Zur »Relativität der Rechtsbegriffe« in strafrechtlichen Tatbeständen [1 ed.] 9783428505517, 9783428105519

Die Vielzahl der juristischen Auslegungsstreitigkeiten, in denen es darum geht, ob einem wortlautidentischen Begriff in

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German Pages 340 Year 2002

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Zur »Relativität der Rechtsbegriffe« in strafrechtlichen Tatbeständen [1 ed.]
 9783428505517, 9783428105519

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DANIELA DEMKO

Zur "Relativität der Rechtsbegriffe" in strafrechtlichen Tatbeständen

Schriften zum Strafrecht Heft 132

Zur "Relativität der Rechtsbegriffe" in strafrechtlichen Tatbeständen

Von

Daniela Demko

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Demko, Daniela: Zur "Relativität der Rechtsbegriffe" in strafrechtlichen Tatbeständen I Daniela Demko. - Berlin : Duncker und Hurnblot, 2002 (Schriften zum Strafrecht ; H. 132) Zug!.: Potsdam, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10551-6

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Peinted in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-10551-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam im Wintersemester 2000/2001 als Dissertation angenommen. Erstellt wurde die Arbeit in der Zeit von 1997 bis 2000 an der Universität Potsdam. Die aktuellen Entwicklungen der deutschen Gesetzgebung, insbesondere die mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz im Jahre 1998 einhergehenden Änderungen des Strafgesetzbuches und die sich daran anschließenden Entwicklungen in der Rechtsprechung sind bis Dezember 2000 eingearbeitet. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die durch ihre Unterstützung die Erstellung dieser Arbeit ermöglicht haben. Meine besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Georg Küpper, der mich in allen Phasen, die diese Arbeit durchlaufen hat, verständnisvoll betreute, für meine ,.unzähligen Fragen" stets ein offenes Ohr hatte und mir mit viel Geduld und konstruktiver Kritik beratend zur Seite stand. Die freundliche Arbeitsatmosphäre am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozeßrecht der Universität Potsdam und insbesondere die herzlichen Gespräche mit Frau Sigrid Salewski, für welche ich mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken möchte, haben das ihrige zum Gedeihen der Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. Wolfgang Mitsch für das überaus grundliehe und mit vielen kritischen Anregungen versehene Zweitgutachten. Zu danken ist zudem der Universität Potsdam für die finanzielle Unterstützung der Arbeit durch die Bewilligung eines Promotionsstipendiums. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Frau Birgit Föhl für ihre wertvolle Unterstützung in der stressigen Schlußphase der Fertigstellung der Arbeit und unsere dennoch stets humorvollen Gespräche bedanken. Ein ganz besonders liebes Dankeschön gilt schließlich meinen Eltern, welche mir bis heute mit ihrem Vertrauen und ihrer Zuversicht stets Rückhalt geben. Ihnen soll diese Arbeit gewidmet sein. Freiburg im Juni 2001

Daniela Demko

Inhaltsverzeichnis A. Allgemeiner Teil . .. . . . .. . . . .. .. . . .. .. . . .. .. .. .. .. . . . .. . .. . . .. . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . .

13

I. Die Lehre von der "Relativität der Rechtsbegriffe" - Erklärungsansätze und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

II. Die Beziehung der "Relativität der Rechtsbegriffe" zu dem Problern des "Verhältnisses von Wort und Begriff' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Aufbau eines Zeichens aus Ausdrucks- und Inhaltsseite

35

2. Bedeutung von "Wort" und ,,Begriff' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

a) Sinngehalt der Ausdrücke "Wort" und ,,Begriff' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Die Lehre vorn sogenannten ,,Zeichendreieck der Semiotik" und die Theorie von der "Intension und Extension" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

c) Die Lehre vorn "Begriffskern und Begriffshof" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

d) Nebensinn und Gefühlswert eines Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Die Beziehung der "Relativität der Rechtsbegriffe" zu dem Problern der ,,Zusammenhangsbedingtheit" und "Kontextbezogenheit" der Rechtsbegriffe . . . . .

64

1. Abhängigkeit eines Rechtsbegriffs vorn übergeordneten Kontext . . . . . . . . . . .

64

2. Verhältnis der Lehre von der ,,Zusarnrnenhangsbedingtheit" der Rechtsbegriffe zu der Lehre vorn ,,hermeneutischen Zirkel" und dem "Vorverständnis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

3. Der "Kontext im weitesten Sinne" als Zusammenfassung verschiedener "Kontexte im engeren Sinne" und deren Wechselbezüglichkeit zu den Interpretations-"Methoden" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

IV. Die allgerneine Hermeneutik als Ausgangsbasis der juristischen Auslegung . . . 105 V. Die juristische Auslegung und ihre Auslegungscanones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Grammatikalische Auslegung .. .. .. . .. .. . .. . . .. . .. .. .. . . .. .. .. .. . .. . .. . . .. . 117

2. Systematische Auslegung . . . . .. .. .. . . . .. . . . . . . .. . . .. . . .. . .. . . .. . . .. . .. . . .. . 121

10

Inhaltsverzeichnis 3. Historische Auslegung.... .. ....................................... . ....... 126 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Die Zweck- und Wertinterpretation im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Die spezielle Ausprägung des Zweck-Gedankens im Strafrecht . . . . . . . . . 145 c) Der Zusammenhang zwischen der "teleologischen Begriffsbildung", der "Relativität der Rechtsbegriffe" und der ,,Einheit der Rechtsordnung" . . . 153

5. Das Verhältnis der Auslegungscanones zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Bestehen eines Rangverhältnisses zwischen den Auslegungscanones . . . . 161 b) Das "subjektive" Element als irrationaler Auslegungsfaktor.... . .... . .. . 170 6. Grenzen der juristischen Auslegung: Wortlautgrenze und strafrechtliches Analogieverbot .. . . .. . . . .. .. . .. .. . .. . .. .. . . . . .. . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . . .. . .. . 174

B. Besonderer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Zu dem Begriff "Gemeinschaftlich" in §§ 176a Abs. 1 Nr. 2, 177 Abs. 2 Nr. 2, 179 Abs. 4 Nr. 2, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB n.F. und§ 25 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . 190

II. Zu dem Begriff "Wegnahme" in§§ 242, 289, 168, 274 Abs. 1 Nr. 3 StGB, § 17 Abs. 2 Nr. 1c UWG .. . .. . . . . . .. .. .. .. .. .. . .. . . . . .. .. .. .. . .. .. .. .. . . . .. . .. . . .. 211 1. "Wegnahme" im Sinne des § 242 StGB

212

2. "Wegnahme" im Sinne des § 289 StGB

214

3. "Wegnahme" im Sinne des§ 168 StGB

233

4. "Wegnahme" im Sinne des § 274 Abs. 1 Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

5. "Wegnahme" im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1c UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Ill. Zu dem Begriff .Jngebrauchnahme" in § 248b StGB und § 290 StGB . . . . . . . . . 239 1. "Ingebrauchnahme" im Sinne des § 290 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

2. "lngebrauchnahme" im Sinn des § 248 b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 IV. Zu dem Begriff "Bestimmen" in§§ 26, 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 2, 3 Nr. 2, 179 Abs. 2, 180 Abs. 2, 3, 180b Abs. 1, 2 Nr. 2, 181 Abs. 1 Nr. 1, 216 Abs. 1 StGB, 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Inhaltsverzeichnis

11

V. Zu dem Begriff "Waffe" in §§ 113 II 2 Nr. 1, 121 111 2 Nr. 2, 125 a 2 Nr. 2, 177 IIl Nr. 1, 1771V Nr. 1, 224 I Nr. 2, 244 I Nr. 1a, 250 I Nr. 1a, 250 II Nr. 1, 2 und dem Begriff "gefährliches Werkzeug" in§§ 177 III Nr. 1, 177 IV Nr. 1, 224 I Nr. 2, 244 I Nr. Ia, 250 I Nr. 1a, 250 II Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. "Waffe" und "geflihrliches Werkzeug" im Sinne des § 224 I Nr. 2 StGB n. F. 278

2. "Waffe" im Sinne der§§ 113 II S. 2 Nr. 1, 121 III S. 2 Nr. 2, 125 a S. 2 Nr. 2 StGB ................... . . . .................. . ... . ................... . ... . . 282

3. "Waffe" und "gefährliches Werkzeug" im Sinne der§§ 177 lU Nr. 1, IV Nr. 1 StGB n.F., 244 I Nr. la StGB n.F., 250 I Nr. 1a, li Nr. 1, 2 StGB n. F. 284

C. Zusammenfassung ............. . .. . ................. . ... . ................ . .. . ... . . 321

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

A. Allgemeiner Teil I. Die Lehre von der "Relativität der Rechtsbegriffe" Erklärungsansätze und Definitionen Sowohl eine Rundumschau in Abhandlungen der Rechtsliteratur als auch in Rechtsprechungsentscheidungen, insbesondere deren Entscheidungsgründen, welche sich mit Fragen der Interpretation und dem Verständnis von Rechtsbegriffen befassen, läßt schnell offenbar werden, daß das "Phänomen" der "Relativität der Rechtsbegriffe" den Ausführungen zu Auslegungsfragen vielfach schlicht zugrundegelegt und als scheinbar bereits geklärte Erscheinung vorausgesetzt wird. Erscheint die Lehre von der ,,Relativität der Rechtsbegriffe" daher an sich als allgemein anerkannt, so muß dieser Anerkennung als solcher jedoch entgegengehalten werden, daß es trotz zahlreicher Erklärungsversuche bis heute noch keine abschließende Klärung gibt, was genau nun eigentlich unter der "Relativität der Rechtsbegriffe" zu verstehen sei. Nicht umsonst gibt daher auch Engisch als einer der Hauptvertreter des Begriffsrelativismus bescheiden sein Unvermögen zu, die Bedeutung der ,,Relativität der Rechtsbegriffe" selbst genau zu erkennen und festzulegen .1 Auch Ryu I Silving kritisieren, daß es betreff der Lehre von der "Relativität der Rechtsbegriffe" an einer rechtssystematisch konsequenten Analyse mangelt, welche jedoch notwendig wäre, um die wahre Bedeutung und den eigentlichen Sinn des Begriffsrelativismus zu erkennen, "die "Verwirrung" bezüglich dieser "Relativität" aufzudecken, um die Grundlage einer sinnvollen, auf Gerechtigkeit ausgerichteten Rechtswissenschaft und einer differenzierenden, rationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung vorzubereiten".2 Dennoch ist insoweit zu bemerken, daß es zahlreiche Erklärungsansätze seitens der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung gibt, mit deren Hilfe Licht in das Dunkel des Begriffsrelativismus gebracht werden soll. Insbesondere wird insoweit versucht, über eine Ein- bzw. Zuordnung der "Relativität der Rechtsbegriffe" zu dem ,,Problem des Verhältnisses von Wort und Begriff', der "Charakterisierung der Rechtswissenschaft als Lebenswissenschaft", dem "Problem der Zusammenhangsbedingtheit" und der "Problematik des Textverständnisses, der allgemeinen Hermeneutik und speziell der juristischen Auslegung" nähere Einzelheiten

Engisch, Die Relativität der Rechtsbegriffe, S. 65. Ryu/Silving, ARSP 1973, S. 58; bezüglich der "Verwirrung", die durch eine unkritische Verwendung abstrakter Begriffe hervorgerufen wurde, verweisen sie auf Charles S. Peirce, Über die Klarheit unserer Gedanken, Frankfurt/Main 1968. I

2

14

A. Allgemeiner Teil

über Ursachen und Gründe, aber auch Bedingungen und Auswirkungen des Begriffsrelativismus aufzudecken und so die wahre Bedeutung der "Relativität der Rechtsbegriffe" zu erhellen. Sprach nun bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts Binding vom sogenannten ,,relativen Unzuchtsbegriff.J und unterschied Goldschmidt zwischen der "Verwaltungsrechtswidrigkeit" und der "Strafrechtswidrigkeit",4 was wohl als erstes Zugeständnis an die Begriffsrelativität zu deuten ist, so stellten dem insbesondere Beling, etwas eingeschränkt aber auch Engisch die These von der "Einheit der Rechtswidrigkeit", die aufs engste mit dem Postulat der ,,Einheit der Rechtsordnung" verbunden ist, entgegen. In einem Quasi-"Antiatomisierungsversuch"5 richtet sich Beling gegen eine Zersplitterung bzw. "Atomisierung" der Rechtswidrigkeil in so viele "Rechtswidrigkeiten, wie es Rechtsdisziplinen gibt: in eine Privatrechtswidrigkeit, eine Staatsrechtswidrigkeit, eine Kirchenrechtswidrigkeit, eine Verwaltungsrechtswidrigkeit, eine Strafrechtswidrigkeit usw. "6 Es gebe nur eine Vollrechtswidrigkeit, d. h. einen Gegensatz gegen die Rechtsordnung selber in ihrer Ganzheit, ihrer Totalität, was sich ebenso - wenn auch eingeschränkt -bei Engisch und seiner Hervorhebung der Unumgänglichkeit eines einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs wiederfindet: Da es zu unerträglichen Widersprüchen führen würde, wenn ein und dasselbe Verhalten unter dem Blickwinkel des einen Spezialrechtsgebiets als rechtmäßig, unter dem Blickwinkel eines anderen Spezialrechtsgebiets jedoch als rechtswidrig bewertet wird, müsse "ein Verhalten, das verboten ist, schlechthin verboten . . . und . .. ein Verhalten, das für gerechtfertigt zu erachten ist, schlechthin gerechtfertigt"7 sein. Diese Bejahung der Absolutheit des Rechtswidrigkeilsbegriffs schränkt Engisch seinerseits aber schon zugleich dadurch wieder ein, daß dennoch jedem Spezialrechtsgebiet unbenommen bleibt, "spezifische Rechtsfolgen bzw. Unrechtsfolgen für sich allein vorzusehen. Nur insoweit besteht eine gewisse Relativität. " 8 Schon jener Widerstreit zwischen anfanglieber Hinwendung zur Absolutheit der Rechtswidrigkeit und gleichzeitiger Einräumung von Einschränkungsmöglichkeiten der Absolutheil und der damit verbundenen Zusage an eine existente Begriffsrelativität bei Engisch selbst als einer der entscheidendsten Anhänger und Verfechter des Begriffsrelativismus macht deutlich, daß die Lehre vom Begriffsrelativismus von seiten der Rechtsliteratur und Rechtsprechung nicht kritiklos und ungeprüft einfach Binding, ZStW 2, 1882, S. 450 ff. Go1dschmidt, in: Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 131. 5 Be1ing, Die Lehre vom Verbrechen, S. 127. 6 Be1ing, Die Lehre vom Verbrechen, S. 127. 7 Engisch, Die Relativität der Rechtsbegriffe, S. 73 f. 8 Engisch, Die Relativität der Rechtsbegriffe, S. 74: So könne die Züchtigung eines Kindes durch einen Lehrer disziplinarwidrig und so mit Disziplinarrnitteln ahndbar sein, braucht aber nicht gleichzeitig eine Körperverletzung i. S. d. § 223 StGB zu sein; Kritik an jenen "variierenden Rechtsfolgen" üben Ryu/ Silving, ARSP 1973, S. 61. 3 4

I. "Relativität der Rechtsbegriffe" - Erklärungsansätze und Definitionen

15

angenommen wurde, sondern vielmehr - und insofern gerade unter steter Heranziehung der sogenannten "Einheit der Rechtsordnung" - erheblichen Einwänden, die sich auf die Absolutheit und Allgemeingültigkeit der Rechtsbegriffe berufen, ausgesetzt ist. Insoweit kritisieren Ryu I Silving, daß - obwohl die Bedeutung des Wortes "Relativität" noch keine hinreichende rechtssystematische Analyse und wissenschaftliche Präzisierung erfahren hat- die Art des Umgangs mit der bzw. die Handhabung der Lehre vom "Begriffsrelativismus" durch Rechtsliteratur und Rechtsprechung den Eindruck entstehen lassen, daß unter dem vorgeschobenen Vorwand von Wissenschaft auftretende, rechtspolitische Opportunität, also eigentlich rechtspolitische Postulate, die hinter der unbewußten Vorspiegelung wissenschaftlicher Erkenntnisse verschleiert werden, für die Vermittlung von Bedeutungsgehalt und urnfang verantwortlich sind. So berufe man sich auf die "Relativität", wenn es um die Befürwortung einer bestimmten, von dem betreffenden Interpreten bevorzugten Sonder- und Ausnahmelösung für ein Spezialproblem in einem speziellen Rechtsgebiet geht, bestehe hingegen unter Heranziehung der ,,Einheit der Rechtsordnung" auf eine einheitliche, allgemeingültige Auslegung, wo eine solche Sonderlösung abgelehnt wird. Deshalb sei es üblich, in Fällen, in denen es grundsätzlich auf die ,,Einheit" eines bestimmten Rechtsbegriffes ankomme, jene "Einheit" aber mit dem Bedürfnis nach Relativität in Spezialrechtsgebieten im Widerspruch stünde, "entweder den zu relativierenden Begriff in ein anderes, bereits bestehendes und der Relativität zugängliches Gebiet zuzuweisen oder aber ein zusätzliches Wort zu erfinden ...", wobei sich jener neue Begriff von dem ursprünglichen allein dadurch unterscheidet, daß er"... eben relativierbar zu sein scheint". 9 Es sei dabei ein althergebrachter "Trick der Geschichte, das rechtspolitisch Erwünschte als bereits geltendes Recht darzustellen", 10 was zugleich die Aufgabe und den Anspruch jener Arbeit deutlich macht, jenes Phänomen der "Relativität der Rechtsbegriffe" einer wissenschaftlich fundierten und rechtssystematisch präzisen Untersuchung zu unterstellen. Entscheidender Wegbereiter für die wissenschaftliche Durchdringung des Begriffsrelativismus war insoweit Müller-Erzbach, dessen Bemühen darin bestand, die "Relativität der Begriffe" gerade und speziell für die Rechtsbegriffe einer rechtssystematisch überzeugenden Analyse zu unterziehen. Den Wunschgedanken an einer gleichmäßigen Handhabung des Rechts und einem möglichst hohen Grad an Festigkeit des Rechts voranstellend, zeigen seine Ausführungen sehr schnell auf, daß gerade die Rechtswissenschaft in der Bildung eben solcher scharfer, möglichst absoluter Rechtsbestimmungen und Rechtsbegriffe besonderen Hemmungen ausgesetzt ist. Da das Gesetz aus einer Vielzahl einfachster Elemente, den Worten bzw. Begriffen zusarnrnengesetzt ist und erst das Zusarnrnenspiel jener einzelnen Wörter den eigentlichen (Rechts-)Satz bildet, kann auch ein "Gesetz", ein "Rechts9

to

Ryu/Silving, ARSP 1973, S. 59. Ryu/Silving, ARSP 1973, S. 77.

A. Allgemeiner Teil

16

satz" nur fest und sicher sein, "wenn seine Urbestandteile, die Begriffe, absolute sicherumgrenzte Werte sind." 11

Die Untersuchung der Relativität hat sich damit mit den einzelnen Rechtswörtern I -begriffen und ihrer Einbindung in den und ihrer Funktion für den aus ihnen zusammengesetzten Rechtssatz zu beschäftigen, was zugleich zu dem Problem des "Verhältnisses von Wort und Begriff' hinführt. Daß die "Relativität" nun kein ausschließlich das Recht und die Rechtsbegriffe treffendes Problem ist, sondern überhaupt eine Erscheinung einer jeden Sprachverwendung und gerade auch in der Umgangssprache eine große Rolle spielt, zeigen schon so kleine Wortspielereien wie die vielseitige Verwendung des Wortes "Bank", die mal als Nebelbank, Wolkenbank oder Sandbank, mal als Sitzgelegenheit, mal aber auch als Synonym für ein Geldinstitut erscheint oder auch das Wort "Gericht", das mal das staatliche Organ der Rechtsprechung, mal das Gebäude dafür, in anderen Fällen jedoch eine zubereitete Mahlzeit, eine Speise bezeichnet. Jedes Wort scheint damit eine Vielheit verschiedener Lebenserscheinungen in sich zu tragen und je nach der jeweiligen Situation, dem jeweiligen Zusammenhang, in der I dem das Wort benutzt wird, konkretisiert sich dann eine aktuelle Wort-Bedeutung als die für die betreffende Situation allein ,,richtige" heraus. Aufgabe des Rechts ist es nun, für die Vielzahl der Lebenserscheinungen ein Netz von in sich abgestimmten Regelungen zu schaffen, wobei das Recht nun natürlich nicht darauf warten kann, bis die Rechtswissenschaft für jede einzelne Lebenserscheinung einen eigens dafür geltenden, möglichst bestimmten und eindeutigen Rechtsbegriff gebildet hat. Denn zum einen spricht schon die unendliche Vielfalt des Lebens gegen die Möglichkeit einer spiegelbildlichen Erfassung einer jeden Lebenserscheinung in einem entsprechenden Rechtsbegriffe und zum anderen unterliegt das Leben ja steten Wandlungen, so daß schon jede kleine Lebensveränderung nach einem neuen Rechtsbegriff - speziell bezogen auf eben jene veränderte Lebenserscheinung - verlangen würde. Solche Versuche einer spiegelbildlichen Abbildung des Lebens in entsprechende Rechtsbegriffe in dem Sinne, daß sich eine Lebenserscheinung immer nur in einem Rechtsbegriff wiederfindet, jeder Rechtsbegriff daher immer nur eine bestimmte Einzelerscheinung beinhaltet und überhaupt bezeichnen kann, übersteigt nicht nur die Aufgaben und Fähigkeiten der Rechtswissenschaft, da ja schließlich sofort die gesamte menschliche Interessenwelt vom Recht umspannt und erfaßt sein muß und nicht erst ein rechtsfreier (Zeit-) Raum zur wissenschaftlichen Aufbereitung des Rechts für das Leben bestehen kann. 12 Vielmehr läßt eine unerschöpfliche Anzahl von Rechtsbegriffen auch das Verständnis der Rechtssätze durch den Anwender nicht leichter oder besser werden, weil irgendwann der vom menschlichen Gehirn erfassbare Wortschatz überschritten ist.

11 12

Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 343. Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 345.

I. "Relativität der Rechtsbegriffe" - Erklärungsansätze und Definitionen

17

Des weiteren mutet es als merkwürdig an, wie Rechtsgelehrte stets und nur noch auf der Suche nach neuen Lebenserscheinungen sind, um sogleich für diese einen neuen Rechtsbegriff zu entwickeln. Überhaupt zeigt schon das allgemeine Sprachverständnis in der Umgangssprache, daß es für das Sich-Verstehen gar nicht notwendig ist, für jede einzelne Lebenserscheinung ein Abbild in einem bestimmten Wort/Begriff zu schaffen, da das Funktionieren der menschlichen Sprache darauf beruht, daß wir die einzelnen Wörter nicht isoliert, sondern in ihrer Einbindung in den sie umgebenden Satz- und Textzusammenhang begreifen und stets unter Einschluß der jeweiligen (Sprech-) Situation die konkret-gemeinte Bedeutung des Wortes erkennen. Schon hier wird deutlich, daß die Beschäftigung mit dem Problem der Relativität notwendigerweise zu einer Auseinandersetzung mit dem Problem des Aufbaus des Satzgefüges aus einzelnen Wörtern, dem Problem des "Verhältnisses zwischen Wort und Begriff" und letztlich dem der "Situationsbezogenheit" und ,,Funktionsgebundenheit" des Wortes führt. Nimmt das Recht nun Wörter der Umgangssprache, als auch eigens entwickelte

Rechtswörter in seine Regelungen auf, so stellt - was sich auch schon bei den Wor-

tern "Bank" und "Gericht" bestätigt hat- Müller-Erzbach zutreffend heraus, daß die meisten der in Rechtssätzen verwendeten Begriffe absolute Grenzen überhaupt nicht vertragen, denn es müsse "auch in der Begriffswelt der Rechtswissenschaft zum Ausdruck kommen, daß die Lehre vom Recht eine Lebenswissenschaft ist. Und wie das Leben immer neue, abweichende Erscheinungen zeitigt, so muß auch die Rechtsdogmatik ihren Begriffen genügend Spielraum lassen, um Neues und Abweichendes aufnehmen zu können." 13 Dem entsprechend hebt auch de Boor hervor, daß das Recht "eben nicht nur ein Normensystem, ein Gesolltes, sondern ... zugleich etwas täglich Gelebtes, in diesem Sinne also ein Sein .. ." ist und es folglich " ... nun einmal das Schicksal allen Lebens, nie stille zu stehen, sich dauernd, wenn auch meist langsam und jedenfalls in sehr verschiedenem Tempo zu verändern" 14 teilt. Würde daher die Vorstellung zugrundegelegt, daß den in Gesetzen verwendeten Begriffen ein fester, geschlossener Bedeutungsgehalt zufalle und sie nicht offen und aufnahmebereit für neue Lebenserscheinungen seien, dann entsteht nicht nur die Gefahr, daß neue Lebenswerte unberücksichtigt bleiben, an neue Gegebenheiten nicht mehr angepaßt werden und so der Reichtum der menschlichen Interessenwelt zu verkümmern droht, sondern auch die Gefahr, "und das ist der häufigere Fall, da das Leben sich nicht so leicht überwältigen läßt, die Theorie wird mit ihren Begriffen auf die Seite geschoben und verliert an Autorität.'d 5 Ist es damit nun einmal Aufgabe des Rechts, das Leben mit all seinen Erscheinungen, Veränderungen und Wandlungen zu meistern, so müssen sich - was Müller-Erzbach treffend hervorhebt - auch die einzelnen Gesetzesworte eine gewisse 13 14

15

Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61 , 1912, S. 345. de Boor, Gesetzesauslegung und Technik im Urheberrecht, S. 36. Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 345.

A. Allgemeiner Teil

18

Offenheit, Elastizität und Bedingtheit bewahren, müssen eben "eine gewisse Relativität wahren, wollen sie dem Leben, das immer neue Bedürfnisse entstehen läßt, in allen Stücken gewachsen bleiben." 16 Wieder taucht der Begriff der ,,Relativität" auf und wird als Gegensatz zu festen, sicherumgrenzten, in sich abgeschlossenen, eben "absoluten" Begriffen gesetzt, so daß es nun näher zu untersuchen gilt, was unter jener "Relativität der Begriffe" in Rechtsliteratur und Rechtsprechung verstanden wird. Anerkannt ist insoweit, daß es zwar nur aus ganz besonderen Griinden tunlieh ist, den gleichen, jedoch mehrmals wiederkehrenden Ausdruck von ersichtlich fachgemäßer Bedeutung innerhalb desselben Gesetzes verschieden auszulegen. Dies muß als grundsätzliche Anerkennung der "Relativität von Rechtsbegriffen" gedeutet werden, die natürlich nicht der reinen Willkür des jeweiligen Interpreten untersteht, sondern zur Erzielung angemessener, sach-"gerechter" Ergebnisse nach begriindeten Leitlinien, "festen Sätzen, eben ... Auslegungsregeln" 17 verlangt. Daß jene grundsätzliche Bejahung der Relativität nicht durchweg Zustimmung fand, zeigt jedoch etwa schon die Entscheidung des Landgerichts Harnburg vom 23. 1. 1952, inder-anband des Wortes "Vervielfältigung"- die Meinung vertreten wurde, daß ein Wort bei und trotz mehrfacher Verwendung in einem Gesetz immer dasselbe bedeuten müsse und nicht in verschiedenem Sinne ausgelegt werden könne. 18 Daß von einer schlichten Wortlaut-Identität jedoch nicht einfach auf eine auch untrennbar damit verbundene Inhalts-Identität geschlossen werden darf, machtewenn auch zaghaft - de Boor deutlich, indem er hervorhob, daß ein Gesetz nicht als eine nicht mehr fortbildungsfähige Norm zu begreifen sei. Daran ist zum einen die Erkenntnis zu knüpfen, daß jede Rechtsbestimmung einer steten Weiterentwicklung ausgesetzt ist und die Suche nach gerechten Entscheidungen dazu verpflichtet, jene Rechtsbestimmung im Sinne ihrer Anpassung an veränderte Umstände, also im Sinne ihrer Weiterentwicklung und -entfaltung auszulegen. Zum anderen ist jedoch auch zu erkennen, daß natürlich nicht jede Rechtsbestimmung denselben Veränderungen und Weiterentwicklungen unterliegt, so daß jede Rechtsbestimmung und folglich auch die in ihr vorkommenden Rechtsbegriffe nach anderen, ihren jeweiligen Entwicklungstendenzen adäquaten Auslegungsergebnissen verlangen. Kommt daher ein Wort in mehreren Rechtssätzen vor, welche aber in ganz unterschiedlicher Weise auf das soziale Leben einwirken wollen und ganz verschiedenen Entfaltungstendenzen unterstehen, so wird auch dem einzelnen Wort als kleinstes Element des Satzgefüges ein jeweils anderer, konkret-normbezogener, eben norm-spezifischer Inhalt zu Teil werden müssen. Wie schon Müller-Erzbach so räumt auch de Boor ein, daß es zwar bequemer wäre, wenn die im Gesetz benutzten Ausdriicke- seien es nun solche aus der Um16

17 18

Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 350. de Boor, Gesetzesauslegung und Technik im Urheberrecht, S. 36. vgl. dazu näher de Boor, Gesetzesauslegung und Technik im Urheberrecht, S. 32, 33.

I. "Relativität der Rechtsbegriffe" - Erklärungsansätze und Definitionen

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gangssprache entnommene oder eigens für das Recht geschaffene rechtstechnische Ausdrücke - immer dasselbe bedeuten würden. Jedoch sei dieses Ziel "nun einmal nicht voll erreichbar" 19, denn Sinn der Gesetzesnormen sei es, auf das soziale Leben, menschliche Handlungen und Unterlassungen einzuwirken und in der Zukunft liegende Dinge zu ordnen und zu planen, wobei es sich sowohl an Kenner, also Juristen als auch an Laien richtet und damit die schwierige Aufgabe zu erfüllen hat, den Juristen einen exakten Sinngehalt, jedoch ebenfalls den Laien eine, wenn auch unbestimmtere, so doch richtige Vorstellung vom Gesetzesinhalt zu vermitteln.20 Bei jener doppelten Anforderung sei es kein Wunder, wenn die im Recht verwendeten Ausdrücke - sowohl die der Umgangssprache als auch die rechtstechnischer Art - nie die hundertprozentige Genauigkeit und Präzision erreichten, die Ausdrücke in anderen Fachbereichen, etwa der Mathematik vorweisen können. Wie schon Müller-Erzbach betonte, daß gerade die Rechtswissenschaft in der Bildung exakter, möglichst absoluter Begriffe besonders gehemmt sei,21 so warnt auch de Boor davor, die Zuverlässigkeit und Festigkeit von in Gesetzen verwendeten Ausdrücken erheblich zu überschätzen. In Richtung der Anerkennung des Begriffsrelativismus geht er dann sogar noch einen Schritt weiter, wenn er betont, daß es zudem "auch verzeihlich, vielleicht nicht einmal immer ein Fehler (ist), wenn dasselbe Wort im gleichen Gesetz in verschiedenen Bedeutungen vorkommt ...". Mit treffender Klarheit stellt er die die "Relativität" maßgeblich prägende Erkenntnis heraus, daß das, was auszulegen ist, " ... ja nie das einzelne Wort, sondern der Sinnzusammenhang des Satzes (ist); aus ihm entnimmt das Wort jeweils seine Färbung."22 Die die Lehre von der "Relativität der Rechtsbegriffe" wohl grundlegend prägende und ihr zugrundeliegende Erkenntnis, daß es für das Verständnis eines Rechtswortes ausschließlich und "eben ganz auf den Sinnzusammenhang ..." ankommt, findet sich auch bei Müller-Erzbach wieder, wonach die "Relativität" zu dem ". . . nahezu selbstverständlichen, aber deshalb doch oft nicht gezogenen Schlusse (führt), daß sich aus einem Begriffe nichts entnehmen läßt, was man nicht vorher in ihn hineingelegt hätte." 23 Gerade anhand von Beispielen, wie dem Rechtsausdruck "Werk", das in den Urhebergesetzen in der Regel eine geistige Tatsache, das Immaterialgut, jedoch in dem die Zwangsvollstreckung betreffenden Paragraphen das Manuskript selbst bezeichnet, oder dem Wort "Genehmigung", das in § 184 BGB nur die "nachträgliche Zustimmung", in § 1829 BGB jedoch sowohl die vorher als auch nachträglich erteilte Zustimmung erfaßt oder auch den Worten 19 de Boor, Gesetzesauslegung und Technik im Urheberrecht, S. 34. 20

de Boor, Gesetzesauslegung und Technik im Urheberrecht, S. 34.

21 Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 344. 22

de Boor, Gesetzesauslegung und Technik im Urheberrecht, S. 34.

23 Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 370 ff. mit Verweis auf Gustav Rümelin,

Juristische Begriffsbildung, S. 26 ff., der dies ebenfalls schon erkannte, ohne dabei eingehender auf die "Relativität der Rechtsbegriffe" einzugehen. 2*

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A. Allgerneiner Teil

,,Einrede" und "Anspruch", die trotz Wortlautübereinstimmung im bürgerlichen Recht mit einer anderen Bedeutung gebraucht werden als im Prozeßrecht,24 machen deutlich, daß es gar nicht so selten ist, daß sowohl verschiedene Gesetze denselben Rechtsausdruck in jeweils anderer Bedeutung verwenden als auch innerhalb ein und desselben Gesetzes derselbe Rechtsausdruck hier mit dem, dort mit einem anderen Inhalt verknüpft wird. Der Absolutheit von Rechtsbegriffen entgegentretend, stellt Müller-Erzbach klar heraus, daß der Ruf nach einer stets gleichbleibenden Bedeutung eines Rechtsausdrucks innerhalb desselben Gesetzes ein in Wahrheit niemals zu erreichendes Ziel sei, denn die Ablehnung des Relativen eines jeden Wortes würde übersehen und dariiber hinwegtäuschen, "daß auch die allerfestesten Rechtsbegriffe jedesmal durch den Zusammenhang, in dem sie gebraucht wurden, in ihren Grenzen, in ihrer Bedeutung ein wenig nach dieser oder jener Richtung hin verschoben werden, so daß man über die vollkommene Gleichheit der Bedeutung eines Ausdrucks niemals von vornherein in Sicherheit sein kann."25 Als Folge der untrennbaren Einbindung eines jeden (Rechts-) Wortes in eine bestimmte Speechsituation bedeutet "Relativität" also, daß einer gleichbleibenden Form, also der Wort-Hülle, durch verschiedene Speechzusammenhänge neue Wortideen, neue Ziele, neue Richtungen zufallen können, also ohne Änderung der Formen ein und derselben Wortgestalt durch verschiedene Textzusammenhänge ein jeweils anderer Sinn und Inhalt vermittelt werden kann?6 Zimmermann spricht insoweit kurz, aber prägnant von der "Bedeutungsverschiedenheit ein und desselben Wortes",27 die sowohl innerhalb desselben Rechtsgebietes als auch zwischen verschiedenen Rechtsgebieten zu Tage treten kann. Ausgehend von der Forderung, die Gesetzesworte präzise zu formulieren und möglichst für dieselbe Sache auch denselben Ausdruck zu verwenden, bestehe zwar grundsätzlich die Vermutung, daß der Gesetzgeber mit demselben Wort auch dasselbe, bei Benutzung verschiedener Ausdrücke hingegen Verschiedenes meinte, dies aber nur so lange, wie nicht andere Indizien - gemeint sind wohl die verschiedenen Sinnmomente einer jeden Sprechsituation, die sogenannten Kontextfaktoren- dagegen sprechen. Unter Zustimmung de Boors, wonach das einzelne Wort seine Färbung erst aus seinem Sinnzusammenhang entnimmt, bestimmt sich das, was mit dem Wort jeweils gemeint ist, ,Je nachdem, in welchem Zusammenhang das Wort gebraucht wird", 28 weshalb auch das Dogma von der Absolutheit, also Allgemeingültigkeit gleichlautender Rechtsbegriffe unhaltbar sei?9 24 Vergleiche etwa den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt von ,,Anspruch" in §§ 194, 509 BGB, 322 I ZPO oder von ,,Einrede" in§§ 813 BGB, 278 ZPO. 25 Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. 61, 1912, S. 373. 26 Batholorneyczik, Die Kunst der Gesetzesauslegung, S. 45. 27 Zimmermann, NJW 1956, S. 1262. 28 Zimmermann, NJW 1956, S. 1262. 29 Zimmermann, NJW 1956, S. 1264.

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Dem schließt sich auch Depenheuer an, wenn er betont, daß es in der Umgangs-, aber auch in der Rechtssprache keinen eindeutigen Wortlaut geben kann und die Relativität sprachlicher Bedeutungen dahin umschreibt, "daß jedes Wort nur im konkreten Kontext (im weitesten Sinne) konkreten Sinngehalt hat. Einem Wortlaut kommen so viele Bedeutungsmöglichkeiten zu, in so vielen Kontexten er zur Anwendung gelangt. ... Die Bedeutungsfülle eines Wortes ist folglich identisch mit der Anzahl der Kontexte, in denen es (bisher) verwandt wurde."30 Auch Depenheuer macht durch die Betonung, daß ohne Kontext, d. h. Worte "an sich", für sich allein betrachtet, keinen aktuellen Sinngehalt haben, deutlich, daß die Erscheinung der "Relativität der Begriffe" auf die Kontextbedingtheit allen Verstehens zurückzuführen ist? 1 Dies kommt auch in den Worten Wittgensteins zum Ausdruck: ,,Jedes Zeichen scheint allein tot. Was gibt ihm Leben?- Im Gebrauch lebt es."32 Jene Relativität der Begriffe mache jedoch sprachliche Kommunikation - sowohl im Alltag, aber auch im Recht - nicht unmöglich, sondern hindert nur ein blindes Vertrauen auf ein Wort und die Annahme, daß dieses in all seinen Verwendungen stets denselben Inhalt hat. Nimmt man sich der Erkenntnis an, daß der jeweilige Sprechzusammenhang (im weitesten Sinne) dem Wort seinen jeweils aktuellen Bedeutungsgehalt vermittelt, so stellt sich die Relativität der Begriffe also als notwendige Folge jener Sinnbezüglichkeit, jener Kontextabhängigkeit des einzelnen Wortes dar. Depenheuer lehnt die Absolutheit von Rechtsbegriffen ab, da die oft propagierte, jedoch "vermeintliche Eindeutigkeit ... nur die Folge eines- unbewußt hinzugedachten - konkreten Kontextes (ist). Jeder sich ändernde Kontext macht eine bestehende sprachliche Eindeutigkeit zweifelhaft. " 33 Wird daher ein und dasselbe Wort in mehreren Rechtssätzen desselben Gesetzes oder verschiedener Gesetze verwendet und damit in unterschiedliche Kontexte im weitesten Sinne hineingestellt, so wird durch jene einzelnen, in Bezug genommenen Kontexte eine Vielzahl neuer, möglicher Wort-Bedeutungen eröffnet, was eben den ,,relativen" Charakter eines einzelnen Wortes zur Folge hat. 34 Bestimmt daher der Kontext den Sinngehalt eines Wortes jeweils neu, so spricht schon dieses kontextbezogene Funktionieren der Sprache gegen die Existenz von "absoluten" Begriffen, die losgelöst und unabhängig von jeglichen Sprechzusarnmenhängen stets denselben, allgemeingültigen Bedeutungsgehalt haben sollen, denn jedes "interpretative Aufgreifen auf neue Sachverhalte (=Kontexte) verunsichert den- bis dahin bekannten- Bedeutungscanon des Wortes. " 35

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Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 39. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 40. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, S. 432. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 39, 40. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 40. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 59.

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Unter Hinweis auf die zwar bestehenden Bemühungen des Gesetzgebers, zumindest in demselben Gesetz ein Rechtswort immer in dem gleichen Sinne zu gebrauchen, hebt auch Wank hervor, daß von einer solchen Inhaltsübereinstimmung desselben Ausdrucks "nicht immer zwingend" 36 auszugehen sei. Vielmehr finde die Relativität der Rechtsbegriffe, die bedeute, daß "ein und derselbe Ausdruck ... in verschiedenen Gesetzen eine unterschiedliche Bedeutung haben (kann)", 37 ihren Grund darin, daß es Funktion der Rechtswörter sei, eine bestimmte Verhaltensanordnung zum Ausdruck zu bringen und da sich jedes Rechtswort nun auf den Zweck jener Verhaltensordnung bezieht, können folglich jedem Rechtswort so viele Inhalte zukommen, wie es in unterschiedlichen Verhaltensanordnungen zur Anwendung gelangt.38 Im Zusammenhang mit der Relativität spricht Wank des weiteren von sogenannten "Homonymen", 39 also Ausdrücken, die mehrere Bedeutungskomponenten, mehrere Bedeutungsvarianten in sich tragen, also insofern "mehrdeutig" seien. Jene ,,Mehrdeutigkeit" kann sich dabei natürlich nur auf das Wort in isolierter Stellung beziehen, konkretisiert sich jedoch auf eine einzige aktuelle Bedeutung, wenn das Wort in einen bestimmten Kontext gestellt wird, was Folge der Sprechhandlungs- und Kontextbezogenheit der Wörter ist. 40 Im Umkehrschluß folgt daraus, daß sich die Frage nach dem jeweiligen Inhalt eines Ausdrucks in einem Rechtssatz "nur bis zu einem bestimmten Grad abstrakt, im übrigen nur bezogen auf Kontexte"41 beantworten läßt, weshalb sich auch das Berufen auf absolute Begriffe und die Versuche, kontextfrei und - losgelöst die jeweils aktuelle Bedeutung zu ermitteln, als eine "Kunstfigur"42 erweist. Als Gegner von absoluten Rechtsbegriffen führt Wank vertiefend an, daß das Problem der Begriffsrelativität in verschiedenen Varianten auftrete, als Relativität zwischen der Rechtswissenschaft und anderen Wissenschaften oder der Umgangssprache, als Relativität zwischen verschiedenen Spezialrechtsgebieten, aber auch als Relativität innerhalb ein und desselben Rechtsgebiets43 (etwa innerhalb des Strafrechts, dessen Untersuchung Gegenstand dieser Arbeit ist). In bezug auf das Vorkommen eines Rechtswortes in verschiedenen Rechtsgebieten wird nun die Begriffsrelativität schon länger diskutiert. 44 Insbesondere im VerWank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 54. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 53. 38 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 53. 39 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 26: etwa Schloß als "Türschloß" oder als Palast; vgl. dazu auch Herberger/Koch, JuS 1978, S. 810, 814; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 191 ff. 40 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 27. 41 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 28. 42 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 31. 43 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 111. 44 Vgl. dazu etwa Müller-Erzbach, Interessenjurisprudenz, S. 72 ff.; Claus, ARSP 49 (1963), s. 375, 388. 36

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hältnis zwischen Zivil- und Strafrecht sind zahlreiche Begriffsüberschneidungen zu finden, die von einer uneingeschränkten Übernahme über parallele oder ähnliche Begriffe bis hin zu ganz unterschiedlichen Sinngehalten für den gleichen Rechtsausdruck reichen. So nehmen etwa §§ 242, 303 StGB für die "Fremdheit" der Sache voll auf die zivilrechtliche Begriffsbildung Bezug, indem sich die Fremdheit der Sache allein nach dem Eigentumsbegriff des Zivilrechts entscheidet.45 In anderen Fällen hingegen entwickelt das Strafrecht seine eigenen Begriffe, die zum Teil denen des Zivilrechts ähnlich, zum Teil aber auch völlig von letzteren abweichen, wobei insbesondere an die Diskussion um die Definition des zivilrechtliehen "Besitzes" und des strafrechtlichen "Gewahrsams" zu denken ist.46 Aber auch im Verhältnis zwischen der Rechtswissenschaft und anderen Wissenschaften läßt sich eine große Bandbreite verschiedener Grade von Bindung feststellen, die - so Rinck - von starrer, über halbstarrer bis hin zu keinerlei Bindung reichen. 47 Gerade weil jede Spezialwissenschaft andere Erkenntnisziele verfolgt, besteht die grundsätzliche Tendenz, daß selbst bei Verwendung der gleichen Worte keine Übereinstimmung des Sinngehaltes zu erwarten ist. Die bewußte Übernahme eines Fachbegriffes einer in eine andere Wissenschaft begründet jedoch die durchaus berechtigte Vermutung, daß damit auch derselbe Wort-Inhalt mit übernommen wird, was deutlich macht, daß in jedem Einzelfall genau zu priifen ist, wie stark die inhaltliche Bezugnahme zwischen den verschiedenen Wissenschaften sein soll. So gibt es Fälle, in denen mit der Übernahme eines Fachbegriffs einer anderen Wissenschaft in die Rechtswissenschaft zugleich die gesamte dahinter stehende Konzeption jener Wissenschaft mit übernommen werden soll,48 wobei Wank jedoch zutreffend darauf hinweist, daß eine strikte Übernahme nicht erfolgen kann, "weil die Rechtsordnung unter rechtlichen Aspekten stets einen Filter vorschalten muß". 49 In anderen Fällen übernimmt das Recht zwar Fachbegriffe anderer Wissenschaften, will sich aber entweder nicht zugleich auf das gesamte dazugehörige Konzept jener Wissenschaft festlegen 50 oder lehnt eine Anknüpfung an den be45 Vgl. dazu Schönke/Schröder/Eser, StGB, § 242 Anm. 6, § 303 Anm. 4. 46 Zu weiteren Begriffsüberschneidungen zum Beispiel im Zivilrecht und Steuerrecht und im Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht, vgl. näher Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 114 ff. mit Verweis etwa auf BVerfGE 13, 340; BVerfG, NJW 81, 330. 47 Rinck, in: Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 118,119. 48 Zu denken sei an die Aufnahme der "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" in § 38 I HGB, § 149 I AktG, womit zugleich eine Verweisung auf die Betriebswirtschaftslehre und die tatsächliche Handhabung im Kaufmannsleben im Rahmen eines Handelsbrauchs bezweckt ist. 49 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 119. so Zu nennen ist hier der "Wettbewerbsbegrift", der von der Wirtschaftswissenschaft in das GWB übernommen wurde. Das GWB bezog sich dabei nur auf das allgemeine Wettbewerbsmodell, nicht hingegen auf das Konzept einer bestimmten Konkretisierung des Wettbewerbsmodells, das sich in der Wirtschaftswissenschaft vom Konzept des vollkommenen Wettbewerbs zum Konzept des workable competition wandelte.

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stimmten, in jener Wissenschaft herausgebildeten, fachspezifischen Sprachgebrauch völlig ab und zieht eine eigenständige Begriffsbildung unter ausschließlich rechtlichen Gesichtspunkten vor. 51 Jener Gesichtspunkt der großen Bandbreite an Möglichkeiten, bis zu welchem Grad eine Bindung an den Sinngehalt eines Wortes in einem bestimmten Speechzusammenhang auch für andere Speechzusammenhänge gewollt ist, gilt nun aber nicht nur für die Relativität zwischen verschiedenen Wissenschaften oder innerhalb der Rechtswissenschaft zwischen verschiedenen Rechtsgebieten, sondern beansprucht ebenfalls für die Relativität innerhalb desselben Rechtsgebiets Geltung. Denn wie die Rechtswissenschaft als Ganzes und jedes spezielle Rechtsgebiet so verfolgt auch jeder einzelne Rechtssatz unterschiedliche Ziele und Erkenntnisinteressen und betrachtet die zu regelnden Lebenserscheinungen unter einer ganz eigenen, normspezifischen Sicht. Wank faßt dies zutreffend dahin zusammen, daß jede Wissenschaft, jedes Rechtsgebiet und selbst jeder einzelne Rechtssatz seiner eigenen Teleologie folgt, weshalb daher grundsätzlich ,jeder Begriff in jeder Verwendung Unterschiedliches bedeuten"52 kann. Auch Danz, Martin und Wolff vertreten insoweit die Ansicht, daß nichts das Gesetz B verpflichte, einen im Gesetz A vorkommenden, gleichlautenden Begriff im gleichen Sinne zu gebrauchen,53 was jedoch entsprechend - wie eben dargestellt - auch für das Verhältnis zwischen zwei Rechtssätzen innerhalb desselben Rechtsgebietes und desselben Gesetzes zu gelten hat. Hatz wendet insofern kritisch ein, daß er zwar nicht die ideale Forderung eines allgemein im gleichen Sinne gebräuchlichen Ausdrucks erhebt, sondern vielmehr eine Sinnverschiedenheit desselben Wortes sowohl zwischen Umgangs- und Rechtssprache als auch innerhalb der Rechtssprache selbst durchaus befürwortet, wobei er betont, daß jene abweichende Sinnbefrachtung äußerlich gleicher Ausdrücke immer aus der Rechtsordnung bzw. dem betreffenden Gesetz heraus begründet sein muß. 54 Dennoch steht er einer Sinnverschiedenheit innerhalb eines Gesetzes skeptisch gegenüber, da dann "ein juristisches Gesamtverständnis überhaupt nicht mehr zu erzielen (wäre) . .. auch innerhalb eines Gesetzes den Sinn variieren zu lassen - das bedeutet aber das Ende von Rechtsgleichmäßigkeit, Rechtssicherheit und damit wesentlicher Elemente der Gerechtigkeit, also des Rechts im ganzen." 55 Gerade die dargestellten Ausführungen Wanks machen jenen Einwänden, die wohl die sogenannte "Einheit der Rechtsordnung" ansprechen - auf welche im 51 Etwa bei dem Begriff des "Unternehmens", der nicht nur von Ökonomen und Juristen, sondern auch innerhalb des Rechts jeweils anders verstanden wird, abhängig davon, in welchem Rechtsgebiet der Begriff verwendet wird. 52 Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 122. 53 Danz/Martin/Wolff, in: Hatz, Rechtssprache undjuristischer Begriff, S. 87. 54 Hatz, Rechtssprache und juristischer Begriff, S. 86, 97. 55 Hatz, Rechtssprache undjuristischer Begriff, S. 87.

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Rahmen der Arbeit noch näher eingegangen wird - gegenüber jedoch deutlich, daß es keinen hinreichenden Grund gibt, die Relativität zwar für das Verhältnis zwischen Umgangs- und Rechtssprache, zwischen Rechtssprache und anderen Fach(wissenschaftlichen-)Sprachen und innerhalb des Rechts zwischen verschiedenen Rechtsgebieten zuzulassen, sie jedoch für das Verhältnis zwischen verschiedenen Rechtssätzen innerhalb eines Gesetzes abzulehnen. Dies deshalb, weil so, wie jede Wissenschaft und jedes Rechtsgebiet für die von ihnen verwendeten Worte einen Einbettungszusammenhang bilden, auch jeder ,,kleine" Rechtssatz, der ein Wort benutzt, sich für dieses als dessen Einbettungszusammenhang, dessen Zugehörigkeitskontext erweist, wobei sich der Inhalt des betreffenden Wortes an den sinnbestimmenden Momenten jenes, seines Zugehörigkeitskontextes auszurichten hat. Allen Fallvarianten der Relativität ist gemeinsam, daß jene Relativität stets darauf zurliekzuführen ist, daß jeder Sprechzusammenhang (sei es nun im weitesten Sinne die Untersuchungsrichtung einer speziellen Wissenschaft, im engeren Sinne die eines bestimmten Rechtsgebietes oder im engsten Sinne die eines einzelnen Rechtssatzes innerhalb eines Gesetzes) das in ihm vorkommende Wort aus einem ganz eigenen Blickwinkel heraus betrachtet, jenes Wort also speziell-kontextbezogenen Fragerichrungen unterwirft. Es kommt deshalb für die Prüfung, ob das Wort nun in den verschiedenen Kontexten auch bedeutungsverschieden ist, entscheidend darauf an, ob sich die einzelnen Verwendungskontexte in ihren sinnvennittelnden Elementen gleichen oder eher unterscheiden, denn um so ähnlicher sich die verschiedenen Verwendungskontexte in ihren sinnvermittelnden Elementen sind, um so größer ist die Vermutung, daß auch das Wort selbst dieselbe Bedeutung besitzt bzw. umgekehrt, um so größere Unterschiede zwischen den Verwendungskontexten bestehen, um so mehr spricht auch für eine jeweils andere, konkrete Wortbedeutung. Es ist damit der für die Begriffsrelativität wichtige Aspekt angesprochen, daß es hier immer um einen Vergleich der das jeweils auszulegende Wort umschließenden Verwendungskontexte geht, also eine Gegenüberstellung der jeweils sinnprägenden Momente der verschiedenen Kontexte stattzufinden hat. Ob ein Rechtswort, das in verschiedenen Rechtssätzen vorkommt, nun dieselbe oder eine jeweils andere Bedeutung hat, läßt sich also nicht durch ein kontextfreies Betrachten der Wortgestalt als solche, sondern nur dadurch ermitteln, daß gepriift wird, ob der eine Rechtssatz gegenüber dem anderen Rechtssatz in bezug auf seine sinnprägenden Momente gleich, ähnlich oder anders ist.56 Da sich ein Wort mit dem Eintreten in einen neuen Verwendungszusammenhang immer zugleich auch einer neuen Sinnhaftigkeit öffnet, kann eine "gleiche Bedeutung einem Ausdruck nur so lange zukommen . . . , als dieser im gleichen Zusammenhang gebraucht wurde." 57 Daraus kann gefolgert werden, daß nur, wenn der Vergleich der verschiedenen Verwendungskontexte in bezug auf Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 111. Hatz, Rechtssprache und juristischer Begriff, S. 87, der insoweit auf die entsprechenden Worte Schleiermachers verweist. 56 57

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ihre vielfältigen sinnprägenden Momente - also den Kontextfaktoren - eine Übereinstimmung ergibt, auch dem Wort in den betreffenden Kontexten dieselbe Bedeutung zukommen kann. Erst jener Vergleich der verschiedenen Verwendungskontexte läßt also den Schluß auf die Gleich- oder Andersbedeutung des in jenen Verwendungskontexten vorkommenden Wortes zu. Den die "Relativität der Begriffe" prägenden Gesichtspunkt des Kontext-Vergleichs stellen auch Ryu I Silving heraus, indem sie - wenn auch betreff der Suche nach einem gemeinsamen "Kemsinn" eines in verschiedenen Rechtszweigen verwendeten Rechtsbegriffs -danach verlangen, daß in einem positivistisch orientierten Rechtssystem von Fall zu Fall durch Vergleichung der bezüglichen Rechtsbestimmungen und deren Prüfung auf eine etwaige "Gemeinsamkeit" zwischen ihnen der jeweils konkrete Wort-Inhalt in jeder dieser Rechtsbestimmungen festzustellen sei. Daraus leiten sie die Forderung ab, daß bei Fehlen von Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Rechtsbestimmungen die Benennungsgleichheit des in ihnen vorkommenden Wortes, also die Wortlaut-Identität aufgegeben und für das Wort in einem dieser Rechtssätze eine neue Vokabel gefunden werden sollte, weil in solchen Fällen die "Mehrdeutigkeit" des Wortes irreführend und so besser zu eliminieren sei.58 Sie greifen insofern die Formel von Engisch auf, der davon spricht, daß die "Relativität der Rechtsbegriffe" überwindbar wäre, wenn der Gesetzgeber in der Lage wäre, "überall dort, wo sich der Inhalt eines Begriffs von einem Rechtsgebiet zum anderen oder gar von einem Rechtssatz zum anderen verschiebt, neue Vokabeln einzuführen."59 Dennoch kritisieren sie zugleich, daß Engisch eine genaue Definition der ,,Relativität" selbst schuldig bleibt und von der einen vermuteten Bedeutung von "Relativität" häufig zu einer anderen übergeht, so etwa einmal unter Relativität einfach "Mehrdeutigkeit" versteht, ein anderes Mal jedoch von "Mehrdimensionalität" spricht.60 Dabei wenden sich Ryu I Silving jedoch gegen die Gleichsetzung der Relativität der Begriffe mit deren Mehrdeutigkeit und stellen heraus, daß jene Relativität vielmehr "in deren "Mehrdimensionalität" (besteht), welche deren Sinnbestimmung durch den jeweiligen Kontext in den verschiedenen Rechtszweigen "bedeutet". "61 Da jeder Begriff immer an Bezugssysteme gebunden sei und seinen jeweiligen Sinngehalt im Lichte jener, seiner Bezugssysteme erhält, der Inhalt eines Begriffs also stets durch das jeweils gegebene Bezugssystem bestimmt oder zumindest mitbestimmt wird, sei ,jeder Begriff ,,relativ"... , sobald mehr als ein Bezugssystem in Betracht kommt." 62 Das gilt im entsprechenden Sinne nun auch für Rechts-Begriffe, weil es im Recht unterschiedliche Bezugssysteme (im weitesten Sinne die verschiedenen ss Ryu I Silving, ARSP 1973, S. 80. 59 Engisch, Die Relativität der Rechtsbegriffe, S. 70. 60 Ryu/Silving, ARSP 1973, S. 76. 6t Ryu/Silving, ARSP 1973, S. 84. 62 Ryu/Silving, ARSP 1973, S. 63.

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Fachrechtsgebiete, im engsten Sinne die vielfältigen Einzelrechtsnormen) gibt, die jeweils auf einer ihnen eigenen Ebene, in einer ihnen eigenen Dimension liegen, womit auch Ryu I Silving wohl auszudrücken versuchen, daß jedes Bezugssystem mit ganz bestimmten sinnprägenden Momenten verbunden ist und diese sich dann auf die konkrete Bedeutung des einzelnen, in ihnen vorkommenden Wortes niederschlagen. Aus der "Zusammenhangsbedingtheit der Rechtsbegriffe"63 , die bedeutet, daß einem Wort nur dann ein bestimmter Sinn zu entnehmen ist, wenn er vorher in den geeigneten Kontext eingeordnet und in jener seiner untrennbaren Kontextbezüglichkeit betrachtet wird, folgt dann in einem Anschlußschritt die "Relativität der Rechtsbegriffe" in dem Sinne, "daß oft "gleiche Rechtsbegriffe" in verschiedenen Zusammenhängen erscheinend eine "verschiedene Bedeutung" haben, während "diverse Rechtsbegriffe" in verschiedenen Kontexten im Einzelfall den "gleichen Sinn" ergeben. "64 Ihr Vorwurf an Engisch, nicht näher erklärt zu haben, was er mit "Mehrdimensionalität" eigentlich meine, muß jedoch auch Ryu I Silving selbst vorgehalten werden, da auch sie sich damit begnügen zu betonen, daß ,,Mehrdimensionalität" nicht mit ,,Mehrdeutigkeit" zu verwechseln und ersteres im Unterschied zu letzterem nicht bloß eine terminologische Angelegenheit sei, die durch die Einführung neuer Vokabeln überwunden werden könnte. 65 Auch ihre, für sich betrachtet sehr zustimmungspflichtige Darstellung der ,,Zusammenhangsbedingtheit" der Rechtsbegriffe kann als ausreichende Erklärung der ,,Mehrdimensionalität" nicht hinreichen.

Wieder offenbart sich, daß es bis heute noch keine einheitliche und allgemein anerkannte Definition der ,,Relativität der Begriffe" gibt, wenn auch die Behandlungsart, mit der mit der Relativität umgegangen wird und die vielfältigsten Umschreibungsversuche in der Regel erkennen lassen, was mit der "Relativität der Begriffe" gemeint sein soll. So spricht etwa insofern Schwinge - schon speziell bezogen auf Rechtswörter als Tatbestandsmerkmal in Strafvorschriften - von einem InBeziehung-Setzen des einzelnen Tatbestandsmerkmals, also des einzelnen auszulegenden Rechtswortes zu der spezifischen Idee und der Schutzrichtung der jeweiligen Strafrechtsnorm,66 was erneut deutlich macht, daß "relativ" bedeutet, das Auslegungsobjekt immer "in-bezug-auf-Etwas" zu betrachten. Jener Bezugsgegenstand ist dabei der jeweils übergeordnete, das auszulegende Wort umrahmende Verwendungs- bzw. Bezugszusammenhang, der - ausgestattet mit verschiedenen sinnprägenden Momenten - dann auch mit jeweils ,,kontextspezifischen" Frageund Untersuchungsrichtungen auf das in ihm vorkommende einzelne Wort ausstrahlt. Auch Edlin greift zur Erklärung des Begriffsrelativismus jenen Gedanken des In-Beziehung-Setzens auf, indem er die "Relativität" zurückführt auf die "Natur 63 64 65

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Ryu I Silving, ARSP 1973, S. 64. Ryu I Silving, ARSP 1973, S. 64. RyuiSilving, ARSP 1973, S. 76, 77. Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, S. 22, 23.

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des ,,Begriffs", nämlich als einer "Funktion" bzw. einer besonderen Art der Funktion: "Beziehung" ...".67 Unter Bezugnahme auf Frege und Cassirer nennt er den Begriff einen "Gesichtspunkt der Relation", 68 was sich auch in Boehms treffender Beschreibung wiederfindet: "Der Begriff ist nur durch sein Bezogensein auf andere Begriffe ... erst die Verknüpfungen ... geben dem Begriffe einen eigentlichen Inhalt."69 Trotz hoher Anrechnung der Leistung Müller-Erzbachs und seiner Erkenntnis, daß ein Rechtswort durch den jeweiligen Zusammenhang Inhaltsverschiebungen ausgesetzt sei,70 kritisierte er an dessen Abhandlung jedoch, wenn auch "nur das Wort "Relativität", das die unzutreffende Vorstellung erwecken kann, als ob der Begriff an sich notwendig etwas Schwankendes sei, gerade so wie der Begriff der "Relativitätstheorie" bei vielen den Eindruck eines schrankenlosen subjektivistischen Relativismus hervorruft.'m Edlin wollte damit- was wohl auch Anliegen von Müller-Erzbach war- deutlich hervorheben, daß es bei der ,,Relativität" um objektiv zu gestaltende Beziehungen geht, die von subjektiven Einflußnahmen seitens der Interpreten I Verwender des auszulegenden Wortes unabhängig zu machen sind. Auf der Suche nach einer passenden Definition der "Relativität der Rechtsbegriffe" formuliert Edlin daher dahingehend, daß es bei der Begriffsrelativität um die Erkenntnis gehe, "daß ein Begriff je nach seinem Standort, seiner Beziehungslage, seinem Verwendungszusammenhang jedesmal etwas anderes bedeuten kann und es daher gerade im Interesse der Objektivität liegt, sich dieser Verschiebungsmöglichkeit bewußt zu sein und kritisch auf sie zu achten, um den daraus hervorgehenden Gefahren zu begegnen. Sinn und Bedeutung aber, die ein Begriff in einer bestimmten, gegebenen und scharf umrissenen Beziehung einmal erhalten hat, unterliegen der unbedingten Forderung der Eindeutigkeit und Prägnanz." 72 Auch Edlin schließt sich damit dem Gedanken der Zusammenhangsbedingtheit als Grundlage und Basis der Relativität der Begriffe an und schlägt zur Vorbeugung von Mißverständnissen vor, nicht von der "Relativität" zu sprechen, sondern vom sogenannten ,,Relations- oder Beziehungscharakter"73 der Begriffe, auch der Rechtsbegriffe. 67 E