon, G. de (1749–1804): Histoire Naturelle Générale et Particuliére. 49 Bde., Paris – siehe insbesondere Bd. III, Histoire naturelle de l’Homme; vgl. ebenso die vollständige und verbesserte deutsche Ausgabe von F. W. v. Ulmenstein: Herrn Buffons Naturgeschichte des Menschen, 2 Bde., Berlin 1807. Vgl. ebenso Dougherty (1990a). 24
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Reiseliteratur (Odom 1967). Auch über die Ursachen für Rassenmerkmale – wie z. B. die dunkle Haut der Neger (»äthiopische Rasse«) – finden sich Bemerkungen. Buffon vertrat ferner die Meinung, daß die »erste und fast einzige Ursache« hierfür im Klima zu suchen sei, während bei deren Ahnen das Merkmal noch nicht in dieser Stärke ausgeprägt war. Erstmals klingt hier eine angedachte Verbindung der Frage nach der Entstehung der Arten mit der nach der Vererbung an. An Rassen (Varietäten) unterschied Buffon: 1. die lappländische oder Polar-Rasse, 2. die tatarische oder mongolische Rasse, 3. die südasiatische Rasse, 4. die europäische Rasse, 5. die äthiopische und 6. die amerikanische Rasse (Scheidt 1922: 288). Im Gegensatz zu Linnés zweitem Vorschlag (s. o.) wurden hier wieder geographische Bezeichnungen in die Rassenbenennungen eingeführt.29 Buffon erwog auch die Möglichkeit, daß unvollkommene Arten aussterben und nur die vollkommensten erhalten bleiben.30 Außerdem sind seine vergleichend-anatomischen (primatologischen) Studien, die er gemeinsam mit dem Anatomen Louis Jean-Marie Daubenton (1716–1800) an Schimpansen und Gibbons durchführte, für die Vorgeschichte der biologischen Anthropologie bedeutsam.31 Dieser vergleichend-anatomische Zugang, der ein Interesse an Fragen und Problemen für die Abstammungslehre und Entwicklungsgeschichte aufzeigt, ist teilweise noch später in den Arbeiten von Albrecht von Haller (1708–1777), Charles
»Von Buffon haben wir also eine Naturgeschichte des Menschen, die im wesentlichen eine Beschreibung fremder Völker und Rassen nach den äußeren Merkmalen, aber auch nach ihren Sitten und Lebensformen ist. Seine Kenntnisse bezog er aus den Berichten von Reisenden, die Bewertung, die abgeleitet wird, hat als Maßstab den west- oder mitteleuropäischen Menschen des 18. Jahrhunderts. Die Entstehungsfrage wird von Buffon nicht angesprochen, wohl aber die Entstehung der Varietäten. Klima und Nahrung, aber auch die Sitten haben die Unterschiede hervorgerufen. Die Urheimat des Menschen war das Gebiet des gemäßigten Klimas. Würden alle Menschen in ihre Urheimat zurückkehren, dann wären sie nach einer gewissen Zeit wieder untereinander gleich« (Querner 1986: 287). 30 Er entwickelte zudem im »Zusammenhang mit der Vorstellung der Evolution von Lebewesen aus organischen Molekülen nach der möglichen Vernichtung aus organischen Organismen eine Theorie der Auslese« (Querner 1968: 12). Damit war Buffon auch derjenige Naturforscher, der im 18. Jahrhundert einer biologischen Evolutionslehre am nächsten kam, gefolgt von den Anschauungen des Botanikers A. N. Duchesne oder des Physikers Pierre Louis Moreau de Maupertuis (und dessen Buch »Vénus physique«, 1745). Dennoch befand er sich stets mit seiner Ablehnung der Theorie von der Konstanz der Arten im Gegensatz zu Linnés Äußerungen. 31 »Die Versuche eines morphologischen Vergleiches zwischen den Menschen und den höheren Affen wurden in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts immer häufiger angestellt, besser wohl, es wurden immer häufiger dergleichen Gedanken geäußert, ohne daß sich jedoch irgendwo eine damit zusammenhängende Entwicklungstheorie unbedenklich hervorgewagt hätte. Die äußere Ähnlichkeit lebender Großaffen mit der Gestalt des Menschen mußte ja solche Vergleiche im Zeitalter der aufblühenden Anatomie und der beginnenden Morphologie allen denen nahelegen, welche zu direkten Beobachtungen Gelegenheit fanden, wenn auch Vertreter solcher Menschenformen in die Reichweite ihrer Beobachtung kamen, die augenscheinlich größere Ähnlichkeit mit höheren Affen hatten (oder haben sollten) als Vertreter europäischer Rassen. Die Frage nach der ›Affenähnlichkeit der Menschen‹ […] lag also gewissermaßen ›in der Luft‹« (Scheidt 1922: 300). 29
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Bonnet (1720–1793)32, Johann J. Scheuchzer33 sowie Karl Friedrich Kielmeyer (1765– 1844) oder Petrus Camper (1722–1789) zu finden, wobei dem Holländer Camper unter den hier Erwähnten eine besondere Stellung zukommt (Visser 1990). Der vergleichende Anatom Camper hatte bereits 1764 eine Schrift Über den Ursprung und die Farbe des Negers verfaßt, die ein anthropologisches Thema zum Inhalt hatte und auf eigenen rassenanatomischen Sektionen (Europäer, Negride, Indonesier) beruhte. Jahre später folgte eine Abhandlung über den Orang-Utan und einige andere Affenarten (1778)34, und nach seinem Tode veröffentlichte sein Sohn noch das 77 Seiten umfassende Buch Über den natürlichen Unterschied der Gesichtszüge in Menschen verschiedener Gegenden und verschiedenen Alters nebst Darstellung einer neuen Art, allerlei Menschenköpfe mit Sicherheit zu zeichnen (1792): In diesem wird der berühmte Campersche Gesichtswinkel dargelegt, der den Grad der Prognathie und damit den der Primitivität, ja geradezu die Stufenleiter von Tier über Affe und Primitivmensch zum Europäer eindrucksvoll und zahlenmäßig exakt aufweist. Er wird von einer Linie gebildet, die durch äußeren Gehörgang und Nasenboden und eine zweite, die ›von dem hervorragendsten Theile des Stirnknochens herab bis zum äußersten Zahnhöhlensaum der oberen Kinnlade‹ läuft. Das war schon 1768 entworfen und 1770–1774 an der Kunstakademie zu Amsterdam vorgetragen worden […] (von Eickstedt 1937–43: 260).
Camper sah wie Lamarck im Menschen eine eigene Gruppe – Bimanus – ; sämtliche Affen und Halbaffen faßte er taxonomisch in die Gruppe der vierhändigen Tiere – Quadrumana – zusammen. Seine typologische Methode war im Vergleich zu der von Hunter, Blumenbach oder Zimmermann origineller, zumal er auch erstmals Beobachtungen »am lebenden Objekt« mit in seine taxonomischen Überlegungen einband. Eine Rasseneinteilung findet sich bei ihm ebenso wenig wie eine ausführliche Darstellung der Entstehung der Rassenmerkmale. In allen diesen Fragen bezog er sich auf Buffon. In etwa zeitgleich zu den hier dargelegten Studien von Camper u. a. setzte besonders in Deutschland (ähnlich wie in Frankreich) ein großes Interesse an der anthropologischen Forschung ein, wie zahlreiche zwischen 1775 (Kant) und 1786 (Meiners) erschienene Schriften beweisen. Dieser Zeitraum ist für die Genese der biologischen Anthropologie in Deutschland sowie für eine erste inhaltliche Fokussierung auf biowissenschaftliche (humanphylogenetische) Fragestellungen von seiner Bedeutung her gesehen mit dem Jahr 1863 identisch (vgl. Kapitel 5). Dieser schrieb 1764: »Der Affe führt zum Vierfüßler zum Menschen vor […] Der Affe ist dieser Entwurf des Menschen: Ein grober Entwurf, ein unvollkommenes Bild, aber doch ähnlich […] An der Spitze der Leiter unserer Erde steht der Mensch, das Meisterwerk der irdischen Schöpfung. – Die Menschheit hat ihre Abstufungen wie alle Erzeugnisse unserer Welt. Zwischen dem vollkommensten Menschen und dem Affen gibt es eine Unzahl zusammenhängender Kettenglieder« (zit. nach Querner 1968: 18). 33 Legte umfangreiche geologisch-paläontologische Sammlungen an und deutete Fossilien in Anlehnung an die Forschungen des englischen Naturhistorikers John Woodward als Reste der »Sintflut«. 34 Nachdem die Holländer weite Teile des indonesischen Archipels in ihr Handelsimperium eingegliedert hatten, war es Camper möglich gewesen, an die Verbreitungsgebiete des Orangs zu gelangen und mehrere Sezierungen vorzunehmen, wobei ihn zunächst die Sprachorgane interessiert hatten (Camper 1784, 1785). 32
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3.2.1 Von Kant zu Sömmerring
Mit dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) ist zunächst einer der Gelehrten jener Zeitepoche zu erwähnen, der, weit vor Darwin, neben seinen Werken über die Kritik der reinen Vernunft, der praktischen Vernunft und der Urteilskraft, eben auch auf dem ihm fern stehenden, aber ihn interessierenden Gebiet der Anthropologie Bemerkenswertes leistete (Schultze 1875, Lenoir 1980). Kant kam von der Beschäftigung mit der Geographie her zur Anthropologie.35 Im Jahre 1775, zeitgleich zu Blumenbach und John Hunters Disputatio critica, ließ er für eine im Sommersemester zu haltende Vorlesung eine Schrift »Von den verschiedenen Racen der Menschen (zur Ankündigung der Vorlesungen der physischen Geographie im Sommerhalbjahre 1775)« erscheinen.36 In dieser unterschied er zunächst eine »Schuleinteilung«, die auf Klassen (Ähnlichkeiten) sowie eine »Natureinteilung«, die sich auf Stämme (Verwandtschaft) beziehen sollte. Die Menschen bildeten dabei eine Gattung und mußten demnach alle einem Stamm entsprungen sein. Als »Stammgattung« aller Menschen nahm Kant »Weiße von brünetter Farbe« an, als deren »Anartungen« folgende Gruppen auftreten sollten: Erste Rasse, Hochblonde (Nördl. Eur.) von feuchter Kälte, Zweite Rasse, Kupferrote (Amerik.) von trockner Kälte, Dritte Rasse, Schwarze (Senegambia) von feuchter Hitze, Vierte Rasse, Olivengelbe (Indianer) von trockner Hitze (Kant 1775, 1983: 28).37
Diese Einteilung basierte hauptsächlich auf seiner Anschauung von der Einwirkung des Klimas; so sollte z. B. trockene Kälte das Wachstum hemmen usw. Zudem sind hier bereits vollständig sämtliche Gedanken einer speziellen Rassentheorie und Rassenkunde vorhanden, gab er doch u. a. Vorschläge für zwei Rassengliederungen (Neger und Weiße), wobei die eine morphologischer, die andere abstammungsgeschichtlicher Natur sein sollte. Ferner maß Kant in seinen anthropologischen Studien der »Kant und Herder haben noch vor Hegel an eine Philosophie der Geschichte gedacht, in der sich bereits der ›Anthropologismus‹ anzeigt. Der ›Anthropologismus‹ lehre, daß die Geschichte des Menschengeschlechts die Geschichte der Welt sei. Die Konstruktion der Geschichte durch das Individuum, das ihr Gehalt und Entwicklung gibt, veranschaulicht das veränderte anthropologische Bewußtsein des 19. Jahrhunderts […] ›Anthropologismus‹ bedeutet nach Harms die Lehre, daß das ›wahrhaft‹ erkennende Subjekt und die erkannte Wahrheit der Mensch sei. Anthropologie wird definiert als die Verbindung von reiner Philosophie und Anthropologismus« (Matzker 1998: 21). Vgl. weiterführend Harms, F. (1845): Der Anthropologismus in der Entwicklung der Philosophie seit Kant. Leipzig. 36 Eine weitere lateinische Klassifikation (nach Linné und Kant) wurde 1775 ebenso von John Hunter vorgelegt: Disputatio inauguralis, quaedam de hominum varietatibus, et harum causis, exponsens. Dissertation Edinburgh. Die Dissertation kam inhaltlich dem späteren Evolutionsgedanken nahe, zumal Hunter vermutete, daß es fossile Menschen gibt, die viele tausend Jahre alt seien. Zudem war er einer der Ersten, der eine Definition des Speziesbegriffes gab: »Classis animalium, ubi singula cum singulis procreant, et horum proles alia animalia, aut jam similia classi, aut aliquando futura, etiam procreant« (Scheidt 1922: 290). An Rassen unterschied er – hauptsächlich die Hautfarbe berücksichtigend – sieben. 37 Zitiert nach der von Wilhelm Weischedel bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt herausgegebenen Kant-Ausgabe in sechs Bänden; hier Bd. VI (Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik) von 1983. Vgl. ebenso Brandt (1999). 35
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Abb. 4: Johann Friedrich Blumenbach, der Begründer der klassischen Anthropologie (Bildarchiv des Verfassers).
Erblichkeit der »natürlichen Anlagen« einen hohen Stellenwert bei, was nicht bei allen Naturwissenschaftlern Anklang fand. Insbesondere mit dem Forschungsreisenden Georg R. Forster (1754–1794) kam es hierüber in der Zeitschrift Der Teutsche Merkur zu einem Streitgespräch (Forster 1786, Kant 1788). Forster war in seinen Argumentationen weitgehend den Aussagen von Buffon und Jean-Jacques Rousseau gefolgt, wandte sich zudem gegen die Möglichkeiten einer Anpassung der Hautfarbe, weil er damit eine »Zerklüftung der Menschheit« befürchtete, und lehnte ferner den Rassenbegriff Kants ab. Rasse hatte Kant 1785 wie folgt definiert: Der Begriff einer Rasse ist also: der Klassenunterschied der Tiere eines und desselben Stammes, so fern er unausbleiblich erblich ist. Das ist die Bestimmung, die ich in dieser Abhandlung zur eigentlichen Absicht habe […] (Kant 1785, 1983: 75; Hervorhebung im Orig.).38
Forster hingegen folgte der Meinung, Rasse sei einfach »ein Volk von eigentümlichem Charakter und unbekannter Abstammung« und sah vermutlich in Kants Annahme von Erbunterschieden der Rassen eine Gefahr für den Forschritt der menschlichen Entwicklung (Forster 1786, Weingarten 1999). Mit dieser ersten nachweisbaren Vorlesung über das, was wir heute gemeinhin Anthropologie nennen, hat Kant die Anthropologie als Hochschulfach etabliert (Scheidt 1922: 383 ff.). Dieser Entwurf (1775) erfuhr dann offenbar im Zusammenhang mit seiner Vorlesung in den nächsten Jahren eine weitere Ausgestaltung, in 38
Ebd.
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manchen Teilen auch eine Präzisierung der Argumentation. So erschienen noch drei weitere Schriften, die für die Geschichte der Anthropologie jener Jahre Bedeutung besitzen: 1. Bestimmung des Begriffs einer Menschenrace (1785), 2. Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie (1788) und 3. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798).39 In diesen Schriften schloß sich Kant in weiten Teilen den anthropologischen Argumenten seiner Mitstreiter (Blumenbach, Zimmermann u. a.) an, unterschied sich aber auch oftmals im Detail (Zweckmäßigkeitsbegriff etc.), wie die Auseinandersetzung mit Forster beweist. Mit Kant, Hunter und später auch Herder hatte nahezu zeitgleich der Göttinger Gelehrte Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840) – der eigentliche »Vater der Anthropologie« im deutschen Sprachraum – ebenso Vorstellungen über die Menschheitsgeschichte entwickelt. Zunächst mit dem Katalogisieren von Schädeln40 befaßt, sollte sich seine 100 Seiten umfassende Dissertation De generis humani varietate nativa (1775)41 als bedeutend für die Geschichte der Anthropologie erweisen.42 Klar und übersichtlich geschrieben, machte diese Schrift Blumenbach über Nacht zu einem berühmten Gelehrten und in nur wenigen Jahren zum Ordinarius für Naturgeschichte an der Universität Göttingen (Gascoigne 2002). Seine Arbeit, die auch auf den großen Reisebeschreibungen fußte, stellt für die damaligen wissenschaftlichen Verhältnisse einen ersten Versuch dar, die Wesen der körperlichen Verschiedenheiten der Menschen übersichtlich und anschaulich darzustellen. Ebenso ist es sein Verdienst, die »technischen Mittel zur direkten Beobachtung und Untersuchung, die seine Zeit ihm bot, für die Anthropologie ausgewählt und zusammengestellt zu haben« (Scheidt 1922: 293). Als Methode und Formbeschreibendes Objekt nutzte er den Schädelvergleich und dürfte damit zu den ersten Gelehrten jener Zeit gehören, der planmäßig Kraniologie betrieb. Später verband Blumenbach seine Ergebnisse mit denen aus der vergleichenden Anatomie, Physiologie und Psychologie.43 Dieser »die [erste] Schrift [1785] greift, angeregt durch Reaktionen auf die [Vorlesung von 1775], das Thema wieder auf und zielt auf eine präzisere Begriffsbestimmung; die [zweite] Schrift ist wiederum eine Reaktion auf kritische Einwände gegen Thesen der [Schrift von 1785]; die letzte Schrift schließlich ordnet den Rassebegriff in das System der pragmatischen Anthropologie ein und verweist den Leser auf die nach Kantischen Prinzipien angelegte Rassenlehre Christoph Girtaners« (Malter 1990: 113). 40 »Die Blumenbachsche Schädelsammlung, die noch heute im anatomischen Institut der Universität Göttingen aufbewahrt wird, enthält 264 Schädel nebst Skeletten und verschiedenen anderen knöchernen Körperteilen« (Dougherty 1990b: 97, Fußnote 29). Vgl. auch Schwartz & Tattersall (2015). 41 »Die am 16. September 1775 verteidigte Dissertation wurde in demselben Jahr von Friedrich Rosenbusch gedruckt. Ein für ein allgemeineres Publikum bestimmter, bis auf Titelblatt, hinzugefügte Synposis (S. 97–99) und die Figurarum explicatio (S. 100) identischer Druck erschien ein Jahr darauf bei Vandenhoeck« (Dougherty 1990b, 1985). 42 Auch die aus der Dissertation entstandenen Dekaden wurden für die Menschenforschung bedeutsam. Vgl. Blumenbach, J. F. (1790): Decas Collectionis suae Craniorum Diversarum Gentium illustrata. 11 Seiten und 70 Tafeln, Göttingen. Ebenso stellte die von Johann Gottfried Gruber besorgte Übersetzung der dritten Auflage der Dissertation eine gute Zusammenfassung des Wissens jener Jahre dar – diese war »Seiner Hochwürdigen Magnifizenz, dem Herrn Vize-Präsidenten Herder in Weimar« gewidmet, vgl. Blumenbach, J. F. (1798): Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig. 43 So verfaßte er beispielsweise noch ein Handbuch der Physiologie, der vergleichenden Anatomie und der Knochenlehre. Er gilt aufgrund seiner Bemerkungen über die rassischen Verschiedenheiten 39
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wissenschaftliche Zugang sollte sich zunächst und für die nächsten Jahrzehnte als bedeutend erweisen, wurde doch so der anthropologischen Forschung mittels der Kraniologie ein handlicher Bezugspunkt vorgegeben, womit Formverschiedenheiten der Menschen klar nachzuvollziehen waren (Lenoir 1980, Hoßfeld 2011). Andererseits wirkte diese Methode aber auch hemmend, indem sie zu Einseitigkeit in der anthropologischen Forschung führte, gerade in dem Moment, als auch die Naturphilosophie einen gewissen negativen Einfluß auf die anthropologische Entwicklung nehmen sollte (Richards 2002b). Als schließlich dann im Jahre 1890 der ungarische Anthropologe Aurél von Török (1842–1912) auf rund 5000 an einem Schädel zu nehmende Maße44 kam, war eine Art methodische Sackgasse der Kraniologie erreicht.45 Mit seiner Rassengliederung (beruhend auf unterschiedlichen Hauttönungen), die in seinen einzelnen Werken differiert, gab Blumenbach hingegen eine Klassifikation vor, die bis an die Wende des 19. Jahrhunderts Bestand haben sollte und eine außerordentliche Verbreitung erlangte. Er unterschied seit seiner Dissertation fünf Hauptrassen46, die einzelne beschreibende Abänderungen erfuhren, und fast drei Jahrzehnte nach deren Einführung liest man in der siebten Auflage des Handbuch der Naturgeschichte (1803): 1. Die caucasische Rasse: […] von weißer Farbe mit rothen Wangen, langem, weichem, nußbraunem Haar (das aber einerseits ins Blonde, anderseits ins Dunkelbraune übergeht); und der nach den europäischen Begriffen von Schönheit musterhaftesten Schedel- und GesichtsForm. Es gehören dahin die Europäer mit Ausnahme der Lappen und übrigen Finnen; dann die westlichern Asiaten, dießseits des Obi, des caspischen Meers und des Ganges; nebst den Nordafricanern; – also ungefähr die Bewohner der den alten Griechen und Römern bekannten Welt. 2. Die mongolische Rasse: […] meist waizengelb (theils wie gekochte Quitten, oder wie getrocknete Citronschalen); mit wenigem, straffem, schwarzem Haar; enggeschlitzen Augenliedern; plattem Gesicht; und seitwärts eminirenden Backenknochen. Diese Rasse begreift die übrigen Asiaten, mit Ausnahme der Malayen; dann die finnischen Völker in Europa (Lappen etc.), und die Eskimos im nördlichen America von der Beringstraße bis Labrador. 3. Die äthiopische Rasse: […] mehr oder weniger schwarz; mit schwarzem, krausem Haar; vorwärts prominirenden Kiefern, wulstigen Lippen und stumpfer Nase. Dahin die übrigen Africaner, nahmentlich die Neger, die sich dann durch die Fulahs in den Mauren etc. verlieren, so wie jede andere Menschen-Varietät mit ihren benachbarten Völkerschaften gleichsam zusammen fließt. 4. Die
beim Menschen in Beziehung zu den Haustieren (Über Menschenracen und Schweineracen. Lichtenbergs Mag. VI: 1–23, 1789) ebenso als Vorläufer der Domestikationsforschung. 44 Vgl. Török, A. von (1890): Grundzüge einer systematischen Kraniometrie: Methodische Anleitung zur kraniometrischen Analyse der Schädelform für die Zwecke der physischen Anthropologie, der vergleichenden Anatomie sowie für die Zwecke der medizinischen Disziplinen und der bildenden Künste. Stuttgart. Vgl. allgemein zu den anatomischen (anthropologischen Sammlungen: Schultka & Neumann (2007) oder Grupe et al. (2015): 43–45. 45 Dennoch, wie »eine Pyramide der Vorzeit« (Marx 1840), ragte, bestimmte und beeinflußte die Persönlichkeit Blumenbachs, der sechzig Jahre in Göttingen wirken sollte, die Wissenschaft – und damit eben auch die anthropologische Forschung – seiner Zeit. Vgl. Marx, K. F. H. (1840): Zum Andenken an Johann Friedrich Blumenbach. Eine Gedächtnisrede, gehalten in der Sitzung der Königlichen Societät der Wissenschaften, den 8. Februar 1840. Göttingen. 46 Zum Vorwurf, Blumenbach hätte mit dieser Einteilung/Hierarchisierung der nationalsozialistischen Rassenkunde ein Grundgerüst vorgegeben, vgl. Gould (1983, 1998). Im Jahre 1998 hat Junker nachgewiesen, daß Gould wissentlich für diese Aussage das Schema von Blumenbach gefälscht hat (Junker 1998a; 2007).
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americanische Rasse: […] Lohfarb oder zimmtbraun (theils wie Eisenrost oder angelaufenes Kupfer); mit schlichtem, straffem, schwarzem Haar, und breitem aber nicht plattem Gesicht, sondern stark ausgewirkten Zügen. Begreift die übrigen Americaner außer den Eskimos. 5. Die malayische Rasse: […] von brauner Farbe (einerseits bis ins helle Mahagoni andererseits bis ins dunkelste Nelken- und Castanienbraun); mit dichtem schwarzlockigem Haarwuchs; breiter Nase, großem Munde. Dahin gehören die Südsee-Insulaner oder die Bewohner des fünften Welttheils und der Marianen, Philippinen, Molucken, sundaischen Inseln etc. nebst den eigentlichen Malayen. Von diesen fünf Haupt-Rassen muß nach allen physiologischen Gründen die caucasische als die sogenannte Stamm – oder Mittel-Rasse angenommen werden […] (Blumenbach 1803: 66–68).
Als wichtigste »reizende Eindrücke«, welche diese Varietätenunterschiede hervorbringen, sah Blumenbach den Einfluß des Klimas (für die Hautfarbe und die Körpergröße), die Nahrung, die Haarform usw., Anschauungen, die ihn schließlich dazu veranlaßten, die Urheimat des Menschengeschlechts in Asien anzunehmen und somit die kaukasische Rasse mit der weißen Hautfarbe (als die ursprünglichste) an die Spitze seiner Einteilung zu stellen. Gegenüber Linnés Einteilung ist die Klassifikation von Blumenbach detaillierter, auch finden sich hinsichtlich der Schemata von Buffon und Hunter Ergänzungen.47 Blumenbach legte im Gegensatz zu Kant (dieser gab einige Grundbegriffe der Anthropologie vor) die biologischen Grundlagen für dieses Fach, indem er neben morphologisch-physiologischen Gesichtspunkten auch ästhetische Punkte in seine Klassifikation (nicht im Sinne einer biologischen Typologie) mit einband und damit eine anthropologische Bedeutung der verschiedenen Menschenrassen betonte. Der dritte Forscher in dieser chronologischen Reihung war der Professor für Physik am Kollegium Carolinum zu Braunschweig E. A. W. Zimmermann (1743– 1815). Er legte unmittelbar nach Kant, Blumenbach und Erxleben eine weitere, vorwiegend geographische Zusammenhänge berücksichtigende Abhandlung zu diesem Themenkreis mit dem Titel Geographische Geschichte des Menschen und der allgemein verbreiteten Tiere nebst einer hierhergehörigen zoologischen Weltkarte (1778) vor. Neben Forster gehörte Zimmermann wohl zu denjenigen, die über die meiste Reiseerfahrung unter allen damaligen Zeitgenossen verfügten.48 So enthält Zimmermanns kompilatorische Beschreibung in Gänze all das, was zu jener Zeit über die Verteilung der Menschen auf der Erde bekannt gewesen ist. Im Detail der Beschreibungen (Körpergröße, Hautfarbe, Einfluß des Klimas etc.) unterscheidet er sich so von der Herangehensweise eines Blumenbach; und gibt letztlich auch keine neue Rasseneinteilung (Kritik an der Linnéschen Systematik und Blumenbachschen Klassifikation). Vielmehr stützt er sich auf die Kantsche Interpretation. Die »Urnation« der menschlichen Rassen (Frage nach der Urheimat) sah Zimmermann in Zentralasien, und sie war »weißhäutig und brünett«. Der Urmensch stand ferner mit seinen Auch hat er zahlreiche seiner Schüler (Alexander von Humboldt, Prinz Max von Wied usw.) angeregt, Forschungsreisen zu unternehmen, um beispielsweise dabei zahlreiches Material verschiedenster Art zu sammeln und anschließend wissenschaftlich auszuwerten (Bitterli 1977: 215). Hinsichtlich der Evolution glaubte Blumenbach an die Katastrophentheorie, insbesondere wegen der fossilen Funde, andererseits aber auch an eine Veränderlichkeit der Lebewelt mittels Bildungstrieb (Nisus formativus). Vgl. auch Schwarz & Karliczek (2015). 48 Vgl. sein 12 Bände umfassendes Taschenbuch der Reisen (Leipzig 1802–1813). 47
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morphologischen Merkmalen zwischen dem Orang und dem heutigen Menschen, ging aufrecht auf zwei Beinen (Scheidt 1922: 300). Diese Versuche, einen morphologischen Vergleich zwischen den Menschen und den höheren Affen anzustellen, fanden in den darauffolgenden Jahren zahlreiche Fortsetzungen. So erregte die »Frage der Affenähnlichkeit« auch schon bald das lebhafte Interesse eines vergleichenden Anatomen. Es war Blumenbachs Jenaer Kommilitone und Freund, der spätere Mainzer Arzt und Anatom Samuel Thomas von Sömmerring (1755–1830), der ein weiteres Buch zu dieser Thematik, in diesem für die Anthropologiegeschichte so wichtigen Jahrzehnt, verfaßte. Im Jahre 1785 veröffentlichte er die Abhandlung Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer 49, wo er sich mit aller Entschiedenheit gegen die mittelalterliche Auffassung (Albertus, Petrus) wandte, die gefragt hatte, ob Neger überhaupt Menschen und nicht vielleicht Affen wären. Auch ginge es darum zu überprüfen, ob die Mohren oder die Europäer sich »mehr dem Affen näherten«: Um allen gehäßigen Schlüssen und Mißbrauch vorzubeugen, wiederhole ich nochmals, die Negern sind wahre Menschen, so gut wie wir, und nach höchst wahrscheinlichen Gründen, die uns Naturgeschichte, Physiologie, und schriftliche Nachrichten darbieten, von einem gemeinschaftlichen Stammvater mit allen übrigen Menschen entsprossen, und so gut, und nichts weniger Menschen, als die schönsten Griechinnen (Sömmerring 1785: XX).
Grundlage für diese vergleichend rassenanatomischen Studien waren mehrere an Tuberkulose verstorbene »negride Tambourmajore« des Kurfürsten von HessenKassel gewesen. Sömmerring beschrieb in seiner Studie u. a. Augen, Nase, Schädel und Skelett der Negriden unter vergleichend-anatomischen Gesichtspunkten und berücksichtigte ebenso die Beschaffenheit der negriden Haut. Die »Haut des Negers« sollte in Folge dieser Studie und der anderer Autoren zu einem der meist erörtertsten Probleme überhaupt werden (u. a. Mazzolini 1990, Schmutz 1990, Hoßfeld 2011, Dreesbach 2005).50
3.2.2 Historische Anthropologie und Rassenanthropologie
Diese doch teilweise stark anatomisch ausgerichteten Arbeiten führte man in der Folgezeit weiter fort. Sie fanden aber nun auch eine Erweiterung durch philosophische, psychologische und ethnographische Elemente, wobei Johann Gottfried Herders (1744–1803) Ausführungen zunächst zentral werden sollten. Herder, ein Schüler von Kant und späterer Hofprediger in Weimar, steht mit seinem vierbändigen Werk Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit
Bereits 1874 war diese Schrift unter dem Titel »Über die körperliche Verschiedenheit des Mohren vom Europäer« erschienen (Lilienthal 1990). 50 Vgl. hier auch die Arbeit von Tiedemann (1837, 1984) über das »Hirn des Negers«, wo dieser unmittelbar an die Vorarbeiten von Camper, Cuvier, Blumenbach u. a. anschloß. Sömmerrings restliches wissenschaftliches Werk ist dabei aber nicht so stark von anthropologischen Einflüssen durchsetzt, wie es beispielsweise bei Blumenbach und Camper der Fall gewesen war (Mann & Dumont 1985; Wagner & Dumont 1987 oder vgl. die anderen bis heute erschienenen Werke der Edition). 49
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Abb. 5: »Außerordentliche Menschen« bei Christian Wünsch 1796. Das Ende der antiken und mittelalterlichen Fabelwesen. In: Eickstedt, Egon Frh. von: Rassenkunde und Rassengeschichte des Menschen, Erster Band, Stuttgart 1938, S. 281.
(1784–1791)51 sowie den Briefe[n] zur Beförderung der Humanität (1793–1797) von Beginn an in der Tradition einer rassenanthropologisch ausgerichteten Philosophie. Bereits im Titel seines Werkes Ideen verbirgt sich eine (biologische) Anthropologie im Sinne der eingangs erwähnten Definition, eine Behandlung des Menschen und seiner Geschichte unter empirisch naturwissenschaftlichen Aspekten. Obwohl nicht wie Buffon, Camper, Blumenbach u. a. eine originäre Arbeit zur Menschenforschung beisteuernd, haben Herders Bemerkungen in den beiden oben erwähnten Werken zu einer Vertiefung der Thematik beigetragen. Viel mehr als andere kompilatorisch auf diesem Gebiet arbeitend, seine Meinung in »eklektizistischer Weise« zusammensetzend, stellte die Anthropologie in seinem Gesamtwerk aber nur einen kleinen Baustein dar (Wenzel 1990: 141). Obwohl nicht genau nachweisbar, erkennt der Leser in den Ideen und späteren Briefen anthropologische Einflüsse seitens Linnés oder Blumenbachs, zumal Herder der Gattung Homo (dem Träger der Humanität) im zweiten Teil des Hauptwerkes ausreichend Platz widmet. In seinen Ideen findet sich auch ein kühner Vergleich des Menschen mit dem Orang-Utan.52 Anknüpfend an Buffon, Daubenton u. a. heißt es: »Unter dem Titel verbirgt sich eine Anthropologie im Sinne unserer Definition [Biologische Anthropologie = Wissenschaft vom Menschen], eine Behandlung des Menschen und seiner Geschichte unter empirisch-naturwissenschaftlichen Aspekten« (Querner 1986: 287). 52 Die Ansichten darüber, ob allerdings Orang-Utan, Schimpansen oder andere Primaten als »Bindeglieder« zwischen Affe und Mensch aufzufassen waren, wechselten doch im Laufe der Zeit. So wollte beispielsweise J. O. de La Mettrie einen großen folgsamen Affen mittleren Alters mit dem »klügsten Gesichtsausdruck« auswählen und war überzeugt, daß man dieses Tier »schließlich so weit bringen kann, sprechen und folglich eine Sprache beherrschen zu lernen« (Herrmann & Ullrich 1991: 533). 51
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Die Verrichtungen, die man von ihm erzählt, selbst sein Torheiten, Laster, vielleicht auch gar die periodische Krankheit machen ihn dem Menschen ähnlich […] seine Denkungskraft steht dicht am Rande der Vernunft, am armen Rande der Nachahmung. Er ahmt alles nach und muß also zu tausend Kombinationen sinnlicher Ideen in seinem Gehirn geschickt sein, deren kein Tier fähig ist […] (Herder 1966 [1785–91]: 103).
Diese Sicht zugleich aber wieder relativierend, notierte er an anderer Stelle: Du aber, Mensch, ehre dich selber! Weder der Pongo, noch der Longimanus ist dein Bruder; aber wohl der Amerikaner, der Neger. Ihn also sollst du nicht unterdrücken, nicht morden, nicht stehlen; denn er ist ein Mensch wie du bist; mit den Affen darfst du keine Brüderschaft eingehen (Herder 1966 [1785–91]: 179).53
Als Äquivalent zu Rasse verwendete er Form, diskutierte den Einfluß klimatischer Veränderungen, die Entstehung der Sprache und letztlich auch den Ursprung sowie die Ausbreitung der Menschen (»Einheit des Humanen«). An dieser Stelle verzichtete Herder auf eine Einteilung der menschlichen Rassen; diese wurde dann aber in der Nachfolge Herders vom Sachsen-Weimarischen Cammerrath Georg August von Breitenbauch (1731–1817) nachgereicht.54 Die Ideen Herders baute zudem Wilhelm von Humboldt55 später zu einer »vergleichenden Anthropologie« aus, was den Durchbruch eines »historisch-charakterisierenden Verfahrens« (Sprache der Völker; Völkerpsychologie) bedeutete (Mühlmann 1968: 65). Kurze Zeit nach Herder folgte der Göttinger Philosoph Christoph Meiners (1747–1816) mit seiner Abhandlung Grundriß der Geschichte der Menschheit (1786).56 Obwohl heute von zahlreichen im Ausland arbeitenden anthropologisch orientierten Wissenschaftlern negiert, kann man in Meiners den »eigentlichen Begründer der geschichtsphilosophischen Anthropologie« sowie der vergleichenden Religionswissenschaft und Völkerkunde sehen (Ihle 1931). Meiners legte besonderen Wert auf die Eigentümlichkeiten der Physiognomik, »ohne der Versuchung, vom Gesichtsausdruck auf charakterliche Eigenschaften zu schließen, immer zu entgehen« (Bitterli 1977: 189). Ähnlich wie Buffon, Linné oder Blumenbach sah auch Meiners in den Europäern (der Begriff Arier57 wurde noch nicht verwendet) die edelste Rasse und verlieh seinen Rasseidealen (schöne oder häßliche Rasse) mit den Worten Ausdruck: Eins der wichtigsten Kennzeichen von Stämmen und Völkern ist die Schönheit oder Häßlichkeit, entweder des ganzen Cörpers oder des Gesichts. Die entgegengesetzten Urtheile verschiedener Zeitalter und Nationen machen die Schönheit des Cörpers und seiner vornehmsten Zitiert nach der Textausgabe Darmstadt 1966. Vgl. Breitenbauch, G. A. von (1793): Versuch einer Erdbeschreibung der sechs Welttheile nach den Stämmen ihrer Regenten und Bewohner nebst Karten. Leipzig. 55 Neben Kants Ausführungen über »Anthropologische Charakteristik« in der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798) entwickelte Wilhelm von Humboldt den Plan einer »vergleichenden Anthropologie« (Heinemann 1929). 56 Jahre später erschienen dann noch drei posthum von J. G. H. Feder herausgegebene Bände Untersuchungen über die Verschiedenheiten der Menschennaturen (die verschiedenen Menschenarten) in Asien und den Südländern, in den Ostindischen und Südseeinseln, nebst einer historischen Vergleichung der vormahligen und gegenwärtigen Bewohner dieser Continente und Eylande (1811–1815) zur gleichen Thematik. 57 Dazu und zur Germanomanie im 18. Jahrhundert vgl. Poliakov (1993). 53 54
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Theile ebensowenig willkürlich, als Weisheit und Tugend. Nur der Kaukasische Völker-Stamm verdient den Namen des Schönen und der Mongolische mit Recht den Namen des Häßlichen […] Man kann daher nicht ohne Grund behaupten, daß Schönheit in gewissen Gegenden eine einheimische Blume, und anderswo Häßlichkeit ein unausrotliches Unkraut sey (Meiners 1786: 43).
Auch wenn sich die einfache Einteilung Meiners nicht durchsetzte, war sein Bestreben zu erkennen, neben völkerkundlichen Aspekten auch wertende biologische Gedanken in die menschlichen Klassifikationsschemata einzubinden. Ähnlich wie Herder lehnte er eine zoologische Anwendung des französischen Wortes »race« ab und betonte vielmehr als Polygenist im dritten Band seiner Untersuchungen: Unter Völkerfamilien verstehe ich einen Inbegriff natürlich verwandter Völker, die in den wesentlichen Beschaffenheiten des Körpers, des Geistes und des Gemüts zusammenstimmen, ungeachtet ein jedes sich von den anderen durch eigenthümliche Merkmale unterscheidet. Damit wird der Rassebegriff vom Volksbegriff aufgesogen. Aber es kommt nicht darauf an, dieses Wort bald auf die eine, bald auf die andere begriffliche Seite zu zerren, sondern darauf, Formenkreis und Fortpflanzungskreis als solche klar zu trennen (Meiners 1815: 321).
Bei diesen Formulierungen baute er unmittelbar auf seiner Rasseneinteilung von 1786 auf, in der er noch formuliert hatte: Unter allen in diesem Grundrisse enthaltenen Beobachtungen, die ich als die meinigen anzusehen das Recht zu haben glaube, scheint mir keine andere auf so viele Zeugnisse und Facta gegründet und so reich an wichtigen Folgerungen für viele Wissenschaften zu seyn, als diese: daß das gegenwärtige Menschengeschlecht aus zween Hauptstämmen bestehe, dem Tatarischen oder Kaukasischen, und dem Mongolischen Stamm: daß der letztere nicht nur viel schwächer von Cörper und Geist, sondern auch viel übel gearteter und tugendleerer, als der Kaukasische sey; daß endlich der Kaukasische Stamm wiederum in zwo Racen zerfalle, die Celtische und Slawische, unter welchen wiederum die erstere am reichsten an Geistesgaben und Tugenden sey […] Diese für die ganze Philosophie nicht weniger als für die Geschichte wichtigen Resultate werden alsdann erst recht einleuchtend werden, wenn ich meine Untersuchungen ausführlicher werde mitgetheilt haben (Meiners 1786: 3a-4a).
Diese Einteilung wurde dann nur noch vom Rostocker Anatomen Wilhelm Josephi (1763–1845) verwendet58, in Teilen folgte auch später Gobineau der Rassentheorie von Meiners.59
Vgl. Josephi, W. (1790): Grundriß der Naturgeschichte des Menschen zum Gebrauche der Vorlesungen. Hamburg. 59 Über den Begriff der Menschenrasse kam es Ende des 18. Jahrhunderts dann noch zwischen Meiners und Blumenbach (zum Teil war auch G. C. Lichtenberg beteiligt; Bitterli 1977) zu einem Streit. Während Blumenbach den Begriff ausschließlich auf physische Merkmale anwenden wollte, bezog Meiners auch »geistig-kulturelle Besonderheiten im Sinne der späteren Völkerpsychologie« mit in seine Studien ein: »[Dieser] Streit [macht die Gefahr deutlich], das Subjekt der praktischen Vernunft ausschließlich durch die Methoden der Naturwissenschaften bestimmen zu wollen. Die Aufhebung des Apriorischen bei der Bestimmung des Menschen und die Zurückführung seines geschichtlichen Daseins auf kausal-mechanische Prozesse verleitet nämlich dazu, in verallgemeinerten Erfahrungssätzen über sein Wesen als Gegenstand der physischen Natur apriorische Werturteile, die nur die reine Vernunft liefern kann, einfließen zu lassen« (Dougherty 1990b: 109, 111). 58
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3.2.3 Physiognomik, Phrenologie und späte Naturphilosophie
Trotz dieser umfangreichen anthropologischen und philosophischen Teilergebnisse gab es aber auch noch offene Fragen wie beispielsweise nach der Darstellung und Interpretation menschlichen Aussehens, dem Ausdruck und dem Verhalten der Menschen in Bezug auf ihr Handeln (Psychologie i. w. S.), es gab den Widerspruch zwischen den Monogenisten und den Polygenisten hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach der Herkunft des Menschen sowie Diskussionen über ein »Mittelgeschöpf« usw. Einen Lösungsversuch – fernab philosophischer und psychologischer Argumente – erhoffte man sich dann von der aufkommenden Physiognomik und Phrenologie, die letztlich bestimmte Aussagen der Anthropologie hinsichtlich der Typologie etc. näher hinterfragte (Breidbach 1997). Bereits um 1600 war der Gegensatz von Psychologie und Anthropologie deutlich geworden, als der Stader Rektor Otto Casmann (1562–1607) seine Psychologia anthropologica sive animae humanae doctrina methodice informata (1593/96) dem Werk von Hundt Somatologia anthropologica est doctrina humanae naturae gegenüberstellte; im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erlebte dieser eine Renaissance.60 Als Vertreter jener neuen Strömungen (zum Teil aber in Anlehnung an Sömmerrings Forschungen) sind Johann Caspar Lavater (1741–1801) und Franz Joseph Gall (1758–1828) zu nennen, denn zu Beginn des 18. Jahrhunderts war deutlich geworden, daß die Anthropologie von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und Fakultäten (philosophische und medizinische) betrieben werden mußte. Nur über den Modus, das Wie war man sich nicht einig (Nowitzki 2001: 28). Lavater, ein Züricher Theologe, war Anhänger der Physiognomik61, jener Disziplin, die das innere Wesen des Menschen aus seinen Gesichtszügen erkennen wollte.62 Er gebrauchte dabei den Gesichtswinkel Campers zur Begründung seiner Physiognomik. In Lavaters vierbändigem Hauptwerk Physiognomische Fragmente (1775–1778) finden sich neben unzähligen Illustrationen auch seine Hauptaussagen (zu Nationalgesichtern, Stadt- und Ortsphysiognomien etc.), die sowohl Zustimmung (Goethe, Herder, Wieland) als auch später starke Ablehnung (G. Ch. Lichtenberg 1178)63 durch seine Zeitgenossen erfuhren. Gall hingegen, begründete die Phrenologie (auch Organologie, Kranioskopie genannt) und wollte mit dieser Lehre an Lavaters Physiognomik anschließen, diese dabei nachhaltig ergänzen (Breidbach 1997, Whye 2002). Gall glaubte, in der Bildung der Stirn oder im äußeren Relief des Schädels Strukturen erkennen zu können, mit deren Hilfe er auf bestimmte geistige und charakterliche Leistungen bzw. Eigenschaften des Menschen schließen konnte. Auch er stieß mit seiner (typologischen) Lehre auf Lob und Kritik (C. G. Carus). Hundt und Casmann waren in ihrem wissenschaftlichen Ansatz dabei vorwiegend G. Pico della Mirandola und dessen Betonung der »Würde des Menschen« (»dignitas hominis«) von 1486 gefolgt (Herrmann & Ullrich 1991: 523). 61 Vgl. auch schon Aristoteles und sein unvollständiges Werk Physiognomika (Kloos 1951) sowie als weiteren Vorläufer Johann Baptista della Porta mit seinem Werk De Humana Physiognomica (1593). 62 In dieser näherte man sich also dem Themengegenstand über die künstlerische Darstellung und nicht über die wissenschaftliche Seite. 63 Vgl. Lichtenberg, G. Ch. (1778): Über Physiognomik wider die Physiognomen zur Beförderung der Menschenliebe und Menschenkenntnis. Göttingen. 60
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Abb. 6: Satirische Darstellung der Vorlesung Galls aus der Zeit der Verspottung. In: Eickstedt, Egon Frh. von: Rassenkunde und Rassengeschichte des Menschen, Erster Band, Stuttgart 1938, S. 294.
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Insbesondere Johann Casper Spurzheim hat dann später Teile des Gallschen Konzeptes variiert, ergänzt und weiter bekannt gemacht (Ackermann 1806, Keßler 1805). Die Psychologie und Psychiatrie sind in Galls Phrenologie als eigenständige Fächer bereits angedeutet.64 Später sollte dann Carl Gustav Carus, auch aufgrund seiner Nähe zur romantischen Naturphilosophie, »zu einer Kranioskopie gelangen, die sich auf den symbolischen Zusammenhang von Hirn- und Schädelform stützte« (Oehler-Klein 1990: 84).65 In diesem Zusammenhang sind dann auch noch stellvertretend die Arbeit des Jenaer Anatomen Emil Huschke über Schaedel, Hirn und Seele des Menschen und der Thiere nach Alter, Geschlecht und Race (Jena 1854), Friedrich Tiedemanns Abhandlung über Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Utangs verglichen (Heidelberg 1837), August Zeunes Werk Über die Schädelbildung zur festern Begründung der Menschenrassen (Berlin 1846) oder Rudolf Virchows Untersuchungen über die Entwicklung des Schädelgrundes im gesunden und krankhaften Zustande und über den Einfluss derselben auf Schädelform, Gesichtsbildung und Gehirnbau (Berlin 1857) zu erwähnen. Insgesamt scheint aber nur der Einfluß von Sömmerring in der Geschichte der Physiognomik bedeutend gewesen zu sein, war er es doch, der mit seinen neuroanatomischen Untersuchungen letztlich eine andere, eben naturwissenschaftliche Basis in die Diskussionen mit einbrachte, »die für die (physiognomisch orientierte) Anthropologie des 19. Jahrhunderts wegweisend gewesen ist« (Oehler-Klein 1990: 87; Mann 1985; Karliczek 2008). Seitens einiger Vertreter der Naturphilosophie und Romantik erfuhren die vorgetragenen anthropologischen Inhalte ebenso entsprechende Ergänzungen: H. Steffens verfaßte eine »geologische« und »physiologische« Anthropologie (1822), M. B. Kittel eine Anthropologie als Basis der Philosophie (1833), fußend auf der Anatomie, oder J. C. A. Heinroth eine Anthropologie (1822), basierend auf reiner Psychologie. Auch an der Salana in Jena beschäftigten sich in diesem Zeitraum einige Gelehrte mit anthropologischen Fragestellungen, so die Anatomen Justus Christian Loder und Jacob Fidelis Ackermann (»medizinische Anthropologie«) oder die Philosophen Johann Gottlieb Fichte, Jacob Friedrich Fries bzw. Carl Christian Erhard Schmid.66 Ebenso boten Magazine und Zeitschriften jener Zeit wie die Allgemeine Literaturzeitung, das Psychologische Magazin und Anthropologische Journal von C. Ch. E. Schmid oder das Journal für Menschenkenntniß, Menschenerziehung und Staatenwohl von Johann Friedrich Ernst Kirsten und Johann Adolf Jacobi in Jena ein frühes anthropologisches Diskussionspodium (Breidbach & Ziche 2001, Nowitzki 2001, Eckardt et al. 2001). Mit dem Wirken von Lorenz Oken (1779–1851) sollte schließlich die klassische Zeit der Anthropologie67 sowohl in Jena als auch in ganz Deutschland beendet Gall hat nach seinem Tod seinen eigenen Schädel präparieren und in seine Schädelsammlung einordnen lassen, bis diese ins Musée de l’Homme in Paris überführt wurde. 65 Vgl. Carus, C. G. (1977): Symbolik der menschlichen Gestalt. Ein Handbuch zur Menschenkenntnis. Hildesheim/New York (Nachdruck der 2. Aufl., Leipzig 1858); Ders. (1843/1845): Atlas der Cranioskopie, oder Abbildungen der Schaedel- und Antlitzformen beruehmter oder sonst merkwuerdiger Personen. Heft 1 (Leipzig 1843), Heft 2 (Leipzig 1845). 66 Vgl. Eckardt et al. (2001); Regenspurger & v. Zantwijk (2005a/b); Regenspurger (2005); v. Zantwijk (2005). 67 »Wäre es indess auch wahrscheinlich, ja wäre es erwiesen, daß die Entstehung des Menschen mit 64
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werden. Oken68 war im Jahre 1807 nach Jena gekommen, nachdem er zuvor den Doktor der Medizin (Freiburg) erworben und ab 1805 in Göttingen u. a. intensive embryologische Studien sowie Literaturstudien in der Göttinger-Bibliothek durchgeführt hatte. Mit im Jenaer Reisegepäck befand sich seine Wirbeltheorie der Schädelknochen, ein Thema, das in Jena weit über Oken hinaus etwa 150 Jahre für Interesse (von Carl Gegenbaur bis zu Victor Franz und dessen Schüler Dietrich Starck) sorgen sollte.69 Dieser Theorie war dann auch seine Antrittsvorlesung »Über die Bedeutung der Schädelknochen. Ein Programm beim Antritt der Professur an der Gesammt-Universität zu Jena« gewidmet, gehalten am 9. November 1807. In dieser Vorlesung findet sich schon auf der ersten Seite ein für die Geschichte der Anthropologie wichtiger Satz, hinsichtlich der Verortung des Menschen aus der Sicht Okens. So bemerkte er: Das Skelet ist nur ein aufgewachsenes, verzweigtes, wiederholtes Wirbelbein; und ein Wirbelbein ist der präformirte Keim des Skelets. Der ganze Mensch ist nur ein Wirbelbein (Oken 1807: 5).
Derartige Überspitzungen hinsichtlich einer Einordnung des Menschen in das Tierreich sollten sich auch noch später finden: [Der] Mensch ist ein zweifüßiges, zweihändiges, zitziges, sprechendes Thier« oder »Der Affenmensch ist der Mohr […] Der menschliche Mensch ist der Weiße (Oken 1809: 33).
Oken war vielleicht der originellste Interpret naturphilosophischer Ideen, der bereits 1802 eine Übersicht des Grundrisses des Systems der Naturphilosophie und der damit entstehenden Theorie der Sinne vorgelegt hatte. Damit wurde er zum Mitbegründer der naturphilosophischen Methode, die er dann auf die allgemeine Naturerkenntnis u. a. mit seinen Schriften Abriß des Systems der Biologie (1805) sowie dem dreibändigen Lehrbuch der Naturphilosophie (1809–1811) übertrug. Sein Lehrbuch der Naturgeschichte (1812–1826), die Herausgabe der Isis ab 1817 sowie seine Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände (1835) sollten für die Geschichte der Anthropologie nur in einigen wenigen Passagen – im Gegensatz zur Geschichte der Naturwissenschaften – entsprechende Bedeutung besitzen (Breidbach 2001). So sind dem Menschen im siebenten Band (dritte Abteilung) – Säugethiere 2 – der Allgemeinen Naturgeschichte (1838) dann auch nur die Seiten 1849 bis 1854 gewidmet, in denen Oken neben der Beschreibung charakteristischer Merkmale des Menschen (»Menschfalder Geschichte der Erde aufs innigste verflochten sey, die Geschichte der Gebirge, der Pflanzen, der Thiere, ist darum noch kein Theil der Anthropologie; nur derjenige Schöpfungsact, wo, wenn es so war, nach den Gebirgen, nach den Pflanzen, die Thiere, der Mensch hervorging, gehört zu der Aufgabe, die der Lehre vom Menschen vorliegt. Oder soll in der Zoologie die Geschichte der Pflanzen, der Metalle, der Erden, für die der Zusammenhang ihres Werdens offenbar noch einleuchtender ist, ebenfalls wiederkehren? […] Und so mögen wir denn die Lehre vom Menschen vor dieser neuen Verrückung ihrer Gränzen bewahren, mögen nicht verkennen, daß Geologie und Anthropologie, wenn sie sich auch an einander anschließen, doch keineswegs dasselbe sind« (Nasse 1823: 11–12). 68 Vgl. zu Leben und Werk von Lorenz Oken die Sammelbände von Breidbach, Fliedner & Ries (2001) sowie von von Engelhardt & Nolte (2002). 69 Diese Theorie basierte auf der Interpretation des Fundes eines Schädels einer Hirschkuh während eines Aufenthaltes im Harz am Ilsenstein; über diese Theorie entbrannte zudem mit Goethe ein Streit (Zittel 2001).
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tigkeit des Baues«, »Sinnesorgane des Menschen sind zur Freyheit gekommen« usw.; ebd.: 1850) auch ein Rassenkonzept, basierend auf der Hautfärbung (und in Anlehnung an Blumenbach), vorstellt. Er unterscheidet dabei fünf Stufen, ohne diese weltanschaulich zu werten: 1. Die Schwarzen oder die Neger […] 2. Die Braunen oder die Malayen […] 3. Die Rothen oder Americaner […] 4. Die Gelben oder die Mongolen […] 5. Die Weißen oder die sogenannten Caucasier (Oken 1838: 1852–1853).
Diese und weitere seiner Aussagen waren aber letzten Endes ohne entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der Anthropologie. Einen brauchbaren Entwurf einer naturphilosophisch beeinflußten Anthropologie – im Gegensatz zu Oken, G. R. Treviranus (1776–1837), K. A. Eschenmeyer (1768–1852), J. Hillebrand oder C. F. Heusinger (1792–1883) – sollte erst einige Jahre später (1837) der Physiologe und Anatom Karl Friedrich Burdach vorlegen (vgl. Kapitel 4.1.1; Breidbach & Ghiselin 2002). Fazit
Diese kurze Retrospektive zur Genese der Anthropologie um/nach 1800 und einzelner Vertreter (vor Darwin) hat gezeigt, wie bei einigen Gelehrten unterschiedlichster Coleur schon frühzeitig ein klares naturwissenschaftliches Verständnis über Definition und Inhalt von Anthropologie (wenn auch noch nicht exakt formuliert) vorhanden gewesen ist, und das, obwohl fossile Belege bezüglich der Abstammung des Menschen noch fehlten.70 Das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts hat sich dabei als fortschrittlich erwiesen, gelang es doch gleich von drei wissenschaftlichen Seiten aus, Beiträge für eine sich zukünftig biologisch zu konturierende Anthropologie zu leisten. So haben die Zoologie/Anatomie, Geographie und Philosophie in einigen Punkten wichtige und wesentliche Grundlagen für die exakte (spätere) »Hominidengliederung«71 sowie die zukünftige Wissenschaft gelegt. Kant formulierte die grundlegenden Begriffe für die Anthropologie, Blumenbach hingegen erweiterte diese um die biologischen Grundlagen bzw. gab er eine erste Einteilung der Menschenrassen, Zimmermann, Humboldt und Goethe dehnten den Fokus der Betrachtung auf die geographisch-zoologische sowie völkerkundliche Richtung aus, und das Verdienst von Sömmerring hatte darin bestanden, eine anatomisch-physiologische (medizinische) Sichtweise zu postulieren, die schließlich auch die Diskussionen innerhalb des »Affe-Mensch-Vergleiches« beendete. Mit den philosophischen Erweiterungen, Ergänzungen oder Abwandlungen eines Herder, Meiners und Oken wurden ebenso ideengeschichtliche Grundlagen für eine biologisch exakte »Formenkunde« der Hominiden vorgegeben, die jedoch noch auf humanphylogenetische Interpretationsmuster verzichten mußte. Allen hier erwähnten Gelehrten war ferner gemeinsam, sich in ihren Untersuchungen streng an das empirische Datenmaterial gehalten zu haben und bei den Interpretationen weitgehend weltanschaulichen und moralischen Fragen aus dem Weg gegangen zu 70 71
Vgl. hierzu auch Schmutz (2000) sowie verschiedene Beiträge in Böhme et al. (2004). Bereits 1830 lagen insgesamt 26 nomenklatorisch gültige Namen vor (von Eickstedt 1937–43: 254).
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sein. Die eigentlichen Rassenideologien, »mit ihren Vorstellungen von biologischer Potenz und kultureller Überlegenheit«, waren den Gelehrten des 18. Jahrhunderts noch vollkommen fremd (Bitterli 1977: 190).72 Biologische Anthropologie verstand sich zu jener Zeit als Bündelung der biologischen Forschung und Integrierung der philosophischen Weltsicht. Erst mit Darwins Theorien sollten ihr dann neue Impulse verliehen werden.
3.3 Anfänge der Paläoanthropologie
Die Frage einer Einordnung des Menschen in das Reich der belebten Natur wurde erstmals im Jahre 1758 in der 10. Auflage von Linnés Systema Naturae beantwortet. Darin hatte dieser den Homo sapiens zusammen mit den Affen und Fledermäusen unter die Primaten (Herrentiere) vereinigt. Diese Zuordnung Linnés ist bemerkenswert, gab es doch zur damaligen Zeit keine exakten Beschreibungen von heute bekannten Menschenaffen. So hatte Nikolaus Tulpius (1593–1674) noch 1641 in seinen Observationum medicarum libri tres zum ersten Mal ein menschenaffenähnliches Wesen beschrieben und dieses »Satyrus indicus« genannt. Offenbar handelte es sich um einen Schimpansen. Der englische Anatom Edward Tyson (1651–1703)73 beschrieb 1699 schließlich den Schimpansen dann genauer und nannte ihn »Homo sylvestris« (Querner 1968: 17). Einige Jahre später (1726) fand der Zürcher Arzt Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733) einige Versteinerungen, die er für die Skelettreste eines zu Noahs Tagen umgekommenen menschlichen Kindes hielt, und gab diesem Fund den Namen Homo diluvii testis. Dieser Fund fand ein großes Interesse beim Publikum und wurde sogar von Linné in sein Systema Naturae (2. Aufl., S. 156) aufgenommen. Georges Cuvier (1769–1832) stellte später jedoch fest, daß es sich bei diesem Fund um einen fossilen Riesensalamander handelte. Es war schließlich die Autorität von George Cuvier, die noch für lange Zeit in den wissenschaftlichen Diskussionen des 18. Jahrhunderts den Gedanken der Evolution und die Frage der Herkunft des Menschen in den Hintergrund treten ließ, obwohl nun immer öfter von fossilen Funden berichtet wurde (vgl. Kapitel 5.4). So beschrieb der Uttenreuther Pfarrer und Höhlenforscher Johann Friedrich Esper (1732–1781) seine Funde menschlicher und tierischer Überreste aus der Gailenreuther Höhle im Fichtelgebirge im Jahre 177474 und stellte dabei die Vermutung an,
Mit Sombart kann behauptet werden, daß sich die Anthropologie am Anfang des 18. Jahrhunderts wenigstens in Deutschland als Wissenszweig und Lehrfach bereits eingebürgert hatte (Sombart 1938: 103). 73 Der Londoner Arzt E. Tyson stellte als Erster bei seinen Untersuchungen eine strukturelle Analogie zwischen Mensch und Schimpanse fest, wobei er 48 Merkmale fand, in denen der von ihm untersuchte Schimpanse (den er für einen Orang-Utan hielt und Pygmäe nannte) dem Menschen ähnlicher war als den Affen und Menschenaffen, und 34 Merkmale, in denen dieser sich von Menschen, Menschenaffen und Affen unterschied (»Orang-Outang sive Homo sylvestris or the anatomy of a pygmy«, 2 vols., London 1699; 2nd ed. »The anatomy of a pygmy, compared with that of a monkey and a man«, London 1751). 74 Vgl.: Ausführliche Nachricht von neuentdeckten Zoolithen unbekannter vierfüßiger Thiere, und 72
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Abb. 7: Der »Pygmie« nach Tyson’s Figuren 1 und 2 verkleinert (1699). In: Huxley, Thomas Henry: Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, Braunschweig 1863, S. 10.
daß der Mensch mit diesen verschiedenen Tierarten vor langer Zeit zusammengelebt haben mußte: Haben beede Stücke aber einem Druiden, oder einem Antediluvianer, oder einem Erdenbürger neuerer Zeit gehört? Da sie unter den Thiergerippen gelegen, mit welchen die Gailenreuther Hölen ausgefüllt sind; da sie sich in der nach aller Wahrscheinlichkeit ursprünglichen Schichte gefunden, so muthmaße ich wohl nicht ohne zureichenden Grund, daß diese menschlichen Glieder, auch gleiches Alters, mit denen übrigen Thierverhärtungen, sind (Esper 1774: 26).
J. Ch. Rosenmüller hat Jahre später (1796) nochmals auf diese Funde hingewiesen.75 In England hingegen gab William Buckland 1823 einen Bericht, wonach er an sechs verschiedenen Orten Spuren von Menschen glaubte, entdeckt zu haben (Rupke 1983, Sommer 2007). Ebenso sind an dieser Stelle die Forschungen des Paläontologen Badenen, sie enthaltenden so wie verschiedenen anderen Grüften der obergebürgigen Lande der Markgrafschaft Bayreuth. Nürnberg 1774. 75 Vgl.: Abbildung und Beschreibung merkwürdiger Höhlen um Müggendorf bei Streitberg im Bayreuther Oberlande. 1. Heft (Beschreibung der Höhle bei Mockos). Erlangen 1796; Tobien (1985).
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ron Ernst Friedrich Freiherr von Schlotheim (1765–1832) zwischen 1820 und 1824 in verschiedenen Ablagerungen Thüringens (Köstritz) sowie die Funde von Jacques Boucher de Perthes (1788–1868), einem Zolldirektor in Abbeville (Frankreich), im Somme-Tal zu erwähnen.
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4. Der Beginn einer biologischen Anthropologie im 19. Jahrhundert
I
nsbesondere die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts hatten in Deutschland zu einem deutlichen Aufschwung des Interesses an der Erforschung der Frage nach der Herkunft des Menschen geführt, und naturkundlich-anthropologisches Denken war in weite Bereiche des Geisteslebens vorgedrungen. Neben einer Reihe von Lösungs- und Erklärungsversuchen aus Fachgebieten wie der Naturphilosophie (Schelling, Oken u. a.), der Psychologie und Philosophie (Kant, Burdach u. a.), der Anatomie (Blumenbach, Sömmerring u. a.) usw. sind nun besonders zwei Ansätze aus jener Zeit für eine empirische Beschäftigung mit dem Menschen hervorzuheben, da diese in der Folgezeit für die anthropologische Forschung bis in die 1920er Jahre zentral werden sollten. Der eine Ansatz ging von einer bewußten Übernahme naturgesetzlicher Bedingungen für die Entfaltung menschlicher Gesellschaften aus und führte zu einer politisch-historischen Anthropologie (Meiners, Herder u. a.). Bestimmendes Element hierfür war die Frage nach der Ursache und Bedeutung der Rassenunterschiede (Rassenkunde) und die Suche nach deren Erklärbarkeit. Der zweite Ansatz lag in der Einführung der Kraniologie (als messende Methode und erklärendes Mittel), die Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts mit den Arbeiten des schwedischen Zoologen und Anthropologen Anders A. Retzius (1796–1860)1 begann und später unter Rudolf Martin – erweitert als Anthropometrie – eine Renaissance erleben sollte. Wie noch auszuführen sein wird, verband aber schon frühzeitig ein Naturforscher in jener Zeit beide Ansätze (Entwicklung von Kriterien der Rassenvergleichung aufbauend auf exakten messenden Methoden usw.) und sorgte somit dafür, daß er mit seinem Verständnis von Anthropologie zum eigentlichen Begründer einer biologischen Anthropologie (einige Jahre vor Darwin) werden sollte. Die Rede ist vom Anatomen, Zoologen und Entwicklungsbiologen Karl Ernst von Baer (1792–1876), der gemeinsam mit Blumenbachs Nachfolger Rudolph Wagner (1805–1876) die Idee hatte, eine Anthropologentagung nach Göttingen einzuberufen, um damit dem Fach auch die nötigen institutionellen Impulse zu verleihen. Bevor Unterscheidung der Schädel in dolychokephale und brachykephale sowie in orthognathe und prognathe = morphologisches Prinzip der Schädelmessungen. 1
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aber auf die Tagung und deren Ergebnisse – ersten unmittelbaren Meilensteinen einer biologischen Anthropologie – näher eingegangen wird, sollen einige Bemerkungen zu von Baer vorangestellt werden, ist er doch bisher in der Biologiegeschichte vorwiegend nur als Entdecker des Säugetiereies und Autor embryologischer Studien – und weniger als Anthropologe – gewürdigt worden.2
4.1 Karl Ernst von Baer als Anthropologe
Karl Ernst von Baer wurde am 17./28. Februar 1792 als Sohn eines estländischen Rittergutsbesitzers auf dem Erbgute Piep geboren. Nach dem Besuch der Ritter- und Domschule in Reval (1807/10) immatrikulierte sich von Baer im August 1810 an der Universität Dorpat als Student der Medizin. Positiv werden von ihm drei seiner Lehrer erwähnt: der Physiker Georg Friedrich Pardot, der Botaniker Karl Friedrich Lebedour sowie der Physiologe und Anatom Karl Friedrich Burdach, wobei die Beziehung zu Burdach zentral und prägend werden sollte (vgl. Kapitel 4.1.1). Im September 1814 schloß von Baer seine medizinischen Studien mit der Promotion zum Dr. med. ab und verbrachte bis zu seiner Anstellung als Prosektor der Anatomischen Anstalt in Königsberg (Juli 1817) einige Lehrjahre in Wien, Würzburg und wiederum Wien. Im Jahre 1819 folgte seine Ernennung zum a. o. Professor der Zoologie, 1821 wurde er Direktor des Zoologischen Museums in Königsberg und 1822 o. Professor für Naturgeschichte und Zoologie in der Medizinischen Fakultät unter Beibehaltung der Prosektur. Im Jahre 1828 ernannte man von Baer schließlich zum Direktor der Anatomischen Anstalt in Königsberg; 1820 war er bereits zum Mitglied der Leopoldina und 1826 als korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften St. Petersburg gewählt worden. Im Jahre 1834 übersiedelte von Baer dann als Vollmitglied und zweiter Zoologe (nach Johann Friedrich Brandt) an die Akademie nach St. Petersburg. Nach einigen Reisen wurde er 1841 zum o. Professor der vergleichenden Anatomie und Physiologie an der Mediko-chirurgischen Akademie St. Petersburg berufen, eine Tätigkeit, die er bis 1852 innehaben sollte. Es folgten zwischenzeitlich wiederum zahlreiche Reisen, 1858 begann er dann mit dem Aufbau einer kraniologischen Sammlung, 1862 feierte er seinen Abschied von der Akademie und übersiedelte 1867 wieder nach Dorpat, wo er am 16./28. November 1876 verstarb. Der kurze Lebensabriß des Naturforschers zeigt ferner, daß insbesondere nach dem Abschluß der kaspischen Expeditionen (1853, 1854, 1855–1857) zunehmend anthropologische Probleme in den Vordergrund von von Baers Interesse rückten. Sie wurden sogar zu seinem Hauptarbeitsgebiet und umfaßten in ihrer Blütezeit fast den gesamten Zeitraum der 1860er Jahre, bis er schließlich von Petersburg nach Dorpat 1867 übersiedelte (Raikov 1968: 260; Stieda 1879). Bereits in seinen ersten Königsberger Jahren hatte von Baer sich mit der Anthropologie beschäftigt. Hier war 1824 der erste Teil seiner Vorlesungen über Anthropologie, für den Selbstunterricht erschienen. In diesen Vorlesungen definierte er die Anthropologie als alles das, »was wir vom Menschen wissen« (von Baer 1824: 5), ferner Zu Leben und Werk von Carl Ernst von Baer vgl. u.a. von Baer (1886), Koehler (1940), Raikov (1968), Folia Baeriana (1975–1990), Jahn (1998) und Breidbach (1999). 2
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sollte diese Anatomie, Physiologie sowie die Psychologie des Menschen umfassen, dazu noch die Ethnographie und Archäologie einbinden. Praktisch gliederte er die Anthropologie in die Anthropographie (beschreibende Menschenkunde), Anthroponomie (Vergleich des Menschen mit allen anderen Lebewesen, Standortbestimmung) und die Anthropohistorie. Die Geschichte war dabei für ihn zentral, denn sie zeige erst den Wert der Anthropologie, indem sie Zeugniß ablegt, daß beim Aufleben der Kultur in einem Volke die ersten Fragen, die den mündig werdenden Geist beschäftigten, den Ursprung des Menschen und sein Verhältniß zur Natur betrafen; ja, man kann behaupten, daß eben darin das Erwachen der Kultur bestehe, daß der Mensch Kunde über sein Daseyn fordert (von Baer 1824: 3).
An anderer Stelle3 sollte er einige Jahre später dann ergänzen: Die Geschichte der Wissenschaften […] lehrt uns, mögen wir sie nun im Ganzen oder in einzelnen Zweigen verfolgen, daß zuerst nur die Lust am Wissen […] die wissenschaftlichen Ueberzeugungen gebar, daß diese, weiter verfolgt, nur ganz langsam die Frage: warum man Etwas wisse oder für wahr zu halten berechtigt sei? erzeugte (von Baer 1864: 88)
bzw. liest man wiederum einige Zeit später: So ist der Erdkörper nur das Saamenbeet, auf welchem der geistige Erdtheil des Menschen wuchert, und die Geschichte der Natur ist nur die Geschichte fortschreitender Siege des Geistes über den Stoff. Das ist der Grundgedanke der Schöpfung (von Baer 1876: 246; Hervorhebungen im Orig.).
Als von Baer im Jahre 1846 dann den Petersburger Lehrstuhl für vergleichende Anatomie und Physiologie (in der Nachfolge von P. A. Zagorskij) übernahm, gehörte die Betreuung des vergleichend-anatomischen Kabinetts mit zu seinen Aufgaben. Die Sammlung umfaßte neben anatomischen Präparaten auch eine größere Anzahl von Schädeln, die in den nachfolgenden Jahrzehnten sein besonderes Interesse hervorrufen sollten. Sie wurden später zur empirischen und methodologischen Grundlage der von Baerschen Ansichten hinsichtlich einer vergleichenden Anthropologie. Anfänglich noch gegen einige Vorbehalte (anatomisches Wissen versus russische Geistlichkeit) kämpfend, beschäftigte er sich zunehmend neben institutionellen Aufgaben auch mit praxisrelevanter anthropologischer (Feld-)Forschung.4
Anläßlich des Vortrages »Blicke auf die Entwickelung der Wissenschaft«, gehalten in der öffentlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg am 29. Dezember 1835 (von Baer 1864). 4 Als Kuriosa aus dem seinerzeitigen Umfeld seien an dieser Stelle von Baers Äußerungen zu einigen anthropologischen Ausstellungsobjekten angeführt: »Hierher gehört sein Bericht über den Riesen Bourgeois. Es handelt sich um einen Franzosen von 2 m 17 cm Länge. Peter I. hatte ihn im Jahre 1717 in Calais in Dienst genommen. Der Riese versah beim Zaren die Obliegenheiten eines Hofheiducken. Nach seinem Tode wurde die Leiche nach allen Regeln der Kunst ausgestopft. Der riesenhaft, völlig nackte Leib wurde in der ›Kunstkammer‹, der Vorgängerin des Museums [anatomisches Museum], ›als eines der populärsten Schaustücke‹ aufgestellt. Baer ließ das mehr als merkwürdige Ausstellungsobjekt fortschaffen. Im Jahre 1737 starb der an der ›Kunstkammer‹ angestellte Zwerg Foma Ignatiev. Er war nur 126 cm groß gewesen. Auch seine Leiche wurde ausgestopft und im Museum ausgestellt. Baer berichtete ferner über die Haut einer Zwergin, die nach Art eines Fußteppichs mit einem roten Stoffrande versehen, verarbeitet worden war und gezeigt wurde« (Raikov 1968: 262). 3
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Im Jahre 1851 erschien von Baers Beitrag »Der Mensch in naturhistorischer Sicht« im von Julian Simasko herausgegebenen Sammelwerk Die russische Fauna oder Beschreibung und Abbildung der im Russischen Imperium vorkommenden Tiere; hierbei handelt es sich um die erste in russischer Sprache erschienene Anthropologie (Raikov 1968: 264). Von Baer diskutierte darin die Unterschiede des Menschen gegenüber den Säugetieren, beschäftigte sich mit dem Problem der Menschenrassen und wandte sich als Monogenist gegen die Auffassung einer vielfältigen Entstehung verschiedener Menschenrassen (Polygenismus) an unterschiedlichen Punkten der Erde, erkannte hingegen aber eine Veränderlichkeit der Arten an. Weit vor dem ersten fossilen Fund eines Schädels (Neandertaler 1856) beschrieb er den Urmenschen mit primitiven Merkmalen (kleiner Schädel, niedrige fliehende Stirn), erkannte aber noch nicht dessen Bedeutung.5 Die Lehre von den Menschenrassen stellte von Baer als »vergleichende Anthropologie« dar. Gestützt auf die Einteilung der Menschenrassen von Blumenbach unterschied er: 1. die Negritos oder Melanesier, 2. die Okeanier oder Polynesier, 3. die Amerikaner, 4. die Neger, 5. die Völker Ostasiens und 6. die westlichen Völker (Raikov 1968: 266).
Im Jahre 1858 machte sich von Baer dann verstärkt daran, seine kraniologischen Sammlungen systematisch aufzuarbeiten und berichtete in einem Vortrag der Akademie über diese Ergebnisse (von Baer 1858). Wie er ausführte, ging die Tradition des Sammelns von Menschenschädeln mit wissenschaftlicher Zielsetzung in Rußland auf das Jahr 1830 zurück oder waren zuvor anderweitig, wie z. B. aus der im Jahre 1717 gekauften Sammlung des Holländers Ruysch, einzelne Stücke erworben worden. Danach sei ein zunehmendes Desinteresse am Sammeln von kraniologischem Material zu beobachten gewesen, obwohl nach wie vor das Petersburger Anatomische Museum Schädel aus dem gesamten Land durch Postsendungen etc. erhielt. Sie bildeten schließlich 1846 den Grundstock der anthropologischen Sammlung, die von Baer dann kontinuierlich ausbaute.6 Die Prinzipien, nach denen er das Material ordnen sollte, beschäftigten ihn dabei besonders. Schließlich entschied er sich für das geographische Prinzip, aber auch für das Ordnen nach Sprachen. Er empfahl, immer mindestens drei Schädel zu vergleichen, um das Typische in der physischen Beschaffenheit eines Volkes zu erkennen (Querner 1986: 294, Hoßfeld 2011). In zahlreichen Vorträgen machte von Baer das Sammlungsgut und die Aufgaben der Anthropologie weiter bekannt; so sprach er beispielsweise 1859 insgesamt gleich vier Mal vor der Akademie über anthropologische Themen (Raikov 1968: 273) bzw. besuchte er im Ausland (Stockholm, Göttingen, Karlsruhe, Kopenhagen, London, Paris)7 zahlreiche Museen und andere Einrichtungen, um dort anthropologische Studien zu betreiben. Im Februar 1859 äußerte er bereits den Wunsch, an einem Anthropologentreffen teilzunehmen, das für 1861 in Göttingen dann in Aussicht genommen wurde (ebd.: 273). Rudolf Virchow sollte Jahre später diese Merkmale sogar als pathologische Abweichungen deuten. 6 »Im Jahre 1858 umfaßte die kraniologische Sammlung bereits 350 Schädel, von denen 69 aus prähistorischen Gräbern stammten« (Raikov 1968: 270). 7 Besonders intensiven wissenschaftlichen Kontakt pflegte von Baer zu Anders Retzius in Stockholm. Über diese Kontakte berichtete er den Akademiemitgliedern gesondert in einem Vortrag vom 14. Mai 1858 (Ottow 1963). 5
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Aus dem Jahr 1859 sind zwei anthropologische Arbeiten von ihm erwähnenswert: a) Crania selecta ex thesauris anthropologicis Academiae Imperialis Petropolitanae (in dieser Studie wurden 40 Menschenschädel anhand des Formblattes von Retzius vermessen; fand eine Längenbreitenindexermittlung statt usw.) sowie b) Über Papuas und Alfuren (hierbei handelt es sich um den Kommentar zur Crania-Arbeit, wo sich von Baer u. a. zu einer Evolution der Organismen unter dem Einfluß der Umwelt bekennt).8 Aufgrund der letztgenannten Arbeit – auf die R. Wagner Darwin aufmerksam machte – zählte dieser von Baer zu seinen Vorläufern. Die Papua-Arbeit mit ihren teilweise stark teleologisch ausgerichteten Äußerungen war der Akademie bereits am 8. April 1859 durch von Baer präsentiert worden, d. h. sieben Monate vor dem Erscheinen von Darwins Origin of Species (24. November 1859). Damit sind also die Bemerkungen von von Baer zum Artenwandel eher als eine Wiederholung älterer Ansichten zu deuten und ohne Kenntnis von Darwin zustande gekommen: Ich hatte sie schon mit, als ich im Jahre 1859 England besuchte, und teilte sie mit einer anderen Abhandlung über ausgezeichnete Schädel verschiedener Völker … den Herren Owen und Huxley mit. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich erst, daß Charles Darwin mit einer vollständigen Demonstration der Transmutationslehre beschäftigt sei. Das Buch selbst war aber noch nicht erschienen (Raikov 1968: 280–281).
Auch die folgenden Jahre waren mit anthropologischen Arbeiten ausgefüllt. Im Herbst 1861 reiste von Baer schließlich zum dritten Mal in Richtung Westen, um an der Zusammenkunft einiger Anthropologen in Göttingen teilzunehmen. Die Anthropologie war damals noch eine junge Wissenschaft, und so hielt es von Baer für dringend erforderlich, in einem engen Kreis, alle damals an der anthropologischen Forschung beteiligten Gelehrten zu versammeln. Vor allem galt es, um vergleichbare wissenschaftliche Werte zu erhalten, allgemeine Regeln zur Beschreibung und Vermessung von Schädeln und anderen anthropologischen Objekten aufzustellen. Zwischen 1861 bis 1862 folgten noch weitere anthropologische Vorträge und einige wenige kleinere Publikationen (Raikov 1968: 281–289). In seinen anthropologischen Arbeiten hat sich von Baer auch zur Frage der Herkunft des Menschen mehrfach geäußert. Zunächst war er in seinen Jugendjahren naturphilosophischen Ansichten gefolgt und hatte beispielsweise wie Oken geglaubt, daß die Vorfahren des Menschen im Meer gelebt und sich erst später zu Landtieren entwickelt hätten. Diese Ansichten überwand er später, indem er sich intensiv und kritisch mit Huxleys Buch Evidence as to man’s place in nature (1863) beschäftigte. Dieses las er in der deutschen Übersetzung von J. V. Carus. Ein Jahr später erschienen gleich mehrere russische Übersetzungen. Im Jahre 1865 wandte er sich dann mit einer Artikelfolge »Die Stellung des Menschen in der Natur oder welcher Platz gebührt dem Menschen im Verhältnis zur übrigen Natur« in der Zeitschrift »Naturalist« gegen die Auffassungen von Huxley und Darwin. Seine Entgegnungen waren dabei nicht hypothetisch verfaßt, sondern von objektiver (evolutiver) Kritik getragen. Er kam dabei zu dem Schluß, daß der Mensch ein Säugetier, hingegen jedoch seine Abstammung von anderen Tieren (z. B. Affen) unwahrscheinlich sei.9 Hinsichtlich des Vgl. dazu dann später die Abhandlung von N. Miklucho-Maclay (1873): Anthropologische Bemerkungen. Papuas der Maclay-Küste in Neu-Guninea. Batavia: Ernst & Co. 9 Bereits vor dem Erscheinen der Origin of Species hatte von Baer bemerkt: »Wenn ich, weil mir die 8
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Alters des Menschengeschlechts schätzte er, daß dieses nicht sehr viel größer sein könne, als man nach den biblischen Nachrichten gerechnet habe (Stölzle 1897: 415). Ebenso kritisch stand er später Darwins Buch The Descent of Man (1871) gegenüber.10 Es hat den Anschein, als hätte dieses Buch von Baer schließlich sogar gegen den Darwinismus eingenommen und ihn dazu veranlaßt, »Ueber Darwins Lehre«, eine 245 Seiten umfassende Abhandlung zu verfassen. In dieser ging nun von Baer sehr gründlich vor und brachte alle Argumente gegen die Annahme einer Abstammung des Menschen vom Affen vor: Ich bedaure nach dem früher Gesagten herzlich, daß man sich bemüht hat, den Unterschied zwischen dem Menschen und den Quadrumanen möglichst zu verwischen, und halte diesen Versuch für falsch, nicht etwa weil er die sittlichen und geistigen Ansprüche des Menschen verletzt, sondern weil er naturhistorisch unrichtig ist. Die Darwinsche Hypothese hat mit großem Eifer das versuchte Einreißen der Scheidewand benutzt […] Ich halte die Darwinsche Lehre schon in ihrer ersten Grundlage für irrig, indem sie die Verschiedenheiten der Organismen entstehen läßt durch die kleinen Abweichungen, welche zwischen Eltern und einzelnen ihrer Nachkommen sich finden (von Baer 1876: 325, 423).11
Weiter fortfahrend rekapitulierte er im Detail nochmalig Huxley’s Schrift von 1863, verglich die Modifikationen des Affenfußes, die Schädel von Gorilla und Mensch etc.: Ich kann daher nach allen diesen Verhältnissen […] meinem verehrten Freunde Huxley nicht beistimmen, wenn er behauptet, der Unterschied zwischen dem Menschen und dem Gorilla sei geringer, als der der verschiedenen Affen unter einander (ebd.: 315).
Letztlich sollte es aber vorwiegend bei von Baers kritischen Stellungnahmen bleiben, denn an keiner Stelle seiner Argumentation entwickelte er eigene Vorstellungen zur Frage des Ursprungs des Menschen. Vielmehr flüchtete er sich in Aussagen wie: Den Männern der Wissenschaft möchte ich nur sagen, daß eine Hypothese wohl berechtigt und werthvoll sein kann, wenn wir sie als Hypothese behandeln, d. h. wenn wir ihr Gesichtspunkte für die specielle Untersuchung entnehmen, daß es aber für die Wissenschaft schädlich und entehrend ist, eine Hypothese, die der Beweismittel entbehrt, als den Gipfel der Wissenschaft zu betrachten. Unser Wissen ist Stückwerk. Das Stückwerk durch Vermuthung zu ergänzen mag dem Einzelnen Beruhigung gewähren, ist aber nicht Wissenschaft (ebd.: 473).
Von Baer war zeitlebens ein entschiedener Gegner der Lehre von einer durch ein Wunder erfolgten Erschaffung des Menschen und stand ebenso kritisch Darwins Lehre gegenüber. Seine spezielle Vorstellung einer Evolution der Natur spielte hierbei sicherlich auch eine Rolle (Breidbach 1999), und es verwundert nicht, wenn er daher eine Biographie über Cuvier verfaßte (von Baer 1897). Er lehnte zeitlebens kategorisch Urzeugung unverständlich ist, die Umwandlung so weit annehmen wollte, dass ich auch den Menschen aus anderen Tieren hervorgebildet mir dächte und diese wieder weiter bis zur Monade, so scheint es, dass ich ganze Reihen von nicht erkannten und nicht verstandenen Geheimnissen aneinderfüge« (Stölzle 1897: 373) 10 Vgl. dazu u. a. auch die von Baersche Abhandlung Zum Streit über den Darwinismus (1873) oder Stölzles umfassende Analyse über »Das anthropologische Problem« bei von Baer (Stölzle 1897: 310– 417). 11 »Ueber Darwins Lehre«, in von Baer: Reden gehalten in wissenschaftlichen … (von Baer 1876), hier S. 235–480.
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die so genannte ›Affentheorie‹ der Darwinisten (Huxley etc.) als unwissenschaftlich ab und hielt vielmehr eine Abstammung des Menschen von Säugetieren der Tertiärzeit durch Umwandlung eines befruchteten Eies für wahrscheinlich. Ebenso wie später Darwin, vermied er (wegen äußerster wissenschaftlicher Vorsicht oder aus uns unbekannten persönlichen Gründen?) in seinen Polemiken gegen die Lehre von der Tierabstammung des Menschen, sich eindeutig zu dieser Frage zu äußern (Raikov 1968: 417; Stölzle 1897). Aufgrund dieser Skizze zu von Baers Verdiensten auf dem Gebiet der Anthropologie kann man wohl berechtigt davon sprechen, daß er als der eigentliche Begründer/Initiator der russischen Anthropologie – vielleicht der biologischen Anthropologie allgemein – gelten muß und nicht, wie in einigen Darstellungen angeführt, dieses Verdienst ausschließlich A. P. Bogdanov (1834–1896) zugeschrieben wird. Bogdanov hat zwar maßgeblich, nachdem von Baer seine Arbeiten auf diesem Gebiet eingestellt hatte, diese in bewährter Weise fortgesetzt (Mogilner 2013). Von Baer war aber der eigentliche spiritus rector gewesen, obwohl vorwiegend typologisch arbeitend und die Erkenntnisse Darwins ablehnend. Bogdanovs Nachfolger wurde sein Schüler D. N. Anucin (1843–1923), der dann den ersten Lehrstuhl für Anthropologie in Rußland inne hatte. Im Jahre 1888 gründete sich schließlich noch in Petersburg die »Russische Anthropologische Gesellschaft«. An den Tagungen der 1870 gegründeten Deutschen Anthropologischen Gesellschaft (s. u.) nahm von Baer (78 Jahre) nicht mehr teil, aber die Gesellschaft ernannte ihn dann anläßlich seines 80. Geburtstages zum Ehrenmitglied und würdigte so seine Verdienste auf diesem wissenschaftlichem Gebiet (Mogilner 2013).
4.1.1 Sein Lehrer Karl Friedrich Burdach
Einen wichtigen, wenn nicht sogar den entscheidenden Einfluß auf von Baers anatomische und anthropologische Interessen hat sein Lehrer, der Dorpater/Königsberger Anatom und Physiologe Karl Friedrich Burdach (1776–1847), ausgeübt.12 Nachdem Burdach 1814 als Ordinarius für Anatomie nach Königsberg berufen worden war, veranlaßte er die Anstellung von von Baer als Prosektor an der Anatomie in Königsberg, sorgte so bei diesem für eine weitere Beschäftigung mit biologischen Fragestellungen und übertrug ihm einige Zeit später sogar die Leitung der Anatomischen Anstalt. Erste Studien von von Baer über die Anatomie der Tiere (Stör, Robben usw.) – Zootomie – gehen auf diese Zeit zurück (Raikov 1968: 48). Burdachs Name ist eng mit der Geschichte der Physiologie im frühen 19. Jahrhundert verbunden. Zu seinen Forschungsgebieten gehörten die Struktur des Gehirns, des Rückenmarks (»Burdachsche Stränge«) sowie Untersuchungen über den Mechanismus der Herzklappen, über die Funktion der Stimmbänder, über die Funktionen des V. und VI. Gehirnnervenpaares usw. Ebenso waren die Lehren des
Zu Karl Friedrich Burdach vgl. weiterführend den biographisch gehaltenen Aufsatz von Olaf Breidbach in: Bach, T.; Breidbach, O. [Hrsg.] (2005): Naturphilosophie nach Schelling (= Schellingiana. Bd. 17). Stuttgart: Frommann-Holzboog, S. 73–105. 12
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Naturphilosophen Schelling durch Burdach nach Dorpat und damit in die dortigen universitären sowie wissenschaftlichen Strukturen und Diskussionen gelangt: Im übrigen war Burdach ein durchaus gemäßigter Schellingianer, der keineswegs in die Extreme der neuen Lehre verfiel. Er selbst stellte sich in die Mitte der zwischen den extremen Naturphilosophen Carl Gustav Carus und den Empiriker Johannes Müller und war bemüht, seine naturphilosophischen Ansichten mit den Ergebnissen des Experiments in Einklang zu bringen. Von den Philosophen wurde er daher für ein Zuviel an Empirie, von den Empirikern für den Mißbrauch der Philosophie gescholten (Raikov 1968: 385).
Nach der von Burdach vertretenen Auffassung war das organische Leben auf der Erde durch Selbstzeugung aus der anorganischen Natur hervorgegangen, derzufolge sich aus »Kryptorganismen« das Tier- und Pflanzenreich entwickelte. Die Organismen sollten sich dabei allmählich, die einen aus den anderen, entwickelt haben. Damit distanzierte er sich beispielsweise von den Auffassungen von Bonnet (Stufenleiter) und postulierte vielmehr eine »Evolution« als zusammenhängende phyletische Reihung. Nachdem Burdach 1826 die Leitung des Lehrstuhles für Anatomie sowie die Leitung des Anatomischen Institutes an von Baer übergeben hatte, konzentrierte er sich nun als Vorstand des neu errichteten Physiologischen Institutes ganz auf seine physiologischen, aber auch anthropologischen Interessen. Physiologie begriff er dabei als Darstellung der Hirnfunktionen und die aus diesen resultierenden Tätigkeiten der Seele. Dieser Ansatz einer Synthese von empirischen Befunden und spekulativ untermauerter Kausalanalyse fand dann schließlich 1837 in seiner Anthropologie für das gebildete Publicum breiten Niederschlag; ein Werk, das Komponenten der Physiologie und Anthropologie zu vereinen suchte: Indessen schienen mir einige meiner Ansichten über das Seelenleben und über die Verhältnisse des Menschengeschlechts der öffentlichen Mittheilung nicht unwerth; und so ergriff ich die sich darbietende Gelegenheit, wenigstens die Grundzüge derselben in dieser Bearbeitung der Anthropologie darzulegen (Burdach 1837: III).
Mit diesem Programm zielte Burdach eindeutig – wenn auch noch teilweise in spekulativen Gedankengängen verhaftet – auf eine biologische Anthropologie hin, die sein Schüler von Baer, wie aufgezeigt, dann klarer umsetzen sollte. Als Aufgabe der Anthropologie sah Burdach, alle Seiten der menschlichen Natur aufzufassen, die Einzelnheiten in gedrängter Kürze, aber in klaren Begriffen darzustellen, und durch Betrachtung der Erscheinungen in ihrem Zusammenhange und unter gemeinsamen Gesichtspunkten zu allgemeinen und umfassenden Ansichten zu führen. Das Ziel ist also die Theorie, d. h. das Sehen von oben herab, das Erkennen des Zusammenhanges […], so ergiebt sich auch in der Anthropologie der Sinn des Ganzen erst, wenn wir das Gebiet der einzelnen Erscheinungen durchschritten sind. – Eine Beschreibung des Baues der Organe ist nicht zu vermeiden (ebd.: 3).
Das 787 Seiten umfassende Werk, das den Paralleltitel Der Mensch nach den verschiedenen Seiten seiner Natur trägt, ist in fünf Abteilungen (1. Das leibliche Leben, 2. Das animale Leben, 3. Das Seelenleben, 4. Der Verlauf des Lebens, 5. Das Menschengeschlecht) gegliedert, wobei sich die letzte ausschließlich mit anthropologischen Fragestellungen beschäftigt. Burdach eröffnet seine Diskussion in diesem Teil mit einem Abschnitt über »Die Stellung des Menschengeschlechts in der organischen Welt«. Die Grundzüge des
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Lebens, die Mannigfaltigkeit und Individualität der Organismen, der Gattungsbegriff, die Eigenschaften des Pflanzen- und Tierreiches werden ebenso diskutiert wie die Sonderstellung des Menschen, der durch seine »geistige Kraft von den Thieren durchaus verschieden ist« (ebd.: 639). Orang Utan und Schimpanse ähnelten seiner Ansicht nach dem Menschen dabei am meisten, was er durch eine vergleichende Betrachtung auch zu begründen suchte. Im sich anschließenden zweiten Abschnitt wurden dann »Die Verhältnisse in der organischen Welt« thematisiert. Harmonie, Atmosphäre, Sonnenkraft, Vaterland, Nahrung und Geselligkeit sind dabei Hauptbegriffe, mit denen Burdach operierte. Im dritten Abschnitt kommt er schließlich auf die Verschiedenheiten des Menschengeschlechts zu sprechen und analysiert zunächst die rein äußerlichen »Gestaltungsverhältnisse« (ebd.: 679) wie etwa die Konstitution, das Temperament, die Physiognomie usw. des Menschen. Der gemeinsame Charakter des Menschengeschlechts erscheine zudem nicht nur in den einzelnen Individuen, sondern zeige sich auch in den Völkern und den Völkerreihen (nach Burdach »Menschenstämme«). Die Menschenstämme begreift er als »die allgemeinsten Formen, in welche die menschliche Natur sich entwickelt« (ebd.: 698). Auf das Basiswissen zeitgenössischer Gelehrter wie Blumenbach usw. zurückgreifend (vgl. Kapitel 3) entwickelte er ebenso spezielle Vorstellungen über die Klassifikation der Menschenstämme. Zunächst unterschied er die Bewohner des »großen Festlandes« von denen Australiens. Die Bewohner des Festlandes unterteilte er in drei Hauptstämme (den kaukasischen, mongolischen und äthiopischen), einen Kernstamm, in welchem die ovale Gesichtsform und die weiße Hautfarbe vorherrscht […]; einen nordöstlichen Seitenstamm mit Vorwalten der breiten Gesichtsform und der gelben Farbe […], und einen südwestlichen, der sich durch Uebergewicht der vorgestreckten Gesichtsform und der schwarzen Farbe characterisirt […] (ebd.: 702–703).
Bei der weiteren Beschreibung der Stämme folgte er im weitesten Sinne der umfassenden Darstellung Blumenbachs und vermied wie dieser eine Integration von wertenden Momenten wie »höhere« oder »niedere« Rassen. Später liest man: Die verschiednen Völker sind die Glieder im Organismus der Menschheit, deren jedes seine eigne Stellung und Bedeutung für das Gesamtleben hat […] Nur in lebendigem Verkehr mit andern verwahrt sich jedes Volk vor Einseitigkeit […] (ebd.: 766).
Der vierte und letzte Abschnitt des Schlußkapitels befaßt sich dann schließlich mit der »Entwicklung des Menschengeschlechts«. Hier findet man u. a. auch eine Definition Burdachs für Rasse, die eine Mischung der Ansätze von Kant und Forster aufzeigt: Die Race ist demnach eine durch die Verhältnisse entstandene, aber durch Fortpflanzung stehend gewordne Modification des ursprünglichen Gattungscharakters in Betreff einzelner, nicht wesentlicher Merkmale desselben (ebd.: 745).
Den Ursprung des Menschengeschlechts (das »Vaterland«) verlegte er nach Indien und Australien, weil hier Völkerschaften aller drei Hauptstämme zu finden seien. Außerdem sei die Kultur vom westlichen Asien aus nach Europa und Afrika gelangt. Ähnlich wie Oken, hatte Burdach in einigen seiner Arbeiten das Schellingsche System der Naturphilosphie auf biologische Sachverhalte übertragen. Bei Oken war der Mensch Repräsentant des gesamten Tierreiches, eine Konzeption, die »in
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modifizierter Weise die in der Antike übliche Vorstellung von einer MikrokosmosMakrokosmos-Parallele« widerspiegelte. An diese Vorstellung schloß Burdach mit der »Periodizität« als allgemeinem Charakter des Lebens in seiner Anthropologie an, die er in Analogie zum Planetensystem und seiner Periodik setzte (Jahn 1998: 291–292). Diese doch weitgehend auch von spekulativen Einflüssen getragenen Äußerungen wurden später insbesondere von seinem Schüler Karl Ernst von Baer weiter exemplifiziert und in eine mehr biologisch orientierte Anthropologie umgedeutet.
4.2 Das Göttinger Anthropologen-Treffen 1861
Als (institutionelles) Gründungsdatum der deutschen (biologischen) Anthropologie hinsichtlich der Etablierung zu einem eigenständigen wissenschaftlichen Fach kann das »Göttinger Anthropologentreffen« vom 24. bis 26. September 1861 angesehen werden.13 Zuvor war allerdings schon eine Reihe von anthropologischen Vorarbeiten erschienen. Diese Vorarbeiten hatten aber keine einheitliche Struktur, waren vielmehr Produkt einzelner Wissenschaftler und ihrer Gedanken, so daß wirklich erst in Göttingen die Anthropologie als Fach mit einer eigenständigen Methodologie unter gleichgesinnten Wissenschaftlern etabliert wurde. Das kam auch darin zum Ausdruck, daß sich die Teilnehmer als Anthropologen und nicht als Naturhistoriker bezeichneten; ebenso spiegelt sich dies in späteren Anthropologie-Definitionen wieder (Schwidetzky 1974: 7).14 Von Baer und Wagner bemerkten dazu: Es sollte also vor allen Dingen jede philosophische Betrachtung über den Menschen überhaupt ganz ausgeschlossen bleiben. Solche Untersuchungen sind nur durch consequentes Denken Einzelner, nicht durch Discussionen zu fördern (von Baer & Wagner 1861: 27).
Die beiden Organisatoren hatten in der Vorbereitung des Treffens als Hauptanliegen verfolgt, sich in kleinem Kreise mit den wichtigsten an der anthropologischen Forschung beteiligten Gelehrten zu treffen, um eine Anzahl strittiger Fragen zu klären, »zuvörderst über eine gleichmässige Art der Messung des gesammten Körpers und insbesondere des Kopfes (oder Schädels)« sich zu einigen und »die zweckmässigste Art der Darstellungen, sowohl der graphischen als der plastischen« zu besprechen (ebd.: 1): Es ist der reine Ausdruck des Bedürfnisses, sich zu vereinbaren, um ein mehr gesichertes und reichlicheres Material für vergleichende Anthropologen zu schaffen (ebd.: 7).
Die Einladungen waren an folgende Gelehrte verschickt worden: Gustav Johann Christian Lucae (Anatom, Frankfurt a. M.), Alexander Ecker (Anatom, Freiburg i. Br.), Hermann Schaaffhausen (Anatom, Bonn), Karl Scherzer (Forschungsreisender, Wien), Eduard Schwarz (Schiffsarzt, Wien)15, Jan van der Hoeven (Zoologe, Leyden), Vgl. auch Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982: 76), Knußmann (1988) u. a. Dieser Wechsel in der Terminologie ging völlig unkompliziert vor sich und war nur kurze Zeit vorbereitet worden (Querner 1969–71). 15 Schwarz und Scherzer hatten an der Weltumsegelung der österreichischen Fregatte »Novara« 1857/59 teilgenommen und »Über Körpermessungen zur Diagnostik von Menschenrassen« publiziert. Schwarz entwickelte ferner anthropometrische Instrumente (Querner 1986: 295). 13 14
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Willem Vrolik (Anatom und Zoologe, Amsterdam) und Pieter Harting (Zoologe und Anatom, Utrecht).16 Vrolik und Lucae sagten ihre Teilnahme an der Zusammenkunft zu, van der Hoeven, Harting, Ecker, Scherzer, Schwarz und Schaaffhausen hingegen ab. Wagner hatte separat noch seine Kollegen Hermann Welcker (Halle) und Christoph Theodor Aeby (Basel), die schon in Göttingen Schädelmessungen durchgeführt hatten, eingeladen – beide sagten aber später ebenso ab. Es kamen dann noch als weitere Teilnehmer hinzu: Jacob Henle (Anatom, Göttingen), Wilhelm Krause jun. (Pathologe, Göttingen), Georg Meissner (Anatom, Göttingen), Ernst Heinrich Weber (Anatom, Leipzig) und Carl Georg Bergmann (Anatom und Physiologe, Rostock): Es ist noch Rechenschaft abzulegen, warum nur einzelne Männer eingeladen sind und die Aufforderung nicht ganz allgemein durch öffentliche Blätter ergangen ist. Die Natur des Menschen – also das Object der Anthropologie – ist der Gipfelpunkt oder Ausgangspunkt (je nachdem man seine Richtung nimmt) sehr verschiedener Wissenschaften, der Zoologie, der vergleichenden Anatomie und Physiologie, der Weltgeschichte, der Philologie, der Staatswissenschaften und Rechtsphilosophie; sie enthält die Psychologie ganz, da wir von den Seelen der Thiere nur so viel wissen, als wir anthropomorphisch in sie hineingedacht haben, und die ganze Philosophie ist ja nur ein Ausdruck der verschiedenen Weisen, wie der Mensch die Welt zu begreifen gestrebt hat. Es war also zu fürchten, dass psychische Aerzte oder Philosophen und Andere, die es mit der Anthropologie sehr ernst meinen mögen, unzufrieden unsere Versammlung verlassen haben würden, wenn eine allgemeine Aufforderung sie hieher verlockt hätte. Ein Erfolg schien überhaupt nur möglich, wenn die Berathung beschränkt würde (ebd.: 27).
Der noch im selben Jahr bei Leopold Voss in Leipzig erschienene 87 Seiten umfassende Bericht, dessen Ergebnisse hier kurz referiert seien, wurde im wesentlichen von von Baer verfaßt. Auf dessen Äußerungen zur »vergleichenden Anthropologie« (ebd.: 16) soll nachfolgend ebenso wie über die Chronologie des Ereignisses das Hauptaugenmerk gelegt werden: Sitzung am 24. September 1861 (Vormittags von 10 bis 1 Uhr)
Nachdem Wagner die Tagung eröffnet hatte, ergriff von Baer das Wort und schilderte in einem umfangreichen »historischen Bericht« (ebd.: 7) seine Erfahrungen mit kraniologischen Sammlungen, deren Bedeutung für die Anthropologie sowie die Entstehung seines Interesses an der Kraniologie: Auf diesen verschiedenen Reisen hatte ich nicht nur verbesserte Methoden der Zeichnung von Köpfen kennen gelernt, sondern auch, da solche zu Apparaten nicht leicht mitzunehmen sind, meine Methode der Messung und kürzern Beschreibung so zu vervollkommnen gesucht, dass sie die allgemeinen Verhältnisse eines Kopfes möglichst sicher und kurz ausdrücken könne […] Dieses Beispiel [Zuordnung des Perser-Schädels aus der Blumenbachschen Sammlung] mag uns lehren, wie leicht man durch einen einzelnen Kopf irre geführt werden kann, dass man mehrere zum Vergleich haben muss, um die Norm zu finden, und dass man in einem grossen Lande auch die einzelnen Regionen und deren Zuflüsse der Einwohnerschaft aus anderen Gebieten zu berücksichtigen hat (von Baer & Wagner 1861: 6, 12).
Es folgten noch Ausführungen zu den allgemeinen Aufgaben, die diese Zusammenkunft haben sollte, Bemerkungen über Varietäten, zum Problem der Bastardnach»[Die Einladung] sollte auch den Gebrüdern Schlagintweit zugesendet werden, indessen hiess es, diese seien zur Zeit in England und man wisse sie nicht zu finden« (von Baer & Wagner 1861: 2). 16
Das Göt tinger Anthropologen-Tref fen 1861
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kommenschaften, über den Forschungsstand in verschiedenen Ländern usw. Mit aller Entschiedenheit vertrat von Baer die Einheit des Menschengeschlechts und negierte angebliche Schranken zwischen niederen und höheren Menschenrassen. Weder Haarfarbe, Hautfarbe etc. reichten für diese Schrankenbildung seiner Meinung nach aus (Schwarz & Karliczek 2015). Die vergleichende Anthropologie könne sich vielmehr bei einer Rasseneinteilung nur auf die Form des Schädels beziehen; deshalb bilde die Kraniologie die Grundlage für diese Wissenschaft. Gleichzeitig warnte er aber auch vor fehlerhaften Messungen in großen Meßreihen (Ablehnung des Camperschen Gesichtswinkels). Auch scheute von Baer nicht davor zurück, Wissenschaft und Politik miteinander zu verbinden. So bemerkte er beispielsweise in diesem Zusammenhang: Sind, erlauben wir uns zu fragen, bei Aufstellung der Ansicht, das Menschengeschlecht bestehe aus mehreren Arten (Species), die positiven Kenntnisse, die wir von den Arten und Rassen der Thiere, namentlich der Säugethiere und insbesondere der Hausthiere besitzen, gewürdigt worden und abgewogen, oder hat das Gefühl, dass der Neger, besonders der geknechtete, von dem Europäer, dem Homo Japeticus Bory de St. Vincents, verschieden ist und ihm hässlich erscheint, oder vielleicht gar die Sehnsucht, ihn ausser aller Ansprüche und Rechte des Europäers sich zu denken, zu dieser Arbeit geleitet? Ernste und kenntnissreiche Männer haben sich oft gegen sie mit allen zoologischen Gründen ausgesprochen, sie wird dennoch nicht sobald sich ganz verlieren, weil zoologische Gründe nicht auf alle Personen wirken, die in solchen Sachen eine Meinung haben zu können glauben (ebd.: 17).
Am Ende seiner umfassenden Einführung stellte er schließlich das sieben Punkte umfassende Programm der Zusammenkunft vor und erteilte Lucae als nächstem Redner das Wort. Dieser demonstrierte einen von ihm konstruierten Apparat zum Zeichnen von Schädeln, worüber er bereits in seiner Schrift »Zur Morphologie der Rassenschädel, einleitende Bemerkungen und Beiträge«17 berichtet hatte. Sitzung am 24. September 1861 (Nachmittags)
In dieser Sitzung sprach Vrolik über das »Hirn der anthropomorphen Affen«, diskutierte die unlängst veröffentlichten Befunde von Owen und ging nochmals auf die Streitpunkte betreffs der Unterschiede zwischen einem Menschen- und einem Affenhirn (Huxley, Wagner) ein (ebd.: 30–31). Sitzung am 25. September 1861 (Vormittags)
Hier schloß Wagner an die zuvor gemachten Äußerungen von Vrolik an und demonstrierte an einer Vielzahl von Objekten, »in Weingeist gehärtete Gehirne, Gypsausgüsse der Schädelhöhle« seine Auffassungen zum Thema (ebd.: 31). Danach entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die Vorführung des Kephalometers von Harting durch Vrolik, erfolgten Mitteilungen über plastische Darstellungen des Kopfes Lebender usw.
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Vgl. Abhandlungen der Senckenbergischen Gesellschaft, Bd. III, 1861.
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Abb. 8: Titelblatt der Göttinger Tagung 1861.
Das Göt tinger Anthropologen-Tref fen 1861
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Sitzung am 25. September 1861 (Nachmittags)
Diese Sitzung war ganz den Discussionen über Messungen bestimmt (ebd.: 41). Sitzung am 26. September 1861 (Vormittags)
In dieser Sitzung wurden die zuvor begonnenen Diskussionen zu einem Abschluß gebracht und Vorschläge für zukünftige Treffen vereinbart. Ferner unterbreitete man den Vorschlag, ein Archiv oder Repertorium für Anthropologie zu gründen, es könnte als eine Art Correspondenzblatt für die Theilnehmer unter sich und mit den anthropologischen und ethnographischen Gesellschaften des Auslandes dienen und überhaupt einigermaassen die Stelle einer in Deutschland fehlenden anthropologischen Gesellschaft ersetzen (ebd.: S. 63; Ecker 1879).
Wagner wurde beauftragt, die Koordinierung für die Herausgabe eines solchen Archivs sowie die Funktion des »Geschäftsführers« dieses kleinen Vereins zu übernehmen. Ohne sich über den Zeitpunkt einer nächsten Zusammenkunft einigen zu können, wurde die erste Versammlung aufgelöst. Von Baer kehrte nicht sofort nach Rußland zurück, sondern fuhr zunächst noch in die Schweiz (Raikov 1968: 285). Ein Nachwort von von Baer beschließt den Bericht (von Baer & Wagner 1861: 67–70). Mit diesem »cephalometrischen Kongreß« (Querner 1986: 295) war die Anthropologie erstmals als strukturiertes Fach mit spezieller Methodologie auch aus dem Schatten der Naturgeschichte des Menschen getreten. Zur Gründung einer eigenen wissenschaftlichen Gesellschaft war es aber noch nicht gekommen. (Biologische) Anthropologie zu jener Zeit verstand sich als vergleichende Anthropologie, die auf sicherem und reichhaltigem Material mit ihren Untersuchungen fußte, ferner messende Methoden anwenden und zum Gegenstand die »Variationen innerhalb des Menschengeschlechts« (ebd.: 27), im besonderen die »Vergleichung der Völkerstämme der Gegenwart und der Vergangenheit« (ebd.: 2) machen sollte. Für diese Untersuchungen bildeten deshalb zunächst die Kraniologie und die »massenhafte Vergleichung der Schädelformen« (ebd.: 69) die Grundlage. Von Baer und Burdach waren in diesem Prozeß – der Ära vor Darwin – zentrale Persönlichkeiten, die in den folgenden Jahrzehnten innerhalb der ersten darwinschen Revolution europaweit zahlreiche Nachfolger auf dem Gebiet der biologischen Anthropologie haben sollten.
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5. Die Internationale der biologischen Anthropologen
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achdem 1861 die erste Zusammenkunft einiger Anthropologen erfolgreich in Göttingen stattgefunden hatte, sollten nur zwei Jahre vergehen, bis es europaweit zu einem weiteren Höhepunkt in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Fragestellungen der biologischen Anthropologie (in ihrer Anwendung auf den Menschen) kam.1 Begeisterte Anhänger Darwins machten sich daran, die »Frage aller Fragen für die Menschheit« (Huxley 1863: 64) zu klären. Zu ihnen gehörten Anatomen, Zoologen, Paläontologen (Huxley, Lyell, Haeckel, Rolle, Vogt, Büchner, Filippi), Botaniker (Schleiden), Linguisten (Schleicher) und sogar Mathematiker/ Physiker (Snell). Deutschland und England ragten innerhalb dieses europäischen Prozesses heraus, wobei die biologische Anthropologie zu jener Zeit bereits ein fester Bestandteil der ersten darwinschen Revolution geworden war.
5.1 Deutschland – von Ernst Haeckel bis zu Ludwig Büchner
Da die spezifisch für Deutschland interessierende Entwicklung in den vorangegangenen Kapiteln detailliert dargestellt wurde, kann nachfolgend für diesen Sprachraum sofort auf das Jahr 1863 geblendet werden, wo gleichzeitig sechs Schriften zur Frage nach der Herkunft der Menschheit erschienen. Diese Publikationen und deren Verfasser begründeten damit die »menschliche Phylogenie« (Heberer 1965) oder auch biologische Anthropologie im Sinne des hier zu behandelnden Themas. An der UniHatte zu Burdachs und von Baers Zeiten noch eine Theorie der gemeinsamen Abstammung gefehlt, war mit dem Jahr 1859 nun den Naturwissenschaftlern eine theoretisch-methodologische Voraussetzung gegeben, um erstmals konkret ernsthafte wissenschaftliche Diskussionen über den Entwicklungsgedanken zu führen, stammesgeschichtliche Hintergründe bzw. Fragestellungen näher zu hinterfragen usw. Obwohl die damaligen wissenschaftlichen Ergebnisse aus Fachbereichen wie der Embryologie, vergleichenden Anatomie und Paläontologie immer zahlreicher wurden, war die letztlich logische Konsequenz der darwinschen Theorien, in Bezug auf ihre Anwendung auf die menschliche Entwicklung, auf erbitterte Widerstände gestoßen und somit nicht/nur sporadisch vollzogen worden. 1
Deut schland – von Erns t Haeckel bis zu Ludwig Büchner
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versität Jena lehrende Naturwissenschaftler ragen mit ihrem Werk dabei besonders heraus. Sie trugen mit dazu bei, daß der spezielle Ruf der Jenaer Salana – eine »Hochburg des Darwinismus« bzw. ein »Mekka für Zoologen« zu sein – auch hinsichtlich der Etablierung einer biologischen Anthropologie diese Qualität erreichte. Von den deutschen Pionieren der biologischen Anthropologie werden nachfolgend mit ihren Schriften behandelt: Ernst Haeckel, August Schleicher, Matthias Jacob Schleiden, Karl Snell, Friedrich Rolle, Carl Vogt und Ludwig Büchner. Nachdem die Medizinische Fakultät der Landesuniversität Jena unter dem Dekanat des Botanikers Schleiden dem Antrag des Mediziners und Zoologen Ernst Haeckel (1834–1919) um Zulassung zur Habilitation zugestimmt hatte, übersiedelte dieser am 24. Februar 1861 in die Saale-Stadt. Nur zwei Wochen später, am 4. März 1861, habilitiert sich Haeckel mit der Arbeit De Rhizopodium finibus et ordinibus und absolvierte am Tag darauf seine Antrittsvorlesung »Über das Gefäßsystem der Wirbellosen«. Haeckels Ernennung zum außerordentlichen Professor erfolgte am 3. Juni 1862. Als im November 1859 Darwins klassische Schrift erschien, weilte Haeckel in Messina. Er wurde erst im Sommer des darauf folgenden Jahres bei der Ausarbeitung seiner Radiolarienmonographie auf dieses Werk aufmerksam. Nachdem Haeckel die von Heinrich G. Bronn angefertigte Darwin-Übersetzung gelesen hatte, begeisterte er sich sofort für dessen Ideen: Man wird nun begreifen, weshalb ich […], Darwin’s That ›mit so jubelndem Entzücken begrüsste, als ob ich von einem Alp, der bisher auf der Kenntniss der Organismen ruhte, mich befreit fühlte‹. Es fielen mir in der That ›die Schuppen von den Augen‹ (Haeckel 1866, 1 Bd.: XVII).
In der Folgezeit sollten Darwins Theorien Haeckels gesamtes weiteres Schaffen bestimmen, wobei er sich aber nicht nur darauf beschränkte, diese Theorien zu interpretieren und zu postulieren, sondern er versuchte auch, diese weiter auszubauen sowie auf deren weltanschauliche Konsequenzen zu verweisen (Hoßfeld 2010). So las er im Wintersemester 1862/63 erstmals ein 15-stündiges spezielles Darwin-Kolleg und legte vor 25 Hörern die wichtigsten Grundzüge der darwinschen Theorie dar (Krauße 1984: 45–46). Er thematisierte darin u. a. auch die »Abstammung des Menschen vom Affen (wogegen noch verschiedene Vorurteile bestehen) […]« (Uschmann 1959: 44). Im Wintersemester 1865/66 las Haeckel dann sogar vor 120 eingeschriebenen Hören im größten Hörsaal der Universität dieses spezielle Kolleg (ebd.). Anders als der Heidelberger Zoologe Bronn, der in seiner deutschen DarwinÜbersetzung noch den Satz Darwins »Licht werde auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte fallen« unterschlagen hatte, setzte sich Haeckel sofort bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die Propagierung dieser damals revolutionären Ideen ein. Einen ersten Höhepunkt innerhalb dieser kontrovers geführten Diskussionen – insbesondere was die Abstammung des Menschen vom Affen betrifft – sollte seine Rede auf der 38. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Stettin am 19. September 1863 bilden. Der Vortrag, betitelt »Ueber die Entwickelungstheorie Darwin’s«, fokussierte u. a. von Beginn an auf die sich entwickelnden Traditionen einer biologischen Anthropologie: Was uns Menschen selbst betrifft, so hätten wir also consequenter Weise, als die höchst organisirten Wirbelthiere, unsere uralten gemeinsamen Vorfahren in affenähnlichen Säugethieren,
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Die Internationale der biologischen Anthropologen
weiterhin in känguruhartigen Beutelthieren, noch weiter hinauf in der sogenannten Secundärperiode in eidechsenartigen Reptilien, und endlich in noch früherer Zeit, in der Primärperiode, in niedrig organisirten Fischen zu suchen (Haeckel 1863: 17).
Haeckel war sich aber auch zugleich bewußt, daß sein Eintreten für Darwins Ideen nicht ohne Kontroversen und wissenschaftlich geführte Kämpfe vor sich gehen konnte. In diesem Zusammenhang liest man: Wenn ich trotzdem, dieser und vieler anderer Bedenken ungeachtet, Sie in den Kampf, der durch die Darwinsch’sche Entwickelungs-Theorie entbrannt ist, hineinzuführen versuche, so geschieht es hauptsächlich wegen der grossartigen Dimensionen, die dieser Kampf bereits angenommen hat. Bereits ist das ganze grosse Heerlager der Zoologen und Botaniker, der Palaeontologen und Geologen, der Physiologen und Philosophen in zwei schroff gegenüberstehende Parteien gespalten: auf der Fahne der progressiven Darwinisten stehen die Worte: ›Entwickelung und Fortschritt!‹ Aus dem Lager der conservativen Gegner Darwin’s tönt der Ruf: ›Schöpfung und Species!‹ Täglich wächst die Kluft, die beide Parteien trennt, täglich werden neue Waffen für und wider von allen Seiten herbeigeschleppt; täglich werden weitere Kreise von der gewaltigen Bewegung ergriffen; auch Fernstehende werden in ihren Strudel hineingezogen […] (Haeckel 1863: 18).
Da die Bedeutung des Vortrages für die Entwicklung der Evolutionstheorie bereits schon mehrfach erörtert worden ist (Krauße 1984; Junker & Hoßfeld 2001, 2009; Hoßfeld 2010), sollen nachfolgend nur einige Aussagen von Haeckel zur biologischen Anthropologie aus dessen Stettiner-Vortrag vorgestellt werden. So findet sich, auf Darwin fußend, zunächst eine Bemerkung, die auch zentral für die Geschichte der Anthropologie werden sollte: Keine Art, vielleicht mit Ausnahme der ersten, ist also selbständig erschaffen worden […] Neue Arten können aus bestehenden Arten hervorgehen (ebd.: 20).
Nach der relativ präzisen Darlegung der darwinschen Gedanken und einem historischen Abriß zur Geschichte des Entwickelungsgedankens kommt Haeckel dann weiter zu dem Schluß, daß auch der Mensch nicht »als eine gewappnete Minerva aus dem Haupte des Jupiter« bzw. »als ein erwachsener sündenfreier Adam aus der Hand des Schöpfers« hervorgegangen sein muß (ebd.: 26). Dafür sprächen neuere Entdeckungen aus der Geologie und Altertumsforschung ebenso wie aus der vergleichenden Sprachforschung, fossile Funde konnte er leider noch nicht anführen. Verwandtschaftsbeziehungen der Menschen und der Sprachen (vgl. den Einfluß von August Schleicher) gingen somit auf das Prinzip der gemeinsamen Abstammung zurück und ließen sich mit fortschreitender Entwicklung erklären: »Nur dem Fortschritte gehört die Zukunft« (ebd.: 28). Als stärksten Beweis »der Wahrheit der Entwickelungstheorie« führte Haeckel die »dreifache Parallele zwischen der embryologischen, der systematischen und der palaeontologischen Entwickelung der Organismen« an (ebd.), – eine Konstruktion, die später für die interdisziplinäre Genese bestimmter biowissenschaftlicher Disziplinen ausschlaggebend werden sollte. Es ist das konkrete Verdienst von Haeckel, mit diesen Aussagen die vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte zu Beweismitteln der Descendenztheorie gemacht zu haben. So legte er das größte (theoretische) Gewicht in seinen Darstellungen auf diese Parallele, welche sich zwischen der Stufenfolge embryonaler Entwicklungsformen sowie der Reihe niederer und höherer Tierformen beim Studium der vergleichenden Anato-
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mie und Systematik erkennen ließ. Letztlich war dieser methodologische Zugang auch für die biologische Anthropologie von Bedeutung. Im dreifachen Parallelismus der phyletischen (paläontologischen), der biontischen (individuellen) und der systematischen Entwickelung sah Haeckel eine der größten, merkwürdigsten und wichtigsten allgemeinen Erscheinungsreihen der organischen Natur (Haeckel 1866b, S. 371 ff.). Die Erklärung dieser »dreifache(n) genealogische(n) Parallele« bezeichnete er als das »Grundgesetz der organischen Entwickelung oder kurz das ›biogenetische Grundgesetz‹« (ebd.).2 Haeckel betonte dann am Schluß seines Stettiner Vortrages, daß er von der »Wahrheit der Abstammungstheorie so fest, als Darwin selbst überzeugt« sei und gab der Hoffnung Ausdruck, daß er auch die für »diese Theorie noch vorhandenen grossen Schwierigkeiten endlich zu überwinden« mithelfen werde (Haeckel 1863: 30). Die Analyse zeigt, daß sich im Vortrag von 1863 – im Gegensatz zu Darwin (1859) – schon einige wenige konkrete Bemerkungen Haeckels zur Abstammung des Menschen finden. Später sollte er dann – auch aufgrund der vorgelegten Fossilfunde – präziser und umfassender referieren.3 In jenen Jahren war Haeckel in Jena auch mit dem aus Sonneberg (Thüringen) stammenden Hobbybotaniker, Blumenzüchter und Linguisten August Schleicher (1821–1868) bekannt4, den er dazu ermunterte, die 1860 erschienene deutsche Übersetzung von Darwins Origin of Species zu lesen. Analysiert man das wissenschaftliche Gesamtwerk Schleichers, fällt auf, daß er bereits vor der Lektüre der deutschen Übersetzung von Darwins Entstehung der Arten (Bronn 1860) mit der naturwissenschaftlichen Literatur seiner Zeit vertraut gewesen ist (Schleicher 1863). In seinem Sendschreiben (s. u.) verweist er beispielsweise auf Matthias J. Schleidens Botanik als induktive Wissenschaft oder auf die Physiologischen Briefe für Gebildete aller Stände von Carl Vogt. Den Zusammenhang zwischen sprachlicher und menschlicher Entwicklung hatte Schleicher aber bereits schon neun Jahre vor Darwins Äußerungen erkannt. Belege dafür finden sich in seinem Buch Die Sprachen Europas in systematischer Uebersicht (1850). Auch mit den Ausführungen in seiner populären Einführung Die Deutsche Sprache (1860) ließe sich zeigen, daß er vor Darwin ähnliche Auffassungen vertrat, sozusagen ein »prae-darwinistischer Evolutionist« gewesen ist (Koerner 1981: 734). Hier hatte Schleicher ähnliche Ansichten über die »sprachlichen Organismen« geäußert wie Darwin über die Entwicklung der lebenden Wesen (Uschmann 1972, Taub 1993). All dies sollte sich nun auch konkret in Schleichers anthropologischen Ansichten niederschlagen. Schleicher, der seit 1857 in Jena eine außerordentliche Professur für indogermanische Sprachen und Literaturen inne hatte, gilt als Förderer der historischen MeDie umfassendste Anwendung des »Biogenetischen Grundgesetzes« unternahm Haeckel jedoch mit der Gastraea-Theorie. Bei der Gastraea handelt es sich um die hypothetische Urform aller vielzelligen Tiere (Metazoa). Sie läßt sich nicht paläontologisch, sondern laut Haeckel nur in der Embryonalentwicklung vieler Tiere als Gastrula-Stadium nachweisen (Haeckel 1872, 1: 467). Haeckel hoffte mit der Gastraea-Theorie den monophyletischen Ursprung aller vielzelligen Tiere nachzuweisen (Haeckel 1874, 1875; Grell 1979, Peters 1980, Uschmann 1953: 133, Hopwood 2015). 3 Im nachfolgenden sechsten Kapitel soll dann anhand einiger wichtiger Haeckel-Werke speziell die Genese seiner anthropologischen Auffassungen verfolgt werden. 4 Vgl. dazu weiterführend den Schleicher-Nachlaß im Stadtarchiv in Sonneberg. 2
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thode der Sprachwissenschaft, erschloß er doch als Erster die Bedeutung der Lautgesetze für die Sprachvergleichung und machte ferner auf den Unterschied zwischen einer genetischen Sprachverwandtschaft sowie einer typologischen Ähnlichkeit aufmerksam. Damit versuchte er, die Grundsprache als ein System der Formen zu rekonstruieren (Desnitzkaja 1972, Koerner 1981). Ferner hat Schleicher den Begriff »Morphologie« in die Sprachwissenschaft (Goethe tat dies für die allgemeine Wissenschaft) eingeführt (1859: 37). Mit seinem Namen ist auch das erste Erscheinen eines Stammbaumbildes verbunden. Du hast mir, lieber Freund und College, nicht eher Ruhe gelassen, als bis ich Darwins viel besprochenes Werk über die Entstehung der Arten […] nach der zweiten Auflage übersetzt von Bronn, Stuttgart 1860, gelesen hatte. Ich habe Deinen Willen gethan und mich durch das einiger Maassen unbeholfen angeordnete und schwerfällig geschriebene […] Buch von Anfang bis Ende hindurch gearbeitet –,
mit diesen Worten überreichte Schleicher bereits drei Jahre später seine 29 Seiten umfassende kleine Schrift über Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft – Offenes Sendschreiben an Herrn Dr. Ernst Häckel, a. o. Professor der Zoologie und Director des zoologischen Museums der Universität Jena (Schleicher 1863: 3). Als besonders bedeutsam für die Etablierung der darwinschen Gedanken im deutschen Sprachraum, der Propagierung des Darwinismus in der Linguistik etc. hat sich jedoch die »Schleicher-Haeckel-Connection« im 19. Jahrhundert an der Jenaer Universität erwiesen (Alter 1999: 109 ff.; Richards 2002a, di Gregorio 2002, Hoßfeld 2010). Haeckel hatte, wie bereits erwähnt, seinen Freund zur Lektüre von Darwins Origin of Species gedrängt. Die Reaktion verlief aber anders als von Haeckel erwartet, denn nicht der Hobbybotaniker, sondern der Linguist studierte die Schrift, dessen Ergebnis er Haeckel am 25. Oktober 1863 als Offenes Sendschreiben mitteilte.5 Schleicher gehörte damit zu denjenigen Naturforschern, die frühzeitig die darwinsche Theorie auf die Menschheitsentwicklung anwendeten, sich mit den Theorien des Darwinismus konsequent auseinandersetzten und sich ebenso der »biologischen« Terminologie bedienten. Als Ergebnis legte er 1863 den bekannten Stammbaum der indogermanischen Sprachen vor und präzisierte diese Gedanken 1865 noch in der Schrift Über die Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte des Menschen:
Etwa zur gleichen Zeit, als Schleicher sein am 25. Oktober 1863 Haeckel persönlich überreichtes ›Offenes Sendschreiben‹ […] abfaßte, redigierte Haeckel seinen am 19. September 1863 […] in Stettin gehaltenen Vortrag« (Koerner 1981: 735). Auch hier lassen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten in den Denkstrukturen zwischen Haeckel und Schleicher finden, obwohl Haeckel im Stettiner Vortrag und später in der Generellen Morphologie (1866) u. a. Schleicher im Zusammenhang mit Stammbäumen nicht erwähnt. Erst in der Natürlichen Schöpfungsgeschichte (1868) findet sich ein entsprechender Verweis: »Gleichwie z. B. die verschiedenen Dialecte, Mundarten, Sprachäste und Sprachzweige der deutschen […] Grundsprache von einer einzigen gemeinschaftlichen Ursprache abstammen, und gleichwie sich deren Unterschiede durch die Anpassung, ihre gemeinsamen Grundcharactere durch die Vererbung erklären, so stammen auch die verschiedenen Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen der Wirbelthiere von einer einzigen gemeinschaftlichen Wirbelthierform ab; auch hier ist die Anpassung die Ursache an die Verschiedenheiten, die Vererbung die Ursache des gemeinsamen Grundcharakters. Einer unserer ersten vergleichenden Sprachforscher, August Schleicher hat diesen Parallelismus vortrefflich erörtert« (Haeckel 1868: 87). 5
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[…] gebe ich zu bedenken, dass sämmtliche indogermanische Sprachen einem und demselben Sprachstamme angehören und unter weiterem Gesichtskreise als Arten einer und derselben Sprache erscheinen […] Die Sprache, d. h. der Gedankenausdruck durch Worte, ist das einzige ausschliessliche Charakteristicum des Menschen (Schleicher 1865: 12, 14).
An anderer Stelle heißt es: So ist es denn vielleicht gestattet das bisherige Leben des Menschengeschlechtes uns in drei grosse Entwickelungsperioden zu zerlegen […] 1) die Periode der Entwickelung des körperlichen Organismus nach seinen wesentlichen Zügen, wahrscheinlich von ungleich längerer Zeitdauer als die folgende Periode und hier von uns nur der Kürze wegen als ein Abschnitt betrachtet; 2) die Periode der Entwickelung der Sprache; 3) die Periode des geschichtlichen Lebens, in deren Anfängen wir noch stehen und in welche manche Völker der Erde noch nicht eingetreten zu sein scheinen (ebd.: 28).
Aufbauend auf Schleichers Schrift von 1865 und den darüber geführten Diskussionen im Jenaer Umfeld fußten schließlich auch zahlreiche Ausführungen in Haeckels Anthropogenie (1874). Der Arbeitskontakt Haeckel-Schleicher stellt den ersten Ansatz fruchtbarer interdisziplinärer Zusammenarbeit auf diesem Gebiet dar. In seinem ganzen Werk war Schleicher, obwohl später Anhänger des haeckelschen Monismus, aber noch weiter als dieser davon entfernt, aus der These »Sprachwissenschaft ist Naturwissenschaft«6 philosophische Konsequenzen zu ziehen. Zur »SchleicherHaeckel-Verbindung« und der von Alter (1999) untersuchten Themenstellung finden sich weiterführende Hinweise in den Publikationen des Haeckel-Vetters Wilhelm H. J. Bleek (Südafrika), so beispielsweise in dessen Buch Über den Ursprung der Sprache (dt. 1868; engl. 1869)7 sowie im von Harry Spitzbardt 1972 herausgegebenen Tagungsband8 Synchronischer und diachronischer Sprachvergleich.9 Der Botaniker Matthias Jacob Schleiden (1804–1881) war der an der Universität Jena lehrende dritte Wissenschaftler nach Haeckel und Schleicher, der mit einer Abhandlung über Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur zur »Frage aller Fragen« im Jahre 1863 hervortrat. Schleiden war seit 1840 außerordentlicher Professor, seit 1846 ordentlicher Honorarprofessor an der Medizinischen Fakultät in Jena gewesen. Im Jahre 1851 wurde Zu heutigen Fragestellungen (Sprache, Evolution usw.) vgl. beispielsweise Enard, W. et al. (2002): Molecular evolution of FOXP2, a gene involved in speech and language. Nature 418: 869–872; Enard et al. (2009); Ptak et al. (2009); Dunbar (1996); di Gregorio (2000); Mönke (2004); Krause (2007 b); Tomasello (2006–2014); Haak (2015); aus historischer Perspektive vgl. Starck (1981). 7 »Die Entstehung der Menschheit ist ein so neuer Akt in der Entwicklungsgeschichte des Erdlebens, und die Vorstufen, die dem Auftreten des Menschengeschlechts vorhergehen, sind uns so wohl bekannt, dass es kaum noch als etwas ausserordentliches gelten kann, wenn man den Process, der uns zu dem machte, was uns von der Thierwelt unterscheidet, und uns auf eine höhere Bahn warf, sich zu veranschaulichen […] Ich möchte hierbei darauf aufmerksam machen, dass es mir noch durchaus nicht genügend untersucht zu sein scheint, inwiefern die niedere Thierwelt Sprache besitzt« (Bleek 1868: IX, XI). Ein Jahr zuvor (1867) war diese Schrift bereits in Kapstadt als Manuskript gedruckt worden. 8 Anläßlich einer wissenschaftlichen Tagung an der Friedrich-Schiller-Universität (1972) zum 150. Todestag Schleichers. 9 Vgl. dazu weiterführend auch die Schrift von Robert Schweichel (1868): Ueber den gegenwärtigen Stand der Sprach- und Naturforschung in Bezug auf die Urgeschichte des Menschen. Leipzig: Ludwig Denicke. 6
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er als Nachfolger von Friedrich Siegmund Voigt Ordinarius und Direktor des Botanischen Gartens (Jahn 1963a, 1963b). Bereits 1843 hatte Schleiden gemeinsam mit Ernst Erhard Schmid ein Physiologisches Institut in Jenas Stadtmitte begründet, im wesentlichen aber seit Beginn seiner Lehrtätigkeit hier die Botanik vertreten. Es ist ihm zu verdanken, daß dadurch die Botanik, die sich parallel und selbständig zur Medizin entwickelt hatte, nun auch 1856 mit der Herauslösung aus der Medizinischen Fakultät und Überführung in die Philosophische Fakultät einen ersten organisatorischen Höhepunkt erreichte (Steinmetz 1958/60: 434; Jahn 1963a). Neben diesen Verdiensten sind ebenso die gemeinsam mit Theodor Schwann entwickelte Zelltheorie (1838) und sein Lehrbuch Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik (1842/43) hervorzuheben. Als Schleiden im Frühjahr 1842 neben seinen botanischen Vorlesungen auch »Physiologia comparata« ankündigte, erhob die Medizinische Fakultät dagegen Protest und forderte die Streichung der Vorlesung. Daraufhin kündigte er vom Sommer 1843 ab eine Vorlesung unter dem Titel »Anthropologie« an, die zu den Rechten der Philosophischen Fakultät gehörte und die 1825 bereits durch Jacob Friedrich Fries gelesen worden war (Jahn 1999: 243–244). Seit diesem Zeitpunkt hat Schleiden – also bereits 16 Jahre vor Darwin – dann regelmäßig zum jeweiligen Wintersemester eine Vorlesung in »Anthropologie« angekündigt, die er über 20 Jahre in Jena mit großem Erfolg las. Die Hörerzahlen übertrafen in späteren Jahren sogar die der in »Spezielle Botanik« zeitweise fast um das Doppelte (Jahn 1990a: 411). In seinen letzten vier Wintersemestern, bis zu seinem Weggang nach Dorpat 1863, blieb diese Vorlesung sogar die einzige von Schleiden gehaltene. Inhaltlich Auskunft über die Schleidensche Anthropologie geben einige überlieferte Archivalien und Publikationen: so sein Artikel »Über die Anthropologie als Grundlage für alle übrigen Wissenschaften, wie überhaupt für alle Menschenbildung« (1861/62); ferner eine durch August Rückert erhalten gebliebene Vorlesungsnachschrift vom Wintersemester 1845/4610 sowie eine zweite Nachschrift der Vorlesung, verfaßt von Erdmann A. B. Schubart11. Schleiden sah sich in seinen anthropologischen Bemerkungen unmittelbar in der Nachfolge der Friesschen Psychischen Anthropologie (1820–1821). Entsprechend dessen propagierte er Anthropologie als »Theorie der Erkenntnis«, detaillierte diese Erkenntnis dann aber auch in direkter Anlehnung an Johannes Müllers humanphysiologischer Konzeption (Jahn 1999: 245; Jahn 2007). Die im Jahre 2004 bei Franz Steiner in Stuttgart publizierten Nachschriften erlauben es nun, den Inhalt dieser Vorlesung zumindest näherungsweise zu beschreiben (Breidbach et al. 2004). Der Stil der beiden Nachschriften ist sehr unterschiedlich. Erdmann Schubart notierte eher kursorisch die Grundlinie des Vortrages von Schleiden. Demnach behandelte dieser, nachdem er in einer ausführlichen Einleitung seine anthropologisch-naturhistorischen Standpunkte (Unterschied zwischen Pflanze und Tier, Vertebraten und Evertebraten, Rassenverschiedenheiten) dargelegt hatte, vor allem Fragestellungen der Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers. Nach einer Darstellung der Sinnesleistungen wurde schließlich auch der »menschliche Geist für 10 11
Vgl. Jahn 1990a: 413; Stadtarchiv Schweinfurt, Sammlung Rückert (A II 172–35). Vgl. Handschriftenabteilung der Thüringischen Universitätsbibliothek Jena sowie Jahn (1999).
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sich« betrachtet.12 Zielsetzung war dabei die Darstellung einer »streng naturwissenschaftlichen Theorie der Vernunft«13; wobei sich Schleiden auf die Darstellung einer empirischen Psychologie, einer empirischen Logik – sensu Fries – und endlich der »seit Kant sogenannten Kritik der Vernunft« bezog. Ausgehend von dieser Grundposition gelangte Schleiden – der Nachschrift Schubarts zufolge – zu einer Beschreibung der Grundorganisation der menschlichen Vernunft, über die dann die »Thätigkeit des Seelenorgans« beschrieben wurde.14 Auch hier sind die Gemütsbewegungen beschrieben und in ihrer physiologischen Organisation dargelegt. Die Nachschrift schließt mit einer Darstellung der Geisteskrankheiten. Die Nachschrift von Rückert zeigt große Übereinstimmung mit dem ersten Teil der Vorlesungsnachschrift von Schubart. Auch hier beginnt Schleiden mit einer vergleichenden Darstellung der naturhistorischen Stellung des Menschen und darin speziell mit einer Rassenkunde. Rückert notierte hierzu: endlich ist die Frage aufgeworfen worden ob der Mensch nur eine Art bilde, oder / mehrere. Die vorkommenden Verschiedenheiten zeigen / sich aber gänzlich abhängig von Spielart, Clima u[nd] / Lebensweise. Die beiden letzteren Einflüße / machen nach tausenden von Generationen zuletzt / eine Spielart erblich und für viele Generationen / unauslöschlich. Eine solche erbliche Varietät nennt / man Race. Alles das, was bei den Thieren als / das sicherste Merkmal für die Einheit der Art / gilt, ist auch bei andern Racen / entweder gar keinem oder nur dem geringen / Wechsel unterworfen, welcher auch innerhalb einer / Race von Clima und Lebensweise bedingt wird. / Dahin gehören gleichzeitiger Eintritt der Mann- / barkeit, gleiche Dauer der Trächtigkeit, gleiche / mittlere Lebensdauer, gleiche mittlere Größe / gleiche Verbreitungsfähigkeit über den Erdboden, / gleiche Krankheiten und gleiche Kunsttriebe, wo- / zu besonders der Gebrauch des Feuers und der gekoch- / ten Speisen zu rechnen ist.15
In seiner Darstellung der morphologischen Unterschiede bezieht sich Schleiden dabei direkt auf die seinerzeitige, die Darstellungen des endenden 19. Jahrhunderts zusammenfassende Diskussion um die Rassenkunde: Ein Punkt der am / meisten beigetragen hat, eine spezifische Verschie- / denheit der Menschen wahrscheinlich finden zu laßen, / ist die Farbe der Haut und der Haare. Hier ist aber / zu bemerken, daß keineswegs, wie man früher / annahm, ein anatomisches Merkmal zu Grunde / liegt, daß sich z[um] B[eispiel] beim Neger nicht eine eigentlich / schwarze Schicht findet, sondern daß nur eine größ- / ere oder geringere Entwicklung eines bei allen / Menschen vorkommenden Farbestoffes stattfindet.16
Hinsichtlich der Pigmentbildung gibt es nach Schleiden drei »Spielarten«: schwarze Menschen mit dunkelbraunen Augen und schwarzen Haaren, gewöhnlich brauner nicht sehr durchsichtiger Haut; blonde Menschen mit blauen oder grauen Augen, braunem oder gelbem Haar und weißer, sehr durchsichtiger, rötlich erscheinender Haut; weiße Menschen (Albinos oder Kakerlak) mit schneeweißem Haar und roten Augäpfeln. Schwierigkeiten für eine Klassifizierung sah er in
12 13 14 15 16
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Vgl. Nachschrift Schubart, S. 35. Ebd. Vgl. Nachschrift Schubart, S. 37. Vgl. Nachschrift Rückert, S. 6. Ebd.
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unserer so höchst mangelhaften Kennt- / niß des größten Theils der Erde und seiner Bewohner. / Sehr verschieden ist natürlich auch die hier zu über- / windende Schwierigkeit, je nachdem sich dieser oder jener / Stamm unter sich gleichbleibenden Verhältnißen zu / einer scharf charakterisirten Race ausbilden / konnte, oder durch ungünstige Verhältniße, oft von / seinen Wohnplätzen vertrieben, mit andern Stäm- / men in vermischende Berührung kam, oder in Cli- / mate geführt wurde, die den früheren Lebens- / bedingungen gerade zu widersprachen. / So werden sich manche Menschenstämme sehr schroff / charakterisiren laßen, während bei anderen sämtliche / Merkmale unbestimmt und verwirrend durch / einander laufen.17
Es folgt dann eine eingehende Beschreibung der Klassifikation der Menschenrassen von Blumenbach (fünf Varietäten), die Schleiden aber unter Berufung auf »Untersuchungen der neuen Zeit« wie Campers Gesichtswinkel etc. verläßt und schließlich nur noch drei Rassen in den Vordergrund der Betrachtung rückt: 1. die Indoatlanten (ovaler Schädel etc.), 2. den Negerstamm (zusammengedrückter, nach vorn und hinten verlängerter Schädel etc.) sowie 3. die »sämmtlichen Völker Asiens«.18 Im Anschluß an diese Darstellung skizzierte Schleiden die seinerzeitige Befundlage einer Humanphysiologie. Diese Darstellung hat folgende Gliederung: 1. Vom Bau des Menschen (Von den Knochen), 2. Von den Muskeln, 3. Gefäßsystem, 4. Hautsystem, 5. Bindegewebe, 6. Respirationsorgane, 7. Organe für die Aufnahme und Anhäufung der Nahrungsmittel, 8. Die Eingeweide, 9. Blutdrüsen, 10. Nervensystem; II. 1. Allgemeine physikalische Beziehungen, 2. Muskelbewegung, 3. Blutumlauf, 4. Sinnesorgane.19 Damit bricht diese Nachschrift ab, weitere Ausführungen zu dem Bau und den Tätigkeiten des Seelenorgans fehlen. Schleiden – so folgerte schon Jahn – trug also nur das vor, was Fries als »somatische, medizinisch physiologische Naturlehre vom menschlichen Körper« beschrieben hatte (Jahn 1999: 245). Die Nachschrift ist in ihrer Darstellung dabei detaillierter als Schubarts Protokoll. Sie enthält auch kleine Skizzen, die den funktionsmorphologischen Zusammenhang der einzelnen im Text beschriebenen physiologischen Phänomene demonstrieren. Beide Nachschriften zeigen, daß der Kern der Schleidenschen Vorlesung in einer Darstellung der Humanphysiologie des Menschen (mit starker Betonung der Sinnesphysiologie, einer der Grundlagen der von Fries und Apelt formulierten Erkenntnislehre) zu finden ist. Dabei bezieht sich Schleiden in diesem Teil direkt auf Johannes Müller und dessen Physiologie des Menschen (Breidbach et al. 2004: 11–17). Schleidens Anthropologie entspricht in ihrem Aufbau ferner der Anthropologie Burdachs (vgl. Kap. 4.1.1; Jahn 2007). Sie steht in der Tradition einer naturwissenschaftlichen Anthropologie, in der über Burdach vermittelt auch Müllers Humanphysiologie einzuordnen ist. Schleiden nimmt Müllers humanphysiologischen Ansatz explizit auf und bettet ihn nur in das klassische auf Autoren wie Johann Friedrich Blumenbach und Petrus Camper zurückweisende Umfeld einer Rassenkunde ein (ebd.: 15). Im Jahr seines Abschiedes von Jena erschienen 1863 die oben erwähnten drei »Vorträge für gebildete Laien« als kleines Buch, die nachfolgend das Alter, die Entstehung und die Stellung des Menschen zum Themengegenstand hatten. Diese Vorträge unterscheiden sich in ihrer gesamten Anlage von den anderen Arbeiten Schleidens 17 18 19
Ebd., S. 8. Ebd., S. 10–11. Ebd., S. 12–65.
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zur Anthropologie. Die Darstellung der Humanphysiologie tritt gegenüber einer umfassenden, vergleichend anatomisch und paläoanthropologisch argumentierenden Darstellung zurück, die zudem durch eine Natur- und Kulturgeschichte ineinander verzahnende Darstellung erweitert wird (ebd.: 17). Sich an den Vorarbeiten von Darwin (1859) und Lyell (1864) orientierend, unterschied Schleiden betreffs des Alters des Menschengeschlechts drei Gruppen und referierte dazu die entsprechenden Beispiele: […] die ersten, welche noch den Menschen in der Neuzeit, in den uns vertrauten Umgebungen betrachten, die zweiten, welche das Vorhandensein des Menschen in der zweiten Hälfte der Postpliocänformation als Zeitgenossen des Mammuth und Rhinoceros darthun und endlich die dritten, die ihn als gleichzeitig mit den mächtigen Gletscherentwickelungen der älteren postpliocänen Formation, der sogenannten Eiszeit erscheinen lassen (Schleiden 1863: 13).
Im zweiten Vortrag Ueber die Entstehung der Arten gab Schleiden einen Überblick über damals bekannte und vergangene Theorien zur Entstehung der Organismen, folgte aber letztlich im wesentlichen den Ausführungen von Darwin: Zunächst dürfen wir aber nur hoffen, daß uns fernere wissenschaftliche Untersuchungen und glückliche Entdeckungen […] über kurz oder lang die Thatsachen an die Hand geben, um die Darwin’schen Lehren vollständig durchführen und über allen Zweifel erheben zu können (ebd.: 41).
Im letzten Vortrag wandte er sich dann dem Menschen zu, dem »Maaß aller Dinge« (ebd.: 45). Befunde seiner Kollegen (Huxley etc.) interpretierend, gelangte Schleiden zu ähnlichen, manchmal aber auch zu ergänzenden Ansichten: »Der Mensch ist seiner Natur nach Nesthocker« (ebd.: 55), »Der Mensch ist ferner Heerdenthier« (ebd.) usw. Die wahrnehmbaren anatomisch-morphologischen Unterschiede zwischen den Rassen des Menschengeschlechts (von Baer) teilte er wie Blumenbach ein und hielt diese für untergeordnet wie diejenigen zwischen Menschen und höheren Affen. Aber mit dem Menschen beginnt innerhalb dieser vollkommneren Geschöpfe eine ganz neue Geschichte der Erde in der allmählichen Ausbildung dieser Geschöpfe, und dem allmählichen Fortschritt bis zur höchsten Vollendung, deren der Mensch fähig ist, welche sich aber bis jetzt nur in einzelnen Individuen und auch bei diesen fast immer nur einseitig ausgeprägt hat (ebd.: 61).
In Anlehnung an Kants transzendentalen Idealismus und dessen »schärfere Ausführung und sichere Begründung« durch Fries fährt er fort: Geistiges Wesen liegt allen körperlichen Erscheinungen zum Grunde, nur im Menschen erscheint es mit der Fähigkeit sich seiner geistigen Natur selbst bewußt zu werden (ebd.: 61–62).
Schleidens 1863 vorgetragene Äußerungen waren im Vergleich zu Haeckel und Schleicher präziser und argumentierten umfassender den Einfluß sowie die Bedeutung der darwinschen Lehre auf die Entwicklung einer biologischen Anthropologie. Schleiden, dies wird deutlich, ist einer der frühen und konsequenten Verfechter einer evolutionären (biologischen) Anthropologie. Er weitet dabei die evolutionäre Sichtweise auch auf eine vergleichende Völkerkunde und eine Kulturgeschichte hin aus. Sein Ansatz ist kein einfach materialistischer, sondern fußt in der Interpretation des so erhaltenen Menschenbildes auf der sittlich fundierten Metaphysik der FriesSchule. Seinem eigenen Zeugnis nach war der Schwenk, den er mit seiner Anthro-
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pologie nach Darwin gegenüber seinen vorherigen Versuchen wagte, nichts anderes, als die Klarstellung des alten, ihn leitenden Programms, einer vereinheitlichenden natur-, kultur- und geistesgeschichtlichen Darstellung des Humanen. Uns zeigt es die Kontinuität im Vorstellungsgefüge eines in der Nachfolge Burdachs ansetzenden wissenschaftlichen Anthropologen, der schon in seinen ersten Versuchen einer Darstellung des Humanen, den Menschen aus seiner Natur, und das heißt für Schleiden aus seiner Biologie, zu begreifen suchte (Breidbach et al. 2004: 21; Jahn 2007).20 Mit Karl Snell (1806–1886) schließt sich der unmittelbare Reigen der Jenaer Wissenschaftler, die einen Beitrag zur Klärung der Frage nach der Herkunft der Menschheit im Jahr 1863 vorgelegt haben. Nach dem Tod des Philosophen J. F. Fries im Jahre 1843 wurde Snell zu dessen Nachfolger ernannt und vertrat in jener Zeit an der Salana neben der gesamten Mathematik auch die Experimentalphysik. Snell war bereits in seiner Dresdner Zeit durch eine Reihe von Arbeiten hervorgetreten, die in erster Linie neben rein fachlichen Themata (Lehrbuch der Geometrie 1841, Einleitung in die Differential- und Integralrechnung 1846–1851, 2 Bde.) auch sein Lieblingsthema, das philosophische Weltbild der Naturwissenschaften, zum Gegenstand hatten (Philosophische Betrachtungen der Natur 1839, Newton und die modernen Naturwissenschaften 1843, Zur Streitfrage des Materialismus 1858 usw.). Bedeutsam ist Snell ferner durch seine politische Haltung und seine engen Beziehungen zu Carl Zeiß sowie Ernst Abbe (Abbe war sein Schwiegervater), zudem war er Mitglied im Weimarer Landtag. Im Jena der 1860er und 1870er Jahre gab es mehrere wissenschaftliche Zirkel, so z. B. einen naturwissenschaftlichen (Referierabend), in dem Haeckel, Eduard Strasburger, Carl Gegenbaur u. a. führend waren, sowie einen philosophischen Kreis (der sich inhaltlich vornehmlich auf Kant und Hegel bezog), dem wiederum u. a. Kuno Fischer, Snell u. a. angehörten. Auch die Zoologen Anton Dohrn und Nikolaus Kleinenberg stießen zu Snells Zirkel, hatte ihnen doch zuvor die autoritäre Haltung Haeckels und Gegenbaurs in deren Zirkel mißfallen (Snell 1981: 215). Es ist anzunehmen, daß im philosophischen Gesprächszirkel sowie den dort erfolgten Diskussionen und Gesprächen das Interesse von Snell auch auf die Evolution des Menschen gelenkt wurde.21 Im Jahre 1863 publizierte Snell sein Buch Die Schöpfung des Menschen.22 Das Buch umfaßt 159 Seiten und hat neben einer Einleitung noch fünf Kapitel: 1. Verschiedenheit der Standpunkte in den Ansichten von der Schöpfung der Organismen (ebd.: 13–57), 2. Die Schöpfung als eine continuirliche und gegenwärtige (ebd.: 58– 71), 3. Analogien in der Entwickelung der Natur und der Menschheit (ebd.: 72–102), 4. Die Entwickelung der Familien des Thierreiches (ebd.: 103–128) und 5. Von der Entstehung des Menschengeschlechts (ebd.: 129–159). Zur allgemeinen Zielsetzung bemerkte Snell: Engels beschreibt auch den Menschen als »Mittler« in der Natur- und Kulturgeschichte (1999). Ebenso gern betonte er dort seine Forderung, daß Empirie und Philosophie stets Hand in Hand gehen müßten (ebd.). 22 Nach seinem Tode wurde 1887 von Rudolf Seydel das seinerzeit (1877) unabgeschlossene Manuskript, eine weitere Schrift zu diesem Themenkomplex, unter dem Titel Vorlesungen über die Abstammung des Menschen aus Snells handschriftlichem Nachlaß herausgegeben. 20 21
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Wir stehen mit unserem Gegenstand in dem Schwebepunkt zwischen Natur und Menschheit, zwischen physischer und moralischer Welt. Und wenn irgendwo die Bande zwischen Natur und Geist sich enge knüpfen, so ist es in der Lehre von der Schöpfung des Menschen (Snell 1863: 159).
Liest man nun nachfolgend die Ausführungen, fällt auf, daß Snell sich mit seiner hier dargestellten Evolutionsidee doch in wesentlichen Punkten von den deszendenztheoretischen Vorstellungen mancher seiner Kollegen unterscheidet. Für Snell nahm der Mensch (ähnlich wie bei Burdach u. a.) von vornherein eine zentrale Stellung ein: Die jetzt lebenden Geschöpfe sind so gut als der Mensch letzte feste Zielpunkte der organisirenden Natur, als solche im Wesentlichen abgeschlossen und unveränderlich, und sämmtlich hervorgegangen aus anderen Wesen, deren innere instinktive Natur mit ihrer Außenwelt noch nicht abgeschlossen hatte (ebd.: 46–47).
So folgerte er später sogar im Sinne einer idealistischen Typologie, daß es in der Werdegeschichte der Wirbeltiere eine zentrale Stammeslinie gegeben haben muß, die er als »Urstamm« bzw. »Grundstamm« der Wirbeltiere bezeichnete. Dieser Urstamm sei nur theoretisch zu erschließen, bilde aber die eigentliche und unmittelbare Vorfahrensreihe des Menschen. Nur so viel kann man ferner sagen, daß dies Wesen [der Urmensch] sich niemals mit seinem ganzen Sinnen und Trachten in eine beschränkte Sphäre der Außenwelt hat hinreißen lassen, und sich behaglich in derselben eingerichtet hat, daß es allen Reizungen und Verlockungen zum Genuß der nächsten Gegenwart einen universellen Trieb entgegengesetzt hat, dem zuletzt keine Außenwelt genügt, als die unendliche in Gott und Natur, daß es unter aller dringenden Noth der Gegenwart das ferne große Ziel unverrückt im Auge behalten hat (ebd.: 135).
Nach Snell waren hier die Evolution der Tiere und der Menschen wie Grundstamm und Abzweigungen miteinander verbunden, eine Ansicht, die seiner Erkenntnisbasis (Mensch als »Geist«-Träger) als Mathematiker geschuldet war (Snell 1981: 10). Er unterscheidet sich an dieser Stelle ferner von den bisher besprochenen Abhandlungen dadurch, daß er vorwiegend theoriegeschichtlich argumentierte, ohne dabei ausführlich die zur Verfügung stehenden Fossilfunde etc. zu thematisieren23: Es ist nach allem Vorliegenden nicht zu bezweifeln, daß der Mensch in einer seiner jetzigen schon sehr genäherten Gestalt und Bildung die Umwälzungen der Diluvialperiode mit erlebt und durchgemacht hat, während er freilich als Urmensch alle Erdumwälzungen miterlebt hat (ebd.: 153).
Zu diesem mehr wissenschaftlich rein interpretierenden Kreis ist noch ein weiterer Naturwissenschaftler zu zählen. Auch der Geologe und Paläontologe Friedrich Rolle (1827–1887) war bereits vor dem Erscheinen von Darwins Origin of Species während seiner wissenschaftlichen Studien auf das Problem der Veränderlichkeit und des genealogischen Zusammenhanges der Arten gestoßen. Zudem war er im Januar 1858 durch den Kontakt mit seinem alten Studienkollegen Gustav Jäger (Wien) Anhänger der darwinschen Theorie geworden (Rolle 1863, Vorwort). Als Resultat dieses Prozesses publizierte er das Buch Chs. Darwins’s Lehre von der Entstehung der Arten im Damit ließe sich auch der geringe Widerhall seiner Arbeit, die keine anthropologisch relevanten Literatur- und Fußnotenhinweise sowie Abbildungen enthält, unter den Fachkollegen erklären, zumal diese sich mehrheitlich in Deutschland den Auffassungen Haeckels anschlossen. 23
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Pflanzen- und Thierreich in ihrer Anwendung auf die Schöpfungsgeschichte (1863). Das 274 Seiten umfassende Werk besteht aus fünf Kapiteln24, und zur Motivation von Rolle liest man: Als in der Folge Darwin’s Werk erschien, ward mir von Seiten des Herrn Verlegers der Auftrag, eine populär-wissenschaftliche Erläuterung des für so mannigfache Seiten der Cultur-Entwickelung unabsehbar folgenreichen Gegenstandes zu geben und dabei vor Allem auf die Beziehung desselben zur Schöpfungsgeschichte einzugehen. Bei dieser Aufgabe hatte ich mich im geologisch-paläontologischen Theile auf langjährig mir geläufigem Gebiete zu bewegen. Mehr Schwierigkeiten bot mir der physiologische Theil der Aufgabe (Rolle 1863, Vorwort).
Bereits während des Abfassens der Arbeit wurde ihm klar, daß seine Ausführungen teilweise heftige Kontroversen25 auslösen würden. So heißt es bereits im Vorwort: Meine Arbeit hat, soweit es nach der Aufnahme der ersten Lieferungen sich abnehmen läßt, bei einem Theile meiner Leser lebhafte und aufrichtige Zustimmung, bei anderen finsteres Stillschweigen gefunden. Es liegt das auch sehr wohl begründet im Gegenstand und in der Zeit (ebd.).
Nach einem einleitenden wissenschaftshistorischen Abriß zur Geschichte des Entwicklungsgedankens von Moses bis Darwin diskutierte Rolle dann u. a. die Frage der Entstehung erster Lebewesen auf der Erde (ebd.: 219–227)26, deutete die geologischpaläontologischen Befunde im Lichte des Darwinismus und versuchte schließlich in seiner »Schluß-These«, die Diskussion in ihrer Anwendung auch auf den Menschen auszudehnen: Die organische Welt des heutigen Tages, Pflanzen, Thiere und Menschen, sind kein Erzeugniß einer unmittelbar aus leblosem Stoffe schaffenden Kraft, sondern sie sind das Ergebniß eines viele Millionen Jahre hindurch fortgesetzten Entwicklungsvorganges von natürlichen Materien unter dem Einflusse allgemeiner und ewiger Naturgesetze. Dieser Entwicklungsvorgang hat mit einfachen Formen von niederen Lebenserscheinungen begonnen und unter steter Umgestaltung zur Erzeugung der heutigen nach Bau und Verrichtungen mannigfach abgestuften Lebewelt geführt (ebd.: 274, Hervorhebung im Orig.).
Wie sehr Rolle die Ausgestaltung dieser letzten These am Herzen lag, wird einige Jahre später mit der Veröffentlichung der 360 Seiten umfassenden Abhandlung Der Mensch, seine Abstammung und Gesittung im Lichte der Darwin’schen Lehre von der 1. Kapitel: Aeltere und neuere Ansichten über Entstehung der Erde und der Pflanzen- und Thierwelt (S. 5–56), 2. Kapitel: Darwin’s Lehre von der Erblichkeit und der Veränderlichkeit (S. 57–144), 3. Kapitel: Darwin’s Lehre vom Kampf um’s Dasein und der natürlichen Auslese (S. 145–182), 4. Kapitel: Stufenweise Vervollkommnung der Organismen (S. 183–206), 5. Kapitel: Geologische Geschichte der Schöpfung (S. 207–262). Es folgte noch eine Nachschrift (S. 263–274). 25 »Von der Entscheidung der oben an die Spitze gestellten Grundfrage wird überhaupt die Art der künftigen Weltanschauung des Menschen abhängen. Sie ist zwar zunächst nur für die Naturwissenschaft selbst von wesentlicher Bedeutung, sie muß aber auch mehr oder minder auf die Entwicklung der Anthropologie, der Ethnographie und der Psychologie ihren Einfluß äußern und wird allen dahin einschlagenden Wissenschaften überhaupt ein weites Feld für neue Richtungen der Forschung eröffnen« (ebd.: 4). 26 Mit dieser Thematik ging Rolle u. a. weit über Haeckels Aussagen (Stettiner Vortrag) hinaus: »Rolle wird in allen bekannten Werken oder Abhandlungen über das Problem der Entstehung des Lebens auf der Erde nicht zitiert, während Haeckels Name in diesem Zusammenhang fast immer genannt wird« (Wagner & Uschmann 1969: 92, Fußnote 1). 24
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Art-Entstehung und auf der Grundlage der neuern geologischen Entdeckungen dargestellt (1866) deutlich. Dieses Werk ist im wesentlichen eine Überarbeitung der Schrift von 1863, einige der Kapitelüberschriften sind fast identisch und nur der Thematik »Mensch« entsprechend angepaßt (1., 2. und 3. Kapitel).27 Eine Präzisierung und Erweiterung erfolgte konkret mit dem 5. Kapitel »Stämme und Zweige des Menschengeschlechts« und 6. Kapitel »Geologische Geschichte des Menschengeschlechts«. Nach Rolle beruht der Ursprung des Menschen »auf natürlichen Vorgängen und ist eine gesetzmäßige Folge von älteren Entwicklungen der Lebensformen«, die weit zurückreichen (ebd.: 346). Ferner habe sich der Mensch entwickelt und sei nicht erschaffen worden, »Züge von Ebenmaß und Vervollkommnung« zeichneten diesen aus. Im Gegensatz zu Haeckel erwartete Rolle weitere Fossilfunde (wahrscheinlich in Asien und Afrika) zur Stammesgeschichte des Menschen, sah aber wie dieser den Menschen im System mit höheren Affenarten verknüpft (entgegen Agassiz). Als Literatur legte er u. a. die Arbeiten von Herder, Cuvier, Blumenbach, Prichard, Huxley, Vogt, Forbes, Lyell, Jäger, Rütimeyer etc. zugrunde. Rolle hat dieses Buch dann u. a. auch Darwin vom Sommer 1865 an in einzelnen Heften (1–5) zugeschickt, so daß dieser es bereits 1871 in The Descent of Man zitieren konnte. Persönliche Beziehungen zu Haeckel sind ab 1868 nachweisbar (Martin & Uschmann 1969: 68, 91). Die bisherigen Beispiele von Haeckel bis Rolle haben verdeutlicht, daß es um 1863 zu einer darwinistischen Wende in der Anthropologie kam, die teilweise an die Vorgängerarbeiten von Blumenbach, von Baer, R. Wagner u. a. anschloß und mittels der darwinschen Theorien nun die Frage nach der Herkunft der Menschen aus wissenschaftlicher Sicht zu beantworten suchte. Dieses Konzept erweiterten aber noch weitere Naturwissenschaftler dahingehend, daß sie die darwinistische Wende mit einer publizistischen Wende (z. B. Moleschott, Vogt, Büchner – später Haeckel, O. Hertwig) verbanden. Damit wurden nun auch direkt anthropologische Probleme Bestandteil weltanschaulicher Diskussionen und führten zu starken Kontroversen, wie es Emanuel Rádl in seinem Anthropologie-Kapitel in der Geschichte der biologischen Theorien 1909 eindrucksvoll beschrieben hat (Rádl 1909: 305–326). Die publizistische Wende
Als bedeutender Popularisator dieser publizistischen Wende innerhalb der biologischen Anthropologie ist zunächst der Genfer Arzt und Zoologe Carl Vogt (1817– 1895), auch »Affenvogt« genannt, zu erwähnen, der die Lehre Darwins aufnahm und diese in seinen Vorlesungen über den Menschen, seine Stellung in der Schöpfung und in der Geschichte der Erde (1863) auch auf den Menschen ausdehnte. Daß jedoch Vogt zunächst wie Huxley vor dem Erscheinen von Darwins Origin of Species den damals bekannten Entwicklungslehren kritisch gegenüberstand, wird aus seinen Anmerkungen zu R. Chambers Buch Vestiges of the natural history of creation (1844), das 1. Kapitel: Aeltere und neuere Ansichten über Entstehung des Menschen (S. 13–73), 2. Kapitel: Erblichkeit und Veränderlichkeit (S. 74–103), 3. Kapitel: Darwin’s Lehre vom Kampf um’s Dasein und der natürlichen Auslese (S. 104–146), 4. Kapitel: Abstammung und Vervollkommnung (S. 147–222), 5. Kapitel: Stämme und Zweige des Menschengeschlechts (S. 223–264), 6. Kapitel: Geologische Geschichte des Menschengeschlechts (S. 265–343). Ein Rückblick beschließt das Werk (S. 344–355). 27
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er 1851 unter dem Titel Natürliche Geschichte der Schöpfung des Weltalls, der Erde und der auf ihr befindlichen Organismen, begründet auf die durch die Wissenschaft errungenen Thatsachen in deutscher Sprache herausgab, ersichtlich. Hier folgte er zwar weitgehend den Ausführungen von Chambers, lehnte aber einen gemeinsamen Bauplan für das gesamte Tierreich ab und propagierte – im Sinne Cuviers – das Nebeneinander sich entwickelnder verschiedener Typen bis zu einer bestimmten Organisationshöhe. Auch in seinen Zoologischen Briefen (1851) argumentierte Vogt noch ähnlich, ging aber neben der Kritik an Lamarck auch auf die »Naturgeschichte des Menschen« ein. Im Laufe der Jahre – auch die Erfolge der darwinschen Theorie sehend – gab er allmählich seine Opposition gegen die Lehre von der Transformation der Typen auf, behielt »sich aber gewisse Einschränkungen vor, die in Einklang mit seinen früheren Anschauungen« standen (Heberer 1965: 3). Das kann man deutlich aus seinen Vorlesungen ersehen, zu deren Genese er bemerkte: Die Einladung der gemeinnützigen Gesellschaft [des Kantons Neuenburg], einige Vorträge über die Untersuchungen, die mich in der Gegenwart beschäftigen, zu halten, bewog mich, denselben die vorliegende Form zu geben […] Ich kann nicht läugnen, daß manche meiner Ansichten seit jener Zeit eine theilweise Umgestaltung erfahren haben (Vogt 1863: VI).
Die 16 Vorlesungen erschienen in zwei Bänden (1. – 298 Seiten, bis zur 8. Vorlesung; 2. – 287 Seiten), wobei im zweiten Band das Problem der fossilen Menschen thematisiert wurde: Der zweite Band des Werkes wird einestheils die Thatsachen über das Alter des Menschengeschlechts in Europa, sowie über die vorgeschichtliche Geschichte desselben bringen, anderntheils die mehr theoretischen Folgerungen über die Entstehung der Menschenrassen und Menschenarten, sowie der Hausthiere behandeln (ebd.: VIII).
Im ersten Band betonte Vogt u. a. die Bedeutung exakter Messungen am rezenten Menschen (Schädel, Gehirn usw.) und beschrieb in aller Ausführlichkeit die dazu existierenden Methoden (2. Vorlesung, S. 22–82; 3. Vorlesung, S. 83–110; 4. Vorlesung, S. 111–145): Will man deshalb Vergleichungen anstellen, so können sich dieselben nur innerhalb der nächsten Gruppen bewegen: es kann nur der Mensch mit dem Menschen, der Affe mit dem Affen verglichen werden, während die Ausdehnung dieses Vergleiches auf andere Thiergruppen durchaus unzulässig und unstatthaft ist (ebd.: 128).
Anschließend thematisierte er die Beziehungen zwischen der Tierwelt und dem Menschen, dessen Ausnahmestellung sich im aufrechten Gang zeige (ebd.: 168), beschrieb ausführlich das Gehirn der Mikrocephalen (6. Vorlesung, ebd.: 166–214), wobei er sich hierbei auf Material von R. Wagner stützen konnte, oder betrachtete die Unterschiede von Negern und Weißen, die sich »größtentheils auf eine bedeutendere Thierähnlichkeit, besonders aber Affenähnlichkeit bei dem Neger zurückführen lassen.« Die »Constanz der Unterschiede« sei ohne Vermischung der Rassen nicht durch irgendwelche Einflüsse von außen aufzuheben (ebd.: 244–245). Auch, daß sich die Kluft zwischen beiden durch rezente Zwischenformen überbrücken ließe, sei nur in Bezug auf die Affen möglich (Entdeckung des Gorilla 1846 in den Wäldern des westlichen Afrikas), für weitere Menschenrassen jedoch unwahrscheinlich. Ausfüh-
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rungen u. a. zu Rasse- und Art(begriffs)definitionen runden den ersten Vorlesungsband ab. Im zweiten Band ging Vogt dann konkret auf das Problem der fossilen Menschwerdung ein und wollte dabei von den wirklichen und unbezweifelbaren Menschenresten [sprechen], die in Gemeinschaft mit ausgestorbenen Thierarten, mit versteinerten Thierknochen unter denselben Verhältnissen der Lagerung in Absätzen gefunden wurden, deren hohes Alter durch alle erdenklichen Zeugnisse erhärtet wird (Lyell 1864, 2. Bd.: 4).
Nachfolgend präsentierte er die bis dahin gemachten fossilen Funde, schloß sich bei der Interpretation des Neandertalerfundes der Meinung von Huxley (1863) an (ebd.: 72), gab eine synchronistische Übersicht der Diluvialbildungen bis in die Neuzeit (ebd.: 102) usw. Ebenso beschäftigte er sich mit Fragen der Vererbung und Rassenmischung. In seiner Abschlußvorlesung versuchte Vogt dann, Aussagen über die Entstehung der Organismen zu geben: So gern ich, offen gestanden, auch die Beweisführung einer solchen Urzeugung annehmen möchte; so sehr es mir widerstrebt, ja selbst unlogisch erscheint, daß zur Erzeugung organischer Wesen eine besondere Kraft in der Natur angenommen werden müsse […] so muß ich doch auf der anderen Seite bekennen, daß zu ihrer Annahme mich nur der vollständige thatsächliche Beweis führen kann (ebd.: 253).
Die letzte Vorlesung wird schließlich mit Bemerkungen zu den Übergangsformen abgeschlossen. Nach seiner Meinung war der Mensch aus dem Affentypus abzuleiten und »gipfelt nicht in einem, sondern in drei menschenähnlichen Affen [Orang, Gorilla, Schimpanse]« (ebd.: 280), die sich nicht auf eine gemeinsame Grundform zurückführen ließen, sondern deren Entwicklung vielmehr parallel verlief. Deshalb konnte es nach Vogt nicht nur eine Übergangsform zwischen Affe und Mensch geben. Die Herleitung des Menschentypus aus dem Affentypus war für ihn eine logische Konsequenz seiner Denkart. Diese polygenistische Anschauung/Deszendenz (im Gegensatz zu Haeckel und Darwin) wurde dann im 20. Jahrhundert durch Hermann Klaatsch (1899, 1909, 1910, 1920) erneuert.28 Klaatsch leitete aus einer gemeinsamen Primatenwurzel die Australier (Ost- und Westzweig) ab. Während der Westzweig sich einerseits zum Gorilla, andererseits zum Neandertaler und Neger entwickeln sollte, folgte die Entwicklungslinie im Ostzweig dem Orang-Utan, Malayen und Aurignac-Menschen (dem Stammvater der europäischen Menschheit). Diese Ansichten wurden später von Schwalbe (1923), Maurer (1928) sowie Andree (1936) teilweise revidiert (Keith 1911). Eine Rasseneinteilung29, wie zahlreiche seiner Mitstreiter, gab Vogt nicht, da er das Thema mehr systematisch als anthropographisch bearbeitete:
Klaatsch ist bei seinen Interpretationen allerdings nicht frei von rassistischen Äußerungen: »Die viel gepriesene Gleichheit aller Menschen wird man kaum noch aufrecht erhalten können. Praktisch hat diese Art von falscher Humanität sich ja auch nur als schädlich erwiesen. Die Afrikaneger sind in der Tat für uns ein fremdes Element […] Die Aufhebung der Sklaverei in Amerika war eine Wohltat, die für die Neger von zweifelhaftem Werte gewesen ist. Sich selbst überlassen haben die Neger ihre alten Eigenschaften wieder hervorgekehrt, die ihre Unfähigkeit zu höherer Entwicklung beweisen« (Klaatsch 1911: 481). 29 Die Anwendung der allgemeinen Regeln der Abstammung und Rassenbildung auf den Men28
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Abb. 9: Schema der Ausbreitung der Menschenrassen und Menschenaffen nach Klaatsch. In: Klaatsch, Hermann: Die Stellung des Menschen im Naturganzen, Jena 1911, S. 480.
Er begnügte sich damit, auf die verhältnismäßige Beständigkeit der Merkmale heutiger Rassen und auf die zunehmende, die spezielle Forschung erschwerende Rassenvermischung hinzuweisen (Scheidt 1923: 384).
Für Vogt waren Affen und Menschen prinzipiell nach dem gleichen Grundplan gebaut, wobei er die Menschenrassen als echte Arten ansah. Neben den fossilen Übergangsformen zwischen dem »Affentypus« und dem Menschen stellte er noch die Existenz der Mikrokephalen (Affenmenschen), die atavistische Merkmale aufwiesen, in Frage (Schmutz 1984, Schrenk 2004). Vogts Abhandlung ist im deutschen Sprachraum die detaillierteste aller hier erwähnten Autoren. Diesem populären Kreis ist zeitlich und thematisch noch der Darmstädter Arzt und Philosoph Ludwig Büchner (1824–1899) zuzuordnen, der sich ebenso an den Diskussionen in Deutschland um das Problem der Menschwerdung beteiligte. Büchner war ein außerordentlich vielseitig interessierter, gelehrter Kopf, was sich u. a. im Spektrum und der thematischen Breite seiner über 30 verfaßten Bücher niederschlägt (Kockerbeck 1999). Hier ragen heraus: Kraft und Stoff. Empirisch-naturphilosophische Studien (1855), Natur und Geist (1857), Physiologische Bilder (1861–1875), Fremdes und schen erhärtete er durch zahlreich angeführte Beispiele von der Fruchtbarkeit der verschiedensten menschlichen Rassenkreuzungen, der Unzulänglichkeit bloßer Umwelteinwirkung usw.
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Eigenes aus dem geistigen Leben der Gegenwart (1890) usw. Neben diesen meist populären Darstellungen naturwissenschaftlicher Entwicklungen und deren Einfluß auf die Weltanschauung und Politik (u. a. als Freidenker) findet sich 1869 ein Werk mit dem Titel Die Stellung des Menschen in der Natur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Oder: Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Bereits in einem Brief an Haeckel vom 12. August 1867 gab Büchner an, seit dem Erscheinen (1855) seines Buches Kraft und Stoff, d. h. vier Jahre vor Darwin, schon die wesentlichen Grundzüge der Deszendenztheorie formuliert gehabt zu haben (Kockerbeck 1999: 39). Das Buch war aus einer Reihe von öffentlichen Vorträgen hervorgegangen, die Büchner zwischen 1864 und 1869 zum Thema »Alter und Ursprung des Menschengeschlechtes«30 sowie zur »Stellung des Menschen« gehalten hatte: Das große und fast beispiellose Interesse des Gegenstandes und dessen noch lange nicht hinlänglich gewürdigte Wichtigkeit für die Entwicklung und Weiterbildung unserer allgemeinen Welt- und Lebensanschauung im Sinne des philosophischen Realismus überhebt den Verfasser jeder besonderen vorwörtlichen Motivirung oder Begründung seines Entschlusses, das Wesentliche jener Vorträge auch einem entfernten oder größeren Publikum in allgemein verständlicher Form und im Interesse allgemeiner Bildung durch vorliegende Zusammenstellung mitzutheilen (Büchner 1869: IV).
Zentral für ihn war dabei die Beantwortung der »s. g. Affen-Abstammung des Menschen«, wobei er sich gleichzeitig der Tatsache bewußt war: An Gegnern, Bekämpfern und Verleumdern, welche Licht durch Finsterniß, Wahrheit durch Lüge und Thatsächlichkeit durch Phrasenwerk zu verdrängen bemüht sein werden, wird es uns auch diesesmal ebenso wenig und vielleicht noch weniger als bei früheren Gelegenheiten fehlen (ebd.: V–VI).
Nach einer Vorbemerkung ist das Buch dann in drei zentrale Abschnitte gegliedert, wobei jedem Abschnitt eine Frage als Titelüberschrift sowie verschiedene »Motto’s« (Zitate) vorstehen: Woher kommen wir? (ebd.: 15–109) – thematisiert »Alter, Urzustand und Entwicklung des Menschengeschlechts aus rohen Anfängen«; Wer sind wir? (ebd.: 111–221) – behandelt die »Gegenwärtige Stellung des Menschen in der Natur, dessen Entwicklungsgeschichte und Entstehen aus der Eizelle. Entstehung und Abstammung des Menschengeschlechts«; Wohin gehen wir? (ebd.: 223–349) – weist auf die »Zukunft des Menschen und des Menschengeschlechts« hin. Ein umfangreicher Anmerkungsapparat beschließt das Buch (ebd.: I–CXLVI). Mit seinen Ausführungen weist sich Büchner als guter Kenner der Literatur und Problemstellung aus, dokumentiert übersichtlich den damaligen Wissenstand, bekennt sich zum Darwinismus und scheut auch keine politische, weltanschauliche und wissenschaftliche Kritik (besonders im dritten Teil): Hier hat uns nun, wie gesagt, die Wissenschaft unsrer Tage die großartigsten und unerwartetsten Aufschlüsse geliefert und gezeigt, daß das ganze große Geheimnis des Dasein’s, vor Allem aber des s. g. organischen Dasein’s, in allmählicher und stufenweiser Entwicklung beruht (ebd.: 226, Hervorhebung im Orig.).
In diese Zeit fällt auch Friedrich Engels Abhandlung »Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen« (1876), die 1896 erstmals veröffentlicht wurde (Die Neue Zeit, 14. Jg., Heft 44, II. Bd.). 30
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Durch die kompakte Darstellung ist das Buch jedem der 1863 erschienenen Werke ebenbürtig, zumal auch er eine Synthese des Wissens von Zoologie, Anatomie, Embryologie, Linguistik, Ethnologie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte anstrebte (ebd.: 140, 212, 255). Mit L. Büchner sind nun die sieben wichtigsten Autoren abgehandelt, die im deutschsprachigen Raum entscheidend dazu beitrugen, während der sich etablierenden ersten darwinschen Revolution Antworten auf die Frage nach der Herkunft des Menschen zu finden. Die vier Jenaer Wissenschaftler E. Haeckel, A. Schleicher, M. J. Schleiden und K. Snell sowie F. Rolle prägten hierbei maßgeblich mit ihren Aussagen die wissenschaftliche, C. Vogt und L. Büchner hingegen die publizistisch-populärwissenschaftliche Wende in der biologischen Anthropologie. Allgemein begann sich ferner eine Akzeptanz einer Verbindung von darwinistischer Evolutionsbiologie und Anthropologie in den wissenschaftlichen Diskussionen abzuzeichnen, eine Tendenz, wie sie auch in den anderen drei für die Geschichte der Evolutionsbiologie und Anthropologie wichtigen Ländern zu erkennen war. Ein Vergleich ergibt, daß auch in England, Italien und Frankreich Vorläufer der Anthropologie auszumachen sind, die frühzeitig bestrebt waren, Erkenntnisse der darwinistischen Abstammungslehre mit denen der Anthropologie zu verbinden und die letzten Endes auch im Jahr 1863 gipfelten.
5.2 England – von James Cowles Prichard bis zu Charles Darwin
England zählt heute noch zu den Ländern, in denen die Anthropologie als Kollektivwissenschaft (physische Anthropologie + Kultur- und Sozialanthropologie) verstanden wird (Knußmann 1988: 67). Das Fach institutionalisierte sich hier in der Mitte des 19. Jahrhunderts erst über Umwege, so über die »Ethnological Society« (1844), die Herausgabe des »Journal of the Ethnological Society« (1848–1874) usw.31 Es war in erster Linie James Hunt zu verdanken, der innerhalb der »Ethnological Society« auf die Bearbeitung von humanbiologisch-anthropologischen Themen gedrängt hatte und damit die Grundlage für die Institutionalisierung der Anthropologie in seinem Land schuf (Gondermann 2007, 2008). Er initiierte später auch die Gründung der »Anthropological Society of London« (1863) und zeichnete für die Herausgabe der »Anthropological Reviews« (1863–1868) verantwortlich. Nach dem Tode von Hunt fusionierten zum 14. Februar 1871 die beiden Gesellschaften (Ethnological Society, Anthropological Society).32 Als der eigentliche Beginn der neuzeitlichen englischen biologischen Anthropologie gilt – ähnlich wie zuvor in Deutschland – das Jahr 1863, als Thomas H. Huxley sein Werk Evidence as to Man’s Place in Nature vorlegte, indem er Darwins Gedanken auf die Entwicklung der Hominiden anwendete. Zudem war in diesem Jahr der Vgl. weiterführend Bendyshe, T. (1865): The history of anthropology. Memoirs of the Anthropogical Society of London I: 335–458; Cunningham, D. J. (1908): Anthropology in the eighteenth century. J. Anthr. Inst. XXXVIII: 10–35. 32 Obwohl sich »anthropology« von Hunt im Namen der Gesellschaft durchsetzte, war die inhaltliche Ausrichtung aber fast ausschließlich »ethnology«. 31
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erste Band der Zeitschrift »Anthropological Review« erschienen, einer der ersten anthropologischen Zeitschriften überhaupt. Das 1872 gegründete »Anthropological Institute of Great Britain and Ireland« (ab 1907 Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland) mit seinem Journal »Man« (1901–1964) beherrschte später nahezu die gesamte britische Anthropologie. Unter den Gründungsmitgliedern und späteren Mitarbeitern finden sich so klangvolle Namen wie von Ch. Darwin, T. H. Huxley, John Beddoe, Francis Galton usw.33 In England waren die Beiträge zur Menschenforschung nicht in der Größenordnung (wie etwa in Deutschland oder Frankreich) zu finden. Im Jahre 1721 war es hier der Naturforscher Richard Bradley (1693–1762), der erstmals in seinem Werk A Philosophical Account of the Works of Nature eine Gliederung der Menschenrassen vornahm: There are 5 Sorts of Men: The White-Men, which are Europeans, who have Beards, and a Sort of White-Men in America (as I am told) who only differ from us in having no Beards. The 3d Sort are the Mulattoes, which have their Skins almost of a Copper Colour, small Eyes, and strait black Hair. The 4th Kind are the Blacks, who have strait black Hair: And the 5th are the Blacks of Guinea, whose Hair is curled, like the Wool of a Sheep. Such are the Marks of Distinction; and the Behaviour observed between rude and civilized Nations, is to be wholly attributed to the Arts of polite Education (Bradley 1793: 231).34
Später folgen noch John Hunter, Charles White35, Erasmus Darwin36 und Alexander Pope37 mit weiteren anthropologischen Beiträgen. Ein neuer ideengeschichtlicher Abschnitt begann für die Anthropologie erst mit den Arbeiten von James Cowles Prichard (1786–1848) und Sir William Lawrence (1783–1867). Prichard hatte sich bereits in seiner Dissertation Disputatio inauguralis de generis humani varietate (Edinburgh 1808) sehr eng an die Ideen von Blumenbach (vgl. den Titel von Blumenbachs Arbeit) angelehnt. In seinen späteren Researches38 beschrieb er schließlich die Vorzüge der Blumenbachschen Methode des Schädelvergleichs gegenüber der Camperschen Stufenfolge der Gesichtsschädel, hob die drei Hauptvarietäten der Menschen hervor usw. Er stand ähnlich wie Lawrence der Annahme einer Einwirkung des Klimas als Ursache für die Rassenverschiedenheiten Im Jahre 1940 wurde dann in Cambridge ein anthropologisches Department gegründet, das bis 1975 Nigel A. Barnicot betreute. Während des Zweiten Weltkrieges hatte bereits ein Umdenken in der englischen Anthropologie eingesetzt, was insbesondere auf den Einfluß von W. E. Le Gros Clark zurückgeht. So konzentrierte man sich nun innerhalb humanbiologischer Fragestellungen verstärkt auf die Bevölkerungsbiologie; vgl. die Gründung der »Society for the Study of Human Biology« im Jahre 1955 mit ihrer Zeitschrift »Annals of Human Biology«. Damit war die Loslösung der naturwissenschaftlichen Anthropologie aus der alten anthropologischen »Kollektivwissenschaft« hin zur Verselbständigung einer biologischen Disziplin im Sinne Hunts erfolgt (Roberts 1974). Vgl. auch Sommer (2007). 34 Zitiert nach von Eickstedt (1937–43: 344). 35 White ist es zu verdanken, als einer der Ersten, erwachsene Lebende vermessen zu haben (Liverpooler Hafenarbeiter). Er vertrat die Idee einer kontinuierlichen Stufenleiter in der Natur und beim Menschen (Knußmann 1988: 61). 36 Vgl. Zoonomia or the Laws of Life 1794/96 (Deutsch 1795–1797, Hannover). 37 Vgl. Pope, A. (1732): Essay on Man. London. 38 Vgl. Prichard, J. C. (1814): Researches into the Physical History of Mankind. London; Dougherty (1990b); Sommer (2007). 33
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beim Menschen kritisch gegenüber. Prichard, »verbarg den Menschen, indem er ihn beschrieb, nannte sein Buch von 1814 eine Naturgeschichte des Menschen«. Eigentlich verfaßte er aber eine Kulturgeschichte (von Eickstedt 1937–43: 346). R. Wagner in Göttingen hat erst später eine deutsche Übersetzung besorgt, wobei aber deutlich wurde, daß Prichards Werk mit seinen Aussagen mehr in die völkerkundliche als anthropologische Richtung zielte. Lawrence ist es hingegen zu verdanken, mit seinen Lectures39 ein umfassendes Kompendium des anthropologischen Wissens jener Jahre vorgelegt zu haben, in dem er auch abstammungsgeschichtliche Beziehungen (vergleichend-anatomisch, physiologisch) zwischen dem Menschen und den Anthropomorphen aufzeigte. Lawrence hatte Blumenbach seine Lectures gewidmet, nachdem er zuvor dessen Handbuch der vergleichenden Anatomie in englischer Übersetzung unter dem Titel A Short System of Comparative Anatomy (London 1807) herausgebracht hatte. Er gehörte in England in vordarwinscher Zeit zu denjenigen, die die abstammungsgeschichtlichen Beziehungen zwischen dem Menschen und den Anthropomorphen erkannten. Ähnlich wie Chambers Vestiges (1844) stießen auch die Äußerungen von Lawrence auf breiten Widerstand; er mußte seine Vorlesungen einstellen und das Buch aus dem Handel zurückziehen.40 Mit dieser scharfen Kritik war natürlich die Behandlung der Frage nach der Herkunft des Menschen zunächst erst einmal aus dem Bewußtsein der Engländer verdrängt. Die englische Anthropologie nach Lawrence und Prichard kochte also auf Sparflamme. Dennoch kamen einige wenige weitere Impulse zur Menschenforschung, insbesondere von Gelehrten aus den Nachbardisziplinen. So trat Richard Owen (1804–1892) am British Museum of Natural History mit vergleichend-anatomischen Studien (Klärung von Analogie-Homologie) hervor (Rupke 1994), übernahm Herbert Spencer in seine Soziologie den Entwicklungsgedanken und die menschliche Biologie bzw. stellte John Stuart Mill seine Principles of Political Economy (1848) vor. Parallel zu diesen Ereignissen begab sich in jener Zeit auch ein junger englischer Naturforscher auf große Entdeckungsreise, der mit seinen im Anschluß an diese Reise veröffentlichten Ideen der Evolutionsbiologie und Forschung am Menschen bedeutende Impulse verleihen sollte.41 Charles Darwins (1809–1882) Weltumsegelung mit der »Beagle« (1831–1836) sollte für ihn zu einem zentralen Ereignis werVgl. Lawrence, W. (1823): Lectures on Physiology, Zoology, and the Natural History of Man, delivered at the Royal College of Surgeons. London; IX. Auflage 1845. 40 Zum Wortführer dieser Position wurde ausgerechnet sein Assistenzarzt Abernethy, der nicht zögerte festzustellen, »daß jenes ›unglaubliche Buch mit dem verabscheuungswürdigen Ziel geschrieben sei, Ansichten zu verbreiten, die für die menschliche Gesellschaft schlechthin vernichtend wären, und noch dazu versuche, sie durch Lockerung jener Bande durchzusetzen, von deren Bestehen die Wohlfahrt der Menschen überhaupt abhinge‹« (von Eickstedt 1937–43: 349). James Hunt sollte 1865 bemerken: »The recall from public circulation of the lectures of our esteemed Honorary Fellow, William Lawrence, in the Year 1820, was the signal for the downfall of all real anthropological science in this country. The sporadic efforts of Prichard and Knox were incable of arresting the downward steps which anthropological research had first taken in England about half a century ago« (ebd.: 349). 41 Nachfolgend geht es nicht darum, Leben und Werk von Darwin in Gänze darzustellen, sondern vielmehr sollen seine anthropologischen Aussagen in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden. 39
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den.42 Nach der Lektüre von Lyells Principles of Geology (1830–1833) wandte er sich von seiner früheren, eher statischen, nunmehr einer evolutiven Betrachtungsweise der Vorgänge in der Natur zu. Unabhängig von Darwin hatte Alfred Russel Wallace ein »Beagle-Erlebnis« der eigenen Art im Malaiischen Archipel. Die dadurch für Darwin entstehende Konfliktsituation ist in der Literatur reichlich beschrieben worden, so daß an dieser Stelle darauf verzichtet werden kann (Kutschera & Hoßfeld 2013a, 2013b; Levit et al. 2013; Hoßfeld & Olsson 2014). Für die Genese und die im November 1859 auf Anraten von Hooker und Lyell erfolgte Publikation des Buches The Origin of Species by Means of Natural Selection or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life war sie ein entscheidender Meilenstein. Darwin hatte sich hier auf zwei große Gruppen von Beobachtungen stützen können: a) solche an Haustieren und b) solche an Wildformen. Bei allen seinen Betrachtungen hat er es aber vermieden, seine Untersuchungen und Schlüsse auf die Entwicklung des Menschen zu übertragen. Daher ist dieses Buch für die Geschichte der Anthropologie nur insofern relevant, da Darwin hier hinsichtlich der Abstammung des Menschen eine eher abwartende Haltung einnimmt und seine Formulierungen als äußerst zurückhaltend interpretiert werden können. Es finden sich nur wenige Stellen, wo er auf den Menschen zu sprechen kommt, so beispielsweise bei der Erörterung des Auslesewertes einer Eigenschaft und der Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl. Ferner könne man über die natürliche Auslese des Menschen nur Vermutungen äußern bzw. findet sich im vierzehnten Kapitel über das Wesen der genealogischen Klassifikation folgendes Zitat: Wenn wir einen vollständigen Stammbaum des Menschen besässen, so würde eine genealogische Anordnung der Menschenrassen die beste Classification aller jetzt auf der ganzen Erde gesprochenen Sprachen abgeben (zit. nach Darwin 1876: 502).
Daneben begnügte er sich 1859 ebenso noch mit der allgemein gehaltenen Aussage, viel Licht werde auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte fallen (ebd.: 576). In der Meinungsbildung zur Frage des Monogenismus oder Polygenismus stellte Darwin nur die Schwierigkeiten einer polygenetischen Sicht dar.43 Im Jahre 1859 hätte eine Stellungnahme hinsichtlich der Herkunft des Menschen die Vorurteile gegen diese neue Sicht nur vermehrt, zumal er kaum hatte »Beweise« erbringen können. Es sollten noch 12 Jahre vergehen, bis Darwin sich schließlich mit einer speziellen Abhandlung The Descent of Man and Selection in Relation to Sex diesem Themenkreis wieder zuwandte. Bei der Ausgestaltung seiner Lehre und deren Anwendung auf den Menschen sind ihm letztlich, wie im nachfolgenden Abschnitt aufgezeigt, mehrere seiner Anhänger in verschiedenen Ländern zuvorgekommen; Tho-
»Mit den Erfolgen von Darwin verliert die Anthropologie die Chance, eine gesonderte Wissenschaftsdisziplin vom Menschen zu etablieren. Sie wird vielmehr unter dem Postulat, daß der Mensch unter den Lebewesen keine Ausnahmeerscheinung sei, der Biologie subsumiert. Soweit der Mensch jedoch als Sonderwesen verstanden wird, thematisieren ihn Literatur und Philosophie. Somit liefern die Ergebnisse der Evolutionstheorie auch einen gewaltigen Schub für die Geisteswissenschaften« (Wenzel 1990: 140, Fußnote 16). 43 Man kann vermuten, daß er bei der Abfassung seiner Theorie hinsichtlich ihrer Anwendung auf den Menschen mehr oder weniger überzeugt gewesen ist. 42
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mas Henry Huxley in England sowie Ernst Haeckel in Deutschland ragen aus dieser Reihe heraus. Auch für England sollte das Jahr 1863 zentral werden! Bereits vier Jahre nach Darwins Origin of Species bzw. acht Jahre vor dessen Werk über Die Abstammung des Menschen hatte der britische Mediziner Thomas Henry Huxley (1825–1895) in einer Schrift On our knowledge of the causes of the phenomena of organic nature (Über unsere Kenntnis von den Ursachen der Erscheinungen in der organischen Natur; deutsche Übersetzung von C. Vogt, Braunschweig 1865), in sechs allgemeinverständlichen Vorlesungen die Anwendbarkeit der darwinschen Ideen auf den Menschen (Einheitlichkeit des Menschengeschlechts, Entstehung der Menschenrassen) dargelegt.44 Im gleichen Jahr erschien auch das Werk Evidence as to Man’s Place in Nature (Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, deutsche Übersetzung von J. V. Carus, Braunschweig 1863), ein vielgelesenes Buch über die Naturgeschichte der menschenähnlichen Affen.45 Der deutsche Übersetzer Carus bemerkte dazu in seinem Vorwort: Es gereicht mir zur grossen Freude, das vorliegende Buch meines vortrefflichen Freundes bei den deutschen Lesern einführen zu wollen […] Es ist wohl selten nicht bloss die Continuität der menschlichen Bestrebungen über gewisse Fragen zur Klarheit zu gelangen, sondern auch die genetische Abhängigkeit der einzelnen Beantwortungsversuche so bündig dargestellt worden, wie hier […] Gerade die hier geäusserten Ansichten dürften besonders den Anthropologen und Ethnographen zur Beherzigung zu empfehlen sein (Carus in Huxley 1863: V–VI).
Die erste Auflage vom Januar 1863 betrug eintausend Stück, war bald vergriffen und bereits im Juli desselben Jahres erschien das Buch in Amerika. Es wurde in den darauffolgenden 40 Jahren regelmäßig nachgedruckt. Dem Mut von Carus und Huxley ist es zu danken, trotz weltanschaulicher Widerstände46, diese Veröffentlichung mit der doch damals so brisanten Thematik durchgesetzt zu haben. Damit wurde die (biologische) Anthropologie als internationale Wissenschaft begründet und ein Werk vorgelegt, das auch heute noch »mit hohem Genuß und erheblichem Gewinn« gelesen werden kann (Heberer 1970: 2).47
Vgl. Inhaltsverzeichnis: I. Gegenwärtiger Zustand der organischen Natur, II. Ehemaliger Zustand der organischen Natur, III. Ueber die Methode, durch welche die Ursache der gegenwärtigen und der ehemaligen Zustände der organischen Natur entdeckt werden können. Ueber die Entstehung lebender Wesen, IV. Die Fortpflanzung lebender Wesen, erbliche Ueberlieferung und Abweichung, V. Die Lebensbedingungen in Betreff der Fortpflanzung lebender Wesen, VI. Kritische Prüfung der in H. [sic] Darwin’s Werk: »Ueber den Ursprung der Arten« aufgestellten Grundidee, in Bezug auf die vollständige Theorie über die Ursachen der Erscheinungen in der organischen Natur. Mit diesen 1865 in deutscher Sprache zugänglich gemachten Vorlesungen von Huxley fanden die haeckelschen Vorträge aus demselben Jahr (in Jena gehalten) sowie der Vortrag von Schleicher (auch 1865) eine nachhaltige Ergänzung. Damit setzte sich der 1863 eingeschlagene Weg weiter fort. 45 Zum einhundertjährigen Jubiläum des Buches brachte Gerhard Heberer 1963 eine überarbeitete Auflage heraus, im Jahre 1970 erschien die 2. Auflage. 46 Vgl. die Auseinandersetzung Huxleys mit dem Lordbischof Samuel Wilberforce vor der »British Association for Advancement of Science« in Oxford im September 1860 oder später Carlyle. In Oxford soll Wilberforce’s Frau entsetzt ausgerufen haben: »Descended from the apes! My dear, let us hope it is not true, but if it is, let us pray that it will not become generally known.« 47 Vgl. dazu ebenso die Äußerungen von Sir G. Elliot Smith in seinen Huxley-Memorial-Lectures (1935). 44
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Abb. 10: Schädeldurchschnitte des Menschen und verschiedener Affen. In: Huxley, Thomas Henry: Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, Braunschweig 1863, S. 89.
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Huxleys Zeugnisse (in der deutschen Übersetzung von 1863) umfassen drei Abhandlungen (Vorlesungen) auf 137 Seiten: 1. Über die Naturgeschichte der menschenähnlichen Affen (S. 1–63), 2. Über die Beziehungen des Menschen zu den nächstniederen Thieren (S. 64–134), 3. Über einige fossile menschliche Überreste (S. 135–178).48 Die drei Abhandlungen beinhalten Kommentare zu dem seinerzeitigen Fossilmaterial, geben wissenschaftshistorisch präzise Auskunft über den damaligen Kenntnisstand hinsichtlich der Geschichte der Menschenaffen49, gewähren Einblick in die vergleichende Biologie der Schädel- und Skelettmorphologie der Menschenaffen im Unterschied zu den Menschen, kommentieren die wichtigsten Funde menschlicher Fossilien im letzten Kapitel (Engis, Neandertal) usw. Zentral dabei waren die kontroversen Ausführungen zu Richard Owen u. a. über den Hippocampus als Gehirnmerkmal (»Kurze Geschichte des Streites über den Bau des Menschen- und Affengehirns«, ebd.: 128–134).50 In der zweiten Vorlesung findet sich dann zu Beginn der viel zitierte Ausspruch Huxleys, der gerade zu als revolutionär für die Geschichte der biologischen Anthropologie zu bezeichnen ist und die nachfolgenden Forschungen auf diesem Gebiet wesentlich beeinflußte: Die Frage aller Fragen für die Menschheit – das Problem, welches allen übrigen zu Grunde liegt und welches tiefer interessirt als irgend ein anderes -, ist die Bestimmung der Stellung, welche der Mensch in der Natur einnimmt, und seiner Beziehungen zu der Gesammtheit der Dinge. Woher unser Stamm gekommen ist, welches die Grenzen unserer Gewalt über die Natur und der Natur Gewalt über uns sind, auf welches Ziel wir hinstreben: das sind die Probleme, welche sich von Neuem und mit unvermindertem Interesse jedem zur Welt geborenen Menschen darbieten (Huxley 1863: 64).
Sich weltanschaulich in dieser Frage eindeutiger positionierend als beispielsweise Darwin (nach Huxley müsse eine »Larvenhaut« abgeworfen werden; ebd.: 66), war für ihn die »Bedeutung einer solchen Untersuchung […] durch sich selbst offenbar«, um damit den Beweis anzutreten und in einer auch für die, welche keine specielle Bekanntschaft mit anatomischer Wissenschaft besitzen, verständlichen Form die hauptsächlichsten Thatsachen vorzuführen, auf welche alle Schlußfolgerungen über die Natur und den Umfang der Beziehungen, welche den Menschen mit der Thierwelt verbinden, basirt sein müssen […] (ebd.: 67).
Bei seiner Beweisführung stützte sich Huxley vorwiegend auf die wissenschaftlichen Ergebnisse der Embryologie und vergleichenden Anatomie. Er war sich von vornherein sicher, Ebenso sind die sechs Vorlesungen Huxleys in deutscher Übersetzung von Carl Vogt (s. o.) dem hier zugrunde gelegten Privatexemplar Haeckels (vgl. Bibliothek Ermst-Haeckel-Haus, Jena) beigefügt. 49 »Es mag die Bemerkung genügen, dass die Orangs und Gibbons die besondere Genera Simia und Hylobates bilden; während die Chimpanzes und Gorillas von Einigen einfach als besondere Arten einer Gattung, Troglodytes betrachtet werden, von Andern als besondere Gattungen, wobei der Name Troglodytes für den Chimpanze, Gorilla für den Engé-ena oder Pongo angewandt wird« (Huxley 1863: 28, Hervorhebungen im Orig.). Vgl. dazu ebenso Weiss (2004). 50 In Bezug auf das Gehirn wollte R. Owen fundamentale Unterschiede zwischen dem Menschen und dem Affen gefunden haben, jedoch konnte Huxley zeigen, daß diese Behauptung falsch war (Darwin 1932: XV). 48
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dass die Affenform, welche dem Menschen in der Gesammtheit des ganzen Baues am nächsten kommt, entweder der Chimpanze oder der Gorilla ist (ebd.: 79).
Den Schimpansen nahm er als die höchste Form unter den Affen an (ebd.: 80). Nachfolgend gab Huxley zahlreiche Beispiele für die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im anatomischen Bau und der Entwicklung des Menschen mit dem Gorilla. So konstatierte er je nach Vergleichsbeispiel (Schädel, Zähne, Gliedmaßen, Gehirn etc.): Es gilt daher für den Schädel nicht weniger als für das ganze Skelet der Satz, dass die Verschiedenheiten zwischen dem Menschen und dem Gorilla von geringerem Werthe sind, als die zwischen dem Gorilla und manchen anderen Affen (ebd.: 91).
Insgesamt resümierte Huxley nach den vorgenommenen Vergleichen: dass die anatomischen Verschiedenheiten, welche den Menschen vom Gorilla und Chimpanze scheiden, nicht so gross sind als die, welche den Gorilla von den niedrigeren Affen trennen (ebd.: 117).
Haeckel hat diese Feststellung später als »Pithecometra-Satz« bezeichnet und dessen Bedeutung häufig in seinen Schriften betont (bis 1915 in der Schrift Ewigkeit). In seiner Klassifikation folgte Huxley zunächst der Einteilung Linnés, indem er den Menschen als Glied der Ordnung Primates ansah und an die Spitze seines Systems stellte. Die Ordnung der Primates unterteilte er in sieben Familien von »ungefähr gleichen systematischen Werthe« (ebd.: 119): 1. die Anthropini (Mensch), 2. Catarrhini (Affen der alten Welt), 3. Platyrrhini (Affen der neuen Welt außer den Sahui’s), 4. Arctopithecini (Sahui’s), 5. Lemurrhini (Lemuren), 6. Cheiromyini und 7. Caleopithecini (enthält nur den fliegenden Lemur Galeopithecus). In einem späteren Aufsatz von 1870 »On the geographical distribution of the chief modifications of mankind« gab er eine präzisiertere Klassifikation der Menschen und unterschied: 1. Australische Typen, 2. Negroide Typen, 3. Weißhäutige Typen und 4. Mongoloide Typen, ohne jedoch auf deren unmittelbare Verwandtschaftsverhältnisse einzugehen (Scheidt 1923, di Gregorio 1984). Als zentrales Bekenntnis der zweiten Abhandlung liest man am Ende der Ausführungen: Unsere Ehrfurcht vor dem Adel der Menschheit wird nicht verkleinert werden durch die Erkenntnis, dass der Mensch seiner Substanz und seinem Baue nach mit den Thieren eins ist; denn er allein besitzt die wunderbare Gabe verständlicher und vernünftiger Rede, wodurch er in der Jahrhunderte langen Periode seiner Existenz die Erfahrung, welche bei anderen Thieren mit dem Aufhören jeden individuellen Lebens fast gänzlich verloren geht, langsam angehäuft und organisch verarbeitet hat, so dass er jetzt wie auf dem Gipfel eines Berges weit über das Niveau seiner niedrigen Mitgeschöpfe erhaben und von seiner gröberern Natur verklärt dasteht, verklärt dadurch, dass er hier und da einen Strahl aus der unendlichen Quelle ewiger Wahrheit reflectiren konnte (ebd.: 127).
Die dritte und letzte Vorlesung von Huxley’s Zeugnissen ist den fossilen menschlichen Funden gewidmet, wobei ein Vergleich der Schädel von Engis (Meusethal in Belgien) und aus dem Neandertal (bei Düsseldorf) im Mittelpunkt steht. Die dortigen geologischen Verhältnisse hatte bereits sein Kollege Charles Lyell mit großer Sorgfalt untersucht. Trotz der Tatsache, daß die anthropologische Teildisziplin der Anthropometrie zur damaligen Zeit noch in ihren Kinderschuhen steckte (Theile 2005), kam Huxley nach vergleichend-anatomischen Schädelstudien schon zu der methodologischen Überlegung,
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Abb. 11: Photographisch nach Abbildungen in natürlicher Größe reducirt (mit Ausnahme des Gibbonskelets, welches in doppelt natürlicher Größe war). In: Huxley, Thomas Henry: Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, Braunschweig 1863, Titelseite.
Abb. 12: Skelette der fünf Menschenaffen (Anthropomorpha). In: Haeckel, Ernst: Der Kampf um den Entwicklungsgedanken, Berlin 1905, Tafel II.
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dass keine Vergleichung von Schädeln viel werth ist, welche nicht auf die Bestimmung einer verhältnissmässig fixirten Grundlinie zurückgeführt wird, auf welche in allen Fällen die Messungen bezogen werden müssen (ebd.: 165).
Huxley hatte zudem das damals vorhandene theoretische und fossile Tatsachenmaterial kompakt verarbeitet, kommentiert und weltanschaulich verwertet. Dennoch blieben auch für ihn so zentrale Fragen wie über die Herkunft und Entwicklung der Menschen noch offen: Wo müssen wir denn nun aber nach dem ›Urmenschen‹ suchen? War der älteste Homo sapiens pliocen oder miocen oder noch älter? […] Die Zeit wird es lehren. Wenn aber eine Theorie der progressiven Entwickelung in irgend welcher Form richtig ist, dann müssen wir inzwischen die in Bezug auf das Alter der Menschheit gemachte reichlichste Schätzung um lange Zeiträume noch verlängern (ebd.: 178).
Von der Bedeutung der Huxleyschen Schrift und der Impulsgebung für eine biologische Anthropologie kann man die Rolle, die Huxley spielte, mit der Rolle Haeckels in Deutschland sicherlich vergleichen, mit dem er im freundschaftlichen Briefwechsel stand und hier neben persönlichen Dingen auch wissenschaftliche Fragen thematisierte. So heißt es in einem Brief vom 7. Mai 1865 Haeckels an Huxley: Ihr vorzügliches, von Victor Carus übersetztes Buch über die Stellung des Menschen in der Natur, hat ebenso wie das gleiche von Carl Vogt, bei mir, ausserordentlichen Beifall gefunden. Ich habe es einer meiner Vorlesungen zu Grunde gelegt (Uschmann & Jahn 1959/60: 9).
Einige Wochen später, am 11. November 1865, schrieb Haeckel weiter: In diesem Winter halte ich hier wieder Vorlesungen über Darwins Theorie, welche die besuchtesten von allen Vorlesungen sind, die hier gehalten werden […] Bei dem Capitel, welches die Stellung des Menschen behandelt, verweise ich meine Zuhörer stets auf ihr vortreffliches Werck (ebd.: 10).
Im Erscheinungsjahr der Natürlichen Schöpfungsgeschichte (1868) notierte Haeckel schließlich an Huxley in einem Brief vom 11. August 1868: Mein kleiner Aufsatz über ›Entstehung und Stammbaum des Menschengeschlechts‹ hat bei meinen orthodoxen Landsleuten, auch selbst bei einigen hier in Jena, vielen Unwillen erregt, und einige meiner Gegner haben dieselbe sogar als Hebel benutzen wollen, um mich hier von meiner akademischen Stellung in Jena zu vertreiben. Indessen hoffe ich doch vorläufig noch ziemlich fest zu sitzen, und werde mich nicht so leicht fortjagen lassen (ebd.: 16).51
Fast 30 Jahre später resümierte Haeckel schließlich, daß die Äußerungen von Huxley zur Frage nach der Entstehung des Menschen neben denen von Carl Vogt, als die vielleicht wichtigsten innerhalb der Begründung der biologischen Anthropologie (um 1863) hervorzuheben sind: Huxley and Vogt – zoologists mentally akin and personally friends – have rendered eminent service to the furtherance of the modern doctrine of descent, and especially to the most important inference from it, the famous ape-theory […] As long as Darwin lives as a reformer in the
Auf solche Mitteilungen reagierte Huxley gelegentlich mit einem gewissen Sarkasmus. So erwiderte er Haeckel am 28. Dezember 1874: »I have written a notice of the ›Anthropogenie‹ for the Academy […] you will see that I have dealt with as you deal with a ›Pfaffe‹. There are ›halb-Pfaffen‹ as well as ›halb-Affen‹ (ebd.: 23). 51
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history of biology, so long will Huxley be celebrated as one of his most faithful friends and most successful fellow-workers (Haeckel 1895b: 465, 469).
Der schottische Geologe Charles Lyell (1797–1878) war der zweite britische Wissenschaftler, der im Jahre 1863 eine grundlegende Abhandlung zur Frage der Herkunft der Menschen vorgelegt hatte (Bartholomew 1973). Das Buch trägt den Titel The Geological Evidence of the Antiquity of Man with Remarks on Theories of the Origin of Species by Variation (Das Alter des Menschengeschlechts auf der Erde und der Ursprung der Arten durch Abänderung, nebst einer Beschreibung der Eiszeit in Europa und Amerika) und wurde ein Jahr später von Ludwig Büchner in übersetzter und kommentierter Form (nach der dritten Auflage des Originals) herausgegeben. Die deutsche Übersetzung hat 24 Kapitel, einen Umfang von 472 Seiten und ist mit zahlreichen Abbildungen versehen. Lyell hatte sich durch mehrere Reisen nach Europa und Amerika mit den Erscheinungen und Wandlungen der Erdoberfläche vertraut gemacht und dabei die Überzeugung gewonnen, daß die bis dahin postulierten Theorien über einen katastrophalen Verlauf geologischer Wandlungen auf der Erde nicht zutreffen konnten. Er vermutete vielmehr, daß die Prozesse, die der Erde ihr heutiges Aussehen gegeben hatten, auch in der geologischen Vergangenheit schon gewirkt haben mußten. Lyell wurde damit zum Begründer des Aktualismus (in Deutschland beispielsweise von K. A. v. Hoff vertreten). In seinem dreibändigen Werk Principles of Geology hat Lyell diese Auffassungen ausführlich thematisiert. Dieses Werk hatte schließlich auch Darwin bei seiner Reise auf der »Beagle« im Gepäck. Die Principles erlebten 11 Auflagen, daran schloß sich ein noch umfangreicheres Werk über die Elemente der Geologie (1938, sechs Auflagen) an, bevor 1863 ein Buch folgte, das ausschließlich den Menschen thematisierte. Das 1863 verfaßte Werk ordnet Lyell in die Reihe der Begründer der biologischen Anthropologie ein und stellt ihn direkt neben Thomas H. Huxley. In populärer Form beschrieb er darin das gesamte damalige Fossilmaterial, das über den vorgeschichtlichen und speziell den diluvialen Menschen zusammengetragen worden war. Es wird dem Leser dabei eine Mischung aus geologischen, paläontologischen, (wissenschafts) historischen und kulturgeschichtlichen Daten und Fakten präsentiert: Es ist bereits klar, daß der Mensch in Europa gleichzeitig gelebt hat mit zwei jetzt ausgestorbenen Elefanten-Arten, E. primigenius und E. antiquus, ebenso mit zwei deßgleichen Nashorn-Arten, Rh. tichorhinus und Rh. hemitoechus (falc.), mit zum wenigsten einer Flußpferd-Art, mit dem Höhlenbär, dem Höhlenlöwen und der Höhlenhyäne, mit verschiedenen, jetzt ausgestorbenen Stier-, Pferd- und Hirsch-Arten und mit vielen kleineren Fleischfressern, Nagethieren und Insectenfressern […] In den Beschreibungen, welche von den geographischen Veränderungen der britischen Inseln seit dem Beginn der Eiszeit gegeben wurden […], wurde gezeigt, daß eine Landverbindung zwischen diesen Inseln und dem europäischen Festland, sowie auch zwischen den Inseln selbst in der nach-pliocenen Zeit, bestanden haben muß (Lyell 1864: 304–305).
Im Verlauf seiner zahlreichen Reisen besuchte Lyell die originalen Fundplätze, nahm Materialvergleiche vor und kam dabei u. a. zu dem Schluß, daß an der Gleichzeitigkeit des Menschen und der fossilen Tiere kein Zweifel mehr bestehen konnte (Heberer 1970: 10). Im Jahre 1832 hatte er eine Rhein-Reise unternommen, die Höhlenbären-Höhlen in Muggendorf besucht und auf der Rückreise den Höhlenforscher P. C. Schmerling aus Lüttich getroffen. Ebenso hat er sich intensiv mit den Entdeckun-
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gen von Boucher de Perthes auseinandergesetzt (Gleichzeitigkeit des Menschen mit ausgestorbenen Tieren). Im Jahre 1860 besuchte Lyell auch gemeinsam mit Fuhlrott die Neandertalerhöhle und wie Huxley verglich er die beiden fossilen Funde (Schädel aus der Engishöhle bei Lüttich und Schädel des Neandertalers) miteinander.52 Dieser, insbesondere von Huxley angestellte Vergleich, zog im Laufe der Jahre noch einige Diskussionen nach sich, so beispielsweise im Anschluß an den Vortrag von Hermann Schaaffhausen in einer Sitzung der physikalischen Sektion der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde am 6. Mai 1863 (ebd.: 55). In der Einleitung hatte Lyell zur allgemeinen Zielsetzung seines Buches bemerkt: Kein Gegenstand hat neuerdings mehr Neugier und allgemeines Interesse unter den Geologen und dem Publikum erregt, als die Frage nach dem Alter des menschlichen Geschlechts, – die Frage, ob wir in Höhlen oder in den oberflächlichen Ablagerungen, welche gewöhnlich Drift oder Diluvium genannt werden, hinlängliche Beweise für das ehemalige Zusammenleben des Menschen mit gewissen untergegangenen Säugethierarten finden (Lyell 1864: 5).
Im elften Kapitel beschrieb er dann als zentrale fossile Überreste der menschlichen Rasse mit hohem Alter den »fossilen Menschen von Denise« (ebd.: 145–148) und das »menschliche Fossil von Natchez am Mississippi« (ebd.: 149–154). Der Übersetzer (L. Büchner) kritisierte an dieser Stelle in einer Nachschrift die Unvollständigkeit der erwähnten Aufzählung von Lyell und ergänzte diese durch C. Vogts Bemerkungen aus dessen Vorlesungen von 1863. Im zwanzigsten sowie den folgenden Kapiteln versuchte Lyell dann Stellung zu den bisherigen Auffassungen über die Entwicklung der organischen Lebewelt zu beziehen (»Fortschritts- und Verwandlungs-Theorien«: Lamarck, Sedgwick, Agassiz, Owen, Brogniart usw.). Er führte beispielsweise an, aus welchen beiden Gründen er seiner Zeit (1832) Lamarcks Theorie angezweifelt hatte: Erstens, daß auch nicht ein einziges Beispiel einer Einführung eines neuen Organs bei irgend einer Pflanzen- und Thierart namhaft gemacht sei; und zweitens, daß die Abartung, möge sie nun natürlich oder künstlich sein, doch bis jetzt noch nie so weit gegangen sei, um zwei getrennte Rassen von einer solchen Verschiedenheit in ihrer physiologischen Constitution hervorzubringen, daß sie untereinander entweder gänzlich oder insoweit unfruchtbar seien, um nur unfruchtbare Bastarde hervorzubringen […] Ich kämpfte gegen die damals sehr verbreitete Lehre von der plötzlichen Zerstörung einer großen Menge von Arten und dem ebenso plötzlichen Nachschub neuer Pflanzen und Thiere (ebd.: 325–6).
Allerdings gestand Lyell an dieser Stelle auch ein, keine besseren Vorschläge unterbreiten zu können. Daß er mehr oder weniger fest auf dem Boden des Darwinismus wurzelte, wird schließlich mit den Ausführungen im 21. Kapitel deutlich, welches die Überschrift »Ueber den Ursprung der Arten durch Abänderung und natürliche Auswahl« (ebd.: 343–362) trägt. Er versuchte ebenso, auf das Problem der fehlenden Zwischenglieder (missing links) plausible Antworten zu geben (ebd.: 363 ff.). Bemerkenswert an der Abhandlung von Lyell ist ferner, daß er – ähnlich wie A. Schleicher und W. v. Humboldt – zwischen der Entstehung und Entwicklung von Arten und Sprachen Parallelen sah und diese erkannte (ebd.: 395 ff.; Taub 1993). Abschließend finden sich dann zusammenfassende Bemerkungen über die »Bedeutung »Im Jahre 1860, sechs und zwanzig Jahre nach meiner ersten Begegnung mit Schmerling, besuchte ich Lüttich wieder. Viele der Höhlen waren ganz zerstört, und ihr Inhalt zu anderweitigen Zwecken hinweggeführt« (Lyell 1864: 39). 52
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Abb. 13: Seitenansicht des Menschenschädels aus der Engishöhle. In: Lyell, Charles: Das Alter des Menschengeschlechts auf der Erde und der Ursprung der Arten durch Abänderung: nebst einer Beschreibung der Eiszeit in Europa und Amerika, Leipzig 1864, S. 46.
Abb. 14: Seitenansicht eines Menschenschädels aus der Höhle des Neanderthals. In: Lyell, Charles: Das Alter des Menschengeschlechts auf der Erde und der Ursprung der Arten durch Abänderung: nebst einer Beschreibung der Eiszeit in Europa und Amerika, Leipzig 1864, S. 46.
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der Umwandlungstheorie in Bezug auf die Entstehung des Menschen und seine Stellung in der Natur«, wobei weltanschauliche Querverweise weitgehend fehlen (ebd.: 415–453). Wie bereits ausgeführt, wagte Charles Darwin erst ein Jahrzehnt später – nach den zahlreich in Europa (1863) zu dieser Thematik veröffentlichten Werken – den Schritt, sich über die Herkunft und die Abstammung des Menschen in schriftlicher Form zu äußern. Im Jahre 1871 erschien sein Buch Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl.53 Das Werk führt den Originaltitel The Descent of Man and Selection in Relation to Sex und gliedert sich in drei Teile: 1. Die Abstammung oder der Ursprung des Menschen (The descent of origin of man) – 1. bis 7. Kapitel; 2. Geschlechtliche Zuchtwahl (Sexual selection) – 8. bis 18. Kapitel, 3. Geschlechtliche Zuchtwahl in Beziehung auf den Menschen – und Schluß (Sexual selection in relation to man).54 Darwin hatte während seiner Studien erkannt, daß die Selektionstheorie und damit die Abstammungslehre überhaupt auch für den Menschen Gültigkeit haben mußten, jedoch noch nicht gewagt, über den Satz »Licht wird fallen …« hinauszugehen. Er sammelte allerdings über viele Jahre sämtliches Material, welches das Thema »Abstammung des Menschen« betraf, veröffentlichte jedoch darüber zunächst nicht. Es ist zu vermuten, daß er die Evolutionstheorie durch das weltanschaulich-emotionale Thema Entstehung des Menschen nicht unnötig gefährden wollte. Zudem ging er bei allen seinen Veröffentlichungen sehr behutsam vor und zog erst dann Schlüsse, wenn ihm die induktive Basis genügend brauchbares Material geliefert hatte. Das war aus seiner Sicht um 1859 noch nicht der Fall gewesen. Darwins Frau Emma, geborene Wedgwood, befürchtete ohnehin, die Anwendung seiner Theorie auf den Menschen würde »again putting God Farther off« (Gott noch weiter wegrücken). Darwin hatte in diesen Jahren wenig Interesse gezeigt, sein zusammengetragenes Material zu veröffentlichen und suchte deshalb nach geeigneten Autoren. Ch. Lyell kam aus seiner Sicht für eine Bearbeitung des Themas nicht mehr in Frage, da er von U. a. 1932 vom Jenaer Biologen Heinrich Schmidt nach der zweiten Auflage von 1874 in deutscher Sprache, im Alfred Kröner Verlag Stuttgart, herausgegeben. Im Jahre 1908 hatte Schmidt bereits im selben Verlag eine Volksausgabe des Darwin Buches ediert, die sich jedoch nur auf den Druck des ersten Teiles des Originals bezog. Hier hatte er zudem in seiner Vorbemerkung notiert: »Die theoretische und praktische Rassen- und Gesellschaftsbiologie ist uns heute zu einer der wichtigsten Angelegenheiten nicht nur der wissenschaftlichen Forschung, sondern auch der sozialen Medizin und der inneren Politik geworden […] Möge dieses Buch auch in der vorliegenden Ausgabe dazu beitragen, die Erkenntnis von der Wichtigkeit der hier behandelten Probleme für die gesamte Weltanschauung und Lebensführung immer mehr zu verbreiten, und – was mehr ist – tätigen Anteil an der praktischen Durchführung ihrer Konsequenzen für das Einzel- und Gesellschaftsleben zu erwecken« (Darwin 1908: IV). Im Jahre 1871 war in der Schweizerbart’schen Verlagsbuchhandlung (E. Koch) in Stuttgart bereits eine deutsche Übersetzung von J. V. Carus erschienen. 54 Der erste Teil hat die Kapitel: 1. Thatsachen, welche für die Abstammung des Menschen von einer niederen Form zeugen, 2. Über die Art der Entwicklung des Menschen aus einer niederen Form, 3. Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Thiere, 4. Über die Entwicklung der intellectuellen und moralischen Fähigkeiten während der Urzeit und der civilisierten Zeiten, 5. Über die Verwandtschaften und die Genealogie des Menschen und 6. Über die Rassen des Menschen. Anhang: Anmerkung über die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten im Bau und in der Entwicklung des Gehirns bei dem Menschen und den Affen. Von Professor Huxley. 53
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dessen Haltung gegenüber der Selektionstheorie enttäuscht war, A. R. Wallace hatte sich 1869 in einem Aufsatz reserviert über die Menschwerdung ohne Selektion geäußert und wechselte Jahre später sogar ins Lager der Spiritisten, T. H. Huxley war ihm in seinen Denkstrukturen sicherlich zu eigen gewesen. So war es an Darwin selbst, dieses von ihm zusammengetragene Material kompilatorisch zu verarbeiten. Nachdem er 1868 die Bearbeitung seines zweibändigen Werkes Das Variieren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestikation abgeschlossen hatte, begann er noch im gleichen Jahr mit der humanphylogenetischen Arbeit. Im Jahre 1871 erschien, wie bereits erwähnt, sein anthropologisches Buch, 1874 folgte eine revidierte Auflage. Zur Zielsetzung hatte Darwin in der Einleitung zur zweiten Auflage bemerkt: Das vorliegende Werk enthält kaum irgend welche originelle Thatsachen in bezug auf den Menschen; da aber die Folgerungen, zu welchen ich nach Vollendung einer flüchtigen Skizze gelangte, mir interessant zu sein schienen, so glaubte ich, daß sie auch Andere interessieren dürften. Es ist oft und mit Nachdruck behauptet worden, daß der Ursprung des Menschen nie zu enträthseln sei. Aber Ungewissheit erzeugt viel häufiger Sicherheit, als es das Wissen thut (Darwin [1966] 1874: 2).
Darwin stützte sich in seiner Klassifikation der Primaten hauptsächlich auf Linnés sowie auf Huxleys Schema von 1863. Während Linné 1735 den Menschen an die Spitze der Säugetiere gestellt, mit Affen und Halbaffen in der Ordnung Anthropomorpha vereinigt und später als Primaten gekennzeichnet hatte, schlug Huxley folgende Rangordnung der Hominiden vor (s. o.): Anthropoiden (nur Mensch), Simiaden (alle Affen) und Lemuriden (alle Halbaffen); die Simiaden wurden in Catarrhinen (Affen der Alten Welt) und Platyrrhinen (Affen der Neuen Welt) unterteilt. Darauf aufbauend folgerte Darwin: daß der Mensch ein Zweig des altweltlichen Simiadenstammes ist und daß er von einem genealogischen Gesichtspunkte aus in die Abtheilung der Catarrhinen einzuordnen« sei (ebd.: 171).
Ferner sei er mit den »anthropomorphen« Affen (Gorilla, Schimpanse, Orang Utan, Hylobates/Gibbon) stammesverwandt und somit wäre zu folgern, daß irgend ein altes Glied dieser Kette als Stammvater des Menschen existiere. Ein »ancient member« einer primitiven menschenaffenartigen Ausgangsgruppe stände somit am Beginn der eigenen Geschichtslinie der Hominiden (ebd.: 171). In seinem allgemeinen Schema des Evolutionsablaufes von 1859 wird diese Auffassung bereits sichtbar, zumal Darwin hier schon Vorstellungen über den Ablauf der Phylogenese entwickelte, die wir heute als mikroevolutiven (radiativ-adaptiven) Gang der Evolution bezeichnen würden. Hinsichtlich der Herkunft der Menschen (Hominisation) findet sich folgende Notiz: Es ist daher wahrscheinlich, daß Afrika früher von jetzt ausgestorbenen Affen bewohnt wurde, welche dem Gorilla und dem Schimpansen nahe verwandt waren; und da diese beiden Species jetzt die nächsten Verwandten des Menschen sind, so ist es noch etwas wahrscheinlicher, daß unsere frühen Urerzeuger auf dem afrikanischen Festlande lebten. Es ist aber ganz unnütz, über diesen Gegenstand Speculationen anzustellen […] Es kann auch noch hinzugefügt werden, daß allem Anscheine nach der Mensch ursprünglich keine oceanische Insel bewohnt hat; und in dieser Beziehung gleicht er den anderen Mitgliedern seiner Classe (ebd.: 171, 189).55 »Die für Darwin so charakteristische Vorsicht und Zurückhaltung in einer hypothetischen Sachaussage wurde von späteren Hominisationsforschern nicht gewahrt. Seine Überlegungen wurden als 55
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Als Gesamtresümee seiner humanphylogenetischen Studie notierte er schließlich: Die hauptsächlichste Folgerung, zu welcher ich in diesem Werke gelangt bin, nämlich daß der Mensch von einer niedriger organisierten Form abgestammt ist, wird für viele Personen, wie ich zu meinem Bedauern wohl annehmen kann, äußerst widerwärtig sein. Es läßt sich aber kaum daran zweifeln, daß wir von Barbaren abstammen […] Der Mensch ist wohl zu entschuldigen, wenn er einigen Stolz darüber empfindet, daß er, wenn auch nicht durch seine eigenen Anstrengungen, zur Spitze der ganzen organischen Stufenleiter gelangt ist […] (ebd.: 700–701).
Darwins Abhandlung von 1871 unterschied sich grundlegend von den Schriften seiner Vorgänger aus dem Jahre 1863. Sein Buch war vielseitiger und thematisch breiter angelegt, zumal er die Geschichte der Menschheit nicht nur von physischer Seite aus betrachtete. Einige Kapitel waren so den intellektuellen, emotionalen und sittlichmoralischen Fähigkeiten des Menschen gewidmet. Auch der Schreibstil mutet eher behutsam an, kann teilweise als teleologisch interpretiert werden und zielte in seiner Gesamtheit eben nicht auf Konfrontation ab, wie das beispielsweise bei Haeckel, Vogt oder Huxley noch der Fall gewesen war. Allerdings finden sich in Anlehnung an seinen Vetter Francis Galton auch bei Darwin einige, aus heutiger Sicht negativ zu interpretierende (rassistisch-eugenische) Äußerungen wie beispielsweise: Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Lebensbleibens und der Vermehrung der Schwachen ertragen; doch scheint wenigstens ein Hindernis für die beständige Wirksamkeit dieses Moments zu existieren, in dem Umstande nämlich, daß die schwächeren und untergeordneteren Glieder der Gesellschaft nicht so häufig wie die Gesunden heirathen; und dies Hemmnis könnte noch ganz außerordentlich verstärkt werden, trotzdem man es mehr hoffen als erwarten kann, wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heirathens enthielten (ebd.: 148–149).
Insgesamt ordnet sich Darwin mit seinen Aussagen von 1871 in die Reihe der 1863er Gelehrten ein und lieferte damit ebenso einen weiteren Mosaikstein für die Beantwortung der Frage nach der Herkunft des Menschen. Auch er war in seiner Argumentation vorwiegend auf generalisierend-induktive Schlüsse angewiesen, da man sich zu jener Zeit kaum auf tragfähige überlieferte Fossilienfunde stützen konnte. So kannte man nur die miozänen (tertiären) Gibbons (Pliopithecus-Gruppe), einige fossile Reste aus der Dryopithecus-Gruppe wie Unterkiefer und Zähne (keine Extremitäten) sowie das umstrittene bruchstückhafte Skelett aus dem Neandertal. Im Gegensatz zu Haeckel ging Darwin nicht den Schritt, aufgrund dieser wenigen Funde phylogenetische Hypothesen in Form von Stammbäumen etc. aufzustellen (Rothe & Henke 2006). So fehlt ein entsprechender Stammbaum des Menschen in der Abhandlung von 1871, obwohl Haeckel bereits 1866 in seiner Generellen Morphologie einen solchen veröffentlicht hatte.56 eindeutige Stellungnahme für das tropische Afrika als mutmaßlichen Ort der Menschwerdung gewertet« (Schott 1982: 10). 56 Haeckel hat später einmal die Beziehung Darwins zur Anthropologie in folgende Worte gefaßt: »Im allgemeinen wird Charles Darwin nicht als grosser Anthropologe anerkannt und die grosse Schule moderner Anthropologen betrachtet ihn nicht als führende Autorität. Besonders in Deutschland haben sich die Anthropologischen Gesellschaften vom Anfang der Darwinschen Kämpfe, also von 1860 an, in ihrer grossen Mehrheit für seine Gegner erklärt. Die Abstammung des Menschen wurde abgelehnt, selbst die Diskussion über den Gegenstand wurde als ›unwissenschaftlich‹ verboten« (Haeckel 1909: 371).
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Die Internationale der biologischen Anthropologen
Auch Darwins Kollege, Alfred Russel Wallace (1823–1913), hat sich zum Ende seines Lebens dann mehrfach mit der Frage nach der Herkunft der Menschheit beschäftigt. So betitelte er das letzte und fünfzehnte Kapitel seines Buches Der Darwinismus (1891) mit der Überschrift »Anwendung des Darwinismus auf den Menschen« oder ließ beispielsweise 1903 ein Buch über Des Menschen Stellung im Weltall folgen. Im Buch über den Darwinismus referierte Wallace zunächst »Rudimente und Abänderungen als Beweise der Verwandtschaft des Menschen mit den übrigen Säugethieren«, ging auf die embryologische Entwicklung des Menschen und der Säugetiere ein und besprach anschließend den Menschen sowie die ihm nächstverwandten Tiere (Hirnvergleich, Vergleich der äußeren Unterschiede zu den Affen). Bei der Datierung des Alters des Menschen folgte er weitgehend der Interpretation von T. H. Huxley (Wallace 1891: 705 ff.), zur Ursprungsstätte des Menschengeschlechtes äußerte er keine Vermutung. Hinsichtlich einer Klassifikation der Menschen bezog er sich primär auf die Fähigkeitsentwicklungen beim Menschen, so beispielsweise auf den »Ursprung der mathematischen Anlagen« und bemerkte dazu: Wir haben hinreichende Beweise dafür, dass bei allen niederen Menschenrassen das, was wir mathematische Anlagen nennen können, entweder fehlt oder, wenn es vorhanden, gänzlich ungeübt ist. Die Buschmänner und die Indianer der Wälder Brasiliens sollen nicht über zwei zählen können […] Zu den civilisirteren Rassen uns wendend, finden wir den Gebrauch der Zahlen und das Zählen sehr gesteigert (Wallace 1891: 719–720).
Ausgehend von seinen spirituellen Neigungen konstatierte er zu diesem Themenkomplex: So finden wir denn, dass der Darwinismus, selbst wenn er bis zu seinen letzten logischen Folgerungen fortgeführt wird, dem Glauben an eine spirituelle Seite der Natur des Menschen nicht nur nicht widerstreitet, sondern ihm vielmehr eine entschiedene Stütze bietet. Er zeigt uns, wie der menschliche Körper sich aus niederen Formen nach dem Gesetze der natürlichen Zuchtwahl entwickelt haben kann; aber er lehrt uns auch, dass wir intellectuelle und moralische Anlagen besitzen, welche auf solchem Wege sich nicht hätten entwickeln können, sondern einen anderen Ursprung gehabt haben müssen – und für diesen Ursprung können wir eine ausreichende Ursache nur in der unsichtbaren geistigen Welt finden (ebd.: 741–742).
Diese spiritistische Sichtweise fand dann u. a. in dem Buch über Des Menschen Stellung im Weltall eine weitere Vertiefung. Mit Wallace haben wir nun am Ende der Betrachtung über die Entwicklungen in England auch einen Vertreter der Darwinisten kennengelernt, der in seinem späteren Lebensabschnitt religiöse Motive mit dem Darwinismus verband und an dieser Stelle den Boden einer biologischen Anthropologie verlassen hatte. Obwohl er wie Darwin und Huxley die darwinschen Theorien in ihrer Anwendung auf den Menschen akzeptierte, gelang es ihm nicht, diesen Forschungsansatz weiter auszubauen (Kutschera & Hoßfeld 2013a, 2013b; Levit et al. 2013; Hoßfeld & Olsson 2014). Mit Huxley, Darwin und Lyell waren in England Naturwissenschaftler tätig, die mit ihren Büchern ebenfalls der Lösung des Rätsels nach der Herkunft des Menschen ein Stück näher gekommen waren. Sie bewegten sich in ihren inhaltlichen Diskussionen auf dem gleichen Niveau wie ihre deutschen Kollegen, wobei auch für England das
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Jahr 1863 hinsichtlich der Begründung einer biologischen Anthropologie besondere Bedeutung erlangen sollte.57 Etwas anders verhielt es sich mit den Entwicklungen in Italien (Rolle des Positivismus) und in Frankreich (Einfluß der klinischen Studien Brocas sowie Verweise auf die geologisch-paläontologische Tradition seit Cuvier).
5.3 Italien – von Paolo Mantegazza bis zu Filippo de Filippi
In Italien gab es schon frühzeitig anthropologische Zentren, die in engem fachlichem Kontakt mit der Archäologie, Ethnologie und Psychologie standen (Puccioni 1938). So organisierte sich beispielsweise die Anthropologie unter Paolo Mantegazza 1869 in Florenz (Lehrstuhl für Anthropologie und Ethnologie), später folgten Claudia Massari, Nello Puccioni und Lidio Cipriani. Es war der erste ordentliche Lehrstuhl dieses Faches überhaupt, denn in Frankreich hatte es zeitgleich nur Lehraufträge gegeben.58 Mantegazza (1831–1910) erhielt als Wirkungsstätte das »Museo Nazionale d’Anthropologia ed Ethnologia«, organisierte ferner im Jahre 1870 den 5. internationalen anthropologischen Kongreß in Bologna und gründete schließlich am 15. Januar 1871 noch die »Societa Italiana de Anthropologia ed Ethnologia« (Landucci 1987). Ein zweites Zentrum bildete sich in Rom heraus, wo Giuseppe Sergi (1841– 1936) als zentraler Organisator der Anthropologie (Lehrstuhl für Anthropologie und experimentelle Psychologie ab 1883) sowie als Autor zahlreicher Schriften hervortrat. Am 4. Juni 1893 gründete dieser auch eine neue Gesellschaft, die »Societa Romana di Anthropologia«. Sein Sohn Sergio Sergi wurde 1916 sein Nachfolger und baute den Lehrstuhl erfolgreich aus. Daneben entstanden aber auch noch in anderen Städten Italiens weitere Institute und Lehrstühle der Anthropologie, so in Neapel – 1880, mit Giustiniano Nicolucci, dann Vincenzo Giuffrida-Ruggeri, Leo G. Sera, Alfredo Niceforo; Padua – 1898 – mit Enrico Tedeschi, ab 1940 Lehrstuhl unter Rosario Battaglia; Bologna – 1908 – mit Fabio Fassetto, ab 1913 in Pavia tätig usw. Außerdem existierte zeitweise ein eigener Lehrstuhl für Kriminalanthropologie des Zoologen und Anthropologen Cesare Lombroso (1835–1909) in Turin (1905–1909) bzw. etablierte sich die Kriminalanthropologie als wissenschaftliche Disziplin in den 1880er Jahren durch die Gründung der »Scuola positiva di anthropologia criminale« (Gadebusch Bondio 1995: 16). In der Kriminalanthropologie – der »Lehre von der Theorie des geborenen Verbrechers« – suchte Lombroso Elemente der vergleichenden Anatomie, Phrenologie und Abstammung des Menschen zu vereinen; wobei die biologische Anthropologie dadurch von der Medizin einen Erklärungsanspruch erhielt (Ochs 1957, Pancaldi 1983, Colombo 1985).59 Ein Einfluß dieser Theorie auf die Entwicklung der PsychIm mehrere Bände umfassenden Werk von George John Romanes Darwin und nach Darwin (1892–1897) finden sich hingegen kaum anthropologische/humanphylogenetische Querverweise, vielmehr stehen Fachdisziplinen wie die Morphologie, Embryologie und Paläontologie (Band I) im Mittelpunkt. 58 Zur Situation der Naturwissenschaften in Italien im 19. Jahrhundert vgl. Dröscher (1996). 59 Vgl. dazu u. a. Lombrosos Abhandlungen: L’uomo delinquente studiato in rapporto alla Anthropologia, alla Medicina Legale e alle discipline carcerarie. Milano 1876; Über den Ursprung, das Wesen und die Bestrebungen der neuen kriminalanthropologischen Schule in Italien. Zeitschrift für die 57
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Die Internationale der biologischen Anthropologen
iatrie (in Deutschland) ist für die Folgezeit erkennbar (Ackerknecht 1967). Gerade hier sollte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Lombrosos Lehre eine breite Rezeption erfahren, waren doch wie in Italien die medizinisch-anthropologischen Erfahrungsebenen so eng mit den Denkmodellen des Darwinismus und Positivismus verknüpft, daß diese sich sofort und schnell verbreiteten (Gadebusch Bondio 1995). Die seit 1885 stattfindenden internationalen Kongresse für Kriminalanthropologie, deren Inhalte in zahlreichen Fachzeitschriften weiterdiskutiert wurden (so z. B. in Deutschland durch Max Nordau und Hans Kurella), trugen ebenso zur weiteren Verbreitung der Lehren Lombrosos bei. Seinem Lehrstuhl folgten dann analog die Lehrstühle in Neapel (Angelo Zuccarelli) und Ferrara (Licurgo Capelletti).60 Auch in Italien hatte der Darwinismus bereits wenige Jahre nach dem Erscheinen der Origin of Species Fuß gefaßt, obwohl hier zunächst Auseinandersetzungen um den Nationalstaat das intellektuelle Niveau der Diskussionen bestimmt bzw. eine Reihe vordarwinscher transformistischer Theorien (Andrea Bonelli) seit Beginn des 19. Jahrhundert das evolutive Meinungsbild geprägt hatten. In Italien war 1864 mit der Übersetzung durch Canestrini und Salimbeni Darwins epochemachendes Werk relativ spät (Deutschland 1860; Frankreich 1862) einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht worden, rief aber auch hier – wie im restlichen Europa – in der breiten Öffentlichkeit sofort großes Interesse hervor. Diese Entwicklung war für die Anthropologie nicht ohne Konsequenzen. Im selben Jahr als die Darwin-Übersetzung in Italien erschien, folgte hier der erste öffentliche Vortrag über Evolutionismus/ biologische Anthropologie. Filippo de Filippi (1814–1897) referierte am 11. Januar 1864 zum Thema »Der Mensch und die Affen« und schloß damit direkt an die europäische Vortragsserie der 1863er Jahre an.61 Im Jahre 1866 äußerte sich dann u. a. Giovanni Canestrini über die Abstammung des Menschen, wobei er die Behauptung aufstellte, die Menschen hätten sich schon relativ früh von den Primaten abgespalten. Er widersprach damit der späteren These von Darwin, der von einem unmittelbaren Verwandtschaftsverhältnis von Menschenaffen und Menschen ausging (Canestrini 2001, Guermani 2001). Darwin selbst nannte u. a. in der zweiten Auflage seiner Abhandlung über Die Abstammung des Menschen einige italienische Fachkollegen, die sich mit dieser Thematik beschäftigt haben: zum einem Canestrini, zum anderen Francesco Barrago sowie dessen 1869 veröffentlichtes Buch Der Mensch geschaffen zum Ebenbilde Gottes, auch geschaffen als Ebenbild des Affen (Darwin [1966] 1874: 3, Fußnote 1). gesamte Strafrechtswissenschaft 1: 108–129, 1881; Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung. Bd. 1, Hamburg 1887, Bd. 2, 1890, Atlas 1898; Der geniale Mensch. Hamburg 1890; Der Antisemitismus und die Juden im Lichte der modernen Wissenschaft. Leipzig 1894; Neue Fortschritte in den Verbrecherstudien. Gera 1899; Die Ursachen und Bekämpfung des Verbrechens. Berlin 1902. 60 Auf rassenkundliche Tendenzen während des Duce-Faschismus wie beispielsweise der Einführung eines Rassenrechtes nach Empfehlung des Kolonialministers am 9. Januar 1937 durch den italienischen Ministerrat, das erste seiner Art in Italien überhaupt, kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden (Steinwaller 1938: 299). Im Gegensatz zu anderen Ländern faßte die politische Rassenlehre erst um 1937 mit den Arbeiten von G. Cogni entscheidend Fuß. 61 Vgl. Filippi, F. de (1864): L’uomo e le scimie (sic): Lezione pubblica detta in Torino la sera dell’11 gennaio 1864. Milano, G. Daelli e comp. Editori (60 S.).
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Trotz dieses verspäteten Interesses an Fragen der Evolution ergab sich zwischen den italienischen Naturwissenschaftlern und Darwin kein so intensiver Kontakt, in dessen Verlauf Thesen aus dem Origin of Species hätten weiter für die Entwicklung der biologischen Anthropologie diskutiert bzw. hinterfragt werden können. Vielmehr bestand ein reger wissenschaftlicher Kontakt zu Ernst Haeckel, der in Italien durch die weltanschaulichen Diskussionen sowie zahlreiche bis dahin unternommene Italien-Reisen größere Popularität als Darwin genoß. So existieren im Nachlaß Darwins nur 20 Korrespondenten aus Italien, im Briefnachlaß Haeckels jedoch weit über 250 Adressaten (Brömer 1993: 94; Hoßfeld & Breidbach 2005). Unter diesen finden sich u. a. der aus Pavia stammende vergleichende Anatom und Physiologe Leopoldo Maggi, Battista Grassi (vergleichende Anatomie in Rom), Rina Monti (vergleichende Anatomie in Pavia), Giacomo Cattaneo (vergleichende Anatomie in Genua), Corrado Parona (Zoologie in Genua), Michele Lessona (Zoologie in Turin), Francesco Saverio Monticelli (Zoologie in Neapel) u. a.62 An dieser Stelle ist auch noch auf das Interesse zahlreicher italienischer Positivisten (Andrea Angiulli, Roberto Ardigo, Enrico Morselli) hinsichtlich einer Verbindung zwischen psychologischer/pädagogischer und anthropologischer Forschung zu verweisen (Frigo 2001). So finden sich beispielsweise in Ardigos Opere Filosofiche (1882) ebenso humanphylogenetische Querverweise wie in der von Morselli et al. herausgegebenen Zeitschrift Revista di Filosofia Scientifica (ab 1881), wo die jeweiligen theoretischen Positionen (entsprechend den Mitteilungen in der »Deutschen Rundschau«) von deutschen Naturwissenschaftlern und Anthropologen wie Virchow, Haeckel usw. kritisch hinterfragt wurden (Zigman 2000). Hier überwiegen aber mehr die vergleichend zusammenfassenden Darstellungen gegenüber den originären Forschungen zu diesem Themenkomplex seitens der Positivisten, mit Ausnahme vielleicht von Canestrini und seinem Umfeld (Pogliano 2001). Gemeinsam war ihnen, die Bedeutung Darwins weitgehend erkannt und die experimentellen Forschungen jener Zeit (Kraniologie usw.) akzeptiert zu haben.
5.4 Frankreich – von Jean-Baptiste de Lamarck bis zu Paul Broca
In Frankreich muß man am weitesten in die Geschichte zurückgehen, um Anfänge anthropologischer Forschungen aufzuspüren; erste Spuren führen zum Jardin de Plantes von 1626 (Knußmann 1988). Die entscheidende Phase der Institutionalisierung vollzog sich dann aber erst 200 Jahre später (Williams 1985) und letztlich auf zwei Wegen: a) durch den Unterricht am Musée d’Histoire Naturelle und b) durch die Aktivitäten im Umfeld des Arztes Paul Broca (universitäre Ebene).63 Die große Anerkennung und Achtung, die Haeckel in Italien genoß, dokumentiert sich in der Mitgliedschaft in 18 wissenschaftlichen Akademien und Gesellschaften sowie in der umfassenden Korrespondenz. Die Verleihung des Bressa-Preises der Turiner Akademie der Wissenschaften ermöglichte ihm dann sogar die Finanzierung seiner zweiten Tropenreise nach Indien, Java und Sumatra (Krauße 1993: 76–77). 63 »Was Virchow für Deutschland war und Hunt hätte für England werden können, ist Broca für Frankreich gewesen« (von Eickstedt 1937–43: 144). 62
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Die Internationale der biologischen Anthropologen
Wie schon zuvor in anderen Ländern aufgezeigt, kam es auch in Frankreich zu frühen (vor Darwin) Überlegungen einer Verbindung von Abstammungsgeschichte mit anthropologischem Wissen. Aufbauend auf den Forschungen von Bernier und Buffon hatte sich hier bereits eine Art von naturwissenschaftlicher Menschenforschung etabliert. Diese ersten Ansätze kamen von Francois Marie Arouet, genannt Voltaire (1694–1778) sowie von Jean Jaques Rousseau (1712–1778). Voltaire war nicht an einer systematischen Menschenforschung interessiert, äußerte sich in seinen Schriften und »anthropologischen« Beschreibungen vielmehr sehr national und sah im Zeitfaktor einen wichtigen Punkt bei der Erforschung der menschlichen Entwicklung. Im Gegensatz dazu stand der französische Schweizer Rousseau, dessen »Zurück zur Natürlichkeit (Natur)« die Ideengebung einer ganzen Zeitepoche mitbestimmen sollte, vgl. hier besonders sein dreibändiges Opus Emile (1912). Nachdem Meiners und insbesondere Herder verschiedene Ansichten Rousseaus revidierten, war es vor allem Wieland, der sich in einigen Aufsätzen gegen die Rousseauschen Auffassungen wandte. Meiners und Herder hatten dabei eher auf der wissenschaftlichen Seite gestanden, während Rousseau die politische Argumentation bevorzugte. Damit war zwar eine unmittelbare Konfrontation beider Parteien nahezu ausgeschlossen, aber auch eine inhaltsbezogene fachliche Werbung für diese neue Wissenschaft zu einer Einseitigkeit verurteilt, zumal eben in jener Zeit nur der Auftritt auf der politischen Bühne Erfolg versprach. Nach der politischen Machtübernahme durch Napoleon begann sich schließlich in Frankreich wieder eine anthropologische Forschung zu regen, zumal im Jahre 1800 einige Naturforscher und Ärzte die »Société des observateurs de l’homme« gründeten und J. J Virey mit seinem Werk Histoire Naturelle du Genre Humain (1801) den Auftakt anthropologischer Publikationen gab.64 Im Zeitalter von Cuvier sollte sich ferner das allgemeine Interesse an der Entdeckung fossiler Tierreste mehr und mehr der Frage der Existenz und Bedeutung fossiler Menschenreste zuwenden (Scheidt 1923: 178). Lange also vor den Eröffnungen von Charles Lyell in dessen Principles of Geology konnte in Frankreich ein Schritt vollzogen werden, der argumentativ eine natürliche Ordnung der organischen Wesen mittels Entwicklungsgedanken aufzubauen gedachte. Zu zentralen Förderern der französischen Anthropologie jener Zeit zählten Georges Baron de Cuvier (1789–1832) sowie Etienne Geoffroy-St. Hilaire (1772– 1844). Cuviers Beitrag zur anthropologischen Forschung ist, gemessen an seinen anderen wissenschaftlichen Verdiensten (Zoologie, vergleichende Anatomie), eher bescheiden, waren seine sporadischen Äußerungen zur Anthropologie doch mehr oder weniger seinem »evolutiven Verständnis« geschuldet. So glaubte er an eine Diskontinuität der Organismen, die er durch seine Katastrophentheorie zu erklären suchte. Demnach war die Sintflut für ihn eine der letzten Katastrophen; danach sei erst der Mensch aufgetreten (vor ca. 5–6000 Jahren). Aus dieser Sicht ist so auch nur seine Auffassung »Es gibt keine Menschenknochen« (L’homme fossile n’existe pas), die in einer wissenschaftlich verstandenen diktatorischen Stellung fußte, zu verstehen (Müller 1990, Backenköhler 2002). Cuvier glaubte an den Schöpfungsakt und lehnte eine Einheitlichkeit der Stufenfolge des gesamten Tierreiches ab, unterschied nur 64
Im Jahre 1824 erschien sein Buch in zweiter Auflage.
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vier Gruppen von Tieren (Wirbel-, Glieder-, Weich- und Strahlentiere) bzw. folgte er einer Dreiteilung der menschlichen Rassen usw.65 Geoffroy St. Hilaire hingegen ist besonders durch seine Arbeiten am Schädel und als Streitpartner Cuviers in der Sitzung der Akademie vom 9. März 1830 hervorgetreten. Am bedeutendsten (insbesondere aus Haeckels Sicht) wurde schließlich in der vordarwinschen Ära, was die Verbindung von evolutivem und anthropologischem Denken betrifft, das Werk von Jean-Baptiste-Pierre-Antoine de Monet, Chevalier de Lamarck (1744–1829), den E. Haeckel sozusagen für die scientific community von Jena aus wieder entdeckte und zu entsprechendem wissenschaftlichem Ruhm und Ehren verhalf (Corsi 1989, Schilling 1990). Im Jahre 1809 hatte dieser sein deszendenztheoretisches Werk Philosophie zooloqique66 in Paris veröffentlicht, in dem sich neben zentralen zoologischen und botanischen67 auch vereinzelt Aussagen über die Entwicklung der Menschen finden. Bereits 50 Jahre vor Darwin thematisierte Lamarck also diesen Themenkomplex, insbesondere im VIII. Kapitel »Über die natürliche Ordnung der Tiere, in und über die Reihenfolge, die ihrer allgemeinen Einteilung gegeben werden muß, um sie der Ordnung der Natur selbst anzupassen«. Innerhalb der »allgemeinen Anordnung der Tiere […] einer Reihe, die der Ordnung der Natur selbst entspricht« (Lamarck 1990: 213), unterschied er 14 Tierklassen, davon 10 Klassen »Wirbellose Tiere« sowie vier Klassen »Wirbeltiere« in sechs Organisationsstufen. Von Bedeutung für das hier zu behandelnde Thema sind die Aussagen zur XIV. Klasse, den Säugetieren, Lebendig gebärende Tiere mit Brustwarzen, mit vier oder bloß zwei gegliederten Gliedmaßen. Vollständige Atmung durch äußerliche undurchlöcherte Lungen; Haare auf einigen Körperteilen (Lamarck 1990: 256).
Diese Klasse, die die »vollkommensten Tiere« hinsichtlich der Fähigkeitsentwicklung und Intelligenz beinhaltete, unterteilte er nochmals in vier Ordnungen: »I. Exungulata (Waltiere) […] II. Amphibia (Robbe, Walroß, Seekuh, Manati) […] III. Ungulata (Huftiere) […] IV. Unguicultata […]« (ebd.: 257–259). An der Spitze der IV. »So trat an die Stelle des Linnéschen Systems ein durch exakte vergleichend-anatomische Studien gestütztes kunstvolles System von Typenkreisen, die Linnésche Lehre von der Konstanz der Arten aber wurde durch die Katastrophentheorie erneuert« (Scheidt 1922: 305). 66 Im Jahre 1873 erschien unter Charles Martins die zweite Auflage. Für die erste deutsche Übersetzung sorgte auf Anregung von Ernst Haeckel 1876 dessen Schüler Arnold Lang, der weitgehend der haeckelschen Lesart betreffs der Lamarckschen Leistungen für die Biologie folgte. Vgl. hier u. a. Lang (1877) oder dessen einführenden Vortrag als Ritter-Professor mit dem Titel »Zur Charakteristik der Forschungswege von Lamarck und Darwin« (1889). 67 Vgl. hier nur als Bsp. seine beiden Gesetze: »Erstes Gesetz: Bei jedem Tier, das das Ziel seiner Entwicklung noch nicht überschritten hat, stärkt der häufigere und bleibende Gebrauch eines Organs dasselbe allmählich, entwickelt und vergrößert es und verleiht ihm eine Kraft, die zu der Dauer dieses Gebrauchs im Verhältnis steht; während der konstante Nichtgebrauch eines Organs dasselbe allmählich schwächer macht, verschlechtert, seine Fähigkeiten fortschreitend vermindert und es endlich verschwinden läßt. Zweites Gesetz: Alles, was die Natur die Individuen erwerben oder verlieren läßt durch den Einfluß der Verhältnisse, denen sie während langer Zeit ausgesetzt sind, und folglich durch den Einfluß des vorherrschenden Gebrauchs oder konstanten Nichtgebrauchs eines Organs, das erhält sie durch die Fortpflanzung für die Nachkommen, vorausgesetzt, daß die erworbenen Veränderungen beiden Geschlechtern oder denen, die diese Nachkommen hervorgebracht haben, gemein seien« (Lamarck 1990: 185, Hervorhebungen durch den Verf.). 65
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Abb. 15: Übertriebene Herausarbeitung der menschlich-tierischen Übergänge und der somatischen Rassenunterschiede bei Virey 1824. In: Eickstedt, Egon Frh. von: Rassenkunde und Rassengeschichte des Menschen, Erster Band, Stuttgart 1938, S. 332.
Ordnung setzte er die Quadrumanen, wobei die Oranguten (Pithecus) die vollkommensten Tiere darstellten.68 Den Menschen ordnete Lamarck den »Bimanen«69 – den »Säugetieren mit getrennten, mit Nägeln versehenen Gliedmaßen, die ebenso über drei Zahnarten und einen an den Händen entgegensetzbare Daumen verfügen« – zu. An menschlichen »Der Orang von Angola (Simia troglodytes, Lin.) ist das vollkommenste aller Tiere: es ist vollkommener als der indische Orang (Simia satyrus, L:), den man Orang-Utang genannt hat […]« (Lamarck 1990: 262, Hervorhebungen im Orig.). 69 »Man hat dieser Familie den Namen Zweihänder (Bimanen) gegeben, weil in der Tat bloß die Hände des Menschen einen abgesonderten und den Fingern entgegenstellbaren Daumen besitzen, während die Hände und die Füße der Vierhänder hinsichtlich des Daumens dieselbe Eigenthümlichkeit darbieten« (Lamarck 1990: 260, Hervorhebung im Orig.). 68
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Varietäten unterschied er: Kaukasier, Hyperboraeer, Mongolen, Amerikaner, Malayen und den Äthiopier/Neger. Gegenüber der Einteilung von Blumenbach ist hier kein Fortschritt zu erkennen, jedoch auf den folgenden Seiten, wenn er auf die Entwicklung des Menschengeschlechts eingeht. Diese letzten Seiten des ersten Bandes sind mit »Einige Bemerkungen über den Menschen« überschrieben. Hier bemerkte Lamarck hinsichtlich der Herrschaft einer vollkommenen Affenrasse über eine andere Rasse (andere Tierrassen) mit vorsichtiger Ausdrucksweise: 1. Daß diese [Affenrasse] in ihren Fähigkeiten vollkommenere Rasse, der es dadurch gelang, die Oberherrschaft über die anderen zu gewinnen, sich aller passenden Orte der Erdoberfläche bemächtigt haben wird. 2. Daß sie die anderen hervorragenden Rassen verdrängt haben würde im Fall, diese hätten ihr die Güter der Erde streitig machen wollen, und daß sie dieselben gezwungen haben würde, an Orten Zuflucht zu suchen, die sie nicht innehält. 3. Daß sie die Fortschritte in der Vervollkommnung der Fähigkeiten der ihr durch ihre Beziehungen nächst verwandten Rassen gehemmt haben wird, weil sie der starken Vermehrung derselben geschadet und sie gezwungen hätte, sich in Wälder oder andere verlassene Ort zurückzuziehen […]. 4. Daß letztlich zwischen dieser hervorragenden Rasse und den vollkommensten Tieren ein Unterschied und gewissermaßen ein beträchtlicher Abstand entstanden sein muß, weil dieselbe eine absolute Oberherrschaft über alle anderen erlangt hat (ebd.: 261–262).
Auch wenn noch nicht explizit ausformuliert, ist aus diesen Sätzen Lamarcks zu erkennen, daß dieser dem Menschengeschlecht eine aktive und führende Rolle im Naturprozeß zubilligte. Natürlich ging er noch nicht den letzten Schritt in der Propagierung seiner Gedanken. Neben diesen Überlegungen formulierte Lamarck auch Vorstellungen über die Entwicklung der Sprache (»Zeichen«, »artikulierte Laute«) und anderer Fähigkeiten. Er sah letzten Endes den Menschen als die vorherrschende Rasse an, der sich von den Tieren sowohl in seinen Organisationscharakteren wie auch im Ursprung unterschied (ebd.: 265). Die Zeit, in der Lamarck seine Vorstellungen präsentierte, war eben noch nicht reif für derartige Äußerungen, wie sie fünfzig Jahre später durch Darwin und einer Vielzahl seiner Zeitgenossen erfolgen sollten, so daß als Endfazit von ihm nur stehen konnte: Dies würden die Reflexionen sein, die man anstellen könnte, wenn der hier als die fragliche vorherrschende Rasse betrachtete Mensch sich von den Tieren nur durch seine Organisationscharaktere unterscheiden würde und wenn sein Ursprung nicht von dem ihrigen verschieden wäre (ebd.: 265).
In den beiden anderen Teilen der »Zoologischen Philosophie« finden sich keine weiteren Äußerungen zur Herkunft des Menschen (Lamarck 1991a, 1991b). In die Reihe der Anhänger der französischen Anthropologie im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts gehören zudem noch der Geograph K. Malte-Brun mit seiner »Universalgeographie«, Bernard de Laville Graf von Lacépéde mit seiner Histoire Naturelle de L’Homme (1821), Augustine und Amédée Thierry, W. F. Edwards sowie der Soziologe V. Courtet de l’Isle. Bereits 10 Jahre nach dem Tod von Lamarck wurde im Musée d’Histoire Naturelle (1838) Etienne A. R. Serres (1786–1868) auf den Lehrstuhl für Humananatomie (später Lehrstuhl für Anatomie und Naturgeschichte) berufen und damit ein
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neues Zeitalter der biologischen Anthropologie in Frankreich eingeläutet. Unter seinem Nachfolger Armand de Quatrefages de Bréau (1810–1892) erfolgte 1855 die Umwandlung des Lehrstuhles in einen für Anthropologie, womit die Anthropologie erstmals in einem Unterrichtssystem mit Fächerkanon als eigenständiges Fach in Frankreich verankert war. De Quatrefages behielt den Lehrstuhl bis 1892 inne, bis letztlich Brocas Mitarbeiter E. T. Hamy sein Nachfolger wurde (diesem folgten 1910 R. Verneau, 1928 P. Rivet). Parallel dazu gründete man auch ein Laboratoire d’Anthropologie. Im Umfeld von Paul Broca (1824–1880) kam es dann ebenso zu weiteren zahlreichen Neuerungen auf diesem Gebiet: so erfolgte auf seine Initiative hin 1859 die Gründung der Société d’Anthropologie de Paris, 1867 die des Laboratoire d’Anthropologie und 1875 der Ecole d’Anthropologie (Schiller 1992, Stocking 2001). Trotz kirchlichen Widerstandes nahm diese Schule 1876 zunächst als private Gründung ihren Betrieb auf, und Broca selbst hatte einen Lehrauftrag für anatomische Anthropologie inne. Nach seinem Tod wurde dieser in einen solchen für zoologische Anthropologie umgewandelt. An der Schule wurde neben der physischen/biologischen Anthropologie (unter Betonung der Meßtechnik und der Kraniologie) – von Paul Topinard ebenso Prähistorie – Gabriel de Mortillet, Ethnologie – Eugene Dally, Linguistik – Alexandre A. Hovelacque sowie Statistik/Demographie – durch Adolphe Bertillon gelehrt (Schiller 1992: 278). Später (1890er Jahre) verlor die Schule ihre Einheit, weil »leitende theoretische Prinzipien nicht vorhanden waren« (Mühlmann 1968: 98). Dies hatte sich bereits schon in den Auseinandersetzungen um eine Vermischung der Begriffe »Rasse« und »Volk« abgezeichnet, wobei Broca selbst auch hinsichtlich der begrifflichen Fassung von »Rasse« keine Klarheit erzielen konnte. So postulierte er dann u. a., sich auf die Mehrrassigkeit aller historischen Völker beziehend, daß es ungemischte Rassen nicht gebe. Was die Abstammung des Menschen betraf, vertrat er eine polygenetische Sicht: »He opposed the one-ancestor doctrine with its implication that mixture meant decay and slavery. His Voltairian upbringing (Voltaire himself had been a polygenist) and presumably his aversion to all monolithic systems made him epouse polygenism as the view that allowed latitude and tolerance« (Schiller 1992: 139).
Ab 1872 gab Broca zudem die »Revue d’Anthropologie«70 heraus. Diese Vorarbeiten wurden in den folgenden Jahrzehnten mehr oder weniger stark akzentuiert fortgeführt, so daß neben der Gründung einer Einrichtung mit dem Namen »Institut International d’Anthropologie« schließlich 1965 ein Lehrstuhl (G. Olivier) folgte, nachdem zuvor schon H. V. Vallois anthropologische Vorlesungen an der Universität abgehalten hatte (von Eickstedt 1937–43: 150–153, Knußmann 1988: 64). Außerhalb von Paris spielte sich hinsichtlich einer Institutionalisierung der Anthropologie in Frankreich wenig ab. So ist nur noch Lyon erwähnenswert, wo E. Chantre 1878 am dortigen Museum eine anthropologische Abteilung gründete und die »Bulletins de la Société d’Anthrolopogie de Lyon« herausgab. Außerhalb dieses akademischen Zirkels hatten aber auch verstärkt Gobineau oder George Vacher de Lapouge (1854–1936) über rassenkundliche Fragen in 70
Ab 1891 Revue de L’Ecole d’Anthropologie, ab 1907 Revue Anthropologique.
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Frankreich gearbeitet und mitgeholfen, das Fach zu etablieren (Seidler & Nagel 1973, Honigmann 1990). Am deutlichsten zeigt sich dabei ein politischer Zugriff auf die Anthropologie an Joseph Arthur Comte de Gobineaus (1816–1882) Äußerungen in seinem vierbändigen Werk Essai sur l’inégalité des races humaines (Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen) von 1853–1855.71 Obwohl das Erscheinen der ersten Auflage zunächst fast völlig unbeachtet blieb, erschien dreißig Jahre später eine unveränderte zweite Auflage (1884) der Gobineauschen Schrift. Durch das Wirken seines deutschen Übersetzers Ludwig Schemann fanden Gobineaus Bemerkungen (»Arier sind die Grundrasse der Weißen« usw.) auch in Deutschland Beachtung. Insbesondere in der Zeit des Dritten Reiches sollten sich diese Äußerungen dann in einen Dualismus von Wissenschaft und Politik verwandeln, an einigen Stellen sogar eine gewisse Vorbildwirkung erlangen (Hans F. K. Günther u. a.). Im Unterschied zu Gobineau gab Schemann seiner Interpretation später auch eine antisemitische Richtung. Zusammenfassend muß konstatiert werden, daß die Auswirkung von Lamarcks Werk und die positiven Einflüsse von Geoffroy St. Hilaire auf die Entwicklung der Anthropologie – im Gegensatz zum Einfluß von von Baer in Rußland und Deutschland – bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich (und auch auf europäischer Ebene) kaum zu spüren waren. Deutlicher ist ein Bezug von Lamarcks Lehre zur Evolutionstheorie zu sehen, wie ihn besonders Haeckel propagierte.72
5.5 Ausblick auf die Internationale
Die hier besprochenen deutschen, englischen, italienischen und französischen Vorarbeiten bildeten in ihrer Gesamtheit entscheidende Voraussetzungen für die wissenschaftliche Gründung und Legitimierung der biologischen Anthropologie als Fachdisziplin in der Mitte des 19. Jahrhunderts.73 Das Jahr 1863 und mit diesem die Vor Gobineau war die Lehre von der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der menschlichen Rassen und Völker bereits mehrmals dargestellt worden, aber diese hatten weniger Aufmerksamkeit erregt. Vgl. auch Thierry, A. (1840–1847): Histoire de la Gaule sous la domination romaine. Paris; Courtet de l’Isle, V. (1838): Science politique fondée sur la science de l’homme, ou étude des races humaines. Paris. Vgl. weiterführend Querner (1986: 292–293), Knebel & Marquardt (2012). 72 »Unter den namhaften Anhängern und Nachfolgern Darwins haben wir keine eigentlichen Anthropologen gefunden, obwohl es seit dem Erscheinungsjahr des Darwinschen Werkes anthropologische Gesellschaften, anthropologische Lehrstühle, Professoren, Museen, eine anthropologische Technik neuer Art und anthropologische Lehrbücher gab« (Scheidt 1923: 386). 73 Auch wenn Scheidt dazu kritisch bemerkte: »Es wäre sehr verkehrt, wollte man den verdienten Begründern der exakten anthropometrischen Arbeitsweise einen Vorwurf daraus machen, daß sie die größten und wichtigsten Probleme zurückstellten hinter die nächste Aufgabe einer sicheren Fundierung der Beobachtungen. Darwins geniale Theorie hatte, gerade in anthropologischer Anwendung, den zur Verfügung stehenden Mitteln weit vorgegriffen und die empirische Forschung brauchte Zeit nachzukommen. Die letzten Widersprüche, die sich aus dieser Spannung ergaben, waren freilich nicht zwingend und gegenüber der Denikerschen Verneinung menschlicher Rassen muß man unwillkürlich an die eindringliche Mahnung Kants denken, daß es eines leitenden Prinzips bedürfe, um Beobachtungen mit Aussicht auf wirkliche erfolge anzustellen […] Man kann demnach getrost sagen, daß der Gegensatz zwischen Darwinismus und Lamarckismus auch weiterhin 71
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Die Internationale der biologischen Anthropologen
»Internationale der biologischen Anthropologen« können als Vorstufe einer Synthetisierung von wissenschaftlichem Gedankengut, wie sie in den 1930er und 1940er Jahren international mit der Etablierung der Synthetischen Theorie der Evolution nochmals gelang, verglichen werden. Bereits um 1863 wurde die biologische Anthropologie somit zum festen Bestandteil der ersten darwinschen Revolution, wurde hier doch Fachwissen aus den naturwissenschaftlichen Teilgebieten wie der vergleichenden Anatomie, Morphologie, Paläo-Anthropologie, Primatenkunde, Geologie, Paläontologie, Botanik, Zoologie, Embryologie usw. sinnvoll miteinander vereint und folgte man in der Interpretation der Befunde weitgehend den Aussagen von Darwin (Variabilität, Selektion usw.). Jahrzehnte später (während der zweiten darwinschen Revolution) kam dann schließlich nur noch die Genetik mit ihren Aussagen in der Argumentation hinzu (Hoßfeld 2010; Olsson et al. 2006b, 2010; Levit et al. 2014; Hopwood 2015). Die Auswahl einiger der wesentlichen europäischen Autoren, die sich um 1863 mit dem Abstammungsproblem des Menschen im Rahmen allgemeiner evolutionstheoretischer Vorstellungen befaßten, zeigt, bei aller grundsätzlichen Anerkennung der evolutiven Entwicklung des Menschen aus nichtmenschlichen Vorfahren, dennoch im Detail auch Verschiedenheiten auf. So kann zunächst für den deutschsprachigen Raum konstatiert werden, daß bereits unmittelbar nach dem GöttingerAnthropologentreffen 1861 – wie in keinem anderen Land – sich eine Mehrheit von Gelehrten diesem Thema zuwendete. Die wissenschaftliche (darwinistische) Argumentation wurde dabei besonders von Jenaer Wissenschaftlern (Haeckel, Schleicher, Schleiden, Snell und dazu noch Rolle) bestimmt, für eine publizistische und mehr populäre Verbreitung sorgten hingegen C. Vogt und L. Büchner. Ein Einfluß früher vorgetragener wissenschaftlicher Ansätze (von Baer, Blumenbach, Kant usw.) wird ebenfalls an dieser Stelle deutlich, aber diese liefen noch unter der Bezeichnung Naturgeschichte des Menschen und wurden eben von den Vertretern anderer Fächer erarbeitet. Eine Vernetzung der humanphylogenetischen Aussagen mit der Politik, Ideologie und Weltanschauung scheint noch nicht in dem Maße aufzutreten, wie es 50 Jahre später der Fall sein sollte. In England hingegen verlief die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Thema – obwohl eigentliche Anlässe wie beispielsweise die Göttinger-Tagung und die Vorarbeiten von von Baer u. a. fehlten – ähnlich, zumal sich auch hier um 1863 eine ganze Anzahl von Gelehrten diesem Thema zuwendete. Thomas Henry Huxley ragt dabei als Persönlichkeit in der Geschichte der biologischen Anthropologie mit seinem Werk Evidence as to Man’s Place in Nature besonders heraus. Etwas differenzierter muß hingegen die Entwicklung in Italien und Frankreich gesehen werden, die im Gegensatz zu England – aber ähnlich wie in Deutschland – auf längere Traditionen in der Auseinandersetzung mit anthropologischen Fragestellungen verweisen kann. In Italien etablierten sich schon früh verschiedene anthropologische Zentren, so in Florenz, Rom, später in Neapel, Padua, Bologna usw. Als eine Besonderheit in der Entwicklung ist die zeitweise Existenz eines eigenen Lehrstuhles für Kriminalanthropologie des Zoologen und Anthropodie Geister trennte […und] die Mehrzahl aller Forscher, die mit Rassefragen zu tun hatten, [dazu neigte] einer lamarckistischen Anschauung [zu folgen]« (Scheidt 1923: 396). Vgl. weiteführend von von Engelhardt (1979).
Ausblick auf die Internationale
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logen Cesare Lombroso in Turin (1905/09) zu erwähnen, wo dieser versuchte, Elemente der vergleichenden Anatomie, Phrenologie und Abstammung des Menschen zu vereinen. Ein Einfluß dieser Theorie auf die Entwicklung der Psychiatrie (u. a. in Deutschland) ist für die Folgezeit erkennbar. Eine weitere Besonderheit der italienischen Entwicklung war die Verbindung der medizinisch-anthropologischen Erfahrungsebenen mit den Denkmodellen des Darwinismus und Positivismus. Diese Entwicklung war entsprechend für die Anthropologie nicht ohne Konsequenzen. So folgte im selben Jahr, als die Darwin–Übersetzung in Italien erschien, auch hier der erste öffentliche Vortrag über Evolutionismus/biologische Anthropologie von Filippo de Filippi, äußerte sich zwei Jahre später Giovanni Canestrini ausführlich über die Abstammung des Menschen etc. (Minelli & Caselatto 2001). Das Interesse zahlreicher italienischer Positivisten (Angiulli, Ardigo, Morselli) hinsichtlich einer Verbindung zwischen psychologischer/pädagogischer und anthropologischer Forschung ist an dieser Stelle ebenso hervorzuheben. In ihren Arbeiten überwiegen aber mehr die vergleichend zusammenfassenden Darstellungen als originäre Forschungen zu diesem Themenkomplex. Ebenso in Frankreich muß die Genese des Faches differenzierter gesehen werden. So gab es gleichermaßen hier vor Darwin bereits zahlreiche Überlegungen für eine Verbindung von Abstammungsgeschichte mit anthropologischem Wissen (Voltaire, Rousseau, Lamarck, Cuvier), die aber weitgehend ohne Einfluß auf das Fach blieben. Erst 200 Jahre später sollte dann die Institutionalisierung des Faches auf zwei Wegen erfolgen: a) durch den unmittelbaren Unterricht am Musée d’Histoire Naturelle und b) durch die Aktivitäten von Paul Broca. Der Darwinismus hatte hierbei eine eher untergeordnete Rolle gespielt, eine Besonderheit in der Entwicklung gegenüber den anderen Ländern. Auch die frühe politisch-ideologische Instrumentalisierung anthropologischer Themen wie durch französische (Gobineau, Lapouge) oder italienische Gelehrte (Lombroso) war so in den beiden anderen Ländern nicht erfolgt.
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Die Internationale der biologischen Anthropologen
6. Ernst Haeckel als Anthropologe
6.1 Von der Generellen Morphologie (1866) bis zu Unsere Ahnenreihe (1908)
I
n Deutschland bemühte sich – Huxley in England vergleichbar – besonders der Jenaer Zoologe Ernst Haeckel, die Forschungen über die Abstammung des Menschen im darwinschen Sinne voranzutreiben und diese in sein Ideengebäude zu integrieren. Noch wirksamer und umfassender als die im 5. Kapitel erwähnten Naturforscher gestaltete er seine deszendenztheoretische Lehr- und Forschungsarbeit. Haeckels Beiträge zur Begründung und Etablierung der biologischen Anthropologie waren für den Kausalnexus von Evolutionsbiologie und Anthropologieentwicklung im 19. Jahrhundert teilweise prägend und übten auf die Entwicklung einzelner Fächer (Zoologie, vergleichende Anatomie, Embryologie usw.), nicht nur an der Universität Jena, einen zentralen Einfluß aus.1 Die Beschäftigung Haeckels mit humanphylogenetischen Fragestellungen reicht über einen Zeitraum von 45 Jahren. Sie beginnt mit dem Jahr 1863 (Stettiner Vortrag) und endet im Jahr 1908, wo die Schrift über Unsere Ahnenreihe (Progonotaxis Hominis) erschien. Da eine Analyse der haeckelschen Schriften hinsichtlich einer Ausbreitung anthropologischen Gedankengutes bisher nicht erfolgte, sollen nachfolgend einige Aussagen von ihm zur Geschichte der Herkunft der Menschheit vorgestellt und in den zu behandelnden Themenkontext eingeordnet werden. Für die Analyse wurden in der Regel Haeckels Ausführungen in den jeweiligen Erstauflagen seiner (anthropologischen) Bücher und Schriften angegeben, jedoch auch an einigen Stellen Querverweise zu den Folgeauflagen berücksichtigt. Aufgrund der Fülle des Materials (vgl. allein die 12 Auflagen der Natürlichen Schöpfungsgeschichte sowie die 1926 dazu erschienene Volksausgabe oder die sechs Auflagen der Anthropogenie) mußte auf eine vollständige Darstellung verzichtet werden.2 Die Erkenntnis von der grundlegenden Bedeutung der Abstammungslehre für die Anthropologie findet 1866 in der Generellen Morphologie zum ersten Mal wörtlich Ausdruck. Hier notierte er, daß die Anthropologie überhaupt erst durch die Deszendenzlehre zu begründen sei. Vgl. weiterführend auch Altner (1965, 1966), Kleeberg (2005), Junker & Hoßfeld (2009), Hoßfeld (2010) sowie Hoßfeld & Olssson (2014). 2 Ein Vergleich dieses Materials wäre ein lohnendes Feld für weitere Arbeiten. 1
Von der Generellen Morphologie (1866) bis zu Unsere Ahnenreihe (1908)
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Abb. 16: Das Gemälde »Pithecanthropus alalus« schenkte Gabriel von Max 1894 Ernst Haeckel zu seinem 60. Geburtstag (Bildarchiv des Ernst-HaeckelHauses, Jena).
Wie im Teilkapitel 5.1 dargelegt, hatte Haeckel bereits 1863 in Stettin auf die sich entwickelnden Traditionen einer biologischen Anthropologie hingewiesen, als er bemerkte: Was uns Menschen selbst betrifft, so hätten wir also consequenter Weise, als die höchst organisirten Wirbelthiere, unsere uralten gemeinsamen Vorfahren in affenähnlichen Säugethieren, weiterhin in känguruhartigen Beutelthieren, noch weiter hinauf in der sogenannten Secundärperiode in eidechsenartigen Reptilien, und endlich in noch früherer Zeit, in der Primärperiode, in niedrig organisirten Fischen zu suchen (Haeckel 1863: 17).
Ferner sei der Mensch weder »als eine gewappnete Minerva aus dem Haupte des Jupiter« noch »als ein erwachsener sündenfreier Adam aus der Hand des Schöpfers« (ebd.: 26) hervorgegangen. Vielmehr ließen neuere Entdeckungen auf den Gebieten der Geologie, Altertumsforschung sowie der vergleichenden Sprachforschung andere Rückschlüsse auf die Herkunft vermuten. Auf fossile Funde konnte sich Haeckel
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Erns t Haeckel als Anthropologe
zu jener Zeit noch nicht stützen. Deshalb führte er als stärksten Beweis »der Wahrheit der Entwickelungstheorie« die dreifache Parallele zwischen der embryologischen, der systematischen und der palaeontologischen Entwickelung der Organismen« an (ebd.),
eine Konstruktion, die später für die interdisziplinäre Genese bestimmter biowissenschaftlicher Disziplinen ausschlaggebend werden sollte. Hier ist hervorzuheben, daß Haeckel an dieser Stelle bereits frühzeitig die Bedeutung der Paläontologie für die Evolutionsbiologie erkennt (vgl. dazu die Rückschritte 100 Jahre später), indem er sie in seinem dreifachen Parallelismus verankerte, den gleichen Rückschluß aber im Gegenzug für die Bedeutung der (Paläo)-Anthropologie unterläßt. Insgesamt waren die um 1863 gemachten Aussagen Haeckels im Gegensatz zu Darwins wenigen Bemerkungen von 1859 schon konkreter, obwohl er wie dieser in erster Linie noch auf generalisierend-induktive Schlüsse aus der vergleichenden Anatomie und Embryologie an Primaten angewiesen war (Hopwood 2015). Erste konkretere Aussagen von Haeckel zum Thema »Herkunft der Menschen« finden sich in seinen beiden Vorträgen Ueber die Entstehung und den Stammbaum des Menschengeschlechts (gedruckt 1868)3, die er auf Anregung von August Schleicher im Herbst 1865 vor einem kleinen Privatkreis in Jena hielt (Krauße 1984: 74). Im ersten Vortrag (»Ueber die Entstehung …«) stellte er, nachdem er über Kopernikus, Kepler, Galilei u. a. reflektiert hatte, zunächst seine Ausgangssicht dar und bemerkte mit Darwin: An die Stelle eines willkürlichen Schöpfungsaktes tritt ein nothwendiges Entwickelungsgesetz. Mithin wird die weitverbreitete Vermenschlichung (der Anthropomorphismus) der göttlichen Schöpfungskraft widerlegt, d. h. die falsche Anschauung, daß die letztere irgend eine Aehnlichkeit mit der menschlichen Werkthätigkeit zeige (Haeckel 1868b: 12, Hervorhebungen im Orig.).
Es folgten dann noch allgemeine Aussagen zur Bedeutung der darwinschen Lehre, Querverweise zum Aufbau des Tier- und Pflanzenreiches sowie zu wichtigen Vordenkern der Deszendenzlehre: Wenn wir nun aus der Uebereinstimmung aller Wirbelthiere in Form, Bau, Entwickelung und Lebens-Erscheinungen den Schluß ziehen, daß alle Wirbelthiere von einer einzigen ursprünglichen, gemeinsamen Stammform abstammen, so ist dieser Schluß ein Inductionsschluß. Wenn wir aber dann die gleiche Abstammung auch für den Menschen behaupten, der in allen übrigen Beziehungen den Wirbelthieren im Wesentlichen gleicht, so ist dieser Schluß ein Deductionsschluß. Dieser Deductionsschluß aus dem Allgemeinen in’s Besondere ist um so sicherer und fester, je sicherer und fester der vorhergehende, ihm zu Grunde liegende Inductionsschluß aus dem Besonderen in’s Allgemeine ist. Da nun aber in der That der letztere auf der breitesten inductiven Basis ruht, so können wir auch den ersteren als eben so gesichert ansehen. Auf diese philosophische Begründung des menschlichen Stammbaums ist das größte Gewicht zu legen (ebd.: 28).4
Im Jahre 1881 war bereits die 4. verbesserte Auflage erschienen (1873, 3. Aufl.). Diese beinhaltete neben Abbildungen nun auch präzisierte, erweiterte Übersichten und Textteile: die Ahnenreihe des Menschen umfaßte nun 22 Stufen (und nicht mehr 12); an der Spitze der Übersicht über die Menschenarten stand der »Homo mediteraneus (Mittelländer)« und nicht mehr der Kaukasier usw. 4 Vgl. dazu auch Haeckels Ausführungen in der »Generellen Morphologie«, II. Bd., S. 423; XXVII. 3
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Ferner können mit Hilfe der »unwiderleglichen, handgreiflichen Zeugnisse der Embryologie und Paläontologie [und] vergleichenden Anatomie« Aussagen über die Entwicklung des Menschengeschlechts aus niederen Wirbeltieren (»zunächst aus Affen, weiterhin aus Beutheltieren« usw.) mit »annähernder Sicherheit« getroffen werden (ebd.: 31). Haeckel betonte zudem, daß die »Erkenntnis der tierischen Abstammung keine Entwürdigung und Erniedrigung des Menschen herbeiführe« (Heberer 1965a: 7). Im zweiten Vortrag (»Ueber den Stammbaum …«) wurden Haeckels Aussagen präziser, leitete er doch hier direkt zur Ahnenreihe des Menschen über. Mit Hilfe der Schilderung und Beschreibung der verschiedenen Wirbeltierklassen (acht) versuchte er, sich dem Themengegenstand zu nähern. Die achte und letzte Klasse umfaßte dabei die der Säugetiere, unterteilt in die Unterklassen der Schnabelthiere (Ornithodelphien oder Monotremen) […] Beuthelthiere (Didelphien oder Marsupialien) […] Placenthalthiere (Monodelphien oder Placentalien) (Haeckel 1868b: 49–52),
die wahrscheinlich aus dieser Reihenfolge auch hervorgegangen seien. Diese achte Klasse mit ihren drei Unterklassen sollte schließlich 14 Ordnungen umfassen, von 1. Wasser-Schnabelthieren bis hin zu 14. den Affen. Die Menschenaffen (Anthropoides) unterteilte er zunächst in »Asiatische Waldmenschen (Kleiner Orang, Großer Orang)« und »Afrikanische Waldmenschen (Schimpanse, Gorilla)«. Die zuvor von Blumenbach (fünf) bzw. Prichard (acht) unterschiedenen Menschen-Rassen faßte Haeckel als Menschen-Arten auf und erweiterte diese auf 10: 1. Affen-Mensch (Homo primigenius), 2. Papua-Mensch (Homo papua), 3. Südafrikanischer Mensch (Homo hottentottus), 4. Mittelafrikanischer Mensch (Homo afer), 5. Neuholländischer Mensch (Homo alfurus), 6. Malayischer Mensch (Homo polynesius), 7. Polar-Mensch (Homo arcticus), 8. Gelber Mensch (Homo mongolicus), 9. Rother Mensch (Homo americanus), 10. Weißer Mensch (Homo caucasicus) (ebd.: 77).5 Haeckel postulierte ferner einen monophyletischen Ursprung des Menschen, der als gemeinsame Stammform aller übrigen Schmalnasen »mit Inbegriff des Menschen« die älteste aus den Halbaffen entwickelte Schmalnasenform ansah (Haeckel 1868b: 62). Die Urheimat der verschiedenen Menschen-Arten deutete seiner Meinung nach auf einen versunkenen Kontinent im Indischen Ozean (Lemurien genannt) hin (Wogawa 2002, 2015). An anderer Stelle betonte er später des öfteren, daß keine der lebenden Menschenaffenarten Stammvater des Menschengeschlechts sein könne: Die affenartigen Stammeltern des Menschengeschlechts seien schon lange ausgestorben, und vielleicht werde man ihre versteinerten Gebeine dereinst im Tertiärgestein des südlichen Asiens finden (Haeckel 1968a: 498, Krauße 2000). Die geographische Verbreitung der divergierenden Menschen-Arten erklärte Haeckel später durch Migration.6 Kapitel »Die Stellung des Menschen in der Natur« sowie XXVIII. Kapitel »Die Anthropologie als Theil der Zoologie«. 5 Dieses Schema wurde von ihm nur ein Jahr später in der Generellen Morphologie leicht ergänzt, prinzipiell aber nicht verändert. 6 »Von allen einzelnen Fragen, welche durch die Abstammungslehre beantwortet werden, von allen besonderen Folgerungen, die wir aus derselben ziehen müssen, ist keine einzige von solcher Bedeutung, als die Anwendung dieser Lehre auf den Menschen selbst« (Haeckel 1868a: 487). Daraus
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Abb. 17: Ernst Haeckel und der »RiesenGorilla« im Phyletischen Museum (Bildarchiv des Verfassers).
Seine Ahnen-Reihe des Menschen umfasste 1865 dann bereits 12 Stufen: 1. Stufe – Röhrenherzen und Leptocardier … 12. Stufe – Affenmenschen oder Urmenschen (ebd.: 63–64). Mit Hinweis auf Huxley7 und beeinflußt durch die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung (A. Schleicher), resümierte Haeckel: Der Mensch verhält sich in allen angeführten anatomischen Beziehungen ganz wie die Affen der alten Welt, und es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, daß er von diesen auch wirklich abstammt […] Für den Stammbaum des Menschen ergiebt sich daraus unzweifelhaft, daß derfolgerte er, »daß der Mensch sich aus niederen Wirbelthieren, und zunächst aus affenartigen Säugethieren allmählich und schrittweise entwickelt hat« (ebd.). 7 Vgl. dazu auch das Huxley’sche Gesetz oder den »Pithecometra-Satz von Huxley« (so von Haeckel genannt): »Die kritische Vergleichung aller Organe und ihrer Modificationen innerhalb der Affen-Reihe führt uns zu einem und demselben Resultate: Die anatomischen Verschiedenheiten, welche den Menschen vom Gorilla und Schimpanse unterscheiden, sind nicht so groß als die Unterschiede, welche diese Menschenaffen von den niedrigeren Affen trennen« (Haeckel 1898: 183; Cambridge-Vortrag).
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selbe seine nächsten thierischen Voreltern unter den Catarrhinen zu suchen hat […] Selbstverständlich ist kein einziger von allen jetzt lebenden Affen zu diesen Voreltern zu rechnen (ebd.: 61).
Ferner nahm er 1865 noch als Wurzel aller Tiere durch Urzeugung entstandene Moneren (lebendige Eiweißklümpchen ohne bestimmte Form) an (Haeckel 1868b: 10). Ein Jahr nach seinen zwei privatissime gehaltenen Vorträgen erschien 1866 die Generelle Morphologie, in der er seine bereits an anderer Stelle dargelegten Ansichten über die Menschwerdung weiter ergänzte. An den Grundaussagen veränderte er aber nur wenig. Die Generelle Morphologie wurde in nur einem Jahr geschrieben, gedruckt, war Carl Gegenbaur gewidmet (1. Band) und bietet den Schlüssel für Haeckels späteres Lebenswerk.8 Neben aller Kritik an diesem Buch steht neben der Benennung neuer Forschungsrichtungen (Ökologie, Chorologie, Phylogenie, Ontogenie) durch Haeckel auch dessen Versuch, die bestehenden systematischen Großgruppen in ein genealogisch-phylogenetisches (und nicht typologisch-idealistisches) System zu ordnen. Zudem findet man hier Aussagen zum Biogenetischen Grundgesetz sowie über den dreifachen Parallelismus, die Cänogenesis und Palingenesis. Auf diesen Gedanken sollte die Mehrheit der späteren Evolutionsmorphologen (Alexej N. Sewertzoff, Victor Franz, Dietrich Starck u. a.) aufbauen (Levit et al. 2004, 2015). Der zweite Band des Werkes, der der »allgemeinen Entwickelungsgeschichte der Organismen« gewidmet ist, kann zudem als erster Versuch zur Begründung einer Evolutionsmorphologie angesehen werden; ebenso beinhaltet er mit dem siebenten Buch »Die Entwickelungsgeschichte der Organismen in ihrer Bedeutung für die Anthropologie« auch Haeckels Kernthesen hinsichtlich einer biologischen Anthropologie (Hoßfeld 2001b, 2005a; Levit et al. 2014). So folgerte er bereits im »Anhang zur systematischen Einleitung in die Entwickelungsgeschichte. Der Stammbaum des Menschen« aus der deutlichen Stellung des Menschen im System der Säugetiere, dass der Stammbaum des Menschen mit viel grösserer Sicherheit und Leichtigkeit, als die Genealogie sehr vieler anderer Thiere sich in seinen allgemeinen Grundzügen feststellen läßt (Haeckel 1866b: CLI).
Sich erneut auf Huxleys Zeugnisse berufend, möchte Haeckel die genealogischen Verhältnisse »der verschiedenen Gruppen zu einander nicht einfach durch das Bild einer Stufenleiter« (ebd.: CLIII), sondern durch das einer »Astgruppe« ersetzen. In diesem Zusammenhang erwähnte er erstmalig den 1856 entdeckten fossilen Fund von Dryopithecus fontani, den er als »eine sehr wichtige Zwischenform zwischen dem Gorilla und dem Menschen« bezeichnete (ebd.: CLV): Was nun die Blutsverwandtschaft des Menschen zu diesen Anthropoiden betrifft, so darf jedenfalls keines der drei noch lebenden Genera (wie überhaupt keine der lebenden Affen-Formen) als ein unmittelbarer Vorfahr des Menschen angesehen werden; dagegen ist es wohl möglich, dass der fossile Dryopithecus zu diesen Vorfahren zählt (ebd.: CLVI, Hervorhebung im Orig.).
»Die ›G. M.‹ ist kein Faktenbuch und kein Nachschlagewerk, sie ist ein dickes Lesebuch mit einer Synthese, die wir nicht mehr bewältigen und für die wir in der fortschreitenden Spezialisierung und Effektivierung unseres Unterrichts keinen Platz mehr haben […] Sein Wert liegt im Historischen […] Es ist aber auch zur Legende geworden« (Ulrich 1968: 299). 8
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Erns t Haeckel als Anthropologe
Das von ihm aufgestellte System der »V. Ordo Simiae (Pitheci) Affen« umfaßte drei Unterordnungen (Subordo): Arctopitheci – Krallenaffen, Platyrrhinae – Plattnasige Affen und Catarrhinae – Schmalnasige Affen. Die Catarrhinae wurden dann noch in die Zweige Menocerca (Geschwänzte) – 1. Familia: Anasca, 2. Familia: Ascoparea sowie Lipocerca (Schwanzlose) mit folgender Einordnung des Menschen gegliedert: 1. Familia: Tylogluta, H. (Hylobates), 2. Familia: Lipotyla, H. (Satyrus, Engeco, Gorilla, Dryopithecus) und 3. Familia: Erecta s. Humana (Pithecanthropus, Homo) (ebd.: CLX).9 Im siebenten Buch, zugleich das 27. Kapitel, thematisierte Haeckel dann die Stellung des Menschen in der Natur und verwies zunächst auf die Schriften von Huxley, Vogt, Rolle, de Filippi sowie Büchner und stellte deren Ansichten seinen bereits erwähnten gegenüber. Die somatischen und psychischen Differenzen zwischen dem Menschen sowie den übrigen Tieren seien nur quantitativer, nicht qualitativer Natur. Die existierende Kluft sei darin begründet, dass der Mensch in sich mehrere hervorragende Eigenschaften vereinigt, welche bei den übrigen Thieren nur getrennt vorkommen. Als solche Eigenschaften von der höchsten Wichtigkeit möchten wir namentlich vier hervorheben, nämlich die höhere DifferenzirungsStufe des Kehlkopfes (der Sprache), des Gehirns (der Seele) und der Extremitäten, und endlich den aufrechten Gang (ebd.: 430, Hervorhebungen im Orig.).
Den Zeitraum, in dem die langsame Umbildung anthropoider Affen in »wirkliche Menschen« stattfand, datierte Haeckel ins Miozän oder Pliozän: Der miocene Dryopithecus Fontani, welcher dem Menschen schon näher steht, als alle jetzt noch lebenden Anthropoiden, lässt dies vermuthen (ebd.: 431, Hervorhebung im Orig.).
Der Umbildungsprozeß sei, so Haeckel weiter, aber sehr langsam und allmählich verlaufen, so daß man von einem ersten Menschen nicht sprechen könne. Im sich anschließenden Kapitel wendete er sich dann der »Anthropologie als Theil der Zoologie« zu: Die vollständige Umwälzung, welche die Descendenz-Theorie und ihre specielle Anwendung auf den Menschen in allen menschlichen Wissenschaften hervorrufen wird, verspricht nirgends fruchtbarer und segensreicher zu wirken, als auf dem Gebiet der Anthropologie. Erst seitdem die Abstammung des Menschen vom Affen, seine allmähliche Entwickelung aus niederen Wirbelthieren, durch die Descendenz-Theorie festgestellt […] erscheint der Bauplatz abgesteckt, auf welchem das Lehrgebäude der wissenschaftlichen Anthropologie errichtet werden kann (ebd.: 432).
Anthropologie ist für Haeckel nichts anderes als ein spezieller Zweig der Zoologie, der sich als Gesamtwissenschaft vom Menschen in die Hauptzweige der menschlichen Morphologie und Physiologie unterteilen läßt. Die Morphologie spaltet sich wiederum in die Zweige der menschlichen Anatomie und der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Die Physiologie des Menschen zerfällt hingegen in die Conservations-Physiologie und Relations-Physiologie (ebd.: 433). Resümierend kommt er (ähnlich wie Huxley) zu der Erkenntnis:
Vgl. auch den »Stammbaum der Säugethiere mit Inbegriff des Menschen« aus der Generellen Morphologie, Bd. 2, Tafel VII. 9
Von der Generellen Morphologie (1866) bis zu Unsere Ahnenreihe (1908)
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dass die Unterschiede zwischen den höchsten und den niedersten Menschen grösser sind, als diejenigen zwischen den niedersten Menschen und den höchsten Thieren (ebd.: 435).
Als hypothetisches Verbindungsglied zwischen den Menschenaffen (Anthropoiden) und den echten (sprechenden) Menschen stellte er im zweiten Band zudem die Gattung Pithecanthropus auf und führte diese Form als einundzwanzigste Stufe der tierischen Ahnenreihe zwei Jahre später in seiner Natürlichen Schöpfungsgeschichte ein. Seine im Anschluß an die Generelle Morphologie verfaßte populäre Natürliche Schöpfungsgeschichte (Haeckel 1868a ff.)10 erbrachte im Hinblick auf die früheren Arbeiten dann wesentlich nichts Neues, wobei speziell der biologischen Anthropologie der 19. Vortrag über »Ursprung und Stammbaum des Menschen« gewidmet ist. Haeckels »Ahnenreihe des Menschen« umfaßt bereits 22 Stufen mit dem »Echten Menschen oder sprechenden Menschen (Homines)«11 an der Spitze: Entstanden aus den vorigen durch die Ausbildung der artikulirten menschlichen Sprache und die damit verbundene höhere Differenzirung des Kehlkopfes, sowie durch die daraus folgende höhere Entwickelung des großen Gehirns. Lebten wahrscheinlich erst in der Quartärperiode (diluviale oder pleistocene, und alluviale oder recente Zeit bis zur Gegenwart) […] (Haeckel 1868a: 507).
Wie im Vortrag von 1865 (gedruckt 1868) unterschied er »zehn verschiedene Species der Gattung Homo«, unterteilt in die Abteilungen: Wollhaarige Menschen (Homines ulotriches) sowie Schlichthaarige Menschen (Homines lissotriches). An der Spitze des Schemas findet sich: »X. Kaukasischer Mensch, 20. Indogermanischer (nördlicher) Zweig, 40. Germanen und als Territorium Nordwesteuropa«. Aller Wahrscheinlichkeit nach sei dabei der kaukasische oder iranische Mensch (Homo caucasius oder iranus) aus einem Zweig der malayischen bzw. polynesischen Art im südlichen Asien entstanden, eventuell auch aus einem Zweig der mongolischen Art. Die Hautfarbe sei dabei keineswegs bei allen Kaukasiern so hell wie bei den meisten Europäern, sondern differiere zwischen dunklem »Braungelb« (Semiten des nördlichen Afrika) bis »fast schwärzliches Braun« (Bewohner Vorderindiens). Ein Vergleich der Schädel zeige zudem ein Überwiegen der Mittelköpfigkeit. Schon frühzeitig muß sich ferner der kaukasische Hauptzweig in zwei divergente Seitenzweige aufgespaltet haben: einen semitischen Zweig in Richtung Süden und einen indogermanischen Zweig, der sich nach Norden und Westen ausbreitete (ebd.: 519–520). Der indogermanische Zweig spaltete sich dann nochmals in den »ario-romanischen« (arische und romanische Völker) sowie den »slavo-germanischen« (slawische und germanische Völkerschaften). Als Teilresümee des 19. Vortrages liest man: Durch die unaufhörlichen und riesigen Fortschritte, welche die Kultur bei dieser, der kaukasischen Menschenart weit mehr als bei allen übrigen machte, hat dieselbe die übrigen Menschenarten jetzt dergestalt überflügelt, daß sie die meisten anderen Species im Kampfe um das Dasein früher oder später besiegen und verdrängen wird. Schon jetzt gehen die Amerikaner, Polynesier und Alfurus […] mit raschen Schritten ihrem völligen Aussterben entgegen (ebd.: 520).
Zur Kritik vgl. z.B. Bastian, A. (1874): Offener Brief an Herrn Professor Dr. E. Häckel. Berlin: Verlag von Wiegandt, Hempel u. Parey. 11 In der elften Auflage (1911) umfaßt die Ahnenreihe dann schon 25 Stufen (Haeckel 1911: 728). 10
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Den anderen drei noch übrigen Menschenarten (die echten Neger in Mittelafrika, arktischen Menschen in den Polargebieten, Mongolen in Mittelasien) – die »sich besser [an die Naturgegebenheiten] als die kaukasischen Menschen anpassen können« – bescheinigte er im Kampf ums Dasein ein glücklicheres Bestehen (ebd.: 520). Hinweise auf den Dryopithecus (wie noch in der Generellen Morphologie) fehlen. Von der zweiten Auflage (1870) an werden dann auch nicht mehr 10, sondern 12 Menschen-Arten (mit 36 Rassen) unterschieden und besonders im 23. Vortrag »Wanderung und Verbreitung des Menschengeschlechts, Menschenarten und Menschenrassen« diskutiert. Eine Gegenüberstellung der »menschlichen Ahnenreihen« ergibt so beispielsweise für die erste und dritte Auflage (vier Jahre) bereits folgende Unterschiede: I. Urmensch; II. Papua-Mensch; III. Hottentotten-Mensch; IV. Afroneger oder Mittelafrikanischer Mensch; V. Australneger; VI. Polynesischer oder Malayischer Mensch; VII. Polarmensch; VIII. Amerikanischer Mensch; IX. Mongolischer Mensch; X. Kaukasischer Mensch (Haeckel 1868a: 513).
bzw. 1. Papua, 2. Hottentotte, 3. Kaffer, 4. Neger, 5. Australier, 6. Malaye, 7. Mongole, 8. Arktiker, 9. Amerikaner, 10. Dravidas, 11. Nubier, 12. Mittelländer (Haeckel 1872: 604).
Man findet zudem im Gegensatz zu den vorhergehenden Publikationen nun auch seinerseits erste rassenkundliche Bemerkungen und Abbildungen, die eine Wertung als »niedere« und »höhere« Menschen-Arten erkennen lassen. An dieser Stelle sind stellvertretend die Abbildung »Die Familiengruppe der Katarrhinen« auf der inneren Umschlagseite der ersten Auflage (nur hier!) sowie die detaillierten Äußerungen im XIX. Vortrag »Ursprung und Stammbaum des Menschen« (Haeckel 1868a: 486–520) bzw. im 23. Vortrag usw. der Folgeauflagen zu erwähnen: Die niedersten Menschen [Australneger, Afroneger, Tasmanier] stehen offenbar den höchsten Affen [Gorilla, Schimpanse, Orang] viel näher, als dem höchsten Menschen (ebd.: 555).
Nieder« und »höher« möchte er dabei wie folgt (typologisch und nicht darwinistisch) interpretiert wissen: Das Titelbild [Die Familiengruppe der Katarrhinen] dient zur anschaulichen Erläuterung der höchst wichtigen Thatsache, dass in Bezug auf die Schädelbildung und Physiognomie des Gesichtes […] die Unterschiede zwischen den niedersten Menschen und den höchsten Affen geringer sind, als die Unterschiede zwischen den niedersten und den höchsten Affen derselben Familie (ebd.: 555).
Betreffs einer Vergleichsperspektive sei noch kurz auf die 11. Auflage von 1911 verwiesen. Hier beschäftigte er sich im 27. Vortrag mit der »Stammesgeschichte des Menschen« (ebd.: 701–728) sowie im 28. Vortrag mit der »Wanderung und Verbreitung des Menschengeschlechts, Menschenarten und Menschenrassen« (ebd.: 729–765), wichtigen Themenkreisen für eine biologische Anthropologie. In dieser Auflage bindet nun Haeckel auch die bis dahin erzielten Forschungsergebnisse in seine Argumentationen ein (z. B. Monophylie versus Polyphylie), legte überarbeitete Schemata vor, diskutierte weltanschauliche Fragen (u. a. contra Virchow) usw.12 12
Weiterführende Diskussionen um fossile Funde wie beispielsweise den Neandertaler sowie die
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Als bedeutendstes anthropologisches Werk Haeckels gilt seine Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen von 1874.13 Hier ging er in aller Ausführlichkeit auf Fragen der menschlichen Abstammungslehre14, der allgemeinen Zoologie unter Berücksichtigung der Ontogenese und Organogenese usw. ein, vertrat aber hinsichtlich der Humanphylogenie gegenüber den in den 1860er Jahren gemachten Äußerungen keine wesentlich neuen Standpunkte (Haeckel 1874: 481–496). Die Anthropogenie stellt Haeckels Versuch dar, überhaupt erstmals »Ontogenie und Phylogenie des Menschen in ihrem gesammten ursächlichen Zusammenhange darzustellen« (ebd.: XVI). Sein Stammbaumentwurf (der keinerlei Fossilfunde berücksichtigt; Tafel XII) blieb bis zur sechsten und letzten Ausgabe (1910, 2 Bde.) unverändert, obwohl er später wesentlich konkretere Entwürfe vorlegte. Das bedeutet, daß Haeckel den humanphylogenetischen Stammbaumdarstellungen zumindest in der Anthropogenie nur eine untergeordnete Rolle beigemessen hat; anders als spätere Anthropologen, die Mitte der 1950er Jahre jährlich diese präzisierten und dann von einem »Jeweilsbild« oder »Jetztbild« sprachen (Heberer, Weinert, Gieseler). Für das hier zu behandelnde Thema ist der dritte Abschnitt des Buches »Phylogenetischer Theil. Stammesgeschichte oder Phylogenie des Menschen« (ebd.: 289– 496) von zentraler Bedeutung, beschreibt Haeckel doch an dieser Stelle eingehend den Zusammenhang von Ontogenie und Phylogenie innerhalb der verschiedenen Phasen der Ahnen-Reihe des Menschen (von den Moneren über den Urwurm und das Amnionthier … bis hin zum Menschensäuger und den Affen). Alte Auffassungen wiederholend, so beispielsweise die, daß der Mensch seiner ganzen Organisation und seinem ganzen Ursprung nach ein »echter Catarrhinen-Affe« gewesen sei (ebd.: 487), finden sich ebenso wie die über Zwischenformen (Affenmenschen-Pithecanthropi): Mit diesem Namen [Pithecanthropi] habe ich in der ›Natürlichen Schöpfungsgeschichte‹ (IV. Auflage, S. 590) die ›sprachlosen Urmenschen (Alali)‹ belegt, welche zwar in der allgemeinen Formbeschaffenheit (namentlich in der Differenzirung der Gliedmaassen) bereits als ›Menschen‹ im gewöhnlichen Sinne auftraten, dennoch aber einer der wichtigsten menschlichen Eigenschaften, nämlich der articulirten Wortsprache und der damit verbundenen höheren Begriffsbildung ermangelten (Haeckel 1874: 491).
Ohne weiteren Kommentar läßt Haeckel zudem seine Übersicht über die schwanzlosen Menschenaffen (Anthropoides) stehen; eine Übersicht (Tafel XI), die sich nur in der ersten Auflage findet. Alle späteren Auflagen der Anthropogenie schließen an das hier Gesagte an, lediglich der Umfang (1874–732 S.; 1910–992 S.), die Zahl der Berücksichtigung neuerer Forschungsergebnisse aus den Biowissenschaften finden sich aber auch hier nicht. 13 So heißt es in einer amerikanischen Rezension: »Both in his History of Creation and in his Anthropogeny, Haeckel has done a service to the cause of evolution by reviewing, in a fair and disinterested manner, the history of the origin and progress of those ideas which have culminated in the Darwinian theory« (Ward 1879: 8, Hervorhebungen im Orig.). 14 In seinem Primaten-Stammbaum hatte Haeckel auch eine Prothylobates-Hypothese aufgestellt, in der er die Hominoidea (Menschaffe und Mensch) von einem vorgibbonartigen Wesen ableitete. Einer solchen Form steht der in El Fayum (Ägypten) von Schlosser benannte Propliothecus haeckeli nahe. Auf Prothylobates ließ er eine weitere hypothetische Vorfahrensstufe des Menschen Pithecanthropus alalus folgen.
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Abb. 18: Familiengruppe der Katarrhinen. In: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte, Berlin 1868, Titelseite.
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Abb. 19: Entwickelungsgeschichte des Menschen (1. Schimpanse; 2. Gorilla; 3. Orang; 4. Neger). In: Haeckel, Ernst: Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge über die Grundzüge der menschlichen Keimes- und Stammesgeschichte, Leipzig 1874, Tafel XI.
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Abbildungen und Teile der Argumentationen wurden dem damaligen Wissenstand dann entsprechend verändert. Ähnlich wie später seine philosophischen und embryologischen Schriften riefen auch die anthropologischen Arbeiten einige Kritiker auf den Plan. So legte beispielsweise im Jahre 1883 Dr. E. Mandel die Schrift Professor Häckels natürliche Entstehung des Menschen (Anthropogenie) kritisch beleuchtet vor: Was Häckel in seiner Anthropogenie bezweckt, ist, den Nachweis zu führen, daß das ganze Tierreich und mit ihm der Mensch, wie in seinem ersten Repräsentanten, so auch in seiner ganzen Gliederung ohne göttliches Hinzuthun einzig von selbst entstanden sei. […]Die Absicht, welche uns dabei leitete [dieses Buch zu schreiben], war keine andere, als zu zeigen, daß die geschaffenen Dinge nicht als durch sich selbst geworden angesehen werden können, sondern daß zur Erklärung ihrer Existenz ein göttlicher Werkmeister angenommen werden müsse (Mandel 1883: 9, 342–343).
Fast 20 Jahre später, im Werk Systematische Phylogenie (1895), diskutierte Haeckel schließlich im achten Kapitel des dritten Teiles »Systematische Phylogenie der Wirbelthiere (Vertebrata)« nochmals ausführlich die »Systematische Phylogenie des Menschen«, teilweise unter stärkerer Berücksichtigung der Paläontologie und Morphologie. Verschiedene Paragraphen sind wiederum der biologischen Anthropologie gewidmet (Haeckel 1895a: 613–646).15 Nach Haeckel bot zudem die Paläontologie der Primaten nur sehr spärliche Daten, was sich mit der »aboralen Lebensweise der Affen und Halbaffen, und aus den ungünstigen Verhältnissen, welche ihre Erhaltung in fossilem Zustande erschweren«, erklären ließ (ebd.: 616–617). Von den gefundenen (Schädel)Fragmenten sprach er einigen einen gewissen »hohen Werthe« zu, so dem Pithecanthropus erectus von Java (1894), welches in der That dem so eifrig gesuchten ›fehlenden Gliede‹ in der Kette der Uebergangsformen zu entsprechen scheint. Auch die ähnlichen diluvialen Schädel von Neanderthal und Spy, mit sehr niedriger Stirn und stark vorspringendem Orbital-Bogen, gehören wahrscheinlich in jene Kette hinein (ebd.: 617).
Diese »positiven Daten« der prähistorischen Anthropologie deutete Haeckel als indirekte Beweise für den »pithecoiden Zustand des diluvialen Urmenschen« (ebd.). Trotz dieser positiven Aussagen maß er der Paläontologie nunmehr keine zentrale Rolle wie noch 1863 im dreifachen Parallelismus zu. So bemerkte er: Das grosse Gewicht, welches von Laien oder von einseitig gebildeten Special-Forschern auf den Nachweis solcher ›fossiler Menschen‹ und ›Uebergangs-Formen vom Affen zum Menschen‹ gelegt wird, können wir nur theilweise anerkennen. Derjenige, der umfassende Kenntnisse in der vergleichenden Anatomie und Ontogenie, sowie in der Palaeontologie besitzt, und der zu einer unbefangenen Vergleichung der Erscheinungen befähigt ist, bedarf nicht jener fossilen Documente, um die ›Abstammung des Menschen vom Affen‹ als historische Thatsache anzuerkennen. Für uns erscheint dieselbe schon jetzt als völlig empirisch begründete Hypothese, gleichviel
Vgl. § 444 Begriff der Anthropogenie, § 445 Anthropogenie und Palaeontologie, § 446 Anthropogenie und Ontogenie, § 447 Anthropogenie und Morphologie, § 448 Ursachen der Anthropogenesis, § 449 Phylogenie der Menschen-Seele, § 450 Ahnenreihe des Menschen, § 451 System der Progonotaxis, § 452 Anthropomorphen und Hominiden, § 453 Species und Rassen der Hominiden, § 454 Classification der Menschen-Rassen, § 455 System der Menschenrassen, § 456 Stammbaum der Menschen-Rassen, § 457 Urheimath des Menschen, § 458 Migration der Menschen-Rassen. 15
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ob spätere palaeontologische Entdeckungen noch ›Zwischenformen‹ auffinden werden oder nicht (ebd.: 618, Hervorhebungen im Orig.).
In seinem System der Progonotaxis16 unterteilte Haeckel schließlich 24 Stammgruppen der Ahnenreihe des Menschen (wiederum von den Moneren bis zu den Homines), aus deren allmählicher Transformation unser menschlicher Organismus [Homines – Sprachmenschen] als vollkommenstes Natur-Product hervorgegangen sei (ebd.: 650).
Ferner stellte er pithecometrische Lehrsätze für lebende und fossile Anthropomorphen auf (§ 452) und entwarf einen »Stammbaum der Primaten« (ebd.: 601). Schließlich machte er noch den Fach-Anthropologen den Vorwurf, sich nicht mit der »phylogenetischen Classification der zahlreichen Rassen und Subrassen der Menschen« beschäftigt zu haben (ebd.: 637). Diese bevorzugten vielmehr, sich über diese wichtigen phylogenetischen Fragen »überhaupt gar keine Vorstellung« zu machen, statt den Versuch zur Aufstellung von wissenschaftlich berechtigten Hypothesen zu wagen, welche neben richtigen Erkenntnissen natürlich auch manche Irrthümer enthalten müssen (ebd.).
Anhand einer ausführlichen Beschreibung der wichtigsten Merkmale einzelner Menschenrassen (Haarbildung, Hautfarbe, Antlitzbildung, Schädelbildung, Gehirnbildung, Körperproportionen, Sprachbildung) begründete Haeckel schließlich noch diese Meinung. Dabei sprach er sich nochmals gegen ein rein typologisches Vorgehen in der Anthropologie aus, indem er bemerkte: Das allgemeine Ergebnis dieser ›exacten Craniometrie‹ war rein negativ; es hat sich daraus nicht allein kein einziges allgemeines Gesetz über die menschliche Schädelbildung ergeben, sondern auch gezeigt, dass die Haupt-Unterschiede derselben nicht einmal in der früher angenommenen Ausdehnung zur Characteristik der grösseren Rassen verwendet werden können (ebd.: 638–639).
Haeckel hatte – wie bereits erwähnt – Süd(ost)asien oder einen versunkenen Kontinent namens Lemurien als mutmaßliche Heimat des »Affenmenschen ohne Sprache – Pithecanthropus alalus« angenommen (Wogawa 2015). Für den jungen Eugen Dubois, einem Schüler Max Fürbringers (1846–1920), war diese haeckelsche Vermutung der Hauptgrund, seine akademische Laufbahn zunächst zu unterbrechen und sich als Militärarzt nach Niederländisch-Indien versetzen zu lassen.17 Nur so bot sich ihm die Gelegenheit, nach dem »missing link« suchen zu können. Er forschte zunächst zwischen 1887 bis 1890 in Höhlen auf Sumatra, fand aber nur einige Zähne des Orang-Utans bzw. weitere Fossilien, die nicht zu den Anthropomorpha gehörten. Eines Tages bekam er vom Fundort Wadjak auf Java einen fossilen Menschenschädel geschickt, der sein Interesse erregte und ihn bewegte, die Grabungen nach Java zu verlegen. Nach Monaten zäher Ausgrabungstätigkeit auf Java entdeckte er schließlich im November 1890 ein Unterkieferstück, im September 1891 einen rechten oberen Mahlzahn, im Oktober 1891 ein Schädeldach (Calotte), im Mai/Juni 1892 einen linken oberen Mahlzahn, im August 1892 einen linken Oberschenkelknochen (Femur) Als phyletische Urkunden der Progonotaxis hominis führte er an: paläontologische Urkunden, ontogenetische und morphologische Urkunden (Haeckel 1895a, 1908: 5). 17 Vgl. detaillierter Theunissen (1989) sowie Krauße (2000). 16
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bei dem Ort Trinil am Solo-Fluß und schließlich noch 1898 den linken unteren 1. Backenzahn. Die Fundstücke beschrieb er später in einer Monographie Pithecanthropus erectus, eine menschenähnliche Übergangsform auf Java (1894). Beim Pithecanthropus handelte es sich also um sechs Fundstücke, die zwischen 1890 und 1898 bei systematischen Ausgrabungen geborgen werden konnten. Neben der Diskussion um die Zusammengehörigkeit der beiden Einzelstücke (Zoologen-Kongreß in Leiden 1895) diskutierte man lebhaft auch den Artnamen erectus; kein Fund fossiler Hominiden hat später für größeres Aufsehen gesorgt als dieser. So wurde in den damaligen Debatten die Calotte von vielen Forschern für die eines Hylobatiden (Gibbon) gehalten, während man den Femur als menschlich ansah. Der Name »aufrechtgehender Mensch« erklärte sich demzufolge nach Dubois so: mit der Calotte liege ein Zwischenglied zwischen Anthropoiden und Menschen vor, der Femur hingegen beweise den menschlichen aufrechten Gang. Auch fiel es den Forschern insgesamt schwer, sich mit der Vorstellung eines Pithecanthropus erectus anzufreunden (Virchow, Ranke, Bastian). Haeckel hingegen hatte diesen Fund in seine stammesgeschichtlichen Überlegungen mit einbezogen und in der Systematischen Phylogenie der Wirbelthiere (1895a) in die Gruppe der fossilen asiatischen Anthropoiden neben dem Anthropithecus sivalensis (zwischen Hylobates/Gibbon und Pithecanthropus stehend) eingeordnet. Drei Jahre später hatte er dann schon in Cambridge (s. u.) präzisiert: In der That scheint mir, nach den einfachen Gesetzen der Logik, nur diese eine Schlußfolgerung berechtigt: Pithecanthropus erectus von Dubois ist in der That ein Ueberrest jener ausgestorbenen Mittelgruppe zwischen Mensch und Affe, welcher ich schon 1866 als hypothetischem Verbindungsglied den Namen Pithecanthropus beigelegt hatte, er ist das vielgesuchte ›fehlende Glied‹ (Missing link) in der Kette der höchsten Primaten (Haeckel 1898: 185, Hervorhebungen im Orig.).
Einen Sonderdruck des vor der Berliner Anthropologischen Gesellschaft am 14. Dezember 1895 gehaltenen Vortrages (Dubois 1896) hatte er diesem mit der Widmung übersandt: Herrn Prof. Dr. Ernst Haeckel, dem Erfinder des Pithecanthropus, hochachtungsvollst Eug. Dubois.
Wie aus dem Dankschreiben Haeckels an Dubois hervorgeht, schenkte Dubois schließlich noch am 12. Dezember 1895 Haeckel den ersten Abguß des Pithecanthropus-Schädels (Sonderdruck in der Zoologie-Bibliothek, Jena). Gustav Schwalbe war es schließlich, der mit seinen Untersuchungen zur Calotte (1899a) und dem Femur (1921) Dubois zu wissenschaftlichem Erfolg verhalf. Jahre später war es dann die Witwe des Erlanger Zoologieprofessor Emil Selenka (1842– 1902), die 1907/1908 nach Java mit der Absicht reiste, am Solofluß bei Trinil weiter zu graben, aber nur noch einen weiteren Zahn mit nach Hause brachte. Im Frühjahr 1898 erhielt Haeckel schließlich die Einladung, auf dem vierten internationalen Zoologenkongreß, welcher vom 22. bis 27. August in Cambridge tagte, einen Vortrag zu halten. Von vielen Seiten war der Wunsch an ihn herangetragen worden, dort eine der großen allgemeinen Fragen, wenn nicht gar die »Frage aller Fragen« (T. H. Huxley), zu thematisieren:
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Durchdrungen von dieser Ueberzeugung und von der Ansicht, dass nur die wissenschaftliche Zoologie – im weitesten Sinne des Begriffes – zur definitiven Lösung dieser Hauptfrage berufen ist, glaubte ich, mich jener Einladung nicht entziehen zu dürfen, und beschloss nach einigen Bedenken, diese Gelegenheit zu einer kritischen Beleuchtung des gegenwärtigen Zustandes unserer Kenntnis vom Ursprung des Menschen zu benutzen.18
Die erste Veröffentlichung seiner in Cambridge (in englischer Sprache) gehaltenen Rede »Über unsere gegenwärtige Kenntnis vom Ursprung des Menschen« vom 26. August 1898 erfolgte im November-Heft der »Deutschen Rundschau«. Später wurde diese Rede mehrfach in erweiterter Form gedruckt, so erschienen bis 1922 insgesamt 13 Auflagen. Der Inhalt dieser Rede stellt eine Kompilation der haeckelschen Ansichten zur biologischen Anthropologie, Entwicklungsgeschichte und Zoologie in Bezug auf die Herkunftsgeschichte der Menschen dar, stützte sich im wesentlichen auf die ihm bekannten historischen Tatsachen und zeigte sowohl den Stand der damaligen Forschung als auch die noch vorhandenen Probleme auf (wie etwa missing link, ebd.: 185 ff.). So diskutierte er beispielsweise eingehend den Pithecanthropus-Fund, sah wie E. Dubois die gemeinsame Stammform der Platyrrhinen und Katarrhinen im Urgibbon (Prothylobates), den ostindischen Palaepithecus sivalensis wertete Haeckel als Zwischenform der fossilen Menschenaffen, polemisierte gegen die Fehldeutung des Pithecanthropus durch Virchow usw. (vgl. besonders die nach 1898 erschienenen Auflagen und deren umfangreichen Endnotenteil). Als zentral sind folgende Aussagen von ihm zu bewerten: Die phyletische Einheit des Primatenstammes, vom ältesten Lemuren bis zum Menschen hinauf, ist eine historische Thatsache. […] Die Abstammung des Menschen von einer ausgestorbenen tertiären Primatenkette ist keine vage Hypothese mehr, sondern eine historische Thatsache (Haeckel 1898: 186, 193, Hervorhebungen im Orig.).
Zugleich gab er der Hoffnung Ausdruck: Der unberechenbare Einfluß der selbstbegründeten Descendenz-Theorie und der natürlichen Anthropogenie auf alle anderen Zweige der Wissenschaft und der Cultur überhaupt wird die segensreichsten Früchte tragen. Das große Werk, das in unserem Jahrhundert Lamarck begonnen und Darwin vollendet hat, wird für alle Zeit eine der größten Eroberungen des Menschengeistes bleiben; und die monistische Philosophie, welche wir auf ihre Entwicklungslehre gründen, wird nicht nur die Erkenntniß der natürlichen Wahrheiten mächtig fördern, sondern auch ihre praktische Verwerthung im Dienste des Schönen und des Guten! Die feste empirische Grundlage dieses Monismus liefert aber die moderne phylogenetische Zoologie (ebd.: 194, Hervorhebungen im Orig.).
Mit diesen Äußerungen war auch das haeckelsche Wissenschaftsprogramm der nächsten zwei Jahrzehnte umrissen, versuchte er doch nun zunehmend, seine Philosophie (Monismus) auf die Deszendenzlehre etc. zu übertragen. Zusammenfassend läßt sich zum Cambridge-Vortrag bemerken, daß Haeckel auch hier wieder die Auffassung, die tierische Ahnenreihe des Menschen sei monophyletisch entstanden, vertritt. Sich auf Herbert Spencer berufend, postuliert er zudem die »vielbestrittene ›Vererbung erworbener Eigenschaften‹« und wendete sich gegen den Weismannschen »Neodarwinismus« (ebd.: 192). So Haeckel im Vorwort zur dritten Auflage seines Cambridge-Vortrages, in: Haeckel, E. (1899): Über unsere gegenwärtige Kenntnis vom Ursprung des Menschen. Bonn: E. Strauss, S. 3. 18
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Abb. 20: Stammbaum der Wirbeltiere (Vertebrata). In: Haeckel, Ernst: Der Kampf um den Entwicklungsgedanken, Berlin 1905, Tafel I.
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In späteren Schriften wie Der Kampf um den Entwickelungsgedanken (Berliner Vorträge von 1905)19, Das Menschen-Problem und die Herrentiere von Linné (1907)20 sowie Unsere Ahnenreihe. (Progonotaxis Hominis) (1908) schloß Haeckel an seine Ausführungen aus den Jahren 1866 bis 1895 unmittelbar an; man findet kaum noch humanphylogenetische Präzisierungen oder Ergänzungen.21 Lediglich in seinen Malayischen Reisebriefen (Aus Insulinde, 1901) geht er im neunten Kapitel »Der Menschenaffe von Java« (S. 216–235) noch einmal auf dieses Thema separat und ausführlich ein (Hoßfeld 2006a). Die weltanschauliche Interpretation der »Affenabstammung des Menschen« hat Haeckel in seiner Zeit und mit Hilfe der vorliegenden Fossilfunde besser in den Diskussionen verteidigen können als mancher seiner Vorgänger. Es überwog die Interpretation der Sachverhalte und weniger die originäre Feldforschung. Mit Haeckels Arbeiten und denen seiner Kollegen (Schleiden, Schleicher, Snell) wurden an der Universität Jena entscheidende Voraussetzungen für die Etablierung der biologischen Anthropologie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gelegt. Bis 1900 war die haeckelsche Lesart der biologischen Anthropologie inhaltlich weitgehend frei von politisch-ideologischen Äußerungen, danach setzte auch hier eine zunehmende Biologisierung ein. Für die Universitäts- und Anthropologiegeschichte Jenas hat speziell die von Haeckel 1908, anläßlich der 350-jährigen Jubelfeier der Salana, herausgegebene Schrift Unsere Ahnenreihe (Progonotaxis Hominis). Kritische Studien über Phyletische Anthropologie besondere Relevanz, faßte sie doch noch einmal das Wichtigste an Haeckels Forschungen auf diesem Gebiet zusammen: Der Thüringer Universität Jena widme ich diese anthropologische Festschrift an dem Tage, an welchem sie das Fest ihres 350-jährigen Bestehens begeht. Ich wünsche unserer Alma Mater damit vor allem den aufrichtigen Dank auszudrücken, daß es mir vergönnt war, achtundvierzig Jahre hindurch im Dienste der Wissenschaft hier zu arbeiten und zu lehren […] Diese geis-
Vgl. dazu ausführlich Wasmann, E. (1907): Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin. Freiburg i. Br.: Herdersche Verlagsbuchhandlung. 20 Seit seinen Berliner Vorträgen hatte Haeckel wieder zunehmend im (kritischen) Interesse von Teilen der Öffentlichkeit gestanden und es kam nachfolgend zu vehement geführten Angriffen gegen seine Person und seine Auffassungen. Wie die Bemerkungen von Arnold Braß zeigen, kam es dabei zu einer kritischen Vernetzung – am Beispiel der dieser Schrift beigegebenen drei Bildtafeln – von biologischer Anthropologie und Embryologie (hinsichtlich der Fälschungsanklagen gegen die haeckelschen Embryonenbilder): »Tafel I, welche er frei entstellt und willkürlich falsch verarbeitet, nach Huxley zusammentrug, zeigt die Kopfschrift: Skelette von fünf Menschenaffen (Anthropomorpha). Haeckel stellt also, was kein Zoologe bisher tat, den Menschen direkt zu den Affen […] Knickebeinig, gebeugt von der Degradation, schreitet der arme Homo dem Gespensterzuge voran; stramm aufgerichtet, mit durchgedrücktem Knie folgt ihm der Gorilla im Parademarsch, und Schimpanse, Orang und Gibbon geben sich alle Mühe aufrecht, recht graziös nachzutun. Alle diese ›Parade-Affen‹ setzen die Fußflächen hübsch platt dem Boden auf, die große Zehe nach vorn gerichtet, denn sonst wären sie ja keine Affenmenschen, die sie doch absolut sein sollen« (Braß 1908: 8, Hervorhebung im Orig.). 21 Vgl. ebenso Haeckel, E. (1914): Ein Jubiläum der Menschenkunde. Sammlung Monistische Bausteine. Brackwede: Verlag von Dr. W. Breitenbach; Ders. (1914): Fifty years of anthropology. R. P. A. Annual, S. 23–31; Ders. (1916): Fünfzig Jahre Stammesgeschichte. Historisch-kritische Studien über die Resultate der Phylogenie. Jena: Gustav Fischer. 19
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tige Freiheit ist besonders wertvoll für diejenige Forschungsrichtung, die erst innerhalb des letzten Jahrhunderts zur Geltung gelangte und die unter großen Hindernissen, gegenüber der Autorität ehrwürdiger Ueberlieferungen und mächtiger Vorurteile, sich mühsam Bahn brechen mußte; die moderne Entwickelungslehre und ihre Anwendung auf den Menschen (Haeckel 1908b: ohne Seitenangabe; Hervorhebungen im Orig.).
Die Schrift bildet auch den publizistischen Abschluß der haeckelschen Beschäftigung mit diesem Themengebiet, das 1863 mit den humanphylogentischen Bemerkungen in Stettin seinen Anfang genommen hatte. Sie belegt ferner, daß er nun auch in seinen Auffassungen einen Kausalzusammenhang zwischen Anthropologie und darwinscher Theorie anerkannte, anders als noch 1868, wo er die Anthropologie ausschließlich als speziellen Zweig der Zoologie (mit Hauptzweigen der menschlichen Morphologie und Physiologie) gesehen hatte (Hoßfeld 2006a). Haeckelsche Überspitzungen
Auch in seinen philosophischen Schriften wie z. B. Die Welträthsel (1899), Die Lebenswunder (1904), Sandalion (1910) bzw. »Kriegsschriften« wie Ewigkeit (1915) finden sich vereinzelt Aussagen zur Herkunfts- und Verbreitungsgeschichte der Menschen, letztere mit einem stärkeren Bezug auf Politik, Ideologie und Gesellschaft. Hier lassen sich die haeckelschen Argumentationen in zwei verschiedene Gruppen unterteilen: a) in einen mehr rassenhygienisch-eugenisch und b) mehr politischweltanschaulich argumentierenden Strang.22 Daneben spielte aber auch die Frage einer Popularisierung solcher Argumentationen in der Öffentlichkeit durch den Typologen Haeckel eine immer größere Rolle. Wie ambivalent sich dabei seine Aussagen zum ersten Zweig (a) darstellen, sollen einige wenige Zitate verdeutlichen: So liest man beispielsweise innerhalb des »anthropologischen Theils: Der Mensch« in den Welträthseln, noch ohne direkten rassenhygienischen Bezug: Jedenfalls ergiebt sich daraus die engste Verwandtschaft des Menschen mit den Menschenaffen. Die vergleichende Anatomie ergiebt somit für den unbefangenen und kritischen Forscher die bedeutungsvolle Thatsache, daß der Körperbau des Menschen und der Menschenaffen nicht nur im höchsten Grade ähnlich, sondern in allen wesentlichen Beziehungen derselbe ist. Dieselben 200 Knochen, in der gleichen Anordnung und Zusammensetzung, bilden unser inneres Knochengerüst; dieselben 300 Muskeln bewirken unsere Bewegungen; dieselben Haare bedecken unsere Haut, dieselben Gruppen von Ganglienzellen setzen den kunstvollen Wunderbau unseres Gehirns zusammen, dasselbe vierkammerige Herz ist das centrale Pumpwerk unseres Blutkreislaufs; dieselben 32 Zähne setzen in der gleichen Anordnung unser Gebiß zusammen; dieselben Speicheldrüsen, Leber- und Darmdrüsen vermitteln unsere Verdauung; dieselben Organe der Fortpflanzung ermöglichen die Erhaltung unseres Geschlechts (Haeckel 1899: 43 Hervorhebung im Orig.).
In dem Folgewerk über Die Lebenswunder (1904) geht er dann aber schon konkreter in seiner Argumentation vor: Erlösung vom Uebel. […] da erhebt sich die wichtige Frage, ob wir als mitfühlende Menschen berechtigt sind, ihren [der armen Elenden] Wunsch zu erfüllen und ihre Leiden durch einen schmerzlosen Tod abzukürzen. Diese Frage ist von eminenter Bedeutung sowohl für die praktiVgl. auch Gasman (1971, 1998); Winau (1981); Kleeberg (2005); »Haeckels Werk extensiv und einseitig als protonazistisch auszulegen, erscheint jedoch auf keinen Fall statthaft« (Winau 1981: 279). 22
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sche Philosophie als für die juristische und medicinische Lebens-Praxis […] Lebenserhaltung. Als ein traditionelles Dogma müssen wir auch die weitverbreitete Meinung beurtheilen, daß der Mensch unter allen Umständen verpflichtet sei, das Leben zu erhalten und zu verlängern, auch wenn dasselbe gänzlich werthlos, ja für den schwer Leidenden und hoffnungslos Kranken nur eine Quelle der Pein und der Schmerzen, für seine Angehörigen ein Anlaß beständiger Sorgen und Mitleiden ist. Hunderttausende von unheilbaren Kranken, namentlich Geisteskranke, Aussätzige, Krebskranke u. s. w. werden in unseren modernen Culturstaaten künstlich am Leben erhalten […] ohne irgend einen Nutzen für sie selbst oder für die Gesammtheit. […] (Haeckel 1904: 130–131, 134; Hervorhebungen im Orig.).
Ferner könnte man mit einer »Gabe Morphium oder Cyankalium« den Leidensweg bewußt abkürzen usw. Ähnliche Konnotationen finden sich auch in Haeckels Bemerkungen zur Sozialdemokratie, Todesstrafe und späteren Diskussionen darüber usw.23 Daß Haeckel zu jener Zeit dabei selbst direkt und persönlich von einem solch derartig eugenisch zu interpretierenden Konflikt betroffen war, beweist das Schicksal seiner Geliebten Frida von Uslar-Gleichen (1864–1903).24 Auch Haeckels Freund, der Züricher Psychiater August Forel (1848–1931), argumentierte fast zeitgleich in seinem Buch über Die sexuelle Frage (1905) ähnlich: Ich wiederhole es, wir bezwecken keineswegs eine neue menschliche Rasse, einen Uebermenschen zu schaffen, sondern nur die defekten Untermenschen allmählig durch die Entfernung der Ursachen der Blastophthorie und durch willkürliche Sterilität der Träger schlechter Keime zu beseitigen, und dafür bessere, sozialere, gesundere [sic] und glücklichere Menschen zu einer immer grösseren Vermehrung zu veranlassen (Forel 1905: 522).
In der Schrift Ewigkeit. Weltkriegsgedanken über Leben und Tod/Religion und Entwicklungslehre (1915), die für den zweiten, mehr weltanschaulich-politisch motivierten Argumentationsstrang (b) steht, sieht Haeckel nach wie vor in der Anthropologie einen »Teil der Zoologie«, benutzt aber wie schon zuvor in den Lebenswundern25 Vgl. u.a. Rubrik »Abschaffung der Todesstrafe?«, in: Deutsche Juristen-Zeitung, XVI. Jahrgang, Nr. 1 von 1911, S. 10–16 sowie den Briefwechsel Haeckels mit der Zeitung (Briefbestand Haeckel im EHH Jena); vgl. auch Winau (1981). 24 Vgl. nähere Details in Elsner (2000). 25 »Monistische Anthropologie. Der Begriff der Anthropologie wird noch heute, wie seit zwei Jahrtausenden, nach Inhalt und Umfang äußerst verschiedenartig begrenzt. Im weitesten Sinne umfaßt derselbe das unermeßliche Gebiet der ganzen Menschenkunde, ebenso wie der Begriff der Zoologie (nach meiner persönlichen Auffassung!) alle Theile der Thierkunde in sich einschließt. Da ich nun (seit 1866, l. c.) die ganze ›Anthropologie als Theil der Zoologie‹ betrachte, gilt selbstverständlich der Anspruch des reinen Monismus ebenso wohl für die erstere, wie für die letztere. Indessen ist diese generelle monistische Auffassung der Menschenkunde bisher nur in sehr engen Kreisen zur Geltung gelangt. Gewöhnlich wird der Begriff der Anthropologie auf die eigentliche ›Naturgeschichte des Menschen‹ beschränkt und dabei die Anatomie und Physiologie des menschlichen Organismus in’s Auge gefaßt, daneben auch seine Keimesgeschichte (Embryologie), seine Vorgeschichte (Prähistorie) und ein kleiner Theil seiner Psychologie. Daneben werden von der ›officiellen Anthropologie‹, wie sie die meisten modernen ›Gesellschaften der Anthropologie‹ (– namentlich die deutschen –) vertreten, gewöhnlich ausgeschlossen: die Stammesgeschichte (Phylogenie) und der größte Theil der Psychologie, sowie alle ›Geisteswissenschaften‹, die als metaphysische im engeren Sinne betrachtet werden. Ich habe in meiner Anthropogenie schon vor dreißig Jahren zu zeigen versucht, daß der Mensch (– als placentales Säugethier der Primaten-Ordnung –) ebenso ein einheitlicher Organismus (mit Leib und Seele) ist wie alle anderen Wirbelthiere, und daß demnach auch alle Seiten seines Wesens monistisch zu beurtheilen sind« (Haeckel 1904: 539–540, Hervorhebungen im Orig.). 23
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nun ausschließlich den Terminus »monistische Anthropologie«, die die »richtige Wertschätzung des Menschenwesens« zum Ziel hat (Haeckel 1915: 65). Hier ist ein inhaltlicher und methodologischer Wandel in Haeckels Argumentation festzustellen, da die biologische Anthropologie nunmehr in einer mehr philosophisch orientierten Anthropologie aufgehen sollte und teilweise politische Konnotationen trägt (Kleeberg 2005: 171–207). So wirft er an anderer Stelle dem »Todfeind England« vor, »alle verschiedenen Menschenrassen zur Vernichtung des deutschen Brudervolkes [nächstverwandten Germanen] mobil gemacht« zu haben: […] ruft es [England] als Verbündete die niederen farbigen Menschenrassen aus allen Erdteilen zusammen: vorab die gelben, schlitzäugigen Japaner, die perfiden Seeräuber des Ostens!, dann die Mongolen aus Hinterindien und die braunen Malayen aus dem benachbarten Malakka und Singapore; die schwarzbraunen Australneger und Papuas aus Ozeanien, die Kaffern aus Südafrika und die Senegalneger aus den nordafrikanischen Kolonien – und damit kein Farbton der tief verachteten ›Niederen Menschenrassen‹ fehlt, und das buntscheckige Heer des stolzen Albion auch in ethnographischer Zusammensetzung die ›ewige Weltherrschaft‹ des anglosächsischen Inselvolks demonstriert, werden auch noch die Reste der Rothäute aus Amerika auf die blutdampfenden Schlachtfelder von Europa herübergeschleppt! (Haeckel 1915: 86, Hervorhebungen im Orig.).
Aus seiner Sicht stellte sich der gesamte Erste Weltkrieg als ein »niederträchtiger Verrat an der weißen Rasse« dar und mußte »als ein Meuchelmord der höheren menschlichen Kultur gebrandmarkt« werden (ebd.: 86). Es sei sichtbar, daß der kulturelle und psychologische Abstand zwischen den »höchstentwickelten europäischen Völkern und den niedrigst stehenden Wilden größer ist, als derjenige zwischen diesen letzteren und den Menschenaffen«; d. h. Haeckel deutete und übertrug hier sein Schema »Die Familiengruppe der Katarrhinen« von 1868 (Natürliche Schöpfungsgeschichte) auf die zivilisatorischen Entwicklungen (Pithecometra-Satz). Er mißachtete ferner den »brutalen National-Egoismus« Englands, der nur der Aufrechterhaltung der »pambritischen Weltherrschaft (›für alle Ewigkeit!‹)« diene (ebd.: 86). Diese und ähnliche Äußerungen, die Haeckel dann mit zunehmendem Alter von sich gab, müssen auch als seine Art von Volksaufklärung (Beitrag zur Volksbildung) gedeutet werden, die später mehr und mehr den Charakter einer Propaganda annahm (vgl. hier auch Rudolf Euckens Vortragstätigkeit; Mann 1980: 282).26 Diese Aussagen lieferten schließlich mit allen heute bekannten Konsequenzen das argumentative Grundgerüst für die Vereinahmung von Teilen des haeckelschen Werkes seitens der Sozialdarwinisten, Rassenhygieniker und Nationalsozialisten.27 So war aus dem einstigen Mitbegründer der biologischen Anthropologie in Deutschland 50 Jahre später ein weltanschaulich-politischer Querdenker auf dem Gebiet der Anthropologie geworden. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß er nach 1900 neue In diesem Zusammenhang seien stellvertretend folgende Haeckel-Schriften aus dem Jahr 1914 ergänzend erwähnt: Erklärung. Von Ernst Haeckel und Rudolf Eucken, veröffentlicht am 18. August. Jena; Krieg und Natur. Deutsche Montagszeitung, 2. November; Gott-Natur (Theophysis). Studien über Monistische Religion. Leipzig: Alfred Kröner Verlag; Weltkrieg und Naturgeschichte. Nord und Süd, Jg. 39, Novemberheft; An die amerikanischen Universitäten. Jena, den 31. August; Englands Blutschuld am Weltkriege (Erstdruck). Die Eiche, 3. Jg., Nr. 2, Aprilausgabe, S. 124–131. 27 Vgl. Gasman (1971, 1998); Hoßfeld (2000a); Hoßfeld & Junker (2003), Hoßfeld (2005a, 2005b, 2005 f., 2010, 2012, 2014), Richards (2007, 2013), Hoßfeld & Breidbach (2008), Wogawa (2006). 26
Von der Generellen Morphologie (1866) bis zu Unsere Ahnenreihe (1908)
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Wege beschritt, indem er u. a. die biologische Anthropologie zu einer monistischen Anthropologie werden ließ. Diese monistische Anthropologie erfuhr dann nochmals eine Ergänzung in Haeckels letztem Buch über die Kristallseelen. Studien über das anorganische Leben (1917), in dem er die monistische Anthropologie ausschließlich mit der »anthropologischen Psychomatik = den Menschenseelen« verband: Nun ist seit 43 Jahren eine entscheidende Wendung zwischen den beiden Hauptrichtungen der Psychologie, der monistischen und der dualistischen, zugunsten der ersteren dadurch erreicht worden, daß die Anthropogenie (1874) die Abstammung des Menschen von den Wirbeltieren paläontologisch begründet und die wichtigsten Stufen seiner tierischen Ahnenreihe nachgewiesen hat (Haeckel 1917: 128).
Ferner lehre uns die unbefangene Vergleichung des Seelenlebens bei den höheren und niederen Menschenrassen […] daß der höhere Geist nur ein Produkt vieltausendjähriger Kultur ist, da er den niederen Naturvölkern noch ebenso fehlt wie den Affen und den übrigen Säugetieren (ebd.).
Mit diesen Aussagen hatte Haeckel zwei Jahre vor seinem Tod den Boden der biologischen Anthropologie verlassen. Ähnlich wie schon zuvor sein englischer Kollege Alfred Russel Wallace hing er nun zunehmend anorganischen Spekulationen, radikal-rassistischen Interpretationen sowie spiritistischen Deutungen (mittels Kristallotik) an.28 Dieses späte politische Engagement Haeckels wurzelte zunächst im Sozialdarwinismus, fand dann eine Steigerung in den Offerten für den Ersten Weltkrieg (Evans 2010) und gipfelte letztlich darin, daß seitens der Nationalsozialisten sein humanphylogenetisches Werk für ihre Weltanschauung vereinnahmt wurde (Gasman 1971, 2002; Weikart 1993; Hoßfeld 2005a, 2005 f., 2006a, 2012). Sein Lehrer Gegenbaur hingegen hatte sich politisch und weltanschaulich nie in diesem Sinne geäußert, was auch für zahlreiche seiner Schüler gilt (Richards 1992; Hoßfeld, Olsson & Breidbach 2003). Neben diesen aufgezeigten Tendenzen gab es an der Universität Jena jener Jahre auch neue Impulse hinsichtlich einer weiteren Etablierung der biologischen Anthropologie, insbesondere durch einen Vertreter der Gegenbaur-Schule.
6.1.1 Der Mensch und seine Ahnen aus der Sicht eines Jenaer Anatomen
Neben Haeckel war es in jenen Jahren an der Universität Jena auch noch sein Kollege, der Anatom Friedrich Maurer (1859–1936), der sich u. a. mit anthropologischen Fragestellungen beschäftigte.29 Hier ist also nicht nur institutionell und persönlich ein Zusammenhang zwischen Haeckel/Maurer und Jena, sondern auch traditionell und wissenschaftlich mit der »Gegenbaur-Linie« die Fortführung eines wichtigen Forschungsprogrammes zu erkennen. Dieses sollte einen, wenn auch mehr indirekten Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung der biologischen Anthropologie vor Ort »Alle Substanz besitzt Leben, anorganische ebenso wie organische; alle Dinge sind beseelt, Kristalle so gut wie Organismen« (Haeckel 1917: VIII, Hervorhebungen im Orig.). 29 Später sollte sich dann auch noch der Jenaer Internist Julius Grober rassenkundlichen Fragestellungen zuwenden (Grober 1939). 28
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nehmen. Für eine Gegenbaur-Rezeption und deren Einfluß auf verschiedene biologische Fachgebiete (besonders vergleichende Anatomie) ist dabei Maurers Rede anläßlich der Feier zur akademischen Preisverleihung in Jena am 16. Juni 1917 bedeutend (Maurer 1917). Seine Ausführungen galten hier dem Thema »Die Beurteilung des biologischen Naturgeschehens und die Bedeutung der vergleichenden Morphologie«, waren auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkrieges verfaßt und spiegeln brillant den Stand der vergleichenden Anatomie/Morphologie jener Zeit wider; die Aussagen gelten teilweise auch für die biologische Anthropologie. Als Nachfolger von Max Fürbringer (vergleichende Anatomie) war Maurer im Jahre 1901 nach Jena gekommen. Auch er war zeitlebens in Jena den morphologischen Traditionen seiner Vorgänger verbunden, was sich u. a. in der Wahl der Forschungsschwerpunkte und in den daraus resultierenden Publikationen äußert. Bereits am 13. März 1883 hatte Maurer unter Gegenbaur mit der Arbeit »Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien (sog. Nebenkiemen) der Knochenfische« den Dr. phil. erworben. Zwischendurch bei Oscar Hertwig (Berlin) tätig, kehrte er aber zu Gegenbaur nach Heidelberg zurück. Als Gegenbaur im Herbst 1899 krankheitsbedingt sein Amt nicht mehr versehen konnte, vertrat Maurer diesen bis zum 1. April 1901, dem Tag, als er den Ruf auf das Ordinariat für vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte sowie als Direktor der anatomischen Anstalt in Jena erhielt: Es war immer mein Bestreben durch eigene Anschauung mir die mannigfaltigen Formen der Zellen und des tierischen Gewebes bekannt zu machen und ich habe seit 30 Jahren nicht nur den mikroskopischen Bau der verschiedensten Formen der Wirbeltiere untersucht, sondern mich so eingehend wie möglich mit den Verhältnissen bei Wirbellosen, bis zu Protozoen hinab bekannt gemacht (Maurer 1915: V).
An wissenschaftlichen Arbeitsgebieten finden sich: Bearbeitung des Kiemenspaltapparates der Wirbeltiere (Fische, Amphibien, Reptilien, z. T. Säugetiere), Histologie und Entwicklung der quergestreiften Muskelbänder der Cyclostomen (Rundmäuler) und der quergestreiften Muskelfasern der höheren Wirbeltiere sowie Untersuchungen über die Haut der Wirbeltiere. Maurer hat fünf Monographien und Bücher verfaßt. Die erste und zugleich bedeutendste widmete er Haeckel zu dessen 80. Geburtstag. Sie trägt den Titel Grundzüge der vergleichenden Gewebelehre (1915) und als Eingangszitat im Vorwort liest man: Das vorliegende Buch ist in seiner Ausführung völlig gehalten in den Grund-Anschauungen Ernst Haeckels und Carl Gegenbaurs. Dies entspricht der Überzeugung, daß der wissenschaftliche Geist dieser Forscher frei ist von jeder Einseitigkeit und bei der Beurteilung der heutigen Organismenwelt in ihrem Aufbau jederzeit die weitesten Gesichtspunkte hat walten lassen unter Heranziehung aller bis jetzt zugänglichen Erscheinungsreihen (Maurer 1915: V).
Daneben erschienen Die Epidermis und ihre Abkömmlinge (1896), Die musculi serrati postici der Säugetiere (1905) sowie Der Mensch und seine Ahnen (1928).30 Letzteres Erwähnenswert sind ferner auch Maurers Reden zur Totenfeier von Haeckel (1919) sowie zum hundertsten Geburtstag von Gegenbaur (1926). Als Bearbeiter des Gehirns von Haeckel (1924), auf dessen ausdrücklichem Wunsch hin, ist Maurer ebenfalls mit der Monographie Das Gehirn Ernst Haeckels hervorgetreten: »In Jena wurde durch Carl Gegenbaur die vergleichend-anatomische Forschung auf den Schild erhoben. Ernst Haeckel kam durch Gegenbaur nach Jena. Ich betrachte es als das große Glück meines Berufslebens, daß ich diesen beiden Männern im Leben nahestehen durfte. 30
Von der Generellen Morphologie (1866) bis zu Unsere Ahnenreihe (1908)
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Werk ist sozusagen einer der Vorläufer einer biologischen Anthropologietradition in Jena im 20. Jahrhundert. In seiner Argumentation weitgehend Haeckel folgend, verband Maurer hier besonders geschickt seine umfangreichen anatomischen Kenntnisse mit den anthropologischen Fragestellungen, sah in der Paläontologie einen wichtigen Zeugen der Abstammungslehre und suchte aus seinen Arbeitsgebieten heraus die Frage nach der Stellung des Menschen in der Natur (S. 327 ff.) zu beantworten: Trotz aller Verschiedenheiten der Menschenrassen bildet also die Menschheit einen viel einheitlicheren Stamm als die Menschenaffen, von deren bis jetzt bekannten Formen jede für sich einen besonderen Stamm darstellt […] Die Befunde bei den höheren Formen sind ohne die vorausgehenden Zustände bei niederen Klassen gar nicht denkbar (Maurer 1928: 289, 333; Hervorhebung im Orig.).
Die Herrentiere (Primates) unterteilte er in Anlehnung an Haeckel und in Ergänzung der neueren Funde in (Maurer 1928: 18): – – – – – – – – –
Halbaffen (Prosimiae): Lemuren, Makis, Chiromys Affen (Simiae): Krallenaffen (Arctopitheci) Plattnasen (Platyrrhini, Affen der neuen Welt) Kapuziner, Brüllaffen Schmalnasen (Catarrhini, Affen der alten Welt) Hundsaffen (Paviane, Cynomorphi): Cynozephalus, Macacus, Cercopithecus Menschenaffen (Anthropomorphi): Hylobates, Gorilla, Schimpanse, Orang Utan Mensch: Pithecanthropus, Homo primigenius, Homo sapiens
Auch für Maurer waren also anthropologische Aussagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur im Zusammenhang mit der darwinschen Lehre vereinbar, unter besonderer Hinzuziehung der anatomischen und paläontologischen/paläoanthropologischen Daten. Damit schloß er unmittelbar an die Forschungsergebnisse seiner Vorgänger aus Jena an. Daß es aber nicht bei dieser ausschließlich rein wissenschaftlichen Ebene in Jena (Deutschland) bleiben sollte, zeigen die zum Ende des 19. Jahrhunderts dann verstärkt einsetzenden Bestrebungen und wissenschaftlichen Bewegungen, die das Ziel hatten, anthropologische Inhalte nunmehr auch gesellschaftsfähiger für die jeweilige Politik und Ideologie zu machen; und die letzten Endes in der Begründung der Fachdisziplinen Rassenhygiene, Rassenkunde und Rassenbiologie ihren Niederschlag fanden (vgl. Kapitel 8 bis 10).
Die Nachfolger Gegenbaurs, insbesondere Oskar Hertwig und Max Fürbringer, setzten diese Forschungsweise fort, so wie auch ich mich bemühte, in diesem Sinne zu arbeiten!« (Giese & von Hagen 1958: 473–474).
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6.2 Ernst Haeckel und der Antisemitismus
Seit den Büchern von Daniel Gasman (1971, 1998) gilt Ernst Haeckel auch als einer der Vordenker des Antisemitismus, von dessen Anschauungen es einen direkten Weg in die rassenideologische Vernichtungspraxis des Nationalsozialismus gegeben haben soll (Hoßfeld 2005a, 2005 f., 2006b, 2010, 2014; Richards 2007, 2013). Schlüsselaussagen zu Haeckels Verhältnis zum Antisemitismus finden sich in einem Interview, das er 1893 mit dem österreichischen Schriftsteller Hermann Bahr (1863–1934) geführt hat.31 Bahr gehörte zu den literarischen Vertretern des »Jungen Wien«. Er hatte in Wien, Graz, Czernowitz und Berlin Nationalökonomie, Jura, Klassische Philologie sowie Philosophie studiert, das Studium aber 1887 abgebrochen, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Für Bahr waren radikal künstlerische wie politische Wandlungen typisch. Als Künstler vertrat er die Maxime, stets modern zu sein und wandte sich den jeweils neuesten literarischen Strömungen zu. Politisch verwandelte er sich vom deutsch-nationalen Burschenschafter zum Sozialisten, später zum Monarchisten und katholischen Verfechter eines föderativen Europas mit Österreich im Zentrum.32 Im Januar 1893 wurde Bahr Redakteur der »Deutschen Zeitung« in Wien und im Oktober deren Miteigentümer. Schon im Dezember kam es allerdings zum Bruch mit dem Herausgeber Emil Auspitzer und Bahr verließ das Blatt, um eine eigene kulturpolitische Wochenschrift zu gründen.33 Vorher hatte man ihm den Freiraum für einige Auslandsreisen gegeben, auf denen er eine Reihe von Interviews zum Antisemitismus führte. »Ich fahre wieder einmal ein bischen in der Welt und horche die Leute aus, was sie meinen und sagen. Ich will sie jetzt über den Antisemitismus vernehmen«, leitete Bahr die Buchausgabe seiner InterviewSerie ein.34 Sie wurden zunächst in der »Deutschen Zeitung« abgedruckt.35 Zu den Interviewten gehörte auch Ernst Haeckel:
Eine ausführliche Darstellung des Verhältnisses von Haeckel zum Antisemitismus findet sich bei Wogawa et al. (2006). 32 Vgl. Biesterfeld, W.: Bahr, Hermann. In: Killy, W. [Hg.] (1994): Deutsche Autoren. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Gütersloh/München, S. 125 f. In der jüdischen Wochenzeitung »Die Welt« äußerte Bahr 1897, er habe lange Zeit ein gewisses Misstrauen gegen den Zionismus gehabt, da der ihm als ein jüdischer Chauvinismus geschildert worden sei, während sein Wunsch darin bestehe, aus den Nationalitäten »den europäischen Menschen entstehen zu sehen.« Seine Ansichten über den Zionismus haben sich inzwischen geändert – jedoch nicht in politischer Hinsicht, da er sich um politische Dinge nicht kümmere –, »aber als Künstler kann ich mich der idealen Schönheit nicht erwehren, die er hat«; vgl. Christen über die Judenfrage. Hermann Bahr, in: Die Welt, Heft 25/1897, S. 8 f. 33 Vgl. zur Biographie Hermann Bahrs in den Jahren 1890 bis 1900, in: Csáky, M. (Hg.): Hermann Bahr. Tagebücher, Skizzenbücher, Notizhefte. Bd. 2: 1890–1900, Wien 1996, S. XI–XXIX, hier S. XVII. 34 Bahr, H. (1894): Der Antisemitismus. Ein internationales Interview, Berlin, S. 1. 35 Ebd., letzte Druckseite (ohne Seitenzahl). Michael Brenner schreibt irrtümlich, die Interviews seien für die »Neue Freie Presse« (Wien) geschrieben worden; vgl. Brenner, M.: Antisemitismus und moderne jüdische Identität. Wie Klischees und Selbstbilder ineinander greifen, in: Neue Zürcher Zeitung vom 22. Juli 2002, S. 25 f., hier S. 25. 31
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Ich frage einfach, mit welchen Empfindungen und welchen Antworten sich die Gebildeten der verschiedenen Nationen zu dieser Erscheinung im Volke stellen. Vielleicht giebt das für später einmal von der Verfassung des Geistes um 1893 ein ganz kurioses Dokument.36
Aus Bahrs »Skizzenbuch« der Jahre 1884 bis 1889 geht hervor, dass er Haeckels Natürliche Schöpfungsgeschichte (die 3. Auflage von 1872) gelesen hatte, als er sich mit Untersuchungen zur Stellung des Menschen in der Natur beschäftigte. Auch Jahre nach dem Interview widmete Bahr sich Haeckel und dessen Schriften. Eine besonders intensive Lektüre fiel in die Zeit, in der sich Bahr für eine Weltanschauung in Form eines pantheistischen Diesseitskultes einsetzte. Anregungen holte er sich in den Schriften des Soziologen Auguste Comte (1798–1857), der Philosophen Arthur Schopenhauer (1788–1860) und Friedrich Nietzsche (1844–1900), des US-amerikanischen Dichters Walt Whitman (1819–1892), des Schriftsteller Wilhelm Bölsche (1861–1939) sowie bei Haeckel (Wogawa et al. 2006). Im Interview, das in Haeckels Wohnhaus (»Villa Medusa«) in Jena geführt wurde, zeigte sich der bekannte Biologe dem Antisemitismus gegenüber ausdrücklich aufgeschlossen. Er sei auf der einen Seite zwar »[…] seit Jahren mit vielen Juden befreundet, die ich innig verehre und schätze – es sind ganz wunderbare, prächtige Menschen […].«37 Andererseits seien, so Haeckel weiter, »[…] gerade einige meiner besten und intelligentesten Schüler sehr heftige Antisemiten […].«38 Daraus zog er die Schlussfolgerung: Ich mag überhaupt nicht glauben, alle meine Anschauungen sträuben sich dagegen, daß eine so mächtige, lange und große Bewegung ohne gute Gründe möglich sein sollte.39
Das Religiöse und das Soziale seien hinsichtlich der Fremdheit der Juden von geringer Bedeutung. Für Haeckel stand fest: »Es ist eine Rassenfrage.«40 Er sah im Antisemitismus sogar eine besondere Leistung, da diese Strömung die Forderung nach bedingungsloser Assimilation der Juden auf die Tagesordnung gebracht habe: Ich halte es für ein Verdienst des Antisemitismus, daß in den Deutschen und in den Juden die Überzeugung erwacht: die Juden müssen ihre Sonderart aufgeben und zu vollwertigen Deutschen in Sitten, Gebräuchen und Gefühlen werden.41
Diesen Assimilationsprozess traute Haeckel nur einem Teil der Juden zu (Lipphardt 2008; Morris-Reich 2008, 2013a-2013c). Bei den anderen ging er offenbar von einer Bahr, Antisemitismus, a. a. O., S. 4. Ebd., S. 65. 38 Ebd., S. 66. So z. B. Willibald Hentschel, Ludwig Plate oder Georges Vacher de Lapouge. Auch eine seiner Geliebten, Frida von Uslar-Gleichen, war antisemitisch eingestellt. So heißt es beispielsweise in einer Tagebuchnotiz vom 13. Mai 1901: »Denk Dir, d. Hamburger Dame ist Jüdin! Sie sieht gar nicht so aus, auch nicht sehr distinguirt, aber eher wie eine Französin, als wie eine Jüdin! Mir ist’s eine heilsame Lection! Ich habe eine große Antipathie gegen Juden – und hätte ich’s vorher gewußt, ich würde nicht mit ihr gefahren u. gegangen sein.« In: N. Elsner [Hg.] (2000), Das ungelöste Welträtsel. Frida von Uslar-Gleichen und Ernst Haeckel. Briefe und Tagebücher 1898–1903, 3 Bde., Göttingen: Wallstein-Verlag, hier Bd. 2, S. 660. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Ebd., S. 68. Im Interview hatte Haeckel zur Assimilationsbereitschaft der Juden betont, diese müsse, »[…] wer national fühlt und denkt, [es] von ihnen verlangen« (ebd., S. 67). 36 37
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Konstanz ihrer vermeintlichen »Rassenmerkmale« aus, denn gleichzeitig mit dem Assimilationsprozess gelte es, […] das Eindringen immer neuer und oft sittlich bedenklicher Elemente aus dem Osten […]« zu erschweren – auch »[…] im Interesse der vielen ausgezeichneten, rechtschaffenen und ehrenwerten Juden […].42
Gegenüber einwandernden Juden aus Osteuropa forderte Haeckel Härte: Hier kann falsche Humanität nur schaden, und ich denke, dass man sich gegen die russischen Juden energisch schützen sollte, nicht weil sie Juden, sondern weil sie mit unserer Gesittung unerträglich sind […].43
Er habe im vorigen Jahre auf dem Schiff nach England russische Auswanderer gesehen, »[…] von ihrem Schmutz und von ihrer Gemeinheit macht man sich gar keinen Begriff.«44 Gerade die russischen Auswanderer flohen nicht selten aus nackter Todesangst. Die Politik des zaristischen Russland war immer judenfeindlich, Pogrome wurden geduldet, wenn nicht gar unterstützt.45 Dennoch wurde gegen die »Ostjuden« in der deutschen Öffentlichkeit heftig polemisiert. Wohl nicht zufällig berichtete die zweimal pro Woche erscheinende Zeitung »Der Israelit« (Organ der orthodoxen Juden in Deutschland) ihren Lesern im Herbst 1894 auch über einen amtlichen Bericht, der auf Verlangen des englischen Parlaments vom Londoner Handelsamt angefertigt wurde. Im »Israelit« wurde aus dem Bericht zitiert, die jüdisch russisch-polnischen Einwanderer seien »[…] im Ganzen eine friedliche gesetzestreue Gesellschaft«. Während der Anteil der aus Osteuropa eingewanderten Juden an den Einwohnern im Osten Londons bei 18 Prozent liege, seien sie am »Pauperismus« – dem verelendeten Teil der Stadtbevölkerung – nur mit 0,67 Prozent beteiligt.46 Ein weiterer Hinweis auf antisemitische Vorurteile findet sich in Haeckels Werk Die Welträthsel. Dort heißt es innerhalb einer polemischen Auseinandersetzung mit dem christlichen Mythos der »jungfräulichen Geburt: Die Angaben der alten apokryphen Schriften, daß der römische Hauptmann Pandera oder Pantheras der wahre Vater von Christus gewesen, erscheint um so glaubhafter, wenn man von streng anthropologischen Gesichtspunkten aus die Person Christi kritisch prüft. Gewöhnlich wird derselbe als reiner Jude betrachtet. Allein gerade die Charakter-Züge, die seine hohe und edle Persönlichkeit auszeichnen und welche seiner ›Religion der Liebe‹ den Stempel aufdrücken, sind entschieden nicht semitisch; vielmehr erscheinen sie als Grundzüge der höheren arischen Rasse und vor allem ihres edelsten Zweiges, der Hellenen.«47 Ebd., S. 68. Ebd. 44 Ebd., S. 69. Haeckel war 1892 nach England gereist, um im Herbst den ihm bereits bekannten »Challenger«-Forscher John Murray bei Tiefseeforschungen an der schottischen Küste zu begleiten; vgl. Bölsche, W.: Ernst Haeckel. Ein Lebensbild (Volksausgabe), Berlin 1909, S. 192. 45 Vgl. Ley, M. (2003): Kleine Geschichte des Antisemitismus. München, S. 108. Vgl. weiterführend Grüner, F. (2008): Patrioten und Kosmopoliten – Juden im Sowjetstaat 1941–1953. Köln; Meisl, J. (2009): Haskalah. Geschichte der Aufklärungsbewegung unter den Juden in Russland. Neu herausgegeben von A. Kennecke. Berlin; Aronson, I. M. (1990): Troubled Waters. The Origins of the Anti-Jewish Pogroms in Russia. Pittsburgh. 46 Vgl. den Beitrag »Die russischen Juden in London«. Der Israelit, Nr. 82–83/1894, S. 1549 f., hier S. 1550. 47 Vgl. Haeckel, E. (1903): Die Welträthsel. Volksausgabe mit einem Nachworte: Das Glaubensbe42 43
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Die Darlegung, welche Charakterzüge aus anthropologischer Sicht überhaupt »entschieden semitisch« seien, blieb Haeckel schuldig. Er deutete dafür den Namen »Pandera« sogleich »[…] unzweifelhaft auf hellenistischen Ursprung […]« – denn in einer Handschrift werde er sogar »Pandora« geschrieben und das sei in der griechischen Sage die erste, von Gott Vulkan aus Erde gebildete Frau gewesen.48 Bereits in der zeitgenössischen Auseinandersetzung wurde Haeckel wegen dieser Textstelle kritisiert, vor allem hinsichtlich der antichristlichen Tendenz seiner Aussage. Er habe »eine alte Schmählegende von der Abstammung Jesu« vorgebracht, die von Gelehrten längst aufgegeben worden sei, schrieb 1907 der Theologe Joseph Engert (1882–1964).49 Es darf bei dieser Argumentation Haeckels nicht übersehen werden, dass sich sein Angriff zunächst gegen das Christentum richtete. Daneben ließ er jedoch erkennen, dass er die Juden zur Zeit des Religionsstifters Jesus insgesamt für kulturell weniger entwickelt hielt als die »arischen« Griechen. Diese Sicht korrespondiert mit Haeckels Darstellung in späteren Auflagen seiner Natürlichen Schöpfungsgeschichte. Mit der Behauptung, Jesus sei kein Jude, sondern Arier gewesen50, traf er sich direkt mit einer Argumentationsfigur explizit antisemitischer Autoren, von denen der bekannteste Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) war, der in seinen Grundlagen des 19. Jahrhunderts diese Annahme formuliert hatte. Der These Gasmans zur Folge reiht sich Haeckel in dieses Denken aber nicht einfach ein, sondern ist hier als direkter Vordenker des Nationalsozialismus zu bewerten (1971). Allerdings kam selbst der Nationalsozialist Heinz Brücher (1915–1991), der Haeckel als »deutschen Biologen« für den Nationalsozialismus in seiner »Erbbiographie« zu vereinnahmen suchte, zu einer vorsichtigeren Bewertung (Hoßfeld 2005d). Brücher kam 1934 unter Bezug auf das Interview Bahrs mit Haeckel zu dem Schluss, dass Haeckel »engstirniger Judenhaß« fremd gewesen sei.51 Da er sich gegenüber Bahr jedoch zur »Rassenfrage« bekannt hatte, ging Brücher dennoch davon aus, »[…] daß Haeckel allen Vernebelungsversuchen seiner Zeit zum Trotz die Judenfrage klar erkannt hatte.«52 Haeckel bekannte sich zu einem nationalistischen Antisemitismus, der die Phase des Übergangs vom christlichen Antijudaismus zum Rassenantisemitismus markierte. Doch für ihn stand dieser Antisemitismus keineswegs im Zentrum seiner Ankenntnis der Reinen Vernunft, Bonn, S. 132. Bereits einige Seiten vorher hatte Haeckel geschrieben: »Christus selbst, der edle, ganz von Menschenliebe erfüllte Prophet und Schwärmer, stand tief unter dem Niveau der klassischen Kulturbildung; er kannte nur jüdische Tradition; er hat selbst keine einzige Zeile hinterlassen« (ebd., S. 125). Die Panthera-Legende geht wahrscheinlich auf den antiken Philosophen Kelsos (Celsus) zurück, der im Jahre 178 in einer Streitschrift einen Juden sagen lässt, der eigentliche Vater von Jesus sei ein Soldat namens Panthera gewesen und seine Mutter sei von ihrem Mann wegen Ehebruchs verstoßen worden. Die Legende tauchte dann in unterschiedlichen Varianten in rabbinischen und mittelalterlichen Texten auf, mit denen meist auf heftige christliche Angriffe auf das Judentum reagiert wurde. Vgl. Heiligenthal, R. (21999): Der verfälschte Jesus. Eine Kritik moderner Jesusbilder. Darmstadt, S. 43. 48 Ebd. 49 Vgl. Engert, J. (1907): Der naturalistische Monismus Haeckels auf seine wissenschaftliche Haltbarkeit geprüft. Wien, S. 317. 50 So auch später der Jenenser Theologe Walter Grundmann (Hoßfeld 2007). 51 Vgl. Brücher (1936d, S. 117). 52 Ebd., S. 118.
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schauungen. Er war mit seinem Interview von 1893 eher Seismograph der Stimmung in weiten Teilen des Bürgertums und nicht der Katalysator der antisemitischen Bewegung, wenn man auch die wachsende Deutungsmacht des Naturwissenschaftlers im Allgemeinen und Haeckels im Besonderen als gesellschaftspolitische Autorität nicht unterschätzten darf (Wogawa et al. 2006). Doch Haeckel war in seiner Einordnung der »Judenfrage« als »Rassenfrage« nicht einmal konsequent. Er ging nicht von einem unaufhebbaren Unterschied aus, vielmehr hielt er die antisemitisch motivierte »Judenfrage« durch Assimilation zumindest für einem Teil der deutschen Juden für lösbar. Ein antisemitischer »Vordenker« des Nationalsozialismus war er nicht (Hoßfeld 2010).
6.3 Darwinismus und Paläoanthropologie – ein Exkurs
Die bisherigen Betrachtungen haben gezeigt, daß der Paläoanthropologie innerhalb der Genese der biologischen Anthropologie eine Sonderstellung zukommt, auch wenn diese bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts noch in ihren Kinderschuhen steckte und erst nach 1900 wichtige Impulse durch die zahlreichen Entdeckungen fossiler Funde zur menschlichen Entwicklung liefern konnte. Ihre eigentliche Hinwendung zu einer darwinistisch ausgerichteten und argumentierenden Anthropologie erfolgte bereits mit dem Jahr 1856 durch den Elberfelder Gymnasialprofessor und Heimatforscher Johann Carl Fuhlrott (1803–1877). Fuhlrott hatte in einer Höhle des Neandertales bei Düsseldorf in Abraum die Reste eines Skeletts gefunden, dessen Morphologie ihm sofort aufgefallen war. Er übergab diese Reste eines fossilen Menschen dem Bonner Anatomen Hermann Schaaffhausen zur wissenschaftlichen Beurteilung (Zängl-Kumpf 1990). Im Gegensatz zu späteren Paläoanthropologen sah Fuhlrott in seinem Fund jedoch kein Bindeglied zwischen Affe und Mensch, sondern wollte damit lediglich das hohe Alter des Menschen beweisen (von Koenigswald 1958, 1960). Sein Fund ließ jedoch die Frage nach der Herkunft des Menschen in eine neue Phase von Diskussionen, Spekulationen und Interpretationen eintreten. So richtete beispielsweise Hermann Schaaffhausen (1816–1893) an den Präsidenten der Anthropologischen Gesellschaft in London, James Hunt, am 10. September 1867 ein Sendschreiben mit dem Titel Die Lehre Darwin’s und die Anthropologie, das den Mitgliedern dann in der Sitzung dieser Gesellschaft am 18. Februar 1868 vorgelegt wurde.53 Er zeigte dabei aus seiner Sicht die Stärken und Schwächen der darwinschen Lehre in ihrer Anwendung auf anthropologische Fragestellungen auf: Die Schwäche der Darwin’schen Lehre besteht darin, dass sie den Einfluss der bald sich gleich bleibenden, bald wechselnden Lebensbedingungen auf die Organisation viel zu gering anschlägt. Sie kommt hierbei mit sich selbst in Widerspruch, denn jene natürliche Zuchtwahl, Vgl. ebenso seinen Ausspruch: »Den wahren Ursprung des Menschen erkannt zu haben, ist für alle menschlichen Anschauungen eine so folgenschwere Entdeckung, dass eine künftige Zeit dieses Ergebnis der Forschung vielleicht für das Größte halten wird, welches dem menschlichen Geiste zu finden beschieden war« (Archiv für Anthropologie, 2. Bd., S. 331). 53
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welche die guten Eigenschaften erhält und die schlechten untergehen lässt, setzt doch eine Anpassung der Organisation an die Lebensverhältnisse voraus, in Folge deren sie erst eine gute genannt werden kann (Schaaffhausen 1868a: 260).
Für den Fortschritt der Menschheit sei der »Kampf der Racen« vielmehr ein gleichgültiges Ereignis, weil er sich, soweit man in der Geschichte rückblicken kann, sowieso nur innerhalb der kaukasischen Rasse abgespielt habe (ebd.: 262). Der Kampf ums Dasein könne deshalb die Verschiedenheiten der Menschenrassen nicht erklären; das müsse man aber schließlich von einem Naturgesetz erwarten. Ebenso deute der Umstand, dass die ältesten Ueberbleibsel des Menschengeschlechtes schon verschiedene typische Formen erkennen lassen […] gegen einen gemeinsamen Ursprung der Racen. […] Wenn wir auch nicht die Urbilder aller von uns heute unterschiedenen Racen gefunden haben, so können wir doch aus ältester Zeit zwei Typen unterscheiden, von denen der brachycephale vielleicht aus Asien, der dolichocephale aus Africa seinen Ursprung genommen hat […] Die Annahme einer fortschreitenden Entwicklung schliesst eine Mehrheit des menschlichen Ursprungs nicht aus […] Aus Darwin’s Lehre folgt aber nicht im Mindesten eine auf die Einheit des Menschengeschlechts gerichtete Entwicklung, sondern gerade das Gegenteil (ebd.: 264–265).
Diese teilweise kritischen Interpretationen hat er dann bereits in zwei weiteren Vorträgen, so »Ueber die anthropologischen Fragen der Gegenwart« (41. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Frankfurt am Main am 23. September 1867) sowie »Ueber die Urform des menschlichen Schädels« (Anthropologischer Kongreß in Paris am 30. August 1867) teilweise revidiert und ergänzt (Schaaffhausen 1867, 1868b).54 Die spätere Bedeutung der biologischen Anthropologie innerhalb der Deszendenzlehre erkannte er aber bereits klar, als er äußerte: Und denken wir nicht gering von einer Wissenschaft, die mehr wie jede andere den menschlichen Blick frei macht, vor der eine ganze Welt voll Aberglauben, Vorurtheil und Irrthum zusammenstürzt! (Schaaffhausen 1867: 341).
Vor Fuhlrotts Entdeckung und der Interpretation Schaaffhausens hatte man aber schon ähnliche Funde gemacht, so in einer Höhle des Felsens von Gibraltar (1848) und in Höhlen bei Namur (Engis – Belgien, 1832 fand der Lütticher Anatom P.-C. Schmerling einen Kinderschädel). Von fossilen Menschenaffen gab es ebenso nur wenige Funde: Pliopithecus, der 1836 von Edouard A. Lartet (1801–1871) in miozänen Schichten von Sansan entdeckt und bereits damals als fossile Vorform der Gibbons (Hylobatiden) angesprochen wurde, Dryopithecus fontani, 1856 ebenfalls von Lartet entdeckt und als fossiler Pongide eingeordnet, Oreopithecus bambolii sowie den fossilen Tieraffenfund Mesopithecus pentelici (Schlankaffen-Verwandter). Jedoch war die Bedeutung dieser Funde – ähnlich der Erstreaktion Fuhlrotts – noch nicht in Gänze erkannt worden und hatte so kaum wissenschaftliche Resonanz erfahren. Versuche, wie die von Philipp-Charles Schmerling (1791–1836), die Existenz fossiler vorsintflutlicher Menschen zu beweisen, waren auch aufgrund der Vormachtstellung der Kirche zu jener Zeit schon von vornherein zum Scheitern verurteilt; auch hatte Cuvier eine Deutung der Funde Schmerlings abgelehnt. Vgl. weiterführend auch die »Anthropologische Studien« von H. Schaaffhausen (von mehr als 40 Jahren), die 1885 von seinen Erben bei Adolph Marcus in Bonn herausgegeben wurden. 54
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Abb. 21: Skelett des tertiären Mesopithecus. In: Klaatsch, Hermann: Die Stellung des Menschen im Naturganzen, Jena 1911, S. 354.
Der Neandertaler-Fund gab schließlich erneuten Anlaß für zahlreiche Kontroversen unter den Wissenschaftlern. Ähnlich wie seinerzeit Cuvier in Frankreich (für die Paläontologie und Evolutionslehre) wurde dabei auch in Deutschland während der ersten darwinschen Revolution ein Wissenschaftler zum Hemmnis für die fossile Erforschung der Menschheitsgeschichte. Es handelt sich um den Mediziner, Anthropologen und linksliberalen Politiker Rudolf Virchow (1821–1902). Von seinen mehr als 2000 Veröffentlichungen gehören allein 523 zur physischen Anthropologie (Ackerknecht 1957: 18). Allerdings scheint auf den ersten Blick hier mehr die Quantität der Aufsätze als deren Qualität für die Geschichte der Anthropologie hervorhebenswert.55 Virchow galt nicht nur als Begründer der Cellularpathologie, sondern gleichzeitig auch ab den 1860er Jahren als Autorität auf dem Gebiet der vorgeschichtlichen Anthropologie, obwohl er den Neandertaler-Fund als Rest eines eiszeitlichen Urmenschen anzweifelte und als den eines rezenten kranken Menschen deutete (Virchow 1872, Mazzolini 1988, Massin 1996, Goschler 2002, Schrenk & Müller 2010, Muschong 2013, Pääbo 2014). Er bestand über Jahre hinweg auf dieser Position und blockierte so die Fortschritte der Paläoanthropologie. Neben Virchow hatten aber Vgl. dazu auch Virchow, R. (1872): Über die Methode der wissenschaftlichen Anthropologie: Eine Antwort an Herrn de Quatrefages. Zeitschrift für Ethnologie 4: 300–319; zu Virchow und Antisemitismus vgl. Mann (1968). 55
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auch andere Fachgelehrte den Fund von Fuhlrott fehlinterpretiert: so sah man in diesem u. a. einen mongolischen Kosaken von 1814, einen Irren, einen alten Holländer oder Kelten (Ranke 1886). Die eigentliche wissenschaftlich einwandfreie und exakte Bearbeitung des Neandertalers erfolgte schließlich erst um 1900 durch den Straßburger Anatomen Gustav Schwalbe (von Koenigswald 1958; aus heutiger Sicht vgl. Klein 2003, Schrenk & Müller 2010, Pääbo 2014); bereits 1864 hatte er durch den englischen Anatomen King seinen wissenschaftlichen Namen Homo neanderthalensis erhalten. Als Virchow dann einige Jahre später den Schädel und den Oberschenkel des Pithecanthropus erectus untersuchte, erklärte er, diese gehörten nicht zusammen. Der Oberschenkel sei der eines Menschen, da die krankhafte Wucherung nur bei diesem vorkäme. Diese Aussage konnte ihm sofort widerlegt werden, indem man darauf verwies, daß ähnliche Wucherungen auch beim Affenknochen zu finden waren. Ähnlich verhielt es sich mit Virchows Behauptungen zum Schädel. Er deutete Einschnürungen oberhalb der Augenhöhlen als ausschließlich dem Affen zugehörend. Man bewies ihm aber anhand eines Schädels aus Brasilien sofort das Gegenteil: Bis an sein Ende lehnte Virchow paläontologische Übergangsformen ab, trotz der an Zahl und Verbreitung immer mehr zunehmenden Funde von Neandertalermenschen bis zum Pithecanthropus (Boenheim 1957: 17–18).
Damit war Virchow (auch in seinen späteren Auseinandersetzungen mit Haeckel)56 zu einem Hemmfaktor für die Etablierung einer (darwinistischen) biologischen Anthropologie geworden, da er als Hauptvertreter der exakt beschreibenden Anthropologie und ohne weitreichende Kenntnisse in der vergleichenden Anatomie der darwinschen Abstammungslehre distanziert gegenüber stand (Schott 1972).57 Seinen anthropologisch-deszendenztheoretischen Leitgedanken, der bis zu seinem Tode zum Dogma wurde, formulierte er mit den Worten: Wir können nicht lehren, wir können es nicht als eine Errungenschaft der Wissenschaft bezeichnen, dass der Mensch vom Affen oder von irgend einem anderen Thiere abstamme. Wir können das nur als ein Problem bezeichnen, es mag noch so wahrscheinlich erscheinen und noch so nahe liegen (Virchow 1877: 31, Hervorhebung im Orig.).
Frühe und zahlreiche Schädelstudien (vgl. Virchow 1870, 1875) hatten ihn zudem auf den Gedanken gebracht, daß die äußeren Rassenmerkmale am Knochensystem, insbesondere die Gesichtsbildung, als Folge bestimmter Wachstumsvorgänge an der
Nachdem Virchow auf der dritten allgemeinen Sitzung der fünfzigsten Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu München am 22. September 1877 eine Rede mit dem Titel »Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat« gehalten hatte, verfaßte Haeckel darauf (24. Juni 1878) eine Entgegnung. Er sah in Virchows Rede eine Denunziation (Haeckel 1908: 17) und verteidigte sich gegen dessen Auffassungen. So hatte dieser beispielsweise jahrzehntelang die Deszendenztheorie als »unbewiesene Hypothese« behandelt. Vgl. davor bereits J. Reinke: Haeckels Monismus und seine Freunde. Ein freies Wort für freie Wissenschaft. Leipzig, Verlag von J. A. Barth. 57 »Im Ganzen müssen wir wirklich anerkennen, es fehlt jeder fossile Typus einer niederen menschlichen Entwickelung. Ja, wenn wir die Summe der bis jetzt bekannten fossilen Menschen zusammennehmen und sie parallel stellen dem, was die Jetztzeit darbietet, so können wir entschieden behaupten, dass unter den lebenden Menschen eine viel grössere Zahl relativ niedrigstehender Individuen vorhanden ist, als unter den bis jetzt bekannten fossilen« (Virchow 1877: 31). 56
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Schädelbasis gedeutet werden konnten.58 So kam er zu dem Grundplan vergleichender Maßbestimmungen, ähnlich wie sie Camper einhundert Jahre zuvor angestellt hatte. Im Jahr der Entdeckung des Neandertalerschädels folgte dazu eine konkrete Abhandlung Untersuchungen über die Entwicklung des Schädelgrundes im gesunden und krankhaften Zustande und über den Einfluß derselben auf Schädelform, Gesichtsbildung und Gehirnbau. Von da an kann man Virchow als Anthropologen bezeichnen (Beneke 1921: 27). Im Jahre 1869 gründete er auf der Naturforscherversammlung in Innsbruck die »Deutsche Gesellschaft für Anthropologie und Ethnologie« sowie die »Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte«; ein Jahr später wurde die »Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte« gegründet (s. u.). Bis zu seinem Tod hat Virchow die Geschicke der beiden Gesellschaften mehr oder weniger gelenkt. Neben dem Neandertalerfund kommt aber auch noch, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, einem zweiten fossilen Fund eine zentrale Bedeutung zu, kann dieser doch als weiterer Wendepunkt innerhalb der Diskussionen um die biologische Anthropologie (in ihrer Anwendung auf die Geschichte der Menschheit) am Ende des 19. Jahrhunderts gedeutet werden (vgl. Teilkapitel 6.1). Es handelt sich um die Pithecanthropus-Funde von Eugen Dubois (1858–1940). Dieser hatte nach Jahren zäher Ausgrabungstätigkeit auf Java bei dem Ort Trinil am Solo-Fluß zwischen 1890 und 1898 zahlreiche fossile Fundstücke59 geborgen. Die Fundstücke beschrieb er später in einer Monographie Pithecanthropus erectus, eine menschenähnliche Übergangsform auf Java (1894). Dubois’ Aussagen und die Zusammengehörigkeit der beiden Einzelstücke wurden auf dem 1895 in Leiden stattfindenden Zoologen-Kongreß lebhaft diskutiert. Kein Fund fossiler Hominiden hat später für größeres Aufsehen gesorgt als dieser. So wurde in den damaligen Debatten die Calotte von einigen Gelehrten für die eines Hylobatiden (Gibbon) gehalten, während man den Femur als menschlich ansah. Der Name »aufrechtgehender Mensch« erklärte sich nach Dubois folgendermaßen: mit der Calotte liege ein Zwischenglied zwischen Anthropoiden und Menschen vor, der Femur hingegen beweise den menschlichen aufrechten Gang. Vielen Forschern fiel es insgesamt schwer, sich mit der Vorstellung eines Pithecanthropus erectus anzufreunden (Virchow, Ranke, Bastian). Haeckel hingegen hatte diesen Fund in seine stammesgeschichtlichen Überlegungen sofort mit einbezogen und in der Systematischen Phylogenie der Wirbelthiere (1895) in die Gruppe der fossilen asiatischen Anthropoiden eingeordnet. Auch im folgenden Jahrhundert sollten zumindest in der ersten Hälfte so zahlreiche fossile Funde gemacht und geborgen werden, daß man nahtlos an die Diskussionen und Kontroversen aus dem vorhergehenden anschließen konnte, insgesamt »Virchows Untersuchungen basierten auf dem durch den schwedischen Phrenologen Anders Retzius entwickelten Schädelindex […] Anfänglich standen Virchows phrenologischen Untersuchungen auf dem Boden der verbreiteten Annahme, wonach zwischen Größe des Schädels und geistiger und kultureller Entwicklung von Menschen ein direkter Zusammenhang bestand […] Je mehr Schädel er untersuchte, desto fraglicher erschien ihm [dann später] der Zusammenhang zwischen Größe des Schädels bzw. des Gehirns und kultureller Entwicklung« (Goschler 2002: 327). 59 ein Unterkieferstück, einen rechten oberen Mahlzahn, ein Schädeldach – Calotte, einen linken oberen Mahlzahn, einen linken Oberschenkelknochen – Femur, einen linken unteren 1. Backenzahn. 58
Dar winismus und Paläoanthropologie – ein E xkurs
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nun aber versuchte, präzisere Auskunft zur Frage nach der Herkunft des Menschen zu geben (vgl. Teilkapitel 11.4). Nachdem bisher in der Darstellung vorwiegend auf die Beschreibung von Inhalten und Entwicklungstendenzen innerhalb der biologischen Anthropologie Wert gelegt wurde, soll nachfolgend die Institutionalisierung des Faches unter vergleichender Perspektive im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, bevor daran anschließend die unmittelbare Weiterentwicklung der biologischen Anthropologie in Deutschland (und in Jena) nach 1900 verfolgt werden soll.
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Erns t Haeckel als Anthropologe
7. Zur Institutionalisierung der (biologischen) Anthropologie
7.1 Impulse für die Anthropogeneseforschung in Deutschland
D
ie biologische Anthropologie in der Nachfolge Darwins hatte durch dessen abstammungskundliche Theorien einen enormen Vorwärtsschub erhalten. Zudem konnte man während dieser Zeit auch schon auf eine langjährig erprobte Untersuchungsmethode – die Kraniologie – (die sich später aber als Sackgasse erweisen sollte; Török 18901) zurückgreifen. Zuerst von Blumenbach eingeführt, später von Anders Retzius in Schweden zur Kraniometrie ausgebaut und von Baer ebenso praktiziert, sollte diese Methode bis um 1900 eine unangefochtene Vormachtstellung einnehmen und die anthropologische Methodologie – nicht nur in Deutschland – nachhaltig bestimmen.2 Neben der oft mühevollen Arbeit der Anthropologen wirkten sich nun aber auch die verstärkten Sammelerfolge der Naturwissenschaftler und Ethnologen während ihrer Reisen und Expeditionen nun positiv auf die Entwicklung aus, konnte doch so der vergleichende Blickwinkel internationalisiert werden (Ranke 1879, Branca 1910; Bitterli 1977). Daneben war zum Ende des 19. Jahrhunderts ein zunehmendes Kausalverhältnis zwischen musealer Entwicklung (Berliner Museenlandschaft etc.), kolonialem Denken und der Entwicklung der Anthropologie erkennbar (vom Bruch 1980, Grosse 2000, Zimmerman 2001, Reinhard 2008, Stoecker et al. 2013, Laukötter 2013, Lange 2013). Zudem verließ man in jenen Jahren mehr und mehr den Boden der (relativ wenigen) fossilen Funde und wandte sich in Untersuchungen vielmehr den Lebenden zu (Ranke 1884; Virchow Vgl. Török, A. von (1890): Grundzüge einer vergleichenden Kraniometrie: Methodische Anleitung zur kraniometrischen Analyse der Schädelform für die Zwecke der physischen Anthropologie, der vergleichenden Anatomie sowie für die Zwecke der medizinischen Disziplinen und der bildenden Künste. Stuttgart. 2 Daher verwundert es nicht, wenn Laien noch heute häufig Kraniologie mit Anthropologie gleichsetzten, da die unendlich erscheinenden Meßreihen an Schädeln mit ihren Daten den Eindruck größter Gelehrsamkeit verbreiten: »Skulls were paradigmatic objects for German anthropologists both because they were perfect examples of the kind of data that they sought in all their studies and because their study required precise standardization« (A. Zimmerman 2001: 106). Vgl. ebenso Gustafsson (1996). 1
Impulse für die Anthropogeneseforschung in Deut schland
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u. a.). Ebenso gewann die von Friedrich Ratzel (1844–1904) begründete Anthropogeographie zunehmend an Bedeutung (Ratzel 1912). Dies alles beeinflußte – neben den bisher erwähnten Ereignissen – in unterschiedlicher Weise die Entwicklungen innerhalb der deutschen biologischen Anthropologie. Mit der Begründung eigener wissenschaftlicher Gesellschaften sollte es in Deutschland aber noch schleppend vorangehen. Nachdem R. Wagner als Herausgeber des in Göttingen 1861 angedachten »Archivs für Anthropologie«3 keine nennenswerten Aktivitäten entwickelte, ging schließlich Alexander Ecker auf die brieflichen Vorstellungen von Baers ein und wurde der Hauptschriftleiter. So gelang es 1866 den ersten Band des »Archivs für Anthropologie« vorzulegen.4 Das Organ publizierte in den darauf folgenden Jahren die bedeutendsten Beiträge auf dem Gebiet der Anthropologie. Mit dieser Entwicklung lag man weitgehend auch im internationalen Trend, wie nachfolgende Aufzählung dokumentiert: – – – – – – – – – – – –
1860: Bulletins de la Société d’Anthropologie de Paris (ab 1900 Bulletins et Mémoires de la Société d’Anthropologie de Paris) – Frankreich, 1866–1935: Archiv für Anthropologie – Deutschland, 1871: Archivio per l’Anthropologia e la Etnologia – Italien, 1871: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien – Österreich, 1872: The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland – Großbritannien, 1872: Revue d’Anthropologie – Frankreich, 1883: Bulletin de la Société d’Anthropologie de Bruxelles – Belgien, 1888: American Anthropologist- USA, 1890: L’Anthropologie – Frankreich, 1893: Atti della Societá Romana di Anthropologia – Italien, 1895: Journal of the Anthropological Society of Nippon – Japan, 1899: Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie – Deutschland.
Dieser hier aufgezeigte Entwicklungstrend wurde um/nach 1900 dann kontinuierlich fortgeführt: – – – – –
1901–1964: Man – Großbritannien, 1902: Politisch-anthropologische Revue – Deutschland, 1904: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie – Deutschland, 1900–1937: Russkij Anthropologiceskij Zurnal – Rußland/Sowjetunion, 1914: Archives Suisses d’Anthropologie Générale – Schweiz,
Nur in Frankreich hatte es eine anthropologische Zeitschrift gegeben, die älter war als das »Archiv für Anthropologie«: »Damit erscheint auch in Deutschland – im Gegensatz zu der streng naturwissenschaftlichen Ausrichtung des Göttinger Treffens – die Anthropologie als Oberbegriff einer kollektiven Wissenschaft [bis etwa zur Jahrhundertwende], wie es in den angelsächsischen Ländern bis heute geblieben ist« (Schwidetzky 1982: 79). 4 Vgl. Archiv für Anthropologie. Zeitschrift für Naturgeschichte und Urgeschichte des Menschen. Organ der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Begründet von Alexander Ecker und Ludwig Lindenschmidt, hrsg. und redigiert von Johannes Ranke, Braunschweig 1866–1935, Bd. 1–54. 3
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Zur Ins titutionalisierung der (biologischen) Anthropologie
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1918: American Journal of Physical Anthropology – USA, 1919: Trabalhos da Sociedada Portugesa de Anthropologia e Etnologia – Portugal, 1923–1941: Anthropologie Prag – CR (Protektorat), 1924: Anthropologischer Anzeiger – Deutschland, 1924–1972: Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte – Schweiz, 1925: Przeglad Anthropologiczny – Polen, 1929: Human Biology – USA, 1929: Zeitschrift für Rassenphysiologie – Deutschland, 1931: Archiv für Bevölkerungswissenschaft – Deutschland, 1934: Rasse – Deutschland, 1935: Zeitschrift für Rassenkunde und die gesamte Forschung am Menschen – Deutschland, 1936: Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre – Deutschland, 1937: Fortschritte der Erbpathologie, Rassenhygiene und ihrer Grenzgebiete – Deutschland.5
Kurze Zeit nach der Gründung des »Archivs für Anthropologie« gelang es nun auch in Deutschland, entsprechende Interessenvertretungen zu organisieren, die über Jahrzehnte hinweg die wissenschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Anthropologie mitbestimmen sollten: So wurde 1869 die Berliner und am 1. April 1870 die »Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte« (= Deutsche Anthropologische Gesellschaft, DAG) in Mainz gegründet.6 Wie Querner (1969–1971) herausarbeitete, muß als Vorläufer beider Gesellschaften die »Sektion für Anthropologie und Ethnologie« der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte angesehen werden.7 Diese wurde 1868 anläßlich der in Dresden stattfindenden 42. Versammlung gegründet. Auf der 43. Versammlung in Innsbruck (1869) Es wurden aber auch im Zeitraum der zweiten darwinschen Revolution zahlreiche anthropologische Zeitschriften (international) gegründet, die ähnlich den oben vorgestellten Beispielen, einen Beitrag für das Verständnis von biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie leisteten: 1945: Trabajos del Instituto Bernadino de Sahagun de Anthropologia y Etnologia – Spanien; 1947: The Estern Anthropologist – Indien; 1950: Homo – BRD; 1953: Materialy i Prace Anthropologiczne – Polen; 1954– 1963: Probleme de Anthropologie – Rumänien; 1954: The Anthropologist, Delhi – Indien; 1956: Crania Hungarica (ab 1962 Anthropologia Hungarica) – Ungarn; 1957–1959: Sovjetskaja Anthropologija – Sowjetunion; 1960: Current Anthropology – USA; 1960: Voprosy Anthropologii – Sowjetunion; 1961: Mitteilungen der Sektion Anthropologie der Biologischen Gesellschaft der DDR – DDR; 1962: Anthropologie, Brno – CSSR; 1964: Annuaire Roumain d’Anthropologie – Rumänien; 1964: Anales de Anthropologia – Mexico; 1964: Glasnik Anthropoloskog Drustva Jugoslavije – Jugoslawien; 1966: Archeology & Physical Anthropology in Oceania – Australien. 6 »auch hier [ist] also Anthropologie teils als Oberbegriff einer kollektiven Wissenschaft – ›Anthropologische Gesellschaft‹ – teils als naturwissenschaftliches Teilfach neben den anderen Fächern des Kollektivs – Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte« (Schwidetzky 1982: 79). 7 Auch auf diesem Gebiet war also ein allgemeiner internationaler Trend sichtbar, dem Deutschland folgte. So existierten bereits vor der deutschen Gründungsphase anthropologische Gesellschaften in Paris (1859), London (1863) und Madrid (1865), Wien und Italien folgten 1870. Parallel dazu 5
Impulse für die Anthropogeneseforschung in Deut schland
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konstituierte sich auf Initiative von Carl Vogt ein provisorischer Ausschuß für die Gründung einer »Deutschen Gesellschaft für Anthropologie und Ethnologie«. Rudolf Virchow war in diesem Ausschuß Mitglied und hatte daraufhin die Idee, die Berliner Gesellschaft ins Leben zu rufen (Andree 1969–1971). Ein Jahr später wurde, wiederum unter maßgeblichem Einfluß Virchows, die »Deutsche Anthropologische Gesellschaft« gegründet.8 Die wissenschaftlichen Aktivitäten der »Deutschen Anthropologischen Gesellschaft« waren vielfältig. So wurden die jährlichen Versammlungen an wechselnden Orten ausgerichtet, waren die Vorträge stets gut besucht und engagierten sich neben R. Virchow in den ersten Jahren noch weitere namhafte Gelehrte, wie beispielsweise der Freiburger Anatom A. Ecker, der Münchener Anatom Julius Kollmann, der Baseler/Leipziger Anatom Wilhelm His, der Bonner Anatom H. Schaaffhausen oder der Straßburger Anatom Gustav Schwalbe. Trotzdem konnte es nicht vermieden werden, daß sich aus dieser Überorganisation wiederum kleinere Organisationen abzweigten. Die »Berliner« und die »Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte« wurden jedoch prägend. Viel Augenmerk schenkte man auch frühzeitig den wissenschaftlichen Projekten. So wurde bereits auf der dritten allgemeinen Versammlung der »Deutschen Anthropologischen Gesellschaft« in Schwerin 1872 ein Dreipunkte-Katalog verabschiedet. Dieser betraf drei Kommissionen und nannte als Aufgaben: 1. 2. 3.
eine Kommission für die Kartierung vorgeschichtlicher Funde unter Vorsitz von O. Fraas; eine Kommission für die Statistik der Schädelformen in Deutschland unter der Leitung von R. Virchow; eine Kommission für die Verzeichnisse der Sammlungen unter Vorsitz von H. Schaaffhausen (Schwidetzky 1982: 80).
Die einzelnen Kommissionen waren unterschiedlich erfolgreich, wobei inhaltlich die von Virchow initiierten Schulkinderuntersuchungen9 und die erstellten Sammlungskataloge herausragen (Ackerknecht 1957). Um die Jahrhundertwende konnte schließlich auch innerhalb der Gesellschaften und Zeitschriften eine Zersplitterung der beteiligten Fächer nicht verhindert werden, eine Tendenz wie sie sich schon zuvor in anderen Fächern und Ländern abgezeichnet hatte. Die große Zeit der »Deutschen Anthropologischen Gesellschaft« lag vor der Jahrhundertwende. Ein erstes äußeres Anzeichnen für ein Umdenken in der Anthwurden als »Organe« der jeweiligen Gesellschaft entsprechende anthropologische Zeitschriften etabliert. 8 Vgl. Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Redigiert von Johannes Ranke, Braunschweig 1870–1923, Bd. 1–52. 9 »Der umfassendste Versuch, den Nationalstaat im 19. Jahrhundert mit Hilfe von Rassenkriterien zu erfassen, war die anthropologische Untersuchung von etwa 6,76 Millionen Schulkindern im deutschsprachigen Raum, welche die Deutsche Anthropologische Gesellschaft seit 1876 unter Virchows Leitung durchführte […] Die deutsche Schulkinderuntersuchung dient oft als Beleg dafür, dass Virchow und andere liberale Anthropologen den Versuch zurückgewiesen hätten, Rassenkonzepte in Geschichte und Politik einzuführen« (Goschler 2002: 336–337).
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Zur Ins titutionalisierung der (biologischen) Anthropologie
ropologie war die Gründung der »Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie«10 durch Gustav Schwalbe im Jahre 1899, wo Schwalbe in seinem Vorwort im ersten Band betonte: Unsere Zeitschrift soll ausschließlich der physischen Anthropologie gewidmet sein […] Morphologie und Physiologie des Menschen [sollen im Vordergrund stehen] usw. (Schwalbe 1899b).
Liest man weiter, fällt auf, daß frühere im Fächerverbund der Anthropologie vorhandene Disziplinen wie eben die Urgeschichte und Ethnologie nun in Schwalbes Ausführungen fehlen. Damit war bereits zur Jahrhundertwende eine Umkehr der Anthropologie zur reinen exakten Naturwissenschaft hin vollzogen (vgl. auch Schwalbe 1910). Insbesondere wurden diese Erscheinungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg für die »Deutsche Anthropologische Gesellschaft« immer deutlicher. So mußten wegen des Krieges und anhaltender Inflation im Jahre 1920 das Correspondenzblatt sowie die als Äquivalent gegründeten »Nachrichten der deutschen Anthropologischen Gesellschaft« ihr Erscheinen einstellen, und im Jahre 1935 beschloß man auf der Tagung in Hannover sogar, die »Deutsche Anthropologische Gesellschaft« aufzulösen.11 Der Ethnologe G. Thilenius erhielt deshalb den Auftrag, eine Geschichte der »Deutschen Anthropologischen Gesellschaft« zu schreiben, die aber nie erschien. Das »Archiv für Anthropologie« überdauerte den Zweiten Weltkrieg ebenso nicht (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 84). Gegenüber der hier aufgezeigten umfassenden Tätigkeit anthropologischer Gesellschaften und den zahlreichen Gründungen wissenschaftlicher Zeitschriften spielte die akademische Vertretung des Faches in Deutschland zunächst eine eher untergeordnete Rolle (Buschan 1900), obwohl es doch zahlreiche Wortmeldungen verschiedener Naturforscher bis dahin gegeben hatte (vgl. Kapitel 5). Der entscheidendste institutionelle Schritt in Deutschland wurde erst 1886 in München vollzogen, als Johannes Ranke (1836–1916) auf den damals neu eingerichteten Lehrstuhl für Anthropologie (Philosophische Fakultät) an der Ludwig-Maximilians-Universität berufen wurde (Ziegelmayer 1987, 2000). Bereits als junger Dozent hatte Ranke Vorlesungen zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschichte gehalten. Später hat er sich dann u. a. neben seinen physiologischen Arbeiten auch mit der »Physischen Anthropologie Altbayerns« beschäftigt, sich gegen die Rassentheorien von J. A. Gobineau oder H. St. Chamberlain gewandt usw. Sein zweibändiges und in mehreren Auflagen erschienenes Werk Der Mensch umfaßte neben Aussagen zur Anatomie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte dann auch im zweiten Band die Methoden der Anthropologie der menschlichen Rassen sowie die Fossilgeschichte des Menschen.12 Im Jahre 1888 wurde Ranke erster Vorsitzender der von Diese Zeitschrift erschien bis Bd. 83 (2002) und fusionierte anschließend mit dem »Anthropologischen Anzeiger«. 11 Vgl. Anthropologischer Anzeiger 3: 264, 1926; 6: 86, 1929; 12: 162, 1935. 12 »[…] dieses Werk ist im wahren Sinn des Wortes nie recht modern gewesen. Der Verfasser hat sich in den zusammenfassenden und grundlegenden Problemstellungen ganz von den reaktionären Ideen Virchows leiten lassen, der bekanntlich der natürlichen Entwicklungslehre und speziell dem Darwinismus wenig günstig gesinnt war […] Da aber sein Buch in der Anwendung der Deszendenztheorie auf die Menschenkunde gänzlich versagt hat, hat es nicht denjenigen fördernden und befruchtenden Einfluß ausüben können, der sonst sicherlich von ihm ausgegangen sein würde. Ande10
Impulse für die Anthropogeneseforschung in Deut schland
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Abb. 22: Felix von Luschan. Der Begründer des Berliner Lehrstuhls für Anthropologie. In: Eickstedt, Egon Frh. von: Rassenkunde und Rassengeschichte des Menschen, Erster Band, Stuttgart 1938, S. 131.
ihm mitbegründeten »Münchner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte«. Nach 100 Semestern Lehrtätigkeit an der Münchner Universität starb Ranke (26. Juli 1916) kurz nach Vollendung seines 80. Lebensjahres; zum Nachfolger wurde Rudolf Martin aus Zürich ernannt. In Berlin, wo neben Virchow auch sein kongenialer Partner, der Ethnologe Adolf Bastian (1826–1905), tätig gewesen war (Bastian 1868a, b), wurde 1900 im Rahmen der Philosophischen Fakultät ein Extraordinariat für Anthropologie gegründet und mit Felix von Luschan (Habilitation für Anthropologie 1882 in Wien) besetzt. Neun Jahre später wurde es in ein Ordinariat umgewandelt (A. Zimmerman 2001). Schon ein Jahr vor Rankes Berufung hatte ebenso die erste Habilitation für das Fach Anthropologie in Deutschland stattgefunden. Emil Schmidt habilitierte sich in Leipzig, wo er 1889 zunächst außerordentlicher Professor und 1896 Honorarprofessor wurde (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 87). Mit Rankes Lehrstuhl findet sich somit der älteste Lehrstuhl für Anthropologie in Deutschland, dem weitere Vertretungen des Faches an den Universitäten in Leiprerseits ist es auffallend, daß unter den deutschen Anthropologen bisher keiner an eine zusammenfassende Darstellung der anthropologischen Wissenschaft herangegangen ist« (Woltmann 1905a: 8).
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zig (1889), Berlin (1900) und Breslau (1907) folgten. Neben Ranke erwarben sich aber auch zeitgleich noch andere Wissenschaftler Verdienste innerhalb der biologischen Anthropologie: der Baseler Anatom Wilhelm His (1831–1904), seit 1872 in Leipzig, war ebenso an der Gründung des »Archivs für Anthropologie« beteiligt und legte als einer der Ersten eine umfangreichere Bearbeitung prähistorischen Skelettmaterials vor (Crania Helvetica 1864); der Frankfurter Anatom Johann Ch. Lucae (Teilnehmer der Göttinger Zusammenkunft von 1861) erwarb sich Verdienste um die Meßtechnik und Meßinstrumente; der Prähistoriker Ludwig Lindenschmidt (1809–1893) gründete das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz und war einer der Erstherausgeber des »Archivs für Anthropologie« usw. In Jena, wo man 1863 im Umfeld Haeckels so zahlreiche und vielversprechende Impulse erhalten hatte, verschlief man hingegen völlig den nationalen und internationalen Trend. Es sollte schließlich erst den Nationalsozialisten im Frühjahr 1930 vorbehalten sein, die biologische Anthropologie (mittels Sozialanthropologie) als Kernfach wieder an der Universität zu etablieren.
7.2 Die Institutionalisierung der Anthropologie in anderen Ländern
Im Folgenden soll nun anhand exemplarischer Länderbeispiele (Österreich, Schweiz, Rußland/Sowjetunion, Skandinavien, USA) dargestellt werden, wie sich die Entwicklung der Anthropologie zu einem Fach außerhalb Deutschlands vollzogen hat (vgl. u.a. auch Riquet 1978). Die deutsche Entwicklung wurde in den bisherigen Kapiteln entsprechend (Lehrstühle, Institute, Zeitschriften, Gesellschaften) separat und vergleichend betrachtet, wobei sich die hier spezifisch zu untersuchende Jenaer Entwicklung – auf die noch detailliert einzugehen ist – als Teil einer gesamtdeutschen Entwicklung präsentierte.13 Österreich
Bedingt durch die einheitliche Sprache und günstige geographische Lage stand die österreichische Anthropologie mit der deutschen in engem Zusammenhang. Am 13. Februar 1870 wurde eine Anthropologische Gesellschaft von Ferdinand Freiherr von Andrian-Werburg (1776–1851) in Wien gegründet, die aber die »Lösung der biologischen Anthropologie von den Kulturwissenschaften nicht mitgemacht [hat] und [deshalb] heute noch im Herzen Mitteleuropas die Kollektivanthropologie« vertreten wird (Knußmann 1988: 70; von Eickstedt 1937–43: 136–138). Im Jahre 1913 Ähnlich wie für die Evolutionsbiologie spielten für die Genese der Anthropologie zu einem eigenständigen Fach die Entwicklungen in den Ländern Frankreich, Großbritannien und Italien eine bedeutende Rolle (Junker & Hoßfeld 2001, 2009; vgl. Kapitel 7). An dieser Stelle sei bereits weiterführend auf die Arbeiten von Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982) sowie Knußmann (1988) verwiesen, die zur Institutionalisierung der Anthropologie umfangreiches internationales Material zusammengetragen haben. Fast vier Jahrzehnte vor diesen Studien war von Eickstedt schon bestrebt gewesen, mit Informationen in einer Abteilung »Nachrichten« innerhalb der »Zeitschrift für Rassenkunde« den Anthropologen wichtige nationale und internationale Entwicklungstrends in der Anthropologie aufzuzeigen. 13
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wurde der erste Lehrstuhl mit Institut an der Universität Wien unter Rudolf Pöch (1870–1921) eingerichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg waren dann die Anthropologie und Ethnologie (Otto Reche), Urgeschichte (Moritz Hörners) sowie Völkerkunde (Michael Haberlandt) an der Universität Wien schließlich so stark vertreten, daß die Leitung der Anthropologischen Gesellschaft sogar an die Hochschule überging (Lebzelter 1938: 74). Nachdem Reche nur kurze Zeit nach Pöch tätig gewesen war, folgte diesem Josef Weninger (1886–1959). Der Differenzierungsprozeß schritt zu Beginn der 1920er Jahre weiter fort. Den drei oben erwähnten Lehrstühlen standen in jener Zeit entsprechend drei Forschungsinstitute am Naturhistorischen Museum gegenüber (Völkerkundemuseum, Anthropologische und Prähistorische Abteilung). Auf die unmittelbaren Entwicklungen vor und während der nationalsozialistischen Herrschaft (ab 1938) kann an dieser Stelle nicht Bezug genommen werden (Hoßfeld 1999a, Teschler-Nicola 2003, Pawlowsky 2003, Baader et al. 2007). Im Jahre 1955 löste Emil Breitinger (1904–2004) Weninger ab und setzte weitere neue Impulse für die österreichische Anthropologie. Auch seine Schüler Gertrud Hauser, Johann Szilvassy und Horst Seidler (späterer Institutsdirektor von 1980–1999) prägten das Bild der biologischen Anthropologie in der Folgezeit. Im Jahre 1969 erfolgte schließlich eine erneute Umbenennung des Wiener anthropologischen Institutes in »Humanbiologisches Institut«, wodurch der Bezug zu den Naturwissenschaften noch verstärkt wurde (seit dem Jahr 2000 heißt es wieder Anthropologisches Institut).14 Schweiz
Die Entwicklung und Institutionalisierung der Anthropologie im deutschsprachigen Teil der Schweiz war unmittelbar mit der deutschen verbunden (Schmutz 1983). Es war Rudolf Martin, der als erster die Anthropologie auf einem Lehrstuhl an der Universität Zürich vertrat (1899–1911), gefolgt von seinem Schüler Otto Schlaginhaufen, der wiederum vom Primatologen Adolph H. Schultz abgelöst wurde. In Basel entstand mit der Anthropologischen Abteilung am Naturhistorischen Museum ein zweites Zentrum (Fritz und Paul Sarasin, Felix Speiser), auch in Bern sind anthropologische Wurzeln insbesondere für die Vor-Martinsche Zeit aufzuspüren (Bay 1986, Glowatzki 1983). In der französischen Schweiz hat Genf eine große anthropologische Tradition, verbunden mit den Namen E. Pittard und M.-R. Sauter, vorzuweisen. Hier lag aber im Gegensatz zur Züricher Tradition (Gliederung der Anthropologie in zwei Unterabteilungen: physische und psychische) der Schwerpunkt in der Verbindung zur Prähistorie (Sauter 1962).15 Heute ist ein Institut und Museum für Anthropologie an der Universität in Zürich (Irchel) sowie ein Department of Anthropology an der Universität in Genf beheimatet.16
Vgl. weiterführend A. Mayer (1999), Berner (2003), Teschler-Nicola & Berner (1998) sowie T. Mayer (2004). 15 Für den Zeitraum der 1920er und 1930er Jahre vgl. die Entwicklungen am Beispiel von Zürich bei Schmutz (2001). 16 Vgl. http://www.unizh.ch/anthro/. 14
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Rußland/Sowjetunion
In Rußland – dem »eurasischen Schmelztiegel« (Poliakov 1993: 127, Alexandrov 1995, Avdeev 2004, Mogilner 2013) – kann man die Institutionalisierung der Anthropologie bis in die Regentschaft von Zar Peter dem Großen zurückverfolgen. Dieser errichtete im Jahre 1718 in Petersburg eine Kunstkammer (heute in unmittelbarer Nähe zur Akademie der Wissenschaften gelegen), die später zu einem Bestandteil des Museums für Anthropologie und Ethnographie wurde. Levin nennt in seiner Abhandlung weitere Vorläufer anthropologischer Interessen wie die russische Übersetzung von Buffons Histoire Naturelle (1756) oder das Erscheinen des »Magazins für die Naturgeschichte, Physik und Chemie« (Levin 1960).17 Einen bedeutenden inhaltlichen Aufschwung erfuhr die russische Anthropologie, als 1834 Karl Ernst von Baer aus Königsberg an die Petersburger Akademie berufen wurde, wo er ab 1841 auch gleichzeitig Professor für vergleichende Anatomie und Physiologie (MedizinischChirurgische Fakultät) war. Für den weiteren Ausbau seiner anthropologischen Interessen und Sammlungen (Anthropographie etc.) bot ihm Rußland umfangreiches Material. So bereiste von Baer mehrmals verschiedene Landesteile des Riesenreiches wie z. B. 1837 Novaja Semlja, führte während dieser Reisen u. a. kraniologische und ethnologische Studien durch und faßte diese »Arbeitstechniken« letztlich als »vergleichende Anthropologie« zusammen (Raikov 1968). Im Jahre 1824 war er in seinem Buch über Anthropologie aber noch für eine Trennung von Anatomie und Physiologie eingetreten (von Baer 1824). Noch zu Lebzeiten von von Baer wurde schließlich auf Initiative des Zoologen A. P. Bogdanov 1864 in Moskau eine Anthropologische Abteilung der Kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturkunde gegründet. Bogdanov (1834–1896) war es auch zu verdanken, daß in Moskau 1879 eine erste anthropologische Ausstellung stattfand, die inhaltlich weit gefaßt war. Im Jahre 1876 wurde in Moskau dann ein erster Lehrstuhl mit D. N. Anucin (1843–1923) besetzt, der eine Ausbildung bei Broca absolviert hatte. In den Folgejahren schritt die Institutionalisierung weiter voran. So folgte 1892 in St. Petersburg auf Initiative von A. Tarenecki die Einrichtung eines anthropologischen Zentrums mit der Gründung der Anthropologischen Gesellschaft an der Militärakademie, 1900 kam bereits der erste Band der russischen anthropologischen Zeitschrift »Russki Anthropologiceskij Zurnal« (bis 1937 erschienen) hinzu. Tarenecki gilt als der eigentliche Begründer der russischen Anthropologie (Knußmann 1988: 74). Wie für breite Teile der schwedischen Anthropologie läßt sich auch für Rußland für die Zeit vor der Oktoberrevolution eine enge Verbindung von Anthropologie und Geographie konstatieren; ebenso findet man eine lange Tradition in der Eugenik und Rassenhygiene vor (Shumeiko 2004). Die politischen Umschwünge nach 1917 hatten auf die Institutionalisierung der Anthropologie dann aber keinen weiteren Einfluß: so wurde 1919 der Moskauer Lehrstuhl mit Anucin wieder besetzt, gliederte man diesem 1923 ein Universitätsinstitut mit Museum an bzw. folgte nach dem Tod von Anucin sein Schüler V. V. Bunak (1891–1978) mit einem breiten Arbeitsspektrum. Bunak sollte jahrzehntelang die Geschicke der russischen Anthropologie leiten und lenken (Nesturch 1964).18 In 17 18
Vgl. Georgievsky (2009), Stolberg (2006), Sobich (2006), Kolchinsky (2006). Im Jahre 1966 postulierte schließlich noch Ju. I. Semjonow (anknüpfend an Marx’ Studien zur
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Abb. 23: G. Retzius vermißt einen Samen. In: Kungl. Vetenskapsakademiens arkiv, Centrum för Vetenskapshistoria, Stockholm.
der Zeit des Lyssenkoismus fiel Bunak wie die Mehrzahl seiner Kollegen in politische Ungnade und wurde aller seiner Ämter enthoben. Nach dem Sturz Lyssenkos wurde er jedoch voll rehabilitiert, kehrte aber nicht auf seinen Lehrstuhl zurück: zu seinem 70. Geburtstag [erschien] eine Festschrift mit internationaler Beteiligung, ein in der sowjetischen Anthropologie erstmaliges und in der sowjetischen Wissenschaft überhaupt seltenes Ereignis (Knußmann 1988: 75).
Von 1917 bis etwa 1924 war zudem die sowjetische Anthropogenese-Forschung vor allem durch die »konsequente Anwendung des Darwinismus und seine Weiterentwicklung bei der theoretischen Klärung des Menschwerdungsprozesses« gekennzeichnet gewesen. Eine weitere »Ausarbeitung der biologisch-theoretischen GrundFrühgeschichte und Ethnologie) in seinem in Moskau erschienenen Buch »Wie die Menschheit entstand« eine Zweisprungtheorie zur Herausbildung der Menschheit. In einem ersten Sprung sollte mittels Beginn der Geräteherstellung der Übergang vom Stadium der tierischen Vorgänger des Menschen zum Stadium der sich herausbildenden Menschen vollzogen werden. Daran schloß sich die zweite Phase an, in der sich die Ablösung des Neandertalers durch den Homo sapiens vollzog (Altner 1972: 193).
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lagen der Anthropogeneseforschung« erfolgte dann in den Jahren 1939 bis 1948 (I. I. Schmalgauzen, A. N. Severcov), danach wurde deutlich, daß diese Probleme und Fragestellungen nur noch auf »Grundlage von Ergebnissen der geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen« gelöst werden konnten (Herrmann & Ullrich 1991: 553 ff.).19 Skandinavien
Skandinavien zählt, was die Versuche angeht, das Fach durch Lehrstuhl und Gesellschaft zu organisieren, zu den an Tradition ärmeren Gebieten in Mitteleuropa.20 In Dänemark kann mit Peter W. Lund (1801–1880), dem Entdecker der LagoaSanta-Schädel (1834–1844), ein erster Fachvertreter der Anthropologie benannt werden. Auf Initiative von Sören Hansen wurde 1904 ein Komitee für die anthropologische Untersuchung der dänischen Bevölkerung gegründet. Dieses brachte auch eine ganze Reihe an Veröffentlichungen zu diesem Thema heraus, bestand aber nur wenige Jahre (Hansen 1909, Birket-Smith 1938, Hansen 1996). Schweden ist hingegen schon durch das Wirken von Anders A. Retzius als eine der Ursprungsstätten der Anthropologie zu bezeichnen; Eugen Fischer sprach später in diesem Zusammenhang vom »Germanennorden« und Alfred Ploetz vom »Mutterland der Germanen«.21 Retzius hatte im Jahre 1842 – als Fortführung und Erweiterung des neuroanatomischen Ansatzes von Gall und Spurzheim – den Schädelindex (Längen-Breiten-Index) in die Kraniologie eingeführt, aufgrund dessen man eine Unterscheidung von Lang- und Kurzschädeln vornahm und hatte so für die später insbesondere von Martin postulierte Anthropometrie eine Vorläuferleistung erbracht.22 Sein Sohn Gustaf gründete 1873 eine schwedische Gesellschaft für Anthropologie, die aber bereits fünf Jahre später die Geographie mit aufnahm und diese dann auch nur noch samt ihrer Zeitschrift »Ymer« in der Folgezeit vertrat (Knußmann 1988: 71). Zentrale Bedeutung für die Geschichte der biologischen Anthropologie erlangte schließlich Gustaf Retzius’ Huxley Lecture »The so-called north european race of mankind« (1909), die das Wissen der damaligen Zeit im Überblick referierte. Im Jahre 1921 wurde schließlich auf Initiative von Herman Lundborg (1868–1943), der sich später einen Namen durch seine anthropologische Landeserhebung machte, ein Staatsinstitut für Rassenbiologie (Staatens Institut för Ras-Biologie) in Uppsala gegründet.23 Dieses war zunächst rein rassenhygienisch ausgerichtet (Broberg & Tydén Vgl. weiterführend u. a. V. P. Jakimov, Ja. Ja. Roginskij & V. V. Bunak [Hrsg.] (1951): Proischozdenie celoveka i drevnee naselenie celovecestva. Moskva; oder die weiterführende Literatur bei Herrmann & Ullrich (1991), Endnoten 19–34 (S. 665–667); Alexeyev (1978). 20 Vgl. speziell zur Entwicklung der Anthropologie in Skandinavien die Publikationen beispielsweise von Broberg & Roll-Hansen (1996), Schmidt & Kristensen (1986) oder Ljungström (2002, 2004); zur Entwicklung speziell der Rassenhygiene vgl. Mjöen, J. A. (1935): Rassenhygiene in den nordischen Ländern. Nationalsozialistische Monatshefte 6: 874–885. 21 Vgl. Handschriftenabteilung der Universität Uppsala, Briefnachlaß H. Lundborg. 22 Vgl. Johannsen (1907), Lundman (1938), Breidbach (1997: 65 ff.), Röhrer-Ertl (2001), Theile (2005). 23 Wie Recherchen im Nachlaß des Rassenbiologischen Institutes (H. Lundborg) in Uppsala in der Handschriftenabteilung der Universität im April 2003 und März 2005 ergaben, bestand von Beginn 19
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1991, 1996) – man hatte sich u. a. die Aufgabe gestellt, Schweden rassenbiologisch zu durchforschen und zu kartieren –, erfuhr dann aber unter Lundborgs Nachfolger, dem Zwillingsforscher Gunnar Dahlberg (1893–1956), eine mehr humangenetischpopulationsgenetische Umorientierung.24 Das Interesse der Allgemeinheit wurde vielleicht zum ersten Male durch die Volkstypenausstellung im Jahre 1919 auf derartige Fragestellungen gelenkt.25 Im darauffolgenden Jahr wurde in Lund die Zeitschrift »Hereditas« mit Robert Larsson als Redakteur und Hermann Nilsson-Ehle, Heribert Nilsson, Lundborg und Gustav Thulin als Mitarbeiter gegründet. Im Jahre 1925 war zudem von Hans F. K. Günthers Rassenkunde Europas bereits eine schwedische Übersetzung Europas Raser im Verlag Almqvist und Wickfell (Stockholm) erschienen (Olsson, Hoßfeld & Levit 2006 a). In jenen Jahren hat auch der Gegenbaur-Schüler Wilhelm Leche (1850–1927) ein umfassendes Buch mit dem Titel Der Mensch. Sein Ursprung und seine Entwicklung vorgelegt und darin versucht, embryologische, vergleichenend-anatomische sowie anthropologische Daten über den Menschen (im Vergleich mit anderen Wirbeltieren) – auf darwinscher Grundlage – miteinander zu verbinden: Alle positiven Tatsachen aus allen Gebieten der Biologie […] haben bezüglich des Menschenproblems ein Generalresultat ergeben, welches auf folgende Weise formuliert werden kann: der Mensch ist ein Glied einer lückenlosen Entwicklungskette; er ist aus einer niedrigeren, einer tierischen Lebensform hervorgegangen (Leche 1922: 370, Hervorhebung im Orig.).
Ähnliche Entwicklungstendenzen sind für Norwegen zu konstatieren. Hier gilt C. D. E. Arbo, vorwiegend rassenkundlich und rassengeschichtlich arbeitend, als Initiator der Anthropologie. Arbos Interessen folgten später K. E. Schreiner mit Ehefrau A. Schreiner sowie der aus Trondheim stammende Halfdan Bryn. Wie in Schweden wurden auch hier Landeserhebungen (mittels Rekruten) durchgeführt, älteres Schädelmaterial gesammelt und ausgewertet sowie das Volk der Lappen (Samen) eingehender studiert. Neben einer rassenhygienischen Ausrichtung etablierte sich hier aber noch eine zweite, die soziologische Richtung unter Leitung von Flodström (Demographie und Rassenkunde als Einheit). In Finnland hingegen wurde wie in den Nachbarländern in den 1920er Jahren mit einer Art Landesanthropologie begonnen (Kajava 1925). Initiatoren waren hier die Finnische Akademie der Wissenschaften unter der Ägide der Anatomen Y. Kajava sowie dessen Nachfolger V. Lassila. Ebenso lehrte der Geograph K. Hildén seit an, zwischen Lundborg und zahlreichen deutschen (auch schweizerischen) Anthropologen und Hygienikern ein enger wissenschaftlicher Kontakt. So finden sich beispielsweise im Briefnachlaß Lundborgs Namen wie von Eugen Fischer, Hans F. K. Günther, Alfred Grotjahn, Michael Hesch, Fritz Lenz, Rudolf Martin, Alfred Ploetz, Rudolf Pöch, Ernst Rüdin und Otto Schlaginhaufen; zahlreiche gegenseitige Einladungen folgten (Lenz, Fischer, Ploetz). 24 Vgl. z.B. Lundborg, H. (1913): Medizinisch-biologische Familienuntersuchungen innerhalb eines 2232 köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden (Provinz Blekinge). Jena: Gustav Fischer; Ders. (1921): Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven. Jena: Gustav Fischer; Ders. (1928): Rassenkunde des schwedischen Volkes. Jena: Gustav Fischer; Ders. (1934): Bevölkerungsfragen, Bauerntum und Rassenhygiene. Berlin: Metzner; Dahlberg, G. (1917): Vererbung und Rasse. Hamburg: Phönix; Ders. (1926): Twin Births and Twins from a hereditary Point of View. Stockholm: Tiden. 25 Vgl. ergänzend den Artikel »Ein Alptraum vom reinen Schweden«, in: Die Zeit, Nr. 37, 05.09.1997, S. 13 ff.
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1926 an der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften der Universität Helsinki Anthropologie. Er wurde 1935 von N. Pesonen abgelöst. Zu einer institutionellen Verankerung des Faches kam es nicht (Hilden 1938). Für den Abschluß der Betrachtung soll noch kurz auf eine außereuropäische Entwicklung – auf die in den USA – eingegangen werden. Hier lassen sich ab dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts einige wichtige Bezüge zu Forschungsinhalten oder dem Austausch von Wissenschaftlern mit Europa erkennen. USA
Vergleicht man die Institutionalisierung der Anthropologie in den USA mit den bisher aufgezeigten länderspezifischen Entwicklungslinien, gehört die amerikanische zu denen jüngeren Datums. Im Jahre 1980 konnte erst das 50-jährige Jubiläum der amerikanischen physischen Anthropologie begangen werden (Spencer 1982: XV; Sommer 2012). Als Ursprungsdatum für diese Festlichkeit wurde die Gründung der American Association of Physical Anthropologists mit deren erster Tagung in Charlottesville (Virginia) im April 1930 zugrunde gelegt. Für den Gesamtzeitraum der amerikanischen Entwicklung lassen sich nach den Studien von Baker und Eveleth (1982) drei Perioden unterscheiden: 1. The Early Period (1930–1949), 2. The Middle Period (1950–1965), 3. The Late Period (1965–1980). Frühere Anfänge finden sich aber schon um 1888 mit der Gründung der American Anthropological Association und deren Publikationsorgan »American Anthropologist«.26 Zu Wegbereitern der physischen Anthropologie in den USA zählen in erster Linie Ales Hrdlicka (US-Nationalmuseum in Washington) und Earnest A. Hooton (Peabody-Museum in Cambridge, MA). Daneben sind noch Sherwood Washburn (1911–2000), Robert M. Yerkes (Yale-Laboratorium für Primatenbiologie, 1924–1942) und Franz Boas (1858–1942) zu erwähnen (Haraway 1992; Morris-Reich 2006a, 2006b; Marks 2012; Vermeulen 2015). Letzterer arbeitete vorwiegend ethnologisch, verlieh aber dennoch mit seinen zahlreichen Arbeiten über die Ureinwohner Amerikas der Anthropologie vor Ort wichtige Impulse.27 Es ist Hrdlickas (1869–1943) Verdienst, mit der Herausgabe des »American Journal of Physical Anthropology« die erste physisch-anthropologische Zeitschrift in den USA vorgelegt zu haben. Sein Traum von einem eigenen Institut für Anthropologie erfüllte sich hingegen nicht. Ebenso waren es Frederic W. Putnam (1839–1914) und E. A. Hooton (1887–1954), die für die Institutionalisierung der Anthropologie mit dem Aufbau eines Ausbildungssystems an der Harvard-Universität wichtige Grundlagen legten (Spencer 1981, 1982). So erwarb Frank Russell 1898 den ersten PhD für physische Anthropologie, Hooton hingegen verfaßte das erste US-amerikanische Lehrbuch der physischen Anthropologie (Hooton 1946). Später und insbesondere nach 1945 kamen in anderen Bundesstaaten weitere Ausbildungszentren hinzu, was Von Eickstedt legt hingegen den Beginn der nordamerikanischen Anthropologie auf das Jahr 1839 fest, als S. G. Morton sein Werk Crania Americana in Philadelphia publizierte und hier die erste Schädelsammlung in den USA anlegte (1937–43: 170). 27 Vgl. Beardsley (1973), Brace (1982), Barkan (1992), Stocking (2001); ebenso u. a. Spencer (1981, 1983, 1986). 26
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teilweise zu einer regelrechten Wissenschaftsexplosion in der »physical anthropology« wie auch in anderen Fachdisziplinen führte: so wurden die Zeitschriften »Human Biology« (seit 1929) oder »American Journal of Human Genetics« (seit 1949) gegründet, wuchs die Mitgliederzahl in der »American Association of Physical Anthropologists« von einst 83 (Gründungsjahr 1930) im Jahre 1981 auf 1162 an, wurden 1979/80 insgesamt 259 Promotionen in den Vereinigten Staaten im Fachgebiet »physical anthropology« vorgelegt usw. (Knußmann 1988: 76; Caspari 2003, 2009; Marks 2012; Larsen & Williams 2012; Little & Kennedy 2010). Als einer der wichtigsten Hauptsponsoren trat bei Kongressen, Veröffentlichungen usw. die Wenner-Gren Foundation (gegründet 1941) in Erscheinung (Tax et al. 1953). Im Darwin-Jubiläumsjahr (1959) – 100 Jahre Origin of Species – publizierte die Anthropological Society of Washington den Festband Evolution and Anthropology: A Centennial Appraisal, an dem sich zahlreiche namhafte Wissenschaftler beteiligten (Meggers 1959).28 Eine Besonderheit der amerikanischen Anthropologie war/ist, daß sich diese oft außerhalb der USA ihre Arbeitsthemen suchte, was zunächst als Lerneffekt (man wollte von der europäischen Tradition partizipieren), später als eine Art von »Gendarmenrolle« für den Machtanspruch auch im Bereich dieser Wissenschaft gedeutet wurde.29
7.3 Ausblick
Die vorliegende Skizze über die Institutionalisierung der Anthropologie in verschiedenen Ländern hat gezeigt, daß es von Land zu Land unterschiedliche Entwicklungen und Strömungen in der Genese des Faches gegeben hat. Oftmals ging dabei die Etablierung der Anthropologie mit der Gründung von Instituten, Lehrstühlen, Zeitschriften, Organisationen und Kongressen einher. Es war aber auch an einigen Stellen das Verdienst von Einzelpersonen (wie beispielsweise von P. Broca in Frankreich oder R. Virchow in Deutschland), auf die Bedeutung anthropologischer Fragestellungen aufmerksam gemacht zu haben. So läßt sich hinsichtlich von Traditionslinien innerhalb einer weltweiten Institutionalisierung des Faches folgendes bemerken: In Ländern, in denen man eine lange Wissenschaftstradition findet, gibt und gab es auch immer Personen (»Vorläufer«), die mehr oder weniger mit anthropologischen Themata breite Teile der Öffentlichkeit und der Wissenschaft erreicht haben. Unter den Vorläufern finden sich Mediziner (Anatomen, Physiologen), Theologen, Zoologen, Philosophen oder Geographen, die unmittelbar mit ihren Aussagen an die Kenntnisse über die Naturgeschichte des Menschen anschlossen (Camper, Blumenbach bis hin zu Herder u. a.). Dabei waren die Beobachtungen über die geographische Variabilität des Menschen fast genauso alt wie die Frage nach der »Natur »Our goal is not to make any novel contribution to anthropological theory, but rather to gather in one place facts and opinions that are an important part of the history of anthropology […] Although there is disagreement over details, the fact that evolutionary theory will be important positive force in opening new areas of research in the future is generally accepted« (Meggers 1959: vii). 29 Zu ideologischen und weltanschaulichen Aspekten in der amerikanischen Anthropologiegeschichte vgl. Allen (2001), Sommer (2012). 28
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Zur Ins titutionalisierung der (biologischen) Anthropologie
des Menschen«, die sich vor dem Hintergrund des Vergleiches mit Tieren gestellt hatte (J. F. Lafitau u. a.). Ein zweites wichtiges Hauptthema der Anthropologie – Evolution (Deszendenz) – taucht dagegen erst nach 1859 auf, als die Evolutionsideen im Zusammenhang mit der Fossilgeschichte sowie in der Auseinandersetzung mit Darwins Theorien an Bedeutung gewannen. Gleiche Sprache bedingt oftmals auch eine enge Kooperation und einen fachlichen Austausch in den Wissenschaften. So griffen Anthropologen aus Ländern wie der Schweiz, Österreich, Holland etc. gerne deutsche Anregungen in ihren Arbeiten auf. Aufgrund der um 1900 einsetzenden Fächerdifferenzierung in den Naturwissenschaften war es nicht verwunderlich, daß auch die Anthropologie eine eigene fachliche Institutionalisierung anstrebte, wobei besonders enge Querverbindungen zur Urgeschichte und Völkerkunde deutlich werden. Sich während dieser Genese entwickelnde und stellende Fach-, Inhalts- und Definitionsfragen spiel(t)en dabei eine besondere Rolle und müssen in weiteren Studien noch detailliert hinterfragt werden. Die Etablierung des Faches war kein reibungsloser, kontinuierlicher Vorgang, sondern in verschiedenen Gesellschaftsepochen kam es seitens der Kirche, des Staates und der Öffentlichkeit zu Auseinandersetzungen (Frankreich, Großbritannien usw.). Hier sind Parallelthemata in den Auseinandersetzungen zu finden; Themata, wie sie innerhalb der Kontroversen um die darwinistische Evolutionsbiologie präsent gewesen sind: biblische Schöpfungsgeschichte, Fragen zur Phylogenie und Ontogenie, Leib-Seele-Problematik usw. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem internationalen Aufschwung der anthropologischen Forschung (Chiarelli 1992), was durch die steigende Zahl an Publikationen, die Gründung von Zeitschriften und Gesellschaften, die Entdeckung zahlreicher fossiler Funde usw. belegt werden kann. Das Tempo der Entwicklung war aber, je nach (Industrie)Land, unterschiedlich. Innerhalb der einzelnen länderspezifischen Entwicklungen kommt Deutschland aufgrund seiner historischen Rolle – insbesondere während der Zeit des Dritten Reiches – dabei eine Sonderstellung zu. Wie noch detaillierter auszuführen sein wird, änderte sich das Kräfteverhältnis zwischen der Anthropologie und Humangenetik, auch aufgrund der molekularbiologischen und humangenetischen Forschungserfolge seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zugunsten der Humangenetik.30
Zu internationalen Aktivitäten (Kongresse, Kommissionsarbeit usw.) im Umfeld der Institutionalisierung der Anthropologie gibt Knußmann detailliert Auskunft (1988: 78–80). 30
7.3 Ausblick
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8. Aufstieg und Fall bis zur zweiten darwinschen Revolution
I
nsbesondere in der Zeit von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg kam es dann zu vielfältigen inhaltlichen und weltanschaulichen Vernetzungen innerhalb der biologischen Anthropologie, die sich zum Teil fördernd, zum Teil hemmend auf die jeweiligen Entwicklungstrends in den Naturwissenschaften auswirkten. Für die weitere Profilierung und Institutionalisierung des Faches sollte es aber der entscheidende Entwicklungsabschnitt werden, zumal ab 1900 nun auch eine verstärkte Politisierung und Biologisierung der Inhalte einsetzte.
8.1 Biologische Anthropologie um 1900 unter dem Einfluß aus Zürich und München
Die Wendung der Anthropologie hin zur reinen Naturwissenschaft hat in der nachdarwinschen Ära neben Gustav Schwalbe (1844–1916) am ehesten Rudolf Martin (1864–1924) aus Zürich/München für den deutschen Sprachraum vollzogen, indem er bereits frühzeitig ein verändertes Arbeitsprogramm für eine naturwissenschaftlich (biologisch) ausgerichtete Anthropologie vorlegte (Morris-Reich 2013c). Ebenso hatte er sich für eine breite Institutionalisierung des Faches stark gemacht und schon 1894 die »Frage von der Vertretung der Anthropologie an unsern Universitäten« gestellt.1 Für Martin war Anthropologie ausschließlich »physische Anthropologie«, und er empfahl als Definition für sein Fach: »Naturgeschichte der Hominiden in ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung« (Martin 1907: 109). Damit war, in der Denktradition von Broca stehend (Schiller 1992), die Anthropologie in Deutschland von vornherein als Naturwissenschaft angelegt, ohne weitere Zusätze im Namen (Schwidetzky 1974b). Eugen Fischer hat später einige dieser Ideen in seine »Anthropobiologie« integriert.
Es sollten fast einhundert Jahre vergehen, bis sich Anthropologen wieder mit dieser Frage – nun im 20. Jahrhundert – auseinandersetzen sollten (vgl. die Studien von I. Schwidetzky und verschiedenen Autoren in Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982). 1
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Aufs tieg und Fall bis zur z weiten dar winschen Revolution
Bereits in Martins akademischer Antrittsrede für den ersten Lehrstuhl für physische Anthropologie im Sommersemester 1900 an der Universität Zürich finden sich erste konkrete Vorstellungen zu den Aufgaben, Inhalten und Zielen einer zukünftigen Anthropologie des 20. Jahrhunderts (Martin 1901, Schlaginhaufen 1965, Hugentobler-Schwager 1990). So unterteilte er die ›Anthropologie im weiteren Sinne‹ […] in zwei, durch das Object eng verbundene Wissenschaften: in die Physische Anthropologie, auch Morphologie, oder Somatologie der Menschenrassen genannt und in die Psychische Anthropologie, die auch unter der Bezeichnung Ethnologie oder Völkerkunde bekannt ist. Obwohl diese Unterscheidung sich von selbst darbietet, leicht verständlich und terminologisch genau bestimmt ist, wird sie doch nicht allgemein durchgeführt; sie entspricht aber am besten den Verhältnissen unserer deutschsprachlichen Universitäten und ist daher für uns allen anderen mehr oder weniger künstlichen Systemen vorzuziehen (Martin 1901: 7–8, Hervorhebungen im Orig.).
Einen Bezug zur darwinistischen Evolutionsbiologie sucht man in dieser Definition, in seiner Rede sowie den übrigen Publikationen allerdings vergeblich, obwohl nach Martin die wissenschaftliche physische Anthropologie schon ganz auf dem Boden der Zoologie (im Sinne Haeckels) stehen sollte: Wenn Einzelne immer wieder versuchen, durch allerhand Sophismen und Jesuitenkünste den Menschen von der übrigen organischen Welt loszulösen, so stellen sie damit ihrem logischen Denken oder ihrer wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit ein schlechtes Zeugnis aus (ebd.: 8, Fußnote 2).
Neben der Beschreibung verschiedener anthropometrischer Meßtechniken2 empfahl Martin in seiner Rede auch, neben der »Rettung des toten Materials«, ebenso die physischen Untersuchungen auf den lebenden Menschen zu übertragen (ebd.: 19). Ferner könne nur mit der Feststellung der geographischen Verbreitung der einzelnen typischen Merkmalskomplexe die Rassenverwandtschaft aufgedeckt werden. Hinsichtlich des Alters des Menschengeschlechts sagte er eine »Datierung bis in das Frühtertiär« (ebd.: 23), hinsichtlich des menschlichen Stammbaumes keinen »mastartigen Stamm [mit] weitausladenden Aesten«, sondern einen »Strauch mit reichem Geäste« voraus (ebd.: 22). Zur Rolle der physischen Anthropologie als akademisches Lehrfach bemerkte er abschließend: Die Physische Anthropologie ist nun eine Wissenschaft, die – abgesehen von der Heranbildung akademischer Lehrer und wissenschaftlicher Musealbeamter – noch nicht zum Berufsfache geworden ist. Ihre Aufgabe als Lehrfach wird daher, wie dasjenige vieler anderer Universitätsdisciplinen, also auch darin bestehen, bei der Ausbildung zu anderen Berufsgruppen unterstützend mitzuwirken. Ich denke hier zunächst an die Studirenden der Naturwissenschaften, an die künftigen Lehrer der Mittelschulen […] Aber an ein akademisches Lehrfach darf man auch noch eine zweite weitergehende Anforderung stellen […], d. h. neben der Vermittlung von Fachwissen auch allgemeineren Bildungsaufgaben zu genügen (ebd.: 25).
Bereits 1903 veröffentlichte er dann dazu eine Abhandlung: »Ueber einige neuere Instrumente und Hilfsmittel für den anthropologischen Unterricht«, in: Correspondenz-Blatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft 34: 127–132. Der weiteren Ausarbeitung didaktisch-methodischer Hilfsmittel für den Unterricht galt von nun ab sein besonderes Interesse: 1902 schuf er Wandtafeln für den Unterricht in Anthropologie, Ethnographie und Geographie bzw. regte er Felix von Luschan zu einer Hautfarbentafel und Eugen Fischer zu einer Haartafel an (Hugentobler-Schwager 1990: 11). 2
Biologische Anthropologie um 1900
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In seinem späteren Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung (1914) folgte er dann weitgehend den biowissenschaftlichen Auffassungen der Jahrhundertwende, ohne jedoch explizit die Fortschritte des Darwinismus zu rezipieren3 und diese auf die Anthropologie zu übertragen. Es gelang ihm vielmehr, eine Meßtechnik für anthropologische Untersuchungen zu entwickeln und zu standardisieren, die nicht nur für die Anthropologie, sondern auch für deren Nachbargebiete in den folgenden Jahrzehnten richtungweisend war (Ziegelmayer 1987). In Wahrheit war dieses Lehrbuch aber nicht mehr als ein Leitfaden der Körpermeßtechnik, stark typologisch ausgerichtet und sozusagen das letzte Dokument eines technologischen Interesses in der Anthropologie. Man trieb zu jener Zeit Rassenanatomie, Rassenpsychologie usw., ohne wirklich an die biologische Realität der Rassen zu glauben, und neue Ideen bzw. Impulse sollten, wie noch auszuführen sein wird, nicht von der eigenen scientific community sondern von außen, u. a. von der aufkommenden Erblichkeitslehre, kommen: Durch den Zwang zur Auseinandersetzung mit den Ergebnissen dieser Wissenschaft wurde die physische Anthropologie auf die rassen-biologischen Probleme zurückgeführt, von denen sie seit Kant, G. Forster und Meiners ausgegangen war (Mühlmann 1968: 100, Hervorhebungen im Orig.).
Zu Martins wichtigsten Züricher Schülern zählen Bruno Oetteking, Theodor Mollison, Otto Schlaginhaufen, Jan Czekanowski sowie Adolph H. Schultz; namhafte Schüler in München waren dann Walter Scheidt, Wilhelm Gieseler und Karl Saller. Stellt man eine Genealogie der bis 1978 in Deutschland tätigen habilitierten Anthropologen auf, so erweist sich der größte Block als Martin-Schüler (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 89). Nach der Fertigstellung seines Lehrbuches hatte Martin im Jahre 1918 schließlich den Ruf als Direktor des Anthropologischen Institutes und der AnthropologischPrähistorischen Staatssammlung in München angenommen. Neben prähistorischen Arbeiten sind aus dieser Zeit besonders die umfangreichen Reihenuntersuchungen an Schülern, Studenten u. a. zu erwähnen, womit er einen wichtigen Grundstein für die angewandte Anthropologie legte (Martin 1924/25, Martin & Alexander 1924). Die Gründung der »Gesellschaft für Physische Anthropologie« am 3. August 1925 sollte Martin nicht mehr erleben. Er verstarb am 11. Juli des Jahres. Im Jahre 1926 folgte ihm dann sein Schüler Theodor Mollison (1874–1952) auf dem Lehrstuhl nach (Gieseler 1965). Mollison beschäftigte sich vor allem mit der Stammesgeschichte des Menschen, der vergleichenden Anatomie und morphologischen Beurteilung fossiler Funde sowie der Eiweißdifferenzierung der Primaten (vgl. z.B. Mollison 1923–1941). Insbesondere mit letzteren Arbeiten gehört er zu den Wegbereitern einer modernen serologisch und morphologisch ausgerichteten Evolutionsbiologie und Anthropologie: gelang [ihm …] der Nachweis, daß in der menschlichen Stammesgeschichte und in seiner Ontogenese eine chemische Epigenese mit einem langsamen Größerwerden der artspezifischen Moleküle der Eiweißstruktur vorliegt (Gieseler 1965: 259). Hinsichtlich der fossilen Bedeutung des Pithecantropus-Fundes von Dubois verwarf er zunächst eine Eignung dieser Fundstücke als Beweis für eine Übergangsform vom Menschenaffen zum Menschen (Hugentobler-Schwager 1990: 43–44). 3
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Abb. 24: Gustav Schwalbe und Eugen Dubois. In: Gieseler, W.: Abstammungsund Rassenkunde des Menschen I. Oehringen 1936, Tafel 1.
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Auch seine Publikationen zur Technik anthropologischer Fotografie fanden ein breites Interesse.4 Mollison war einer der wenigen Anthropologen, die den ersten Hominidenfund aus der Olduvai-Schlucht bearbeiteten (Mollison 1929). In Zürich war nach dem Weggang von Martin dessen treuer Schüler Otto Schlaginhaufen (1879–1973) als Nachfolger ernannt worden. In seiner Antrittsrede für das Wintersemester 1911/12 thematisierte dieser »Die Anthropologie in ihren Beziehungen zur Ethnologie und Prähistorie« (1913) und erweiterte damit das schon zuvor (1901) von Martin angerissene Themenfeld. Schlaginhaufen sah drei Quellen, aus denen der Anthropologe Stoff gewinnen konnte: a) vom lebenden Menschen, b) vom toten Objekt und c) aus »gewissen Äußerungen der Kultur« (Schlaginhaufen 1913: 2). Im Verlauf seiner Rede plädierte er dann mit Hilfe zahlreicher Beispiele für eine Verbindung von Anthropologie, Ethnologie und Prähistorie; ebenso referierte er zu der vorhandenen Trennung von physischer und psychischer Anthropologie. In seinem wissenschaftlichen Werk finden sich drei Schwerpunkte: 1. Die wissenschaftliche Auswertung seiner Melanesienreise (1907–1909), 2. Untersuchungen vorgeschichtlicher Funde in der Schweiz sowie 3. Messungen an schweizerischen Stellungspflichtigen – Anthropologia Helvetica zwischen 1927–1932 (Erfassung von 35511 Rekruten). Seine 160 verfaßten Publikationen kann man ebenso in die thematischen Gruppen geographische Anthropologie, historische Anthropologie, Genetik und morphologische Arbeiten unterteilen (Weilenmann 1990: 28, Zimmerman 2001). Über lange Jahre war er als Vorsitzender der »Julius Klaus-Stiftung für Vererbungsforschung, Sozialanthropologie und Rassenhygiene« aktiv. Diese angeführten Beispiele aus Zürich und München haben verdeutlicht, daß aus diesen beiden Städten um 1900 wichtige wissenschaftliche und institutionelle Impulse für die weitere Etablierung einer deutschsprachigen biologischen Anthropologie als Lehr- und Forschungsfach kamen. Rudolf Martin und sein Schülerkreis wurden dabei führend (Evans 2010). 8.1.1 Die »Politisch-anthropologische Revue«
Mit diesen aufgezeigten Entwicklungstrends ging um 1900 ebenso die Gründung zahlreicher anthropologischer Zeitschriften (und Gesellschaften) einher. Als Beispiel aus dieser Zeitschriftenfülle soll kurz auf Personen und Inhalte der ersten Jahrgänge der »Politisch-anthropologischen Revue. Monatsschrift für das soziale und geistige Leben der Völker« (1902–1912) eingegangen werden, auch deshalb, um Denkstrukturen und Denkmuster der Biologie i. w. S. jener Jahre transparenter werden zu lassen. Für die Entwicklung der biologischen Anthropologie war diese Monatsschrift über ihre Zielsetzungen hinaus zumindest in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung. Sie zeigt auf, welche Fülle an Themata vorhanden war und wie eng anthropologisches mit evolutionsbiologischem Wissen verbunden wurde.
4
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Vgl. zu anthropologischen Fotografien u. a. Morris-Reich (2014, 2016).
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Die bei der Thüringischen Verlags-Anstalt (Eisenach, später Leipzig und Hildburghausen) erscheinende und zunächst von Ludwig Woltmann sowie Hans K. E. Buhmann edierte Zeitschrift sah als Ziel und Aufgabe, die folgerichtige Anwendung der natürlichen Entwickelungslehre im weitesten Sinne des Wortes auf die organische, soziale und geistige Entwickelung der Völker [zu vollziehen]. Die Biologie, d. h. die Lehre von den allgemeinen Naturgesetzen des Lebens, und die Anthropologie, d. h. die naturwissenschaftliche Lehre vom Menschen und seinen Lebensbeziehungen, unterrichtet uns über seine angeborenen, ererbten und erworbenen Eigenschaften und Kräfte; und da wir in der politischen Verfassung einer Gesellschaft unvermeidliche Bedingung sehen […] so glauben wir mit dem Titel [der Zeitschrift] unsere wissenschaftlichen Absichten am klarsten ausdrücken zu können (Woltmann & Buhmann 1902a: 1; Hervorhebung im Orig.).
Die konkreten Ziele unterteilten die Herausgeber in: a) ein theoretisches (Information für alle Interessierten bieten), b) ein historisches (Erforschung der sozialen und geistigen Geschichte des Menschengeschlechts) und c) ein praktisches (Feststellung der gesunden organischen Erhaltungs- und Entwickelungsbedingungen … RassenHygiene usw.). Wichtig und für spätere Herausgeber nicht in dieser Form üblich war die Aussage, sich »weder in den Dienst irgend einer philosophischen Lehre noch politischen Partei stellen« zu wollen (ebd.: 2). Betrachtet man in der oben erwähnten Zielstellung den dritten Punkt, so fällt die Glaubhaftigkeit der letzten Aussage allerdings schwer. Die Monatsschrift hatte einen breitgefächerten inhaltlichen Rahmen: Aufsätze, Berichte (über Biologie, Anthropologie, Psychologie, Medizin, über Sozial- und Rassen-Hygiene bis hin zu Bevölkerungsstatistik usw.) sowie Buchbesprechungen markierten wichtige Bereiche. Man wollte sich mit diesem Programm als »Archiv für die Naturgeschichte der Menschheit« verstehen und damit auch auf die neue »ökonomische und soziale Welt« reagieren (Woltmann & Buhmann 1902b: 497). Bereits im dritten Jahr des Erscheinens zeigten sich die Herausgeber mit der Entwicklung der Zeitschrift zufrieden und stellten sich das Ziel, auch weiterhin Naturwissenschaft und Entwicklungslehre, biologische und anthropologische Gesichtspunkte für Geschichte, Rechtswissenschaft, Politik und Weltanschauung fruchtbar zu machen (Woltmann & Buhmann 1905: 729).
Im Mittelpunkt der Diskussionen im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Zeitschrift standen u. a. der Darwinismus5, spezielle Fragestellungen zur Anthropologie und Rassenkunde6, die Deszendenztheorie (von Wagner 1903), regelmäßige Berichte über die Jahresversammlungen der »Deutschen Anthropologischen Gesellschaft« sowie weltanschauliche Themata7. Aus diesen Aufzählungen sind gesondert die Ausführungen von Ludwig Woltmann (1871–1907) zur »politischen Anthropologie« hervorzuheben.8 Die biologische Vgl. Woltmann (1902), Ehlers (1902), Hartel (1903), Lauertz (1904), Stieler (1905). Vgl. Lange (1902); Gumplowicz (1902); Wilser (1902); Woltmann (1903, 1905a, 1906); Zimmermann (1903); de Lapouge (1904a); Vogt (1909). 7 Vgl. de Lapouge (1904b); Ziegler (1904); Woltmann (1904, 1905b, 1905c); Hoppe (1905). 8 Vgl. auch sein Buch Politische Anthropologie. Eine Untersuchung über den Einfluß der Descendenztheorie auf die Lehre von der politischen Entwickelung der Völker, erschienen bei der Thüringischen Verlagsanstalt Eisenach, 1903. Nachdem Woltmann den ihm zuerkannten Preis (Kruppsches 5 6
Biologische Anthropologie um 1900
201
Geschichte der Menschenrassen fußte für ihn in der wirklichen und grundlegenden Geschichte der Staaten. Eine Untersuchung über den Einfluß der Deszendenztheorie auf die Lehre von der politischen Entwicklung und Gesetzgebung der Völker war für ihn gleichbedeutend mit der Begründung einer politischen Theorie bzw. mußte jede Untersuchung auf diesem Gebiet zwei wissenschaftlichen Forderungen genügen: einerseits den biologisch-anthropologischen, andererseits den historisch-politischen Tatsachen (Woltmann 1903: 236). George Vacher de Lapouge thematisierte hingegen in einem Heft der ersten Jahrgänge einige »Grundfragen der historischen Anthropologie«: Um die Aufeinanderfolge der Rassenschichten und die gegenwärtige Zusammensetzung einer Bevölkerung zu erforschen, ist es notwendig, sich prinzipiell über die Methoden der historischen Anthropologie zu verständigen und in kritischer Weise die Beweismittel zu prüfen, die uns zur Verfügung stehen (de Lapouge 1904a: 220).
Als erfreulichstes Beispiel für ein Lehrbuch der Anthropologie jener Zeit empfahl Woltmann (1905a) die Abhandlung von Carl Heinrich Stratz über die Naturgeschichte des Menschen (1904).9 Am 30. Januar 1907 ertrank Woltmann in Sestri Levante (Riviera) beim Baden im Mittelmeer.10 Ab dem 7. Heft des X. Jahrganges (1911) übernahm dann O. Schmidt-Gibichenfels die Herausgabe. Er setzte sich das Ziel, an die Ideen von Woltmann weiter anzuschließen: Er wird das Anthropologische noch mehr als bisher in Verbindung mit dem Politischen anschauen und namentlich solche politisch-anthropologischen Aufsätze veröffentlichen, die in den praktischen Teil des alten Programms einschlagen, d. h. für die praktische Politik der Gegenwart und nächsten Zukunft irgendwelche Bedeutung haben oder erlangen können (ebd.: An unsere Leser und Mitarbeiter, S. 337–339; Hervorhebungen im Orig.).
Um dieses Ziel auch äußerlich erkennbar zu machen, präzisierte man den Untertitel in »Monatsschrift für praktische Politik, für politische Bildung und Erziehung auf biologischer Grundlage«. Damit hatte man den Boden der wertfreien Wissenschaft – wie noch im erklärten Anfangsziel zu lesen war – bereits nach 10 Jahren verlassen, um sich zunehmend mehr in gesellschaftliche Belange einzumischen. Die Biologie sollte wie 20 Jahre später (beispielsweise unter Ernst Lehmann – »Deutsche Biologie«) hier eine tragende Rolle spielen, ein Trend, der gleichermaßen für andere Zeitschriften in dieser Zeit zu konstatieren ist. Bereits im Heft 12 des X. Jahrganges (1912) wurde vermeldet:
Preisausschreiben) abgelehnt hatte, veröffentlichte er seine Studie selbständig. Vgl. dazu auch weiterführend die mehrere Beiträge umfassende Serie von Woltmann über »Die anthropologische Geschichts- und Gesellschaftstheorie« oder seine Bemerkungen im Buch Die Darwinsche Theorie und der Sozialismus. Ein Beitrag zur Naturgeschichte der menschlichen Gesellschaft (Düsseldorf 1899). 9 Erschienen im Verlag F. Enke in Stuttgart, 1920 erschien eine zweite unveränderte Auflage. Vgl. auch Schott, L. (1974): Carl Heinrich Stratz (14.6.1858–21.4.1924) – Ein Beitrag aus Anlaß der 50. Wiederkehr seines Todestages. Mitteilungen der Sektion Anthropologie der Biologischen Gesellschaft der DDR. Heft 30, S. 48. 10 Vgl. den Nekrolog von Friedrich Landmann in der Politisch-Anthropologischen Revue V (12): 665.
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Zur gefälligen Beachtung: Eine Zeitschrift für praktische Politik […] wird nicht umhin können, alle Bestrebungen, die auf die Stärkung der Wehrkraft gerichtet sind, auf das eifrigste zu fördern. Entwickelt doch der Krieg, namentlich der moderne, auf allen Gebieten die höchsten biologischen und kulturellen Werte […] (ebd.: 617, Hervorhebungen im Orig.).
Dieses hier kurz aufgezeigte allgemeine Programm war bis etwa 1914 auch der Tatsache geschuldet, daß sich ein großer Teil der Entwicklungen der Anthropologie in fast allen europäischen Ländern innerhalb von Fachgesellschaften und deren Publikationsorganen abspielte. Zudem war ein methodologischer Richtungswandel zu konstatieren: Das Übergewicht des technologischen Interesses, dagegen das völlige Versagen theoretischer Überlegungen infolge des naturalistischen Vorurteils führte zu einer Anhäufung zahlreicher Tatsachen, deren biologischer Deutungswert fraglich blieb; man trieb Rassen-Anatomie, -Physiologie, sogar gelegentlich -Psychologie, – aber man glaubte im Grunde nicht an die biologische Realität der Rassen (Mühlmann 1968: 100).
Rudolf Martins Lehrbuch der Anthropologie von 1914 markierte dann sozusagen einen Wendepunkt, von der eigentlichen Rassenkunde hin zur abstammungsgeschichtlichen Forschung (hominide Anthropologie). Martin hatte ebenso 1923 den »Anthropologischen Anzeiger« als »Bericht über die physisch-anthropologische Literatur« gegründet, ab 1926 wurde er das offizielle Mitteilungsblatt der von Eugen Fischer gegründeten »Gesellschaft für Physische Anthropologie«. Diesem mehr inhaltlich-methodologischem folgte schließlich auch ein institutionell-gesellschaftlicher Wandel.11 Die beiden Jahrzehnte nach 1920 – nach überwundenen Krisen wie dem Ersten Weltkrieg, der Inflation – sollten dann die eigentlichen Hauptperioden des Aufbaus des Faches Anthropologie an den deutschen Hochschulen werden, betrachtet man hierfür besonders die Gründung von Lehrstühlen und Instituten, die dort angefertigten Habilitationen usw.: – – – –
Im Jahre 1921 wird Otto Aichel (1871–1935) Ordinarius für Anatomie und Anthropologie in Kiel – 1923 erfolgt die Umwandlung in einen Lehrstuhl für Anthropologie, im Jahre 1927 erfolgt die Gründung des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin unter Eugen Fischer (Schmuhl 2003, 2005; Gessler 2000, Grosse 2000), im Jahre 1927 wird Otto Reche als Ordinarius für Anthropologie und Ethnographie zum Nachfolger von Karl Weule in Leipzig bestellt, im Jahre 1928 erhält Franz Weidenreich (1873–1948) einen Lehrauftrag für physische Anthropologie in Frankfurt a. M. usw. (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 89 ff.; Hertler 2002).
An Habilitationen sind zu erwähnen: 1924 Bernhard Struck in Dresden, 1926 O. Henckel in Freiburg i. Br., 1927 Hans Weinert in Kiel, 1928 Karl Saller in Kiel usw.12 Hatte es vor 1925 nur ein einziges Anthropologisches Institut gegeben (München) kamen Von Eickstedt hat den inhaltlichen Wandel dieser Epoche mit den Worten: »So wurde Darwin durch Mendel ersetzt« beschrieben (von Eickstedt 1937–43: 133). 12 Von 1923 bis 1943 konnten von Schwidetzky 13 Habilitationen nachgewiesen werden. 11
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von 1925 bis 1935 elf neue hinzu, davon sechs vor 1933 (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 92). Nachdem zum Ende des 19. Jahrhunderts die Glanzzeit der »École d’Anthropologie de Paris« vorübergegangen war, etablierten sich um/nach 1900 dann europa- und weltweit weitere Schulen, die eine Ausstrahlungskraft (auf das Fach etc.) bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erreichen sollten: Wenn wir als Ziel einer anthropologischen Schule im idealen Sinne die Doppelaufgabe bezeichnen dürfen, eine Gesamtperspektive vom Menschen zu verbinden mit der fachlich-spezialistischen und methodischen Ausbildung der Forscher für die – sehr verschiedenen! – Aufgaben des Humanbiologen, Ethnographen, Linguisten und gegebenenfalls auch Archäologen;
so hat nach Mühlmann die Schule um Franz Boas (1858–1942) in den Vereinigten Staaten diese Aufgabe am besten bewältigt (ebd.: 129).13 Für Deutschland seien erwähnt: die Schule um E. Fischer, R. Martin, T. Mollison und E. Frh. von Eickstedt. Hierbei handelte es sich vorwiegend um rein naturwissenschaftlich orientierte Schulen (Preuß 2009), während in Wien die Schulen von Wilhelm Schmidt und Wilhelm Koppers mehr völkerkundlich und linguistisch ausgerichtet waren. Aus England seien stellvertretend die sozialanthropologischen Schulen von Bronislaw Malinowski sowie A. R. Radcliff-Brown angeführt.14
8.2 Popularisierung der biologischen Anthropologie und Tendenzen des Übergangs
Ähnlich wie im Jahre 1863 (und der Folgezeit) am Beispiel von Vogt, Büchner, Haeckel u. a. – als erste publizistische Wende – beschrieben, sollte es um 1900 zu einer zweiten derartigen Wende innerhalb der biologischen Anthropologie kommen. Bei der Popularisierung von darwinistischem (auch biologisch-anthropologischem) Wissen ragen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zwei Persönlichkeiten besonders heraus: zum einen der Schriftsteller Wilhelm Bölsche, zum anderen der Verleger Wilhelm Breitenbach (1856–1937). Auch der Mediziner und Haeckel-Schüler Adolf Heilborn (1873–1941) ist mit seinen Arbeiten diesem Kreis zu zuordnen.15 Im umfangreichen publizistischen Werk Bölsches dominieren zwei anthropologische Abhandlungen: 1899 erscheint von ihm das Buch Vom Bazillus zum AffenF. Boas beantwortete die Frage »What is anthropology« so: »Anthropology is often considered a collection of curious facts, telling about the peculiar appearance of exotic people and describing their strange customs and beliefs. It is looked at as an entertaining diversion, apparently without any bearing upon the conduct of life of civilized communities. This opinion is mistaken. More than that, I hope to demonstrate that a clear understanding of the principles of anthropology illuminates the social processes of our own times and may show us, if we are ready to listen to its teachings, what to do and what to avoid […] It might be said that anthropology is not a single science, for the anthropologist presupposes a knowledge of individual anatomy, physiology and psychology, and applies this knowledge to groups. Every one of these sciences may be and is being studied from an anthropological point of view« (Boas 1928: 11–13). Vgl. Vermeulen (2015). 14 Diese zahlreichen Veränderungen blieben aber auch nicht ohne entsprechende inhaltliche Auswirkungen auf das Fach (vgl. Kapitel 9 bis 12). 15 Heilborn bezeichnet sich zwar als Haeckel-Schüler, ist aber bei Uschmann (1959) nicht als solcher nachzuweisen. 13
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Abb. 25: Titelblatt. Bölsche, Wilhelm: Die Abstammung des Menschen, Stuttgart 1925.
menschen. Naturwissenschaftliche Plaudereien16 und 1904 folgt Die Abstammung des Menschen.17 In späteren Veröffentlichungen wie beispielsweise Der Stammbaum der Tiere (1910) griff er an verschiedenen Stellen auf diese Thematik wieder zurück. Hatte die Publikation von 1899 noch mehr essayistischen Charakter, finden sich 1904 schon präzisere, mehr wissenschaftliche Daten: ### s. Abb. 25
Den Umriß der modernen wissenschaftlichen Forschungen und Vermutungen über die Abstammung des Menschen muß jeder sich heute aneignen, der Anspruch erhebt, ein Kulturmensch zu sein, – das heißt: ein Mensch, der denkt (Bölsche 1904: 5). »Die Plaudereien dieses Bandes stammen nicht aus der Studierstube, und ich möchte, daß man ihnen das anmerkt« (Vorwort). Hier sind besonders erheiternd verfaßt die Kapitel »Der Affenmensch von Java« (ebd.: 263–294) sowie »Vom dicken Vogt« (ebd.: 295–320). 17 Im Jahre 1909 ging Bölsche in seinem Buch Die Entwicklungslehre im 19. Jahrhundert (Josef Singer Verlag, Charlottenburg und Berlin) dann noch einmal im 3. und 4. Kapitel detailliert auf den »Stammbaum des Menschen« sowie »Das Bindeglied zwischen Affe und Mensch« ein. 16
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Abb. 26: Titelblatt. Neumann, Carl. W.: Ins Menschenland, Stuttgart 1908.
Mit seinen Ausführungen, die wissenschaftlich vornehmlich auf den Aussagen von Darwin, Haeckel und Hermann Klaatsch beruhten, wollte er »denkbar weiteste Kreise« erreichen, die sich in einer »müßigen Stunde« mit dem Thema auseinandersetzen konnten. Bölsche thematisierte hier auf 99 Seiten alle ihm bekannten wissenschaftlichen Tatsachen zur Abstammung des Menschen, ohne dabei zu sehr in die Tiefe und Breite des Stoffes einzudringen. Die gesamte Abhandlung kommt allerdings in Gänze ohne Fußnoten und Literaturverweise aus (was in der Regel bei den meisten Veröffentlichungen von Bölsche und Breitenbach der Fall gewesen ist), was um so mehr den populären Charakter unterstreicht. Die Abstammung des Menschen von affenähnlichen Vorkommen ist für Bölsche eine Tatsache: lediglich was die zeitliche und fossile Einordnung des »famosen Pithecanthropus von Trinil« (ebd.: 32) betrifft, verweist er lieber auf weitere noch zu erbringende Untersuchungsergebnisse. Einen Stammbaum findet man in diesem Buch nicht. Am Ende resümierte der Autor: Es ist ein Triumph dieser unserer modernen Menschenkraft, daß wir die Vergangenheit auferstehen lassen aus ihrem Grabe der Jahrmillionen. Das ist das Erhebende in diesen alten Bildern.
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Aber wir wären dieses Triumphes nicht wert, hätten gerade wir nicht auch die Kraft, diese Geister zu beschwören mit der Ruhe des Meisters, der gelassen sagt: ihr wart, – wohl, euer sei das Entschwundene, Ausgekämpfte; ich aber bin, und über mir sind meine Sterne (Bölsche 1904: 99, Hervorhebungen im Orig.).
Wie innig sich das Verhältnis und die Diskussion zwischen Haeckel und Bölsche auch hinsichtlich anthropologischer Fragestellungen18 gestaltete, beweist der unlängst von Rosemarie Nöthlich vorgelegte Briefwechsel zwischen den beiden Freunden.19 Im Gegensatz zu Bölsche beschäftigte sich der Verleger Breitenbach weit intensiver mit der Herkunftsgeschichte des Menschen und scheute auch nicht davor zurück, weltanschauliche Diskussionen hinsichtlich dieser Thematik zu führen. Wie ein Blick in seine Bibliographie20 zeigt, spielten anthropologische Interessen eine nicht geSo bemerkten beispielsweise W. und J. Bölsche an E. Haeckel am 10. April 1901: »Lieber Herr Professor! […] Mir kommt grade ein Heft der Kölner antiklerikalen Zeitschrift ›Deutsche Stimmen‹ in die Hand, das einige höchst beachtenswerte neue Fingerzeige über Johannes Ranke enthält, die Ihnen vielleicht nicht bekannt sind, ich lege das Heft bei. Die mit Bleistift angestrichene Stelle ist die lehrreichste zur Kenntnis dieses ›Anthropologen‹!« Oder notierte Haeckel an W. Bölsche am 27. Februar 1908: »Lieber Freund! […] Die neue Pithecanthropus-Expedition der Frau Selenka (- deren Gehirn nicht normal ist!) scheint mir mehr Verwirrung als Aufklärung gebracht zu haben. Trotz Allem bleibt die Bedeutung des gefundenen ›Missing link‹ bestehen. Die unlogischen Schlüsse der Geologen (Voltz etc.) ändern daran Nichts! [3] Deine Goethe-Studien interessieren mich sehr; dieser größte Genius wird immer erhabener, je tiefer man in seine wunderbaren naturphilosoph. Gänge eindringt!« Vgl. Briefbestand Haeckel im EHH Jena. 19 Vgl. Nöthlich, R. [Hg.] (2002): Ernst Haeckel – Wilhelm Bölsche. Briefwechsel 1887–1919. Berlin: VWB-Verlag. 20 Vgl. z.B. von Breitenbach, W. (1907): Abstammung und Vorgeschichte des Menschen. Eine gemeinverständliche Übersicht über den jetzigen Stand der Frage. 1 Tafel, 2 Tabellen. (= Gemeinverständliche darwinistische Vorträge und Abhandlungen, Hrsg. von Wilhelm Breitenbach, H. 15, Brackwede i. W.); (1908a): Noch einmal Pithecanthropus. Neue Weltanschauung [= NWA] 1 (5): 164–167; (1908b): Miszellen: Deszendenzlehre und Anthropologie, Vortrag von Prof. Gustav Schwalbe. NWA 1 (3/4): 154–156; (1908c): Miszellen: Prof. Gustav Schwalbe. NWA 1 (7): 269; (1908d): Unsere Ahnenreihe (Nach Ernst Haeckel). NWA 1 (12): 412–453; (1908e): Vom Pithecanthropus erectus. NWA 1 (2): 66–68; (1908 f.): Zeitungsschau: Die Anthropologie und das Christentum. NWA 1 (10): 382–383; (1908 g): Zeitungsschau: Die Frage der Abstammung des Menschen. NWA 1 (11): 432– 433; (1908h): Zeitungsschau: Mensch und Affe. NWA 1 (12): 467–469; (1909): Zeitungsschau: Ueber fossile Primaten und ihre Bedeutung für die Vorgeschichte des Menschen hat Prof. Schwalbe einen Vortrag in der »Philomathischen Gesellschaft« in Strassburg gehalten. NWA 2 (9): 352–354; (1910a): Zeitungsschau: Ernst Haeckels »Anthropogenie«. NWA 3 (7): 262–263; (1910b). Miszellen: Kostbare Skelette. NWA 3 (7): 271; (1910c): Miszellen: Ernst Haeckels »Anthropogenie«. NWA 3 (9): 347–348; (1911a): Miszellen: Das Alter des Menschen in Südamerika. NWA 4 (5): 188; (1911b): Miszellen: Die südamerikanische Abstammung des Menschen. NWA 4 (3): 114–115; (1911c): Rundschau: Der Gesundheitszustand Haeckels. NWA 4 (8): 296; (1911d): Rundschau: Über »Unsere ältesten Vorfahren, ihre Abstammung und Kultur«. NWA 4 (3): 109; (1912): Rundschau: Die Bibel und die Abstammung des Menschen. NWA 5 (8): 306–307; (1913a): Miszellen: Das Alter der Affenmenschen von Java. NWA 6 (7): 273–274; (1913b): Miszellen: Das Alter des Menschen in Südamerika. NWA 6 (11): 433– 434; (1913c): Miszellen: Neue Beweise für die Verwandtschaft des Menschen mit dem Affen. NWA 6 (2): 73–74; (1913d): Miszellen: Ueber die Entwicklung der Zähne der Primaten. NWA 6 (7): 273; (1914a): Miszellen: Über das Gehirn des Urmenschen. NWA 7 (5): 194; (1914b): Miszellen: Über die Bedeutung des Piltdown-Schädels. NWA 7 (7): 272; (1914c): Miszellen: Zur Frage der Abstammung des Menschen. NWA 7 (5): 192–194 usw. Für diese Angaben bin ich Rosemarie Nöthlich (Jena) zu Dank verpflichtet. 18
Popularisierung der biologischen Anthropologie
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Abb. 27: Ulk. Wochenschrift des Berliner Tagblatts. 54. Jg., Nr. 31, 31. Juli 1925.
ringe Bedeutung und wurden vorwiegend von ihm in seiner Zeitschrift »Neue Weltanschauung« thematisiert. Aus Breitenbachs umfangreichem Schaffen ragt das Buch Abstammung und Vorgeschichte des Menschen (1907) für das hier behandelte Thema besonders heraus. Diese Abhandlung war aus einer Reihe von Vorträgen hervorgegangen, die Breitenbach in mehreren Städten der Rheinprovinz gehalten hatte. Er versuchte dabei, wie auch der Untertitel des Buches betont, in ganz populärer Weise
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darzustellen, welchen »Standpunkt die Forschung nach der Abstammung und Vorgeschichte des Menschen« zur damaligen Zeit einnahm (Breitenbach 1907: Vorwort). Von Darwins Satz »Licht wird fallen …« und Huxleys »Frage aller Fragen« ausgehend, gab er zunächst einen historischen Überblick über den Themengegenstand. Bei Haeckel in seiner Argumentation angelangt, stellte er nun dessen Überlegungen (Ahnenreihe des Menschen usw.) seit dem Erscheinen der Generellen Morphologie (1866) vor, ging auf die stammesgeschichtlichen Urkunden (Paläontologie, vergleichende Anatomie etc.) ein, thematisierte ebenso weltanschauliche Fragen (Erich Wasmann, E. L. Fischer) und verwies auf die Bedeutung des Neandertalerfundes und weiterer fossiler Funde wie des Pithecanthropus erectus. Am Ende seiner Ausführungen kam er zu der Feststellung: Der Mensch ist ein echtes Säugetier und hat sich historisch aus der höchsten Ordnung dieser Klasse, den Affen, entwickelt. […] Wohl liegt der alte, aus einem Erdenkloß geformte Mensch zertrümmert am Boden, aber aus den Trümmern erhebt sich der neue Mensch, der sich durch eigene Kraft aus niederem, tierischen Zustande zu seiner jetzigen Kulturhöhe emporgeschwungen hat und zu dem wir das Vertrauen haben, daß er sich zu immer stolzerer Höhe wissenschaftlicher Erkenntnis und zu immer größerer Reinheit sittlicher Anschauung aufschwingen wird (Breitenbach 1907: 44, 48).
Drei Jahre später hat er dann in einem Aufsatz, betitelt »Die Vorgeschichte des Menschen«, diese Sichtweise weiter präzisiert: Das Vorurteil, das man den Forschungen über die Vorgeschichte des Menschen noch vor wenigen Jahren entgegenbrachte, schwindet mehr und mehr, und man hat erkannt, daß die modernen anthropologischen Untersuchungen vom Standpunkt der Abstammungslehre aus nur eine Erfüllung der Forderung des alten griechischen Weltweisen sind, der als höchste Aufgabe des Menschen bezeichnete: Erkenne Dich selbst! (Breitenbach 1910: 263–264, Hervorhebung im Orig.).
Dem Kreis von Bölsche und Breitenbach ist auch noch Heilborn zuzuordnen, der ebenso in zahlreichen Schriften den Versuch unternahm, die Abstammungsgeschichte des Menschen für ein breiteres Publikum im populärwissenschaftlichen Stil aufzuarbeiten (Heilborn 1904–1920b).21 Er folgte in seinen Schriften weitgehend dem damaligen Forschungsstand (Blutserumforschung usw.) und hatte mit namhaften Anthropologen wie Otto Schoetensack oder Otto Hauser Kontakt. Seine Abhandlung Der Mensch der Urzeit22 war speziell »Ernst Haeckel in herzlicher Verehrung gewidmet«.23 Vgl. ebenso Klaatsch, H. (1919): Grundzüge der Lehre Darwins. 4. neubearb. Auflage von A. Heilborn, Mannheim: Bensheimer. 22 »Die Paläontologie des Menschen ist eine der jüngsten Wissenschaften. Mit jedem neuen Funde fast eröffnen sich ihr neue Perspektiven, steht sie vor neuen Problemen, deren Lösung den Scharfsinn von Generationen noch beschäftigen wird. Aber schon heute dürfen wir mit Stolz zurückblicken auf die Fülle von Material, das sie in den zehn Jahren ihres Bestehens zur Vertiefung der ›Frage aller Fragen‹ für die Menschheit beigebracht, und die zahlreichen Methoden, die sie zur endgültigen Lösung dieser Frage ersonnen hat« (Heilborn 1910: 98). Vgl. zuvor Driesmans (1907). 23 Nach dem Tod Haeckels machte Heilborn dann noch einmal von sich reden. Am 17. August 1920 veröffentlichte er im »Berliner Tageblatt« einen Nachruf auf Haeckel, indem er u. a. auf dessen wissenschaftliche Verdienste einging und ebenso dessen Verhältnis zu seinem Nachfolger Plate streifte. Plate fühlte sich durch die Zeilen unmittelbar angegriffen und verklagte Heilborn vor Gericht. Da21
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Mit ihren zahlreichen Publikationen bereicherten, beeinflußten und prägten Populisten und anthropologisch Interessierte wie Bölsche, Breitenbach und Heilborn (später dann noch Heinrich Schmidt oder Carl W. Neumann) entscheidend den Werdegang der ersten darwinschen Revolution in Deutschland und trugen so u. a. auch zum Verstehen humanphylogenetischer Probleme in weiten Teilen der Bevölkerung nach 1900 bei. Sie standen dabei in der unmittelbaren Tradition ihrer Kollegen aus den 1860er Jahren und knüpften nahtlos an deren Vorleistungen an. In ihren Darstellungen gingen sie aber oftmals nicht über den allgemeinen Forschungsstand hinaus, blieben in den Beschreibungen vielmehr populär und vermieden so weitergehende inhaltliche (Be)Wertungen.24 Parallel zu diesem Wirkungskreis gab es aber in Deutschland konkrete Bestrebungen, anthropologische Inhalte direkt und unmittelbar auf gesellschaftspolitische Belange zu übertragen. Es brach eine Zeit an, in der der Terminus »Rasse« zum Allgemeingut der deutschen Sprache und weiter Bereiche der Wissenschaften werden sollte.
8.3 Sozialdarwinismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde
Hinsichtlich einer Verbindung von Anthropologie und Gesellschaft (Politik) hatte der Biologe Ludwig Woltmann im Jahre 1905 bereits bemerkt und gleichzeitig zu bedenken gegeben: Bekanntlich gibt es eine Menge Anthropologen und Politiker, die von einer Verbindung der Anthropologie mit der Politik nichts wissen wollen. Gewiß sollen rein anthropologische Fragen nicht mit fremden Tendenzen vermischt werden, auch ist die Anthropologie nicht dazu da, bestimmten tagespolitischen Vorurteilen und Bestrebungen ein wissenschaftliches Gewand umzuhängen. Aber insofern der Staatsmann und Gesetzgeber überhaupt etwas aus der Geschichte des Menschengeschlechts lernen will, muß er dazu auch die Anthropologie und die anthropologische Geschichts- und Gesellschaftstheorie zu Rate ziehen; denn sie sind allein imstande, über Blüte und Verfall der Nationen Aufklärung zu geben (Woltmann 1906: 265).
Mit der Titelüberschrift »Sozialdarwinismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde« sind nun auch die zentralen Stichworte gegeben, in denen die oben von mit war die Leartragödie eröffnet. Vgl. u.a. Beitrag »Ernst Haeckel und sein Nachfolger. Der Prozeß Plate – Heilborn vor der zweiten Instanz«, Jenaer Volksblatt, Nr. 152 vom 2. Juli 1921; »Der Prozeß Plate – Heilborn am 11. November 1920«, Jenaer Volksblatt, Nrn. 266 und 267 vom 11./12. November 1920; »Zum Prozeß Plate – Heilborn«, Jenaer Volksblatt, Nr. 158 vom 9. Juli 1921. Heilborn hatte u. a. notiert: »Ernst Haeckel starb und lebt und wird noch leben, wenn Plates Namen und Werk längst Schall und Rausch sind […] Mag ich auch aus irgendwelchen formaljuristischen Gründen wegen Beleidigung Plates verurteilt werden: vor dem Richterstuhl der ganzen Welt wird Plate für alle Ewigkeit gerichtet sein, und durch das Gewinnen des Prozesses gegen mich wird er nur einen traurigen Ruhm gewinnen. Denn nicht für mich führe ich diesen Kampf, sondern um des Gedächtnisses Ernst Haeckels willen, des großen Forschers und edlen Menschen, der so viel Unrecht von Plate erdulden mußte« (Heilborn 1920a: 60). 24 Während und nach der Blütezeit der zweiten darwinschen Revolution war es dann vielleicht nur noch der Zoologe und Anthropologe Gerhard Heberer, der in ähnlicher Weise und Vielfalt (wie 1863) dieses Thema in Deutschland umfassend präsentierte (Hoßfeld 1997), im Gegensatz aber zu seinen Vorläufern nun entscheidend und umfassend genetische und paläontologische Daten und Befunde in seine Theorien sowie Bücher integrierte.
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Woltmann geäußerten Bedenken um 1900 teilweise breiten Niederschlag finden sollten (Mann 1969, Kroll 1983, Grosse 2000). Damit wird zugleich ein thematisch so weites Feld betreten, daß es notwendig wäre, jede dieser Disziplinen gesondert zu betrachten, zumal diese Bereiche auch für eine Art »Abgleiten« der biologischen Anthropologie in ein Fahrwasser stehen, indem politische und ideologische gegenüber wissenschaftlichen Prämissen die Oberhand gewannen.25 Schließlich sollte es auch mit einer Ausbreitung des nordischen Gedankengutes auf organisatorischer bzw. gesellschaftlicher Basis rasant vorangehen: 1907 wird auf Initiative von Alfred Ploetz der »Ring Norden«, 1910 der »Geheime Nordische Ring« (Nordische Ring, 1926)26 sowie 1925 die »Nordische Bewegung« gegründet; 1911 folgten Willibald Hentschel (1858–1947) mit dem »Mittgart-Bund« sowie Jörg Lanz von Liebenfels (1874–1954) mit der »Ostara-Gesellschaft«. Ferner gerieten bevölkerungspolitische Überlegungen mehr und mehr in sozialdarwinistische Perspektive, und es war die Rede von der Zurückdrängung der Minderwertigen, der Auslese der Tüchtigsten usw. Dieser »sozialdarwinistische Biologisierungsschub« (Kaiser et al. 1992: XIV) in der Bevölkerungstheorie und Gesundheitspolitik führte zu einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel, stießen doch nun zunehmend Stichworte wie »Rassenhygiene«, »Eugenik« usw. auf breitere Resonanz in der Bevölkerung.27 Gesellschaftspolitische und soziale Probleme des Staates wurden so als biologische Krise der Gesellschaft umgedeutet. Die sozialdarwinistische Bewegung fand deshalb innerhalb kurzer Zeit in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung Gehör und erhielt dann auch noch durch die neuen Forschungsergebnisse der Vererbungsforscher den notwendigen wissenschaftlichen Unterbau: Nach sozialdarwinistischer Ansicht […] teilten sich die generativen Technologien in Maßnahmen positiver und negativer Eugenik bzw. Rassenhygiene. An vorderster Stelle im Katalog der negativen eugenischen Maßnahmen rangierte die Unfruchtbarmachung von Personen mit ›minderwertigem‹ Erbgut (Kaiser et al. 1992: XV).
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg sollten dann Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde unter dem angeblichen Eindruck der weiteren Schwächung des deutschen Volkskörpers (der deutschen Erbsubstanz) einen nachhaltigen konjunkturellen Aufschwung erfahren (ebd.; Evans 2010).28 So kam es innerhalb des spezifischen Forschungsverbundes von Rassenhygiene und Rassenanthropologie in Deutschland zu einer Präzisierung von Rassenkategorisierungen (Fischers »Rehobother Bastardstudien«), zur weiteren Erforschung der Folgen der Rassenmischung29 für Aus der umfangreichen Literatur vgl. beispielsweise Zmarzlik (1963), Farrad (1970), Lübbe (1974), Löwenberg (1978), Lilienthal (1979), Kevles (1985), Pollak (1990), Weingart (1992), Engels (1995), Bayertz (1998), Mocek (2002), Haller & Niggeschmidt (2012); in der umfangreichen Abhandlung von Thomann & Kümmel (1995) findet sich weitere Literatur. 26 So heißt es in einem Faltblatt des Ringes: »[…] ist eine im Jahre 1926 gegründete Vereinigung, deren Arbeit durch die Tatsache bestimmt wird, daß der noch heute im deutschen Volke wie in den verwandten Völkern germanischer Sprache stärker vertretenen Menschenrasse, der Nordischen Rasse, eine besondere Bedeutung zukommt […]« (vgl. ZStA Prag, Bestand Amt des Reichsprotektors – RuSHA Stengel von Rutkowski, Karton 58 (II. Nachträge). 27 Vgl. Birkner (1912/13), Kaspari (1989), Marten (1983), Mjöen (1934). 28 Vgl. dazu auch Fischer (1926), Kaspari (1989), Norenholz (1909), Weiss (1990). 29 Über die Folgen der »Rassenmischung« hatte auch der Anthropologe Eugen Fischer nachge25
Sozialdar winismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde
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Abb. 28: Titelblatt. Teichmann, Ernst: Die Vererbung als erhaltende Macht. Stuttgart 1908.
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das Degenerationsproblem, sah man Leitbilder in den lebensreformerischen Vorstellungen, lehnte man weitgehend Rauschmittel ab (August Forel, Karl Astel usw.), bezog man verstärkt die Blutgruppenforschung mit ein usw. (Graf 1940, Wolf 1943, Grose 2000, Buchholz et al. 2001, Hanke 2007, Evans 2010). Von diesen wissenschaftlichen Spezifika der 1920er und frühen 1930er Jahre profitierten letztlich auch die rassenkundlichen »Wissenschaftsprogramme« der Nationalsozialisten. Mühlmann hat ferner herausgearbeitet, daß die Bedeutung von Herbert Spencer (1820–1903) nicht nur auf dem Gebiet der ethnographischen Soziologie lag, sondern vielmehr das gesamte Gebiet der Anthropologie betraf und damit alle Zweige der Sozialwissenschaften bis heute aufs stärkste beeinflußte (1968: 107 ff.). Demzufolge läßt sich die Anthropologie in der Nachfolge Spencers in zwei Richtungen gliedern, wobei Übergänge zwischen beiden sichtbar werden: a) die sozialdarwinistische Richtung und b) die deterministische Soziologie (ebd.: 110). Über die USA und England (insbesondere durch Francis Galton) gelangte der Sozialdarwinismus dann auch nach Frankreich und Deutschland. In Frankreich finden sich frühe Elemente in Vacher de Lapouges Werk (Les sélection sociales, 1896), ebenso in Gobineaus Lehre von der Überlegenheit der weißen Rasse (L’Aryen, son role social, 1899). In Deutschland baute Houston St. Chamberlain seine Rassentheorie weiter aus, bildeten sich verschiedene sozialanthropologische Schulen im Umfeld von Otto Ammon (1842–1915), Wilhelm Schallmayer (1857–1919) oder Alfred Ploetz (1860–1940), die Binnenwanderungen, den Einfluß von Kriegen auf die menschliche Entwicklung etc. untersuchten (Conrad-Martius 1955, Evans 2010). Als weiterer Vertreter einer sozialanthropologischen Schule kann der Italiener Alfredo Niceforo (1876–1960) angesehen werden.30 Aufgrund des vorliegenden Rahmenthemas sollen an dieser Stelle nur einige wenige Aspekte aus dem Komplex »Sozialdarwinismus, Rassenhygiene und Rassenkunde« skizzenhaft hervorgehoben werden, die im Jenaer Universitätsumfeld angesiedelt waren und wegen ihrer Folgewirkungen auch für das Gesamtthema direkte Bedeutung besitzen. In Jena sollten sich durch Haeckel sowie sein Umfeld frühzeitig schon bestimmte sozialdarwinistische und rassistische Aussagen finden, die dann argumentativ und praktisch über die gesamte Zeit des Dritten Reiches Bestand haben und Bedeutung besitzen sollten. Die Universität Jena und an ihr tätige Naturwissenschaftler spielten nun – wie schon um 1863 – auch innerhalb dieses speziellen Entwicklungsprozesses wiederum eine herausragende Rolle.
dacht. Mit seiner Untersuchung von 2567 »Rehobother Bastarden« unternahm er den Versuch, die Mendelschen Erbgesetze erstmals auf den Menschen zu übertragen, wobei er auf traditionelle Methoden der Anthropologie (wie Vermessung von Körperpartien, Haut – und Harruntersuchungen) zurückgriff. Bei den Versuchspersonen handelte es sich um die Nachkommen holländischer und deutscher Männer und Nama-Frauen, die von den Europäern »Hottentottinnen« genannt wurden. Sie hatten sich 1870 in Rehoboth niedergelassen, das seit 1884 zum deutschen »Schutzgebiet« in Afrika gehörte (Przyrembel 2003). 30 »Das Hauptverdienst der sozialanthropologischen Schule besteht überhaupt darin, eine unbefangene Forschung nach den Beziehungen zwischen sozialer Mobilität und Fluktuation (Wanderungen, sozialer Auf- und Abstieg) zu den sozialen Kräften ins Rollen gebracht zu haben« (Mühlmann 1968: 115).
Sozialdar winismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde
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8.3.1 Ludwig Plate und das »Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie«
Im Jahre 1904 gründete der Berliner, später Jenaer Zoologe und Haeckel-Nachfolger Ludwig Plate (1862–1937) gemeinsam mit Alfred Ploetz (Berlin) und dem Juristen Anastasius Nordenholz (Jena)31 die Zeitschrift »Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie«, die zu einem zentralen Sprachrohr sozialdarwinistischer und rassenhygienischer Forschungen/Meinungsbildung werden sollte. Durch ihr spezifisches Profil und ihre Zielstellungen hob sie sich gegenüber Woltmanns »Revue« (1902) bereits deutlich ab.32 Ludwig Plate galt im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten Deszendenztheoretiker Deutschlands (Levit & Hoßfeld 2006; Hoßfeld & Levit 2011). Plates wissenschaftliches Werk umfaßt drei Schwerpunkte. In seinen vergleichend morphologisch-anatomischen Studien untersuchte er verschiedene Tiergruppen, so beispielsweise Radiolarien und Protozoen, später wandte er sich den Mollusken (Weichtiere) zu. Als bedeutend ist hier die Studie über die Anatomie und Phylogenie der Chitonen (1897–1902) zu erwähnen, die er, ganz in der Tradition von Carl Gegenbaur, Ernst Haeckel und Max Fürbringer stehend, verfaßte. Die genetischen Arbeiten waren hingegen sowohl von experimenteller als auch theoretischer Natur; Versuchsobjekte waren Mäuse verschiedener Rassen. In seiner Jenaer Antrittsvorlesung prägte er 1910 den Begriff »Pleiotropie« und führte 1913 die Bezeichnungen »Autogenese« und »Ektogenese« ein; seine Kritik fanden später die Keimplasmatheorie und Determinantenlehre von August Weismann sowie die Mutationstheorie von Hugo de Vries (Hoßfeld et al. 2014). Auf dem Gebiet der Deszendentheorie verfaßte er grundlegende Studien im Sinne der darwinschen Lehre und des Selectionsprinzips, Akzeptanz fanden aber auch lamarckistische (Erbstockhypothese) und orthogenetische Interpretationen. Durch seinen Antisemitismus und seine rassenbiologischen Anschauungen geriet er im Dritten Reich ins Blickfeld der Nationalsozialisten (vgl. Kapitel 9.2.2.5). Die ersten Jahrgänge der Zeitschrift (1904–1911)
Als der spätere Sieger des Kruppschen Preisausschreibens, der bayrische Arzt und Privatgelehrte Wilhelm Schallmayer, im Jahre 1891 sein Buch Über die drohende körperliche Entartung der Kulturmenschheit und die Verstaatlichung des ärztlichen Standes vorlegte, war das allgemeine Interesse auf seine Ausführungen noch gering geblieben, teilweise waren diese sogar polemisch behandelt worden (Mann 1978). Vier Jahre später unternahm dann A. Ploetz mit seinem Buch Die Tüchtigkeit unsrer Rasse und der Schutz der Schwachen einen erneuten Versuch, rassenhygienisches Gedankengut mit gesellschaftlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen. Auch diesem Werk, in dem erstmals der Terminus »Rassenhygiene« eingeführt wurde, blieb ein entsprechender Erfolg verwehrt: Das Buch, das kaum über den theoretischen Erkenntnisstand Charles Darwins hinausging, war im wesentlichen eine sozial-politische Studie mit anthropologischen Deutungen; es war we31 32
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Später dann u. a. mit Richard Thurnwald (Berlin) und Ernst Rüdin (München) herausgegeben. Vgl. Ploetz (1904a/b, 1914/15, 1922/23).
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niger als wissenschaftliches Standardwerk denn als praxisleitende Orientierungshilfe gedacht […] (Weingart 1992: 197).
Diese Situation sollte sich mit der Gründung einer entsprechenden Zeitschrift aber nun grundlegend ändern. Im Jahre 1904 erschien die erste Nummer des »Archivs für Rassen- und Gesellschafts-Biologie einschliesslich Rassen- und GesellschaftsHygiene«, mit dem Untertitel »Zeitschrift für die Erforschung des Wesens von Rasse und Gesellschaft und ihres gegenseitigen Verhältnisses, für die biologischen Bedingungen ihrer Erhaltung und Entwicklung, sowie für die grundlegenden Probleme der Entwicklungslehre«. Als Ziel wurde im Vorwort des ersten Bandes formuliert: Das Wachsen biologischer Einsicht in den letzten Jahrzehnten hat dazu Veranlassung gegeben, auch die Grundlagen der menschlichen Gruppirungen, seien sie rassenhafter oder gesellschaftlicher Natur, einer biologischen Betrachtung zu unterziehen […] Aber nicht nur um Sammlung handelt es sich, sondern auch um gegenseitige Anregung (Vorwort 1904: III).
Zur beidseitigen Orientierung und den Begriffsbestimmungen in der Zeitschrift, die bereits eine umfassendere Herangehensweise (als beispielsweise bei Woltmann) sowie größere Professionalität erkennen ließen, bemerkten die Herausgeber weiter: Rassenbiologie ist die Lehre vom Leben und von den inneren und äußeren Lebens- und Entwicklungs-Bedingungen der Rasse und, da man die Rassenhygiene mit einbeziehen muß, auch die Lehre von den optimalen Erhaltungs- und Entwicklungsbedingungen der Rasse […] Zur Rassenhygiene gehören zunächst alle Versuche, ihr Ziel wissenschaftlich festzustellen, sodann aber die Herstellung aller von diesem Ziel ausgehenden Kausalketten bis zu beherrschbaren materiellen und psychologischen Faktoren unserer Gegenwart, mögen sie die Einzelnen, die Familie (Fortpflanzungshygiene), Gesellschaften oder Staaten betreffen, mit allen ihren Ausstrahlungen auf Moral, Recht und Politik […] Die Gesellschaftslehre entnimmt der Biologie deren Grundtatsachen und Gesetze, um dafür zum Vorstellungskreis der letzeren ihre eigenen Ergebnisse über die Voraussetzungen, Gesetzlichkeiten und Formen der Assoziation unter den Lebewesen, vor allem aber den höchst organisirten Lebewesen, den Menschen, hinzuzutun […] Wir verwahren uns dagegen, das Archiv von vornherein für eine bestimmte wissenschaftliche, sozial- oder rassenpolitische Richtung festzulegen. Alle Richtungen sind willkommen […] (ebd.: IV–VI, Hervorhebungen im Orig.).
Das inhaltliche Feld, das das Archiv erschließen wollte, war gewaltig. Es umfaßte solche Teilbereiche, die im Vorwort in Fettdruck hervorgehoben waren, wie (neben den oben bereits erwähnten): Abstammungslehre und die mit ihr zusammenhängenden Fragen (»sollen gebührende Berücksichtigung erfahren«); Verwertung der biologisch-evolutionistischen Erkenntnisse für die praktischen Bedürfnisse von Gesellschaft und Staat; Sozial- und Nationalökonomie, Rechts-, Staats- und Verwaltungswissenschaft, die allgemeine politische und die Kulturgeschichte; Moral-Philosophie usw.33 Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz haben diese breite inhaltliche Palette als »offenen Charakter« mit geringem »Institutionalisierungsgrad der Rassenhygiene als Wissenschaft« gedeutet (Weingart et al. 1992: 199).
Die dabei explizit hervorgehobene Beziehung zur Abstammungslehre kann als Novum angesehen werden, fehlt sie doch so ausformuliert in anderen von mir untersuchten Zeitschriften jener Jahre. 33
Sozialdar winismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde
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Als Autoren wirkten fast durchweg medizinisch und naturwissenschaftlich Gebildete verschiedenster Fachrichtungen. Ferner wurde zumindest bis zum Ersten Weltkrieg ein weitgehend hohes wissenschaftliches Niveau erreicht: Ja, wir haben selbst solchen Beiträgen Aufnahme gewährt, die auch, meist durch ihre Extremheit, in der Methode zu wünschen übrig ließen, wenn sie dafür durch anregende Hypothesen oder sorgfältiges und reiches Tatsachenmaterial ein Gegengewicht boten (Die Redaktion, Dezember 1905).34
Neben den Beiträgen wie über Richard Semons »Mneme«, das Kruppsche Preisausschreiben, Haeckel, die Vererbung erworbener Eigenschaften etc. ragt ferner für den Jenaer Themenbezug noch die Abhandlung des Internisten Julius Grober »Ein praktischer Versuch in der Rassenhygiene (Maori auf Neuseeland)«35 heraus. Ab dem 5. Jahrgang (1908) führte man den Zusatz »Eine deszendenztheoretische Zeitschrift« im Untertitel, der dann aber später wieder aufgegeben wurde. Ab 1923 wurde die Zeitschrift zudem »Wissenschaftliches Organ der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene«.
8.3.2 Das Kruppsche Preisausschreiben (1900) und das Jenaer Umfeld
Ein belegkräftiges Indiz für die eingangs des Kapitels aufgezeigte kulturpessimistische Dramatisierung der Lage des deutschen Volkes – auch hinsichtlich der Suche nach generativen Technologien der »Artverbesserung« – stellt ein Preisausschreiben von 1900 dar. Für die Verbreitung der sozialdarwinistischen Ideen in Deutschland spielte das von Friedrich Alfred Krupp mit 30000 Mark finanzierte und auf den 1. Januar 1900 datierte Preisausschreiben mit dem Thema »Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten?« eine zentrale Rolle.36 E. Haeckel, J. Conrad (Halle) und Eberhard Fraas (Stuttgart) übernahmen dabei die Aufgabe, »die Ausführung der hochherzigen Stiftung zu leiten.«37 Später wurde dann noch der Jenaer Zoologe Heinrich Ernst Ziegler (hier ab 1898 Ritter-Professor) – obwohl schon früher in die Angelegenheit eingeweiht – offiziell mit hinzugezogen, vorwiegend um den Schriftverkehr sowie die späteren Drucklegungen beim Gustav Fischer Verlag etc. zu koordinieren. Der Ausschreibungstext wurde Anfang des Jahres 1900 an verschiedene Zeitschriften geschickt, wobei die Manuskripte bis zum 1. Dezember 1902 »An die Direktion des zoolog. Instituts (Prof. Dr. E. Haeckel)« zu senden waren. An Bestimmungen finden sich: »Daniel Gasmans Einschätzung, wonach das Archiv ›einen respektablen wissenschaftlichen Rahmen für Nazi-Schreiber‹ geliefert habe, ist überzogen, auch wenn die Rassenhygieniker zu einem hohen Prozentsatz nationalistisch, völkisch oder schließlich auch nationalsozialistisch waren [Gasman 1971: 150] Entgegen dieser Auffassung blieb das Archiv bis 1933 von einseitigen politischen Stellungnahmen weitgehend frei« (Weingart et al. 1992: 200, Fußnote 23). 35 Vgl. »Archiv …«, 3. Jg., 1906, S. 704–717. 36 Vgl. Conrad-Martius (1955), Thomann & Kümmel (1995). 37 Vgl. Faltblatt zum Preisausschreiben, Nachlaß E. Haeckel, Archiv des Ernst-Haeckel-Hauses Jena. 34
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Aufs tieg und Fall bis zurz weiten dar winschen Revolution
Die eingereichten Arbeiten müssen in deutscher Sprache verfasst sein […] Die Preisrichter [J. Conrad, Halle; D. Schäfer, Heidelberg; H. E. Ziegler, Jena] werden die Arbeiten nach ihrer wissenschaftlichen Durchführung beurteilen ohne Rücksicht auf die Tendenz oder Parteistellung des Verfassers […] Jede Arbeit ist mit einem Motto zu versehen usw.38
Haeckel und Ziegler (1858–1925) hatten von vornherein mit ihren Vorgaben dem Preisausschreiben einen persönlichen Stempel aufgedrückt, so daß Krupps Ziel, eine evolutionäre Gesellschafts- und Staatslehre zu fördern, in den Hintergrund trat. Es wurden somit in erster Linie Befürworter haeckelscher und darwinscher Ideen angesprochen. Mit dem Preisausschreiben hatte man zudem den Zeitgeist jener Jahre heraufbeschworen und die Öffentlichkeit aktiviert, zumal in den ersten acht Wochen über 100 Anfragen bei Haeckel eingegangen waren. Eine entsprechende Liste Haeckels im Archiv des Ernst-Haeckel-Hauses (Jena) gibt in Gänze Auskunft über die »Anforderungen des Preisausschreibens« vom 17. Januar 1900 bis 19. Oktober 1902: Daraus [aus der Analyse der »Anforderungen«] folgt, daß trotz der Leitfigur Haeckel gerade die Naturwissenschaftler in ihrer Gesamtheit sich von der Preisaufgabe offenbar nicht besonders angesprochen fühlten. Neben den drei großen Gruppen der Juristen, Mediziner und ›Philosophen‹ lassen sich nur viel kleinere Gruppen noch abgrenzen, die kaum mehr ins Gewicht fallen: z. B. sechs Lehrer, fünf höhere Verwaltungsbeamte, vier Theologen (Thomann & Kümmel 1995: 222).
Aufgrund der hohen Beteiligung am Preisausschreiben, die Haeckel als persönlichen Erfolg wertete, mußten die Preisrichter nun schnell handeln und arbeiten. Bereits zum 7. März 1902 bat Haeckel die Preisrichter nach Jena, um die Beurteilungen gemeinsam abzustimmen. Hierbei kam es dann zwischen den Preisrichtern zu Konfliktsituationen, die großenteils dem unterschiedlichen Verständnis von Natur- und Geisteswissenschaft geschuldet waren. Letztlich war dann die Preisverteilung ein Kompromiß, obwohl noch anders in der Ausschreibung avisiert: Woltmanns Arbeit stand für den ersten und zweiten Preis wegen der Einwände Schäfers nicht mehr zur Verfügung. Conrad tolerierte die Zuteilung des ersten Preises an Schallmayer und konnte im Gegenzug seinen Mitarbeiter Hesse auf den zweiten Platz plazieren (ebd.: 238).
Kurze Zeit danach wurden dann schon die Formalia der Drucklegung beim Gustav Fischer Verlag besprochen, so daß unter der maßgeblichen Koordination von Ziegler im Jahre 1903 der erste Band des Sammelwerkes Natur und Staat. Beiträge zur naturwissenschaftlichen Gesellschaftslehre erscheinen konnte.39 Außer der Preisarbeit Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker. Eine staatswissenschaftliche Studie auf Grund der neueren Biologie (Bd. III) von Wilhelm Schallmayer (1857–1919) erschienen zwischen 1903 und 1907 noch folgende Bände: – –
Philosophie der Anpassung mit besonderer Berücksichtigung des Rechtes und des Staates (Heinrich Matzat) – Bd. I; Darwinismus und Sozialwissenschaft (Arthur Ruppin) – Bd. II;
Ebd. Vgl. Hans Severus Ziegler, Johannes Conrad und Ernst Haeckel [Hrsg.]: Natur und Staat, Beiträge zur naturwissenschaftlichen Gesellschaftslehre. Eine Sammlung von Preisschriften, Teil III, Jena 1903. Eine inhaltliche Analyse der Schriften findet sich bei Winau (1983). 38 39
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Abb. 29: Titelblatt. Schallmayer, Wilhelm: Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker, Jena 1903.
– – – – – – –
Natur und Gesellschaft. Eine kritische Untersuchung der Bedeutung der Deszendenztheorie für das soziale Leben (Albert Hesse) – Bd. IV; Prinzipien der natürlichen und sozialen Entwicklungsgeschichte des Menschen. Anthropologisch-ethnologische Studien (Curt Michaelis) – Bd. V; Soziologie (A. Eleutheropulos) – Bd. VI; Der Wettkampf der Völker mit besonderer Bezugnahme auf Deutschland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika (Emil Schalk) – Bd. VII; Organismen und Staaten. Eine Untersuchung über die biologischen Grundlagen des Gesellschaftslebens und Kulturlebens (Alfred Methner) – Bd. VIII; Die ererbten Anlagen und die Bemessung ihres Wertes für das politische Leben (Walter Haecker) – Bd. IX; Die Vererbungslehre in der Biologie und in der Soziologie (Heinrich Ernst Ziegler) – Bd. X.40
Nach der Verkündung des Urteils durch das Preisgericht waren nicht alle Teilnehmer und Kandidaten von der Entscheidung begeistert, obwohl mit Schallmayer ein KanFür die Geschichte der biologischen Anthropologie ragen besonders drei Abhandlungen heraus (s. o., Michaelis 1904, Methner 1906, Haecker 1907). 40
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didat gefunden war, der aus Haeckels Sicht besonders eindrucksvoll bewiesen hatte, daß die Descendenztheorie sich auch auf die Gesellschaft und Politik anwenden ließ (Weiss 1986, 1990).41 So hatte Schallmayer am Ende seiner 386 Seiten umfassenden Schrift zusammenfassend bemerkt: Wir lernen also aus der Descendenztheorie, dass die Völker nicht nur auf dem Gebiet der Traditionswerte oder der Kultur, sondern auch auf dem der erblichen Eigenschaften einer Entwicklung unterworfen sind, daß letztere nur langsam vor- und rückwärts schreitet und darum bisher nur wenig beachtet wurde […] Es wurde gefunden, dass zwar eine generative Höherentwicklung stets günstige Vorbedingungen für eine kulturelle Höherentwicklung schafft, nicht aber umgekehrt, wenigstens nicht immer, daß vielmehr das Ansteigen der Kultur die generative Auslese in eine abwärts führende Richtung drängen kann, sobald sie eine solche Höhe erreicht hat, daß der Rückgang der generativen Werte die Aufwärtsbewegung der Kultur zwar nicht sofort aufzuhalten vermag, mit der Zeit aber notwendig auch zu deren Stillstand und Sinken führen muß […] (Schallmayer 1903: 378).
Im ähnlichen Tenor äußerte sich beispielsweise auch Heinrich Matzat, Direktor der Landwirtschaftsschule in Weilburg an der Lahn, im ersten Band des Sammelwerkes: Die gefundenen Ergebnisse aber können wir kurz zusammenfassen in folgender Formel für die innerpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten: Abnahme der Vererbung, Zunahme der Anpassung, Verschärfung der Auslese. Diese Formel ist eine notwendige Formel für jeden Staat, notwendig in des Wortes strengster Bedeutung: sie kann nicht unbefolgt bleiben. Befolgt ein Staat sie nicht, so bleibt er hinter anderen Staaten zurück und geht schließlich zu Grunde (Matzat 1903: 310, Hervorhebung im Orig.).
Solche Aussagen trafen aber nicht bei allen Biologen und Medizinern auf Zustimmung. Eine der schärfsten Entgegnungen gegen den sozialdarwinistischen Züchtungsstaat sollte der Haeckel Schüler Oscar Hertwig (1849–1922) mit seiner Schrift Zur Abwehr des ethischen, des sozialen und des politischen Darwinismus (1918) verfassen: Nach den Vorschlägen, welche schon von verschiedenen Seiten, von Ploetz, Schallmayer, Kossmann, von Ehrenfels u. a. bald in dieser bald in jener Weise gemacht worden sind, würde das Leben jedes einzelnen von der Wiege bis zum Grabe unter Zuchtwahlkontrolle gestellt werden. Ein System von Behörden würde geschaffen werden, in denen die Ärzte selbstverständlich die Hauptrolle spielen vermöge ihrer besseren Kenntnisse der Anatomie und Physiologie und ihrer Bekanntschaft mit den Ausschlag gebenden Gesetzen des Darwinismus (Hertwig 1918: 86).
Der große Verlierer des Preisausschreibens war Ludwig Woltmann, dessen scharfe Kritik (großenteils in seiner Revue platziert) die Jenaer Gemüter noch einige Zeit beschäftigen sollte. Woltmanns Arbeit war nur auf Platz drei gesetzt worden, entgegen Haeckels Wünschen (beide einte z. B. der Kampf um die Durchsetzung des Monismus), so daß dieser sich tief verletzt sah und als Herausgeber der einflußreichen Zeitschrift »Politisch-anthropologische Revue« im Umkehrschluß diesen Einfluß nun geltend machen wollte (Woltmann 1905b). Seine Kritik entlud sich später – nach der gescheiterten Revision des Preisausschreibens – dann nicht nur gegen Ziegler, sondern auch Haeckel geriet immer mehr ins Fadenkreuz:
Vgl. den Briefwechsel zwischen den Beiden im Nachlaß Haeckels, Archiv des Ernst-Haeckel-Hauses, Jena. 41
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Nun, Herr Professor Häckel wird ja genauer wissen, was hinter den Kulissen vorgegangen ist. Ich hatte erwartet, daß dieser Gelehrte als ein Mann von Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit, der das mir angetane große Unrecht erkannt hatte, in dieser Angelegenheit irgend etwas tun würde, das geeignet wäre, das Unrecht wenigstens teilweise wieder gut zu machen. Aber da nichts dergleichen erfolgt ist […] sehe ich mich gezwungen, mich hiermit an die Oeffentlichkeit zu wenden (Woltmann 1904: 317).
Aber auch Haeckel verhielt sich gegenüber seinen Kollegen (z. B. Schäfer) nicht gerade kollegial, indem er beispielsweise Interna der Kommission an Woltmann weitergab, was letztlich zu einem Bruch mit Schäfer führen sollte: Narzißmus, Geltungsbedürfnis und die Verachtung der Geisteswissenschaften hatten Haeckel dazu verleitet, gegen selbstverständliche Grundsätze der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zu verstoßen (Thomann & Kümmel 1995: 332).
Später kam es dann sogar noch zu Differenzen zwischen Schallmayer und Woltmann, die sogar Fritz Lenz (1887–1976) bedauerte, da sie die Ausbildung einer nach außen einheitlichen Rassentheorie behinderten (Lenz 1919). Letztlich mußte aber Haeckel zwischen den Interessen Woltmanns und denen des Preisausschreibens abwägen, so daß eine Revision des Urteils unabsehbare Folgen für die Kommission und das eigentliche Anliegen gehabt hätte. Auch Haeckels wissenschaftliche Reputation hätte Schaden nehmen können. Zu spät erkannte er, daß sein Verhalten gegenüber Schäfer und Conrad ein Fehler war, so daß ihn nun ebenso unvermindert und in aller Härte die Kritik von Woltmann traf.
8.3.3 Zusammenfassung
Das »Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie« sowie das Kruppsche Preisausschreiben waren innerhalb der deutschen Entwicklungen wichtige Meilensteine im Gesamtbestreben, den wissenschaftlichen Boden für Fächer wie Rassenhygiene und Rassenkunde an Universitäten und Hochschulen vorzubereiten, breite Teile der Öffentlichkeit mit deren Zielen bekannt zu machen und für kommende Themen zu interessieren, das neue Vokabular zu verbreiten usw. Auch für das Jenaer Umfeld sollten sie in ihrer Gesamtwirkung prägend werden (vgl. Kapitel 9). Das Preisausschreiben trug in großem Maße zu einer Politisierung verschiedener Themata der biologischen Anthropologie bei und wurde zu einem Zeitpunkt ausgelobt, als die Bereitschaft in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung vorhanden war, sich mit biologistischen Theorien näher zu beschäftigen (Lebensreform-Bewegung etc.). Die Erfolge der Naturwissenschaften um 1900 waren dabei oftmals so einleuchtend, daß eine Übertragung dieser Inhalte auf die Gesellschaft nur eine logische Konsequenz dieser neuen Denkart darstellen konnte. Obwohl die Jenaer Biologen Haeckel und Ziegler (in Absprache mit Krupp) bei der Abfassung des Ausschreibungstextes zunächst nicht in diesen Kategorien dachten, riefen sie letztlich mit ihrem »offenen« Preisausschreiben aber alle Anhänger rassistischer Theorien auf den Plan. Diese erhielten damit ein Podium, das den Sozialdarwinismus und Fächer wie Rassenhygiene, Rassenbiologie und Rassenkunde wissenschaftlich legitimierte. So verwundert
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nicht, daß alle gedruckten Arbeiten eine sozialdarwinistische und rassenhygienische Argumentationsbasis erkennen lassen: Mit Hilfe des Preisausschreibens gewann der Sozialdarwinismus eine Legitimationsideologie, die auf biologischen Versatzstücken beruhte. Je nach Bedarf konnten ihr Elemente für den innen- oder außenpolitischen Gebrauch entnommen werden. Das Preisausschreiben wurde damit, rückblickend betrachtet, ein Markstein auf dem Weg zum Nationalsozialismus (Thomann & Kümmel 1995: 351).
Auch Haeckel hat als einer der Hauptinitiatoren wissentlich diese Lesart des Preisausschreibens toleriert und unterstützt. In der Endkonsequenz wurde das Preisausschreiben seinem eigentlichen Anliegen (Krupps Tenor) aber nicht gerecht. Im Folgenden wird deutlicher werden, wie konkret und umfangreich diese Art von Vorarbeiten während des Dritten Reiches – hier stellvertretend am Beispiel der Universität Jena aufgezeigt – umgesetzt werden konnten. Innerhalb der deutschen Entwicklungen in den Fächern Rassenkunde und Rassenhygiene ragt die Salana besonders heraus, finden sich doch hier Kontinuitäten, die bis an das Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen, wobei teilweise stark auf sozialdarwinistisches und eugenisches Gedankengut zurückgegriffen wurde und das schließlich noch bis in die 1940er Jahre in Forschungsinhalten, Lehrangeboten usw. seinen Niederschlag fand (Hoßfeld, John, Lemuth & Stutz 2003, 2005).
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9. Von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus – Fallbeispiel Jena
W
ie im fünften Kapitel aufgezeigt, spielten bereits in den 1860er Jahren an der Universität Jena lehrende Wissenschaftler bei der inhaltlichen Findung und Etablierung des Faches biologische Anthropologie eine dominierende Rolle. Zentral war hierfür das Wirken Haeckels gewesen. Am Fallbeispiel der Universität Jena sollen nun generelle und individuelle Entwicklungslinien in der biologischen Anthropologie vorgestellt, Sonderwege herausgearbeitet und Vergleiche mit anderen Universitäten angestellt werden. Es wird dabei deutlich, daß Jena innerhalb der Genese der biologischen Anthropologie nun unter nationalsozialistischen Rahmenbedingungen in Deutschland und während der Etablierung der zweiten darwinschen Revolution – wie schon siebzig Jahre zuvor – eine Sonderstellung zukam. Bevor aber auf konkrete Beispiele Bezug genommen wird, sei eine kurze universitätsgeschichtliche Skizze der über 450-jährigen Salana1 für den hier interessierenden Zeitraum vorangestellt, auch um auf einige infrastrukturelle und lokale Besonderheiten hinzuweisen, die für das Gesamtthema wichtig sind.2
Vgl. weiterführend zur Geschichte der Salana: Festschrift »350jähriges Jubiläum der Universität Jena. 31. Juli und 1. August 1908.« Jena: G. Neuenhahn, Univ.-Buchdruckerei; Schmidt, S. [Hg.] (1983): Alma mater Jenensis. Geschichte der Universität Jena. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger; Steinmetz, M. [Hg.] (1958/62): Geschichte der Universität Jena 1548/58–1958. 2 Bde., Jena: VEB Gustav Fischer; Schwarz, O. [Hg.] (1957/58): Festjahrgang zur 400-Jahrfeier. Wissenschaftliche Zeitschrift der FSU, Math.-Nat.-Reihe, Jg. 7, Heft 4/5; Schorcht, S. (1982): Hinter den Kulissen der Wissenschaft. 425 Jahre Universität Jena. Hahndruck Kranichfeld; Hensel, S. & R. Nöthlich (1991): Jena und seine Universität. Wissenschaftshistorische Streifzüge durch fünf Jahrhunderte. Jena: Wartburg Verlag; Pester, T. (1996): Im Schutze der Minerva. Kleine illustrierte Geschichte der Universität Jena. Schriftenreihe zur Stadt-, Universitäts- und Studentengeschichte Jenas 7; Hoßfeld, U.; T. Kaiser & H. Mestrup [Hrsg.] (2007): Hochschule im Sozialismus. Studien zur Geschichte der Friedrich-SchillerUniversität (1945–1990). Weimar: Böhlau; Senatskommission zur Aufarbeitung der Jenaer Universitätsgeschichte im 20. Jahrhundert [Hrsg.] (2009): Tradition – Brüche – Wandlungen. Die Universität Jena 1850–1995. Weimar: Böhlau; Kaiser, T. & H. Mestrup [Hrsg.] (2012): Politische Verfolgung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena von 1945 bis 1989. Berlin: Metropol. 2 Die nachfolgend angeführten skizzenhaften Bemerkungen finden eine weitere Präzisierung u. a. bei Hoßfeld, John & Stutz (2003); Hoßfeld et al. (2003, 2005); Stutz & Hoßfeld (2004), Jessen & John 1
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Von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus
9.1 Eine Universität mit Tradition im Wandel
Unter den vor 1800 entstandenen älteren deutschen Universitäten gehört die Jenaer zur mittleren Generation zwischen den spätmittelalterlichen3 und den im Zeichen der Aufklärung des 17./18. Jahrhunderts gegründeten.4 Sie entstammt der frühneuzeitlichen Epoche des Humanismus, der Reformation, der Konfessionalisierung und der auf dem Staatskirchensystem beruhenden Territorialstaaten mit ihrem rasch steigenden Bedarf an akademisch ausgebildeten Staatsdienern, Theologen und Juristen, der engen Verquickung theologischen und staatsrechtlichen Denkens sowie der allgemeinen, durch Buchdruck und Verlagswesen geförderten Bildungsexplosion.5 Nach Marburg (1527) und Königsberg (1544) gilt die 1548 als Hohe Schule des Kleinstaates Sachsen-Weimar entstandene und 1558 mit dem kaiserlichen Universitätsprivileg ausgestattete Alma mater Jenensis als klassische Reformationsgründung. Schon ihre Gründungsumstände im Gefolge des vom protestantischen Schmalkaldischen Bundes verlorenen Krieges 1547 verweisen auf den fortan für sie so charakteristischen Zusammenhang von Krise, Aufbruch und Neubeginn.6 Die neue Bildungsstätte wurde rasch zum strukturprägenden Faktor der damals etwa 4 000 Einwohner zählenden Stadt, die sich weitgehend auf die Universität ausrichtete und zu einem wichtigen Buchverlags-Standort aufstieg. Die Jenaer Universität profilierte sich in den konfessionell-politischen Konflikten jener Zeit zunächst als Hort lutherischer Orthodoxie, dann als Stätte geistig-wissenschaftlicher Emanzipation von der Vormacht orthodoxer Theologie. Mit dem frühaufklärerischen Wirken des Universalgelehrten Erhard Weigel (1653/99) begann ihr Aufstieg zur philosophischen Universität, der sie um 1800 in enger Bindung an das klassische Weimar zeitweise an die Spitze der deutschen Universitäten und der damaligen »Evolution des Geistes«7 brachte. Strukturell gesehen, entstand und entwickelte sich die Alma mater Jenensis als kleinstaatlich geprägte und getragene Universität des ernestinischen Rest-Herzogtums Sachsen-Weimar und seiner zuletzt (1918) vier Nachfolgestaaten. Diese kleinund mehrstaatliche Trägerschaft hatte für die Jenaer Universität Nach- wie Vorteile: (2005); John et al. (2007), John & Ulbricht (2007), Hoßfeld (2005a, 2005 f., 2007, 2014), Deines et al. (2007), Grüttner et al. (2010). 3 Von den im 14./15. Jahrhundert gegründeten Universitäten Prag (1348), Wien (1365), Heidelberg (1386), Köln (1388), Erfurt (1379/92), Würzburg (1402), Leipzig (1409), Rostock (1419), Greifswald (1456), Freiburg (1457), Trier (1473), Mainz (1476) und Tübingen (1477) bis zu den an der Schwelle zur Neuzeit entstandenen Universitäten Wittenberg (1502) und Frankfurt/Oder (1506), von denen die Wittenberger zum Ausgangspunkt und zur Modell-Universität der lutherischen Reformation wurde. 4 Darunter v. a. Halle (1694) und Göttingen (1737). 5 Vgl. dazu auch Bruch, R. v. (1985): Die deutschen Universitäten 1734–1980. Frankfurt a. M.; Ellwein, T. (1985): Die deutschen Universitäten vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Königstein; Müller, R. A. (1990): Geschichte der Universität. Von der mittelalterlichen Universität zur deutschen Hochschule. München. 6 Das ernestinische Fürstenhaus als Vormacht des Schmalkaldischen Bundes verlor mit der »Wittenberger Kapitulation« 1547 Kurwürde, Kurlande und die Universität Wittenberg; als Ersatz gründete das Restherzogtum Sachsen-Weimar die Jenaer Universität. 7 Vgl. Strack, F. [Hg.] (1994): Evolution des Geistes: Jena um 1800. Stuttgart: Klett Cotta.
Eine Universit ät mit Tradition im Wandel
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einerseits eine permanente Finanznot, andererseits beträchtliche akademische Freiheiten, eine an umstrittenen und anderenorts verpönten Geistern wie Schiller, Fichte oder Hegel interessierte Berufungspolitik und eine gewisse, bis in die politische Eiszeit des Deutschen Bundes reichende Liberalität, die das studentische Wartburgfest 1817 wie das Wirken der Burschenschaften und ihrer geistigen Mentoren Heinrich Luden, Lorenz Oken und Jacob F. Fries ermöglichte. Die von der Napoleonischen Expansion begleitete und forcierte Umbruchssituation nach 1800 und die Berliner Reformgründung 1810 leiteten das auf dem neuhumanistischen Bildungsideal, der Einheit von Lehre und Forschung und dem Wandel zur Staatsuniversität beruhende Zeitalter des modernen Universitätstyps Humboldt’scher Prägung des 19./20. Jahrhunderts ein.8 Für die älteren deutschen Universitäten bedeutete dies eine tiefe Transformationskrise. Ihr fielen viele von ihnen – darunter 1816 die nun zu Preußen gehörende Erfurter Universität – zum Opfer. Die anfangs im Zentrum dieser Prozesse stehende und von den Kriegsereignissen 1806 unmittelbar betroffene Alma mater Jenensis überstand das Universitätssterben und die Konzentrationsprozesse jener Zeit. In diesem Kontext verkörpert Jena 1806 – das Jahr der preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt, des Zusammenbruchs des altfriderizianischen Staates und der reformpreußischen Neuansätze – ein erneutes Symboldatum des Zusammenhangs von Krise und Neubeginn.9 Nach einem schmerzlichen Anpassungsprozeß fand die Jenaer Universität Anschluß an die neuen Entwicklungstrends. In der 1848er Revolution stand sie im Zentrum deutscher Hochschulreform-Bestrebungen.10 Nach 1850 profilierte sie sich in ihrem immer noch recht bescheidenen städtischen Umfeld mit ca. 6500 Einwohnern zur Aufstiegsuniversität für akademische Karrieren. Mit einer geschickten Berufungspolitik gelang es, bedeutende Gelehrte nach Jena zu holen, deren Namen und research schools11 Jena wieder zu internationalem Ansehen verhalfen. Auch zog Jena als Traditionsuniversität der Burschenschaften mit seinem Thüringer Umfeld ähnlich Heidelberg das zunehmend elitär-nationalistisch geprägte studentische Korporationswesen an sich. Dagegen formierte sich nach der Jahrhundertwende eine freistu-
Vgl. Pester, Th. (1992): Zwischen Autonomie und Staatsräson. Studien und Beiträge zur allgemeinen deutschen und Jenaer Universitätsgeschichte im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Jena, Erlangen: academica & studentica Jenensia e. V. Schriften zur Stadt-, Universitäts- und Studentengeschichte Jenas 5. 9 Vgl. John, J.: »Jena 1806« – Symboldatum der Geschichte des 19./20. Jahrhunderts. In: Fesser, G. & R. Jonscher [Hg.] (1998): Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen. Jena: Verlag Dr. Bussert & Partner. Bausteine zur Jenaer Stadtgeschichte 3, S. 177–195. 10 Vgl. Wogawa, F.: Universität und Revolution: Jena und die »hochschulpolitischen« Reformbestrebungen 1848. In: Hahn, H.-W. & W. Greiling [Hg.] (1998): Die Revolution von 1848/49 in Thüringen. Aktionsräume. Handlungsebenen. Wirkungen. Rudolstadt, Jena: Hain Verlag, S. 445–474. 11 Vgl. Schmutzer, E. [Hg.] (1991): Wissenschaft und Schulenbildung. Jena: Selbstverlag. Studien zur Hochschul- und Wissenschaftsgeschichte 7. 8
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dentische Bewegung12, die aber erst nach der Revolution 1918 ihr Ziel allgemeiner Studentenausschüsse erreichte.13 Eine neue Phase struktureller Entwicklung der Jenaer Universität setzte in den 1870er bis 1890er Jahren mit der entstehenden Jenaer Großindustrie ein. Die von den Zeiss- und Schott-Werken und vom Industrie-Physiker Ernst Abbe 1889/96 geschaffene Carl-Zeiss-Stiftung führte der finanziell karg ausgestatteten Universität beträchtliche Mittel zu.14 Diese klassischen Unternehmen der wissenschaftsintensiven sog. »Neuen Industrien« gewannen so als deren »5. Erhalterstaat« wachsende Bedeutung für die Salana. Die in dieser Form zum damaligen Zeitpunkt eher seltene Verbindung von universitärer Forschung und Industrie verlieh der Jenaer Universität fortan bis zum Ende der DDR charakteristisches Gepräge. In diesem Modernisierungsklima entfaltete sich ein industriell-universitäres Beziehungsgeflecht, das eine spezifische Arbeiterkultur zu tragen vermochte, neue wichtige Buchverlage (Gustav Fischer, Eugen Diederichs) anzog und Jena zurecht den Ruf einer avantgardistischen Kultur- und Kunststadt in der Provinz eintrug.15 Dabei taten sich an der Universität vor allem Persönlichkeiten des Abbe-Umkreises wie der Jurist Eduard Rosenthal und der Physiker Felix Auerbach hervor. Dieses neue Milieu wies freilich scharfe Kontraste zwischen seinen honorig-städtischen, liberal-industriellen und konservativ-universitären Submilieus auf. So sperrte sich Letzteres lange Zeit gegen die Freistudenten- und Nichtordinarienbewegung wie gegen die Frauenemanzipation.16 Der Strukturwandel ließ nun auch die Einwohner- und Studentenzahlen Jenas rasch anschwellen.17 Die voranschreitende Fachspezialisierung in Folge der industriellen Revolution brachte es aber nun auch mit sich, daß in Jena zahlreiche Ordinariate und Extraordinariate im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts neu gegründet wurden, das galt insbesondere für natur- und geisteswissenschaftliche Disziplinen, speziell jedoch für die Medizin. Mit dieser Entwicklung beschritt man keineswegs neue Pfade, sondern hinkte eher dem allgemeinen Wissenschaftstrend jener Zeit in Deutschland hinterVgl. Werner, M.: Die akademische Jugend und Modernität. Zur Konstituierung der Jenaer Freien Studentenschaft 1908. In: John, J. & V. Wahl [Hg.] (1995): Zwischen Konvention und Avantgarde. Doppelstadt Jena-Weimar, Weimar-Köln-Wien: Böhlau, S. 289–309. 13 Die Weichen stellte noch während des Weltkrieges die Jenaer Tagung deutscher Studentenausschüsse – vgl. Verhandlungsschrift der Tagung deutscher Studentenausschüsse in Jena am 19. und 20. Januar 1918 zur Vorbereitung eines deutschen Studententages. 14 Vgl. als kommentierte Quellenedition Schomerus, F. (1940): Werden und Wesen der Carl ZeissStiftung an der Hand von Briefen und Dokumenten aus der Gründungszeit (1886–1896) dargestellt. Jena: Verlag Gustav Fischer. Gesammelte Abhandlungen von Ernst Abbe 5; vgl. aus der Fülle der Literatur Stolz, R. & J. Wittig [Hrsg.] (1993): Carl Zeiss und Ernst Abbe. Leben – Wirken – Bedeutung. Wissenschaftshistorische Abhandlung. Jena: Universitätsverlag. 15 Vgl. z.B. Ignasiak, D. (1985): Das literarische Jena. Von den Anfängen bis in die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts. Jena; Wahl, V. (1988): Jena als Kunststadt. Begegnungen mit der modernen Kunst in der kleinthüringischen Universitätsstadt zwischen 1900 und 1933. Leipzig. 16 Vgl. Horn, G. [Hg.] (1999): Die Töchter der Alma mater Jenensis. Neunzig Jahre Frauenstudium an der Universität Jena. Rudolstadt, Jena: Hain Verlag. Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena 2. 17 1890 13400 Einwohner, 640 Studenten; 1900 20700 Einwohner, 759 Studenten; 1910 38000 Einwohner, 1859 Studenten. 12
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her. So entstanden beispielsweise im Bereich der Medizin 1884 ein Extraordinariat für Ohrenheilkunde (Eugen Weber-Liel) bzw. Lehrstühle für Psychiatrie (1891, Otto Binswanger) und Kinderheilkunde (1917, Jussuf Ibrahim); im Bereich der sich erweiternden Physik Lehrstühle wie für Technische Physik, Angewandte Mathematik (1902 Rudolf Rau) oder Mathematik (1879, Johannes Thomae; 1898, August Gutzmer) sowie die Extraordinariate für Wissenschaftliche Mikroskopie (1899, Hermann Ambronn) und Theoretische Physik (1889, Felix Auerbach); die Zoologie erhielt 1865 mit Ernst Haeckel ein Ordinariat; die Astronomie 1897 ein Extraordinariat (Otto Knopf) usw. Mit finanziellen Mitteln der Zeiß-Stiftung wurden außerdem in jenen Jahren zwei Institute, die außer in Göttingen an keiner anderen Universität zu finden waren, gegründet: die Anstalt für technische Physik und die für technische Chemie (Steinmetz 1958: 502). Die Zuschüsse der Stiftung kamen also in erster Linie den aufstrebenden naturwissenschaftlichen Disziplinen zugute. Parallel zu diesem universitären Differenzierungsprozeß gab es aber auch schon Bestrebungen einzelner Wissenschaftler, fachübergreifend tätig zu werden (vgl. z.B. den von Eduard Strasburger und Haeckel 1871 begründeten »Referierabend«). Den stärksten Zulauf hatte zwischen 1870 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die Philosophische Fakultät; sie wurde »endgültig das ›Herz‹ der Alma mater« (Wundt 1932). Zu den herausragendsten Persönlichkeiten, die an dieser Fakultät lehrten, zählten, neben Haeckel und dem Botaniker Ernst Stahl, die Physiker Ernst Abbe und Adolf Winkelmann, der Mathematiker und Philosoph Gottlob Frege, der Mineraloge Gottlob E. Linck, der Philosoph und Nobelpreisträger für Literatur (1908) Rudolf Eucken sowie der Sprachwissenschaftler Berthold Delbrück. Insbesondere war es der Persönlichkeit Haeckels zu verdanken, daß sich Jena in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts u. a. zu einem Mekka entwickelte, »wohin alle Zoologen pilgerten«; was auch mit einigen Einflüssen auf die Anthropologieentwicklung später verbunden war.18 Der Erste Weltkrieg und die Novemberrevolution hatten schließlich tiefe Spuren in der Universitäts- und Wissenschaftslandschaft der Ernestinischen Landesuniversität hinterlassen. Rund 500 Hochschulangehörige, das waren 27 Prozent der Frequenz von 1914 – wurden Opfer des Ersten Weltkrieges. Danach (1919–1930) durchliefen Thüringen und seine Landesuniversität die strukturellen Prozesse gesamtdeutscher Entwicklung. Nachdem sich die bestehenden Teilfürstentümer in einer ersten Phase in Freistaaten konsolidiert hatten, gelang schließlich am 1. Mai 1920 die Vereinigung Thüringens, bis auf Coburg, das sich Bayern nach dem Volksentscheid anschloß. Die Verfassung des Landes wurde am 11. März 1921 beschlossen; Eduard Rosenthal, namhafter Jurist an der Salana, hatte ihre endgültige Fassung formuliert. Parallel dazu Außerdem konnte Haeckel an die wissenschaftlichen (Vor)Leistungen solcher Gelehrter wie Goethe, dem mit Hilfe von Ch. J. Loder 1784 die Entdeckung des os intermaxillare (Zwischenkieferknochen) gelang, M. J. Schleiden, neben Th. Schwann Begründer der Zellentheorie, L. Oken, der 1822 die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte gründete und den Anatomen C. Gegenbaur u. a. anknüpfen, die vor ihm den Genius Loci Jenas geprägt hatten (s. o.). Zur universitären Situation bemerkte er einmal: »Keine andere deutsche Universität kann sich rühmen, mit so dürftigen Hilfsmitteln so Vieles und Großes geleistet zu haben. Indessen hatte gerade die materielle Beschränkung des empirischen Beobachtungsmaterials auch ihre Vorzüge, indem sie den forschenden Geist zu philosophischen Reflexionen anregte« (Haeckel 1905a: 15). 18
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hatte auch eine Universitätsreform stattgefunden, als deren Ergebnis 1924 eine neue Hauptsatzung der nunmehr als »Thüringische Landesuniversität Jena« bezeichneten Einrichtung stand. Jena hatte damit die Landesuniversität und im benachbarten Weimar saß die Landeregierung. In dieser Zeit erfuhr nun die Hinwendung zu den Naturwissenschaften – was auch für die Etablierung der Anthropologie vor Ort von Bedeutung sein sollte – innerhalb der Wissenschaftsentwicklung der Salana eine Aufwertung. So beschloß man die Gründung einer fünften Fakultät, der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen, und trug damit den neuen Anforderungen auf der Politik- und Wissenschaftsebene Thüringens (u. a. war eine Tendenz des Verfalls der Geisteswissenschaften in Jena zu diagnostizieren) Rechnung. Ein Jahr zuvor war neben der Loslösung der naturwissenschaftlichen Disziplinen von der Philosophischen Fakultät bereits die Juristische Fakultät zur Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erweitert worden; ebenso bedeutsam war die Ausbildung von Volksschullehrern in jenen Jahren. Durch diese Neugründungen verlor die Philosophische Fakultät mehr als die Hälfte ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen; von insgesamt 32 gingen alleine 19 an die neu gegründete Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät über. So erlebte insbesondere die Physik, an der Spitze des Physikalischen Institutes stand seit 1911 Max Wien, einen enormen Aufschwung. An dieser Stelle ist ebenso der Leiter des Technisch-Physikalischen Institutes, ab 1925 Abraham Esau, der Erfinder des Ultramikroskops Henry Siedentopf sowie der Physiker Georg Joos zu nennen. Wissenschaftliche und institutionelle Schwerpunkte wurden auch in verschiedenen natur-, wirtschafts-, sozialwissenschaftlichen und medizinischen Bereichen gesetzt, die 1917/18 mit dem Aufbau der Kinderklinik, des Institutes für Wirtschaftsrecht (mit einer Million Mark von der Zeiß-Stiftung dotiert) und der Anstalt für experimentelle Biologie (Julius Schaxel) ihren Anfang genommen hatten. Die Etablierung des Landwirtschaftlichen Institutes und damit der Agrarwissenschaften unter Wilhelm Edler und Karl Hobstetter, die Erziehungswissenschaftliche Anstalt unter Peter Petersen, das Botanische Institut unter Otto Renner sowie die Gründung der wirtschaftswissenschaftlichen Seminare für Gesellschafts- und Konzernrecht (Alfred Hueck), wie auch Arbeitsrecht und Sozialpolitik (Gerhard Albrecht) stehen für diesen positiven Entwicklungstrend in Jena und wirkten oft schulenbildend. Durch die besonderen politischen Machtverhältnisse rückten Thüringen und die Jenaer Salana ab Mitte der 1920er Jahre dann ins besondere Blickfeld der aufstrebenden Nationalsozialisten. Diese erhofften sich insbesondere auf der Wissenschaftsebene von den bereits vor 1930 aufgetretenen rechtsnationalen Tendenzen an der Universität einen Ausbau und Zuwachs. So hatte beispielsweise die Jenaer Klinikerschaft Ende 1922 beschlossen, »die ersten vier Bänke ihres Auditoriums ›Ariern‹ vorzubehalten«, Anfang Mai 1923 rechtfertigte Plate in seinen Kollegs die soziale Ungleichheit sowie den Antisemitismus und forderte die Studenten auf, in militärische Organisationen und Vereine einzutreten. Zudem hatte die Alma mater Jenensis neben der Leipziger Hochschule zu den ersten Universitäten in Deutschland gehört, an denen die NSDAP bereits in ihrem Neugründungsjahr 1925 mit einer Hochschulgruppe vertreten war. Im Juli 1925 hatte die NSDAP im Thüringischen Landtag auch den Antrag gestellt, die Jenaer Universität für ausländische Juden und jüdische Dozenten zu sperren. Somit verwundert nicht, wenn Thüringen in nationalsozialisti-
Eine Universit ät mit Tradition im Wandel
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Abb. 30: Propagandamaterial aus der persönlichen Sammlung Wilhelm Fricks (A KPR Praha).
scher Zeit als ›Musterland‹, ›Experimentierfeld‹ bzw. ›Mustergau‹ galt und bezüglich der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten eine Vorreiterrolle spielte. Diese Vorreiterrolle sollte man schließlich auch für die Entwicklung der Fächer Rassenkunde und Rassenhygiene einnehmen, zumal dem in Jena ansässigen Gustav Fischer Verlag dabei ebenso eine wichtige Vermittlerposition zukam.
9.2 Biowissenschaften im Dritten Reich – Sonderwege an der Salana 9.2.1 Zur Genese der Fächer Rassenkunde und Rassenhygiene in Thüringen
Im dritten Kriegsjahr (1941) begann in der »Brüsseler Zeitung« eine Artikelserie über »Das Gesicht der deutschen Wissenschaft«. Als eine der ersten deutschen Universitäten stellte sie die Friedrich-Schiller-Universität Jena vor. Autor war der Jenaer Rassenhygieniker und Kriegsrektor Karl Astel (1898–1945), dessen Porträtfoto in SSUniform den Beitrag schmückte.19 Als »Brennpunkt deutschen Geisteslebens in der Vgl. Brüsseler Zeitung vom 13. März 1941. Zuvor war schon über die Universitäten in Wien (7. März 1941) und Leipzig (11. März 1941) berichtet worden. Nach dem Jenaer Bericht folgten u. a. noch 19
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Tradition Goethe-Abbe-Haeckel« – so untertitelte Astel – bekomme diese Universität »mehr und mehr« ihr »kennzeichnendes eigenes Gesicht«. Schon jetzt genieße sie den Ruf, »die erste rassen- und lebensgesetzlich ausgerichtete Hochschule Großdeutschlands zu sein.« Dafür seien gezielt »anerkannte Persönlichkeiten« und »junge Kräfte« nach Jena berufen worden. Auch habe Jena diese Pionierrolle übernehmen können, weil schon 1930 der damalige Thüringer Volksbildungsminister Wilhelm Frick den ersten rassenkundlichen Lehrstuhl an einer deutschen Hochschule (für Sozialanthropologie) schuf: Für die durch alle Jahrhunderte erhalten gebliebene wache und lebendige Art Jenas als deutsche Bildungsstätte ist das in ihren Räumen hängende berühmte Bild Hodlers ›Auszug der Jenaer Studenten im Jahre 1813‹ bestes Symbol geblieben. So hat in dem Zeitalter der nationalsozialistischen Revolution die Universität Jena ihren Ruhm, geistig in der ersten Reihe zu marschieren, fortgesetzt.20
Ebenso gern betonte der Thüringer NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel (1894–1946) diesen »Vorort«-Anspruch, um seine auch in jener Hinsicht ehrgeizige Gau-Regionalpolitik u. a. gegen das Reichserziehungsministerium in Berlin durchzusetzen. Er betrachtete es als seine »vom Führer gebilligte Aufgabe«, die Universität Jena »mehr und mehr zu einer wirklich nationalsozialistischen Hochschule« als »Gewähr für den Wiederaufstieg« zu gestalten (Februar 1937), gerade in Jena eine »neue, im Nationalsozialismus lebende und aus ihm wirkende Dozentenschaft« aufzubauen (März 1937) und die Universität »zu einem nationalsozialistischen wissenschaftlichen Stützpunkt erster Ordnung« umzugestalten (März 1943).21 Diese wenigen Bemerkungen von Astel (dem Wissenschaftler) und Sauckel (dem Politiker) zeigen, daß die Etablierung von Rassedenken – neben einem politisch durchsetzten Erziehungsprogramm und der späteren Apologie des Krieges – zum zentralen und bewußt gewollten wissenschaftlichen Element einer nationalsozialistischen Lehre/Forschung an der Jenaer Salana und im »Mustergau Thüringen« avancierte. Nachfolgende chronologische Auswahlübersicht über die Etablierung der Rassenhygiene/Rasenkunde an einigen deutschen Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen verdeutlicht dabei die Jenaer Sonderstellung. In Jena waren institutionelle Beispiele (kursiv) in einer derartigen Häufung anzutreffen, wie sie im Dritten Reich an keiner anderen Universität (vielleicht bis auf Prag, Šimůnek 2004) mehr vorgekommen sind.
Beiträge zu den Universitäten Heidelberg (30. März 1941) und Halle (15. Juli 1941). Vgl. ebenso Uwe Hoßfeld/Jürgen John (1998): Die Universität Jena im »Dritten Reich«. Uni-Journal Jena 11: 20–21; Hoßfeld, John, Lemuth & Stutz (2003, 2005); Stutz & Hoßfeld (2004). 20 Vgl. Brüsseler Zeitung vom 13. März 1941. 21 Vgl. ›Schnellbrief‹ von Sauckel an Reichsminister Rust vom 8. März 1943 (UAJ, Best. U, Abt. IV, Nr. 16).
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Ort
Institut, Zeitraum, Fachvertreter
München
Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene der Universität, Fritz Lenz 1923– 1933, Lothar Tirala 1933–1936, Ernst Rüdin 1936–1945; ab 1919 Kaiser-WilhelmInstitut für Genealogie und Demographie (Ernst Rüdin)
Hamburg
Rassenbiologisches Institut der Universität, Walter Scheidt 1926–1965; Abteilung für Erb- und Zwillingsforschung an der II. Medizinischen Universitätsklinik, Wilhelm Weitz 1934–1945
Leipzig
Institut für Rassen- und Völkerkunde der Universität, Otto Reche 1927–1945
Jena
o. Prof. und Seminar für Sozialanthropologie, Hans F. K. Günther 1930–1935/36; ab 1936–1955/1960 Bernhard Struck – o. Prof. und Seminar/Anstalt/Institut für Anthropologie und Völkerkunde
Berlin
Institut für Rassenhygiene der Universität, Fritz Lenz 1933–1945; Institut für Rassenbiologie der Universität, Wolfgang Abel 1942–1945; Anstalt für Rassenkunde, Völkerbiologie und ländliche Soziologie, Hans F. K. Günther, 1935–1940; Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, Eugen Fischer 1927–1942, Otmar Freiherr von Verschuer 1942–1945
Greifswald
Institut für menschliche Erblehre und Eugenik, Günther Just 1933–1942, Fritz Steiniger 1942–1945
Gießen
Institut für Erb- und Rassenpflege, Heinrich W. Kranz 1934–1942, Hermann Boehm 1943–1945
Düsseldorf
Extraordinariat für Erbgesundheits- und Rassenpflege, Friedrich E. Haag 1934–1940
Jena
o. Prof. und Institut für »Menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung« (1934/35–1935), später dann für »Menschliche Erbforschung und Rassenpolitik«, Karl Astel (bis 1945)
Königsberg
Rassenbiologisches Institut, Lothar Löffler 1934–1943, Bernhard Duis 1943–1945
Tübingen
Rassenkundliches Institut 1934–1938, Rassenbiologisches Institut 1938–1945, Wilhelm Gieseler 1934–1945
Frankfurt
Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene der Universität, Otmar Freiherr von Verschuer 1935–1942, Heinrich W. Kranz 1943–1945; Institut zur Erforschung der Judenfrage ab 1941 unter Wilhelm Grau
Jena
o. Prof. für Phylogenetik, Vererbungslehre und Geschichte der Zoologie; ErnstHaeckel-Haus (Institut), Victor Franz 1936–1945
Würzburg
Rassenbiologisches Institut der Universität, Ludwig Schmidt-Kehl 1937–1941, Friedrich Keiter 1941–1942, Günther Just 1942–1945 (1948)
Jena
Institut und Lehrauftrag für »Allgemeine Biologie und Anthropogenie«, Gerhard Heberer 1938–1945
Köln
Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene, Ferdinand Claussen 1939–1945 (Assistenz Wolfgang Bauermeister)
Von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus
Innsbruck
Erb- und Rassenbiologisches Institut der Universität, Friedrich Stumpfl 1939–1945
Prag
Institut für Erb- und Rassenhygiene an der Medizinischen Fakultät der Karls-Universität, Karl Thums 1940–1945; Institut für Sozialanthropologie und Volksbiologie an der Philosophischen Fakultät, Karl Valentin Müller 1942–1945; Institut für Rassenbiologie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät, Bruno Kurt Schultz 1942–1945
Freiburg i.Br.
Anstalt für Rassenkunde, Völkerbiologie und ländliche Soziologie, Hans F. K. Günther 1940–1945
Straßburg
Institut für Rassenbiologie der Reichsuniversität, Wolfgang Lehmann 1942–1945
Danzig
Institut für Erb- und Rassenforschung der Medizinischen Akademie, Erich Grossmann 1942–1945
Wien
Rassenbiologisches Institut der Universität, Lothar Loeffler 1942–1945
Rostock
Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene, Hans Grebe 1944–1945
Seit Mitte der 1920er Jahre hatten sich die Rassenkunde sowie später auch die Rassenhygiene als geeignete Felder für eine nationalsozialistische Propagierung von Rassenideen erwiesen und weitgehend in der deutschen Wissenschaftslandschaft etabliert. Eine Vernetzung der erwähnten Fächer mit der Politik und Ideologie ist dabei zeitlich aber nicht nur auf die Zeit des Nationalsozialismus zu begrenzen, sondern die wissenschaftshistorischen Verbindungen reichen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück.22 Sie streifen somit auch unmittelbar die Stadt an der Saale. So überrascht auch nicht der Umstand, daß bereits am 17. November 1933 der Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß (1894–1987), dem in Göttingen promovierten Mediziner Walter Groß (1904–1945) die Überwachung und Vereinheitlichung der gesamten Schulung und Propaganda auf den Gebieten der Bevölkerungs- und Rassenpolitik übertrug.23 Groß wurde als Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP24 berufen, welches Anfang des Jahres 1934 auf Wunsch von Adolf Hitler (1889–1945) beim Stab des Stellvertreters des Führers eingerichtet worden war. DieVgl. dazu u. a. Gasman (1971, 1998), Sandmann (1990), Mazumdar (1990), Thomann & Kümmel (1995) sowie Horgan (1995). 23 Groß sprach 1934 von einer Doppelaufgabe in der rassenpolitischen Erziehung: »[…] einmal klare, zielsichere Konsequenz im Durchdenken, rücksichtslose Ausmerzung jedes unklaren begrifflichen Kompromisses im Innern, zugleich aber kluge und überlegene Darstellung der neuen Gedankengänge dem Ausland gegenüber, um nicht durch ungeschickte Formulierungen, die an sich schon großen Widerstände der liberalen Welt noch künstlich zu vermehren« (Groß 1934: 834). Vgl. auch seine Bedenken zur Namengebung des Astel-Institutes im Jahre 1934 (ThHStAW, ThVBM, C 294). 24 Weitere rassenkundliche »Schaltstellen« waren u. a.: Rassenhygienische und bevölkerungsbiologische Forschungsstelle (Robert Ritter), Abteilung für Erbgesundheits- und Rassenpflege (Eduard Schütt), Kriminalbiologische Forschungsstelle (Ferdinand von Neureiter), Erbwissenschaftliches Forschungsinstitut (Günther Just), Rassen – und Siedlungs-Hauptamt der SS usw.; vgl. ebenso Gütt (1935). 22
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Abb. 31: Übersicht über die Zahl der 1929 bis 1937/38 abgehaltenen Vorlesungen in Vererbungslehre, Rassenkunde und Rassenhygiene. Der Biologe, 1938, 7. Band, Heft 9, S. 307.
Abb. 32: Vorlesung über Vererbungslehre, Anthropologie und Rassenkunde sowie Rassenhygiene und Eugenik an deutschen Hochschulen seit 1900. Der Biologe, 1938, 7. Band, Heft 9, S. 308.
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ses Amt erhielt den Auftrag, die rassenpolitische Aufklärungsarbeit in der NSDAP, ihren Gliederungen und den angeschlossenen Verbänden zu überwachen und nach einheitlichen Gesichtspunkten auszurichten.25 Mit Unterstützung des Reichsschulungsamtes und durch die Förderung von Alfred Rosenberg (18993–1946) und Joseph Goebbels (1897–1945) gelang es Groß relativ schnell, einheitliche Richtlinien für die Behandlung dieser Fragen im Sinne der Partei durchzusetzen und ihnen in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen. Dabei wurde auf die weltanschaulichen Folgerungen und Voraussetzungen des rassischen Denkens bewußt der allergrößte Wert gelegt (Groß 1934: 836).
Mit der Gründung des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP setzte dann also reichsweit eine planmäßig gesteuerte, bewußt gezielte und von politischen bzw. wissenschaftsideologischen Gesichtspunkten getragene »Aufklärung des deutschen Volkes« in Rassenfragen ein: Der Rassengedanke wurde zur politischen Willenserklärung des Dritten Reiches. Aus den Erkenntnissen der Erb- und Rassenforschung und noch über sie hinaus ist uns diese neue weltanschauliche Haltung erwachsen, die uns wieder die Gesetze des Lebens, die Stimme des Blutes und den Wert der Rasse verstehen gelehrt hat (Groß 1936: 331).
Obwohl Groß noch 1936 auf der VIII. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Physische Anthropologie in Dresden (24. bis 25. September) für »eine saubere Trennung von Wissenschaft und Politik« offiziell eingetreten war (Schwidetzky 1936: 319)26, änderte sich bereits drei Jahre später seine Einstellung. So traf er mit der »Deutschen Gesellschaft für Rassenforschung« und der »Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene« die Vereinbarung, daß die jeweiligen Vorsitzenden der beiden Gesellschaften als Fachreferenten in die Hauptstelle Wissenschaft des Rassenpolitischen Amtes berufen werden sollten.27 Dieses Vorgehen von Groß verwundert nicht, wenn man sich die rasante Entwicklung bzw. die wissenschaftsideologische Bedeutung der Fächer Rassenkunde und Rassenhygiene im nationalsozialistischen Deutschland ab 1934 betrachtet (s. o.), zumal auch er sich in seinen »Publikationen« mehr und mehr dieser Thematik zuwandte (Groß 1939, 1941, 1943). Der Aufschwung an rassenkundlichen und vererbungswissenschaftlichen Fragestellungen in den Bereichen der Human- und Biowissenschaften läßt sich ca. ab 1930 Zum zehnjährigen Jubiläum des Amtes bemerkte beispielsweise von Verschuer: »Die Rassenpolitik gilt mit Recht als Kernstück des Nationalsozialismus […] Der Nationalsozialismus dagegen hat den Menschen selbst mit den in ihm enthaltenen rassischen und erblichen Anlagen und die dem einzelnen Menschen übergeordnete Gesamterscheinungsform von Volk und Rasse in den Mittelpunkt seiner Politik gerückt […] Die Vorschläge einzelner Wissenschaftler, Programme wissenschaftlicher Gesellschaften wären aber niemals zur Durchführung gekommen, wenn nicht der Nationalsozialismus die Rassenpolitik als Panier erhoben hätte.« (O. v. Verschuer, 10 Jahre Rassenpolitisches Amt, Der Erbarzt 1944, Heft 3/4, S. 54). 26 Weiter heißt es: »[…] denn das reine Erkenntnisstreben dürfe von politischen Gegenwartsforderungen nicht eingeengt werden. Wohl aber könne man erwarten, daß der Wissenschaftler nicht in die politische Erziehungsarbeit eingreift, die gradlinig und unter Umständen einseitig sein muß, um zunächst festgewurzelte Irrtümer auszurotten. Sie ist nicht der Ort für wissenschaftliche Teilfragen und Diskussionen. – Jeder deutsche Wissenschaftler wird diese Worte um so mehr bejahen, als gelegentlich allzu Eifrige die klaren Grenzen zum Schaden beider Teile verwischen möchten« (ebd.). 27 Vgl. »Nachrichten Deutschland«. Zeitschrift für Rassenkunde 9: 301, 1939. 25
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auch lückenlos in Jena nachweisen, zumal man hier frühzeitig eine eigene rassenkundliche Argumentationsrichtung, bestehend aus Teilen des Mendelismus, Haeckelianismus, des darwinschen Selektionsprinzips und der Überlegenheit der nordischen Rasse, postulierte. Das Motiv für diese hier erfolgte Verschmelzung mag darin gelegen haben, die Theorie von der Überlegenheit der nordischen/arischen Rasse (H. F. K. Günther, G. Heberer) mit dem selektiven Postulat vom Kampf ums Dasein (E. Haeckel, L. Plate, W. Hentschel) und dem Überleben des Tüchtigsten (K. Astel, L. Stengel von Rutkowski) zu verbinden.28 Als besonders geeignete Experimentierfelder erwiesen sich hierfür insbesondere die Medizin und Biologie, wobei letztere sich zwar als vereinigte Natur- und Geisteswissenschaft präsentierte, aber – über die traditionelle Grundlagenforschung hinausgehend – auch noch den nötigen Spielraum einer neuen ›Grenzwissenschaft‹ für wissenschaftliche Versuche der verschiedensten Art bot. Entsprechend diesen »wissenschaftlichen« Voraussetzungen waren der nationalsozialistische Rassenwahn und Antisemitismus in Jena nicht plötzlich entstanden. Der Weg war auch hier seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch die Ideen und publizierten Schriften von Haeckel, dessen Schüler Willibald Hentschel, Haeckels Nachfolger L. Plate u. a. wissenschaftlich und ideologisch vorgezeichnet.29 Daneben wirkten sich für die Genese der Fächer Rassenkunde und Rassenhygiene auch noch die günstigen politischen Machtverhältnisse im »Mustergau« besonders aus. So hatte am 10. Januar 1930 Hitler den Wunsch geäußert, an der Jenaer Universität einen »Lehrstuhl für Rassefragen und Rassenkunde« zu gründen; wurde am 23. Januar 1930 Wilhelm Frick (1877–1946) als erster nationalsozialistischer Minister Deutschlands gewählt; fand am 26. August 1932 die Wahl einer von der NSDAP bestimmten Koalitionsregierung unter dem Vorsitz des Gauleiters und späteren Reichsstatthalters Fritz Sauckel statt usw. (Hoßfeld 1999d, e; 2001a). Diese politischen Tendenzen beeinflußten nachhaltig die thüringische Wissenschaftslandschaft. Insbesondere unter den Rektoraten des Theologen Wolfgang Meyer-Erlach (1935–37) und Astels (1939–45) erfuhr die Salana starke personelle und inhaltliche Veränderungen.30 Bereits nach der Verabschiedung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 wurden so in Jena zahlreiche politisch und rassisch unliebsame Professoren, Dozenten und Assistenten vom Hochschuldienst ausgeschlossen.31 Nach dieser ersten »Säuberung des Lehrkörpers« wurde die »Gleichschaltung« der Jenaer Universität noch im selben Monat vorangetrieben. Im April 1933 war der Rektor ebenso zu Alleinentscheidungen »Seit der Berufung von Günther war die Tradition des Trutzgaues Thüringen, in allen Zweigen rassischer Aufbauarbeit Vorort des Reiches zu sein, auch an den Stätten seiner Lehre und Forschung von Jahr zu Jahr fortgeschritten« (vgl. UAJ, Best. BA, Nr. 2029, Bl. 69; Hoßfeld 2004b). 29 Vgl. dazu u. a. Daum (1998), von Engelhardt (1980), Groschopp (1997), Mann (1980) sowie Levit & Hoßfeld (2006). 30 Vgl. weiterführend Dickmann (1966), Dornheim et al. (1997), Ehrlich & John (1998), Heiden & Mai (1995) sowie Mauersberger (2001). 31 Unter den entlassenen Hochschullehrern waren beispielsweise der Nationalökonom Paul von Hermberg, der Psychologe Wilhelm Peters, der jüdische Pflanzenphysiologe Leo Brauner, die Pädagoginnen Mathilde Vaerting und Anna Siemsen, der Wirtschaftswissenschaftler Berthold Josephy, der Mediziner Hans Simmel, der Orientalist Julius Lewy sowie der sozialdemokratische Entwicklungsbiologe Julius Schaxel. 28
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ermächtigt worden. Am 6. November des gleichen Jahres führte man an der Jenaer Universität das »Führer-Prinzip« ein, was eine komplette innere und äußere Neuordnung der universitären Struktur zur Folge hatte. Die alte Universitätshauptsatzung wurde damit außer Kraft gesetzt; im Dezember wurde auch das Kuratoramt aufgelöst. Die Nationalsozialisten mußten also in Thüringen – was ihre ›rassenkundliche Tradition‹ in den Bio- und Humanwissenschaften anging – sowohl methodologisch als auch theoretisch und praktisch nichts prinzipiell Neues erfinden. Sie nutzten letztlich nur das aus, was Houston St. Chamberlain, Francis Galton, Graf Arthur de Gobineau u. a. ihnen vorgezeichnet hatten. Jena mit seiner Landesuniversität – zumal in der biowissenschaftlichen Tradition eines Haeckel stehend – war nach ihrer Ansicht dafür besonders geeignet: Im ganzen genommen ist es schon heute der Ruf Jenas, die erste rassen- und lebensgesetzlich ausgerichtete Hochschule Großdeutschlands zu sein und so zu ihrem Teil Umwelt und Erbwelt des deutschen Volkes durch wissenschaftliche Arbeit und deren Anwendung sichern zu helfen.32
Verfolgt man nun den Aspekt der Ausbreitung rassenkundlichen Denkens in Thüringen und an der Salana, so lassen sich verschiedene Kriterien für Einteilungen bzw. Analysen finden (Hoßfeld 2004a, 2005a, 2014): 1.
2.
3.
Untersucht man den Einfluß der Rassenkunde und Rassenhygiene an der Universität nach fächerspezifischen Inhalten, so ergeben sich vier thematische Bereiche: 1) Rassenkunde, (Paläo-) Anthropologie und Antisemitismus, 2) Rassenhygiene, Volksgesundheit und menschliche Erblehre, 3) Biologische Erbstatistik sowie 4) Rassenpolitik, Rassenphilosophie und Kulturbiologie. Folgt man hingegen einem eher biographischen Ansatz in der Bearbeitung, wie beispielsweise dem des Hinterfragens wichtiger Protagonisten einer rassenkundlichen Tradition an der Salana, stößt man auf Namen wie Hans F. K. Günther, Karl Astel, Victor Franz, Gerhard Heberer, Lothar Stengel von Rutkowski, Heinz Brücher, Johann von Leers, Max Hildebert Boehm, Bernhard Kummer, Erna Weber oder Falk Ruttke. Möchte man sich hingegen ausschließlich auf die institutionelle Anbindung der Fächer etc. in einer Analyse konzentrieren, ergeben sich auch hier verschiedene Untersuchungsgruppen: a) die Abteilung »Lehre und Forschung« des Lehrstuhles für »Menschliche Erblehre und Rassenpolitik« (Kahlaische Straße Nr. 1; Jena) sowie das Ernst-Haeckel-Haus (Berggasse 7; Jena); b) der Bereich der Fakultäten (Medizinische vs. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät usw.); c) Kooperationen zwischen Stadt, Region, Gau und Reich.
Als Novum ragt in dieser Zeit ferner heraus, daß Haeckels »Eckermann« Heinrich Schmidt (1874–1935) im Jahre 1932 ein anthropologisches Buch, ohne rassenkundlichen Bezug, mit dem Titel Mensch und Affe im Urania-Freidenker-Verlag (Jena) publizierte. Zu diesem Buch hatte der sozialdemokratische Entwicklungsbiologe Julius Schaxel (Jena) sogar ein Nachwort verfaßt, in dem er sich auf die marxistischen 32
Vgl. UAJ, Best. BA, Nr. 2029, Bl. 72.
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Abb. 33: Hans F. K. Günther (Bildarchiv des Verfassers ) und Victor Franz (Bildarchiv des Ernst-Haeckel-Hauses, Jena).
Abb. 34: Karl Astel (PA Astel, ThHStAW) und Gerhard Heberer (Bildarchiv des Verfassers).
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Grundlagen (F. Engels usw.) in der Geschichte der Anthropologie berief. Monate später (28. April 1933) wurde Schaxel (1887–1943) dann aufgrund des Reichsgesetzes »zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 aus dem Universitätsdienst entlassen und emigrierte in die Sowjetunion, wo er 1943 unter ungeklärten Umständen ums Leben kam.
9.2.2 Die Rassen-Quadriga
Thüringen galt als nationalsozialistisches »Musterland« bzw. »Mustergau«.33 Diese Beschreibung traf auch besonders auf die Wissenschaftslandschaft zu, nachdem man Frick am 23. Januar 1930 hier zum ersten nationalsozialistischen Staatsminister gewählt hatte. Dieser wechselte aber bereits drei Jahre später nach Berlin, um dort wiederum als vorerst einziger nationalsozialistischer Fachminister (Innenressort) in Hitlers Regierung der »nationalen Erhebung« (30. Mai 1933) tätig zu werden und »die erste Bresche in die Front der Wissenschaft der Systemzeit« zu schlagen.34 Er gilt als einer der Architekten des Polizeistaates und als Mitinitiator des Terrorsystems der Konzentrationslager, der bereits frühzeitig in verschiedenen Reden die zukünftige, von deutschnationalen Gesichtspunkten getragene »Marschrichtung« bei der Behandlung von Rassenfragen aufgezeigt und abgesteckt hatte. So sprach Frick beispielsweise davon, den »kulturellen und völkischen Niedergang aufzuhalten«, einer »Überalterung und Übergreisung« des »Volksbestandes« vorzubeugen und die »Güte und Beschaffenheit unserer deutschen Bevölkerung« zu verbessern (Frick 1933: 137; Burgdörfer 1934). Einen warnenden Appell richtete er daher bereits an die Teilnehmer der ersten Sitzung des Sachverständigenbeirates für Bevölkerungs- und Rassenpolitik am 28. Juni 1933, indem er bemerkte: Neben der bedrohlich zunehmenden erbbiologischen Minderwertigkeit müssen wir in gleichem Maße die fortschreitende Rassenmischung und Rassenentartung unseres Volkes mit Sorge verfolgen, da der deutsche Mann und die deutsche Frau es verlernt haben, sich ihres Blutes und ihrer Rasse bewußt zu sein (ebd.: 138).
Frick empfahl des weiteren, seinen Entwurf eines Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zu prüfen, damit »Ausmerze und Auslese […] durch rassenhygienische und rassenpolitische Gesetzgebung eingeleitet werden« könnten (ebd.: 140). Diese exemplarischen Äußerungen ließen sich in beliebiger Anzahl noch fortsetzen und beweisen, wie die in Thüringen gelegten Grundlagen (Berufung des »RasseGünther« etc.) durch ihn nun auch reichsweit durchgesetzt werden sollten. An der Alma mater Jenensis gab es zwischen 1930 und 1945 (vgl. die Übersicht unter 9.2.1) die für unseren Sprachraum einmalige akademische und wissenschaftspolitische Konstellation, daß vier Professoren für unterschiedliche Zeiträume die gleiche wissenschaftliche Thematik in ihrer Lehre und Forschung vertraten, nämlich die Rassenkunde und Rassenhygiene im engeren Sinne. Es handelt sich hierbei um den Philologen und Publizisten Hans Friedrich Karl Günther, den RassenhygieniVgl. Weindling (1989, 1991); Hoßfeld (2004a-c); Heiden & Mai (1995); Tracey (1975, 1995); Mai (1996); Hoßfeld et al. (2003, 2005). 34 Vgl. ThHStAW, ThVBM, C 10, Bl. 210. 33
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ker Karl Astel, den Zoomorphologen Victor Franz sowie den Zoologen und Anthropologen Gerhard Heberer. Diese vier Hochschullehrer – die »Rassen-Quadriga«35 von Jena – ließen sich während der Zeit des Dritten Reiches vor den »Universitätskampfwagen« der propagierten nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik und Ideologie in Thüringen spannen, gehörten zu den Hauptprotagonisten einer »Deutschen Wissenschaft/Biologie«36 und trugen in jenen Jahren verstärkt dazu bei, daß die Salana in den Ruf kam, eine »braune Universität« zu sein. Da bereits mehrfach an anderen Stellen schon über einzelne Protagonisten berichtet wurde, sollen nachfolgend nur noch einmal kurz die wichtigsten Eckdaten (nach dem Schema: Vita des Protagonisten, Institutsgeschichte, Lehre und Forschung) zusammengefaßt werden.
9.2.2.1 Hans F. K. Günther – Sozialanthropologie (1930)
Hans Friedrich Karl Günther wurde am 16. Februar 1891 in Freiburg im Breisgau geboren.37 Nach dem Besuch der Volksschule und Oberrealschule in Freiburg erwarb er im Sommer 1910 das Reifezeugnis. Die Vorliebe für die Sprachforschung ließ ihn ein Studium der neueren Sprachen an den Universitäten Freiburg und Paris aufnehmen.38 Daneben studierte er auch finnisch-ugrische und altaische Sprachen bis Juli 1914 und legte parallel am Realgymnasium Villingen die Reifeprüfung in Latein ab. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er in Freiburg mit einer Arbeit Über die Quellenherkunft des Volksbuches von Fortunatus und seinen Söhnen (1914) beim Sprachwissenschaftler Alfred Götze zum Dr. phil. promoviert. Als der Krieg 1914 begann, meldete sich Günther freiwillig, wurde aber infolge einer Erkrankung (Gelenkrheumatismus) kurze Zeit später entlassen; bis Januar 1919 arbeitete er dann im Dienst des Roten Kreuzes. Nach dem Krieg ging Günther nach Dresden und bereitete sich hier für eine Kriegsteilnehmerprüfung für das höhere Lehramt vor, die er noch im selben Jahr bestand. Danach trat er bis zum Erlangen der so genannten Anstellungsfähigkeit in den Dienst der Dreikönigschule Dresden (Reformrealgymnasium). In diese Zeit fiel das Erscheinen seines ersten Buches Ritter, Tod und Teufel (1920). Im Sommer 1920 trat der Münchener Verleger Julius Friedrich Lehmann (1864–1935)39, den Günther während eines Treffens mit den Rassenhygienikern AlIch habe diese Metapher am 21. Januar 1998 anläßlich eines Vortrages »Die Rassen-Quadriga von Jena: Hans F. K. Günther, Karl Astel, Victor Franz und Gerhard Heberer« im Zeitgeschichtlichen Kolloquium des Historischen Institutes in Jena erstmals verwendet, um auf die personellen Besonderheiten an der Jenaer Universität hinsichtlich der Etablierung von Rassedenken zu verweisen. 36 Vgl. zur ›Deutschen Biologie‹ u. a. Deichmann (1992), Macrakis (1993a, 1993b) sowie Brömer, Hoßfeld & Rupke (2000) – dort weitere Literatur. Siehe ebenso Kapitel 9.2.1. 37 Vgl. ergänzend Stengel von Rutkowski (1930, 1935a, 1935b, 1941), Becker (1990), Lenz (1931), Zimmermann (1996), Hoßfeld (1999d, 2001), Weisenburger (1997), Hoßfeld (2005d, 2011, 2014), Hoßfeld & Šimůnek (2008) sowie Günther (1969). 38 Vgl. ThHStAW, ThVBM, Abt. AV, Loc 2 G, Nr. 924. 39 »Ich [J. F. Lehmann] lud ihn [Günther] nach München ein und machte im Anschluß daran eine Bergwanderung mit ihm, auf der wir verschiedene Pläne besprachen. Der Rassengedanke war damals eine treibende Kraft in mir und als Dr. Günther bei Besprechung solcher Fragen sofort von jedem Wanderer, der uns begegnete, eine Rassenbeschreibung machte, erkannte ich, daß er für Rassenfragen ein besonders feines Verständnis hatte. Wie eine Eingebung kam mir der Gedanke: Das ist 35
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fred Ploetz und Fritz Lenz kennengelernt hatte, mit der Bitte an ihn heran, eine rassenkundliche Arbeit über die deutsche Bevölkerung zu verfassen.40 Günther war von diesem Vorschlag begeistert und widmete sich in den verbleibenden Monaten des Jahres dieser Aufgabe, insbesondere in der Anthropologischen Abteilung des Dresdener Zwingers. Im Januar 1922 erschien die Rassenkunde des deutschen Volkes in erster Auflage, im Herbst desselben Jahres die zweite Auflage, die weiteren, jeweils nach sorgfältiger Sichtung der gegnerischen wissenschaftlichen Kritik umgearbeitet, zum Teil erweitert, in kurzen Abständen (Stengel von Rutkowski 1935a: 985).
Trotz guter Bezahlung durch den Münchener Lehmann-Verlag reichte das Geld für den Unterhalt nicht aus, so daß Günther im Herbst 1922 nach Breslau ging, weil man dort in diesem Jahre im Vergleich zu anderen Städten billiger leben konnte, und [ich] dankbar [war], mit dem hier lehrenden Anthropologen Mollison in regen und freundschaftlichen Gedankenaustausch treten zu können (ebd.: 985–986.)
Im Frühjahr 1923 übersiedelte er nach Norwegen, im Herbst 1923 arbeitete er dann für einige Zeit im Danziger Museum für Vorgeschichte und bearbeitete eine Schädelsammlung. Anfang 1924 hielt Günther eine Reihe von Gastvorlesungen an der Universität Uppsala, die im Rahmen der Vorlesungen des Schwedischen Staatsinstitutes für Rassenhygiene (Rassenbiologie) organisiert wurden. Später mußte Günther auch Kurse in Anthropometrie an der Medizinischen Fakultät (Lehrgebiet Anatomie) geben, was ihn dazu veranlaßte, im Herbst 1925 mit seiner Familie nach Uppsala überzusiedeln (Olsson et al. 2006a). Im Herbst 1926 wohnte Günther dann in Lidingö (Stockholm). Wegen finanzieller Probleme mußte die Familie ab Sommer 1928 wieder zwischen Skandinavien und Deutschland pendeln, da die Buchhonorare weiterhin nicht für den Lebensunterhalt ausreichten. Trotz dieser Mißstände arbeitete Günther kontinuierlich weiter. So erschien im Herbst 1928 Die Rassengeschichte des hellenischen und römischen Volkes und im darauffolgenden Jahr die Rassenkunde des jüdischen Volkes. Um jedoch einen regelmäßigen Lebensunterhalt für die Familie zu erhalten, ließ sich Günther am Gymnasium in Blasewitz bei Dresden einstellen (zum 1. April) und bezog als Aushilfslehrer ein halbes Gehalt.41 In dieser wirtschaftlich angespannten Situation erreichte ihn der Ruf nach Jena.42 Günther war seit dem 1. Mai 1932 Mitglied der NSDAP (Nr. 1185391) und in der Ortsgruppe Freiburg (Gau Baden) organisiert, ab 1933 dann als Mitglied im Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik des Reichsministers des Innern tätig. Später trat er noch dem NS-Dozentenbund, der NS-Volkswohlfahrt, dem der Mann, den du seit Jahren suchst, der die Fähigkeiten besitzt, eine >Rassenkunde des deutschen Volkes< zu schreiben« (Redaktion der Zeitschrift »Der Biologe« 1934: 306). 40 Der Anthropologe K. Saller bemerkte dazu: »Schon Martin hatte auf die Unsicherheit unserer Rassenaufstellungen verwiesen und deshalb von vornherein eine Beteiligung an den Lehmannschen Verlagsplänen abgelehnt, die Günther dann durchführte« (Saller 1961b: 55). Vgl. auch Kraitschek (1923) oder Iltis (1930). 41 Vgl. ThHStAW, ThVBM, Abt. AV, Loc 2 G, Nr. 924. 42 Es konnte bis heute anhand der Archivalien nicht eindeutig geklärt werden, warum Frick ausgerechnet Hans F. K. Günther nach Jena berief, und welche speziellen Gründe ihn dazu bewogen. Wahrscheinlich kam die Anregung zu Günthers Berufung vom Vorsitzenden der Wirtschaftspartei Thüringens Max Robert Gerstenhauer. Vgl. Lenz (1931: 337).
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NS-Lehrerbund sowie dem Reichsluftschutzbund bei. In den erwähnten NS-Organisationen trat er – der spätere Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP (1941) – kaum aktiv in Erscheinung.43 In Jena war Günther bis zum Wintersemester 1935 tätig. Außer seiner Antrittsvorlesung vom 15. November 1930 und dem Attentat auf ihn vom 9. Mai 1931 konnten keine weiteren nennenswerten Ereignisse aus dieser Zeit recherchiert werden. Noch vor der Rufannahme – zum Wintersemester 1935/36 – nach Berlin erhielt Günther 1935 als erster Wissenschaftler auf dem ›Parteitag der Freiheit‹ der NSDAP in Nürnberg den von Hitler gestifteten »Staatspreis der Bewegung für wissenschaftliche Leistungen feierlich und bedeutsam verliehen« (Stengel von Rutkowski 1941: 264). Während seiner Berliner Zeit (am Institut für Rassenkunde, Völkerbiologie und Ländliche Soziologie) wurden Günther dann noch zwei weitere Ehrungen zuteil. So erhielt er um die Jahreswende 1936/37 die RudolfVirchow-Plakette der »Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte« (Vorsitzender Eugen Fischer), des weiteren erfolgte seine Berufung in den Vorstand der »Deutschen Philosophischen Gesellschaft«. Ferner wurde er 1941 als Mitglied in die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt gewählt und war in den Editorial Boards der Zeitschriften Der Biologe sowie der Zeitschrift für Rassenkunde (Hg. Egon Freiherr von Eickstedt) zu finden. Bereits 1934 hatte Günther, mit dem Rassen-Seelenforscher Ludwig Ferdinand Clauß, als Publikationsorgan des »Nordischen Ringes« die Zeitschrift Rasse gründet, als deren Mitherausgeber er aber schon 1938 abgelöst wurde. Am 1. Oktober 1939 nahm Günther schließlich einen Ruf an seine ehemalige Heimatuniversität Freiburg an, wo er bis 1944 lehrte (Hasenauer 2002/03). In Freiburg soll Günther sofort das Primat in rassenkundlichen Fragen beansprucht haben. Er wünschte auch eine klare fachliche Abgrenzung zu Johann Schaeuble (1904–1968), einem Schüler Eugen Fischers, der am 1. April 1937 als Anthropologe nach Freiburg gekommen war (Seidler 1993, Gessler 2000). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Günther von der französischen Besatzungsmacht verhaftet und von 1945 bis 1948 interniert. Nach der Entlassung aus der Lagerhaft und erfolgter Entnazifizierung (1949 Entscheidung der Spruchkammer Freiburg: »Minderbelasteter«; 1951 im Berufungsverfahren als »Mitläufer« eingestuft) wurde er aus dem Universitätsdienst entlassen, durfte aber als Publizist weiter arbeiten. In den letzten zwei Lebensjahrzehnten legte er noch verschiedene seiner Bücher neu auf und beschäftigte sich mit religiösen Fragestellungen (Hoßfeld 2001a; Puschner & Vollnhals 2012). Günther verstarb am 25. September 1968 in Freiburg: »Die Öffentlichkeit hat von seinem Tod kaum Notiz genommen« (Becker 1990: 291). Das Seminar für Sozialanthropologie
Die Genese des Seminars für Sozialanthropologie an der Universität Jena läßt sich in drei Phasen unterteilen, wobei nur die ersten beiden unmittelbar mit Günther verbunden sind: Phase 1 (März-Juni 1930), Phase 2 (Juli 1930 bis Juni 1935) sowie Phase 3 (1936 bis 1938). Vgl. BDC, Personalakte Günther. Alle Daten sind auch noch einmal im von Günther ausgefüllten Fragebogen der ›Parteistatistischen Erhebung 1939‹ nachzulesen (Ebd.). 43
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Die erste Phase diente hauptsächlich dazu, die notwendigen Schritte zur Schaffung der Güntherschen Professur einzuleiten und diese auch durchzusetzen. So hatte am 1. März 1930 die Geschäftsstelle des Volksbildungsministeriums Thüringen im Auftrag von Minister Frick dem Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, dem Botaniker Otto Renner, 11 Bücher Günthers mit dem Ersuchen, sie zur Vorbereitung der in der nächsten Woche in Aussicht genommenen Besprechung zu verwenden, übersandt.44 Daraufhin hatte Renner schriftliche Gutachten u. a. von folgenden Professoren45 angefordert: Geheimrat Friedrich Maurer – Jena (Vorstand der Anatomischen Anstalt), Willy Staerck – Jena (Gutachter für Jüdische Religionsgeschichte), Egon Freiherr von Eickstedt – Breslau (Vorstand des Anthropologischen Instituts und der Ethnographischen Sammlung Breslau), Eugen Fischer – Berlin-Dahlem (Direktor des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik), Fritz Lenz – München (Eugenik), Theodor Mollison – München (Direktor des Anthropologischen Institutes), Alfred Ploetz – München (Mitherausgeber des Archivs für Rassenhygiene), Walter Scheidt – Hamburg (Anthropologe), Georg Thilenius – Hamburg (Direktor des Museums für Völkerkunde), Richard Goldschmidt – Berlin-Dahlem (Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie) usw. Am 19. März fand dann eine Kommissionssitzung mit dem Rektor, dem Theologen Karl Heussi sowie dem Geographen Gustav von Zahn, dem Zoologen Ludwig Plate, dem Chemiker Adolf Sieverts, dem Psychologen Wilhelm Peters, dem Altertumsforscher Heinrich Walter Judeich, dem Historiker Georg Mentz, dem Altphilologen Friedrich Zucker und Otto Renner statt. Die Herren der Philosophischen Fakultät wurden nachträglich eingeladen, weil auch die Prähistorie während der Verhandlungen hinzugezogen werden sollte. Nach dem Verlesen der Gutachten wurde »mit allen Stimmen gegen die eine von Plate« ein im wesentlichen ablehnender Bericht an die Fakultät beschlossen.46 Noch am selben Tag trat die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät in einer Sitzung zusammen, in der neben der Annahme des Kommissionsvorschlages beschlossen wurde, Günther nur die Möglichkeit einer Habilitation einzuräumen (gegen drei Stimmen angenommen). Plate meldete daraufhin ein Sondergutachten an. Am 21. März lag dann bereits das acht Seiten umfassende Sondergutachten von Plate der Fakultät vor, in dem er sich für eine Berufung von Günther aussprach.47 In zwei weiteren Berichten an das Thüringische Volksbildungsministerium in Weimar bzw. an den Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (26./27. Mai) verwahrte sich die Philosophische Fakultät zudem gegen die Absicht, Raum für die Günthersche Professur durch Wegnahme einer unbesetzten Lehrstelle in der Philosophischen Fakultät (Archäologie) zu schaffen. In einer am 6. Mai stattfindenden Sitzung beschloß die Fakultät, keinen Widerspruch zu erheben, wenn Günther vom Ministerium die widerrufliche Erlaubnis zum Halten bestimmter Vgl. UAJ, Best. N, Nr. 46/1, Bl. 126. Die Anforderung von 16 Gutachten stellt dabei ein Novum dar und war völlig unüblich. Ein Hauptgrund für dieses Vorgehen ist sicherlich in der Unsicherheit der Fakultät und ihres damaligen Dekans Renner mit dieser Problematik zu sehen. 46 Vgl. UAJ, N, Nr. 46/1, Bl. 152. 47 Ebd., Bl. 159–166. Vgl. Hoßfeld (1999d: 97–100). 44 45
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Vorlesungen nach § 13 der Hauptsatzung erteilt werden sollte.48 Der Senat hingegen beschloß in seiner Sitzung (7. Mai) einstimmig (bei zwei Stimmenthaltungen), die Zustimmung zur Erteilung der Vorlesungserlaubnis an Günther abzulehnen.49 Am 16. Mai 1930 erfolgte durch Frick, trotz aller angeführten Proteste, die Ernennung Günthers zum ordentlichen Professor mit Lehrauftrag für Sozialanthropologie in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät in Jena zum 1. Oktober.50 Drei Tage später ging diese Entscheidung beim Rektor ein.51 Auch der Senat beschloß wiederum einstimmig, gegen die Berufung Günthers beim Volksbildungsministerium nach dem vom Rektor vorgelegten Entwurf schriftlich vorstellig zu werden. Am 26. Mai 1930 ging die Eingabe von Rektor und Senat an das Thüringer Staatsministerium mit folgendem Wortlaut: Wir stellen somit fest, dass bei der Berufung des Herrn Dr. Günther die Hauptsatzung der Thüringischen Landesuniversität, §§ 7 und 8, durch das Staatsministerium durchbrochen worden ist. Dadurch ist das der Universität durch Jahrhunderte hindurch zustehende wichtigste Recht, nämlich das Recht der sachverständigen Mitwirkung bei der Besetzung der Lehrstellen, verletzt, – ein Recht, über dem Rektor und Senat zu wachen verpflichtet sind. Wir müssen demgegenüber auf das Bestimmteste Verwahrung einlegen und behalten uns, wenn keine Remedur erfolgt, weitere Schritte vor. Angesichts des Schadens, den das Ansehen der Universität Jena durch die wochenlang geführte öffentliche Erörterung der ganzen Angelegenheit in der Oeffentlichkeit und bei den anderen Universitäten bereits erfahren hat und täglich weiter erfährt, sind wir gezwungen, unseren Protest unter Darlegung des Sachverhaltes gleichzeitig der Oeffentlichkeit sowie dem Hochschulverband bekanntzugeben.52
Die oben erwähnte zweite Phase diente dann hauptsächlich der weiteren Institutionalisierung des Seminars, wobei zwischen den gegnerischen Parteien nun auch eine Konsensfindung angestrebt wurde. Am 1. Oktober 1930 trat Günther sein Lehramt in Jena an. Bereits am 8. Oktober unterrichtete er den Rektor über das Thema seiner Antrittsvorlesung und äußerte den Wunsch, nach der Antrittsvorlesung des Philosophen Hans Leisegang sprechen zu dürfen.53 Am 22. Oktober wurde Günther gemäß § 9 der Hauptsatzung der Universität eidlich verpflichtet und in den Großen Senat eingeführt.54 Am 11. November 1930 wurde im »Jenaer Volksblatt« zu Günthers Mitteilung des Beschlusses an den Rektor Heussi durch den Dekan Sieverts (UAJ, BA, Nr. 2029, Bl. 143). 49 Am 9. Mai ging die Mitteilung des Beschlusses an Minister Frick in Weimar durch Rektor Heussi (ebd). 50 Vgl. die Anstellungsurkunde Thüringer Staatsministerium Weimar 16. Mai 1930 Dr. Frick; entsprechend dem Beschluß vom 14. Mai (ebd.). 51 Vorschlag des Ministeriums (21. Mai 1930) an den Rektor, Günther den Lehrstuhl für Klassische Archäologie von Camillo Praschniker, der nach Wien ging, zu übertragen, da es nicht möglich war, den erledigten Lehrstuhl für mittlere und neuere Kunstgeschichte (nach dem Tod von Paul Weber 1930) in einen ordentlichen Lehrstuhl umzuwandeln (ebd.). 52 Vgl. UAJ, BA, Nr. 1861, Bl. 64–66. Der § 8 der Hauptsatzung der Thüringischen Landesuniversität von 1924 besagte, »daß das Staatsministerium in der Regel nach den Vorschlägen der Fakultät und des Großen Senats Lehrstellen zu besetzen habe. Bei Verwerfen der Vorschläge sollte dies der Universität begründet werden« (Zimmermann 1996: 489). 53 Vgl. UAJ, N, Nr. 46/1, Bl. 191. 54 Vgl. ThHStAW, ThVBM, Abt. A V, Loc 2 G, Nr. 294, Bl. 9, Schreiben des Rektors an das Ministerium. 48
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Abb. 35: „Nordisch und vorwiegend nordisch“ (Günther 1933, S. 51).
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Antrittsvorlesung eingeladen. Vier Tage später, am 15. November, hielt Günther um 12.00 Uhr in der überfüllten Aula der Universität seine Antrittsvorlesung mit dem Titel »Über die Ursachen des Rassenwandels der Bevölkerung Deutschlands seit der Völkerwanderungszeit«. Neben Hitler waren ebenso das Mitglied des Reichstages und Hauptmann a. D. Göring55, Thüringens Innen- und Volksbildungsminister Frick, der ›völkische‹ Architekt Paul Schultze-Naumburg, Geheimrat Hanno Konopath (Begründer und Führer des »Nordischen Ringes« 1926) und der Hauptschriftleiter der Zeitung »Der Nationalsozialist« Dr. Hans Severus Ziegler aus Weimar als Gäste in der Aula erschienen.56 Das »Jenaer Volksblatt« berichtete unter der Überschrift: »Adolf Hitler bei Günthers Antrittsvorlesung«57 am 17. November zum Umfeld und Ablauf der Vorlesung: Der Andrang der neugierigen und sensationslüsternen >Philister< beiderlei Geschlechts, aber auch der >Kommilitonen und Kommilitoninnen< war derart, daß die Aula buchstäblich vollgepfropft war und die Mitglieder des Lehrkörpers sich zu ihren Plätzen durch die Menschenmauer hindurch kämpfen mußten. Nur mit Mühe konnte ein Pedell die reservierten Plätze halten. […] Mittag […] wurde der Eingang von der Polizei abgesperrt. Wir sahen >zu Füßen< des neuen Professors Leute sitzen, die sicher zum ersten Male in ihrem Leben einen akademischen Hörsaal betreten und von den gelehrten Darlegungen wenig oder gar nichts verstanden haben. Die Würde unserer altberühmten Alma mater wurde durch derartige Vorgänge nicht gewahrt, denn die Aula machte beim Erscheinen Hitlers durchaus den Eindruck eines nationalsozialistischen Versammlungslokals. Man begrüßte den Duce mit dem Faschistengruß und einem dreimaligen Heil. Die Vorlesung selbst ging ohne jede offizielle Förmlichkeit vor sich.
Die Antrittsvorlesung geriet dann aus Sicht der linken Presse einerseits zu einer wissenschaftlichen Farce bzw. NS-Propagandaaktion, wie sie die Weimarer Republik bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlebt hatte. Andererseits zeigte dieses Ereignis aber bereits in aller Deutlichkeit die Ohnmacht und Hilflosigkeit einer deutschen Hochschule und vieler ihrer Hochschullehrer im Umgang mit dem NS-Staat sowie der nationalsozialistischen Bildungspolitik zu Beginn der 1930er Jahre. Der Biologe Richard Goldschmidt, der 1935 aufgrund seiner jüdischen Herkunft selbst emigrieren mußte, hatte genau diese Situation in seinem Gutachten über Günther vorausgesehen, als er bemerkte: Ich kann aber Ihnen und Ihrer schönen Universität nur mein Bedauern darüber ausdrücken, daß sie immer noch zum Spielball der gerade herrschenden politischen Richtung, bald von links, bald von rechts, gemacht wird, zu ihrem Schaden und zum Schaden des Ansehens der deutschen Wissenschaft.58 In der »Weimarischen Zeitung« vom 17. November 1930 wurde im Artikel »Prof. Dr. Günthers Antrittsvorlesung in der Universität Jena« behauptet, daß Göring erst zum Mittagessen ins Restaurant »Bären« gekommen sei, also nicht unmittelbar an der Antrittsvorlesung teilgenommen habe. Die einzelnen Pressemeldungen widersprechen sich in diesem Punkt. 56 Vgl. Jenaer Volksblatt 41, Nr. 270, vom 17. November 1930. 57 Dieser Artikel ist die derzeit einzige schriftlich fixierte Quelle über die Teilnahme von Hitler an Günthers Antrittsvorlesung. In den Archiven finden sich zu diesem Sachverhalt ansonsten keine weiteren Belege. Nach Heiber soll Hitler »bei dieser Gelegenheit vermutlich zum ersten und zum letzten Male eine Universität« besucht haben (1991: 73). Als Fotobeleg kann auf den Beitrag des Verfassers vom 18. November 2000 »Vorbote einer düsteren Zeit in Jena« in der Ostthüringer Zeitung (OTZ) verwiesen werden. 58 Vgl. UAJ, Best. N, Nr. 46/1, Bl. 171. 55
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Neben der Antrittsvorlesung sorgte auch noch ein Attentat im darauffolgenden Frühjahr auf Günther für landesweites Aufsehen. Am 9. Mai 1931, um 23.45 Uhr, erfolgte ein Mordanschlag auf ihn. Zwei Tage später berichtete die örtliche Presse in verschiedenen Beiträgen über den Vorfall. So erschien beispielsweise ein Bericht in der »Jenaischen Zeitung« unter dem Titel »Mordanschlag auf Prof. Dr. Hans Günther. Zum Glück nur leicht verletzt.« Weitere regionale (Das Volk, Jenaer Volksblatt, Weimarische Zeitung, Der Nationalsozialist) und auch überregionale Zeitungen (Völkischer Beobachter, Deutschland, Berliner Tageblatt) thematisierten ebenfalls das Attentat. Fast zweieinhalb Jahre später, am 20. November 1933, bat Günther dann schließlich das Thüringische Volksbildungsministerium, ihn für das Sommersemester 1934 zu beurlauben.59 Diese Bitte unterstützten auch der Physiker und damalige Rektor Abraham Esau (1884–1955) mit einem Schreiben vom 11. Dezember sowie Arthur Gütt vom Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst e. V. und späterer Leiter des Amtes für Bevölkerungspolitik und Erbgesundheitslehre im Stab des Reichsführer SS mit einem Schreiben vom 16. Dezember. Am 6. Januar 1934 erhielt Günther vom Ministerium für das Sommersemester 1934 die Freistellung, um im »Interesse der Volksaufklärung dringend nötige Neubearbeitungen seiner rassenkundlichen Werke« vorzunehmen.60 Wiederum ein Jahr später, am 4. Januar 1935, unterrichtete er dann in Weimar Oberregierungsrat Friedrich Stier über seine laufenden Verhandlungen mit der Berliner Universität, im Sommersemester 1935 dorthin einen Ruf anzunehmen. Am 5. April erging der Ruf nach Berlin an ihn: Den ordentlichen Professor Dr. Hans Günther von der Universität Jena habe ich zum 1. April 1935 in gleicher Eigenschaft [planmäßige Professur für Rassenkunde, Völkerbiologie und Ländliche Soziologie] in die Landwirtschaftlich-Tierärztliche Fakultät der Universität zu Berlin berufen […] gez. Rust.61
Die erwähnte dritte Phase umfaßte schließlich den Institutsumbau etc. unter seinem Nachfolger Bernhard Struck (vgl. 11.3.2). Lehre und Forschung
Nach Auffassung der Thüringer Kommunisten war Günther 1930 nach Jena berufen worden, um die Nazi-Theoretiker an der Jenaer Universität, die Studenten, für den Faschismus zu gewinnen. Unter der Flagge des Rassenkampfes [soll] der Klassenkampf gegen das Proletariat auch in den Universitäten verschärft fortgeführt werden. Der Hochschulfaschismus [sei] eine wachsende Gefahr für das Proletariat. […] Den Studenten selbst bringt man bei, sie seien die >EdelrasseDunkelmänner< unserer Zeit in der Naturforschung ihre Saat aussäen und gerade auch heute wieder aussäen […] In Deutschland ist es besonders Westenhöfer, der solche abwegigen Ansichten vertritt.119
M. Westenhöfer reagierte mit der Schrift »Die Entstehung der Menschenrassen, kritische Bemerkungen zu Hans Weinerts gleichnamigen Buche«120 auf diese AnschulEine Ergänzung nahm er 1939(b, c) nochmals vor. »So ist ein neues Buch entstanden, in dem der Leser alle diejenigen Unterlagen finden wird, die mich zu meiner Ablehnung der Darwin-Haeckelschen, schon zu einem Dogma gewordenen Lehre von der äffischen Abstammung des Menschen geführt haben« (Westenhöfer 1942, Vorwort). Die Schrift war ferner Rudolf Virchow zum 114. Geburtstag gewidmet und Westenhöfers »35. Jahrestag« seiner Berufung an Virchows Institut. Vgl. ebenso Westenhöfer (1935, 1940). 119 Vgl. Hoßfeld (1997: 126, Fußnote 341). 120 Westenhöfer vertrat hier u. a. die Meinung, daß der Mensch in seiner Entwicklung als isolierter Sonderzweig mit einer von Anfang an selbständigen Entwicklung aufzufassen wäre und deshalb das anthropologische Fundmaterial jener Zeit nicht berücksichtigt werden müsse. Vgl. auch die in die117 118
Ausgewählte Zeit schrif ten
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digungen und versuchte, sich zu rechtfertigen. Noch im gleichen Jahr gab Heberer dann seine »Antwort« (1938b) und beendete damit diese Kontroverse. Bei der Debatte mit Rüschkamp ging es Heberer hingegen weniger um eine Kontroverse, sondern vielmehr um eine Botschaft an jene Kreise, »die früher nicht genug ihre Ablehnung der Abstammungslehre betonen konnten«, seit der Machtergreifung aber versuchten, sich »nicht ganz ohne Absichten positiv zu stellen« (1939b: 44). So lobte er den Aufsatz von Rüschkamp »Zur Stammesgeschichte des Menschen«121 und konstatierte: Man darf wohl daraus mit Befriedigung feststellen, daß sich auch die bisher den naturwissenschaftlichen Einsichten unzugänglichen Kreise umzustellen beginnen (1938c: 378).
Im gleichen Atemzug kritisierte Heberer aber den Herausgeber der Zeitschrift »Natur und Volk«, den Paläontologen Rudolf Richter für sein Verhalten, in einer so »völkisch sich gebenden Schrift« (1939b: 45), Jesuiten, und noch dazu »in getarnter Form«, ohne Darlegung der politischen Konfession, Artikel veröffentlichen zu lassen.122 Im letzten Jahrgangsheft von »Volk und Rasse« (1943) erschien dann auch noch eine Rezension von H. Hoffmann über Heberers Sammelwerk Die Evolution der Organismen, in der er betonte: Es war ein glücklicher Gedanke des Herausgebers […] dieses Werk als eine Gemeinschaftsarbeit erster Fachkenner zu gestalten und so von vornherein den Vorwurf auszuschalten, das Buch sei einseitig (1943: 15).
Resümierend fällt für diese Zeitschrift auf, daß bis in die Mitte der 1930er Jahre kaum biowissenschaftliche Fragestellungen, geschweige denn Haeckel, Darwin, der Darwinismus oder evolutionsbiologische Fragen thematisiert wurden; es sei denn, sie standen in Zusammenhang mit Themen der Rassen- und Bevölkerungspolitik. Zum Ende der 1930er Jahre ist dann eine verstärkte Präsenz des späteren Autorenpools der Evolution der Organismen (Heberer, Reche, Schwanitz, Herre, Zimmermann) zu verzeichnen; hier ragt das Sonderheft von 1938 heraus. Im Vergleich zu anderen Zeitschriften war dieses Fachorgan vorwiegend für die Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankengutes von Walter Groß (Rassenpolitisches Amt) sowie Wilhelm Frick (Innenressort) bis in die Mitte der 1930er Jahre zuständig. So wurden beispielsweise entsprechend sozialdarwinistische Themenbezüge i. w. S. behandelt, wie die Titel »Klassenkampf – ein biologischer Widersinn« (Bd. 12, Heft 5: 163–6); »Klassen oder Volk? – biologisch gesehen« (ebd.: 206–8) usw. beweisen. Neben der Zeitschrift »Der Biologe« sollte aber die Zeitschrift »Volk und Rasse« für eine nationalsozialistische Pro-Haeckelrezeption sowie für eine darwinistisch ausgerichtete Evolutionsdiskussion, die sich auf Aussagen und Ergebnisse anderer Forschungsdisziplinen wie sem inhaltlichen Kontext entwickelte Theorie des Anatomen Louis Bolk, der die Menschwerdung durch das Prinzip der Persistenz fetaler Merkmale erklären wollte (Retardationsprinzip). Überspitzt dargestellt, sah Bolk im Menschen einen »geschlechtsreif gewordenen Affenembryo« (Bolk 1926). Vgl. zur Kritik an Bolk die Publikation von Starck (1962). 121 Vgl. Natur und Volk 68 (7): 324–32. 122 »Die Zeitschrift gehört in andere Hände« (vgl. BDC-Akte Heberer, Brief von Heberer an Sievers vom 18. Juli 1938, Unterstreichung im Orig.).
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Biologische Anthropologie und Evolutionsbiologie im Drit ten Reich
etwa der Genetik, Anthropologie und Paläontologie stützte, im nationalsozialistischen Deutschland mitentscheidend sein.
10.2.5 »Natur und Geist« (1934–1939)
Die Zeitschrift »Natur und Geist«123 war bis zum Juni des 18. Jahrganges (1933) unter dem Titel »Die Stimme der Vernunft. Monatshefte für wissenschaftliche Weltanschauung und Lebensgestaltung« erschienen und galt als haeckel- bzw. darwinfreundlich. Herausgeber war der Deutsche Monistenbund (DMB), und als Schriftleiter fungierte Haeckels »Eckermann« Heinrich Schmidt. Mit dem Verbot des DMB im Jahre 1933 mußten die Herausgeberschaft und der Zeitschriftenname geändert werden; Schmidt arbeitete aber bis zu seinem Tode (1935) weiter als Schriftleiter der Zeitschrift, die bis 1939 erschien. Das Juli-Heft 1933124 stand ganz im Zeichen des von Schmidt angestrebten inhaltlichen Programms. So war der Name der Zeitschrift von ihm in Anlehnung an Goethe gewählt worden: Wer das Höchste will, muß das Ganze wollen, wer von Geiste handelt, muß die Natur, wer von der Natur spricht, muß den Geist voraussetzen oder im Stillen mitverstehen (Schmidt 1933: 1).
Es fällt auf, daß im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahrgängen von »Stimme der Vernunft«125 nach der Umbenennung der Zeitschrift sofort rassenpolitische und rassenhygienische Themata in Einzelbeiträgen126 zu finden sind und in den Vordergrund der Präsentation rückten.127 Diese Art von Beiträgen war ferner mit Zitaten aus Aufsätzen bzw. Reden führender nationalsozialistischer Politiker wie Hitler, Rosenberg usw. gekoppelt128, der fachwissenschaftliche Bezug trat somit schon ab 1933 in den Hintergrund. Im letzten Heft des Jahrganges 1933 wurde dann aber in einem Beitrag, betitelt »Ernst Haeckels prophetischer Blick: Kerntheorie«, auf das im »nächsten Jahre« stattfindende Jubiläum mit dem 100. Geburtstag Haeckels verwie-
Im Untertitel war die Zeitschrift als »Monatshefte für Wissenschaft, Weltanschauung und Lebensgestaltung« ausgewiesen. Vgl. ebenso Dr. Sturm (1936): Natur und Geist. Natur und Geist 4 (3): 65–70. 124 Zu den ersten Heften gibt es kein Inhaltsverzeichnis; diese sind aber dann im Band 2 der Zeitschrift vorangestellt worden. 125 Vgl. so u. a. den Abdruck von der Sozialdemokratie nahestehenden Aufsätzen wie z. B. von T. Mann »Bekenntnis zum Sozialismus« (Die Stimme der Vernunft 18, Heft 3, S. 79–82) oder von K. Kramer »Denaturierter Marxismus« (Die Stimme der Vernunft 18, Heft 2, S. 40–6); ebenso wie den noch im Heft 1 (1933) zu findenden »Aufruf an alle Intellektuellen und Geistesarbeiter« zum Beitritt in den DMB (S. 1–2). 126 Vgl. z.B. Baege (1933): Ausschaltung der Erbuntüchtigen (S. 47–51). 127 So beispielsweise in namenlosen Kurzaufsätzen wie über die »Deutsche Reichskirche« mit Kommentaren über die »Blut und Boden-Politik« (ebd.: 28–30, Heft 1, 1933); in »Für die Unfruchtbarmachung Minderwertiger« (ebd.: 31), »Rat für Rassenpolitik« (ebd.), »Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« (ebd.: 91–92), »Landesamt für Rassewesen« (ebd.: 92) usw. 128 Vgl. Rosenberg, A. (1933): Im Kampf um die deutsche Wissenschaft (S. 85–87); Hitler, A. (1934): Rasse, Organisation und Führung (ebd.: 65–66) usw. 123
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sen und mitgeteilt, daß dazu ein Haeckel-Sonderheft geplant sei. Dieses erschien im Februar 1934 als zweites Jahrgangsheft von »Natur und Geist«: Sein naturverbundenes biologisches Denken feiert im neuen Reich eine überraschend kraftvolle Auferstehung […] Deutschland, das er glühend liebte, für dessen Einheit, Größe und Macht er immer wieder eintrat, Deutschland, das sich auf sich selbst besinnt, besinnt sich auch wieder auf ihn, den großen Deutschen (Schmidt 1934a: 33).
Mit diesen Worten war die politische und inhaltliche Richtung der Festschrift vorgegeben.129 Neben dem Wiederabdruck von Haeckel-Schriften wie »Die geistige Situation am Ende des 19. Jahrhunderts«, Mitteilungen über »Die Universität Jena an Ernst Haeckel am 12. Februar 1904« sowie die »Bayerische Akademie der Wissenschaften an Haeckel am 6. März 1907« brachte Schmidt auch Beiträge von Karl Hauptmann, Hans Müller, Karl Brauckmann, Erich Meyer und Philipp Lehrs. Kurzmitteilungen aus dem Umfeld Haeckels in der Rubrik »Aus Leben und Wissenschaft« rundeten das Jubiläumsheft ab.130 Der Beitrag von Müller stellte dabei Haeckel als Vordenker des Dritten Reiches dar. Es war der einzig neu verfaßte Beitrag im Heft: Rötlich blond, blauen Auges, langschädelig, von hochragender Gestalt, war er eine echte nordische Erscheinung […] Vor allem aber zeigt ihn uns sein Charakter als einen durch und durch deutschen Mann […] ja er ist ein scharfer Nationalist gewesen (Müller 1934: 42–3).
Aus Sicht Müllers sei deshalb der hundertste Geburtstag des Jenaer Biologen nur äußerlicher Anlaß der Jubiläumsfeiern, die eigentliche Verherrlichung Haeckels bestehe darin, »daß seine Gedankenwelt führend für die Grundlage des Lebens unseres deutschen Volkes geworden« sei (ebd.: 44). Die restlichen Aufsätze im Jubiläumsheft entsprechen eher einer verklärten Heldenverehrung, wobei wissenschaftlich Neues darin nicht zu finden ist. Es verwundert ebenso, daß für dieses Gedenkheft keinerlei andere »Haeckel-Verehrer« wie Franz, Heberer, Brücher, Astel etc. als Autoren gewonnen wurden, und daß selbst Schmidt, außer seinen einführenden Gedanken, keinen eigenen Aufsatz verfaßte. Die Gründe dafür sind sicherlich in den Problemen der nicht-institutionellen Anbindung und besonderen Stellung Schmidts im Jenaer Wissenschaftsbetrieb zu sehen (Hoßfeld 2005b). Insgesamt präsentieren sich die Beiträge in »Natur und Geist« in den ersten Jahren als Wust an Informationen, die großenteils in einem Wiederabdruck bereits erschienener Aufsätze aus wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern bestanden; so reichen die Themen vom Christentum über Philosophie, Geschichte und Biologie bis hin zur Moral. Die einzelnen Hefte wurden dann in der Regel aus einem Kompilat kurzer Zeitungsmeldungen z. B. in der Rubrik »Kreuz und Quer durch den Kulturkampf« bzw. durch Rezensionen abgerundet. An für die Evolutionsdiskussion bzw. stattfindende Haeckel-Rezeption des Jahres 1934 wichtigen Beiträgen sind zu erwähnen: der Teilabdruck von Bernhard Renschs »Das Artbildungsproblem vom Standpunkte der zoologischen Systematik«131, WalVgl. das Deckblatt des Heftes auf S. 33. So z. B. »Ernst Haeckel und Rudolf Eucken« (S. 56–57), »Karl Ernst von Baer und Ernst Haeckel« (S. 59–60), »Haeckel und Odhin« (S. 61–62) und »Ernst Haeckel über konfessionelle Duldsamkeit« (S. 62). 131 Aus »Forschungen und Fortschritte« 9, Nr. 32. 129 130
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ter Zimmermanns »Erblichkeit und Abstammung in der heutigen Naturforschung: 75 Jahre Phylogenetik«132, Schmidts »Rudolf Steiner, Ernst Haeckel und Carl Ernst von Baer« sowie »Strindberg und Haeckel« oder dessen Beitrag »Ernst Haeckel über Militarismus und Krieg«133 usw. Ebenso findet sich eine erste Resonanz offizieller Stellen betreffs nationalsozialistischem Umgang mit Haeckel in der Kurzmitteilung »›Welträtsel‹ und Welträtsel«. Hier verwies man auf das Referat des Reichsleiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP und Beauftragten des Führers für weltanschauliche Schulung, das dieser auf der Gautagung des NSLB in Leipzig gehalten hatte. Dort hatte W. Groß bemerkt: Viele Erzieher gerieten auf geistige Irrwege. Sie glaubten mit Haeckels Welträtseln und den monistischen Monatsheften alle Fragen des Lebens lösen zu können. Wenn sie das wirklich glauben, so waren sie wirklich sehr töricht. Denn aus dem Vorwort zu dem Welträtsel-Buch haben sie entnehmen können, wie wenig Haeckel darauf Anspruch machte, alle Welträtsel gelöst zu haben. Und in ähnlichem Sinne hat sich, meines Wissens, auch der Deutsche Monistenbund immer wieder erklärt. Unsere Überzeugung ist es aber allerdings, daß man mit dem Monismus Haeckels der Lösung der Welträtsel näher kommt als mit anderen Denkweisen.134
Auch der dritte Jahrgang von 1935 wurde wieder »Mit Goethe ins Neue Jahr« begonnen, dem im Anschluß Schmidts Abhandlung »Nationalsozialismus und Sozialismus« (1935a) folgte. Zum Wiederabdruck gelangte ferner Haeckels in der »Freien Bühne für den Entwicklungskampf der Zeit«135 abgedruckter Artikel »Die Weltanschauung des neuen Kurses«. Dieser Artikel, so Schmidt, sei zum einen historisches Dokument und thematisch wieder zeitgemäß, zum anderen kennzeichnend für den »Deutschen Patrioten« Haeckel.136 Es folgten dann noch Ausführungen von ihm zum Verhältnis von »Christ und Monist« (1935b) sowie »Einige Bemerkungen über Biologie und Theologie« (1935c). Im Heft sechs des dritten Jahrganges wurde dann der Tod Schmidts mitgeteilt und daraufhin diesem das Heft gewidmet (Franz 1935b, Linke 1935). Trotz des Todes von Schmidt fand in den folgenden Heften kein thematischer Wechsel statt. Aussagen von Rosenberg sind wieder neben dem Wiederabdruck von Haeckel-Schriften, Zeitungsnotizen, antiklerikalen Aufsätzen (Marrek 1935) sowie Ausschnitten aus biologischen Fachartikeln wie z. B. von Richard Hesse über »Die Besonderheiten der Biologie gegenüber anderen Naturwissenschaften« 137 oder F. A. Bäßlers »Der Lamarckismus«138 zu finden. In erster Linie diente die Zeitschrift – aus eigennütziger Sicht von Schmidt – vorwiegend der Präsentation und Rechtfertigung haeckelscher Positionen, weniger zur Präsentation von evolutionsbiologischem und anthropologischem GedanAus Nr. 5 (März) der Zeitung aus der wissenschaftlichen Welt »Geistige Arbeit«, Neue Folge der Minerva Zeitschrift, Zentralblatt der Gelehrten Welt. 133 Mitgeteilt aus dem Ernst Haeckel-Archiv der Universität Jena. 134 Vgl. »Dresdener Neueste Nachrichten«, Nr. 235 vom 9. Oktober 1934. 135 Vgl. 3. Jg., 3. Heft, 1892. 136 Am 29. Januar 1892 brachte das Ministerium Caprivi mit dem Kultusminister Graf ZedlitzTrütschler im preußischen Abgeordnetenhaus einen Schulgesetzentwurf ein, der die Volksschule »dem Klerikalismus« ausliefern sollte. Der Protest war groß, an dem sich auch Haeckel beteiligte. Es gelang schließlich, den Gesetzentwurf und den Minister zu stürzen. Vgl. Haeckel (1935). 137 Vgl. Handwörterbuch der Naturwissenschaften, Jena, 2. Auflage, Band 1. 138 Vgl. »Natur und Geist« 4 (7): 210–214. 132
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kengut.139 Diese Zielsetzung wird auch in einem zweiten, vorwiegend thematisch Haeckel gewidmetem Heft von 1936 deutlich und zu Beginn im Beitrag »Eine Lanze für Haeckel« nochmals gebrochen.140 Im Mittelpunkt dieses Aufsatzes stand die Kommentierung von Brüchers in den »Nationalsozialistischen Monatsheften« erschienenem Aufsatz »Ernst Haeckel, ein Wegbereiter biologischen Staatsdenkens«, der Haeckel als Wegbereiter einer »Vernichtung unwerten Lebens«, der »Beseitigung krankhaft allzu Belasteter nach der Geburt« oder der Euthanasie pries, wobei »einige besonders bemerkenswerte Abschnitte« für die Leser herausgestellt wurden (ebd.: 1–2).141 Es folgte darin ferner eine willkürliche Aufreihung von Brüchers rassischen Argumenten. Auch Franz (1936a) argumentierte in seinem sich anschließenden Beitrag »Über Höherentwicklung« in diesem Sinne: Ich bejahe […] besonders die Überlegenheit von Differenzierung und Zentralisation, wobei aber in der Gegenwart und Zukunft das Entscheidende vom Überlegenheitsgewährenden für Menschheitsgruppen ihr Zentrierendstes sein wird, und das liegt auf ideellem Gebiete und somit letztlich in der Vervollkommnung im ethischen und edelsten Sinne, um die allerdings auch mit unsern organischen und technischen Mitteln zu ringen ist. ›So ist auch‹ – in diesem Sinne endigt mein Buch – ›das eigentliche Ziel der Rassenpflege die dem Volkskörper erreichbare höchstmögliche Schönheit und Würde des Menschdaseins‹.142
Daran schloß sich noch der Wiederabdruck von Weinerts Aufsatz »Die Frage der Abstammung des Menschen« an.143 Als zentral für die Verortung Haeckels im Nationalsozialismus sei an dieser Stelle auf den umfassenden Aufsatz von Franz über »Haeckel im neuen Deutschland« verwiesen, wo es heißt: Nein, es ist immer noch einzuhämmern: ›Haeckels Werke gehören in den Bücherschrank eines jeden Deutschen, der eigenverantwortlich aus nationalsozialistischer Grundhaltung heraus – und das heißt: im selbstverständlichen völkischen Aufbauwillen – um Weltanschauungsfragen sich müht‹ (Franz 1936b: 299).
Dem schloß sich ein Jahr später auch der Anthropologe Hans Weinert an, indem er formulierte: Es braucht nicht besonders betont werden, daß Deutschland durch seine rassenhygienische Gesetzgebung bahnbrechend neue Wege beschritten hat, die für das Wohl der gesamten Menschheit nutzbar werden können […] Wir, als die Nachkommen einer großen naturforschenden Vergangenheit und als Wegsucher und Wegbereiter für die Nutzbarmachung neuester biologischer Erkenntnisse, haben allen Grund, auf einen Ernst Haeckel stolz zu sein und die neuen von uns als richtig erkannten Maßnahmen im Kampfe gegen Unwissenheit und absichtliches Nichtverstehenwollen mit aller Energie zu vertreten (Weinert 1937a: 307, 309). Im Jahre 1932 findet sich bereits von V. Franz ein Aufsatz »Darwinismus, das rote Tuch«, der auf Probleme innerhalb der Darwinismusrezeption in Deutschland aufmerksam macht. 140 Ohne Adressat; vgl. Jg. 4, Heft 1, S. 1–4. 141 Vgl. Franz-Josef Hesse (1936): Ernst Haeckel und die Katholische Aktion. »Natur und Geist« 4 (2): 44–6: »Wir dagegen hoffen, daß der Artikel Heinz Brüchers Schule macht, und der Nationalsozialismus sich nicht durch tränenreiche Demagogen, Pfaffen und die politischen Katholiken von der ›Katholischen Aktion‹ einschüchtern läßt« (ebd.: 46): 142 Auf dem Exemplar der Bibliothek des EHH notierte Franz wie zur Entschuldigung »Keine Korrektur erhalten«. 143 Vgl. Der Erbarzt, November 1935. 139
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Im Doppelheft 6/7 vom Juli 1939 sahen sich dann der Verlag Otto Lautenbach sowie Schriftleiter Bruno Baege gezwungen, das Erscheinen der Zeitschrift einzustellen. Stattdessen empfahl man den Lesern, Probehefte der Zeitschrift »Aus der Natur« (Verlag Hugo Bermühler Berlin) zu abonnieren. Daraufhin versuchte nun Franz, der sich mit zahlreichen Aufsätzen zuvor in der Zeitschrift engagiert hatte, die Schriftleitung von »Natur und Geist« zu übernehmen.144 In einem Brief vom 3. April 1939 wurde man in dieser Angelegenheit beim Thüringischen Minister für Volksbildung vorstellig und bemerkte: Gemäß Wünschen, die aus dem Leserkreise und vom Verlag Otto Lautenbach in Uchtdorf (Pommern) geäußert wurden, sollte die Schriftleitung […] Franz […] übertragen werden […] Es wäre durch die Person des Pg. Prof. Franz auch die volle Gewähr für nationalsozialistischweltanschauliche Ausrichtung des Inhaltes gegeben. Dem Thüringischen Ministerium für Volksbildung dürfte ferner daran gelegen sein, daß diese Zeitschrift das halbamtliche (oder amtliche?) Organ des Ernst-Haeckel-Hauses, einer wichtigen Universitätsanstalt, Pflegestätte deutschen Forscherdenkens und der Öffentlichkeit zugänglichen Sehenswürdigkeit ist.145
Auch Ministerialrat Friedrich Stier (Weimar) forcierte das Anliegen in einem Brief vom 13. April 1939 an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und argumentierte im Sinne von Franz. Die Berliner Behörde reagierte aber abschlägig, indem man Franz mitteilte: Die Zeitschrift ›Natur und Geist‹ ist als politische Zeitschrift im Sinne des Schriftleitergesetzes anzusehen. Die Schriftleitung kann daher nur von einem eingetragenen Schriftleiter wahrgenommen werden.146
Da dieser dann anscheinend nicht gefunden wurde und die frühzeitigen Anbiederungsversuche an das nationalsozialistische Regime ebenso zum Überleben der Zeitschrift nicht beigetragen hatten, mußte schließlich das Erscheinen der Zeitschrift eingestellt werden. Franz schuf sich zwei Jahre später mit dem »Ernst-Haeckel-Jahrbuch« der EHG ein ähnliches Publikationsorgan (Hoßfeld 1993/4).
10.2.6 »Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft« (1935/6–1944)
In den Jahren 1935/36 erschien im Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig der erste Band der »Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft«, mit dem »Franz will »Jenaer Blätter« herausgeben: Sammlung der Haeckelfreunde, eine Art Fortsetzung der Zeitschrift »Natur und Geist«. Rutkowski ist dagegen, ich auch. Eine Unterredung mit Franz im Haeckelhaus deswegen um 6 h. Habe Franz auch gesagt, dass ich sein Unternehmen nicht ohne weiteres unterstützen kann. Vielleicht ist der »Biologe« stärker in dieser Hinsicht heranzuziehen. Werde morgen für den Rektor deswegen ein Gutachten abfassen« (Tagebuch Heberer, 21. Januar 1941, S. 14, Unterstreichung im Orig.). 145 Anhand des Schriftbildes ist zu vermuten, daß Franz diese Zeilen verfaßte; in wessen Auftrag bleibt ungewiß, da der Brief keine Unterschrift trägt. Vgl. Archiv des EHH, Nachlaß Franz, Best. Z, Ordner 1. April 1938 bis 31. März 1940, Brief vom 3. April 1939 an den Thüringischen Minister für Volksbildung in Weimar. 146 Ebd., Brief vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda an Franz vom 29. April 1939. 144
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Untertitel »einschließlich Naturphilosophie und Geschichte der Naturwissenschaft und Medizin«. Die Zeitschrift wurde von Alfred Benninghoff, Karl Beurlen, Kurt Hildebrandt und Karl Ludwig Wolf herausgegeben.147 Ab 1937/38 wurde der Untertitel »Organ der Reichsfachgruppe Naturwissenschaft der Reichsstudentenführung« geführt und es zeichneten ab diesem Zeitpunkt Ernst Bergdolt, der Leiter des Amtes Wissenschaft und Facherziehung, und Reichsgruppenleiter Naturwissenschaft der Reichsstudentenführung, Fritz Kubach, sowie der Astronom und Observator an der Sternwarte München Bruno Thüring für die alleinige Herausgabe148 bis 1944 verantwortlich. Im Jahre 1939 wurde der Verlag gewechselt, Verlagshaus war von nun an der Ahnenerbe-Stiftung Verlag in Berlin-Dahlem. Im Jahre 1940 rückte Walter Greite (»Der Biologe«) einmalig für diesen Jahrgang in das Herausgebergremium. Der inhaltliche Aufbau der Hefte folgte einem einheitlichen Prinzip: dem jeweiligen Aufsatzteil schloß sich in der Regel eine Rubrik »Mitteilungen« sowie ein umfassender Rezensionsteil149 von Büchern aus dem gesamten Gebiet der Naturwissenschaften an; später sind auch noch Mitteilungen »Aus der studentischen Fachgruppenarbeit« aufgeführt. Betrachtet man nun das Herausgebergremium, finden wir mit dem Paläontologen Karl Beurlen einen Vertreter, der sich in seinen Schriften frühzeitig gegen darwinistische Strömungen ausgesprochen hat (Beurlen 1937). Der Botaniker Wilhelm Troll und der theoretische Biologe Adolf Meyer [-Abich] aus dem Editorial Board sind als idealistischer Morphologe bzw. Holist diesem Kreis ebenfalls zuzurechnen. Es fragt sich nun, ob überhaupt und wenn ja, wie evolutionsbiologische und anthropologische Fragestellungen und Probleme in dieser Zeitschrift behandelt wurden. Schließlich war man einerseits offizielles Organ der Reichsfachgruppe Naturwissenschaft der Reichsstudentenführung und ab 1939, dem Gründungsjahr des Reichsbundes für Biologie, auch dem Ahnenerbe Himmlers anhängig; andererseits aber ebenso dem Zeitschriftentitel verpflichtet. Die ersten Hefte waren thematisch von den Herausgebern sowie den Mitarbeitern aus dem Editorial Board gestaltet (Beurlen, Benninghoff, Meyer etc.). In den meisten Artikeln der ersten beiden Jahrgänge finden sich vorwiegend rein wissenschaftliche Abhandlungen, wobei politische Äußerungen in den Hintergrund traten. Für eine Vermischung der beiden Bereiche steht aber z. B. der Beitrag von Weber über die »Lage und Aufgabe der Biologie in der deutschen Gegenwart« (1935/36). Dieser sah einerseits in der Naturwissenschaft (insbesondere für die Biologie) einen Siegeszug über die ganze Erde, auch über verschiedene Rassen [die] in [ihren] wesentlichen Zügen ein Geisteserzeugnis des germanischen Zweiges der nordischen Rasse darstellt, weil sie eine nordisch-germanische Naturwissenschaft« sei (Weber 1935/36: 100, Hervorhebung im Orig.). Zunächst unter Mitarbeit von K. Adler (Kiel), L. Bieberbach (Berlin), W. v. Buddenbrock (Kiel), H. G. Gadamer (Marburg), M. Heidegger (Freiburg i. B.), A. Meyer (Hamburg), P. Pfeiffer (Bonn), G. Scheibe (München), H. Siebke (Bonn), A. Thienemann (Plön), W. Troll (Halle), J. v. Uexküll (Hamburg), O. v. Verschuer (Frankfurt a. M.), H. Weber (Danzig) und V. v. Weizsäcker (Heidelberg). 148 Ab 1940 in Verbindung mit P. Broemser (München), H. Dingler (München), P. von Luetzelburg (Berlin), E. Rüdin (München), J. Starck (Berlin), R. Tomaschek (München), T. Vahlen (Berlin) und H. Vogt (Heidelberg). 149 »Ihr besonderes Augenmerk wird den Veröffentlichungen in Zeitschriften und Büchern gelten, zu denen sie kritisch Stellung nehmen wird.« Vgl. Titelblatt des Heftes 2/3, Mai/Juni 1937. 147
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Auf der anderen Seite plädierte er für eine Durchsetzung der Synthetisierungsbestrebungen in der neueren Biologie. Das zeige z. B. die Tatsache, daß heute Erblehre und Entwicklungsmechanik sich miteinander zu verzahnen beginnen und daß auch die Kleinsystematik und die Ökologie in dieses Zusammenspiel übergreifen. Sogar in der Anatomie regt sich sehr deutlich neues Leben, die klassische vergleichende Anatomie mit ihrer Festlegung auf den Begriff der Homologie beginnt einer biologischen Anatomie Platz zu machen, die den Begriffen der Analogie und der Korrelation weiten Raum gewährt und den Anschluß an die anderen Gebiete der biologischen Forschung zwanglos ermöglicht (ebd.: 105).
Im Sinne des neuen Deutschland legte er zusammenfassend dar: Biologie lehrt den, der überhaupt lernen will, für das Leben in der Gemeinschaft ganzheitlich, organismisch denken, sie ist daher auch, was man heute von der Wissenschaft überhaupt fordert, im höchsten, im durchaus neuen Sinn politische Wissenschaft (ebd.: 106, Hervorhebung im Orig.).
Für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Evolutionsbiologie steht die Kontroverse von Bernhard Steiner »Zur Theorie der Vererbung. Logik der Woltereckschen Erblehre«150 versus Kurt Hildebrandt »Die Bedeutung der Abstammungslehre für die Weltanschauung«. Steiner lieferte einen kurzen historischen Abriß der Theorie der Vererbung und suchte dann am Beispiel von Richard Woltereck dessen Standpunkte in einer Geschichte der Vererbungswissenschaft zu verorten. Dabei kam er zu dem Schluß: Die Theorie der Vererbung unterscheidet also zwischen einem fixen und einem variablen Anteil, mit welch letzterem sich der Mendelismus beschäftigt und betrachtet den Chromosomenapparat als biologisches Prinzip der Induviduation. Demnach ist die Wolterecksche Fassung von der Konstanz der Gesamtnorm als Wesen der Vererbung etwas zu eng, da sie nur einen erheblichen Anteil umfaßt und muß zur Definition erweitert werden: Das Wesen der Vererbung ist die Individuierung der Gesamtnorm (Steiner 1937/38: 15, Hervorhebung im Orig.).
Obwohl angekündigt, ging Hildebrandt in seinem Essay nicht umfassend auf den Aufsatz von Steiner ein; nur auf drei Seiten referierte er kurz dessen Ideen (Hildebrandt 1937/38: 23–25). Vielmehr nahm Hildebrandt sich der Person Haeckels an und zeigte anhand dessen philosophischer Lebensleistung, wo der Zusammenhang von Abstammungslehre und Weltanschauung seiner Meinung nach zu finden sei: Haeckel gelte in der Geistesgeschichte als typischer Materialist (ebd.: 16); er hatte den bewundernswerten Instinkt, daß die Naturauffassung der Wissenschaft an Goethes Naturphilosophie anknüpfen müßte (ebd.: 17); Haeckel sei »der deutsche Kämpfer, der die ultramontane Gefahr als solche sah« (ebd.: 30) usw. Hildebrandt ging es vorwiegend darum, von der Betrachtung der privaten Persönlichkeit wie von der Forscherleistung Haeckels abzusehen und sich vielmehr nur auf dessen »Welträtsel« zu beschränken, da Haeckel in diesem Buch seine Naturphilosophie und Weltanschauung vorgelegt habe (ebd.: 18, Fußnote 1). In diesem Sinne konstatierte er: Wir ehren Haeckel, wenn wir seinen Trieb anerkennen, die lebendige Schöpfung zu betrachten, ausdrücklich die Kluft zwischen Philosophie und Naturforschung, Erfahrung und Spekulation »Die Herausgeber haben diesen Aufsatz nur unter der Bedingung angenommen, daß sie in dem gleichen Heft ihrer gegensätzlichen Auffassung der theoretischen Grundsätze Ausdruck geben würden. Dies geschieht im anschließenden Aufsatz von Hildebrandt […]« (Steiner 1937/38: 1, Fußnote 1). 150
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zu überwinden, wieder bei Goethes Naturphilosophie anzuknüpfen […] Unserer Zeit aber ist ein historisches Bild wertvoll als Beweis, daß der Anspruch des Mechanismus, auch die lebendige Natur und die Weltanschauung überhaupt zu beherrschen, ebenso die philosophische wie die populäre Weltanschauung zerstören muß (ebd.: 34).
Bemerkungen, die dem Lager der Pro-Haeckelrezeption im Dritten Reich zugerechnet werden können. Als mit Heft 2/3 des Jahrganges 1936/37 die Anbindung an nationalsozialistische Strukturen erfolgte, änderte sich auch schlagartig der Tenor der Aufsätze.151 Zunächst war im Einvernehmen »aller beteiligten Stellen« ein Wechsel der Herausgeber und der Schriftleitung, die nach München verlegt wurde, erfolgt. Die Aufgabe der Zeitschrift sollte von nun ab in der Pflege wissenschaftlicher Haltung liegen, »wie sie deutschem Wesen entspricht« und alle Bereiche der Naturwissenschaften und ihrer Grenzgebiete betrachten, sowohl in ihren weltanschaulichen Voraussetzungen, wie ihrem geschichtlichen Werdegang, ihrer untrennbaren Verknüpfung mit den Persönlichkeiten der großen Naturforscher und dem Fortgang der wissenschaftlichen Forschung zu neuen Ergebnissen (ebd.).
In belehrenden Aufsätzen sollten Naturwissenschaftler aller Art, Studenten, Lehrer, Forscher und Praktiker Anregung zur Arbeit finden und dadurch an Hochschulen, Instituten, studentischen Fachschaften und Fachgruppen sowie anderen naturwissenschaftlichen Forschungsstätten Aufmerksamkeit erregt werden. Als Hauptziel der Zeitschrift wurde die Darstellung und Entfaltung »unserer eigenen völkischen Kräfte in der Naturforschung« angegeben.152 Deshalb wurde auch gleich im Doppelheft 2/3 der völkische Physiker Philipp Lenard hofiert153 bzw. nahm Bergdolt im darauffolgenden Doppelheft 4/5 »Zur Frage der Rassenentstehung beim Menschen« Stellung. Obwohl zu bestimmten inhaltlichen Äußerungen Bergdolts wissenschaftliche Zweifel angemeldet wurden (z. B. von Heberer), lag er dennoch mit seinem Grundanliegen im Zeitgeist jener Jahre, als er formulierte: Die nordische Rasse blieb und bleibt, ebenso wie jede andere Rasse, da erhalten, wo sie sich frei hält von fremder Blutmischung […] Die körperlichen und die geistig-seelischen Besonderheiten des jüdischen Volkes sind zurückzuführen auf seine Entstehung aus der Bastardierung zwischen stark verschiedenen Rassen« usw. (Bergdolt 1937/38: 112–113).
Publizistischer Höhepunkt dieses Jahrganges war aber der Beitrag »Biologie und Nationalsozialismus« von Günter Hecht, Referent im Rassenpolitischen Amt der NSDAP und Mitarbeiter am Zoologischen Institut der Universität Berlin. Als unvereinbar mit dem nationalsozialistischen Theoriengebäude wurden von ihm – im Tenor
Zum Abdruck gelangten nun auch solche Mitteilungen wie »Über das Wirken von Juden am Chemischen Institut der Universität Heidelberg«, 3. Jg., Heft 4/5: 166 ff. 152 Vgl. Titelblatt des Heftes 2/3, Mai/Juni 1937. 153 Vgl. dazu den zitierten antisemitischen Spruch Lenards am Beginn des zweiten Heftes des fünften Jahrganges: »Der Jude hat kein merkliches Fassungsvermögen für andere Wirklichkeiten als etwa die des menschlichen Getriebes und der Schwächen seines Wirtsvolkes. Dem Juden scheint wunderlicherweise Wahrheit, Wirklichkeit, überhaupt nichts Besonderes, von Unwahrem Verschiedenes zu sein, sondern gleich irgendeiner der vielen verschiedenen, jeweils vorhandenen Denkmöglichkeiten […].« 151
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seines Vorgesetzten W. Groß – insbesondere die lamarckistischen, materialistischen und atheistischen Positionen Haeckels angegriffen: die Gesamtschau des materialistischen Monismus wird philosophisch von dem völkisch-biologisch schauenden Nationalsozialismus grundsätzlich abgelehnt […] Die Partei und ihre Vertreter müssen nicht nur eine teilweise Übertragung Haeckelscher Gedankengänge, wie sie zeitweilig gefordert wird, ablehnen, sondern jede parteiamtliche Auseinandersetzung mit Einzelheiten der Forschungen und der Lehre Haeckels überhaupt (Hecht 1937/38: 285).
Haeckel hätte aber wie Darwin weltanschaulich und wissenschaftlich entscheidenden Anteil am Sieg der Abstammungslehre. Des weiteren wandte sich Hecht gegen die Behauptung, Haeckel sei Vordenker des Nationalsozialismus gewesen: Der Nationalsozialismus ist eine politische, keine wissenschaftliche Bewegung […] Somit sind weder Lamarck, Darwin und Ernst Haeckel […] noch alle ihre vielen, ihnen zum Teil wissenschaftlich gleichbedeutenden Anhänger und Gegner irgendwelche Gegner, Vorläufer oder gar Begründer politischer Grundsätze des Nationalsozialismus, noch auch können wir irgendwelche Lehren eines der lebenden Biologen gleichsetzen, da diese als Forscher ihre Lehren als Probleme vorlegen, während die Sätze der Bewegung nur politisch-weltanschaulichen Aufgaben dienen und allein durch den Führer und seine politischen Soldaten Wirklichkeit wurden (ebd.: 288).
Hecht verwahrte sich gegen die Behauptung, es gäbe eine nationalsozialistische Biologie gleichermaßen, wie gegen die, es gäbe eine nationalsozialistische Anthropologie und Vererbungsforschung (ebd.: 289). Ein verstärktes Interesse an Fragen zur Abstammungslehre und Rassenkunde/ Rassenhygiene ist auch in den nachfolgenden Jahrgängen154 zu konstatieren, so mit einem umfassenden Rückblick auf das Leben von Ludwig Plate (Ahrens 1938/39), einem Aufsatz »Von den Grenzen des Glaubens und Wissens in der Abstammungslehre« (Hummel 1937/38), einer Laudatio zum 65. Geburtstag von Ernst Rüdin (Thums 1939)155, den »Kritischen Bemerkungen zu neueren Arbeiten über die Menschwerdung und Artbildung« (Westenhöfer 1940)156 usw. Interessant ist, daß Westenhöfer und Bergdolt im Jahre 1940 parallel in zwei verschiedenen Zeitschriften (vgl. ebenso »Der Biologe«) in wissenschaftliche Kontroversen involviert waren. Dieses Thema nahm schließlich 1943 nochmals Beurlen auf und referierte umfassend über »Abstammungstheoretische Deutungen der Stammesgeschichte«. Am Ende des dritten Jahrganges konnten sich die Herausgeber dann auch schon bei den Abonnenten bedanken, mit ihrem Bezug und der Zuarbeit von Aufsätzen dazu beigetragen zu haben, daß sich »arisches Menschtum« im »mehrtausendjährigen Hochbau der Naturwissenschaft« ein Denkmal gesetzt habe.Vgl. Die Herausgeber »In eigener Sache«, Jg. 3, Heft 12: 473. 155 Vgl. den Nekrolog von Alfred Ploetz in Heft 5/6, Jg. 6, 1940. 156 »Auf den ersten Blick scheinen sich die beiden Aufsätze so ziemlich in allen Punkten zu widersprechen. Während Westenhöfer auf Grund vergleichend-morphologischer und anatomischer Untersuchungen zu einer sachlichen Ablehnung der Darwin-Haeckelschen Form der Abstammungslehre kommt, leitet v. Krogh aus dem derzeitigen anthropologischen Wissen eine glänzende Bestätigung des Haeckelschen Menschenstammbaumes her« (Bergdolt 1940b: 186). Vgl. hierzu von Krogh (1940b) sowie die zusammenfassende Stellungnahme von Bergdolt (1940b). Im Jahre 1943 folgte dann wiederum eine Erwiderung von Bergdolt, dieses Mal an Otto Reche, betitelt »Die unbedingte Forderung nach wissenschaftlicher Strenge«, im 9. Jg., Heft 4/6, S. 121–124, die sich auf Reches Bemerkungen in Heberers Die Evolution der Organismen (1943) bezog. 154
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Neben diesen Debatten hatte aber im Jahre 1941 schließlich schon Alfred Barthelmeß in einem Aufsatz für eine konkrete Zusammenarbeit zwischen Genetik, Systematik, Morphologie und Entwicklungsphysiologie plädiert; wie sie Jahre später von den Anhängern der Synthetischen Theorie propagiert wurde: Ich hoffe, mit diesen kurzen Ausführungen für einige größere Gebiete der Biologie, die bisher fast berührungslos ihre eigenen Wege gingen, gezeigt zu haben, daß sie gerade in wesentlichen Problemen eng verbunden sind, ja sogar den gleichen Zielen zustreben (Barthelmeß 1941: 92).
Zudem läßt sich bemerken, daß ein großer Rezensionsteil einen guten Überblick über die damalige Literatur auf dem Gebiet der Naturwissenschaften vermittelte, wobei neben evolutionsbiologischer Literatur im Sinne der Evolutionären Synthese157 auch »Feindliteratur« wie I. W. Mitschurins Gedanken und Erkenntnisse (Bergdolt 1943: 237–238) rezensiert wurden. Barthelmeß ragt dabei unter den Rezensenten heraus. Der Großteil der Aufsätze war solide wissenschaftlich recherchiert und ansprechend in der inhaltlichen und äußeren Form. Seit der Zugehörigkeit der Zeitschrift zu einer nationalsozialistischen Machtstruktur läßt sich eine zunehmende Radikalisierung und Ideologisierung einzelner naturwissenschaftlicher Themen erkennen, zumal häufig Zitate politischer Führer (Rosenberg)158 und nationalsozialistischer Wissenschaftler (Dingler) einzelnen Heften vorangestellt waren. Beiträge wie von Evola »Über das Problem der arischen Naturwissenschaft« (1940) oder »Der deutsche Lebensraum in seiner biologisch-historischen Begründung« (Janisch 1943) sind daher keine Seltenheit. Ferner überwiegt eine antidarwinistische Grundhaltung die objektive Diskussion in den meisten evolutionsbiologischen und paläoanthropologischen Aufsätzen; Haeckel kommt nur an einigen wenigen Stellen vor. In diesem Sinne formulierte auch Beurlen, ein offener Gegner der Evolutionären Synthese in Deutschland, seine Kritik an Heberers Sammelwerk von 1943: In seinen einzelnen Abschnitten enthält das Buch zweifellos viele wichtige Materialien und jeder einzelne Abschnitt würde eine eigene Besprechung notwendig machen. Gerade deshalb ist es aber um so bedauerlicher, daß alles unter den dogmatischen Gesichtspunkt eines reinen Mechanismus gestellt ist und damit ein Bild gezeichnet wird, das erfreulicherweise der tatsächlichen deutschen biologischen Forschung nicht entspricht (Beurlen 1943: 139).
Dennoch waren in dieser Zeitschrift aus Heberers Umfeld als Autoren beispielsweise Christian von Krogh, Werner Zündorf und in großem Umfang Hugo Dingler159 zu finden. Es ist des weiteren spürbar, daß diese Zeitschrift, im Gegensatz zu den bereits angeführten, ein anderes Publikum inhaltlich ansprechen wollte. Vgl. z.B. B. Rensch: Zoologische Systematik und Artbildungsproblem. Bd. 1, S. 128; W. Zündorfs Besprechung des Zimmermann Buches Vererbung erworbener Eigenschaften und Auslese (4. Jg., S. 323–324); A. Barthelmeß‹ Besprechung von G. Haase-Bessells Buch Der Evolutionsgedanke in seiner heutigen Fassung (7. Jg., Heft 5/6, S. 190–191), K. Beurlens Besprechung von Heberers Die Evolution der Organismen (9. Jg., Heft 4/6, S. 137–139). 158 »Das was wir heute ›die Wissenschaft‹ nennen, ist ureigenste germanische Rassenschöpfung, sie ist nicht irgendein technisches Ergebnis, sondern die Folge einer einzigartigen Form der Fragestellung an das Weltall« (vgl. Heft 7/8, 1939). 159 Vgl. Dingler-Geburtstagsheft 5/6 von 1941, 7. Jahrgang: »Am 7. Juli 1941 feiert Parteigenosse Professor Hugo Dingler in München seinen 60. Geburtstag […]« (Thüring 1941: 130). 157
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Biologische Anthropologie und Evolutionsbiologie im Drit ten Reich
10.2.7 »Volk im Werden« (1933–1943)
Im Jahre 1932 erschien Ernst Kriecks programmatische Schrift Volk im Werden, in der er in Anspielung auf den von ihm gewählten Titel bemerkte: Es ist die Frage deutschen Schicksals schlechthin, ob die Revolution diesmal zum Ziel, zur Sinnerfüllung gelangt oder wieder auf halbem Wege steckenbleibt wie einst im 16. Jahrhundert (Krieck 1932: 21; Hervorhebung im Orig.).
Weiter heißt es: [und deshalb] dem Zusammenhalt und dem inneren Ausgleich auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit, der Geburt aus Blut und Boden – zur Existenz verhelfen [kann] als einem Lebensraum, der für Art, Sinn, Lebensrichtung, Haltung und Weltbild aller Glieder bestimmend ist. Es entsteht aus der Sammlung organischen Volkstums. Damit erhält das ›Reich‹ endlich seinen Gehalt und seine Seele: das ›Dritte Reich‹ ist im Werden (ebd.: 23)
Es folgten ferner Ausführungen zu Mittgart, zur Politik und Kultur jener Jahre. Insbesondere sei das Ziel einer künftigen deutschen Kulturpolitik die »Ausformung des deutschen Gemeinwesens und seines Machtwillens gemäß dem deutschen Volkscharakter aus den entsprechenden Grundkräften« (ebd.). Diese kleine Schrift kann man als frühes Wissenschaftsprogramm von Krieck deuten, an dessen Verwirklichung er die folgenden Jahre kontinuierlich arbeitete. Die Umsetzung findet sich letzten Endes präzisiert in der von ihm gleichnamig begründeten und ab 1933 im Armanen-Verlag (Leipzig) erschienenen Zeitschrift »Volk im Werden«. So ist auch der erste Beitrag im ersten Heft mit »Die große Stunde Deutschlands« betitelt: Der März 1933 hat den Dammbruch gebracht – alle Hindernisse, die der nationalrevolutionären Bewegung entgegengesetzt wurden, haben nur bewirkt, sie mächtiger, mitreißender zu machen, und jetzt überschwemmt der Strom befruchtend die ganze Flur des Volkstums (Krieck 1933a: 1).
Im Anschluß daran stellte Krieck seine Auffassungen zum Thema »völkische Bildung« sowie »Nationalsozialismus und Hochschule« vor; Themen, die sich regelmäßig in jedem Jahrgang wieder finden.160 Daß Krieck dabei auch frühzeitig über seine Zeitschrift antisemitisches Gedankengut verbreitete, unterstreicht sein Aufsatz über »Die Judenfrage«: Dieses Volk [Juden] ohne Volkssprache, ohne Boden, ohne Raum, ohne Staat […] das Ghetto ging naturnotwendig aus den Grundsätzen des Talmud hervor […] und wo immer ein Jude eingedrungen ist, wird es ihm zur Aufgabe, möglichst viele Volksgenossen nach sich zu ziehen […] Dafür tragen sie ihre Rasseprägung unverkennbar an sich: sie sind unter uns ein Fremdkörper und haben ihre Lebensform auf Grund ihrer eigenen Art aufzubauen in möglichst reinlicher Trennung von uns. Die in Deutschland den Antigermanismus erzeugt haben und führen, sollen sich nicht über die deutsche Antwort darauf – den Antisemitismus – beklagen: sie ernten, was sie selbst gesät haben (Krieck 1933b: 57, 60, 62).
Eine Gesamtanalyse von »Volk im Werden« ergibt, daß vorwiegend bildungs- und wissenschaftspolitische Themen den Tenor der Zeitschrift bestimmten161, gepaart Vgl. hierzu auch Ausschnitte seiner Antrittsvorlesung in Heidelberg (Krieck 1934) sowie seine Rede zur Jahresfeier der Universität Heidelberg im November 1934 (Krieck 1935a). Siehe ebenso Rosenberg (1935). 161 »In dieser Zeitschrift haben wir es vorwiegend mit dem Gebiet zu tun, daß der Kulturpolitik un160
Ausgewählte Zeit schrif ten
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mit glorifizierenden Einzelbeiträgen des Herausgebers wie z. B. dem Beitrag »Der Führer« (Krieck 1935b). Naturwissenschaftliche Themen traten hingegen nur vereinzelt hervor und wenn, waren diese mit radikalem Anstrich versehen, wie durch den Anthropologen Lothar Loeffler »Die biologische Krise des deutschen Volkes und erbbiologische Gesetzgebung des nationalsozialistischen Staates« (1933)162, den »deutschen Physiker« Philipp Lenard »Gedanken zur deutschen Naturwissenschaft« (1936) oder der Replik über »Ernst Krieck’s Völkisch-politische Anthropologie« (1936) von Wilhelm Classen. Ab 1937 trug die Publikation dann im Untertitel den Zusatz »Zeitschrift für Kulturpolitik«.163 In diesem Jahrgang finden sich von Seiten Kriecks erstmals Angriffe gegen Haeckel.164 In einem Aufsatz »Ernst Haeckel als Vorläufer des Nationalsozialismus« distanzierte sich dieser von Haeckels Auffassungen und stellte die Frage nach dessen tatsächlichen, originellen und schöpferischen Leistungen. So äußerte er: Es ist in dieser Zeitschrift mehrfach schon vor dem Unfug gewarnt worden, jede beliebige Gestalt aus der Vergangenheit heraufzuholen und sie – am Ende gar verpflichtend – zum Vorläufer des Nationalsozialismus zu proklamieren. Der Nationalsozialismus fängt bei Adolf Hitler an, sonst bei niemand (Krieck 1937b: 164).
Weiter heißt es: Wir wehren uns insbesondere leidenschaftlich gegen ein Zusammenspannen mit Ernst Haeckel, den wir von der nationalsozialistischen Weltanschauung her, trotz seines biologischen Anstrichs, der uns weder bestechen noch bestimmen kann, bedingungslos ablehnen […] Im Namen Ernst Haeckels gäbe es nur Verflachung, Verwässerung und Versandung der nationalsozialistischen Weltanschauung (ebd.).
Des weiteren schlüge Haeckels Lehre von der Erblichkeit durch Anpassung erworbener Eigenschaften der »heutigen Rasse- und Erblehre ins Gesicht.« Krieck kritisierte ferner Haeckels Auffassungen in den Welträtseln, war letzten Endes aber froh, »dieses Buch nochmals aus seinem Schutt« ausgegraben zu haben (ebd.: 165–166). mittelbar als Aufgabe gestellt ist« (Krieck 1933b: 60). 162 »Das deutsche Volk steht in einer biologischen Krise, deren Ausgang über Sein oder Nichtsein entscheiden wird. Die nationalsozialistische Regierung hat die Krise erkannt und begonnen, ihr entgegenzutreten. Wichtige Maßnahmen sind getroffen […]« (Loeffler 1933: 45). 163 Als Publikationsort ist die Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg ausgewiesen; Krieck war weiterhin als Herausgeber tätig, in Verbindung mit Prof. Walter Schultze und Dr. Gustav Adolf Scheel. Hauptschriftleiter war Dr. F. A. Six (Titelseite Volk im Werden, fünfter Jahrgang). Im ersten Heft der neuen Folge bemerkte Krieck: »Die Jahrgänge unserer Zeitschrift […] laufen mit den Jahren des Dritten Reiches. Es war nicht so beabsichtigt, sondern wir wollten noch in den Vorbereitungskampf eintreten, als schon die Erfüllung kam […] Mein Einfluß auf die Zeitschrift bleibt auch künftig bestehen […] Nicht zufällig trifft diese Veränderung in der Zeitschrift zusammen mit einem Wandel in der kulturpolitischen Gesamtlage […] Im Mittelpunkt der Zeitschrift steht weiterhin die Reform der Hochschule und das sehr weitgespannte Gebiet der Erneuerung der gesamten Wissenschaften auf nationalsozialistischer Weltanschauungsgrundlage […] Sieg Heil dem deutschen Volk und seinem Führer!« (Krieck 1937a: 1–2). 164 »Ernst Krieck hat sich im ›Volk im Werden‹, Jahrgang 1936, Heft 5, S. 267 f. unter dem Titel ›Silberhäschen‹, dem Kosenamen des alternden Gelehrten, mit bitterstem Sarkasmus gegen eine Wiederbelebung des Haeckel-Kults gewandt, die er als einen ›Witz‹ bezeichnet. Er findet bei Haeckel die ›bodenlose Aufgeblasenheit eines Spießers, der sich selbst in die Rolle des heldischen Weltbewegers hineingeredet hat‹« (Hildebrandt 1937/38: 18, Fußnote 1).
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Biologische Anthropologie und Evolutionsbiologie im Drit ten Reich
Hierzu passe auch der Plan, an der Jenaer Universität ein »Politisches Institut« zu gründen.165 Auf diese vorgetragenen Angriffe seitens Krieck reagierte V. Franz aus dem Ernst-Haeckel-Haus. In einem Schreiben an Krieck versuchte er, Haeckel zu rechtfertigen, indem er auf dessen Leistungen als systematischer Zoologe, auf dessen Beiträge in der Stammbaumforschung, das »Biogenetische Grundgesetz«, die Gasträatheorie u. v. a. verwies (Hoßfeld 1993/94). Der sechste Jahrgang der Zeitschrift (1938) brachte dann erneut organisatorische Veränderungen: Die Zeitschrift erweiterte vor zwei Jahren ihre Arbeit als kritisch-wissenschaftliches Organ der Front junger nationalsozialistischer Kräfte der Hochschule, die sich dann im Dozentenbund und im Studentenbund verfestigte […] In den letzten beiden Jahren war die Zeitschrift bemüht, den Blick über Hochschule und Wissenschaft hinaus […] auszuweiten (Krieck 1938: 553).
So erschien 1939 dann der siebente Jahrgang unter der alleinigen Herausgeberschaft von Krieck beim Armanen-Verlag in Leipzig; ab 1940 führte man den Untertitel »Zeitschrift für Erneuerung der Wissenschaften«. Auch in diesen Jahrgängen überwiegen politisch-ideologische166 gegenüber naturwissenschaftlichen Beiträgen. An naturwissenschaftlichen Aufsätzen finden sich beispielsweise eine umfassende Entgegnung eines unbekannten Autors gegen den »Lamarckismus«167 bzw. Themen wie »Karl Ernst von Baer und das Problem des Lebens« (Eckhard 1940a), »Deutsche Naturanschauung bei Jacob von Uexküll«168 (Eckard 1940b), »Cuvier und das nationale Prinzip in der Naturwissenschaft« (1940: 244–249; unbekannter Autor), »Was hat die Biologie als selbständige Wissenschaft geschaffen?« (1940: 255–259; unbekannter Autor), »Der Rassenkampf in der Geschichte« (Krieck 1941) usw. Anläßlich des sechzigsten Geburtstages von Krieck erschien schließlich 1942 ein Heft von »Volk im Werden« als Festschrift.169
10.2.8 »Zeitschrift für Rassenkunde« (1935–1943/44)
Als seit den Tagen des unvergeßlichen Blumenbach der rasche Aufstieg der Anthropologie einsetzte, führte er einerseits im Laboratorium von der Kraniologie und Abstammungslehre zur Rassensomatologie und Rassenbiologie und gelangte andererseits über die ethnologischen und geographischen Erfahrungen der Forscher im Feld bis zur Rassengeschichte der Menschheit. Aus beiden Richtungen gemeinsam erwuchs die heutige Rassenkunde
– mit diesen Worten führte Egon Freiherr von Eickstedt, Universitätsprofessor und Direktor des Anthropologischen und des Ethnologischen Institutes in Breslau, die Auf Vorschlag des Gaustudentenführers Dr. Kieser sollte dieses gegründet werden, um »zunächst alle politisch führenden Wissenschaftler mit dem in den Fachschaften arbeitenden Nachwuchs« zusammenzuführen« (vgl. Mitteilung in der Sparte »Berichte zur Wissenschaft, »Volk im Werden« 6: 138, 1938). 166 Wobei bestimmte politische Entscheidungen (Einmarsch der Wehrmacht in Holland und Belgien) abgedruckt und kommentiert wurden; vgl. »Weltstunde« in: Volk im Werden 7: 121, 1940. 167 Vgl. Volk im Werden 7: 417–420. 168 Vgl. hier besonders den Teilabschnitt »Staatsbiologie« (ebd.: 159–160). 169 Im Jahrgangsheft 1943 wurden dann als Mitarbeiter geführt: Professor Wilhelm Brachmann, Dr. Hans Grünewald, Professor Hartmut Schmökel und Professor Gerhard Stammler. 165
Ausgewählte Zeit schrif ten
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Leser in das erste Heft der von ihm ab 1935 herausgegebenen »Zeitschrift für Rassenkunde und ihre Nachbargebiete« ein (von Eickstedt 1935a: 1). Er plädierte darin ferner für eine Zusammenarbeit von anthropologischer Forschung und Schwesterwissenschaften, was sich in einer vergleichenden Formenkunde und Formengeschichte der Hominiden sowie in einer Bündelung des Wissens niederschlagen sollte: Hier soll die Zeitschrift für Rassenkunde einspringen; sammelnd und sichtend gleichzeitig wird sie versuchen, das bisher Erreichte lebendig weiterzuführen. In ihren Bereich gehört daher sowohl, was Rassenkunde und Rassengeschichte selbst erarbeiten, wie das, was die Nachbargebiete an rassenkundlichem Stoff in reichem Maße fördern und bergen, ja oft noch verbergen. Sie soll der lebendige Repräsentant des Faches sein und soll durch die sachliche und kritische Arbeit anregend im Raum der Nachbarwissenschaften und fördernd auf Leben und Lehre wirken (ebd., Hervorhebung im Orig.).
Als methodologischen Aufbau der Zeitschrift schlug von Eickstedt eine erste Abteilung mit problemorientierten Aufsätzen sowie eine zweite Abteilung »Umschau und Fortschritte« vor, die u. a. dem Gedankenaustausch der Wissenschaftler dienen sollte, wobei sich die Rubriken in »Kleine Beiträge« und Literaturbesprechungen unterteilten. Die Literatur wurde fachübergreifend in fünf »großen Sektoren« dargestellt: 1. biologisch-anatomisch-zoologisch (Biologische Rassenkunde), 2. medizinischerbkundlich-rassenhygienisch (Medizinische Rassenkunde), 3. geographisch-kolonialkundlich-ethnographisch (Geographische Rassenkunde), 4. historisch-archäologisch-philologisch (Historische Rassenkunde) und 5. allgemeine und angewandte Rassenkunde mit Methoden, Rassenlehre, Psychologie und allgemeine Fragen (ebd.: 2). Den Abschluß der jeweiligen Hefte bildeten die »Nachrichten« aus verschiedenen Ländern: über neue Funde, wichtige anthropologische Arbeiten, Personaländerungen, Kongresse, Expeditionen usw.170 Die Zeitschrift171 erschien jährlich in zwei Bänden zu je drei Heften im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart, wobei sich im Laufe der Jahre der Name der Zeitschrift mehrmals änderte: 1935 bis 1936: Zeitschrift für Rassenkunde und ihre Nachbargebiete, 1937 bis 1942: Zeitschrift für Rassenkunde und die gesamte Forschung am Menschen, 1943 bis 1944: Zeitschrift für Rassenkunde und die vergleichende Forschung am Menschen.172 An evolutionsbiologischen Fragen wurden 1935 von H. Böker der Lamarckismus sowie 1937 von I. Krumbiegel das Rassenproblem in der Zoologie diskutiert. Heberer hingegen arbeitete vorwiegend als zentraler Rezensent für die Rubrik »Biologische Rassenkunde« und besprach darin fast alle themenrelevanten Bücher jener Jahre (Hoßfeld 1997: 161–183). An terminologischen, historischen und inhaltlichen FrageVgl. insbesondere die Übersichten seit 1937 zur Internationalität der Anthropologie (Länderberichte). 171 Zum Editorial Board der Zeitschrift gehörten im Laufe der Jahre u. a. der Anatom Hans Böker (Jena), der Publizist Hans F. K. Günther (Jena, Berlin, Freiburg), die Anthropologen L. S. B. Leakey (Cambridge), Hermann Lundborg (Upsala), Gerhard Heberer (Tübingen) und Hans Weinert (Berlin, Kiel), die Völkerkundler Bernhard Struck (Dresden) und Richard Thurnwald (Berlin) sowie der Erbmediziner Otmar Freiherr von Verschuer (Frankfurt a. M., Berlin). 172 Da eine umfassende Analyse der Zeitschrift den Rahmen vorliegender Arbeit sprengen würde, sollen nachfolgend nur die wenigen Publikationen, Meinungsäußerungen etc. genannt werden, die für das vorliegende Rahmenthema relevant sind. Vgl. weiterführend Preuß (2007b, 2009, 2010). 170
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Biologische Anthropologie und Evolutionsbiologie im Drit ten Reich
stellungen ragen die Publikationen von von Eickstedt (1935c, 1937–63) heraus, besonders seine 1937(a-c) verfaßten drei umfangreichen Aufsätze zur »Geschichte der anthropologischen Namengebung und Klassifikation (unter Betonung der Erforschung von Südasien)«. Als rassenkundliche Arbeiten sind von Eickstedts Bemerkungen zur schlesischen Gauuntersuchung (1935b) sowie die Folgearbeiten u. a. von Schwidetzky (1935) ebenso wie die Versuche, eine Ganzheits-Anthropologie (von Eickstedt 1936) in Annäherung an den Holismus (Böker, Meyer-Abich 1936; Kötschau; Alverdes 1936, 1937) zu etablieren, zu erwähnen: Rassenkunde kann nur als die Wissenschaft der Rassenformen bestehen. Und Formenursache und Formenseele, Formenwechsel und Formenzerfall geben scharfumrissen Aufgabe und Inhalt der Anthropologie (von Eickstedt 1935b: 1–2, Hervorhebung im Orig.).173
Mehrere Beiträge galten zudem den »Forschungen in Südostasien«, dem »Rassenbewußtsein« und der »Rassenseelen«-Forschung sowie den Blutgruppen und der Stadtanthropologie (von Eickstedt 1941a, b). Der 13. Band erschien schließlich als Festschrift zum 50. Geburtstag von von Eickstedt. Abschließend kann man feststellen, daß sich diese Zeitschrift sowohl inhaltlich als auch sprachlich grundlegend von den zuvor Besprochenen unterscheidet. Es wurden in der »Zeitschrift für Rassenkunde« kaum evolutionsbiologische und weltanschaulich relevante Fragestellungen thematisiert. Eine nationalsozialistische Instrumentalisierung findet man ebenso wenig wie spezifisches Vokabular der Lingua Tertii Imperii (Sprache des Dritten Reiches), obwohl der Name der Zeitschrift anderes erwarten läßt. Auch Themen zur biologischen Anthropologie sind eher spärlich vorhanden. Von Eickstedt schuf sich vielmehr mit dieser Zeitschrift eine Art »Hauszeitschrift«. Später wurde dann die »Zeitschrift für Rassenkunde« unter dem Namen »Homo« weitergeführt und zum zentralen Publikationsorgan der Mainzer Anthropologenschule in Deutschland.
10.3 Zusammenfassung
In den 1930er und 1940er Jahren war im Gegensatz zu vorangegangenen Epochen (vgl. Kapitel 8 und 9) ein wissenschaftspolitischer und inhaltlicher Trend zu verzeichnen, bei dem man klar erkennen konnte, daß sich die biologische Anthropologie in der Nachfolge von Haeckel neu definierte und formierte. Im Mittelpunkt der Themenfindung stand die Integrierung aktueller Ergebnisse aus Genetik, Medizin und Evolutionsbiologie. So gelang es auch unter schwierigen wissenschaftlichen Verhältnissen, an einigen Stellen wie z. B. durch die Herausgabe der Evolution der Organismen sowie durch Beiträge in einzelnen Fachzeitschriften, anthropologisches und evolutionsbiologisches Wissen (wertneutral) miteinander zu verbinden. Damit wurden wichtige Impulse für die Etablierung der zweiten darwinschen Revolution im deutschen Sprachraum (hier konkret unter Kriegsbedingungen) vorgegeben. Diese ausdrückliche Betonung und mehrfache Herausstreichung der Kausalverbindung von Anthropologie und Evolutionsbiologie in den wissenschaftlichen Debatten war 173
Anthropologie als Formenkunde der Hominiden (ebd.: 4).
Zusammenfassung
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das Originäre und Neue, auch gegenüber internationalen Entwicklungstrends (USA, England, Sowjetunion). Es hat sich aber auch gezeigt, daß diese Aussage nicht generell zutrifft und als ebenso ambivalent betrachtet werden muß, da die nationalsozialistische Ideologie und Wissenschaftspolitik eben auch maßgebend auf die Inhalte, Konzepte usw. der Fachgebiete Rassenkunde, Rassenhygiene und Eugenik – die sich unter dem Dach der biologischen Anthropologie formierten – starken Einfluß genommen hat. So zeigt die Analyse einiger Artikel zu diesem Themenkontext in verschiedenen Zeitschriften dann auch zahlreiche Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Rassenhygiene und Rassenkunde sollten in der Folgezeit mit biologischer Anthropologie synonym verwendet werden. Rassenkunde wurde dabei als eine physisch-anthropologische, die Rassenhygiene als eine medizinische Wissenschaft mit zumeist klinischer Orientierung verstanden. Die Rassenbiologie entstand aus der Verknüpfung der Erblehre mit der Anthropologie, menschliche Erblehre und Erbbiologie entsprechen in etwa unserem heutigen Begriff Humangenetik. Häufig beteiligten sich an den Diskussionen und Kontroversen immer die gleichen Wissenschaftler, trug man weltanschauliche und wissenschaftliche Kontroversen oftmals in verschiedenen Zeitschriften (»Der Biologe«, »Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft«) parallel aus, zeigte sich ein generelles Interesse an evolutionsbiologischen und anthropologischen Fragestellungen, überrascht doch weitgehend die wissenschaftliche Qualität der rein fachlich gehaltenen Aufsätze usw. An Unterschieden sind festzuhalten: die strenge Anbindung der Zeitschriften an politische Gremien (»Der Biologe« – NS-Lehrerbund, Ahnenerbe der SS; »Nationalsozialistische Monatshefte« – NSDAP; »Volk und Rasse« – Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst, Gesellschaft für Rassenhygiene usw.); alle Zeitschriften wichen in Inhalt und Aufbau von rein anthropologischen Journalen wie dem »Anthropologischen Anzeiger« oder der »Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie« ab; überwogen in den mehr wissenschaftsideologischen Publikationsorganen die rassischen gegenüber den wissenschaftlichen Aussagen (»Nationalsozialistische Monatshefte« usw.); sind nach 1945 gewisse Kontinuitäten zu verzeichnen, so das Fortbestehen der »Zeitschrift für Rassenkunde« unter dem neuen Titel »Homo« usw. Die Analyse der exemplarischen Zeitschriften macht auch deutlich, daß die Nationalsozialisten allenthalben das Wort »Rasse« im Munde führten. Es war von Rassegesetzgebung, Rassewesen, Rassenbiologie, Rassenkunde und vielem mehr die Rede. Dabei fehlte damals wie heute eine Definition, was die menschliche Rasse eigentlich sein soll. Das Fehlen einer Definition ist recht einfach zu erklären. Es ist unmöglich etwas zu definieren, was es so (auch in der Lesart der Nationalsozialisten) nicht gibt/gab. Günthers Definitionsversuch fällt daher auch nichtssagend aus: Eine Rasse stellt sich dar in einer Menschengruppe, die sich durch die ihr eignende Vereinigung körperlicher Merkmale und seelischer Eigenschaften von jeder anderen (in solcher Weise zusammengefassten) Menschengruppe unterscheidet und immer wieder nur ihresgleichen zeugt (Günther 1933: 1, 14).
Günthers statischer Rasse-Begriff war ein völkisch-abstammungsgeschichtliches Modell, in dem die »Rassenseele« (Ludwig F. Clauss) zentrale Bedeutung hatte. Was auch immer darunter zu verstehen war, andere Definitionen fielen nicht konkreter
390
Biologische Anthropologie und Evolutionsbiologie im Drit ten Reich
aus. Karl Saller wählte hingegen einen dynamischen Rassebegriff, der geographischsozialreligiöse Rassen als Ergebnis eines Mischungs- und Veränderungsprozesses ansah. Auch er blieb Konkreteres schuldig. Es gab also keine überprüfbaren, wissenschaftlich nachvollziehbaren Kategorien für die »Rassensystematik«. Wenn Karl Astel »menschliche Züchtung« also beispielsweise forderte, so geschah das ohne irgendeine wissenschaftlich definierbare Voraussetzung oder Zielsetzung. Jenaer Biologen und Mediziner wie Astel, Stengel von Rutkowski, Brücher, Heberer oder Zündorf – die sich alle als Enkelgeneration Haeckels verstanden – hatten in diesem Prozeß bedeutende wissenschaftliche Positionen inne, auch wenn durch gewisse Dissonanzen mit Berlin mancher Plan vor Ort nicht in die Tat umgesetzt werden konnte (vgl. Kapitel 9). In einigen Zeitschriften wurde auch versucht, Einfluß über die Mitgliedschaft in Editorial Boards174 bzw. als Herausgeber auszuüben (Positionierung haeckelscher Argumente – »Nationalsozialistische Monatshefte«, »Der Biologe«, »Natur und Geist«; Kampf gegen antidarwinistische Theorien – »Der Biologe«; Propagierung der Einheit von Evolutionsbiologie und anderen Fachdisziplinen, darunter auch Anthropologie – »Der Biologe«, »Volk und Rasse«). Dem Sammelwerk Heberers über Die Evolution der Organismen und der Zeitschrift »Der Biologe« kommt dabei sowohl bei der Diskussion wissenschaftlicher als auch politischer Inhalte, ebenso wie bei einer Konturenbildung innerhalb der Genese der biologischen Anthropologie und Evolutionsbiologie im Dritten Reich eine Sonderstellung zu.
So waren aus Jena in der »Zeitschrift für Rassenkunde« der Anatom Hans Böker und der Publizist Hans F. K. Günther (seit 1935) sowie Gerhard Heberer (seit 1936), in der Zeitschrift »Volk und Rasse« Karl Astel und Paul Schultze-Naumburg sowie in der Zeitschrift »Der Biologe« K. Astel und Gerhard Heberer aktiv. 174
Zusammenfassung
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11. Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
O
bwohl sich die biologische Anthropologie in Deutschland auf die Tradition eines Rudolf Martin und seiner Schule stützen konnte, indem dieser frühzeitig für eine differenzierte Sicht innerhalb der Anthropologie eingetreten war, hatte sie, wie eine ganze Reihe anderer biologischer Disziplinen, »von diesem Paradigmenwechsel [Darwin] zunächst erstaunlich wenig mitbekommen« (Vogel 1983: 227). Darwins Auffassungen blieben zwar gerade in Bezug auf Erblichkeit und Hominisation lange Zeit recht vage, übten aber dennoch in ihrer Gesamtheit einen enormen heuristischen Einfluß auf die Entwicklung der Biowissenschaften bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aus. In Bezug auf die Anthropologie war dieser aber gering, da das seinerzeit noch recht unvollständig durchdachte Evolutionskonzept sowohl mit seinen wenigen Befunden und Daten als auch aufgrund der fehlenden Stringenz genügend Raum für zahlreiche Spekulationen und Fehlinterpretationen bot. Das wird auch dann deutlich, wenn man sich die Etablierung und inhaltliche Fassung des Faches Anthropologie um 1900 im deutschen Sprachraum betrachtet (Kapitel 7). Darwins Lehre wie auch die Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze wurden in dieser Zeit durch einzelne Vertreter der deutschen physischen Anthropologie kaum oder nur zögerlich wahrgenommen.1 Diese Ambivalenz zeigt sich auch in den verschiedenen »Trends in der Hominidendiskussion« von 1899 bis in die 1940er Jahre. Verfolgt man die seit 1900 erschienene und kaum zu überschauende wissenschaftliche Literatur zum Problem der stammesgeschichtlichen Herkunft der Hominiden – vor diesem Problem hatten auch beispielsweise die Wissenschaftspopularisatoren W. Bölsche und W. Breitenbach gestanden – lassen sich drei Hauptabschnitte nach Bergner (1965) unterteilen: 1. 1899– 1915 mit den vorklassischen Theorien (Wilhelm Brancos Untersuchungen über Dryopithecus, Emil Selenkas Vergleich von Schädelstrukturen rezenter Primaten, Gustav Schwalbes Untersuchungen über den Pithecanthropus, Hermann Klaatschs Abhandlungen zu Homo, Hans Bluntschlis Arbeiten zu Homunculus usw.); 2. 1915–1929 mit den klassischen Dryopithecinentheorien (Guy Ellock Pilgrims Beschreibung zweier Mandibelfragmente, William King Gregorys Gedanken zur Phylogenie der Menschheit, Gerrit S. Miller jr. Kritik der Tarsius-Hypothese, Adolph H. Schultz‹ und Hans Weinerts Arbeiten usw.); 3. 1930–1948 die Entwicklung der modernen Protohomtheorien (Adolph H. Schultz, Theodor Mollison, Wilfried Le Gros Clark, Franz Weidenreich, Robert Broom usw.). 1
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Nach einer Phase der Stagnation in den 1920/30er Jahren gab es dann zu Beginn der 1940er Jahre, entgegen den bisherigen Überlieferungen2, im Umfeld einzelner deutscher Biologen den originären Versuch, (paläo)anthropologische Daten und Forschungsergebnisse mit denen aus der Evolutionsbiologie, Systematik und Genetik in Einklang zu bringen, eine Synthese des Gedankengutes anzustreben (Hoßfeld & Junker 2003). Dieser Zusammenschluß – mit einem Höhepunkt in der Veröffentlichung des Sammelwerkes Die Evolution der Organismen (1943) – erfolgte fachübergreifend und in mehreren Schritten, wurde aber in der Endkonsequenz nur von einigen wenigen Anthropologen und Evolutionsbiologen rezipiert. Fachvertreter der Urgeschichte, Psychologie oder Philosophie (bis auf Hugo Dingler) zeigten während der zweiten darwinschen Revolution kaum Interesse an diesen Fragestellungen und Problemen, ein Trend, der nicht nur für Deutschland3 zutrifft. Zu Beginn der 1980er Jahre wurde für die deutschsprachige anthropologische Entwicklung deshalb sogar retrospektiv noch konstatiert: Im Hinblick auf das ›synthetische‹ Evolutionskonzept blieben jedoch in der deutschen Anthropologie – wie in einigen anderen Bereichen der Biologie übrigens auch, so z. B. in der Ethologie – nach wie vor Ideen und Vorstellungen ›forschungsrelevant‹, die mit dieser Theorie streng genommen unvereinbar sind. Das gilt z. B. für das bemerkenswerte, ohne Frage ›teleologisch‹ geprägte Konzept von evolutiven art-, rassen- oder gruppenerhaltenden Adaptations- und damit Selektionszielen, um hier nur das ideologisch und schließlich politisch virulenteste zu nennen, das sehr entscheidend zur Entwicklung des sog. ›Sozialdarwinismus‹ und zu den Grundgedanken ›rassenhygienischer‹ Praktiken beigetragen hat (Vogel 1983: 229).
Daß diese Aussage von Vogel aber nur bedingt zutrifft, soll mit diesem letzten Kapitel gezeigt werden. Es ist zunächst richtig, daß sich nach 1945 die oben angesprochene Situation kaum änderte. Die Mehrheit der Anthropologen blieb – auch aufgrund ihres »Erbes« aus dem Dritten Reich – bei einer Verknüpfung von Evolutionsbiologie und biologischer Anthropologie außen vor, erachtete diese Kausalverbindung als nicht notwendig und bis auf Christian Vogel (Göttingen) kaum als interdisziplinär und forschungsrelevant; ein Trend, der bis heute anhält (vgl. Teilkapitel 11.7). Des weiteren fanden sich unter den Interessenten nach 1945 wiederum die gleichen Protagonisten wie schon während des Krieges, was dem Fach zwar gewisse inhaltliche Kontinuität brachte, aber letzten Endes dem Ansehen und der Aufarbeitung des hisFerner kann man in der Neubearbeitung von Oreopithecus-Funden im Jahre 1949 einen entscheidenden Neubeginn in der Epoche der Bemühungen um die Phylogenie des Menschengeschlechts sehen (Bergner 1965: 45; vgl. ebenso die Publikationen von Hürzeler). H. Ullrich hat 1990 hingegen folgende Einteilung vorgeschlagen: 1. Reflexionen über die Stellung des Menschen in der Natur (bis 1856), 2. Kampf um die »Affenabstammung des Menschen in der Natur« und Anerkennung des fossilen Menschen (1856- um 1900), 3. Einordnung der Fossilfunde in Stammbäume und Hypothesen (um 1900–1924), 4. Entdeckung weiterer fossiler Hominidengruppen und Proto-Hominoidea-Hypothesen (1924–1964/65), 5. Komplexe Erforschung des Menschwerdungsprozesses (seit 1964/65), in: Herrmann & Ullrich (1991: 557). 2 Vgl. Knußmann (1988), Mühlmann (1968), Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982). 3 So verwundert keineswegs, wenn der amerikanische Anthropologe S. L. Washburn schon im Juni 1952 in New York, anläßlich des Wenner-Gren-Symposiums zum Thema »The State of the Sciences of Anthropology«, von einem generellen »Theorie-Defizit« in der (physischen) biologischen Anthropologie sprach und als Appell formulierte: »application of a consistent, experimentally verified, evolutionary theory is the first task of the physical anthropologists« (Washburn 1953).
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torischen Erbes der Anthropologie sicherlich nicht dienlich war (vgl. Teilkapitel 11.3 und 11.4). Die Analyse exemplarischer Schriften nach 1945 wird ferner verdeutlichen, daß die zweite darwinsche Revolution dennoch inhaltlich von einzelnen Autoren rezipiert wurde und man u. a. innerhalb der Hominidendiskussionen und der Paläoanthropologie zumindest bis in die Mitte der 1970er Jahre auf dem aktuellen Forschungsstand war (Hoßfeld 2005a). Einige wenige Protagonisten, die zunächst kurz (Leben und Werk) beschrieben werden sollen, ragen innerhalb dieses kontinuierlichen Prozesses heraus, bestimmten vornehmlich in der Kriegs- und Nachkriegszeit die wesentlichsten Inhalte des Faches. Wie 1863 sollte es nun fast einhundert Jahre später innerhalb der zweiten darwinschen Revolution wieder zu einem teilweisen Schulterschluß zwischen biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie kommen. Hier war, zumindest was diesen Punkt betrifft, der deutsche dem russischen und anglo-amerikanischen Sprachraum in der Entwicklung voraus.4
11.1 Protagonisten einer biologischen Anthropologie – Kontinuitäten 11.1.1 Hans Weinert
Hans Weinert5 wurde am 14. April 1887 in Braunschweig geboren. Nach der Reifeprüfung in Braunschweig (1905) begann er noch im selben Jahr mit dem Studium der Naturwissenschaften in Göttingen und wechselte im Oktober 1907 nach Leipzig. Im Jahre 1909 wurde er mit einer botanischen Arbeit über Wachstum und tropistische Bewegungserscheinungen der Rhizoiden thallöser Lebermoose promoviert. Parallel dazu legte Weinert das Staatsexamen für das Höhere Lehramt ab. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er gleichzeitig als Studienrat an einer Oberrealschule in Potsdam bzw. bei Felix von Luschan an der Universität in Berlin, wo er 1926 zum Privatdozenten ernannt wurde. Im Jahre 1927 war Weinert als wissenschaftlicher Assistent in München tätig, bevor er 1928 nach Berlin zurückkehrte und dort 1932 nebenamtlicher Professor wurde. Von 1927 bis 1935 war er ferner unter Eugen Fischer als Kustos der Schädelsammlung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie tätig (Lösch 1997: 576). Im Jahre 1935 erhielt Weinert als Nachfolger von Otto Aichel den Ruf auf den Lehrstuhl für Anthropologie in Kiel, wo er zugleich als Direktor des Anthropologischen Institutes bis zu seiner Emeritierung 1955 wirkte. Hans Weinert war seit 1937 Mitglied der NSDAP (Nr. 5580110) und hatte in unzähligen Briefen großen Wert darauf gelegt, als »wissenschaftlicher Mitarbeiter der SS« angeredet und bezeichnet zu werden.6 Dennoch fehlte ihm der notwendige politische Rückhalt bei nationalsozialistischen Führungsgrößen, wie beispielsweise aus Briefwechseln des Bestandes ›Ahnenerbe‹ im BDC und dem Heberer-Tagebuch (1941)7 hervorgeht: Wie im Teilkapitel 11.2 aber auszuführen sein wird, gab es ebenso zahlreiche alternative Vorschläge hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach der Herkunft der Menschen. 5 Vgl. weiterführend Schaeuble (1957), Schaefer (1968) und BDC, Ahnenerbe, B 310 (Weinert). 6 Vgl. BDC, Bestand Ahnenerbe, B 310, Weinert in einem Brief vom 16. September 1937. 7 Dort heißt es: »Weinert […] schreibt verärgert über seinen Artikel in den NS-Monatsheften, den 4
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Abb. 44: Hans Weinert. Aus: Ehemalige Photosammlung des Instituts für Anthropologie in Mainz (im Dezember 2002 überreicht von Winfried Henke an Uwe Hoßfeld).
Abb. 45: Adolph H. Schultz. Aus: Ehemalige Photosammlung des Instituts für Anthropologie in Mainz (im Dezember 2002 überreicht von Winfried Henke an Uwe Hoßfeld).
Abb. 46: Wilhelm Gieseler. Aus: Ehemalige Photosammlung des Instituts für Anthropologie in Mainz (im Dezember 2002 überreicht von Winfried Henke an Uwe Hoßfeld).
Abb. 47: Gerhard Heberer. Aus: Ehemalige Photosammlung des Instituts für Anthropologie in Mainz (im Dezember 2002 überreicht von Winfried Henke an Uwe Hoßfeld).
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Als Weinert Rust in Italien traf, fragte Rust ihn, wie es ihm nun doch möglich gewesen wäre, die Einreise [nach Ablehnung] zu erreichen. Weinert erklärte, das wäre mit Hilfe des Reichsforschungsrates ganz einfach gewesen […] Einen sehr ungünstigen Eindruck machte es, daß er seine Tochter als Sekretärin mitgebracht hatte und seine Frau, weil er sie ja nicht gut alleine zu Hause lassen könne […] Gelegenheit wahrgenommen, um einen billigen Sommeraufenthalt in Italien zu erreichen.«
Weiter heißt es: Bezeichnenderweise hat Weinert sich auch kürzlich bei Rust erkundigt, ob es sich wohl lohne, mit dem ›Ahnenerbe‹ in engere Verbindung zu treten […] Da schließlich die Stellungnahme des Reichsführers-SS zu Weinert bekannt ist, dürfte unser Entschluß feststehen, uns mit Weinert nicht näher einzulassen.8
Im Jahre 1944 arbeitete Weinert zwischenzeitlich in Göttingen, da im Juli seine Privatwohnung und das Institut in Kiel bereits zum dritten Male durch alliierte Bombenangriffe zerstört worden waren, »die eine Weiterarbeit praktisch nicht möglich« machten.9 Zentrale Themenschwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit galten in erster Linie Fragen der Primatologie und der Herkunft der Menschheit. Auf zahlreichen Forschungsreisen konnte Weinert die fossilen Originalfunde prüfen und in seine Schemata über die Menschheitsentwicklung einbeziehen. Originär dabei war seine stammesgeschichtliche Einheit ›Summoprimates‹ (Gorilla, Schimpanse, Mensch)10, die in den Diskussionen über Anthropogenese lange Zeit Bestand hatte. Auf Grund seiner wissenschaftlichen Verdienste ernannte 1941 die Leopoldina Weinert zu ihrem Mitglied.11 Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Weinert in Heidelberg, wo er am 7. März 1967 verstarb.
Rosenberg, obwohl schon gesetzt, nicht bringen will: Westenhöfer u. s. w. habe genau so recht wie wir. Es ist wirklich schade, dass eine Persönlichkeit wie Rosenberg hier nicht klar sieht. Weinert hat schon bei Gross im Rassenpolitischen Amt einiges unternommen – ob mit Erfolg, bleibt abzuwarten« (Tagebucheintrag vom 6. August 1941). Vgl. weiterführend zur Westenhöfer-Debatte: Hoßfeld (1997: 126–127). 8 Vgl. BDC, Bestand Ahnenerbe, B 310, Schreiben an den Kurator des ›Ahnenerbe‹ Walter Wüst vom 11. März 1942 (Absender vermutlich Dr. Wolff, SS-Obersturmbannführer, Reichsforschungsrat). 9 Vgl. BDC, A 542, Brief von Weinert an den Gauleiter (Gau Hannover) vom 30. Juli 1944. 10 »Die Afrikanische Gruppe [Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse] nenne ich ›Summoprimaten‹« (Weinert 1938b: 15; Herre 1951). Bei dieser Namengebung, gestützt auf eigene Arbeiten über die Stirnhöhlen und die Interorbitalbreite, gelangte Weinert zu dem Schluß, daß der Schimpanse dem Menschen stammesgeschichtlich am nächsten stand. Im zweiten Teil des Buches von 1932 stützte er diese Anschauungen aufgrund der Beschreibung zahlreicher Fossilfunde. 11 An dieser Stelle ist zu bemerken, daß sich die Leopoldina und ihre Mitglieder stets positiv zur Entwicklung der Evolutionsbiologie (Hominidenforschung, Paläoanthropologie) während der historischen Zeitwirren verhalten haben. Aus Anlaß des 100-jährigen Erscheinens von Darwins Origin of Species wurde 1959 u. a. einmalig eine Darwin-Plakette an folgende Biologen verliehen: T. Dobzhansky, N. P. Dubinin, R. A. Fisher, H. J. Muller, B. Rensch, I. I. Schmalhausen, G. G. Simpson, N. W. Timoféeff-Ressovsky und S. S. Tschetverikov. Mit der Mendel-Medaille hingegen wurden aus dem Umfeld der Evolutionstheoretiker geehrt: N. W. Timoféeff-Ressovsky (1970), E. Mayr (1980) und D. Starck (1983). Vgl. dazu weiterführend Parthier & von Engelhardt (2002) sowie Kaasch, Kaasch & Hoßfeld (2006).
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Weinerts wissenschaftliches Werk umfaßt ca. 300 wissenschaftliche Arbeiten, wobei die Trilogie Ursprung der Menschheit, Entstehung der Menschenrassen12 und Der geistige Aufstieg der Menschheit13 (1932–1940) den wissenschaftlichen Kernpunkt bildet. Eine wissenschaftliche Analyse des Gesamtwerkes kann an dieser Stelle nicht erfolgen, vielmehr sollen wiederum nur einige Teilaspekte aufgezeigt werden. Da auf die Bedeutung seines Beitrages in der Evolution der Organismen14 bereits hinreichend verwiesen wurde, sollen einige weiterführende Aspekte betrachtet werden.15 Weltanschaulich offener – als in Heberers Sammelwerk – äußerte sich Weinert in seinen Büchern Biologische Grundlagen für Rassenkunde und Rassenhygiene (1934b)16 und Die Rassen der Menschheit (1935), wo er die zentrale Position der Rassenkunde für das nationalsozialistische Regime in die Worte faßte: »Mit den Umwälzungen, die unsere nationale Erhebung mit sich brachte, scheint eine neue Wissenschaft aufgetreten zu sein: die Rassenkunde« (Weinert 1935: 1).
Aus dem Inhalt: 1. Einleitung, 2. Menschwerdung, 3. Pithecanthropus-Stufe, 4. PräneandertalerStufe (Rassenkarte III), 5. Neandertaler-Stufe (Rassenkarte IV), 6. Homo sapiens diluvialis-Stufe (Rassenkarte V), 7. Mesolithikum (Rassenkarte VI), 8. Neolithikum, 9. Heutige Rassen (Rassenkarte VII), 10. Heutige Rassenformen, 11. Europide Weiße Rasse. 13 Aus dem Inhalt: 1. Einleitung, 2. Beweismöglichkeiten, 3. Geistige Leistungen heutiger Affen und Menschen, 4. Menschwerdung, 5. Anthropusstufe; Pithecanthropus, 6. Neandertalerstufe, 7. Homo diluvialis-Stufe, 8. Homo sapiens alluvialis-Stufe. Zum Thema bemerkte er: »können wir aus dem geistigen Zustand der heutigen Herrentiere, der Affen und Menschenaffen, und aus den kulturellen Hinterlassenschaften, die wir aus allen Stufen der Menschheit kennen, Rückschlüsse auf den geistigen Aufstieg der Menschheit ziehen. – Und was sich dann ergibt, stimmt mit dem körperlichen Entwicklungsgang so gut überein, daß alles, was wir für den körperlichen, psychischen Menschen wieder herleiten können, auch für den geistigen, psychischen Aufstieg der Menschheit gilt« (Weinert 1940: 3). 14 Bei Weinerts Beitrag (1934a) handelt es sich um einen der wenigen, der in der zweiten Auflage keine Aufnahme mehr fand, sondern vielmehr durch Aufsätze von Heberer (1959b) und von Eickstedt (1959) eine Ergänzung erfuhren; zumal die Forschungen Weinerts ab Ende der 1940er Jahre keine wesentlich neuen Befunde zur Stammesentwicklung der Menschheit mehr erbracht hatten (Weinert 1951). 15 Die sachliche Argumentation von 1943 folgte in groben Zügen seinen Ausführungen im Buch Der geistige Aufstieg der Menschheit (1940). Fragwürdig erscheint in diesem Zusammenhang nur die rassistische Aussage Weinerts, die Höhe des geistigen Aufstieges spiegele sich im Ausdruck des menschlichen Antlitzes wider: Hierbei stellte er das Porträt eines Schwarzafrikaners (Khoisanide Rasse, Südafrika) dem Bild Ernst Haeckels, der für die »geistige Hochstufe« (Weinert 1940: 293) der Europäer stehen sollte, kommentarlos gegenüber (ebd.: 292). Ferner konnte recherchiert werden, daß die Bezeichnung »›geistiger‹ Aufstieg der Menschheit« der Lingua Tertii Imperii entlehnt ist. So sprach Hitler in seiner (Kultur-)Rede auf dem Nürnberger Reichsparteitag im September 1934 u. a. ausführlich zum »Aufstieg der Menschheit« (Staatszeitung »Der Nationalsozialist« vom 6. September 1934). 16 Exemplarisch sei hier wieder auf den Inhalt verwiesen: 1. Einleitung, 2. Der Ursprung der Menschheit als heutiges Forschungsergebnis, 3. Das Problem der Rassenentstehung, 4. Heutige Rassen Europas, 5. Berechtigung der Rasseneinteilung als Arbeitshypothese, 6. Erschwerende Bedingungen der Rassenerkennung, 7. Grundlagen der Zellforschung für die Vererbungslehre, 8. Vererbungslehre als Grundlage der Rassenkunde, 9. Schwierigkeiten in der Vererbungslehre, 10. Rassenhygienische Forderungen, 11. Familienforschung, 12. Bildungsforderungen, 13. Aberglaube und Wahrsager-Unfug. 12
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Es war seiner Meinung nach H. F. K. Günthers Verdienst, dem deutschen Volk die Bedeutung der Menschenrassen vor Augen geführt und die Rassenkunde als Geheimwissenschaft »zu einer Angelegenheit des ganzen Volkes« gemacht zu haben (ebd.: 2). Dem nationalsozialistischen Staat sei es nun vorbehalten, die Folgerungen aus Gobineaus Lehre von der Ungleichheit der Menschenrassen auch mit praktischer Rassenhygiene in die Tat umzusetzen. Wir stehen damit auch auf diesem Gebiet am Beginn einer neuen Zeit; mit der Annahme des von der Rassenhygiene längst geforderten Gesetzes ›zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‹ – das als ›Sterilisationsgesetz‹ überall bekannt geworden ist – hat sich die Staatsregierung dazu bekannt, den Menschen biologisch, als Lebewesen aufzufassen und die von der Forschung erkannten biologischen Gesetze sinngemäß auch auf den Menschen anzuwenden (ebd.).
Auch in seinem Rassenstammbaumschema setzte er, entsprechend den wissenschaftspolitischen Vorgaben und seiner geistigen Überzeugung, die »weiße Rasse (Europäer, Nordische Rasse)« an die Spitze der Entwicklung (ebd.: 21).17 Sechs Jahre später ergänzte er in der Zeitschrift »Ziel und Weg«: Unsere Forschung liefert aber nicht nur rein wissenschaftliche Ergebnisse. Es gibt einen Zusammenhang: Wissenschaft – Weltanschauung – Politik […] was wir auf unserem Gebiet festgestellt haben, bildet doch die Grundlage für unsere Weltanschauung […] Erbkunde, Rassenkunde und Rassenhygiene bilden wieder eine Reihe, in der jedes Vorhergehende das Nachfolgende bedingt (Weinert 1941a: 9).
Präzisere Vorstellungen legte Weinert noch im gleichen Jahr, in dem in der KosmosReihe erschienenen Bändchen zur Stammesgeschichte der Menschheit, das an die Verdienste des darwinistischen Schriftstellers Wilhelm Bölsche18 erinnern sollte, dar: Es ist eine auf biologischer Kenntnis beruhende Großtat des nationalsozialistischen Deutschlands, hier mit der einzig möglichen Abhilfe gesetzgeberisch vorgegangen zu sein. Man kann Erbkrankheiten ausrotten, indem man die kranken Erbströme zum Versiegen bringt; das heißt, indem man erbkranke Menschen daran hindert, sich fortzupflanzen. Für die Fälle, wo etwa einfache Belehrung oder Anstaltsbewahrung dazu nicht ausreichen, haben wir das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses im Bewußtsein voller Verantwortung eingeführt (1941b: 10).
Diese Gedanken ergänzten seine bereits 1934 und 1935 gemachten Aussagen nur unwesentlich, vielmehr sind sie als nochmalige Bestätigung seines rassenkundlichen und rassenhygienischen Verständnisses bzw. Engagements während der nationalsozialistischen Zeit zu werten. Das Buch von 1934 Biologische Grundlagen… ragt aber nicht nur wegen seiner starken Lingua Tertii Imperii in diesem Zusammenhang heraus, sondern ist jenes Werk Weinerts, das fast vollständig im Einklang mit den postulierten Zielen der nationalsozialistischen Rassenkunde und Rassenhygiene steht, vermischt mit biologischem Fachwissen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, das Buch einer umfassenden Analyse zu unterziehen. Stellvertretend seien deshalb nur ein paar wenige Textstellen angeführt, die diese Aussage belegen:
Noch detaillierter war seine Argumentation 1934, wo er die Fachwissenschaft Biologie und deren Randgebiete unmittelbar in die Nähe des nationalsozialistischen Gedankengutes (»Staatsform des biologischen Denkens«) rückte (Weinert 1934b: 1–5). 18 Dieser hatte 1904 in der Kosmos-Reihe eine der ersten populären Abhandlungen zur Abstammung des Menschen verfaßt. 17
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Mit dieser Verfügung [Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses] scheint also eine seit einem Jahrzehnt immer dringender gewordene Mahnung der Erbforscher und Anthropologen endlich auch für das deutsche Volk erfüllt zu sein […] Wir brauchen in allen Volkskreisen nicht nur einfach die Zustimmung, sondern die lebhafte Anteilnahme an Forschungsergebnissen der Menschenkunde und die Unterstützung des Staates in seinen volksdienlichen Entschließungen. Wir brauchen die dankbare Anerkennung für die nationalsozialistische Erhebung, die dieses neue Gesetz nicht nur möglich machte, sondern die es bringen mußte […] Heute ist also die Biologie als ›ein Kernstück der nationalsozialistischen Weltanschauung‹ erkannt und festgestellt […] Jetzt ist die Anthropologie selbst ein Kernstück der Anthropologie geworden (Weinert 1934b: 1–2, 165).
Die Analyse des wissenschaftlichen Werkes von Weinert, die biologische Anthropologie betreffend, hat gezeigt, daß in seinem Fall von Text zu Text entschieden werden muß, welcher wissenschaftliche Grundtenor von ihm zu welcher Zeit vertreten wurde. Waren die Frühwerke noch relativ unpolitisch und rein fachorientiert verfaßt, erfolgte ab Mitte der 1930er Jahre seitens Weinerts eine zunehmende Identifizierung mit rassenkundlichen Themen im Sinne der propagierten nationalsozialistischen Ideologie sowie Rassenlehre (1934b, 1935, 1936, 1941a, 1941b).
11.1.2 Wilhelm Gieseler
Wilhelm Gieseler19 wurde am 11. Oktober 1900 in Hannover geboren. Nach der Notreifeprüfung (1918) begann er 1919 mit dem Medizinstudium an der Universität in Göttingen, später dann Heidelberg, Freiburg und München. In Freiburg kam Gieseler durch Eugen Fischer erstmals mit der Anthropologie in Berührung; ab 1922 beschäftigte er sich bei Rudolf Martin in München gleichzeitig mit Anthropologie und Medizin. Im Frühjahr 1924 wurde er bei Martin mit der Arbeit Studien über die Anthropoidenfemora – Ein Beitrag zur Klaatschen Abstammungshypothese zum Dr. phil. promoviert. Vom 1. Oktober 1924 bis 1. Juli 1930 arbeitete Gieseler als Assistent am Anthropologischen Institut der Universität München. Im September 1925 wurde er Privatdozent für Anthropologie und beendete erst 1929/30 das vorher unterbrochene Medizinstudium mit dem Staatsexamen und der Promotion zum Dr. med. Von 1925 bis 1931 hielt Gieseler in München rein morphologische Vorlesungen aus den Gebieten der Anthropologie, Somatologie und Osteologie. Im Juli 1930 übersiedelte Gieseler nach Tübingen und arbeitete hier bei Martin Heidenhain als Assistent am Anatomischen Institut bzw. als Privatdozent für Anthropologie. Im Mai 1934 erhielt er ein planmäßiges Extraordinariat für Anthropologie und Rassenkunde, im Oktober 1938 wurde er zum ordentlichen Professor für Rassenbiologie berufen. Im Jahre 1943 hatte Gieseler das Amt des Prorektors der Universität in Tübingen inne. Zur politischen und militärischen Karriere von Gieseler während der NS-Zeit konnte folgendes recherchiert werden: 1. Mai 1933 Eintritt in die NSDAP (Nr. 2872638); seit Januar 1934 SA-Mitglied; 9. November 1935 Rottenführer; 9. November 1936 Scharführer; seit 24. Dezember 1937 SS-Mitglied; ab Herbst Vgl. zur Biographie von Gieseler u. a. Hoßfeld (1998c, 2000a) und Kröner (1998), zum wissenschaftlichen Umfeld und Werk von Gieseler vgl. auch Wiesing et al. (2010), Potthast & Hoßfeld (2010), Kolata et al. (2015). 19
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1937 Kreisbeauftragter des Rassenpolitischen Amtes im Kreis Tübingen; 1938–1940 Untersturmführer der Allgemeinen SS beim RuSHA, 20. April 1939 Obersturmführer der SS; von September 1939 bis Februar 1940 diente Gieseler als Unterarzt in der Heeres-Sanitätsstaffel Tübingen; im September 1940 erfolgte seine Entlassung aus dem Heeresdienst und ab Januar 1941 wurde er uk gestellt; 1943 Ernennung zum SSHauptsturmführer. Am 3. Mai 1945 wurde er verhaftet und interniert. Am 1. Juli 1945 erfolgte seine vorläufige Entlassung aus dem Amt. 20 Am 7. September 1948 wurde Gieseler im Entnazifizierungsverfahren in die Gruppe der ›Mitläufer‹ eingestuft und im Januar 1955 wieder als kommissarischer Leiter des Anthropologischen Institutes eingesetzt, welches am 25. August 1961 in »Institut für Anthropologie und Humangenetik« umbenannt wurde. Am 15. Januar 1962 wurde Gieseler zum ordentlichen Professor ernannt. Er verstarb am 26. September 1976 in Tübingen. Im Jahre 1926 hatte Gieseler dann für ein Jahr als alleiniger Herausgeber der Zeitschrift »Anthropologischer Anzeiger« (heute »Journal of Biological and Clinical Anthropology«) gewirkt, von 1927 bis 1931 zusammen mit Theodor Mollison, von 1956 bis 1964 war er zusammen mit Emil Breitinger und von 1966 bis 1976 wiederum als alleiniger Herausgeber tätig.21 Von 1936 bis 1958 stand er der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie (früher für Rassenkunde) als Vorsitzender vor. In der Zeit des Nationalsozialismus ragen im wissenschaftlichen Werk Gieselers drei Schwerpunkte heraus: Sammlung von Material für eine Rassenkunde und Rassengeschichte Schwabens
Gieseler begann im Raum Württemberg mit seinen rassenkundlichen Arbeiten im Jahre 1931 und schloß mit diesen direkt an die von Walter Scheidt (1926/27, 1927, 1931) initiierten und planmäßig durchgeführten Untersuchungen an einzelnen deutschen Bevölkerungsgruppen in Dörfern an, die dann später auch von E. Fischer (1924, 1925), B. K. Schultz (1935) und E. Freiherr von Eickstedt (1935/1936/1937) fortgeführt wurden. In Schwaben war vorgesehen, zunächst einmal durch Untersuchungen an der lebenden Bevölkerung einen Überblick über den damaligen rassischen Aufbau Württembergs zu erhalten. Nach Gieseler hatte nämlich bis 1930 der allgemeine Irrtum bestanden, daß die meisten Bewohner Württembergs nicht so »ostisch« wirkten, wie bis dahin von manchen Gebieten (z. B. Schwäbische Alb) angenommen. Hier war ihm anfangs die gar nicht geringe Blauäugigkeit und große Jugendblondheit [aufgefallen] sowie dazu eine bestimmte Einkreuzung der als dinarisch bezeichneten Kopf- und Gesichtsform (Bohn 1940: VII). Vgl. BDC-Akte Gieseler, UAT 205/131, 193/2357. Herausgeber des »Anthropologischen Anzeigers«: Bd. 1–2, 1924–1925 Rudolf Martin; Bd. 3, 1926, Wilhelm Gieseler; Bd. 4–7, 1927–1931 Theodor Mollison und Wilhelm Gieseler; Bd. 8–13, 1932–1936, Theodor Mollison und Bruno K. Schultz; Bd. 14–19, Theodor Mollison und Emil Breitinger; Bd. 20–28, Wilhelm Gieseler und Emil Breitinger; Bd. 29, 1965, Holger Preuschoft (Festband für W. Gieseler); Bd. 30–35, 1966–1976, Wilhelm Gieseler; Bd. 36–39, 1977–1981, Ulrich Schaefer und Huber Walter; Bd. 40–54, 1982–1996, Hubert Walter und Gertrud Hauser; Bd. 55-…, 1997–2008, Hubert Walter, Gertrud Hauser und Bernd Herrmann. 20 21
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Bis zum Ausbruch des Krieges erstreckten sich die Untersuchungen an altansässigen Bewohnern auf 18 Dörfer aus zehn verschiedenen Gebieten bzw. auf Wehrpflichtige aus zwei Wehrbezirken (Fehlinger 1943). Bevor man aber mit der Bestandsaufnahme beginnen konnte (nach dem anthropometrischen Meßverfahren von Martin), war eine Schulung des Personals nach Auffassung von Gieseler notwendig, um mögliche Meßfehler zu vermeiden bzw. auszuschließen. Gieseler hielt es außerdem für angebracht, jeweils zu Beginn der Arbeiten in einem Dorf vor den Einwohnern einen Lichtbildervortrag zu halten, um [ihnen] den Sinn [des] Vorhabens klarzumachen […] Dieses Sprechen im Schulhaus oder im Dorfwirtshaus vor manchmal kleinem, mitunter großem Kreise in den verschiedenen Gegenden Württembergs hat mir immer wieder Freude gemacht, da ich vor sehr aufmerksamen Zuhörern sprach […] Die Kinder waren die besten Propagandisten unserer Arbeit (Bohn 1940: VIII).
In diesem Zusammenhang sind auch die osteologischen Untersuchungen an 120 Personen aus dem Alemannenfriedhof zu Thailfingen zu nennen, von denen man sich »zum ersten Male eine genauere Anschauung vom Körperbau der schwäbischen Vorfahren« erhoffte.22 Von 1940 bis 1941 erschienen in Verbindung mit der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte vier Bände der »Schwäbischen Rassenkunde«: 1. Schwäbische Kleinbauern und Arbeiter der Gemeinde Frommern (Kreis Balingen). Ihre Geschichte, Bevölkerungsentwicklung und Rassenzugehörigkeit (Hans Bohn 1940); 2. Gönningen, das Samenhändlerdorf. Eine bevölkerungsbiologische und rassenkundliche Untersuchung (Walter Haßberg 1940); 3. Die Schwarzwälder vom Nagoldursprung. Eine rassenkundliche Untersuchung aus dem Kreis Freudenstadt des württembergischen Schwarzwalds: Besenfeld, Göttelfingen, Hochdorf mit den Weilern Eisenbach, Schernbach und Urnagold (Gerhard Gaßmann 1941) und 4. Rassenkundliche Untersuchungen an Wehrpflichtigen aus dem Wehrbezirk Tübingen. Ergebnisse einer rassenbiologischen Gemeinschaftsarbeit (Wilhelm Gieseler & Walter Necker 1941). Die Arbeiten waren alle nach einem einheitlichen Schema aufgebaut. Im Hauptteil fand man eine Merkmalsbeschreibung, ergänzt durch Diagramme, basierend auf den Meßdaten auf den eigens dafür entwickelten Karteikarten. Es folgte daran ein Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen an Hand von Abweichungsdiagrammen und zum Teil eine Aufreihung individueller Merkmalskombinationen: Wir haben uns bemüht, trotz des spröden Stoffes eine lebendige Darstellung zu gewinnen. Die Arbeiten sind absichtlich möglichst allgemein verständlich gehalten, um sie einem größeren Kreis zu vermitteln (Bohn 1940: XI).
Gieseler und seine Mitarbeiter kamen im Verlaufe der Untersuchungen u. a. zu dem Ergebnis, daß infolge Mischung verschiedener Rassentypen die Schwaben sich durch Rundköpfigkeit bzw. durch eine große Kopf- und Gesichtsbreite von anderen deutschen Bevölkerungsgruppen unterschieden. Blaue Augen kamen in Schwaben häufiger vor als blondes Haar.23 Vgl. UAT 193/2357; Brief des Anatomischen Institutes an die Medizinische Fakultät vom 12. Juni 1939. 23 Vgl. die Rezensionen zur Schwäbischen Rassenkunde im »Archiv für Rassen- und Gesellschafts22
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Abstammungsgeschichte des Menschen
Aus der Vielzahl seiner paläoanthropologischen Publikationen ragen hier das 1936 erschienene Buch Abstammungs- und Rassenkunde des Menschen sowie der Beitrag von 1943 über »Die Fossilgeschichte des Menschen« im Heberer-Sammelwerk über Die Evolution der Organismen heraus. Das Buch von 1936 gehört dabei zu den »klarsten Darstellungen« der damaligen Zeit über die verwickelten Fragen nach den Urmenschen: »Das andauernd anschwellende Material an Diluvialfunden auf der ganzen Welt findet eine objektive Wiedergabe, die dazu noch durch reiche Illustrationen unterstützt ist.«24 ### s. Abb. 48
Erstellung von Vaterschaftsgutachten
Auf Anweisung des Ministeriums bzw. von Gerichten mußte sich sein Institut seit Herbst 1938 auch verstärkt mit Methoden zu Vaterschaftsgutachten beschäftigen. Solche Themen finden sich später in Publikationen und vergebenen Dissertationen wie über das Hautleistensystem der Finger, der Hand, der Zehen und der Fußsohlen. Es konnten 34 Dissertationen aus Gieselers Institut nachgewiesen werden.25 Es finden sich keinerlei antisemitische und rassistische Äußerungen in den Dissertationen. Eine Analyse der Tübinger Forschungsschwerpunkte im Dritten Reich verdeutlicht ferner, daß Gieseler eine Trennung von Rassenforschung und Rassenpolitik propagierte und anstrebte. Es gab keine institutionelle bzw. persönliche Anbindung seinerseits an das RuSHA der SS bzw. zum Amt Rosenberg; er betonte stets den streng wissenschaftlichen Charakter seiner Arbeiten. In der von ihm geleiteten Gesellschaft für Rassenforschung (früheren Gesellschaft für physische Anthropologie) sah er eine wissenschaftliche Organisation, »in der sich die wissenschaftlichen Vertreter der Rassenbiologie treffen […] und unbeeinflußt über jede Frage aussprechen […]« konnten.26 Bei seinen Untersuchungen zum Schwerpunkt »Schwäbische Rassenkunde« kamen ihm seine Erfahrungen mit anthropometrischen Messungen aus München zugute, wo er seit 1925 die umfangreichen Schulkinderuntersuchungen betreute (Gieseler 1927b).
Biologie« 36, Heft 4, 1942; in der »Zeitschrift für Rassenkunde« 1943 und in der Zeitschrift »Volk und Rasse« 1943. 24 Vgl. UAT 193/2357; Schreiben im Spruchkammerverfahren vom 7. September 1948, S. 6 sowie die Rezension von Heinz Brücher 1936 in den »Nationalsozialistischen Monatsheften«. 25 An der Naturwissenschaftlichen und Philosophischen Fakultät betreute er u. a. solche Themen wie: »Altersveränderungen an Kopf- und Gesichtsmerkmalen« (Elisabeth von Woellwarth 1945); »Über den Zusammenhang der Hautleistensysteme von Händen und Füßen« (Brigitte Siegle 1946); an der Medizinischen Fakultät solche wie: »Ein Beitrag zur Rassenmorphologie des Unterkiefers« (Hans Erich Schulz 1933); »Neolithische Skelettreste aus Württemberg« (Annemarie Ospach 1944), »Fußleistenmuster bei Württembergern« (Hanns-Erhard Meisch 1944); »Unterschiedliche Fortpflanzung in 4 württemberger Kreisen« (Walter Carl 1944) und »Der Obergesichtsschädel fossiler Menschen und rezenter Menschenrassen« (Walter Allgöwer 1944). Vgl. weiterführend UAT 205/131. 26 Ebd.
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Abb. 48: Schädelfotografien. In: Gieseler, W.: Abstammungs- und Rassenkunde des Menschen I. Oehringen 1936, Tafel 19.
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Nach dem derzeitigen Forschungsstand haben das Tübinger Institut und Gieseler persönlich nichts mit rassenhygienischen Sterilisationspraktiken sowie der Ausarbeitung der Nürnberger Rassengesetze zu tun gehabt. Gieseler war nie zu Untersuchungen in einem KZ oder in einem Lager mit Juden, nie in Polen oder Rußland gewesen. Seine Betonung der Forschung lag, wie er mehrfach beschrieb, auf dem Gebiet der Wissenschaft selbst und nicht auf dem der Rassenpolitik. Deshalb gab es auch aus seiner Sicht zweimal Probleme mit Namengebungen: 1937 bei der Umbenennung der »Deutschen Gesellschaft für Physische Anthropologie« in »Deutsche Gesellschaft für Rassenforschung«27 bzw. 1938 bei der Umbenennung des Tübinger-Lehrstuhles/Institutes in »Rassenbiologie«. Inwieweit und in welchem Umfang Gieselers Institut an der Erstellung von rassenkundlichen Gutachten beteiligt war, konnte bisher nicht recherchiert werden. Das gilt ebenso für Gieselers Stellung zu seiner Arbeitskollegin Sophie Erhardt, die noch 1990 in einer Arbeit in der Zeitschrift »Homo« anthropologische Untersuchungen an den Setukesen, die aus der Zeit des Nationalsozialismus während der deutschen Besetzung Estlands stammten, publizierte und öffentlich verteidigte.28 Nach 1945 ist Gieseler dann insbesondere auf dem Gebiet der biologischen Anthropologie als Mitautor in den Folgeauflagen der Evolution der Organismen hervorgetreten. Er ist einer der wenigen Autoren, der in allen drei Auflagen mitwirkte (Gieseler 1959, 1974). Sein paläoanthropologischer Aufsatz von 1974 gehört in jener Zeit zu den besten Abhandlungen zu dieser Thematik.
11.1.3 Adolf Remane
Robert Gustaf Adolf Remane29 wurde am 10. August 1898 in Krotoschin (Posen) geboren. Hier besuchte er vier Jahre die Volksschule und legte 1916 die Notreifeprüfung am Wilhelmsgymnasium ab. Nach der aktiven Teilnahme am Ersten Weltkrieg vom März 1917 bis zu seiner Verwundung in der Frühjahrsoffensive 1918 (Auszeichnung mit dem E. K. II; erreichter Dienstgrad: Unteroffizier) studierte er anschließend in Berlin von 1918 bis 1921 die Fächer Biologie, Anthropologie, Paläontologie und Ethnologie, u. a. bei Karl Heider und Willy Kükenthal. Im Dezember 1918 hatte Remane Vollzogen auf der 9. Tagung vom 16. bis 19. September 1937 in Tübingen in Anwesenheit von Groß, Arthur Gütt und Ploetz – aus der eine Kontroverse mit von Egon Frh. von Eickstedt resultierte. Vgl. auch Kröner (1998). 28 Vgl. Erhardt (1990) und die darauf verfaßte Stellungnahme von Herrmann & Kattmann (1992): »Bei der Veröffentlichung im Jahre 1990 wäre es die Pflicht der Autorin gewesen, sich über die politischen Zusammenhänge dieser Untersuchung klar zu werden. Sie hätte diese Zusammenhänge in der Arbeit erwähnen und ein anders geartetes Erkenntnisinteresse ausweisen müssen, um eine Veröffentlichung wissenschaftlich zu rechtfertigen« (1992: 160). Teile des Nachlasses von Erhardt sind derzeit noch im UAT gesperrt. Sie hatte mit einzelnen Unterbrechungen seit 1942 ein Beschäftigungsverhältnis an der Universität Tübingen. Vgl. aktuell Wiesing et al. (2010), Potthast & Hoßfeld (2010) und Kolata et al. (2015). 29 Vgl. zur Biographie die Archivalien im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde [= BABL], Archiv der Leopoldina Halle [= ALH], Landesarchiv Schleswig-Holstein [= LASH], Universitätsarchiv Halle [= UAH]; siehe ebenso die Kieler Nachrichten (1963, 1968), Zachos & Hoßfeld (2000), Junker (2000b), Zachos & Hoßfeld (2006) sowie Hoßfeld & Zachos (2009). 27
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sich in Berlin aktiv an der »Niederwerfung des Spartacusaufstandes« beteiligt.30 Da Kükenthal ihm im Anschluß an sein Studium eine Assistentenstelle in Berlin am Museum versprochen hatte, war es zunächst Remanes Wunsch gewesen, dort zu arbeiten. So war er von 1920 bis zur Übernahme einer planmäßigen Assistentenstelle am Zoologischen Institut der Universität Kiel im April 1923 durch Kükenthals Vermittlung als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften tätig. Als Kükenthal dann aber verstarb, hielt sich dessen Nachfolger Gustav Tornier nicht an die Versprechen seines Vorgängers, so daß Remane Berlin verließ.31 Nach erfolgter Promotion zum Dr. phil. am 15. März 1921 (über Primatenschädel) habilitierte er sich 1925 für Zoologie in Kiel, wo er am 11. August 1929 außerordentlicher Professor wurde. Zum Wintersemester 1934/35 nahm Remane einen Ruf auf den Lehrstuhl für Zoologie – verbunden mit dem Posten des Direktors des Zoologischen Institutes – in Halle an der Saale an. Bereits 1936 kehrte er Halle aber den Rücken und folgte einem Angebot auf den Lehrstuhl für Zoologie in Kiel, wo er ab 1936 auch das Institut für Meereskunde aufbaute. Als Ende 1944 der Vorlesungsbetrieb in Kiel wegen der Kriegseinwirkungen nicht mehr abgehalten werden konnte, übernahm Remane stellvertretend an der Universität Leipzig die zoologischen Hauptvorlesungen.32 Remane war seit dem 1. Oktober 1933 im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) organisiert, seit 1933 Mitglied der SA, seit dem 1. Mai 1937 gehörte er der NSDAP (Nr. 5098559), Ortsgruppe Plön in Schleswig-Holstein an, zudem war er Mitglied im NSD-Dozentenbund der Christiana-Albertina.33 Aufgrund einer Anordnung der britischen Militärregierung war Remane nach dem Zweiten Weltkrieg entlassen worden, entsprechend einer Entscheidung der Militärregierung vom 11. August 1947 unter dem 5. September 1947 wieder in sein Amt eingesetzt und unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erneut zum Professor ernannt worden.34
Im Jahre 1967 wurde Remane emeritiert. Er starb im Alter von 78 Jahren am 22. Dezember 1976 in Plön (Holstein). Remane war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, so der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Halle), der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz), der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften (Stockholm) etc.; am 10. August 1963 wurde er Dr.rer.nat.h.c. der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg. In der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, der er seit 1921 angehörte, war Remane 1963/64 Präsident und wurde 1975 zum Ehrenmitglied ernannt. Die wissenschaftliche Vielseitigkeit Remanes war außergewöhnlich. Er ist Autor von ca. 300 Buch- und Zeitschriftenbeiträgen (Weigmann 1973). Seine Publikatio-
Vgl. UAH, Schreiben an den Minister vom März 1934, Rep. 31 Nr. 64. Vgl. ALH, Lebenslauf, Matrikelakte Nr. 4297 von A. Remane. 32 Ebd., Abt. 811, Nr. 12233. 33 Vgl. BABL, NSLB-Kartei und NSDAP-Mitgliederkartei sowie Angaben von W. Herre in einem Interview mit U. H. am 12. März 1997 in Kiel. 34 Vgl. LASH, Abt. 811, Nr. 12233. 30 31
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nen demonstrieren eindrucksvoll dieses vielseitige wissenschaftliche Interesse.35 Er veröffentlichte allein im Zeitraum zwischen 1931 und 1952 84 Arbeiten, darunter sein theoretisches Hauptwerk Die Grundlagen des natürlichen Systems (1952) sowie mehrere Handbuchbeiträge. Da Remane seit 1936 mit dem Aufbau des Institutes für Meereskunde in Kiel beschäftigt war, verwundert es nicht, daß mehr als ein Drittel seiner Veröffentlichungen in dieser Zeit die Meereszoologie zum Thema hatten. Remane entdeckte dabei einen ganz neuen marinen Lebensraum, das Sandlückensystem (interstitielle Sandfauna), und fand darin 1928 den ersten Vertreter der Gnathostomulida (Sterrer 1996: 263). Den Bewohnern dieses Lebensraumes widmete Remane zahlreiche Veröffentlichungen. Neben seinen meeresbiologischen, ökologischen, heimatbiologischen und allgemein-biologischen Arbeiten publizierte er parallel aber auch erfolgreich auf den Gebieten der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere, besonders der Anthropologie und Primatologie sowie der Evolutionsbiologie. Auf dem Gebiet der biologischen Anthropologie ragen seine Arbeiten über den Schädel (Nahtanomalien an Anthropoidenschädeln I und II, 1920, 1921; Der Verschluß der Intermaxilarnaht bei den Anthropoiden, 1927 usw.) und das Gebiß (Über das Eckzahnproblem I und II, 1924; Zur Meßtechnik der Primatenzähne, 1926 usw.) bei Primaten und dem Menschen sowie allgemeine Themata (Beurteilung fossiler Anthropoiden, 1921; Einige Bemerkungen über Prohylobates tandyi und Dryopithecus mogharensis, 1924; Der fossile Pavian von Oldoway, 1924 usw.) heraus. Zu seinen letzten größeren Veröffentlichungen zählen wiederum anthropologische, so »Die Geschichte der Menschenaffen« (1965) und »Die Bedeutung der Evolutionslehre für die Anthropologie« (1972).
11.1.4 Gerhard Heberer
Durch das Lebenswerk des Zoologen und biologischen Anthropologen Gerhard Heberer zieht sich ein zentraler Widerspruch.36 Von 1938 bis 1945 an der Jenaer Salana als Direktor des Institutes für »Allgemeine Biologie und Anthropogenie« in Jena lehrend, trat er hier besonders durch seine Affinität zum nationalsozialistischen Regime hervor. Er gehörte mit zu den Protagonisten einer »Deutschen Biologie« und Rassenkunde, dokumentiert durch zahlreiche Publikationen und Vorträge zur Frage nach der Urheimat der Indogermanen. Andererseits sind aber auch jedem wissenschaftshistorisch und an der Evolutionsbiologie und Anthropologie Interessierten Heberers Trilogie Die Evolution der Organismen (1943–1974) zur theoretischen Mitbegründung der Synthetischen Theorie der Evolution, sein Aufsatz über »Die Herkunft der Menschheit« in dem von Golo Mann herausgegebenen Gesamtwerk Propyläen-Weltgeschichte (1961), die populäre Abhandlung Homo – Unsere Ab- und Weigmann (1973) gibt eine Gesamtübersicht über die Publikationen Remanes bis 1973. Diese Liste wurde hier zugrunde gelegt. 36 Über das Leben und Werk von Heberer bzw. die evolutionsbiologische Bedeutung des von ihm herausgegebenen Sammelwerkes habe ich in den letzten Jahren publiziert, so daß ich hier Wiederholungen vermeiden möchte. Wegen seiner Zuordnung zum unmittelbaren Kreis wichtiger Protagonisten der biologischen Anthropologie in Deutschland seien an dieser Stelle aber einige wichtige Daten nochmals angeführt. 35
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Zukunft (1968) sowie der von ihm geprägte Begriff des »Tier-Mensch-Übergangsfeldes« (1958) bekannt. Am 20. März 1901 als zweiter Sohn des Konrektors Richard Heberer in Halle an der Saale geboren, besuchte er von 1908 an die Mittelschule und wechselte im Jahre 1911 an das Reform-Realgymnasium der Stadt. Nach bestandener Notreifeprüfung im Jahre 1919 schrieb sich Heberer am 27. April 1920 zum Studium der Naturwissenschaften an der Vereinigten Friedrichs-Universität von Halle-Wittenberg ein. Vom Sommersemester 1920 bis zum Wintersemester 1924 studierte er hauptsächlich Zoologie, Geologie, Philosophie und Deutsche Vorgeschichte. Seine akademischen Lehrer, der Genetiker und Zoologe Valentin Haecker und der Rassenanthropologe/ Vorgeschichtler Hans Hahne, prägten den jungen Studenten in seiner Persönlichkeit derart stark, daß sich diese Einflüsse auf die wissenschaftlichen Forschungen, die Methodologie und Ideologie Heberers ein Leben lang auswirken sollten. Am 21. Februar 1924 reichte er eine zytogenetische Dissertation mit dem Titel über Die Spermatogenese der Copepoden nebst Anhang über die Oogenese von Diaptomus castor ein und bekam 10 Monate später, am 20. Dezember 1924, die Würde eines Doktors der Naturwissenschaften verliehen. Nach kurzer Tätigkeit als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Landesanstalt für Vorgeschichte schloß er sich im Jahre 1927 der Sunda-Expedition des Zoologen Bernhard Rensch an. Als Reisegebiet der Expedition war das zoologisch umstrittene Gebiet (Wallace-Linie) der Kleinen Sunda-Inseln (Lombok, Sumbawa, Flores) im Indonesischen Archipel vorgesehen, wobei zoogeographische und tropenbiologische Fragestellungen im Vordergrund des Interesses standen. Heberer plante zudem mit Wolfgang Lehmann (später Kiel) noch die Bearbeitung von anthropologischen und limnologischen Aufgaben.37 Nachdem er im März 1928 aus Indonesien zurückgekehrt war, arbeitete er von Mai 1928 bis Oktober 1938 als Assistent und später als Assistent in gehobener Stellung am Zoologischen Institut der Universität Tübingen unter Jürgen W. Harms (später Jena). Dort habilitierte er sich 1932 mit einer Arbeit über den Bau und Funktion des männlichen Genitalapparates der calanoiden Copepoden und erhielt die Venia legendi für Zoologie und Vergleichende Anatomie (11. März 1932). Im Wintersemester 1935/36 nahm er zeitweilig die Vertretung des Lehrstuhles für Zoologie (Ausscheiden des damaligen Direktors des Senckenberg-Museums Otto zur Strassen) in Frankfurt am Main wahr. Am 1. November 1938 berief man Heberer an die Universität Jena und verlieh ihm mit Wirkung vom 5. Januar 1939 die Dienstbezeichnung nichtbeamteter außerordentlicher Professor. Im Oktober 1939 wurde ihm außerdem die freie Planstelle eines außerordentlichen Professors übertragen, mit der Verpflichtung, die allgemeine Biologie und menschliche Abstammungslehre in Vorlesungen und Übungen zu vertreten. Gleichzeitig ernannte man ihn zum Vorsteher der Anstalt für »Allgemeine Biologie und Anthropogenie«.
Vgl. dazu das 1950 von Heberer und Lehmann im Musterschmidt-Verlag in Göttingen erschiene Buch »Die Inland-Malaien von Lombok und Sumbawa. Anthropologische Ergebnisse der SundaExpedition«; Hoßfeld (2013). 37
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Heberer war von 1933 bis 1935 SA-Mitglied; wurde am 12. April 1937 zum SSUntersturmführer (Nr. 279992) ernannt; trat am 10. Juni 1937 in die NSDAP (Nr. 3972811) ein; durfte ab Februar 1938 die Bezeichnung ›Mitarbeiter Ahnenerbe‹ führen; wurde am 11. September 1938 zum SS-Obersturmführer, 1942 zum SS-Hauptsturmführer befördert; er war ferner Mitglied im NSLB und NSDB.38 Nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft kam Heberer nach Göttingen, wo er ab dem Wintersemester 1947/48 damit begann, eine Anthropologische Forschungsstelle im Rahmen des Ersten Zoologischen Institutes aufzubauen. Seine Lehrtätigkeit an der Georg-AugustUniversität erstreckte sich über einen Zeitraum von 44 Semestern, wo er u. a. vom Wintersemester 1949/50 bis zum Sommersemester 1953 einen Lehrauftrag an der Forstwissenschaftlichen Fakultät innehatte. Auf seinem Göttinger Arbeitsgebiet über die Stammesgeschichte des Menschen gab es kaum einen Fund, den er nicht selbst überprüfte. Im Jahre 1961 unternahm Heberer zwei Afrika-Reisen, eine in die Olduvai-Schlucht in das »Tal der Menschen« am Ostrand der Serengeti-Steppe, zum Studium der Australopitheciden, eine weitere führte ihn nach Südafrika zur Saldanha-Bay.39 Außerdem arbeitete er an vielen prähistorischen Museen der Welt, und nur aus dieser eigenen praktischen Anschauung heraus, immer das Selbsterlebte und Gesehene seiner Reisen und Ausgrabungen vor Augen, wurden für ihn diese prähistorischen Bilder zu Gestalten, was er in populärwissenschaftlicher Form weitergab. Sein Schrifttum zählt ca. 440 Arbeiten, von der Buchform bis zum Zeitungsartikel. Zudem verdankt die Göttinger-Universität Heberer eine der vollständigsten Sammlungen von Fossilabgüssen zur menschlichen Stammesgeschichte in der Bundesrepublik. Ein weiteres Verdienst liegt außerdem in der Bewahrung von Teilen der Blumenbachschen Sammlungen.40 Durch die Probleme in den Nachkriegsjahren und sein fortgeschrittenes Lebensalter war es Heberer nicht mehr möglich gewesen, eine größere Zahl an Schülern um sich zu sammeln und ein Ordinariat zu erhalten. Nach schwerer Krankheit verstarb er am 13. April 1973 in Göttingen. Heberer publizierte ca. 315 wissenschaftliche Originalarbeiten (der Rest sind Rezensionen). Davon sind ca. 160 Arbeiten anthropologischen und evolutionsbiologischen Inhalts, also etwa 55 % der Gesamtbibliographie. Die verbleibenden Publikationen behandeln zytogenetische und zoologische Fragestellungen bei Copepoden, humangenetische Probleme, die Indogermanenfrage sowie historiographische Themata (Ernst Haeckel, Charles Darwin, Alfred Russel Wallace, Darwinismus etc.). Die 1950er und 1960er Jahre sollten schließlich aus publizistischer und wissenschaftshistorischer Sicht zu den wertvollsten Jahrzehnten für Heberer werden (Heberer 1950–1973). Vgl. BDC-Akte Heberer; Hoßfeld (1997); Brömer, Hoßfeld & Rupke (2000); Junker & Hoßfeld (2002); Hoßfeld & Junker (2003). 39 Vgl. im Nachlaß Heberer dessen Afrika-Tagebücher (im Besitz des Verfassers). In Südafrika beging Heberer seinen 60. Geburtstag. Kollegen im In- und Ausland gedachten dieses Tages mit einer Festschrift »Evolution und Hominisation« (Hrsg. G. Kurth) im Jahre 1962, die 1967 in zweiter Auflage erschien. 40 Vgl. den Nachruf des Rektors der Göttinger-Universität K. Stackmann vom August 1973 (Nachlaß Heberer). 38
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Es waren gerade diese beiden Jahrzehnte in der Mitte des letzten Jahrhunderts gewesen, die durch eine große Anzahl an weltweit geborgenen fossilen Funden, dokumentiert in unzähligen Theorien und Hypothesen zur Abstammung des Menschen, für weltweites Aufsehen gesorgt hatten (vgl. Kapitel 6.2 und 11.4). Die Frage nach einem Zusammenhang einzelner Funde bzw. Fundgruppen, die schon von Anfang an die Fossilgeschichte beeinflußt hatte, rückte nun zunehmend in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion. Eine prinzipielle Lösung wurde aber durch die neuen Funde nicht etwa einfacher, sondern im Gegenteil komplizierter und vielschichtiger. Heberer bemühte sich von Anfang an um eine Aufarbeitung und Popularisierung von Fundbeschreibungen fossiler Hominiden. Daneben sollten aber das Praesapiens-Problem (1950), die Frage nach der Existenz von Riesenaffenmenschen (Gigantopithecus-Problem) wie sie z. B. in Thesen von H. Weinert zu beantworten versucht wurde, ebenso wie das Eoanthropus-Problem (Piltdown) sein besonderes Interesse finden. Mitte der 1950er Jahre gelangte er dann zu zwei grundlegenden theoretischen Einsichten innerhalb der biologischen Anthropologie, zum einen durch seine »Theorie der additiven Typogenese« (1959a)41 und zum anderen durch den Begriff des »Tier-Mensch-Übergangsfeldes« (1958).42 Zu Beginn der 1960er Jahre unternahm Heberer die bereits erwähnten zwei Afrika-Reisen. Im April 1961 konnte er während seiner ersten Reise nach Süd- und Ostafrika das gesamte bis dahin gefundene paläoanthropologische und archäologische Material aus der Olduvai-Schlucht im »Coryndon-Museum« (heute National Museum of Kenya) in Nairobi persönlich kennen lernen und Vergleiche vornehmen, wie seine Afrika-Tagebücher belegen. Ein Besuch der Schlucht mußte infolge der fortgeschrittenen Jahreszeit leider abgesagt werden. So folgte er natürlich im Oktober 1961 der nochmaligen Einladung Louis S. B. Leakeys, mit ihm für einige Zeit nach Olduvai zu gehen und die aufgenommenen Grabungen zu beobachten. Dieser Praxisbezug (Prüfung der Originale) und das eigene Erlebnis finden sich explizit in den meisten späteren Publikationen, Diskussionen und Darstellungen wieder. Seine Stammbaumdarstellungen und Diskussionen zu den Hypothesen der Entstehung des Homo sapiens sapiens sind an dieser Stelle gesondert hervorzuheben. Im Jahre 1960 legte Heberer die Präbrachiatorenhypothese dar, die als Ausgangspunkt der Hominidenlinie einen noch nicht spezialisierten Pongidentypus annahm, der noch keine so starke Anpassung an eine hangelnd-schwingende Fortbewegungsweise aufwies. Aus einem solchen Typus sollten sich dann auf der einen Seite die heutigen Menschenaffen, auf der anderen Seite die ans Bodenleben angepaßten Hominiden Diese Theorie geht davon aus, daß die Diskontinuitäten zwischen den systematisch getrennten Gruppen durch Summierung kleiner Veränderungen (im systematischen und genealogischen Sinne) entstanden sind. 42 Nach Heberer gliederte sich dieser Geschichtsweg in drei Abschnitte oder Phasen: 1. die evoltutionspassive, subhumane Phase, 2. das Tier-Mensch-Übergangsfeld, 3. die telische, humane Phase. Das Schema war ein »Brückenschlag« von einer subhumanen Frühphase fossiler Noch-nicht-Menschen, etwa Proconsul-ähnlicher Pongiden, zu der eigentlichen humanen Phase der Schon-Menschen, der Gruppe von Homo sapiens und sollte nach Heberers Auffassung nur einmal durchschritten werden. Heute gibt es Hinweise dafür, daß dieser Schritt mehrfach erfolgt sein könnte. Nach R. Martin (1990) sollen in den letzten 35 Millionen Jahren insgesamt 84 Hominoidenarten existiert haben, von denen bislang nur etwa die Hälfte dokumentiert ist. 41
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entwickelt haben. Später entwickelte man noch als Antipode zur Stufen- und Phasenhypothese die Entfaltungs- oder Radiationshypothese, die er ab Mitte der 1960er propagierte.43 Heberer wurde durch sein ambivalentes Wirken im 20. Jahrhundert zu einer der zentralen Figuren innerhalb der Geschichte der biologischen Anthropologie und Evolutionsbiologie. Hier steht sein Wirken vor 1945 und im Nationalsozialismus dem von nach 1945 gegenüber. Durch sein starkes publizistisches Engagement auf seinen Fachgebieten bestimmte und prägte er über nahezu fast 40 Jahre das Öffentlichkeitsbild der biologischen Anthropologie in Deutschland entscheidend mit (Hoßfeld 1997).
11.1.5 Adolph H. Schultz
Adolph H. Schultz44 wurde am 14. November 1891 in Stuttgart geboren und begeisterte sich seit frühester Jugend für die Biologie. Während seines Studiums an der Philosophischen Fakultät II der Universität Zürich stand er einerseits unter dem Einfluß der Zoologen A. Lang sowie K. Hescheler und deren vergleichend-anatomischen Vorlesungen, andererseits besuchte er aber auch anthropologische Kurse und Vorlesungen von O. Schlaginhaufen und lernte so die damals in Zürich hochentwickelten Meßmethoden kennen. Letzterer Einfluß war so prägend, daß er 1916 mit einer Arbeit über Anthropologische Untersuchungen an der Schädelbasis menschlicher Rassen zum Dr. phil. promoviert wurde: Während dieser Studien erwarb er sich eine der wesentlichsten Arbeitsgrundlagen für alle seine späteren Forschungen, nämlich mittels metrisch-statistischer Methoden, unter steter Berücksichtigung von Variabilität, Alter und Geschlecht, die menschlichen Verhältnisse vergleichend mit denen der übrigen Primaten zu analysieren (Biegert et al. 1962: VII).
Unmittelbar nach der Promotion erhielt Schultz eine Anstellung als Research Associate am embryologischen Forschungslaboratorium des Carnegie-Institutes in Baltimore (USA), um dort u. a. menschliche Feten verschiedener Rassen nach embryologisch-anthropologischen Gesichtspunkten zu untersuchen. Mit diesen Arbeiten über vorgeburtliche Geschlechtsverhältnisse, Schädelanomalien usw. machte er sich schnell einen Namen in der wissenschaftlichen Welt und wurde 1925 als Professor für Anthropologie an die Johns Hopkins Universität Baltimore berufen. Bis zu seinem Weggang nach Zürich war Schultz hier 26 Jahre forschend und lehrend tätig. Aus »Diese Hypothese nimmt für den Urmenschen, Altmenschen und Jetztmenschen jeweils getrennte, in ihrem Ursprung zeitlich weit zurückreichende Entwicklungslinien an. Als gemeinsame Ursprungsgruppe dieser Entwicklungslinien – und damit zugleich als Ausgangsbasis für die getrennte Entwicklung zum anatomisch modernen Menschen-werden entweder Homo habilis oder die Australopithecinen, ja sogar die Ramapithecinen postuliert« (Hermann & Ullrich 1991: 383). Diese Hypothesen schlugen sich natürlich auch in Heberers schematischen Stammbaumdarstellungen nieder. In diesen ordnete er stets die neuesten Erkenntnisse in das provisorische System der pleistozänen Hominiden ein, komplettierte und vervollständigte so, das jeweils entstandene »Jetztbild oder Jeweilsbild« (Heberer 1949/50) und zeigte damit den Fortschritt in der Abstammungsgeschichte des Menschen (s. o.). 44 Vgl. weiterführend Erikson (1981), Chaoui & Schmutz (2002) sowie Chaoui (2004a, 2004b). 43
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seiner Feder entstammen zu jener Zeit über 70 Publikationen, die seinen Ruf als hervorragenden Primatenkundler und Autorität auf dem Gebiet der menschlichen Stammeskunde begründeten. Schultz erhielt unzählige Ehrungen: Wahl in die National Academy of Sciences, Verleihung der Viking Medal in Anthropology 1948, Wahl zum Präsidenten der American Association of Physical Anthropology, Ehrenmitglied der Britischen Zoologischen und Britischen Anatomischen Gesellschaft usw. Während seiner Amerika-Jahre unternahm Schultz auch wissenschaftliche Expeditionen, so nach Nicaragua, Panama, Siam und Nordborneo, um vor Ort das Material für seine Arbeiten über die Variabilität, das Wachstum und die Pathologie der nichtmenschlichen Primaten zu sammeln. Ein Verdienst dieser Arbeiten war dann später, die Frage nach Charakteristika des biologisch spezifisch Menschlichen durch umfassende Vergleiche mit den übrigen Primaten einschließlich ihrer Ontogenie erkannt und weiterverbreitet zu haben. Im Jahre 1951 folgte er schließlich dem Ruf nach Zürich, als Ordinarius und Direktor des Anthropologischen Institutes an die Universität zurückzukehren. Auch hier drückte er der Forschung und Lehre seinen individuellen Stempel auf und baute Zürich in seiner Amtszeit zu einem führenden und international arbeitenden Zentrum der vergleichenden Biologie des Menschen aus. Über dreißig Publikationen sind so allein bis 1962 entstanden. Das gemeinsam mit D. Starck und H. Hofer edierte Handbuch der Primatenkunde ragt dabei aus der Publikationsliste heraus, ein Standardwerk für alle damals an vergleichend-primatologischen Fragestellungen arbeitenden Wissenschaftler. Schultz starb am 26. Mai 1976 in Zürich.45 Bedeutsam für die Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland ist sein 1965 erschienener kompilatorischer Beitrag über »Die rezenten Hominoidea«, dessen Manuskript er aber bereits 1962 abgeschlossen hatte. Schultz referierte hier über Körpergröße und Proportionen, Merkmale des äußeren Körpers, Skelett, Altersveränderungen, Geschlechtsunterschiede und Variabilität der rezenten Hominoiden: Zu den wichtigsten dieser Sonderbildungen [verglichen mit anderen Primaten] gehören die Reduktionen in den Zahlen der kaudalen und der präsakralen Segmente, die Vermehrung der zum Kreuzbein verschmolzenen Wirbel, die Verbreiterung des ganzen Rumpfes mit den vielen damit zusammenhängenden Spezialisationen, die Zunahme der relativen Länge der oberen Gliedmaßen und der relativen Größe des Hirnes, die Verlängerung der Lebensperioden und die vielfachen Verschiebungen in Entwicklungsvorgängen, besonders die geringe Geburtsreife. Eine Unmenge von weiteren anatomischen, ontogenetischen und physiologischen Eigenschaften, die hier mit keinem Wort erwähnt wurden, bestätigt diese, heute allgemein anerkannte, Zusammenfassung aller Menschenaffen und Menschen in eine natürliche Gruppe (Schultz 1965: 98).
Mit Schultz ist neben Weinert, Gieseler, Remane und Heberer der fünfte wichtige Protagonist abgehandelt, der in der Mitte des 20. Jahrhunderts entscheidend mit seinem wissenschaftlichen Werk den Fortgang der biologischen Anthropologie mitAn der Festschrift zu seinem 70. Geburtstag (Biegert et al. 1962) beteiligten sich u. a. J. Kälin (Fribourg), R. Singer (Cape Town), E. L. Boné (Louvain), G. Heberer (Göttingen), G. H. R. v. Koenigswald (Utrecht), H. V. Vallois (Paris), A. Remane (Kiel) usw. Hier findet sich auch eine Bibliographie seiner Arbeiten. 45
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Abb. 49: Auf gleiche Länge reduzierte Hände erwachsener Hominoidea (A. H. Schultz 1965, S. 63).
bestimmt und so auch für eine inhaltliche Kontinuität gesorgt hat. Neben dieser Entwicklung gab es aber auch Naturwissenschaftler, die andere Positionen bezogen. Diese waren zwar gegenüber den Protagonisten in der Minderheit, beeinflußten aber dennoch, manchmal sogar entscheidend, die wissenschaftlichen Diskussionen.
11.2 Fallbeispiele für Alternativen – Diskontinuitäten
Obwohl sich mit der ständigen Entdeckung eindrucksvoller fossiler Funde in zunehmender Anzahl das Bild über die Herkunft des Menschen von tierischen Vorfahren abzuzeichnen begann, gab es außerhalb des kausalanalytischen Denkens der naturwissenschaftlichen Anthropologen einzelne Vertreter, die einen anderen, einen Sonderweg der menschlichen Entwicklung postulierten. Nachfolgend sollen stellvertretend aus diesem Umfeld ein Mediziner (M. Westenhöfer), ein Biologe (A.
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Portmann) sowie ein Theologe (O. Kleinschmidt) mit ihren Positionen vorgestellt werden. Die Auswahl46 fiel zunächst auf Westenhöfer und Kleinschmidt, weil diese durch heftige Kontroversen mit Darwinisten (vgl. Teilkapitel 10.2) in wissenschaftlichen Zeitschriften (während der Zeit des Nationalsozialismus) hervorgetreten waren und somit für Diskontinuitäten über einen längeren Zeitraum stehen. Auf Portmann fiel die Wahl, weil er neben A. H. Schultz im 20. Jahrhundert mit zu den bedeutendsten Anthropologen/Biologen (in der Schweiz) gerechnet werden kann, sich durch seine Forschungsergebnisse aber von Schultz grundlegend unterschied (vgl. Teilkapitel 11.1.5). Der Berliner Anatom und Pathologe Max Westenhöfer (1871–1957), ein Schüler von Rudolf Virchow, versuchte mit naturwissenschaftlichen Belegen eine vollständige Sonderstellung des Menschen zu begründen. Daß seine Versuche dabei auch stark von weltanschaulichen Auseinandersetzungen getragen waren und entsprechende Kritiken hervorriefen, wurde an anderer Stelle schon ausgeführt. Bereits 1926 hatte Westenhöfer eine Schrift mit dem Titel Der Mensch – die älteste Säugetierform publiziert und darin, wie später auch in anderen Schriften (Die Grundlagen meiner Theorie vom Eigenweg des Menschen, 1948)47, die These vertreten, daß nicht der Mensch vom Affen oder affenähnlichen Vorfahren, sondern der Affe von der Menschenform abstammt, ja nicht nur die Affen, sondern alle anderen Säugetiere auch: Die Darwinsche Theorie ist erst dann ›falsch‹, wenn bewiesen wird, daß der Mensch in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Tier aus der Gruppe der Affen, gleichgültig ob rezent oder fossil, steht; und diesen Beweis glaube ich soweit als möglich erbracht zu haben. Selbst wenn Affe und Mensch gemeinsame Wurzel haben, woran auch ich nicht zweifle, so muß diese Wurzel und der aus ihr entspringende Haupttrieb nach der Form benannt werden, die die ursprünglichen Eigentümlichkeiten am zahlreichsten und reinsten bewahrt hat und so als die direkte Fortsetzung des Wurzelstockes erscheint […] Die vulgäre Abstammungsformel, wenn man überhaupt derartige Formeln anwenden will, müßte daher heißen: der Affe stammt vom Menschen ab […] (Westenhöfer 1948: 194).48
Mit dieser Radikalität schloß er nahtlos an die humanphylogenetischen Aussagen seines Lehrers Virchow an.49 Zu diesen hier stellvertretend genannten »Alternativen« einer biologischen Anthropologie im 20. Jahrhundert – in die auch politische und ideologische Einflüsse hineinspielten – zählen des weiteren noch Vorstellungen wie die von Edgar Dacqué (1927, 1940) – »Urerinnerungen«, P. Alsberg (1922) – »Prinzip der Körperausschaltung«, Pierre Teilhard de Chardin (1959), F. Koch (1929), Arnold Gehlen (1940), Karl Rahner und Paul Overhage, Werner Sombart (1938) u. a. 47 »Eine dritte Auflage, für die bereits Hunderte von Bestellungen vorlagen, wurde von den damaligen Machthabern in Deutschland nicht genehmigt, ebenso wenig die Vollendung der schon weit fortgeschrittenen Übersetzung ins Französische und eine aus Mailand angeforderte Übersetzung ins Italienische« (Westenhöfer 1948: 9). 48 »[…] ergibt sich, daß der Mensch eine ihm eigentümliche Entwicklung durchgemacht hat, die gegründet ist in dem allgemeinen Typus der Säugetiere, aber nicht in irgendeinem besonderen erkennbaren Säugetier, von dem er hätte ausgehen können. Welche Wirbeltierstadien als Vorläufer der Säugernatur des Menschen in Frage kommen, läßt sich mit Sicherheit nicht beantworten« (Westenhöfer 1935: 91, Hervorhebung im Orig.). 49 Vgl. als weiteres Bsp.: »Ich halte es für bedenklich, in den Schulen die Neandertaloiden als unsere Vorfahren zu lehren, solange keine Übereinstimmung der Meinungen auf Grund gesicherter Tatsa46
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Westenhöfer sieht Typen (Fische, Amphibien); die Grundform der Säugetiere ist der Mensch, Menschen und Affen divergieren wahrscheinlich schon seit dem ersten Entwicklungsstamm der Säugetiere; die Säugetierahnen des Menschen waren Zweifüßler usw. (Westenhöfer 1942: 375; 1948). Mit vergleichend-anatomischen Studien versuchte er ebenso den Beweis zu erbringen, daß auch die Affen biped gewesen seien und sich erst später dem Baumleben angepaßt hätten (ebd.: 380–381). Das ursprüngliche Säugetier, der Menschenvorfahr, blieb hingegen am Boden lebend und erwarb keine neuen Anpassungen an einen anderen Lebensraum. Der Schweizer Adolf Portmann (1897–1982) war einer der vielseitigsten Biologen des 20. Jahrhunderts und bereitete mit seiner wissenschaftlichen Themenvielfalt einem neuen Denken in der Biologie die Bahn, indem er die Natur nicht auf das Meßbare reduzierte, sondern auch das Einmalig-Gestalthafte in seine Forschung einbezog. Portmanns Arbeitsgebiete umfaßten die vergleichende Morphologie und Embryologie (Nesseltiere, Prosobranchia, Tintenfische), Untersuchungen an Wirbeltieren (Knochenfische, Amnioten), Cerebralisationsstudien, anthropologische Forschungen und die Biophilosophie. Um die von ihm postulierte Sonderstellung des Menschen zu belegen, verband er Erkenntnisse der Ökologie, Ethologie, Soziologie etc. mit der Ontogeneseforschung und faßte dabei den Menschen im Vergleich mit anderen höheren Säugetieren als »physiologische«, d. h. als normalisierte Frühgeburt und dessen erstes Lebensjahr als »extra-uterines Frühjahr« auf (Mensch = »sekundärer Nesthocker«; Portmann 1951: 26 ff.). Später stützte sich A. Gehlen in seiner philosophischen Anthropologie u. a. auf diese Ansichten (Illies 1976, Stamm & Fioroni 1983). Portmanns Schriften zu einer »basalen Anthropologie« sind besonders in der Mitte des 20. Jahrhunderts weit über den Kreis von Anthropologie und Geisteswissenschaft hinaus bekannt geworden (Portmann 1956: 293–308, 1974). Analysiert man seine anthropologischen Schriften, besonders den Beitrag »Biologie und Anthropologie« in der Propyläen Weltgeschichte50, wird deutlich, daß sich Portmanns allgemeine Kritik zunächst gegen die Selektionstheorie (den sog. Neodarwinismus) richtet, die in Selektion und Mutation die entscheidenden Evolutionsfaktoren sieht. Die Evolutionslehre habe sich in ihren Betrachtungen zu sehr auf den Ursprung gelegt, das gelte insbesondere für die menschliche Evolution.51 Er lehnte ebenso Erklärungsversuche wie beispielsweise die Fetalisationshypothese des holländischen Anatomen Louis Bolk (1926)52 ab, sah vielmehr in der Erforschung der menschlichen Ontogenese eine Möglichkeit, die besondere »Seinsweise« der Menschen verständlich zu chen herbeigeführt ist. Das gleiche gilt natürlich erst recht für die Darwin-Haeckelsche Theorie der äffischen Abstammung des Menschen […] Neue Formen können nur durch Umstimmung auf frühontogenetischen Stufen entstehen« (Westenhöfer 1935: 68–69, 85; Hervorhebung im Orig.). 50 Vgl. Bd. IX, 1960, S. 559–594 oder spätere Auflagen. 51 Weiterführende Aussagen zur Sonderstellung des Menschen, zur basalen Anthropologie (vor allem in ontogenetischer Sicht) finden sich in vier weiteren Büchern: Biologische Fragmente zu einer Lehre vom Menschen (1944, 3. Aufl. 1969), Entläßt die Natur den Menschen? Gesammelte Aufsätze zur Biologie und Anthropologie (1970), Um das Menschenbild (1970), Vom Lebendigen. Versuche zu einer Wissenschaft vom Menschen (1973). 52 Vgl. auch Bolk, L. (1926): Vergleichende Untersuchungen an einem Fetus eines Gorillas und eines Schimpansen. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte 8: 1–89.
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machen. Die Fossilfunde beurteilte er in einer Aufsatzsammlung Biologie und Geist mit den Worten: Die Verwandtschaft mit den höheren Säugetieren, insbesondere den Primaten, d. h. die wesensmäßigen Entsprechungen im gesamten Bauplan, ist erwiesen. Sie hat auch nie ernsthaft bestritten werden können und ist vor jeder ausdrücklichen Abstammungslehre auch von der biologischen Systematik voll anerkannt worden (Portmann 1956: 67).
Gleichzeitig forderte er aber, die Ursprungsfrage nicht einfach und allein vom Fossilfunde aus [zu lösen] – sondern, daß diese erst in bestimmtem Lichte erhellt wird, in einem Licht, das ausgeht vom Menschenbild und dessen Reichweite von der erhellenden Kraft dieser Menschenidee bedingt ist […] Es braucht wohl nicht langer Erörterung, daß wir das Ursprungsproblem für eine den Rahmen der biologischen Forschung weit überschreitende Frage halten (ebd.: 63, 67).
Später hat Portmann dann u. a. noch das Werk des französischen Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin, der sich auch für die Evolution des Menschen interessierte, kritisch analysiert (Portmann 1960). Der evangelische Pastor und Ornithologe Otto Kleinschmidt hat sich neben zoologischen Fragestellungen (vgl. 10.2.1.1) auch mit der Herkunft und Entwicklung des Menschen, also mit anthropologischen Problemen beschäftigt. Diese werden insbesondere in der Schrift Realgattung Homo Sapiens (L.). Eine naturgeschichtliche Monographie des Menschen (1922) sowie im Buch Der Urmensch (1931) thematisiert. Zur Zielsetzung seiner 1922 verfaßten Abhandlung liest man: Die hier dargebotene naturgeschichtliche Monographie des Menschen will lediglich ein die grundlegenden Vorstellungen klärendes Bild herausarbeiten. Soweit dies gelingt, wird sie ein willkommenes Hilfsmittel sein für das rassengeschichtliche Verständnis der Tierwelt, insbesondere ihre glazialen Schicksale. Soweit der Versuch nicht völlig gelingt, vielmehr Lücken offen lassen muß, wird er umgekehrt dadurch nützen, daß er dem Forschen nach geographischer Zerteilung und erdgeschichtlicher Wandlung eigentlicher Tiergattungen als Parallelproblem und Endziel tieferen Wert verleiht und darum [ein] Maß von Interesse, das zoologische und zoogeographische Fragen, für sich alleingenommen, nicht besitzen würden (Kleinschmidt 1922: vor Seite 1).
Kleinschmidt zeigt in dieser Abhandlung große Kenntnis der anthropologischen Literatur, bewegt sich aber mit seiner Argumentation im kreationistischen Bereich, was zum Großteil seinem Verständnis evolutiver Prozesse und der von ihm postulierten »Formenkreis-Theorie« geschuldet war. So ging er nicht nur in der Benennung eigene Wege, sondern auch in der Klassifikation und Einteilung des Systems über den Menschen: dehne ich […] den Genusnamen Homo auf die Anthropomorphen aus, schreibe also ›Homo Gorilla‹, ›Homo Schimpanse‹ bei der Bezeichnung der Formenkreise der gleichnamigen Tiere (ebd.: 1, Hervorhebungen im Orig.).
An anderer Stelle heißt es: Der Stammbaum des Homo Sapiens geht wie der des Homo Gorilla und wie der des Homo Schimpanse so wie der jedes anderen Formenkreises auf ein (oder mehrere gleichartige) Urwesen zurück (ebd.: 6, Hervorhebungen im Orig.).
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Kleinschmidt verwendete für seine schematische Darstellung keinen Stammbaum wie beispielsweise Haeckel, sondern benutzte einen »Strahlenkörper der Stämme«, der ein »klares Ergebnis vergleichender Systematik« darstellen sollte (ebd.: 7). Für seine anthropologischen Studien trat er mit einer Reihe von Kollegen im In- und Ausland in Kontakt, organisierte sich Abgüsse von Fossilien wie beispielsweise vom Piltdown-Fund über Lord Walter Rothschild, stellte eigene Nachprüfungen der Ergebnisse (z. B. von Lyell und Huxley zum Neandertaler) an usw. Vergleichsperspektive
Die fünf angeführten Protagonisten (vgl. Kap. 11.1) einer biologischen Anthropologie im 20. Jahrhundert zeichneten sich dadurch aus, daß sie alle naturwissenschaftlich vorgebildet waren, ihre späteren wissenschaftlichen Schwerpunkte in der Anthropologie, Evolutionsbiologie und Zoologie hatten, bis auf Ausnahmen (Remane) sich frühzeitig in der darwinistischen Tradition sahen und somit wichtige Impulse für die kontinuierliche Entwicklung des Faches geben konnten. Der Schwerpunkt ihrer Interpretationen lag in der Klärung von Struktur- und Verwandtschaftsverhältnissen, während die Forschungsergebnisse der Genetik weitgehend (bis auf einige Arbeiten von Heberer) unberücksichtigt blieben. Auch muß bei diesen Anthropologen innerhalb ihres wissenschaftlichen Werkes zwischen der Zeit vor und nach 1945 unterschieden werden. Die hingegen zuletzt drei angeführten Vertreter, die für einige Sonderwege innerhalb der biologischen Anthropologie verantwortlich zeichneten, entstammten ganz unterschiedlichen Fachdisziplinen, standen den darwinschen Theorien kritisch gegenüber und bewegten sich in ihren Argumentationen oftmals auf weltanschaulicher Ebene. Wichtige Grundfragen des Faches wie beispielsweise nach dem Woher? und Wohin? der menschlichen Entwicklung konnten durch diese Ansätze nicht wesentlich erhellt werden. Nachdem nun in den beiden vorangegangenen Kapiteln besonders die persönliche und inhaltliche Ebene einzelner Anthropologen und anthropologisch Interessierter im Mittelpunkt der Analyse stand, soll nachfolgend verstärkt die institutionell-wissenschaftspolitische Ebene des Faches in den Fokus der Betrachtung gerückt werden. Nach mehr allgemeinen, den gesamten deutschen Sprachraum betreffenden Bemerkungen, steht dann wiederum die Entwicklung der Jenaer Anthropologie nach 1945 im Zentrum des Interesses. Hierbei werden neben den bereits aufgezeigten personellen Kontinuitäten besonders hinsichtlich der Struktur und Institutionalisierung des Faches nach 1945 im geteilten Deutschland auch Diskontinuitäten sichtbar.
11.3 Institutioneller Neubeginn nach 1945 11.3.1 Perspektiven in Deutschland
Die Perspektiven eines Neubeginns der deutschen Anthropologie verliefen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf unterschiedliche Weise, in verschiedenen Bahnen und erwiesen sich oftmals als außerordentlich schwierig, klebte doch an den Händen
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Abb. 50: Eugen Fischer. Aus: Ehemalige Photosammlung des Instituts für Anthropologie in Mainz (im Dezember 2002 überreicht von Winfried Henke an Uwe Hoßfeld).
Abb. 51: Fritz Lenz. Aus: Ehemalige Photosammlung des Instituts für Anthropologie in Mainz (im Dezember 2002 überreicht von Winfried Henke an Uwe Hoßfeld).
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einiger Gelehrter der Makel und bestand der Vorwurf des wissenschaftlichen Mißbrauches (vom Bruch & Kaderas 2002).53 Für die DDR wird dabei – wie bereits mehrfach erwähnt – die Entwicklung an der Universität Jena exemplarisch aufgezeigt, die in ihrer Genese mit keinem Institut in der BRD verglichen werden kann, spielten doch bei der Entscheidungsfindung hier sowohl anders geartete wissenschaftliche als auch gesellschaftliche Einflüsse und Prämissen eine besondere Rolle. Völlig entgegengesetzt verlief hingegen die Entwicklung des Faches in der BRD. Wegen der mehr oder minder starken Involvierung in das nationalsozialistische Regime wurden hier zunächst das Institut in Würzburg sowie das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin aufgelöst. Die Institute in Breslau und Königsberg waren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch nicht mehr Bestandteil der deutschen Universitätslandschaft. Um 1950 wurde dann das Leipziger Institut für Anthropologie und Völkerkunde (nachdem dort für einige Zeit Egon von Eickstedt und Ilse Schwidetzky gearbeitet hatten) aufgelöst. Auf Dauer blieben zunächst nur die Institute in Tübingen, Jena und Hamburg (bis zur Emeritierung von W. Scheidt 1965) erhalten. Im Jahre 1950 konnte W. Kramp dann die Anthropologische Abteilung des ehemaligen Institutes für Erbbiologie und Rassenhygiene in Frankfurt am Main zu einem selbständigen Institut aufbauen; ebenso wurde das Anthropologische Institut in Mainz (von Eickstedt, Schwidetzky) neu gegründet. Als erster Anthropologe aus der Zeit des Nationalsozialismus war Fritz Lenz zum planmäßigen außerordentlichen Professor nach Göttingen (16. Oktober 1946) berufen worden. Ihm folgte 1947 dann G. Heberer mit einer anthropologischen Forschungsstelle innerhalb der Zoologie. Die Berufung von Otmar Freiherr von Verschuer (1896–1969) zum Sommersemester 1951 an die Universität Münster soll an dieser Stelle als letztes Beispiel angeführt sein. Insgesamt ergibt eine personelle und institutionelle Analyse der Situation nach 1945, daß die Mehrheit der in der nationalsozialistischen Zeit tätigen und belasteten Anthropologen in der BRD lebte, hier nach positiver Evaluierung wieder eine akademische Position zu finden suchte und oftmals diese auch bekam (von Verschuer, Heberer, Gieseler, Lenz usw.). Man vermied fast generell, Diskussionen über die Vergangenheit des Faches etc. zu führen (Kirchner 1984). So verwundert nicht, wenn es zunächst auf wissenschaftlicher Ebene nur in Form von zwei Büchern (Rasse oder Menschheit? Eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Rassenlehre von G. Blume; Die Rassenlehre des Nationalsozialismus in Wissenschaft und Propaganda von K. Saller) eine sehr geringe und fast unbemerkte inhaltliche Auseinandersetzung Ein Vorwurf der vor einigen Jahren erst wieder durch den Nobelpreisträger James D. Watson erneuert wurde: »Deutschlands historische Verstrickung in die Eugenik (Genetik zur Verbesserung der Menschheit) war ein moralisches Desaster. Allzu viele seiner führenden Humangenetiker predigten nordische Überlegenheit und hatten willentlich teil an der Eliminierung der Geisteskranken, Juden und Zigeuner […] die Gelehrten, deren Hände nicht direkt blutig geworden waren und die sagen konnten, daß sie nie mehr als wissenschaftliche Berater waren, besetzten wieder die führenden akademischen Positionen in Genetik, Psychiatrie und Anthropologie. Die Deutschen hatten nie die sittliche Verkommenheit, die im Namen der Genetik begangen worden war, niedergekämpft. Ein wirkungsvolles Moratorium dieser Fächer für zehn oder zwanzig Jahre nach dem Krieg wäre besser gewesen. Statt dessen befleckte die Fäulnis der Nazi-Genetik das deutsche Universitätssystem bis in die späten sechziger Jahre« (Watson 1997). 53
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mit der Rolle des Faches während der Zeit des Nationalsozialismus gegeben hat.54 Die erste Schrift Rasse oder Menschheit? zu diesem Themenkomplex stammte aus der Feder des Berliner Nervenarztes Gustav Blume und datiert von 1948.55 Dreizehn Jahre später legte dann Karl Saller sein bekanntes Buch vor, in dem er schonungslos die Rolle einiger seiner Kollegen und ihrer Forschungsprogramme im Dritten Reich offen legte.56 Beide Bücher sind in dieser Form bis heute einzigartig, fokussieren und präsentieren sie doch aus unterschiedlichen Perspektiven, gemeinsamen Schicksalen (Opfer) usw. reichhaltiges Material zur Geschichte der Anthropologie unter nationalsozialistischer Herrschaft. Innerhalb dieser punktuellen Auseinandersetzungen mit dem wissenschaftlichen »Erbe« des Faches im Dritten Reich stellen sie wichtige Meilensteine dar, auch wenn Blume in neueren Abhandlungen zu dieser Thematik – im Gegensatz zu Saller – kaum Erwähnung findet. Massin hat ermittelt, daß seit 1980 dann ungefähr 140 Bücher und Dissertationen über Medizin, Eugenik, Rassenhygiene und Euthanasie im Dritten Reich veröffentlicht wurden, zwischen 1945 und 1979 gab es hingegen nur ca. 20 Bücher zu diesen Themata (Massin 1999: 53, Fußnote 1, Aly 2013). Die Auseinandersetzung der Anthropologie mit ihrer Vergangenheit präsentierte sich in jenen Jahren also vielmehr nur als eine strukturelle Selbstfindung des Faches, wobei inhaltliche Diskussionen völlig vermieden wurden. Trotz dieser vielleicht auch wissentlich initiierten Startschwierigkeiten kam es dann aber, wie noch auszuführen sein wird, dennoch auf institutioneller und organisatorisch-gesellschaftlicher Ebene zur Diskussion der Frage: Quo vadis deutsche Anthropologie nach 1945?57 International beschritt man hingegen eindeutigere Wege. So beschloß die UNESCO im Jahre 1949 mit einer Erklärung zum wissenschaftlichen Stand der Rasseforschung, das »Rassenvorurteil« zu beseitigen. Im Juni 1951 folgte ein zweiter Vorschlag an dem (im Gegensatz zum ersten) nun auch verstärkt Genetiker und Anthropologen mitwirkten (Müller-Wille 2003). Als Ergebnis wurde das UNESCO-Statement on the Nature of Race and Race Differences by Physical Anthropologists and Geneticists vorgelegt. Aus Deutschland war bezeichnenderweise nur ein WissenSpiegel-Rösing und Schwidetzky widmen in ihrer Abhandlung Maus und Schlange diesem Themengegenstand (Anthropologie in Deutschland nach 1945) lediglich eineinhalb Seiten, die Anthropologie in der nationalsozialistischen Zeit wird gar auf nur zweieinhalb Seiten thematisiert (1982: 92–98). 55 »Die vorliegende Schrift ist aus Arbeiten hervorgegangen, die in den allerersten Monaten der Hitlerherrschaft begonnen und mit mancherlei Unterbrechungen während der zwölf Schreckensund Wahnsinnsjahre fortgesetzt wurden, anscheinend ohne Aussicht, jemals das Dunkel der tiefsten Schreibtischschublade oder des Luftschutzkoffers zu verlassen […] Die Tatsache, daß ich durch ›nichtarische Versippung‹ für mich und meine Familie kennengelernt habe, was es im Dritten Reich hieß, den Anforderungen des Fragebogens nicht genügen zu können, war der persönliche Anlaß zu dieser Schrift« (Blume 1948: Vorwort). 56 »Nicht nur um der Vergangenheit und ihrer Bewältigung, sondern gerade um der Zukunft willen scheint mir das Buch jetzt notwendig. Es geht mir besonders auch um unseren akademischen Nachwuchs. Ich bin heute (leider) der einzige Anthropologe auf einem deutschen Universitätslehrstuhl, der während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Opposition stand und der aus dieser Opposition auch die Konsequenz zog« (Saller 1961b: 7). 57 Vgl. hier u. a. das im WS 1991/92 an der Universität Göttingen durchgeführte interdisziplinäre Seminar für Anthropologen, Biologen, Psychologen, Mediziner und Ethnologen mit dem Titel »Zwischen Verantwortung und Ideologie – Bewältigt die Anthropologie ihre Vergangenheit?«. 54
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schaftler als Berater, der Genetiker Hans Nachtsheim, hinzugezogen worden (von Schwerin 2004; Burke 2008; Brattain 2012; Selcer 2012; UNESCO 1950–1952). Zur Selbst(Be)findung eines Faches
Mit der so genannten Kieler Resolution vom August 1958, anläßlich der 6. Fachtagung der »Deutschen Gesellschaft für Anthropologie« verabschiedet, findet sich eine erste deutliche und öffentlichkeitswirksame Stellungnahme zur Lage und Entwicklung des Faches Anthropologie in Deutschland nach 1945. Anthropologen und Humangenetiker beklagten darin den Zustand der Anthropologie als »trümmerhaft« und den »kleinen Raum«, den das Fach im Vergleich zu anderen biowissenschaftlichen Fachdisziplinen wie der Zoologie oder Botanik an den Universitäten einnehme. Das Fachgebiet werde nur noch an acht deutschen Universitäten gelehrt (davon vier Extraordinariate), an zwei Universitäten wurden Lehrstühle anderweitig besetzt. An insgesamt 10 Universitäten (davon fünf in der damaligen BRD) waren Lehrstühle verlorengegangen, an 11 westdeutschen Universitäten war die Anthropologie überhaupt nicht mehr im Fächerkanon zu finden. Demgegenüber hatte sich aber wenigstens die Fachgesellschaft rekonstituiert, was dadurch zum Ausdruck kam, daß bis 1958 sechs Fachtagungen durchgeführt und die Arbeit von 200 Mitgliedern getragen wurde. Der Appell richtete sich nun an die politischen und wissenschaftspolitischen Instanzen (Rektorenkonferenz, DFG, Wissenschaftsrat usw.), um einer »weiteren Verkümmerung« des Faches entgegenzuwirken: Die Anthropologie ist eine für das Verständnis des Menschen wesentliche Wissenschaft. Die Förderung dieser Wissenschaft in Lehre und Forschung betrachtet die Deutsche Gesellschaft für Anthropologie als ihre Aufgabe. Infolgedessen sieht sich die Gesellschaft verpflichtet, für die Schaffung von akademischen Lehr- und Forschungsstätten an denjenigen deutschen Universitäten einzutreten, an denen solche Einrichtungen entweder ihrem Zweck entfremdet wurden oder noch fehlen […] (Spiegel-Rösing 1982: 7).
Auch im Fachgebiet der Humangenetik beklagte man eine ähnliche Situation, wie in einem informellen »Bericht über die Lage der Humangenetik in der Bundesrepublik« nachzulesen ist. Nach wie vor gebe es auch hier nur drei Lehrstühle (Göttingen, Kiel, Münster) mit einer schlechten institutionellen Ausstattung usw. (ebd.: 9). Bereits zwei Jahre später (1960) änderte sich aber die noch 1958 angesprochene Situation. Es erschienen die »Empfehlungen« des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, wonach insgesamt 35 Lehrstühle für Genetik und keine weiteren für Anthropologie entstehen sollten. Damit ergab sich für die Wissenschaftler nun ein völlig anders geartetes Problem. Wie nur sollten in so kurzer Zeit diese Lehrstühle mit qualifizierten Fachvertretern besetzt werden? Eine Frage, die insbesondere der Biologe Hans Nachtsheim frühzeitig in die Diskussion eingebracht hatte (Nachtsheim 1961a, 1961b; Kröner 1997). Nachtsheims Bemerkung, daß für die Humangenetik die Koppelung mit der Anthropologie unerwünscht sei, veranlaßte dann Karl Saller (1961a) zu einer polemischen Stellungnahme. In dieser sprach er sich für einen Erhalt dieser Verbindung aus, verwies auf Beispiele aus der Praxis58 und resümierte: 58
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Wie z. B. die Universität München mit dem Institut für Anthropologie und Humangenetik; in
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Ich fasse dahin zusammen, daß im Gegensatz zu der Auffassung Nachtsheims für die Vertretung an den Universitäten die Koppelung von Anthropologie und Humangenetik nicht nur nicht ›unerwünscht‹ ist, sondern geradezu unerläßlich, wenn nicht nur die Lehre, sondern auch die von der Forschung und der täglichen Praxis der Anthropologie heute gestellten Aufgaben mit größtmöglicher Zuverlässigkeit erfüllt werden sollen (Saller 1961a: 21, Hervorhebung im Orig.).
Daraufhin konterte Nachtsheim mit einer ausführlichen Stellungnahme und argumentierte wiederum aus der Sicht des Genetikers: Bei der Unterentwicklung der Humangenetik in Deutschland im Vergleich mit dem Ausland wäre es die größte Ungeschicklichkeit, die wir begehen könnten, wenn wir die wenigen qualifizierten Humangenetiker, die wir unter dem wissenschaftlichen Nachwuchs besitzen und auf humangenetische Lehrstühle berufen können, mit Fremdarbeit [Anthropologie] belasten würden (Nachtsheim 1961b: 11, Hervorhebung im Orig.).
Wie die Geschichte der (biologischen) Anthropologie und ihr weiteres Verhältnis zur Humangenetik59 zeigt, war diese Debatte aber weit mehr als nur eine »ZweiMann-Kontroverse« (Spiegel-Rösing 1982: 9).60 Bereits 1961 sprach man in den Diskussionen und in verschiedenen Publikationen dann von den sich unversöhnlich gegenüberstehenden wissenschaftlichen Lagern, von einer Anthropologie versus Humangenetik. Retrospektiv gab I. Schwidetzky in einem Gespräch mit H. Baitsch dazu Auskunft und zeichnete ein zerklüftetes Bild der Anthropologie im Nachkriegsdeutschland: Die deutsche Anthropologie zwischen 1950 und 1960 bietet das Bild eines Nebeneinanders von Institutsisolaten, zwischen denen die Kommunikation nur sehr dünn war und zum Teil überhaupt fehlte. Die alten Vorkriegsfeindschaften wurden zwar zum Teil begraben; ein ›historischer Moment‹ war die erste Nachkriegsbegegnung zwischen v. Eickstedt und Fischer auf der Anthropologentagung 1951 in Frankfurt, als beide mit ausgestreckten Händen aufeinander zugingen und sich lange die Hände schüttelten, während das übrige Anthropologenvolk – im Bewußtsein der historischen Bedeutung dieses Momentes völlig erstarrt – darum herumstand. Eugen Fischer war inzwischen alt und emeritiert; die Feindschaft blieb begraben. Aber das Verhältnis zwischen Mainz und Kiel, wo seit 1956 der Fischer-Schüler Schaeuble amtierte, blieb kühl. W. Scheidt in Hamburg hatte der Anthropologie im traditionellen Sinne den Rücken gewandt und ging ganz in der Inbildforschung auf […] Saller war seit 1948 in München. Er kam zwar zu dem ersten Nachkriegstreffen der Anthropologen nach Weinheim, wurde dort aber nicht zum 1. Vorsitzenden (und auch nicht zum 2.) der neugegründeten Anthropologischen Gesellschaft gewählt. […] Er verzieh es den deutschen Anthropologen nicht, daß sie bei seiner Entlassung 1935 keinen Protest erhoben hatten; andererseits nahmen ihm viele Kollegen sein Buch über ›Die Rassenlehre des Nationalsozialismus‹ (1961) übel, das eine Reihe von Falschangaben und (in den Augen der Betroffenen) verzerrende Darstellungen enthielt. In Frankfurt war P. Kramp durch sein körperliches Gebrechen […] schwer behindert; seine Mitarbeiter hatten eine politische Vergangenheit und hielten sich zurück. Das gleiche galt für Gieseler in Tübingen. Und v. Eickstedt in Mainz, der als erster Vorsitzender der neuen Gesellschaft am ehesten etwas für die Freiburg i. Br. mit dem Extraordinariat für Anthropologie und Humangenetik; an der Universität Tübingen – Umwandlung des Extraordinariates für Anthropologie in eines für Anthropologie und Humangenetik. 59 Vgl. dazu weiterführend Verschuer, O. Frh. von (1965): 100 Jahre Humangenetik. Rückblick und Ausblick. Noca Acta Leopoldina N. F. 30, Nr. 173: 169–180. In diesem Aufsatz ist von den oben erwähnten Problemen keine Rede. 60 »Darum bleibt Humangenetik als Fragestellung nach wie vor wichtig, sie ist nur nicht die einzige tragende und sinnvolle Achse der anthropologischen Forschung« (Keiter 1956: 389).
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Kommunikation hätte tun können, war von Natur kontaktarm […], und die Fertigstellung seiner ›Forschung am Menschen‹ – mit der er auch ein Programm für die deutsche Anthropologie zu entwickeln glaubte – war ihm ungleich wichtiger als irgendwelche Kollegenaktivitäten […] Wahrscheinlich waren sich die meisten überhaupt nicht dessen bewußt, daß etwas getan werden könnte und sollte […] Was man tun konnte, das war wohl die Meinung, war, ruhig vor sich hinzuforschen und anständige Vorlesungen zu halten (Spiegel-Rösing 1982: 16–17, Fußnote 13).
Das Meinungs- und Stimmungsbild der Anthropologen jener Jahre war also von Skepsis und Kritik getragen, zu schwer lastete wohl die Vergangenheit auf den Schultern der Hinterbliebenen (Schwidetzky 1992: 22 f.). Um so mehr verwundert daher, daß die Anthropologen später weitgehend von den Humangenetikern – die ebenfalls zum Teil an inhumanen Forschungsprogrammen der Nationalsozialisten teilgenommen hatten – regelrecht in die Defensive gedrängt wurden und hier eben nur die Selbstanklage der Anthropologen die Diskussionen beherrschte, vgl. z.B. die Organisation und die Inhalte der 8. Tagung der Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik in Köln, wo sich die Themen dann fast ausschließlich mit Biochemie und Genetik befaßten.61 Auch in den darauffolgenden Jahren änderte sich an dieser hier kurz beschriebenen Situation wenig.62 Im Jahre 1965 wurde dann in Freiburg i. Br. die »Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik (GAH)«, die bis 1992 bestehen sollte, gegründet.63 Die Kongresse wurden alle zwei Jahre veranstaltet, wobei auch der Vorsitz (Anthropologe oder Humangenetiker) turnusmäßig wechselte. In den darauffolgenden Jahren wurde aber deutlich, dass sich die beiden Teile der Fachgesellschaft inhaltlich immer stärker voneinander fortbewegten. Aber auch innerhalb der Anthropologie kam es sukzessive zur Ausdifferenzierung neuer Forschungsgebiete, auf der Gegenseite jedoch auch zum Verlust etablierter Forschungsthemen (Greil & Grupe 2013: 28).
Im Jahre 1970, zehn Jahre nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates (s. o.), stand schließlich wieder die »Lage der Anthropologie« auf einer Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates der Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik auf der Tagesordnung. Verschiedene Ergebnisse waren im Anschluß an diese Sitzung zu konstatieren: man richtete eine »Lagekommission« bestehend aus Dozenten ein und beauftragte die Anthropologin Ilse Schwidetzky, eine »Image-Umfrage« unter den Christian Vogel hob deshalb noch einmal im Jahre 1967 hervor: »Die biologische Anthropologie steht mitten im Spannungsfeld der Diskussionen um Grundlagen, Wert und Bedeutung naturwissenschaftlicher Aussagen. Dabei ist in einer Hinsicht die derzeit vorherrschende Denkweise in den Naturwissenschaften der Anthropologie oder wenigstens weiten Bereichen unseres Faches prinzipiell ungünstig. Die Anthropologie ist nämlich eine zu ganz erheblichen Teile historische Naturwissenschaft […] Es läßt sich nun eine allgemeine Tendenz in den modernen Naturwissenschaften beobachten, den ›historisch-typologischen‹ Aspekt gegenüber dem ›kausalanalytischen-ätiologischen‹ Aspekt geringer zu achten« (Vogel 1967: 1). 62 Vgl. auch die Ansprache »Anthropologie und Humangenetik« von P. E. Becker zur Eröffnung der 12. Tagung der Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik in Göttingen, März 1971, in: Anthropologischer Anzeiger 33 (2): 85–91. 63 Sie ging aus der im September 1948 in Weinheim wiedergegründeten »Deutschen Gesellschaft für Anthropologie« und der am 25. November 1942 von Ernst Kretschmer in Berlin gegründeten »Deutschen Gesellschaft für Konstitutionsforschung« (ab 1948/49 Neugründung als »Gesellschaft für Konstitutionsforschung« in Tübingen) hervor (Koch 1985: I–IV). 61
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Fachkollegen durchzuführen.64 Ferner wollte man über die bisherige Forschungsförderung hinaus die Lehre weiter ausbauen und breiter gestalten (Greil & Grupe 2013). Dazu initiierte man die Aktion »Humanbiologie in den Lehrplänen der höheren Schulen und in der Ausbildung der Biologen« (Schwidetzky & Walter 1969). Auch eine Tagung im Oktober 1970 auf Schloß Reisensburg bei Ulm über »Inhalt, Lage und Zukunft des Faches Anthropologie«, die durch die DFG finanziert wurde, kann als Schritt in die richtige Richtung (im Umgang der Anthropologen mit ihrer Vergangenheit) gedeutet werden. Leider bestimmten hier aber wiederum nicht neue Denkstrukturen, sondern Kritik und Klage das Bild der Diskussionen: Die Reisensburg-Konferenz stellte für die Anthropologen eine im Vergleich zum universitären Alltag sehr konzentrierte Konfrontation mit den zum Teil beunruhigenden Fragen der Lage des Faches dar. Es ist sicher dies, und auch eine gewisse Ratlosigkeit, was angesichts der Fülle von Vorwürfen, Vorurteilen, Mißliebigkeiten und Unzulänglichkeiten, die man selbst sieht, eigentlich zu tun sei, was auf der Reisensburg-Konferenz zu der Bereitschaft führte, eine systematische Untersuchung über die Lage des Faches zu unternehmen […] (Spiegel-Rösing 1982: 26).
Die seinerzeit geplante Untersuchung wurde Anfang 1973 dann teilweise, 1975 voll von der DFG bewilligt; die Ergebnisse sind in dem von I. Spiegel-Rösing und I. Schwidetzky herausgegebenen Buch Maus und Schlange dokumentiert.65 Später wurde dann noch eine Kommission eingerichtet, die sich speziell mit der Definition von Anthropologie befassen sollte (Jürgens et al. 1974) sowie ein jährlich stattfindendes Anthropologentreffen (außerhalb der zweijährigen Fachtagungen der Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik) initiiert, welches u. a. die Kommunikation untereinander fördern sollte.66 Ebenso erschienen 1977, herausgegeben von der »Bundesanstalt für Arbeit« die – »Blätter zur Berufskunde« (Bd. 3) Anthropologe –, wo auf mehreren Seiten zu Aufgaben und Tätigkeiten, Ausbildung und Fortbildung sowie Entwicklung und Situation der Anthropologen Informationen zu finden waren. Im Jahre 1982 legte dann die »Strategiekommission Anthropologie« unter Leitung von Friedrich W. Rösing eine »Übersicht über Berufsperspektiven in der Anthropologie«67 vor und schloß damit an die 1980 in Ulm gemachten Aussagen
Hier wurden 17 Anthropologen und Humangenetikern zwei Fragen vorgelegt: »1. wie sie jeweils selbst die Lage der Anthropologie und die Ursachen für die ›ungünstige Situation‹ sehen, und 2. welche Vorstellungen Nicht-Anthropologen von der Anthropologie haben – nach Hörensagen und nach Kontakten mit anderen Fachvertretern.« Die Anthropologen bezeichneten in der Umfrage die Situation ihres Faches nach wie vor als ungünstig und bemängelten insbesondere den Verlust an Lehrstühlen (Spiegel-Rösing 1982: 20). 65 Damit schlossen sie an Vorgängerstudien an, die ebenso eine Disziplingeschichte als Form wissenschaftlicher Selbstreflexion vorgelegt hatten (z. B. Krauth 1978 für die Nationalökonomie, Podstawski 1978 für die Rechtswissenschaft, Lepenies 1978 allgemein). 66 Dieses hier kurz geschilderte Phänomen war aber nicht ein rein deutsches Problem, sondern auch über die Anthropologie in Frankreich (Chamla 1973, Riquet 1978) oder die physische Anthropologie in den USA (Roberts 1966) finden sich ähnliche Aussagen und Symptome. Ebenso befanden sich parallel dazu auch andere Fachbereiche wie beispielsweise die Physik, Psychiatrie und Psychologie in der Krise (Spiegel-Rösing 1982: 34–35). 67 Sonderdruck in der Separatensammlung von H. Walter, Ernst-Haeckel-Haus Jena, Maschinenschrift datiert vom Februar 1982. 64
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an.68 Auch im Bereich der Lehre (Schulen, Hochschulen) erzielte man mit dem Einbringen von anthropologischen Fachinhalten vereinzelt Erfolge.69 In den 1980er Jahren gab es dann auch zahlreiche Veranstaltungen, auf denen die Probleme und Vielfalt der »zukünftigen« Anthropologie weiter diskutiert wurden. So definierte man beispielsweise auf einer Arbeitsgruppensitzung deutschsprachiger Anthropologen bei der Werner-Reimers-Stiftung vom 16. bis 18. Juli 1981 in Bad Homburg das Aufgabengebiet der Anthropologie neu, daß es nunmehr darum gehe, das Problemfeld Evolution des Menschen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschreiben, zu analysieren und zu interpretieren (Greil & Grupe 2013: 29).
Dieses hier erwähnte »Theorie-Defizit« der biologischen Anthropologie hatte u. a. der Göttinger Anthropologe Christian Vogel mehrfach angesprochen (Vogel 1983). Auf dem Jahrestreffen der Anthropologen am 23. Februar 1985 gaben dann Ilse Schwidetzky und Ursula Wittwer die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Beziehung zwischen Anthropologie und Prähistorie in Deutschland bekannt, gab es in der Folgezeit weitere zahlreiche konzeptionelle Forschungen von deutschsprachigen Anthropologen auf den Gebieten der prähistorischen Anthropologie (G. Grupe), Evolution und Paläoanthropologie (W. Henke, H. Rothe), Umweltgeschichte und Ökologie (B. Herrmann) oder funktionellen Anatomie (W. E. Morbeck): Im Jahre 1987 kam es schlussendlich zu einer erheblichen Strukturveränderung in der GAH. Eine komplette Neuorganisation stand an, da aufgrund der fachlichen Auseinanderentwicklung von Anthropologie und Humangenetik ein großer Teil der Humangenetiker seine wissenschaftliche Heimat nunmehr nicht mehr bei den Lebenswissenschaften, sondern in der Medizin sah (Greil & Grupe 2013: 30).
Daraufhin wurde eine »Gesellschaft für Humangenetik« gegründet, war demzufolge die GAH seit 1987 wieder vorwiegend von Anthropologen in der Mitgliederzahl Seit Ende der 1990er Jahre ist nun wieder ein allgemeines Bemühen deutschlandweit zu konstatieren, sich einerseits mit dem wissenschaftlichen Erbe der Anthropologie verstärkt auseinanderzusetzen (Einrichtung einer Präsidentenkommission »Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus« usw.), andererseits haben aber auch die Diskussionen an Schärfe zugenommen. So hatte am 27. Januar 2000 der Publizist Ernst Klee in einem Beitrag »Augen aus Auschwitz« in der Wochenschrift Die Zeit auf die personellen und wissenschaftlichen Verflechtungen von Instituten der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sowie deren Beteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen hingewiesen. Daraufhin sah sich der damalige Präsident der Nachfolgeeinrichtung (Max-Planck-Gesellschaft) Hubert Markl veranlaßt, eine Erwiderung zu schreiben. Diese hatte den Titel »Anmaßung in Demut«, datierte vom 10. Februar 2000 und war ebenfalls in der Zeit erschienen. Markl hatte darin u. a. Fragen wie nach der historischen und moralischen Verantwortung der heutigen Wissenschaftlergeneration im Umgang mit Fakten, Archivalien etc. aus der Zeit des Nationalsozialismus gestellt. 69 So u. a. mit der Herausgabe von Themenheften wie Herkunft des Menschen (Unterricht Biologie. Zeitschrift für Schulstufen, 3. Jg., Heft 31, März 1979), Evolution des Menschen (Praxis der Naturwissenschaften – Biologie, 29. Jg., 15. Juli 1980), Biologie und Gesellschaft (Unterricht Biologie. Zeitschrift für Schulstufen, 6. Jg., Heft 72/73, August/September 1982) sowie Humangenetik (Unterricht Biologie. Zeitschrift für Schulstufen, 7. Jg., Heft 88, Dezember 1983). Vgl. ebenso Kattmann (1996, 2009a, 2009b) sowie Janßen (1998), Janßen-Bartels (2003). Im Januar 2012 erschien dann in der Zeitschrift Unterricht Biologie ebenso ein umfassendes Themenheft zum Schwerpunkt »Humanevolution«. 68
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dominiert. Im Jahre 1991 fand schließlich die letzte Sitzung der GAH statt. Auf die »Interimszeit« bis zur Gründung der »Gesellschaft für Anthropologie e. V.« am 12. September 1992 in Gosen/Berlin sowie die aktuellen Entwicklungstrends haben Greil und Grupe in ihrem Beitrag (2013) ausführlich verwiesen: Zweifellos hat sich die deutschsprachige Anthropologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwer getan, sie ist bis heute an der ›Arbeitsstelle Kleine Fächer‹ (www.kleinefaecher.de/) gelistet und gehört in der derzeitigen Universitätslandschaft noch immer zu den ›bedrohten Arten‹ (ebd.: 49).
Nachdem in den vorstehenden Bemerkungen vorwiegend die Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Entwicklung des Faches aus nationaler (vorwiegend bundesdeutscher) Perspektive thematisiert wurden, soll nachfolgend am Beispiel der Universität Jena ein konkretes Beispiel im Detail vorgestellt werden. Schließlich sollte die biologische Anthropologie in Jena auch im 20. Jahrhundert eine ähnliche Rolle wie im vorangegangenen spielen. Ferner steht die Entwicklung von Jena auch als Beispiel für die gesamte Genese der Anthropologie in der DDR, da erst 1951 an der Humboldt-Universität in Berlin ein zweites Institut gegründet wurde. Im Unterschied zur BRD gab es in der DDR jedoch nie eine gemeinsame Sektion oder Fachgesellschaft der Anthropologie mit der Humangenetik (Greil & Grupe 2013: 37). Hier war vielmehr organisatorisch die am 13. März 1960 in Jena gegründete Sektion Anthropologie innerhalb der Biologischen Gesellschaft der DDR relevant (ab 1979 mit der AG »Angewandte Anthropometrie« und ab 1988 mit der AG »Historische Anthropologie«); später folgte dann am 27. November 1978 noch die Gründung der »Gesellschaft für Humangenetik der DDR« in Gera.
11.3.2 Kontinuitäten und Diskontinuitäten an der Universität Jena
Für die Nachfolge von Hans F. K. Günther war 1936 – noch von ihm vorgeschlagen – der Dresdener Völkerkundler Bernhard Struck (1888–1971)70 primo loco gesetzt. Die Fakultät hatte ferner den Vorschlag vorliegen, den bisherigen Lehrstuhl für Sozialanthropologie auf das Gesamtgebiet der Rassenforschung und Völkerkunde zu erweitern. Gleichzeitig warnte man aber: Herr Kollege Astel […] stellte den Antrag, dass die Vertretung der Rassenforschung an der Friedrich-Schiller-Universität ihm allein vorbehalten bleiben und der Lehrstuhl für SozialanFriedrich Bernhard Eberhard Struck wurde am 28. August 1888 in Heidelberg geboren; Juli 1906 Zeugnis der Reife; 1906 bis 1911 Studium der Geographie und Naturwissenschaften in Heidelberg, anschließend der Anthropologie, Völkerkunde, Geographie sowie afrikanischen Sprachen in Berlin; 1913 bis 1923 wissenschaftliche Hilfskraft am Museum für Tier- und Völkerkunde in Dresden; 1921 Dr. phil.; Habilitation 1924 an der TH Dresden für die Fächer Anthropologie und Völkerkunde; März 1927 Dienstbezeichnung Professor; 1935 stellvertretender Direktor des Museums; 31. März 1936 mit der Vertretung der Professur für Anthropologie und Ethnologie in Jena beauftragt; ab 1. Oktober 1936 dsgl. vollamtlich, mit Wirkung vom 1. Dezember 1937 (Ernennung am 5. Februar 1938) zum o. Prof.; Oktober 1945 bis 31. März 1946 Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät; 1955 Emeritierung; bis 1960 als Direktor des Institutes tätig; Struck starb am 8. Oktober 1971 in Jena. Vgl. zu Leben und Werk weiterführend Hoßfeld (2000c); H. Bach (1958a, 1958b, 1973); Universitätsarchiv Dresden, Professorenkatalog. 70
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thropologie in einen solchen für aussereuropäische Rassen und für Völkerkunde umgewandelt werden möchte. Die Fakultät ist der Meinung, dass das Gebiet der Rassenforschung so gross und die wissenschaftlichen Aufgaben so bedeutend sind, dass ihre Vertretung in zwei Fakultäten nur erwünscht sein kann. Eine Überschneidung der Lehr- und Forschungstätigkeit wird umso leichter vermieden werden können, als der Schwerpunkt der Astel’schen Professur wesentlich in rassenpolitischen Aufgaben liegt, während [durch] die Erweiterung der Güntherschen Professur nach der Völkerkunde hin der Akzent dieses Lehrauftrages mehr auf den deskriptiv rasse- und völkerkundlichen Fragestellungen liegen wird.71
In diesem Zusammenhang liest man weiter: Die Fakultät hat ein dringendes Interesse daran, dass die Rassenkunde in der von Hans F. K. Günther betriebenen Weise im Rahmen der Math.-Naturw. Fakultät weitergeführt werde.72
Ab 15. April 1936 hielt Struck seine ersten Vorlesungen in Jena; am 1. Oktober erging der Ruf an ihn: ersuche Sie, vom 1. Oktober 1936 ab die durch das Ausscheiden des Professors Günther […] freigewordene Professur für Anthropologie und Völkerkunde vertretungsweise wahrzunehmen.73
Zwei Jahre später (5. Februar 1938) wurde schließlich Günthers Wunschkandidat zum ordentlichen Professor für Anthropologie und Völkerkunde an der Universität Jena ernannt.74 In den Überlegungen der Neubesetzung des Günther-Ordinariats spielte auch die ab Mitte der 1930er Jahre in Jena propagierte biologische Argumentationsrichtung in Rassefragen eine besondere Rolle. Diese spezielle Interpretation, die Teile des Mendelismus, des darwinschen Selektionsprinzips und die behauptete Überlegenheit der nordischen Rasse verband, war so nur hier zu finden, resultierte letztlich aus der wissenschaftshistorischen Tradition der Evolutionsbiologie an der Salana seit Haeckel. Das Motiv für die hier erfolgte Verschmelzung dieser Elemente mag ferner darin gelegen haben, die »Theorie« von der Überlegenheit der arischen/ nordischen Rasse (Astel, Günther, Heberer u. a.)75 mit dem Postulat vom Kampf ums Vgl. UAJ, Best. BA, Nr. 1861, Unterstreichung im Orig. Vgl. UAJ, Best. N, Nr. 46/2, Bl. 592. 73 Ebd., Bl. 597. 74 Als Ergänzung sei hier ein Zitat angeführt, das die besondere »Arbeitsbeziehung« GüntherStruck aufzeigt. So heißt es im Vorwort von Günthers Rassenkunde Europas (München 1926): »Ich habe besonders dankbar die Bereicherung des Buches durch die vier rassenkundlichen Erdkarten […] zu erwähnen, welche Herr Dr. Bernhard Struck (Dresden) beigesteuert hat – nachdem er schon die 1. Auflage der ›Rassenkunde des deutschen Volkes‹ die auch hier wieder beigegebenen rassenkundlichen Karten Europas […] gezeichnet hat.« 75 »Im Thüringer Wald sollen die Höhenbewohner höher gewachsen sein als die Talbewohner. Die Bevölkerung Sachsen-Weimars ist etwas minder kurzköpfig als seine Umgebung, dabei durchschnittlich höher gewachsen. An den Thüringer Wald schließen sich südlich und östlich Höhenzüge an, die wohl schon vorwiegend ostisch sind, der Frankenwald, das Fichtelgebirge, der Fränkische Jura. Auch Rhön und Vogelsberg sind dunkler als ihre Umgebung. Dem Maintal entlang dringt bis in die Täler der Nebenflüsse hinein ein verstärkter nordischer Zustrom. Vom Thüringer Walde und von Böhmen her reichen die südlichsten deutlicheren Einsickerungen ostbaltischen Blutes bis ins bayrische Oberfranken, bis etwa gegen Nürnberg. In Thüringen hat man (so schon Ranke und Röse) einen stärkeren fälischen Einschlag angenommen. […] Ich möchte jedoch für Thüringen nur noch einen schwachen fälischen Einschlag annehmen, einen stärkeren für die nordhessischen Gebiete. Bei stärkerem fälischem Einschlag müßten Thüringen und Nordbayern sowohl höheren Wuchs wie 71 72
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Dasein (Haeckel) und dem Überleben des Tüchtigsten (Ploetz, L. Stengel von Rutkowski) zu verbinden.76 Günther hatte Struck ein »Institut in Zwergenformat« (zwei Mansardenkammern- Seminarraum und Direktorenzimmer) am »Fürstengraben, Alte Universität, Dachgeschoß« hinterlassen (Bescherer 1953/54: 3). Damit konnte und wollte dieser nicht auskommen, schaute sich entsprechend nach neuen Räumlichkeiten um und wurde im alten Konviktgebäude in der Kollegiengasse 10 fündig, einem Gebäude mit historisch akademischem Boden!77 Nach ersten überwundenen bürokratischen Hürden teilte am 8. September 1936 der Direktor des Vorgeschichtlichen Institutes Gotthard Neumann Struck mit, daß er demnächst aus diesem Gebäude ausziehen werde. Zum Ende des Januar 1937 war das Gebäude dann ausgeräumt. Nach einem Bescheid vom Thüringer Finanzministerium vom 7. September 1937 und einer Unterstützung durch die Carl-Zeiß-Stiftung konnte der Ausbau des neuen Institutes bereits zum 16. Oktober 1937 beginnen. Am 12. März 1938 erfolgte der Umzug aus dem alten Seminar für Sozialanthropologie in das neue Institut; wie Struck schreibt, alles ohne Hilfskräfte, »selbst eine Scheuerfrau ist nur auf Bestellung für Stunden bewilligt« (ebd.: 5). Der Hörsaal war am 11. Juni 1938 fertiggestellt. Nach den kümmerlichen ersten Ausstattungen gelang es Struck dann im Laufe der Jahre das Mobiliar zu vermehren. Im Jahre 1941 kam schließlich noch ein Magazinraum hinzu. Die größte materielle Bereicherung erhielt das Institut schließlich nach dem Mai 1945, als teilweise das Inventar des Astel- und Heberer-Institutes aus der Kahlaischen Straße übernommen wurde. Den Krieg hatte das Institut mit verhältnismäßig geringen Schäden überstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es, den Studienbetrieb zum Wintersemester 1946/47 wieder anlaufen zu lassen. Die ausgelagerten Bücher und Ethnografika waren schon 1946 zurückgeholt worden. Im Jahre 1951 wurden das Assistentenzimmer und das Büro dann mit Öfen ausgestattet, 1953 das gesamte Gebäude renoviert. An dieser Stelle seien noch einige Bemerkungen zur Bibliothek und den Sammlungen angeführt.78 Die Bibliothek lag Struck zeitlebens am Herzen, und es gelang ihm, die Bestände umfassend zu vermehren. Zwischen 1936 und 1945 kamen jährlich 50 bis 100 Bände hinzu, von Günthers Präsenzbibliothek wurden allein 750 Titel übernommen, im Mai 1945 erhielt man aus dem Heberer-Institut weitere 140 Bände, aus dem von Astel 2500 Bände, »viele davon werden ausgeschieden!« (ebd.: 6). Im Dezember 1952 umfaßte die Bibliothek 2100 Titel und 580 Bände an Zeitschriften sowie 3700 Sonderdrucke in 58 Kapseln. Auch Strucks Privatbibliothek, die mit ein-
große Helligkeit zeigen« [Hans F. K. Günther (1933): Rassenkunde des deutschen Volkes. München: J. F. Lehmanns Verlag, S. 278]. 76 Auch, wenn es bis in die heutige Zeit anderslautende Berichte und Meinungen gegeben hat (Bescherer 1953/54 u. a.), Struck war unmittelbarer Nachfolger des »Rasse-Günther« und seines Seminars. Das sollte aber nach 1945 bei der Evaluierung der einzelnen Wissenschaftler, speziell seine Person betreffend, keine weitere Rolle spielen. 77 Das Gebäude bildet einen wesentlichen Bestandteil der alten Universität, die im säkularisierten Dominikanerkloster zu St. Pauli 1558 untergebracht war. 78 Hier lehne ich mich an die genannten Zahlen von Bescherer an (1953/54), die ich durch Recherchen (vgl. u.a. UAJ, Best. D, Nr. 585) bestätigen konnte. Vgl. neuerdings Grupe et al. (2015): 43–45.
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ging, war gewaltig: 4200 Titel in 4700 Bänden, 6300 Sonderdrucke, 650 Landkarten. Das gleiche trifft auch auf die anthropologische und ethnographische Sammlung zu. Struck übernahm 1936 von Günther
1953 umfaßte die Sammlung
110 Schädel
1100 Schädel
3 Skelette (eines montiert)
60 Skelette, 10 Teilskelette
76 Einzelknochen
11000 Einzelknochen
26 Abgüsse prähistorischer Menschenfunde
175 Abgüsse
49 Haarproben
39 Naßpräparate
Die anthropologische Sammlung avancierte damit zu einer der größten in Deutschland. Bei der zu jener Zeit nicht mehr bestehenden ethnographischen Sammlung (1866–1931) betätigte sich Struck als Detektiv und spürte in jenen Jahren 1063 Nummern der alten Sammlung wieder auf. Bis 1952 erwarb er ferner 838 Gegenstände bei sorgfältiger Auswahl für Lehrzwecke, so daß die Kollektion am 31. Dezember 1952 insgesamt 1901 Nummern zählte. Auch die Bildersammlung des Instituts war beachtlich, sie umfaßte zu jener Zeit 1000 Bilder, 1750 Diapositive, 2750 Stück Negative plus die Sammlung Struck mit 16000 Blatt auf Oktavkarton aufgezogen, 1000 Blatt Foliokarton und 293 Dias. Kurz vor seiner Emeritierung gelang es ihm schließlich noch, zum 1. Oktober 1952 eine Planstelle für einen wissenschaftlichen Assistenten zu schaffen.79 Einen Einblick in die Lehre und Forschung unter Struck geben die Festschrift zu seinem 65.80 und die Laudatio zum 70. Geburtstag81, eine Analyse der angekündigten Lehrveranstaltungen, in den Archivalien vorhandene Forschungsunterlagen82 sowie die unter Struck betreuten Promotionen. Das Lehrangebot von Struck war vielseitig. So reichen die Themen während des Dritten Reiches von »Die Abstammung des Menschen und die Rassen der Vorzeit, Rassenkunde Europas im besonderen Hinblick auf Ein halbes Jahr später ernannte G. Harig am 7. Mai 1953 Struck zum Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für die Fachrichtung Orientalistik beim Staatssekretariat für Hochschulwesen der DDR (vgl. UAJ, Best. D, Nr. 585). 80 Hier sind insbesondere die Beiträge von Johannes Bescherer (S. 3–12); Gottfried Kurth: Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen frühdeutscher Reihengräber aus Thüringen (S. 19–37); Klaus Günther: Zur Frage der Typologie und Chronologie der großen Steinbilder auf der Osterinsel (S. 81–107); Wilhelm Schneider: Über die Notwendigkeit und Einrichtung anthropologisch-erbbiologischer Forschung (S. 39–43); Erna Weber: Die Anwendung des Verfahrens gleitender Durchschnitte zur Herausarbeitung von Häufigkeitsverteilungen in der Anthropologie (S. 45–59) und Kurt Westphal: Haarfarben und Augenfarben der Altenwerder Schulkinder (S. 49–59) hervorzuheben (Hämel 1953/54). 81 Der Tabula Gratulatoria zum 70. Geburtstag schlossen sich beispielsweise so namhafte frühere (Rassen-) Anthropologen wie Egon Freiherr von Eickstedt (Mainz), Eugen Fischer (Freiburg), Wilhelm Gieseler (Tübingen), Gerhard Heberer (Göttingen), Gottfried Kurth (Göttingen), Michael Hesch (Wuppertal) und Friedrich Keiter (Hamburg) an (Bach & Neumann 1958). 82 Vgl. UAJ, Best. C, Nr. 778, Bl. 51: 250 RM für Kostendeckung von 10000 Aufnahmekarten zu Wachstums-, Rassen- und sozialanthropologischen Untersuchungen an Schulkindern beantragt. 79
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die Rassengeschichte des deutschen Volkes« (WS 1936/37) über »Rassenkunde am Skelett« (SS 1937), »Anthropologisches und ethnographisches Kartenzeichnen« (SS 1939) bis hin zu »Rassenmerkmale I: Schädel und Gesichtsweichteile« (WS 1939/40) und »Die Kunst der Naturvölker, Völkerkundliches Seminar« (SS 1943).83 Während der DDR-Zeit bot er dann dem Titel nach neutralere Lehrveranstaltungen an, so im WS 1946/47: »Körperform und Skelett«, »Anthropologischer Messkurs«; WS 1948/49: »Regionale Anthropologie, Völkerkunde und Afrika«; SS 1949: »Abstammung und Frühformen des Menschen«; WS 1950/51: »Allgemeine Anthropologie, Völkerkunde und Südamerika« oder im WS 1953/54: »Allgemeine Anthropologie, Wirtschaft und Gesellschaft«. An betreuten Promotionen84 konnten für die gesamte Lehrzeit 17 nachgewiesen werden.85 Seine Doktoranden wurden später: Fachanthropologen (2), Fachethnologen (1), Volkskundler (1), Lehrer (3), Verwaltungsangestellte (1) und Mediziner (5); B. Pfaul und G. Ehlert sind gefallen (Bescherer, S. 11, 1953/54). Eine Analyse der Vorlesungstitel während der Zeit des Nationalsozialismus zeigt, daß von Struck verhältnismäßig wenig rassenkundliche Themata angeboten wurden. Das gilt aber eben nicht für die Vergabe der Dissertationsthemen und den darin behandelten Themenkontext.86 Fraglich bleibt aber in diesem Zusammenhang für die Mit einigen dieser Themen lag er im Einklang mit den Lehrveranstaltungen seiner Kollegen V. Franz (»Krieg und Auslese«), H. Brintzinger (»Wehrwirtschaftliche Aufgaben der Chemie innerhalb des Vierjahresplanes«), F. Scheffer (»Geschichte der Judenbekämpfung«), G. Heberer (»Das rassische Bild des Judentums«), G. Heberer & K. Astel (Kolloquium »Über biologische Rassenpolitik«), G. Heberer, F. Scheffer & J. v. Leers (Kolloquium »Das Reich«) etc. 84 Als Erst- bzw. Zweitgutachter fungierten u. a. Karl Astel (Pilz), Gerhard Heberer (sieben Dissertationen), Gotthard Neumann (Bellmann) und Ludwig Plate (Tettenborn). 85 Vgl. Pfaul, Berthold: Biometrie in der Rassenkunde. Ihre Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen (1937), Kurth, Gottfried: Rasse und Stand in vier Thüringer Dörfern (1938), Tettenborn, Helga: Die Sippe Tettenborn und ihre Vorfahren. Ein Beitrag zur Familienanthropologie (1939), Bellmann, Herbert: Frühgeschichtliche Schädel vom Mittelrhein (1939), Laberke, Johannes August: Anthropologische Untersuchungen in Deutsch-Leippe (Oberschlesien) (1939), Bescherer, Johannes: Das Kirchspiel Stünzhain – ein Beitrag zur Rassenkunde und Sozialanthropologie Ostthüringens (1940), Wahn, Helmut: Schädel von Magdala, ein Beitrag zur Rassenkunde Thüringens (1940), Westphal, Kurt: Anthropologische Untersuchungen in Wulfen (Kreis Köthen/Anhalt) (1942), Ehlert, Günther: Das Gesicht der Solonen. Ein Beitrag zur Rassenmorphologie der Mongoliden (1942), Schulze-Warnecke, Horst: Thüringische Schädel des 13.–17. Jahrhunderts (1942), Pilz, Gerda: Die Kinderzahl der im Jahre 1943 in 4 mittelgroßen Städten Thüringens lebenden Frauen der Geburtsjahrgänge 1898 bis 1902 (1944), Knorr, Anneliese: Die Veränderung anthropologischer Merkmale im Wachstum der Jenaer Schülerinnen 1944 und ein Vergleich mit früheren Erhebungen (1945), Hüschelrath, Elisabeth: Die Veränderung anthropologischer Merkmale im Wachstum der Jenaer Schüler 1944 und ein Vergleich mit früheren Erhebungen (1945), Schlosser, Katesa: Prophetismus in Afrika (1945), Köhler, Werner: Der afrikanische Holzmörser (1953), Kötzschke, Gustaf: Eine Neubearbeitung der beiden Unterkiefer Ehringsdorf I und II (1956) und Bach, Herbert: Beiträge zur Geschichte der Paläanthropologie unter besonderer Berücksichtigung des Neandertal-Fundes (1856) und dessen Beurteilung im 19. Jahrhundert (1957). 86 So hatte man beispielsweise in Kurths Promotion gelesen: »Als erstes muß gefordert werden, daß die Steigerung der Kinderzahlen nicht nur auf die Menge, sondern auch auf den Wert gerichtet wird. Das bedeutet vor allem, daß Unterstützungen und Kinderbeihilfen nicht nur schlechthin erbgesunden, sondern vor allem auch rassisch wertvollen Familien gewährt werden […] Auf den Fähigkeiten und Kräften der nordischen Rasse beruhen die größten Leistungen unseres Volkes. Von der Sicherung einer breiten Grundlage nordischen Blutes, aus der das Führertum des Reiches erwachsen 83
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Jenaer Unversitätsgeschichte der Zeit um 1945/46, warum das Struck-Institut trotz intensiver Zusammenarbeit mit Heberer (SS-Hauptsturmführer, Mitarbeiter des Ahnenerbes der SS) und Astel (z. B. bei Promotionen), den guten persönlichen Kontakten von Struck zum »Rasse-Günther« (Strucks Mitarbeit an der Rassenkunde des deutschen Volkes – dem rassenideologischen Standardwerk) etc. 1945 nicht geschlossen wurde. Aufgelöst wurden hingegen per Entscheid vom 14. Juli 1946 nur sechs Institute bzw. Seminare: das Institut für allgemeine Biologie und Anthropogenie (G. Heberer); Institut für Rasse und Recht (F. Ruttke); Seminar für Volkstheorie und Grenzlandkunde (M. H. Boehm); Seminar für Seegeschichte (J. von Leers); Nordisches Seminar (B. Kummer) sowie das Institut für menschliche Erbforschung und Rassenpolitik (K. Astel).87 Ab Mitte der 1950er Jahre findet sich in den Archivalien des Institutes dann regelmäßig der Name des Biologen Herbert Bach (1926–1996), wissenschaftlicher Mitarbeiter von Struck. Bach hat in vielen Publikationen betont, daß das Institut […] die einzige anthropologische Universitätseinrichtung auf dem […] Staatsgebiet der DDR war, welche ihre Arbeit nach der Zerschlagung des Faschismus88 fortsetzen konnte, weil es Prof. Struck verstanden hatte, die mißbräuchliche Ausnutzung des Faches für die menschenfeindlichen Theorien und Praktiken des Faschismus zumindest im Rahmen der unmittelbaren Institutsarbeit weitgehend zu verhindern (Bach & Simon 1978: 32).
So war es in den 1950er Jahren dann Strucks und Bachs vornehmlichstes Ziel, »in [der DDR] und international wieder Vertrauen für das Fach zu erlangen und neue Aufgaben zu konzipieren« (ebd.; Schulz 2007; Pittelkow 2015).
kann, hängt die Zukunft des Deutschtums ab. Der Führer schreibt im ›Kampf‹ von der Sendung des deutschen Volkes, die in der Erhaltung und Förderung der edelsten Bestandteile unseres Volkstums liege. Der Führer baut das Deutsche Reich für kommende Jahrtausende; an uns liegt es, dafür Sorge zutragen, daß für diese Jahrtausende die Menschen bereitstehen, die fähig sind, den Willen des Führers zu erfüllen und weiterzutragen« (Kurth 1938: 18). Bei Bescherer heißt es hingegen exemplarisch: »Die Saalegrenze bzw. die Saale selbst ist auch bei dem Mischungsgefälle nicht als Linie aufzufassen, sondern als ein nord-südlich sich erstreckender Übergangsraum. […] Westsaalisch wurden die Körperhöhe etwas größer, die Köpfe länger und schmaler, die Gesichter etwas westlich der Linie Jena – Rudolstadt schmalförmiger, die Haare und Augen häufiger hell als im Gebiet östlich der Saale gefunden. Wie weit die Saalegrenze nordwärts Geltung hat, ist heute noch nicht klar zu erkennen; doch zieht sich im Norden des sächsisch-thüringischen Raumes, vielleicht im Anschluß an das fälisch durchsetzte Eichsfeld, ein Gebiet andersartiger Rassenzusammensetzung von Westen nach Osten. In dieser Zone finden sich, gegenüber Ostthüringen-Sachsen, Menschen mit schmalförmigeren Köpfen, niedrigeren Gesichtern, mehr hellen und weniger dunklen Haaren und Augen« (Bescherer 1940: 129). 87 Vgl. UAJ, Best. C, Nr. 877, Bl. 9, Brief des Kurators Dr. Max Bense an das Universitätsrentamt vom 16. Juli 1946. 88 Die Jenaer Universität wurde als erste in der SBZ am 15. Oktober 1945 kurze Zeit nach Göttingen (britische Zone) und Marburg (amerikanische Zone) und zeitgleich mit Tübingen (französische Zone) feierlich wiedereröffnet und nahm in den ersten Dezembertagen 1945 ihren Lehrbetrieb auf; sie war damit eine der im Maßstab aller Besatzungszonen ersten wieder lehrfähigen Universitäten und die erste der kriegszerstörten Hochschulen.
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Noch 1965 gab es auf dem Gebiet der DDR nur zwei anthropologische Institute, das in Jena und das bereits erwähnte 1955 wiedergegründete Anthropologische Institut der Humboldt-Universität in Berlin.89 Strucks direkter Nachfolger wurde Herbert Bach. Dieser wurde im Jahre 1957 mit der Arbeit Beiträge zur Geschichte der Paläanthropologie unter besonderer Berücksichtigung des Neandertaler-Fundes (1856) und dessen Bedeutung im 19. Jahrhundert promoviert und im Frühjahrssemester 1957/1958 Lehrbeauftragter für Anthropologie. Ab dem Frühjahrssemester 1959/60 arbeitete Bach als Oberassistent, habilitierte sich 1962 mit dem Thema Anthropologische Untersuchung von Skelettmaterial aus der Michaeliskirche zu Jena und Wenigenjena: Beiträge zur anthropologischen Bevölkerungsgeschichte des Thüringer Raumes und wurde 1963 Dozent für Anthropologie. Ab 1969 war er dann als Direktor des Instituts für Anthropologie tätig, nachdem er es seit 1960 kommissarisch geleitet hatte. Seit 1981 war er auch Lehrstuhlinhaber für Humangenetik. Nach der politischen Wende hat Bach als Vorsitzender der Personalkommission der Universität und als Mitglied der »Aktionsgemeinschaft demokratische Erneuerung der Hochschule« einen wesentlichen Beitrag zur Hochschulerneuerung in Jena geleistet (Pittelkow 2015). Unter Wegfall der Völkerkunde weitete Bach die Vorlesungen inhaltlich auf die Humangenetik und hinsichtlich des Hörerkreises aus, der nun außer Prähistorikern, Biologen/Biologielehrer, Psychologen, Sportwissenschaftler und nicht zuletzt Mediziner umfasste. Seit der Übernahme der Institutsleitung durch Bach im Jahre 1960 entstand im Laufe der Jahre eine moderne biologisch-anthropologische, zunehmend auch medizinische Einrichtung, deren Mitarbeiterzahl vergleichsweise beträchtlich anwuchs. Sie wurde nach kurzer Zugehörigkeit zur Sektion Biologie am 1. Dezember 1968 als Institut für Anthropologie in den Bereich Medizin der Friedrich-Schiller-Universität integriert.90 Vorausgegangen war die Etablierung der Humangenetik in Lehre und Forschung mit dem Schwerpunkt der diagnostischen humangenetischen Beratung, die seit Beginn der 1970er Jahre einen wesentlichen Forschungsschwerpunkt darstellte. Die anthropologischen Arbeiten waren auf Prähistorische Anthropologie In diesem Zusammenhang ist insbesondere der von Schneider 1953/54 verfaßte Aufsatz bedeutsam. Einen guten Überblick über die Aufgaben und Sichtweisen der DDR-Anthropologie jener Jahre vermittelt das Buch von Hans Grimm (Lehrstuhlinhaber für Anthropologie an der Humboldt-Universität Berlin) Einführung in die Anthropologie, Jena 1961; Ders.: 25 Jahre Anthropologie an der Humboldt-Universität Berlin. Mitteilungen der Sektion Anthropologie der Biologischen Gesellschaft der DDR, (1976), Nr. 32/33, S. 17–37; zur Historie vgl. Grimm (1961); ebenso Schott, L. (1961): Zur Geschichte der Anthropologie an der Berliner Universität. Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Math.-Naturwiss. 10: 57–65; Grimm, H. (1963/64): Humangenetische Arbeiten in einem Anthropologischen Institut. Biologische Rundschau 1: 277–288; Sommer, K. (1965): Die Anthropologie in Jena. Anthropologie 3: 55–57; Grimm, H. (1966): Zur Frage der anthropologischen Bildung der Biologen. Anthropologie 4: 3–6; Grimm, H. (1992): Das hochschulpolitische Verhalten in der DDR gegenüber dem Fach Anthropologie. In: Preuschoft, H. & U. Kattmann [Hg.], Anthropologie im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik, Universität Oldenburg, S. 111–126. 90 Vgl. eine Aktennotiz vom 4. März 1969 über den zukünftigen Aufgabenbereich: Zytogenetik, Chromosomenuntersuchungen, erbbiologische Untersuchungen; die Sammlung Völkerkunde sollte nach Dresden abgegeben werden (vgl. UAJ, Best. L, Nr. 714). 89
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und Anthropologie am Lebenden konzentriert. Letztere betraf in den 1960er Jahren vornehmlich die Erfassung von Merkmalsvariabilität zur Klärung humangenetischer Fragen, seit der ersten Hälfte der 1970er Jahre verstärkt anthropometrische Längsund Querschnittsstudien in der Tradition der seit 1880 durchgeführten Schulkinderuntersuchungen. In der Prähistorischen Anthropologie wurde die Konzeption der Rekonstruktion der biologischen Situation früherer Bevölkerungen am Beispiel des Mittelelbe-Saale-Werra-Gebietes umgesetzt. Nach der Gründung der Humangenetischen Beratungsstelle beim Rat des Bezirkes Gera mit Sitz und in enger Kooperation mit dem Institut erfolgte am 27. September 1974 dann auch die Umbenennung in »Institut für Anthropologie und Humangenetik«.91 Für die Entwicklung des Instituts war dessen Integration in Forschungsvorhaben des DDR-Gesundheitsministeriums und in den Bereich Medizin der Universität von entscheidender Bedeutung: Den entscheidenden Wandel brachte seit 1970 die Beteiligung in den Forschungsprojekten Humangenetik und Rheumatologie des Ministeriums für Gesundheitswesen. Die Jenaer Arbeitsgruppe bestimmte dabei die Konzipierung der humangenetischen Forschung in der DDR maßgeblich mit (Bach & Simon 1978: 34; Schulz 2007).
Das Institut gliederte sich in die Bereiche Prähistorische Anthropologie/Paläanthropologie (Skelettanthropologie), Entwicklungsanthropologie (Lebendanthropologie), Zytogenetik mit Labor und Diagnostik sowie humangenetische Beratungsstelle. Anthropologie und Humangenetik hielten sich bis zu Bachs Emeritierung in etwa die Waage (Greil & Grupe 2013, Pittelkow 2015).92 Der internationale wissenschaftliche Kontakt des Instituts war bereits Mitte der 1960er Jahre wiederhergestellt, halboffizielle Beziehungen bestanden zu vielen westdeutschen Anthropologen und Humangenetikern bzw. den entsprechenden Einrichtungen. Vom 21. bis 23. November 1963 wurde unter Führung des Jenaer Institutes eine internationale Arbeitstagung der Biologischen Gesellschaft in der DDR, Sektion »Anthropologie« (Gründung im Frühjahr 1959), mit 60 Teilnehmern zum Thema »Prähistorische und historische Anthropologie« durchgeführt93 bzw. folgte vom 31. Oktober bis 5. November 1965 eine Beteiligung an einer anthropologisch-humangenetischen Tagung in Reinhardsbrunn (Friedrichroda).94 Dieses Bemühen von Bach um wissenschaftliche Präsenz ist dann bis zum Ende der DDR-Zeit nachweisbar. Am 21. Januar 1986 wurde in Berlin dann auch eine Sektion Theorie und Geschichte der Dem Bericht von Bach & Simon (1978) lassen sich noch folgende Angaben entnehmen: der Bestand der Bibliothek vergrößerte sich auf 7000 (1952 waren es noch 2700 gewesen); »in der osteologischen Sammlung finden sich derzeit 10000 Individuen aus 7 Jahrhunderten«; »werden 349 Stunden Lehrveranstaltungen pro Studienjahr durchgeführt und ständig 10 Dissertationen und 15 Diplomarbeiten betreut.« 92 Drei Angaben, die in den Archivalien recherchiert werden konnten, bestätigen diese Schwerpunktsetzungen aus den 1960er Jahren: 1. 1932–1940 wurden aus dem Beinhaus von Magdala ca. 8700 Katalognummern geborgen; »abgesehen von 57 Schädeln ist das Material noch nicht bearbeitet«; »Auswertung steht an«; 2. Zusammenarbeit mit dem Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens Weimar: Archäologische und anthropologische Bearbeitung einiger frühmittelalterlicher Grabenfelder; 3. Fortsetzung der 1959 begonnenen Ausgrabungen des Gräberfeldes Espenfeld bei Arnstadt, Stand 360 Kinderskelette (vgl. UAJ, Best. C, Nr. 625). 93 Vgl. Mitteilungen der Biologischen Gesellschaft der DDR, 1964, Bericht H. Ullrich, S. 1. 94 Vgl. Sommer (1965: 57). 91
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Biologie innerhalb der Biologischen Gesellschaft der DDR gegründet95, die neben zahlreichen Aktivitäten u. a. für das erste Symposium am 17. März 1988 in Halle zum Thema »Grundlinien der Geschichte der biologischen Anthropologie« verantwortlich zeichnete: Die Wahl gerade dieses Themas erfolgte im Einklang mit den auch in unserem Lande unternommenen Anstrengungen zur tiefgründigeren Erforschung der Ontogenese und Phylogenese der biopsychosozialen Einheit Mensch im dynamischen Gefüge natürlicher und soziokultureller Bedingungen.96
Auch auf dem Gebiet der Publikationen waren erste Fortschritte zu verzeichnen, zumal sich noch 1959 aus Sicht des Urania-Verlages folgendes Bild in der DDR geboten hatte: Auf dem Büchermarkt unserer Republik wird seit Jahren ein Werk über die Menschenrassen und ihre Entstehung vermißt. Eine Veröffentlichung auf diesem Gebiet zu bringen, erscheint um so notwendiger, als in den Jahren faschistischen Regimes eine unwissenschaftliche Rassentheorie verbreitet wurde, die dazu beitrug, daß Hitler und seine Schergen Völker unterdrückten und auszurotten begannen. In Westdeutschland können wir heute wieder aus faschistischen Vorstellungen erwachsene antisemitische Ausschreitungen feststellen […] Wir halten es infolgedessen für eine wichtige Aufgabe in unserem Verlagsschaffen, ein Werk herauszugeben, in dem die Probleme der Menschenrassen behandelt werden. Wer ist berufener zu uns zu sprechen, als ein Wissenschaftler der Sowjetunion, des Landes, in dem zuerst und konsequent die Rassenunterdrückung fortfiel und die Nationalitätenpolitik auf der Grundlage des MarxismusLeninismus verwirklicht ist? (Nesturch 1959: 5).
Später folgten dann eigene Bücher von DDR-Wissenschaftlern zum Thema Anthropologie i. w. S. wie beispielsweise von Conrad Vollmer Funde, Forscher und Frühmenschen (1958), Adelheid Bach/ Herbert Bach Der Mensch (1965), Herbert Ullrich An der Schwelle zur Menschheit (1974), Karl Sommer Der Mensch (1979, 10. Aufl. 1989), Hans-Albrecht Freye Humangenetik (1975), Rudolf Feustel Abstammungslehre des Menschen (1976, 6. Auflage 1990), die gesamtdeutsche Ausgabe (Leipzig und Hanau/ Main) von Hans-Albrecht Freyes Spur der Gene (1980), Arthur Windelbands Woher der Mensch kam (1981), von Joachim Herrmann Die Menschwerdung (1985) bzw. unter der Leitung von Bernd Hermann & Herbert Ullrich der umfassende Sammelband Menschwerdung. Millionen Jahre Menschheitsentwicklung – natur- und geisteswissenschaftliche Ergebnisse (1991).97 Das klassische Anthropologielehrbuch in der Vgl. Peters, G. (1986): Gründungsversammlung, Mitteilungen der Biologischen Gesellschaft der DDR. Heft 12: 39–43. Unter organisatorischer Verantwortung von H. Bach kam es auch zur Gründung der Gesellschaft für Anthropologie im Jahre 1978. 96 Vgl. den dazu erschienenen Sammelband von Siegfried Kirschke mit dem Titel Grundlinien der Geschichte der biologischen Anthropologie, Wiss. Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (1990), Heft 3 (A 121) – Kap. 1.2; siehe darin u. a. den Beitrag von H. Bach »Bemerkungen zu Wertungen der Variabilität des Menschen in Vergangenheit und Gegenwart« (S. 16–27). 97 Im Jahre 1977 hatte ebenso die Fachgruppe Ur- und Frühgeschichte der Historiker-Gesellschaft der DDR zu einer Tagung zum Thema »Die Entstehung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft« eingeladen (Herrmann 1977). Vgl. dazu noch ergänzend: H. Boenig & R. Bertolini (1971): Leitfaden der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Georg Thieme Verlag, Leipzig; Windelband, A. (1974): Verwandte und Vorfahren. Kinderbuchverlag, Berlin; Schlette, F. [Hg.] (1980): Die Entstehung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft. Akademie-Verlag, Berlin; Straaß, G. (1976): Sozialanthropologie. VEB Gustav Fischer Verlag, Jena; Straaß, G. (1978): Rassen – Herkunft und 95
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DDR gab es jedoch nicht. Die »Biologische Rundschau« (Zeitschrift für die gesamte Biologie und ihre Grenzgebiete) oder universitätseigene Reihen wie beispielsweise die »Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle« haben ebenfalls über Jahrzehnte hinweg für die Verbreitung anthropologischer Kenntnisse gesorgt.98 Die Genese der Jenaer Anthropologie, die im Mai 2015 ihr 85jähriges Bestehen feiern konnte, läßt sich in fünf Etappen unterteilen: Seminar für Sozialanthropologie mit dem Ordinariat von Hans F. K. Günther (14. Mai 1930 bis 1935/36) – Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, 2. Seminar/Anstalt/Institut für Anthropologie und Völkerkunde mit dem Ordinariat von Bernhard Struck; später noch kommissarische Leitung durch Struck (1935/36 bis 1. September 1955; 31. Mai 1960); Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät – ab 1953 zur Fachrichtung Biologie gehörend, 3. Institut für Anthropologie unter der Leitung von Herbert Bach (1960 bis 1974) – Institut wechselt am 1. Dezember 1968 von der Sektion Biologie zum Bereich Medizin der Friedrich-Schiller-Universität; 27. September 1974 Umbenennung des Institutes, 4. Institut für Anthropologie und Humangenetik unter dem Ordinariat von Herbert Bach (1974 bis 1993), 5. Institut für Humangenetik und Anthropologie99 unter dem Ordinariat von Uwe Claussen (1993–2008). 1.
Mit dieser hier aufgezeigten Entwicklung unterschied man sich auch von der Entwicklung anderer Institute in der DDR, wie beispielsweise dem in Berlin. Mit der Zukunft. Verlag Neues Leben, Berlin; Ullrich, H. (1974): An der Schwelle der Menschheit. UraniaVerlag, Leipzig; Herrmann, J. (1975): Spuren des Prometheus. Urania-Verlag, Leipzig; Wersuhn, G. (1975): Ererbte Vielfalt. Urania-Verlag, Leipzig/Jena/Berlin. Mit ideologischen Querverweisen versehen vgl. u.a. Autorenkollektiv [Hg.] (1968): Die Wissenschaft von der Wissenschaft. Dietz, Berlin; Wernecke, A. (1976): Biologismus und ideologischer Klassenkampf. Dietz, Berlin; Dietl, H.-M. et al. (1977): Humangenetik in der sozialistischen Gesellschaft. Gustav Fischer, Jena; Plesse, W. [Hg.] (1982): Philosophische Aspekte der Biologie. Gustav Fischer, Jena. 98 Vgl. aus der Vielfalt der Veröffentlichungen hier als Bsp. Ullrich, H. (1964): Humangenetische Gesichtspunkte bei der biologischen Rekonstruktion vor- und frühgeschichtlicher Bevölkerungen. Biologische Rundschau 1 (5): 185–198; Grimm, H. (1964): Humangenetische Arbeit in einem Anthropologischen Institut. Biologische Rundschau 1 (6): 277–288; Hesse, H. & H. Ullrich (1966): »Homo mousteriensis Hausseri« wiedergefunden. Biologische Rundschau 4 (3): 158–160; Grimm, H. (1966): Die ersten 3500 Messungen der Hautfaltendicke in Bevölkerungsgruppen aus der DDR. Biologische Rundschau 4 (3): 160–162; Kirschke, S. (1975): Über Immanuel Kants Beitrag zur Herausbildung der naturwissenschaftlichen Anthropologie. Wiss. Z. Univ. Halle G 24 (1975) 6; Ders. (1981): Über Georg Forsters Beitrag zu anthropologischen Problemen. Wiss. Z. Univ. Halle 1981/42 (T 42); Ders. (1987a): Immanuel Kant und Johann Friedrich Blumenbach – Bemerkungen zur Grundlegung der biologischen Anthropologie. Wiss. Z. Univ. Halle 1987/53 (F 73); Ders. (1987b): Menschenrassen – Rassenkunde kontra Rassismus. Wiss. Z. Univ. Halle 1987/30 (F 69). 99 Vgl. u.a. Claussen, U. (1999): Neue Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie zahlreicher Krankheiten eröffnet. Klinikmagazin 6: 8–9; Ders. (2001): Die Bedeutung der »neuen« Humangenetik. In: Kindermann, G. & T. Dimpfl [Hrsg.], Vielfalt und Einheit. Wissenschaft und Gewissen, Stuttgart: Thieme, S. 137–140; weiterführend http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?cmd=DetailsSearch &term=Claussen+u&log$=activity (Gesamtverzeichnis der Publikationen).
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Berufung des »Rasse-Günther« war 1930 die biologische Anthropologie in Jena wieder neu institutionalisiert worden, eine Anthropologie, die bereits um 1863 im Umfeld Haeckels erfolgreich gewesen war. Mit B. Struck wurde die Anthropologie dann Mitte der 1930er Jahre um das Fach Völkerkunde erweitert und damit in gewisser Weise entpolitisiert. Die »neuen« Inhalte der Anthropologie jener Jahre wurden von Strucks Kollegen Heberer, Franz, Astel und Stengel von Rutkowski nun vermittelt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Perspektiven der Anthropologie maßgeblich durch das Wirken Herbert Bachs bestimmt. Unter seiner Leitung wurde das Institut nun mehr in eine anwendungsorientierte Richtung gedrängt, wobei der Ansatz einer umfassenden Anthropologie verloren ging. Mit der Berufung von Uwe Claussen erfuhr das Fach dann im vereinten Deutschland eine nochmalige verstärkte Erweiterung zur Humangenetik hin.100 Das Institut gehört heute zur Medizinischen und nicht zur Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät, wobei aber der Magisterstudiengang »Biologische Anthropologie« in letzterer angesiedelt ist (war). Die Arbeitsschwerpunkte der Berliner Anthropologie lagen auf den Gebieten der Prähistorischen Anthropologie und Lebendanthropologie, hier vor allem bei der Industrie- und Entwicklungsanthropologie. Nach der Dritten Hochschulreform wurde das im Vergleich zu Jena ursprünglich personell etwas besser ausgestattete Berliner Institut 1969 mit der Bezeichnung Bereich Anthropologie dem zur Humboldt-Universität gehörenden Museum für Naturkunde angegliedert, erhielt aber einen Sonderstatus als Bildungseinrichtung. Erst im Jahre 1986 gelang Grimms Nachfolger als Direktor und Lehrstuhlinhaber, der aus dem Jenaer Institut kommende Karl Sommer, der Wechsel zum Bereich Medizin der Universität (Charité) und 1988 die Rückbenennung in Institut für Anthropologie. Nach der Umbenennung in Institut für Medizinische Anthropologie im Jahre 1997 erfolgte 2004 die ersatzlose Auflösung. Damit war das Fach institutionell nur noch an der Freien Universität präsent (Pittelkow 2015). Neben den zwei Instituten in Berlin und Jena existierte an der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport (DHfK) in Leipzig noch eine sportanthropologische Abteilung. Anthropologische Forschungen wurden weiterhin am Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften, an vorgeschichtlichen Museen sowie an medizinischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen betrieben.
Für die Wendezeit (1990) sei an dieser Stelle noch kurz eine Randnotiz angeführt. Sie betrifft einen Vorschlag der Sektion Sozial- und Politikwissenschaften vom 27. Februar 1990 an den Rektor, die vorhandenen Lehrstühle und Dozenturen umzubenennen. Danach sollte der Lehrstuhl für Dialektischen und Historischen Materialismus in einen für »Sozialanthropologie« umgewandelt werden (Gottwald & Ploenus 2002: 179–180). Wenn man sich die Geschichte der Sozialanthropologie an der Universität Jena dabei verdeutlicht, die unmittelbar mit dem Gedankengut von A. Ploetz und H. F. K. Günther zusammenhängt, scheint dieser Vorschlag höchst fraglich und bedenklich, in dieser Form – vom Marxismus/Leninismus zur (Sozial)anthropologie – sogar einmal zuviel »gewendet«. 100
Ins titutioneller Neubeginn nach 1945
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11.4 Biologische Perspektiven der Hominidenevolution im 20. Jahrhundert
Der Weg der Menschheit stellt sich auch heute noch in den rekonstruierten Modellen, 150 Jahre nach Darwins Origin of Species, eher heterogen als homogen dar: Die Funde des fossilen Menschen sind heute so zahlreich geworden, daß sie als knöcherne Urkunden im Bereich der menschlichen Abstammungslehre vor allen anderen Beweismitteln für die Entscheidung einer jeden Frage herangezogen werden müssen. Nach den menschlichen Fossilien haben sich unsere Anschauungen über die Entwicklung der menschlichen Formen zu richten, nicht umgekehrt sind die fossilen Funde nach Überlegungen vergleichend-anatomischer oder embryologischer Art zu deuten (Gieseler 1959: 1100).
Zwölf Jahre nach dem dritten Internationalen Zoologenkongreß in Leiden (1895), auf dem Dubois seine Funde präsentiert hatte, wurde vom Heidelberger Paläontologen Otto Schoetensack ein weiterer Hominidenrest entdeckt, der sich von den bisher gefundenen Resten, dem geologischen Alter und seinen morphologischen Merkmalen nach deutlich unterschied. Nach zwanzig Jahren Grabungstätigkeit südöstlich von Heidelberg, im Gebiet des Dorfes Mauer, fand Schoetensack am 21. Oktober 1907 einen gut erhaltenen Unterkiefer mit voller Bezahnung, den er in einer Monographie beschrieb und der den Namen Homo heidelbergensis erhielt (Schoetensack 1908). Der Anatom Gustav Schwalbe stellte später Homo heidelbergensis in die Nähe von Pithecanthropus (Wagner & Beinhauer 1997). In jene Jahre fällt auch einer der Aufsehen erregendsten menschlichen Fossilfunde (Schädel von Piltdown), der sich später als Betrug herausstellte. In Piltdown, einem kleinen Ort in der Grafschaft Sussex, hatten 1912 der Rechtsanwalt Charles Dawson und ein Mitarbeiter des Britischen Museums, Arthur Smith Woodward, eine Unterkieferhälfte und einen Hirnschädel gefunden sowie zudem fossiles Material von Säugetieren geborgen (Dawson & Woodward 1913). Später (1915) entdeckte Dawson an einem Fundort, der mehrere Kilometer vom ersten entfernt war, weitere Hirnschädelteile sowie einen Backenzahn. Es entbrannten nun heftige Diskussionen darüber, ob diese Funde zu ein und demselben Individuum gehören würden oder es sich hier um zwei nicht zusammenhängende Fundstücke (Gesichtsschädel von Homo sapiens; pongider Unterkiefer nebst Eckzahn) handelte. In allen damaligen Darstellungen über die menschliche Stammesgeschichte wurde Eoanthropus dawsoni erwähnt, der das eurozentrische Weltbild stützte und später bei der Interpretation des Australopithecus africanus von Taung eine bedeutende Rolle spielte. Zeitliche Datierungen sahen ihn als ältestes bis dahin gefundenes menschliches Fossil an, was im Namen »Morgenrötemensch« seinen Niederschlag fand (Querner 1968: 83). In den 1950er Jahren wurden dann die Möglichkeiten und technischen Verfahren zur Altersbestimmung von Fossilien verbessert (z. B. K. P. Oakley 1950), so daß schlüssig nachgewiesen werden konnte, daß Eoanthropus aus Teilen eines alten, aber nicht fossilen Homo sapiens-Schädels bestand und der Unterkiefer vermutlich zu einem weiblichen Orang-Utan gehörte (Weiner 1955, Spencer 1990).101 Es sollten wieder einige Jahre vergehen, bis weitere fossile Funde für eine erneute Belebung der Hominidendiskussion sorgten. Hier wären die Arbeiten von Davidson H. Weinert hatte die Ehre der Morphologen insofern gerettet, als er seine Zweifel schon sehr bald vorbrachte. 101
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Black sowie Birger Bohlin (1927) im Gebiet von Chou-Kou-Tien zu nennen; Birgers Fund eines großen Backenzahnes ist als Sinanthropus pekinensis in die Literatur eingegangen (Crow 2002): Die folgenden Jahre bis 1937 erbrachten vom gleichen Fundort Reste von annähernd vierzig Individuen, darunter 15 Kindern. Von vierzehn Schädeln bzw. Schädelresten waren fünf gut erhalten, so daß Messungen vorgenommen werden konnten (Querner 1968: 43).
Nach dem Tod von Black hatte dann der Anatom Franz Weidenreich die weitere Auswertung der Sinanthropus-Materialien übernommen (Weidenreich 1938–1947).102 Zeitgleich zu den Grabungen bei Peking (heute Beijing) versuchte man auch, über den Pithecanthropus-Fund Näheres zu erfahren. So war 1907 eine deutsche Expedition unter Leitung von Frau Selenka nach Java aufgebrochen, die aber keine weiteren menschlichen Fossilreste finden konnte. Erst in den Jahren von 1931 bis 1941 gelang es Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald auf Java (Sangiran, 60 km von Trinil) eine Calotte – Pithecanthropus II sowie Fragmente eines kindlichen Schädels – Pithecanthropus III – zu bergen (von Koenigswald 1968, Ziegler 1984; Hertler & Schrenk 2002). Die Funde von Java, Mauer und Peking faßte man schließlich unter dem Begriff Archanthropinen zusammen. Dazu gehörten auch einige Funde aus Afrika wie der Telanthropus capensis (1949), Atlanthropus mauritanicus sowie der 1960 in Tansania von Louis S. B. Leakey geborgene Fund, für den Heberer den wissenschaftlichen Namen Homo erectus leakeyi vorschlug (1963).103 Neben den Archanthropinen104 sei an dieser Stelle auch noch auf die wichtigsten Entdeckungen innerhalb der Australopithecinen verwiesen. Im Jahre 1924 war ein Fund aus einem Kalksteinwerk in Südafrika, nahe dem Ort Taung, in die Hände des Anatomen Raymond A. Dart gelangt, der aus Teilen eines Gesichtsschädels bestand. Der Schädel gehörte offenbar zu einem Kind, da das Gebiß noch Milchmolaren enthielt. Für den Fund vergab Dart den Namen Australopithecus africanus. Es kam wiederum – wie bei Eoanthropus u. a. – zu Diskussionen über diesen neuen fossilen Menschenaffenrest.105 Da sich die stammesgeschichtliche Deutung eines gefundenen kindlichen Schädels als schwierig erwies, war es notwendig, einen erwachsenen Australopithecus zu finden (Dart 1925). Dies gelang 1936 dem schottischen Mediziner Robert Broom, der in Kalksteinwerken von Sterkfontein in Transvaal Fragmente eines Schädels barg, den er als Australopithecus transvaalensis, später Plesianthropus (»dem Menschen nahe stehend« oder »Fast-Mensch«) benannt, beschrieb (Broom 1936; Broom & Robinson 1950). Einige Jahre später fand er weiteres fossiles Material in der Nähe des ersten Fundortes, welches eine deutlich robustere Menschenform kennzeichnet, die er Paranthropus (»Nebenmensch«) nannte.
Vgl. dazu auch Christine Hertlers (Frankfurt a. M.) Beitrag über Weidenreich im »Anthropologischen Anzeiger«, Bd. 60, S. 81–94, 2002. 103 Vgl. weiterführend L. S. B. Leakey (1959) und L. S. B. Leakey et al. (1964). 104 Vgl. zur Terminologie u. a. Steitz (1993): Australopithecinen (Praeanthropinen, Vormenschen), Habilinen (Urmenschen), Archanthropinen (Frühmenschen), Paläanthropinen (Altmenschen) und Neanthropinen (Jetztmenschen). 105 Dart sah das Genus Australopithecus nicht als Menschenaffen an, was die Sache erst so kontrovers machte, insbesondere im Zusammenhang mit der Fetalisationshypothese von L. Bolk. 102
Biologische Perspek tiven der Hominidenevolution im 20. Jahrhunder t
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Diese zahlreichen Funde erlaubten nun eine begründete Vorstellung über das Aussehen der Australopithecinen. Man konnte zwei Typen unterscheiden: den ATypus (Australopithecus africanus) mit feingliedrigerem Bau, einem Gebißtypus, der für gemischte Nahrung spricht – Australopithecus africanus von Taung, Plesianthropus transvaalensis von Sterkfontein und Australopithecus prometheus von Makapan waren hier Vertreter sowie den robusteren P-Typus (Australopithecus robustus), der durch sein kräftiges Gebiß auf Pflanzenernährung schließen läßt – Paranthropus robustus von Komdraai und Paranthropus crassidens von Swartkrans sind hierfür Beispiele. Auch über die südafrikanischen Funde (Datierung des Alters, Definition der Hominiden, Beziehung von Hirngröße und Lebensweise) wurde lebhaft diskutiert, bis schließlich 1959 Mary Leakey in Ostafrika (Olduvai-Schlucht) ein Calvarium mit ungewöhnlich großen Backenzähnen entdeckte, wodurch der Hominidenstatus der Australopithecinen belegt werden konnte. Es folgten noch zahlreiche Funde durch die Leakeys in den darauffolgenden Jahren, nach der Klassifizierung des erwähnten Olduvai Hominid 5, den L. S. B. Leakey 1959 als Zinjanthropus boisei und später als Australopithecus boisei einstufte (Zinji ist ein alter afrikanischer Name für Ostafrika; Charles Boise war ein Mäzen Leakeys), schließlich die Entdeckung von Homo habilis (1960 Jonathan Leakey; habilis bedeutet geschickt, fähig) sowie Homo rudolfensis (»Mensch vom Rudolfsee«, 1972).106 Parallel zu diesen Forschungen in Ostafrika wurden aber noch weitere Funde großer Hominiden aus Ostasien (»Riesenproblem«) den Australopithecinen zugeordnet. So hatte von Koenigswald in Hongkong und Kanton beispielsweise neben einigen Zähnen von Sinanthropus officinalis auch welche von enormer Größe gefunden, dessen Träger er den Namen Gigantopithecus blacki gab. Der SinanthropusBearbeiter Weidenreich hingegen hielt die Bezeichnung Giganthropus für treffender, da es sich hier seiner Meinung nach um eine Form handelte, die zu den Hominiden gehörte und nahe Beziehungen zu Pithecanthropus aufwies. Es war schließlich der Zoologe G. Heberer, der ab der Mitte der 1950er Jahre den Vorschlag unterbreitete, für die Darstellung der Hominidenphylogenie und aufgrund des nunmehr reichhaltig vorhandenen Materials nachfolgende Einteilung zu verwenden. Er schlug vor, von der Familie Hominidae zu sprechen, ohne Rücksicht auf ihren speziellen physischen Typus, seit dem Beginn einer eigenen Geschichte dieses Taxons, seit ihrer speziativen Abspaltung von einer nichthominiden anzestralen Form. Ferner gliederte er diesen stammesgeschichtlichen Geschichtsweg in drei Phasen: 1. die subhumane Phase, 2. das Tier-Mensch-Übergangsfeld und 3. die humane Phase. Als diskutable Hypothesengruppen der Ableitung der Hominiden von einer nichthominiden Form formulierte er vier Modelle: Brachiatorenhypothese, Präbrachiatorenhypothese, Protocatarrhinenhypothese und die Tarsioidenhypothese. Diese Hypothesen-Gruppen unterschieden sich dabei nach der Ansetzung der chronologischen Zeitstellung und der morphologischen Stufe des angenommenen Hominidenanzestors, wobei auf Grund der Vervollständigung des fossilen Materials zum Ende der 1950er Jahre die Präbrachiatorenhypothese favorisiert wurde.107 Die ausgestorbenen Hominidenarten zeigten also eine Kontinuität in der menschlichen 106 107
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Vgl. weiterführend Dart (1925), R. E. F. Leakey (1973) sowie M. Leakey & Hay (1979). Vgl. Le Gros Clark (1955, 1960); Heberer (1956–1973); Steitz (1993); Hoßfeld (1997).
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Abb. 52: Nature-Titelgrafik vom 1. April 2010 (Jonathan Burton).
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Entwicklung auf, den ununterbrochenen Zusammenhang zwischen Menschenaffen und Mensch. Im Jahre 1974 entdeckte schließlich noch Donald Johanson in der zerklüfteten äthiopischen Afar-Senke das unter der Bezeichnung »Lucy« berühmt gewordene Skelett, das nach damaligem Wissensstand den Ursprung der Menschheit verkörpern sollte.108 Bis heute hat es sich als schwierig erwiesen, eine einheitliche Synthese bezüglich der bisher bekannten Entwicklungswege des Menschen aufzustellen (Sommer 2015). So wurden nicht nur die alten Vorstellungen der anatomisch-morphologischen Evolution des Menschen kritisch hinterfragt, auch die neuen Aussagen über die psychische Evolution des Menschen (Humanethologie) sowie Fortschritte in der Molekularbiologie (»afrikanische Eva«, Out of Africa) trugen zum Sturz alter Modelle bei.109 Die Diskussionen halten aber bis in die heutigen Tage an (Goodman 1997, Lewin 1997). So wurden als neuere Hypothesen z. B. von Günter Bräuer die »afro-europäische Sapiens-Hypothese« (1984a, 1984b) sowie die »multiregionale-KontinuitätsHypothese« (Milford H. Wolpoff u. a.) usw. zur Diskussion gestellt.110
11.5 Biologische Anthropologie, Evolutionstheorie und zweite darwinsche Revolution
Ähnlich der aufgezeigten publizistischen Wende von 1863 während der ersten darwinschen Revolution, sollte es einhundert Jahre später – nun während der zweiten darwinschen Revolution – ein ebenso erfolgreiches Bestreben geben, darwinsche Evolutionsbiologie mit Wissen der (Paläo)Anthropologie zu verbinden. So erschien, auch passend zum Darwin-Jahr 1959, mit der zweiten Auflage der Evolution der Organismen der wohl umfangreichste Beitrag in deutscher Sprache zu diesem Themenkomplex. Ein Beitrag, der für die biologische Anthropologie neue Wege beschritt, sogar mithalf, daß sich diese über Inhalte neu definieren konnte und der das langjährige Konstrukt »Rasse« einer Rassenlehre zunehmend negierte. Es fragt sich nun, ob auch diese neue Auflage wie bereits die erste Auflage von 1943 zu einem bedeutenden Vgl. Johanson (1976), Brown et al. (1985), Cann et al. (1987), Arsuaga et al. (1993) und White (1994). 109 »Die Rekonstruktion der phylogenetischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Spezies von Australopithecus und Paranthropus einerseits sowie zwischen ihnen und den Spezies von Homo andererseits gehört zu den gegenwärtig strittigsten Themen der Paläoanthropologie […] Auch in Zukunft ist damit zu rechnen, daß der aus verworfenen Stammbäumen bestehende ›Wald‹ wachsen wird« (Henke & Rothe 1998: 168; Hervorhebungen im Orig.; Rothe & Henke 2006; Mayr 1950). Vgl. dazu weiterführend das »Nature«-Sonderheft »African-Origins: Ethiopian fossils are the earliest Homo sapiens« vom 12. Juni 2003. 110 Vgl. Wilson & Cann (1992); Thorne & Wolpoff (1992); Leakey & Lewin (1992); Lewin (1995); Johanson et al. (2002); Brunet (2002); Vignaud (2002); Wood (2002); Sarich & Miele (2004); Gibbons (2006); Hausen (2006); Hamel (2007); Henke & Tattersall (2007, 2015); Palsson (2007, 2008); Campbell & Tishkoff (2008); Sepkoski (2012). Resümierend kann man mit Robert Foley bemerken: »Das Schicksal der modernen Evolutionsbiologie scheint darin zu bestehen, daß nüchterne Erklärungen zur Entstehung der Menschheit offenbar viele nicht zufriedenstellen. Dabei können durch sehr grundlegende, einfache und unkomplizierte Fragen äußerst überzeugende, komplizierte und elegante Antworten gefunden werden« (Foley 2000: 21). 108
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Beitrag der sich damals etablierenden Synthetischen Theorie der Evolution wurde oder vielmehr nur eine Verlagerung der wissenschaftlichen Schwerpunkte unter neuen gesellschaftspolitischen Prämissen zu konstatieren war.111 Des weiteren wäre noch zu hinterfragen, ob das Sammelwerk der einzige Beitrag war oder noch andere Werke zu diesem Themenkontext erschienen (Georgievsky 2009; Hoßfeld 2005a; Henke 2007a; Sommer 2010, 2015; Wuketits 2015).
11.5.1 Die Evolution der Organismen (1954–1959)
Wie bereits mehrfach ausgeführt, zählt das 1943 von G. Heberer herausgegebene Sammelwerk über Die Evolution der Organismen als bedeutender theoretischer Beitrag in der Geschichte der biologischen Anthropologie. Bedeutung erlangte es dadurch, indem es vorwiegend auf eine Verknüpfung und Präsentation von evolutionsbiologischem mit anthropologischem Wissen fokussierte. Das Werk ist weltweit das einzige derartige Buch, in dem man sich für diese Methodologie entschied und derart kausalanalytisch argumentierte. Mit Hilfe dieses Werkes sind die einzelnen Entwicklungsetappen sowie die damit verbundene Rezeption der Forschungsergebnisse verschiedener Fachgebiete (und damit nicht nur der Anthropologie) in großen Linien über einen Zeitraum von 30 Jahren nachzuverfolgen.112 Nachdem die erste Auflage (1943) »nach knapp fünf Monaten vergriffen« war, wurde bereits während des Krieges mit der Organisation einer zweiten Auflage begonnen. Letzten Endes verhinderten aber die Kriegsereignisse eine Umsetzung der Planungsziele des Herausgebers. Danach stellte die starke zeitliche Dehnung des Erscheinens zwischen der ersten und zweiten Auflage Heberer vor Probleme. Einerseits war ein Großteil der Erstautoren während der Planungen und den Vorbereitungen zur zweiten Auflage verstorben oder im Krieg gefallen (Zündorf, Dingler, Rüger, Weigelt, Ludwig) bzw. ausgetauscht worden (Franz durch Remane)113, so daß diese Bei einer Analyse der einzelnen Artikel von 1959 fällt nun aber auf, daß nur Heberer in seinem Vorwort und in seinem eigenen Beitrag betonte, daß es in den 1940er Jahren international zu einer Synthese in der Evolutionstheorie gekommen war. 112 Der Herausgeber bemerkte im Jahre 1959 retrospektiv: »Die Entwicklung der Evolutionsforschung, besonders durch die Fortschritte der experimentellen Genetik und experimentellen Phylogenetik, die Neufassung der Systematik und die schnell zunehmende Vervollständigung des stammesgeschichtlichen Urkundenmaterials, ließ eine Synthese, die möglichst alle Gebiete der Phylogenetik erfaßte, notwendig erscheinen. Trotz der durch die Zeitverhältnisse bedingten weitgehenden Isolierung vom Auslande unternahmen es Herausgeber und Mitarbeiter, eine solche Synthese durchzuführen. Eine Darstellung des aktuellen Standes der Abstammungslehre erschien auch deshalb angebracht, weil bei der damaligen Lage mit weltanschaulich-politischen Mitteln der Versuch unternommen wurde, dieses zentrale Gebiet der naturwissenschaftlichen Biologie zu diskreditieren« (Heberer 1959c: VII). 113 »Ich habe von Ihrer Mitarbeit aus verschiedenen Gründen Abstand genommen und muss Ihnen nun, da Sie ›protestieren‹ auch sagen, was ich gern verschwiegen hätte. Von vielen Seiten ist man an mich herangetreten, für die Darstellung der Geschichte der Tiere einen anderen Autor zu wählen. […] Sie wissen selbst, welche Mühe ich [Heberer] schon bei der ersten Auflage mit Ihrem Beitrag hatte! […] Die jetzige zweite Auflage ist gegenüber der durch den Krieg nicht zur Durchführung gelangten ein völlig neues Unternehmen mit verschiedenen neuen Mitarbeitern. […] Um Sie per111
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
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von ihm um eine Aktualisierung ihrer Beiträge nicht mehr gebeten werden konnten. Andererseits hatte der Zweite Weltkrieg tiefe Spuren in der Wissenschaftslandschaft im Nachkriegsdeutschland hinterlassen und sich zudem die Sichtweisen und Erkenntnisse der Biowissenschaften gegenüber 1943 zum Teil erheblich verändert: Etwa im gleichen Zeitraum und in den folgenden Jahren erschien im Ausland eine Anzahl, wenn auch weniger umfassende, Synthesen. Sie zeigten insgesamt eine erstaunliche Übereinstimmung in der grundsätzlichen Beurteilung der Evolutionsprobleme und eine fundamentale Einheitlichkeit in der Fassung der kausalen Evolutionstheorie. Dieses Zusammenbestimmen der Auffassungen war ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Abstammungslehre, die Phylogenetik, sich zu einer generalisierend- und exakt-induktiv gesicherten Theorie entwickelt hatte (Heberer 1959c: VII, Hervorhebung im Orig.)
Außerdem kamen nach der erfolgten Teilung Deutschlands wiederum wissenschaftsideologische und -politische Vorbehalte zur Sprache, als es um die Drucklegung der neuen Auflage ging: Wir arbeiten mit Hochdruck an der Fertigstellung der zweiten Auflage des Evolutionswerkes, das allerdings bei der gegenwärtigen Lage um die Genetik (Lyssenko) in der Ostzone nicht erscheinen kann, sondern hier im Westen gedruckt werden muss.114
Letzten Endes konnten aber trotz personeller Engpässe und veränderter wissenschaftspolitischer Konstellationen im geteilten Deutschland zwischen 1954 und 1959 sechs Lieferungen erfolgen, die in ihrer Gesamtheit die zweite Auflage der Evolution der Organismen darstellen.115 Die zweite Auflage beinhaltet 20 Artikel. Diese war von 21 Autoren verfaßt und umfaßte 1325 Seiten116 in zwei Bänden. Es erschien aber auch eine Ausgabe in drei Bänden. Da »kein Anlaß [bestand], den bewährten Plan des Werkes grundsätzlich zu ändern« (Heberer 1959c: VII), lehnte man sich an die bewährte Gliederung von 1943 an: Komplex I (Grundlagen und Methoden): Die philosophische Begründung der Deszendenztheorie (Hugo Dingler, S. 3–24), Methoden der Phylogenetik (Walter Zimmermann, S. 25–102), Die phylogenetische Abwandlung der Ontogenese (Bernhard Rensch, S. 103–130) und Psychologie und Stammesgeschichte (Konrad Lorenz, S. 131–172). Komplex II (Die Geschichte der Organismen): Die absolute Chronologie der Erdgeschichte als zeitlicher Rahmen der Phylogenie (Ludwig Rüger, S. 175–202), Pasönlich für die Kriegsauflage gehabte [sic] Mühe zu entschädigen, biete ich Ihnen – ohne dazu im Geringsten verpflichtet zu sein, mein Herausgeberhonorar für die betreffenden Druckbogen des Beitrages an« (Brief vom 1. Februar 1950 von Heberer an Franz; Nachlaß Franz, Best. Z, Ernst-HaeckelHaus Jena, Unterstreichungen im Orig.). 114 Vgl. Heberer an den Botaniker Heinz Benedix in einem Brief vom 8. April 1949, JE, Nachlaß Benedix. 115 Vgl Lieferung 1, S. 1–172 (Februar 1954); Lieferung 2, S. 173–422 (Juni 1954); Lieferung 3, S. 423–712 (September 1954); Lieferung 4, S. 713–856 (Dezember 1954/1955); Lieferung 5, S. 857–1109 (Juni 1957) und Lieferung 6, S. 1110–1326 (1959). 116 Ab der Seite 1243 findet sich das Autoren- und Sachverzeichnis.
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
läontologie als stammesgeschichtliche Urkundenforschung (Johannes Weigelt, überarbeitet von G. Heberer S. 203–277), Die stammesgeschichtliche Stellung der Virusarten und das Problem der Urzeugung (Hans Friedrich-Freksa, S. 278–301), Die Geschichte der Pflanzen (Karl Mägdefrau S. 302–339) und Die Geschichte der Tiere (Adolf Remane, S. 340–422). Komplex III (Die Kausalität der Phylogenie): Genetik und Evolutionsforschung bei Pflanzen (Franz Schwanitz, S. 425–551), Genetik und Evolutionsforschung bei Tieren (Herbert Lüers & Hans Ulrich, S. 552–661), Die Selektionstheorie (Wilhelm Ludwig, S. 662–712), Die Entstehung der Nutzpflanzen als Modell für die Evolution der gesamten Pflanzenwelt (Franz Schwanitz, S. 713–800), Domestikation und Stammesgeschichte (Wolf Herre, S. 801–856) und Das Typenproblem in der Stammesgeschichte (Gerhard Heberer, S. 857–914). Komplex IV (Die Phylogenie der Hominiden): Die Stellung der Hominiden im Rahmen der Primaten (Christian von Krogh, S. 918–950), Die Fossilgeschichte des Menschen (Wilhelm Gieseler, S. 951–1109), Die subhumane Abstammungsgeschichte des Menschen (Gerhard Heberer, S. 1110–1142), Die Genetik der Rassenbildung beim Menschen (Otto Reche & Wolfgang Lehmann, S. 1143–1191); Stammesgeschichte des Seelischen (Egon Freiherr von Eickstedt, S. 1192–1242). Die größte inhaltliche Änderung gegenüber der Erstauflage war, daß der Beitrag von Rensch über die biologischen Beweismittel der Abstammungslehre entfiel, da die Tatsache der Deszendenz aus Sicht des Herausgebers nun als allgemeines Gedankengut jener Jahre galt. Auch verzichtete Heberer auf einen Wiederabdruck des umfassenden und kritischen Beitrags von Zündorf über die »Idealistische Morphologie«, da »der anachronistische Versuch, die Idealistische Morphologie als bestimmend in die Struktur der Biologie einzubauen, gescheitert« war (Heberer 1959c: VIII). Dieses Argument, daß die Idealistische Morphologie 1959 nur noch historische Bedeutung hatte, ist nach Reifs Ausführungen zwar einleuchtend, aber zu optimistisch; wenigstens in der Paläontologie und der Botanik wirkte sie noch sehr lange nach (Reif 1983, 1986, 1999, 2000). Zumindest nahm W. Zimmermann in seinem Kapitel auf die Idealistische Morphologie an verschiedenen Stellen noch Bezug (1954–59: 51 ff.). Neu aufgenommen wurden die Beiträge zur Thematik des Urzeugungsproblems (H. Friedrich-Freksa) sowie zur Entstehung der Kulturpflanzen (F. Schwanitz). Da Reif (2000) bereits ausführlich auf die evolutionstheoretische Bedeutung einzelner Beiträge aus der zweiten Auflage innerhalb der internationalen und nationalen Feierlichkeiten im Darwin-Jahr 1959 eingegangen ist, soll nachfolgend wiederum nur auf den anthropologischen Teil des Sammelwerkes Bezug genommen werden: Stärker verändert wurde der Teil IV über die Phylogenie des Menschen, da hier so überaus viele neue Gesichtspunkte gewonnen wurden und seit der ersten Auflage eine bedeutende Vermehrung des fossilen Urkundenmaterials erfolgt ist (Heberer 1959c: VIII).
Analysiert man die einzelnen anthropologischen Beiträge, so wird deutlich, daß man in der zweiten Auflage versuchte, eine bessere Homogenität in der Argumentation und Präsentation von wissenschaftlichen Ergebnissen aus den Fachgebieten der bio-
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
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logischen Anthropologie und Evolutionsbiologie zu erzielen. Der Abschnitt IV »Die Phylogenie der Hominiden« umfaßt fünf Beiträge, wobei von Krogh, Gieseler, Heberer und Reche bereits als Autoren in der Erstauflage zu finden waren; Wolfgang Lehmann (Kiel) und Egon Freiherr von Eickstedt (Mainz) sind als neue Mitarbeiter hinzugekommen. »Die Stellung der Hominiden im Rahmen der Primaten«
Im Jahre 1943 hatte von Krogh noch den Anspruch vertreten, die »Stellung des Menschen im Rahmen der Säugetiere« zu untersuchen. Letzten Endes wurde aber durch ihn damals nur die Stellung des Menschen innerhalb der Primaten analysiert, weshalb er wohl richtigerweise den Beitragstitel 1959 änderte: »Alle Untersuchungen über die Evolution des Menschen haben immer wieder seine Primatenverwandtschaft bestätigt« (von Krogh 1959: 917). Nach einer allgemeinen Einleitung wandte er sich in einem ersten Abschnitt der Systematik der höheren Primaten zu und verglich dabei die von Heberer (1956) und Kälin (1952a, b; 1955) vorgeschlagene Systematik der höheren Primaten mit der umfassenden Klassifikation der Säugetiere von Simpson (1945).117 Die Zusammenfassung von Menschenaffen und Menschen in der Superfamilie der Hominoidea, die auf Simpsons Vorschlag von 1931 zurückgeht, übernahm auch Heberer. Kälin hingegen stellte die Pongoidea gleichberechtigt zu den Hominoidea: Wenn auch die Unterschiede zwischen den drei Einteilungen nicht besonders groß sind, so dürfte doch das Schema von Heberer unseren heutigen Vorstellungen am ehesten gerecht werden. Eine völlige Übereinstimmung zwischen systematischer und phylogenetischer Stellung ist natürlich nie zu erreichen, da die stammesgeschichtlichen Beziehungen viel zu komplexer Natur sind, um in einer Klassifikation völlig zum Ausdruck gebracht werden zu können (von Krogh 1959: 919).
Ebenso abweichend von 1943 diskutierte von Krogh anschließend die Einheit von Mensch und höheren Primaten. Er legte dabei wiederum Wert auf die einheitliche Betrachtung von morphologischen Merkmalsausprägungen und ontogenetischer Entwicklung.118 Beginnend beim postcranialen Skelett, folgte die Besprechung der Lokomotionsweisen und der dadurch bedingten Körperhaltung, ein morphologisch-morphometrischer Vergleich verschiedener Schädel usw. Er kam dabei zu dem Schluß: Wenn der Mensch in einigen Merkmalen primitiver geblieben ist und sich hierin leichter an die bei den niederen Affen ausgebildeten Formen anschließen lässt (die größere Zahl der Hominoidensystem nach Simpson (1945): A. Superfam. Hominoidea; I. Fam. Parapithecidae; II. Fam. Pongidae – 1. Subfam. Hylobatinae, 2. Subfam. Dryopithecinae, 3. Subfam. Ponginae, 4. Subfam. Australopithecinae; III. Fam. Hominidae; vgl. speziell hierzu auch Gates (1944). Hominoidensystem nach Heberer (1951/52): Superfam. Hominoidea; I. Fam. Parapithecidae; II. Fam. Hylobatidae; III. Fam. Pongidae – 1. Subfam. Proconsulinae, 2. Subfam. Dryopithecinae, 3. Subfam. Ponginae; IV. Fam. Hominidae – 1. Subfam. Oreopithecinae, 2. Subfam. Praehomininae (= Australopithecinae), 3. Subfam. Euhomininae. Hominoidensystem nach Kälin (1955): Superfam. Parapithecoidea; Fam. Parapithecidae; Superfam. Pongoidea, Fam. Hylobatidae, Fam. Dryopithecidae, Fam Pongidae; Superfam. Hominoidea, Fam. Australopithecidae, Fam. Hominidae, Fam. Oreopithecidae. 118 Vgl. hier ebenso die Arbeiten von T. Mollison, A. Portmann, A. H. Schultz oder H. Weinert. 117
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Schwanzwirbel, schwächere Ansatzleiste für den M. radiobrachialis […]), so handelt es sich hierbei gerade um jene Merkmale, die bei den Pongiden typische Differenzierungen infolge ihrer schwingkletternden Lokomotionsweise durchgemacht haben. Die Trennung der Pongiden- und Hominidenlinie dürfte deshalb zu einer Zeit erfolgt sein, als diese Spezialisation noch nicht (oder kaum) eingetreten ist (ebd.: 937).
Diese Auffassung überprüfte von Krogh anschließend noch mit den Ergebnissen der Serologie und der Entwicklung des Gehirns (Cerebralisation). Neben einer inhaltlichen Erweiterung (von 26 auf 34 Seiten) strebte von Krogh nun besonders im Bereich der morphologischen Merkmalsausprägungen der Primaten eine breitere Diskussionsbasis an und es gelang ihm besser als 1943, mit Hilfe neuerer Arbeiten die Primatenverwandtschaft des Menschen darzustellen.119 »Die Fossilgeschichte des Menschen«
Nach der mehr allgemeinen Hinführung zum Thema durch von Krogh, analysierte Gieseler nachfolgend wie schon 1943 in brillanter Weise die »Fossilgeschichte des Menschen«. Ein Thema, das den Verfasser angesichts des beträchtlich angewachsenen Fundmaterials vor Probleme stellte: Mir ist […] die Aufgabe gestellt, den Weg, den die Entwicklung zum Menschen und innerhalb der menschlichen Formen gegangen ist, auf Grund der fossilen Funde zu schildern (Gieseler 1959: 951–1109, Hervorhebungen im Orig.).
Gieselers über 159 Seiten gehender Exkurs, der Eugen Fischer zum 80. Geburtstag gewidmet war, stellt den umfassendsten Aufsatz des Teilkapitels IV dar. Er ist der beste komprimierte Überblick über das Thema jener Jahre. Zunächst erachtete Gieseler es als notwendig, dem Leser einen kurzen Überblick über die Entdeckungsgeschichte der fossilen Menschenformen zu geben, um so »manche Anschauungen und Lehrmeinungen« aus der geschichtlichen Entwicklung besser verstehen zu können und Fehlinterpretationen vorzubeugen. Daran schloß sich unmittelbar die ausführliche Besprechung der »fossilen Urkunden der menschlichen Stammesgeschichte« an. Im Gegensatz zu früheren Autoren wie beispielsweise Boule & Vallois (1952), die die Funde in ihrem Lehrbuch in chronologischer Reihenfolge, entsprechend des geologischen und prähistorischen Alters, angeordnet hatten, wählte Gieseler einen anderen, mehr methodologisch-systematischen Zugang. Er wollte von der Geschichte der Wissenschaft vom fossilen Menschen ausgehen (ebd.: 961). So begann Gieseler seine Schilderung mit dem europäischen Neandertaler aus der letzten Eiszeit und dessen Verhältnis zum Homo sapiens. Um die Frage ihrer gegenseitigen Stellung zu beantworten, wandte er sich ebenso den Menschenformen der letzten Warmzeit zu und schilderte getrennt die Funde, die als »Präneandertaler« bzw. als »Präsapiens«-Funde bezeichnet worden sind. Daran schloß sich die Beschreibung der »Neandertalartigen« aus Palästina an, die für das Neandertal-Sapiens-Problem Bedeutung besaßen: Da er bis auf eine Arbeit (1952) keinerlei eigene Forschungen an dieser Stelle mit einbringen konnte, trägt der Aufsatz mehr referierenden Charakter. Deshalb fragt sich, von Krogh war zudem nach 1945 stark politisch belastet, ob dieser Beitrag noch zeitgemäß war und man lieber auf einen Abdruck verzichtet hätte. 119
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Gleichgültig aber, ob man die Karmelmenschen als eine Kreuzung oder als zwei getrennte Gruppen auffaßt, eines wird durch sie auf jeden Fall bestätigt: die Existenz des Präsapiens im Nahen Osten. Die endgültige anthropologische Beurteilung und die sogenannte zeitliche Einreihung (ob letztes Interpluvial oder letztes Pluvial) müssen wir weiteren Ausgrabungen überlassen (ebd.: 1007, Hervorhebungen im Orig.).
Über die Schilderung der europäischen Frühfunde aus dem Mittel- und Altpleistozän wie des Calvariums von Steinheim an der Murr, der Schädelreste von Swanscombe und des Heidelberger Unterkiefers gelangte Gieseler schließlich zur Besprechung des zur damaligen Zeit stark angewachsenen Fundmaterials aus der Pithecanthropusund Sinanthropusgruppe: Zusammenfassend betonen wir nochmals die am Eingang dieses Abschnitts getroffene Feststellung: Pithecanthropus und Sinanthropus gehören zu einer primitiv-menschlichen Form. Diese läßt in der Gehirnentwicklung und in der Kiefer- und Zahngestaltung manche intermediäre Züge zwischen einem anzunehmenden allgemeinen, noch nicht differenzierten Menschenaffenzustand und den zeitlich darauffolgenden, jüngeren Menschenformen erkennen. Das Gliedmaßenskelett ist dagegen schon viel menschlicher entwickelt (ebd.: 1031, Hervorhebungen im Orig.).
Daran schlossen sich Verweise auf die zeitlich und morphologisch folgenden Ngandongfunde von Java an, gefolgt von denen der afrikanischen Fundgruppe der Rhodesier. Ebenso machte Gieseler einige wenige Bemerkungen zu den altpleistozänen Java-Funden von von Koenigswald und dem Gigantopithecus-Problem (Riesenformen). Ausführlich, da schon damals in seiner Bedeutung für die Entwicklung der Menschheitsgeschichte erkannt, ging Gieseler dann noch auf die südafrikanischen Funde der Australopithecinen ein, die eine »überragende Bedeutung« innerhalb des Fragenkomplexes über die Herkunft des Menschen (ebd.: 1098) erlangten, da sie in einigen morphologischen Zügen und in bestimmten Verhaltensweisen schon das Tier-Mensch-Übergangsfeld i. S. Heberers durchschritten hatten: So gehe ich in meiner Darstellung den Weg von den zeitlich jüngeren Menschenformen fortschreitend zu den geologisch älteren und zu den Funden der Australopithecinen (ebd.: 961).
Das Problem der Tertiärmenschen sowie eine Abschlußbetrachtung rundeten den mit zahlreichen Bilddokumenten, Schemata, Skizzen, Tabellen und Abbildungen versehenen Beitrag Gieselers wirkungsvoll ab. Ähnlich wie 1943 gab er als Ausblick: Die Funde des fossilen Menschen sind heute so zahlreich geworden, daß sie als knöcherne Urkunden im Bereich der menschlichen Abstammungslehre vor allen anderen Beweismitteln für die Entscheidung einer jeden Frage im Bereich der menschlichen Abstammungskunde herangezogen werden müssen. Nach den menschlichen Fossilien haben sich unsere Anschauungen über die Entwicklung der menschlichen Formen zu richten, nicht umgekehrt sind die fossilen Funde nach Überlegungen vergleichend-anatomischer oder embryologischer Art zu deuten (ebd.: 1100). »Die subhumane Abstammungsgeschichte des Menschen«
Der von Heberer in diesem Teil IV verfaßte Beitrag über die subhumane Abstammungsgeschichte ist vielleicht der originärste für eine Verbindung wissenschaftlicher Ergebnisse der biologischen Anthropologie mit Fragen der Kausalität der Evolution.
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Er ist als unmittelbarer Anschluß an seine Ausführungen über die »Theorie der additiven Typogenese« zu verstehen, wo er als einziger aller Autoren eingehend betont hatte: Im Verlaufe der neueren Entwicklung der Evolutionstheorie – die vielleicht heute am besten im Sinne Simpsons (1944, 1951 und 1953) als synthetische Theorie der Evolution bezeichnet wird – hat sich das sog. ›Makro-Mikrophylogenie-Problem‹ immer mehr in den Mittelpunkt der theoretischen Erörterungen geschoben. Es kann z. Z. als einer der wesentlichsten Fragenkomplexe der gegenwärtigen Phylogenetik angesehen werden (Heberer 1959a: 857).
Damit hatte sich Heberer eine Diskussionsbasis verfügbar gemacht, die es ihm im Gegensatz zu allen anderen Anthropologen im Sammelwerk ermöglichte, kausale Zusammenhänge der Menschheitsgeschichte zu hinterfragen und aufzudecken, zumal er später auch einer der wenigen Anthropologen Deutschlands war, der die Originalfunde vor Ort (insbesondere Afrika) prüfen und begutachten konnte: Es ist die Aufgabe dieses Beitrages, die heutige Situation innerhalb dieser Problemgruppe [Hominiden] zu schildern. Dabei ist es aber allerdings nicht möglich, das nichthominide Fundmaterial, das hierbei herangezogen werden muß, in extenso zu besprechen (Heberer 1959b: 1110).
Zunächst gab Heberer in seinem Beitrag einige Empfehlungen zur Einteilung der Phylogenie der Hominiden. Ein Jahr zuvor (1958) hatte er bereits eine klare Gliederung der Phylogenie der Hominiden vorgeschlagen, nach der diese mit der Entstehung der Euhomininen enden sollte und die seit ihrer »historischen Isolation« als Hominidae, eine Familie innerhalb der Superfamilie der Hominoidea, bezeichnet wurden. Die Eigenphylogenie der Hominiden unterteilte er – wie bereits mehrfach erwähnt – in drei Phasen: 1. subhumane Phase – von der Isolation bis zur Erreichung des Tier-Mensch-Übergangsfeldes (TMÜ), 2. TMÜ – den kritischen Übergangsabschnitt, sowie 3. humane Phase – vom TMÜ bis in die Gegenwart. Um nun diese eher schematischen Aussagen zu festigen, stellte Heberer seine Ansichten denen anderer Autoren (Prä-Brachiatorenhypothese, Frühpongidenhypothese oder Protokatarrhinenhypothese) gegenüber. In der ersten Hypothese sah man den Anzestor der Hominiden in differenzierten Brachiatorengestalten (schwingende Hangelkletterer) mit relativ langen Armen und relativ kurzen Beinen (vgl. die rezenten Pongiden); in der zweiten Hypothese rechnete man nicht mit »morphologisch ausdifferenzierten Brachiatoren«, sondern mit Formen, die im wesentlichen noch pronograd waren und einen Intermembralindex von ca. 100 besaßen. In der dritten und letzten Hypothese nahm man als Ausgangsformen keine Pongiden(ähnlichen), sondern präpongide Typen an. Nachfolgend verglich Heberer diese Hypothesen mit seinen Auffassungen und den vorliegenden fossilen Funden in einem Unterkapitel über die subhumane Phase der Hominiden-Phylogenie. Bemerkungen zum Tier-Mensch-Übergangsfeld beschlossen den Beitrag.120 »War für die subhumane Phase anatomisch der entscheidende Prozeß die Erwerbung des aufrechten Ganges und die Ausbildung des typisch hominiden Gebisses, so war für die humane Phase der entscheidende Prozeß die Cerebralisation. In dieser Hinsicht war mit dem Tier-Mensch-Übergangsfeld ein quantitativer Zustand erreicht, der eine Entscheidung ›noch subhuman‹ oder ›schon human‹ nicht sicher gestattet […] Wir können, sehr schematisch, drei Gruppen der Euhomininen unterscheiden: Die Archanthropinen (Pithec-Sinanthropus-Gruppe), die Paläanthropinen (Neandertal-Gruppe) und die Neanthropinen (Sapiens-Gruppe). Die speziellen phyletischen Zusammen120
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»Die Genetik der Rassenbildung beim Menschen«
Bei diesem Aufsatztitel fragt sich zunächst, ob er vom Thema her noch zeitgemäß war und in ein überarbeitetes Werk, das zum Großteil auf evolutionistischem Denken beruhte, gehörte. Schließlich argumentierten die Autoren des Beitrages 1959 noch größtenteils aus der Sichtweise der 1930er und 1940er Jahre (vgl. deren Literaturverzeichnisse), wo die serologischen Untersuchungen von Theodor Mollison (1936, 1938) zwar einerseits zu einem Umdenken in der Anthropologie geführt, andererseits aber eben auch rassenhygienisches Denken, erbbiologische Gutachten etc. den Alltag des Anthropologen bestimmt hatten. Aus ihrer Sicht seien zwar Mutabilität, Isolation, Populationsschwankungen, Gendrift, Bastardierung und die Selektion als (Evolutions)Mechanismen bekannt und hätten zur Evolution aller Lebewesen einschließlich des Menschen geführt. Letztlich stellten die Mutationen dabei aber lediglich das »Rohmaterial« dar und wären für die Rassenbildung beim Menschen nicht entscheidend: Für die Herausbildung menschlicher Rassen ist aber natürliche Auslese von entscheidender Bedeutung, wobei Mutationen das Material sind, das selbst nicht auf Anpassung gerichtet ist. Die Erhaltung von Mutationen und ihre Ausbreitung hängt aber in ausgedehntem Maße von der natürlichen Auslese ab (Reche & Lehmann 1959: 1145).
So findet sich also lediglich in der nun mit Wolfgang Lehmann (Kiel) neu verfaßten Einleitung evolutives Gedankengut. Anschließend referierten die Autoren im Hauptteil über das Problem der »Art- und Rassenbildung« anhand der oben erwähnten Evolutionsfaktoren. Zur Domestikation, Rolle von Mutationen und dem Auslesemechanismus im Evolutionsprozeß, Rolle und Veränderung von Haut- und Haarfarbe unter dem Einfluß des Klimas, den Blutgruppen usw. vertraten beide Autoren an einigen Stellen teilweise recht abenteuerliche Auffassungen: Es wäre z. B. möglich, daß bei einer wesentlichen und dauernden Änderung der Ernährung einer Population auf chemischem Wege Mutationen ausgelöst und u. U. die ganze Mutationsrate gesteigert werden könnte (Reche & Lehmann 1959: 1146)
oder Ständig auslesend wirken auf den Menschen klimatische Faktoren, sowohl die einzelnen, wie das Gesamtklima […] Durch die geschlechtliche Auslese können aber auch Merkmale, können Mutanten erhalten und gefördert werden – indem sie zum Schönheitsideal werden –, die ohne biologischen Auslesewert sind […] (ebd.: 1151, 1165; Hervorhebungen im Orig.) usw.
Bei anderen Argumentationen griff man – wie bereits angedeutet – auch auf bewährte Publikationen aus dem Dritten Reich zurück, so u. a. auf Reches Arbeit über die Neger (1943), bediente sich hier aber geschickterweise nur der Aussagen, die wertfrei und ideologieneutral waren und dem damaligen Zeitgeist noch entsprachen. Von 56 in der Literatur aufgeführten Arbeiten stammen 32 aus dem Zeitraum vor 1948. An einigen Stellen kann man sich deshalb des Eindrucks nicht erwehren, daß 1959 im Text nur bestimmte Begrifflichkeiten wie »dinarisch«, »ostisch« etc. ausgetauscht hänge dieser drei Gruppen sind uns zum größten Teil noch verborgen und bilden eines der interessantesten und drängendsten Probleme der gegenwärtigen phylogenetischen Paläoanthropologie« (Heberer 1959b: 1140; Hervorhebungen im Orig.).
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
wurden, so daß letzten Endes der Haupttenor der Aussagen von 1943 in etwas aufgestylter Form zum Wiederabdruck gelangte. Der Beitrag schließt nicht mit einer Zusammenfassung, sondern mit allgemeinen Bemerkungen zur »Gruppe der Mongoliden« (ebd.: 1189). Reches und Lehmanns Beitrag ist neben den Ausführungen von von Eickstedt der inhaltlich schwächste innerhalb des anthropologischen Teiles der zweiten Auflage. »Stammesgeschichte des Seelischen (Paläopsychologie)«
An die Stelle des 1943 von Hans Weinert verfaßten Beitrages über »Die geistigen Grundlagen der Menschwerdung« trat eineinhalb Jahrzehnte später die Abhandlung von Egon Freiherr von Eickstedt über die »Stammesgeschichte des Seelischen (Paläopsychologie)«. Warum dieser im Titel spiritistisch anmutende und thematisch fachfremde Beitrag aufgenommen wurde, konnte nicht recherchiert werden; eventuell wollte der Herausgeber so Forschungsschwerpunkte der Psychologie und Phylogenetik miteinander verbinden. Der Beitrag in dieser Form war jedenfalls für das hier zu behandelnde Thema irrelevant, wie schon einige Titelüberschriften aus den 12 Unterkapiteln beweisen: 1. Kernenergie und Psychenergie […] 3. Das psychophylische Übergangsfeld […] 7. Stufen der Numinotik, 8. Die greifbaren Reste […] 12. Der euhominine Rezensbeginn (ebd.).
Die aus seiner Sicht wesentlich neuen Gesichtspunkte zur Thematik »Evolution der Organismen« beschrieb er mit den Worten: Zum Deutungsansatz für eine Paläopsychologie wurde nicht das zivilisatorische Inventar der prähistorischen Kulturreste, sondern wurden die organologischen, die biopsychologischen Voraussetzungen gewählt, die allem Verhalten und Erleben notwendigerweise zugrunde liegen: das psychologische, nicht das zivilisatorische Indiz. Dann fügen sich zu den psychologischen Möglichkeiten die Reste zivilisatorischerZeugen, wie sich zum Schloß der Schlüssel fügt, um die Wesensformen der psychischen Menschwerdung wenigstens in ihren Grundzügen und modellhaft – mehr wird nie möglich sein – zu erschließen. Oder mit anderen Worten: Ausgangspunkt ist die genetische Staffelung jener Transformationsapparatur, die im terrestrischen Belebten die mikrophysikalisch-atomaren Wirkpotentiale des Kosmischen in ihre makrophysikalisch-terrestrischen Wirkeffekte überträgt – das neurokrine System (Eickstedt 1959: 1235, Hervorhebung im Orig.).
11.5.1.1 Ausblick zur zweiten Auflage
Am Ende bildete schließlich wie schon in der ersten Auflage jeder Einzelbeitrag ein völlig in sich abgeschlossenes Kapitel, zusammen ergaben sie aber wieder die vom Herausgeber angestrebte »folgerichtige Kette«: Es ist der Einsicht aller Mitarbeiter zu danken, daß es wiederum gelang, ein einheitliches Werk zu schaffen, in welchem die Ergebnisse des Theoretikers und des Praktikers, des Geophysikers, Geologen, Biochemikers, Zoologen, Paläontologen, Botanikers, Genetikers, Anthropologen und Psychologen, und last not least, des Philosophen ein harmonisches Gefüge bilden (Heberer 1959c: VIII).
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Es ist die Einschätzung Reifs zu teilen, daß bis auf Heberer die übrigen Autoren der zweiten Auflage die Synthetische Theorie weder implizit als neuartige Lösung alter evolutionärer Fragen noch explizit als eine neue Entwicklungsstufe der Evolutionstheorie wahrgenommen haben. So erreichte das Buch also bei weitem nicht – im Gegensatz zur Aktualität der ersten Auflage – den internationalen Diskussionsstand des Jahres 1959.121 Dennoch war es innerhalb der Genese der biologischen Anthropologie in der Mitte des 20. Jahrhunderts ein wichtiger theoretischer Meilenstein, zumal sich in den Zitationen (Gesamtliteraturverzeichnis) Evolutionstheoretiker und Anthropologen in etwa ein Gleichgewicht halten.122 Der anthropologische Abschnitt war innerhalb des Sammelwerkes wieder ein wichtiger Bestandteil hinsichtlich einer Synthese von einzelnen naturwissenschaftlichen Fachgebieten und deren Forschungsinteressen. Er reichte aber qualitativ bei weitem nicht an die verfaßten Mittelteile des Buches heran. Zudem läßt sich vermuten, daß es für die weitere Entwicklung der Evolutionsbiologie in Deutschland zu diesem Zeitpunkt sicher schädlich war, daß Heberer auf Autoren der ersten Auflage zurückgriff, auch wenn diese schwer belastet waren (v. a. Reche, von Krogh, Gieseler und auch Heberer selbst). So war die Evolutionsbiologie in Deutschland – im Gegensatz zur Anthropologie – nach 1945 weniger inhaltlich als personell mit der Hypothek der Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Regime belastet (Watson 1997). Eine ideengeschichtliche Verknüpfung von biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie hatte es nur an einigen wenigen Stellen gegeben, so daß eine umfassende und generelle Neudefinierung/Neustrukturierung der biologischen Anthropologie aus evolutionsbiologischer Sicht (auch weil Ergebnisse der modernen Genetik und Physiologie kaum Berücksichtigung fanden) nur bedingt erfolgte. Eine neue Perspektive blieb zunächst aus.
11.5.2 Die Evolution der Organismen (1967–1974)
Dass 100-jährige Jubiläum des Erscheinens von Haeckels Hauptwerk Generelle Morphologie der Organismen (1866) nahm Heberer schließlich zum Anlaß, eine dritte, neu bearbeitete Ausgabe seines Sammelwerkes vorzulegen. Es waren wieder 10 Jahre »Wie schon in der ersten Auflage überließen es fast alle Autoren dem Artikel von Heberer selbst, sich über die entscheidende Frage zu äußern, nämlich ob es eigene makroevolutionäre Gesetzmäßigkeiten gebe oder nicht. Nicht nur, weil einige Autoren beim Erscheinen der zweiten Auflage nicht mehr lebten, macht das Werk insgesamt keinen sehr dynamischen, sondern einen überwiegend deskriptiven Eindruck. Die einzelnen Autoren waren durchaus mit der internationalen Literatur der Nachkriegszeit in ihrem eigenen Spezialgebiet vertraut, hatten aber überwiegend keine Einsicht in die Einheit und Dynamik der Evolutionstheorie und Evolutionsbiologie. Mehrere äußerten durchaus Bedenken gegen das reduktionistische Postulat der Synthetischen Theorie (Mutation, Rekombination, Isolation, Drift und sonst nichts, auch keine makroevolutionären Eigengesetze; herausragende Rolle des Zufalls), geben aber eher Agnostizismus zu, als sich auf Internalismus, Orthogenese oder Saltationismus festzulegen« (Reif 2000: 370). 122 Vgl. z.B. R. Broom (31), W. E. Clark (31), R. A. Dart (32), C. Darwin (52), T. Dobzhansky (48), E. Fischer (27), E. Haeckel (31), J. B. S. Haldane (19), G. Heberer (102), J. S. Huxley (29), C. H. R. v. Koenigswald (40), W. Ludwig (37), E. Mayr (24), T. Mollison (22), B. Rensch (53) usw. 121
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seit Abschluß der zweiten Auflage (Juni 1959) vergangen, so daß er und seine Mitautoren die wissenschaftlichen Ergebnisse des zurückliegenden Zeitraumes von neuem sichten und auswerten mußten. Auch die dritte Auflage sollte sich grundlegend von den vorhergehenden Auflagen unterscheiden und die Herausgabe sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Krankheitsbedingte Ausfälle und der Tod einzelner Kollegen sorgten auch dieses Mal für Veränderungen in der Autorenschaft, so mußten beispielsweise Egon Freiherr von Eickstedt und Otto Reche ersetzt werden: An ihre Stelle aber traten jüngere Kräfte, die der Herausgeber hier im Kreise der Mitarbeiter dankbar begrüßt. Nicht zuletzt ihrer verständnisvollen Mitarbeit ist es zu verdanken, daß wiederum ein Werk entstanden ist, das, im Ganzen gesehen, wie aus einem Guß erscheint. Wir haben uns wie in den früheren Auflagen bemüht, die Probleme der Evolution, wenn auch nicht lückenlos, so doch in relativer Abrundung durch befähigte Spezialkenner aus dem deutschsprachigen Raum darzustellen. Wir hoffen, daß die außerordentliche Verbreitung der allgemeinen wie auch der spezielleren Beurteilungen eindrucksvoll herausgearbeitet worden ist (Heberer, Vorwort, 1967: IX).
Als Gliederung ergab sich für die dritte Auflage, die über einen Zeitraum von sieben Jahren erschien, auch in Anlehnung an die vorhergehenden Bände, folgender Aufbau.123 Band I (1967) – I. Teil. Zur allgemeinen Grundlegung, II. Teil. Geschichte der Organismen I. Teil – Zur Geschichte der Abstammungslehre. Mit einer Erörterung von Vor- und Nebenfragen (Klaus Günther, S. 3–60), Methoden der Evolutionswissenschaft (= Phylogenetik) von W. Zimmermann (S. 61–160), Geochronologie als Zeitgerüst der Phylogenie (Wilhelm Simon & Hans Joachim Lippolt, S. 161–237), Paläontologie als stammesgeschichtliche Urkundenforschung (Emil Kuhn-Schnyder, S. 238–419), Vergleichende Verhaltensforschung und Phylogenetik (Wolfgang Wieser, S. 420–508). – II. Teil Probleme der Lebensentstehung und der frühesten Evolution (R. W. Kaplan, S. 511–550), Die Geschichte der Pflanzen (Karl Mägdefrau, S. 551–588), Die Geschichte der Tiere (Adolf Remane, S. 589–677). Band II/2 (1971) – Die Kausalität der Phylogenie (2) Die phylogenetischen Abwandlungen der Ontogenesen (Bernhard Rensch, S. 1–28), Domestikation und Stammesgeschichte (Wolf Herre & Manfred Roehrs, S. 29–174), Die Entstehung der Kulturpflanzen als Modell für die Evolution der gesamten Tierwelt (Franz Schwanitz, S. 175–300). Band II/1 (1974) – Die Kausalität der Phylogenie (1) Genetik und Evolutionsforschung bei Pflanzen (Franz Schwanitz, S. 1–189), Genetik und Evolutionsforschung bei Tieren (Herbert Luers, Karl Sperling & B. Vier Bände mit 2340 Seiten, unterteilt in Band I (754 S., erschienen 1967) + Band II/2 (349 S., erschienen 1971) + Band II/1 (476 S., erschienen 1974) + Band III (661 S., erschienen 1974). 123
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Erich Wolf, S. 190–363), Die Selektionstheorie (Wilhelm Ludwig, S. 364–394), Theorie der additiven Typogenese (Gerhard Heberer, S. 395–444). Band III (1974)- Phylogenie der Hominiden Die Stellung der Hominiden im Rahmen der Säugetiere (Dietrich Starck, S. 1–131), Die subhumane Abstammungsgeschichte der Menschheit (Gerhard Heberer, S. 132–170), Die Fossilgeschichte des Menschen (Wilhelm Gieseler, S. 171–517), Rassenevolution beim Menschen (Ilse Schwidetzky, S. 518–571), Die stammesgeschichtlichen Grundlagen menschlichen Verhaltens (Irenäus EiblEibesfeldt & Konrad Lorenz, S. 572–624). Entsprechend dem Umfang liegt mit der dritten auch die zugleich inhaltlich umfassendste Auflage vor. Nachfolgend sollen von den neu aufgenommenen Artikeln nur diejenigen erwähnt werden, die wirkliche evolutionstheoretische Bedeutung haben und für das hier zu behandelnde Gesamtthema relevant sind. Ebenso wird wieder umfassend auf den anthropologischen Teil hingewiesen. Walter Zimmermanns Beitrag von 100 Seiten über die »Methoden der Evolutionswissenschaft« im Band I von 1967 lieferte zunächst das theoretisch-methodologische Grundgerüst der in der Evolution der Organismen zu findenden Argumentationsstränge. Aufbauend auf den Ausführungen in seinem Evolutionsbuch von 1953 legte Zimmermann zunächst nochmals den Zusammenhang zwischen Geschichte und Methode innerhalb der Evolutionsforschung dar. Daran anschließend diskutierte er wichtige Grundmethoden der Evolutionswissenschaft (= Phylogenetik) und definierte Evolution oder Phylogenetik als Naturvorgang bzw. als eine »Transformation der Organismen in Gestalt und Lebensweise, wodurch (in Ahnenreihen) die Nachfahren andersartig als die Vorfahren werden« (Zimmermann 1967: 87). Verweise auf spezielle phylogenetische Forschungsmethoden sowie auf die Methoden der Ursachenforschung rundeten seine Argumente ab. Den Prozeß der Evolution hinterfragte er kausalanalytisch und unterteilte ihn in sechs Spiral-Phasen: die (Momentan-) Phasen der Mutation, der Erbübertragung, des Sexualaktes, der Phänogenese, der Selektion und der Artgrenzbildung (Speziation, Taxa-Limitation). Die einzelnen Zeitdifferentiale zwischen den Phasen sollten minimal sein und auch die Faktorenzusammenhänge sich unterscheiden. Bemerkungen zu den Grundeigentümlichkeiten des Lebens und der Phylogenie beschlossen den Beitrag. Als Endergebnis seiner Ausführungen formulierte er: Phylogenetik und Evolutionsforschung können nur mit phylogenetischen Methoden, mit unbedingter Blickwendung auf den Vorgang des phylogenetischen Wandels in seinem natürlichen hologenetischen Rahmen betrieben werden (Zimmermann 1967: 153).
Die Originalität von Zimmermanns Beitrag liegt weniger in der Präsentation neuer exakter Erkenntnisse der damaligen Zeit als vielmehr in dem Bewußtmachen der historischen Traditionslinien innerhalb der Beschäftigung mit Fragen der Evolution, dem Aufzeigen von Widerständen (seine Aktualität reicht bis zu Trofim D. Lyssenko; ebd: 83), Grenzen in der Evolutionsforschung sowie der Benennung von noch anstehenden Problemen:
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Sie [die Evolutionsforschung] kann nicht als Anhängsel an andere Wissenschaften wie Systematik, Erbforschung oder Paläontologie so nebenher, sozusagen nach Feierabend, betrieben werden. Nein, die hohe Aufgabe der Phylogenetik und Evolutionsforschung, ihre Schlüsselstellung zu letzten Problemen der Biologie, legt besondere methodische Verpflichtungen auf. Vor allem muß eine Wissenschaft, die den Einklang der gesamten Naturwissenschaft herbeiführen soll, auch völlig naturwissenschaftlich ausgerichtet sein, d. h. die Phylogenetik und Evolutionsforschung müssen ihre mystisch-vorphylogenetische Vergangenheit restlos überwinden (ebd.: 153).
Für das generelle Thema der Evolution war ferner im ersten Band der molekularbiologische Beitrag von R. W. Kaplan (Frankfurt a. M.) zu Problemen der Lebensentstehung und frühester Evolution von Interesse, ein Thema, zu dem Kaplan schon zuvor mehrfach publiziert hatte (Kaplan 1958, 1963, 1965). Als molekulare Basis der Lebensgrundprozesse charakterisierte und beschrieb er drei Prozeßsysteme (Stoffwechsel, Reproduktion, Erbwandel). Ebenso diskutierte Kaplan anhand neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse einige Hauptschritte der Evolution, wie die Entstehung von C–Verbindungen als Bausteine der Makromoleküle, die Bildung lebenswichtiger Makromoleküle aus den Bausteinen, die Entwicklung der Replikation der Nukleinsäuren und die gegenseitigen Kopplungen von Nukleinsäure- und Proteinsynthese als Schlüsselprozesse der »Urzeugung« sowie die früheste Evolution »langsam lebender Systeme« aus Nukleinsäuren und Proteinen durch Mutation und Selektion (Kaplan 1967: 524 ff.). In einem Schema dokumentierte er schließlich die hypothetischen zeitlichen Phasen der Lebensentstehung (ebd.: 542). Mit Bemerkungen zu »Möglichkeiten andersartigen Lebens« schloß der Beitrag. Mit der durch Kaplan vertretenen Thematik rückte die Molekularbiologie weiter ins Blickfeld der evolutiven Forschung, obwohl er z. T. nur die damals bekannten Sachverhalte kompilierend dargestellt hatte. Länger als es sich Herausgeber und Bearbeiter gewünscht hatten, wurde dann das Erscheinen des zweiten Bandes verzögert. Zudem ergab sich die Notwendigkeit, »den Band II des Sammelwerkes […] in zwei Teile zu zerlegen und zunächst den vorliegenden Band II/2 erscheinen zu lassen« (Heberer, Vorwort 1971: V). Über die Gründe hierfür konnte im einzelnen nichts recherchiert werden. Dieser 1971 erschienene Halbband besteht aus drei sehr speziell gehaltenen Aufsätzen, die vom Themenspektrum sehr heterogen sind, umfassen sie doch Fragen der Ontogenese (B. Rensch), behandeln den Zusammenhang von Domestikation und Stammesgeschichte (W. Herre & M. Roehrs) oder zeigen die Entstehung der Kulturpflanzen als Modell für die Evolution der gesamten Pflanzenwelt (F. Schwanitz) auf. Für das vorliegende Thema sind sie nur insofern relevant, als sie die Vielfalt und damalige Relevanz derartiger evolutionsbiologischer Themenstellungen aufzeigen. Gedankengut der Synthetischen Theorie wird auch nicht diskutiert. Am 13. April 1973 starb Heberer in Göttingen. Damit stellte sich die Frage, was mit den beiden anderen geplanten und in Arbeit befindlichen Bänden geschehen würde. Es ist u. a. das Verdienst von Wilhelm Gieseler und Christian Vogel, mit der Herausgabe des zweiten Halbbandes II/1 sowie des Bandes III (1974), einen entscheidenden Schritt zur Vollendung der dritten Auflage des Gesamtwerkes getan zu ha-
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ben.124 Der zweite Halbband II/1 war der Kausalität der Phylogenie gewidmet und enthielt vier wichtige Beiträge für das Verständnis von Evolutionsforschung. Der Tradition des Sammelwerkes folgend wurden zunächst das Verhältnis von Genetik und Evolutionsforschung bei Pflanzen (durch F. Schwanitz) und bei Tieren (H. Luers, K. Sperling & B. E. Wolf) diskutiert. Schwanitz’ 189 Seiten umfassender Beitrag verband die damaligen theoretischen Überlegungen mit den praktischen Resultaten der genetischen Forschung. Die von ihm zitierte und eingearbeitete internationale Literatur ist gewaltig, sie umfaßt 1232 Titel (!). Im Abschnitt II seines Beitrages stellte Schwanitz ausführlich die Ursachen der Formenmannigfaltigkeit dar, thematisierte die Mutabilität der Gene als Evolutionsfaktor, die Bedeutung der Chromosomen und Chromosomenmutationen für die Evolution, die Genommutationen als Evolutionsfaktor und zeigte ebenso Wege der Vermehrung der DNS-Menge in der Evolution auf. Hier wird eine deutliche Argumentationserweiterung im Wissen gegenüber seinen Ausführungen von 1943 deutlich. Auch die Bedeutung der extrachromosomalen Elemente der Vererbung wie des Plasmas und der darin befindlichen Strukturen wie Plastiden oder Mitochondrien finden Erwähnung; dies komplettierte gleichzeitig die Forschungen aus den 1940er Jahren zu diesem Thema (Hoßfeld 1999d, e). Als Ursachen für eine Formenbeschränkung nennt Schwanitz die Auslese, die genetische Drift und die Isolation. Abschließend betonte er, daß auch nach seinen Forschungen zu konstatieren ist, daß prinzipiell zwischen der Ebene der Mikro- und Makroevolution keine Unterschiede bestehen: Wir haben z. B. gar keinen Grund für die gelegentlich geäußerte Annahme, daß die Merkmale dieser höheren Einheiten nicht durch den Kern, sondern durch das Plasma übertragen werden. Solange nicht das Gegenteil erwiesen ist, dürfen wir annehmen, daß die genetischen Ursachen der Merkmalsbildung hier keine anderen sind als bei Varietäten und Arten (Schwanitz 1974: 149).
Mit Bemerkungen zur Adaptiogenese und Phylogenese sowie zur Evolution und dem Irreversibilitätsgesetz schließt der Beitrag. Der nachfolgende Aufsatz von Herbert Lüers, Karl Sperling & Erich Wolf über das Verhältnis von Genetik und Evolutionsforschung bei Tieren ist nach dem Beitrag von Schwanitz mit 173 Seiten und den Ausführungen von W. Gieseler (346 Seiten) der dritte sehr umfassende innerhalb dieser Auflage. Für eine Diskussion moderner evolutionsbiologischer Ergebnisse im Sinne der Synthetischen Theorie ist er der originärste und bedeutendste. Die Autoren, der Tradition des Bauer & Timoféeff Aufsatzes aus der ersten Auflage folgend, begannen zunächst ihre Ausführungen mit Bemerkungen zum Weg der Entstehung der Synthetischen Theorie und benannten als Ziel vorliegender Arbeit, den »heutigen Inhalt der ›Synthetischen Theorie‹ sichtbar zu machen […].« Weiter liest man: Retrospektiv faßte Gieseler das Verdienst Heberers als Herausgeber und Autor in die Worte: »Wenn einmal wieder eine Neuauflage dieses Werkes notwendig werden sollte, dann wird auch mancher der jetzigen Mitarbeiter daran nicht mehr teilnehmen können. Unser Wunsch ist es heute, daß dann als Planer und Motor für die Zusammenarbeit neuer Kräfte eine ebenso kenntnis- und ideenreiche Persönlichkeit zur Verfügung steht, wie sie in Gerhard Heberer von uns gegangen ist« (Heberer, Vorwort, 1974: VI). 124
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Unabhängig von den mehr äußerlichen Fragen einer Etikettierung der Komponenten einer modernen Synthese sei festgehalten, daß sich die Theorie der Kausalität der Evolution auf zwei Faktorenkomplexe stützt. Der eine ist umweltgebunden, der andere ist erbgebunden. Beide werden dadurch wirksam, daß sie an den elementaren Evolutionseinheiten, den Populationen, angreifen und Veränderungen in ihrem Genbestand, dem Genpool, bewirken (Lüers, Sperling & Wolf 1974: 192).
Vorliegender Aufsatz beeindruckt wie der Beitrag von Schwanitz durch das vielfältig zusammengetragene Tatsachenmaterial, durch eine klare Linienziehung und Stringenz der Argumentation, die umfassend verarbeitete internationale Literatur sowie die geschickte Verbindung von Historie und Fachforschung. Vier Schwerpunkte werden von den Autoren behandelt: I. Die genetische Variabilität als Evolutionsgrundlage (Mutationsprozeß, Rekombinationsprozeß), II. Die genetischen Unterschiede niederer und höherer systematischer Einheiten (Sippenbildung, Kreuzungsanalyse zwischen Rassen und Arten, transspezifische Karyotypenanalyse), III. Evolutionsfaktoren (Mutabilität, Zufallswirkung, Isolation, Selektion) und IV. die Evolution als komplexer Vorgang (Rassen- und Artbildung). Evolution stellt sich nach Auffassung der Autoren als komplexer Vorgang dar, in den alle vier von ihnen besprochenen Evolutionsfaktoren (s. o.) hineinspielen, wobei ihr relativer Anteil an den natürlichen Prozessen aber sehr unterschiedlich sein kann: Zusammenfassend läßt sich sagen: in die synthetische Theorie der Evolution gehen die vier abgehandelten Evolutionsfaktoren ein, weitere Faktoren sind nicht bekannt (Lüers et al. 1974: 334).
An anderer Stelle heißt es weiter: […] kann gesagt werden, daß unsere Einsichten in die genetischen Prozesse, welche den intraspezifischen und den interspezifischen evolutiven Differenzierungserscheinungen zugrunde liegen, einen hohen Stand erreicht haben. Die Fortschritte der letzten Dezennien sind besonders auf die neueren Erkenntnisse zur genetischen Dynamik der Populationen, über die Cytogenetik der höheren Tiere einschließlich der Säuger und des Menschen und in den ersten Ansätzen der Anwendung molekulargenetischer Erkenntnisse auf dem Felde der Evolutionsforschung gegründet (ebd.: 346).
Die Fortschritte in der experimentellen Genetik der damaligen Zeit rechtfertigen einen solchen Umfang und man muß lange suchen, um gleichwertige Übersichtsabhandlungen in derart guter Komprimiertheit zu finden. In der Endkonsequenz kam es aber nicht zu einer interdisziplinären Übertragung und Anwendung dieser Ergebnisse in den Nachbardisziplinen (wie der biologischen Anthropologie). Hans-Joachim Belitz’ Beitrag über die Selektionstheorie steht schließlich in der Tradition der früheren Ausführungen von Wilhelm Ludwig zu diesem Thema. Auch Belitz anerkennt die richtunggebende Rolle der Selektion im Evolutionsprozeß. Aus diesem Grund sei die »eingehende theoretische Betrachtung gerade dieses Evolutionsfaktors von besonderem Interesse« (Belitz 1974: 364). Im Gegensatz zu Ludwigs Ausführungen (1943/1954–59) integriert er in seine Untersuchung aktuelle populationsmathematische/statistische Berechnungen, die nochmals graphisch die behandelten Sachverhalte dokumentieren und veranschaulichen. Der Beitrag ist im Sinne des Gedankengutes der Synthetischen Theorie verfaßt, was auch die zitierte Literatur unterstreicht.
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Mit Heberers Beitrag über die »Theorie der additiven Typogenese«, von Christian Vogel redigiert, wurde schließlich erneut eine Brücke zwischen den verschiedenen biologischen Fachgebieten geschlagen, obwohl zu Beginn noch einmal die besondere Rolle der Genetik im Evolutionsprozeß herausgestellt wurde: Die Experimentalgenetik hat, vorwiegend als Populationsgenetik, in ständig tiefer dringender Analyse den Ausbau der synthetischen Theorie der Evolution weiterhin in großem Ausmaße vervollkommnet, und diese Vervollkommnung ist in z. T. genauer Darstellung von Lüers, Wolf, Sperling und Belitz und von der botanischen Seite von Schwanitz dargestellt worden […] Die Vorgänge der Art- und Rassenbildung haben außerdem in dem schönen synthetischen Werk von Ernst Mayr [Animal Species and Evolution] eine klare und in allen wesentlichen Punkten auch eindeutige Darstellung gefunden (Heberer 1974a: 395).
Nach nochmaligen Bemerkungen zum Typusbegriff, zum Verhältnis von Typenproblem und Paläontologie (wie schon 1943 und 1959) diskutierte Heberer anschließend den »aktuellen Evolutionsmechanismus als mögliche Grundlage der Gesamt-Phylogenie« und sah hier seine bereits 1943 geäußerten Auffassungen bestätigt: Es scheint daher in der Tat, als ob die experimentelle Phylogenetik mit der Analyse des aktuellen Evolutionsmechanismus die Grundzüge der Kausalität der Evolution überhaupt erst erfaßt hat. Demnach darf die Theorie der additiven Typogenese, die strenggenommen den Begriff der Typogenese selbst auflöst, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen. Es dürfte deshalb angebracht sein, die Ausdrücke Mikro- und Makro(Mega)evolution bzw. -phylogenie ganz fallenzulassen und in Zukunft nur noch von der Phylogenie und dem Evolutionsmechanismus zu sprechen (ebd.: 440, Hervorhebungen im Orig.).
Im gleichen Jahr (1974) wie der Halbband II/1 war noch der umfassende 3. Band der dritten Auflage zum IV. Themenkomplex »Phylogenie der Hominiden« erschienen. Der Band umfaßte fünf Beiträge, geschrieben von sechs Autoren, wobei Ch. Vogel erneut für die Redigierung des zweiten Beitrages von Heberer verantwortlich zeichnete. »Die Stellung der Hominiden im Rahmen der Säugetiere«
Zu diesem Thema konnte als Nachfolger von Christian von Krogh der Evolutionsmorphologe Dietrich Starck gewonnen werden. Wie Starck richtig und eingehend betonte, war die Klärung der Phylogenie der Primaten und des Menschen in erster Linie von der Auswertung des fossilen Fundmaterials abhängig; auch mußten die Daten rezenter Primatenforschung mit den Daten der Paläontologie im Einklang stehen. Nur so war es möglich, verläßliche Aussagen zur Herkunft der Menschen zu treffen. Daneben spielten aber auch Ergebnisse der rezenten Primatenforschung wie aus der vergleichenden Morphologie, Ethologie, Serologie u. a. eine Rolle. Es war also Starcks Ziel, aufbauend auf seinen wissenschaftlichen Fachgebieten, eine Synthese des Wissens anzustreben. Von Krogh hingegen hatte dieses Thema nur in physiologische und morphologische Schwerpunkte unterteilt. Starck wendete sich nach den einleitenden Bemerkungen zunächst der Systematik der Primaten zu und diskutierte hier verschiedene Vorschläge einzelner Autoren. Daran anschließend folgten Ausführungen zum »Tupaia-Problem«, ein seiner Ansicht nach für dieses Thema zentrales systematisches Problem. Unter den rezenten Säugetieren hatte man den Tupaiidae eine Zwischenstellung zwischen Insektenfres-
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sern und Primaten zugeschrieben. Die Zwischenstellung begründete sich dadurch, daß die Tupaiidae zwar keine echten Ahnen rezenter Primaten waren, es sich aber dennoch um echte Reliktformen handelte, die modellmäßig zeigten, wie solche Zwischenformen organisiert waren (Starck 1974: 5). Zusammenfassend bemerkte er dazu: Die Tupaiidae sind sehr primitive Eutheria, vielleicht die primitivsten unter den rezenten Gruppen […], die dem basalen Stamm sehr nahe stehen. Sie haben zweifellos eine sehr lange Eigengeschichte und haben eigene Anpassungen und Spezialisationen erworben. Unter diesen ist die Ausbildung eines relativ hohen Neencephalisationsgrades hervorzuheben […] Wir halten eine klassifikatorische Einbeziehung der Tupaioidea als Unterordnung in die Ordnung Primates für vertretbar […] (ebd.: 15).
Lokomotionstypen, Extremitäten, Körperproportionen, Schädel, Gehirnentwicklung, äußere Nase, Ernährungsorgane und Ernährung, Geschlechtsorgane und Fortpflanzung, Frühentwicklung und Placentation, Karyologie und Parasitologie, Molekularbiologie und das Fetalisationsproblem (L. Bolk) waren Stichworte, die nachfolgend mehr oder weniger umfassend abgehandelt wurden. Hier zeigte sich besonders gut die vergleichend synthetisierende Herangehensweise des Autors. Theoretisches Wissen aus der Systematik, Evolutionsbiologie usw. und aktuelle Feldstudien wurden so sinnvoll miteinander verbunden, wodurch der Beitrag inhaltlich gewann. Ein von Starck gewählter besonderer methodologisch-inhaltlicher Zugang, wie ihn von Krogh aufgrund seiner Ausbildung, nicht hatte wählen können.125 »Die subhumane Abstammungsgeschichte der Menschheit«
Wie schon in der zweiten Auflage trägt der Beitrag Heberers den Titel »Die subhumane Abstammungsgeschichte der Menschheit«. Aufgrund seines Todes 1973 hatte Ch. Vogel die letzte Revision des Beitrages übernommen (Heberer 1974b: 132 Fußnote 1). Im wesentlichen stimmt der Beitrag mit den Ausführungen und Argumentationen von 1959 überein, wobei allerdings neues Bildmaterial und aktuellere Literatur Eingang fanden. Der Aufsatz ist in der dritten Auflage vor dem Beitrag von Gieseler platziert und sollte anscheinend die von Starck angeführten Argumente weiter abrunden. Wie bereits erwähnt, bewegte sich die inhaltliche Diskussion vorwiegend auf Verwandtschafts- und Strukturebene, wobei genetische Teilergebnisse ebenso Beachtung fanden.
»Die Frage nach der ›Stellung der Hominiden im Rahmen der Säugetiere‹ kann heute aufgrund der morphologischen Befunde, die wir ausführlicher dargelegt haben, mit einem großen Grad von Sicherheit beantwortet werden. Die Befunde der karyologischen und immunbiologischen Untersuchungen fügen sich gut in dieses Bild ein […] Treten in einzelnen Teilfragen noch Widersprüche zwischen den verschiedenen Disziplinen hervor, so bedarf es kritischer Abwägung und Analyse derselben. Kein einziges Verfahren kann beanspruchen, allein für sich eine definitive Antwort in Fragen der Stammesgeschichte geben zu können. Alle beteiligten Disziplinen zusammen liefern das Material, mit dem die Phylogenetiker arbeiten und stammesgeschichtliche Beziehungen rekonstruieren müssen […] Sorgfältige Prüfung führt in der Regel zur Aufklärung der Widersprüche« (Starck 1974: 116). 125
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»Die Fossilgeschichte des Menschen«
Gieselers Aufsatz, 346 Seiten umfassend und G. H. R. von Koenigswald, dem »tatkräftigen Förderer der Paläanthropologie« zum 70. Geburtstag gewidmet, trägt den gleichen Titel wie schon in den Auflagen zuvor. Der Umfang des Beitrages war in der dritten Auflage aber so enorm angewachsen, daß allein ein eigenes Buch zur Fossilgeschichte hätte erscheinen können. Gegenüber 1959 ist der Beitrag um fast 200 Seiten erweitert, zeigt also damit schon quantitativ an, daß das fossile Material in den zurückliegenden 15 Jahren seit dem Erscheinen der zweiten Auflage enorm angewachsen war. Für eine Geschichte der biologischen Anthropologie und Evolutionsbiologie ist der Aufsatz insofern interessant, da sich mit Hilfe einer Analyse von Gieselers Ausführungen aus den drei Auflagen z. T. parallele Entwicklungswege innerhalb dieser Disziplinen zwischen 1943 und 1974 nachvollziehen lassen. Auch noch 1974 bemerkte Gieseler zur Brisanz des Themas: Wir gehen von der für den wissenschaftlich geschulten Biologen selbstverständlichen Voraussetzung aus, daß die Abstammungslehre auch für den Menschen gilt. Dieser Ausspruch mag manchen, auch unter den Nichtbiologen, heute überflüssig erscheinen. Wenn man sich aber an die Angriffe erinnert, die früher gegen die allgemeine Abstammungslehre und im besonderen die des Menschen erfolgt sind, dann darf dieser Satz wohl auch in der Gegenwart noch ausgesprochen werden […] Die menschliche Stammesgeschichte ist mit jener der Affen der Alten Welt zu einem Teil verknüpft; aus ihrer Mitte erfolgte die Entwicklung zum Menschen (Gieseler 1974: 171).
Wie schon in den Auflagen zuvor hatte sich Gieseler die Aufgabe gestellt, den Weg der menschlichen Entwicklung aufgrund des fossilen Fundmaterials zu schildern, wollte dabei aber auf Bemerkungen zu den mannigfachen vergleichend-anatomischen, embryologischen und serologischen Befunden verzichten. Ähnlich wie im Fall von Heberer ist auch bei Gieselers überarbeitetem Aufsatz ein Anwachsen der Literatur sowie das Einstreuen von neuem Bildmaterial zu verzeichnen. Die Einleitung, eine Analyse der fossilen Urkunden der menschlichen Stammesgeschichte, Bemerkungen zum Problem des Tertiärmenschen sowie eine Zusammenfassung bildeten auch dieses Mal den Rahmen des Beitrages; wobei aber insbesondere die ersten beiden Abschnitte inhaltlich durch die Neubearbeitung gewannen (vgl. hier besonders die Unterabschnitte »M. Die Australopithecinen« sowie »N. Telanthropus und das Problem der Habilinen«). Trotz aller Ausführlichkeit in der Darstellung war sich Gieseler der Tatsache bewußt, daß nach wie vor nur wenig »Urkundenmaterial« in die Forschungen mit einbezogen werden konnte, verglich man dieses mit den relativ großen Zeitabschnitten sowie den weit voneinander entfernten Räumen der Alten Welt, aus denen fossile Hominiden bekannt waren. Dennoch ermöglichten die damaligen und heutigen vorliegenden fossilen Hominidenfunde, die stammesgeschichtlichen Beziehungen nachzuzeichnen und klarere Vorstellungen über verschiedene Fragen der Menschheit darzulegen. Hier gab Gieseler 1974 der Hoffnung Ausdruck: Soweit es sich dabei um die morphologischen Merkmale handelt, ist anzunehmen, daß die Hominisation nicht durch einen einmaligen, in sich zeitlich eng begrenzten großen Schritt erfolgte, sondern einen lang dauernden Vorgang darstellte, der sich wohl in kleinen Schritten
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
vollzog. Nach den modernen evolutionsgenetischen Vorstellungen ist nichts anderes zu erwarten (ebd.: 499).
Des weiteren benötige die Paläoanthropologie aus seiner Sicht zur weiteren Klärung der Fossilgeschichte des Menschen in erster Linie vollständigere Skelettreste fossiler Hominiden. Auch solle sich die Frage der Anschauung über die Entwicklung des Menschen in erster Linie nach den fossilen Resten richten und nicht nach »Überlegungen vergleichend-anatomischer oder embryologischer Art« (ebd.: 500). Mit diesen Äußerungen bewegte sich Gieseler nach wie vor in nunmehr veralteten Denkstrukturen, wie sie 1943 in der Erstauflage noch sichtbar gewesen sind. »Rassenevolution beim Menschen«
Als Ersatz für Egon von Eickstedt war dessen Schülerin Ilse Schwidetzky in der dritten Auflage nun in das Autorenkollegium nachgerückt. Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen stand die »Rassenevolution des Menschen«. Zunächst fragt sich, wenn man den Titel liest, ob ein solcher Beitrag – ähnlich dem von Reche (1959) – überhaupt noch zeitgemäß war und in ein solches Sammelwerk zur Evolutionsbiologie paßte. Zur Begründung liest man: Für den Anthropologen waren sie [Rassen] immer ein Hauptgegenstand des Interesses gewesen, und von jeher standen neben den Fragen einer beschreibenden Systematik auch die nach dem ›Wie‹ der Rassendifferenzierung. Der Aufstieg der experimentellen Evolutionsgenetik hat aber der Rassenforschung am Menschen eine breitere biologische Basis gegeben, die anthropologische Fragestellung aus ihrer Isolierung gelöst und ein klareres Bild der Evolutionsmechanismen vermittelt, als es an Homo selbst gewonnen werden konnte. Kann man doch mit ihm nicht experimentieren, und die biologischen Vorgänge sind bei Homo häufig durch seine besondere Natur so stark überlagert, abgeändert und kompliziert, daß ihre Analyse sehr schwierig ist, wenn man nicht die Modelle einfacherer Vorgänge vor Augen hat (Schwidetzky 1974: 518, Hervorhebungen im Orig.).
Da sich Homo spec. für eine Analyse der Evolutionsfaktoren als ungeeignetes Objekt erwiesen hatte, rückte Schwidetzky deshalb Fragen nach den speziellen Evolutionsabläufen (z. B. Rassensystematik) innerhalb der Geschichte der Menschheit in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Aufbauend auf den erzielten Erkenntnissen bei der geographischen Differenzierung der Art Homo sapiens wollte sie nachfolgend die Kausalfaktoren der Differenzierung (Entstehung geographischer Merkmalsunterschiede, Einzelmerkmale) hinterfragen. Dieses sollte dann als Grundlage für eine Betrachtung der komplexen Vorgänge bei der Entstehung von Rassen dienen. Schwidetzkys Abschnitt »Evolution geographischer Merkmalsunterschiede« unterteilt sich entsprechend ihrer Zielstellung in Ausführungen über Pigmentation, Haarform und Haardichte, physiognomische Merkmale, Größen- und Proportionsmerkmale und serologische Merkmale. Bei diesen Teilkomplexen und den darin behandelten Merkmalsgruppen gab aus ihrer Sicht die geographische Differenzierung die deutlichsten Hinweise auf bestimmte Selektionsmechanismen (ebd.: 542). Was die Zeitreihen hingegen betraf, konnten anhand der genannten Merkmale keine Aussagen zur historischen Konstruktion des Ablaufes der Evolution gegeben werden. Für zwei Merkmale stellte sie aber dennoch einen Vergleich zweier Vorgänge an. Beim ersten Vorgang handelte es sich um den der Grazilisation, der Abnahme der
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
459
Knochenderbheit seit dem Paläolithikum, beim zweiten um den der Brachykephalisation. Mit Bemerkungen zu den komplexen Vorgängen der Rassenbildung schloß Schwidetzky ihren Beitrag. Insgesamt vertrat sie die Auffassung, daß die meisten Erörterungen über Evolutionsmechanismen bei der Entstehung der Menschenrassen noch am Anfang stünden und sich auf dem »Niveau von bestenfalls Arbeitshypothesen« bewegten (ebd.: 563). Dennoch habe man mit der Überprüfung der Hypothesen begonnen und auf einigen Gebieten schon Erfolge erzielt, so bei den Klimaregeln, den Blutgrupppen und den Infektionskrankheiten: »Die evolutionsgenetische und bevölkerungshistorische Analyse zusammen werden am ehesten weitere Ergebnisse erwarten lassen« (ebd.: 563). Zusammenfassend läßt sich bemerken, daß der Beitrag in der Tradition der von Eickstedt begründeten (Breslauer/Mainzer) Schule steht. Knapp dreißig Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges war aus Sicht von Schwidetzky und Heberer anscheinend die Zeit wieder gekommen, sich der »menschlichen Rassenproblematik« zu stellen (vgl. auch später die von ihr postulierte »Neue Rassenkunde«). Ob allerdings ein Sammelband für Evolutionsbiologie dafür der richtige Ort gewesen ist, muß bezweifelt werden. Störend wirkte sich ebenso aus, daß neben dem massiven Zurückgreifen auf anthropologische Literatur des Dritten Reiches ebenfalls dort erstelltes Bildmaterial wiederabgedruckt wurde. Es findet sich keinerlei Querverweis zur politischen Dimension des Themas, was angesichts der Titelwahl verwundert. »Die stammesgeschichtlichen Grundlagen menschlichen Verhaltens«
Die Aufnahme des biologischen Fachgebietes Ethologie in das Sammelwerk hatte seit 1943 Tradition, so daß dieses auch in der letzten Ausgabe nicht fehlen durfte. Für das Thema »biologische Anthropologie« ist der Aufsatz insofern relevant, da er aufgrund neuer Erkenntnisse die stammesgeschichtlichen Grundlagen menschlichen Verhaltens untersucht. Der Beitrag paßt aber thematisch nicht in den letzten Band, da dieser fast ausschließlich der Paläo-Anthropologie gewidmet ist. Der Beitrag wurde schon 1967 abgeschlossen, die Fahnenkorrektur erfolgte aber erst 1972 durch die Autoren (Eibl-Eibesfeldt & Lorenz 1974: 572, Fußnote). Gründe hierfür konnten nicht recherchiert werden.
11.5.2.1 Ausblick zur dritten Auflage
Mit dem Erscheinen des dritten Bandes 1974 war auch der letzte Band der Trilogie über Die Evolution der Organismen erschienen. Die zwischenzeitlich angewachsene Stoffülle hatte es dem Herausgeber nicht leicht gemacht, die anfangs angestrebte Homogenität in der Betrachtung aufrechtzuerhalten. Ebenso mußten wie in den Jahren zuvor Autoren ausgetauscht werden. Am Ende bildete aber schließlich jeder Beitrag ein in sich abgeschlossenes Kapitel, zusammen die vom Herausgeber angestrebte »folgerichtige Kette«. Auch hier ist die Einschätzung Reifs (s. o.) zu teilen, daß bis auf Heberer sowie Lüers, Sperling & Wolf die übrigen Autoren der dritten Auflage sich kaum für die Syn-
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
thetische Theorie interessierten, noch implizit deren Aussagen als neuartige Lösung alter evolutionärer Fragen ansahen bzw. explizit als eine neue Entwicklungsstufe der Evolutionstheorie wahrgenommen haben. Biologische Anthropologie präsentierte sich hier wiederum als Teil einer Rassen(individuen)forschung/Paläoanthropologie ohne Populationsforschung, Neurobiologie etc. Dennoch war der anthropologische Teil ein wichtiger Bestandteil des Gesamtwerkes, auch vom Umfang her, gab aber eben keine Entwicklungstendenzen und neue Perspektiven für das Fach vor. Hier ragten qualitativ eben die evolutionsgenetischen Ausführungen von Schwanitz und Lüers, Sperling & Wolf heraus, die sich auf eine andere wissenschaftliche Tradition beriefen: Es waren die großen und klassischen biologischen Wissenschaftszweige wie die Biogeographie, die Morphologie und die Anatomie, beide ausgedehnt auf die Embryologie und dazu besonders die Paläontologie, welche sich mir ihren deskriptiven und vergleichenden Methoden nach 1859 dem Evolutionsproblem verschrieben hatten (Lüers, Sperling & Wolf 1974: 191).
Die Anthropologie, Ethologie und auch die aufkommende Neurobiologie (Eibl-Eibesfeldt 1973, Eccles 1982 usw.) fehlen immer noch in dieser Aufzählung, sollten aber bereits zu jener Zeit zentrale Forschungsinhalte liefern! 11.5.3 Die Evolution der Organismen – eine Trilogie (1943–1974)
Mit dem Zuwachs an fachlichem Wissen in der Evolutionsbiologie und Anthropologie hatte auch der Umfang der einzelnen Bände des Sammelwerkes im Laufe der Zeit zugenommen. Das wird besonders hinsichtlich der erzielten Fortschritte in der anthropologischen und evolutionsbiologischen Forschung zwischen den 1940er und 1970er Jahren deutlich. War noch 1943 innerhalb des Sammelwerkes nur ein Teilkomplex (IV) der Anthropologie gewidmet, erschien dreißig Jahre später dazu ein separater Band. Da Heberer als Alleinherausgeber wirkte und somit das Gesamtwerk stets im Blickfeld seiner synthetischen Bestrebungen behalten mußte, war an einigen Punkten diese Arbeit sicherlich mit zunehmendem Alter von ihm nicht mehr physisch zu bewältigen. Zudem hatte er wissenschaftlich auch keine originären Arbeiten seit dem Ende der 1950er Jahre mehr vorgelegt, sondern vorwiegend kompilatorisch gearbeitet (Hoßfeld 1997). Die jeweiligen Autoren im Werk waren aber bestrebt, entsprechend dem aktuellen Forschungsstand ihr Thema zu bearbeiten. Während es im deutschen Sprachraum kein vergleichbares Werk zu jener Zeit gab, das im Sinne der Synthetischen Theorie verschiedene biowissenschaftliche Disziplinen und deren Gedankengut vereinte, gestaltete sich die Rezeption des Buches im internationalen Bereich unterschiedlich. Nachfolgend wurden im Science Citation Index (SCI) die Zitationen für die drei erschienenen Auflagen der Evolution der Organismen ermittelt:
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
461
SCI-Jahre
1943 (1. Aufl.)
1954–59 (2. Aufl.)
1967–1974 (3. Aufl.)
1945–1954
4
-
-
1955–1964
1
7
-
1965–1969
-
15
5
1970–1974
-
-
3
1975–1979
-
-
2
1980–1984
1
3
3
1985–1989
3
-
-
1990
-
-
-
Gesamt
9
25
13
Durch diese Zahlenangaben wird deutlich, daß die erste Auflage aufgrund ihres Erscheinens im Weltkrieg auch nach 1945 kaum rezipiert worden ist. Die internationale Wahrnehmung erfolgte erst in der Mitte/Ende der 1950er Jahre (Blütezeit der Synthese, Zeit des Darwin-Jubiläums), als neben dem anlaufenden Schriftentausch nach dem Krieg auch deutsche Wissenschaftler wieder ungehinderten Zugang zu internationalen Zeitschriften, Büchern sowie Kongressen etc. hatten und Mitglied in wissenschaftlichen Vereinigungen werden konnten.126 Über die Jahrzehnte hinweg beteiligten sich insgesamt 64 Autoren am Gesamtwerk, wobei in allen drei Auflagen nur G. Heberer, Wolf Herre, W. Gieseler, Bernhard Rensch und Franz Schwanitz vertreten waren. Das Sammelwerk umfaßt drei Auflagen mit sieben Bänden und insgesamt 4439 Druckseiten.127 Generell wurde aber eine maßgebende Initiative (wie 1863) hinsichtlich der Etablierung und Festigung der biologischen Anthropologie von diesen Autoren einhundert Jahre später verschlafen. Als Verlag konnte über den gesamten Zeitraum der durch unterschiedliche politische Verhältnisse geprägt war, der Gustav Fischer Verlag (Jena/Stuttgart) gewonnen werden. Für die Geschichte der biologischen Anthropologie ist die Trilogie über Die Evolution der Organismen wichtig, da es das einzige Werk in dieser Größenordnung in der Mitte des 20. Jahrhunderts war, das anthropologische und evolutionsbiologische Befunde miteinander zu verbinden suchte, somit neben Rudolf Martins LehrUnter den Zeitschriften im SCI, die Heberers Buch zitierten, sind beispielsweise zu finden: Die Naturwissenschaften, Heredity, Experientia, Journal of Palaeontology, Zeitschrift für Pflanzenzüchtung, Science, Anatomischer Anzeiger, Zeitschrift für Morphologie der Tiere, Journal of the History of Biology, Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie, Primatologia, Homo usw. 127 In den 1940er Jahren war neben Heberers Buch noch ein weiteres Werk in Deutschland erschienen, das unmittelbar als theoretischer Meilenstein der Synthetischen Theorie bezeichnet werden kann. Es handelt sich um das 1947 von B. Rensch herausgegebene Buch Neuere Probleme der Abstammungslehre. Es erschien später noch in zwei weiteren Auflagen und wurde 1959/60 nach Empfehlung von Dobzhansky sogar ins Englische übersetzt. 126
462
Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
buch (in dritter Auflage 1957–1966) zu einem wichtigen Standardwerk im deutschen Sprachraum avancierte. Es wurden zudem in Gänze die aktuellsten Forschungen auf diesen beiden Gebieten referiert und in übersichtlicher Form präsentiert. Gleichzeitig dokumentiert die Trilogie aber auch ein Stück deutscher Wissenschaftsgeschichte im Zeitraum vom Dritten Reich bis in die Mitte der 1970er Jahre, der Zeit des Kalten Krieges. Dem Werk kommt deshalb zentrale Bedeutung für die Beurteilung des Wissensstandes jener Zeit zu. Dennoch muß konstatiert werden, daß sich in jenen Jahren die Anthropologie im Blick zurück von ihrer Zukunft bereits verabschiedete.
11.5.4 Menschliche Abstammungslehre – Fortschritte der »Anthropogenie«, 1863–1964
Neben der Trilogie erschien noch ein weiteres Werk, das in ähnlicher Weise den Stellenwert der biologischen Anthropologie innerhalb des Gesamtgefüges der Evolutionsbiologie dokumentierte, indem es inhaltlich auf 100 Jahre menschliche Abstammungslehre zurückblickte. Wie im 5. Kapitel bereits ausgeführt, hatte das Jahr 1863 für die Geschichte der menschlichen Abstammungslehre sowie Etablierung der biologischen Anthropologie als Wissenschaft besondere Bedeutung: Es erschien daher als eine Verpflichtung, das seitdem vergangene Jahrhundert human-phylogenetischer Forschung in seinen Ergebnissen zu umreißen. Im Jahre 1962 fand in Gießen das erste primatologische Symposium statt. Es stand, wie sein Einberufer, Helmut Hofer – Frankfurt a. Main, ausdrücklich betonte, auch im Zeichen des Gedenkens an das genannte [Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, 1863] Gründungswerk der Primatologie und seines Verfassers Thomas Henry Huxley (Heberer 1965a: VII, Vorwort).
Heberer, der an diesem Symposium teilnahm, hatte daraufhin die Idee, mit der Herausgabe eines Sammelwerkes dieses Jubiläum zu würdigen. Zudem waren aus seiner Sicht alle wichtigen deutschsprachigen Fachwissenschaftler der damaligen Zeit in Gießen vertreten, so daß diese bereits als Autoren vor Ort von ihm gewonnen werden konnten. So entstand retrospektiv ein Band, in dem viele Beiträge internationales Niveau besaßen, das Themenfeld der biologischen Anthropologie öffentlichkeitswirksam präsentierten und »speziell der deutschen Anthropologie zur Ehre [gereichten]« (ebd.). Auch im anglo-amerikanischen Sprachraum erschienen, entsprechend der Festlegung des Gründungsdatums einer biologischen/physical Anthropologie/ anthropology, »Festschriften« (Penniman 1965, Brew 1968, Spencer 1982). Das Sammelwerk Menschliche Abstammungslehre erschien später als ursprünglich geplant, anstatt 1963 erst im Jahre 1965. Als Publikationsort wählte man wiederum den in Stuttgart ansässigen Gustav Fischer Verlag. Der Band umfaßte 10 Beiträge, hatte den Umfang von 481 Seiten und als Autoren finden sich Anatomen, Anthropologen, Morphologen und Zoologen. Neben Heberer, der mit zwei Beiträgen vertreten war, beteiligten sich Günther Bergner (Berlin), Adolph H. Schultz (Zürich), Dietrich Starck (Frankfurt a. M.), Helmut Hofer (Frankfurt a. M.), Benno Kummer (Köln), Adolf Remane (Kiel), Gottfried Kurth (Göttingen) und Michael Landmann (Berlin).
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
463
Der Band vereinigt neben wissenschaftshistorischen Aufsätzen (Heberer, Bergner, Remane) auch vergleichend-anatomische und morphologische Studien (Starck, Hofer, Kummer) sowie rein systematische Arbeiten über die biologische Anthropologie (Schultz, Heberer, Kurth, Landmann). Nach den zwei einleitenden wissenschaftshistorischen Beiträgen zur Geschichte der Evolutionstheorie (Heberer 1965a) sowie über die Geschichte der menschlichen Phylogenetik seit 1900 (Bergner 1965) gab A. H. Schultz einen umfassenden Überblick über die rezenten Hominoidea, basierend auf seinen eigenen Forschungen (40 eigene gegenüber 77 Titeln anderer Autoren im Literaturverzeichnis) und weniger auf Grundlage der neuesten Literatur. Im Mittelpunkt standen Äußerungen zur Körpergröße und den Proportionen, den Merkmalen des äußeren Baues, dem Skelett, zu Altersveränderungen, Geschlechtsunterschieden und zur Variabilität. Wissenschaftlich Neues bot hingegen der sich anschließende Beitrag von D. Starck über die Evolution des menschlichen Gehirns, einem bis dahin vernachlässigten Themengegenstand innerhalb der biologischen Anthropologie: Die morphologische Evolution des Gehirns der Säugetiere ist eindeutig an der Entfaltung des Neopalliums und des Neocerebellums abzulesen. Diese Hirnteile sind für den Morphologen die maßgebenden Indikatoren für die Beurteilung der Evolutionshöhe (Starck 1965b: 109).
Seiner Meinung nach ließ sich innerhalb der Hominidenreihe eine zunehmende Evolution nachweisen, auch wenn Endocranialausgüsse keine Aussage über das Windungsbild gestatteten (ebd.: 140). Starcks Aufsatz, der alle damals aktuellen Arbeiten zu diesem Thema referiert, ist als erster Entwurf seiner späteren umfassenden Ausführungen (Starck 1974) in der dritten Auflage der Evolution der Organismen zu werten (s. o.; z. B. Tupaia-Problem usw.). Anschließend unternahm H. Hofer in seinem Beitrag den Versuch, den menschlichen Schädel morphologisch zu interpretieren. Aufgrund der begrenzten Seitenzahl konnte er aber nur einige kennzeichnende Merkmale des Schädels (Schädelkyphosen, Aufbau und Außenform des Schädels) diskutieren, zumal diese Thematik bereits 1965 durch eine unübersichtliche Literatur präsentiert wurde und ein geschichtlicher Rückblick zeigte, daß diese bereits seit 100 Jahren in vergleichend-anatomischen und morphologischen Diskussionen eine Rolle gespielt hatte. Zusammenfassend bemerkte er: In einer frühen, simischen Evolutionsphase, die noch tetrapod gewesen sein dürfte, erfolgte die Umorientierung des Gesichts-Kieferschädels in die subcerebrale Lage, nachdem bereits lange vorher die Frontalwendung der Augen statthatte. In einer späteren, nach meinem Dafürhalten frühen pongiden bzw. subhumanen Evolutionsphase erfolgte die Erwerbung der Orthogradie, für die die Lage des Gesichtsschädels, der in die neue Bewegungsrichtung wies, nur vom Vorteil war. Über ein australopithecoides Stadium – die bekannten Australopithecinae sind als Modellformen aufzufassen –, führte der Weg der Evolution zu der Gattung Homo. Innerhalb dieser Gattung setzte die Entfaltung des Gehirns ein, die sicher in einzelnen Etappen erfolgte; der letzte Schritt war die Entwicklung des Stirnhirnes. Das Gehirn, im besonderen das Großhirn, bestimmt die Gestalt des Neuralschädels, die in der Form unter allen Primaten nur dem Menschen zukommt (Hofer 1965: 218; Hervorhebung im Orig.).
Zusammen mit dem Beitrag von Starck wurde somit ein solider kompilatorischer Überblick über die Evolution und Morphologie des menschlichen Gehirnes gegeben.
464
Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Nach den Bemerkungen von B. Kummer über mechanische Probleme der Aufrichtung der Hinterextremitäten des Menschen (Kummer 1965), schloß sich schließlich der umfassende Beitrag von Remane zur Geschichte der Menschenaffen an (Remane 1965). Hier diskutierte Remane einige mögliche eozäne Vorfahren der Anthropomorphen oder Simiae, beschrieb die Eigenwege der Cynomorpha und Anthropomorpha, ging näher auf Pliopithecus Gervais, Limnopithecus Hopwood, die miozänen und pliozänen Pongiden wie Sivapithecus africanus und Kenyapithecus wickeri sowie die tertiären, indischen und diluvialen Pongiden ein. Auch Remane konnte mit seinen dargelegten vergleichend-anatomischen Befunden die enge Beziehung von Hominidae und Pongidae deutlich machen. Heberer referierte hingegen in seinem Beitrag, den er Ernst Mayr zu dessen 60. Geburtstag widmete, den systematischen Ort und physisch-psychischen Status der Australopithecinen, einer »Schlüsselgruppe« innerhalb der humanphylogenetischen Forschung jener Jahre. Im Jahre 1961 hatte er dann sogar die Gelegenheit, auf zwei Afrikareisen das gesamte fossile Fundmaterial des Transvaal-Museums (Pretoria) und im Department of Anatomy der Witwatersrand-University bzw. der BernhardPrice-Foundation (Johannesburg) bei J. T. Robinson und R. A. Dart studieren zu können. Auf Exkursionen, wie 1961 mit L. S. B. Leakey nach Olduvai, lernte er auch die entsprechenden Fundorte kennen. Diese Erfahrungen ermöglichten es ihm, seine praxisnahen Forschungen auf den Entwicklungsgang der Menschheit zu übertragen. Nach einigen nomenklatorischen Bemerkungen zum systematischen Ort der Australopithecinen, wandte sich Heberer dann ausführlich dem physischen Status dieser Gruppe zu. Hier diskutierte er das bis dahin zusammengetragene Material und übertrug dieses letztlich auch auf den psychischen Status, denn schließlich stamme von Darwin die treffende Bemerkung, »daß Intelligenz nicht in Kubikzentimetern gemessen werden könne« (Heberer 1965b: 351). G. Kurth schloß unmittelbar mit seinen Bemerkungen zu den (Eu)Hominen an das zuvor Gesagte an, indem er gleich zu Beginn nochmals auf den heuristischen Wert einer wissenschaftlichen Verbindung von biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie verwies: Vergleichen wir das wissenschaftliche Jeweilsbild über eiszeitliche Vollmenschenbelege aus der Zeit vor gut hundert Jahren mit unserem gegenwärtigen Kenntnisstand, so zeichnen sich retrospektiv Vertiefung und Verbreitung unserer Materialbasis besonders deutlich ab, zugleich mit einem vielfältigen Wandel unserer Auffassungen. An diesem aber können wir ablesen, wie entscheidend für das moderne Bild die Konzeption der »Synthetischen Theorie der Evolution« geworden ist. Erst die bewußte Zusammenschau aller nur greifbaren Kriterien aus den verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen ermöglichte es uns endlich, den ständig reicher werdenden Bestand an Fossilbelegen zu unserer Abstammungsgeschichte immer wieder neu zu gliedern und den Aussagewert der erfaßten Merkmalskombinationen wie der Begleitfunde Schritt für Schritt erneut gegeneinander abzuwägen und abzugrenzen (Kurth 1965: 357).
Das sind Worte eines Fachanthropologen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts so nicht typisch waren. Mitte der 1950er Jahre aber, in der sogenannten Blütezeit der Synthetischen Theorie, schien das synthetische Gedankengut allgemein von breiten Teilen der scientific community Anerkennung gefunden zu haben. Mit Ausführungen zu Datierungsmöglichkeiten, der Stellung von Fossilbelegen in Zeit und Raum und zu den Großgruppen der (Eu)Homininen untermauerte Kurth letztlich seine zu
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Beginn aufgestellten Thesen. Zudem legte er (neben Heberer) ein Schema über die Gliederung der (eu)homininen Fossilbelege in Raum und Zeit mit detaillierten, dem damaligen Kenntnisstand gemäßen Benennungen, in deutscher Sprache vor: Mayr, der 1950 weit mehr Einzelangaben bringen zu können glaubte, hat sich 1962 allein dahingehend festgelegt, daß er für das Genus Homo nur noch zwei unterscheidbare Species, Homo erectus und Homo sapiens für annehmbar erachtet und darunter mit vielen Rassen arbeitet (Kurth 1965: 417, Hervorhebungen im Orig.).
M. Landmanns knappe theoretische Überlegungen zum Menschen als Evolutionsglied beschließen den Band. Der Sammelband Menschliche Abstammungslehre. Fortschritte in der »Anthropogenie«, 1863–1964 war damit ebenso wie Die Evolution der Organismen für eine Popularisierung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse aus den Fachgebieten der biologischen Anthropologie und Evolutionsbiologie in Deutschland bedeutsam. Neben der darin zu findenden historischen Komponente wurden auch hier stets Bezüge zur aktuellen Fachforschung gesucht sowie eine Sichtung und Einarbeitung internationaler bioanthropologischer Forschungsergebnisse vorgenommen.128
11.5.5 Evolutionsbiologie mit/ohne biologische Anthropologie
Spezifisch anthropologische Themen wurden in den frühen englischsprachigen Schriften der Synthetischen Theorie aus den 1930er und 1940er Jahren – Dobzhansky (1937), Mayr (1942), Huxley (1942) und Simpson (1944) – völlig ausgespart. Auch Huxleys Sammelband The New Systematics (1940) enthält keinen anthropologischen Beitrag. In dem von G. L. Jespen, E. Mayr und G. G. Simpson edierten Sammelband Genetics, Paleontology, and Evolution (»for the Committee on Common Problems of Genetics, Paleontology, and Systematics, of National Research Council«, 1949)129 fehlt ebenso noch die biologische Anthropologie. Anders war die Entwicklung in Deutschland verlaufen. Aus dem unmittelbaren wissenschaftlichen Umfeld Heberers zeigte neben diesem selbst dann später noch sein Kollege Bernhard Rensch (1900– 1990), Mitarchitekt der Synthetischen Theorie, ein spezielles Interesse an dieser Thematik und publizierte 1959, im »Darwin-Jahr«, ein humanphylogenetisches Buch mit dem Titel Homo Sapiens – Vom Tier zum Halbgott. Rensch war Zoologe, Malakologe (Molluskenforscher), Evolutionsbiologe und Biophilosoph. Zudem vereinigte er in seinem Werk geschichtliches Werden und moderne Erkenntnis zu einem universalen naturwissenschaftlichen und philosophischen Weltbild. Er gilt neben Heberer als weiterer Vertreter, der zumindest in seiIn diese Thematik und Zeit lassen sich auch noch zwei weitere im deutschen Sprachraum veröffentlichte Festschriften einreihen, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Sie erschienen anläßlich des Darwin-Jubiläums, dem 100-jährigen Jubiläum des Erscheinens der Origin of Species. Es handelt sich um Hundert Jahre Evolutionsforschung, herausgegeben von Gerhard Heberer & Franz Schwanitz (1960) – bei Gustav Fischer in Stuttgart sowie die in Jena stattgefundene Arbeitstagung zu Fragen der Evolution, herausgegeben vom Jenaer Botaniker Otto Schwarz (1960) und bei Gustav Fischer in Jena erschienen. 129 Grundlage war die Tagung vom 2. bis 4. Januar 1947 in Princeton. 128
466
Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
nem späteren wissenschaftlichen Lebenswerk – wenn auch nur einmal – den Versuch wagte, Evolutionsbiologie, Primatologie, Ethologie und Anthropologie miteinander zu verbinden. Seine Bibliographie umfaßt 21 Bücher (z. T. in mehreren Auflagen und Sprachen erschienen) sowie 240 Originalpublikationen.130 Er hat im Laufe seiner Lehrtätigkeit 85 Doktoranden betreut. Zahlreiche Forschungs- bzw. Vortragsreisen führten ihn zudem in die verschiedensten Länder und auf fast alle Kontinente der Erde, so 1933 nach Bulgarien, 1951 Australien und die USA, 1953 Indien, 1963/64 Japan, Malaysia und Indien sowie 1968 auch nach Ostafrika. Er war (Ehren-) Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Organisationen/Gesellschaften und bekam für sein Lebenswerk viele Auszeichnungen überreicht. Seit 1980 wird jährlich mit einer »Bernhard-Rensch-Vorlesung« seiner gedacht. Das wissenschaftliche Interessengebiet von Rensch war außerordentlich breit. Es umfaßte Themengebiete wie die Probleme der Art- und Rassenbildung (in der Malakologie, Ornithologie), die Zoogeographie, Tierökologie, Sinnes- und Nervenphysiologie, Tierpsychologie, Evolutionsbiologie, Anthropologie, Biophilosophie und Kunst. An dieser Stelle soll nur kurz auf sein Interesse an Fragen zur Herkunft der Menschen näher eingegangen werden, da in letzter Zeit die Verdienste von Rensch, u. a. auch aus Anlaß seines 100. Geburtstages, vielfach anderenorts breiter gewürdigt worden sind.131 Im Jahre 1959 erschien im Göttinger Verlag Vandenhoeck & Ruprecht seine 189 Seiten umfassende humanphylogenetische Studie über Homo Sapiens, die J. Huxley gewidmet war und in den folgenden Jahren noch zwei weitere Auflagen (2. Aufl., S. 225, 1965; 3. Aufl., S. 231, 1970) erleben sollte.132 Aufbauend auf seinem breiten biologischen Wissen und völlig wertneutral, versuchte er in sieben Kapiteln133 Fragen wie »Wer sind wir Menschen? Wie kam es zu unserem Werden gerade auf diesem Planeten? Wohin führt unsere Geschichte?« (ebd.: 5) usw. zu beantworten: Soweit wie möglich sollen sich die Betrachtungen dabei auf reines Tatsachenmaterial gründen, in erster Linie auf paläontologische, vergleichend-psychologische und kulturgeschichtliche Feststellungen […] Verschiedene Gedankengänge des vorliegenden Buches knüpfen an ein KaAn bedeutenden Werken sind zu erwähnen: Das Prinzip geographischer Rassenkreise und das Problem der Artbildung (1929), Eine biologische Reise nach den Kleinen Sunda-Inseln (1930), Neuere Probleme der Abstammungslehre. Die transspezifische Evolution (1947), Psychische Komponenten der Sinnesorgane. Eine psychophysische Hypothese (1952), Homo Sapiens (1959), Biophilosophie auf erkenntnistheoretischer Grundlage (1968), Das universale Weltbild (1977), Probleme genereller Determiniertheit allen Geschehens (1988). 131 Vgl. Haffer (1997c), Hoßfeld (1998a), Dücker et al. (2000), Junker (2001b), Hoßfeld & Junker (2001, 2009), Popov & Hoßfeld (2001), Levit et al. (2008), Kolchinsky (2012), Droste (2012), Hoßfeld (2013), Wuketits (2015). 132 Im Jahre 1972 erschien eine englische Übersetzung: Homo sapiens. From Man to Demigod. Transl. By C. A. M. Sym. 228 pp. London (Methuen), New York (Columbia University Press). In den Jahren 1980 und 1985 folgten dann noch eine spanische (Homo sapiens. De animal a semidiós. Madrid (Allianza Editorial) sowie eine portugiesische (Homo sapiens. De animal a semideus. Lisboa (Editorial Presenca). 133 Vgl. 1. Das Problem »Mensch«, 2. Körperliche Stammesgeschichte des Menschen, 3. Geistige Stammesgeschichte des Menschen, 4. Biologische Aspekte der menschlichen Kulturentwicklung, 5. Die biologische Sonderstellung des Menschen unter den Lebewesen, 6. Die Zukunft des Menschen, 7. Sub species aeternitatis. 130
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
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Abb. 53: Schema der stammesgeschichtlichen Beziehungen fossiler Menschen und Vormenschen. In: Rensch, Bernhard: Homo sapiens, 1959, S. 39.
pitel über die Ascendenz des Menschen in meinem Buch ›Neuere Probleme der Abstammungslehre‹ an (ebd.: 6).
Nach allgemeinen Äußerungen zur Stellung des Menschen in der Natur, einem Rückblick auf die Geschichte sowie einer referierenden Darstellung der aktuellen Forschungsbasis zur körperlichen und geistigen Stammesgeschichte der Menschen gelang es Rensch schließlich, Biologie und Kultur (vgl. hier auch den Ansatz von M. J. Schleiden) miteinander zu verzahnen: Auch eine Reihe von Regeln der tierischen Evolution läßt sich für die Kulturgeschichte als gültig erweisen. Die Kulturgeschichte und damit ganz allgemein die menschliche Geschichte läuft also nicht regellos ab, sondern folgt spezifischen Gesetzen und fügt sich somit in die allgemeine Weltgesetzlichkeit ein […] Die Kulturentwicklung verlief deshalb und verläuft noch heute zwangsläufig auf Grund des Auslesegesetzes im Sinne einer Höherentwicklung (ebd.: 104–5).
Bemerkungen zur Sonderstellung des Menschen und zu seiner Zukunft134 runden das Buch ab. Kausalgesetzlich und biophilosophisch schließt er: »Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und Gott war der Logos« (ebd.: 179). Diese sind teilweise im eugenischen Tenor verfaßt: »Eine intensivere Vermischung selbst fernstehender Rassen, wie z. B. Neger und Weißer, wird in Zukunft in immer stärkerem Maße einsetzen 134
468
Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Diese Aussagen können und müssen auch im direkten Zusammenhang mit seinen Schimpansenversuchen gesehen werden. Hier war das Ziel der theoretischen und praktischen tierpsychologischen Arbeit, die graduelle phylogenetische Entwicklung jener psychischen Phänomene darzustellen, die letztlich zu den für den Menschen typischen Fähigkeiten führ(t)en (Psychophylogenese). Im Anschluß und Umfeld an die Tagung in Princeton 1947 legten dann aber auch im anglo-amerikanischen Raum einige Architekten der Synthetischen Theorie Abhandlungen zum Thema »Herkunft der Menschen« vor. So veröffentlichte J. Huxley 1947 seine Studie The Uniqueness of Man; folgte 1949 G. G. Simpsons The Meaning of Evolution (Ders., »The biological nature of man« – 1968); äußerte sich E. Mayr 1950 in einem Aufsatz über Taxonomic Categories in Fossil Hominids bzw. publizierte T. Dobzhansky einige Beiträge wie »On Species and Races of Living and Fossil Man« (1944), Heredity, Race, and Society (1946), Evolution – Genetics – and Man (1957), Mankind Evolving (1962), »The possibility that Homo sapiens …« (1963) usw. In einer deutschen Übersetzung des Dobzhansky Buches (1957), die bereits ein Jahr später unter dem Titel Die Entwicklung zum Menschen. Evolution, Abstammung und Vererbung von F. Schwanitz herausgegeben wurde, heißt es zur Zielsetzung: Es wurde versucht, dort wo es nur möglich war, Beispiele vom Menschen zu bringen und die Beziehung der besprochenen Fragen zu menschlichen Problemen aufzuzeigen. Die einstmals weit verbreitete Ansicht, daß der Mensch für biologische und genetische Studien höchst ungeeignet sei, verliert mehr und mehr an Geltung (Dobzhansky 1958: 2).
Ähnlich präzis äußerte sich Dobzhansky auch im Vorwort zur deutschen Ausgabe seines 1962 erschienenen Buches, die 1965 von G. Heberer unter dem Titel Dynamik der menschlichen Evolution. Gene und Umwelt herausgegeben wurde: Obgleich seit der Erstveröffentlichung dieses Buches relativ wenig Zeit verstrichen ist, sind mittlerweile in der Genetik und Evolutionslehre des Menschen beträchtliche Fortschritte erzielt worden […] Viel ist auf diesem Feld erreicht worden, seit Darwin zum ersten Mal gezeigt hat, daß der Mensch ein Teil der Natur ist, und doch sind wir noch immer am Anfang des Weges zu einem wirklichen Verständnis. Dieses Buch ist der Versuch, auf diesem Wege einige Wegweiser zu sichten (Dobzhansky 1965: 10–11).
Mit solchen Aussagen, die sich in ähnlicher Formulierung auch bei anderen angelsächsischen Autoren (Simpson etc.) finden, hatte man nun auch hier das Interesse auf die biologische Anthropologie gelenkt und sie zu einem wichtigen Bestandteil der evolutionsbiologischen Forschung gemacht. Heute versucht insbesondere der Gießener Anatom und Biologe Hans-Rainer Duncker ein Konzept einer »evolutionsbiologischen Anthropologie« zu entwickeln, das schlüssig die neuesten Befunde aus einer Vielzahl von wissenschaftlichen Fachdisziplinen (wie Morphologie, Evolutionsbiologie, Anthropologie, Soziologie, Kulturwissenschaften usw.) vernetzt und damit die Interpretation eines Menschenbildes auf evolutionistischer Basis weiter ermöglicht (Montagu 1962; Duncker 1998, 2000; Engels 1999; Grunwald et al. 2002, Henke & Rothe 2006, Henke 2007b, Georgievsky 2009; Sommer 2015). […] ist doch offenbar diese instinktive Hemmung nicht stark genug, um nicht oftmals von anderen Beweggründen überdeckt zu werden« (ebd.: 147).
Biologische Anthropologie, Evolutions theorie und z weite dar winsche Revolution
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11.6 Anthropologisches Schrifttum Lehr- und Handbücher
Am Beginn der deutschsprachigen Gesamtdarstellungen der Anthropologie steht Johannes Rankes zweibändiges, in drei Auflagen erschienenes voluminöses Werk Der Mensch (1886).135 Ferner sind an dieser Stelle die drei Auflagen des Lehrbuches von R. Martin (1914, 1928, 1957–1966) sowie das mehrbändige Werk von Egon von Eickstedt (1937–43) zu erwähnen. Das Neuerscheinen des Martin-Buches als vierte überarbeitete Auflage von Knußmann (1988) schließt an diese Tradition an. Als reines Lehrbuch der Anthropologie und Humangenetik ist hingegen Knußmanns 1980 vorgelegte Arbeit anzusehen (2. Auflage 1996). Das gleiche gilt für Harrison et al. (1977) – angelsächsischer Sprachraum und Ferembach et al. (1986) – französischer Sprachraum. Kurzgehaltene Einführungen in die Anthropologie stammen hingegen von Schwidetzky (1971) und Walter (1970) oder für die Humanbiologie von Autrum & Wolf (1. Aufl. 1973, 2. Aufl. 1983). Lehr- und Sachbücher zur anthropologischen Methodik, zu Teilgebieten wie der Primatologie, Paläoanthropologie, Bevölkerungsbiologie, Humangenetik etc. liegen so zahlreich vor, daß eine Aufzählung den Rahmen vorliegender Arbeit sprengen würde.136 Das gleiche gilt für die populärwissenschaftlichen Bücher, während bei reinen Schulbüchern Mangel herrscht. Hier gibt es nur die Abhandlung von Hoff et al. (1987). An dieser Stelle soll aber noch neben dem Standardwerk der 1920er bis 1930er Jahre, dem »Baur-Fischer-Lenz«137, auf drei weitere deutsche Handbücher der Humangenetik hingewiesen werden. Günter Just veröffentlichte 1940 sein 3905 Seiten umfassendes Handbuch der Erbbiologie des Menschen bzw. erschien zwischen 1968 und 1976 unter Federführung von Peter Emil Becker (Göttingen) mit einem Umfang von 6622 Seiten dessen Humangenetik. Ein kurzes Handbuch in 5 Bänden.138 Aus neuerer Zeit stammt das von F. Vogel und A. G. Motulsky herausgegebene Werk Human Genetics (3. Aufl., 1997). Bis heute kommt den Lehr- und Sachbüchern, besonders innerhalb der Lehre, eine große Bedeutung zu, geben sie doch einen weitgehend umfassenden kompilatorischen Einblick in die Zusammenhänge des Faches über einen längeren Zeitraum. Hier schloß man nahtlos an die Tradition des ersten derartigen Lehrbuches von Rudolf Martin (1914) an. Für präzisere Detailinformationen und aktuelle Trends jedoch, haben sich die wissenschaftlichen Zeitschriften als Informations- und Diskussionsquelle gegenüber Büchern behauptet.
Vgl. dazu weiterführend Geus (1987). Hier sei auf die zitierte Literatur beispielsweise in Knußmann (1988), Geissmann (2003) oder Henke & Tattersall (2007, 2015) verwiesen. 137 Vgl. Baur, E., E. Fischer & F. Lenz (1921): Grundriß der Menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene. Bd. 1; Menschliche Auslese und Rassenhygiene, Bd. 2. München: J. F. Lehmanns Verlag. Im Jahre 1936 erschien bereits die 4. vermehrte und verbesserte Auflage; eine quantifizierende Untersuchung zu diesem Werk findet sich bei Fangerau (2001, 2003). 138 Die Umfangsangabe »fünf« ist dabei nicht korrekt, denn am Ende waren es 11 Teilbände (1.1, 1.2, 1.3, 1.4, 2., 3.1, 3.2, 3.3, 4., 5.1, 5.2). 135 136
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
Zeitschriften
Auch die Herausgabe von Zeitschriften hat seit der Gründung des »Archivs für Anthropologie« (Ecker) eine große Tradition. Zur Charakterisierung anthropologischer Zeitschriften(beiträge) sei auf die Statistik von Kunter (1979) in der Zeitschrift »Homo« sowie auf die Analyse von Spiegel-Rösing & Schwidetzky (1982: 123–148) verwiesen. Allgemein ist die Tendenz zu verzeichnen, daß jede Zeitschrift einen inhaltlichen Schwerpunkt verfolgt, der schon im Titel oder Untertitel der Periodika ausgewiesen ist. Dazu kommt eine Erweiterung des Themenspektrums um den kulturwissenschaftlichen Bereich, was insbesondere für Zeitschriften aus dem angelsächsischen Sprachraum gilt.139 Zum Ende des 20. Jahrhunderts war dann auch ein allgemeiner Trend zu verzeichnen, bestimmte thematisch gleiche Zeitschriften zusammenzulegen, Titel der Zeitschriften zu verändern usw.140 Für den deutschen Sprachraum141 gibt/gab es: den »Anthropologischen Anzeiger«, »Homo« – Zeitschrift für die vergleichende Forschung am Menschen, die »Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft zu Wien«, »Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte«, »Mitteilungen der Sektion Anthropologie der Biologischen Gesellschaft der DDR« sowie die »Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie«. Für den anglophonen Sprachraum seien stellvertretend erwähnt: American Anthropologist, American Journal of Physical Anthropology, Annals of Human Biology, Current Anthropology, Man – The Journal of the Royal Anthropological Institute, The Mankind Quarterly.142
Außer in Zeitschriften kann man ebenso in Festschriften, Jahrbüchern, Beibänden, Tagungsund Kongreßberichten anthropologische Originalarbeiten auffinden. Diese erschienen bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland z. B. regelmäßig als »Verhandlungen der Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik«, entsprechend der abgehaltenen Tagungen (wie z. B. die 13. Tagung vom 10. bis 13. Oktober 1973 in Gießen später als Band, herausgegeben von Schaefer 1975). Vgl. Greil & Grupe (2013) 140 Die Fusion von Zeitschriften brachte/bringt ebenso auch eine Horizonterweiterung und Interdisziplinarität für die biologische Anthropologie, so beispielsweise im Jahr 2002 (Band 60) mit der Fusion von »Anthropologischer Anzeiger« und der »Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie«: »Over 100 years after its establishment by Gustav Schwalbe in 1899 Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie will discontinue publication with its 83rd volume« (Werbezettel). 141 Einige dieser hier erwähnten Periodika erscheinen nicht mehr. 142 Es gibt aber auch Periodika, die ihre Zuständigkeit auf einen vorher definierten geographischen Erscheinungsraum oder auf verschiedene Bereiche der Anthropologie (z. B. die Primatologie, Paläoanthropologie, Sozialanthropologie, Humangenetik etc.) konkret beschränkt haben. Dazu zählen beispielsweise Anthropos – Di Studi Anthropologici Mitteleuropei (Italien), Arctic Anthropology (USA) oder Man in India. Als Beispiele für die Primatologie seien erwähnt: Folia Primatologica (Schweiz), International Journal of Primatology (USA) oder Primates (Japan). Eine Analyse der jeweiligen Editorial Boards würde ebenso weiteren Aufschluß über die Inhalte, Traditionen, Netzwerke etc. des Faches geben. 139
Anthropologisches Schrif t tum
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11.6.1 Festschriften
Wie die vorstehenden Bemerkungen gezeigt haben, häuften sich innerhalb der biologischen Anthropologie und Evolutionsbiologie in den 1950er und 1960er Jahren weltweit wissenschaftshistorische Jubiläen, die ihren Niederschlag in Festveranstaltungen, Symposien, Sammelbänden und letztlich auch in Festschriften fanden. Die damals im deutschen Sprachraum vorhandene und für solche Anlässe offene günstige Verlagsstruktur, das wieder erwachte Interesse für evolutionsbiologische und anthropologische Fragen etc. wurden dabei geschickt zur Popularisierung und Wissensverbreitung genutzt. Eine herausragende Stellung nimmt innerhalb dieser Epoche – wie schon zuvor im 19. Jahrhundert – der Gustav Fischer Verlag aus Jena/ Stuttgart ein. Nachdem bereits ausführlich und exemplarisch zur Bedeutung und den Inhalten von wichtigen Sammelbänden Bezug genommen wurde, soll nachfolgend auf einige bedeutende Festschriften verwiesen werden, die für das Thema Relevanz besitzen. Wie Reif (2000) in einer Besprechung der anglo-amerikanischen Festschriften zum Darwin-Jubiläum zeigen konnte, wurden mit den (Darwin-)Festschriften gleich mehrere Funktionen verbunden: 1. Öffentlichkeitsarbeit zur Information gebildeter Laien, 2. Bilanz der modernen Diskussion der Evolutionstheorie, 3. Würdigung des Lebenswerkes Darwins, wobei natürlich immer wieder betont wurde, daß Darwin mit seinen theoretischen Annahmen weitgehend recht behalten hat sowie 4. Demonstration der biologischen Disziplinen, auf die sich die Evolutionstheorie befruchtend ausgewirkt hat (einige biologische Disziplinen entstanden im Gefolge der Evolutionstheorie neu bzw. bekamen eine neue theoretisch-methodologische Basis). Diese Punkte sind generell auch für die anthroplogischen Festschriften aus dem deutschen Sprachraum zu konstatieren. Aus der Fülle von Festschriften143 zum Thema biologische Anthropologie sollen nachfolgend vier vorgestellt werden, da sie unmittelbar an das zuvor Gesagte anschließen. Es ist aber hier die Tendenz zu verzeichnen, daß ca. ab Mitte der 1970er Jahre in Deutschland die Begeisterung für anthropologische Festschriften nachließ und so kaum noch welche erschienen sind. Zudem wirkten die persönlichen Konflikte aus der Zeit des Nationalsozialismus an verschiedenen Stellen noch nach, hatte die wissenschaftliche Reputation des Faches gelitten usw. – insofern sind Festschriften auch ein Spiegelbild des Faches jener Jahre.
Die erste ist dem Biologen Hans Nachtsheim zu dessen 60. Geburtstag gewidmet, die zweite Schrift wurde aus Anlaß des 60. Geburtstages von G. Heberer, durch seinen damaligen Schüler G. Kurth, ediert. Heberer zählt, ähnlich wie Nachtsheim, aufgrund seiner Biographie zu den eher ambivalenten Wissenschaftlerpersönlichkeiten. Diesen beiden letztlich politisch völlig entgegenstehend ist die dritte Festschrift, die dem 65. Geburtstag des Anthropologen Karl Saller gewidmet war. Saller gehörte zu den frühesten Opfern nationalsozialistischer Willkür in der Wissenschaft. Abschließend wird noch auf die Festschrift für I. Schwidetzky, einer Schülerin Egon Freiherr von Eickstedts verwiesen, deren Rolle vor und nach 1945 ebenso für Aufsehen gesorgt hat (Kaupen-Haas & Saller 1999). 143
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Moderne Biologie (1950)
Aus Anlaß des 60. Geburtstages von Hans Nachtsheim (ordentlicher Professor für Allgemeine Botanik und Genetik sowie Direktor des Instituts für Genetik der FU Berlin; Direktor des Instituts für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie der Deutschen Forschungsstelle) erschien im Jahre 1950 im F. W. Peters Verlag (Berlin) eine Festschrift, herausgegeben von H. Grünberg (London) und W. Ulrich (Berlin). Die Festschrift umfaßt 287 Seiten und an ihr waren 18 namhafte Biologen und Anthropologen beteiligt. Sie ist für das vorliegende Thema relevant, da sie nur fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erschien und somit den Wissensstand jener Zeit – für verschiedene Fachdisziplinen der Biologie – dokumentiert. Ein Großteil der Beiträge ist der Geschichte der biologischen Anthropologie gewidmet, so referierte beispielsweise Heberer über »Das Präsapiens-Problem« und Saller über »Der Begriff der Anthropologie«. Heberer stellte, wie schon in zahlreichen Beiträgen zuvor, die neuesten Funde in seinem Schema über die von Homo sapiens durchlaufenen Stufen von der letzten noch pongiden Form bis zum echten (Eu-)Sapienstypus dar (hier unter besonderer Berücksichtigung der Funde von Fontéchevade und Quinzano). Er kam dabei zu dem Schluß: Gegenwärtig kann noch nicht übersehen werden, wie die weitere Aufgliederung der Eusapiensgruppe in die Formenvielfalt der Gegenwart erfolgt ist. Die Rassengruppen der modernen Sapiensmenschheit (Negrid, Europid – Australid, Mongolid) reichen zweifellos ebenfalls weiter zurück, als man früher geneigt war anzunehmen […] Das Präsapiensproblem ist zum großen Teil z.Zt. noch ungelöst – aber die gegenwärtige Entwicklung der Paläanthropologie läßt erkennen, daß wir heute das einfache Schichtenschema verlassen müssen und mit einer langen, relativ selbständigen Entfaltungsgeschichte der Neoanthropinen zu rechnen haben (Heberer 1950: 159).
Saller hingegen behandelte in seinem eher theoretisch angelegten Beitrag ein Thema, das selbst so alt wie die Fachdisziplin Anthropologie ist und das er am 6. Mai 1949 bei der Übernahme des Lehrstuhles für Anthropologie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München in den Mittelpunkt seiner Antrittsvorlesung gerückt hatte. Es ging dabei um die Definition, Begrifflichkeiten und Inhalte des Faches Anthropologie (vgl. auch Kapitel 1 und 2). Evolution und Hominisation (1962)
Unter diesem Titel erschien 1962 im Stuttgarter Gustav Fischer Verlag eine 228 Seiten umfassende Festschrift zum 60. Geburtstag von G. Heberer. Die Festschrift wurde von seinem Göttinger Mitarbeiter G. Kurth (später Braunschweig) herausgegeben und enthielt 18 Beiträge – in deutscher und englischer Sprache – von namhaften Anthropologen und Evolutionsbiologen.144 So von A. A. Dahlberg (Chicago), R. A. Dart (Johannesburg), T. Dobzhansky (New York), W. Drescher (Bonn), H. Grimm (Berlin), W. Herre (Kiel), D. A. Hooijer (Leiden), H. D. Kahlke (Weimar), G. H. R. v. Koenigswald (Utrecht), B. Kurtén (Helsinki), G. Kurth (Göttingen), E. Mayr (Cambridge, MA), K. J. Narr (Göttingen), K. P. Oakley (London), J. T. Robinson (Pretoria), M. Roehrs (Hamburg), G. G. Simpson (Cambridge, MA) sowie P. V. Tobias (Johannesburg). 144
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Die Autoren behandelten in dieser Schrift vier thematische Gruppen zum Kausalkomplex »Evolution und Hominisation«. Zunächst ging es um die Frage, ob der Lebensprozeß nur auf die Erde beschränkt sein kann sowie um die genetische Betrachtung einiger am Evolutionsprozeß beteiligter Faktoren und Befunde (Simpson 1962, Mayr 1962, Dobzhansky & Drescher 1962). Daraus ergab sich beispielsweise die Frage nach der Erklärung der zunehmenden Beschleunigung des Hominisationsprozesses über das Wirksamwerden neuer Anpassungsschritte. Verschiedene Autoren erläuterten dann anthropologische Datierungsmöglichkeiten sowie deren weltweite Vergleichbarkeit speziell für die Hominiden des Mittelpleistozäns (Hooijer 1962a, 1962b; Kahlke 1962). Daran schloß sich eine Betrachtung der morphologischsystematischen Gliederung und Radiation der Australopithecinen an bzw. folgte für die afrikanischen Hominidenfunde eine ausführliche Darstellung in Fragen der Verteilung und Einstufung bis zum Homo sapiens (von Koenigswald 1962, Robinson 1962, Dart 1962, Oakley 1962). Für Homo sapiens wurden dann noch einige spezielle Befunde nach dem damaligen Kenntnisstand diskutiert (Tobias 1962, Narr 1962). Die Schrift ist für die Geschichte der biologischen Anthropologie insofern wichtig, da hier wiederum der erfolgreiche Versuch unternommen wurde, namhafte Evolutionsbiologen und Anthropologen zu versammeln bzw. eine Synthese des Gedankengutes beider Fachdisziplinen anzustreben. Die von den Autoren behandelten Themen zeigen ferner die internationale Breite biologisch/anthropologischer Diskussionen, was durch die Zitationen zusätzlich dokumentiert wird. Zugleich werden aber auch hier nochmals die Vorteile und Grenzen einer solchen Zusammenarbeit aufgezeigt: Das vielfach erst in schweren, außerwissenschaftlich beeinflußten Auseinandersetzungen erkämpfte naturwissenschaftliche Jeweilsbild über die Abstammung des Menschen steht ja gerade […] unter einem gewissen Druck, seine Aussagen zu betont zu präzisieren. Die Synthetische Theorie der Evolution und die Stellung des Menschen in ihr bieten dabei, geisteswissenschaftlich gesehen, immer nur Wahrscheinlichkeiten an (Kurth 1962: 170).
Für eigentliche Festschriften unüblich, erschien im Jahre 1968 eine zweite, ergänzte Auflage unter dem gleichen Titel, aber ohne den Zusatz »Festschrift« und mit der Untertitelpräzisierung »Beiträge zur Evolutionstheorie wie Datierung, Klassifizierung und Leistungsfähigkeit der humanen Hominiden«. Wie schon bei der ersten Auflage zeichnete auch dieses Mal G. Kurth als Herausgeber verantwortlich. Die Schrift, die schon nach wenigen Jahren vergriffen war, umfaßte 299 Seiten und war wiederum im gleichen Verlag erschienen. Obwohl sie einerseits ihren eigentlichen Festschriftcharakter verlor, blieb er andererseits dennoch gewahrt: Der Herausgeber betrachtet es dabei als einen Vorteil, daß der Leser mehrfach zum gleichen Problemkreis die Auffassung verschiedener Autoren vorfindet und die Unterschiede direkt vergleichen kann. Besonders augenfällig wird durch die Neuauflage, wie sehr sich in nur fünf Jahren unsere Kenntnisse zur Abstammungsgeschichte des Menschen erweiterten und in welchem Ausmaß die Befundinterpretation zugleich an Übereinstimmung gewann (Kurth 1968: VII).
Mit einer Ausnahme (Hooijer 1968) wurden alle damaligen Beiträge auf den Wissensstand von 1967 gebracht oder vielfach auch neu geschrieben und erweitert. Zwei Autoren konnten zudem neu hinzugewonnen werden. Es handelt sich um die Bei-
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träge von E. L. Simons über Ramapithecus sowie von H. J. Lippolt über radiometrische Datierungen im Quartär.145 Anthropologie und Humangenetik (1968)
Der 65. Geburtstag von Karl Saller (1968) wurde vom Institut für Anthropologie und Humangenetik der Universität München zum Anlaß genommen, eine Festschrift mit dem Titel Anthropologie und Humangenetik zu publizieren: Wenn ein Wissenschaftler 65 Jahre alt wird, überblickt er gleichzeitig einige Jahrzehnte der Entwicklung seines Faches. Als Karl Saller 1924 sein Studium der Anthropologie bei Rudolf Martin in München abschloß, war diese über ihr heute als »klassisch« bezeichnetes Stadium noch nicht wesentlich hinausgekommen. Saller suchte Ansatzpunkte, die Grenzen des Fachgebietes weiter zu stecken […] Sein Bemühen um eine Anthropologie, welche allen an sie gestellten Forderungen gerecht wird, ließ es die Herausgeber geboten erscheinen, Vertreter der verschiedenen Arbeitsrichtungen des Faches um Beiträge zu bitten, die neben ihrem wissenschaftlichen Gehalt zugleich eine Würdigung des Strebens von Karl Saller bedeuten (Institut für Anthropologie und Humangenetik der Universität München, 1968: VII).
Die Festschrift versammelt 29 internationale Autoren, hatte den Umfang von 196 Seiten, war wiederum bei Gustav Fischer erschienen und sollte die Vielfalt der Verbindungen von Anthropologie und Humangenetik mit anderen Wissenschaftszweigen aufzeigen. So finden sich Beiträge in drei Sprachen (Französisch, Englisch, Deutsch) zu drei Themata: Evolution des Menschen (Beiträge mit Blickrichtung auf die Medizin, Entwicklungslehre und Theologie), Methodik (Beiträge über Anthropometrie und Populationsforschung) und letztlich zur Humangenetik (Beiträge zur Teratologie, Zytogenetik, Serologie und Psychologie). Bevölkerungsbiologie (1974)
Am 6. September 1972 hatte die Eickstedt-Schülerin Ilse Schwidetzky ihren 65. Geburtstag begangen: Es war nicht leicht, diejenige Form einer Ehrung zu finden, die der wissenschaftlichen Bedeutung Schwidetzkys für die Anthropologie einigermaßen gerecht wird. Vorschläge und Ideen wurden aufgegriffen und wieder verworfen, bis schließlich das Konzept zu diesem Band vorlag (Bernhard & Kandler 1974: VII).
So erschien im Jahre 1974 bei Gustav Fischer (Stuttgart) der 730 Seiten und 46 Beiträge (dreisprachig: Deutsch, Englisch, Französisch) umfassende Festband mit dem Titel Bevölkerungsbiologie. Beiträge zur Struktur und Dynamik menschlicher Populationen in anthropologischer Sicht. Die Wahl des Buchtitels erfolgte bewußt, da sich die Jubilarin zeitlebens in ihren wissenschaftlichen Arbeiten mit diesem Thema beschäftigt hatte. Zunächst bis 1950 noch unter dem Terminus »Völkerbiologie«, tauchte der Begriff »Bevölkerungsbiologie« 1952 zum ersten Mal in Schwidetzkys Publikationen auf (Schwidetzky 1950). Die 53 internationalen Autoren des Bandes, darunter alle Im Jahre 1975 wurde dann unter dem Titel Hominisation und Verhalten in Anlehnung an die Vorgängerbände ein erweiterter Band zu dieser Thematik von G. Kurth und I. Eibl-Eibesfeldt herausgebracht. 145
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Abb. 54: Titelblatt. Saller, K.: Rassengeschichte des Menschen. Stuttgart 1969.
namhaften Vertreter der »deutschen Anthropologenschaft« jener Zeit, versuchten mit ihren Beiträgen, »die ganze Themenbreite der Bevölkerungsbiologie paradigmatisch aufzuzeigen« (ebd.). Aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen Autor und Herausgeber wurde für einen derart umfangreichen Band eine gewisse Homogenität der Beiträge erzielt. Um die gesamte behandelte Bandbreite zu verdeutlichen, soll nachfolgend die Gliederung aufgezeigt werden: I.
Struktur und Dynamik rezenter Populationen: 1. Bevölkerungsstruktur und populationsgenetisch wirksame Faktoren, 2. Anthropologische Struktur ethnischer Gruppen, 3. Wirkung sozialer Prozesse; II. Struktur und Dynamik prähistorischer und historischer Populationen: 1. Paläodemographische und paläopathologische Grundlagen, 2. Anthropologie und Skelettpopulationen, 3. Entwicklungstrends in prähistorischen und historischen Perspektiven;
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III. Evolution des Menschen: 1. Zur biologischen Entwicklung des Menschen, 2. Stammesgeschichte des menschlichen Verhaltens und der Sozietät, 3. Zukunft des Menschen. Da die Vertiefung der Fragestellungen zur »Bevölkerungsbiologie« den Rahmen vorliegender Arbeit sprengen würde, soll nachfolgend wiederum nur auf die für eine Geschichte der biologischen Anthropologie relevanten Beiträge eingegangen werden. Für das Thema zentral sind hierbei die Arbeiten im Teil III (und Unterpunkte) zur Evolution des Menschen. Wie Wolfram Bernhard in seiner Einleitung betonte, schließt sich folgerichtig an die Analyse von evolutiven Prozessen in prähistorischhistorischen Bevölkerungen (»Skelettbevölkerungen«) in noch längeren Zeiträumen die Evolution des Menschen an (ebd.: XX); schließlich standen zunächst für Aussagen, morphologische Vergleiche und Beschreibungen auf der Grundlage der Rekonstruktion der menschlichen Stammesgeschichte – vor dem Zeitalter der modernen Genetik – entweder nur Einzelindividuen bzw. fossile Bruchstücke zur Verfügung, allesamt »Stichproben aus Bevölkerungen« (ebd.). Mit diesem Themenkomplex über die biologische Entwicklung des Menschen befaßt sich besonders der Teil III/1 der Schrift (Hemmer 1974, Brothwell 1974, Riquet 1974, Vlcek 1974, Count 1974), wobei der Aufsatz von Count über »Homination: Organism and Process« zentral ist. Daneben spielte aber auch für die Betrachtung der Evolution des Menschen die Frage nach der Evolution des menschlichen Verhaltens (Teil III/2) eine wachsende Rolle, unterscheidet sich doch der Mensch mehr durch sein Verhalten als durch seine Körperform von der übrigen Lebewelt und damit auch von seinen nächsten Verwandten (Hofer 1974, von Koenigswald 1974, F. Vogel 1974, Schaefer 1974). Im letzten Teilkapitel des dritten Teiles standen dann aktuelle Entwicklungstrends innerhalb der Anthropologie sowie über die Zukunft des Menschen im Vordergrund der Diskussion (Fuhrmann 1974, Ch. Vogel 1974, Mühlmann 1974). Als Ergänzung sei an dieser Stelle aber noch auf I. Schwidetzkys Buch Die neue Rassenkunde (»Egon Freiherrn v. Eickstedt zum 70. Geburtstag gewidmet«)146 von 1962 sowie die erste Ausgabe der Bibliotheca Primatologia (zgl. Festschrift für Adolph H. Schultz zum 70. Geburtstag) von 1962 verwiesen.
Als Autoren beteiligten sich: Adolf Remane mit einer »Übersicht über die biologische Rassenbildung«, Ilse Schwidetzky schrieb über »Neuere Entwicklungen in der Rassenkunde des Menschen«, Hubert Walter behandelte »Die Bedeutung der serologischen Merkmale für die Rassenkunde« und Rainer Knußmann »Moderne statistische Verfahren in der Rassenkunde«. Im Vorwort bemerkte Schwidetzky: »Der Titel des Buches ist allerdings etwas hochtrabend – und gerade derjenige, dem es gewidmet ist, möge das verzeihen! Die Zeit, in der einige Anthropologen glaubten, die »alte Rassenkunde« über Bord werfen und völlig neu beginnen zu müssen, ist längst vorbei: längst ist klar, daß nur in einer Synthese der klassischen, metrisch-morphologisch-typologischen Rassenkunde mit den neuen Tatsachen und Einsichten Fortschritte für ein Gesamtbild der Rassendifferenzierung von Homo erreicht werden können. Naturgemäß treten aber in unserem Buch die neuen Ergebnisse und Fragestellungen stark in den Vordergrund. Eine volle Synthese mit dem früher Erarbeiteten steht noch aus; erst sie dürfte eigentlich – in Anlehnung an die »Neue Systematik« – »Neue Rassenkunde« genannt werden« (Schwidetzky 1962: Vorwort). 146
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Fazit
Gegenüber Sammelbänden und Einzelpublikationen waren Festschriften weitgehend den Hauptarbeitsgebieten des Jubilars gewidmet und präsentieren sich daher oftmals sehr heterogen. Die Retrospektive in diesem Teilkapitel macht ferner deutlich, daß häufig (wie auch in den Sammmelbänden) immer wieder nur die gleichen Autoren publizierten, andere kaum zu Wort kamen. So gab es mehr eine strukturellpersonelle Konstanz als inhaltlich-thematische Auseinandersetzungen, die sich auch in der weiteren Entwicklung des Faches niederschlug.
11.7 Zur Entwicklung der anthropologischen Teilgebiete
In der vierten Auflage des von Martin begründeten Anthropologie-Lehrbuches von 1988 werden folgende Teilgebiete bzw. Ebenen unterteilt147: 1.
Evolution (Fossilgeschichte, Der Mensch und die nichtmenschlichen Primaten, Darwin und die Evolutionstheorie, Mikroevolution), 2. Prähistorische Anthropologie, 3. Bevölkerungsbiologie (Bevölkerungsbiologie unter rassenkundlichen Aspekten, Länderanthropologien, Bevölkerungsuntersuchungen unter mikroevolutiven Aspekten, Sozialanthropologie), 4. Wachstum und Konstitution (Wachstumsforschung, Konstitutionsforschung, Sport- und Industrieanthropologie). An dieser Einteilung hat sich bis in unsere heutige Zeit nur wenig verändert, waren und sind gerade für die Geschichte der biologischen Anthropologie die ersten beiden Teilgebiete bedeutsam, stellen doch die Fossilbefunde, wenn sie mittels geeigneter Datierungsmethoden und unter Berücksichtigung erdgeschichtlicher Zeitschienen bearbeitet und interpretiert werden, direkte Belege für die Evolution der Organismen dar (Henke & Tattersall 2007a-c, 2015a-c). Ähnlich wie dem Paläontologen sind aber auch dem Anthropologen während seiner Grabungen, Expeditionen usw. oftmals Grenzen gesetzt, ist er doch ebenso auf den Faktor »Zufall« angewiesen. Er kann also nicht beliebig das Material vermehren, um die jeweiligen Hypothesen und Theorien zu verifizieren oder zu falsifizieren. Hier erscheint eine Zusammenarbeit mit den Schwesterdisziplinen wie beispielsweise mit der Evolutionsbiologie, Archäologie oder Prähistorie unausweichlich.148
»Die verschiedenen Fragenkomplexe, mit denen sich die Anthropologie als vergleichende Biologie des Menschen befaßt, haben eine sehr unterschiedlich lange Geschichte […] Eine solche Übersicht muß stark raffen und kann nur wenige markante Punkte aufführen« (Knußmann 1988: 111). 148 Vgl. dazu auch die Aussagen von F. Lenz (1941), Rösing (1990), Henke (2010), Greil & Grupe (2013) sowie Grupe et al. (2013, 2015). 147
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Tendenzen und Strömungen der biologischen Anthropologie nach 1945
11.7.1 Biologische Anthropologie in Forschung und Lehre – heute
Trotz der relativ unterschiedlichen, teils geringen wissenschaftlichen Rezeption der biologischen Anthropologie innerhalb des Schrifttums gab und gibt es heute in Deutschland aber eine Reihe von Universitäten, an denen Studierende »Biologische Anthropologie« als Studienfach belegen können. So ist/war es beispielsweise möglich, an der Universität Freiburg (Breisgau) das Nebenfach »Biologische Anthropologie/Paläoanthropologie« (Philosophische Fakultät), an der Universität Kiel das Fach »Biologische Anthropologie. Biologische Grundlagen der vorklinischen Medizin und der Zahnmedizin« (Vorklinik) sowie an der Universität Jena das Nebenfach »Biologische Anthropologie« (Medizinische Fakultät/Biologisch-Pharmazeutische Fakultät) aus dem Fächerkanon zu wählen.149 Die Inhalte der Ausbildung lagen für Jena, was hier als Beispiel angeführt sei, vorwiegend in der Vermittlung von Kenntnissen über evolutionäre Trends der menschlichen Entwicklung in Raum (geographisch) und Zeit. Als wesentlichste Bestandteile sind angeführt: 1.
die biotische Evolution und Menschheitsentwicklung (Grundlagen und Ursachen der Phylogenese, Fossilgeschichte, menschliche Stammeslinie), 2. die biologische Entwicklung des Menschen/Ontogenese (Wachstums- und Entwicklungsphasen, sexuelle Reifung, Geschlechterunterschiede usw.), 3. die Konstitutionsbiologie – Bestimmungsmöglichkeiten und Bedeutung von Habitusvarianten (Definition von Konstitution, Ziele und Aufgaben der Konstitutionsforschung, Konstitutionstypologie) sowie 4. die Bedeutung industrieanthropologischer Forschung für die bedarfsgerechte Gestaltung der Umwelt des Menschen (geographische Variabilität des Menschen, die Mensch-Umweltbeziehungen usw.).150 Als Ziel des Studienganges war formuliert: Ziel der Ausbildung sind umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet der Humanbiologie. Um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, besteht der Lehrkörper aus Vertretern verschiedener Fachrichtungen. Dadurch wird es u. a. möglich, die Bedeutung einer interdisziplinären Zusammenarbeit und Forschung zu verdeutlichen. Diese fachübergreifenden Kenntnisse sind z. B. bei der Rekonstruktion der biologischen Situation ur- und frühgeschichtlicher Populationen (anhand von Skelettmaterial), der Gestaltung der menschlichen Arbeits- und Freizeitumwelt oder auf dem Gebiet der Einflussfaktoren auf das Wachstum und die Entwicklung des Menschen«151 relevant.
Themen zur Methodologie, Geschichte der Anthropologie sowie Querverweise auf wichtige Teildisziplinen der Biologie (Genetik etc.), die für ein Verständnis des Faches in den verschiedenen Gesellschaftsepochen unabdingbar sind, fehlen leider.152 Vgl. weiterführend und ergänzend die Internetseite der Gesellschaft für Anthropologie: http:// www.gfanet.de/index.php sowie Grupe et al. (2005, 2013). 150 Vgl. Loseblattsammlung »Studiengänge« für das Studienfach »Biologische Anthropologie« (Nebenfach) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 151 Ebd., S. 2. 152 In diesem inhaltlichen Punkt hat die Universität Hamburg im Zuge der Auseinandersetzungen 149
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11.7.2 Restitution und anthropologische Sammlungen
Die heutige Anthropologie arbeitet nicht nur mit neuen Theorien und Methoden, sie findet sich auch in veränderten Kontexten wieder. Jedoch sind fossile wie jüngere menschliche Knochen weiterhin wirkungsmächtige Geschichtsträger, wenn es um menschliche Ursprünge und Identitätsvorstellungen geht,
so Marianne Sommer und Gesine Krüger in ihrem Sammelband über Biohistorische Anthropologie (2011: 13). Eben jene »Geschichtsträger« sind in den letzten Jahren, nicht immer zum Vorteil von anthropologischen Sammlungen und für das Fach, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und es wurden Fragen nach dem Erwerb, der Herkunft, dem Verbleib usw. von humanen Sammlungsobjekten gestellt. Diese Diskussionen, die in den 1990er Jahren begannen, halten bis heute153 an und es gibt keine (weltweit/ deutschlandweit) einheitlichen Richtlinien im Umgang mit diesen Rückforderungen: Nicht nur möchten Museen Präzedenzfälle vermeiden, weil sie ihre Sammlungen insgesamt gefährdet sehen, auch fehlen häufig juristische Grundlagen für die Rückgabe von staatlichem Eigentum, also von Objekten und menschlichen Überresten, die inzwischen integraler Bestandteil des nationalen Erbes (national heritage, patrimoine) der ehemaligen Kolonialmächte sind. Und wenn Restitutionen von allen Seiten erwünscht und im Prinzip gesetzlich abgesichert sind, stellt sich immer noch die Frage nach den berechtigten Ansprüchen […] (Sommer & Krüger 2011: 28; Grosse 2000; Lange 2013).
Die Charité sowie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin sind bei der Bearbeitung derartiger Fragen bisher wohl am weitesten inhaltlich und ethisch gelangt.154 Als 2004 das Anthropologische Institut der Charité aufgelöst wurde, gingen die durch das Institut verwalteten Sammlungen von Schädeln, Knochen und anderen menschlichen Überresten in den Besitz des Berliner Medizinhistorischen Museums über. Fast zeitgleich gab es dann erste Forderungen nach Rückgabe von Objekten, die wähmit dem Knußmann’schen Institut für Humanbiologie eine Vorreiterrolle innerhalb Deutschlands eingenommen (AG gegen Rassenkunde 1998, Kaupen-Haas & Saller 1999). Hier konnte gezeigt werden, daß auch fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges derartige »biohistorische« Fragestellungen in der Ausbildung thematisiert werden sollten. An dieser Stelle sind ebenso die Kontroversen um die vom Verfassungsschutz beobachtete »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« und deren Publikationsorgan Neue Anthropologie zu erwähnen. 153 Vgl. beispielsweise die Tagung an der Berliner Charité, Institut für vegetative Anatomie, vom 4. bis 6. Oktober 2012 – zum Thema »Sammeln und Bewahren, Erforschen und Zurückgeben – Human Remains aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen« mit 74 Wissenschaftlern; Stoecker et al. (2013). Vgl. ebenso Preuß (2007a) sowie Preuß et al. (2009). 154 So wurden z. B. von der Charité am 26. April 2013 die Gebeine von 33 indigenen Australiern an eine australische Delegation übergeben; folgte in einer zweiten Rückgabezeremonie am 14. Juli 2014 dann die Übergabe weiterer sterblicher Überreste indigener Australier an Australien; übergab man am 5. März 1914 21 menschliche Gebeine an eine Delegation aus Namibia und übergab die Charité am 25. Juli 2914 einen Schädel aus Tasmanien an Vertreterinnen des Tasmanian Aboriginal Centre (vgl. Fächerverbund Anatomie – http://anatomie.charite.de/geschichte/human_remains_projekt/). Die Universität Freiburg veranstaltete am 4. März 2014 ebenso eine Übergabezeremonie. Dabei wurden menschliche Schädel von sechs Herero (Ovaherero), vier Nama und vier Damara, die während der Kolonialzeit aus »Deutsch-Südewestafrika« nach Freiburg verbracht wurden, an eine namibische Delegation übergeben (vgl. http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/2014–03-Rueckgabe-vonSchaedeln-nach-Namibia.htm).
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rend der Kolonialzeit nach Berlin gekommen waren.155 Gegenstand der ersten Forderung waren die Schädel von Opfern der Aufstände gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika (1904–1908), dem heutigen Namibia. Da weder die Herkunft der ca. 10.000 anthropologischen und anatomischen Sammlungsobjekte, noch der weitere kolonial- und wissenschaftshistorische Kontext der Sammlungsentstehung (Lange 2013) hinreichend bekannt war, um angemessen auf diese Forderung zu reagieren, entstand ein ab 2010 von der DFG gefördertes Forschungsprojekt. Es sollte exemplarisch die Herkunft und Geschichte der menschlichen Überreste (human remains) in den Sammlungen der Charité untersuchen und Vorschläge für einen zukünftigen Umgang damit erarbeiten. Das »Charité Human Remains Project« unter der Leitung von Thomas Schnalke und Andreas Winkelmann veranstaltete dazu im Oktober 2012 eine Tagung und der daraufhin erschienene Sammelband verdeutlichte eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Kenntnisstände bzw. Sensibilitäten für postkoloniale und wissenschaftskritische Fragestellungen national als auch international noch heute sind (Teßmann & Jungklaus 2013, Wittwer-Backofen & Schlager 2013, Freimüller 2015). Im April 2013 sowie im März 2015 haben dann schließlich auch der »Deutsche Museumsbund«156 und die »Stiftung Preußischer Kulturbesitz«157 auf diese neue Situation reagiert und entsprechende »Empfehlungen« und »Grundpositionen« veröffentlicht.158
11.7.3 »Rasse« im deutschen Grundgesetz
Vor 10 Jahren veröffentlichten drei Anthropologen eine aktuelle Stellungnahme der scientific community zum Thema »Wider den Rassebegriff in Anwendung auf den Menschen« und bemerkten u. a.: Rassismus ist schwer zu bekämpfen. Wir wollen keinen Begriff aus dem Vokabular von Rassisten mit diesen teilen, um Missbrauch oder auch wissentliche und ignorante Missverständnisse vermeiden. Wir wollen das schon gar nicht, weil der Begriff Rasse oft missbraucht wurde und wird. Es ist dementsprechend notwendig, den wissenschaftlichen Nährboden hierfür durch Aufklärung zu entziehen und daraus resultierende Diskriminierung eindeutig abzulehnen (Niemitz, Kreutz & Walter 2006: 464).
An anderer Stelle heißt es weiter: Der Gebrauch des Begriffs Rasse sollte mit unserem Wissen für den modernen Menschen, den Homo sapiens, nicht mehr verwendet werden. […] Daher wird vorgeschlagen, nur noch den im Vgl. auch Glaubrecht, M. (2011): Der Beutezug. Geo, Heft 3, S. 118–131. Vgl. Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen (http://www.museumsbund.de/de/publikationen/online_publikationen/); Stoecker et al. (2013). 157 Vgl. Grundpositionen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum Umgang mit menschlichen Überresten in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin (https://www.preussischer-kulturbesitz.de/schwerpunkte/provenienzforschung-und-eigentumsfragen/umgang-mit-menschlichenueberresten.html). 158 Seit Herbst 2015 hat ebenso ein wissenschaftlicher Beirat zur Aufarbeitung der anthropologischen Sammlung »Felix von Luschan« am Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen in Berlin seine Arbeit aufgenommen. 155 156
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speziellen Fall treffendsten Begriff für die zu betrachtende Menschengruppe zu wählen, nämlich die geographische Variante, die Ethnie oder die jeweilige Population. Denn nur solche Begriffe sind international gültig und genügen wissenschaftlichen Kriterien (ebd., S. 463, Hervorhebungen im Original).
Dass sich an dieser Auffassung159 nichts geändert hat, die Dimensionen (nicht nur auf die Wissenschaft bezogen) sogar weiter, bis hin zur Politik gefasst werden müssen, beweisen die Initiativen des Deutschen Institutes für Menschenrechte, das Wort »Rasse« aus dem deutschen Grundgesetz streichen zu lassen. Wie heißt es doch in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse (…) benachteiligt oder bevorzugt werden.
Das EU-Parlament hat sich bereits gegen das Wort Rasse in Verfassungstexten ausgesprochen; Finnland, Schweden und Österreich entfernten es bereits aus ihrem nationalen Recht, in Frankreich lag der Nationalversammlung seit Sommer 2013 ein entsprechender Entwurf vor. Mit einem Positionspapier empfiehlt das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin eine Änderung dieses Diskriminierungsverbotes: Der Begriff »Rasse« sollte gestrichen werden, ohne den Schutzbereich der Norm dadurch zu verändern. Ihr Vorschlag lautete: Niemand darf rassistisch oder wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Nach ihrer Auffassung führe zudem die derzeitige Formulierung in Artikel 3 Absatz 3 GG zu einem unauflösbaren Widerspruch. Nach dem gegenwärtigen Wortlaut von Artikel 3 Absatz 3 GG müssen Betroffene im Falle rassistischer Diskriminierung geltend machen, aufgrund ihrer ›Rasse‹ diskriminiert worden zu sein; sie müssen sich quasi selbst einer bestimmten ›Rasse‹ zuordnen und sind so gezwungen, rassistische Terminologie zu verwenden. Es geht bei der Diskussion um den Begriff ›Rasse‹ nicht um ein intellektuelles Gedankenspiel, sondern um einen Perspektivwechsel: Rassismus lässt sich nicht glaubwürdig bekämpfen, wenn der Begriff ›Rasse‹ beibehalten wird. Dies gilt umso mehr, als seine weitere Verwendung das Konzept menschlicher ›Rassen‹ akzeptabel erscheinen lässt und dazu beitragen kann, rassistischem Denken Vorschub zu leisten (Cremer 2010: 3).
Dass aber eine bloße Streichung des Wortes »Rasse«, Intoleranz und Rassismus usw. nicht verhindert, ist allen Seiten klar und es bedarf gedanklicher und inhaltlicher Nachbesserungen, zumal sich Ersatzbegriffe wie ethnische Herkunft/ ethnische Zugehörigkeit auch nicht bewährt haben. So untersagt beispielsweise die Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG nicht nur Diskriminierungen aufgrund der »Rasse«, sondern ebenso aufgrund der »ethnischen Herkunft«:
Vgl. weiterführend Andreasen (2004), Arndt (2012), Danckwortt et al. (1995), Edgar (2009), Fahlbusch et al. (2010), Gassen & Minol (2006), Grimm (1990), Grupe et al. (2015), Hanke (2007), Kattmann (1996–2009), Lewontin (2003), Janßen (1998), Janßen-Bartels (2003), Reardon (2008), Reinhard (2008), Schurig (2007, 2012), Freimüller (2015). 159
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Würde man im Rahmen von Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG den Begriff ›Rasse‹ durch ein Merkmal mit Bezug zu Ethnizität zu ersetzen, könnte dies so verstanden werden, als ob der Schutzbereich der Norm dadurch eingeschränkt würde. Benachteiligungen, die an die tatsächliche oder vermeintliche Ethnie einer Person anknüpfen, sind nach der gegenwärtigen Fassung von Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG nur ein Teilaspekt der Diskriminierung wegen der ›Rasse‹. Zudem ist auch die Verwendung der Kategorie ›Ethnie‹ im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Rassismus nicht unproblematisch. Dieser Begriff kann ebenfalls dazu führen, gruppenbezogene Zuschreibungen zu fördern, indem er die Vorstellung hervorruft oder verfestigt, es gebe (›nach ethnischen Maßstäben‹) objektiv klar von einander zu trennende Bevölkerungsgruppen. Insofern können auch Begriffe wie ›ethnische Herkunft‹ oder ›ethnische Zugehörigkeit‹ Trägerbegriffe für Rassismus sein (ebd.: 5).
Über kurz oder lang wird sich die Politik diesem Thema zuwenden müssen (Grimm 1990, Cremer 2009, Gutknecht 2010, Hoßfeld 2012, Küpper 2014, Grupe et al. 2013, 2015).
11.7.4 Tendenzen und Trends im 21. Jahrhundert
»Rassenkampf, Rassenmischung und Rassenerzeugung« – das waren die drei großen Themen der Rassentheorie im 19. Jahrhundert gewesen. Schließlich fokussierte man aber auf die »Rassenerzeugung«, wo biologisches und politisches Leben endgültig kurz geschlossen wurden. In die Visionen und Pläne zur Schaffung neuer Menschen und Völker wurde fast genauso viel (Forschungs)Energie gesteckt wie sie parallel das Leben unzähliger Menschen und Völker kostete. Die bis dato nur oftmals theoretisch formulierten Pläne/ Ziele zur Züchtung und Vernichtung von Rassen etc. wurden jetzt unter den Bedingungen totalitärer Systeme und ihrer geführten Kriege (»Säuberungspraktiken«) in die Praxis umgesetzt. Biopolitische Diskurse, rassistische Praktiken usw. kehrten so unmittelbar nach der globalen politischen Perestroika sogar in Formen wieder (Jugoslawien- und Tschetschenien-Kriege; UigurenKonflikt; Nepal-Problematik; Völkermord in Ruanda, Aborigines usw.)160, die man besonders Ende des 20. Jahrhunderts für endgültig (wie beispielsweise. die Apartheid in Südafrika) überwunden gehalten hatte. So waren in der westchinesischen Provinz Xinjiang Anfang Juli 2010 wieder schwere Krawalle ausgebrochen. Die dünn besiedelte Provinz im äußersten Nordwesten Chinas stand dabei nicht zum ersten Mal im Mittelpunkt von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Volksgruppe der (muslimischen) Uiguren (Turkvolk) und den Sicherheitskräften (»Han-Cinesen«). Unter den 21 Millionen Bewohnern der Provinz Xinjiang sind fast elf Millionen ihrer Abstammung nach Uiguren, Mongolen oder moslemische Hui. Ein anderes aktuelles Beispiel betraf den Sudan und die im Januar 2011 erfolgte Abstimmung über die Teilung des Landes. Die Abstimmung ist der Schlusspunkt eines Als Völkermord in Ruanda bezeichnet man die umfangreichen Gewalttaten in Ruanda, die am 6. April 1994 begannen und bis Mitte Juli 1994 andauerten. Sie kosteten ca. 800.000 bis 1.000.000 Menschen das Leben, die niedrigsten Schätzungen gehen von mindestens 500.000 Toten aus. In annähernd 100 Tagen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit sowie moderate Hutu, die sich am Völkermord nicht beteiligten oder sich aktiv dagegen einsetzten. Die Täter kamen aus den Reihen der ruandischen Armee, der Präsidentengarde, der Nationalpolizei (Gendarmerie) und der Verwaltung. 160
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Ende 2005 unterzeichneten Friedensabkommens, das den mehr als zwanzigjährigen Bürgerkrieg zwischen dem christlich dominierten Süden und dem muslimisch geprägten Norden endgültig beenden sollte. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sieht es nun so aus, dass »Rasse« als wissenschaftlicher Begriff weitgehend obsolet geworden ist und im Alltagsgebrauch zumindest in Deutschland geächtet wird, in den USA dagegen wohl noch toleriert ist. Stattdessen wird mehr von Fortpflanzungsgemeinschaften in biologischer Hinsicht, von Ethnien bzw. Kulturen in Geistes- und Sozialwissenschaften geredet (Hoßfeld 2012). Vor 25 Jahren klangen die Vokabeln noch etwas anders. Aber weder Rasse, noch Klasse, noch Masse wird in Zukunft entscheidend sein, da wir bereits nach Auffassung des französischen Soziologen Michel Maffesoli (Le temps des tribus, 1988) in das Zeitalter der Stämme eingetreten sind, der Netzwerke, der kleineren Gruppen, der ephemeren aber intensiven Treffen (Stagl & Reinhard 2005). Die Tatsache, dass wir es zudem mit gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen zu tun haben, in denen die Chancen nach der Geschlechterzugehörigkeit verteilt sind, deutet darauf hin – dass, wenn die Techniken zur Geschlechterkontrolle erst einmal ausgereift sind, männliche Kinder gegenüber weiblichen höher bewertet werden (1982 erschien in der staatlichen Presse der Volksrepublik China die erste Propaganda gegen die Misshandlung von Ehefrauen, die Töchter geboren hatten). Mit wachsender Globalisierung rückten zudem verstärkt die Biowissenschaften (Genetik vs. Antirassismus usw.) in das Blickfeld der Öffentlichkeit – im Sommer 2001 lag schließlich die erste Gesamtkarte des menschlichen Genoms vor (Human Genome Projects – HGP). Das Projekt wurde im Herbst 1990 mit dem Ziel gegründet, das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln, d. h. die Abfolge der Basenpaare der menschlichen DNA auf ihren einzelnen Chromosomen durch Sequenzieren zu identifizieren. Das menschliche Genom enthält die Gesamtheit der vererbbaren Informationen. Das Deutsche Humangenomprojekt beendete erfolgreich im Juni 2004 seine Aktivitäten. Damit gewannen nun auch wieder Vorstellungen (Utopien der Menschenzüchtung) an Format, denn einerseits verdanken wir solche Visionen einen Großteil des biomedizinischen Fortschritts, andererseits beinhaltet dieses Vorgehen auch die Möglichkeit rassistischer Exklusion (Ausgrenzung). Das zentrale Kennzeichen der heutigen, oftmals neuen Formen des Rassismus ist der explizite Wechsel vom dogmatischen Weltbild zur praktischen Weltveränderung, mithin die Wiederholung des Strukturwandels wie er am Ende des 19. Jahrhunderts stattgefunden hat. So verwundert auch nicht, dass gerade in den rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Milieus oftmals der Rassebegriff vermieden, hingen aber umso mehr Wert auf die vom Rassismus geforderten Formen der Praxis gelegt wird: Selektion, Reinhaltung usw. So kann man ohne den Rassebegriff zu bemühen, auch leicht die Frage beantworten, gegen wen sich diese Ausschlusskriterien denn vornehmlich richten: gegen die Ausländer, die Anderen, die Fremden – auf kulturelle oder soziale Gruppen übertragen heißt das: gegen Homosexuelle, Lesben, Juden, Muslime, Sinti, Roma, Gitanos und Gypsies usw. Die Angst vor den Herausforderungen der Globalisierung scheint hier bereits deutlich auf: In diesem Sinne beginnt Rassismus dort, wo Menschen der Ansicht sind, dass die Bekämpfung bestimmter Gruppen anderer Menschen die Welt besser macht (Benz 2014; Bogdal 2011; Geulen 2004, 2007; Hohmann 1988).
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11.8 Rückblick auf zwei Jahrhunderte
Überschaut man die aufgezeigte Gesamtentwicklung der biologischen Anthropologie so wird deutlich, daß sich einige Fragestellungen und Probleme vom Beginn ihrer Institutionalisierung bis in die Gegenwart durchziehen. Als fester Kern haben sich dabei das Interesse an der Evolutionsbiologie sowie die Einordnung des Menschenbildes in die Gesellschaft herausgestellt. Ebenso war die Rolle von Charles Darwin für die Genese dieses Faches bedeutsam. Auch der Person des Jenaer Zoologen Ernst Haeckel sollte eine zentrale Bedeutung in diesem Prozeß zukommen. So initiierte und gestaltete dieser wesentliche Aussagen der biologischen Anthropologie, wurde Haeckel später sowohl von den nationalsozialistischen als auch sozialistischen Machthabern wissenschaftlich entdeckt und stilisiert, oder machte Gerhard Heberer in der BRD diesen nach 1945 (auch nach starken Vorbehalten gegenüber dem Fach) wieder einem breiteren Kreis der Öffentlichkeit zugänglich. Zunächst sollten aber das wissenschaftliche Werk des Naturforschers Karl Ernst von Baer und seines Lehrers Karl Friedrich Burdach sowie das auf Initiative von von Baer und Rudolph Wagner 1861 in Göttingen organisierte erste »AnthropologenTreffen« entscheidende Meilensteine für die Gründungs- und Findungsphase des Faches bilden. Dabei waren die Vorbereitungen zur Organisation des Treffens unabhängig und parallel zu Darwins Niederschrift der Origin of Species (1859) erfolgt. Es gab aber schon vorher zahlreiche wissenschaftliche Ansätze in dieser Richtung – Kant, Blumenbach, Zimmermann, Herder, Meiners oder Sömmerring sind hier wichtige Namen – jedoch sie liefen noch unter der Bezeichnung »Naturgeschichte des Menschen« und wurden eben von Vertretern anderer Fächer erarbeitet. Noch bedeutender als das Göttinger-Treffen erwies sich schließlich für die Entwicklung der biologischen Anthropologie innerhalb der ersten darwinschen Revolution das Jahr 1863, als zeitgleich und in verschiedenen Ländern (Deutschland, England, Italien) Naturwissenschaftler sich mit der Frage nach der Herkunft und der Stellung des Menschen in der Natur beschäftigten und ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in zahlreichen Publikationen vorlegten. Die Universität Jena und an ihr tätige Gelehrte (Ernst Haeckel, August Schleicher, Matthias Jacob Schleiden, Karl Snell) ragen dabei besonders heraus. Zentral für die Etablierung der biologischen Anthropologie in Deutschland war – wie oben erwähnt – das Wirken von Ernst Haeckel. Die Universität wurde damit nicht nur zum »Mekka für Zoologen«. Hier wurden die Ergebnisse des Darwinismus durch Haeckel und sein Umfeld so günstig rezipiert bzw. kritisch hinterfragt wie in keiner anderen deutschen Universität. Deshalb sind später eben auch hier direkte Verbindungslinien zum Sozialdarwinismus, zur Rassenhygiene, Eugenik, Rassenkunde und dem Monismus zu konstatieren (Kruppsches Preisausschreiben 1900, Erbbiographie über Haeckel 1936 etc.). Einige Jahrzehnte später führte dann, u. a. wiederum in Jena, die Synthese von biologischer Anthropologie und Evolutionsbiologie mit zur Begründung und Etablierung der Synthetischen Theorie der Evolution, wobei das Erscheinen des Sammelwerkes Die Evolution der Organismen (1943) und dessen Folgeauflagen prägend gewesen ist. Mit diesem Forschungsansatz war man in jenen Jahren zudem dem anglo-amerikani-
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schen und russischen Sprachraum hinsichtlich der Ideengebung und Methodologie des Faches Anthropologie voraus. Das Jahr 1900 stellt schließlich – nicht zuletzt durch die Wiederentdeckung der Mendelschen Regeln – für die Biologie im allgemeinen, wie auch für die biologische Anthropologie einen weiteren Wendepunkt dar. Mit diesen Regeln wurde erstmals ein Material verfügbar gemacht, das es den Wissenschaftlern erlaubte, die gefundenen Ergebnisse nicht mehr nur auf das Pflanzen- und Tierreich, sondern auch konkret auf den Menschen zu übertragen. Damit begann die Zeit der Eugenik, des Sozialdarwinismus und der aufkommenden Rassenhygiene und Rassenkunde. Mit diesen besonderen wissenschaftlichen Voraussetzungen war speziell in Jena auch ein politisch-ideologisches Feld vorbereitet, daß es den Nationalsozialisten erlaubte, hier eine »Rassen-Quadriga« zu etablieren. Bereits zu jener Zeit hatte also die biologische Anthropologie den Weg einer objektiven wissenschaftlichen Forschung verlassen. Nun standen rassenkundliche und rassenhygienische Fragestellungen im Blickpunkt des Interesses und wurden mehr und mehr Grundlage politischer Ideologien, die die Höherwertigkeit einer und Minderwertigkeit einer anderen Menschengruppe zum Inhalt hatten.161 Neben den vorherrschenden darwinistischen Interpretationen im 19. und 20. Jahrhundert finden sich aber auch eine Reihe von Natur- und Geisteswissenschaftlern, die die Frage der Herkunft des Menschen aus nichtdarwinscher Perspektive heraus hinterfragten. Hier sind stellvertretend der Schweizer Anthropologe und Zoologe Adolf Portmann mit seiner allgemeinen Kritik an der Selektionstheorie in moderner Form, dem Neodarwinismus, der Versuch des Berliner Anatomen und Pathologen Max Westenhöfer, einem Schüler Rudolf Virchows, zu beweisen, daß nicht der Mensch vom Affen oder affenähnlichen Vorfahren, sondern der Affe und alle anderen Säugetierformen von der Menschenform abstammen sowie die Arbeiten von Edgar Dacqué, Arnold Gehlen oder Pierre Teilhard de Chardin exemplarisch zu erwähnen. Nach 1945 wurden in Deutschland (in der DDR zunächst in Jena) dann nur strukturelle, hingegen keinerlei personelle Diskussionen über die Rolle der Anthropologen im Nationalsozialismus geführt. So war es für lange Zeit nahezu unmöglich, ernsthafte wissenschaftliche Debatten über dieses Thema zu führen, war es kaum möglich, noch Rassenforschung zu betreiben, um nicht sofort als Rassist zu gelten (Seidler & Rett 1982: 17). Die Verfehlungen einiger Anthropologen waren noch zu frisch im Bewußtsein der Menschen verhaftet; ebenso erregte die neue BerufungsVgl. aus der großen Anzahl derartiger Bsp.: »Wenn man von den einzelnen, rassisch einheitlicheren Gruppen aus dem Großraum der Sowjetunion absieht, dann ist es jenes Rassengemisch, das seine Kennzeichnung in dem stumpfen, niedrigen und oft vertierten Gesichtsausdruck findet. Es ist jenes Untermenschentum, das sich durch die brutale, hinterlistige, allen menschlichen Rechten hohnsprechende Handlungsweise im Terror gegen seine Bevölkerung in der Wahl der Mittel der Kriegsführung wie auch in der Mißhandlung in die Gefangenschaft geratener deutscher Soldaten selbst verurteilt« (O. Kolar, Rassenbilder aus der Ukraine, Volk & Rasse, Heft 4, 1943, S. 60); die vertrauliche Übersetzung von Karol Stojanowskis Buch »Rassenlehre gegen Slawentum (Posen 1943) der Publikationsstelle des Preuss. Geh. Staatsarchivs in Berlin Dahlem; verschiedene Schriftenreihen wie die des volkspolitischen Informationsdienstes der Regierung im Generalgouvernement, Innere Verwaltung Bevölkerungswesen und Fürsorge (Fritz Arlt u. a.) usw. (ZStP, RNIHA 65, 111 STRAN). 161
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politik in der BRD große Teile der scientific community. Diese personelle Kontinuität wirkte sich daher sicherlich an einigen Stellen auch nachteilig für das Fach aus. Anstatt eben dieses Thema mit besonders intensiver und gründlicher Forschung so schnell wie möglich aufzuarbeiten, tabuisierte und verdrängte man es. Gustav Blume (1948) sowie Karl Saller (1961) haben zu dieser Entwicklungsperiode – die zu einer »Pervertierung des Menschenbildes« (Altner 1973) beitrug – zwar ausführlich in ihren Büchern Stellung bezogen, aber eben nur punktuelle Impulse setzen können. Danach war in der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema bis in die 1980er Jahre ein weitgehendes Desinteresse zu konstatieren.162 Damit sind u. a. auch die in diesem Kapitel aufgezeigten, unterschiedlichen Entwicklungen des Faches im geteilten Deutschland zu erklären, die – wie am Beispiel von Jena aufgezeigt – nicht verschiedener hätten verlaufen können. Dennoch gelang es einer Reihe (teilweise auch politisch belasteter) Anthropologen, an ihre wissenschaftlichen anthropologischen Forschungsleistungen von vor 1945 wieder anzuknüpfen und mit der Herausgabe zahlreicher Publikationen (gerade im Umfeld des Darwin-Jahres 1959) auf die Bedeutung und den entpolitisierten Anspruch der biologischen Anthropologie zur Zeit der zweiten darwinschen Revolution aufmerksam zu machen. Anthropologie definierte man nun nicht mehr ausschließlich über Rassentermini und rassistische Fragestellungen, sondern legte vielmehr wieder Wert auf die Querverbindungen zu den Nachbarfächern wie eben der Evolutionsbiologie oder der Prähistorie. Dennoch gab es auch oben genannte Tendenzen, die teilweise wieder in alte Denkschemata zurückfielen.163 Neben Jena als einem der Hauptzentren der biologischen Anthropologie im 19./20. Jahrhundert waren und sind auch Teilerfolge in Tübingen und Kiel, später in Göttingen, Hamburg, Bremen, München und Mainz zu verzeichnen gewesen. Die Bedeutung und Forschungserfolge im 20. Jahrhundert hingen dabei stark von den jeweiligen Personen und deren Interessen ab, wobei sich personelle Kontinuitäten nicht immer erfolgreich auf das Fach auswirkten. Die frühzeitige Verbindung von Fachwissen aus der biologischen Anthropologie und der Evolutionsbiologie war inUnlängst hat erst wieder der italienische Humangenetiker Luca Cavalli-Sforza in seinem Buch Verschieden und doch gleich (1994) auf die unterschiedlichen Sichtweisen in der Geschichte der Menschheit verwiesen und zahlreiche Hypothesen aufgestellt, andere aber zugleich widerlegt (Rassismus). Vgl. dazu auch den Ausstellungskatalog »SchwarzWeissheiten. Vom Umgang mit fremden Menschen«, anläßlich einer Sonderausstellung im Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg vom 28.9.2001– 27.01.2002 erschienen, zgl. Heft 19 der Schriftenreihe des Landesmuseums, hg. von Mamoun Fansa, Isensee-Verlag, Oldenburg 2001; Montagu (1964); Baker (1974); Feldman, Lewontin & King (2003); Pollak (1990); Poliakov et al. (1992); Schafft (2004) sowie als frühere kritische Arbeiten: Paudler (1924) sowie Merkenschlager (1933). Siehe ebenso den 2004 erschienenen Ausstellungskatalog »Deadly Medicine. Creating the Master Race« des United States Holocaust Memorial Museums in Washington, D. C. 163 Vgl. dazu den Tenor des Heidelberger Manifests vom 17. Juni 1981, abgedruckt in »Neue Anthropologie« (1982), der keines weiteren Kommentares bedarf: »Mit großer Sorge beobachten wir die Unterwanderung des deutschen Volkes durch Zuzug von Millionen von Ausländern und ihren Familien, die Überfremdung unserer Sprache, unserer Kultur und unseres Volkstums. Allein im Jahre 1980 hat die Zahl der gemeldeten Ausländer trotz Anwerbestop um 309000 zugenommen, davon 194000 Türken […] Bereits jetzt sind viele Deutsche in ihren Wohnbezirken und an ihren Arbeitsstätten Fremdlinge in der eigenen Heimat […]« (Seidler & Rett 1982: 20). 162
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nerhalb der aufgezeigten Entwicklungstrends deutschlandspezifisch und ein originärer Beitrag der Wissenschaftler im 20. Jahrhundert zur zweiten darwinschen Revolution. Für Erfolge in der biologischen Anthropologie in Deutschland stehen neben Haeckel exemplarisch Namen wie Carl Vogt, Ludwig Büchner, Karl Snell, August Schleicher, Matthias J. Schleiden (für das 19. Jahrhundert); Rudolf Martin, Hans Weinert, Gerhard Heberer, Wilhelm Gieseler oder Adolf Remane (für das 20. Jahrhundert). Die Geschichte der biologischen Anthropologie läßt sich nach der vorliegenden Darstellung in zwei Großphasen einteilen, in eine Phase »vor/mit Darwin« und in eine Phase »nach Darwin«. Erstere war charakterisiert durch die Anfänge einer naturwissenschaftlichen Anthropologie (K. E. von Baer, R. Wagner, M. J. Schleiden u. a.) bis etwa zum Erscheinen der Origin of Species (1859), in der bei der Darstellung humanbiologischer Phänomene noch spekulative, psychologische und philosophische Argumentationsmuster überwogen. Nach 1859 beeinflußte dann aber auch – durch eine zentrale publizistische Wende um 1863 mitinitiiert – die erste darwinsche Revolution mit ihren Aussagen maßgeblich die weitere Entwicklung der Anthropologie. Die zweite Etappe von Haeckel et al. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hatte dann u. a. wissenschaftliche Höhepunkte in der Zeit um 1900 (Mendelismus, Eugenik und Sozialdarwinismus), den 1930er bis 1940er Jahren (zweite darwinsche Revolution) sowie in der Periode vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die Mitte der 1970er Jahre. Am eigentlichen Beginn eines modernen Definitionsversuches im 20. Jahrhundert steht der Ausspruch von Rudolf Martin, Anthropologie sei nichts weiter als die »Naturgeschichte der Hominiden in ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung« (Martin 1914: 1). Zuvor hatte bereits Paul Broca die Anthropologie als Naturgeschichte des Menschen (l’anthropologie est l’historie naturelle du genre humain) bezeichnet. Diesem Duktus war man weitgehend im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gefolgt. Die Geschichte der Anthropologie hat aber schließlich seit etwa den 1930er Jahren auch gezeigt, daß der von Martin verwendete Definitionsbegriff zu eng formuliert war. So umfaßt die Anthropologie als naturwissenschaftlich ausgerichtete Wissenschaft eben alles, was mit naturwissenschaftlichen Methoden erfaßbar ist. Ebenso wurden zunehmend Aussagen zu nichthominen Primaten in die Darstellung über den Ablauf der Herkunft des Menschen einbezogen, so daß sich im Verlaufe der Jahre nun eine Wissenschaft präsentierte und weiter begründete, die weit mehr war und mehr umfaßte, als es eine »Wissenschaft vom Menschen« erforschen konnte.164
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Vgl. hierzu die Einschätzung von Eugen Fischer (1953: 199).
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12. Epilog
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it Carl von Linnés Auffassungen war es in der Mitte des 18. Jahrhunderts zum ersten Mal gelungen, von kosmographischen und barocken enzyklopädischen Überlegungen über die Herkunft der Menschen den Schritt zu einer biologisch arbeitenden und denkenden Anthropologie zu vollziehen. Hierbei war es sein Verdienst, den Menschen in eine vergleichende Betrachtung der Tierwelt – eine Biologie des Menschen – eingebettet zu haben. Linnés Feststellung, daß der Mensch in die Ordnung der Primaten gehört, hatte die Gelehrten in der Nachfolge Buffons zwangsläufig zu den Fragen, Wann und Wie sich der Mensch nun eigentlich über das Niveau tierischer Primaten erhoben hatte, geführt. Die Geschichte der biologischen Anthropologie zeigt, daß in der älteren Anthropologie bzw. Naturgeschichte des Menschen zunächst nur dem Wie nachgegangen werden konnte, indem man beispielsweise den »Affe-Mensch-Vergleich« oder »Hautfarbenvergleiche« (J. G. Herder, T. Soemmerring, P. Camper u. a.) vornahm. Einige Zeit später – im unmittelbaren Anschluß an das Erscheinen von Darwins Origin of Species (1859) – war man dann aber einen Forschungsschritt weiter gegangen, indem man nun konkret Fragen nach der Herkunft und Verbreitung der Menschen stellte und diese in eine biologisch-anthropologische Forschung integrierte. Hier wurden das Jahr 1863 und die um diese Zeit vorgelegten humanphylogenetischen Abhandlungen aus Deutschland, England und Italien zentral. Ernst Haeckel und Thomas Henry Huxley sind während der ersten darwinschen Revolution dabei die prominentesten Vertreter. Außerdem spielten die in diesem Zeitraum entdeckten fossilen Funde eine bedeutende Rolle, ließen diese doch nun in erster Näherung den realhistorischen Ablauf der Hominidenevolution erkennen. Damit wurden auch Fragen nach dem Wann und Wo gestellt. Der deutsche Sprachraum hatte an den frühen Fossilfunden (wie beispielsweise Neandertaler 1856, Funde von Taubach und Weimar-Ehringsdorf 1871–1892, Unterkiefer von Mauer 1907, Jungpaläolithiker in Obercassel 1914), an denen u. a. auch die »Methoden der systematisch-vergleichenden Untersuchungen« erprobt wurden, einen beachtlichen Anteil (Spiegel-Rösing & Schwidetzky 1982: 106).1 SelbstverständVgl. dazu aus heutiger Sicht stellvertretend Reader (1981), Tattersall (1996, 1997a, 1997b) oder Henke & Tattersall (2007, 2015). 1
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lich war aber eine überzeugende Einordnung dieser Funde nur vor dem Hintergrund des Gesamtbestandes menschlicher Fossilien möglich, zumal man eben auch außerdeutsche Funde (vgl. Pithecanthropus bei Gustav Schwalbe oder später die Abhandlungen von H. Weinert, W. Gieseler oder G. Heberer) diskutierte. Deutsche Forscher waren ebenso an der Beschreibung und Bergung des Neandertalers von Le Moustier (1908) sowie des Jungpaläolithikers von Combe Capelle (1909) beteiligt.2 Seit den 1920er Jahren verlagerten sich die (geographischen) Hauptfundgebiete wichtiger Fossilien nach China, Südafrika, Kenia etc. und eröffneten so dem RaumZeit-Verständnis in der Fossilgeschichte neue Dimensionen. In Deutschland hingegen endete die seit 1856 (Neandertaler) begonnene Tradition bedeutender Funde im Juli 1933 mit dem Fund von Steinheim an der Murr, der als europäischer PräsapiensFund den Funden von Swanscombe in England (1935/36, 1955) und Fontéchevade in Frankreich (1947) zuzuordnen ist. Nach Steinheim war es den deutschen Anthropologen dann nur noch möglich, sich an den allgemeineren Diskussionen über die Fossil- und Abstammungsgeschichte in der scientific community zu beteiligen, jedoch nicht mehr an den Erstbeschreibungen.3 Trotz dieser für deutsche Anthropologen und Evolutionsbiologen ungewöhnlichen wissenschaftlichen Konstellation zur Mitte der 1920er Jahre fanden die Evolution des Menschen und insbesondere die Fossilgeschichte in der Folgezeit bei einem breiten Publikum ein großes Interesse. Ein Blick in die Fachliteratur sowie das populäre Schrifttum jener Jahre zeigt, daß zahlreiche, zu diesem Themenkomplex vorgelegte Bücher, Zeitschriftenaufsätze usw. das öffentliche Meinungsbild über die Inhalte des Faches entscheidend prägten und mitgestalteten. Es war daher wichtig, daß deutsche Anthropologen seit/in dieser Zeit immer wieder Zusammenfassungen des Wissensstandes und kritische Stellungnahmen – zu den Fossilfunden und theoretischen Modellen zur Menschheitsgeschichte – verfaßten, an denen sich auch Laien orientieren konnten.4 Insbesondere in den 1940er bis 1970er Jahren kam es dann – trotz wissenschaftspolitischer Widrigkeiten und dem Mißbrauch anthropologischer Forschungsergebnisse im Nationalsozialismus – zu einer regelrechten Verschmelzung von anthropologischem und evolutionsbiologischem Wissen. Damit Vgl. Heberer, G. (1956): Bericht über die Bergung der Skelette von Le Moustier und Combe Capelle aus dem Brandschutt des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte. Verhandlungen Deutsche Anthropologische Gesellschaft, Kongreß Freiburg i. Br., Homo (Sdbd.), 67–72; Herrmann, B. (1972): Das Combe-Capelle-Skelett. Eine Untersuchung der Brandreste unter Berücksichtigung thermoinduzierter Veränderungen am Knochen. Ausgrabungen in Berlin 3: 7–69. 3 Bis auf die Homo erectus Funde 1972 in Bilzingsleben durch D. Mania. Vgl. dazu u. a. Mania, D. & A. Dietzel (1980): Begegnung mit dem Urmenschen. Die Funde von Bilzingsleben. Leipzig; Mania, D. (1990): Auf den Spuren des Urmenschen. Die Funde aus der Steinrinne von Bilzingsleben. Berlin. Zwanzig Jahre (1991) nach Mania gelang es dann schließlich wieder F. Schrenk (und T. Bromage), einen 2,5 bis 1,9 Millionen alten Hominidenfund (Homo rudolfensis) in Malawi zu bergen: in Form des Unterkiefers »UR 501«. 4 Diese Tradition hält bis heute an. Vgl. u.a. Funkkolleg »Evolution des Menschen«. 5 Teile, Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen; Schrenk (1998); Henke & Rothe (1998); GEO Wissen: Die Evolution des Menschen, Hamburg, Septemberheft 1998; Vogel (2000); GEO – Das neue Bild der Erde: Neandertaler – Die Suche nach dem zweiten Menschen, Hamburg, April 2001; Schmitz & Thissen (2002); Schrenk & Bromage (2002); Elsner & Schreiber (2002), GEO kompakt Nr. 4 – Die Evolution des Menschen (2005) usw. 2
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Abb. 55: Schädelrekonstruktion von Paranthropus aethiopicus (www.somso.de, Somso-Plast 2014).
war es nun auch möglich, im 20. Jahrhundert den Menschen als biologisches Wesen, als biologischen Organismus und nicht mehr nur als Kreatur einer göttlichen Schöpfung zu begreifen5: ›Sie haben sicher schon gehört, Herr Doktor,‹ sagte Kees, der biedere holländische Bootsmann, mit dem ich [Dr. Emil Carthaus] mich auf meiner dritten Überfahrt nach NiederländischIndien gern ein wenig unterhielt, ›daß man auf Java die Knochen von einem Affenmenschen gefunden hat. Darüber wundern sich nun die Herren Gelehrten und machen eine große Sache daraus, als ob es überhaupt etwas Wunderbares wäre. Die Herren haben eben keine Ahnung davon, wie dahinten auf Java so wunderliche Sorten von gelben, braunen und schwarzen Menschen und Affen zusammen leben, daß man oft nicht weiß, ob man einen Menschen oder einen Affen vor sich hat. Menschenaffen gibt es in dem apenland, wie wir Holländer NiederländischIndien nennen, massenhaft, warum sollte es da nicht auch Affenmenschen geben? Mir hat einmal ein so brauner Kerl – es war auf Sumatra, im Hafen von Siboga – erzählt, daß es bei ihnen im Urwalde Orang-Utans gebe, was ja soviel wie Waldmensch heißt, die sprechen könnten, aber klug genug wären, es den Menschen nicht zu verraten, weil sie sonst arbeiten müßten […] Was sagen Sie nun dazu, Herr Doktor?‹ (Carthaus undadiert: 3, Hervorhebung im Original).
Diese kleine Episode, die sich zu Zeiten des Pithecantropus-Fundes zugetragen hat, markiert dabei den eigentlichen Beginn der biologischen Anthropologie im 20. Jahr5
Vgl. Cann (1987), Stringer & Andrews (1988), Stringer & Gamble (1993).
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hundert (basierend auf bedeutenden fossilen Funden). Sie verdeutlicht, daß keineswegs die damalige Öffentlichkeit mit den Fragestellungen und weltanschaulichen Problemen (in der Nach-Neandertaler-Zeit) des Faches in dieser Breite vertraut gewesen ist. Hingegen hatten Spekulationen, Halbwahrheiten und weltanschauliche Auseinandersetzungen bis dahin den öffentlichen und teilweise auch wissenschaftlichen Alltag bestimmt. Seit der oben erwähnten Begebenheit auf einem holländischen Schiff hat sich nun aber innerhalb der biologischen Anthropologie vieles verändert. Nach Erstem und Zweitem Weltkrieg, überstandenem Kalten Krieg und der politischen Wende im Ostblock zu Beginn der 1990er Jahre ist die scientific community – auch der Anthropologen und Evolutionsbiologen – enger zusammengerückt, erreichen uns fast monatlich Interpretationen und Nachrichten über neue fossile menschliche Funde usw. (Schmid 1986). Diese erlauben es, nun weitergehende und präzisere Aussagen über den Werdegang des Menschen zu treffen als es noch zu Darwins, Huxleys und Haeckels Zeiten möglich gewesen ist. Insbesondere die letzten 100 Jahre haben verdeutlicht, daß es dabei stets ein Auf und Ab in der Entwicklung gegeben hat. Zum großen Teil waren diese Schwankungen den gesellschaftspolitischen, wissenschaftlichen und weltanschaulich-ideologischen Einflüssen geschuldet, andererseits aber auch dem Fortschritt von Grabungen und Funden unterworfen. Nicht wenige Wissenschaftler haben sich also in den letzten 150 Jahren mit Fragestellungen über die Entstehung und Herkunft des Menschen begeistert, intensiv, sogar manchmal ein Leben lang, auseinandergesetzt, viel Zeit und Energie darauf verwendet, die Dynamik und Prozesse der menschlichen Entwicklung zu erforschen und zu verstehen.6 Durch diese Arbeiten wurde die biologische Anthropologie neben der darwinistischen Evolutionsbiologie zum zentralen Mittelpunkt der Biowissenschaften, wobei sowohl Protagonisten als auch Gegner, verschiedene gesellschaftliche Systeme und Ideologien wie auch wissenschaftliche Konzepte/Antikonzepte das heterogene Erscheinungsbild in den letzten Jahrzehnten prägten und mitbestimmten.7 Das gilt besonders für die Zeit vor der ersten und die Zeit nach der zweiten darwinschen Revolution, die zentralen »Höhepunkte« der Entwicklung. Die beiden Großphasen in der Genese des Faches waren aber ebenso durch verschiedene Krisen und Stagnationen geprägt, die im Umfeld der Arbeiten von L. S. B. Leakey in den 1960er Jahren in Afrika dann aber wieder neue Impulse erhielten und zu einem
Daß dabei oftmals grenzüberschreitend argumentiert werden muß, erkannte schon Querner vor einigen Jahren: »Der Wissenschaftshistoriker muß im Fall der Anthropologie die Grenzen auch weit setzen, denn die Verbindung und Verquickung mit ethnologischen, urgeschichtlichen und politischhistorischen Aspekten waren immer wieder gegeben« (Querner 1986: 281); McGrew (2004). 7 Trotz aller Entwicklungen und Erfahrungen hat im 21. Jahrhundert in einigen Bereichen der biologischen Anthropologie die Schärfe in den wissenschaftlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen wieder zugenommen und es ist an verschiedenen Stellen vom »Krieg der Knochenjäger« (Die Zeit vom 25. Juli 2002), »Vom Killeraffen zum Kulturbanausen« (Die Zeit vom 23.12.2002) oder »Bones of Contention« (Lewin 1997) die Rede; vgl. auch Dalton (2005), Crivellari (2005). Hier haben Kommerz, Science Citation Index, Impact Factors usw. negativ auf das Fach gewirkt und die eigentlich seit 1863 immer noch interessierenden heuristischen Fragestellungen in den Hintergrund treten lassen. 6
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Abb. 56: Australopithecus sediba wurde erst 2010 beschrieben (Museum für Naturkunde Berlin).
erneuten Aufschwung der biologischen Anthropologie führten. Mit einigen Abstrichen hält dieser Trend bis heute an.8 Die Forschung über den Ursprung des Menschen ist nach wie vor in ständigem Fluß, allein schon durch die neu entdeckten Fossilien (Toumai-Boy im Tschad im Sommer 2002, Homo floresiensis sowie Pierolapithecus catalaunicus im Herbst 2004) sowie die fast monatlich in Nature und Science publizierten molekulargenetischen bzw. paläoanthropologischen Befunde (vgl. Enard 2002, 2009; van Schaik 2003; Pääbo 2003; Tobias 2003; Baba 2003; Gibbons 2003; Brown et al. 2004; Morwood et al. 2004; Moyà-Solà et al. 2004; Diamond 2004; Gibbons 2005; Green et al. 2010 u. a. – vgl. ebenso die Literatur im Vorwort zur 2. Auflage). Deshalb kann auch nur vom derzeitigen Standpunkt aus ein »Jetztbild« oder »Jeweilsbild« (im Sinne Heberers) über die Herkunftsgeschichte der Menschen entworfen werden (Henke & Rothe 1998; Vogel 2000; Wiesemüller, Rothe & Henke 2002; Henke & Rothe 2005 oder Tattersall 1999, 2002; de Bonis’ Darstellung in zwei Teilen »Vom Affen zum Menschen«, Spektrum der Wissenschaft 1/2001 und 1/2002-Dossier; Crow 2002; Johanson et al. 2002; 8
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Wir sind nun am Ende des wissenschaftshistorischen Exkurses über die Entwicklung und Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland zwischen 1861 bis in die Mitte der 1970er Jahre (Blütezeit der zweiten darwinschen Revolution) angekommen. Es konnte gezeigt werden, daß bei dieser Retrospektive durch die Jahrhunderte sich neben der Evolutionsbiologie eine weitere biowissenschaftliche Fachdisziplin als besonders interessant erweist, da sie in fast alle Bereiche menschlichen Daseins (wie beispielsweise Politik, Ideologie, Religion, Philosophie und Kultur) hineinspielt: es handelt sich um die biologische Anthropologie und mit ihr die Erforschung der Frage nach der Herkunft und Verbreitung der Menschen. Die intensiven Auseinandersetzungen mit der Geschichte und Genese des Faches in den letzten Jahren – vor allem in Zusammenarbeit mit den Evolutionsforschern – haben dabei zahlreiche neue Tatsachen hervorgebracht. Damit konnten/können nun Antworten auf schon längst gestellte Fragen, so u. a. auf das Woher? und Wohin? der menschlichen Entwicklung im 21. Jahrhundert gegeben werden.9 Wie hatte schon August Weismann 1875 in seiner Arbeit Studien zur DescendenzTheorie. I. Ueber den Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge bemerkt: Uebrigens ist ja der Werth und die Bedeutung, welche wir einer Thatsache beilegen, immer nur ein relativer und kann einzig und allein gemessen werden nach dem Masse von Einsicht, von neuer Erkenntniss, welches sie uns gewährt (Weismann 1875: IV).
Es bleibt nun abzuwarten, nachdem Ernst Haeckel das 19. Jahrhundert als »Jahrhundert der Naturwissenschaft« (1899) und Valery Giscard d’Estaing das 20. Jahrhundert als »Jahrhundert der Biologie« propagierten, Peter Sitte 1999 von der »Jahrhundertwissenschaft Biologie« sprach, wo die biologische Anthropologie in diesem Gefüge – nach dem »Jahr der Lebenswissenschaften« (2000) – nun im 21. Jahrhundert ihren Platz finden und einnehmen wird.
Henke & Rothe 2003; Niemitz 2004; Henke & Tattersall 2007, 2015; Schwartz & Tattersall 2015). Recherchiert man beispielsweise aktuelle Literatur bei Amazon.de unter dem Stichwort »Anthropologie« waren mit Stand vom Februar 2005 insgesamt 276 Titel verfügbar – im Juni 2015 waren es schon mehr als 9722 Titel; ebenso sind/waren zahlreiche anthropologische Forschungsschwerpunkte und Institutionen in den letzten Jahren entstanden: »Literatur und Anthropologie« (SFB 511 der DFG, Universität Konstanz), »Empirische Psychologie und Anthropologie« (Teilprojekt E1 des SFB 482 der DFG, Universität Jena), Arbeitsstelle »Historische Anthropologie« des Max-Planck-Institutes für Geschichte an der Universität Erfurt, Gründung des »Max-Planck-Institutes für evolutionäre Anthropologie« in Leipzig 1997, Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung: Forschergruppe »Selbstaufklärung der Aufklärung«. Individual-, Gesellschafts- und Menschheitsentwürfe in der anthropologischen Wende der Spätaufklärung in Halle usw. Seit März 2014 gibt es in Jena zudem ein Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, das Grundlagenforschung auf dem Gebiet moderner analytischer Methoden mit dem Ziel einer integrierten Wissenschaft der Menschheitsgeschichte betreibt. 9 Vgl. u.a. Bromage & Schrenk (1999); Schrenk & Bromage (2000); Kleeberg (2001); Dean et al. (2001); Kleeberg et al. (2005); Tomasello (2006–2014); Junker (2008); Schrenk (2009); Hoßfeld (2012); Storch et al. (2013); Hoßfeld & Olsson (2014); Pääbo (2014); Kutschera (2015); Schwartz & Tattersall (2015).
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13. Bibliographie
Archivquellen
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Zeitschriften
American Anthropologist (verschiedene Bände) American Journal of Physical Anthropology (verschiedene Bände) Anthropologischer Anzeiger (verschiedene Bände) Archiv der Julius Klaus-Stiftung für Vererbungswissenschaft, Sozialanthropologie und Rassenhygiene (verschiedene Bände ab 1925) Archiv für Anthropologie (verschiedene Bände) Archiv für Bevölkerungswissenschaft und Bevölkerungspolitik (1931–1943) Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie (1904–1944) Berajah (1905–1937) Biologische Rundschau (verschiedene Bände) Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (verschiedene Bände) Correspondenz-Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (verschiedene Bände) Das Kommende Geschlecht (verschiedene Bände ab 1920) Der Aktivist. Mitteilungen des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP – Reichsleitung (verschiedene Bände) Der Biologe (1930/31–1943/44) Die Weltanschauung (1928–1933) Eugenik, Erblehre und Erbpflege (1930–1931) Falco (1905–1945) Homo – Zeitschrift für die vergleichende Biologie des Menschen (verschiedene Bände) Korrespondenz für Volksaufklärung und Rassenpflege (verschiedene Bände) Mitteilungen der Sektion Anthropologie der Biologischen Gesellschaft der DDR (bis Nr. 30, 1974) Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform (verschiedene Bände ab 1904) Nationalsozialistische Monatshefte (1930–1943) Natur und Geist (1933–1939) Nordische Stimmen. Zeitschrift für Nordisches Wesen und Gewissen (verschiedene Bände) Politisch-Anthropologische Revue (verschiedene Bände ab 1902/03) Rasse. Monatsschrift der Nordischen Bewegung (verschiedene Bände) Soldatentum (verschiedene Bände) Unsere Welt (1930–1941) Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (verschiedene Bände) Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Rassenforschung (verschiedene Bände ab 1926)
562
Bibliographie
Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte (verschiedene Bände) Volk im Werden (1932–1944) Volk und Rasse (1930–1943) Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft (1935/36–1944) Zeitschrift für Ethnologie (verschiedene Bände) Zeitschrift für Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre (verschiedene Bände) Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie (verschiedene Bände) Zeitschrift für Psychische Hygiene (verschiedene Bände ab 1928) Zeitschrift für Rassenkunde (1935–1943/44) Zeitschrift für Rassenphysiologie (verschiedene Bände) Zeitschrift für Rassenpsychologie (verschiedene Bände ab 1928) Zeitschrift für Volksaufartung und Erbkunde (1926–1930)
Abkürzungen
BAH DMB EHG EHH FSU LTI NS NSDAP NSDB NSLB RfB RuSAH SA SD SPD SS SWS WS
Biologische Anstalt Helgoland Deutscher Monistenbund Ernst-Haeckel-Gesellschaft Ernst-Haeckel-Haus Friedrich-Schiller-Universität Lingua Tertii Imperii Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund Nationalsozialistischer Lehrerbund Reichsbund für Biologie Rasse- und Siedlungs-Hauptamt der SS Sturmabteilung Sicherheitsdienst Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel (Sommersemester) Semesterwochenstunde Wintersemester
Abkürzungen
563
14. Register
A bbe, Ernst 111, 225 f., 229
Abel, Wolfgang 230 Ackermann, Jacob Fidelis 81 Adloff, Paul 327 Aeby, Christoph Theodor 97 Agassiz, Jean Louis Rodolphe 114, 130 Agricola, W. 279 Aichel, Otto 203, 368, 394 Aischylos 59 Albertus Magnus 61, 75 Albrecht, Gerhard 227 Aldrovandi, Ulysse 62 Almquist, Alan J. 27, 29 Alverdes, Friedrich 309 Alverdes, Kurt 309 Alvernia, Petrus de 61 Ambronn, Hermann 226 Ammon, Otto 27, 213 Andree, Julius 116, 184 Angiulli, Andrea 138, 146 Anucin, Dimitri Nikolaevic 93, 189 Apelt, Ernst Friedrich 109 Aquin, Thomas v. 61 Arbo, Carl Oscar Eugen 192 Ardigo, Roberto 138, 146 Areopagita [Pseudo-Dionysius] 37 Aristoteles 37, 59 f., 65 Astel, Karl 213, 228 ff., 234 ff., 238, 247, 249 ff., 255 ff., 273 ff., 283, 285, 288 f., 292, 296 ff., 308 f., 312 f., 315 ff., 324, 336, 341 f., 353, 366 f., 376, 391, 425 ff., 430, 435 Auerbach, Felix 225 f. Auspitzer, Emil 171 Autrum, Hansjochem 470
B ach, Herbert 430 ff. Bach, Kurt 315
Bacon, Francis 62 Baege, Bruno 379 Baer, Carl Ernst v. 7, 13, 23, 35, 40, 55, 87 ff., 96 ff., 100, 110, 114, 144 f., 181 f., 189, 377, 387, 485, 488 Bahr, Hermann 171 f., 174 Baitsch, Helmut 49, 421 Baker, Thelma S. 193 Barrago, Francesco 137 Barthelmeß, Alfred 384 Bäßler, Friedrich August 377 Bastian, Adolf 161, 179, 186 Battaglia, Rosario 136 Bauer, Hans 323, 454 Bauer, Karl Heinrich 49 Bauermeister, Wolfgang 230 Baur, Erwin 369, 371, 470 Bavink, Bernhard 267, 272 f., 341, 357, 359 ff. Bayertz, Kurt 215 Bazar, Elazar 27 Becker, Peter Emil 470 Beddoe, John 120 Belitz, Hans-Joachim 455 f. Belon, Pierre 62 Benedix, Heinz 282 Bennett, Kenneth A. 25 Benninghoff, Alfred 380 Bense, Max 281 Bergdolt, Ernst 323, 354, 356, 380, 382 f. Bergmann, Carl Georg 97 Bergner, Günther 463 f. Bernhard, Wolfram 477 Bernier, Francois 63, 65 f., 139 Bertalanffy, Ludwig v. 363, 367 Bertillon, Adolphe 41, 143 Beurlen, Karl 323, 373, 380, 383 f.
Bicker, Friedrich Karl 328 Binswanger, Otto 226 Bismarck, Otto v. 362 Black, Davidson 437 Bleek, Wilhelm H. J. 106 Blomeyer, Karl 306 Blume, Gustav 418 f., 487 Blumenbach, Johann Friedrich 33, 38, 54, 64, 69 ff., 83, 87, 90, 95, 109 f., 114, 120 f., 142, 145, 150, 181, 194, 349, 367, 387, 485 Boas, Franz 193, 204, 279 Boaz, Noel T. 27, 29 Boehm, Hermann 230 Boehm, Max Hildebert 235, 430 Bogdanov, Anatolij Petrovic 93, 189 Bogujavlenski, N. 281 Bohlin, Birger 437 Böhmert, Gerhart 279 ff. Boise, Charles 438 Böker, Hans 295 f., 307 ff., 323, 388 Bolk, Louis 414, 457 Bölsche, Wilhelm 172, 204 ff., 209 f., 268, 339 f., 398 Bonelli, Andrea 137 Bonnet, Charles 69, 94 Bormann, Martin 275 Botticelli, Sandro 249 Boule, Marcellin 445 Bradley, Richard 63, 120 Brandt, Johann Friedrich 88 Braß, Arnold 271 Brauckmann, Karl 376 Bräuer, Günter 440 Breitenbach, Wilhelm 204, 206 ff., 268 Breitenbauch, Georg August v. 77 Breitinger, Emil 188, 400 Broca, Paul 41, 44, 136, 138, 143, 146, 189, 194, 196, 488 Brogniart, Adolphe Theophile 130 Bronn, Heinrich Georg 21, 102, 105 Broom, Robert 437 Brücher, Heinz 174, 235, 256, 277, 291 f., 309, 311 ff., 317, 357, 360 f., 364 ff., 376, 378, 391 Bryn, Halfdan 192 Büchi, Ernst C. 54 Büchner, Ludwig 101 f., 114, 117 ff., 129 f., 145, 153, 204, 488 Buckland, William 85 Buffon, Georges Louis Leclerc 67 ff., 71, 74, 76 f., 139, 189, 489 Buhmann, Hans K. E. 201 Bunak, Viktor Valerievich 189 f.
Burdach, Karl Friedrich 35, 40, 64, 83, 87 f., 93 ff., 100, 109, 111 f., 485
C amper, Petrus 69, 76, 79, 109, 179, 194, 489 Canestrini, Giovanni 137 f., 146 Capelletti, Licurgo 137 Carus, Carl Gustav 64, 79, 81, 94 Carus, Julius Victor 91, 123, 128 Casmann, Otto 39, 79 Cattaneo, Giacomo 138 Chamberlain, Houston Stewart 174, 185, 213, 235 Chambers, Robert 114 f., 121 Chantre, Ernest 143 Churchill, Winston 302 Cipriani, Lidio 136 Classen, Wilhelm 386 Clauss, Ludwig F. 390 Clauß, Ludwig Ferdinand 240 Claussen, Ferdinand 230 Claussen, Uwe 14, 434 f. Cnobloch, Carl 38 Comte, Auguste 33, 172 Conrad, Johannes Ernst 216 f., 220 Count, Earl Wendell 477 Courtet de l‘Isle, Victor 142 Cuvier, George 84, 92, 114 f., 136, 139 f., 145, 176 f., 387 Czekanowski, Jan 198
D acqué, Edgar 284, 323, 327, 346, 353, 486
Dahlberg, Gunnar 192 Dally, Eugene 143 Darré, Richard Walter 248, 288 Dart, Raymond A. 437, 465 Darwin, Charles 21 ff., 28, 34 f., 39, 47, 58, 70, 83 f., 87, 91 ff., 100 ff., 107, 110 ff., 116, 118 ff., 125, 128 f., 132 ff., 137 ff., 142, 145 f., 149, 162, 175 f., 181, 195, 206, 209, 214, 281, 307, 317, 327, 342, 346, 349, 364, 372 ff., 383, 392, 408, 436, 465, 469, 472, 478, 485, 488 f., 492 Darwin, Emma 132 Darwin, Erasmus 120 Daubenton, Louis Jean-Marie 68, 76 Dawson, Charles 436 Delbrück, Berthold 226 Demokrit 349 Dennert, Eberhard 270 ff., 360 f. Descartes, René 62 Diederichs, Eugen 225, 246 Dingler, Hugo 29, 323 f., 330, 332, 354, 384, 393, 441 f.
Regis ter
565
Dobzhansky, Theodosius 27, 321, 329, 354, 356, 466, 469 Dohrn, Anton 111 Dongus, Walter 299, 315 Dubois, Eugen 160 ff., 179, 199, 436 Duis, Bernhard 230 Duncker, Hans-Rainer 469 Dürre, Konrad 253
E cker, Alexander 54, 96 f., 182, 184, 471
Edinger, Ludwig 260 Edler, Wilhelm 227 Edwards, W. F. 142 Eher, Franz 363 Ehlert, Günter 429 Eibl-Eibesfeldt, Irenäus 28, 452 Eichenauer, Richard 249 Eickstedt, Egon Freiherr v. 30, 44, 46, 50, 52, 54 ff., 204, 240 f., 296, 332 f., 368, 387 ff., 400, 418, 421, 444, 449, 451, 459 f., 470, 477 Einstein, Albert 310 Eleutheropulos, Abroteles 218 Empedokles von Agrigent 60 Engels, Friedrich 237, 281 Engert, Joseph 174 Enke, Ferdinand 388 Erhardt, Sophie 404 Erxleben, Christian Polykarp 67, 74 Esau, Abraham 227, 245, 265, 279, 306 Eschenmeyer, Christoph Adolph v. 83 Esper, Johann Friedrich 84 Eucken, Rudolf 167, 226 Eveleth, Phyllis B. 193 Evola, Julius 384
F assetto, Fabio 136
Fehr, Hans 368 Ferembach, Denise 470 Feustel, Rudolf 433 Fichte, Johann Gottlieb 81, 224 Filippi, Filippo de 101, 136 f., 146, 153 Fischer, Engelbert Lorenz 209 Fischer, Eugen 41 ff., 55, 191, 196, 203 f., 209, 230, 240 f., 250, 295, 332, 368, 373, 394, 399 f., 417, 421, 445 Fischer, Gustav 216 f., 225, 228, 246, 295, 320, 324, 462 f., 472 f., 475 Fischer, Kuno 111 Fleischmann, Adolf 346 Flodström, Isidor 192 Forbes, Edward 114 Forel, August 166, 213, 268 Forster, Georg 33, 64, 71 f., 74, 95, 198
566
Regis ter
Forster, Johann Reinhold 33 Fraas, Eberhard 216 Fraas, Oscar 184 Frank, Karl Hermann 298 Franz, Victor 82, 152, 230, 235 f., 238, 260, 262, 264, 273 f., 282, 305, 308, 318, 323, 331, 341, 343, 360 f., 387 Frege, Gottlob 226 Freye, Hans Albrecht 433 Frick, Wilhelm 45, 228 f., 234, 237, 241 f., 244, 248, 251, 310 f., 374 Friedrich-Freksa, Hans 443 Fries, Jacob Friedrich 81, 107 ff., 224 Frisch, Karl v. 279 Fuhlrott, Johann Carl 130, 175 f., 178 Fürbringer, Max 160, 169, 214
G adamer, Hans-Georg 28 f.
Galen 62 Galilei, Galileo 149 Gall, Franz Joseph 79 ff., 191 Galton, Francis 120, 134, 213, 235 Gasman, Daniel 171, 174, 282 Gegenbaur, Carl 82, 111, 152, 168 f., 214 Gehlen, Arnold 28, 44, 414, 486 Geoffroy-St. Hilaire, Etienne 139 f., 144 Gerkan, Roland 269 Gerlach, Werner 283 Gessner, Conrad 62 Gieseler, Wilhelm 156, 198, 230, 323 ff., 327 f., 331 f., 395, 399 ff., 404, 411, 418, 421, 443 ff., 450, 452 ff., 457 ff., 462, 488, 490 Girtanner, Christoph 349 Giscard d‘Estaing, Valery 494 Giuffrida-Ruggeri, Vincenzo 136 Gmelin, Carl Christian 67 Gobineau, Joseph Arthur Comte de 78, 143 f., 146, 185, 213, 235, 398 Goebbels, Joseph 233 Goerttler, Kurt 28 Goethe, Johann Wolfgang v. 79, 83, 105, 229, 261, 353, 375, 377, 381 f. Goldschmidt, Richard 241, 244 Göring, Hermann 244 Götze, Alfred 238 Gräper, Ludwig 308 f. Grassi, Battista 138 Grau, Wilhelm 230 Grebe, Hans 231 Greil, Max 310, 425 Greiser 315 Greite, Walter 334, 337, 340 f., 380 Grimm, Hans 52
Grober, Julius 216 Gronau, Wilhelm 279 Groß, Walter 231, 233, 251, 273, 336, 364, 372, 374, 377, 383 Grosse, Karl Friedrich August 38 Grossmann, Erich 231 Grünberg, Hans 473 Grupe, Gisela 11, 424 f. Günther, Hans Friedrich Karl 10, 54, 144, 192, 230 f., 234 ff., 244 ff., 276, 288, 315, 318 f., 328, 331, 370, 390, 398, 425 ff., 434 Günther, Klaus 451 Gütt, Arthur 245, 336 Gutzmer, August 226
H aag, Friedrich E. 230
Haase-Bessell, Gertraud 356 Haberlandt, Michael 188 Haeckel, Ernst 21, 23, 35 f., 101 ff., 110 ff., 116, 118 f., 123, 126, 128, 134, 138, 140, 144 f., 147 ff., 159 ff., 164 ff., 175, 179, 187, 197, 204, 206 f., 209, 213 f., 216 f., 219 ff., 226, 229, 234 f., 260 ff., 266 ff., 270 ff., 279, 274 ff., 278 ff., 292 f., 305 ff., 310, 312, 317 f., 320, 333, 338 ff., 349, 354, 356, 359 ff., 370, 372 ff., 381, 383 f., 386 f., 389, 391, 408, 416, 426 f., 435, 450, 485, 488 f., 492, 494 Haeckel, Walter 262, 361 Haeckel, Werner 339 Haecker, Valentin 407 Haecker, Walter 218 Hagen, Benno v. 339 f. Hahne, Hans 407 Haller, Albrecht v. 68 Hammond, Michael 27 Hamy, Ernest-Théodore 143 Hansen, Sören 191 Haraway, Donna J. 27 Harder, Richard 296 Harms, Jürgen W. 265, 284, 305 f., 308, 407 Harrison, Geoffrey Ainsworth 25, 470 Harting, Pieter 97 f. Härtle, Heinrich 363 Harvey, William 62 Hassenstein, Bernhard 28 Hauer, Jaob Wilhelm 288, 291 Hauptmann, Karl 376 Hauschild, Wolfgang 42 Hauser, Gertrud 188 Hauser, Otto 209 Heberer, Gerhard 13 f., 23, 29, 36, 156, 230, 234 ff., 238, 258, 260, 274, 279, 283 ff., 289 f., 302 ff., 313 ff., 317 f., 320 ff., 328, 330 ff., 339 ff.,
346, 353 f., 357, 366 f., 372 ff., 376, 382, 384, 388, 391, 395, 397, 406 ff., 416, 418, 426, 430, 435, 437 f., 441, 443 f., 446 f., 450, 452 f., 456 ff., 460 ff., 469, 473, 485, 488, 490 Heberer, Richard 407 Hecht, Günter 382 f. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 111, 224 Heidenhain, Martin 399 Heider, Karl 404 Heilborn, Adolf 204, 209 f., 293 Heincke, Friedrich 260 Heinroths, Johann Christian August 38 Heinze, Hans 273, 359 Hekatäos 59 Henckel, Karl Otto 203 Henke, Winfried 11, 14, 54, 424 Henle, Jacob 97 Hentschel, Willibald 211, 234 Herder, Johann Gottfried 33, 64, 72, 75 ff., 83, 87, 114, 139, 194, 485, 489 Hermann, Bernd 433 Herodot 32, 59 f. Herre, Wolf 14, 323, 325, 374, 453, 462 Herrmann, Bernd 424 Herrmann, Joachim 433 Hertwig, Oscar 114, 169, 219 Hertwig, Paula 279 Hescheler, Karl 410 Heß, Rudolf 231, 248 Hesse, Albert 217 f. Hesse, Richard 377 Heusinger, Carl Friedrich 83 Heussi, Karl 241 Hildebrandt, Kurt 380 f. Hildebrandt, Richard 299, 315 Hildén, Kaarlo 192 Hillebrand, Joseph 83 Himmler, Heinrich 248, 251, 258, 283, 285, 288, 290, 303 ff., 336, 380 Hippokrates 60 His, Wilhelm 184, 187 Hitler, Adolf 231, 234, 237, 240, 244, 248 f., 258, 275, 299, 302 f., 308, 338, 363, 375, 386, 433 Hobstetter, Karl 227 Hoeven, Jan van der 96 f. Hofer, Helmut 411, 463 f. Hoff, Karl Ernst Adolf von 129 Hoff, Peter 470 Hoffmann, H. 312, 374 Hofmann, Otto 314 Holler, Kurt 309 Homer 59, 61 Hooker, Jospeh Dalton 122
Regis ter
567
Hooton, Earnest A. 193 Hörners, Moritz 188 Hovelacque, Alexandre A. 143 Hrdlička, Ales 193 Hueck, Alfred 227 Hufeland, Christoph Wilhelm v. 64 Humboldt, Wilhelm v. 33, 77, 83, 130, 276 Hundt, Magnus 38 f., 47, 62, 79 Hunt, James 119, 175 Hunter, John 69 f., 72, 74, 120 Huschke, Emil 81 Husserl, Edmund 28 Huxley, Julian 27, 321, 324, 466 f., 469 Huxley, Thomas Henry 7, 22, 91 ff., 98, 101, 110, 114, 116, 119 f., 123, 125 f., 128 ff., 133 ff., 145, 147, 151 ff., 161, 191, 209, 326, 416, 463, 489, 492
I brahim, Jussuf 226 Ith, Johann 38
J acobi, Johann Adolf 81
Jäger, Gustav 112, 114 Jahn, Ilse 14, 109 Jancke, Ursula 257 Jespen, Glenn L. 466 Johanson, Donald 440 Joos, Georg 227 Josephi, Johann Wilhelm 78 Judeich, Heinrich Walter 241 Junker, Thomas 14, 369 Jürgens, Hans W. 54 Just, Günter 230, 358, 470
K ablukow, I. 281
Kajava, Yrjö 192 Kälin, Josef Alois 444 Kalthoff, Albert 269 Kammerer, Paul 363 Kant, Immanuel 33, 64, 69 ff., 74 f., 83, 87, 95, 108, 110 f., 145, 198, 349, 485 Kaplan, Reinhard W. 453 Karsten 315 Katz, Solomon H. 25 Keiter, Friedrich 10, 230 Kepler, Johannes 149, 370 Kielmeyer, Karl Friedrich 69 Kieser, Walter 266, 298 King, William 178 Kirschke, Siegfried 23 Kirsten, Johann Friedrich Ernst 81 Kittel, Martin Balduin 81 Klaatsch, Hermann 116 f., 206 Klatt, Berthold 279
568
Regis ter
Klee, Ernst 259 Klein, Emil 301 Kleinenberg, Nikolaus 111 Kleinschmidt, Otto 323, 343 ff., 348 ff., 413, 415 f. Klemperer, Viktor 364 Knopf, Otto 226 Knußmann, Rainer 44, 48, 51, 54 ff., 470 Koenigswald, Gustav Heinrich Ralph v. 437 f., 446, 458 Kollmann, Julius 184 Kollwitz, Käthe 310 Konopath, Hanno 244, 288 Kopernikus, Nikolaus 149 Koppers, Wilhelm 204 Kötschau, Karl 284, 305, 307 ff. Kramp, W. 418 Kranz, Heinrich W. 230 Krause jun., Wilhelm 97 Krebs, Heinz 257 Kretschmer, Wolfgang 28 Kretzschmann 304 Krieck, Ernst 273, 309, 333, 341, 385 ff. Krogh, Christian v. 323 ff., 329, 331 f., 356, 384, 444 f., 450, 456 f. Kroll, Jürgen 215 Krüger, Gesine 480 Krumbiegel, Ingo 282, 388 Krupp, Friedrich Alfred 216 f., 220 f. Kubach, Fritz 280 Kuhn, Karl 363 Kuhn, Oscar 323, 346, 356 Kuhn, Thomas S. 28 Kuhn-Schnyder, Emil 451 Kükenthal, Willy 260, 404 f. Kummer, Benno 464 f. Kummer, Bernhard 235, 430 Kunter, Manfred 471 Kurella, Hans 137 Kurth, Gottfried 247, 463 ff., 473 f. Kuschinsky, Gustav 299
L acépéde, Bernard Germain Etienne de
Laville de 142 Lafitau, Joseph François 195 Lamarck, Jean-Baptiste 69, 115, 130, 138, 140 ff., 144, 146, 162, 383 Landmann, Michael 463 f., 466 Lang, Arnold 260, 410 Lanz von Liebenfels, Jörg 211 Lapouge, George Vacher de 143, 146, 202, 213 Larsson, Robert 192 Lartet, Edouard A. 176
Lassila, Väinö 192 Laue, Max von 295 Lautenbach, Otto 379 Lavater, Johann Caspar 79 Lawrence, William 120 f. Leakey, Jonathan 438 Leakey, Louis S. B. 409, 437 f., 465, 492 Leakey, Mary 438 Lebedour, Karl Friedrich 88 Leche, Wilhelm 192 Leers, Johann v. 235, 259, 302, 304, 315, 430 Lehmann, Ernst 202, 212, 312 ff., 334, 336, 342, 358 Lehmann, Julius Friedrich 238, 246, 248, 336, 368 Lehmann, Otto 358 Lehmann, Wolfgang 407, 443 f., 448 f. Lehrs, Philipp 376 Leibniz, Gottfried Wilhelm 62 f. Leisegang, Hans 242 Lenard, Philipp 382, 386 Lenz, Fritz 220, 230, 339, 341, 417 f. Lenz, Widukind 55 Lessona, Michele 138 Levin, Maksim G. 189 Lichtenberg, Georg Christoph 79 Linck, Gottlob E. 226, 262 Lindenschmidt, Ludwig 187 Linné, Carl v. 32, 54, 65 ff., 74, 76 f., 84, 126, 133, 164, 489 Lippolt, Hans Joachim 451, 475 Lipsius, Friedrich 339 f. Loder, Justus Christian v. 64, 81 Loeffler/Löffler, Lothar 230 f., 386 Lombroso, Cesare 136 f., 146 Lorenz, Konrad 323, 442, 452, 460 Lotze, Reinhold 357 Lubosch, Wilhelm 323 Lucae, Gustav Johann Christian 96 ff., 187 Luden, Heinrich 224 Ludewig, Johann Peter 40 f. Ludwig, Wilhelm 455 Luers/Lüers, Herbert 368, 451, 454, 456, 460 f. Lunatscharsky, Anatol W. 363 Lund, Peter Wilhelm 191 f. Lundborg, Herman 191 f. Luschan, Felix v. 186, 394 Lyell, Charles 101, 110, 114, 122, 126, 129 f., 132, 135, 139, 416 Lyssenko, Trofim Denisovich 190, 442, 452
Maggi, Leopoldo 138 Malinowski, Bronislaw 204 Malte-Brun, Konrad 142 Mandel, Ernst 159 Mann, Golo 406 Mantegazza, Paolo 136 Martin, Rudolf 41, 44, 48 ff., 54, 87, 186, 188, 191, 196 ff., 200, 203 f., 246, 358, 392, 399, 401, 470, 475, 478, 488 Massari, Claudia 136 Massin, Benoît 419 Matzat, Heinrich 217, 219 Matznetter, Josef 54 Maurer, Friedrich 116, 168 ff., 241 Mayr, Ernst 14, 27, 456, 465 f., 469 Meiners, Christoph 33, 64, 69, 77 f., 83, 87, 139, 198, 485 Meisenheimer, Johannes 261 Meissner, Georg 97 Mengele, Josef 295 Mentz, Georg 241 Methner, Alfred 218 Meyer [-Abich], Adolf 296, 308 f., 346, 380 Meyer, Erich 376 Meyer, Hans 260 Meyer-Erlach, Wolfgang 234 Michaelis, Curt 218 Michaelis, Peter 312 Michelangelo Buonarroti 249 Mill, John Stuart 121 Mitschurin, Iwan Wladimirowitsch 384 Moleschott, Jakob 114 Mollison, Theodor 198, 200, 204, 239, 241, 279, 289, 328, 373, 400, 448 Montesquieu, Charles Secondat de 62 Monti, Rina 138 Monticelli, Francesco Saverio 138 Morbeck, Mary Ellen 424 Morselli, Enrico 138, 146 Mortillet, Gabriel de 143 Moses 113 Motulsky, Arno G. 470 Much, Rudolf 368 Mühlmann, Wilhelm Emil 30, 32 ff., 44, 50 f., 204, 213 Müller, Hans 376 Müller, Johannes 23, 94, 107, 109 Müller, Karl Valentin 231 Müller, Philipp Ludwig Statius 67 Müller, Wilhelm 54
M ach, Ernst 268
N achtsheim, Hans 290, 420 f., 473
Mägdefrau, Karl 265, 273, 278 f., 282, 323
Napoleon 139
Regis ter
569
Nasse, Friedrich 38 f. Nedden, Otto zur 304 Neuhaus, Richard 41 Neumann, Carl W. 210 Neumann, Gotthard 427 Neurath, Konstantin von 299 Newton, Isaac 62 Niceforo, Alfredo 136, 213 Nicolucci, Giustiniano 136 Nietzsche, Friedrich 33, 172, 318 Nilsson, Heribert 192 Nilsson-Ehle, Hermann 192 Noah 84 Nordau, Max 137 Nordenholz, Anastasius 214, 293 Nöthlich, Rosemarie 207
O etteking, Bruno 198
Oken, Lorenz 64, 81 ff., 87, 91, 95, 124 Olivier, Georges 143 Ostwald, Wilhelm 268 f., 271 f., 362 Owen, Richard 91, 98, 121, 125, 130
P ancke, Günther 336
Pandera 173 f. Paracelsus [Theophrastus Bombastus ab Hohenheim] 62 Pardot, Georg Friedrich 88 Park, Michael Alan 27 Parona, Corrado 138 Penniman, Thomas Kenneth 33 f. Perthes, Jacques Boucher d. 86, 130 Pesonen, Niilo 193 Peter der Große, Zar 189 Peters, Hans M. 28 Peters, Wilhelm 241 Petersen, Peter 221 Peyriére, Isaak de la 37, 62 Pfaul, Berthold 247, 429 Pittard, Eugène 188 Planck, Max 295 Plate, Ludwig 214, 227, 234, 241, 246, 265, 292 ff., 306 ff., 317 f., 383 Platner, Ernst 38 Platon 59 f. Pleßner, Helmut 28 Pleyer, Kleo 288 Ploetz, Alfred 55, 191, 211, 213 f., 219, 239, 241, 288, 293, 361, 427 Pöch, Rudolf 188 Polo, Marco 61 Pope, Alexander 120 Portmann, Adolf 413 ff., 486
570
Regis ter
Prichard, James Cowles 114, 119 ff., 150 Proctor, Robert 27 Puccioni, Nello 136 Putnam, Frederic W. 193
Q uatrefages de Bréau, Armand de 41, 143 Querner, Hans 183
R adcliff-Brown, Alfred R. 204
Rádl, Emanuel 30, 114 Ranke, Johannes 161, 179, 185 ff., 470 Ratzel, Friedrich 182 Rau, Rudolf 226 Reche, Otto 188, 203, 230, 323 ff., 328 f., 331 f., 336 f., 358 f., 368, 373 f., 444, 448 ff., 459 Reif, Wolf-Ernst 14, 443, 450, 460, 472 Remane, Adolf 28 f., 323, 404 ff., 411, 416, 441, 451, 463 ff., 488 Renner, Otto 227, 241, 311 Rensch, Bernhard 279, 309, 321, 323, 325, 332, 346, 348 f., 354, 376, 407, 443, 451, 453, 462, 466 ff. Retzius, Anders A. 87, 91, 181, 190 f. Retzius, Gustaf 191 Richter, Rudolf 374 Rivet, Paul 143 Robinson, John Talbot 465 Roehrs, Manfred 451, 453 Roemer, Theodor 367 Rolle, Friedrich 101 f., 112 ff., 119, 145, 153 Rosenberg, Alfred 233, 248, 275, 341, 363 ff., 367, 370, 375, 377, 384 Rosenmüller, Johann Christian 85 Rosenthal, Eduard 225 f. Rösing, Friedrich W. 54, 423 Rothacker, Erich 32, 44 Rothe, Hartmut 424 Rothschild, Walter, Lord 416 Rousseau, Jean-Jacques 71, 139, 146 Rubens, Peter Paul 249 Rubruck, Wilhelm v. 61 Rückert, August 107 f. Rüdin, Ernst 230, 290, 383 Rudorf, Wilhelm 367 Rüger, Ludwig 323 f., 441 f. Ruppin, Arthur 217 Rüschkamp, Felix 374 Russell, Frank 193 Rust, Bernhard 316, 396 Rütimeyer, Ludwig 114 Ruttke, Falk 235, 430 Ruysch, Frederik 90
S alimbeni, Leonardo 137
Saller, Karl 49, 198, 203, 391, 418 ff., 473, 475 f., 487 Sarasin, Fritz 188 Sarasin, Paul 188 Sauckel, Fritz 229, 234, 249 ff., 273, 275, 282, 285, 297, 301, 303, 305, 309, 316, 324, 341 Sauter, Marc-Rodolphe 188 Schaaffhausen, Hermann 7, 96 f., 130, 175 f., 184 Schaeuble, Johann 54, 240, 421 Schäfer, Dietrich 217, 220 Schalk, Emil 218 Schallmayer, Wilhelm 213 f., 217 ff., 268 Schaxel, Julius 227, 235, 237, 251, 293, 310 f. Scheidt, Walter 42, 198, 230, 241, 368, 400, 418, 421 Scheler, Max 28, 44 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 87, 94 Schemann, Ludwig 144 Scherzer, Karl 96 f. Scheuchzer, Johann Jacob 69, 84 Schiller, Friedrich 224 Schindewolf, Otto Heinrich 28 f., 323, 346, 353, 357, 373 Schirach, Baldur v. 348 Schlaginhaufen, Otto 188, 198, 200, 410 Schleicher, August 35, 101 ff., 110, 119, 130, 145, 149, 151, 164, 320, 485, 488 Schleiden, Matthias Jakob 35, 101 f., 104, 106 ff., 119, 145, 164, 320, 468, 485, 488 Schlotheim, Baron Ernst Friedrich Freiherr v. 86 Schmalgauzen, Ivan Ivanovitsch 191 Schmerling, Philippe-Charles 129, 176 Schmid, Carl Christian Erhard 81 Schmid, Ernst Erhard 107 Schmidt, Emil 186 Schmidt, Heinrich 210, 235, 262 ff., 273, 333, 339 f., 362, 365, 375 ff. Schmidt, Wilhelm 204 Schmidt-Gibichenfels, Otto 202 Schmidt-Kehl, Ludwig 230 Schnalke, Thomas 481 Schnitzler, Ottmar 312 Schoetensack, Otto 209, 436 Schopenhauer, Arthur 33, 172 Schöps, Johann David 38 Schreiner, Alette 192 Schreiner, Kristian Emil 192 Schröder, Heinrich 257, 302 Schubart, Erdmann A. B. 107 ff. Schultz, Adolph H. 188, 198, 395, 410 f., 413, 463 f., 477
Schultz, Bruno Kurt 231, 250, 254, 290, 368, 373, 400 Schultze, Walter 284, 306 Schultze-Naumburg, Paul 244, 247 ff., 368 Schulz, Reimer 258 Schwalbe, Gustav 116, 161, 178, 184 f., 196, 199, 436, 490 Schwalm, Fritz 314 f. Schwanitz, Franz 323, 354 ff., 370 ff., 374, 443, 451, 453 ff., 461 f., 469 Schwann, Theodor 107 Schwarz, Eduard 96 f. Schwarzfischer, Friedrich 49 Schweizer, Wilhelm 257 Schwidetzky, Ilse 30, 44 f., 47, 54, 389, 418, 421 ff., 452, 459 f., 470 f., 475, 477 Sedgwick, Adam 130 Seidler, Horst 188 Selenka, Emil 161 Selenka, Margarete Lenore 437 Semon, Richard 216 Sera, Leo G. 136 Sergi, Giuseppe 136 Sergi, Sergio 136 Serres, Etienne A. R. 142 Sewertzoff, Alexej Nikolaevic 152, 281 Siedentopf, Henry 227 Sieverts, Adolf 241 Simasko, Julian 90 Simon, Wilhelm 451 Simons, Elwyn L. 475 Simpson, George Gaylord 27, 444, 447, 466, 469 Sitte, Peter 494 Snell, Karl 35, 101 f., 111 f., 119, 145, 164, 320, 485, 488 Sokrates 59 Sommer, Karl 433, 435 Sommer, Marianne 480 Sömmerring, Samuel Thomas v. 64, 75, 79, 81, 83, 87, 485 Speiser, Felix 188 Spencer, Herbert 33, 121, 162, 213, 317 Sperling, Karl 451, 454, 456, 460 f. Spiegel-Rösing, Ina 54, 423, 471 Spitzbardt, Harry 106 Spurzheim, Johann Caspar 81, 191 Staerck, Willy 241 Stahl, Ernst 226 Starck, Dietrich 15, 82, 152, 279, 411, 452, 456 f., 463 f. Steffens, Henrik 81 Steiner, Bernhard 353, 381
Regis ter
571
Steiner, Franz 107 Steiniger, Fritz 230 Stengel von Rutkowski, Lothar 234 f., 256 f., 259, 284, 286, 299 f., 306, 314 f., 317, 352, 364, 367, 391, 427, 435 Stier, Friedrich 245 f., 379 Stocking jr., George W. 25 ff., 29 Strasburger, Eduard 111, 226 Strassen, Otto zur 407 Stratz, Carl Heinrich 202 Streicher, Julius 284, 305 Struck, Bernhard 54, 203, 230, 245, 247, 318, 425 ff., 434 f. Stumpfl, Friedrich 231 Szilvassy, Johann 188
T arenecki, A. 189
Tedeschi, Enrico 136 Teilhard de Chardin, Pierre 415, 486 Telschow, Otto 275 Tettenborn, Helga 247 Teudt, Wilhelm 270 f. Thielicke, Helmut 44 Thienemann, Alfred 279 Thierry, Amédée 142 Thierry, Augustine 142 Thilenius, Georg 185, 241 Thomae, Johannes 226 Thomas, Gustav 269 Thukydides 32 Thulin, Gustav 192 Thums, Karl 231, 258, 290 f., 299 Thüring, Bruno 380 Thurnwald, Richard 268 Tiedemann, Friedrich 81 Timoféeff-Ressovsky, Nikolaj W. 323, 354 Tirala, Lothar 230 Topinard, Paul 22, 41, 143 Tornier, Gustav 405 Török, Aurel v. 73 Treviranus, Gottfried Reinhold 83 Troll, Wilhelm 323, 353, 380 Tucholsky, Kurt 310 Tulpius, Nikolaus 84 Turner, Harald 315 Tyson, Edward 84 f.
U lrich, Hans 443
Ulrich, Werner 473 Uslar-Gleichen, Frida v. 166
V aerting, Mathilde 295
Vallois, Henri-V. 143, 445
572
Regis ter
Veit, Otto 296 Verneau, René 143 Verschuer, Otmar Freiherr v. 230, 295, 332, 357, 418 Vesal [Andreas Wittich v. Wesel] 62 Vieweg, Friedrich 379 Virchow, Rudolf Ludwig Karl 54, 81, 138, 155, 161 f., 177 ff., 181, 184, 186, 194, 413, 486 Virey, Julien-Joseph 139, 141 Vogel, Christian 54, 392 f., 424, 453, 456 f. Vogel, Friedrich 470 Vogel, Stefan 28 Vogler, Paul 28 Vogt, Carl 101 f., 104, 114 ff., 119, 123, 128, 134, 145, 153, 184, 204, 488 Voigt, Friedrich Siegmund 107 Volkmann, Elisabeth v. 274 Volkmann, Rüdiger v. 259, 274 Voltaire [Francois Marie Arouet] 139, 143, 146 Voss, Leopold 97 Vries, Hugo de 214 Vrolik, Willem 97 f.
W ächtler, Fritz 251
Wagner, Richard 318 Wagner, Rudolph 13, 35, 54, 87, 91, 96 ff., 100, 114 f., 121, 182, 408, 488 Wallace, Alfred Russel 122, 133, 135, 168, 317, 408 Walter, Hubert 11, 13 f., 54, 470 Washburn, Sherwood 27, 193 Wasmann, Erich 209 Weber, Erna 235, 256, 295 Weber, Ernst Heinrich 97 Weber, Hermann 341, 380 Weber-Liel, Eugen 226 Weidenreich, Franz 203, 437 f. Weigel, Erhard 223 Weigelt, Johannes 323 f., 441, 443 Weinert, Hans 156, 203, 323, 325, 330 ff., 358, 372 f., 378, 394 ff., 409, 411, 449, 488, 490 Weingart, Peter 215 Weismann, Adolf 162, 214, 494 Weitz, Wilhelm 230 Weizsäcker, Viktor v. 44 Welcker, Hermann 97 Weninger, Josef 188 Wesle 304 Westenhöfer, Max 323, 327, 354, 356, 373, 383, 412 ff., 486 Wetzel, Frank 312 Weule, Karl 203 Weygandt, Wilhelm 249
Wheeler, Wiliam Morton 363 White, Charles 120 Whitman, Walt 172 Wichler, Gerhard 346 Wiedersheim, Robert 296 Wieland, Christoph Martin 79, 139 Wien, Max 227 Wieser, Wolfgang 451 Winkelmann, Adolf 226, 481 Wirth, Herman 288 Wittwer, Ursula 11, 424 Wolf, B. Erich 452, 454, 456, 460 f. Wolf, Karl Ludwig 380 Wolf, Ulrich 473 Wolfe, Linda D. 27 Wolff, Karl 297 Wolpoff, Milford H. 440 Woltereck, Richard 381 Woltmann, Ludwig 201 f., 210 f., 214 f., 217, 219 f. Woodward, Arthur Smith 436
Wüst, Walter 336, 341, 376
Y erkes, Robert M. 193 Z agorskij, Petr A. 89
Zahn, Gustav v. 241 Zeiss, Carl 111 Zeiß, Hans 368 Zeune, August 81 Ziegelmayer, Gerfried 49 Ziegler, Hans Severus 244 Ziegler, Heinrich Ernst 216 ff., 318 Ziegler, Matthes 363 ff. Zimmermann, Eberhard August Wilhelm 64, 69, 72, 74, 83 Zimmermann, Walter 321, 323, 325, 346, 353 ff., 372 ff., 377, 442 f., 451 f., 485 Zuccarelli, Angelo 137 Zucker, Friedrich 241, 280 f. Zündorf, Werner 309, 312 ff., 323, 325, 341 f., 353 f., 372, 384, 391, 441, 443
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Matthias Pohlig (Hg.)
Reformation
BAsIstexte Frühe neuzeIt – BAnd 2 der herAusgeBer
Matthias Pohlig studierte in Göttingen, Strasbourg und Berlin. Promotion 2005. Seit 2010 Juniorprofessor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Reformations- und Konfessionalisierungsforschung, Geschichte der internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit, Historiographiegeschichte, Theorie der Geschichte
2015 252 Seiten. 978-3-515-10925-3 kArt.
Die Reformation gilt als tiefgreifender Einschnitt in der Geschichte Deutschlands und Europas. Doch was ist „die Reformation“? Was machte sie theologisch und religiös aus, was für soziale und kulturelle Voraussetzungen und Folgen hatte sie, wie wurde sie durch politische Akteure aufgenommen und verändert? Dieser Band enthält klassische und einflussreiche Texte der allgemein- und kirchenhistorischen Reformationsforschung der letzten 50 Jahre und will damit erstens einen Überblick über die Forschungs- geschichte geben, die auch in einer umfassenden Einleitung dargestellt wird. Zweitens dient der Band dazu, die wichtigsten reformationshistorischen Interpretationen und Kontroversen kennenzulernen. Damit bietet er Studierenden, Lehrenden und anderen Interessierten eine substanzielle Einführung in die Reformationsforschung. Aus dem InhAlt
b. moeller: Frömmigkeit in Deutschland um 1500 [1965] | r. w. scribner: Flugblatt und Analphabetentum. Wie kam der gemeine Mann zu reformatorischen Ideen? [1981] | b. moeller: Stadt und Buch. Bemerkungen zur Struktur der reformatorischen Bewegung in Deutschland [1979/1991] | h.-j. goertz: Eine „bewegte“ Epoche. Zur Heterogenität reformatorischer Bewegungen (Erweiterte Fassung) [1994] | h. rabe: Karl V. und die deutschen Protestanten. Wege, Ziele und Grenzen der kaiserlichen Religionspolitik [1996] | c. ulbrich: Frauen in der Reformation [1997] | robert w. scribner: Volkskultur und Volksreligion. Zur Rezeption evangelischer Ideen [1985] | s. c. karant-nunn: Die Unterdrückung der religiösen Emotionen [1999] | b. hamm: Reformation als normative Zentrierung von Religion und Gesellschaft [1992] | h. schilling: Reformation – Umbruch oder Gipfelpunkt eines Temps des Réformes? [1998] Hier bestellen: www.steiner-verlag.de
Andreas Frewer / Rainer Erices (Hg.)
Medizinethik in der DDR Moralische und menschenrechtliche Fragen im Gesundheitswesen
geschichte und PhilosoPhie der medizin – band 13 aus dem inhalt
Schlüsseldokumente zur Biopolitik in der DDR: Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft (09.03.72) | Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen (04.07.75) | Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln/Arzneimittelgesetz (27.11.86)
Hippokrates oder Lenin – in welchem Verhältnis standen Medizin und Moral in der DDR? Die Autoren dieses Bandes blicken hinter die Fassade einer Gesundheitspolitik, die bis heute häufig als Erfolgsgeschichte gilt. Tatsächlich stand die medizinische Versorgung in den 1980er Jahren vor dem Abgrund, war der Staat hilflos angesichts umfassen-der Mängel. Dazu kam der ethische Bankrott mancher Akteure – nicht wenige Ärzte und sogar Medizinethiker dienten der DDR als Spitzel. Anhand von Archivalien, u.a. aus dem Ministerium für Staatssicher-heit, zeigen die hier versammelten Beiträge, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafften: Sei es am Beispiel des (Fehl-)Verhal-tens einzelner Schlüsselfiguren, durch den kritischen Blick auf die Praxis der Humanexperimente oder den Skandal der Hepatitis-Infektionen. Ein Anhang führt Schlüsseldokumente zur Biopolitik der DDR auf, von Schwangerschafts- und Transplantationsrecht bis hin zu Bestimmungen zur Forschung am Menschen. Der Band leistet damit einen wichtigen Beitrag sowohl zur Geschichte der Medizinethik als auch zur DDR-Historiographie. mit beiträgen von
2015 287 Seiten mit 8 Abbildungen. 978-3-515-11175-1 geb. 978-3-515-11178-2 e-book
Rainer Erices, Francesca Weil, Kornelia Beer, Andrea Quitz, Anne Mesecke, Rainer Erices / Antje Gumz, Rainer Erices / Andreas Frewer / Antje Gumz, Rainer Erices / Antje Gumz / Andreas Frewer, Andreas Frewer / Ulf Schmidt / Rainer Erices
Hier bestellen: www.steiner-verlag.de
Othmar Plöckinger (Hg.)
Quellen und Dokumente zur Geschichte von „Mein Kampf“ 1924–1945
beIträge zur kommunIkatIonsgeschIchte - banD 28 Der herausgeber
Othmar Plöckinger studierte Germanistik, Mathematik und Geschichte und ist derzeit Lehrer am Gymnasium für Berufstätige in Salzburg. Er hat zahlreiche Publikationen zur Geschichte von „Mein Kampf“ und zur Frühgeschichte der NSDAP veröffentlicht und arbeitete an der kommentierten Edition von „Mein Kampf“ des Instituts für Zeitgeschichte in München mit.
Über Jahrzehnte folgte die Auseinandersetzung mit der berüchtigtsten politischen Schrift des 20. Jahrhunderts dem Diktum vom ebenso unlesbaren wie ungelesenen Buch. Es wurde erst in Zweifel gezogen, als mit dem absehbaren 70. Todestag Hitlers und dem Auslaufen der Urheberrechte die Frage nach dem künftigen Umgang mit Mein Kampf immer virulenter wurde. Die Edition versammelt erstmals nicht nur alle relevanten Dokumente zur Entstehungsgeschichte des Buches, sondern liefert mit über 50 Rezensionen einen umfassenden Einblick in die Reaktionen beim Erscheinen der beiden Bände. Mit dem Honorar-Buch des nationalsozialistischen Eher-Verlags enthält es darüber hinaus die einzigen erhaltenen, lange verschollenen Aufzeichnungen über die Verkaufszahlen und Honorarleistungen, die Hitler bis Herbst 1933 erhielt. In zwei weiteren Abschnitten werden zahlreiche, zum Teil bisher unveröffentlichte Texte aus Deutschland aus der Zeit vor und nach 1933 präsentiert, die sich aus unterschiedlichsten Anlässen mit Mein Kampf beschäftigten – von politischen Schriften über staatliche Gutachten und Erlässe bis hin zu privaten Aufzeichnungen und Briefen. aus Dem Inhalt
2016 695 Seiten mit 171 Dokumentabschriften. 978-3-515-11164-5 geb. 978-3-515-11167-6 e-book
Abschnitt A – Dokumente zur Entstehungsgeschichte | Abschnitt B – Das Honorarbuch des Eher-Verlags 1925–1933 | Abschnitt C – Rezensionen 1925–1932 | Abschnitt D – Analysen und Interpretationen 1925–1932 | Abschnitt E – Dokumente und Publikationen 1933–1945.
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I
n der vorliegenden Abhandlung wird erstmals die Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland beschrieben, wobei der zeitliche Rahmen vom ersten Treffen deutscher Anthropologen 1861 in Göttingen bis in die Nachkriegszeit gesteckt ist. Es wird neben einer Gesamtperspektive ebenso aufgezeigt, in welcher speziellen Weise dabei die Universität Jena über den Zoologen Ernst H aeckel hinaus für die Etablierung des Fachs im deutschen Sprachraum
unter verschiedenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bedeutsam war und inwieweit sich in der Konturierung der biologischen Anthropologie nach 1900 bereits die weitere Entwicklung des Fachs im Dritten Reich abzeichnete. Das Buch führt hierbei im Schlusskapitel aber über den Nationalsozialismus hinaus bis hin zur Darstellung der Rezeption der so genannten „zweiten darwinschen Revolution“ (Synthetischer Darwinismus).
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-11238-3