Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung [1 ed.] 9783428537921, 9783428137923

Jan-Frederik Kolbe befasst sich mit den strafprozessualen Aspekten der strafrechtlichen Dopingverfolgung. Ausgangspunkt

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German Pages 270 Year 2012

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Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung [1 ed.]
 9783428537921, 9783428137923

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Beiträge zum Sportrecht Band 40

Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung

Von Jan-Frederik Kolbe

Duncker & Humblot · Berlin

JAN-FREDERIK KOLBE

Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 40

Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung

Von Jan-Frederik Kolbe

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Sommersemester 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-13792-3 (Print) ISBN 978-3-428-53792-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83792-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Oktober 2011 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zuvorderst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Matthias Jahn, der mir die Anregung zu diesem Thema gab und die Fertigstellung der Arbeit in vielfältiger Weise gefördert hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Hans Kudlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Prof. Dr. Klaus Vieweg für die Unterstützung bei der Veröffentlichung. Frau Oberstaatsanwältin Hannelore Biniok von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main möchte ich für die konstruktiven Gespräche danken. Darüber hinaus gilt mein Dank auch sämtlichen Staatsanwaltschaften und Justizministerien, die sich an der, für diese Arbeit durchgeführten Befragung beteiligt haben. Nicht zuletzt gilt mein Dank meinen Eltern, Frau Angela Kolbe und Herrn Jürgen Kolbe, ohne deren stete Förderung mein bisheriger beruflicher Werdegang sowie diese Arbeit wohl nicht möglich gewesen wären. Auch möchte ich Frau Stefanie Dillmeier für ihre fortwährende Geduld und Unterstützung danken, die sich nicht nur auf die Erläuterung der medizinischen Aspekte des Dopings beschränkt haben. Berlin, im Februar 2012

Jan-Frederik Kolbe

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung

21

Kapitel 2 Eigene empirische Untersuchung zur Anwendung der dopingbezogenen Strafnormen des AMG in der Praxis

25

A. Ergebnisse der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Tabellarische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kapitel 3 Der Strafprozess im Kontext strafrechtlicher Dopingverfolgung

31

A. Das Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Einleitung des Ermittlungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Erlangung des Anfangsverdachts §§ 160 I, 152 II StPO („Kenntniserlangung“) 32 a) Der Anfangsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Der Anfangsverdacht im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . 34 aa) Begründung eines Anfangsverdachts durch eine positive Dopingprobe? 34 (1) Der Anfangsverdacht bei positiver Dopingprobe vor Einführung der Besitzstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 (2) Der Anfangsverdacht bei positiver Dopingprobe seit Einführung der Besitzstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Verdachtsbegründung aufgrund des Fundes einer geringeren als der „nicht geringen Menge“ i.S.d. § 6 a AMG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Auffinden von Dopingmittelverpackungen als Verdachtsbegründung? . 39 c) Verfahrenseinleitung durch Strafanzeigen bzw. -anträge . . . . . . . . . . . . . . . 39 aa) Strafanzeige und -antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 bb) Fehlende Strafanzeigen und -anträge durch den Sportler selbst bzw. dessen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

10

Inhaltsverzeichnis cc) Anzeigeverhalten und -verpflichtungen der Sportverbände und der NADA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Grundsätze der Anzeigepflicht der Sportverbände und der NADA

45

(2) Zusätzliche vertragliche Anzeigepflicht der Verbände . . . . . . . . . . . 47 (3) Kritische Betrachtung des Anzeigeverhaltens der Verbände und der NADA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (4) Möglichkeit der Optimierung des Anzeigeverhaltens der Verbände bzw. der NADA durch die Veranstaltung von Schulungen durch die Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 dd) Anzeigemöglichkeiten und -pflichten für Krankenkassen . . . . . . . . . . . 52 (1) Verschreibungspflicht von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (2) Die Verschreibung eines Arzneimittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (3) Überprüfungsmöglichkeiten von Rezepten durch die Krankenkasse und die daraus resultierende Möglichkeit einer Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (a) Der besondere Schutz der Sozialdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (b) Grenzen des Umgangs mit Sozialdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (c) Die Übermittlung von Sozialdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (d) Initiativübermittlungen von Sozialdaten durch die Krankenkassen 60 (e) Übermittlung von Sozialdaten aufgrund einer Anfrage der Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 ee) Strafanzeigen durch Banken wegen des Verdachts auf Geldwäsche . . . 64 ff) Whistleblowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 d) Verfahrenseinleitung „auf andere Weise“ im Sinne des § 160 I StPO . . . . . 72 aa) Verfahrenseinleitung aufgrund proaktiven Verhaltens der Polizei – Initiativermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Untersuchung der Möglichkeiten einer Verfahrenseinleitung durch das Bundeskriminalamt im Lichte der Änderung des BKAG . . . . . . . . . . . . 76 cc) Verfahrenseinleitende Verdachtsgewinnung durch den Zoll . . . . . . . . . . 77 dd) Untersuchung der rechtlichen Möglichkeiten für staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 ee) Untersuchung der rechtlichen Möglichkeiten für Verdachtsaufklärungen im Umfeld durch Strukturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 ff) Verfahrenseinleitende Hinweise durch Arzneimittelüberwachungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Regelüberwachung im Sinne des § 64 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Inhaltsverzeichnis

11

(3) Befugnisse der Überwachungsbehörden im Rahmen der Regelüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (4) Anlassüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Vorfrage: Räumliche und persönliche Geltung der deutschen Strafgewalt . . 88 aa) Grundsätzliche Erfassung von In- und Auslandstaten durch die deutsche Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Dopingspezifische Probleme bei der Erfassung von Auslandstaten gemäß § 7 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 cc) Wiedervereinigungsbedingte Strafanwendungsprobleme . . . . . . . . . . . . 94 dd) Freistellung von deutscher Strafgewalt aufgrund von Immunität . . . . . . 98 b) Örtliche und sachliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Grundsätze der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Spezielle örtliche Zuständigkeit von Schwerpunktstaatsanwaltschaften 101 cc) Notwendigkeit spezieller Schwerpunktstaatsanwaltschaften für den Bereich der Dopingkriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Durchführung des Ermittlungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Vernehmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Vernehmung von Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Der Beschuldigte in Ermittlungsverfahren mit Dopinghintergrund . . . . 108 bb) Verwertbarkeit von Aussagen des Beschuldigten aus einem gegen ihn geführten verbandsrechtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (1) Das Prinzip der strict liability in verbandsrechtlichen Verfahren . . . 110 (2) Die Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts . 111 (3) Übertragbarkeit der Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung auf Aussagen des Sportlers in verbandsrechtlichen Verfahren . . . . . 113 b) Vernehmung von Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Zeugen in Ermittlungsverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . 116 bb) Berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrechte von Ärzten . . . . . . . . . . . . 118 c) Die Kronzeugenreglung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Diskussionsstand bezüglich einer möglichen Kronzeugenreglung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Die neue Kronzeugenreglung des § 46 b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

12

Inhaltsverzeichnis cc) Konsequenzen der Einführung der Kronzeugenreglung in § 46 b StGB für die strafrechtliche Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 dd) Erforderlichkeit der Einführung einer weiteren Kronzeugenreglung für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . 127 d) Zeugenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Voraussetzungen der Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln 130 b) Sicherstellung und Beschlagnahme in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Die Beschlagnahmefreiheit des § 97 StPO im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 d) Möglichkeit der Verwendung von Dopingproben im Strafprozess . . . . . . . . 133 aa) Anwendbarkeit des § 97 StPO auf Dopingproben . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Beweisverwertungsverbot der Dopingproben aufgrund der aktiven Mitwirkung des Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Voraussetzungen der Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Die Durchsuchung im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . 138 c) Dopingspezifische Probleme der Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Überwachung der Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Voraussetzungen der Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100 a, 100 b StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Die Überwachung der Telekommunikation im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Erfordernis der Ausweitung des Katalogs des § 100 a StPO auf Straftaten gemäß § 95 I Nr. 2 a i.V.m. § 6 a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5. Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Voraussetzungen der körperlichen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Voraussetzungen der körperlichen Untersuchung des Beschuldigten gemäß § 81a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Voraussetzungen der Untersuchung anderer Personen gemäß § 81c StPO 148 b) Körperliche Untersuchungen im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6. Verdeckt ermittelnde Polizeibeamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Voraussetzungen des Einsatzes verdeckt ermittelnder Polizeibeamter . . . . . 152

Inhaltsverzeichnis

13

b) Der Einsatz verdeckt ermittelnder Polizeibeamter im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Erfordernis der Erweiterung des Katalogs des § 110 a StPO . . . . . . . . . . . . 155 7. Untersuchungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Voraussetzungen der Untersuchungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Der Haftgrund der Fluchtgefahr im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Straferwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Aufenthaltsort des Ausländers zum Zeitpunkt der Haftentscheidung . . 162 cc) Staatsangehörigkeit eines Ausländers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Stellenwert des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 d) Die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 III. Verfahrenseinstellung im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. Konsequenz der Beweisschwierigkeiten: Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung im Rahmen der strafrechtlichen Dopingverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Grundzüge des Verhältnisses des materiellen Strafrechts zu dem Strafprozessrecht 172 1. Maßgeblicher Einfluss des Prozessrechts: Die Beweiserleichterung . . . . . . . . . 172 2. Übersicht über die Möglichkeiten der Beweiserleichterung im materiellen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Veränderung des dem Delikt zugrundeliegenden Rechtsguts . . . . . . . . . . . . 174 b) Vorverlagerung des Rechtsgutsangriffs („Vorfeldkriminalisierung“) . . . . . . 174 c) Ausweitung objektiver Angriffsmöglichkeiten auf das geschützte Rechtsgut 174 d) Verringerung der Tatbestandsanforderungen in subjektiver Hinsicht . . . . . . 174 e) Verringerung des Erfordernisses des vollen Beweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Gesetzgebung im Bereich strafrechtlicher Dopingverfolgung und der Einfluss beweisgeeigneter Tatbestandsgestaltung darauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Rechtsgutsgestaltung des § 6 a II a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Möglichkeit der Verwendung eines Schutzguts der Volksgesundheit . . . . . . 176 b) Vorzug des Schutzguts der Volksgesundheit vor dem der individuellen Gesundheit des einzelnen Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

14

Inhaltsverzeichnis c) Auswirkungen des geschützten Rechtsguts der Volksgesundheit auf die Beweisgeeignetheit des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Vorfeldkriminalisierung im Rahmen des § 6 a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Ausgestaltung der Tathandlungen des § 6 a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Beweisrechtliche Auswirkungen der Hinweispflicht des § 6 a II 2 AMG . . . . . 182 5. Verringerung der Tatbestandsanforderungen in subjektiver Hinsicht durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals des Besitzes der nicht geringen Menge in § 6 a II a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 6. Verweis des § 98 a AMG auf § 73 d StGB, dessen Voraussetzungen sowie beweiserleichternde Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 7. Aufzählung der verbotenen Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

C. Das Zwischenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Die Verteidigerbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Notwendige Verteidigung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund aufgrund eines drohenden Berufsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Notwendige Verteidigung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund aufgrund der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Die Nebenklagezulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D. Das Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Der Beweisabschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Die Vernehmung des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Sachverständige in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Einführung der Ermittlungsergebnisse von Verdeckten Ermittlern in die Hauptverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts im Sinne des § 265 StPO und die Nachtragsanklage in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . 203 II. Die verfahrensbeendendeVerständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Gegenstand der verfahrensbeendenden Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Die verfahrensbeendende Verständigung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Inhaltsverzeichnis

15

III. Das Urteil – Die Rechtsfolgen der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Die Strafe – Die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Die Strafrahmen des § 6 a i.V.m. § 95 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Die Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 aa) Die Strafmilderung aufgrund verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Die Strafmilderung aufgrund der Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung schwerer Straftaten gemäß § 46 b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 c) Die Strafzumessung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Die gesetzlich benannten Zumessungstatsachen des § 46 II StGB . . . . 217 (1) Beweggründe und Ziele des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Die Art der Ausführung der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (3) Die verschuldeten Auswirkungen der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (a) Die beamtenrechtlichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (b) Die beruflichen Folgen für Ärzte und Apotheker . . . . . . . . . . . . 222 (c) Die Verbandsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (4) Das Vorleben des Täters, sowie seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 bb) Nicht normierte Zumessungstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (1) Die provozierte Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (2) Die „Bestrafung durch die Medien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Nebenstrafen und -folgen, sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung . . . 231 a) Das Berufsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Einziehung und Verfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Die Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Voraussetzungen der Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB . . . . . . . . . . 233 (2) Die Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Die Einziehung gemäß § 98 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (1) Die Voraussetzung der Einziehung gemäß § 98 AMG . . . . . . . . . . . 236 (2) Die Einziehung gemäß § 98 AMG in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 cc) Der Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (1) Voraussetzungen des Verfalls gemäß §§ 73 ff. StGB . . . . . . . . . . . . 237 (2) Der Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

16

Inhaltsverzeichnis dd) Der erweiterte Verfall § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB . . . . . . . . . . . . . 240 (1) Die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls gemäß § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (2) Der erweiterte Verfall gemäß § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Kapitel 4 Fazit

242

Anhang Anti-Doping-Zuwendungsklauseln des Bundesministeriums des Innern

248

1.) Anti-Doping-Klausel für Bewilligungsbescheide zur Förderung von Sportgroßveranstaltungen in Deutschland (WM/EM/Sonstige) – Anlage: (Mindest-)Anforderungen des BMI an Dopingkontrollmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Internationale Geschäftsstellen“ – als Bestandteil des BVA-Zuwendungsbescheids an die Sportfachverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Sportmedizinische Untersuchungen“ – Auflage als Bestandteil des BVA-Zuwendungsbescheids an den DOSB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.) Anti-Doping-Klausel im Zuwendungsbescheid des BVA an den DOSB für die Finanzierung der Trainerakademie Köln des DOSB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5.) Anti-Doping-Erklärung – Studium an der Trainerakademie des DOSB . . . . . . . . . . . . 251 6.) Anti-Doping-Klausel im Zuwendungsbescheid des BVA an die Spitzensportverbände, denen für die Kosten der Ausbildung ihres bundesfinanzierbaren Leistungspersonals zum Diplomtrainer/zur Diplomtrainerin an der Trainerakademie Köln des DOSB eine Zuwendung gewährt werden kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 7.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Deutsche Schulsportstiftung/JTFO“ . . . . . . . . . . . 253 8.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „OSP, BLZ, IAT, FES und Entsendung zu Sportgroßereignissen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 9.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Verbände mit besonderer Aufgabenstellung, Special Olympics Deutschland und Blindenschachbund“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. a.F. AG Alt. AMG AMGVwV AMVV AO ApoG ARD Art. ASOG AT BÄO BApO BayOLG BDSG BGBl. BGH BGHR BGHSt BKAG BRAK BRD BR-Drucks BRRG BSG BT-Drucks BtmG BVerfG BVerfGE BVerwG dass. DDR ders. dies. Diss.

andere Ansicht Amtsblatt Absatz alte Fassung Amtsgericht Alternative Arzneimittelgesetz Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes Verordnung über die Verschreibung von Arzneimitteln Abgabenordnung Gesetz über das Apothekenwesen Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Artikel Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin Allgemeiner Teil Bundesärzteordnung Bundes-Apothekerordnung Bayerisches Oberstes Landesgericht Bundesdatenschutzgesetz Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH – Rechtsprechung – Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundeskriminalamt-Gesetz Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrepublik Deutschland Drucksache des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Drucksache des Bundestages Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Bundesverwaltungsgericht dasselbe Deutsche Demokratische Republik derselbe dieselbe Dissertation

18 DJZ DmMV

Abkürzungsverzeichnis

Deutsche Juristen-Zeitung Verordnung über die Festlegung nicht geringer Mengen von Dopingmitteln (Dopingmittel-Mengen-Verordnung) DRiZ Deutsche Richterzeitung DSB Deutscher Sportbund dvs-Informationen Vierteljahresschrift der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaften EG Europäische Gemeinschaft EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einl. Einleitung EMRG Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten EPO Erythropoetin EU Europäische Union EuHbG Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz) EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung ff. fortfolgende FIFA Fédération International de Football Association Fn. Fußnote FS Festschrift GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GKV gesetzliche Krankenversicherung GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GrS Großer Senat GSG Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung GStA Generalstaatsanwaltschaft GVG Gerichtsverfassungsgesetz GwG Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten h.A. herrschende Ansicht HGB Handelsgesetzbuch HRRS Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i.e.S. im engeren Sinne IMSI International Mobile Subscriber Identity IOC International Olympic Comittee IRG Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen i.S.d. im Sinne des i.S.v. im Sinne von i.V.m. in Verbindung mit i.w.S. im weiteren Sinne JA Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen

Abkürzungsverzeichnis JuS JZ Kap. KfZ KG KO KR LG MBO-Ä MDR MedR m.w.N. NADA NADC NJW Nr. NStZ NStZ-RR o. Ä. OECD OK OLG OMADC PWC RBEuHb Rdn. ReSpoDo RG RGSt RiStBV S. SED SGB SpuRt StGB StoffR StPO StraFO StV THG UK US USA v. a. VGH WADA wistra

19

Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kraftfahrzeug Kammergericht Konkursordnung Kriminalistik – unabhängige Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Landgericht (Muster-)Berufsordnung für Deutsche Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift Deutsches Recht Medizinrecht mit weiteren Nachweisen Nationale Anti Doping Agentur Nationaler Anti Doping Code Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report oder Ähnliches Organisation for Economic Co-Operation and Development Organisierte Kriminalität Oberlandesgericht Olympic Movement Anti-Doping Code Physical Work Control GmbH EU-Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl Randnummer Rechtskommission des Sports gegen Doping Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Seite Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialgesetzbuch Zeitschrift für Sport und Recht Strafgesetzbuch Zeitschrift für Stoffrecht Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum Strafverteidiger Tatra Hydro Gestrinon United Kingdom United States United States of America vor allem Verwaltungsgerichtshof World Anti-Doping Agency Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht

20 WTA z. B. ZollVG ZRP ZSHG ZStW

Abkürzungsverzeichnis World Tennis Association zum Beispiel Zollverwaltungsgesetz Zeitschrift für Rechtspolitik Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Kapitel 1

Einleitung „Gibt es saubere Athleten? Klar. Gibt es saubere Sieger? Nein!“

Diese resignierende Aussage des ehemaligen Dopingmittelhändlers und jetzigen US-Kronzeugen Angel Heredia1 kann – wenn auch sicherlich überspitzt – als Resümee der aktuellen Lage des Kampfs gegen Doping2 dienen. Es ist kein Zufall, dass in den Medien nahezu täglich von Dopingfällen berichtet wird, und dass es bei der Berichterstattung über sportliche Großereignisse nicht mehr nur um Wettkampfstätten und Sportler geht, sondern dass Berichte über Doping und dessen Bekämpfung mittlerweile ebenso zum Pflichtprogramm gehören3. Auch kommt es nicht von ungefähr, dass sich viele Sportler aufgrund der anscheinenden Omnipräsenz von Dopingmitteln dem Druck ausgesetzt fühlen selbst dopen zu müssen, um überhaupt konkurrenzfähig sein zu können4.Doping im Sport ist weit verbreitet und ein nahezu unüberschaubares Problem5! Das ist allgemeine Ansicht, wurde schon hinlänglich besprochen und braucht an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt zu werden. Es ist gut nachvollziehbar, dass ein derart umfassendes, allgegenwärtiges Problem schnell dazu verleiten kann, sich in übermäßigem Lamentieren zu verlieren. Nicht nachzuvollziehen ist es hingegen, wenn die Verzweiflung in Resignation mündet, wie zuletzt bei dem Vorsitzenden der italienischen Anti-Doping-Kommission Ettore Torri, der in einem Interview den Kampf gegen Doping für aussichtslos erklärte6. Auf 1

Aus der ARD Fernsehsendung „Geheimsache Doping“ vom 13. 08. 2009. Von einem „Kampf“ gegen Doping wird durchgängig gesprochen. Siehe hierzu exemplarisch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport“ (BGBl. I 2007, 2510). 3 So zuletzt vor den Olympischen Winterspielen in Vancouver 2010, sowie vor der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010. 4 So führt – als ein Beispiel von vielen – die österreichische Triathletin und Kronzeugin Lisa Hütthaler in einem Interview mit dem Spiegel aus, dass sie bei Siegerehrungen kein schlechtes Gewissen hatte. Für sie ist es eine Frage der Gleichberechtigung, da man schon weiß, dass die anderen auch dopen und man die gleichen Erfolgschancen haben will (Der Spiegel 18/2009 vom 27. 04. 2009, S. 128). Dass derartige Aussagen zum Teil sicherlich auch als Schutzbehauptungen verwendet werden, betont Jahn (Prisma des Sportrechts 2006, 33, 35 m.w.N.). 5 Von Dury (FS Röhricht 2005, 1097, 1097; SpuRt 2005, 137, 137) sogar als „Seuche“ bezeichnet. 6 Das Interview vom 5. 10. 2010 ist auf der Homepage der Associated Press (www.ap.org) abrufbar. Vergleiche hierzu auch den Bericht der Welt Online vom 6. 10. 2010. 2

22

Kap. 1: Einleitung

der Grundlage eigener Erfahrungswerte führte er am Beispiel des Radsports aus, dass ohnehin jeder Athlet gedopt ist. Als Konsequenz erklärte er sogar die Freigabe von leistungssteigernden Mitteln für vorstellbar7. Dass die Freigabe von Dopingmitteln, allein aufgrund der damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken für die Sportler, nicht die Lösung des Problems sein kann, ist leicht zu erkennen. Wie jedoch die Dopingproblematik gelöst oder vielmehr – und hier ist zweifellos Dury8 Recht zu geben, wenn er sagt, dass „die Ausrottung der Dopingseuche niemals vollständig gelingen wird, ebenso wenig, wie es eine Welt ohne Kriminalität gibt“ – bestmöglich eingedämmt werden kann, ist seit jeher hoch umstritten. Eine zufriedenstellende Lösung wurde offensichtlich noch nicht gefunden. In Deutschland wird der Kampf gegen Doping – theoretisch – von zwei verschiedenen Fronten aus geführt. An vorderster Front kämpft der Sport, also die Sportverbände, sowie die Nationale Anti Doping Agentur NADA9. Sie führen bei Wettkämpfen sowie im Training Dopingkontrollen durch, im Rahmen derer der jeweilige Athlet eine Urinprobe abgeben muss, die in der Folge in den akkreditierten Dopinglaboren auf verbotene Substanzen untersucht wird. Stellt sich bei diesen Tests ein Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmungen des NADC10 heraus, kann hierauf neben einer Disqualifikation für den aktuellen Wettkampf und der Annullierung früherer Einzelergebnisse, maßgeblich mit einer Sperre des Sportlers reagiert werden. Zwar sieht der NADC auch die Möglichkeit einer Sanktionierung von Athletenbetreuern11 vor, die Dopingmittel besitzen, in Verkehr bringen oder verabreichen, mangels hinreichender Ermittlungsmöglichkeiten jenseits der Dopingtests hängt die Aufdeckung derartiger Verstöße jedoch mehr oder weniger vom Zufall ab und wird die Ausnahme bleiben. Die Sanktionen, die dem Sport zur Verfügung stehen, richten sich mithin in erster Linie gegen den dopenden Sportler und somit gegen die Spitze des Eisbergs12. „Wenn wir nicht die Hilfe der Polizei haben, können wir keine Räume und kein Gepäck durchsuchen und auch keine Handys überprüfen, was besonders nützlich wäre. Wir wollen, dass die Polizei uns hilft, Dopingnetzwerke aufzudecken.“

7 Die Forderung einer kompletten Freigabe von Dopingmitteln ist kein Einzelfall, siehe hierzu ferner den Artikel „Wissenschaftler plädieren für Doping-Freigabe“ in der Ärzte Zeitung vom 09. 12. 2004. 8 SpuRt 2005, 137, 141. 9 Weitere Informationen unter www.nada-bonn.de. 10 Nationaler Anti Doping Code der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland 2009 in der 2010 überarbeiteten Version 2.0. 11 Laut Begriffsbestimmung des NADC (siehe dort S. 72): Trainer, sportliche Betreuer, Manager, Vertreter, Teammitglieder, Funktionäre, medizinisches Personal, medizinisches Hilfspersonal, Eltern oder andere Personen, die mit den Athleten, die an Sportwettkämpfen teilnehmen oder sich auf diese vorbereiten, zusammenarbeiten, sie unterstützen oder behandeln. 12 Vergleiche hierzu Dury FS Röhricht 2005, 1097, 1099.

Kap. 1: Einleitung

23

Mit dieser Forderung, die er zum Abschluss des 13. Olympischen Kongresses im Oktober 2009 stellte13, beschreibt IOC-Präsident Jacques Rogge, wie dem genannten Manko entgegenzutreten ist, wie also gegen die Hinterleute des Dopings vorgegangen und so das Dopingproblem an seiner Basis angegangen werden kann. Der Sport braucht staatliche Hilfe, um das Doping im Sport effektiv und vor allem nachhaltige bekämpfen zu können14 ! Diese zweite Front der Dopingbekämpfung gibt es in Deutschland – erneut, theoretisch – seit 1998, als durch die achte Novelle des Arzneimittelgesetzes15 vom 11. September 1998 mit §§ 6 a I, 95 I Nr. 2 a AMG das strafbewehrte Verbot, Stoffe zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden, erlassen wurde. Die Norm zielt in erster Linie auf das Umfeld der dopenden Sportler ab und erfasst Trainer, Ärzte, Apotheker, Manager und Funktionäre als die eigentlich bedeutsame Gruppe der Dopingtäter. Da die Existenz des § 6 a AMG a.F. jedoch den Ruf nach weiterer gesetzlicher Aktivität nicht hat verstummen lassen, kam es in der Folge durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport vom 24. Oktober 200716 zu der Pönalisierung des Besitzes nicht geringer Mengen der im Anhang des Gesetzes aufgeführten Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport (§§ 6a II a, 95 I Nr. 2 b AMG). Durch die nunmehr umfassende Ausgestaltung des § 6 a AMG werden sowohl Sportler als auch deren Betreuer etc. von der Norm erfasst und können strafrechtlich verfolgt werden. Dem Staat steht mithin theoretisch eine ausreichende gesetzliche Grundlage zur Verfügung, um als zweite Front bei der Dopingverfolgung den Sport effektiv zu unterstützen. Dass es sich hierbei jedoch leider nur um die Theorie handelt, zeigt sich sobald man die Anwendung der Normen in der Praxis betrachtet. Eine im Rahmen dieser Dissertation durchgeführte Untersuchung17 zeigt nur zu deutlich, dass die allgemeine Annahme, dass es sich bei den Strafnormen der §§ 6 a, 95 AMG um „totes Recht“ handelt18, tatsächlich der Wahrheit entspricht. Um dies zu ändern und dem Staat vermeintlich bessere Waffen im Kampf gegen das Doping an die Hand zu geben, gibt es in beständiger Regelmäßigkeit von den 13

Zitiert im NADA Jahrbuch 2009, S. 38. Diese Aussage ist seit jeher heftig umstritten. Der Gang der Diskussion konnte zuletzt im Vorfeld des Erlasses des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport (BGBl. I 2007, 2510 ff.) beobachtet werden. Vergleiche hierzu beispielshalber Dury FS Röhricht 2005, 1097 ff.; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147; Heger SpuRt 2007, 153, 153; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33 ff.; sowie vor allem auch die Rechtskommission des Sports gegen Doping (ReSpoDo), siehe hierzu deren Abschlussbericht (Zusammenfassung bei Hauptmann SpuRt 2005, 198 ff. und 239 ff.). 15 BGBl. I 1998, 2649, neu bekanntgemacht am 15. Dezember 2005 (BGBl. I 2005, 3395). 16 BGBl. I 2007, 2510. 17 Siehe hierzu unten unter Kapitel 2. 18 So Dury SpuRt 2005, 137, 139; ders. FS Röhricht 2005, 1097, 1105; König JA 2007, 573, 574 f.; Prokop SpuRt 2006, 192, 192; als „zahnloser Tiger“ tituliert von Heger SpuRt 2007, 153, 153; als „wenig effektiv“ beschrieben von Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147. 14

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Kap. 1: Einleitung

verschiedensten Seiten Initiativen zum Erlass immer weiterer materieller Anti-Doping-Gesetze. Zuletzt sorgte der bayerische Entwurf zu einem „Gesetz zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport“19 für Schlagzeilen. Bevor jedoch über neue materiell-rechtliche Gesetze nachgedacht wird, muss es das erste Anliegen sein, mit den vorhandenen Gesetzen bestmöglich gegen das Doping und seine Täter vorzugehen, denn wie der ehemalige Geschäftsführer der NADA Göttrik Wewer schon richtig ausführte20 : „Jedes Gesetz ist nur so gut wie sein Vollzug! Was auf dem Papier steht und nicht beachtet wird, ist praktisch wertlos“

In diesem Sinne gilt es, die Anwendung der strafrechtlichen Dopingverbote des AMG im gesamten Strafprozess zu untersuchen, Besonderheiten und Probleme aufzuzeigen und Denkanstöße bezüglich einer möglichen Optimierung zu geben, um auf diesem Wege zu zeigen, dass das „tote Recht“ nicht zu Grabe getragen und durch neues Recht ersetzt werden muss, sondern, dass es durch eine konsequente Anwendung im Strafprozess und geringfügige Justierungen zu neuem Leben erweckt werden kann.

19 Zu finden unter http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/ministerium/gesetzgebung/entwurf_sportschutzgesetz_30112009.pdf. 20 Aus seinem Vortrag im Rahmen des Symposiums „Doping im Sport – Medizin, Recht, Politik“ am 2. 12. 2009 an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, zu finden im NADA Jahrbuch 2009, 30, 39.

Kapitel 2

Eigene empirische Untersuchung zur Anwendung der dopingbezogenen Strafnormen des AMG in der Praxis Wie eingangs erwähnt1, wird die strafrechtliche Dopingverfolgung mit ihren Strafnormen des AMG in der Literatur nahezu durchgehend als „totes Recht“ bezeichnet2. Diese These wurde jedoch so gut wie nie mit konkreten Zahlen aus der Praxis hinterlegt3. Um dies zu ändern, und im Versuch, einen umfassenden Praxisbericht zur Anwendung der AMG Normen zu fertigen, wurden an alle Generalstaatsanwaltschaften Deutschlands sowie an sämtliche Justizministerien der Bundesländer Fragebögen verschickt. Die betreffenden Stellen wurden hierin gebeten, sich zu verschiedenen Fragen rund um die Anwendung der AMG Normen zu äußern. Konkret wurden Fragen zu den polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeiten, zum Anzeigeverhalten, zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens und zur Durchführung der Hauptverhandlung im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung gestellt, wobei der Schwerpunkt auf die Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens gelegt wurde.

A. Ergebnisse der empirischen Untersuchung Die Antworten auf die Befragung waren größtenteils ernüchternd und wurden von den jeweiligen Behörden mit dem Fehlen entsprechender Statistiken oder ähnlicher Materialien begründet. Als Grund dafür kann bereits die fehlende Schwerpunktsetzung eines Großteils der befragten Institutionen auf dem Gebiet der strafrechtlichen Dopingverfolgung ausgemacht werden. Von den 16 Bundesländern wurde nur in einem Einzigen eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Verstöße gegen das Arzneimittelrecht eingerichtet. Diese, bei der Staatsanwaltschaft München I eingerichtete Abteilung, nahm jedoch erst zum 1. März 2009 den Betrieb auf und 1

Oben unter Kapitel 1. So Dury SpuRt 2005, 137, 139; ders. FS Röhricht 2005, 1097, 1105; König JA 2007, 573, 574 f.; Prokop SpuRt 2006, 192, 192; als „zahnloser Tiger“ tituliert von Heger SpuRt 2007, 153, 153; als „wenig effektiv“ beschrieben von Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147. 3 Als Ausnahme sind die von Körner (KR 2003, 49 ff.) aufgeführten Daten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main, sowie die Untersuchung von Parzeller/ Heise/Rüdiger (StoffR 2010, 210 ff.) anzusehen. 2

26

Kap. 2: Eigene empirische Untersuchung

vermochte es deswegen nicht, konkrete Auskünfte zu erteilen. Bei den übrigen Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet werden Straftaten mit Dopinghintergrund entweder von allgemeinen Abteilungen oder von Abteilungen zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität bearbeitet. Dass auch diese größtenteils keine Auskünfte erteilen konnten, liegt auch daran, dass Verfahren mit Dopinghintergrund bei den meisten Staatsanwaltschaften nicht speziell gekennzeichnet werden. Lediglich in Berlin, Thüringen und teilweise in Mecklenburg-Vorpommern4 werden derartige Verfahren gesondert gekennzeichnet und zumeist mit dem Kürzel „AMG“ versehen, wobei Berlin für die Zukunft die Einführung einer weiteren Spezifizierung („Dop“) für Strafverfahren mit Dopingbezug plant. Bereits hierin kann somit erkannt werden, dass die strafrechtliche Dopingverfolgung in der alltäglichen Praxis der Staatsanwaltschaften lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Dass dieser Untersuchung dennoch Erkenntnisse vorliegen, ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass unlängst von der Bundesregierung Erhebungsbögen zur Evaluation des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport verschickt wurden5. Diese Evaluationsbögen veranlassten die entsprechenden Stellen bereits zuvor zu Nachforschungen über einschlägige Verfahren im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung. Gemäß den vorliegenden Ergebnissen wurden lediglich in 7 Bundesländern Ermittlungsverfahren mit Dopinghintergrund geführt. Die anderen Bundesländer konnten entweder keine Angaben machen6 oder gaben an, dass keine derartigen Verfahren geführt wurden7. Aber auch ein Großteil der Bundesländer, die anführten, in diesem Bereich ermittelnd tätig geworden zu sein, konnte nur eine minimale Anzahl geführter Verfahren ausweisen8. Lediglich in Niedersachsen und Thüringen konnte eine Verfahrensanzahl jenseits des einstelligen Bereichs verzeichnet werden, wobei 10 der 12 in Thüringen geführten Verfahren noch aus der Zeit der DDR stammten. Niedersachsen wies hingegen alleine ca. 34 – 45 Ermittlungsverfahren9 aus und muss auch aufgrund des Umfangs der zur Verfügung gestellten Materialien als das repräsentativste Bundesland gelten. Dass in den anderen Bundesländern wesentlich weniger Verfahren angegeben wurden, bedeutet demgemäß nicht auto4 Hier werden bei den Staatsanwaltschaften Schwerin und Neubrandenburg seit 2008 Verfahren mit Dopinghintergrund gesondert erfasst. 5 Die Evaluation erfolgt auf Grundlage des Art. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport; BGBl. I 2007, 2510 ff. 6 Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. 7 Brandenburg, Bremen und z. T. Rheinland-Pfalz. 8 Aus Bayern ist ein, bei der Staatsanwaltschaft Ansbach geführtes, Verfahren bekannt; Nordrhein-Westfahlen gab an „wenige“ Verfahren mit Dopinghintergrund geführt zu haben; in Sachsen wurde ein derartiges Verfahren geführt und in Sachsen-Anhalt zwei. 9 Diese Verfahren beziehen sich sämtlich auf Straftatbestände, die im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport eingeführt wurden und auf den Zeitraum zwischen dem 1. 11. 2007 und dem 31. 12. 2007.

A. Ergebnisse der empirischen Untersuchung

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matisch, dass nur wenige Verfahren geführt wurden, sondern ist vor dem oben genannten Hintergrund der fehlenden Schwerpunktsetzung und der daraus resultierenden nicht möglichen Rekonstruierung der geführten Verfahren zu sehen. Zu der Frage der Einleitung der jeweiligen Ermittlungsverfahren konnten so gut wie nie Aussagen getroffen werden. Konsensual wurde jedoch angegeben, dass die Verfahren nicht durch Strafanzeigen oder -anträge der Sportverbände oder der NADA eingeleitet wurden, obwohl diese gemäß Art. 14.2 NADC nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens befugt sind, der zuständigen Staatsanwaltschaft oder dem Bundeskriminalamt Meldung zu machen, soweit aufgrund des Vorliegens eines von der Norm abweichenden Analyseergebnisses oder eines anderen möglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch, das Arzneimittel- oder Betäubungsmittelgesetz nicht auszuschließen ist. Eine Anzeigeverpflichtung besteht gar, wenn aufgrund von Hinweisen von Athleten, Athletenbetreuern oder andereren Personen ein hinreichender Verdacht auf einen Verstoß gegen das Arznei- oder Betäubungsmittelgesetz oder das Strafgesetzbuch besteht. Weiterhin lässt sich feststellen, dass es in dem Großteil der geführten Verfahren zu einer Verfahrenseinstellung gekommen ist. Häufig konnte kein hinreichender Tatverdacht im Sinne des § 170 I StPO begründet werden, teilweise wurden die Verfahren jedoch auch gemäß §§ 153, 153 a StPO oder § 154 StPO eingestellt. Zu einer Verurteilung kam es nur in den seltensten Fällen. Betrachtet man die erhobenen Daten, kann festgestellt werden, dass die strafrechtliche Dopingverfolgung in der Praxis tatsächlich nahezu keine Rolle spielt. Es ist somit der herrschenden Ansicht in der Literatur beizupflichten, dass es sich bei den dopingbezogenen Strafnormen des AMG noch immer um „totes Recht“ handelt.

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Kap. 2: Eigene empirische Untersuchung

B. Tabellarische Auswertung Werden Dopingverfahren von den Staatsanwaltschaften gesondert erfasst?

Gibt es eine eigene Abteilung für Dopingverfahren innerhalb der Staatsanwaltschaft?

Anzahl der geführten Ermittlungsverfahren mit Dopinghintergrund

Anzahl der Verfahrenseinleitung durch Strafanzeigen bzw. -anträge

Anzahl der Verfahrenseinleitungen aufgrund proaktiven Handelns der Strafverfolgungsbehörden

Anzahl der Verfahrenseinstellungen

Urteile im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung

nein

nein

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

112

0

0

k.A.

k.A.

– GStA Bamberg

„wenige“13

unbeziffert14

k.A.

215

0

– GStA Nürnberg

1

0

1

116

0

BadenWürttemberg – GStA Stuttgart – GStA Karlsruhe Bayern – GStA München

nein10

ja11

Berlin

nein17

nein

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

Brandenburg

nein

nein

018

0

0

0

0

10

Es wird nur das jeweils schwerste Delikt vermerkt. Zum 1. März 2009 wurde von der Bayrischen Justizministerin Beate Merk eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft bei der Staatsanwaltschaft München I eingerichtet. 12 Das Verfahren ist bei der Staatsanwaltschaft Augsburg anhängig. 13 Die Aussage bezieht sich auf Verfahren, die von der Staatsanwaltschaft Würzburg geführt wurden. 14 Die Staatsanwaltschaft Würzburg berichtet von Verfahrenseinleitungen aufgrund anonymer Anzeigen. Eine genaue Zahl konnte sie jedoch nicht nennen. 15 Beide Einstellungen erfolgten bei der Staatsanwaltschaft Würzburg und erfolgten gemäß § 154 I StPO. 16 Das Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft Ansbach geführt und gemäß § 170 II StPO eingestellt. 17 Doping-Verfahren werden derzeit nur allgemein unter dem Merkmal „AMG“ erfasst, ein weiteres Merkmal „Dop“ soll jedoch eingeführt werden. 18 Es wurden keine Verfahren im Zusammenhang mit § 6 a II a AMG geführt. Es wurden jedoch teilweise Verfahren aufgrund des Fundes von Präparaten, die zur Leistungssteigerung im Sport hätten verwendet werden können, geführt. Diese Verfahren konnten jedoch letztlich nicht rekonstruiert werden. Die meisten dieser Verfahren wurden dem Vernehmen nach eingestellt. Lediglich bei zwei Verfahren kam es zu Verurteilungen, bei denen Geldstrafen verhängt wurden. 11

B. Tabellarische Auswertung

29

Bremen

nein

nein

0

0

0

0

0

Hamburg

nein

nein

1

k.A.

k.A.

k.A.

119

Hessen

nein

nein

k.A.

k.A.

k.A.

120

821

MecklenburgVorpommern

nein22

nein

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

28 – 3924

k.A.

k.A.

325

0

4

k.A.

k.A.

126

127

2

k.A.

k.A.

228

129

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

– GStA Hamm

„wenige“

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

– GStA Köln

ca. 532

233

3

k.A.

„wenige“

Niedersachsen23 – GStA Celle – GStA Braunschweig

nein

nein

– GStA Oldenburg NordrheinWestfahlen – GStA Düsseldorf

19

nein30

nein31

Es erging ein Strafbefehl über 300 Tagessätze in Höhe von jeweils 130,00 E. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden stellte ein Verfahren gemäß § 170 II StPO ein. 21 Es erfolgten sieben Verurteilungen durch das Amtsgericht Frankfurt am Main, ein weiteres durch das Amts- sowie nach Berufung durch das Landgericht Gießen. 22 Nur bei den Staatsanwaltschaften Schwerin und Neubrandenburg werden seit 2008 Verfahren mit Dopinghintergrund gesondert erfasst. 23 Niedersachsen muss als das, für eine Untersuchung von Straftaten gemäß §§ 6 a II a, 95 AMG, repräsentativste Bundesland angesehen werden, da hier die meisten Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden. Die angeführten Zahlen gelten hierbei für den Zeitraum zwischen dem 1. 11. 2007 und dem 31. 12. 2008. 24 Einen Großteil der Verfahren wurden bei der Staatsanwaltschaft Hannover geführt (ca. 20 – 30). 25 Für die Staatsanwaltschaft Hannover ist nicht mehr rekonstruierbar, wie viele der bei ihr geführten Verfahren eingestellt bzw. abgeurteilt wurden. Die angeführten Einstellungen erfolgten bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Ein Verfahren wurde hierbei nach § 153 StPO und zwei nach § 170 II StPO eingestellt. 26 Das Verfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt. 27 Der Beschuldigte wurde zu 6 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. 28 Ein Verfahren wurde gemäß § 153 StPO, ein weiteres gemäß § 153 a StPO eingestellt. 29 Ein Beschuldigter wurde zu 90 Tagessätzen verurteilt. 30 Die Staatsanwaltschaft Aachen erfasst die Verfahren jedoch über die Dezernatsziffer. 31 Dopingbezogene Ermittlungsverfahren werden bei der Staatsanwaltschaft Aachen von einem AMG Sonderdezernat bearbeitet. 32 Die Verfahren wurden bei der Staatsanwaltschaft Aachen geführt. 33 Eine Strafanzeige erfolgte anonym, eine durch eine ehemalige Lebensgefährtin. 20

30

Kap. 2: Eigene empirische Untersuchung

RheinlandPfalz – GStA Koblenz nein

nein

– GStA Zweibrück Saarland

k.A. 0

34

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

0

0

0

0

nein

nein

„wenige“35

0

0

0

0

Sachsen

nein

nein

1

k.A.

k.A.

136

0

SachsenAnhalt

nein

nein

2

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

SchleswigHolstein

nein

nein

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

Thüringen

nein37

nein

1238

k.A.

k.A.

139

140

34

Die Zahlen beziehen sich hierbei ausschließlich auf die Staatsanwaltschaft Frankenthal. Bis Ende 2006 wurden keine Verfahren mit Dopinghintergrund geführt. Es wurde lediglich in Einzelfällen wegen eines Verstoßes gegen das AMG ermittelt. Für den Zeitraum ab 2007 liegen keine Erkenntnisse vor. 36 Das Verfahren wurde gemäß § 170 II StPO eingestellt. 37 Doping-Verfahren werden als Verstöße gegen das AMG registriert. 38 Hiervon wurden zwei aktuelle Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Meiningen geführt. Die 10 weiteren Verfahren wurden bei der Staatsanwaltschaft Erfurt geführt und stammten noch aus DDR-Zeiten. 39 Eines der Verfahren aus Meiningen wurde nach § 170 II StPO eingestellt. 40 Bei dem zweiten, von der Staatsanwaltschaft Meiningen betriebenen, Strafverfahren wurde der Beschuldigte zu einer Geldstrafe verurteilt. 35

Kapitel 3

Der Strafprozess im Kontext strafrechtlicher Dopingverfolgung A. Das Ermittlungsverfahren Das Ermittlungsverfahren erstreckt sich von der ersten Tätigkeit der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft bis zur Erhebung der öffentlichen Klage1 oder der Einstellung des Verfahrens2 durch die Staatsanwaltschaft. Es dient, wie sich aus § 170 StPO ergibt, dem Zweck, durch Aufklärung des dem Verdacht einer Straftat zugrunde liegenden Sachverhalts, eine der beiden genannten Entscheidungen zu ermöglichen3. Das Ermittlungsverfahren ist hierbei nicht nur ein unselbstständiges Vorverfahren, wie es die Begrifflichkeit nahelegen könnte4. Die Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren prägt vielmehr die Hauptverhandlung in mitunter nicht korrigierbarer Weise, wenn etwa entlastende, auf einen anderen Täter verweisende Spuren ignoriert oder verschüttet werden. Auch die Möglichkeit der Verlesung gemäß §§ 249, 251, 253, 254 StPO sowie die Praxis der Vorhaltungen, durch welche Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in der Hauptverhandlung zementiert werden können, bestätigt dies5. Nicht von ungefähr kommen daher die berühmten Worte von Karl Peters, der sagte, dass bereits in der Phase staatsanwaltlicher und polizeilicher Ermittlungstätigkeiten die Weichen auf das richtige oder falsche Urteil hin gestellt werden6. Von der Rechtsprechung wird zwar noch immer das Hauptverfahren als Kernstück und Höhepunkt des Strafprozesses angesehen7, in der Literatur werden hingegen diejenigen Stimmen immer lauter, die diese Rolle dem Ermittlungsverfahren zuschreiben8 oder dieses zumindest als gleichberechtigten Teil ansehen9. Welcher Abschnitt des Strafverfahrens nun tatsächlich als der Kern- oder Höhepunkt des Strafverfahrens anzusehen ist, soll hier dahingestellt bleiben. Unab1 2 3 4 5 6 7 8 9

I.S.d. § 170 I StPO. Gemäß § 170 II StPO oder §§ 153 ff. StPO. Kühne Rdn. 314. Kühne Rdn. 314.1. Kühne Rdn. 314.1. Peters Fehlerquellen Bd. 2 S. 195, 207 f. BVerfGE 39, 156, 167 f.; 74, 358, 372. Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 42 m.w.N. Kühne Rdn. 314.1.

32

Kap. 3: Der Strafprozess

hängig von einer Titulierung des einen oder anderen Abschnitts des Strafverfahrens als Schwerpunkt, soll ein solcher hier auf das Ermittlungsverfahren gelegt werden. Der Grund hierfür ist nicht nur seine grundsätzliche Bedeutung für das Strafverfahren, sondern seine spezielle Bedeutung für die strafrechtliche Dopingverfolgung. Wird die strafrechtliche Dopingverfolgung mit ihren Strafnormen des AMG durchgängig als „totes Recht“ bezeichnet10 und wurde durch die eigene empirische Untersuchung11 belegt, dass es sich in der Tat um wenig gebrauchtes, also „totes“ Recht handelt, wird sich im Folgenden zeigen lassen, dass die Gründe hierfür maßgeblich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu finden sind. Seien es fehlende Strafanzeigen oder ein nahezu ruhender Informationsfluss mit den Sportverbänden, die strafrechtliche Dopingverfolgung ist nicht „tot“, weil sie „gestorben“ ist, sie hat vielmehr nur so gut wie nie die Chance, überhaupt ein „Leben“ zu beginnen. Ohne ein, auf welche Art auch immer, initiiertes Ermittlungsverfahren, welches auch konsequent zu Ende gebracht werden kann, kann es schon logischerweise nicht zu einer Hauptverhandlung und somit zu einer Verurteilung nach den Strafnormen des AMG kommen12. Aus diesem Grund gilt es hier dem Ermittlungsverfahren einen besonders großen Teil der Untersuchung zu widmen.

I. Einleitung des Ermittlungsverfahrens Ab dem Vorliegen eines Anfangsverdachts muss die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten oder gegen Unbekannt einleiten. Kenntnis von derartigen, einen Anfangsverdacht begründenden, Tatsachen erlangt die Staatsanwaltschaft entweder aufgrund einer Strafanzeige oder eines Strafantrags eines Bürgers oder aufgrund amtlicher Wahrnehmung13. 1. Erlangung des Anfangsverdachts §§ 160 I, 152 II StPO („Kenntniserlangung“) a) Der Anfangsverdacht Die §§ 152 II, 160 I StPO verpflichten die Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren einzuleiten, sobald zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine ver-

10 So Dury SpuRt 2005, 137, 139; ders. FS Röhricht 2005, 1097, 1105; König JA 2007, 573, 574 f.; Prokop SpuRt 2006, 192, 192; als „zahnloser Tiger“ tituliert von Heger SpuRt 2007, 153, 153; als „wenig effektiv“ beschrieben von Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147. 11 Siehe hierzu oben unter Kapitel 2. 12 Hauptmann SpuRt 2005, 239, 241 zum Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping, die im Bereich der Anwendung des AMG auch in erster Linie ein Vollzugsdefizit gesehen hat. 13 „Auf anderem Wege“ i.S.d. § 160 I StPO.

A. Das Ermittlungsverfahren

33

folgbare Straftat vorliegen. Der hierin beschriebene14 Anfangsverdacht stellt neben dem Verfolgungszwang auch die materielle Grundvoraussetzung für die Berechtigung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft dar15. Der Anfangsverdacht stimmt nicht notwendigerweise mit den anderen Verdachtsbegriffen überein, die in der StPO als Voraussetzung für Zwangsmaßnahmen verwendet werden. Als auslösendes Element für die Einleitung eines zunächst auf Verdachtsklärung gerichteten Verfahrens ist der Anfangsverdacht im Vergleich zu den sonstigen Verdachtsgraden durch eine verhältnismäßig geringe Intensität gekennzeichnet16. Trotz dieser relativ geringen Intensität sind nicht zu umgehende Mindestanforderungen an den Anfangsverdacht zu stellen. Aufgrund der drohenden Beeinträchtigung der Grundrechtssphäre der Bürger17, welche die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit sich bringen kann, können reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen einer begangenen Straftat für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht ausreichen18. Vielmehr sind konkrete Tatsachen für die Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich19. Unter Tatsachen in diesem Sinne sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart zu verstehen, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und damit dem Beweis zugänglich sind20. Eine solche, auf Tatsachen beruhende, Grundlage muss darauf hindeuten, dass über die bloße allgemeine Möglichkeit der Begehung von Straftaten hinaus gerade der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat enthält21. Hierfür genügen bereits Indizientatsachen oder Tatsachen, die offenkundig sind, sofern sich aus ihnen nach kriminalistischer Erfahrung konkrete Hinweise auf ein strafbares Verhalten ergeben22. Auch dürftige und noch ungeprüfte Angaben, Gerüchte und einseitige Behauptungen können hierbei ausreichen, denn die Prüfung des Grades ihrer Wahrscheinlichkeit ist gerade das Ziel und kann deshalb nicht der Ausgangspunkt von Ermittlungen sein23. Die Beurteilung der Frage, ob derartige tatsachengestützte Anhaltspunkte für die Annahme eines Anfangsverdachts vorliegen, ist keine Ermessensentscheidung, 14

Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 21. Meyer-Goßner § 152 Rdn. 3; Beulke Rdn. 311. 16 Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 21. 17 Zu weiteren negativen Begleiterscheinungen möglicher Ermittlungstätigkeiten: Kühne Rdn. 317. 18 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 52; zu der Unterscheidung zwischen einem Anfangsverdacht und bloßen Vermutungen und der für die Unterscheidung erforderlichen tatsächlichen Grundlage, instruktiv Artzt S. 108 ff. 19 Meyer-Goßner § 152 Rdn. 4. 20 Artzt S. 108 Fn. 22 m.w.N. 21 Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 25. 22 Meyer-Goßner § 152 Rdn. 4. 23 Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 23 m.w.N., 25. 15

34

Kap. 3: Der Strafprozess

wenngleich ein gewisser Beurteilungsspielraum für die Staatsanwaltschaft besteht24. Dieser Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die Einleitung von Ermittlungen gegen den Beschuldigten nicht mehr verständlich ist25. Es bleibt somit festzuhalten, dass die Anforderungen an den Anfangsverdacht und somit an die Möglichkeit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gering sind und dem Staatsanwalt und seiner kriminalistischen Erfahrung ein Beurteilungsspielraum zukommt. Der Anfangsverdacht muss jedoch tatsachengestützt sein und über bloße theoretische Möglichkeiten und Vermutungen hinausgehen. b) Der Anfangsverdacht im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung aa) Begründung eines Anfangsverdachts durch eine positive Dopingprobe? Speziell diejenigen Dopingvergehen, von denen nahezu täglich in den Medien berichtet wird, werden aufgrund von Dopingkontrollen der Sportverbände bzw. der NADA oder der WADA26 publik. Erlangt die Staatsanwaltschaft durch diese Institutionen27 Kenntnis von einer positiven Dopingprobe, stellt sich die Frage, ob dies für einen Anfangsverdacht ausreichend ist, ob die Staatsanwaltschaft also berechtigt und verpflichtet ist, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Anfangsverdachts bei Bekanntwerden einer positiven Dopingprobe haben sich seit Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport28 und der damit eingeführten Besitzstrafbarkeit verändert. (1) Der Anfangsverdacht bei positiver Dopingprobe vor Einführung der Besitzstrafbarkeit Vor Einführung der Besitzstrafbarkeit gingen die Ansichten über die Annahme eines Anfangsverdachts für einen solchen Fall in der Literatur auseinander. Von der wohl herrschenden Meinung wurde bezweifelt, dass der Fund einer positiven Dopingprobe bereits eine Verpflichtung für die Staatsanwaltschaft begründet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, da hieraus lediglich auf einen straflosen Eigenbesitz und einen straflosen Konsum des Dopingmittels geschlossen werden konnte29. Eine 24 BVerfG NJW 1984, 1451, 1452; BGHSt 38, 214, 228; BGH NJW 1970, 1543, 1543; BGH NStZ 88, 510, 511. 25 BGH StV 1988, 441 ff. 26 World Anti-Doping Agency, weitere Informationen unter http://www.wada-ama.org/en/. 27 Zu der abweichenden Beurteilung bei Kenntniserlangung durch die Medien, siehe unten unter Kapitel 3 A. I. 1. d) dd). 28 BT-Drucks 16/5526. 29 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147; Jahn SpuRt 2005, 141, 143; Mayer SpuRt 2002, 97, 99.

A. Das Ermittlungsverfahren

35

Mindermeinung ging hingegen von einer Ermittlungsverpflichtung der Staatsanwaltschaft aus30. In diesem Fall darf mit der damals vorherrschenden Ansicht bezweifelt werden, dass eine positive Dopingprobe vor Einführung der Besitzstrafbarkeit für einen Anfangsverdacht ausreichen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt pönalisierte der § 6 a AMG lediglich die Handlungsformen des Inverkehrbringens, des Verschreibens und der Anwendung bei anderen. Bei Bekanntwerden einer positiven Dopingprobe konnte hieraus zunächst unmittelbar nur auf eine straflose Selbstverabreichung und einen vorangegangenen straflosen Eigenbesitz des im Blut bzw. im Urin aufgefundenen Dopingmittels geschlossen werden31. Für eine Anwendung durch Dritte und ein Verschreiben fehlen in einem solchen Fall jegliche tatsächliche Anhaltspunkte. Ferner unterliegt auch die Begründung eines Anfangsverdachts eines, zumindest versuchten, Inverkehrbringens größter Zweifel. Die Tathandlung des Inverkehrbringens wird in § 4 Nr. 17 AMG legaldefiniert als das Vorrätighalten zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Erfasst werden durch das Vorrätighalten zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe somit auch Verhaltensweisen, die weit im Vorfeld des Wechsels der Verfügungsgewalt an dem inkriminierten Stoff liegen32. Demgemäß kann nach wohl herrschender Meinung ein Anfangsverdacht bezüglich eines, zumindest versuchten, Inverkehrbringens bereits bei einem Dopingmittelfund bejaht werden33, zumindest aber, wenn weitere Indizien hinzukommen34. Ein solches weiteres Indiz kann in der begründeten Vermutung liegen, dass die aufgefundene Menge selbst bei extensiver Anwendung nicht zum Eigenverbrauch bestimmt sein kann, oder dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ein Großteil der aufgefundenen Mittel ihr Haltbarkeitsdatum vorhersehbar überschreiten wird35. Ein derartiger Anfangsverdacht bezüglich eines versuchten Inverkehrbringens lässt sich jedoch nicht schon mit einer positiven Dopingprobe begründen. Die erforderliche tatsächliche Grundlage des Anfangsverdachts ist in diesem Fall nicht gegeben. Der Rückschluss von einer positiven Dopingprobe auf einen vorherigen Besitz einer größeren Menge Dopingmittel und hieraus auf ein versuchtes Inverkehrbringen, stellt lediglich eine hypothetische Vermutung dar und entbehrt damit der erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht bezüglich einer derartigen Straftat. Vor Einführung der Besitzstrafbarkeit konnte demnach aus einem positiven Testergebnis grundsätzlich

30

Heger SpuRt 2001, 92, 95; ders. JA 2003, 76, 82. So auch Jahn SpuRt 2005, 141, 143; Mayer SpuRt 2002, 97, 98. 32 Heger SpuRt 2001, 92, 93; Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 33 Heger JA 2003, 76, 82; Jahn SpuRt 2005, 141, 143; ders. GA 2007, 579 ff. Fn. 31 m.w.N.; Schild in Doping und Gewaltprävention 35, 89. 34 Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 35 Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 31

36

Kap. 3: Der Strafprozess

nicht auf eine mögliche Strafbarkeit gemäß §§ 6 a, 95 I Nr. 2 a AMG a.F. geschlossen werden36. (2) Der Anfangsverdacht bei positiver Dopingprobe seit Einführung der Besitzstrafbarkeit Mit der Einführung der Besitzstrafbarkeit haben sich die Voraussetzungen für die Annahme eines Anfangsverdachts bei Kenntniserlangung von einer positiven Dopingprobe geändert. Zuzustimmen ist hierbei zunächst der Rechtsprechung zum Betäubungsmittelstrafrecht, wonach selbst der nachgewiesene Konsum nicht die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit wegen vorangegangenen strafbaren Besitzes begründen kann37. Dies muss bei der hier zu untersuchenden Strafbarkeit nach § 6 a II a AMG im Besonderen gelten, da hier, anders als im Betäubungsmittelstrafrecht38, bereits tatbestandlich der Besitz einer nicht geringen Menge gefordert wird. Eine derartige nicht geringe Menge wird regelmäßig die, bei dem Dopingtest im Blut bzw. im Urin, nachgewiesene Menge der inkriminierten Substanz übersteigen. Das der vorherige Besitz ein solcher einer nicht geringen Menge war, muss demnach zusätzlich und auf andere Weise bewiesen werden, soll es zu einer Verurteilung aufgrund des § 6 a II a AMG kommen. Für einen Anfangsverdacht bezüglich eines strafbaren Besitzes einer nicht geringen Menge von Arzneimitteln im Sinne des § 6 a II a AMG ist eine positive Dopingprobe jedoch ausreichend39. Seit Einführung der Besitzstrafbarkeit ist es lediglich erforderlich, einen zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt für den vorherigen vorsätzlichen Gewahrsam des nachgewiesenen Dopingmittels zu erlangen40. Ein solcher kann bereits in der positiven Dopingprobe erkannt werden, da diese in jedem Fall einen Verstoß gegen § 6 a AMG nahelegt. Entweder besaß der Athlet die in seinem Körper nachgewiesene Substanz zuvor selber oder sie wurde ihm von anderen41 verabreicht, was eine Strafbarkeit gemäß § 6 a I AMG nach sich ziehen könnte. In jedem Fall besteht in einer positiven Dopingprobe der erforderliche tatsächliche Anhaltspunkt für eine Strafbarkeit nach § 6 a AMG.

36

So im Ergebnis auch Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147; Jahn SpuRt 2005, 141, 143. 37 Körner § 29 BtMG Rdn. 1388, so auch Jahn GA 2007, 579, 585. 38 Im Betäubungsmittelstrafrecht ist gemäß § 29 I Nr. 3 BtMG generell der Besitz der Betäubungsmittel verboten, das Gericht kann jedoch gemäß § 29 V BtMG bzw. § 31 a BtMG bei Besitz einer geringen Menge zum Eigengebrauch von einer Bestrafung nach § 29 I BtMG absehen. Hierzu Körner § 29 BtMG Rdn. 1465. 39 So auch Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 146 f.; Jahn GA 2007, 579, 585 f.; Schild in Doping und Gewaltprävention 35, 75. 40 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147. 41 Hier kommen v. a. Trainer, Betreuer oder Ärzte in Betracht.

A. Das Ermittlungsverfahren

37

Werden teilweise noch weitere Indizien gefordert42, so sind diese für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens nicht notwendigerweise erforderlich43, können jedoch bei der „Stärke“ des Verdachts erforderlich sein, um gegebenenfalls bestimmte Ermittlungshandlungen durchzuführen44. Als weitere Indizien in diesem Sinne kommen Erkenntnisse aus früheren verbandsrechtlichen Verfahren gegen den jetzt verdächtigen Sportler oder aus Strafverfahren gegen Umfeldpersonen des Sportlers sowie gegebenenfalls auch die Zusammenschau mit weiteren Dopingproben innerhalb einer Trainingsgruppe o. Ä. in Betracht45. Weiterhin stellt sich in der Literatur die Frage, ob die positive Dopingprobe im Strafverfahren überhaupt verwendet werden darf46. Diese Frage würde den hier zu untersuchenden Anfangsverdacht zwar auch betreffen, da ein gegebenenfalls vorliegendes Beweisverwertungsverbot grundsätzlich in jedem Stadium des Strafverfahrens zu beachten ist47, soll aber erst später behandelt werden48. bb) Verdachtsbegründung aufgrund des Fundes einer geringeren als der „nicht geringen Menge“ i.S.d. § 6 a AMG? Der § 6 a II a AMG pönalisiert den Besitz einer nicht geringen Menge der dort beschriebenen Arzneimittel, sobald diese zu Dopingzwecken im Sport verwendet werden sollen. Die nicht geringen Mengen der jeweiligen Stoffe wurden, auf Grundlage des § 6 a II a 2 AMG, durch die Dopingmittel-Mengen-Verordnung (DmMV) festgelegt49. Ein Anfangsverdacht bezüglich einer Strafbarkeit gemäß § 6 a II a AMG ist somit zu bejahen, wenn sich jemand im Besitz einer Menge eines der inkriminierten Stoffe befindet, welche die in der DmMV festgelegten Grenzwerte übersteigt. Fraglich ist, ob ein Anfangsverdacht auch dann anzunehmen ist, wenn die aufgefundene Menge 42

So Jahn GA 2007, 579, 586; Schild in Doping und Gewaltprävention 35, 75. So auch Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 146 und 147. 44 So kann z. B. eine Durchsuchung bei anderen Personen als bei dem Beschuldigten gemäß § 103 StPO nur durchgeführt werden, wenn aufgrund bestimmter bewiesener Tatsachen – nicht nur wie im Fall des § 102 StPO aufgrund von kriminalistischer Erfahrung – die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung der gesuchten Spur oder des bestimmten Beweismittels führen wird (Meyer-Goßner § 103 Rdn. 6); hierzu auch Haas FAZ vom 26. 02. 2004; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147 f. mit weiteren Beispielen;König JA 2007, 573, 575. 45 Jahn GA 2007, 579, 586; Schild in Doping und Gewaltprävention 35, 75. 46 So wird von Dury (SpuRt 2005, 137, 139), Kudlich (JA 2007, 90, 95) und Vieweg (SpuRt 2004, 194, 196) eine Verwertbarkeit eher angezweifelt, wohingegen König (JA 2007, 573, 576) von einer solchen ausgeht. 47 Ausführlich hierzu Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 26 f.; Gösseln in Löwe/Rosenberg Einl. L Rdn. 125 ff.; weitergehend auch Schlothauer in FS Lüderssen S. 761 ff. 48 Unten unter Kapitel 3 A. II. 2. d). 49 BGBl. I 2007, 2607 ff. 43

38

Kap. 3: Der Strafprozess

die Grenzwerte der DmMV nicht übersteigt, also noch keine nicht geringe Menge im Sinne des § 6 a II a AMG darstellt. Es erscheint zunächst grundsätzlich möglich einen derartigen Anfangsverdacht zu bejahen. Der Fund einer geringen Menge der inkriminierten Substanz kann als Indiz für den Besitz einer nicht geringen Menge angesehen werden. In diesem Sinne wäre in dem Besitz einer geringen Menge auch die erforderliche tatsächliche Grundlage für einen Anfangsverdacht zu sehen. Die Annahme eines Anfangsverdachts alleine auf der Basis des Fundes einer geringen Menge wird jedoch im Endeffekt abzulehnen sein. Ein derartiger Fund und die daran geknüpfte Annahme, der Betroffene besitze noch größere Mengen des gefundenen Stoffes, würden die Voraussetzungen des Anfangsverdachts überspannen. Aus dem Fund einer geringen Menge kann nicht unmittelbar auf den Besitz einer nicht geringen Menge geschlossen werden. Anders als im Betäubungsmittelstrafrecht, bei dem gemäß § 29 I Nr. 3 BtMG der Besitz der inkriminierten Substanzen grundsätzlich verboten ist, solange keine schriftliche Erlaubnis hierfür besteht50, stellt § 6 a II a AMG lediglich den Besitz einer nicht geringen Menge der inkriminierten Stoffe unter Strafe. Der Grund für die Einführung des Tatbestandsmerkmals der nicht geringen Menge ist, neben der Indizwirkung für ein Handeltreiben51, in der grundsätzlichen Bestimmung von Arzneimitteln zu finden. Gemäß § 2 I AMG werden Arzneimittel maßgeblich zu therapeutischen Zwecken angewendet. Ihre Existenz und damit auch der Besitz der Arzneimittel kann somit medizinisch indiziert und notwendig sein, weswegen ein generelles Verbot schon gar nicht möglich ist. Da demnach der Besitz einer nicht geringen Menge medizinisch indiziert sein kann, kann hieraus nicht automatisch ein Verdacht auf eine Strafbarkeit gezogen werden. Der Fund einer geringen Menge der inkriminierten Stoffe vermag demnach alleine nicht die Voraussetzungen für die Annahme eines Anfangsverdachts einer Strafbarkeit gemäß § 6 a II a AMG zu begründen. Ein derartiger Fund ist jedoch in jedem Fall als ein Indiz für eine solche Strafbarkeit zu sehen und kann im Zusammentreffen mit weiteren Indizien einen Anfangsverdacht begründen. Als ein solches weiteres Indiz kommt zunächst, bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, der fehlende Nachweis einer ärztlichen Verschreibung in Betracht. Auch können bei Auffinden einer geringen Menge bei einem Trainer positive Dopingproben der von ihm betreuten Athleten als weitere Indizien hinzutreten. Nicht zuletzt kann auch der Ort des Fundes ein weiteres Indiz darstellen. Wird in diesem Sinne eine geringe Menge der Arzneimittel in den Waschräumen einer Wettkampfstätte vorgefunden, so vermag dieses Indizienbündel die Bejahung eines Anfangsverdachts nahezulegen.

50

Das Gericht kann jedoch gemäß § 29 V BtMG bzw. § 31 a BtMG bei Besitz einer geringen Menge zum Eigengebrauch von einer Bestrafung nach § 29 I BtMG absehen. Hierzu Körner § 29 BtMG Rdn. 1465. 51 BT-Drucks 16/5526 S. 9.

A. Das Ermittlungsverfahren

39

cc) Auffinden von Dopingmittelverpackungen als Verdachtsbegründung? Auch wenn zumeist nicht der konkrete Vorgang des Dopens beobachtet werden kann, so geht dieser häufig nicht spurlos vonstatten. Ein Anzeichen dafür, dass zuvor gedopt wurde, kann im Auffinden von Dopingmittelverpackungen, also Verpackungen von Arzneimitteln, die bekanntermaßen zu Dopingzwecken verwendet werden und einen der inkriminierten Stoffe im Sinne des § 6 a II 1 AMG enthalten, gesehen werden. Fraglich ist, ob ein solcher Fund bereits einen Anfangsverdacht begründen kann. Unmittelbar kann aus dem Auffinden von derartigen Verpackungen lediglich auf den vorherigen Besitz des darin enthaltenen Arzneimittels geschlossen werden. Ein Rückschluss auf eine vorangegangene Verabreichung der Arzneimittel kann nicht unmittelbar erfolgen, da nicht auszuschließen ist, dass die Mittel lediglich in andere Behältnisse umgefüllt wurden52 oder das eine medizinisch indizierte Einnahme beziehungsweise Verabreichung erfolgt ist. Bezüglich eines vorherigen Besitzes ist sodann zwischen geringen und nicht geringen Mengen der gefundenen Verpackungen zu unterscheiden. Die Unterscheidung wird sich hierbei nach dem Kriterium richten müssen, ob der Inhalt der aufgefundenen Verpackungen vor seiner Entnahme den jeweiligen Grenzwert der DmMV übersteigt, ob die vorher in den Verpackungen befindliche Menge also eine solche nicht geringe Menge im Sinne des § 6 a II a AMG dargestellt hat. Nach dieser Unterscheidung wird bei einem Fund einer großen Menge derartiger Verpackungen ein Anfangsverdacht bezüglich einer Straftat gemäß § 6 a II a AMG, jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Indizien, zu bejahen sein. Für die Annahme eines Anfangsverdachts bei dem Fund einer geringen Menge von Dopingmittelverpackungen ist in jedem Fall das Hinzukommen weiter Indizien erforderlich. Hierbei ist auch der oben beschriebene Aspekt53 des medizinisch indizierten und legalen Besitzes der Arzneimittel zu berücksichtigen. In diesem Sinne kann der vorherige Besitz dieser Arzneimittel, deren Packungen gefunden wurden, durchaus medizinisch indiziert gewesen sein, weswegen nicht unmittelbar auf einen strafbaren Besitz geschlossen werden kann. c) Verfahrenseinleitung durch Strafanzeigen bzw. -anträge aa) Strafanzeige und -antrag Auslösendes Moment für das Ermittlungsverfahren ist die Kenntnisnahme von Informationen, aus denen geschlossen werden kann, dass möglicherweise eine Straftat begangen worden ist. Diese Informationen können durch Anzeigen von Opfern, Zeugen oder Anonymi eingehen. Gemäß § 158 I StPO hat jeder Bürger das

52 Was aus Gründen der Tarnung häufiger geschieht; siehe hierzu Jahn SpuRt 2005, 141, 144; Körner KR 2003, 49, 52. 53 Oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) bb).

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Kap. 3: Der Strafprozess

Recht, eine Straftat zur Anzeige zu bringen; bei erst bevorstehenden Straftaten kann gemäß § 138 StGB sogar eine Anzeigepflicht bestehen54. Der § 158 I StPO bietet die Möglichkeiten der Stellung einer Strafanzeige oder eines Strafantrags. Unter einer Strafanzeige in diesem Sinne ist die Mitteilung eines Sachverhalts zu verstehen, der nach Meinung des Anzeigenden Anlass für eine Strafverfolgung bietet55. Sie ist als bloße Anregung des Verletzten oder einer anderen Person zu verstehen, dass geprüft werden soll, ob Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens besteht56, kann aber zugleich mit einem Antrag auf Strafverfolgung verbunden werden57. Strafanzeigen können bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Der Strafantrag im Sinne des § 158 I, II StPO und der §§ 77 – 77 d StGB58 ist die ausdrückliche oder durch Auslegung zu ermittelnde Erklärung des nach dem Gesetz zum Strafantrag befugten59, dass er die Strafverfolgung wünsche60. Er ist eine Prozessvoraussetzung, deren Fehlen zu einem Bestrafungsverbot führen kann61. Gemäß § 158 II StPO kann der Strafantrag bei einem Gericht und bei der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll gestellt werden, bei anderen Behörden kann er nur schriftlich angebracht werden. Ob in einer bestimmten Erklärung nicht nur eine Strafanzeige, sondern ein Strafantrag liegt, hängt davon ab, ob im jeweiligen Einzelfall der Verfolgungswille des Erklärenden unmissverständlich zum Ausdruck kommt62. Die praktische Bedeutung der Mitteilung von Privatpersonen für den Beginn strafrechtlicher Ermittlungen, ob durch Strafanzeige oder durch Strafantrag, kann kaum überschätzt werden63. Nach übereinstimmenden Bekundungen von Polizeipraktikern in einzelnen empirischen Studien machen derartige private Anzeigen regelmäßig mehr als 90 %64 der initiierten Verfahren aus65. Somit ist eine aktive Mitarbeit der Bevölkerung bei der Informationsgewinnung über strafbare Handlungen, wie auch von der Rechtsprechung betont66, für die Funktionstüchtigkeit der 54

Beulke Rdn. 309. Meyer-Goßner § 158 Rdn. 2. 56 Dallmeyer in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 3; Meyer-Goßner § 158 Rdn. 2. 57 Meyer-Goßner § 158 Rdn. 3; von Beulke Rdn. 309 als „Strafantrag i.w.S.“ bezeichnet. 58 Von Beulke Rdn. 309 als „Strafantrag i. e.S.“ tituliert. 59 Die Antragsbefugnis ergibt sich aus §§ 77, 77 a StGB. 60 BGH NJW 51, 368, 368; MDR 74, 13, 13. 61 Meyer-Goßner § 158 Rdn. 4; Beulke Rdn. 309. 62 BGH NStZ 1995, 353, 354; NJW 1991, 367, 370; 1992, 2167, 2167. 63 Dallmeyer in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 1. 64 Dallmeyer in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 1 Fn. 1 m.w.N. geht von etwa 95 % aus; Kühne Rdn. 314 Fn. 3 führt ältere Studien an, bei denen die Werte zwischen 82 % und 98 % liegen; Sasse KR 2000, 112, 114 führt den genauen Wert von 90 % an. 65 Kühne Rdn. 314. 66 BVerfGE 74, 257. 55

A. Das Ermittlungsverfahren

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Strafrechtspflege unerlässlich. Dass dies speziell im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung gelten muss, wird im Folgenden zu zeigen sein. bb) Fehlende Strafanzeigen und -anträge durch den Sportler selbst bzw. dessen Umfeld Wie oben beschrieben67, gibt es in der Praxis nahezu keine Strafanzeigen oder -anträge im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung. Ein maßgeblicher Grund hierfür ist, dass generell keiner der am Doping Beteiligten aussagewillig ist. Um den Sportler bildet sich eine so genannte Schicksalsgemeinschaft68. Grundlegend hierfür ist, dass es einem Sportler nahezu unmöglich ist, den Prozess des Dopings, ohne fremde Hilfe zu bewerkstelligen. Im Gegenteil braucht er eine ganze Schar von Helfern, um sich bestmöglich erkennungsresistent zu dopen. Essentiell ist zunächst das Wissen um das jeweilige Dopingmittel und dessen Auswirkungen. Hierfür, sowie für die Dosierungsmenge, medizinische Verschleierungsmöglichkeiten, die Erlangung von Ausnahmegenehmigungen, eine Aufklärung über Wirkung, Nebenwirkung sowie gesundheitliche Risiken etc., wird in der Regel ein Mediziner benötigt69. Ein solcher oder ein anderer Händler beziehungsweise „Dealer“ ist des Weiteren für die Erlangung des Dopingmittels erforderlich70. Für die häufig auftretenden Warnungen vor Kontrollen ist ein Funktionär von Nutzen, wobei auch weitere Personen zur Umgehung von Dopingkontrollen erforderlich sein können71. Die Sicherstellung der Verschwiegenheit innerhalb einer kollektiv dopenden Trainingsgruppe, die Bereithaltung rechtzeitig warmen Fremdurins sowie eine öffentliche Erklärung über die ungewöhnlichen Leistungssteigerungen können als Beispiele für eine Teilnahme des Trainers am Dopingprozess dienen72. Dieses Netzwerk kann noch – bis hin zum Busfahrer73 – wesentlich weiter gesponnen 67

Siehe oben unter Kapitel 2. Körner KR 2003, 49, 49, 51; ders. in KR 2003, 101, 101, wo er den Terminus der „verschworenen Gemeinschaft“ benutzt und der anführt, dass das Bestreiten einer derartigen verschworenen Gemeinschaft rund um den Sportler dem Wunsch entspringt, von der Realität des weltweiten Dopingmissbrauchs nur so viel zur Kenntnis zu nehmen, wie unvermeidlich. 69 Körner KR 2003, 101, 101. 70 Körner KR 2003, 49, 49 beschreibt, dass Dopingmittel nicht nur von Drogenhändlern beschafft werden, sondern auch Trainer, Manager, Sportärzte, Sponsoren und Apotheker als Lieferanten in Betracht kommen. 71 Körner KR 2003, 49, 51, der aus einem Bericht der FAZ vom 6. 07. 2000 über den australischen Diskuswerfer Werner Reiterer zitiert, dass dieser regelmäßig von Funktionären und Betreuern rechtzeitig vor Dopingkontrollen gewarnt wurde. 72 Körner KR 2003, 101, 101. 73 Im Abschlussbericht der Expertenkommission Freiburg wird berichtet, dass der Fahrer des Teambusses des Teams T-Mobile dem damaligen Vorstandschef der T-Mobile International AG René Obermann hartnäckig den Zutritt zu dem Teambus verwehrt hat. In diesem Bus ist mutmaßlich das Doping der Athleten erfolgt (Abschlussbericht Expertenkommission Freiburg S. 58). 68

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Kap. 3: Der Strafprozess

werden, soll hier jedoch ausreichen, um zu verdeutlichen, wie groß die Personengruppe ist, die mitunter am Doping eines Sportlers beteiligt ist. Weiterhin ist es wesentlich zu verstehen, dass sämtliche Beteiligten eigene Interessen an dem Doping des Sportlers und, daraus resultierend, auch an der Verheimlichung des Dopings haben. Der Sportler selbst ist, neben dem natürlichen Interesse gewinnen zu wollen, weiterhin dem – zum Teil sicherlich auch nur als Schutzbehauptung74 angeführten – Druck ausgesetzt, aufgrund der immer stärkeren Präsenz der Dopingmittel konkurrenzfähig bleiben zu müssen, beziehungsweise den Sport überhaupt auf Wettkampfniveau ausüben zu können75. Der Sportler wird in diesem Sinne eine KostenNutzen-Rechnung vornehmen76. Hierzu wird er auf der einen Seite das Risiko entdeckt und gegebenenfalls gesperrt zu werden, gepaart mit den eventuellen Gesundheitsrisiken der Einnahme der Dopingmittel in die Waagschale werfen77. Auf der anderen Seite ist für den Sportler eine maßgebliche Erhöhung der Erfolgschancen zu sehen78. Dass diese Seite anscheinend immer häufiger überwiegt, hängt auch damit zusammen, dass speziell im Bereich des Profisports ein Großteil der Athleten von der Ausübung des Sports als Lebensgrundlage abhängig ist. So begeben sich bereits junge Athleten, welche die Ausbildung vernachlässigen oder aufgeben, um sich vollständig dem Profisport zu verschreiben, in eine wirtschaftliche Abhängigkeit79. Zu einem solchen Abhängigkeitsverhältnis kommt noch der von Trainern, Sponsoren und Fans aufgebaute Erfolgsdruck. Sieht ein Sportler in einem solchen Szenario seine Chancen, siegreich an Sportveranstaltungen teilzunehmen, schwinden, erscheint häufig der Griff zu Dopingmitteln als letzte Chance. Aber auch die weiteren, am Doping des Sportlers beteiligten Personen, haben eigene Interessen an einer Leistungssteigerung des Sportlers. So garantieren gute Leistungen ihrer Schützlinge den, zumeist mit Erfolgsverträgen ausgestatteten80 74

Jahn in Prisma des Sportrechts 33, 35; Salib causa sport 2006, 585, 588. Der ehemalige Radrennfahrer Markus Willfurth führt im Abschlussbericht der Expertenkommission Freiburg an, seine Nichtnominierung für die Weltmeisterschaft 1999 in Verona liege ausschließlich in seiner öffentlich zur Schau getragenen Dopinggegnerschaft begründet (Abschlussbericht Expertenkommission Freiburg S. 36). Die österreichische Triathletin und Kronzeugin Lisa Hütthaler führt in einem Interview mit dem Spiegel aus, dass sie bei Siegerehrungen kein schlechtes Gewissen hatte, sondern, dass es für sie eine Frage der Gleichberechtigung ist, da man schon weiß, dass die anderen auch dopen und man die gleiche Erfolgschancen haben will (Der Spiegel 18/2009 vom 27. 04. 2009, S. 128). 76 Vieweg NJW 1991, 1511, 1512. 77 Vieweg NJW 1991, 1511, 1512. 78 Vieweg NJW 1991, 1511, 1512. 79 Salib causa sport 2006, 585, 593, der sodann prägnant feststellt, dass derjenige, der über keinerlei Perspektiven außerhalb des Sports verfügt, alles dafür tun wird, um die Existenzgrundlage nicht zu verlieren, wobei er auch feststellt, dass dieses Problem in „weniger gut betuchten Ländern“ weitaus größer ist, da dort viele junge Menschen eine Karriere als Profisportler als einzige Möglichkeit sehen, zu Wohlstand zu kommen. 80 Vieweg NJW 1991, 1511, 1512. 75

A. Das Ermittlungsverfahren

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Trainern eine Jobsicherheit. Weiterhin partizipieren sie, ebenso wie Ärzte und Funktionäre, durch die Steigerung ihres Ansehens am Erfolg des Athleten81. Ärzte stehen hierbei in dem Spannungsverhältnis zwischen ihrem Selbstverständnis als Heiler und Behandler und der Erwartung als Leistungsoptimierer tätig zu werden. Sie bewegen sich im Spannungsfeld der Wünsche des Athleten, der Erwartungen von Publikum, Verbänden, Sponsoren und Managern82, dem jeweils eigenen professionellen Interesse an der Gesundheit und der Leistung des Athleten und ihrer eigenen Wünsche nach Profilierung. Hinzu kommt, dass Sportmediziner, die Leistungssportler betreuen, in höherem Maß als andere Mediziner institutionell gebunden sind. Neben den Zielen des Wohls und des Erfolgs der Sportler sind sie Organisationen und Institutionen (Sportverbände, Sponsoren, öffentlichen Förderern) verpflichtet und dadurch mit Loyalitätskonflikten konfrontiert. Darüber hinaus setzen sich auch viele Ärzte unter Erfolgsdruck, was insbesondere für junge Sportmediziner gelten muss. Sie haben einen höheren Reputationsbedarf als ältere und neigen eher dazu, auf entsprechende Wünsche der Sportler, beziehungsweise ihrer Verbände, einzugehen. Die Arbeit und enge Vertrautheit mit prominenten Sportlern steigert das Ansehen, führt für sie aber leicht zu persönlichen und finanziellen Abhängigkeiten83. Die Tatsache, dass sich der Sportler auch in Zukunft dopt, liegt überdies im Interesse derjenigen Personen, die den Sportler mit Dopingmitteln versorgen, da ihnen ansonsten eine Einnahmequelle verloren ginge. Hierin ist zu erkennen, dass es einen geschlossenen Interessenkreis bezüglich des Dopings eines Sportlers gibt. Dass diese Personen naturgemäß auch an einer Geheimhaltung des Dopings interessiert sind, liegt bereits in der Angst vor straf- und verbandsrechtlichen Sanktionen begründet. Teilweise haben die Beteiligten jedoch noch darüber hinausgehende Interessen oder Motivationen, die Vorgänge um das Doping geheim zu halten. So sieht sich der Sportler nach einer Verabreichung von Dopingmitteln oder nach einem Kauf solcher Mittel nicht als Opfer. Es liegt mithin ein klassischer Fall der sogenannten quasi-opferlosen Kriminalität vor84. Da jedoch ein Großteil der Strafanzeigen und –anträge durch die Opfer der Straftatgestellt werden85, erklärt sich bereits hierdurch das Ausbleiben derartiger Mitteilungen. Weiterhin haben die Sportler ein gesteigertes Interesse daran, auch untereinander zu 81

Vieweg NJW 1991, 1511, 1512. Hierbei können auch bedeutende finanzielle Interessen eine Rolle spielen. Wie die Freiburger Expertenkommission feststellen konnte, erhielt Dr. Heinrich in den Jahren 2006 und 2007 von den Rennställen „Team T-Mobile“ Olaf Ludwig Cycling GmbH und der Neuen Straßen Sport GmbH Jahreshonorare in Höhe von 60.000 E (2006) bzw. 120.000 E (2007) (Abschlussbericht der Expertenkommission Freiburg S. 33). 83 Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt Heft 8 2009, 360, 362. 84 Jahn in Prisma des Sportrechts 33, 43. 85 Hierzu Dallmeyer in Heghmanns/Scheffler Kap I. Rdn. 2, der die Erwartungen der anzeigenden Strafopfer beleuchtet, hier die Schadenswiedergutmachung als Primärziel erkennt sowie die Verurteilung des Täters und dessen Bestrafung als Sekundär- bzw. Tertiärziele beschreibt. 82

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Kap. 3: Der Strafprozess

verheimlichen, dass die erzielten Leistungen durch unerlaubte Mittel zustandegekommen sind86. Die anderen Athleten sind Mitkonkurrenten, gegebenenfalls sogar im eigenen Team und könnten diese Informationen nötigenfalls zur Eliminierung der Konkurrenz gebrauchen. Ein Interesse an der Geheimhaltung kann mitunter sogar gegenüber der jeweiligen Mannschaftsleitung beziehungsweise gegenüber dem Sponsor gegeben sein, da sich der Athlet ansonsten bei anstehenden Vertragsverhandlungen erpressbar machen würde87. Funktionäre haben ferner die zusätzliche Motivation die „Legende vom sauberen Sport“ aufrecht zu erhalten und die Glaubwürdigkeit ihres jeweiligen Sports zu schützen88. Hierbei geht es jedoch nicht nur um das ideelle Einstehen für den Sport an sich, vielmehr stehen massive finanzielle Einbußen auf dem Spiel89. Somit ist zu erkennen, dass sich bezüglich des Dopings eines einzelnen Sportlers schnell eine ganze Gruppe von Personen bildet, deren Interessen alle gleichgerichtet sind. Alle Beteiligten haben zum einen ein Interesse daran, dass sich der Sportler dopt. Zum anderen ist allen Beteiligten gemein, dass sie das Doping geheim halten wollen. Eine derartige Interessenkonvergenz bei gleichzeitiger Abschottung nach außen führt zwangsläufig zum Ausbleiben von Strafanzeigen und -anträgen, da in der Regel keiner der Beteiligten eine derartige Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden geben wird. Weiterhin kann eine solche Mitteilung auch nicht von unbeteiligten Dritten kommen, da die Beteiligten großen Wert darauf legen, dass kein Unbeteiligter von den Vorgängen rund um das Doping erfährt. Die Strafverfolgungsbehörden sind, im Sinne der sogenannten Kontrolldelikte90, somit in diesem Bereich maßgeblich auf proaktives Handeln angewiesen91.

86 So die Aussage des ehemaligen Radprofis Rolf Aldag bei seiner Anhörung vor der Expertenkommission Freiburg vom 21. 06. 2007 (Zwischenbericht der Expertenkommission Freiburg, S. 6). 87 So die Aussage des ehemaligen Radprofis Rolf Aldag bei seiner Anhörung vor der Expertenkommission Freiburg vom 21. 06. 2007 (Zwischenbericht der Expertenkommission Freiburg, S. 6). 88 Körner KR 2003, 49, 52 f. 89 Gleiches gilt nach Körner KR 2003, 59, 51 auch für Verbände und Sponsoren, die in die Förderung von Spitzensportlern immense Geldsummen investiert haben. 90 Eisenberg § 26 Rdn. 7; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 43; ders. SpuRt 2005, 141, 143; Körner KR 2003, 49, 51; König JA 2007, 573, 574; Rössner in Doping im Sport 118, 126. 91 Hierzu unten unter Kapitel 3 A. I. 1. d) aa).

A. Das Ermittlungsverfahren

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cc) Anzeigeverhalten und -verpflichtungen der Sportverbände und der NADA Durch die Veranstaltung von Wettkämpfen und die Durchführung von Dopingkontrollen sind die Sportverbände bzw. die NADA92 zumeist die ersten, die von Dopingvergehen Kenntnis erlangen93. Speziell aufgrund der oben dargestellten Probleme, vor die die Staatsanwaltschaften im Rahmen der Kenntniserlangung von Dopingfällen gestellt werden, wäre ein reger Informationsaustausch zwischen Verbänden, NADA und Staatsanwaltschaften wünschenswert. (1) Grundsätze der Anzeigepflicht der Sportverbände und der NADA Um einen solchen Informationsfluss bestmöglich zu gewährleisten, erscheint die Installierung von speziellen Anti-Doping-Beauftragten als eine naheliegende Idee94. Dieser, aus der strafrechtlichen Korruptionsbekämpfung bekannte Ansatz95, wäre sicherlich begrüßenswert, ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Sobald Dopingkriminalität auf Vereins- oder Verbandsebene sichtbar wird, drohen bei Nichtanzeige Strafverfahren wegen Strafvereitelung und/oder Begünstigung96. Des Weiteren wird in Art. 14.2 NADC97 für die, für das Ergebnismanagement zuständige, Anti-Doping-Organisation98 sowie für die NADA eine Verpflichtung zur Meldung bei den staatlichen Ermittlungsbehörden statuiert. Soweit ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch, das Arznei- oder Betäubungsmittelgesetz aufgrund des Vorliegens eines von der Norm abweichenden Analyseergebnisses oder eines an92 Genaueres zur Verteilung der Zuständigkeiten von Dopingkontrollen unter Art. 5 NADC; zu dem Begriff der dort erfassten Anti-Doping-Organisationen: Begriffsbestimmungen NADC S. 69. 93 So auch Mayer SpuRt 2002, 97, 99, der dies als „ersten Zugriff“ der Verbände beschreibt; auch Zypries in dvs-Informationen 16 (2001) 4, 29, 33 die erkennt, dass sich die Dopingverstöße am ehesten in der Kenntnissphäre der Verbände ereignen. 94 Einen solchen bringt Körner KR 2003, 49, 53 ins Spiel. 95 Jahn SpuRt 2005, 141, 145 Fn. 47 m.w.N. 96 Jahn SpuRt 2005, 141, 145. 97 Dies gilt nur für Verbände, die den NADC angenommen haben, denn der NADC ist kein allgemeingültiges Regelwerk, sondern bedarf zu seiner Wirksamkeit der Annahme durch die Verbände. Sie unterwerfen sich seinen Reglungen durch eine so genannte Trainingskontrollvereinbarung mit der NADA. Damit der Code verbandsintern Gültigkeit erlangt, muss er nach den Rechtsgrundlagen des Verbandes umgesetzt werden. ausführlich hierzu Kloesel/Cyran § 6 a Rdn. 10. 98 Ergebnismanagement bedeutet gemäß Art. 7.1.1 NADC: der Vorgang ab Kenntnis von einem von der Norm abweichenden oder atypischen Analyseergebnis oder von einem möglichen anderen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen oder von einem möglichen Meldepflichtversäumnis oder einer versäumten Kontrolle bis zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Gemäß Art. 7.1.2 NADC ist hierfür bei Trainingskontrollen der jeweilige nationale Sportverband zuständig, bei Wettkampfkontrollen die jeweilige, den Wettkampf veranstaltende, Anti-Doping-Organisation. Die Zuständigkeit für Meldepflicht- und Kontrollversäumnisse liegt gemäß § 7.1.3 NADC bei der NADA.

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Kap. 3: Der Strafprozess

deren möglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen nicht auszuschließen ist, sind diese Institutionen, nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, befugt, noch vor Mitteilung gemäß Art. 7.2.2. NADC den Namen des betroffenen Athleten, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, die Substanz, die zu dem von der Norm abweichenden Analyseergebnis geführt hat oder die Art des anderen möglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen sowie weitere relevante Informationen der Staatsanwaltschaft oder dem Bundeskriminalamt zu melden (Abs. I). Ungeachtet dessen hat die für das Ergebnismanagement zuständige Anti-Doping-Organisation sowie die NADA die Verpflichtung, bei aufgrund von Hinweisen von Athleten, Athletenbetreuern oder anderen Personen begründetem hinreichenden Verdacht auf einen Verstoß gegen das Arznei- oder Betäubungsmittelgesetz oder das Strafgesetzbuch die jeweiligen Personen zur Anzeige zu bringen (Abs. II). Auffällig hierbei ist, dass eine Strafanzeige in das pflichtgemäße Ermessen der jeweiligen Institution gestellt wird sofern ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch etc. aufgrund einer positiven Dopingprobe nicht auszuschließen ist, wohingegen bei einer Verdachtsbegründung aufgrund von Hinweisen Dritter eine Pflicht zur Strafanzeige besteht. Dies korrespondiert gerade nicht mit dem oben Gesagten99, wonach bei einer positiven Dopingprobe für die Staatsanwaltschaften ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 6 a AMG gegeben ist. Dass eine derartige Reglung in dem aktuellen NADC von 2009 – der nach Einführung der Besitzstrafbarkeit erlassen wurde, die sodann auch zu der Bejahung des Anfangsverdachts bei einer positiven Dopingprobe geführt hat – getroffen wurde, verwundert umso mehr vor dem Hintergrund, dass bei der Anzeigepflicht in der vorigen Fassung des NADC von 2006 nicht derart differenziert wurde und eine solche schlechthin bei hinreichendem Tatverdacht auf einen Verstoß gegen § 6 a AMG bestand (Art. 11.7 NADC 2006). Wenn also nunmehr eine positive Dopingprobe einen Anfangsverdacht und somit eine Ermittlungsverpflichtung für die Staatsanwaltschaft begründet, so müsste es eine korrespondierende Verpflichtung zur Strafanzeige für die Sportverbände bzw. die NADA entsprechend Art. 7.2.2.1 NADC geben. Dem kann grundsätzlich auch nicht die Gefahr entgegen gehalten werden, dass die anzeigende Institution bei einer leichtfertigen Anzeige die Kostentragung nach § 469 I StPO oder gar eine eigene Strafbarkeit nach § 164 StGB fürchten muss100. Wohl zu erkennen ist jedoch, dass eine Verpflichtung zu einer Strafanzeige bei jedem positiven Dopingtest kontraproduktiv sein kann, wenn diese von der zuständigen allgemeinen Abteilung101 der jeweiligen Staatsanwaltschaft bearbeitet würde, da davon auszugehen ist, dass diese keine oder allenfalls geringe Vorkenntnisse mit dem Umgang der Strafnormen des AMG haben. Fruchtbar wäre eine derartige Anzei99

Siehe oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa). So noch vor Einführung der Besitzstrafbarkeit Mayer SpuRt 2002, 97, 99. 101 Dass Straftaten mit Dopingbezug momentan bei den meisten Staatsanwaltschaften noch von allgemeinen Abteilungen oder von solchen für Betäubungsmittelkriminalität behandelt werden, konnte im Rahmen der Praxisstudie – siehe oben unter Kapitel 2 – bereits gezeigt werden. 100

A. Das Ermittlungsverfahren

47

gepflicht somit nur, wenn den Verbänden bzw. der NADA für ihre Strafanzeigen Kontaktpersonen im Bereich der jeweiligen Schwerpunktstaatsanwaltschaften102 zur Verfügung stünden103. (2) Zusätzliche vertragliche Anzeigepflicht der Verbände Über die gesetzlich und durch den NADC normierten Verpflichtungen zu einer Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden, kann für die Bundessportfachverbände, Verbände im Bereich des Behindertensports sowie Ausrichter von Großveranstaltungen noch eine vertragliche Verpflichtung hinzutreten, sobald diese durch das Bundesministerium des Innern finanziell gefördert werden. Grundsätzlich ist die Durchführung, Organisation und Finanzierung des Sports in der Bundesrepublik Deutschland Angelegenheit seiner autonomen Organisationen, welche ihre Aufgaben selbstständig erfüllen und insbesondere die Verantwortung für ihre Finanzierung selbst tragen. Soweit der Sport jedoch Förderung bedarf, geschieht dies durch den Staat104. Für den gesamten Bereich des Sports liegen die Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeiten grundsätzlich bei den Ländern. Dies ergibt sich aus den Art. 30, 70, 83, 104a GG. Zuständigkeiten des Bundes für Teilgebiete des Sports werden allerdings anerkanntermaßen aus Normen hergeleitet, die nicht sportspezifisch sind, sondern im Rahmen allgemeiner Aufgaben, zu denen auch die Förderung des Sports gehört105. So beteiligt sich das Bundesministerium des Innern wegen des erheblichen Bundesinteresses und aufgrund ihm aus der Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs obliegender Aufgabenwahrnehmung für den Sport im Sinne des Art. 104 a I GG an der Finanzierung, mit dem Ziel, den Leistungsstand des deutschen Sports zu erhalten und zu verbessern106. Das Bundesministerium des Innern kann demgemäß Maßnahmen des Sports in dem Bewusstsein fördern, dass sie der gesamtstaatlichen Repräsentation der Bundesrepublik Deutschland im In- und Ausland dienen, Vorbildfunktion für allgemeine Sportausübung haben und zur Verbreitung und Entwicklung des gesamten Sports beitragen, Ausdruck für Leistungsbereitschaft und Leistungswillen, für 102

Zu der Notwendigkeit der Einführung besonderer Schwerpunktstaatsanwaltschaften für den Bereich der Dopingkriminalität, siehe unten unter Kapitel 3 A. I. 2. b) cc). 103 Dass dies in der Praxis ein hilfreiches Instrument ist, zeigt der Fall der Eisschnellläuferin Pechstein. Nachdem die Zusammenarbeit zwischen der neugeschaffenen Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I, dem BKA und der NADA forciert wurde, stellten sowohl NADA als auch die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Unbekannt, um die Hinterleute des Dopingfalls zu ermitteln (http:// www.sportgericht.de/sportrecht-newstext-11860-.html). Siehe zu dieser positiven Entwicklung ferner NADA-Jahrbuch 2009, S. 45. 104 Steiner NJW 1991, 2729, 2731. 105 Vergleiche hierzu Hölzl S. 99 ff.; Steiner NJW 1991, 2729, 2731 bezeichnet die ungeschriebene Förderung des Hochleistungssports unter dem Gesichtspunkt der gesamtstaatlichen Repräsentanz als „Kompetenzglanzstück“, das jedoch verfassungsrechtlich nicht mehr ernsthaft bestritten werden kann. 106 Siehe hierzu auch 11. Sportbericht der Bundesregierung BT-Drucks 17/3750 S. 14.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Fairness und Achtung des Anderen sind und somit Werte vermitteln, die für die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt von Bedeutung sind, die vorurteilslose Begegnung von Menschen aus unterschiedlichen Ländern, Völkern, ethnischen Gruppen und Religionen ermöglichen und damit einen wichtigen Beitrag zur Toleranz und zum gegenseitigen Verständnis leisten sowie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen107. Resümierend kann die simplifizierte, aber auch vom Bundesministerium des Innern verwendete108, Unterscheidung vorgenommen werden, dass die Verantwortung der Förderung des Breitensports grundsätzlich bei den Ländern liegt, wohingegen dem Bund die Förderung des Spitzensports obliegt. 2007

Sportförderung des BMI in E109 110.000.000

2008

126.000.000

2009

129.000.000

2010

129.000.000

2011

129.000.000

2012

130.000.000

Jahr

Die Bundesförderung des Spitzensports110 richtet sich nach dem Leistungssportprogramm vom 28. September 2005111 sowie den Förderrichtlinien Verbände, den Förderrichtlinien Stützpunkte, den Förderrichtlinien Akademien/Maßnahmen sowie den Förderrichtlinien Sportstädtebau vom 10. Oktober 2005. Das Leistungssportprogramm teilt sich in zwei Hälften. In der ersten Hälfte werden die Grundsätze der Leistungssportförderung niedergelegt, in der zweiten die Rahmenrichtlinien112. Unter Punkt 5. des ersten Abschnitts finden sich die Grundsätze zur Dopingbekämpfung. Demnach setzt die Bundesregierung die uneingeschränkte aktive Mitarbeit der Leistungsempfänger bei der Dopingbekämpfung voraus. Die Bundessportfachverbände haben das Anti-Doping-Regelwerk der NADA anzunehmen und 107

Siehe Abschnitt A (Grundsätze der Leistungssportförderung) des Programms des Bundesministeriums des Innern zur Förderung des Leistungssports sowie sonstiger zentraler Einrichtungen und Maßnahmen des Sports auf nationaler und internationaler Ebene mit Rahmenrichtlinien (Leistungssportprogramm – LSP). 108 Siehe http://www.bmi.bund.de/cln_104/DE/Themen/PolitikGesellschaft/Sport/Sportpolitik/sportpolitik.html. 109 Die Angaben entsprechen dem Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012. 110 Auf die Länderförderung des Breitensports soll in diesem Kontext nicht eingegangen werden. 111 Programm des Bundesministeriums des Innern zur Förderung des Leistungssports sowie sonstiger zentraler Einrichtungen, Projekte und Maßnahmen des Sports auf nationaler und internationaler Ebene mit Rahmenrichtlinien (Leistungssportprogramm – LSP). 112 Die Rahmenrichtlinien des Leistungssportprogramms fließen sodann in die jeweiligen Förderrichtlinien ein, so z. B. in Nr. 4 der Förderrichtlinien Verbände, wo es heißt, dass „eine Zuwendung nur möglich ist, wenn die in Abschnitt 4 der Rahmenrichtlinien (Leistungssportprogramm Teil B) genannten Voraussetzungen gegeben sind“.

A. Das Ermittlungsverfahren

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die ihnen – auch nach sonstigen Reglungen – obliegenden Aufgaben u. a. für die Durchführung von Trainings- und Wettkampfkontrollen, die Sanktionierung von Dopingverstößen, die Aufnahme einer Anti-Doping-Klausel in Arbeits- und Dienstverträge wahrzunehmen. Sie sind im Übrigen verpflichtet, nach Bekanntwerden eines positiven Analyseergebnisses eines Athleten die ihnen möglichen Ermittlungen zur Aufklärung durchzuführen und gegebenenfalls eine Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einzureichen. Verstöße gegen Pflichten zur Dopingbekämpfung können zu einer Kürzung oder Einstellung der Bundesförderung führen. Der letzte Satz findet sich zusätzlich in Nr. 6. Abs. 2 der Rahmenrichtlinien des Leistungssportprogramms wieder. Auf dieser Grundlage aufbauend wurden kontinuierlich weiterentwickelte Klauseln in die Förderungsverträge aufgenommen, welche die uneingeschränkte Mitarbeit der Sportverbände bei der Dopingbekämpfung sicherstellen sollen. Die verwendeten Anti-Doping-Klauseln sind spezifisch auf den jeweiligen Förderungszweck und -empfänger abgestimmt. Als Beispiel kann hier jedoch die AntiDoping-Zuwendungsklausel „Sportfachverband“ dienen113 : Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Sportfachverbände“ Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Dopingbekämpfung des Zuwendungsempfängers voraus. Hierzu gehören insbesondere die Anerkennung und Umsetzung des NADA-Codes sowie die uneingeschränkte Teilnahme am Dopingkontrollsystem der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA). Im Rahmen der Umsetzung des NADA-Codes ist unter anderem sicherzustellen, dass Athletenbetreuer im Sinne des NADA-Codes (…) dem NADA-Code und allen sonstigen für den jeweiligen Verband geltenden Anti-Doping-Bestimmungen unterworfen sind. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese ist eine rechtliche Möglichkeit vorzusehen, die Zusammenarbeit mit dem Athletenbetreuer unverzüglich zu beenden; bei Verträgen ist ein Recht zur fristlosen Kündigung zu vereinbaren. Das übrige für den Verband tätige haupt- und nebenamtliche Personal ist rechtlich in schriftlicher Form dazu zu verpflichten, sich in keiner Weise an Dopingmaßnahmen zu beteiligen oder das Doping zu unterstützen. Die Zuwiderhandlung ist als grobe Pflichtverletzung festzulegen, die das Recht zu einer fristlosen Kündigung oder zur sofortigen Beendigung einer Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Verband nach sich zieht. Nach Bekanntwerden eines positiven Analyseergebnisses hat der Zuwendungsempfänger zu ermitteln und zu dokumentieren, ob Angehörige, Mitarbeiter oder Beauftragte des Zuwendungsempfängers bei dem Dopingverstoß mitgewirkt haben, sowie unverzüglich folgende Mitteilungen zu machen: 1. der zuständigen Staatsanwaltschaft über Kenntnis von Sachverhalten, die auf einen Verstoß gegen § 6 a Arzneimittelgesetz bzw. gegen das Betäubungsmittelgesetz hinweisen,

113

Zu den weiteren Anti-Doping-Klauseln siehe Anhang.

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Kap. 3: Der Strafprozess 2. der NADA über eine Mitteilung an die StA nach Nr. 1 und das Ergebnis des Ermittlungsbzw. Strafverfahrens sowie des verbandsinternen oder sportschiedsgerichtlichen Verfahrens, 3. dem Dienstherrn, falls der oder die Betroffene im Bundesdienst steht, über Mitteilungen nach Nr. 1 und 2 und über Meldepflichtverstöße sowie die dazu ergangenen Sanktionen und getroffenen Feststellungen, 4. dem betreuenden Olympiastützpunkt über ein positives Analyseergebnis oder Sanktionen gegen Athletenbetreuer. Sofern ein(e) Athletin/Athlet an einer vom Bund geförderten Maßnahme teilnimmt und des Dopings oder der verbotenen Medikation bei einem Tier überführt wird, hat der Bundessportfachverband von der Athletin bzw. dem Athleten die anteiligen Maßnahmekosten zurückzufordern. Die Bundeszuwendung mindert sich entsprechend. Die Zuwendung des Bundes steht unter der Auflage, dass für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen in Streitverfahren aus dem NADA-Code spätestens ab 01. 01. 2009 der Rechtsweg zu einem unabhängigen Schiedsgericht beschritten wird, das den Anforderungen der Bestimmungen des 10. Buches der ZPO (insbesondere hinsichtlich Auswahl und Zusammensetzung der Schiedsrichter, Verfahrensregeln) genügt. Diese Auflage kann entweder erfüllt werden durch Nutzung eines verbandseigenen, unabhängigen Schiedsgerichts im Sinne der ZPO oder eines externen Schiedsgerichts, z. B. des Deutschen Sportschiedsgerichts bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), das den Verbänden im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung empfohlen wird. Jeder Verstoß gegen die hier genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung. Die Zuwendung steht unter dem Vorbehalt der vollständigen Durchführung der von der NADA in der Vereinbarung über die Organisation und Durchführung von Dopingkontrollen vorgegebenen Anzahl von Dopingkontrollen. Sollten, aus Gründen, die der Zuwendungsempfänger zu vertreten hat, weniger Kontrollen durchgeführt werden, wird die jährliche Gesamtzuwendung mindestens um die Entnahmekosten für die nicht vorgenommenen Kontrollen reduziert.

Aus der hier verwendeten Formulierung114 geht somit hervor, dass, anders als nach dem NADC, ab Kenntniserlangung von einem positiven Testergebnis regelmäßig Strafanzeige bei der jeweils zuständige Staatsanwaltschaft zu stellen ist. Neben den strafgesetzlichen Reglungen und denen des NADC, welche die Verbände zur Stellung einer Strafanzeige verpflichten, besteht somit eine zusätzliche vertragliche Verpflichtung ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Bundesfördervertrag abgeschlossen wurde.

114 Dieselbe Formulierung findet sich auch in den Anti-Doping-Klauseln „Verbände mit besonderer Aufgabenstellung, Special Olympics Deutschland und Blindenschachbund“, „Sportmedizinische Untersuchung“ und „OSP, BLZ, IAT, FES und Entsendung zu Sportgroßereignissen“, siehe Anhang.

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(3) Kritische Betrachtung des Anzeigeverhaltens der Verbände und der NADA Dass es in der Praxis trotz der drohenden strafrechtlichen Folgen, der zum Teil verpflichtenden Reglungen des NADC und gegebenenfalls hinzutretenden vertraglichen Verpflichtungen bislang so gut wie nie zu Strafanzeigen durch die Verbände und die NADA kommt115, muss verwundern. Ein möglicher Hintergrund hierfür kann zwar in der mangelnden Kenntnis der Verbände von den Strafnormen des AMG, deren Auslegung und Anwendung gesehen werden, vermag aber sicherlich nicht als Universalerklärung zu dienen. Trotz der Vermutung, dass jeder Verband ein Interesse an der Bekämpfung des Dopings hat und sich deshalb nicht weigern wird, seinen Beitrag zu dessen Bekämpfung zu leisten116, gibt es genug Aspekte, die eine Skepsis bezüglich der Anzeigewilligkeit der Verbände zu begründen vermögen. So kann nicht kategorisch ausgeschlossen werden, dass sich die Verantwortlichen eines Verbands gegebenenfalls den Ängsten vor Rufschäden, Schadensersatzklagen117 oder dem Verlust von Marktanteilen hingeben und erforderliche Anzeigen unterlassen118. (4) Möglichkeit der Optimierung des Anzeigeverhaltens der Verbände bzw. der NADA durch die Veranstaltung von Schulungen durch die Strafverfolgungsbehörden Neben den angesprochenen Schwerpunktstaatsanwaltschaften – auf die später einzugehen sein wird119 – gibt es noch andere Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Sportverbänden bzw. der NADA zu verbessern. Naheliegende, und nur mit geringen Kosten und Aufwand verbundene, Lösung wäre die Veranstaltung von Schulungen durch die Strafverfolgungsbehörden, in denen Delegierte von Verbänden und NADA strafrechtliche und strafprozessuale 115 Dass es in der Praxis so gut wie nie zu Strafanzeigen durch die Verbände oder die NADA kommt, konnte im Rahmen der Praxisstudie – oben unter Kapitel 2 – gezeigt werden. So auch Zypries dvs-Informationen 16 (2001) 4, 29, 32. Eine Ausnahme sind hier die Strafanzeigen gegen Unbekannt, die im Fall der Eisschnellläuferin Pechstein sowohl von der NADA als auch von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I gestellt wurden (http://www.sportgericht.de/sportrecht-newstext-11860-.html). 116 So Mayer in SpuRt 2002, 97, 98. 117 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 136. 118 So hat der amerikanische Leichtathletikverband (USATF) jahrelang verschwiegen, dass 13 US-Spitzenathleten vor den Olympischen Spielen in Sydney positiv getestet worden waren. Auf Klage des Leichtathletikweltverbands IAAF wurde sogar die Bekanntgabe der Namen der Dopingsünder verweigert (siehe hierzu Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 99). Des Weiteren wurde von dem australischen Diskuswerfer Werner Reiterer in seinem Buch „Positive“ die Behauptung aufgestellt, es hätte zu seiner Zeit immer Offizielle gegeben, die ihm dabei helfen konnten, alles zu verschleiern und die ihm die bevorstehenden Dopingtests rechtzeitig ankündigten (Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 130). 119 Unten unter Kapitel 3 A. I. 2. b).

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Kap. 3: Der Strafprozess

Aspekte der staatlichen Dopingbekämpfung nahegebracht werden könnten. In materiell strafrechtlicher Hinsicht wäre es sinnvoll, den Teilnehmern die dopingbezogenen Normen des AMG und des BtMG für Laien verständlich nahezubringen. Weiterhin sollten auch die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen einer Nichtanzeige dargestellt werden120. Im Rahmen der strafprozessualen Schulung sollten zum einen Fragen rund um den Anfangsverdacht und die Einleitung eines Strafverfahrens besprochen werden. Zum anderen wäre es von Vorteil, den Teilnehmern Musterschreiben zu überreichen, die – entsprechend der früheren Praxis des DSB121 – als Hilfestellung für die Anzeigeerstattung dienen können. dd) Anzeigemöglichkeiten und -pflichten für Krankenkassen Wie aus der medizinischen Fachliteratur berichtet wird, werden teilweise die entscheidenden Hinweise zur Aufdeckung von Fällen illegalen Handels mit Dopingmitteln von den Krankenkassen geliefert122. Diesbezüglich muss jedoch zunächst geprüft werden, welche Informationen den Krankenkassen überhaupt zur Verfügung stehen und ob, beziehungsweise in welchem Umfang, sie zur Weitergabe dieser Informationen berechtigt sind. (1) Verschreibungspflicht von Arzneimitteln Gemäß § 48 AMG wird die Abgabe bestimmter Arzneimittel von der Vorlage einer ärztlichen-, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung abhängig gemacht. Die Pflicht zur Verschreibung von Arzneimitteln, die im Normalfall apothekenpflichtig sind, dient der Arzneimittelsicherheit. Auch der Apotheker soll bestimmte Arzneimittel, die ein Gefährdungspotential in sich bergen, nicht an den Endverbraucher abgeben können, ohne dass ein Arzt, Zahn- oder Tierarzt zuvor die medizinische Indikation für die Abgabe in schriftlicher Form niedergelegt hat123. Voraussetzung dafür, dass Arzneimittel der Pflicht zur Verschreibung unterliegen ist, dass die Stoffe, Zubereitungen von Stoffen und die Gegenstände in die, auf Grundlage des § 48 I, II AMG erlassene, Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel aufgenommen sind124. Die einzelnen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die einer Verschreibung bedürfen, werden dort gemäß § 1 Nr. 1 AMVV in der Anlage 1 des AMVV aufgezählt. Welche Substanzen, die zum Doping im Sport verwendet werden können, den Verboten des § 6 a AMG unterfallen wird anhand verschiedener Auflistungen be120

Siehe hierzu Jahn SpuRt 2005, 141, 145. Siehe hierzu Mayer SpuRt 2002, 97, 99. 122 Richter-Kuhlmann Ärzteblatt Februar 2009, 64, 65. 123 Lippert in Deutsch/Lippert § 48 Rdn. 4. 124 Arzneimittelverschreibungsverordnung – AMVV. Für Betäubungsmittel gilt darüber hinaus die Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln, die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung – BtMVV. 121

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stimmt. So gelten die Dopingverbote des § 6 a I AMG ausschließlich für Arzneimittel, die im Anhang des Europäischen Übereinkommens gegen Doping125 aufgeführte Gruppen von verbotenen Wirkstoffen oder Stoffen enthalten, die zur Verwendung bei den dort aufgeführten Methoden bestimmt sind. Für das Besitzverbot des § 6 a II a AMG gilt das Gleiche, jedoch ist hierfür die Bezugsliste im Anhang zum AMG einschlägig, dessen Konkretisierung bezüglich der nicht geringen Mengen durch die DmMV erfolgt ist126. Die Bezugsliste des Europäischen Übereinkommens stammt ursprünglich aus dem Jahr 1989127. Um auf dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik und nicht dem Erfindungsreichtum der Trainer und Sportler schutzlos ausgeliefert zu sein, muss die Bezugsliste regelmäßig angepasst werden. Gemäß Art. 2, 11 des Übereinkommens, ist eine regelmäßige Aktualisierung der Liste durch die Beobachtende Begleitgruppe ausdrücklich vorgesehen. Nach verschiedenen Aktualisierungen ist die Liste aktuell auf dem Stand von 2007128. Um auf internationaler Ebene zu vermeiden, dass sportrechtliche und arzneimittelrechtlich relevante Verbotslisten voneinander abweichen, werden die Inhalte der WADA-Verbotsliste129 und der Liste im Anhang zu dem Europäischen Übereinkommen regelmäßig aneinander angepasst. Da derzeit jedoch noch keine zeitgleiche Abstimmung zwischen beiden Listen erfolgt und die WADA-Liste jeweils vorauseilt, kann es vorübergehend zu Inkongruenzen kommen130. Die aktuelle Bezugsliste im Anhang des Übereinkommens stimmt jedoch im Wesentlichen mit der aktuellen WADA-Liste überein131. Die Bezugsliste des § 6 a II a 1 AMG, die sich im Anhang des Gesetzes befindet, wurde im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport132 in des Gesetz eingeführt. Die Liste basiert auf der Verbotsliste, die sich im Anhang des Europaratsübereinkommens befindet133 und ist somit im Wesentlichen deckungsgleich mit der Bezugsliste des § 6 a II AMG134. Die Arzneimittel oder Wirkstoffe, welche die in den Bezugslisten genannten Stoffe sind oder enthalten, unterliegen – insofern sie denn auch als Medikament zugelassen sind – alle der Verschreibungspflicht. 125

BGBl. II 1994, 334 ff. BGBl. I 2007, 2607 ff. 127 Siehe ursprüngliche Fassung BGBl. II 1994, 334, 350 f. 128 Siehe Änderung des Anhangs des Übereinkommens: BGBl. II 2007, 812 (Deutsche Version S. 821 ff.). 129 Zu finden unter: http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/ Listen/Verbotsliste_WADA_2009_-_deutsche_Fassung.pdf. 130 Kloesel/Cyran § 6 a AMG Rdn. 37. 131 Eine Abweichung besteht nur in dem Punkt „spezielle Substanzen“ (Kloesel/Cyran § 6 a AMG Rdn. 37). 132 BGBl. I 2007, 2510 ff. 133 So ausdrücklich im Gesetzesentwurf: BT-Drucks 16/5526 S. 9. 134 Kloesel/Cyran § 6 a AMG Rdn. 47. 126

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Kap. 3: Der Strafprozess

(2) Die Verschreibung eines Arzneimittels Das Verschreiben eines Arzneimittels im Sinne des § 6 a I AMG bedeutet das Ausstellen eines Rezepts durch einen Arzt135. Da, wie soeben beschrieben, der Großteil der Arzneimittel und Wirkstoffe, die im Anhang des Übereinkommens gegen Doping vom 16. November 1989, im Anhang des AMG beziehungsweise in der DmMVaufgeführt sind, einer solchen Rezeptierung bedürfen, geht eine derartige Verschaffung von Dopingmitteln nicht ohne Spuren vonstatten. Das Rezept ist fortan in der Welt. Ein Rezept wird auf der Basis eines Formulars handschriftlich oder mit Hilfe eines Praxiscomputers erstellt und vom Arzt unterschrieben. Die Form des Rezepts muss dabei verschiedenen Anforderungen genügen, die sich aus dem SGB V, der Vordruck-Vereinbarung zwischen den Selbstverwaltungen, der Verschreibungspflichtverordnung und der Betäubungsmittel-Verschreibungspflichtverordnung ergeben. Der notwendige Inhalt eines Rezepts ergibt sich aus § 2 I AMVV. Gemäß dieser Norm muss ein Rezept notwendigerweise folgenden Inhalt aufweisen: den Namen, die Berufsbezeichnung und die Anschrift des verschreibenden Arztes (Nr. 1), das Datum der Ausfertigung (Nr. 2), den Namen und das Geburtsdatum der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist (Nr. 3), die Bezeichnung des Fertigarzneimittels oder des Wirkstoffes einschließlich der Stärke (Nr. 4), bei einem Arzneimittel, das in der Apotheke hergestellt werden soll, die Zusammensetzung nach Art und Menge oder die Bezeichnung des Fertigarzneimittels, von dem Teilmengen abgegeben werden sollen (Nr. 4a), die Darreichungsform, sofern dazu die Bezeichnung nach Nr. 4 oder Nr. 4 a nicht eindeutig ist (Nr. 5), die abzugebende Menge des verschriebenen Arzneimittels (Nr. 6), die Gebrauchsanweisung bei Arzneimitteln, die in der Apotheke hergestellt werden sollen (Nr. 7), die Gültigkeitsdauer der Verschreibung (Nr. 8) und die eigenhändige Unterschrift der verschreibenden Personen oder, bei Verschreibungen in elektronischer Form, deren qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz (Nr. 10136). Eine Diagnose der zu behandelnden Krankheit, auf der die Verschreibung beruht, wird demnach in keiner Form in das Rezept aufgenommen. Kenntnis von der Diagnose erhält die Krankenkasse nur in den seltensten Fällen und dann auch nicht durch die Übermittlung des Rezepts, sondern direkt von den Vertragsärzten oder den ärztlich geleiteten Einrichtungen. Gemäß § 295 I 1 Nr. 1, II a SGB V gibt es zwei Fallgruppen, bei denen die genannten Stellen auch eine Diagnose an die Krankenkassen übermitteln müssen. Die erste Fallgruppe richtet sich nach § 295 I 1 Nr. 1 SGB Vund erfasst nur die Fälle, bei denen eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. In derartigen Fällen ist eine Kenntnis der Diagnose für die Krankenkassen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich137. Die Angabe der Diagnose ermöglicht dann die Feststellung, ob eine 135

Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 24. Auf die Aufführung des § 2 I Nr. 9 AMVV wurde verzichtet, da sich diese nur auf tierärztliche Verschreibungen bezieht. 137 Siehe hierzu Gesetzesbegründung zum GSG: BT-Drucks 12/3608. 136

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Krankheit bzw. Krankenbehandlung, ein Unfall oder ein Arbeitsunfall bzw. eine Berufskrankheit vorliegt, ebenso setzt auch die Prüfung des Anspruchs auf Krankengeld die Kenntnis der Diagnose voraus138. Die Diagnose ist hierbei in der vierstelligen Verschlüsselung der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICDSchlüssel) anzugeben139. Die zweite Fallgruppe in § 295 II a SGB V verpflichtet die Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen gegenüber den Krankenkassen zur Aufzeichnung und Übermittlung von Angaben über Leistungen, die zur Prüfung der Voraussetzungen späterer Leistungsgewährung im Sinne des § 292 SGB V erforderlich sind. Sobald der Patient im Besitz des Rezepts ist, kann er dieses in einer beliebigen öffentlichen Apotheke einlösen, da die Berufsordnung für Ärzte und Apotheker die Zuweisung zu bestimmten Apotheken grundsätzlich untersagen. Das Verfahren zur Abgabe und Abrechnung von Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken richtet sich sodann maßgeblich nach der Apothekenbetriebsordnung, die für alle Rezepte gilt, sowie für die, speziell für Rezepte gesetzlicher Krankenversicherung geltende, Arzneimittelabrechnungsvereinbarung auf der Grundlage des § 300 SGB V und nach dem Rahmenvertrag des Deutschen Apothekerverbandes e.V. und den Spitzenverbänden der Krankenkassen über die Arzneimittelversorgung nach § 129 II SGB V. Gemäß § 3 I des Rahmenvertrags über Arzneimittelversorgung kommt durch die Annahme einer ordnungsgemäß gültigen vertragsärztlichen Verordnung ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke zustande140.Die Apotheken ergänzen die ca. 600 Millionen Kassenrezepte pro Jahr aufgrund dieser Bestimmungen vor Ort um die Pharmazentralnummer, Faktoren, Brutto-Preise, das Gesamt-Brutto, die Zuzahlung, das Apothekenkennzeichen und das Abgabedatum der dispensierten Arzneimittel. Die Abrechnung der gesammelten Rezepte erfolgt in 80 % der Fälle in Apothekenrechenzentren141. Dort werden die Rezepte mittels optisch maschineller Verfahren gelesen, manuell nachkontrolliert und zusammen mit den gesetzlich erforderlichen Abrechnungsdatensätzen den Krankenkassen übermittelt. Die übrigen 20 % werden direkt von den jeweiligen Apotheken an die Krankenkassen übermittelt. Die Krankenkassen übermitteln die fälligen Beträge sodann wieder an die Apothekenrechenzentren, die diese Beträge sodann an die Apotheken auszahlen142. Bei der Verschreibung eines Arzneimittels durch einen Arzt ergeben sich somit Rechtsbeziehungen zwischen drei Parteien143 :

138 139 140 141 142 143

BT-Drucks 12/3608. Zu der Verschlüsselung der Daten, siehe Kranig in Hauck/Noftz § 295 SGB V Rdn. 5. Herrfs wistra 2006, 63, 64. Zu den Rechenzentren i.S.d. § 300 II SGB V: Kranig in Hauck/Noftz § 300 Rdn. 2, 10. Zu diesem Vorgang: BGH NStZ 2004, 568, 569. Grafik aus Waltermann § 8 Rdn. 191.

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Kap. 3: Der Strafprozess

(3) Überprüfungsmöglichkeiten von Rezepten durch die Krankenkasse und die daraus resultierende Möglichkeit einer Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden Die jeweilige Krankenkasse wird somit in der Folge darüber informiert, welches Kassenmitglied von welchem Arzt welches Arzneimittel verschrieben bekommen hat und welche Apotheke dies an ihn ausgehändigt hat. Werden diese Informationen von der Krankenkasse sorgfältig überprüft, dürften etwaige auftretende Anomalien, die eine Verwendung des Arzneimittels zu Dopingzwecken nahelegen, auffallen. Um eine sorgfältige Überprüfung zu gewährleisten und um Unregelmäßigkeiten zu erfassen und aufzuklären, werden Krankenkassen, wenn angezeigt auch ihre Landesund Spitzenverbände gemäß § 197 a SGB V144 zur Einrichtung verselbstständigter Ermittlungs- und Prüfungsstellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen ermächtigt und verpflichtet145. Werden diesen Stellen Fälle oder Sachverhalte bekannt, die auf Unregelmäßigkeiten oder auf eine rechtswidrige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln hindeuten, besteht eine Aufklärungspflicht der genannten Stelle. Welche Sachverhalte mit den Begriffen „Unregelmäßigkeiten“ und „zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln“ gemeint sind, ist weder im Gesetz selbst näher definiert noch in der Gesetzesbegründung146 näher be144 Bei den, am 01. 01. 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz (BGBl. I 2003, 2190), eingeführten §§ 81 a, 197 a SGB V handelt es sich um gleichlautende Normen, die sich zum einen an Krankenkassen (§ 197 a SGB V) und zum anderen an Kassenärztliche Vereinigung (§ 81 a SGB V) richten. 145 Diese Ermittlungs- und Prüfungsstellen gehen aus demselben Gedanken der Korruptionsbekämpfung hervor, wie die oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) cc) (1) angesprochenen AntiDoping-Beauftragten. 146 BT-Drucks 15/1525 S. 99.

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schrieben147. Mit Hinblick auf die in § 197 a IV SGB V geregelte Pflicht zur Information der Staatsanwaltschaften bei einem Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung, ist auf strafrechtlich bewehrte Handlungen abzustellen, wobei hier insbesondere die Vermögensdelikte, wie Betrug, Untreue, aber auch Bestechlichkeit und Vorteilsannahme in Betracht kommen148. Es ist durchaus denkbar, dass bei derartigen Überprüfungen der Abrechnungsvorgänge auch ein Anfangsverdacht bezüglich dopingbezogener Delikte entstehen kann. Als eine, einen derartigen Anfangsverdacht begründende, Anomalie kommt beispielshalber eine sich immer wiederholende Verschreibung eines bestimmten Arzneimittels in Betracht, welches unter normalen Umständen, also bei einer medizinisch indizierten Verschreibung, nur kurzzeitig anzuwenden ist. Dasselbe muss auch bei der Verschreibung einer derart großen Menge des Arzneimittels, die von einem Patienten alleine – vor allem in dem Zeitraum bis zur nächsten Verschreibung dieses Mittels – nicht verbraucht werden kann, anzunehmen sein. Überdies kann eine Anomalie in der Verschreibung eines bestimmten Medikaments, dass Ärzte dieser Fachrichtung normalerweise nicht verschreiben, erkannt werden149. Besteht in Folge der Überprüfung des fraglichen Sachverhalts ein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung, so ist gemäß § 197 a IV SGB V die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten. Diese Unterrichtungspflicht kann jedoch nicht eigenständig betrachtet werden, sondern ist vor dem, im Sozialrecht allgegenwärtigen, Hintergrund des besonderen Schutzes der Sozialdaten zu sehen. Wird demgemäß aus der Praxis berichtet, dass in der Vergangenheit Krankenkassen bereits des Öfteren den illegalen Handel mit Dopingmitteln aufgedeckt haben150, so sind hierfür zunächst die rechtlichen Möglichkeiten für einen Informationsaustausch zwischen Krankenkassen im Allgemeinen bzw. deren Ermittlungs- und Prüfstellen und Staatsanwaltschaften zu überprüfen. (a) Der besondere Schutz der Sozialdaten Grundlegend für den besonderen Schutz der Sozialdaten ist die Tatsache, dass soziale Rechte typischerweise von persönlichen Umständen und Verhältnissen abhängen. Im Bereich der Sozialverwaltung werden, zum Zweck der Gewährung von Leistungen151, viele personenbezogene Daten erhoben, gespeichert und verarbei147

Schlegel/Voelzke SGB V § 81 a Rdn. 8. Girig FS Müller, 199, 201, der noch einmal klarstellt, dass die Unterrichtung der Staatsanwaltschaft überhaupt nur Sinn macht, wenn es um Strafrecht geht; Schlegel/Voelzke SGB V § 81 a Rdn. 8; zu möglicherweise erfasstem nicht strafrechtlichen Verhalten Schlegel/ Voelzke SGB V § 197 a Rdn. 23. 149 So Richter-Kuhlmann Ärzteblatt Februar 2009, 64, 64, die von einem Fall berichtet, bei dem ein Zahnarzt mehrfach ein Wachstumshormon für Kinder (Genotropin) verschrieben hat, obwohl die Patienten gar keine Kinder waren und dieses Medikament sonst nie von Zahnärzten verordnet wird. 150 Richter-Kuhlmann Ärzteblatt Februar 2009, 64, 64. 151 Muckel § 16 Rdn. 32. 148

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Kap. 3: Der Strafprozess

tet152. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass ein Versicherter oder sonstiger Leistungsempfänger mehr als andere Bürger der Preisgabe seiner personenbezogenen Daten ausgesetzt ist153. Das grundgesetzlich als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.v.M. 1 I GG) schützt den Einzelnen gegen den unbegrenzten Umgang mit seinen persönlichen Daten und gewährleistet die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen154. Eine Einschränkung des Rechts auf Informationelle Selbstbestimmung bedarf einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar und für den Bürger erkennbar ergeben155. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird durch die speziellen Vorschriften zum Schutz von Sozialdaten Rechnung getragen156, die im SGB I und im zweiten Kapitel des SGB X zu finden sind157. Gemäß § 35 I 1 SGB I hat jeder einen Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten – also die ihn betreffenden Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse (§ 67 I 1 SGB X)158 – und die den Sozialdaten gleichgestellten Betriebs- und Geschäftegeheimnisse (§§ 35 IV SGB I, § 67 I 2 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden159. Zu den Sozialdaten gehören insbesondere die Identifikationsdaten, sowie Daten über berufliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen, sowie Daten über dessen gesundheitliche Verhältnisse, zu denen auch Name und Anschrift der behandelnden Ärzte gezählt werden müssen160. Die Leistungsträger haben demgemäß sicherzustellen, dass die erhobenen Sozialdaten der Betroffenen nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Das Gesetz definiert diese Gewährleistung als Sozialgeheimnis161. 152

Waltermann § 19 Rdn. 578. BT-Drucks 8/4022 S. 80. 154 BVerfGE 65, 1, 41 ff. 155 BVerfGE 65, 1, 43 f. 156 Der Datenschutz wird allgemein durch das Bundesdatenschutzgesetz und durch die Datenschutzgesetze der Länder gewährleistet. Für den Bereich des Sozialdatenrechts gehen aber die besonderen Reglungen des SGB I und des SGB X dem BDSG und den Datenschutzgesetzen der Länder vor (siehe hierzu Waltermann § 19 Fn. 3 m.w.N.). 157 Muckel § 16 Rdn. 32. 158 Z.T. vereinfacht als „alle personenbezogenen Informationen“ bezeichnet, so Igl/Welti § 78 Rdn. 2. 159 Für die Krankenkassen ergeben sich Ausmaß und Umfang der Speicherung der Sozialdaten aus § 284 SGB V. 160 Ausführlich und mit weiteren Beispielen: Steinbach in Hauck/Noftz § 35 SGB I Rdn. 46. 161 Kritisch zu dem Begriff des Sozialgeheimnisses Waltermann § 19 Rdn. 580, der ausführt, dass die Kennzeichnung als Sozialgeheimnis in gewisser Weise ungenau sei, weil es bei den Sozialdaten i.S.v. § 67 I 1 SGB X nicht um geheime Daten gehen muss. Auch Daten wie Name, Vorname, Geburtsdatum und Arbeitgeber (vgl. § 68 I SGB X) unterliegen dem Sozi153

A. Das Ermittlungsverfahren

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(b) Grenzen des Umgangs mit Sozialdaten Die Grenzen befugten Umgangs mit Daten i.S.d. § 35 SGB I sind in den §§ 67 ff. SGB X im Einzelnen geregelt. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ist gemäß § 35 II SGB I nur unter den Voraussetzungen dieser Bestimmungen zulässig. Um die verfassungsrechtlich abgesicherte Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden, sicherzustellen162, dürfen Sozialdaten grundsätzlich nur erhoben werden, wenn dies zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist163. Weiterhin dürfen die Daten auch nur bei dem Betroffenen erhoben werden (§ 67 a SGB X)164. Die Verarbeitung (§ 67 VI SGB X) und die Nutzung (§ 67 VII SGB X) von Sozialdaten ist entweder mit einer den besonderen gesetzlichen Anforderungen genügenden Einwilligung des Betroffenen oder auf Grundlage einer besonderen gesetzlichen Befugnis zulässig. Gemäß § 67 b I SGB X kann sich diese gesetzliche Befugnis aus den §§ 67 c ff. SGB X oder aus anderen Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs ergeben. (c) Die Übermittlung von Sozialdaten Der Übermittlung von Daten an Dritte ist in diesem Bereich, als besonders sensible Unterform der Verarbeitung der Sozialdaten165, ein Sonderstatus einzuräumen. § 67 d SGB X statuiert ein Verbot mit Erlaubnis- bzw. Einwilligungsvorbehalt166. Die Zulässigkeit der Übermittlung der Sozialdaten richtet sich neben der Grundnorm des § 67 b SGB X nach den §§ 67 d ff. SGBX. Hierbei ist jedoch stets zu beachten, dass die Übermittlung von Sozialdaten, die der betreffenden Stelle von einer Person zugänglich gemacht wurden, die einer nach § 203 I, III StGB sanktionierten Schweigeplicht unterliegt, nach § 76 I SGB X generell nur unter solchen Voraussetzungen zulässig ist, unter denen diese Person selbst zur Übermittlung befugt wäre167. Hat der Betroffene in eine Übermittlung nicht im Sinne des § 67 b I SGB eingewilligt, ist eine Übermittlung nur aufgrund von im Sozialgesetzbuch geregelten Übermittlungsbefugnissen zulässig (§ 35 I 1 SGB I, §§ 67 b I, 67 d I SGB X). Dies aldatenschutz. Anders verhält es sich bei den gleichgestellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, bei denen es auf einen Geheimnischarakter ankommt, vgl. § 67 I 2 SGB X. 162 Waltermann § 19 Rdn. 581. 163 An die Erforderlichkeit der Datenerhebung sind strenge Anforderungen zu stellen. So dürfen sich z. B. Krankenkassen nicht zum Zwecke der Mitgliederwerbung an Betriebe bzw. Arbeitgeber wenden, um Namen und Adressen von Auszubildenden und Berufsanfängern zu erhalten, um dann auf diese Person zuzugehen (BSG NJW 2003, 2932, 2932). 164 Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der Betroffene darüber informiert ist, dass eine Sozialbehörde Informationen über den ihn braucht und für welche Zwecke sie diese verwenden will (Muckel § 16 Rdn. 34 m.w.N.). 165 Waltermann § 19 Rdn. 582. 166 Muckel § 16 Rdn. 36 m.w.N. 167 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 22.

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Kap. 3: Der Strafprozess

gilt auch gegenüber Strafverfolgungsorganen. Das SGB X ist in diesem Fall als lex specialis zur Strafprozessordnung anzusehen168. Die allgemeinen prozessrechtlichen Offenbarungspflichten, die sich im Strafverfahren aus den §§ 94 ff. StPO oder § 161 StPO ergeben, entfallen gemäß § 35 III SGB I für die über § 35 SGB I geschützten Sozialdaten, soweit eine Offenbarung nicht nach §§ 67 – 77 SGB X zulässig ist169. Für die hier zu untersuchende Zusammenarbeit der Krankenkassen mit den Strafverfolgungsbehörden richtet sich eine mögliche Übermittlungsbefugnis – außerhalb der, in diesem Bereich schwer vorstellbaren, Einwilligung des Betroffenen – maßgeblich nach den §§ 68, 69, 71, 72, 73 SGB X. Diese Normen weisen verschiedene Voraussetzungen aus, sind aber grundsätzlich – soweit diese Voraussetzungen erfüllt werden – im Falle eines Informationsgesuchs, nebeneinander anwendbar, so dass sich die ersuchende Stelle auf die für sie günstigste Vorschrift berufen kann170. Eine Initiativübermittlung der Sozialbehörde ist hingegen nur nach den § 69 SGB X oder § 71 SGB X möglich171. Die Übermittlungsmöglichkeiten sind demnach in zwei Gruppen aufzuteilen. Auf der einen Seite ist die einleitend angedachte Kenntniserlangung von dopingbezogenen Unregelmäßigkeiten durch die Krankenkassen und eine hiermit verbundene Initiativanzeige der Sozialbehörde. Die zweite Gruppe bilden die Übermittlungsgesuche der Strafverfolgungsbehörden, die aber regelmäßig nur erfolgen werden, wenn bereits ein Anfangsverdacht besteht172. (d) Initiativübermittlungen von Sozialdaten durch die Krankenkassen Die §§ 69, 71 SGB X bieten den Krankenkassen die Möglichkeiten infolge der Kenntniserlangung einer Unregelmäßigkeit Sozialdaten an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. In dem hier zu untersuchenden Kontext der Dopingdelinquenz fällt der § 71 SGB X als Grundlage einer Initiativübermittlung für die Krankenkassen jedoch in der Regel weg. Nach § 71 I Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung der Sozialdaten zur Abwendung geplanter Straftaten nach § 138 StGB möglich. Da jedoch die in Betracht kommenden Dopingdelikte keine Katalogtaten des § 138 StGB sind, scheidet § 71 I Nr. 1 SGB X als Übermittlungsgrundlage aus. Eine Initiativübermittlung durch die Krankenkassen kann demgemäß lediglich nach § 69 SGB X, der eine Übermittlung für die Erfüllung sozialer Aufgaben ermöglicht, erfolgen. Im Sinne dieser Norm macht es keinen Unterschied, ob es sich um die Erfüllung von Aufgaben der übermittelnden Stelle oder um die Erfüllung von Aufgaben des Dritten, an den Daten übermittelt werden, handelt. Auch der Daten-

168

Ziebig NStZ 1999, 339, 339; hierzu auch: Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 22 ff. Ziebig NStZ 1999, 339, 339. 170 Rombach in Hauck/Noftz § 68 SGB X Rdn. 52 f., der auch im Einzelnen auf die teilweise vertretene Ansicht eingeht, §§ 72, 73 sein lex specialis zu § 68. 171 Rombach in Hauck/Noftz § 68 SGB X Rdn. 2. 172 Um diesen Themenbereich nicht künstlich aufzuteilen, soll auch die Möglichkeit der Ermittlungsgesuche der Strafverfolgungsbehörden bereits hier abgehandelt werden. 169

A. Das Ermittlungsverfahren

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umfang ist nicht abstrakt beschränkt, die Beschränkung ergibt sich vielmehr aus der Erforderlichkeit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit173. Eine Übermittlung der Krankenkassen kann für den Fall der Einleitung eines Strafverfahrens nicht auf der Grundlage des § 69 I Nr. 2 SGB X erfolgen, da hierunter lediglich die Übermittlung zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens fällt. Der Begriff des gerichtlichen Verfahrens umfasst in diesem Sinne nach ausdrücklicher gesetzlicher Klarstellung zwar auch das Strafverfahren, das gilt allerdings nur, soweit es sich hierbei um das gerichtliche Verfahren handelt („einschließlich“). Das außergerichtliche Strafverfahren, also vor allem das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder ihrer Hilfsorganisationen, wird von § 69 I Nr. 2 SGB X nicht erfasst174. Die Initiativübermittlung der Krankenkassen zur Anregung eines Ermittlungsverfahrens kann im Bereich der Dopingdelikte somit nur auf der Grundlage des § 69 I Nr. 1, 2. Alt SGB X erfolgen. § 69 I Nr. 1 SGB X ermöglicht in seiner zweiten Alternative eine Übermittlung der Sozialdaten, wenn dies für die Erfüllung sonstiger Aufgaben der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Die Norm stellt in dieser Alternative ebenfalls keine Anforderungen in Bezug auf den Dritten, an den Daten übermittelt werden. Insoweit können die Daten nicht nur an andere in § 35 SGB I genannten Stellen übermittelt werden, sondern auch an sonstige öffentliche Stellen. Hierunter fallen insbesondere auch Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit der Verfolgung von Straftaten, die den in § 35 SGB I genannten Stellen gegenüber begangen worden sind175. Wenn somit eine Straftat gegenüber der Krankenkasse begangen wurde, ist eine Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden möglich, eine diesbezügliche Pflicht kann sich aus dem oben beschriebenen176 § 197 a IV SGB V ergeben. In der Verschreibung eines Arzneimittels zu Dopingzwecken kann eine strafbare Handlung im Sinne des § 6 a I AMG begründet liegen. Diese Straftat wurde jedoch nicht im Sinne des § 69 I Nr. 1, 2. Alt. SGB X gegenüber der Krankenkasse begangen. Eine Strafbarkeit in diesem Sinne kann nur in dem medizinisch nicht indizierten Ausstellen eines Rezepts für ein Arzneimittel gesehen werden, welches dann zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet wird. Der Arzt verschreibt in einem solchen Szenario dem dopingwilligen Sportler ein Arzneimittel, das nicht dazu bestimmt ist, den Heilauftrag des § 2 I AMG zu erfüllen, sondern ausschließlich dem Zweck dienen soll, eine Leistungssteigerung bei dem Sportler hervorzurufen. Ein solches Handeln stellt eine Untreue (§ 266 StGB) des Arztes zum Nachteil der jeweiligen Krankenkasse dar177. Grund hierfür ist die besondere Stellung der Vertragsärzte 173

Rombach in Hauck/Noftz § 69 SGB X Rdn. 1. Rombach in Hauck/Noftz § 69 SGB X Rdn. 34; näher auf die Fragestellung eingehend Ziebig NStZ 1999, 339, 339 f.; a.A. wenig überzeugend AG Saarbrücken wistra 1997, 360, 360. 175 Rombach in Hauck/Noftz § 69 SGB X Rdn. 23. 176 Siehe oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) dd) (3). 177 BGH NStZ 2004, 568, 569; hierzu auch Herffs wistra 2006, 63 ff. 174

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Kap. 3: Der Strafprozess

gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse. Die Kassenärzte treten bei der Verordnung von Arzneimitteln als Vertreter der Krankenkassen auf und geben mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse Willenserklärungen zum Abschluss eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab178. Die Krankenkasse wird hierdurch verpflichtet, ein, aus medizinischer Sicht nicht erforderliches, Medikament zu zahlen. Der Vertragsarzt fügt der Krankenkasse durch den Missbrauch der Vertretungsmacht somit Nachteile im Sinne von § 266 I 1. Alt. StGB in Form der schadensgleichen Vermögensgefährdung zu179. Ein Dreiecksbetrug180 gemäß § 263 StGB gegenüber dem Apotheker und zu Lasten der Krankenkasse scheitert hingegen bereits an dem fehlenden Irrtum auf Seiten des Apothekers, da diesem keine Prüfungspflicht bezüglich der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Verordnung zukommt181. Durch die verwirklichte Untreue ist die Krankenkasse jedoch in einem solchen Fall gemäß § 69 I Nr. 1, 2. Alt. SGB X berechtigt, Sozialdaten an die Strafverfolgungsbehörden zu übersenden. Wie bereits beschrieben, ergibt sich der Umfang der zu übermittelnden Daten im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 69 SGB X aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit182. (e) Übermittlung von Sozialdaten aufgrund einer Anfrage der Strafverfolgungsbehörden Unabhängig von Initiativermittlungen der Krankenkasse können auch die Strafverfolgungsbehörden Sozialdaten anfordern, soweit dies – abgesehen von der erneut eher unwahrscheinlichen Einwilligung durch den Betroffenen (§ 67 b I 1 SGB X)183 – im Rahmen der Übermittlungsbefugnisse der §§ 67 ff. SGB X zulässig ist184. 178

BGH NStZ 2004, 568, 569; ausführlich eingehend auf die Eigenschaft des Vertragsarztes als Vermögensverwalter der Krankenkassen: Herrfs wistra 2006, 63, 64. 179 BGH NStZ 2004, 568, 569. 180 Auch ein Betrug zu Lasten des Apothekers kommt nicht in Betracht, da es hierfür an einer schadensgleichen Vermögensgefährdung fehlt. Der Apotheker, der sich an die ärztliche Verordnung hält, ist in seinem Vertrauen auf die Bezahlung des Kaufpreises geschützt wird. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die ärztliche Verordnung sachlich richtig ist (BGH NStZ 2004, 568, 568). 181 Herrfs wistra 2006, 63, 64, der ausführt, dass der Apotheker weder die Diagnose noch die vom Vertragsarzt indizierte Therapie kennt. Er ist nicht medizinischer Obergutachter und nicht medizinische Aufsichtsbehörde des Arztes, kann mithin keinem relevanten Irrtum unterliegen. Das Ergebnis dieser Frage hingegen offen lassend: BGH NStZ 2004, 568, 570, der weiter ausführt, dass selbst bei Annahme einer derartigen Strafbarkeit, eine solche hinter der vorangegangenen Untreue als mitbestrafte Nachtat zurücktreten müsste. 182 Ausführlich zu dem Übermittlungsumfang und der Erforderlichkeit: Rombach in Hauck/ Noftz § 69 SGB X Rdn. 54 ff. 183 Zur Einwilligung des Betroffenen: Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 23. 184 Besteht im Rahmen der grundsätzlich abschließenden Reglungen des SGB X kein Auskunftsanspruch, so ist auch eine Beschlagnahme der einschlägigen Unterlagen ausgeschlossen (OLG Celle NJW 1997, 2964, 2965). Des Weiteren ergibt sich aus § 35 III SGB I ein Zeugnisverweigerungsrecht zugunsten der Angestellten der Sozialbehörde (Meyer-Goßner § 161 Rdn. 6).

A. Das Ermittlungsverfahren

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Die Übermittlungsbefugnisse differenzieren, soweit es um die Offenbarung zu Zwecken der Strafverfolgung geht, teilweise nach der Art der zu offenbarenden Daten, teilweise nach dem Verfahrensgegenstand und stellen teilweise die Auskunftspflicht der Träger des Sozialgeheimnisses unter den Vorbehalt einer richterlichen Anordnung. § 68 I SGB X gibt den Strafverfolgungsbehörden185 einen Auskunftsanspruch, der sich inhaltlich auf die weniger sensiblen Daten beschränkt, jedoch nicht an eine richterliche Entscheidung gebunden ist. Voraussetzung für diesen Auskunftsanspruch ist, dass die Staatsanwaltschaft die Informationen nicht auf andere Weise beschaffen kann186. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen sind hingegen im Strafverfahren nicht anzuerkennen187. Sind die Voraussetzungen gegeben, besteht eine Auskunftspflicht für die Sozialbehörde188. Sie muss in der Folge die Identifikationsdaten des Betroffenen (Name, Geburtsdatum und derzeitige Anschrift), Kontaktierungsdaten (derzeitiger und künftiger Arbeitgeber) und die relevanten Daten über den derzeitigen Arbeitgeber des Betroffenen (Namen und Anschrift des derzeitigen Arbeitgebers) übermitteln189. Einige weitere Daten können darüber hinaus gemäß § 68 III SGB X übermittelt werden, wenn diese zur Durchführung einer Rasterfahndung erforderlich sind. Eine Übermittlung der Sozialdaten gemäß § 73 SGB X ist nach richterlicher Anordnung190 möglich. Der Umfang der zu übermittelnden Daten richtet sich hierbei nach der Schwere des Delikts. Nach § 73 I SGB X dürfen bei Verdacht eines Verbrechens oder einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung191, mit Ausnahme der oben beschriebenen Einschränkungen aus § 76 SGB X, alle Daten offenbart werden. Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Beschuldigten, sondern auch für Daten sonstiger Personen, die für das Verfahren in irgendeiner Form relevant erscheinen192. Bei Verdacht einer nicht von Abs. 1 erfassten Straftat gilt nach § 76 II i.V.m. § 72 I 2 SGB X hingegen eine Beschränkung auf Angaben über Vor- und Familiennamen, einschließlich früher geführter Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige und frühere Anschrift, derzeitige und frühere Arbeitgeber sowie über erbrachte und

185

Zu den hier erfassten Strafverfolgungsbehörden: Rombach in Hauck/Noftz § 68 SGB X Rdn. 18 ff. 186 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Fn. 114 m.w.N., was im Einzelnen darzulegen ist. 187 Rombach in Hauck/Noftz § 68 SGB X Rdn. 38 f.; Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 23. 188 Rombach in Hauck/Noftz § 68 SGB X Rdn. 2; Meyer-Goßner § 161 Rdn. 6. 189 Genauer eingehend auf den Übermittlungsumfang: Rombach in Hauck/Noftz § 68 SGB X Rdn. 29 ff. 190 Zu der Zuständigkeit für die richterliche Anordnung: Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 25. 191 Zu dem Begriff der Straftaten von erheblicher Bedeutung: Hauck/Noftz § 73 X Rdn. 16 ff. 192 OLG Karlsruhe NJW 2006, 3656, 3656 f.

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Kap. 3: Der Strafprozess

demnächst zu erbringende Geldleistungen. Liegt eine richterliche Anordnung vor, so ist die Sozialbehörde an diese gebunden193. Ob überdies noch eine Auskunftsverpflichtung aus § 69 SGB X für die Erfüllung sozialgesetzlicher Aufgaben abgeleitet werden kann, ist umstritten194. Teilweise wird hier angenommen, dass aus der Ermächtigung in § 69 I Nr. 1 SGB X, personenbezogene Daten zu offenbaren, soweit dies zur Erfüllung einer sozialgesetzlichen Aufgabe oder für die Durchführung eines damit zusammenhängenden gerichtlichen Verfahrens einschließlich eines Strafverfahrens erforderlich ist, eine Offenbarungspflicht für die Fälle der Aufklärung eines Arbeitsunfalles195, eines Betrugs durch Erschleichen von Sozialleistungen oder einer Straftat nach § 170 StGB hervorgeht196. Obwohl das Bundeskriminalamt nunmehr gemäß § 4 I Nr. 1 BKAG für Fälle international organisierten ungesetzlichen Handels mit Arzneimitteln zuständig ist, ist der § 72 SGB X im Bereich der Dopingverfolgung keine geeignete Übermittlungsbefugnis. Grund hierfür ist, dass die Norm ausschließlich für Übermittlungsgesuche im Bereich der Staatsschutzaufgaben einschlägig ist197. (4) Fazit Eine Übermittlung der Sozialdaten ist möglich, sobald die qualifizierte Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Sollte diese nicht vorliegen, hat die Krankenkasse gemäß § 69 I Nr. 1, 2. Alt SGB X die Möglichkeit Sozialdaten, in dem dort beschriebenen Umfang, auf eigene Initiative an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln, und so die eingangs beschriebenen198 entscheidenden Hinweise zur Aufdeckung von Fällen illegalen Dopingmittelhandels zu geben. Die Strafverfolgungsbehörden selbst haben mit § 68 I SGB X und § 73 SGB X grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten Sozialdaten bei der Krankenkasse anzufordern. Die Normen haben verschiedene Voraussetzungen, die sich letztendlich auf den Umfang der zu übermittelnden Daten auswirken. In allen Fällen ist die Einschränkung des § 76 SGB X zu beachten. ee) Strafanzeigen durch Banken wegen des Verdachts auf Geldwäsche Aus der staatsanwaltschaftlichen Praxis wird berichtet, dass die entscheidenden Hinweise für die Erlangung eines Anfangsverdachts im Bereich der Straftaten mit Dopinghintergrund teilweise von Banken kommen. Bei derartigen Fällen stellen die 193 194 195 196 197 198

Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 24. Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 23 m.w.N. LG Stuttgart NStZ 1993, 552 ff. Meyer-Goßner § 161 Rdn. 6. Rombach in Hauck/Noftz § 72 SGB X Rdn. 16. Siehe oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) dd).

A. Das Ermittlungsverfahren

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Banken eine Strafanzeige wegen Verdachts auf Geldwäsche, weil auffällige Überweisungen auf ausländische Konten registriert wurden. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung stellt sich sodann heraus, dass die Überweisungen zur Bezahlung von, über das Internet bestellten, Dopingmitteln aus dem Ausland erfolgten. Gemäß § 11 I GwG besteht für Banken eine Pflicht zur unverzüglichen Strafanzeige bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden, wenn sie Tatsachen feststellen, die darauf schließen lassen, dass eine Finanztransaktion einer Geldwäsche nach § 261 StGB dient oder im Falle ihrer Durchführung dienen würde199. Tatsachen in diesem Sinne sind alle Auffälligkeiten bei der Abwicklung von Finanztransaktionen oder Abweichungen vom gewöhnlichen Geschäftsgebaren der Wirtschaftsbeteiligten, sofern in ihnen ein Bezug zu Geldwäschetransaktionen im Sinne des § 261 StGB erkennbar wird200. Da keine Gewissheit über den Bezug zu einer Geldwäsche bestehen muss, sind die Voraussetzungen des § 261 StGB nicht im Einzelnen zu prüfen. Eine bloße Vermutung reicht hingegen nicht aus, weswegen konkrete (objektiv erkennbare) Anhaltspunkte z. B. für den Verdacht vorliegen müssen, dass die Transaktion die Tatsache verschleiert, dass der fragliche Gegenstand aus einem Verbrechen, einem Drogengeschäft oder einer anderen Katalogtat des § 261 StGB stammt201. Derartige objektive Anhaltspunkte können sich auf das Verhalten des zu Identifizierenden beziehen oder auf die Eigenheiten der Transaktion. Maßgebliche Kriterien sind daher Ungewöhnlichkeiten und Auffälligkeiten, die sich äußern können z. B. in der Undurchschaubarkeit der angetragenen Transaktion, in Besonderheiten des Kunden, dessen finanziellen und geschäftlichen Verhältnissen und der Herkunft der einzubringenden Vermögenswerte202. Eine Überweisung von Geldbeträgen in das Ausland kann demnach aus verschiedensten Gründen einen derartigen, eine Anzeigepflicht begründenden, Verdacht hervorrufen. Gründe hierfür 199

Der Eingriff des § 11 GwG in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich geschützten Interesses der Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung nur dann gerechtfertigt, wenn im Einzelfall ein hinreichender Anlass zur Weitergabe der Daten vorliegt. Dem ist bei der Beschränkung der Anzeigepflicht auf verdächtige Finanztransaktionen im Grunde Genüge getan (Fülbier in Fülbier/Aepfelbach/ Langweg § 11 Rdn. 19). 200 So die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (GwG), BT-Drucks 12/2704 S. 15. 201 Fülbier in Fülbier/Aepfelbach/Langweg § 11 Rdn. 52. 202 Fülbier in Fülbier/Aepfelbach/Langweg § 11 Rdn. 54; hierzu hat des Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen in Nr. 24 seiner Verlautbarung vom 30. 12. 1997 sowie vom 30. 03. 1998 beispielhaft drei Kategorien aufgeführt, bei denen eine gesteigerte Aufmerksamkeit des Institutsmitarbeiters gefordert ist: 1. Die Transaktion lässt keinen wirtschaftlichen Hintergrund erkennen und deren Umstände sind undurchsichtig; das betrifft insbesondere die Identität der an der Transaktion beteiligten Personen und den Zweck der Transaktion, 2. Die Art und Höhe, die Herkunft der Vermögenswerte oder der Empfänger der Transaktion passen nicht zu den dem Institut bekannten Lebensumständen oder zur Geschäftstätigkeit des Auftraggebers sowie 3. Die Transaktion wird über Umwege abgewickelt, die kostenintensiv und wirtschaftlich sinnlos erscheinen.

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Kap. 3: Der Strafprozess

können in den bisherigen Kontoaktivitäten des Kontoinhabers, in dessen Person oder auch in der stetigen Wiederholung derartiger Überweisungen liegen, sind jedoch letztlich einzelfallbezogen. Hat die Bank in Erfüllung ihrer Pflicht aus § 11 GwG eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Geldwäsche gestellt und ergeben die nachfolgenden Untersuchungen der Strafverfolgungsbehörden einen Verdacht auf dopingbezogene Delinquenz, so kann ein derartiges Ermittlungsverfahren jedoch nicht automatisch eingeleitet werden. Gemäß § 11 VI GwG darf der Inhalt der Strafanzeige nur für die in § 15 I, II 3 GwG bezeichneten Strafverfahren und für Strafverfahren wegen Straftaten, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, für Besteuerungsverfahren und für Aufsichtsaufgaben der zuständigen Behörden nach § 16 II GwG verwendet werden. Gemäß § 11 VI i.V.m. § 15 I, II 3 GwG ist eine Verwertung der Verdachtsanzeige möglich, wenn die maßgebliche Straftat eine Geldwäsche im Sinne des § 261 StGB ist oder in den Straftatkatalogen der §§ 129 a II, 261 I StGB genannt wird. Bei Taten nach §§ 6 a, 95 AMG handelt es sich jedoch nicht um derartige Katalogtaten. Eine Verwendung des Inhalts der Verdachtsanzeige kann im Bereich der Dopingdelinquenz somit nur erfolgen, wenn die in Frage stehende Straftat im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht ist. Für dopingbezogene Delikte bedeutet dies, dass ein Strafverfahren aufgrund einer Verdachtsanzeige gemäß § 11 I GwG nur durchgeführt werden kann, wenn der Verdacht eines besonders schweren Falls im Sinne des § 95 III Nr. 2 AMG besteht. Kommen im Rahmen eines auf andere Art und Weise eingeleiteten Ermittlungsverfahrens die Strafverfolgungsbehörden mit Auskunftsverlangen auf die Banken zu203, so können sich diese nicht auf ein sogenanntes „Bankengeheimnis“ berufen204. Eine Auskunftspflicht besteht hierbei gemäß § 161 StPO für öffentlichrechtliche Kreditinstitute205, also für den Geschäftsbereich der Landesbanken und für die überwiegend öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen206. Private Bankinstitute unterfallen hingegen, mangels Behördeneigenschaft, nicht dem § 161 StPO207. Ihnen gegenüber müssen und dürfen208 Strafverfolgungsorgane mit Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Zeugenvernehmungen vorgehen. Es ist jedoch anerkannt, 203 Auch hier soll der umgekehrte Fall, dass die Staatsanwaltschaft Informationen anfordert, aus Gründen der Vollständigkeit mit erläutert werden. 204 Meyer-Goßner § 161 Rdn. 4; dies als „völlig gesicherte Auffassung“ beschreibend: Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 27, Fn. 145 m.w.N.; dies aus dem Normgefüge der §§ 53, 97, 161 StPO ableitend: Kretschmer wistra 2009, 180, 180 f. 205 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 28; Meyer-Goßner § 161 Rdn. 4. 206 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 28, der jedoch Bedenken äußert, ob dies auch gelten muss, wenn diese Kreditinstitute im Rahmen der allgemeinen Bankgeschäfte und im Wettbewerb mit privatrechtlichen Instituten tätig werden. 207 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 28 a; Meyer-Goßner § 161 Rdn. 4. 208 Zu einem fehlenden Zeugnisverweigerungsrecht und einem dementsprechend nicht geltenden Beschlagnahmeverbot: Kretschmar wistra 2009, 180, 180 f.

A. Das Ermittlungsverfahren

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dass eine Bank ihren Kunden gegenüber zur Vermeidung der bevorstehenden strafprozessualen Zwangsmaßnahmen berechtigt ist209 und somit in der Regel die Auskunft freiwillig erteilen wird. Hierbei bestehen auch keinerlei datenschutzrechtliche Bedenken, da die Staatanwaltschaft über eine Beschlagnahme der Unterlagen bzw. die Vernehmung von Mitarbeitern als Zeugen ohnehin unbeschränkten Zugriff auf die betreffenden Daten hat210. ff) Whistleblowing Der Begriff des whistleblowing stammt aus dem englischen Sprachraum. Er wird dort definiert als: Bringing an activity to a sharp conclusion as if by the blast of a whistle (Oxford English Dictionary); Raising a concern about malpractice within an organization or through an independent structure associated with it (UK Committee on Standards in Public Life); Giving information (usually to the authorities) about illegal or underhand practices (Chambers Dictionary); Exposing to the press a malpractice or cover up in a business or government office (US, Brewers Dictionary); (origins) Police officer summoning public help to apprehend a criminal; referee stopping play after a foul in football211.

Man versteht unter whistleblowern im Allgemeinen somit Personen, die aus ethischen, moralischen oder persönlichen Gründen strafrechtlich relevante Sachverhalte aus internen Organisationen bekannt machen, die intern wegen fehlender Kontrolle und möglicherweise wegen Beteiligung von Vorgesetzten an den kriminellen Handlungen nicht aufgedeckt werden212. Der Begriff des whistleblowers in diesem Sinne stammt aus der Wirtschaftskriminalität und hierbei speziell aus der Korruptionsbekämpfung. Was unter dem Begriff der Korruption zu verstehen ist, ist nicht einheitlich geklärt213. Der Versuch einer Begriffsbestimmung führt über allgemeine Ausführungen zur Wortbedeutung214, zu Definitionen und Deutungen, die in verschiedenen Wissenschaftsbereichen entwickelt wurden215. Für den Bereich des Strafrechts definiert das vom Bundeskriminalamt herausgegebene Bundeslagebild Korruption diese als „Missbrauch eines 209 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 28 a; Meyer-Goßner § 161 Rdn. 4; Kretschmar wistra 2009, 180, 181 der ausführt, es wirdteilweise einschränkend gefordert, dass bereits eine konkrete Beschlagnahmeverordnung vorliegen muss. 210 Erb in Löwe/Rosenberg § 161 Rdn. 28 a. 211 Diese Definitionen stellt Guy Dehn, Director von Public Concern at Work, einer englischen Organisation zur Unterstützung von whistleblowern, zugleich Berichterstatter des OECD Reports PAC/AFF/LMP im März 2000 einem Bericht der OECD („Whistleblowing to combat corruption“) voran (Bannenberg S. 375). 212 Bannenberg S. 375. 213 Bannenberg S. 11; Vahlenkamp/Krauß S. 24. 214 Abgeleitet aus dem lateinischen corrumpere: Bestechlichkeit, Verderblichkeit, Sittenverfall. 215 Hierzu Ax/Schneider Rdn. 118 ff.; Bannenberg S. 12 m.w.N.

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Kap. 3: Der Strafprozess

öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines Anderen, auf dessen Veranlassung oder Eigeninitiative, zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten, mit Eintritt oder in Erwartung eines Schadens oder Nachteils für die Allgemeinheit (in amtlicher oder politischer Funktion) oder für Unternehmen (betreffend Täter als Funktionsträger in der Wirtschaft)“216. Korruptionsdelikte sind die Tatbestände der Wähler- und Abgeordnetenbestechung (§§ 108 b, 108 e StGB), der Submissionsabsprache (§ 298 StGB)217, der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299 ff StGB) und der Vorteilsannahme/Bestechlichkeit bzw. Vorteilsgewährung/Bestechung von Amtsträgern oder amtsnahen Personen (§§ 331 ff. StGB)218. Anhand dieser Normen lässt sich – vor allem bei den §§ 331 ff. StGB – eine kriminologische Besonderheit dieses Teilbereich der Delinquenz erkennen. Es handelt sich bei den meisten Korruptionsdelikten nicht um typische Täter-OpferKonstellationen, sondern um Tatbestände, die für Geber und Nehmer einen Strafverdacht begründen219. Den „aktiven“ Personen, die einen Vorteil gewähren oder bestechen, stehen „passive“ Personen, die einen Vorteil entgegennehmen oder sich bestechen lassen, gegenüber. Daraus folgt, dass – im Sinne der quasi-opferlosen Kriminalität220 – Strafanzeigen aus diesem Deliktsfeld sehr viel seltener sind, als bei typischen Täter-Opfer-Konstellationen, da sich kein „Opfer“ findet, das über ein ihm geschehenes Unrecht berichtet, sondern der Anzeigende sich in den meisten Fällen selbst dem Vorwurf einer Straftat aussetzt221. Neben drohenden strafrechtlichen Sanktionen, besteht für die Beteiligten einer Korruption weiter die Gefahr, sich Schadensersatzforderungen in zum Teil immenser Höhe auszusetzen222. Hierin ist bereits der maßgebliche Grund für die nahezu vollständige Abschottung der Beteiligten sowohl bei Planung und Durchführung der Tat, als auch in der Folgezeit zu erkennen223. Sowohl Geber als auch Nehmer einer Korruptionshandlung sind darauf bedacht, dass es keine Tatnachweise für ihre Handlungen gibt, weswegen es in strafprozessrechtlicher Hinsicht in der Regel keine Anzeigeerstatter, Zeugen oder schriftliche Hinweise für die Tathandlungen gibt. Es ist somit zu erkennen, dass es speziell in diesem Deliktsbereich wichtig ist, dass Personen, die die Interna kennen und deshalb über Korruptionssachverhalte Bescheid wissen, oder jedenfalls Verdachtsmomente kennen, ihre Kenntnisse von innen heraus den Verfolgungsbehörden oder auch der Öffentlichkeit mitteilen und so die Bekämpfung der Korruption er-

216 217 218 219 220 221 222 223

Lagebild Korruption 2009 – pressefreie Kurzfassung – S. 1. Bannenberg S. 13. Göppinger § 25 Rdn. 48. Bannenberg S. 59. So auch von Arnim in Korruption und Korruptionsbekämpfung 201, 201. Bannenberg S. 59. Vahlenkamp/Knauß S. 227. Vahlenkamp/Knauß S. 227.

A. Das Ermittlungsverfahren

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leichtern224. Für Personen, die auf diese Art und Weise auf mögliche Straftaten hinweisen, wurde der Begriff des whistleblowers entwickelt. Die Figur des whistleblowers ist jedoch nicht nur auf den Bereich der Wirtschaftskriminalität beziehungsweise auf die Korruptionsbekämpfung beschränkt. Auch in anderen Bereichen der Delinquenz mit vergleichbarer kriminogener Struktur kann das whistleblowing zur Kenntniserlangung von strafbaren Handlungen hilfreich sein. Wie bereits oben beschrieben225, weisen die strafrechtsrelevanten Handlungen im Bereich des Dopings derart vergleichbare Strukturen auf226. Auch hierbei handelt es sich um eine quasi-opferlose Kriminalität, auch hier fürchten die Beteiligten als Täter strafrechtlich belangt zu werden und fürchten darüber hinaus verbands- und zivilrechtliche Sanktionen. Aufgrund dieser Tatsachen bildet sich um den Sportler die oben beschriebene Schicksalsgemeinschaft, aus der zumeist keiner einen Grund sieht auszubrechen und die Handlungen publik zu machen. Umso wichtiger ist es, dass etwaige Dritte227, die Kenntnis von den Dopingaktivitäten erlangen, diese auch publik machen. Es wäre folglich ein Einfaches, auch im Bereich des Dopings auf die whistleblower zu setzen, um Licht in das Dunkle zu bringen228. Hierbei würden jedoch die Probleme übersehen, vor die whistleblower generell und speziell im Bereich des Dopings gestellt werden. Maßgebliches Problem der whistleblower ist, dass bei ihnen zumeist weniger die Zivilcourage gesehen wird, die sie bei der Aufdeckung von Missständen an den Tag legen, sondern dass sie, vor allem unter Kollegen, vielmehr als Denunziant, Moralist oder Wichtigtuer229 wahrgenommen und mit Titeln wie „Nestbeschmutzer“230 oder „Petzen“231 bedacht werden. Whistleblowern wird demgemäß intern zumeist nur wenig Glauben geschenkt, ihren Vorwürfen wird nicht nachgegangen232. Nach außen kommt es in der Folge nicht selten zu einer Verleumdungskampagne gegen den whistleblower233. Auch weitere Folgen, wie Entlassungen, Versetzungen, Gehalts-

224

von Arnim in Korruption und Korruptionsbekämpfung 201, 201. Siehe oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). 226 Auch von einer Vergleichbarkeit ausgehend: Rössner in Doping im Sport 118, 132. 227 In diesem Sinne wären unter Dritten vor allem Sportler oder deren Betreuer zu verstehen, die über Informationen von möglichen Dopingvergehen anderer Sportler oder Betreuer verfügen. 228 Die Figur des whistleblowers für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung befürwortend: Rössner in Doping im Sport 118, 132 f. 229 Bannenberg S. 378. 230 Bannenberg S. 378. 231 Rössner in Doping im Sport 118, 132. 232 Bannenberg S. 377. 233 Hierzu instruktiv ein Erfahrungsbericht des Journalisten Hans-Peter Martin, der als Abgeordneter Missstände innerhalb des Europäischen Parlaments aufgedeckt hat (in Korruption und Korruptionsbekämpfung 201, 202 ff.) und die Begleiterscheinungen des whistleblowings resignierend mit den „fünf E’s“ beschreibt: die Entscheidung es zu tun, die Enthüllung 225

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Kap. 3: Der Strafprozess

verlust oder Gehaltseinbußen, disziplinarrechtliche Maßnahmen und Ablehnung234, bis hin zu Gefahren für das eigene Leben235, sind nicht unüblich. Die Ablehnungshaltung der jeweiligen Täter ist leicht nachzuvollziehen. Eine mögliche soziologische oder psychologische Erklärung für die Ablehnungsreaktion unbeteiligter Kollegen, der Öffentlichkeit, und der Medien auf whistleblower könnte man aus Erfahrungen mit Denunzianten ableiten236. In vielen Fällen findet sich eine Motivation der Denunzianten darin, ihre privaten Konflikte mit Hilfe der mächtigen Instanz lösen zu wollen. Dabei kann es Personen geben, die eine bösartige Absicht haben und gerade negative Folgen für den Denunzierten ins Auge fassen. Sie nehmen eine persönliche Kränkung, einen privaten Konflikt oder Abneigung zum Anlass den Denunzierten mit einer fingierten oder auf Unrechtsmaßstäben beruhenden „Verfehlung“ anzuzeigen237. In diesem Sinne wird nicht selten von der Ablehnung des Denunziantentums auf die Ablehnung von whistleblowing geschlossen. Es ist demnach zu erkennen, dass ein whistleblower, der sich als Zeuge zur Verfügung stellt, Beweismaterialien aus internen Quellen übergibt, oder aufgrund der zunächst anonymen Anzeige als Hinweisgeber identifiziert wird, sich schnell in einer persönlich unangenehmen bis existenzgefährdenden Situation befindet. Aus diesen Gründen nehmen etliche potentielle whistleblower, die auf der einen Seite die erkannten Missstände nicht länger hinnehmen wollen, auf der anderen Seite aber die möglichen Konsequenzen erkennen, häufig davon Abstand, ihre Erkenntnisse kund zu tun. Die im Rahmen der Korruptionsbekämpfung erkannten Probleme, vor die whistleblower gestellt werden, müssen auch nahezu identisch für potentielle whistleblower im Bereich des Dopings angenommen werden. Auch hier besteht die selbst, die darauf folgende Einschüchterung, danach die Enttäuschung und am Schluss das Ergebnis. 234 Bannenberg S. 376. 235 Transparency International hat 2000 einen Preis vergeben, der unter anderem den Hinterbliebenen des getöteten argentinischen Anwalts Dr. Pochat überreicht wurde, um auf das Problem aufmerksam zu machen und die Betroffenen zu stärken. Am 4. Juni 1997 wurde Dr. Pochat erschossen, kurz bevor er seine umfangreichen Ermittlungen zu bedeutenden Korruptionsfällen zur Anzeige bringen konnte. Er war bekannt dafür, bedeutende Korruptionsfälle aufzudecken und wurde zur Bedrohung einflussreicher staatlicher Organisationen. Der Todestag des 4. Juni wurde offiziell zum „Anti-Corruption Day“ in Argentinien erklärt. Auch der Fall des Marokkaners Mustapha Adib wurde aufgegriffen, der sich als Militärangehöriger weigerte, an einem Benzinverkauf aus Armeebeständen im Zusammenwirken mit seinen Vorgesetzten zum privaten Nutzen teilzunehmen. Er informierte die oberste Militärbehörde, die Täter wurden auch verurteilt, er selbst hatte jedoch fortan nicht nur unter Schikanen und Versetzungen zu leiden. Als er Le Monde im Dezember 1999 ein Interview gab, wurde er zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und musste den Dienst quittieren. Das – nicht öffentliche – Gerichtsverfahren wurde von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert, weil sich unter den Richtern auch ein Militärangehöriger befand, gegen den Adib zuvor eine Beschwerde eingereicht hatte. 236 Bannenberg S. 378. 237 Bannenberg S. 379.

A. Das Ermittlungsverfahren

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Gefahr, von anderen, unerkannt dopenden, Athleten als Bedrohung gesehen und in der Folge ausgegrenzt zu werden. Aber auch die Ausgrenzung durch nicht dopende Kollegen erscheint möglich. Man stelle sich nur das Szenario vor, in dem ein Mannschafsportler den absoluten Leistungsträger des Teams denunziert, der daraufhin gesperrt wird, was der gesamten Mannschaft in der Folge die Chancen auf Titel und Prämien verbaut. Auch zivil- bzw. arbeitsrechtliche Folgen sind im immer professioneller organisierten Spitzensport denkbar. Besonders für Trainer und Betreuer drohen erhebliche Karriereeinbußen, wenn sie Dopingvergehen offenlegen238. Auch werden, vor allem bei Athleten, die Missstände offenlegen, in der Öffentlichkeit und der Presse deren Motivationen hinterfragt werden, da nicht auszuschließen ist, dass sich ein Sportler durch Beschuldigungen nur unliebsamer Konkurrenz entledigen will. Will man dementsprechend die theoretisch plausible Möglichkeit des whistleblowing für die Praxis fruchtbar machen, so kann dies – wenn überhaupt – nur über die Einführung verschiedener Schutzmechanismen funktionieren239. Rechtliche Verpflichtungen, whistleblower zu schützen, bestehen in Deutschland, anders als Beispielsweise in den USA, noch nicht240. Zu schaffende Reglungen müssten demgemäß dazu geeignet sein, einen whistleblower vor negativen Folgen seiner Aussagen zu schützen. Denkbar wäre dies im Rahmen des Verbandsrechts über ein Recht zur Offenbarung, das sich primär an die Verantwortlichen im Sportverband, sekundär an Ombudsmänner für Dopingfälle und erst tertiär bei Erfolglosigkeit an die Öffentlichkeit richtet. Der Dopingverdacht müsste hierbei durch Fakten belegt sein, und es muss sichergestellt werden, dass keine negativen Konsequenzen für den whistleblower entstehen241. Aber selbst bei Einführung derartiger Schutzreglungen, kann ein whistleblower nie vollständig vor negativen Folgen geschützt werden. Sollten Vorgesetzte dem whistleblower negativ gegenüber stehen, so lassen sich auch bei einem noch so streng regulierten Schutzsystem immer Möglichkeiten und Wege finden, einen whistleblower mit Repressalien zu belegen. So kann beispielshalber ein Fußballtrainer den Spieler immer auf der Bank belassen und dies mit schlechten Trainingsleistungen oder taktischen Zwängen begründen. Komplett geschützt werden kann ein whistleblower nie, doch alleine für die Möglichkeit, dass Schutzmechanismen potentiellen whistleblowern die Entscheidung zu einer Aussage erleichtern, wäre die Einführung derartiger Regeln wünschenswert.

238 Der Trainer Zdenek Zeman des italienischen Serie A Klubs AS Rom hatte im Jahr 1998 öffentlich auf die unnatürlich massiven Muskeln einiger zuvor verletzter Akteure (namentlich Alessandro del Piero und Gianluca Vialli) des Ligakonkurrenten Juventus Turin hingewiesen. Er wurde in der Folge entlassen und bekam jahrelang keinen Trainerposten mehr in der italienischen Serie A (siehe hierzu auch Krause in Prisma des Sportrechts 2006, 123, 126 ff.). 239 So Bannenberg S. 382 und Rössner in Doping im Sport 118, 132. 240 Siehe hierzu Bussmann/Matschke wistra 2008, 88, 93 f.; Klöbel JZ 2008, 1134 ff. 241 So der Vorschlag von Rössner in Doping im Sport 118, 132 f.

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Kap. 3: Der Strafprozess

d) Verfahrenseinleitung „auf andere Weise“ im Sinne des § 160 I StPO aa) Verfahrenseinleitung aufgrund proaktiven Verhaltens der Polizei – Initiativermittlungen Wie oben bereits angedeutet242, fällt die strafrechtliche Dopingverfolgung deliktsstrukturell in den Bereich der Kontrolldelikte243. Unter Kontrolldelikten in diesem Sinne sind Segmente der Delinquenz zu verstehen, bei denen die tatbestandlichen Handlungen im Verborgenen begangen werden und derentwegen Strafanzeigen in aller Regel nicht erstattet werden, weil sämtliche Beteiligten gleichgerichtete Interessen verfolgen244. Der Versuch, derart strukturierte Deliktsbereiche effektiv zu bekämpfen, kann demnach mit der „klassischen Strafverfolgung“ – wenn man unter dieser das Abwarten der Polizei auf Strafanzeigen des Geschädigten verstehen will245 – nicht erfolgreich unternommen werden. Die Aufklärung von Kontrolldelikten hängt vielmehr von der aktiven Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane ab, die hierbei aus eigener Entscheidung heraus versuchen, bestimmte Felder der Kriminalität aus dem Dunkelfeld in das Hellfeld zu transportieren246. Im Rahmen derartigen proaktiven polizeilichen Tätigwerdens, ist jedoch präzise zu differenzieren, warum und in welcher Art und Weise sie tätig wird, und – so es denn eine gibt –auf welcher rechtlichen Grundlage ihr Handeln basiert. Der Grund hierfür resultiert aus der Doppelfunktion, die der Polizei zukommt. Sie kann sowohl präventiv als auch repressiv tätig werden. Die präventive Tätigkeit dient zur Verhütung und Abwendung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und findet ihre Grundlage in dem Polizeirecht der Länder247. Die Verhütung von Straftaten in diesem Sinne erfasst Maßnahmen, die drohende Rechtgutsverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist248. Grundvoraussetzung für die Anwendung präventiver Maßnahmen ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr. Repressives 242

Oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). So auch Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 43; ders. SpuRt 2005, 141, 143; Körner KR 2003, 49, 51; König JA 2007, 573, 574; Rössner Doping im Sport 118, 126; weitere Bereiche der Kontrolldelikte sind vor allem die Drogenkriminalität, die Korruption, „politische Straftaten“, verschiedene Straßenverkehrsdelikte, Wirtschaftskriminalität und Umweltkriminalität (Eisenberg § 26 Rdn. 7). 244 König JA 2007, 573, 574; Es konnte oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb) bereits dargestellt werden, dass dies im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung der Fall ist. 245 So Rössner Doping im Sport 118, 126; Eisenberg § 26 Rdn. 7 beschreibt das Reagieren auf Anzeigen und Mitteilungen durch Strafverfolgungsbehörden als das Gegenteil von Kontrolldelikten. 246 Sasse KR 2000, 112, 114. 247 Kühne Rdn. 370; zu einzelnen polizeilichen Eingriffsbefugnissen in diesem Zusammenhang: Kühne Rdn. 378. 248 BVerfG, 1 BvR 668/04 vom 27. 07. 2005 Rdn. 69. 243

A. Das Ermittlungsverfahren

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Handeln dient hingegen der Aufklärung und Ahndung bereits begangener Straftaten249 und unterliegt der Herrschaft der StPO250. Das Handeln der Polizei als Strafverfolgungsbehörde nach den Regeln und auf Grundlage der StPO knüpft regelmäßig an einen Anfangsverdacht im Sinne des § 152 II StPO251. Präventive und repressive Tätigkeiten der Polizei haben demnach eine scheinbar klare Trennung voneinander erfahren252. Die hier zu untersuchenden proaktiven Ermittlungstätigkeiten der Polizei lassen sich jedoch nicht ohne weiteres in diese Kategorien einteilen. Derartige Initiativermittlungen dienen dazu, im Wege der Sachverhaltsaufklärung zu entscheiden, ob es jemals zum Vorliegen eines Anfangsverdachts kommen wird253. Diese, zumeist als „Vorfeldermittlungen“254 titulierten, Vorgehensweisen haben ihren Ursprung in der Verfolgung der ähnlich strukturierten Deliktsbereiche der Organisierten Kriminalität und der Betäubungsmittelkriminalität, bei denen derartiges Handeln bereits als unverzichtbar erachtet wird255. Speziell in dem Bereich moderner Banden und Organisierten Kriminalität hat man es mit Rechtsbrechern zu tun, die permanent gegen die Rechtsordnung verstoßen256. Das polizeiliche Einschreiten257 hat daher zugleich ein präventives, wie auch ein repressives Element. In zeitlicher Hinsicht ist das Handeln präventiv, da es vor der Begehung einer Straftat erfolgt258. Gegenständlich handelt es sich jedoch um eher repressives Tätigwerden der Polizei, da der Zweck der Sachverhaltsaufklärung in der Verwertung der Erkenntnisse für ein künftiges Strafverfahren, also in der Strafverfolgung, liegt259. Wenn diese Initiativermittlungen in der Folge als weder 249

Beulke Rdn. 103. Kühne § 23 Rdn. 370. 251 Erb in Löwe/Rosenberg Vor § 158 Rdn. 9, 12; grundlegend zum Anfangsverdacht siehe oben Kapitel 3 A. I. 1. a). 252 Dazu, dass bis Mitte der 80er Jahre noch eine klare Trennung bestand und sich die Grenzen erst in der Folgezeit vermischten: Müller StV 1995, 602, 602 f. 253 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 68, Fn. 157 m.w.N. 254 So Meyer-Goßner § 152 Rdn. 4 a; Kühne Rdn. 371; der Begriff wird jedoch nicht einheitlich verwendet, synonym werden die Begriffe Vorfeldaufklärung, vorbeugende Bekämpfung von Straftaten, Initiativermittlungen, Vorbereitung späterer Ermittlungsverfahren, Kontrolle im Vorfeld oder pro-aktive Polizeiarbeit verwendet (Zusammenstellung der Begrifflichkeiten bei Weitmeier/Ruhlich KR 1998, 91, 92); Erb in Löwe/Rosenberg Vor § 158 Rdn. 12 beschreibt die Vorfeldermittlungen als Ermittlungsmaßnahmen einer gewissen Eingriffsintensität, die ohne einen konkret umschriebenen gesetzlichen Anlass erfolgen; zu dem Ganzen noch grundlegend, wenn auch in Einzelfragen teilweise durch die neuere Rechtsentwicklung überholt: Weßlau. 255 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 68. 256 Kinzig S. 89. 257 Zu den wesentlichen Mitteln polizeilichen Einschreitens bei Vorfeldermittlungen: Weitmeier/Ruhlich KR 1998, 91, 92. 258 Kühne Rdn. 373. 259 So bezüglich der Datenerhebung der vorbeugenden Telefonüberwachung des § 33 a I Nr. 2, 3 des Niedersächsischen Polizeigesetzes: BVerfG, 1 BvR 668/04 vom 27. 07. 2005 Rdn. 100; so auch Kühne Rdn. 372. 250

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Kap. 3: Der Strafprozess

präventiv noch repressiv, sondern als operativ bezeichnet werden, dann ist das operative Ziel nicht darin zu sehen, eine oder einige bestimmte Täter festzustellen und abzuurteilen, sondern darin, eine kriminelle Organisation oder Bande umfassend in ihrer Aktivität zum Erlöschen zu bringen260. Dies kann auch ohne weiteres auf den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung übertragen werden, da auch hier zumeist von einer wiederholten Tatbegehung und einem bandenmäßig organisierten Täterkreis ausgegangen werden kann261. Wie derartige operative Initiativermittlungen rechtlich zu behandeln sind, ist umstritten. Soweit durch das proaktive Verhalten der Polizei nicht in Rechte Dritter eingegriffen wird, so kann eine Informationsbeschaffung der Polizei, jenseits von polizeilicher Gefahr und Anfangsverdacht, erfolgen262. Derartiges Handeln kann auf mannigfaltige Weise geschehen und hat im Rahmen herkömmlicher Prävention, beispielsweise durch Streifengänge in gefährlichen Gebieten263, eine lange Polizeitradition264. Sobald die Techniken der Informationseinholung jedoch in Grundrechte Dritter eingreifen, so gestaltet sich deren rechtliche Behandlung schwieriger. Teilweise wird angenommen, dass auch in diesen Fällen, wegen der Stellung als unverzichtbares Instrument der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, auf konkrete Gefahr bzw. Anfangsverdacht verzichtet werden kann265. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Mag dieser Gedanke aus Effektivitätsgesichtspunkten einleuchtend sein, so kann dies alleine jedoch nicht zur Legitimation ausreichen. Effektivität ist und war nie alleine Legitimationsgrundlage266. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Initiativermittlungen, die erheblich in Grundrechte eingreifen267, unter Geltung des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes, ohne das Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigung unzulässig sind268. Dies belegt bereits der Umkehrschluss aus den Ermittlungsgeneralklauseln der §§ 161, 163 StPO und den landespolizeilichen Generalklauseln nach dem Muster der §§ 1, 17 ASOG269. Sie vermögen unterhalb der Schwelle eines er260

Kinzig S. 89. Siehe hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, BT-Drucks 16/5526 S. 9. 262 Kühne Rdn. 375; Weßlau S. 336; so auch Soiné KR 1997, 252, 252, der die Erhebung und Nutzung der, von ihm als „Sachdaten“ titulierten, Daten als unproblematisch ansieht. Unter Sachdaten versteht er sachbezogene Informationen, die nicht mit einer natürlichen Person verknüpft sind und bei denen demnach keine Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht kommt. 263 Weßlau S. 336. 264 Kühne Rdn. 375. 265 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 69, Fn. 158 m.w.N. 266 Müller StV 1995, 602, 606. 267 Hier ist besonders an einen Eingriff in das, aus Art. 2 I i.V.m. Art 1 I GG hergeleitete, Recht auf informationelle Selbstbestimmung (hierzu BVerfGE 65, 1) zu denken. 268 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 71; Weßlau S. 336. 269 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 71. 261

A. Das Ermittlungsverfahren

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heblichen Grundrechtseingriffs verbleibende Grundrechtseingriffe zwar zu legitimieren, koppeln das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden aber an das Vorliegen eines Anfangsverdachts beziehungsweise einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne270. Letztlich nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auch für Ermittlungshandlungen, die nicht erheblich in Grundrechte Dritter eingreifen, eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist. Gemäß dem zentralen Grundgedanken des, aus Art. 20 III GG hervorgehenden271, Gesetzesvorbehalts soll für einseitige Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Staatsbürgers grundsätzlich ein Gesetz als rechtsstaatlich allgemeine und demokratisch-parlamentarisch legitimierte Reglung erforderlich sein272. Diese Formel wird durch die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Lehre273, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (Wesentlichkeitstheorie)274, erweitert275. In diesem Sinne kommt es regelmäßig darauf an, was „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“276 und somit gesetzlich zu regeln, und was in diesem Sinne als nicht mehr „wesentlich“ anzusehen ist. Die Kriterien für die Konkretisierung dessen, was als „wesentlich“ zu gelten hat, sind jedoch weder abschließend noch eindeutig geklärt277. Auch wenn vor allem die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme in Abhängigkeit von der Intensität des staatlichen Eingriffs in die Freiheit des Einzelnen278 und die Frage, ob das Staatshandeln bedeutsam für die Verwirklichung der Grundrechte ist279, als maßgebliche Abgrenzungskriterien herangezogen werden sollen, so ist zu erkennen, dass auch diese Kriterien keine klare Grenzziehung zulassen. Folglich kann, auch aufgrund des noch nicht hinreichend konkretisierten Begriffes der „Wesentlichkeit“, letztlich nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, ob Initiativermittlungen, die nicht erheblich in Grundrechte eingreifen, als nicht „wesentlich“ in diesem Sinne anzusehen sind, und ob dementsprechend auf eine gesetzliche Ermächtigung verzichtet werden kann280. Bis zur Klärung dieser Frage spricht Vieles dafür, für alle polizeilichen Initiativermitt-

270 271 272 273

311 ff. 274

Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 71, Rdn. 161 m.w.N. BVerfGE 40, 237, 248. BVerfGE 8, 155, 166 f. BVerfGE 47, 46, 79; 49, 89, 126 f.; 61, 260, 275; 84, 212, 226; 98, 218, 251; 108, 282,

BVerfGE 84, 212, 226. Jarass in Jarass/Peroth Art. 20 Rdn. 46 beschreibt die Wesentlichkeitstheorie als eine „Erweiterung“ des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts. 276 BVerfGE 98, 218, 251; 111, 191, 216 f. 277 Schulze-Fielitz in Dreier Art. 20 R Rdn. 113 Fn. 542 m.w.N. 278 BVerfGE 47, 46, 79; 49, 89, 127; 57, 295, 321; 62, 169, 182 f.; 98, 218, 252; 111, 191, 216 f. 279 BVerfGE 47, 46, 79; 98, 218, 251. 280 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn.72. 275

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Kap. 3: Der Strafprozess

lungen, die einen Grundrechtseingriff für Dritte mit sich bringen, eine gesetzliche Reglung zu fordern281. Demgemäß kommen der Polizei bei operativen Initiativermittlungen, neben den Maßnahmen ohne Grundrechtsrelevanz, nur diejenigen Kompetenzen zu, die ihnen derzeit aufgrund der geltenden Rechtslage zugesprochen werden. In diesem Sinne gewähren die Polizeigesetze des Bundes und der Länder der Polizei Eingriffsbefugnisse, die starke Parallelitäten zu den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen aufweisen282. Zwar dienen sie der polizeilichen Aufgabenerfüllung, also der Vorbeugung und Abwendung von Gefahren, haben aber wegen der neuen polizeilichen Aufgabe der Vorfeldermittlung auch unverkennbare Bezüge zur Strafverfolgung283. Strafprozessual können hier zusätzlich Zwangsmaßnahmen hinzukommen, die sich nicht gegen Verdächtige, sondern gegen Unverdächtige und Unbeteiligte richten. Die StPO stellt hierbei Unbeteiligte unter Vorverdacht. Diese Entwicklung hat mit der Einführung des § 111 StPO begonnen, ist weitergeführt worden durch die sogenannte Schleppnetzfahndung des § 163 d StPO, die dann in die Rasterfahndung der §§ 98 a ff. StPO führte und in der Verpflichtung von Unverdächtigen zur Abgabe von DNS-Proben zu Identifizierungszwecken, § 81 a StPO, ihr vorläufiges Ende gefunden hat284. Auch diese Maßnahmen können vor der Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch den Staatsanwalt vorgenommen werden. bb) Untersuchung der Möglichkeiten einer Verfahrenseinleitung durch das Bundeskriminalamt im Lichte der Änderung des BKAG Im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport wurde eine originäre Zuständigkeit des Bundeskriminalamts für den ungesetzlichen Handel mit Arzneimitteln in das BKAG eingeführt. Gemäß § 4 I Nr. 1 BKAG nimmt das Bundeskriminalamt nunmehr in Fällen des international organisierten ungesetzlichen Handels mit Arzneimitteln die polizeilichen Aufgaben wahr. Als Grund für die Einführung dieser Reglung werden die internationalen Aspekte des Dopingmittelhandels angeführt285. Kriminelle operieren demnach im Bereich des Arzneimittelhandels gezielt und bevorzugt außerhalb des nationalen Hoheitsgebiets, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die netzwerkartigen Strukturen haben vielfach internationale Hintergründe mit komplizierten Täter- und Tatzusammenhängen, die über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinausweisen. Eine 281

So auch Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 73. Einen Überblick über diese Eingriffsbefugnisse – deren Erläuterung hier den Rahmen sprengen würde – bei Kühne Rdn. 378 ff. 283 Kühne Rdn. 378; mit Zweifeln an der Kompetenzverteilung bezüglich dieser Normen: Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 73; zu der Kompetenzverteilung BVerfG, 1 BvR 668/ 04 vom 27. 07. 2005. 284 Kühne in Löwe/Rosenberg Einl. F. Rdn. 207. 285 Siehe hierzu BT-Drucks 16/5526 S. 8. 282

A. Das Ermittlungsverfahren

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Vielzahl der gefälschten und nicht verkehrsfähigen Arzneimittel sowie der entsprechenden Rohmaterialien werden im Ausland hergestellt und dann international gehandelt. Bedeutendste Handelsplattform ist das insofern grenzenlose Internet. Die hiermit erzielten illegalen Gewinne werden oft ausschließlich international gewaschen. Zur Sachverhaltsaufklärung sind demgemäß regelmäßig die Kenntnisse von Gesamtzusammenhängen und häufig eilige Feststellungen bei Polizeidienststellen im Ausland erforderlich, die das Bundeskriminalamt durch seine Zusammenarbeit auf der Ebene von Interpol und seinen engen Kontakten mit spezialisierten ausländischen Ermittlungsbehörden bieten kann286. Trotz der, gegenüber der Polizei andersartigen, Möglichkeiten der Strafverfolgung, ergeben sich für die Frage der Erlangung eines Anfangsverdachts keine Unterschiede. Die Ermittlungsbefugnisse bei Ausübung der Strafverfolgungskompetenz richten sich nach der Strafprozessordnung. Danach kann also auch das Bundeskriminalamt erst bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auf eine Straftat tätig werden287. Insbesondere ist es – ebenso wie die Polizei bei ihren Initiativermittlungen288 – zu Informationserhebungen mit unmittelbarer Eingriffswirkung gegenüber Personen im sogenannten Vorfeld der Strafverfolgung nicht befugt289. Dem Bundeskriminalamt verbleibt in diesem Bereich jedoch die Möglichkeit, Informationsbedürfnisse mit den Befugnissen der Zentralstelle (§§ 7 ff. BKAG) abzudecken290. cc) Verfahrenseinleitende Verdachtsgewinnung durch den Zoll Da viele Dopingmittel im Ausland hergestellt werden291, müssen diese zunächst nach Deutschland importiert werden. Geschieht dies durch einen Transporteur – also eine Person, die die Substanzen „eigenhändig“ an den Zielort verbringt –, wird sich ein solcher bei grenzüberschreitenden Reisen regelmäßig Einfuhrkontrollen ausgesetzt sehen, da der Warenverkehr über die Grenze des Zollgebiets der Europäischen Gemeinschaft, über die Grenzen von Freizonen im Sinne des Art. 167 III des Zollkodex292 in Verbindung mit Art. 799 a der Zollkodex-Durchführungsverordnung293 sowie über die Grenzen des deutschen Verbrauchsteuererhebungsgebiets 286

BT-Drucks 16/5526 S. 8. Ahlf/Daub/Lersch/Störzer § 4 Rdn. 3. 288 Siehe oben Kapitel 3 A. I. 1. d) aa). 289 Ahlf/Daub/Lersch/Störzer § 4 Rdn. 3. 290 Ahlf/Daub/Lersch/Störzer § 4 Rdn. 3. 291 Siehe hierzu BT-Drucks 16/5526 S. 8. 292 Zollkodex in diesem Sinne ist gemäß § 1 I 4 ZollVG die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG Nr. L 302 S. 1, 1993 Nr. L 79 S. 84, 1996 Nr. L 97 S. 38), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. EG Nr. L 311 S. 17), in der jeweils geltenden Fassung. 293 Zollkodex-Durchführungsverordnung in diesem Sinne ist gemäß § 1 I 5 ZollVG die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex 287

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Kap. 3: Der Strafprozess

gemäß § 1 I, II ZollVG von den Zollbehörden überwacht wird. Diese haben dafür Sorge zu tragen, dass die jeweiligen Abgaben korrekt entrichtet werden, sowie dafür, dass alle absoluten und relativen Verbote und Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Warenverkehr beachtet werden294. Die Zollverwaltung überwacht hierbei die Verkehrswege im Sine des § 2 ZollVG, auf denen Waren in oder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft oder aus den Freizonen des Kontrolltyps I verbracht werden, mit den hierfür in § 10 ZollVG normierten Befugnissen. Eine spezielle Aufgabe, die den, von dem Bundesministerium für Finanzen bestimmten, Zollbehörden gemäß § 74 AMG i.V.m. § 1 IV ZollVG zukommt, ist die Mitwirkung bei der Überwachung des Arzneimittelverkehrs, wodurch ihnen bei der Arzneimitteleinfuhr, -durchfuhr und –ausfuhr eine wichtige Stellung zukommt295. Wird bei derartigen Einreisekontrollen bei einem Transporteur eine nicht geringe Menge der Substanzen im Sinne des § 6 a II a AMG aufgefunden, so entsteht hierdurch ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 95 I Nr. 2 b, III AMG. Obwohl, anders als im BtMG296 und entgegen der ursprünglichen Forderung der Bundesregierung297, die Einfuhr von Arzneimitteln im Sinne des § 6 a II a AMG nicht pönalisiert wurde, werden über die Besitzstrafbarkeit bereits viele Einfuhrkonstellationen erfasst298. Der Besitz in diesem Sinne ist wie in § 29 I 1 Nr. 3 BtMG299 als Innehaben der Herrschaftsgewalt mit Besitzwillen zu verstehen300 und entspricht somit nicht dem Begriff des Besitzes im Sinne des Bürgerlichen Rechts, sondern dem Begriff des Gewahrsams im Sinne der §§ 242, 246 StGB301. Die h.A. erfasst hierunter auch den mittelbaren Besitz302. Da dementsprechend bereits der Fund einer nicht geringen Menge eines der im Anhang des AMG aufgeführten, inkriminierten Stoffe bei dem Täter, beziehungsweise in dessen Herrschaftsbereich für die Bejahung eines Anfangsverdachts ausreicht, kann ein solcher bei dem Fund derartiger Substanzen bei einer Kfz- oder Gepäckkontrolle schnell entstehen. Da die Substanzen zumeist von Privatpersonen importiert werden, wird deren Einfuhr regelmäßig gegen ein Einfuhrverbot verstoßen. Gemäß Abs. 7 der Dienstanweisung des Bundesministers der Finanzen zum Arzneimittelgesetz, dürfen Fertigarzneimittel von Privatpersonen nur in den nach § 73 II AMG in Betracht komder Gemeinschaften (ABl. EG Nr. L 253 S. 1, 1994 Nr. L 268 S. 32, 1996 Nr. L 180 S. 34, 1997 Nr. L 156 S. 59, 1999 Nr. L 111 S. 88), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 881/ 2003 der Kommission vom 21. Mai 2003 (ABl. EU Nr. L 134 S. 1), in der jeweils geltenden Fassung. 294 Körner § 21 BtMG Rdn. 4, 12. 295 So auch Freund in MüKo §§ 72 – 74 Rdn. 10; Rehmann § 74 Rdn. 1. 296 § 29 I Nr. 1 BtMG. 297 BR-Drucks 223/07, S. 2. 298 Jahn GA 2007, 579, 568. 299 Weber § 29 BtMG Rdn. 1169 ff. 300 Jahn GA 2007, 579, 586. 301 Hierzu Körner § 29 BtMG Rdn. 1379. 302 Jahn GA 2007, 579, 568.

A. Das Ermittlungsverfahren

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menden Fällen in den Geltungsbereich des Gesetzes verbracht werden. In der Regel wird der Import nicht unter diese Ausnahmetatbestände fallen, weswegen eine Weiterleitung der Waren und der dazugehörigen Verwaltungsvorgänge an die Polizei beziehungsweise die Staatsanwaltschaft gemäß § 12 ZollVG erfolgen kann. dd) Untersuchung der rechtlichen Möglichkeiten für staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen Der Sport hat in der modernen Gesellschaft eine besondere Bedeutung303. Neben der vor allem gesellschaftlichen und gesundheitlichen Bedeutung des aktiven Sports kommt auch der passiven Betrachtung des Profisports in Deutschland, wie auch in den meisten anderen Ländern, eine herausragende Stellung zu. Das gemeinsame Erleben sportlicher Wettkämpfe hat, vor allem bei der männlichen Bevölkerung, einen nicht zu unterschätzenden sozialen Aspekt. Ferner haben erfolgreiche Spitzensportler, besonders für Kinder und Jugendliche, eine Vorbildfunktion304. Durch das Interesse der Bevölkerung entwickelte sich auch ein großes mediales Interesse am Spitzensport und seinen Protagonisten. Hierin begründet liegt die Tatsache, dass Dopingfälle häufig zuerst durch die Medien publik werden. Erlangt die Staatsanwaltschaft auf diesem Wege Kenntnis von Dopingfällen305, wird ein Anfangsverdacht regelmäßig noch nicht zu bejahen sein, da in einer solchen Konstellation noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gegeben sind. Wird in einem Internet-, Zeitungs- oder Fernsehbericht ein Dopingfall offengelegt, so handelt dieser zumeist nur von einer positive Dopingprobe eines Sportlers, aus der, wie bereits oben dargestellt306, unmittelbar nur auf die vorherige Einnahme der jeweiligen Substanz oder eine Applikation durch Dritte geschlossen werden kann. Zwar kann dies genügen, um einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung anzunehmen307; es muss jedoch differenziert gesehen werden, wenn die Kenntnis über den Dopingfall auf einem Bericht aus den Massenmedien gründet. Obwohl teilweise angenommen wird, dass nahezu jeder Umstand oder jedes menschliche Verhalten als zureichender tatsächlicher Anhaltspunkt einer verfolgbaren Straftat im Sinne des § 152 II StPO qualifiziert werden kann308, konnte oben bereits aufgezeigt werden, dass es gewisse, nicht zu unterschreitende, Mindestan-

303 Diese wird auch von der Bundesregierung immer wieder betont, so auch in dem 11. Sportbericht der Bundesregierung vom 4. Dezember 2006 (BT-Drucks 16/3750 S. 11). 304 BT-Drucks 16/3750 S. 11. 305 Hierbei soll nicht auf die Frage der Pflicht zur Verfahrenseinleitung bei außerdienstlicher Kenntniserlangung eingegangen werden (hierzu Kühne Rdn. 315). 306 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa). 307 Siehe oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa). 308 Haas S. 93, begründete Kritik hieran übt Gössel GA 2005, 668, 669.

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Kap. 3: Der Strafprozess

forderungen für die Bejahung eines Anfangsverdachts gibt309, die durch Berichte in Massenmedien nicht erfüllt werden310. In einer solchen Situation, in der die Behörde weiß, dass sie noch nicht alles Notwendige zur Klärung der Verdachtsfrage weiß311, befindet sie sich sozusagen in einer Vorstufe der zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte312. In der Praxis werden zur Klärung der Frage, ob die vorhandenen Anhaltspunkte, solche mit einer zureichenden, den Verfolgungszwang des § 152 II StPO begründenden, tatsächlichen Grundlage sind, häufig sogenannte Vorermittlungen durchgeführt313. Derartige Vorermittlungen sind der StPO, anders als der Abgabenordnung314, jedoch grundsätzlich fremd315. Lediglich für den Spezialfall des Leichenfundes wurde in § 159 StPO eine Ermittlungskompetenz unterhalb der Schwelle des Anfangsverdachts kodifiziert, bei der es sich nicht um ein Ermittlungsverfahren im Sinne des § 160 StPO handelt316. Aus dieser Norm wird teilweise ein allgemeiner Rechtsgedanke hergeleitet, dass die Staatsanwaltschaft bei Kenntniserlangung von einem Sachverhalt, der noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte beinhaltet, weiter aufklären muss, ob sich der Anfangsverdacht begründen lässt317. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Wenn aus der Kodifizierung der Vorfeldermittlungen des § 159 StPO ein Schluss gezogen werden kann, dann – vor dem Hintergrund des Prinzips des Vorbehalts des Gesetzes – der Umkehrschluss, dass nur im Fall eines Leichenfundes Vorermittlungen zugelassen sein sollen, dass Vorermittlungen somit grundsätzlich die bestehende Schranke des Anfangsverdachts entgegensteht318. Trotzdem hält die herrschende Auffassung Vorermittlungen für zulässig319 und zieht aus § 152 II StPO teilweise gar eine Vorermittlungspflicht320. Das in § 152 II 309

Oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b). So auch Artzt S. 117; Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 74; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417. 311 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 74. 312 So bezeichnet von Lange DRiZ 2002, 264, 264. 313 Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 33 f.; Meyer-Goßner § 152 Rdn. 4 a; Beulke S. 311; Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 74 ff.; grundlegend dazu auch Haas und Artzt. 314 Für Steuerstrafverfahren gibt der § 208 I 1 Nr. 3 AO den Steuerfahndungsstellen die Kompetenz unbekannte Steuerfälle aufzudecken und auszuermitteln. 315 Beulke in Löwe/Rosenberg § 152 Rdn. 33; Beulke Rdn. 311; Jahn in Heghmanns/ Scheffler Kap. I Rdn. 75. 316 Meyer-Goßner § 159 Rdn. 1. 317 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 76; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Lange DRiZ 2002, 264, 265. 318 So auch Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 77. 319 LG Offenbach NStZ 1993, 506, 506; Meyer-Goßner § 152 Rdn. 4 a; Keller/Griesbaum NStZ 1990, S. 416, 417; Lange DRiZ 2002, 264, 265 Fn. 4 m.w.N.; dies auf Fallgruppen, bei denen die Bejahung eines Anfangsverdachts aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, beschränken wollend Beulke Rdn. 311. 320 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 76; Lange DRiZ 2002, 264, 264. 310

A. Das Ermittlungsverfahren

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StPO normierte Legalitätsprinzip soll hierbei die Staatsanwaltschaft, für den Fall, dass Umstände bekannt werden, die selbstständig noch keinen Anfangsverdacht begründen, einer Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit unterstellen321. Demgemäß müsste der § 152 II StPO so verstanden werden, dass neben der Pflicht der Staatsanwaltschaft einzuschreiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, ebenso eine Pflicht zur Prüfung der Frage, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, besteht322. In der Tat sprechen rein logische Gesichtspunkte dafür, einer solchen Auslegung zuzustimmen323, denn wenn die Staatsanwaltschaft die genannte Schranke des Anfangsverdachts überwinden muss, dann ist eine Überprüfung der vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte auf die Frage hin, ob sie zureichend im Sinne der Norm sind, zwingend erforderlich. Wird des Weiteren der Schutz vor der stigmatisierenden Wirkung des Ermittlungsverfahrens als Begründung für das Erfordernis von Vorfeldermittlungen angeführt324, so mag dies als praktische Erwägung verständlich sein, kann aber bei Ermittlungen gegen Prominente, wie beispielsweise Spitzensportler, nicht gelten. Sobald der Öffentlichkeit erst einmal bekannt wird, dass Vorermittlungen geführt werden, ist nicht anzunehmen, dass der Stigmatisierungseffekt eines solchen Vorermittlungsverfahrens geringer ist als bei der Mitteilung, dass gegen einen bestimmten Prominenten ein Ermittlungsverfahren geführt wird325. Es muss bezweifelt werden, ob die Öffentlichkeit und vor allem die Boulevardmedien subtil zwischen Vorermittlungen und Ermittlungen unterscheiden326. Aufgrund der angestellten Erwägungen, aber unter Beachtung der bestehenden Schranke des Anfangsverdachts, ist bei der rechtlichen Zulässigkeit von Vorermittlungsmaßnahmen nach der Eingriffsintensität zu differenzieren327, da bei der Vornahme tatsächlicher Vorermittlungshandlungen regelmäßig Rechte oder rechtlich geschützte Interessen des Einzelnen betroffen werden, es aber keine ausdrücklichen gesetzlichen Reglungen hierfür gibt. Demgemäß kann pauschal davon ausgegangen werden, dass schwerwiegende oder tiefgreifende Grundrechtseingriffe nicht zulässig sind328. Andere Eingriffe, vor allem solche, die nur mit einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einhergehen, sind hingegen zulässig329. Unter derartige Maßnahmen fallen vor allem Ermittlungen, die sich auf allgemein zugängliche Tatsachen beziehen, wie beispielsweise die Internetrecher321

Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 76; Lange DRiZ 2002, 264, 264. Lange DRiZ 2002, 264, 265. 323 So auch Lange DRiZ 2002, 264, 266. 324 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 77; Kühne Rdn. 320.1; Lange DRiZ 2002, 264, 264. 325 Haas S. 50; a.A. Lange DRiZ 2002, 264, 270. 326 Haas S. 50. 327 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 78; Lange DRiZ 264, 270 f. 328 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 78; Lange DRiZ 264, 270 f. 329 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 78; Lange DRiZ 264, 270 f. 322

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Kap. 3: Der Strafprozess

che330, ferner die Einholung behördlicher Auskünfte, die Einsichtnahme in Akten und ähnliche interne Ermittlungsmaßnahmen331. ee) Untersuchung der rechtlichen Möglichkeiten für Verdachtsaufklärungen im Umfeld durch Strukturverfahren Laut dem Bundeslagebild des Bundeskriminalamts 2009332, sowie der gleichlautenden Nr. 2.1 der Anlage E zur RiStBV, ist unter Organisierter Kriminalität die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen (Alternative a), unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel (Alternative b) oder unter Einflussnahme auf Politiker, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft (Alternative c) zusammenwirken, zu verstehen. Für die Qualifizierung kriminellen Verhaltens als Organisierte Kriminalität müssen alle generellen und zusätzlich mindestens eine der speziellen Merkmale der Alternativen a, b oder c der OK-Definition vorliegen333. Ähnlich der Betäubungsmitteldelinquenz334 werden Arzneimittel, die zu Dopingzwecken im Sport verwendet werden sollen, häufig im Zusammenwirken mehrerer Personen, über netzwerkartige Strukturen, zur Schaffung einer fortgesetzten Einnahmequelle vertrieben und können somit dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugeordnet werden335. Demgemäß kann bei der Strafverfolgung auf bewährte, für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität entwickelte, modi operandi zurückgegriffen werden. Im Bereich der Erlangung des Anfangsverdachts kommt hierbei insbesondere das, von der Strafprozessrechtswissenschaft noch kaum beachtete, Phänomen der sogenannten Strukturverfahren336, in Betracht. Unter Strukturverfahren sind Ermittlungen zu verstehen, die weniger der näheren Aufklärung eines konkreten Anfangsverdachts, als vielmehr der Ermittlung und/oder näheren Abklärung einer vermuteten kriminellen oder doch zumindest kriminogenen Struktur im organisationsverdächtigen Vorfeld dienen337. Es richtet sich maßgeblich nicht gegen den Beschuldigten, sondern soll dazu dienen, weitere Straftaten durch das Aufdecken von Täterstrukturen zu erkennen und nachzuweisen sowie Hinter330

Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 80. Lange DRiZ 2002, 264, 270. 332 Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2009 – Pressefreie Kurzfassung – S. 9. 333 Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2009 – Pressefreie Kurzfassung – S. 10. 334 Der Rauschgifthandel und -schmuggel bildet mit einem Anteil von über 40 % nach wie vor den größten Anteil an der Organisierten Kriminalität in Deutschland (Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2009 – Pressefreie Kurzfassung – S. 20). 335 So auch die Begründung zur Einführung des besonders schweren Falls des § 95 III AMG (BT-Drucks 16/5526 S. 9). 336 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 82. 337 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 82. 331

A. Das Ermittlungsverfahren

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leute und Drahtzieher zu identifizieren338.Ein derartiges Strukturverfahren kann auf diesem Wege somit Verdachtsmomente liefern, die einen Anfangsverdacht für weitere Strafverfahren begründen können. Ermöglicht werden polizeiliche Strukturermittlungen erst durch die Zubilligung weiter Einschätzungsprärogative bei der Verdachtsbejahung und die fehlende Kontrolle polizeilicher Ermittlungstätigkeit nach Vergabe eines Aktenzeichens durch die Staatsanwaltschaft, weswegen in der Polizeipraxis wie selbstverständlich von der Zulässigkeit derartiger Maßnahmen ausgegangen wird339. Da sich aber polizeiliche Ermittlungen auf die für die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale maßgebenden äußeren und inneren Tatsachen und Vorgänge zu konzentrieren haben und überflüssige, für die zu klärende Straftat nicht relevante Ausforschungen zu unterlassen sind, wird eine Grenze der Zulässigkeit von Strukturermittlungen dort zu ziehen sein, wo auch die Einschätzungsprärogative der Strafverfolgungsbehörden bei der Verdachtsschöpfung ausnahmsweise überschritten ist340. ff) Verfahrenseinleitende Hinweise durch Arzneimittelüberwachungsbehörden Die entscheidenden Hinweise zur Erlangung eines Anfangsverdachts können auch von den Arzneimittelüberwachungsbehörden kommen. Die Arzneimittelüberwachung ist in den §§ 64 ff. AMG geregelt und findet ihren Zweck darin, die Ziele des AMG – die Sicherheit des Verkehrs mit Arzneimitteln und die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Tierarzneimitteln – zu verwirklichen341. (1) Zuständigkeit Die Überwachung nach §§ 64 ff. AMG ist Aufgabe der Bundesländer, die in eigener Zuständigkeit ausgeführt wird (Art. 83 GG). Welche Behörden für die Durchführung der Überwachung zuständig sind, bestimmt sich nach Landesrecht, was teils durch Rechtsverordnung, teils durch Verwaltungsvorschriften oder Runderlasse geschehen ist. In der Regel ist die mittlere Verwaltungsebene zuständig (Regierungspräsident), in Nordrhein-Westfahlen zusätzlich für die Überwachung des Einzelhandels auch die Kommunalebene (Kreise und kreisfreie Städte), in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg der zuständige Senator, im Saarland der zuständige Minister sowie in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

338

Forstenhäusler KR 1999, 738, 739. Von Denkowski KR 2004, 369, 370 f.; Forstenhäusler KR 1999, 738, 739, 743, der Strukturermittlungen als eines der Module einer modernen und erfolgsversprechenden OKBekämpfung bezeichnet. 340 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. I Rdn. 83 f. 341 Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 11. 339

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Kap. 3: Der Strafprozess

die Arzneimittelüberwachungsstellen342. Die für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständigen Behörden, Stellen und Sachverständigen werden im Einzelnen durch das Bundesministerium für Gesundheit bekanntgemacht343. (2) Regelüberwachung im Sinne des § 64 AMG Im Rahmen der Überwachungstätigkeit ist zwischen Regelüberwachung im Sinne des § 64 III 2 AMG und der sogenannten Anlassüberwachung344 zu unterscheiden. Der kontinuierlichen Regelüberwachung unterliegen Betriebe, Einrichtungen und Personen, die Tätigkeiten ausüben, die in § 64 I AMG aufgeführt sind und diese Tätigkeiten nach § 67 AMG angezeigt haben, denen die Ausübung dieser Tätigkeit erlaubt worden ist, so dass sie von einer Anzeige im Sinne des § 67 IV AMG freigestellt worden sind345 oder bezüglich derer stichhaltige, tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines überwachungspflichtigen Sachverhalts existieren346. Gemäß § 64 I AMG werden demnach Betriebe und Einrichtungen der Überwachung unterworfen, in denen Arzneimittel hergestellt, geprüft, gelagert, in den Verkehr gebracht, auf sonstige Weise gehandelt, entwickelt, klinisch geprüft oder einer Rückprüfung unterzogen werden347, sowie in denen zur Anwendung bei Tieren bestimmte Arzneimittel erworben oder angewendet werden. Betriebe in diesem Sinne sind von der Rechtsform unabhängige, planmäßig nicht nur vorübergehend zusammengefügte Einheiten von Personen, Räumen und Sachmitteln unter einheitlicher Leitung mit dem arbeitstechnischen Zweck, bestimmte Leistungen hervorzubringen oder zur Verfügung zu stellen348. Der Betriebsbegriff setzt dabei die Gewerbsmäßigkeit nicht zwingend voraus, auch karitative oder zur Selbstversorgung eines größeren Personenkreises bestimmte Betriebe sind denkbar349. Einrichtungen sind Stellen, in denen die genannten Tätigkeiten ebenfalls durchgeführt werden, ohne dass sie als Betriebe oder Betriebsstätten zu qualifizieren sind350. Der Überwachung 342

Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 6. „Verzeichnis für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständigen Behörden, Stellen und Sachverständigen“, abgedruckt in Kloesel/Cyran A 2.5. 344 So bezeichnet in Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a. 345 Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a. 346 Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a; Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping in Hauptmann SpuRt 2005, 239, 240. 347 Warum der Gesetzgeber eine Trennung der Handlungsmodalitäten zwischen § 64 I 1. Hs. AMG und § 64 I 2. Hs. AMG vorgenommen hat, bleibt unverständlich (Lippert in Deutsch/ Lippert § 64 Rdn. 7) und hat rechtlich keinerlei Auswirkungen. 348 Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 5. 349 Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 15; a.A., wenig überzeugend Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 5, der übersieht, dass ein Ausschluss karitativer o. ä. Betriebe, dem Gesetzeszweck, nämlich der Sicherheit des Verkehrs mit Arzneimitteln und der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, den er selbst in § 64 Rdn. 11 zur Begründung der Arzneimittelüberwachung des § 64 AMG heranzieht, zuwiderlaufen würde. 350 Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 6. 343

A. Das Ermittlungsverfahren

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unterliegen somit insbesondere alle Hersteller von Arzneimitteln, Vertriebsunternehmer, Großhändler, Prüfungseinrichtungen, Apotheken351, Blutbanken, Drogerien, Reformgeschäfte und sonstige Vertriebsunternehmen, die Arzneimittel abgeben, z. B. Warenhäuser und Supermärkte352. Neben Betrieben und Einrichtungen unterliegen gemäß § 64 I 4 AMG auch Personen der Überwachung, welche die in § 64 I 1 AMG auf Arzneimittel gerichteten Tätigkeiten berufsmäßig ausüben, ohne einen Betrieb zu unterhalten oder als Einrichtung zu gelten. Erfasst werden hiervon vor allem Tierärzte mit einer tierärztlichen Hausapotheke oder Pharmaberater, die Arzneimittelmuster lagern und an Angehörige der Heilberufe abgeben353. Ärzte unterliegen als Personen der Überwachung, wenn sie eine der Tätigkeiten der Betriebe und Einrichtungen berufsmäßig ausüben oder Arzneimittel für andere sammeln oder klinische Prüfungen durchführen354. Ferner werden Personen, die Arzneimittel mit sich führen, ohne sie für den Eigenbedarf zu nutzen, erfasst. Dies gilt beispielsweise für Personen, die mit einer den persönlichen Eigenbedarf übersteigenden Menge von Arzneimitteln am Körper, in Behältnissen oder in einem von ihnen benutzten Kraftfahrzeug angetroffen werden355. Von der Arzneimittelüberwachung des § 64 AMG werden demnach nahezu lückenlos alle Bereiche der Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs der Arzneimittel erfasst. Im Rahmen dieser Überwachung können leicht Verdachtsmomente für eine Strafbarkeit im Sinne der §§ 6 a, 95 AMG entstehen. Orte, an denen derartige Verdachtsmomente in besonderer Häufigkeit erlangt werden könnten, sind naturgemäß Wettkampfstätten und Fitnessstudios. Ob diese einer Regelüberwachung im Sinne des § 64 III 2 AMG unterliegen, ist nicht hinlänglich geklärt. Um erfasst zu werden, müssten sie eine der in § 64 I AMG genannten Tätigkeiten ausüben. Des Weiteren müsste die Behörde, da regelmäßig keine Anzeige gemäß § 67 AMG oder Freistellung gemäß § 64 IV AMG vorliegen wird, handfeste Anhaltspunkte dafür vorlegen können, dass Sachverhalte im Sinne des § 64 I 1 AMG gegeben sind. Die Überwachungsmittel nach §§ 64 ff. AMG können nicht eingesetzt werden, um das Vorliegen der Voraussetzungen der arzneimittelrechtlichen Überwachung überhaupt erst festzustellen356. Die Beweislast für die Anwendbarkeit der arzneimittelrechtlichen Überwachungsvorschriften und für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen liegt insofern bei der zuständigen Behörde357.

351 352 353 354 355 356 357

Rehmann § 64 Rdn. 2. Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 14. Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 17. Hart MedR 1993, 207, 212. Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 26. BVerwG Urteil des 3. Senats vom 18. März 2004 – BverwG 3 C 16.03, S. 11. Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Die Wettkampfstätten an sich werden demgemäß einer Regelüberwachung in der Regel nicht unterliegen können358. Zwar werden bei Wettkampfstätten regelmäßig Arzneimittel, zur legalen Behandlung von Verletzungen der Athleten gelagert und an diese abgegeben. Wettkampfstätten sind jedoch zumeist nur vorübergehend eingerichtet und unterfallen somit nicht den Voraussetzungen, die an Betriebe und Einrichtungen im Sinne des § 64 AMG zu stellen sind. Einer arzneimittelrechtlichen Überwachung kann bei Wettkämpfen zwar der jeweilige offizielle Wettkampfarzt unterliegen, jedoch werden von diesem üblicherweise nicht die dopingstrafrechtlich relevanten Handlungen vorgenommen. Auch eine generelle Regelüberwachung von Fitnessstudios kommt nicht in Betracht. Bei Fitnessstudios besteht zwar nach gesicherten empirischen Erkenntnissen sowohl hinsichtlich der Verbreitung als auch der Zahl Dopingmittel einnehmender Besucher ein immens großes Dunkelfeld359, weswegen die Bejahung eines, gegebenenfalls sogar gewerblichen Lagerns, Inverkehrbringens oder Handeltreibens bei einzelnen Fitnessstudios sicherlich leicht vorgenommen werden kann. Auf der Grundlage dieser Überlegungen basiert wahrscheinlich auch die Nr. 5.1.1 der niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben auf pharmazeutischen Gebiet, aufgrund derer Fitness- und Bodybuilding-Zentren als Betriebe, die Arzneimittel an Endverbraucher abgeben, in diesem Bundesland der Überwachung unterliegen. Diese Verwaltungsvorschrift ist jedoch rechtlich zu beanstanden. Die „gesicherten empirischen Erkenntnisse“ über das Dunkelfeld werden regelmäßig nicht den Anforderungen an die handfesten Anhaltspunkte, die für eine Regelüberwachung vorausgesetzt werden, genügen können. Wenn derartige gesicherte Erkenntnisse vorliegen, dass in manchen – oder sicherlich auch vielen – Fitnessstudios derartige Arzneimittel gelagert, verkauft und auch konsumiert werden, so gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass derartiges Handeln in allen Fitnessstudios vorgenommen wird. Speziell vor dem Hintergrund der, mit einer Regelüberwachung einhergehenden, teilweise erheblichen, Grundrechtseingriffe360, müssen erhöhte Anforderungen an die tatsächliche Grundlage für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 I AMG zu stellen sein. Eine derartige, alle Fitnessstudios einer Regelüberwachung aussetzende, Grundlage muss demzufolge hier verneint werden361. Obwohl dies sicherlich wünschenswert wäre362, können demnach weder 358

So auch die Rechtskommission des Sports gegen Doping in deren Abschlussbericht, deren Zusammenfassung bei Hauptmann in SpuRt 2005, 239, 240. 359 Rechtskommission des Sports gegen Doping, Hauptmann SpuRt 2005, 239, 240. 360 V.a. der Eingriff in das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG durch das Betretungs- und Besichtigungsrecht des § 64 IV Nr. 1 AMG. 361 Diese Frage offen lassend: Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping in Hauptmann SpuRt 2005, 239, 240 f. 362 So auch die Rechtskommission des Sports gegen Doping (bei Hauptmann SpuRt 2005, 239, 240 f.), welche sich für die Aufnahme der Fitnessstudios und ähnlicher Betriebe in § 64 I 1 AMG aussprach. Die Norm sollte hierbei mit folgendem Wortlaut ergänzt werden: „Satz 1 gilt ferner auch für gewerbliche Betriebe und Einrichtungen, die ein Körpertraining anbieten (Fitnessstudios).“

A. Das Ermittlungsverfahren

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Wettkampfstätten noch Fitnessstudios nach Maßgabe und mit den Mitteln der arzneimittelrechtlichen Regelüberwachung von den zuständigen Behörden kontrolliert werden. (3) Befugnisse der Überwachungsbehörden im Rahmen der Regelüberwachung Die den Überwachungsbehörden im Einzelnen zustehenden Befugnisse und die spiegelbildlich bestehenden Duldungs- und Mitwirkungspflichten gemäß § 66 AMG ergeben sich aus § 64 IV AMG363. § 64 IV Nr. 1 AMG gestattet das Betreten und Besichtigen von Grundstücken, Geschäfts- und Betriebsräumen, von Beförderungsmitteln, sowie – zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung – auch das Betreten von Wohnräumen, in denen eine Tätigkeit nach Abs. I ausgeübt wird364. § 64 IV Nr. 2 AMG gibt den Untersuchungsbehörden das Recht, alle Geschäftsunterlagen einzusehen, die sich auf die Tätigkeit nach Abs. I beziehen365. Gemäß dem, aufgrund des Gesetzes über die Durchsetzung des Verbraucherschutzgesetzes bei innergemeinschaftlichen Verstößen, im Dezember 2006 eingeführten366 § 64 IV Nr. 2a AMG wird es den Überwachungsbehörden ermöglicht, Kopien von Unterlagen nach Nr. 2 sowie Ausdrucke oder Kopien von Datenträgern anzufertigen oder zu verlagern, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten von Patienten handelt367. Der § 64 IV Nr. 3 AMG gibt den Untersuchungsbehörden ferner die Befugnis, Auskünfte zu verlangen368, geht aber mit dem Auskunftsverweigerungsrecht des § 66 AMG einher369. Zuletzt werden die Überwachungsbehörden in § 64 IV Nr. 4 AMG ermächtigt, vorläufige Anordnungen zu treffen, die zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten sind370.

363 Für Sachverständige der EU, welche die nationalen Überwachungsbehörden begleiten, ergeben sich diese Befugnisse aus § 64 IV a AMG. 364 Hierzu weiterführend Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 13; Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 57 ff.; Rehmann § 64 Rdn. 6. 365 Hierzu weiterführend Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 2; Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 64 ff.; Rehmann § 64 Rdn. 7. 366 BGBl. I 2006, 3367; Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Verordnung EG Nr. 2006/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (ABl. EU Nr. L 364 S. 1). Diese Verordnung wurde durch Art. 16 Nr. 2 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (ABl. EU Nr. L 149 S. 22) geändert. 367 Hierzu weiterführend Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 69 a. 368 Hierzu weiterführend Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 3; Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 70; Rehmann § 64 Rdn. 8. 369 Hierzu weiterführend Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 17; Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 79; Rehmann § 64 Rdn. 11. 370 Hierzu weiterführend Lippert in Deutsch/Lippert § 64 Rdn. 18; Rehmann § 64 Rdn. 9.

88

Kap. 3: Der Strafprozess

Ergibt sich bei der Überwachung des Arzneimittelverkehrs der Verdacht einer Straftat, so ist die Sache gemäß § 13 V AMGVwV der Staatsanwaltschaft zuzuleiten371, weswegen die Überwachungsbehörden bei der Verfahrenseinleitung im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung, trotz der fehlenden Möglichkeit einer Regelüberwachung von Wettkampfstätten und Fitnessclubs, eine wichtige Rolle spielen können. (4) Anlassüberwachung Unter einer Anlassüberwachung372 sind die Handlungsmöglichkeiten der Überwachungsbehörde zu verstehen, die vorgenommen werden können, wenn noch keine stichhaltigen, tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines, im Sinne der Regelüberwachung, überwachungspflichtigen Sachverhalts existieren. Die Anlassüberwachung knüpft an das Vorliegen eines Gefahrenverdachts an, welcher ein Einschreiten mit den Möglichkeiten des Ordnungsrechts ermöglicht373. Ein Gefahrenverdacht kann, in dopingstrafrechtlicher Hinsicht, durch unterschiedliche tatsächliche Hinweise, vor allem auf ein Handeltreiben mit Arzneimitteln, ausgelöst werden. Derartige Hinweise können Aussagen sein, dass in einem bestimmten Fitnesscenter Muskelaufbaumittel verkauft werden374. Das Gleiche muss im Falle einer elektronischen Werbung für Dopingmittel gelten375. Erlangt eine Überwachungsbehörde auf einem solchen Weg Kenntnis von derartigen, einen Gefahrenverdacht auslösenden Sachverhalten, kann sie mit den Mitteln des Ordnungsrechts eingreifen, um den Sachverhalt zu klären und im Anschluss, aufgrund der aufgefundenen tatsächlichen Anhaltspunkte, gegebenenfalls eine Regelüberwachung einzuleiten. 2. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften a) Vorfrage: Räumliche und persönliche Geltung der deutschen Strafgewalt Im Zivilrecht können, aufgrund der Reglungen des Internationalen Privatrechts376, von deutschen Zivilgerichten ausländische Zivilrechtsvorschriften angewendet werden. Dies ist im Bereich des Strafrechts nicht möglich. Anders als im Zivilrecht wenden deutsche Strafgerichte im Rahmen ihrer Strafgewalt lediglich deutsches 371

Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 74. So bezeichnet in Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a. 373 Da, wie oben beschrieben, eine Überwachung i.S.d. §§ 64 ff. AMG noch nicht erfolgen kann, wenn nicht feststeht, ob überhaupt arzneimittelrechtlich relevante Handlungen vorgenommen werden (BVerwG Urteil des 3. Senats vom 18. März 2004 – BverwG 3 C 16.03, S. 12 f.). 374 Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a. 375 Kloesel/Cyran § 64 Rdn. 3 a. 376 Siehe v. a. Art. 3 ff. EGBGB. 372

A. Das Ermittlungsverfahren

89

Strafrecht an377. Eine unmittelbare Anwendung ausländischer Strafrechtsnormen ist aufgrund der §§ 3 ff. StGB, welche die räumliche und persönliche Geltung des materiellen Strafrechts regeln378, nicht möglich. Das in §§ 3 ff. StGB geregelte sogenannte Strafanwendungsrecht379 hat somit insofern mittelbar prozessuale Bedeutung, als es dafür maßgebend ist, ob ein Verfahren wegen einer Tat mit Auslandsbezug durchgeführt werden kann380. In diesem Sinne ist es bereits als Vorfrage der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften von Bedeutung, ob bestimmte Sachverhalte der deutschen Strafgewalt unterfallen, ob also deutsches Strafrecht anwendbar ist. aa) Grundsätzliche Erfassung von In- und Auslandstaten durch die deutsche Strafgewalt Sachliches Kriterium für die Anwendung des deutschen Strafrechts ist das Vorliegen eines legitimen Anknüpfungspunkts381. Als derartige Anknüpfungspunkte finden sich im StGB der Begehungsort der Tat (§§ 3, 4, 9 StGB), die Staatsangehörigkeit des Täters oder desjenigen, „gegen“ den die Tat begangen wurde (§§ 7 I, II Nr. 1, 5 Nr. 8, 9 StGB), der auf die Bewahrung wichtiger Inlandsrechtsgüter zielende Schutzzweck des Tatbestandes (§ 5 StGB) sowie der Schutz weniger universal bedeutsamer Rechtsgüter (§ 6 StGB) und ergänzend die sogenannte Stellvertretende Strafrechtspflege (§ 7 II Nr. 2 StGB). Naheliegend ist es zunächst, die staatliche Strafgewalt an den räumlichen Grenzen des normierenden Staates auszurichten382. Dieser allgemein anerkannte und im internationalen Strafrecht vorherrschende Grundsatz beruht auf der Erwägung, dass jedermann die Gesetze des Staates zu beachten hat, in welchem er sich aufhält383. Nach dem Territorialitätsprinzip darf demnach ein Staat seiner Strafgewalt alle Taten unterwerfen, die innerhalb seines Staatsgebiets begangen werden384. Hierbei kommt es weder auf die Nationalität des Täters noch auf die des Verletzten an385. Entscheidend ist lediglich, dass der Ort, an dem die Tat begangen wurde – der Tatort – im Inland liegt386. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach § 9 StGB.

377

Wessels/Beulke Rdn. 62. Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 1. 379 Zu dem teilweise verwendeten Begriff des „Internationalen Strafrechts“ Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 1 f.; Werle/Jeßberger JuS 2001, 35, 36. 380 Meyer-Goßner Einl. Rdn. 211. 381 BGHSt 27, 30, 32; 34, 334, 336; Wessels/Beulke Rdn. 62. 382 Werle/Jeßberger JuS 2001, 35, 37. 383 Wessels/Beulke Rdn. 64; Werle/Jeßberger JuS 2001, 35, 37. 384 Wessels/Beulke Rdn. 64. 385 Fischer § 3 Rdn. 1; Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 4; Wessels/Beulke Rdn. 64. 386 Zu der Abgrenzung zwischen Inland und Ausland, ausführlich Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 25 ff. 378

90

Kap. 3: Der Strafprozess

Für Taten, die nicht im Inland begangen wurden, können die deutschen Strafnormen nur unter ganz bestimmten, in §§ 4 – 7 StGB bezeichneten, Voraussetzungen angewandt werden. Das in § 4 StGB normierte, mit dem Territorialitätsprinzip eng verwandte387, Flaggenprinzip erstreckt hierbei die deutsche Strafgewalt auf Taten, die an Bord eines Schiffes oder Flugzeuges begangen wurden, dass unter deutscher Flagge fährt, beziehungsweise dessen Staatszugehörigkeitszeichen ein Flugzeug führt. Das in § 7 II Nr. 1 StGB geregelte aktive Personalprinzip knüpft an die Staatsangehörigkeit des Täters an und unterwirft so jeden Inländer seinem nationalen Strafrecht, gleichgültig wo er die Tat begeht. Gleiches gilt in den Fällen des § 5 Nr. 8, 9 StGB. Nach dem passiven Personalprinzip des § 7 I StGB werden Taten von der deutschen Strafgewalt erfasst, die im Ausland gegen einen Staatsbürger begangen werden. Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 7 StGB ist jedoch, dass die Tat auch nach dem jeweiligen ausländischen Recht strafbar ist. Das Schutzprinzip des § 5 StGB lässt ferner die Ausdehnung auf Taten zu, die zwar im Ausland begangen werden, jedoch inländische Rechtsgüter gefährden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass jeder Staat legitimiert sein muss, seinen Strafrechtsschutz auf alle Inlandsgüter zu erstrecken, gleichgültig von welchem Täter und an welchem Ort sie verletzt werden388. Das Schutzprinzip erstreckt sich hierbei jedoch, wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der §§ 3, 5, 7 I StGB und des in § 3 StGB verbürgten Respekts vor der Souveränität des ausländischen Staates, nicht über das im Interesse des Schutzes inländischer Rechtsgüter unbedingt Erforderliche hinaus389, sondern beschränkt sich weitestgehend auf den Staatsschutz und erfasst nur sekundär den Schutz einiger weniger Individualrechte. Das Weltrechtsprinzip des § 6 StGB beruht auf dem Gedanken, dass das inländische Strafrecht für alle Taten gelten soll, durch die gemeinsame, in allen Kulturstaaten anerkannte Rechtsgüter verletzt werden390. Die in § 6 StGB aufgezählten Taten unterfallen hiernach dem Strafrecht der Bundesrepublik ohne Rücksicht auf Tatort, Recht des Tatorts und Staatsangehörigkeit des Täters391. Zuletzt unterliegen nach dem Stellvertretungsprinzip des § 7 II Nr. 2 StGB diejenigen Ausländer der deutschen Strafgewalt, die im Ausland eine Tat begangen haben, im Inland angetroffen werden und aufgrund irgendwelcher Umstände nicht an den betreffenden Staat ausgeliefert werden können.

387 388 389 390 391

Fischer § 4 Rdn. 2; Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 5; Wessels/Beulke Rdn. 67. Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 7. Fischer § 5 Rdn. 1. BVerfG NJW 2001, 1848, 1852. Fischer § 6 Rdn. 1.

A. Das Ermittlungsverfahren

91

bb) Dopingspezifische Probleme bei der Erfassung von Auslandstaten gemäß § 7 StGB Wenn Straftaten mit Dopingbezug im Ausland begangen werden, hängt demnach die Einleitung eines Strafverfahrens in Deutschland von der Anwendbarkeit der deutschen Strafgewalt und somit von dem Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB ab. Abstellend auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters können die Handlungsvarianten des § 6 a AMG, so sie im Ausland verwirklicht werden, gemäß § 7 II Nr. 1 StGB auf den ersten Blick leicht von der deutschen Strafgewalt erfasst werden. Da § 7 StGB jedoch zusätzlich fordert, dass die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist, wird ein Verfahren wegen einer derartigen Auslandstat nur in den seltenen Fällen in Deutschland eingeleitet werden können, in denen es im betreffenden Ausland korrespondierende Gesetze gibt. Auch wenn es im Sinne des § 7 StGB nicht erforderlich ist, dass sich die Tatbestände decken392, müsste der ausländische Staat die Tat ebenfalls bestrafen“ können393. Hierzu ein Überblick über die europäischen Staaten, die überhaupt über strafrechtliche Anti-Doping-Regeln verfügen394 : Land

strafrechtliche Anti-Doping-Reglung

Belgien

Ja, spezielles Dopinggesetz (1965/1991/2001)

Dänemark

Ja, spezielles Dopinggesetz (1993/1999395/2004396/2006397)

England/Wales

Nein398

Finnland

Ja, in Strafgesetzbuch399

392

Fischer § 7 Rdn. 7. Fischer § 7 Rdn. 9. 394 Auf der Basis der „Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules“ von Vieweg/Siekmann aus dem Jahr 2007, dort S. 157, Table 3, aktualisiert und auf dem Stand von Mai 2010. 395 „Act on prohibition of certain doping substances“ (Quelle: WADA, http://www.wadaama.org/rtecontent/document/Act_Prohibition_Certain_Doping_Substances_Denmark.pdf), wonach die Herstellung, die Einfuhr, die Ausfuhr, der Verkauf, die Abgabe und der Besitz verboten und mit einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe von bis zu 2 Jahren bedroht sind. 396 „Act on promotion of doping-free sport“ (Quelle: WADA, http://www.kum.dk/graphics/ kum/downloads/Kulturomraader/Ophavsret/Doping%20lov.pdf). 397 „Executive Order on Promotion of Doping-Free Sport“ (Quelle: WADA, http://www. wada-ama.org/rtecontent/document/Executive_Order_Promotion_Doping_Free_Sport_Den mark.pdf). 398 Spezielle Anti-Doping-Gesetze sollen jedoch, nach dem Wunsch des IOC, bis zu den Olympischen Spielen in London 2012 erlassen werden. 399 In Chapter 44, Section 6 des “Penal code of Finland” wird die versuchte und vollendete Herstellung, der versuchte und vollendete Import, das versuchte oder vollendete Verbreiten, der Verkauf, die Abgabe sowie der Besitz mit dem Vorsatz zur Abgabe unter Strafe gestellt und mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bedroht. 393

92

Kap. 3: Der Strafprozess

Land

strafrechtliche Anti-Doping-Reglung

Frankreich Griechenland

Ja, spezielles Dopinggesetz (1965/1989400/1999401/2006402) Ja, spezielles Dopinggesetz (1975/1986)

Irland

Nein

Italien

Ja, spezielles Dopinggesetz (1971403/2000404)

Luxemburg

Nein

Niederlande

Nein405

Norwegen

Ja, im Strafgesetzbuch (1992406)

Österreich

Ja, spezielles Dopinggesetz407 (2007408/2008409/2009410)

400

Im Jahr 1989 wurde in Frankreich ein neues Anti-Doping-Gesetz formuliert, das die Beschaffung und Verabreichung von Dopingmitteln mit Strafe bedrohte, die konsumierenden Sportler aber straffrei beließ (Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 133). 401 „Gesetz über den Schutz der Gesundheit von Sportlern und über die Dopingbekämpfung vom 23. März 1999“. 402 „Protection of health of the athletes and the fight against doping“ (Quelle: WADA, http:// www.wada-ama.org/rtecontent/document/national_laws_sports_code_legislative_part_En.pdf). 403 „Health protection of sports activities“ (Gesetz Nr. 1099 vom 26. Oktober 1971). 404 „Gesetz zum Schutz der Gesundheit bei der Sportausübung und der Bekämpfung des Doping“ (Gesetz Nr. 376 vom 14. 12. 2000; vergleiche hierzu auch Krause in Prisma des Sportrechts 2006, 124 ff., zu den Straftatbeständen dort S. 136 ff.) Der italienische Staat hat nach dem Conoci-EPO-Skandal die Strafbestimmungen erheblich verschärft. Die Einnahme von Dopingmitteln und anderer Konsumdelikte von Sportlern können mit Haftstrafen von 3 Monaten bis zu 3 Jahren und Geldstrafen bis zu 100.000 DM, die Handelsdelikte mit Dopingmitteln von Hinterleuten und Auftraggebern (Trainer, Betreuer, Mediziner, Sportdirektoren) mit Freiheitsstrafe von 2 – 6 Jahren und mit Geldstrafe bis zu 150.000 DM beantwortet werden. Den Sportverbänden wurden die Dopingkontrollen entzogen (Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 133). 405 In den Niederlanden gibt es kein spezielles Gesetz gegen den Missbrauch von Drogen im Sport. Die existierenden Gesetze, wie das Niederländische Strafgesetz, der „1982 Opium Act“, der „1985 Medicines Act“ und die Disziplinargesetze haben jedoch Einflüsse auf die Dopingkontrolle (Quelle: WADA, http://www.wada-ama.org/rtecontent/document/Dutch_Legislation_Concerning_Doping_Jan_2007.pdf). 406 Der § 162 b gegen Dopingmissbrauch (Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 133). 407 Die erste Anklage aufgrund eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz erfolgte in Österreich am 22. 04. 2010. Dem ehemaligen Radprofi Christof Kerschbaum, der bereits im März 2009 festgenommen wurde, wird hierbei von der Staatsanwaltschaft Wien vorgeworfen leistungssteigernde Mittel, darunter das Blutdopingmittel EPO, an mindestens fünf Sportler weitergegeben zu haben. 408 „Bundesgesetz über die Bekämpfung von Doping im Sport (Anti-Doping-Bundesgesetz 2007)“ (Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich I – Ausgegeben am 29. Juni 2007 – Nr. 30); siehe hierzu ferner Cizek SpuRt 2007, S. 105 ff. 409 „Änderung des Anti-Doping-Bundesgesetzes 2007, des Arzneimittelgesetzes und des Rezeptpflichtgesetzes“ (Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich I – Ausgegeben am 8. August 2008 – Nr. 115). Mit Art. 22 a Anti-Doping-Bundesgesetz wurde eine gerichtliche Strafbestimmung eingeführt. Hiernach ist es verboten Dopingmitteln in den Verkehr zu setzen,

A. Das Ermittlungsverfahren

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Land

strafrechtliche Anti-Doping-Reglung

Polen Portugal

Nein Ja, Norm in Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Sport (1991)

Schweden

Ja, spezielles Dopinggesetz (1992411)

Schweiz

Ja, Norm im Gesetz über die Förderung von Turnen und Sport412

Spanien

Ja, spezielles Gesetz (2006413)

Wendet somit beispielsweise ein deutscher Staatsbürger in Österreich bei einem Anderen ein Dopingmittel an, so ist das deutsche Strafrecht gemäß § 7 II Nr. 1 StGB anwendbar. Erfolgt die gleiche Handlung jedoch in Großbritannien, so kann ein Strafverfahren in Deutschland nicht eingeleitet werden, da die Handlung am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist. Neben der Überprüfung der Tatortstrafbarkeit des § 7 StGB, weist die Frage, wer derjenige ist, gegen den die Tat im Sinne des § 7 I StGB begangen wurde, für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung weitere Probleme auf. Erlangt ein deutscher Staatsbürger im Ausland von einem Dritten Dopingmittel414, bekommt er solche von einem Dritten verschrieben oder werden diese gar bei ihm angewandt, so stellt sich die Frage, ob diese, grundsätzlich von § 6 a I AMG erfassten, Handlungen im Sinne des § 7 I StGB gegen ihn begangen wurden. Die Bestimmung desjenigen, gegen den die Tat begangen wurde, erfolgt auf die gleiche Art und Weise, wie die Bestimmung desjenigen, der Verletzter im Sinne des § 77 I StGB ist415. Hierfür kommt es maßgeblich darauf an, welches Rechtsgut der Dopingmittel und verbotene Methoden bei anderen anzuwenden, sowie nicht geringe Mengen der in der Verbotsliste genannten Anabolika, Hormone oder Stimulanzien zu besitzen. 410 „Bundesgesetz, mit dem das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 und das Arzneimittelgesetz geändert werden“ (Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich I – Ausgegeben am 30. 12. 2009). 411 „The Swedish Act prohibiting certain doping substances“ (Quelle: WADA, http:// www.wada-ama.org/rtecontent/document/National_Laws_Swedish_Act.pdf). Hierdurch wird der Import, die Weitergabe, die Produktion, der Kauf zum Zweck der Weitergabe, das Verkaufsangebot, der Besitz und auch der Gebrauch von Dopingmitteln verboten und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bedroht. Zusätzlich veranstaltet ein Dopingbeauftragter der Regierung Seminare über Dopingprobleme (Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 133). 412 Art. 11 f des Gesetzes stellt die Herstellung, die Einfuhr, das Vermitteln, das Vertreiben, das Verschreiben, die Abgabe sowie die Anwendung bei anderen unter Strafe und droht Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren sowie Geldstrafen an. 413 „Public General Act 7/2006, of 21st November, on the protection of health and the fight against doping in sport” (Quelle: WADA, http://www.wada-ama.org/rtecontent/document/ Official_Gazette_Spanish_State.pdf), der mit Sektion 361 a eine Dopingstrafbarkeit in das Strafgesetz einführt, die das Verschreiben, das Bereithalten, die Abgabe, das Vorrätighalten, das Applizieren, das Anbieten und das Zugänglichmachen mit Geld- und Freiheitsstrafe, sowie der Entziehung öffentlicher Ämter bedroht; siehe hierzu auch Wassmer SpuRt 2007, 61 ff. 414 Als Unterfall des Inverkehrbringens (BT-Drucks 13/9996 S. 13). 415 Fischer § 7 Rdn. 6; Ambos in MüKo § 7 Rdn. 25.

94

Kap. 3: Der Strafprozess

jeweilige Tatbestand schützen soll416. Eine Tat ist demnach gegen einen Deutschen begangen, wenn sie ein Rechtsgut verletzt oder angreift, dessen Inhaber ein Deutscher ist417. Erfasst sind damit zunächst alle Taten, die Individualrechtsgüter schützen418. Trotz der berechtigten Kritik419 ist nach der Gesetzesbegründung420 und der wohl herrschenden Meinung421 das von § 6 a I StGB geschützte Rechtsgut die Gesundheit des sich dopenden Sportlers. Erlangt ein Deutscher somit im Ausland Dopingmittel von einem Anderen, bekommt er sie von einem Dritten verschrieben oder verabreicht, so wird die Tat gegen ihn verübt, da durch diese Handlungen das geschützte Rechtsgut – seine Gesundheit – zumindest angegriffen wird. Anders verhält es sich jedoch bei dem Besitz nicht geringer Mengen von Dopingmitteln im Sinne des § 6 a II a AMG durch einen Nicht-Deutschen im Ausland. Auch wenn ein Deutscher sich hierbei in der Nähe – also beispielsweise in einer Trainingsgruppe – des Besitzenden aufhält, ist die Tat nichtgegen ihn begangen. Da bei der Einführung der Besitzstrafbarkeit in das Arzneimittelgesetz wegen der, durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG verbürgten, Straflosigkeit der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung und –verletzung nicht auch die Gesundheit des Sportlers als Schutzgut herangezogen werden konnte422, rekrutierte der Gesetzgeber das Universalschutzgut der Volksgesundheit aus der Betäubungsmittelbekämpfung423. Demgemäß wird durch diesen Tatbestand gerade kein Individualrechtsgut geschützt, das durch die Tat verletzt oder angegriffen werden könnte. Wenn kein derartiges Individualrecht sondern nur ein Allgemeinrechtsgut geschützt wird, dann muss zur Erfassung der Tat als solche, die gegen einen Deutschen im Sinne des § 7 I StGB begangen wurde, ein Individualrechtsgut zumindest mit geschützt werden424. Da dies bei § 6 a II a AMG jedoch gerade nicht der Fall sein kann, kann eine derartige Tat im Ausland nicht gegen einen Deutschen begangen und somit nicht von der deutschen Strafgewalt erfasst werden. cc) Wiedervereinigungsbedingte Strafanwendungsprobleme Am 23. Oktober 1974425 fasste die DDR-Leistungssport-Kommission unter der Leitung des Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR Manfred Ewald den Beschluss, DDR-Spitzensportler durch die systematische und flächen416 417 418 419 420 421 422 423 424 425

BGHSt 7, 245, 246; RGSt 38, 6, 7; Schmidt in LK § 77 Rdn. 23. Ambos in MüKo § 7 Rdn. 25. Ambos in MüKo § 7 Rdn. 25. Eine Übersicht hierzu: Freund in MüKo § 6a AMG Rdn. 1 ff. BT-Drucks 13/9996 S. 13. Körner § 95 AMG Rdn. 22; Kloesel/Cyran § 6 a Rdn. 2; Heger SpuRt 2001, S. 92, 93. Jahn GA 2007, 579, 581; so auch Kudlich JA 2007, 90, 93. BT-Drucks 16/5526 S. 1; siehe hierzu auch unten unter Kapitel 3 B. II. 1. Ambos in MüKo § 7 Rdn. 25. Zu den Dopingvorgängen in der DDR vor 1974, Ulmen S. 37.

A. Das Ermittlungsverfahren

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deckende Vergabe von Anabolika zum Sieg zu verhelfen426. In Konsequenz zur Staatsstruktur wurde hierbei das Doping zur Staatsaufgabe427. Um die Vergabe von Dopingmitteln zu ermöglichen, wurde in der Folge der Sportmedizinische Dienst mit der Erforschung, Planung und Umsetzung dieses Vorhabens beauftragt428. Die entwickelten, und größtenteils von dem Volkseigenen Betrieb Jenapharm hergestellten, Anabolika wurden getarnt als Vitamine oder Aufbaustoffe oder auch mit der Nahrung429 ohne Kenntnis der Sportler – und bei minderjährigen Sportlern auch ohne Information der Erziehungsberechtigten430 – an diese verabreicht431. Um diese Handlungen geheim zu halten, wurden Ärzte, Trainer und Forscher zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet, Doping-Ausreisekontrollen eingeführt432 und versucht, die Auswirkungen des Dopings433 weitestgehend vor der Öffentlichkeit zu verbergen434. Nach Schätzungen waren von 1972 bis 1990 zirka 3.000 Trainer, Sportärzte, Forscher, Manager und Mitarbeiter damit befasst, zwischen 10.000 und 20.000 Sportler mit Dopingmitteln auszustatten435, und dies, obschon sie um mögliche gravierende und unter Umständen irreversible Nebenwirkungen, wie Stimmvertie-

426 Ein Grund hierfür war die 1974 vom IOC und den Internationalen Sportverbänden eingeführten Dopingkontrollen bei großen Wettkämpfen. Die SED-Führung fürchtete durch nunmehr drohende positive Dopingproben ihrer Sportler um das Ansehen der DDR als Sportnation und um das gesamte Konzept der „Überlegenheit des Sozialismus als das bessere und menschlichere System“ (Ulmen S. 38). 427 BGH NJW 2000, 1506, 1507; daher auch der allgemein geläufige Begriff des „Staatsdopings“. 428 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 89; weitere für die Dopingforschung und -anwendung verantwortliche Stellen waren das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport, die Leistungssportkommission, die Akademie der Wissenschaften der DDR, das Ministerium für Gesundheitswesen und das Ministerium für Chemische Industrie (Ulmen S. 61). 429 So der Potsdamer Sporthistoriker Giselher Spitzer zu neuen Erkenntnissen in einem Interview mit tagesschau.de vom 9. August 2006 (http://www.tagesschau.de/inland/meldung101610.html). 430 BGH NJW 2000, 1506, 1507; Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 92. 431 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 90. 432 Unmittelbar nach dem positiven Befund der Kugelstoßerin Ilona Slupianek beim Europacup 1977 wurde beschlossen, dass jeder DDR-Athlet vor der Abreise zu internationalen Wettbewerben, bei denen es Dopingtests geben würde, eine Urinprobe zur Ausreisekontrolle abzugeben hatte. Das Zentrale Doping-Kontroll-Labor in Kreischa gab die Ergebnisse schriftlich an den Leiter der Arbeitsgruppe „Unterstützende Mittel“ des Sportmedizinischen Dienstes Manfred Höppner. Athleten mit positiven Befunden wurden ausgeschlossen (Ulmen S. 46). 433 So z. B. eine tiefe Stimme oder vermännlichende Körperbehaarung bei Frauen oder Gynäkomastie bei Männern, Ulmen S. 50 f. 434 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 90. 435 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 90, der eine Studie von Giselher Spitzer anführt, welche dieser 1998 im Auftrag des Sportausschusses des Deutschen Bundestages angefertigt hat („Doping in der DDR, Ein historischer Überblick“).

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Kap. 3: Der Strafprozess

fung, vermehrte Körperbehaarung bei Frauen, Akne, Wachstumsretardierungen sowie Leberschädigungen und Herzerkrankungen wussten436. In der Folge der Herstellung der Einheit Deutschlands durch den Beitritt der DDR zur BRD nach Art. 1 Einigungsvertrag mit Wirkung vom 3. Oktober 1990437 stellten sich, wegen der besonderen historischen Konstellation des Erlöschens eines Staatsgebildes438, bei der Aufarbeitung von DDR-Alttaten mannigfaltige Probleme, zu denen auch die Erfassung und Behandlung des Staats-Dopings beziehungsweise seiner Täter zu rechnen ist. Im Rahmen der Aufarbeitung dieses Teilbereichs des kriminellen Unrechts stellten sich im Wesentlichen drei Problemkomplexe dar. Zum einen war die – in diesem Zusammenhang nicht weiter zu vertiefende439 – Tatbestandsmäßigkeit der Handlung zu klären, durch die Angeklagte dazu beigetragen hatten, dass die gesundheitsschädlichen Substanzen in die Körper der Athleten gelangt waren. Zum anderen stellte sich die – für das hier in Frage stehende Strafanwendungsrecht maßgebliche – Frage, welche nebeneinander existierenden Strafrechtsordnungen – die der DDR oder die der BRD – den Maßstab für die rechtliche Verhaltensbeurteilung gab. Schließlich warf der Faktor Zeitablauf das Problem der möglicherweise eingetretenen Verjährung und – daran anknüpfend – der Mittel und Wege der Überwindung dieses Verjährungshindernisses auf440. Für sämtliche „Alttaten“, d. h. vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages in der DDR begangene Delikte, stellte sich zunächst die Frage nach dem anzuwendenden Strafrecht. Während zur Tatzeit das DDR-Strafrecht Geltung beanspruchte, wurden mit dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 8 EinigungsV das StGB und das EGStGB – von den in Art. 9 EV erwähnten Ausnahmen abgesehen – auf das bisherige Staatsgebiet der DDR als Bundesrecht erstreckt441. Grundsätzlich konnte das DDR-Recht somit nicht mehr angewendet werden. Da jedoch eine ausschließliche Beurteilung nach dem Bundesdeutschen StGB mit dem grundgesetzlichen Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG nicht vereinbar wäre442, ordnet Art. 315 I EGStGB deshalb die Anwendbarkeit des § 2 StGB auf Taten, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR begangen wurden, an. Nach den Grundsätzen des § 2 StGB gilt das Gesetz zur Zeit der Tat (§ 2 I StGB) mit dem Vorrang des mildesten Gesetzes (§ 2 III StGB) und hinsichtlich der Bemessung der Strafen und Maßregeln weiteren in Art. 315 I bis III EGStGB näher bezeichneten Maßgaben443. Nach Art. 315 IV EGStGB gilt § 2 StGB jedoch für solche Alttaten nicht, für die das Strafrecht der Bundesrepublik nach

436 437 438 439 440 441 442 443

BGH NJW 2000, 1506, 1506; Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 92; Ulmen S. 50 f. Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 64. So Mitsch NStZ 2000, 641, 641. Vergleiche hierzu ausführlich Ulmen S. 93 ff.; Mitsch NStZ 2000, 641, 642. Mitsch NStZ 2000, 641, 642. Fischer Vor §§ 3 – 7 Rdn. 32. Ulmen S. 72 f. Fischer Vor §§ 3 – 7 Rdn. 33.

A. Das Ermittlungsverfahren

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§§ 4 ff. StGB schon vor dem Beitritt gegolten hat444. Einschließlich einer derartigen Vorabprüfung445 ergeben sich somit vier Prüfungsschritte, über deren Reihenfolge größtmögliche Unklarheit besteht446. Vernünftig erscheint es hierbei447, nach der Vorabprüfung des Art. 315 IV EGStGB, in einem ersten Schritt die Strafbarkeit nach dem Recht der DDR zu prüfen. Falls die Strafbarkeit nach Maßgabe des DDR-Rechts bejaht wird, muss in einem zweiten Schritt das einschlägige Verhalten unter bundesdeutsches Strafrecht subsumiert werden. Ist auch hiernach die Strafbarkeit zu bejahen, stellt sich drittens die Frage nach der sogenannten Unrechtskontinuität zwischen alter und neuer Norm448. Hierbei muss sichergestellt sein, dass die lex posterior, also der entsprechende StGB-Tatbestand, trotz formaler Subsumierbarkeit des einschlägigen Verhaltens auch materiell an das zur Tatzeit im DDR-Strafrecht vertypte Unrecht anknüpft449 –was bei Individualrechtsgütern wie Leben und körperlicher Unversehrtheit in der Regel unproblematisch ist450 – da sich nur auf diese Weise Kollisionen mit dem Verbot rückwirkender Bestrafung ausschließen lassen. Für die hier in Frage stehenden, durch Doping an Sportlern begangenen, Körperverletzungsdelikte451 war das anzuwendende Strafrecht leicht zu finden. Die vorsätzliche Körperverletzung des § 115 I StGB-DDR ist wortgleich mit der des § 223 StGB452 und sieht als Bestrafung einen öffentlichen Tadel, eine Geldstrafe, eine Haftstrafe, eine Verurteilung auf Bewährung oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor453. Im Vergleich zu dem, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedrohtem, Körperverletzungstatbestand des Bundesdeutschen StGB ist die DDR-Norm einer Verurteilung somit wegen seiner milderen Strafandrohung zugrunde zu legen454. Wesentlich größere Probleme taten sich bei der Verjährung der DDR-Alttaten im Rahmen des Staats-Dopings auf. Nach DDR-Strafrecht betrug die Verjährungsfrist bei Körperverletzung gemäß § 2 I Nr. 2 StGB-DDR, trotz der niedrigen Höchststrafandrohung, ebenso 5 Jahre wie gemäß § 78 III Nr. 4 StGB nach deutschem Strafrecht455. Da die Taten zumeist in dem Zeitraum zwischen 1975 und 1984 begangen wurden, wären sie zum Zeitpunkt einer Verfahrenseinleitung durch die 444

Fischer Vor §§ 3 – 7 Rdn. 33. BGHSt 37, 305, 309; 39, 1, 6 f.; 39, 54, 59; Fischer Vor §§ 3 – 7 Rdn. 33; Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 83. 446 Vergleiche hierzu Eser in Sch/Sch Vorbem §§ 3 – 7 Rdn. 81. 447 So Ulmen S. 73 f. 448 Siehe hierzu BHSt 39, 54, 67 ff.; Lackner/Kühl § 2 Rdn. 14 ff. 449 BGHSt 26, 167, 172; 39, 54, 68. 450 Lackner/Kühl § 2 Rdn. 15; Ulmen S. 74. 451 Zu den Körperverletzungsdelikten ausführlich Ulmen S. 93 ff.; Mitsch NStZ 2000, 641, 642. 452 Ulmen S. 103. 453 Ulmen S. 103 f. 454 Mitsch NStZ 2000, 641, 642; Ulmen S. 104. 455 Mitsch NStZ 2000, 641, 641. 445

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Kap. 3: Der Strafprozess

deutsche Strafjustiz nach der Wiedervereinigung nahezu komplett verjährt gewesen. Die einzige Möglichkeit der Erfassung der Taten durch die Strafjustiz war somit ein Ruhen der Verjährung anzunehmen. Der BGH bejahte hierbei für die Fälle staatlich zentral gelenkter Vergabe schädlicher Dopingmittean minderjährige Sportler ein Ruhen der Verjährung aufgrund eines quasigesetzlichen Verfolgungshindernisses456. Als Grund hierfür nahm der BGH an, dass der nach § 115 StGB-DDR strafbare Dopingmissbrauch auf Aufforderung der DDR-Staatsführung aus rechtsstaatswidrigen Gründen nicht verfolgt worden ist457. Dies hatte für die Tätigkeit der Strafjustiz in der DDR eine hemmende Wirkung, die mit der eines gesetzlichen Verfolgungshindernisses vergleichbar ist458. Das hierbei von einem quasigesetzlichen und nicht von einem gesetzlichen Verfolgungshindernis ausgegangen wurde459, ist der Tatsache geschuldet, dass die Körperverletzungen durch Doping zu den weniger schwerwiegenden Taten gerechnet werden und sich nicht als schwerste Menschenrechtsverletzungen darstellen460. Aufgrund dieses quasigesetzlichen Verfolgungshindernisses ruhte die Verfolgung demnach bis zum 3. Oktober 1990. dd) Freistellung von deutscher Strafgewalt aufgrund von Immunität Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin kam es durch einen Sportler zu mehreren Goldmedaillen und Fabelweltrekorden. Der jamaikanische Sprinter Usain Bolt holte am 16. August 2009 mit der Weltrekordzeit von 9.58 Sekunden Gold über die 100 Meter Sprintstrecke. Nur vier Tage später schaffte er eine weitere Weltbestzeit, als er die 200 Meter in nur 19.19 Sekunden lief. Zum Abschluss der Leichtathletik-Weltmeisterschaft holte er am 22. August 2009 noch mit der jamaikanischen 4 mal 100 Meter Staffel in der zweitschnellsten Zeit, die jemals gelaufen wurde (37,31 Sekunden), seine dritte Goldmedaille. Bei derartigen Bestleistungen drängt sich fast zwangsläufig die Frage auf, ob diese ohne Hilfsmittel zustande gekommen sein können, ob der Athlet also gedopt war461. Zum jetzigen Zeitpunkt462 steht noch nicht endgültig fest, ob dies bei den 456

BGH NJW 2000, 1506 ff. BGH NJW 2000, 1506, 1507. 458 BGH NJW 2000, 1506, 1507. 459 Wie etwa bei dem Schusswaffengebrauch an der innerdeutschen Grenze durch Angehörige der Grenztruppe (BGHSt 40, 113, 116). 460 BGH NJW 2000, 1506, 1507; so auch Mitsch NStZ 2000, 641, 642. 461 So beispielsweise der deutsche Sprinter Tobias Unger, der bereits nach Bolts früherem Weltrekord bei Olympia 2008 in Focus Online (http://www.focus.de/sport/olympia-2008/aktuell/usain-bolt-gedopter-alleinunterhalter_aid_326438.html) die „laxen“ Dopingkontrollen als „Riesenverarsche“ bezeichnet. Auch der ehemalige Sprintstar Carl Lewis hinterfragte – bei Vermeidung von direkten Vorwürfen – in einem Interview mit der Online Ausgabe der Sports Illustrated (Quelle: Spiegel Online http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,578133,00.html) bereits im Jahr 2008 die Leistungen, indem er sagte: „Er könnte einer der größten Athleten aller Zeiten sein. Aber man müsste ein Dummkopf sein, wenn man nicht fragen würde: Wie kann 457

A. Das Ermittlungsverfahren

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Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 der Fall war. Für die Zukunft könnte es jedoch, insbesondere für die staatlichen Stellen, wesentlich schwerer werden, Herrn Bolt – und, soweit dieses Vorgehen Schule macht463, auch anderen Sportlern – den Besitz von Dopingmitteln nachzuweisen, beziehungsweise gegen ihn wegen einer derartigen Tat in Deutschland ein Strafverfahren einzuleiten, da ihm am 12. November 2009 von Jamaikas Ministerpräsidenten Bruce Golding der offizielle Status eines Sonderbotschafters („Ambassador-At-Large“) seines Heimatlandes verliehen wurde464. Offiziell wird diese Auszeichnung mit den großen Verdiensten, die Usain Bolt durch seine Leistungen für sein Heimatland vollbracht hat, begründet. Man kann jedoch, vor dem Hintergrund der Privilegien, die mit der Ernennung zum Diplomaten einhergehen, hinterfragen, ob nicht auch andere Beweggründe bei der Vornahme einer solchen Ehrung mitspielten. Auch wenn Sportler, die wie Usain Bolt den Status eines Sonderbotschafters verliehen bekommen haben, nicht unter den Befreiungstatbestand des § 18 GVG fallen werden465, so kann ihnen in Deutschland eine Immunität gemäß § 20 II GVG zukommen. Gemäß dieser Norm erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts von ihr befreit sind. Eine derartige, von der Staatenpraxis mit Rechtsüberzeugung getragene, gewohnheitsrechtliche Regel, ermöglicht es, von dem Entsendestaat mit einer besonderen politischen Aufgabe ausgestattete Sonderbotschafter durch Einzelabsprache mit dem Empfangsstaat über diese Aufgabe und über ihren Status Immunität zu verleihen und sie auf diese Weise insoweit den Mitgliedern der Ständigen Missionen der Staaten (§ 18 GVG) gleichzustellen466. Die Immunität eines Sonderbotschafters stellt hierbei keinen persönlichen Strafausschließungsgrund, sondern lediglich ein Verfahrenshindernis dar, das nur bis zur Beendigung der Immunität der Durchführung des Strafverfahrens entgegensteht467. Liegt demgemäß eine derartige Einzelabsprache468

jemand in einem Jahr 10,03 Sekunden rennen und im nächsten Jahr 9,69 – und das in einer Sportart mit diesem Ruf.“ 462 Januar 2011. 463 Einen de facto „Diplomatenstatus“ (so Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 47, Fn. 62) in Deutschland erhielten die teilnehmenden Mannschaftsdelegationen und ihr Gefolge bereits bei den Sportgroßveranstaltungen FIFA-Confederations-Cup 2005 sowie FIFA-Weltmeisterschaft 2006, indem bei ihnen, aufgrund einer bestehenden Erlasslage des Bundesfinanzministeriums, von körperlichen Durchsuchungen in jedem Fall und von Gepäckbeschaumaßnahmen grundsätzlich abzusehen war. 464 Siehe hierzu Bericht auf der offiziellen Regierungshomepage Jamaikas (http://www.jis. gov.jm/officepm/html/20091113t120000-0500_21867_jis_jamaica_s_new_ambassa dor___usain_bolt__receives_instrument_of_appointment_and_diplomatic_passport_from_pm. asp). 465 Hierzu ausführlich Hanich in KK § 18 GVG Rdn. 1 ff.; Meyer-Goßner § 18 GVG Rdn. 1 ff. 466 BGHSt 32, 275, 287. 467 OLG Düsseldorf NJW 1986, 2204 f.

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Kap. 3: Der Strafprozess

des Entsendestaats mit Deutschland vor, so kann ein Strafverfahren in Deutschland nicht gegen den betreffenden Sportler geführt werden. b) Örtliche und sachliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren aa) Grundsätze der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft muss begründet sein, damit ein Staatsanwalt tätig werden kann469. Örtliche und sachliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft richten sich gemäß § 143 I GVG nach der Zuständigkeit der Gerichte, für welche die jeweilige Staatsanwaltschaft eingerichtet ist470. Diese wiederum ergibt sich aus den §§ 1 – 3 StPO sowie den §§ 24 ff., 74 ff., 120 GVG. Die sachliche Zuständigkeit betrifft die Frage, welches Gericht für die Strafsache in erster Instanz zuständig ist und wird gemäß § 1 StPO durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt. Die Verteilung erfolgt hierbei auf das Amtsgericht mit seinen Spruchkörpern Strafrichter und Schöffengericht (§§ 24, 25, 28 ff. GVG), das Landgericht mit der erstinstanzlich zuständigen großen Strafkammer (§§ 74 ff. GVG) und auf das Oberlandesgericht mit seinen Senaten als Spruchkörper (§ 120 GVG). Vereinfachend dargestellt ergibt sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts bei einer Straferwartung von bis zu 4 Jahren, die des Landgerichts bei einer Straferwartung jenseits der vier Jahre, soweit nicht das Oberlandesgericht zuständig ist, und die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die in § 120 GVG aufgezählten Delikte. Die örtliche Zuständigkeit – der sogenannte Gerichtsstand471 – ergibt sich aus den §§ 7 ff. StPO. Zur Ermittlung des Gerichtsstands stellt das Gesetz dort verschiedene Anknüpfungspunkte zur Verfügung. Als primäre oder Hauptgerichtsstände bestimmt das Gesetz hierbei den Gerichtsstand des Tatorts (§ 7 I StPO i.V.m § 9 StGB), des Wohnsitzes (§ 8 I StPO) und des Ergreifungsortes (§ 9 StPO)472, welche durch subsidiäre Gerichtsstände ergänzt werden (§§ 8 II, 10, 10 a, 11 StPO)473. Häufig sind hierbei mehrere der genannten Gerichtsstände einschlägig. Für die Anklageerhebung wird der Staatsanwaltschaft bezüglich der Entscheidung, bei welchem Gericht sie

468 Zu der, für die Immunität von Sonderbotschaftern erforderliche, Einzelabsprache und der Möglichkeit diese auch nachträglich vorzunehmen, instruktiv BGHSt 32, 275 ff. 469 Schmidt/Schoreit in KK § 143 GVG Rdn. 1. 470 Heghmanns Rdn. 160; Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 1. 471 Abweichend vom Sprachgebrauch früherer Strafverfahrensordnungen bezieht sich der Ausdruck „Gerichtsstand“ in der Strafprozessordnung ausschließlich auf die im zweiten Abschnitt geregelte örtliche Zuständigkeit der Gerichte erster Instanz (Erb in Löwe/Rosenberg Vor § 7 Rdn. 1). 472 Erb in Löwe/Rosenberg Vor § 7 Rdn. 4; Meyer-Goßner Vor § 7 Rdn. 2. 473 Erb in Löwe/Rosenberg Vor § 7 Rdn. 6; Meyer-Goßner Vor § 7 Rdn. 3.

A. Das Ermittlungsverfahren

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Anklage erheben will, eine Ermessensentscheidung eingeräumt474. Für die Frage, welche Staatsanwaltschaft zunächst mit den Ermittlungen betraut wird, bestimmt Nr. 2 I RiStBV, dass dies grundsätzlich die Staatsanwaltschaft sein soll, in deren Bezirk die Tat begangen wurde475, beziehungsweise gemäß Nr. 26 I RiStBV in deren Bezirk bei einem Sammelverfahren der Schwerpunkt des Verfahrens liegt. bb) Spezielle örtliche Zuständigkeit von Schwerpunktstaatsanwaltschaften Der § 143 IV GVG ermöglicht es – als Ausnahme von den oben genannten Grundsätzen476 – die örtliche Zuständigkeit innerhalb eines Bundeslandes in der Weise zu verändern, dass eine Staatsanwaltschaft für die Bezirke mehrerer Landgerichte oder Oberlandesgerichte berufen ist, bestimmte Arten von Strafsachen zu bearbeiten und damit sogenannte Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten477. Einer besonderen Form bedarf es für die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften nicht. Da ein Gesetzesvorbehalt für die Änderung der örtlichen Zuständigkeit – anders als bei der Änderung der Gerichtsorganisation478 – nicht erforderlich ist479, bedarf es lediglich einer Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft oder der Landesjustizverwaltung480. Als Konsequenz der Zuweisung des § 143 IV GVG darf die jeweilige Schwerpunktstaatsanwaltschaft bei jedem Gericht des Zuständigkeitsbereichs Anklage erheben, Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen481. Diese Erweiterung gilt des Weiteren auch gegenüber den Behörden und den Beamten des Polizeidienstes482. Aus dem Alltagsbild der staatsanwaltschaftlichen Praxis sind Schwerpunktstaatsanwaltschaften mittlerweile nicht mehr hinweg zu denken. Gemäß der Nr. 9 der, aufgrund des § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes, bundeseinheitlich erlassenen Anordnung über die Organisation und den Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaften (OrgStA)483, sollen in der Regel, wegen der für ihre Bearbeitung erforderlichen besonderen Kenntnisse und 474 BGHSt 9, 367, 369; 10, 391, 392; 21, 212, 215; 21, 247, 249; 26, 374, 374; ausführlich hierzu Erb in Löwe/Rosenberg Vor § 7 Rdn. 19 ff.; so auch Meyer-Goßner Vor § 7 Rdn. 10; Beulke S. 40 f. 475 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 1 merkt hierzu – aufgrund der Unschuldsvermutung richtigerweise – an, dass es heißen müsste „…in deren Bezirk die Tat begangen worden sein soll“. 476 Meyer-Goßner § 143 GVG Rdn. 4. 477 Schmidt/Schoreit in KK § 143 GVG Rdn. 6. 478 BVerfGE 24, 155 f. 479 Schmidt/Schoreit in KK § 143 GVG Rdn. 7; Meyer-Goßner § 143 GVG Rdn. 4. 480 Schmidt/Schoreit in KK § 143 GVG Rdn. 7. 481 Schmidt/Schoreit in KK § 143 GVG Rdn. 7; Meyer-Goßner § 143 GVG Rdn. 6. 482 Meyer-Goßner § 143 GVG Rdn. 6. 483 So z. B. für Berlin: Gesetz und Verwaltungsblatt für Berlin 1992 S. 73, 2006 S. 300.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Erfahrungen, folgende Angelegenheiten in die Hände bestimmter Dezernentinnen und Dezernenten vereinigt werden: – Betäubungsmittelstrafrecht; – Verfahren wegen Gewaltdarstellung oder Aufstachelung zum Rassenhass; – Lebensmittelstrafsachen; – Verfahren, die Organisierte Kriminalität betreffen; – Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer oder jugendgefährdender Schriften; – Pressestrafsachen; – Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; – Umweltstrafsachen; – Verkehrsstrafsachen; – Immunitätsverfahren; – Tötungsdelikte; – Münzstrafsachen; – Strafsachen mit politischem Hintergrund; – Straftaten, deren Begehung durch das Medium des Internet ermöglicht bzw. wesentlich gefördert wird. Demgemäß ist es naheliegend, in diesen Teilbereichen der Delinquenz besondere Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten. cc) Notwendigkeit spezieller Schwerpunktstaatsanwaltschaften für den Bereich der Dopingkriminalität Wie aus der obigen Aufzählung zu erkennen, ist es bislang bundeseinheitlich nicht einmal vorgesehen, Dopingverfahren in die Hände bestimmter Dezernenten und Dezernentinnen zu legen. Schwerpunktstaatsanwaltschaften in diesem Bereich sind im Bundesgebiet folglich lange zu suchen484. Ein positives Einzelbeispiel liefert hier jedoch die Staatsanwaltschaft München I, die seit dem 1. März 2009 über eine derartige Schwerpunktstaatsanwaltschaft verfügt. Das Erfordernis, dass auch die restlichen Bundesländer diesem positiven Beispiel folgen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Effektivierung der staatlichen Bekämpfung des Dopings im Sport. Nicht ohne Grund bildete sich deswegen in den vergangenen Jahren eine äußerst seltene Einigkeit innerhalb der Literatur485, welche, getragen auch von 484

Siehe hierzu die empirische Untersuchung, oben Kapitel 2. Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 161; Jahn SpuRt 2005, 141, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 48; Körner KR 2003, 49, 54; ders. KR 2003, 101, 102, der anführt 485

A. Das Ermittlungsverfahren

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Stimmen seitens des Sports486, die Einführung derartiger Schwerpunktstaatsanwaltschaften für das gesamte Bundesgebiet fordert. Nachdem diese Forderung bereits von einer früheren Bundesregierung mehrfach als erwägenswert betrachtet wurde487, bekräftigte auch die Rechtskommission des Sports gegen Doping erneut deren Bedeutung488. Für das Erfordernis der Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung gibt es mehrere Gründe. Das größte Gewicht hat hierbei die Effektivierung der Arbeit der Staatsanwaltschaft. Wenn nicht mehr Staatsanwälte allgemeiner Abteilungen, sondern solche mit bestimmten Vorkenntnissen auf diesem Gebiet – beziehungsweise bestenfalls speziell hierfür geschulte Staatsanwälte489 – mit der Bearbeitung derartiger Sachverhalte beschäftigt sind, verkürzt sich notwendigerweise die Arbeitszeit, da eine Einarbeitung in ein neues Sachgebiet nicht mehr nötig ist490. Auch können Staatsanwälte mit Vorkenntnissen auf diesem Gebiet Tatbestände nach dem Arzneimittelgesetz besser überblicken, schneller erkennen, ob der Tatvorwurf haltbar ist und eine Anklage auf diesem Gebiet souveräner verfassen. Derartige Kenntnisse des Arzneimittelgesetzes, des Dopings an sich und bestenfalls auch medizinischer Aspekte des Dopings kann sich ein Staatsanwalt in erforderlichem Umfang – abgesehen von den oben genannten491, wohl aber leider utopischen, speziellen Schulungen – nur durch eine längere Beschäftigung mit dieser Materie aneignen492. Ein weiterer Vorteil, den die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaft mit sich bringt, ist die bessere Erfassung täterschaftlicher Strukturen. Wie bereits oben erwähnt493 und auch von dem Gesetzgeber erkannt494, wird die Dopingdelinquenz „Solange es für Dopingdelikte bei der Polizei keine speziellen Dopingfahnder und bei der Staatsanwaltschaft keine Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit besonders für diese Aufgabe ausgebildeten Mitarbeitern gibt, werden wir uns weiterhin hilflos mit einer Taschenlampe durch das Dunkelfeld bewegen.“; Zypriesdvs-Informationen 16 (2001) 4, 29, 33; kritisch alleine König JA 2007, 573, 575. 486 So der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Thomas Bach (http://www. dosb.de/de/leistungssport/anti-doping/news/detail/news/bka_staatsanwaltschaft_muen chen_und_nada_arbeiten_zusammen/608/nb/3/cHash/084c263fd0/). 487 BT-Drucks 14/1867 S. 15 und erneut im Rahmen des Maßnahmenpakets der Bundesregierung gegen Doping im Sport vom Dezember 2006. 488 Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping S. 38; siehe auch Hauptmann SpuRt 2005, 239, 243. 489 So eine Forderung Körners (Körner Anhang D II zum AMG Rd. 161). 490 Zu den Problemen der Einarbeitung der Staatsanwälte bei Dopingprozessen: Seitz NJW 2002, 2838, 2839. 491 Siehe hierzu oben Kapitel 3 A. I. 1. c) cc) (4). 492 So bereits 1968 eine Rundverfügung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. März in Bezug auf die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für den Bereich der Wirtschaftskriminalität (vergleiche hierzu Liebl wistra 1987, 13, 14). 493 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. d) ee). 494 BT-Drucks 16/5526 S. 9.

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Kap. 3: Der Strafprozess

zunehmend in Form der Organisierten Kriminalität verübt. Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich ausschließlich mit der Bearbeitung von Dopingmittelkriminalität befassen, können in diesem Sinne folglich effizienter an der Erkennung und Erforschung der Strukturen jenseits der Einzeltat hin zum Tatkomplex arbeiten495, so Tatzusammenhänge erkennen und dadurch Mittels- und Hintermänner ermitteln. Dies ist umso wichtiger vor dem Hintergrund der fehlenden Strafanzeigen und –anträge auf diesem Gebiet, deren Ausbleiben zum Teil dem Phänomen der quasi opferlosen Kriminalität geschuldet ist496. Auch die, in der Organisierten Kriminalität häufig anzutreffende497, überregionale Tatbegehung spricht – maßgeblich bei Flächenstaaten – für die Einführung weiterer Schwerpunkstaatsanwaltschaften für Dopingkriminalität. Schwerpunktstaatsanwaltschaften haben, aufgrund ihres, aus der Zuständigkeit für die Bezirke mehrerer Landgerichte beziehungsweise Oberlandesgerichte resultierenden498, größeren Zuständigkeitsbereichs wesentliche Vorteile bei der Verfolgung von überregional begangenen Delikten499. Des Weiteren werden derartige Schwerpunktstaatsanwaltschaften einen Beitrag zur Behebung der genannten Probleme im Zusammenhang mit dem Anzeigeverhalten leisten. Wie oben beschrieben kommt den Verbänden und der NADA aus verschiedenen Gründen eine Anzeigepflicht bei Bekanntwerden von möglicher Dopingdelinquenz zu500. Dass es in der Praxis so gut wie nie zu Strafanzeigen durch diese Institutionen kommt501, liegt unter anderem an der – für die Verbände und die NADA sicherlich skepsisbegründenden – Tatsache, dass Dopingdelinquenz nicht von, in dieser Materie erfahrenen, Staatsanwälten bearbeitet wird, und dass Verbände und NADA keine konkreten Ansprechpartner haben, an die sie sich bei der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft wenden können. In diesem Sinne würde es der Kooperation zwischen Staat und Sport gut tun, wenn spezielle Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet würden und diese, als Teil ihres Aufgabenbereichs, eine stärkere Bindung zu den jeweiligen Verbänden beziehungsweise der NADA herstellen502.

495

So Beitlich wistra 1987, 279, 281. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). 497 V.a. bei überregionalen Netzwerkstrukturen, die sogar über die Grenzen Deutschlands reichen (zum Trend der Internationalisierung Droste S. 14 f.). 498 Schmidt/Schoreit in KK § 143 GVG Rdn. 6. 499 Liebl wistra 1987, 324, 325, der – zwar kritisch – anführt, dass der übergebietliche Bezug vieler Delikte zur Begründung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften heran gezogen wurde. 500 Siehe hierzu ausführlich oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) cc). 501 Siehe hierzu empirische Untersuchung, oben unter Kapitel 2. 502 Dass dies in der Praxis ein hilfreiches Instrument ist, zeigt der Fall der Eisschnellläuferin Pechstein. Nachdem die Zusammenarbeit zwischen der neugeschaffenen Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I, dem BKA und der NADA forciert wurde, stellten sowohl NADA als auch die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft eine 496

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Nicht zuletzt spricht für die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften auch, dass es die einzige Möglichkeit für den Staat ist, systematisch gegen Doping im Sport vorzugehen. Auf Bundesebene käme lediglich die Schaffung einer Zentralstelle, ähnlich derjenigen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg und der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, in Betracht503. Eine solche Institution könnte jedoch nicht zum Zwecke der Strafverfolgung eingerichtet werden, sondern lediglich um, im Wege der Dokumentation über Erscheinungsformen und Ausmaß der Dopingkriminalität, einen verlässlichen Überblick darüber zu verschaffen, inwiefern sich die von der Polizei ermittelten Verdachtsfälle in rechtskräftigen Erkenntnissen niederschlagen und in welchem Bereich Verfolgungsdefizite aufgetreten sind504. Da die Strafverfolgung grundsätzlich Ländersache ist (Art. 30, 96 V GG), kommt eine solche auf Bundesebene nur in den seltenen Fällen der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Betracht. Diese, in § 142 a GVG abschließend geregelten Fälle, gelten allesamt dem Staatsschutz und können, wegen des in Art. 30 GG niedergelegten Vorrangs der Hoheitsrechte der Länder, nicht beliebig ausgedehnt werden505, weswegen eine Erweiterung auf Dopingdelikte nicht in Betracht kommt506. Auf Länderebene bietet sich die Möglichkeit für die jeweiligen Justizministerien, durch einen Organisationssatz auf Grundlage des § 143 IV GVG i.V.m. § 147 GVG, derartige Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten und so eine gezielte und effektive Verfolgung von Dopingkriminalität zu bewerkstelligen. Diese Möglichkeit muss genutzt werden, wenn politische Anti-Doping-Programme, wie das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, nicht wie Luftblasen zerplatzen sollen507. Diese Schwerpunktstaatsanwaltschaften müssen ferner von korrespondierenden polizeilichen Sonderermittlungsgruppen unterstützt werden508 und ihnen müssen – ähnlich des Einsatzes von Buchführern, Buchprüfern und sonstigen wirtschaftswissenschaftlich ausgebildeten Kaufleuten durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität509 – ärztliche Berater zur Seite stehen, um etwaige auftretende medizinische Fragen richtig einschätzen zu können. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften müssen, nach Aufnahme ihrer TäStrafanzeige gegen Unbekannt, um die Hinterleute des Dopingfalls zu ermitteln (http:// www.sportgericht.de/sportrecht-newstext-11860-.html). 503 Jahn SpuRt 2005, 141, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 47. 504 Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 47. 505 Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 47. 506 Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping S. 38; siehe hierzu auch Hauptmann SpuRt 2005, 239, 243; Jahn in SpuRt 2005, 141, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 47. 507 So Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 161. 508 So auch Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping S. 38; Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 161; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 48. 509 Leibl wistra 1987, 13, 15.

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Kap. 3: Der Strafprozess

tigkeit, mit den in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Verbänden beziehungsweise der NADA Kontakt aufnehmen und diesen feste Ansprechpartner für die Stellung von Strafanzeigen bzw. –anträgen nennen. Bestenfalls sollten diese Staatsanwaltschaften, entsprechend dem oben angedachten Konzept510, zusätzliche Schulungen für Delegierte der Verbände und der NADA anbieten.

II. Durchführung des Ermittlungsverfahrens Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und ist damit die sogenannte „Herrin des Vorverfahrens“511. Zur Erreichung des Ziels des Ermittlungsverfahrens – der Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist – hat sie den Sachverhalt zu erforschen (§ 160 I StPO). Hierbei hat sie nicht nur die der Belastung, sondern auch die der Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln, sowie für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu befürchten ist (§ 160 II StPO). Aus diesem Grund gilt der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, soweit nicht bestimmtes Vorgehen oder bestimmte Formen des Vorgehens vorgeschrieben sind oder sich zwingend aus der Sachlage oder mittelbar aus Rechtsgründen ergibt512. Im Folgenden soll ausschließlich auf die Bereiche des Ermittlungsverfahrens eingegangen werden, die für die strafrechtliche Dopingverfolgung Besonderheiten oder Probleme aufweisen. 1. Vernehmungen Eine der wichtigsten Erkenntnisquellen in der Strafverfolgung ist die Vernehmung der Beschuldigten und Zeugen513. Unter Vernehmung ist – im Sinne des formellen Vernehmungsbegriffs – eine Befragung zu verstehen, die von einem Staatsorgan in amtlicher Funktion mit dem Ziel der Gewinnung einer Aussage durchgeführt wird514. Aufgrund der unterschiedlichen Rechte und Pflichten515 ist bei der Vernehmung streng zwischen einer solchen der Beschuldigten und einer solchen von Zeugen zu unterscheiden. Auch aus kriminalistischer Sicht stellen sich bei der Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten ganz andere Vernehmungsschwerpunkte516. Beim Beschuldigten geht es darum, die von ihm getätigten Aussagen mit den vorgebrachten entlastenden Momenten in Relation zu den belastenden Umständen zu setzen, auf denen die Beschuldigung beruht, und durch die Vernehmung 510 511 512 513 514 515 516

Siehe oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) cc) (4). Beulke Rdn. 312. Meyer-Goßner Einl. Rdn. 60. Hund in Kreuzer § 12 Rdn. 94; Kühne Rdn. 353. BGHSt 42, 139, 145. Einen Überblick zu diesen: Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 60. Bender/Wartemann in Kube/Störzer/Timm Kap. 13 Rdn. 51.

A. Das Ermittlungsverfahren

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seinen objektiven und subjektiven Tatbeitrag oder auch seinen Nichtbeitrag zu eruieren517. Bei Zeugen geht es in einer Vielzahl von Fällen ausschließlich um die Erhebung irrtumsfreier und vollständiger Aussagen, wobei auch immer auf eine – aus verschiedensten Gründen mögliche – Falschaussage zu achten ist518. a) Vernehmung von Beschuldigten Während der Beschuldigte im gemeinrechtlichen Strafprozess noch als Objekt des Verfahrens eingestuft wurde519, ist er nunmehr Verfahrenssubjekt, das mit erheblichen Rechten ausgestattet ist und den Verfahrensgang beeinflussen kann520. Gerade diese rechtlich geschützte Position des Beschuldigten macht es erforderlich, fassbare Kriterien für die Begründung der Beschuldigtenstellung herauszuarbeiten, um zu verhindern, dass die Strafverfolgungsorgane einem Verdächtigen die Beschuldigteneigenschaft „vorenthalten“, um so die ihm zustehenden Rechte zu unterlaufen521. Der Begriff des Beschuldigten ist in der Strafprozessordnung nicht ausdrücklich definiert. In der gesetzlichen Definition des Angeschuldigten und des Angeklagten in § 157 StPO wird der Begriff zwar vorausgesetzt, nicht jedoch erläutert. In Rechtsprechung und Literatur hat sich die sogenannte subjektiv-objektive Beschuldigtentheorie durchgesetzt522. Hiernach ist derjenige Beschuldigter, gegen den ein Tatverdacht besteht, zu dem ein Willensakt der Strafverfolgungsbehörde hinzutritt, aus dem zum Ausdruck kommt, dass sie das Strafverfahren gegen den Verdächtigen als Beschuldigten betreiben will. Dies liegt unzweifelhaft vor, wenn ein förmliches Ermittlungsverfahrensgegen eine Person als Beschuldigten eingeleitet wird523 oder sie ausdrücklich als Beschuldigter vernommen wird524. Ein Verdächtiger kann aber auch, unabhängig vom Willen der Strafverfolgungsorgane, konkludent zum Beschuldigten erklärt werden, wenn gegen ihn eine Maßnahme angeordnet oder beantragt wird, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig ist525.

517

Bender/Wartemann in Kube/Störzer/Timm Kap. 13 Rdn. 51. Bender/Wartemann in Kube/Störzer/Timm Kap. 13 Rdn. 51. 519 Beulke Rdn. 110. 520 BVerfGE 63, 380, 390; BVerfG StV 2001, 601, 602; BGHSt 38, 372, 374. 521 Beulke Rdn. 110. 522 BGHSt 37, 48, 51 f.; 38, 214, 227 f.; BGH NJW 2007, 2706, 2707 mit Besprechung Jahn JuS 2007, 962 ff.; Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 98, Fn. 175 m.w.N. 523 Meyer-Goßner Einl. Rdn. 76. 524 Beulke Rdn. 111. 525 So der Haftbefehl §§ 112 ff. StPO, die vorläufige Festnahme § 127 II StPO (AG Hameln StV 1988, 382, 382), die Untersuchungen und die erkennungsdienstliche Behandlung nach §§ 81 a, 81 b StPO (OLG Karlsruhe Justiz 1986, 143 f.) oder der Antrag auf Vernehmung eines Zeugen durch den Ermittlungsrichter in dieser Sache (BGH NJW 2003, 3142, 3143). 518

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Kap. 3: Der Strafprozess

Der Beschuldigte ist, gemäß § 163 a StPO spätestens vor Abschluss der Ermittlungen über alle Taten, die ihm vorgeworfen werden526, zu vernehmen. Zu einer derartigen Vernehmung hat der Beschuldigte bei der Staatsanwaltschaft gemäß § 163 a III 1 StPO und bei Gericht gemäß §§ 133 f. StPO nach schriftlicher Ladung zu erscheinen, die gemäß §§ 134, 135 StPO (ggf. i.V.m. § 163 a III 2 StPO) durch Vorführungsbefehl auch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Eine solche Pflicht besteht, wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 163 a III 1 StPO ergibt527, nicht gegenüber der Polizei. Im Rahmen der Vernehmung kommen dem Beschuldigten vornehmlich umfängliche Rechte und dem Vernehmenden vielerlei Pflichten zu, da sich die Strafprozessordnung auf den Schutz der Vernommenen gegenüber den Vernehmenden beschränkt528. Dem Beschuldigten ist von dem Vernehmenden bei der ersten Vernehmung zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird, er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freisteht, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen (§ 136 I i.V.m. § 163 a III, IV StPO). Der Beschuldigte selbst ist in keiner Weise verpflichtet, an seiner Überführung mitzuwirken. Diese – auch als nemo-tenetur-Grundsatz bezeichnete529 – Maxime gehört zu den anerkannten Prinzipien des Strafprozessrechts, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens und Ausdruck der Menschenwürde530. Wichtigster Ausdruck dieses, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) sowie dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) abzuleitenden Grundsatzes531, ist die Wahlmöglichkeit des Beschuldigten, auszusagen oder die Einlassung zu verweigern (§ 136 StPO). Nimmt der Beschuldigte sein Schweigerecht in Anspruch, verweigert er also die Aussage in vollem Umfang, dürfen hieraus im Urteil keine negativen Schlüsse gezogen werden532. Sollte der Beschuldigte von seinem Schweigerecht hingegen keinen Gebrauch machen, so trifft ihn darüber hinaus keine prozessuale Verpflichtung die Wahrheit zu sagen533. aa) Der Beschuldigte in Ermittlungsverfahren mit Dopinghintergrund Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, kamen als Beschuldigte in Ermittlungsverfahren mit Dopinghin526

Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 61. Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 60. 528 Kühne Rdn. 354. 529 Nach dem Rechtsgrundsatz „Nemo tenetur se ispum accusare“ („Niemand ist verpflichtet sich selbst zu bezichtigen“). 530 BVerfGE 56, 37, 43; BGHSt 38, 214, 220. 531 BVerfGE 56, 37, 43 ff.; BGHSt 38, 214, 220. 532 BGHSt 20, 281, 282 f. 533 BGHSt 3, 149, 152; dies gilt selbstverständlich nur solange durch die Aussage nicht die Tatbestände der §§ 145 d, 164, 185 ff. StGB erfüllt sind (Beulke Rdn. 125). 527

A. Das Ermittlungsverfahren

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tergrund nur die Hinterleute des Dopings, also vornehmlich Ärzte, Betreuer, die sogenannten „Dealer“ oder Funktionäre in Betracht. Seit der Einführung der Besitzstrafbarkeit in § 6 a II a AMG kann jedoch auch der besitzende Sportler zum Subjekt eines Strafverfahrens gemacht werden. Als Konsequenz des an den Athleten zu verleihenden Beschuldigtenstatus, kommen diesem nunmehr sämtliche damit einhergehenden Rechte zu. Der Sportler hat hierbei nicht nur das, aus dem nemotenetur-Grundsatz hervorgehende, Recht, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu schweigen beziehungsweise eine nicht wahrheitsgemäße Aussage zu machen534. Vielmehr kommt ihm auch im Verfahren gegen die Hinterleute des Dopings, wegen der konkreten Möglichkeit der Selbstbelastung, ein weitaus umfangreicheres Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) als zuvor zu535. Hierdurch erscheint die Situation beim Personalausweis zunächst entscheidend verschlechtert536. Theoretisch ist hierin in jedem Fall eine Verschlechterung zu sehen, in praktischer Hinsicht muss diese Einschätzung jedoch relativierend betrachtet werden, da der des Dopings verdächtige Sportler bereits vor Einführung der Besitzstrafbarkeit als Zeuge regelmäßig nicht bei der Aufklärung mitgewirkt hat537. Schon zuvor hat ein des Dopings Verdächtiger im Verbandsverfahren regelmäßig geschwiegen beziehungsweise geleugnet. Im Strafverfahren bestand, vor dem Hintergrund der für Zeugen bestehenden Aussage- und Wahrheitspflicht (§ 57 StPO), die Gefahr, dass sich der Sportler mit einer bestreitenden Aussage wegen Aussagedelikten (§§ 153 ff. StGB) strafbar machte, da er sich faktisch (aus taktischen Gründen) mit seiner Zeugenaussage nicht im Gegensatz zu seinen regelmäßig (abstreitenden) Aussagen gegenüber der Sportgerichtsbarkeit setzen durfte538. Die Alternative bestand in der Verweigerung der Aussage im Strafverfahren und im Verbandsverfahren trotz Aussagepflicht mit der Folge ordnungsrechtlicher Sanktionen bis hin zur Erzwingungshaft (§ 70 StPO)539. Egal, ob der Sportler somit die Unwahrheit sagte540 oder schwieg, eine Hilfe zur Aufklärung lieferte er schon zuvor nicht541. Von einer effektiven Verschlechterung der Beweislage kann demgemäß nicht ausgegangen werden542, vielmehr kann sogar, auf Grundlage von Erfahrungen im Betäubungsmittelrecht und anderen Bereichen der Kriminalität, davon ausgegangen werden, 534 So im Hinblick auf eine mögliche Neukriminalisierung eigenverantwortlichen Selbstdopings, jedoch gedanklich umsetzbar auf die eingeführte Besitzstrafbarkeit, Jahn SpuRt 2005, 141, 146; Krähe SpuRt 2006, 194, 194; Kudlich JA 2007, 90, 95. 535 Jahn SpuRt 2005, 141, 146; Kudlich JA 2007, 90, 95. 536 Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 537 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149; König JA 2007, 573, 576; siehe generell zu den Motivationslagen der am Doping Beteiligten, oben unter Kapitel 3 A. I. 1 c) bb). 538 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149. 539 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149. 540 So Kauerhof HRRS 2007, 71, 73, der überspitzt formuliert: „Ob staatliche Verfolgung oder verbandsinterne Ermittlungen, belogen werden die Ermittler in jedem Fall.“ 541 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149. 542 So auch Prokop SpuRt 2006, 192, 193.

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Kap. 3: Der Strafprozess

dass die Kooperationsbereitschaft steigt, wenn man selbst strafrechtlich etwas zu verlieren hat543. bb) Verwertbarkeit von Aussagen des Beschuldigten aus einem gegen ihn geführten verbandsrechtlichen Verfahren Speziell wenn der Sportler in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren nicht aussagebereit ist, er jedoch zuvor544 in einem ihn betreffenden verbandsrechtlichen Verfahren ausgesagt hat, stellt sich die Frage, ob diese Aussage im Strafverfahren verwendet werden kann. Eine besondere Problematik erlangt diese Fragestellung aufgrund der Tatsache, dass in verbandsrechtlichen Verfahren das Prinzips der strict liability gilt, das grundsätzlich im offensichtlichen Gegensatz zu dem strafprozessualen Schweigerecht steht545. Ob hierbei die von dem Bundesverfassungsgericht für eine ähnliche Kollisionslage im Insolvenzrecht entwickelten Grundsätze der sogenannten Gemeinschuldnerentscheidung546 gelten und somit ein Beweisverwertungsverbot für die Aussage aus dem verbandsrechtlichen Verfahren anzunehmen ist, ist bislang von der Rechtsprechung noch nicht behandelt worden und auch von der Literatur nicht abschließend geklärt547. (1) Das Prinzip der strict liability in verbandsrechtlichen Verfahren Das Prinzip der strict liability ist aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis bekannt und dort vor allem im Delikts- und vereinzelt im Strafrecht anzutreffen. Im Sportverbandsrecht fand es sich vor der Schaffung des WADA bzw. NADA Codes bereits in den Anti-Doping-Regelwerken der Olympischen Bewegung („OMADC“) und in der großen Mehrheit der vor dem Code bestehenden Anti-Doping-Regelwerke548. Im NADC wird das Prinzip der strict liability auf Fälle angewandt, bei denen in Blut- bzw. Urinproben von Athleten verbotene Substanzen oder ihre Metaboliten oder Marker gefunden werden (Art. 2.1 NADC). Da es die Pflicht eines jeden Athleten ist, dafür Sorge zu tragen, dass keine verbotenen Substanzen in seinen Körper gelangen und er folglich für jeden Fund verantwortlich ist, ist es nicht mehr erforderlich, dass dem Athleten Vorsatz, Verschulden, Fahrlässigkeit oder bewusster Gebrauch nachgewiesen werden, um einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zu begründen (Art. 2.1.1 NADC). Ein Verstoß liegt mithin unabhängig 543 König JA 2007, 573, 576, der dies bereits ansatzweise in dem Fall des Radrennfahrers Ivan Basso erkannt haben will; Prokop SpuRt 2006, 192, 193. 544 Die Verfahren der Sportgerichtsbarkeit finden regelmäßig deutlich schneller statt als die strafrechtlichen Verfahren (Kudlich JA 2007, 90, 95). 545 Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 546 BVerfGE 56, 37 ff. 547 Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 548 NADC 2009, S. 91, Kommentar zu Art. 2.1.1.

A. Das Ermittlungsverfahren

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davon vor, ob der Athlet absichtlich oder unabsichtlich eine verbotene Substanz gebraucht, oder ob er fahrlässig oder anderweitig schuldhaft handelte549. Stammt die positive Probe aus einer Wettkampfkontrolle, werden die Einzelergebnisse dieses Wettkampfes automatisch annulliert (Art. 9 NADC). Bezüglich weiterer Sanktionen hat der Athlet in der Folge die Möglichkeit, diese zu vermeiden oder eine Herabsetzung zu erreichen, sofern er beweisen kann, dass er nicht schuldhaft550 oder signifikant schuldhaft551 gehandelt hat (Art. 10.5 NADC), oder dass bestimmte Umstände vorlagen und er nicht beabsichtigte, seine sportliche Leistung zu steigern (Art. 10.4 NADC)552. Das Prinzip der strict liability mit seiner Verschuldensvermutung sorgt somit für eine Beweislastumkehr im sportverbandsrechtlichen Verfahren553. Die strafrechtliche Unschuldsvermutung mit der Pflicht des Nachweises eines schuldhaften Verhaltens des Athleten findet sich im verbandsrechtlichen Verfahren demgemäß nicht. Vielmehr kann der Athlet hier seine vermutete Schuld nur durch eigenes Mitwirken an diesem Verfahren beseitigen. Ihn trifft also – so er seine Sanktion nicht akzeptieren will – eine faktische Aussagepflicht554. Eine derartige Verpflichtung ist zwar grundsätzlich mit dem im Strafrecht geltenden Schweigerecht nicht vereinbar555, bei den Sportverbandsverfahren handelt es sich jedoch – trotz der häufigen Verwendung von strafrechtlichen bzw. strafverfahrensrechtlichen Begriffen556 – um ein genuin zivilrechtliches Verfahren557. (2) Die Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts558 lag die Verfassungsbeschwerde eines in Konkurs geratenen Kaufmanns zugrunde, der im damaligen 549

NADC 2009, S. 91, Kommentar zu Art. 2.1.1. „Kein Verschulden“ wird vom NADC definiert als „die überzeugende Darlegung durch den Athleten, dass er weder wusste noch vermutete noch unter Anwendung der äußersten Sorgfalt hätte wissen oder vermuten müssen, dass er eine verbotene Substanz eingenommen oder eine verbotene Methode angewendet hat oder dass ihm eine verbotene Substanz verabreicht oder bei ihm eine verbotene Methode angewendet wurde“ (NADC 2009, S. 78, Begriffsbestimmung). 551 „Signifikantes Verschulden“ wird vom NADC definiert als „die überzeugende Darlegung durch den Athleten, dass sein Verschulden unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere der Kriterien für kein Verschulden, im Verhältnis zu dem Verstoß gegen die AntiDoping-Bestimmungen nicht wesentlich war“ (NADC 2009, S. 78, Begriffsbestimmung). 552 NADC 2009, S. 91, Kommentar zu Art. 2.1.1. 553 Kudlich JA 2007, 90, 95. 554 Jahn SpuRt 2005, 141, 146; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150 spricht von einem „faktischen Druck“. 555 Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 556 So Rössner in 3. Internationaler Sportrechtskongress 2003, 379, 380; ausführlich hierzu ders. FS Meyer-Goßner, 741 ff. 557 Mertens SpuRt 2006, 177, 179. 558 BVerfGE 56, 37 ff. 550

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Kap. 3: Der Strafprozess

Konkurs- bzw. jetzigen Insolvenzverfahren ein Auskunftsverweigerungsrecht zu solchen Fragen beanspruchte, mit deren Beantwortung er Gefahr laufen würde, eine strafbare Handlung zu offenbaren. Aufgrund der, zum damaligen Zeitpunkt geltenden, Konkursordnung (KO) traf den Gemeinschuldner gemäß §§ 75, 100 KO eine Auskunftspflicht, welche gemäß § 101 KO durch Zwangsmittel durchgesetzt werden konnte. Trotz dieser Verpflichtung verweigerte der Beschwerdeführer in dem gegen ihn geführten Konkursverfahren die Aussage, weil in Bezug auf das Beweisthema ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Konkursvergehens anhängig war und weil er sich durch die Beantwortung der Fragen möglicherweise selbst einer strafbaren Handlung hätte bezichtigen müssen. Von dem Konkursgericht wurde daraufhin gemäß §§ 75, 101 II KO zur Erzwingung der Aussage Beugehaft angeordnet. Die sofortige Beschwerde wurde vom Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gemeinschuldner im Rahmen seiner Auskunftspflicht notfalls auch eigene strafbare Handlungen offen zu legen hat, da ein Aussageverweigerungsrecht in der Konkursordnung nicht vorgesehen ist. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein, mit der er eine Verletzung in Art. 1 sowie Art. 4 GG rügte. Zur Begründung führte er an, dass er durch die angegriffene Entscheidung in eine Konfliktlage geraten ist, entweder sich selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder zu seinem Schutz vor Gericht die Unwahrheit zu sagen. Er empfand es als wesentlichen Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst einer strafbaren Handlung zu beschuldigen. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde als unbegründet ab, da der Beschwerdeführer durch die Aussagepflicht und die damit verbundene Anordnung von Beugemitteln nicht in seinen Grundrechten verletzt wurde. Dem Beschwerdeführer steht mithin nicht das von ihm erstrebte Auskunftsverweigerungsrecht zu559. Um seinen schutzwürdigen Belangen dennoch Rechnung zu tragen, erkannte das Bundesverfassungsgericht jedoch ein strafrechtliches Verwertungsverbot für etwaige Selbstbezichtigungen im Rahmen der Aussagen im Konkursverfahren an560, da durch die Aussagepflicht in das, durch Art. 2 I GG geschützte, Persönlichkeitsrecht des Gemeinschuldners eingegriffen wurde561. Die Auskunftspflicht des Gemeinschuldners besteht demnach uneingeschränkt nur für die Zwecke des Konkursverfahrens, da insoweit das Interesse des Gemeinschuldners hinter den Belangen der Gläubiger zurücktreten muss562. Das Persönlichkeitsrecht des Gemeinschuldners würde aber unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn seine, unter 559

Auf die Begründung bezüglich des nicht zuzubilligenden Auskunftsverweigerungsrechts soll hier aus thematischen Gründen nicht weiter eingegangen werden, siehe hierzu BVerfGE 56, 37, 41 – 50. 560 BVerfGE 56, 37, 41. 561 BVerfGE 56, 37, 50. 562 Siehe hierzu BVerfGE 56, 37, 49 f.

A. Das Ermittlungsverfahren

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Zwang herbeigeführte Selbstbezichtigung gegen seinen Willen zweckentfremdet und der Verwertung für eine Strafverfolgung zugefügt würde563. Eine Rechtfertigung hierfür kann, speziell vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich geschützten Schweigerechts im Strafverfahren, nicht erkannt werden. Dieses Schweigerecht wäre illusorisch, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwendet werden dürfte564. Da die damals bestehende Konkursordnung nur Reglungen zur Aussagepflicht und zu deren zwangsweiser Durchsetzung aufwies, ergänzte das Bundesverfassungsgericht die bestehende Lücke565 durch ein Verwertungsverbot, welches an die in § 136 a StPO und in § 393 II AO bereits vorgesehenen Verwertungsverbote angelehnt wurde566. (3) Übertragbarkeit der Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung auf Aussagen des Sportlers in verbandsrechtlichen Verfahren Da im sportverbandsrechtlichen Verfahren aufgrund der Tatsache, dass eine aktive Mitwirkung durch den Athleten selbst die einzige Möglichkeit für seine Entlastung darstellt, für ihn eine Art faktischer Zwang zur Aussage besteht, er sich durch diese Aussage aber gleichzeitig womöglich selbst strafrechtsrechtlich relevanter Handlungen bezichtigen muss, wird er vor eine ähnliche Entscheidung gestellt, wie der Gemeinschuldner in dem oben erläuterten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Entweder er sagt im verbandsrechtlichen Verfahren aus und setzt sich somit einer möglichen Strafverfolgung aus oder er schweigt, umgeht auf diese Weise etwaige strafrechtliche Sanktionen, nimmt hierfür jedoch die verbandsrechtliche Sanktion unbeanstandet hin. Aufgrund der vordergründig vergleichbaren Kollisionslage könnte somit überlegt werden, die Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung auch hierauf anzuwenden und so ein Beweisverwertungsverbot für die verbandsrechtlichen Aussagen des Athleten anzunehmen567. Aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der Konstellationen im Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren und dem sportverbandsrechtlichen Verfahren ist die Annahme eines derartigen Beweisverwertungsverbots jedoch abzulehnen. Die Kollisionslage im Konkursverfahren und diejenigen im sportverbandsrechtlichen Verfahren unterscheiden sich in zwei wesentlichen Punkten voneinander. Zunächst besteht im Konkursverfahren eine gesetzliche Mitwirkungspflicht, wohingegen im sportverbandsrechtlichen Verfahren für den Athleten grundsätzlich 563

BVerfGE 56, 37, 50. BVerfGE 56, 37, 50 f. 565 Eine solche Lücke besteht heute nicht mehr, da das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Verwertungsverbot im Zuge der Neureglung des Insolvenzrechts nunmehr in § 97 I 3 InsO gesetzlich geregelt ist (hierzu weiterführend Hefendehl wistra 2003, 1 ff.). 566 BVerfGE 56, 37, 52. 567 Eine derartige Fragestellung aufwerfend: Jahn SpuRt 2005, 141, 146; Hauptmann/ Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149; König JA 2007, 573, 576; Kudlich JA 2007, 90, 95. 564

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Kap. 3: Der Strafprozess

nicht einmal eine Pflicht besteht, eine Aussage zu tätigen. Ihm wird lediglich die Möglichkeit eingeräumt, durch eine Aussage den vermuteten Verstoß gegen eine Anti-Doping-Bestimmung zu entkräften. Aber auch wenn den Athleten in anderen Bereichen des verbandsrechtlichen Verfahrens Mitwirkungspflichten treffen – so beispielshalber die Teilnahme an Dopingkontrollen568 – sind diese Pflichten nicht mit denen des Konkursverfahrens vergleichbar, da sich der Athlet diesen Reglungen aufgrund eines freien Willensentschlusses selbst unterworfen hat569. Der staatlich oktroyierten Pflicht zur Mitwirkung im Konkursverfahren steht also im sportverbandsrechtlichen Verfahren eine – nicht einmal für die fraglichen Aussagen geltende – Pflicht aufgrund freiwilliger Unterwerfung gegenüber, die bereits nicht mit einander vergleichbar sind. Das zweite und entscheidende Argument gegen eine Vergleichbarkeit der Kollisionslagen ist in der fehlenden Möglichkeit der Erzwingung der sportrechtlichen Mitwirkungspflichten durch hoheitliche, staatliche Gewalt zu erkennen570. Besonders dieser Punkt steht jedoch bei der Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts erkennbar im Vordergrund571. Die von Seiten der Sportverbände drohenden Sanktionen sind ausschließlich verbandsrechtliche, das heißt privatrechtliche Sanktionen, denen der Sportler aufgrund der Mitgliedschaft in seinem Verband oder seiner Wettkampfteilnahme unterliegt572. Einen rechtlichen Zwang den Mitwirkungspflichten nachzukommen gibt es nicht. Es lässt sich lediglich ein faktischer Zwang für den jeweiligen Sportler erkennen, der durch seine Aussage der verbandsrechtlichen Strafe entgehen will. Ein derartiger faktischer Zwang ist jedoch nicht mit einem rechtlichen, mit staatlichen Zwangsmitteln durchsetzbaren, Zwang zu vergleichen573, die Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung mithin nicht auf Aussagen aus dem sportverbandsrechtlichen Verfahren anwendbar. Dieses Ergebnis wird zusätzlich durch die Rechtsprechung des BGH zum Asylrecht gestützt574. Dort besteht zwar für den Asylbewerber eine Mitwirkungspflicht, im Rahmen derer er Angaben über die Modalitäten seiner Einreise machen muss, diese ist jedoch in keiner Weise erzwingbar575. Bleibt der Antragsteller trotz Ladung ohne genügende Entschuldigung aus, so hat das nur zur Folge, dass die Ausländerbehörde den Asylantrag an das Bundesamt weiterleitet und dieses sodann 568

Siehe zur Verwendung der Ergebnisse der Dopingprobe unten unter Kapitel 3 A. II. 2. d). Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150; König JA 2007, 573, 576. Etwas anderes könnte sich möglicherweise ergeben, wenn es sich bei den Sportlern um Bundespolizisten oder Bundeswehrsoldaten handelt. Auf diese Fragestellung soll hier nicht näher eingegangen werden. 570 So auch Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. 571 BVerfGE 56, 37, 50 f.; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. 572 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. 573 Bärlein/Pananis/Rehmsmeier NJW 2002, 1825, 1827; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. 574 BGHSt 36, 328 ff. 575 BGHSt 36, 328, 333. 569

A. Das Ermittlungsverfahren

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nach Aktenlage unter Würdigung der Nichtmitwirkung des Antragstellers entscheidet. Vergleichbar mit dem sportverbandsrechtlichen Verfahren besteht der Interessenkonflikt somit allein in der Person des Asylbewerbers selbst, der im Falle einer Verweigerung von Angaben die Erfolgsaussichten seines Antrags mindert576. Auch im Rahmen dieser Kollisionslage wurde vom Bundesgerichtshof eine Vergleichbarkeit mit der Gemeinschuldnerentscheidung erwogen und letztlich abgelehnt577. Aufgrund der fehlenden Zwangsmöglichkeiten sieht der BGH die Mitwirkungspflicht des Antragsstellers als bloße Obliegenheit und betont, dass anders als bei der Gemeinschuldnerentscheidung keine Drittinteressen betroffen sind578. Der Interessenkonflikt besteht nicht zwischen Belangen des Antragstellers und denjenigen Dritter, sondern ausschließlich in der Person des Asylbewerbers selbst. Wie der BGH hervorhebt sind Interessenkonflikte dieser Art – wenn das Gesetz nicht ausdrücklich eine andere Reglung trifft – grundsätzlich nicht geeignet, die Annahme eines strafprozessualen Verwertungsverbots zu rechtfertigen579. Wenn somit nicht einmal bei einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht, die nicht durch Zwangsmittel durchgesetzt werden kann, von einer vergleichbaren Kollisionslage auszugehen ist, dann kann bei einer solchen, die auf einer freiwilligen Unterwerfung unter ein zivilrechtliches Regelwerk beruht, nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann und ferner auch nur auf einem internen Interessenkonflikt ohne Drittbezug beruht, erst recht von keiner Vergleichbarkeit ausgegangen werden. b) Vernehmung von Zeugen Zeuge im Sinne der §§ 48 ff. StPO ist eine Person, die in einer nicht gegen sie selbst gerichteten Strafsache ihre Wahrnehmung über Tatsachen durch Aussage kundgeben soll580. Gegenstand des Zeugenbeweises sind Tatsachen, nicht Rechtsfragen, Erfahrungssätze, allgemeine Eindrücke, Schlussfolgerungen oder Mutmaßungen581. Der Zeuge muss zu seiner Vernehmung auf Ladung bei der Staatsanwaltschaft (§ 161 a I 1 StPO) und bei Gericht (§§ 48, 51, 77 I StPO) erscheinen. Eine Pflicht zur Aussage bei der Polizei zu erscheinen gibt es hingegen nicht, wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 161 a I 1 StPO ergibt582. Die Polizeibehörde kann nur, in der Hoffnung, dass der Zeuge kooperationswillig ist, auf die Möglichkeit schriftlicher Äußerung hinweisen und ihm einen Fragebogen übersenden583. 576 577 578 579 580 581 582 583

BGHSt 36, 328, 333; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier NJW 2002, 1825, 1827. BGHSt 36, 328, 332 ff. BGHSt 36, 328, 333. BGHSt 36, 328, 334. RGSt 37, 371 f. Meyer-Goßner Vor § 48 Rdn. 2. Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 60, 165; Kreuzer § 12 Rdn. 161. Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 165.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Der Zeuge ist nach seinem Erscheinen verpflichtet, vor der Staatsanwaltschaft (§ 161 I 1 StPO) beziehungsweise vor dem Richter (§§ 69, 70 StPO) zur Sache auszusagen. Eine Wahrheitspflicht in Bezug auf die Aussagen der Zeugen bei der Staatsanwaltschaft kann der Strafprozessordnung nicht unmittelbar entnommen werden584. Eine dahingehende Belehrung ist auch in Nr. 65 RiStBV nicht vorgesehen. Die Wahrheitspflicht ergibt sich „aus wohlerwogenen Gründen“585 erst über die Wirkung des materiellen Strafrechts, § 161 a I 2 i.V.m. § 57 I StPO586. Sie wird für die staatsanwaltschaftliche Vernehmung durch §§ 145 d, 164, 257, 258 StGB abgesichert587. Da der Richter bereits im Ermittlungsverfahren bei Gefahr im Verzug oder bei voraussichtlicher Verhinderung von Zeugen in der Hauptverhandlung gemäß §§ 62, 161 a I 3 StPO zu einer eidlichen Vernehmung berechtigt ist, ergibt sich für richterliche Vernehmungen die Wahrheitspflicht aus den §§ 153 ff. StGB. Die Aussagepflicht des Zeugen ist jedoch durch eine Reihe von Reglungen begrenzt. Ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen haben Angehörige des Beschuldigten (§ 52 StPO) sowie bestimmte Gruppen von Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO) und ihre Berufshelfer (§ 53 a StPO)588. Ein Auskunftsverweigerungsrecht steht einem Zeugen zu, der sich oder einen nahen Angehörigen durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit aussetzen würde (§ 55 StPO). Im Gegensatz zum Zeugnisverweigerungsrecht darf der Zeuge hierbei die Aussage jedoch nicht komplett verweigern, sondern nur in Bezug auf einzelne Fragen. Vor der Vernehmung sind die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen (§ 57 S.1 StPO), über ihre Rechte zur Verweigerung der Auskunft (§ 55 II StPO) und über die möglichen strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren (§ 57 S. 1 StPO)589. Bei einer richterlichen Vernehmung hat des Weiteren eine Belehrung über die Möglichkeit der Vereidigung zu erfolgen (§ 57 S. 1 StPO)590. aa) Zeugen in Ermittlungsverfahren mit Dopinghintergrund Wie oben bereits beschrieben, stehen in Strafverfahren mit Dopinghintergrund zumeist nur wenige bis gar keine Zeugen zur Verfügung591. Maßgeblicher Grund hierfür ist die, sich um den dopenden Sportler bildende Schicksalsgemeinschaft. Eine derartige Gruppierung hat, aufgrund verschiedenartiger Interessen der einzelnen 584

Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 179. BGHSt 9, 362, 364. 586 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 179. 587 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 179. 588 Zu weiteren Weigerungsrechten Meyer-Goßner Vor § 48 Rdn. 9. 589 Hund in Kreuzer § 12 Rdn. 175. 590 Zu einer Belehrung nach § 57 S. 2 i.V.m. § 64 I, II, IV StPO kommt es nur im Fall einer Vereidigung (Meyer-Goßner § 57 Rdn. 2). 591 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). 585

A. Das Ermittlungsverfahren

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Gruppenmitglieder592, das einheitliche Ziel, die Vorgänge um das Doping geheimzuhalten. Demgemäß erfolgt eine größtmögliche Abschottung gegenüber Dritten, was zur Folge hat, dass Externe nur in den seltensten Fällen Einblicke erhalten und demzufolge als unmittelbare Zeugen der Dopingvorgänge zumeist ausfallen. Aber auch die am Doping des Sportlers Beteiligten, also die Mitglieder der sogenannten Schicksalsgemeinschaft, kommen zumeist nicht als Zeugen in Betracht. Aufgrund ihrer jeweiligen Interessen an dem Doping des Sportlers und an dessen Geheimhaltung, werden sie in der überwiegenden Anzahl der Fälle als Zeugen nicht kooperationswillig sein. Darüber hinaus findet die Zahl möglicher Zeugen schon aufgrund der umfassenden Ausgestaltung der Handlungsvarianten des § 6 a AMG eine weitere Einschränkung. Die Norm weist mit dem Inverkehrbringen, Verschreiben, Anwenden und der neu eingefügten Strafbarkeit des Besitzes vier verschiedene Tathandlungen aus, die zusätzlich weit gefasst sind. Das Inverkehrbringen umfasst hierbei gemäß § 4 Nr. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere und dies jeweils entgeltlich oder unentgeltlich593. Hierdurch werden nahezu alle Tatmodalitäten erfasst, die im Rahmen der Zirkulation von Dopingmitteln in Betracht kommen. Dies betrifft maßgeblich diejenigen Personen, die den Sportler mit Dopingmitteln versorgen. Ergänzt wird die Tathandlung des Inverkehrbringens durch das Verschreiben, das die Ausstellung eines Rezepts voraussetzt und somit Ärzte, mitunter aber auch Nichtärzte als Rezeptfälscher erfasst594. Hinzu kommt das Anwenden der Dopingmittel, welches das Einbringen der Substanzen in den Körper sowie die Applikation auf die Außenfläche des Körpers des Sportlers durch Dritte pönalisiert595. Bei dieser Handlungsvariante kommt es nicht darauf an, ob die Anwendung durch einen Angehörigen eines Heil- oder Heilhilfsberufs erfolgt, mögliche Täter können vielmehr auch Trainer, andere Sportler, Verwandte oder beliebige andere Personen sein596. Von der Besitzstrafbarkeit, die wie in § 29 I 1 Nr. 3 BtMG597 als Innehaben der Herrschaftsgewalt mit Besitzwillen zu verstehen ist598, wird nun auch der Sportler selbst sowie sämtliche Umfeldpersonen, welche die Dopingmittel für ihn lagern, transportieren oder sonst bereithalten, erfasst. Die Konsequenz dieser umfänglichen Ausgestaltung der Tathandlungen ist eine mögliche Strafbarkeit eines Großteils der Personen aus der sogenannten Schicksalsgemeinschaft um den sich dopenden Sportler. Dies hat zur Folge, dass diese Personen entweder, mit dem ihnen zustehenden Aussageverweigerungsrecht, in 592 593 594 595 596 597 598

Siehe hierzu im Einzelnen oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). Körner BtMG § 95 AMG Rdn. 28. Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 24. Kloesel/Cyran § 6 a Rdn. 28. Kloesel/Cyran § 6 a Rdn. 28. Weber § 29 Rdn. 1169 ff. Jahn GA 2007, 579, 586.

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Kap. 3: Der Strafprozess

demselben Verfahren als Mitbeschuldigte zu vernehmen sind und so nicht mehr als Zeugen in Frage kommen, oder aber, dass ihnen, wenn – im Sinne des formellen Mitbeschuldigtenbegriffs599 – die Verfahren von Anfang an getrennt voneinander geführt werden oder voneinander abgetrennt werden, als Zeugen bezüglich der entscheidenden Fragen zumindest ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. Bei den dann noch zu Verfügung stehenden Zeugen ist eine getätigte Aussage stets mit der gebührenden Skepsis zu betrachten, wenn es sich bei diesen auch um Athleten oder Personen aus deren Umfeld handelt. Der Grund hierfür findet sich in der Tatsache, dass speziell im Bereich des Leistungssports nicht auszuschließen ist, dass ein Sportler beziehungsweise seine Umfeldpersonen versuchen, durch eine falsche Beschuldigung einen Konkurrenten zu schädigen600. Wird gegen diesen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, so kann sich dies rufschädigend auswirken und ihn so mittelbar, beispielshalber in Bezug auf mögliche Werbeverträge, schädigen601. Auch im Hinblick auf dessen sportliche Leistung kann ein Ermittlungsverfahren, aufgrund der damit einhergehenden psychischen Belastung, negative Folgen haben. bb) Berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrechte von Ärzten Für den Vorgang des Dopings haben speziell (Sport-602)Ärzte und Apotheker eine besondere Bedeutung. Ärztliche Hilfe ist hierbei von Nöten, um Kenntnis von den Wirkungen und Nebenwirkungen der Dopingmittel zu erlangen, um die korrekten Dosierungsmengen zu wählen, gesundheitliche Risiken abschätzen zu können und um die bestmögliche medizinische Verschleierungstaktik des Dopings zu erlernen603. Ein Apotheker kann darüber hinaus als sogenannter „Dealer“ der Dopingmittel dienen. Dementsprechend könnte man davon ausgehen, dass Ärzte und Apotheker, so sie nicht selbst als Beschuldigte in Betracht kommen, als Zeugen in einem 599 Im Sinne dieser in der Rechtsprechung (BGH StV 1984, 361 ff.) und Teilen der Literatur (Meyer-Goßner Vor § 48 Rdn. 21) vorherrschenden Ansicht kommt es alleine darauf an, ob in demselben Verfahren gegen die Mitbeschuldigten vorgegangen wird. Bereits die vorübergehende Trennung der verbundenen Sachen ermöglicht die Zeugenvernehmung des Mitbeschuldigten, dessen Verfahren abgetrennt worden ist (BGHSt 10, 8, 11; 27, 139, 141). Sie ist zulässig, wenn sich die Vernehmung auf die Tat beziehen soll, die dem Mitbeschuldigten nicht selbst zur Last gelegt wird (BGH NJW 1964, 1034 f.), nicht aber, wenn sie eine gemeinschaftliche Tat betreffen soll (BGH JR 1969, 148 ff.; BGH bei Holtz MDR 1977, 637, 639; BGH StV 1984, 186). 600 So auch Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 136. 601 Zu der Wirkung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf die öffentliche Meinung: Kühne Rdn. 317. 602 Zu der gegenüber Hausärzten hervorgehobenen Stellung von Sportmedizinern: Striegel/ Vollkommer MedR 2001, 112, 114. 603 Das Erfordernis eines Arztes bezüglich des Einstiegs in das Doping betont die österreichische Triathletin und Kronzeugin Lisa Hütthaler in einem Interview mit dem Spiegel (Spiegel 18/2009 vom 27. 04. 2009, S. 128); zu den Mitwirkungsmöglichkeiten eines Arztes am Doping: Körner KR 2003, 101, 101; Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 135; siehe hierzu auch schon oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb).

A. Das Ermittlungsverfahren

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Strafverfahren mit Dopinghintergrund eine besondere Rolle spielen. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass diesen Berufsgruppen als Zeugen das berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 I Nr. 3 StPO zukommt. Dieses Recht gründet in dem besonderen Schutz der dem Vertrauensverhältnis zwischen bestimmten Berufsangehörigen und denen, die ihre Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen, zukommt604. Aus diesem Grund erstreckt sich das Zeugnisverweigerungsrecht approbierter Ärzte605 und Apotheker auf alles, was ihnen bei der Anbahnung des Beratungs- und Behandlungsverhältnisses sowie bei der Untersuchung oder Heilbehandlung unmittelbar oder mittelbar anvertraut oder bekanntgeworden ist606. Dazu gehören der Name des Patienten607, die Tatsache seiner Behandlung608, die Frage, ob ein Beschuldigter bei einem bestimmten Arzt in Behandlung war609, die Begleitumstände seiner Aufnahme610 und alles, was der Arzt selbst im Rahmen der Behandlung erkannt oder ermittelt hat611. Das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt sich hierbei schon auf die Anbahnung des Beratungs- und Behandlungsverhältnisses612, so dass bereits frühe Stadien des Arzt-Patienten-Verhältnisses erfasst werden. Wird ein gesunder Sportler zum Zwecke der Leistungssteigerung gedopt, könnte die Überlegung angestellt werden, dass in derartigen Konstellationen das Zeugnisverweigerungsrecht für Ärzte entfällt, da es sich bei der Behandlung nicht um eine ärztliche Tätigkeit handelt und demgemäß das Vertrauensverhältnis nicht als schützenswert anzusehen ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Gemäß § 1 II der Berufsordnung für Deutsche Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) ist es Aufgabe des Arztes, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern. Diese enge Definition der ärztlichen Tätigkeit muss jedoch über ihren Wortlaut hinaus erweitert werden, wenn die Tätigkeit des Arztes ihrer Art nach der ärztlichen Krankenbehandlung entspricht, insbesondere wenn sie medizinische Fachkenntnisse voraussetzt613. Aus diesem Grund stellt sowohl die Verabreichung als auch die bloße Weitergabe von Dopingmedikamenten eine ärztliche Tätigkeit dar, da

604

BVerfGE 38, 312, 323; BGHSt 9, 59, 61; ausführlich zu den widerstreitenden Ansichten bezüglich des Schutzzwecks der Norm, Michalowski ZStW 109, 519, 522 ff. 605 Strittig ist hierbei, ob nur im Inland approbierte Ärzte erfasst sind (Meyer-Goßner § 53 Rdn. 17), oder ob sich die Reglung auch auf alle ausländischen Ärzte erstreckt (Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg § 53 Rdn. 36). 606 Meyer-Goßner § 53 Rdn. 18; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg § 53 Rdn. 37. 607 BGH JZ 2000, 683, 684. 608 BGHSt 33, 148, 151. 609 BGH JZ 2000, 683, 684. 610 BGHSt 33, 148 ff. 611 Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg § 53 Rdn. 37. 612 BGHSt 33, 148 ff. 613 Franz/Hartl NJW 1988, 2277, 2279; Striegel/Vollkommer MedR 2001, 112, 114.

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Kap. 3: Der Strafprozess

der dopingwillige Sportler den Sportmediziner gerade wegen seines Fachwissens aufsucht614. Aufgrund des ihnen somit zukommenden, umfassend ausgestalteten Zeugnisverweigerungsrechts und der gemäß § 203 StGB drohenden Sanktionen615 werden Ärzte und Apotheker – von einer wohl nur selten vorkommenden Entbindung von der Schweigepflicht gemäß § 53 II StPO abgesehen – als Zeugen in Strafverfahren mit Dopinghintergrund nur selten zur Aufklärung beitragen können616. c) Die Kronzeugenreglung Wie bereits mehrfach thematisiert stoßen die existierenden Ermittlungsmethoden der Strafverfolgungsorgane bei Deliktsbereichen wie der Dopingmittelkriminalität, die netzwerkartig strukturiert sind und sich durch konspirative Abschottung nach außen auszeichnen, zumeist an ihre Grenzen. Die Strafverfolgungsbehörden sind in diesen Bereichen daher speziell auf Hinweise von Personen aus dem Milieu angewiesen, die die erforderlichen Informationen zu Strukturen und Hintermännern geben können617. Jede gesetzliche Vorgabe, die solche belastenden Angaben in welcher Form auch immer belohnt, geht von der im Kern zweifellos zutreffenden Prämisse aus, dass dem aussagebereiten Insider ein Anreiz zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden gegeben werden muss, der schwerer wiegt als die Treue zu den Mitgliedern der eigenen Organisation, als die Angst vor deren Rache und nicht zuletzt als die Gefahr eigener weiterer Strafverfolgung618. Derartige gesetzliche Reglungen, welche die Aussagebereitschaft potentieller Zeugen belohnen, finden sich bereits seit einiger Zeit. Erstmals gelangte mit § 31 BtMG im Jahr 1981 eine sogenannte kleine, also nur für bestimmte Delikte geltende, Kronzeugenreglung in das deutsche Nebenstrafrecht. Weitere kleine Kronzeugenreglungen finden sich in sehr engem Umfang bei der Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung in § 129 VI StGB und § 129 a VII StGB. Die Kronzeugenreglung für die Geldwäsche (§ 261 X StGB a.F.) wurde hingegen im Zuge der 614

571.

Striegel/Vollkommer MedR 2001, 112, 114 f.; im Ergebnis auch Turner MDR 1991, 569,

615 Zu einer diesbezüglichen Abwägung des Zeugen: Meyer-Goßner § 53 Rdn. 6; Michalowski ZStW 109, 519, 536 ff. 616 Zu einer möglichen Rechtfertigung einer Aussage gemäß § 34 StGB, weiterführend Michalowski ZStW 109, 519, 529 ff., die zu dem Ergebnis kommt, dass der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht zu Zwecken der Strafverfolgung nie und zum Zwecke der Verhinderung von Straftaten nur in Ausnahmefällen gemäß § 34 StGB gerechtfertigt sei. In den Fällen, in denen mit dem Bruch der Schweigepflicht die strafrechtliche Verfolgung eines Unschuldigen verhindert werden kann, überwiegen, nach der dort vertretenen Auffassung, die Interessen des unschuldig Verfolgten regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse des Patienten, so dass bei Vorliegen der übrigen Rechtfertigungsvoraussetzungen § 34 StGB zur Rechtfertigung der Schweigepflichtverletzung führt. 617 BT-Drucks 16/6268 S. 1; Frank/Titz ZRP 2009, 137, 138. 618 Frank/Titz ZRP 2009, 137, 138.

A. Das Ermittlungsverfahren

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Einführung des § 46 b StGB gestrichen619. Auch nicht mehr existent ist das am 16. 06. 1989 verabschiedet Kronzeugengesetz620, das – nach Erweiterung auf die Verfolgung sonstiger Organisierter Kriminalität – zuletzt bis zum 31. 12. 1999 befristet, jedoch danach nicht mehr verlängert wurde621. Darüber hinaus kann die Mitwirkung an der Aufklärung anderweitiger Straftaten nach geltendem Recht bei der Strafzumessung gemäß § 46 II StGB und bei der Entscheidung über die Aussetzung des Strafarrestes zeitiger Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 57 StGB) berücksichtigt werden622. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten war es absehbar, dass in der Literatur über die Anwendbarkeit einer Kronzeugenreglung für Strafverfahren mit Dopinghintergrund nachgedacht wurde623. Auch der Bundesrat hielt es, in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, für geboten, Reglungen in das Gesetz einzufügen, nach denen eine Kooperationsbereitschaft des Täters honoriert werden kann624. Ein derartiger Vorschlag wurde jedoch von der Bundesregierung in Hinblick auf den zu erlassenden § 46 b StGB als nicht erforderlich abgelehnt625. Seit der Aufnahme dieser großen Kronzeugenreglung626 in das Strafgesetzbuch im September 2009 hat sich die Grundlage einer Diskussion um eine Kronzeugenreglung für Strafverfahren mit Dopinghintergrund somit verändert. Fraglich bleibt jedoch, ob mit der Einführung dieser neuen Strafzumessungsregel die erhofften Verbesserungen für Dopingverfahren einhergehen.

619

BT-Drucks 16/6268 S. 16. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenreglung bei terroristischen Straftaten, BGBl. 1989, 1059 ff. 621 König NJW 2009, 2481, 2482. 622 Frank/Titz ZRP 2009, 137, 138. 623 Dury FS Röhricht 2005, 1097, 1108; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Körner SpuRt 2002, 226 ff.; ders. KR 2003, 101, 101; Kudlich JA 2007, 90, 95; Vieweg SpuRt 2004, 194, 195, 197; Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133 ff. 624 Der Bundesrat schlug die Aufnahme der folgenden Reglung in den 5. Absatzes des § 95 AMG vor: „(5) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 a, auch in Verbindung mit Absatz 3 Nr. 1 oder 2, und des Absatzes 2 b die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder von einer Bestrafung nach Absatz 2 a oder 2 b absehen, wenn der Täter 1. durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 2 a, auch in Verbindung mit Absatz 3 Nr. 1 oder 2, oder des Absatzes 2 b, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden können“ (BT-Drucks 16/5526 S. 11). 625 BT-Drucks 16/5526 S. 12. 626 Der Begriff des Kronzeugen soll hier verwendet werden, auch wenn er sich in der gesetzlichen Reglung nicht findet. 620

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Kap. 3: Der Strafprozess

aa) Diskussionsstand bezüglich einer möglichen Kronzeugenreglung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Die Einführung einer Kronzeugenreglung zur Unterstützung der Aufdeckung und Ahndung von Dopingmittelvergehen wurde von der Literatur zunächst für das verbandsrechtliche Verfahren erwogen627. Die Intention dieser Überlegung war begrüßenswert628 und auch ihr Ansatz nachvollziehbar, eine Einordnung ausschließlich in das Verbandsverfahren hingegen wenig sinnvoll629. Der Nutzen der Kronzeugenreglung liegt demnach richtigerweise nicht nur in der Aufklärung begangener und der Verhinderung zukünftiger Taten aufgrund der Aussage des Kronzeugen. Allein durch die Einführung einer derartigen Reglung wird vielmehr ein häufig unterschätzter präventiver Effekt erzielt630. Durch das bloße Vorhandensein einer Kronzeugenreglung kommt es zu einer Verunsicherung illegal handelnder Gruppierungen, die besonders dort wirkt, wo sich geschlossene Kreise von Tätern und Mitwissern bilden, die als Fundament ihrer Tätigkeit – der systematischen Begehung von Regelverstößen – ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen benötigen. In derartigen Gruppierungen fördert die Gewissheit, kein Gruppenmitglied werde „auspacken“, die Bereitschaft zur Tatbegehung. Dieses Grundvertrauen wird jedoch gestört, wenn im Rahmen einer Kronzeugenreglung für ein Mitglied die Möglichkeit besteht, straffrei zu bleiben beziehungsweise eine verminderte Strafe zu erhalten, indem er Informationen über die übrigen Gruppenmitglieder preis gibt631. Da sich derartige Gruppierungen – wie gezeigt632 – auch um den sich dopenden Sportler bilden, kann eine Kronzeugenreglung sowohl beim Eindringen in deren Strukturen hilfreich sein, als auch zu deren Verunsicherung beitragen. Warum eine derartige Reglung jedoch ausschließlich im verbandsrechtlichen Verfahren installiert werden sollte, erschließt sich nicht. Die These, dass sich der organisierte Sport zunächst die Frage stellen muss, ob er die verfügbaren Mittel ausgeschöpft hat und ob er das Sanktionssystem um eine Kronzeugenreglung ergänzen muss, bevor darüber nachgedacht werden kann, ob sich der Staat in den Kampf gegen das Doping-Unwesen einschalten soll633, zeugt ausschließlich von Misstrauen gegenüber der Strafjustiz und von fehlerhaftem Konkurrenzdenken 627 Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133 ff.; eine derartige Reglung wurde mittlerweile in den NADC aufgenommen. Gemäß Nr. 10.5.3. NADC kann bei substanzieller Hilfe bei der Aufdeckung oder dem Nachweis eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen ein Teil einer im Einzelfall verhängten Sperre ausgesetzt werden (im Einzelnen hierzu NADC, S. 109 ff., Kommentar zu Art. 10.5.3). 628 So auch Körner SpuRt 2002, 226, 226. 629 So auch im Ergebnis Körner SpuRt 2002, 226, 228. 630 Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 134. 631 Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 134; zustimmend Körner SpuRt 2002, 226, 227. 632 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). 633 Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 133.

A. Das Ermittlungsverfahren

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zwischen den Sanktionssystemen von Sport und Staat634. Es kann nicht darum gehen, ob Sportverbände oder ob die Strafjustiz Dopingprobleme besser lösen können, vielmehr ist entscheidend, dass Sport und Justiz, im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, jeweils die Aufgaben übernehmen, die zu ihrer Zuständigkeit gehören und zu deren Bewältigung sie auch in der Lage sind635. Den Sportverbände stehen die Mittel, eine Kronzeugenreglung effektiv umzusetzen, nicht zur Verfügung. Strafverfolgungsbehörden verfügen im Gegensatz zum Sport sowohl über offene und verdeckte Ermittlungsmethoden636, als auch über Zwangsbefugnisse und Zwangsmaßnahmen637, mit denen sie überhaupt erst in eine verschworene Dopinggemeinschaft eindringen können638. Aber auch die unerlässliche Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Kronzeugenaussage ist personell von Seiten der Sportverbände nicht zu bewerkstelligen. Ihn stehen weder Ermittlungsbeamte im In- und Ausland zur Verfügung noch Zwangsmittel, um Tatbeteiligte ausfindig zu machen sowie Manipulationen und Dopingverstöße von Unbekannten aufzudecken und nachzuweisen639. Die Idee eine Kronzeugenreglung alleine im Sportverbandsrecht zu installieren war somit bereits damals als wenig erfolgsversprechend abzulehnen. Da es dennoch als erstrebenswert anzusehen ist640, die oben beschriebenen Vorteile einer Kronzeugenreglung für die Dopingverfolgung fruchtbar zu machen, fokussierte sich die Diskussion in der Literatur in der Folge auf eine Installation einer derartigen Reglung im staatlichen Strafrecht641. Der Großteil der Autoren sprach sich hierbei, maßgeblich gestützt auf die gemeinhin gegen eine Kronzeugenreglung vorgebrachten Argumente, gegen eine derartige Reglung aus642. Als Kritik an einer Kronzeugenreglung wird in diesem Sinne zunächst regelmäßig der Konflikt mit dem Legalitäts- und Schuldprinzip sowie dem Gleichheitsgrundsatz vorgebracht643. Im Sinne des Legalitätsprinzips verpflichtet das deutsche Strafprozessrecht die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung aller Tatverdächtigen, soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat gegeben sind (§ 152 II StPO). Das Legalitätsprinzip bedeutet Verfolgungszwang, 634

Körner SpuRt 2002, 226, 226. Körner SpuRt 2002, 226, 226. 636 Z.B. V-Leute, Verdeckte Ermittler, Telefonüberwachung. 637 Z.B. Beschlagnahme, Durchsuchung, Zwangsuntersuchung. 638 Körner SpuRt 2002, 226, 227. 639 Körner SpuRt 2002, 226, 228. 640 So auch Körner SpuRt 2002, 226, 228. 641 Dury FS Röhricht 2005, 1097, 1108; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Körner SpuRt 2002, 226 ff.; ders. KR 2003, 101, 101; Kudlich JA 2007, 90, 95; Vieweg SpuRt 2004, 194, 195, 197. 642 Dury FS Röhricht 2005, 1097, 1108; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Kudlich JA 2007, 90, 95 lehnt eine Kronzeugenreglung zwar nicht ab, sieht sie jedoch als rechtsstaatlich zweifelhaft an. 643 Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 135 f. 635

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Kap. 3: Der Strafprozess

und zwar gegen jeden Verdächtigen644, und wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, Anklagezwang645. Es ist für die Staatsanwaltschaft das notwendige Korrelat zu ihrem Anklagemonopol646. Mit ihm sollen die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 I GG) und der Gerechtigkeit im Rahmen des Möglichen verwirklicht werden647. Im Rahmen seiner Funktion als Kronzeuge kann sich ein Straftäter jedoch durch seine Angaben über Dritte von der Strafverfolgung „freikaufen“, wodurch sich die Strafe aus Sicht der Kritiker von ihrer Funktion als gerechter Schuldausgleich entfernt648. Ferner wird eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG erkannt, indem sich ein ins kriminelle Milieu Verstrickter leichter Vergünstigungen verdienen kann, als der einmalig straffällig Werdende, der niemanden hat, den er denunzieren kann649. Darüber hinaus berufen sich die Kritiker einer Kronzeugenreglung regelmäßig auf eine drohende Mehrbelastung der Strafverfolgungsbehörden650. Diese Einschätzung gründet in der Vermutung, dass ein Kronzeuge dazu neigt, andere unwahr zu belasten, um sich selbst eine Strafmilderung oder gar –befreiung zu verschaffen. Dieses Argument muss auch im Besonderen in Strafverfahren mit Dopinghintergrund bedacht werden, da es in der sportlichen Konkurrenzsituation nicht auszuschließen ist, dass Athleten dem Motiv erliegen könnten, Konkurrenten durch unberechtigte Dopingvorwürfe zu schädigen651. Aufgrund dieser Gefahr einer Falschbelastung bedarf es demnach regelmäßig einer eingehenden Überprüfung der Angaben des Kronzeugen, die nach Ansicht der Kritiker einer Kronzeugenreglung zu einer erheblichen Mehrbelastung der Strafverfolgungsorgane führt. Hinzu kommt, dass Täter im Bereich der Dopingdelinquenz, aufgrund der relativ geringen Straferwartung ein deutlich geringeres Interesse an Strafrabatten haben werden, als beispielshalber im Bereich der Betäubungsmittel652. Das Inverkehrbringen, Verschreiben, Anwenden und Besitzen von Dopingmitteln ist gemäß § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG lediglich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Nur der besonders schwere Fall des § 6a i.V.m. § 95 III Nr. 2 AMG sieht einen höheren Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren vor.

644

BVerfGE NStZ 1982, 430. BGHSt 15, 155 ff. 646 Meyer-Goßner § 152 Rdn. 2. 647 Frank/Titz ZRP 2009, 137, 138. 648 König NJW 2009, 2481, 2481. 649 König NJW 2009, 2481, 2481. 650 Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 136; zustimmend Körner SpuRt 2002, 226, 227 f. 651 Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133, 136. 652 Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping S. 22; so auch Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Körner KR 2003, 101, 102. 645

A. Das Ermittlungsverfahren

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Die Diskussionen um eine Einführung einer Kronzeugenreglung für den Bereich der Dopingdelinquenz verlief sich jedoch in der Folge ob der bevorstehenden Einführung der großen Kronzeugenreglung in § 46 b StGB653. bb) Die neue Kronzeugenreglung des § 46 b StGB Durch das zum 1. 09. 2009 in Kraft getretene „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe“ wurde eine deliktübergreifende, sogenannte „große“ Kronzeugenreglung, als allgemeine Strafzumessungsvorschrift in § 46 b StGB eingeführt654. In den Genuss der Kronzeugenreglung kann jeder Täter – wobei hierunter sowohl Haupttäter als auch Teilnehmer zu verstehen sind655 – einer Straftat kommen, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist. Einschränkungen auf bestimmte Delikte oder Deliktsarten gibt es nicht. Der Täter muss gemäß § 46 b I StGB Wissen über Straftaten offenbaren, die im Katalog des § 100 a II StPO aufgeführt sind. Der Gesetzgeber hält die Aufklärung oder Verhinderung der dort genannten Taten durch Kronzeugenwissen für honorierungswürdig, weil es sich entweder um schwerste Einzeldelikte oder aber um solche Deliktsformen handelt, die dem Bereich des Terrorismus, der Organisierten Kriminalität oder der schweren Wirtschaftskriminalität zugeordnet werden können656. Die dort erfassten Delikte zeichnen sich nicht nur durch einen gewissen Schweregrad aus, sondern zusätzlich durch ein tendenziell vorzufindendes besonderes Ermittlungsdefizit, welches in ihrer oftmals konspirativ und in abgeschotteten Strukturen erfolgenden Begehungsweise gründet657. Durch die freiwillige Kundgabe seines Wissen muss der Kronzeuge zu der Aufklärung (§ 46 b I Nr. 1 StGB – die sogenannte Aufklärungshilfe) oder Verhinderung (§ 46 b I Nr. 2 StGB – die sogenannte Präventionshilfe) einer der von § 100 a II StPO erfassten Straftaten beigetragen haben. Für die Auslegung dieser Gesetzesmerkmale kann, nach der Intention des Gesetzgebers, aufgrund der Übernahme des Wortlauts des § 31 BtMG, auf die zu dieser Norm ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden658. Die Aufklärungsvariante setzt demgemäß einen Auf-

653 So die Begründung der Ablehnung des Vorschlags des Bundesrates bezüglich einer derartigen Reglung durch die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzesentwurfs zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport BT-Drucks. 16/5526 S. 12; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49. 654 BGBl. I 2009, 2288 f. 655 BT-Drucks 16/6268 S. 12. 656 BT-Drucks 16/6268 S. 11. 657 BT-Drucks 16/6268 S. 11. 658 BT-Drucks 16/6268 S. 12.

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Kap. 3: Der Strafprozess

klärungserfolg voraus659, die Präventionshilfe muss zur Verhinderung der geplanten Tat geführt haben660. Zusammen mit der Frage, ob überhaupt die Grundvoraussetzungen nach § 46 b I StGB für eine Strafrahmenverschiebung gegeben sind, ist zu prüfen, ob der Täter sein Wissen rechtzeitig im Sinne von § 46 b III StGB offenbart hat661. Nur wenn er sein Wissen vor der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 StPO) offenbart, kann § 46 b StGB angewendet werden, im Übrigen kann seine Aussage lediglich im Rahmen allgemeiner Strafzumessung (§ 46 StGB) berücksichtigt werden. Diese Präklusionsvorschrift soll den Strafverfolgungsbehörden einen erweiterten Überprüfungszeitraum zur Verfügung stellen662, auf diese Weise die Möglichkeit schaffen, nur bei wirklich werthaltigen Kronzeugenaussagen eine Strafmilderung zu gewähren und hierdurch einer inflationären Anwendung, wie sie bei § 31 BtMG kritisiert wird663, vorbeugen. Bei Vorliegen der Grundvoraussetzungen des § 46 b StGB wird dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt, den Strafrahmen zu mildern. § 46 b II StGB enthält insoweit Richtlinien, die bei der Ermessensentscheidung des Gerichts zu berücksichtigen, nicht jedoch abschließend („insbesondere“) sind664. Gemäß § 46 b II Nr. 1 StGB ist hierbei zunächst die Quantität und die Qualität des mitgeteilten Kronzeugenwissens zu berücksichtigen. Nach § 46 b II Nr. 2 StGB ist weiter eine Abwägung zwischen der Tat des Kronzeugen und der Tat, zu der Aufklärungs- oder Präventionshilfe geleistet wurde, erforderlich. Neben diesen „Regelbeispielen“ dürften des Weiteren vor allem Opferschutzinteressen zu berücksichtigen sein665. Als Rechtsfolge sieht § 46 b I StGB eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB vor, wobei anstelle einer ausschließlich angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe eine solche nicht unter zehn Jahren tritt. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Ferner wurden durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches die Strafrahmen der § 145 d StGB (Vortäuschen einer Straftat) und § 164 StGB (Falsche Verdächtigung) verschärft, um die Gefahr vor Falschbelastungen zusätzlich zu minimieren666.

659 660 661 662 663 664 665 666

Hierzu Körner § 31 BtMG Rdn. 46. Peglau wistra 2009, 409, 411. Peglau wistra 2009, 409, 411. BT-Drucks 16/6268 S. 14. Körner § 31 BtMG Rdn. 6. BT-Drucks 16/6268 S. 2; Peglau wistra 2009, 409, 411. Peglau wistra 2009, 409, 411. BT-Drucks 16/6268 S. 15.

A. Das Ermittlungsverfahren

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cc) Konsequenzen der Einführung der Kronzeugenreglung in § 46 b StGB für die strafrechtliche Dopingverfolgung Die große Kronzeugenreglung des § 46 b StGB hat den Vorteil, dass sie deliktsübergreifend ist. Aufgrund des engen Anwendungsbereichs, sind ihre Auswirkungen auf die strafrechtliche Dopingverfolgung jedoch überschaubar. Zunächst ist die Anwendbarkeit der Norm auf Täter einer Straftat beschränkt, die mit einer im Mindestmaß erhöhten oder lebenslangen Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 46 b I 1 StGB). Das Mindestmaß der Freiheitsstrafe muss folglich höher sein, als in § 38 II StGB geregelt667. Da das Inverkehrbringen, Verschreiben, Anwenden und Besitzen von Dopingmitteln gemäß § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG lediglich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht ist, werden diese Delikte bereits nicht erfasst. Für die Einordnung einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe werden jedoch gemäß § 46 b I 2 StGB Schärfungen für besonders schwere Fälle erfasst. In Konsequenz kommen somit Täter, die eine Straftat nach § 6 a i.V.m. § 95 I 1 Nr. 2 a AMG unter den in § 95 III 2 Nr. 2 b AMG genannten Voraussetzungen begehen, als potentielle Kronzeugen in Betracht. Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 46 b StGB ist die Preisgabe von Wissen über bereits begangene oder geplante Taten, die in dem Straftatenkatalog des § 100 a II StPO aufgeführt sind. Zwar erfasst dieser Katalog auch Straftaten nach dem AMG, gemäß § 100 a II Nr. 3 StPO werden aber auch hier nur die Delikte gemäß § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a AMG erfasst, die unter den in § 95 III Nr. 2 b AMG genannten Voraussetzungen begangen werden sollen beziehungsweise wurden668. Auch hier kommt somit die Kundgabe von Wissen über eine einfaches Inverkehrbringen, Verschreiben, Anwenden oder Besitzen im Sinne von § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG nicht in Betracht. Der § 46 b StGB erfasst mithin nur Täter eines besonders schweren Falls einer Dopingstraftat, die Kenntnisse über eine weitere, als besonders schweren Fall einzustufende, Dopingstraftat preisgeben. Alle weiteren Straftäter – so vor allem auch der besitzende Athlet – kommen als mögliche Kronzeugen nicht in Betracht. dd) Erforderlichkeit der Einführung einer weiteren Kronzeugenreglung für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung Da von § 46 b StGB demnach lediglich ein minimaler Teil der Dopingmitteldelinquenten erfasst wird, ist davon auszugehen, dass die Forderung der Literatur, eine kleine Kronzeugenreglung nach dem Vorbild des § 31 BtMG in das Arzneimittelgesetz einzuführen669, auch weiterhin Bestand haben wird. Eine derartige 667 668 669

Peglau wistra 2009, 409, 410. BT-Drucks 16/5526 S. 12. Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 134; ders. SpuRt 2002, 226, 228.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Reglung wird – wenn auch wünschenswert – letztlich, zumindest solange der Strafrahmen der §§ 6 a, 95 I AMG Bestand hat, jedoch abzulehnen sein670. Neben den bereits aufgeführten Argumenten, die generell gegen Kronzeugenreglungen sprechen, kommt hierbei dem Argument der mangelnden Kooperationsbereitschaft aufgrund der geringen Straferwartung ein besonderes Gewicht zu671. Darüber hinaus ist – wie von der Bundesregierung angeführt672 – eine Erweiterung des Anwendungsbereichs schon nicht geboten. Die Anwendung einer Kronzeugenreglung ist – auch im Hinblick auf das Gebot einer Schuld angemessenen Strafe – nur dann gerechtfertigt, wenn die aufzuklärende beziehungsweise zu verhindernde Straftat ein ganz erhebliches Gewicht aufweist und im Hinblick auf ihre Aufdeckung ein tendenzielles Ermittlungsdefizit zu beklagen ist. Diese Voraussetzungen sind jedoch einzig bei Straftaten nach § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, III 2 Nr. 2 b AMG gegeben. Zum einen sind dies besonders schwere Taten, die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht sind. Zum anderen handelt es sich um Fälle der banden- und gewerbsmäßigen Kriminalität, die häufig von einer nach außen abgeschlossenen, abgeschotteten und daher schwer zugänglichen Gruppe begangen werden. Bei sonstigen Delikten im Zusammenhang mit Doping sind diese Voraussetzungen nicht in vergleichbarer Weise erfüllt673. d) Zeugenschutz Die Strukturen des Bereichs der Dopingdelinquenz, der im Wege der Organisierten Kriminalität begangen wird674, sind – wie beschrieben675 – nur schwer einsehbar. Gerade bei besonders gefährlichen Gruppierungen ist die Organisationsstruktur aus Sicherheitsgründen sehr verzweigt676. Das Eindringen Außenstehender ist kaum möglich, auch Verdeckte Ermittler und von außen kommende V-Personen erreichen nur Randzonen677. Als Konsequenz kommt speziell in diesem Bereich dem Zeugenbeweis durch kooperationsbereite Mitglieder der Organisation ein besonderes Gewicht zu. Da sich dieser Gefahr jedoch auch die Organisierte Kriminalität bewusst ist, werden das Schweigegebot und die Sanktionierung der Kooperation mit

670

So auch Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49. Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping S. 22; so auch Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Körner KR 2003, 101, 102. 672 In ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, BT-Drucks 16/5526 S. 12. 673 BT-Drucks 16/5526 S. 12. 674 Dies ist bei der Verbreitung und Anwendung von Dopingmitteln in zunehmendem Maß der Fall (BT-Drucks 16/5526 S. 9). 675 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. d) ee). 676 Hund in Kreuzer § 12 Rdn. 182. 677 Hund in Kreuzer § 12 Rdn. 182. 671

A. Das Ermittlungsverfahren

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Strafverfolgungsbeamten intern in besonderem Maße durchgesetzt678. Für den Staat besteht daher ein unabweisbares Bedürfnis dafür, OK-Zeugen umfassend zu schützen679. Derartige Zeugenschutzreglungen sind im Strafverfahrensrecht zwar nur vereinzelt zu finden, bilden jedoch eine durchaus wirksame Einheit680. Bereits im Jahr 1992 wurde gefährdeten Zeugen die Möglichkeit eingeräumt, bei ihrer Vernehmung Angaben zur Person oder des Wohnorts nicht oder nur mit Einschränkungen machen zu müssen (§ 68 StPO, Nr. 130 a RiStBV). Die Reglung wurde durch das 2. Opferrechtsreformgesetz681 noch erweitert, so dass nunmehr die Strafverfolgungsbehörden den Zeugen auf diese Befugnisse hinweisen und bei deren Wahrnehmung behilflich sein sollen682. Diese Schutznorm wird jedoch in Strafverfahren mit Dopinghintergrund, die gegen einen Spitzenathleten oder einen bekannten Trainer oder Funktionär geführt werden, ihre Wirksamkeit verfehlen. Aufgrund des Bekanntheitsgrades dieser Personengruppe ist eine Namens- oder auch Adressenverheimlichung wenig sinnvoll. Als weitere Reglungen zum Zeugenschutz wurden 1998 die Möglichkeit des Einsatzes der Videotechnologie (§§ 58 a, 168 e, 247 a, 255 a StPO), sowie diejenige der Bestellung eines Zeugenbeistandes (§ 68 b StPO) in die Strafprozessordnung eingeführt. Auch Letztere wurde durch das 2. Opferrechtsreformgesetz 2009 noch erweitert. Erstmalig wurde hierbei die Befugnis zur jederzeitigen Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand gesetzlich normiert683. Zudem wird die Möglichkeit für besonders schutzbedürftige Zeugen, einen anwaltlichen Beistand beigeordnet zu bekommen, durch den neu gefassten § 68 b StPO erweitert. Eine die Beiordnung ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft kann zudem nunmehr gerichtlich überprüft werden684. Neben den in der Strafprozessordnung geregelten Zeugenschutzmechanismen finden sich seit dem Jahr 2002 gesetzliche Reglungen über Zeugenschutzprogramme, deren praktische Durchführung in erster Linie den Polizeibehörden obliegt685, im Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen (ZSHG)686. Hiernach können Zeugen, ohne deren Angaben in einem Strafverfahren die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten aus678

Hund in Kreuzer § 12 Rdn. 182. Hund in Kreuzer § 12 Rdn. 182. 680 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 157. 681 BGBl. I 2009, 2280 ff. 682 Celebi (ZRP 2009, 110, 110) beschreibt dies als wichtigste Neuerung des Gesetzes aus Zeugensicht. 683 Von Celebi (ZRP 2009, 110, 110) als Meilenstein im Bereich des Zeugenschutzes bezeichnet. 684 Celebi ZRP 2009, 110, 110. 685 Jahn in Heghmanns/Scheffler Kap. II Rdn. 159. 686 Hierzu ausführlich Soiné/Engelke NJW 2002, 470 ff. 679

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Kap. 3: Der Strafprozess

sichtslos oder wesentlich erschwert wäre, mit ihrem Einverständnis in besonderer Weise geschützt werden, wenn sie aufgrund ihrer Aussagebereitschaft einer Gefährdung von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder wesentlicher Vermögenswerte ausgesetzt sind und sich für Zeugenschutzmaßnahmen eignen (§ 1 I ZSHG). Auch Angehörige des Zeugen oder ihm nahe stehende Personen können diesen Schutz erfahren (§ 1 II, III ZSHG). Wesentliche Schutzmaßnahmen sind die Sperrung personenbezogener Daten (§ 4 ZSHG) und der Aufbau einer vorübergehenden Tarnidentität (§ 5 ZSHG), unter der die Schutzperson am Rechtsverkehr teilnehmen darf687. Speziell beim Aufbau einer Tarnidentität stellen sich jedoch erneut die Probleme im Zusammenhang mit dem Bekanntheitsgrad prominenter Sportler, Trainer und Funktionäre. Des Weiteren ist es als eher unwahrscheinlich anzusehen, dass aktive Sportler auch nur zeitweise eine Tarnidentität annehmen und sich in Konsequenz für diesen Zeitraum vom Wettkampfgeschehen zurückziehen werden. Es kann somit erkannt werden, dass es bereits im Ermittlungsverfahren durchaus verschiedene Möglichkeiten gibt, Zeugen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität, vor Repressalien durch andere Mitglieder der jeweiligen Organisation zu schützen. Diese Schutzmechanismen müssen jedoch bei prominenten Zeugen aufgrund deren Bekanntheitsgrads zunächst auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. 2. Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln a) Voraussetzungen der Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln Gemäß § 94 I StPO sind Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. Formlos kann die Sicherstellung erfolgen, wenn der Gewahrsamsinhaber nicht bekannt ist oder wenn er die Sache ausdrücklich oder stillschweigend, freiwillig zu Verfügung stellt, gleichgültig aus welchen Gründen688. Das Beweismittel wird dann in amtlichen Gewahrsam überführt, also mitgenommen und an Amtsstelle oder durch einen Beauftragten verwahrt689. Fehlt es an der Freiwilligkeit des Gewahrsamsinhabers, so bedarf es der förmlichen Beschlagnahme im Sinne des § 94 II StPO. Der Gegenstand kann hierbei nach ausdrücklicher Anordnung weggenommen beziehungsweise durch andere Maßnahmen wie zum Beispiel Versieglung, Absperrung oder Erlass von Betretungsverboten bei Räumen und Grundstücken sichergestellt werden690.

687 688 689 690

Senge in KK Vor § 48 Rdn. 19 a. Meyer-Goßner § 94 Rdn. 12. Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 41. Beulke Rdn. 247.

A. Das Ermittlungsverfahren

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Objekte einer Sicherstellung im Sinne des § 94 StPO sind Gegenstände. Der Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Er ist weit auszulegen691 und umfasst bewegliche Sachen jeder Art, aber auch unbewegliche692. Keine Rolle spielt hierbei, ob ein Gegenstand im Eigentum oder Gewahrsam eines Dritten steht693. Anders als bei der Durchsuchung694 unterscheidet das Gesetz auch nicht nach Verdächtigem und Unverdächtigem695. Gemäß § 94 I StPO werden von der Norm nur diejenigen Gegenstände erfasst, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Hierbei ist bereits eine potentielle Beweisbedeutung ausreichend696. Es muss mithin nur die Möglichkeit bestehen, dass man die Gegenstände zu Beweiszwecken verwendet. Besteht jedoch eine derartige potentielle Beweisbedeutung, verpflichtet das Legalitätsprinzip die Strafverfolgungsbehörden zu einer Sicherstellung697. Eine Beschlagnahme ist nicht möglich, wenn ein Beschlagnahmeverbot besteht. Die wohl wichtigsten finden sich hierbei in § 97 StPO. Die dort aufgeführten Beschlagnahmeverbote knüpfen an die Zeugnisverweigerungsrechte der §§ 52, 53, 53 a StPO an und haben den Zweck, die Umgehung derselben zu verhindern, da sie nur dann wirksam geschützt werden können, wenn auch die Surrogate der zu Recht verweigerten Aussagen nicht dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt sind698. Die Beschlagnahme wird durch den Richter angeordnet, kann bei Gefahr in Verzug aber auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden (§ 98 I StPO). b) Sicherstellung und Beschlagnahme in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Von Körner wurde für die Jahre 1989 bis 2000 eine Aufstellung der Sicherstellungen von „Doping-Drogen“ durch die Zollfahndung vorgenommen, wobei für das Jahr 2000 sogar eine genaue Aufteilung nach Dopingmitteln erfolgt ist699. Demnach stellten die deutschen Zollbehörden zwischen 1989 und 1993 4.527.000 Dopingpräparate sicher. In den Jahren 1997 bis 1999 waren es 1.718.391. Im Jahr 2000 kam 691

Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 46. Meyer-Goßner § 94 Rdn. 4; Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 47 f. 693 BGH bei Pfeiffer NStZ 1981, 93, 94. 694 Siehe hierzu unten unter Kapitel 3 A. II. 3. 695 Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 50. 696 BGH bei Pfeiffer NStZ 1981, 93, 94 und bei H. W. Schmidt MDR 1981, 972, 977 Fn. 47; OLG München NJW 1978, 601; vergleiche auch BVerfGE 77, 1 ff. 697 Meyer-Goßner § 94 Rdn. 6; Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 58 ff. mit weiteren Ausführungen zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 698 OLG Celle NStZ 1989, 385 f. 699 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 131. 692

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Kap. 3: Der Strafprozess

es sodann zu einer Sicherstellung von 1.126.000 Tabletten Androstendion, 110.628 Tabletten Methandienon, 33.322 Tabletten Thai-Anabolika, 23.165 Tabletten Ephedrin, 3.310 Tabletten Clenbuterol sowie 499 Tabletten Testosteron. Aufgrund des mehrfach von ihm beschriebenen Dunkelfelds700 geht er bei diesen Zahlen von einer Entdeckungsquote von gerade einmal 5 % aus701. c) Die Beschlagnahmefreiheit des § 97 StPO im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Einhergehend mit dem oben beschriebene Problem für die Strafverfolgungsbehörden, dass den am Doping eines Sportlers beteiligten Ärzten und Apothekern, wenn sie nicht als Beschuldigte in Betracht kommen, ein umfängliches Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 I Nr. 3 StPO zukommt702, werden auch bestimmte Gegenstände dieser Berufsgruppen von den Beschlagnahmeverboten des § 97 StPO erfasst, wodurch diese Norm auch für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung eine nicht unwichtige Rolle spielt. Beschlagnahmefrei sind hiernach schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und dem jeweiligen Angehörigen der Heilberufe (§ 97 I Nr. 1 StPO), Aufzeichnungen, welche der Arzt oder Apotheker über die ihm von dem Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht hat, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt (§ 97 I Nr. 2 StPO) sowie andere Gegenstände, auf die sich dieses Recht erstreckt (§ 97 I Nr. 3 StPO). In Betracht kommen hierbei somit vor allem ärztliche Karteikarten703, Krankengeschichten und Krankenblätter704. Grundvoraussetzung für die Beschlagnahmefreiheit ist jedoch, dass sie in dem Verfahren gegen den Beschuldigten von Bedeutung sind, der Patient des Arztes war oder ist705. Von dem Beschlagnahmeverbot erfasst werden demnach beispielshalber diejenigen Krankenakten etc. von dopenden Sportlern, die im Verdacht einer Straftat gemäß § 6 a II a AMG stehen und die für den Vorgang des Dopings ärztliche Hilfe in Anspruch genommen haben, die jenseits einer Teilnahme des Arztes an der strafbaren Handlung des Sportlers liegt. Das Beschlagnahmeverbot entfällt gemäß § 97 II 3 StPO, sobald ein Teilnahmeverdacht besteht706. Ist der Arzt selbst Beschuldigter, können diejenigen Unterlagen, die sich auf die ihm vorgeworfene Tat beziehen ohne Rücksicht auf § 97 StPO beschlagnahmt werden707. Diese dürfen aber nur gegen ihn und nicht gegen seinen Patienten ver700 701 702 703 704 705 706 707

Körner KR 2003, 49 ff.; ders. KR 2003, S. 101 f. Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 131. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 1. b) bb). LG Koblenz NJW 1983, 2100. Meyer-Goßner § 97 Rdn. 41; Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 94. OLG Celle NJW 1963, 406, 407; 1965, 362, 363. Hierzu im Einzelnen Meyer-Goßner § 97 Rdn. 17 ff. BVerfG NJW 2000, 3557 f.; BGHSt 38, 144, 146.

A. Das Ermittlungsverfahren

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wendet werden708. Besteht gegen einen Arzt mithin zum Beispiel der Tatverdacht Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport verschrieben zu haben, so kann die Patientenakte desjenigen, der die Mittel verschrieben bekommen hat, beschlagnahmt werden. Diese kann jedoch nur in dem Verfahren gegen den Arzt, nicht in einem gegen den Empfänger der Verschreibung geführten Verfahren wegen einer möglichen Besitzstraftat im Sinne des § 6 a II a AMG verwendet werden. d) Möglichkeit der Verwendung von Dopingproben im Strafprozess Die NADA ist in Deutschland für das Dopingkontrollsystem zuständig. Sie organisiert derzeit die Dopingkontrollen außerhalb der Wettkämpfe für die Athleten der Spitzenverbände (Art. 5.1.1. NADC). Zur Durchführung der Dopingkontrollen beauftragt die NADA das international tätige Unternehmen Physical Work Control GmbH (PWC)709, welches sowohl für die Probennahme als auch für den Probenversand zuständig ist710. Zur Untersuchung werden vorwiegend Urinproben genommen, es können aber auch Blut- oder Haarproben analysiert werden711. Blutproben werden hierbei nur dann von medizinischem Personal entnommen, wenn dieses von dem Auftraggeber bei PWC speziell angefordert wird712. Die Erlangung von Urinproben erfolgt hingegen nie mithilfe medizinischen Personals713. Die Analyse der Dopingproben wird in der Folge in den zwei von der WADA akkreditierten Dopingkontrolllaboren, dem Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie Dresden in Kreischa und dem Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln vorgenommen. Für das Strafverfahren von Bedeutung ist die Frage, ob die gewonnenen Dopingproben von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellt und im Strafprozess als Beweismittel verwendet werden dürfen. Auch wenn, wie oben bereits beschrieben714, eine positive Dopingprobe nicht für eine Verurteilung bezüglich eines vorherigen Besitzes im Sinne des § 6 a II a AMG ausreichend ist, so kann sie dennoch für das Strafverfahren von Bedeutung sein. Zum einen kann sie als Indiz für einen vorherigen Besitz herangezogen werden. Zum anderen – und für das Strafverfahren von noch 708

OLG Celle NJW 1963, 406, 408. Nähere Informationen unter www.pwc-dopingkontrolle.de. 710 Obwohl Art. 5.1.1 die Zuständigkeit der NADA für die Durchführung der Dopingkontrollen festlegt, ist eine Beauftragung Dritter mit diesen Pflichten zulässig (NADC 2009 S. 100, Kommentar zu Art. 5.1.1). 711 Dies ergibt sich aus den akkreditierten Methoden, zu finden auf der Homepage des Instituts für Dopinganalytik und Sportbiochemie Dresden (http://www.idas-kreischa.de/ 14.html). 712 Unternehmensinformation der PWC (http://www.pwc-dopingkontrolle.de/unternehmen.html). 713 Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss der Unternehmensinformation der PWC (http:// www.pwc-dopingkontrolle.de/unternehmen.html). 714 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa). 709

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Kap. 3: Der Strafprozess

größerer Bedeutung – kann sie dem Nachweis, dass ein Arzt oder eine andere Person Dopingmittel angewendet hat, dienen. aa) Anwendbarkeit des § 97 StPO auf Dopingproben Dopingproben beziehungsweise deren Auswertungen könnten dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO unterliegen, wenn sie von den Voraussetzungen der Nr. 3 des ersten Absatzes erfasst werden. Die Dopingprobe ist in jedem Fall ein Gegenstand im Sinne dieser Norm, da hiervon auch menschliche Körperinhalte, die vom Körper getrennt sind, wie zum Beispiel Blut- oder Urinproben, erfasst werden715. Auch die Blutbilder und sonstige technischen Untersuchungsbefunde fallen grundsätzlich unter den Anwendungsbereich der Norm716, womit auch die Auswertungen der Dopingproben erfasst werden. Auf diese Gegenstände müsste sich jedoch gemäß § 97 I Nr. 3 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 I Nr. 3 StPO erstrecken. Die Dopingprobe beziehungsweise die daraus resultierenden Auswertungsergebnisse müssten demnach, um dem Gesetzeszweck – der Verhinderung der Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts des § 53 I Nr. 3 StPO – zu entsprechen, von einem Arzt oder einer sonstigen zeugnisverweigerungsberechtigten Person im Sinne des § 53 I Nr. 2 StPO genommen oder ihm in dieser Eigenschaft übergeben worden sein und sich anschließend in seinem Gewahrsam oder gemäß § 97 II 2 StPO im Gewahrsam einer der dort genannten Institutionen befinden. Diese Voraussetzungen werden bei den von der NADA organisierten Dopingproben zumeist nicht erfüllt sein. Bei den Dopingproben handelt es sich vornehmlich um Urinproben, die – wie oben beschrieben – von der Firma PWC gänzlich ohne medizinisches Personal genommen werden. Und auch bei dem, zur Entnahme einer Blutprobe speziell anforderbaren, medizinischen Personal wird es sich regelmäßig nicht um approbierte Ärzte im Sinne des § 53 I Nr. 3 StPO handeln. Sollte in Einzelfällen dennoch eine Dopingprobe von einem Arzt genommen worden sein, so unterliegt diese dem Beschlagnahmeverbot des § 97 I Nr. 3 StPO, solange sie sich in seinem Gewahrsam befindet. Nach der Versendung der Dopingprobe zur Auswertung an die Dopingkontrolllabore in Köln beziehungsweise Kreischa, wird ein derartiges Verbot jedoch regelmäßig nicht mehr bestehen. Zwar wird der Gewahrsam der Zeugnisverweigerungsberechtigten bei Angehörigen der Heilberufe gemäß § 97 II 2 StPO auf denjenigen von Krankenanstalten und Dienstleistern, die für sie personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen, erweitert. Die Dopingkontrolllabore Köln und Kreischa werden hiervon jedoch regelmäßig nicht erfasst. Bei ihnen handelt es sich – trotz des weit auszulegenden Begriffs717 – nicht um Krankenanstalten im Sinne der Norm. Des Weiteren sind sie trotz ihrer Stellung als Dienstleister nicht damit beauftragt, personenbezogene Daten 715 716 717

Meyer-Goßner § 94 Rdn. 4. Meyer-Goßner § 97 Rdn. 30. Nack in KK § 97 Rdn. 21; Meyer-Goßner § 97 Rdn. 14.

A. Das Ermittlungsverfahren

135

für die genannten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. bb) Beweisverwertungsverbot der Dopingproben aufgrund der aktiven Mitwirkung des Sportlers Gemäß Art. 5.2.2 NADC sind Athleten, die dem Testpool der NADA zugehörig sind, an einem Wettkampf teilnehmen oder auf sonstiger Weise dem Anwendungsbereich des NADC unterfallen, verpflichtet, sich Dopingkontrollen der NADA, der WADA und anderer für die Durchführung von Dopingkontrollen zuständigen Anti-Doping-Organisationen zu unterziehen. Aufgrund dieses Zwangs zur aktiven Teilnahme an seiner Überführung im verbandsrechtlichen Verfahren kann bezweifelt werden, dass die dort gewonnenen Ergebnisse – somit vor allem eine etwaige positive Dopingprobe – in einem Strafverfahren verwendet werden können718. Entsprechend den oben, bezüglich der Aussagen im verbandsrechtlichen Verfahren, gefundenen Ergebnisse719, ist jedoch auch hier von einer Verwertbarkeit auszugehen720. Zwar bestehen zwischen der Abgabe einer Dopingprobe und der Tätigung von Aussagen in Folge eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen im verbandsrechtlichen Verfahren Unterschiede, diese vermögen jedoch im Hinblick auf ein mögliches Beweisverwertungsverbot für das Strafverfahren keine unterschiedliche Beurteilung zu begründen. Besteht für den Sportler bezüglich einer möglichen entlastenden Aussage in Folge eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen nur ein faktischer Zwang zur Aussage, so besteht für die Abgabe einer Dopingprobe ein tatsächlicher Zwang aufgrund der Reglungen des NADC. Dennoch führt dieser Zwang, vor dem Hintergrund der Gemeinschuldnerentscheidung des BVerfG721 und der Rechtsprechung des BGH zum Asylrecht722, nicht zu einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren. Auch die Verpflichtung zur Abgabe einer Dopingprobe ist der Sportler durch seinen freiwilligen Beitritt zu Sportverbänden beziehungsweise durch die freiwillige Teilnahme an Wettkämpfen und die ausdrückliche oder konkludent mit erklärte Annahme der Verbandsregeln beziehungsweise Wettkampfregeln, darunter auch diejenigen, die der Dopingbekämpfung dienen, selbst nach privatrechtlichen Grundsätzen eigenverantwortlich eingegangen723. Bereits hierin besteht schon ein entscheidender Unterschied zu der Gemeinschuldnerentscheidung des BverfG, da dort von einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht ausgegangen wurde. Des Weiteren ist 718 So Dury FS Röhricht 2005, 1095, 1107 f., ders. SpuRt 2005, 137, 139; Vieweg SpuRt 2004 1994, 196. 719 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 1. a) bb). 720 So auch Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. 721 BVerfGE 56, 37 ff; hierzu ausführlich oben unter Kapitel 3 A. II. 1. a) bb) (2). 722 BGHSt 36, 328 ff. 723 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150; König JA 2007, 573, 576.

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Kap. 3: Der Strafprozess

die Teilnahme an Dopingkontrollen, anders als die Aussagepflicht in der Entscheidung des BverfG, nicht durch hoheitliche staatliche Gewalt erzwingbar, es drohen lediglich verbandsrechtliche, also privatrechtliche, Sanktionen724. Da der hoheitliche Zwang jedoch das zentrale Argument des BverfG für das Beweisverwertungsverbots in dem Konkursverfahren war725 und dieses Ergebnis auch von der Rechtsprechung des BGH zum Asylrecht – im Rahmen derer, bei Vorliegen einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht, die lediglich nicht durch hoheitlichen Zwang durchgesetzt werden konnte, ein Beweisverwertungsverbot abgelehnt wurde – gestützt wird, ist auch hier, bezüglich der durch den Verband gewonnenen Dopingproben, ein Beweisverwertungsverbot abzulehnen726. 3. Durchsuchung a) Voraussetzungen der Durchsuchung Unter Durchsuchung ist das Suchen nach Personen, Beweismitteln sowie Gegenständen, die als Einziehungs- oder Verfallsobjekte in Betracht kommen, zu verstehen. Objekt einer Durchsuchung können Wohnungen und andere Räumlichkeiten und bewegliche Sachen, aber auch Personen selbst sein727. Je nachdem, ob eine Durchsuchung bei einem Verdächtigen oder einem Unverdächtigen durchgeführt werden soll, sind die Anforderungen, die an die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung gestellt werden, unterschiedlich728. Die Durchsuchung im Sinne des § 102 StPO richtet sich gegen denjenigen, der als Täter oder Teilnehmer einer Straftat verdächtig ist, wobei zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen worden ist729. Im Rahmen dieser Ermittlungsmaßnahme können Wohnungen und Räume durchsucht werden, die der Verdächtige tatsächlich innehat730, gleichgültig, ob er sie befugt oder unbefugt nutzt, ob er Allein- oder Mitinhaber ist731 und ob ihm das Hausrecht zusteht732. Weiterhin kann die Person des Verdächtigen durchsucht werden. Die Durchsuchung besteht hierbei im Suchen nach Sachen oder Spuren in oder unter der Kleidung, auch auf der Körperoberfläche und in natürlichen Körperöffnungen, die ohne Eingriff mit medizinischen Hilfsmitteln einzusehen sind,

724 725 726 727 728 729 730 731 732

Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. BVerfGE 56, 37, 50 f.; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. So auch Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150. Beulke Rdn. 255. Beulke Rdn. 255. BVerfGE NJW 1991, 690 f. Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 165. BGH NStZ 1986, 84 f. Meyer-Goßner § 102 Rdn. 7.

A. Das Ermittlungsverfahren

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nicht aber das Suchen nach im Körperinneren befindlichen Gegenständen733. Zuletzt können dem Täter gehörende Sachen durchsucht werden, bei denen es sich um Kleidungsstücke, die der Verdächtige bei sich führt, ohne sie zu tragen, und seine sonstige bewegliche Habe, gleichgültig, ob sie sich in seinem Umkreis (z. B. in Gepäckstücken, im Kofferraum, in der Hand eines Begleiters) oder anderswo befinden, handelt734. Eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO kann zum Zweck der Ergreifung erfolgen, aber auch, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führt. Für die Prognose, dass das Gesuchte aufgefunden wird, genügt die polizeiliche Erfahrung735. Bei anderen Personen als dem Verdächtigen sind Durchsuchungen gemäß § 103 StPO nur zur Ergreifung des Beschuldigten, zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig. Während bei § 102 StPO die Vermutung genügt, dass die Durchsuchung zur Auffindung des gesuchten Gegenstandes oder der gesuchten Person führen wird, ist im Rahmen des § 103 I 1 StPO erforderlich, dass konkrete Tatsachen für die Annahme vorliegen. Liegen diese vor, gestattet § 103 StPO ausdrücklich nur die Durchsuchung von Räumen. Darüber hinaus ist aber auch die Durchsuchung der Person des Unverdächtigen und der ihm gehörenden Sachen möglich736. Die Vorschriften über die Durchsuchung enthalten keine, dem § 97 StPO oder den §§ 52 ff. StPO entsprechende Normen737. Berufsgeheimnisträgern kommt jedoch bei Durchsuchungen – wie auch bei anderen Ermittlungsmaßnahmen738 – der zusätzliche Schutz des § 160 a StPO zu739. Die Vorschrift enthält im Rahmen eines zweistufigen Schutzkonzepts abgestufte Reglungen. § 160 a I StPO bestimmt ein umfassendes Beweiserhebungs- und –verwertungsverbot zugunsten von Geistlichen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger, Verteidiger und Abgeordneter. Der Abs. 2 sieht hinsichtlich der übrigen Berufsgeheimnisträger, denen § 53 I 1 Nr. 3 – 3 b, 5 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zubilligt – also vor allem auch Ärzte, Apotheker und 733

Meyer-Goßner § 102 Rdn. 9. Meyer-Goßner § 102 Rdn. 10. 735 Lehmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 164. 736 Meyer-Goßner § 103 Rdn. 3. 737 Beulke Rdn. 258. 738 Aufgrund seiner universellen Geltung, soll im Rahmen der Untersuchung der weiteren Ermittlungsmaßnahmen nicht jeweils einzeln auf § 160 a StPO eingegangen werden. Eine Behandlung dieser Norm erfolgte nicht schon im Rahmen der Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln, da gemäß § 160 a V StPO die Anwendbarkeit der spezielleren Reglung des § 97 StPO unberührt bleibt. Lediglich soweit diese spezielle Vorschrift keine Reglungen treffen, ist § 160 a StPO ergänzend anzuwenden (BT-Drucks 16/5846 S. 38). 739 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. 12. 2007 (BGBl. I 2007, 3198 ff.) eingeführt und bezweckt ein harmonisiertes System zur Berücksichtigung der von den Zeugnisverweigerungsrechten der Berufsgeheimnisträger (§§ 53, 53 a StPO) geschützten Interessen außerhalb der Vernehmungssituation (BT-Drucks 16/5846 S. 2). 734

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Kap. 3: Der Strafprozess

Rechtsanwälte –, ein relatives Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot vor, dessen Reichweite im Einzelfall durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bestimmen ist740. Gemäß § 105 I StPO dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter und bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen angeordnet werden. Werden bei Gelegenheit einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die zwar nicht in Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Begehung einer anderen Straftat hinweisen, sind sie gemäß § 108 I 1 StPO einstweilen in Beschlag zu nehmen. b) Die Durchsuchung im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Bis zur Einführung der Besitzstrafbarkeit in § 6 a II a AMG durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport war eine Durchsuchung bei dem besitzenden Sportler nur unter den Voraussetzungen des § 103 StPO möglich, da er regelmäßig nicht Verdächtiger im Sinne des § 102 StPO war741. Voraussetzung hierfür war somit, dass gemäß § 103 I 1 StPO Tatsachen vorlagen, aus denen zu schließen ist, dass eine gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Seitdem der besitzende Sportler nunmehr selber als Verdächtiger in Betracht kommt, kann eine Durchsuchung bei ihm unter den Voraussetzungen des § 102 StPO erfolgen. Es genügen mithin kriminalistische Erfahrungen. c) Dopingspezifische Probleme der Durchsuchung Speziell bei der Suche nach Dopingmitteln ergeben sich für die Strafverfolgungsbehörden erhebliche Probleme, da Dopingmittel nicht immer auf Anhieb als solche zu erkennen sind. Problematisch ist hierbei bereits die Tatsache, dass es sich bei Dopingmitteln in der Regel um Arzneimittel oder Grundstoffe für Arzneimittel handelt, deren Einsatzzwecke weit über das Doping im Sport hinausgehen742. Wenn bei einer Durchsuchung Dopingmittel oder deren Grundstoffe gefunden werden, so ist es nicht fernliegend, dass diese von nicht speziell auf dem Gebiet der Dopingmittelbekämpfung ausgebildeten Strafverfolgungsorganen regelmäßig nicht als solche erkannt werden. Aber auch darüber hinaus stellen sich für die Strafverfolgungsbehörden bei der Suche nach Dopingmitteln große Hindernisse. So ist die Aufdeckung von Dopingmitteltransporten aufgrund der mannigfaltigen Versteck- und Camouflagemöglich-

740

Griesbaum in KK § 160 a Rdn. 2. Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 146; Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147; König JA 2007, 573, 575. 742 BT-Drucks 14/1867 S. 15. 741

A. Das Ermittlungsverfahren

139

keiten erheblich erschwert743. Dopingmitteltransporteure können in diesem Sinne die Substanzen beispielshalber in harmlos aussehende Lebensmittelverpackungen umfüllen744 oder, wie im Fall des Dopingskandals um die US-Amerikanische Firma BALCO geschehen, das Dopingmittel – in diesem Fall die Designerdroge Tetra Hydro Gestrinon (THG) – für Auslandstransporte in anderen Substanzen einlegen um die Entdeckung zu erschweren745. Dopingmittel bei einer Durchsuchung zu erkennen stellt sich demgemäß als besondere Hürde dar, welche von nicht speziell ausgebildeten Fahndern nicht ohne weiteres genommen werden kann. Umso essentieller ist folglich der Wunsch nach speziellen Aus- und Fortbildungsprogrammen für Dopingfahnder746. Diese Forderung ist besonders vor dem Hintergrund des Stellenwerts von Durchsuchungen für Strafverfahren mit Dopinghintergrund zu sehen, der an etlichen Beispielen aus dem In- und Ausland erkannt werden kann. So kam es in dem Fall des deutschen Trainers Thomas Springstein, in Folge einer Strafanzeige durch den Deutschen Leichtathletikverband, Ende September 2004 zu einer Wohnungsdurchsuchung und einer Durchsuchung seiner Laufschule. Hierbei wurde nicht nur die Dopingsubstanz Testosteron Undecanoat (Andriol) gefunden, sondern auch ein umfangreicher E-Mail-Verkehr zwischen einem „Top-Speed“ und einem „TopDoc“, die sich über Gendopingmethoden austauschten. Springstein wurde in der Folge wegen Verstoßes gegen das AMG in einem besonders schweren Fall zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt747. Auch im Ausland haben teilweise spektakuläre Durchsuchungen zu wesentlichen Ermittlungsergebnissen geführt. So kam es beispielshalber im Rahmen des COFIDIS-Blutdoping-Skandals bei der Tour de France im Jahre 2003 zu einer Hausdurchsuchung bei dem COFIDIS-Radrennfahrer Robert Sassone in Hyres, bei der zahlreiche verbotene Substanzen, wie die Ausdauerdroge EPO, Amphetamine, Wachstumshormone, Testosteron und anabole Steroide in großem Umfang gefunden wurden. Weitere Durchsuchungen in diesem Verfahren erfolgten bei dem COFIDIS-Physiotherapeuten und Fahrerbetreuer Bogdan Madejak, bei dem Aufzeichnungen sicher gestellt wurden, und bei dem COFIDIS-Fahrer David Millar, bei dem in Biarritz leere EPO Kapseln gefunden wurden748. Und auch im Doping-Skandal um den griechischen Trainer Christos Tesekos kam es am 19. 04. 2003 zu einer Durchsuchung, bei der in dessen Büro- und Lagerräumen 1400 Packungen mit gesundheitsgefährdenden Mitteln wie Anabolika sichergestellt

743

Jahn SpuRt 2005, 141, 143 f.; Körner KR 2003, 49, 51. Jahn SpuRt 2005, 141, 144. 745 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 112 beschreibt, dass die Designerdroge THG zum Transport regelmäßig in Leinsamenöl eingelegt wurde. 746 So auch Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 160. 747 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 105. 748 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 116. 744

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Kap. 3: Der Strafprozess

wurden, infolgedessen gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 14.800 E verhängt wurde749. 4. Überwachung der Telekommunikation Die StPO enthält eine Reihe unterschiedlicher Ermächtigungen zu nach Art und Intensität unterschiedlichen Eingriffen in die Telekommunikationsfreiheit750. Die §§ 100 a, 100 b StPO erlauben hierbei die inhaltliche Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, sowie der Umstände der Kommunikation. Die Erhebung von Verkehrsdaten gemäß § 100 g StPO begründet einen Anspruch gegen die Telekommunikationsdienstleister auf Auskunft über die Verbindungsdaten und die Verwendung sogenannter IMSI-Catcher gemäß § 100 i StPO erlaubt die Ermittlung der Karten- und Gerätenummer oder des Standorts eines Mobiltelefons. Im Folgenden soll lediglich auf die Telekommunikationsüberwachung nach §§ 100 a, 100 b StPO näher eingegangen werden, da sowohl die Erhebung der Verkehrsdaten als auch die Verwendung der IMSI-Catcher, außer durch ihre Verweisung auf den Straftatenkatalog des § 100 a StPO, keine weiteren dopingspezifischen Frage- beziehungsweise Problemstellungen ausweisen. a) Voraussetzungen der Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100 a, 100 b StPO Die Überwachung der Telekommunikation751 nach §§ 100 a, 100 b StPO stellt den gravierendsten Eingriff in die Telekommunikationsfreiheit dar752. Entsprechend hoch sind die Eingriffsschwellen. Grundvoraussetzung für die Anordnung ist, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Katalogtat im Sinne des § 100 a II StPO oder gemäß § 100 a I Nr. 1 StPO eines mit Strafe bedrohten Versuchs einer Katalogtat oder einer mit Strafe bedrohten Vorbereitungstat753 für eine Katalogtat begründen. Der abschließende754 und einer erweiterten Auslegung nicht zugängliche755 Katalog des § 100 a StPO bedeutet hierbei die Entscheidung des Gesetzgebers darüber, in welchen Fällen eine schwere Straftat und ein rechtsstaatliches Bedürfnis für die Telekommunikationsüberwachung vorliegen können756. Die Tat muss jedoch nicht nur abstrakt, sondern auch im Einzelfall besonders schwer wiegen (§ 100 a I Nr. 2 749

Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 119. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 200. 751 Zum Begriff der Telekommunikation ausführlich Nack in KK § 100 a Rdn. 4 ff.; Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 187 ff. 752 Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 201. 753 Vorbereitungstat ist dabei jede Tat, die der Vorbereitung einer Katalogtat dient (Nack in KK § 100 a Rdn. 33). 754 BGHSt 31, 304, 306; 34, 39, 50. 755 BGHSt 26, 298, 303; 31, 296, 298. 756 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 15. 750

A. Das Ermittlungsverfahren

141

StPO)757. Anhaltspunkte hierfür sind zum Beispiel die Folgen der Tat, die Schutzwürdigkeit des verletzten Rechtsguts und das Hinzutreten besonderer Umstände, wie etwa die faktische Verzahnung mit anderen Katalogstraftaten oder das Zusammenwirken des Beschuldigten mit anderen Straftätern758. Der Tatverdacht muss weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch dringend im Sinne des § 112 I 1 StPO sein759. § 100 a StPO verlangt nur einen einfachen, nach Auslegung des BGH jedoch nicht unerheblichen760, Verdacht, der auf bestimmten Tatsachen beruhen muss761. Gerüchte oder Gerede reichen hierfür nicht aus762. Vielmehr müssen Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung und der kriminalistischen Erfahrung in erheblichem Maß darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat763. Der Verdacht muss durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung erreicht haben und von erheblicher Stärke sein764. Gemäß § 100 a I Nr. 3 StPO kann die Überwachung der Telekommunikation darüber hinaus nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Aussichtslos ist sie, wenn andere Aufklärungsmittel nicht vorhanden sind. Stehen sie zur Verfügung, so müssen die Erfolgsaussichten die sie bieten mit denen der Überwachung verglichen werden. Wenn diese entscheidend höher zu veranschlagen sind, ist die Überwachung zulässig765. Eine wesentliche Erschwerung liegt insbesondere vor, wenn die Benutzung anderer Aufklärungsmittel einen erheblich größeren Zeitaufwand erfordern und daher zu einer wesentlichen Zeitverzögerung führen würde766. Als Betroffener einer Telekommunikationsüberwachung kommt in erster Linie der Beschuldigte in Betracht, also der Tatverdächtige, gegen den bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist oder gegen den es mit der Anordnung nach § 100 a StPO eingeleitet wird767. Die Anordnung kann sich aber gemäß § 100 a III StPO auch gegen Nichtverdächtige richten, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen – also nicht

757 Diese zusätzliche Voraussetzung wurde wegen der das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit betonenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeführt (BVerfGE 107, 299, 322; 109, 279, 348). Siehe hierzu BT-Drucks 16/5846 S. 40. 758 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 11. 759 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 9. 760 BGHSt 41, 30, 33. 761 BVerfGE 107, 299 ff.; BGHSt 46, 321, 331. 762 BVerfGE NJW 2007, 2752, 2753. 763 Nack in KK § 100 a Rdn. 34. 764 Nack in KK § 100 a Rdn. 34. 765 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 13. 766 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 13. 767 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 17.

142

Kap. 3: Der Strafprozess

aufgrund bloßer Vermutungen768 – anzunehmen ist, dass diese entweder als sogenannte Nachrichtenmittler769 Mitteilungen vom oder an den Beschuldigten weiterleiten oder der Beschuldigte ihren Anschluss benutzt, so zum Beispiel Nachbarn, Freunde, Bekannte, Gastwirte oder Wirtschaftsunternehmer. Im Vergleich zur Überwachung beim Beschuldigten sind hier mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erhöhte Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Maßnahme zu stellen770. In § 100 a IV StPO findet sich, entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz individueller Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung771, ein Erhebungs- und Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung. Zuständig für die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung ist gemäß § 100 b I StPO der Richter, und zwar während des Ermittlungsverfahrens der Ermittlungsrichter, danach das mit der Sache befasste Gericht772. Nur bei Gefahr im Verzug kann die Staatsanwaltschaft die Anordnung treffen (§ 100 b I 2 StPO), die binnen drei Tagen der richterlichen Bestätigung bedarf, da sie andernfalls außer Kraft tritt (§ 100 b I 3 StPO). b) Die Überwachung der Telekommunikation im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung In anderen Bereichen mit vergleichbarer kriminogener Struktur, also etwa dem bandenmäßig organisierten Drogenhandel, dienen in erster Linie die technisch gestützten, heimlichen Ermittlungsmethoden, zu denen auch und maßgeblich773 die Telefonüberwachung zählt, dazu, diese strukturbedingten Ermittlungsmethoden zu relativieren774. Deshalb war es nicht fernliegend, dass in der Literatur über die Verwendung der Telefonüberwachung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund nachgedacht wurde775. Bis zum Ende des Jahres 2007 gestaltete sich die Anwendung dieser Ermittlungsmaßnahme in derartigen Strafverfahren jedoch als schwierig. Dopingstraftaten nach dem AMG waren von dem Katalog des § 100 a StPO nicht erfasst. Eine Telefonüberwachung kam demgemäß nur bei Vorliegen hinreichender Verdachtsmo768

BVerfGE 107, 299, 322 f. So z. B. Nack in KK § 100 a Rdn. 37; Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 19. 770 Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 209. 771 BVerfGE 113, 348 ff. 772 Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 214. 773 BT-Drucks 16/5846 S. 23. 774 Jahn SpuRt 2005, 141, 144. 775 So Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143; 148; Jahn SpuRt 2005, 141, 144; Körner KR 2003, 101, 102, der davon ausgeht, dass die Telefonüberwachung wie ein Scheinwerfer das Dunkelfeld der Dopingkriminalität erhellen könnte. 769

A. Das Ermittlungsverfahren

143

mente für das Bestehen einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB in Betracht. Dazu mussten tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass es sich um eine Vereinigung von mindestens drei Personen mit einem Mindestmaß an fester Organisation handelt, die auf einige Dauer angelegt ist und sich nicht in der Vereinbarung eines einmaligen Zwecks erschöpft und arbeitsteilig unter verbindlichen Regeln für eine gemeinsame Willensbildung tätig wird776. Diese Voraussetzungen konnten jedoch regelmäßig nicht durch eine positive Dopingprobe oder den Fund von Dopingmitteln erfüllt werden777. Da darüber hinaus der Rückgriff auf § 129 I StPO schon generell nicht unproblematisch ist778, war bereits damals evident, dass trotz der theoretischen Möglichkeit einer Telefonüberwachung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund, eine solche faktisch so gut wie nie auf diesem Wege erfolgen konnte779. In den wenigen Fällen, in denen dennoch eine Telefonüberwachung gegen eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB geschaltet wurde, waren die Ermittlungserfolge jedoch erheblich. So wurde im Jahr 1997 von der Staatsanwaltschaft Degendorf durch eine derartige Ermittlungsmaßnahme erst die ganze Dimension des illegalen internationalen Anabolikahandels der observierten Vereinigung erkennbar. Die Täter wurden in diesem Verfahren nach AMG verurteilt, wobei der Haupttäter eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren erhielt780. Dieses Beispiel, gepaart mit weiteren Ermittlungserfolgen aus dem Ausland781, führten in der Folge dazu, dass sich die Bundesregierung im Rahmen ihres Maßnahmenpakets gegen Doping im Sport aus dem Dezember 2006 für die Erstreckung des Straftatenkatalogs des § 100 a StPO auf schwerwiegende Dopingdelikte aussprach782. Durch das Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG783 kam es sodann zur Aufnahme dopingbezogener Straftaten in den Katalog des § 100 a StPO. Seither ist eine Telefonüberwachung bei Straftaten nach § 95 I Nr. 2 a i.V.m. § 6 a AMG unter den Voraussetzungen des § 95 III 2 Nr. 2 b AMG möglich784. Es muss mithin ein Verdacht bestehen, dass Täter, die Dopingmittel in 776

Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 148 f. Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149. 778 Jahn SpuRt 2005, 141, 144. 779 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 149; Jahn SpuRt 2005, 141, 144. 780 Der Fall wurde aufgeführt im Maßnahmenpaket der Bundesregierung vom Dezember 2006 S. 7. 781 So z. B. im Rahmen des COFIDIS-Blutdoping-Skandals bei der Tour de France im Jahr 2003 (Körner Anhand D II zum AMG Rdn. 116). 782 Maßnahmenpaket der Bundesregierung vom Dezember 2006 S.7. 783 BGBl. I 2007, 3198. 784 Dies gilt über die Verweisung des § 100 f I StPO somit auch für den Einsatz technischer Mittel im Sinne dieser Norm, der darüber hinaus – trotz seiner Bedeutung für Deliktsbereiche, welche sich durch eine starke Abschottung nach außen auszeichnen (Jahn SpuRt 2005, 143, 777

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Kap. 3: Der Strafprozess

den Verkehr bringen, verschreiben oder bei anderen anwenden, hierbei gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handeln. c) Erfordernis der Ausweitung des Katalogs des § 100 a StPO auf Straftaten gemäß § 95 I Nr. 2 a i.V.m. § 6 a AMG Eine weitere Ausweitung des Katalogs des § 100 a StPO auf Straftaten gemäß § 95 I Nr. 2 a i.V.m. § 6 a AMG wäre aus praktischen Gesichtspunkten sicherlich wünschenswert, ist in rechtlicher Hinsicht jedoch nicht realisierbar. Durch das Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG wurde der Straftatenkatalog unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts785 und rechtstatsächlicher Erkenntnisse786 sowie von Erfordernissen der Strafverfolgungspraxis überarbeitet und mit dem Straftatenkatalog des § 100 c II StPO harmonisiert787. Hierbei wurde über die bislang in der Strafprozessordnung enthaltenen Kategorien der Straftaten von erheblicher Bedeutung und der besonders schweren Straftaten eine weitere Kategorie geschaffen, die eine Zwischenstellung zu den Vorgenannten einnimmt788. Einem Stufenmodell folgend789 werden so für eingriffsintensivere Maßnahmen entsprechend höhere Anordnungsvoraussetzungen gefordert790. Die schwere Straftat im Sinne des § 100 a StPO muss demgemäß auf der Stufe zwischen der besonders schweren Straftat, die Art. 13 III GG beziehungsweise § 100 c I Nr. 1 StPO für eine akustische Wohnraumüberwachung fordern, und der Straftat von erheblichen Bedeutung, wie sie in §§ 98 a, 100 g, 100 i, 110 a, 163 e, 163 f StPO vorausgesetzt wird, stehen. Unter besonders schweren Straftaten sind hierbei solche zu verstehen, deren Strafrahmen eine Mindesthöchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe aufweisen791. Eine 144) – für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung keine weiteren Besonderheiten bzw. Probleme aufweist und auf den demgemäß hier nicht gesondert eingegangen werden soll. 785 BVerfGE 113, 348 ff. 786 Die Bundesregierung bezieht sich in ihrem Gesetzesentwurf zum Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG auf die Untersuchung „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100 a, 100 b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“ von Albrecht, Dorsch und Krüpe aus dem Jahr 2003. Die Autoren analysierten hierbei auf Grundlage einer Auswertung von 501 Strafverfahren aus dem Jahr 1998, in denen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden, sowie aufgrund von umfangreicher Expertenbefragung, die Praxis der Telekommunikationsüberwachung (BT-Drucks 16/5846 S. 23). 787 BT-Drucks 16/5846 S. 40. 788 Nack in KK § 100 a Rdn. 32. 789 Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 10. 790 BT-Drucks 16/5846 S. 40. 791 Nack in KK § 100 c Rdn. 16.

A. Das Ermittlungsverfahren

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Straftat von erheblicher Bedeutung muss mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen792. Aus dem Vergleich zwischen diesen beiden Begrifflichkeiten ergibt sich, dass unter einer schweren Straftat eine solche zu verstehen ist, die eine Mindesthöchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe aufweist, in Einzelfällen aufgrund der besonderen Bedeutung des geschützten Rechtsguts oder des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung aber auch eine geringerer sein kann793. Sie muss jedoch in jedem Fall über einem Jahr liegen794. Aufgrund dieser Einteilung wurden aus dem Katalog des § 100 a StPO solche Straftaten gestrichen, die keine schweren Straftaten in diesem Sinne darstellen oder für deren Beibehaltung kein rechtstatsächliches Bedürfnis erkennbar ist795. Gleichzeitig erfolgte die Aufnahme bislang nicht erfasster Straftaten der Transaktions- und Wirtschaftskriminalität sowie der organisierten Kriminalität, weil die Telekommunikationsüberwachung sich nach Ansicht des Gesetzgebers gerade in diesem Bereich als effektives und effizientes Aufklärungsmittel erwiesen hat796. Wie hieraus ersichtlich und von der Bundesregierung betont, soll die Telekommunikationsüberwachung somit bei der Verfolgung schwerer Kriminalität aber auch bei der Verfolgung schwer ermittelbarer Kriminalität möglich sein797. Wie schon hinreichend dargestellt, werden die Strafverfolgungsorgane im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung regelmäßig vor größere Probleme gestellt. Speziell die Abschottung nach außen, die Tatsache, dass es sich bei dieser Deliktsgruppe um einen klassischen Fall der quasi-opferlosen Kriminalität handelt und dass auch darin gründende Ausbleiben von Strafanzeigen, erschweren die Ermittlungen. Alleine abstellend auf die Tatsache, dass die Telekommunikationsüberwachung auch für die Verfolgung schwer ermittelbarer Kriminalität eingesetzt werden soll, könnte man also erwägen, diese Ermittlungsmaßnahme auch auf Delikte gemäß § 95 I i.V.m. § 6 a AMG anzuwenden, diese also in den Straftatenkatalog des § 100 a StPO aufzunehmen. Ein singuläres Abstellen auf die Ermittlungsschwierigkeiten der strafrechtlichen Dopingverfolgung verbietet sich jedoch. Da die Überwachung der Telekommunikation regelmäßig einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstellt, ist sie für Fälle auszuschließen, in denen die Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht so gewichtig erscheinen, dass der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen die mit ihr verbun792

Meyer-Goßner § 98 a Rdn. 5; siehe hierzu ferner ausführlich Rieß GA 2004, S. 623 ff. BT-Drucks 16/5846 S. 40; Meyer-Goßner § 100 a Rdn. 10. 794 BT-Drucks 16/5846 S. 40. 795 BT-Drucks 16/5846 S. 40. 796 Die Bundesregierung bezieht sich in diesem Punkt auf Erkenntnisse aus der Untersuchung von Albrecht/Dorsch/Krüpe (BT-Drucks 16/5846 S. 40). 797 BT-Drucks 16/5846 S. 40. 793

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Kap. 3: Der Strafprozess

denen Beeinträchtigungen überwiegen würde798. Der notwendig zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet – wie auch bei der Verwendung des Merkmals der Straftat von erheblicher Bedeutung799 – bei § 100 a StPO in dem Erfordernis des Vorliegens einer schweren Straftat eine besondere, eingriffsbegrenzende Ausprägung800. Die Aufnahme von Delikten, die nicht schwere Straftaten in diesem Sinne sind, ist mithin bereits nicht verhältnismäßig. Maßgebliches Kriterium für die Einteilung als schwere Straftat im Sinne der Norm ist die Strafobergrenze, die in der Regel bei fünf Jahren liegen soll801. Da die Strafobergrenze des § 95 I i.V.m. § 6 a AMG lediglich bei drei Jahren liegt, spricht dies bereits gegen eine Aufnahme dieses Delikts in den Katalog des § 100 a StPO. Hierfür spricht auch der Vergleich mit der Erfassung der Korruptionsdelikte, die aufgrund ihrer zunehmenden Bedeutung durch das Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG in den Straftatenkatalog des § 100 a StPO aufgenommen wurden. Ihre Aufnahme wird maßgeblich mit der für sie typischen heimlichen Begehungsweise und dem daraus resultierenden Fehlen von Zeugen begründet802. Von dem Straftatenkatalog werden nunmehr die Abgeordnetenbestechung nach § 108 e StGB (§ 100 a II Nr. 1 b StPO), die wettbewerbsbeschränkende Absprache bei Ausschreibungen nach § 298 StGB sowie die besonders schweren Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB unter den in § 300 S. 2 StGB genannten Voraussetzungen (§ 100 a II Nr. 1 r StPO) sowie die Bestechlichkeit und Bestechung nach §§ 332, 334 StGB (§ 100 a II Nr. 1 t StPO) erfasst. Nicht erfasst werden hingegen die Vorteilsannahme nach § 331 StGB sowie die Vorteilsgewährung nach § 333 StGB, weil diese keine schweren Straftaten im Sinne des § 100 a StPO darstellen803. Beide Delikte weisen, wie auch § 95 I AMG, ein Strafhöchstmaß von 3 Jahren aus, was somit bereits dafür spricht bei einem derartigen Strafhöchstmaß nicht von einer schweren Straftat im Sinne des § 100 a StPO auszugehen. Da nach Ansicht der Bundesregierung jedoch in Einzelfällen auch Straftaten mit einer geringeren Höchststrafe eine schwere Straftat in diesem Sinne sein können, wenn dem geschützten Rechtsgut eine besondere Bedeutung zukommt oder ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht804, kann für die Frage, ob dies bei Delikten nach § 95 I i.V.m. § 6 a AMG der Fall ist, ein Vergleich 798 Dies trägt dem Grundsatz Rechnung, dass auch im Strafverfahren die Wahrheit nicht „um jeden Preis“ erforscht werden darf (BT-Drucks 16/5846 S. 40 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BGHSt. 14, 358, 365; 17, 337, 348; 31, 304, 309). 799 Rieß GA 2004, 623, 631. 800 Nack in KK § 100 a Rdn. 32. 801 BT-Drucks 16/5846 S. 40. 802 BT-Drucks 16/5846 S. 41. 803 BT-Drucks 16/5846 S. 41. 804 BT-Drucks 16/5846 S. 40.

A. Das Ermittlungsverfahren

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mit der Erfassung der Delikte aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität fruchtbar gemacht werden. Neben den vergleichbaren strukturellen Problemen, vor welche die Strafverfolgungsbehörden gestellt werden, bestehen auch im Hinblick auf die zu schützenden Rechtsgüter und das öffentliche Interesse an ihrer Verfolgung erhebliche Parallelen zu der strafrechtlichen Dopingverfolgung. Gemäß § 100 a II Nr. 7 StPO werden aus dem Betäubungsmittelgesetz Straftaten nach einer in § 29 III 2 Nr. 1 BtMG in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen (§ 100 a II Nr. 7a StPO) sowie Straftaten nach §§ 29 a, 30 I Nr. 1, 2, 4, 30 a, 30 b BtMG (§ 100 a II Nr. 7b StPO) erfasst. Es lässt sich somit erkennen, dass § 29 I BtMG, der als Grundfall bereits mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht ist und somit bereits ein höheres Strafhöchstmaß als § 95 I i.V.m. § 6 a AMG aufweist, nicht erfasst wird. Da keinerlei Argumente ersichtlich sind, weswegen dem Grundfall der Dopingmitteldelinquenz gegenüber dem Grundfall der Betäubungsmitteldelinquenz ein in Bezug auf das zu schützende Rechtsgut beziehungsweise das öffentliche Interesse an deren Verfolgung größeres Gewicht zukommen sollte, würde die Aufnahme dieses Delikts einen nur schwerlich begründbaren Wertungswiderspruch darstellen. 5. Körperliche Untersuchung a) Voraussetzungen der körperlichen Untersuchung Die §§ 81 a, 81 c StPO regeln die Zulässigkeit körperlicher Untersuchungen. Sie differenzieren danach, ob sich die Maßnahme gegen den Beschuldigten richtet (§ 81 a StPO) oder gegen einen Dritten (§ 81 c StPO). Der Beschuldigte ist hierbei in weiterem Umfang zur Duldung körperlicher Untersuchungen verpflichtet, als dies bei Dritten der Fall ist805. aa) Voraussetzungen der körperlichen Untersuchung des Beschuldigten gemäß § 81 a StPO Die Untersuchung des Beschuldigten gemäß § 81 a StPO darf ausschließlich zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Verfahrenserhebliche Tatsachen in diesem Sinne sind maßgeblich solche, die wenn auch nur mittelbar, die Straftat, die Täterschaft und Schuld des Beschuldigten beweisen oder die Rechtsfolgeentscheidung beeinflussen können806. Es kommen mithin sowohl strafprozessual als auch materiellrechtlich relevante Tatsachen in Betracht807. Zur Erlangung derartiger verfahrenserheblicher Tatsachen ermöglicht § 81 a StPO einfache körperliche Untersuchungen (§ 81 a I 1 StPO) sowie körperliche 805 806 807

Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 286. Meyer-Goßner § 81 a Rdn. 6. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 289.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Eingriffe (§ 81 a I 2 StPO), wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Beschuldigten zu befürchten ist. Die einfachen körperlichen Untersuchungen dienen dem Zweck, die vom Willen des Beschuldigten unabhängige Beschaffenheit seines Körpers oder einzelner Körperteile oder den psychischen Zustand des Beschuldigten, soweit dieser körperlich bedingt ist, durch sinnliche Wahrnehmung ohne körperliche Eingriffe festzustellen808. Körperliche Eingriffe sind, im Unterschied dazu, derartige Untersuchungen, die zu einer Verletzung des Körpers führen, mögen sie auch noch so geringfügig sein809. Das Gesetz hebt hierbei die Blutentnahme hervor, es kommen aber auch die Entnahme anderer natürlicher Körperbestandteile sowie die Zuführung von Stoffen und sonstige Eingriffe in das haut- und muskelumschlossene Innere des Körpers in Betracht810. Da körperliche Eingriffe von § 81 a StPO pauschal erfasst werden, ist hier in besonderem Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten811. Je gravierender der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen, die an den Verdachtsgrad, an die Schwere der verfolgten Tat und die Bedeutung der Untersuchung für die Aufklärung der Tat zu stellen sind812. Der Beschuldigte muss die körperliche Untersuchung dulden, kann aber nicht zu einer aktiven Beteiligung gezwungen werden813. Für die Anordnung der Maßnahme ist primär der Richter zuständig, bei Gefahr im Verzug kann sie jedoch auch durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen angeordnet werden (§ 81 a II StPO). Bei schweren Eingriffen soll die Anordnung jedoch alleine dem Richter vorbehalten sein814. § 81 a III StPO enthält das Verbot, die entnommenen Blutproben oder sonstigen Köperzellen für andere Zwecke als für ein anhängiges Strafverfahren zu verwenden. Darüber hinaus stellt er das Gebot auf, das entnommene Material unverzüglich zu vernichten, sobald es für das Strafverfahren nicht mehr benötigt wird815. bb) Voraussetzungen der Untersuchung anderer Personen gemäß § 81 c StPO Im Verhältnis zu den Duldungspflichten, die dem Beschuldigten im Rahmen des § 81 a StPO auferlegt werden können, sind die Zwangsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Nichtbeschuldigten nach § 81 c StPO deutlich redu-

808 809 810 811 812 813 814 815

Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 293. Meyer-Goßner § 81 a Rdn. 15. Meyer-Goßner § 81 a Rdn. 15. BVerfGE 16, 194, 202; 17, 108, 117; 27, 211, 219. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 300. BGHSt 34, 39, 46. BVerfGE 16, 194, 201 f. Meyer-Goßner § 81 a Rdn. 37.

A. Das Ermittlungsverfahren

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ziert816. Zulässig sind nach dieser abschließenden Reglung817 einerseits die Untersuchung auf Spuren oder Tatfolgen bei dem potentiellen Zeugen (§ 81 c I StPO), sowie zum andern die Untersuchung zur Feststellung der Abstammung und die Entnahme von Blutproben (§ 81 c II StPO). Die Untersuchung nach § 81 c I StPO ist nur zulässig bei Personen die als Zeugen in Betracht kommen, wobei es genügt, wenn von ihnen lediglich die Aussage erwartet werden kann, nichts beobachtet zu haben818. Sie muss der Erforschung der Wahrheit dienen und findet ihren Zweck in der Feststellung von Spuren oder Tatfolgen819. Spuren sind hierbei unmittelbar durch die Tat verursachte Veränderungen am Körper, die Rückschlüsse auf den Täter oder die Tatausführung ermöglichen820. Unter Tatfolgen sind durch die Tat eingetretene Veränderungen am Körper des Opfers, die solche Hinweise nicht zulassen, zu verstehen. Spuren und Tatfolgen brauchen weder dauerhaft zu sein noch zum gesetzlichen Tatbestand der Straftat zu gehören, es genügt, dass sie für die Strafzumessung von Bedeutung sein können821. Die körperliche Untersuchung gemäß § 81 c I StPO erlaubt solche, auf die Körperoberfläche und nach h.M. auch auf die Körperöffnungen bezogene Untersuchungen, die keinen Eingriff in den Körper darstellen822. Der Betroffene ist hierbei, wie auch bei der Untersuchung nach § 81 a StPO, lediglich zur Duldung der Untersuchung verpflichtet823. Die Blutprobenentnahme und Abstammungsuntersuchung gemäß § 81 c II StPO darf nur von einem Arzt vorgenommen werden und auch nur, wenn keine Nachteile für die Gesundheit zu befürchten sind. Ihr Einsatz bezweckt die Erschließung besonders bedeutsamer Beweismittel824. Die Blutentnahme stellt hierbei den einzig möglichen körperlichen Eingriff zu Lasten von Nichtbeschuldigten dar825 und kann verschiedene Erkenntnisinteressen verfolgen. Die Abstammungsuntersuchung, zu deren Durchführung auch die Abnahme einer Blutprobe möglich ist, kann ferner durch Lichtbildaufnahmen, Messungen und das Nehmen von Fingerabdrücken erfolgen, zu deren Duldung der Betroffene verpflichtet ist. Anders als bei § 81 c I StPO gilt hierbei weder der Zeugen- noch der Spurengrundsatz826.

816 817 818 819 820 821 822 823 824 825 826

Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 318. Meyer-Goßner § 81 c Rdn. 6. Sogenannter „Zeugengrundsatz“ (Beulke Rdn. 244). Sogenannter „Spurengrundsatz“ (Beulke Rdn. 244). Meyer-Goßner § 81 c Rdn. 12. Meyer-Goßner § 81 c Rdn. 13. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 321. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 321. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 323. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 323. Meyer-Goßner § 81 c Rdn. 18.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Sowohl die Blutentnahme als auch die Abstammungsuntersuchung sind nur zulässig, wenn sie für die Erforschung der Wahrheit unerlässlich sind. § 81 c IV StPO setzt sowohl für die Untersuchungen auf Spuren und Tatfolgen nach § 81 c I StPO als auch für die Abstammungsuntersuchungen und die Entnahme von Blutproben nach § 81 c II StPO voraus, dass die Maßnahme für den Betroffenen zumutbar ist. Damit verlangt das Gesetz eine Abwägung zwischen den rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen einerseits und dem Interesse an der Tataufklärung andererseits827, wodurch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch einmal besonders hervorgehoben wird828. Gemäß § 81 c III StPO kommt Zeugen, die nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigt sind, ein damit korrespondierendes Untersuchungsverweigerungsrecht zu. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass von Angehörigen auch die passive Mitwirkung an der Überführung des Beschuldigten im Rahmen des § 81 c StPO zum Schutz des jeweiligen Naheverhältnisses nicht verlangt werden soll829. Wie auch § 81 a StPO können Maßnahmen nach § 81 c StPO maßgeblich durch den Richter und nur bei Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen angeordnet werden. Ein Verwertungsverbot hinsichtlich des entnommenen Materials für andere Zwecke als für ein anhängiges Strafverfahren enthält § 81 c V 2 StPO, indem er auf die Reglung in § 81 a III StPO verweist. b) Körperliche Untersuchungen im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Körperliche Untersuchungen kommen in Strafverfahren mit Dopinghintergrund maßgeblich in zweierlei Hinsicht in Betracht. Zum einen kann bei einer möglicherweise gedopten Person Blut abgenommen werden, um dieses auf Dopingmittel zu untersuchen. Zum anderen kann ihr Körper nach Injektionsmerkmalen abgesucht werden. Beide Untersuchungen dienen dem Nachweis, dass eine bestimmte Person gedopt hat beziehungsweise gedopt wurde und können – nach aktueller Rechtslage – entweder als Indizien für einen vorherigen Besitz der Dopingmittel830 oder für eine vorherige Verabreichung dieser Mittel durch Dritte dienen. Da beide Alternativen somit das Ziel verfolgen, eine zuvor erfolgte Aufnahme von Dopingmitteln nachzuweisen, kommen als Subjekte derartiger Untersuchungen fast ausschließlich Sportler in Betracht. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer körperliche Untersuchung bei einem Sportler haben sich seit der Einführung der Besitzstrafbarkeit in § 6 a II a 827 828 829 830

BGH bei Dallinger MDR 1956, 525, 527. Meyer-Goßner § 81 c Rdn. 17. BGHSt 13, 394, 399; 32, 140, 143. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa).

A. Das Ermittlungsverfahren

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AMG geändert. Vor der Einführung dieser Tatbestandsalternative war es gemäß § 6 a I AMG lediglich strafbar, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden. Da die körperliche Untersuchung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund somit nur dem Nachweis dieser Handlungsformen dienen konnte und ein diesbezüglicher Anfangsverdacht bei Sportlern regelmäßig nicht anzunehmen war, kamen sie in diesen Verfahren nur selten als Beschuldigte in Betracht. Selbst bei Vorliegen eines vorausgegangenen (im verbandsrechtlichen Verfahren gewonnenen) positiven Dopingtests konnte hieraus unmittelbar nur auf eine straflose Selbstverabreichung und einen vorangegangenen straflosen Eigenbesitz des im Blut bzw. Urin aufgefundenen Dopingmittels geschlossen werden831. Auch die Begründung eines Anfangsverdachts bezüglich eines, zumindest versuchten, Inverkehrbringens aufgrund einer positiven Dopingprobe musste zu Recht bezweifelt werden832. Wenn somit nicht andere Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass ein Sportler Dopingmittel bei anderen angewendet oder diese in Verkehr gebracht hat, kam er nicht als Beschuldigter in Betracht. Eine körperliche Untersuchung bei Sportlern konnte demzufolge in den meisten Fällen nicht auf Grundlage des § 81 a StPO sondern lediglich auf Grundlage des § 81 c StPO erfolgen833. Seit der Einführung der Besitzstrafbarkeit kommt der Sportler in Strafverfahren mit Dopinghintergrund vermehrt als Beschuldigter in Betracht. Wie bereits oben beschrieben, führt schon die bloße Kenntniserlangung der Strafverfolgungsbehörden von einer positiven Dopingprobe zur Bejahung eines Anfangsverdachts im Sinne der §§ 152 II, 160 I StPO834. Aber auch der Fund von größeren Mengen an Dopingmittelverpackungen in seinem Herrschaftsbereich835 oder Hinweise von Dritten, dass der Sportler Dopingmittel in nicht geringen Mengen besitzt, können dazu führen, dass er als Beschuldigter zu behandeln ist. Dementsprechend hat eine körperliche Untersuchung des Sportlers in diesen Verfahren nunmehr auf der Grundlage des § 81 a StPO zu erfolgen. Unabhängig von der Frage, ob eine körperliche Untersuchung in der Praxis unter den Voraussetzungen des § 81 a StPO836 oder unter denen des § 81 c StPO leichter zu erlangen ist837, ist anzuerkennen, dass der körperlichen Untersuchung des Be831

Jahn SpuRt 2005, 141, 143; Mayer SpuRt 2002, 97, 98; siehe hierzu ferner oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa) (1). 832 Siehe hierzu ausführlich oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa) (1). 833 Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 148; Heger SpuRt 2001, 92, 95; ders. JA 2003, 76, 82; Jahn SpuRt 2005, 143, 146. 834 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa) (2). 835 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) cc). 836 So Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 148 vor Einführung der Besitzstrafbarkeit. 837 So Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 53 f. vor Einführung der Besitzstrafbarkeit, der die Anwendung der körperlichen Untersuchung gemäß § 81 a I StPO gegenüber der des § 81 c II StPO aufgrund des bei § 81 a I StPO in besonders strengem Maße anzuwendenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Ermittlungshindernis ansieht.

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Kap. 3: Der Strafprozess

schuldigten, der aus praktischen Gesichtspunkten nicht unerhebliche Vorteil zukommt, dass der zu Untersuchende hierbei kein Untersuchungsverweigerungsrecht im Sinne des § 81 c III StPO hat. Der Beschuldigte kann also nicht wie der Zeuge die Untersuchung in Verfahren, die gegen eine in § 52 StPO genannte Person geführt werden, verweigern. Bei Strafverfahren mit Dopinghintergrund ist dies vorteilhaft, da im Bereich des Spitzensports Verwandte häufig als Manager oder Betreuer des Sportlers fungieren und demgemäß auch nicht auszuschließen ist, dass sie als Umfeldpersonen, die ein eigenes Interesse an dem Erfolg des Sportlers haben, für die Versorgung oder gar Verabreichung der Dopingmittel verantwortlich sind. 6. Verdeckt ermittelnde Polizeibeamte a) Voraussetzungen des Einsatzes verdeckt ermittelnder Polizeibeamter Unter Verdeckten Ermittlern sind gemäß § 110 a II StPO Polizeibeamte838 zu verstehen, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Von dem Wortlaut dieser Legaldefinition hat sich die Rechtsprechung des BGH jedoch entfernt, indem sie nicht die Legende als ausschlaggebendes Kriterium ansieht, sondern die Umstände des jeweiligen Einsatzes des verdeckt ermittelnden Polizeibeamten in ihrer Gesamtheit839. Wesentlich für die Bewertung als Verdeckter Ermittler ist mithin, dass der Ermittlungsauftrag über einzelne wenige, konkret bestimmte, Ermittlungshandlungen hinausgeht840, dass eine unbestimmte Vielzahl von Personen über die wahre Identität des verdeckt operierenden Polizeibeamten getäuscht werden müssen und dass wegen der Art und des Umfanges des Auftrages von vornherein abzusehen ist, dass die Identität des Beamten in künftigen Strafverfahren auf Dauer geheim gehalten werden muss841. Verdeckte Ermittler dürfen nur in den, in § 110 a I StPO genannten Fallgruppen zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt werden. Gemäß § 110 a I 1 StPO kommt dies zunächst bei Straftaten von erheblicher Bedeutung in Betracht842. Dabei reicht jedoch nicht jede solche Straftat aus, sondern der Gesetzgeber verlangt zusätzlich die Zugehörigkeit der Straftaten zu einer bestimmten Deliktsgruppe (§ 110 a I Nr. 1, 2 StPO) oder eine bestimmte Begehungsweise (§ 110 a I Nr. 3, 4 StPO). Darüber hinaus ist der Einsatz Verdeckter Ermittler zur Aufklärung von Verbrechen zulässig, soweit aufgrund bestimmter Tatsachen Wiederholungsgefahr besteht (§ 110 a I 2 StPO). Beide Varianten verlangen gemäß § 110 a I 3 StPO die Wahrung des dort 838 Als Verdeckte Ermittler dürfen, aus Gründen einer notwendigerweise straffen Führung und wirksamen Dienstaufsicht, nur Beamte im Sinne des §§ 2, 35 ff. BRRG eingesetzt werden (BT-Drucks 12/989 S. 42). 839 Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 415. 840 Die Praxis neigt dazu, bei bis zu drei Kontakten noch nicht von einem Verdeckten Ermittler auszugehen (Schneider NStZ 2004, 359, 360 f.). 841 BGH NStZ 1997, 448, 448; BGH JZ 1996, 259, 260; BGHSt 41, 64, 65. 842 Zu dem Begriff grundlegend Rieß GA 2004, 623 ff.

A. Das Ermittlungsverfahren

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genannten Subsidiaritätsgrundsatzes. Zuletzt ist die Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung von Verbrechen ohne Wiederholungsgefahr zulässig, wenn die aufzuklärende Tat von besonderer Bedeutung ist843 und die Voraussetzungen der strengeren Subsidiaritätsklausel des § 110 a I 4 StPO erfüllt sind. Bezüglich der Straftaten müssen zureichende tatsächliche Anhaltpunkte, also ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 II StPO844, vorliegen. Über den Einsatz des Verdeckten Ermittlers entscheidet die Polizei, wobei sie – außer bei Gefahr im Verzug (§ 110 b I 2 StPO) – der vorherigen Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedarf. Einsätze, die sich gegen einen bestimmten Beschuldigten richten oder bei denen der Verdeckte Ermittler eine Wohnung betritt, die nicht allgemein zugänglich ist, bedürfen gemäß § 110 b II StPO grundsätzlich der Zustimmung des Richters. Bei Gefahr im Verzug kann sie jedoch durch eine solche der Staatsanwaltschaft ersetzt werden beziehungsweise durch die Polizei und hierbei notfalls sogar durch den Verdeckten Ermittler selbst angeordnet werden845. In diesen Fällen ist jedoch die Zustimmung der Staatsanwaltschaft unverzüglich und die des Richters binnen drei Tagen nachzuholen846. b) Der Einsatz verdeckt ermittelnder Polizeibeamter im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport wurde in Abs. 3 des § 95 AMG die bestehende Strafbarkeit des Inverkehrbringens, Verschreibens oder Anwendens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport nach § 6 a I AMG in Verbindung mit § 95 I Nr. 2 a AMG verschärft. Mit der Erweiterung des § 95 III AMG durch den neu eingefügten Satz 2 Nr. 2 b ist nunmehr auch die banden- und gewerbsmäßige Begehung der genannten Handlungen als besonders schwerer Fall mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht. Hintergrund der Strafschärfung sind die zunehmende Verbreitung und Anwendung von Dopingmitteln in Form der Organisierten Kriminalität und die enormen Gewinnerzielungsabsichten, die dabei verfolgt werden. Mit einem gewerbs- und bandenmäßigen Handeln sind besondere Gefahren für die geschützten Rechtsgüter verbunden. Wenn Täter ihren Lebensunterhalt mit dem Verbreiten, Verschreiben und Anwenden von Dopingmitteln bestreiten oder arbeitsteilig vorgehen, bedeutet dies, dass kriminelles Handeln so organisiert wird, dass die schädlichen Wirkungen breit auftreten und zudem staatliche Kontroll- und Verfolgungsmechanismen wirkungsvoller umgangen werden können als bei Gelegenheits- oder Einzeltätern847.

843 844 845 846 847

Zu dem Begriff Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 420. Murmann in Heghmanns/Scheffler Kap. III Rdn. 416. Meyer-Goßner § 110 b Rdn. 5. Meyer-Goßner § 110 b Rdn. 5. BT-Drucks 16/5526 S. 9.

154

Kap. 3: Der Strafprozess

Vor der Einführung dieser Strafschärfung musste der Einsatz Verdeckter Ermittler in Strafverfahren mit Dopinghintergrund bezweifelt werden848, lediglich in Einzelfällen war ein solcher denkbar849. Grund hierfür war zunächst das Fehlen von Verbrechenstatbeständen850, welche bei Wiederholungsgefahr sowie unter den Voraussetzungen des § 110 a I 4 StPO zum Einsatz Verdeckter Ermittler berechtigen. Aber auch gegen die Einordnung von Dopingstraftaten nach § 95 I i.V.m. § 6 a I AMG als solche von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 110 a I Nr. 3, 4 StPO wurden Bedenken erhoben851, welche im gleichen Maße auch nach aktueller Rechtslage gegen die Erfassung dieser Delikte sprechen. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung muss mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen852. Mit welchem Gewicht Straftaten den Rechtsfrieden stören, drückt sich primär in den Strafzumessungsregeln des materiellen Strafrechts aus853. Demgemäß wird eine Straftat von erheblicher Bedeutung in der Regel bei Verbrechen zu bejahen sein, bei Vergehen nur, wenn die Strafrahmenobergrenze über zwei Jahren liegt854. Neben dem Strafrahmen, der bei Vergehen ein gewichtiges Indiz darstellt, kommt es bei ihnen auf das konkrete Gewicht der Tat an, dass durch den jeweils geforderten Verdachtsgrad belegt sein muss. Maßgeblich sind in erster Linie die Auswirkungen der Tat und die Art der Ausführung, etwa die Gefährlichkeit, die Schadenshöhe oder die Gefahr der Wiederholung855. Diese Voraussetzungen werden regelmäßig von Dopingdelikten nach § 95 I i.V.m. § 6 a I AMG nicht erfüllt sein. Die Strafrahmenobergrenze von 3 Jahren könnte zwar für die Erfassung derartiger Taten als solche von erheblicher Bedeutung sprechen, ein einfaches Inverkehrbringen, Verschreiben oder Anwenden hat jedoch allgemein nicht das für die Bejahung dieses Merkmals erforderliche Gewicht. Etwas anderes kann in Einzelfällen bei Aufsehen erregenden Dopingfällen aus dem Spitzensport gelten856. Darüber hinaus konnte die Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung bereits vor Einführung der Strafschärfung in § 95 III Nr. 2 b AMG bejaht werden, wenn die Tatausführung gewerbs- oder bandenmäßig erfolgt ist857, da in diesen Begehungsformen – wie 848

Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 159. Jahn SpuRt 2005, 143, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 46. 850 Körner Anhang D II zum AMG Rdn. 159. 851 Jahn SpuRt 2005, 143, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 46. 852 BVerfGE 103, 21, 34. 853 Rieß GA 2004, 623, 635. 854 Meyer-Goßner § 98 a Rdn. 5; Rieß GA 2004, 623, 636 f. 855 Rieß GA 2004, 624, 642. 856 Jahn SpuRt 2005, 143, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 46. 857 Andere Ansicht insoweit Jahn (SpuRt 2005, 143, 145; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 46), der davon ausgeht, dass gewerbs- oder bandenmäßig begangene Dopingmittelkriminalität in der Regel nicht Straftaten von erheblicher Bedeutung darstellen. 849

A. Das Ermittlungsverfahren

155

beschrieben – bereits besondere Gefahren für die geschützten Rechtsgüter begründet sind858, welche für das erforderliche Tatgewicht ausreichend waren. Seit Einführung der Strafschärfung für banden- und gewerbsmäßiges Handeln in § 95 III Nr. 2 b AMG können bei einem diesbezüglichen Anfangsverdacht und bei Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes des § 110 a I 3 StPO Verdeckte Ermittler zur Tataufklärung eingesetzt werden. Da banden- bzw. gewerbsmäßiges Handeln bereits zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 95 III Nr. 2 b AMG gehören, erfüllt ein dahingehender Tatverdacht zugleich die zusätzlichen Kriterien des § 110 a I Nr. 3, 4 StPO. Erforderlich ist somit nur, dass es sich bei der Tat um eine solche von erheblicher Bedeutung handelt, was bei Delikten gemäß § 95 III Nr. 2 b i.V.m. § 6 a I AMG regelmäßig der Fall ist. Neben dem nunmehr erhöhten Strafrahmen, der für sich bereits für die Erfassung als Straftat von erheblicher Bedeutung ausreichen würde, entstünde ansonsten ein Wertungswiderspruch zu der Erfassung des Delikts als schwere Straftat in § 100 a II StPO, da die dort aufgeführten Delikte im Sinne eines Stufenmodels über denen von erheblicher Bedeutung stehen859. Besteht hingegen nicht der Verdacht einer gewerbs- oder bandenmäßigen Tatbegehung kommt der Einsatz Verdeckter Ermittler in Strafverfahren mit Dopinghintergrund nicht in Betracht. Selbst wenn bei einem der beschriebenen Aufsehen erregenden Dopingfällen im Einzelfall eine Straftat von erheblicher Bedeutung anzunehmen wäre, so scheitert die Anwendung dieser Ermittlungsmaßnahme an der zusätzlichen Voraussetzung der Erfüllung einer der Alternativen des Katalogs des § 110 a I StPO. c) Erfordernis der Erweiterung des Katalogs des § 110 a StPO Von dem Katalog des § 110 a I StPO werden Straftaten auf dem Gebiet des Betäubungsmittelverkehrs, anders als solche der Dopingmitteldelinquenz, gemäß § 110 a I Nr. 1, 1. Alt. StPO generell erfasst. Hierdurch können Verdeckte Ermittler in diesem Bereich auch bei Taten, die nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangen wurden, zur Tataufklärung eingesetzt werden, sofern sie als solche von erheblicher Bedeutung einzuordnen sind. Anlehnend an die Erfassung der Betäubungsmitteldelikte stellt sich die Frage, ob Dopingdelikte nicht auch generell von § 110 a I Nr. 1 StPO erfasst werden sollten. Eine derartige Ausweitung des Katalogs des § 110 a I StPO ist jedoch bereits nicht erforderlich. Durch die Erfassung der gewerbs- und bandenmäßigen Tatausführung gemäß § 95 III Nr. 2 b i.V.m. § 6 a I AMG als Straftat von erheblicher Bedeutung kommt nur ein minimal kleiner Bruchteil der Dopingdelikte in Betracht, die darüber hinaus überhaupt eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 110 a I StPO darstellen, da es sich besonders bei den spektakulären Dopingfällen regelmäßig 858 859

BT-Drucks 16/5526 S. 9. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 4. a).

156

Kap. 3: Der Strafprozess

um solche handeln wird, bei denen ein Tatverdacht bezüglich einer gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung gegeben ist. 7. Untersuchungshaft Die Untersuchungshaft dient der Durchsetzung des Anspruchs der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters860. In diesem Sinne soll sie die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens gewährleisten und die spätere Vollstreckung eines auf Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Sicherungsmaßregeln lautenden Urteils sicherstellen861. Aufgrund des grundsätzlichen Spannungsverhältnisses zwischen Unschuldsvermutung und wirksamer Strafverfolgung, das durch die Inhaftierung eines noch nicht verurteilten Beschuldigten entsteht862, darf die Untersuchungshaft nur in streng begrenzten Ausnahmefällen angeordnet werden863. a) Voraussetzungen der Untersuchungshaft Grundvoraussetzung der Untersuchungshaft ist das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts (§ 112 I 1 StPO). Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist864. Dem Grade nach ist dieser Verdacht stärker als der hinreichende im Sinne des § 203 StPO865. Da die Verhängung der Untersuchungshaft jedoch unter Umständen schon in einem sehr frühen Stadium des Strafverfahrens in Betracht kommt und sich zu diesem Zeitpunkt der spätere Verfahrensablauf noch nicht verlässlich abschätzen lässt, kann bei § 112 I 1 StPO, anders als bei dem hinreichenden Tatverdacht, nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung abgestellt werden. Es muss vielmehr genügen, dass aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Verfolgte sich schuldig gemacht hat866. Weitere Voraussetzung ist, abgesehen von dem Fall des § 112 III StPO867, das Vorliegen eines Haftgrundes. Haftgründe in diesem Sinne sind die Flucht oder Fluchtgefahr, die Verdunklungsgefahr sowie die Wiederholungsgefahr. Der Haftgrund der Flucht besteht gemäß § 112 II Nr. 1 StPO, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich 860 861 862 863 864 865 866 867

BVerfGE 19, 342, 348; 20, 45, 49. BVerfGE 32, 87, 93. Vergleiche hierzu Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 1 ff. Meyer-Goßner Vor § 112 Rdn. 2. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 5. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 6. BGH bei Pfeiffer NStZ 1981, 93, 94; Beulke Rdn. 210. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 4.

A. Das Ermittlungsverfahren

157

verborgen hält. Eine präzise Abgrenzung der beiden Begriffe ist schwierig, aber auch entbehrlich, zumal ein Beschuldigter zugleich flüchtig sein und sich verborgen halten kann868. In beiden Alternativen wird, wie der Zusammenhang mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr in § 112 II Nr. 2 StPO ergibt, der Wille des Beschuldigten vorausgesetzt, sich dem eingeleiteten oder zu erwartenden Strafverfahren auf Dauer oder für längere Zeit zu entziehen869. Flüchtig ist der Beschuldigte, wenn er sich von seinem bisherigen räumlichen Lebensmittelpunkt absetzt, um für Ermittlungsbehörden und Gerichte in dem gegen ihn geführten Verfahren unerreichbar zu sein und ihrem Zugriff zu entgehen870. Verborgen hält sich der Beschuldigte, wenn er, um sich dem Strafverfahren zu entziehen, seinen Aufenthalt vor den Behörden verschleiert, sich also nicht oder unter falschem Namen angemeldet hat, an einem unbekannten Ort lebt oder in anderer Weise bewirkt, dass er unauffindbar ist871. Der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 II Nr. 2 StPO)872 besteht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen, als für die Erwartung er werde am Verfahren teilnehmen873. Der Beschuldigte entzieht sich dem Verfahren durch ein Verhalten, das darauf angelegt ist, durch körperliche oder „geistige“874 Abwesenheit den Fortgang der Untersuchung oder die zu erwartende Strafvollstreckung dauernd oder für eine gewisse Zeit zu verhindern875. Die Beurteilung der Fluchtgefahr erfordert die Berücksichtigung aller Umstände des Falls, insbesondere die Art der dem Beschuldigten vorgewordenen Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Lebensverhältnisse, seines Vorlebens und seines Verhaltens vor und nach der Tat876. § 113 StPO normiert eine Einschränkung der Untersuchungshaft bei Straftaten mit geringer Strafandrohung. Die Anordnung einer Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr ist demnach bei Taten, die nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bedroht sind, nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 113 II Nr. 1 – 3 StPO möglich. Während die Haftgründe der Flucht und der Fluchtgefahr die Anwesenheit des Beschuldigten im Strafverfahren sicherstellen sollen, hat der Haftgrund der Ver868

Meyer-Goßner § 112 Rdn. 12. OLG Bremen StV 1997, 533 f.; Graf in KK § 112 Rdn. 10. 870 OLG Düsseldorf NJW 1986, 2204, 2205; Graf in KK § 112 Rdn. 11. 871 OLG Saarbrücken StV 2000, 208, 209; OLG Stuttgart NStZ 1998, 427, 427; Graf in KK § 112 Rdn. 13. 872 In der Rechtspraxis der Untersuchungshaft hat der Haftgrund der Fluchtgefahr die größte Bedeutung. Rund 90 % aller Haftbefehle werden auf § 112 II Nr. 2 StPO gegründet (Schlothauer/Weider Rdn. 498 m.w.N.). 873 Meyer-Goßner § 112 Rdn. 17. 874 Vergleiche zu der Frage der Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit als Sonderfall der Fluchtgefahr Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 66. 875 BGHSt 23, 380, 384. 876 OLG Köln StV 1995, 475 f.; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 19. 869

158

Kap. 3: Der Strafprozess

dunklungsgefahr (§ 112 II Nr. 3 StPO) die Funktion, zu verhindern, dass der Beschuldigte durch unlauteres Einwirken auf sachliche und persönliche Beweismittel die Feststellung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts beeinträchtigt877. Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr besteht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde eine der in § 112 II Nr. 3 a-c StPO umschriebenen, auf Beweisvereitelung abzielenden, Handlungen vornehmen, und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde878. Der dringende Verdacht muss sich hierbei aufgrund bestimmter Tatsachen aus dem Verhalten des Beschuldigten oder seinen Lebensumständen usw. ergeben879. Gemäß § 113 I StPO stellt die Verdunklungsgefahr in den dort genannten Fällen der Kleinkriminalität keinen Haftgrund dar. Besteht ein dringender Tatverdacht bezüglich bestimmter Straftaten der Schwerkriminalität lässt § 112 III StPO die Anordnung der Untersuchungshaft darüber hinaus auch zu, wenn kein Haftgrund nach § 112 II StPO vorliegt. Aufgrund des offensichtlichen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der es verbietet, gegen einen Tatverdächtigen, bei dem weder Flucht- noch Verdunklungsnoch Wiederholungsgefahr besteht, nur wegen der Schwere der Tat einen Haftbefehl zu erlassen, bedarf es nach Ansicht des BverfG einer verfassungskonformen Auslegung des § 112 III StPO880. Der Erlass eines Haftbefehls ist danach nur zulässig, wenn Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Ausreichend kann hierfür schon die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende, Fluchtoder Verdunklungsgefahr sein oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde881. § 112 a StPO erlaubt ferner die vorbeugende Maßnahme der Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten besonders gefährlicher Täter882. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr setzt hierbei zunächst eine Anlasstat voraus. Als Anlasstaten kommen entweder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Betracht, so wie sie im Katalog des § 112 a I Nr. 1 StPO aufgezählt werden, oder es muss sich um Straftaten aus dem Katalog des § 112 a I Nr. 2 StPO handeln. Der Unterschied zwischen den beiden Straftatkatalogen besteht darin, dass bei § 112 a I Nr. 1 StPO allein der dringende Verdacht einer solchen Tat ausreicht, während sich der dringende Verdacht bei den Taten nach § 112 a I Nr. 2 877 OLG Hamm wistra 2004, 358 f.; OLG Karlsruhe StV 2001, 118, 119; OLG Köln StV 1997, 27 f.; Graf in KK § 112 Rdn. 25. 878 OLG Karlsruhe StV 2001, 118, 119; OLG Köln StV 1997, 27, 27. 879 OLG Frankfurt StV 2000, 151, 152; OLG München NJW 1996, 941 f.; OLG Düsseldorf StV 1997, 534 f.. 880 Meyer-Goßner § 112 Rdn. 37. 881 BVerfGE 19, 342, 350; BVerfG NJW 1966, 772; zur Auslegung dieser zusätzlichen Anforderungen Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 88. 882 Meyer-Goßner § 112 a Rdn. 1.

A. Das Ermittlungsverfahren

159

StPO auch darauf beziehen muss, dass sie zum einen wiederholt oder fortgesetzt begangen wurden und zum anderen durch sie eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung eingetreten ist883. Neben dem dringenden Tatverdacht bezüglich dieser Anlasstaten bedarf es der auf bestimmte Tatsachen gestützten Wiederholungsgefahr. Der Begriff der Wiederholungsgefahr ist in § 112 a I StPO als Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten gleicher Art oder Fortsetzung der Straftat definiert. Erheblich in diesem Sinne sind Taten, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität angehören884. Um gleichartige Taten handelt es sich, wenn das bisherige und das künftig zu befürchtende Verhalten des Täters im Erscheinungsbild übereinstimmen885. Die Sicherungshaft muss gemäß § 112 a I StPO erforderlich sein und ist im Verhältnis zu den Haftgründen des § 112 StPO subsidiär (§ 112 a II StPO). Gemäß § 112 I 2 StPO darf Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht. Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist Ausfluss aus Art. 6 II EMRK. Danach darf dem als unschuldig geltenden Beschuldigten das Sonderopfer der Untersuchungshaft zum Zweck der Prozesssicherung nur abverlangt werden, sofern und solange die Bedeutung der Sache die zu erwartende Sanktion im Vergleich zu der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit eindeutig überwiegt886. Der Erlass des Haftbefehls ist gemäß § 114 I StPO dem Richter vorbehalten. b) Der Haftgrund der Fluchtgefahr im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Im Bereich des Spitzensports messen sich regelmäßig Sportler aus verschiedenen Ländern im Wettkampf miteinander. Einige Sportveranstaltungen, wie beispielshalber die WTA887 Tour im Tennis, sind in Form einer Tour organisiert, in deren Rahmen es regelmäßige Wettkämpfe an zumeist gleichen Orten in verschiedenen Ländern gibt. Andere Sportveranstaltungen werden einmalig oder zyklisch (z. B. Welt- oder Kontinentalmeisterschaften sowie die Olympischen Spiele) an wechselnden Orten ausgetragen. Gemeinsam ist diesen Arten der Wettkämpfe, dass sich Athleten aus der ganzen Welt für einen bestimmten Zeitraum an einem Ort zusammenfinden, um anschließend das Land wieder zu verlassen und sich entweder zu ihrem Heimatort, zum nächsten Turnierort oder zu einem Ort begeben, an dem sie ihr Training fortsetzen.

883 884 885 886 887

Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 91. Meyer-Goßner § 112 a Rdn. 12. Meyer-Goßner § 112 a Rdn. 13. Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 215. Women’s Tennis Association.

160

Kap. 3: Der Strafprozess

Entsteht bei einem der teilnehmenden ausländischen Athleten, Trainer oder Betreuer im Rahmen einer solchen Veranstaltung auf deutschem Boden ein dringender Tatverdacht bezüglich einer Straftat im Sinne der §§ 6 a, 95 AMG, liegt es nahe, den Haftgrund der Fluchtgefahr pauschal zu bejahen888. Eine derartige Verallgemeinerung aufgrund der Ausländereigenschaft des Athleten und eine daran anknüpfende Vermutung, er werde sich dem Verfahren entziehen, gehört zwar auch in der Praxis zu den Stereotypen mit denen die Fluchtgefahr begründet wird889, ist letztlich jedoch abzulehnen890.Vielmehr muss eine differenzierende Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls vorgenommen werden. Hierfür spricht bereits die Gesetzesänderung des § 112 StPO durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts aus dem Jahr 1950891. Galt zuvor gemäß § 112 II Nr. 3 StPO a.F., dass der Verdacht der Flucht keiner weiteren Begründung bedarf, wenn der Angeschuldigte Ausländer ist und begründeter Zweifel besteht, dass er sich auf Ladung vor Gericht stellen und dem Urteil Folge leisten werde, wurde diese Präsumtion durch das Gesetz aus der StPO getilgt892. Bei der Prüfung der Frage, ob Fluchtgefahr zu bejahen ist, müssen alle objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden. Nicht nur die Umstände der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat spielen hierbei eine Rolle, sondern auch die Person des Täters, seine Lebensverhältnisse, sein Verhalten vor und nach der Tat, sein Vorleben sowie die sich hieraus ergebenden Fakten, die für die Prognoseentscheidung „Fluchtgefahr“ von positiver und negativer Bedeutung sind893. Bei der hier in Frage stehenden Fluchtgefahr ausländischer Sportler, Betreuer oder Trainer kommt im Wesentlichen vier Aspekten entscheidende Bedeutung zu. Zunächst bedarf es der Berücksichtigung der drohenden Strafe. Des Weiteren ist zu unterscheiden, ob sich der Ausländer bei der Haftentscheidung noch im Inland befindet oder bereits ausgereist ist und zu beachten, wie er sich an seinem jeweiligen Aufenthaltsort bezüglich des drohenden Strafverfahrens verhält. Ferner ist zwischen Ausländern, die aus einem Mitgliedsstaat der europäischen Union kommen und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, zu differenzieren. Zuletzt gilt es noch den Stellenwert des Sports im Leben des jeweiligen Ausländers zu beachten. Nur unter kumulativer Berücksichtigung dieser vier Aspekte in jedem Einzelfall kann eine rechtsfehlerfreie Haftentscheidung erfolgen.

888 889 890 891 892 893

So Krähe SpuRt 2006, 194, 194. Schlothauer/Weider Rdn. 530; Dahs/Riedel StV 2003, 416, 416. OLG Dresden StV 2005, 224, 224 f. BGBl. 1950, 455, 483 ff. Dahs/Riedel StV 2003, 416, 416; Gercke StV 2004, 675, 675. Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 158.

A. Das Ermittlungsverfahren

161

aa) Straferwartung Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist unter anderem der Erfahrungssatz zu beachten, dass ein Beschuldigter umso eher versucht, sich dem Strafverfahren zu entziehen, je höher die Strafe ist, die ihm bevor steht894. Die Straferwartung allein vermag die Fluchtgefahr jedoch im Allgemeinen noch nicht zu begründen895. Sie ist lediglich Ausgangspunkt für die Erwägung, ob der in ihr liegende Anreiz zur Flucht auch unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass die Annahme gerechtfertigt ist, der Beschuldigte werde ihm wahrscheinlich nachgeben und flüchtig werden896. Die Anforderungen an die zusätzlichen Umstände sind hierbei umso geringer, je höher die Straferwartung ausfällt897. Wenn mit der Verhängung einer besonders hohen Strafe zu rechnen ist, kann daraus bereits alleine die Fluchtgefahr hergeleitet werden. In diesem Fall bedarf es nicht der Feststellung zusätzlicher Tatsachen, sondern umgekehrt der Prüfung, ob die indizierte Fluchtgefahr ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann898. Für die hier zu erörternde Frage bedeutet dies, dass bei ausländischen Athleten, Trainern oder Betreuern die Annahme der Fluchtgefahr aufgrund eines dringend Tatverdachts einer Dopingstraftat im Sinne der §§ 6 a, 95 AMG nur in den seltensten Fällen alleine aufgrund der Straferwartung bejaht werden kann. Lediglich bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts eines besonders schweren Falles im Sinne der § 6 a I i.V.m. § 95 III Nr. 2 AMG, bei dem aufgrund weiterer Tatsachen – beispielshalber etwaiger einschlägiger Vorstrafen – eine besonders hohe Freiheitsstrafe konkret zu erwarten ist, käme dies in Betracht. Ist eine besonders hohe Freiheitsstrafe in diesem Sinne in Ermangelung weiterer Tatsachen nicht zu erwarten, liegt also lediglich der Verdacht eines „normalen“ besonders schweren Falles vor, so wird die Fluchtgefahr aufgrund der Straferwartung in Kombination mit der Ausländereigenschaft des Beschuldigten und der damit einhergehenden Auslandsverbindungen, Fremdsprachenkenntnisse etc.899 regelmäßig im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch zu bejahen sein. In den übrigen Fällen ist die Straferwartung lediglich als Fluchtanreiz in die Prognoseentscheidung bezüglich der Fluchtgefahr mit einzubeziehen.

894

KG NJW 1965, 1390; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 22. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 24. 896 KG NJW 1965, 1390; OLG Bremen StV 1995, 85, 85; KG StV 1998, 207; OLG Hamburg StV 2002, 490, 491, m. Anm. Meyer 491. 897 OLG Karlsruhe NJW 1978, 333. 898 OLG Karlsruhe NJW 1978, 333; OLG Düsseldorf StV 1982, 585, 585; Graf in KK § 112 Rdn. 19; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 25; a.A. Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 64. 899 Graf in KK § 112 Rdn. 22. 895

162

Kap. 3: Der Strafprozess

bb) Aufenthaltsort des Ausländers zum Zeitpunkt der Haftentscheidung Nimmt ein ausländischer Athlet an einem Wettkampf in Deutschland teil, so verbleibt er mitsamt seinem Trainer und seinen Betreuern in der Regel nur für den Zeitraum des Wettkampfs im Inland und reist anschließend wieder aus. Entsteht gegen eine dieser Personen ein dringender Tatverdacht ist für die Beurteilung des Haftgrundes der Fluchtgefahr essentiell, ob sich der jeweilige Beschuldigte zum Zeitpunkt der Haftentscheidung noch im Inland befindet oder ob er bereits wieder ausgereist ist. Befindet sich der Athlet, Trainer oder Betreuer zum Zeitpunkt der Haftentscheidung noch in Deutschland, so wird der Haftgrund der Fluchtgefahr zumindest bei schwerwiegenden Tatvorwürfen regelmäßig zu bejahen sein900. Zwar begründet der Umstand, dass jemand seinen Wohnsitz im Ausland hat, für sich alleine noch keine Fluchtgefahr901, da ein Ausländer jedoch regelmäßig über gute Auslandskontakte902 und dortiges Vermögen903 verfügt, gute Fremdsprachenkenntnisse besitzt904 und nur selten über feste familiäre oder sonstige Bindungen im Inland verfügt905, entsteht leicht ein Indizienbündel, aufgrund dessen man bei Hinzutreten eines schweren Tatvorwurfs und des damit einhergehenden zusätzlichen Fluchtanreizes die Fluchtgefahr nur selten ausschließen kann. Wesentlich differenzierter ist hingegen die Situation zu beurteilen, wenn der Ausländer bereits wieder ausgereist ist. Begibt sich der beschuldigte Ausländer ins Ausland, weil er auf diese Weise dem Verfahren entgehen will, so entzieht er sich durch Flucht (§ 112 II Nr. 1 StPO)906. Dies ist gegeben, wenn sich der Beschuldigte von seinem bisherigen räumlichen Lebensmittelpunkt absetzt, um für die Strafverfolgungsbehörden und das Strafgericht im gegen ihn anhängigen Verfahren unerreichbar zu sein907. Eine derartige Konstellation wird bei den hier in Frage stehenden Fällen jedoch eher selten anzutreffen sein. Der Sportler und seine Entourage werden in der Regel nicht das Land verlassen, um sich dem drohenden Strafverfahren zu entziehen, sondern weil dies bereits zuvor so geplant war und dies zu ihrem Berufsbild gehört. Hat sich der Beschuldigte in diesem Sinne vor der Haftentscheidung ohne Fluchtwillen in das Ausland zurückbegeben, so vermag die Tatsache, dass er sich im 900 901

25, 25. 902

Gercke StV 2004, 675, 675; Dahs/Riedel StV 2003, 416, 416. OLG Dresden StV 2005, 224, 225; OLG Köln StV 2005, 393, 393; OLG Köln StV 2006,

Graf in KK § 112 Rdn. 22; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 167. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 20; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 167. 904 Graf in KK § 112 Rdn. 22; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 20; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 167. 905 Meyer-Goßner § 112 Rdn. 20. 906 OLG Bremen StV 1997, 533; OLG Saarbrücken StV 2000, 208; Hilger StV 2005, 35, 36. 907 Meyer-Goßner § 112 Rdn. 13. 903

A. Das Ermittlungsverfahren

163

Ausland befindet, alleine regelmäßig nicht den Haftgrund der Fluchtgefahr zu begründen908. Dies kann sich anders verhalten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dort untertaucht oder sich in sonstiger Weise dem Verfahren entziehen will909. Die Fluchtgefahr kann hierbei jedoch nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Beschuldigte keine Anstalten macht, in die Bundesrepublik zurückzukehren910, jedenfalls dann nicht, wenn er einen Verteidiger bestellt hat911. Sie liegt jedoch nahe, wenn der Beschuldigte erklärt, sich dem Strafverfahren in Deutschland nicht stellen zu wollen912. Um den Haftgrund der Fluchtgefahr für Ausländer, die sich bereits wieder im Ausland befinden, zu begründen, bedarf es demgemäß einer genauen Betrachtung deren Verhaltens bei der Ausreise und vor Ort. cc) Staatsangehörigkeit eines Ausländers Auch die Staatsangehörigkeit des beschuldigten Ausländers kann bei der Beurteilung des Haftgrundes der Fluchtgefahr von Bedeutung sein, soweit dieser aus einem der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stammt und dort seinen Wohnsitz hat. Grund hierfür ist die Möglichkeit der Erwirkung eines Europäischen Haftbefehls. Der Europäische Haftbefehl findet seine Grundlagen in dem Rahmenbeschluss vom 13. 06. 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den EU-Mitgliedsstaaten (RbEuHb) und in dem auf dessen Grundlage erlassenen Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG), welches aufgrund erheblicher „Geburtswehen“913 erst zum 2. 08. 2006 in Kraft getreten ist914. Er ist eigentlich kein Haftbefehl, sondern ein auf nationaler Haftgrundlage beruhendes Fahndungsinstrument915. Ziel des Europäischen Haftbefehls ist es, langwierige Auslieferungsverfahren durch eine neue und effiziente Art der Rückführung von Personen zu ersetzen, die entweder einer schweren Straftat verdächtig sind oder bereits für eine 908

36. 909

OLG Karlsruhe StV 1999, 36 f.; Dahs/Riedel StV 2003, 416, 417; Hilger StV 2005, 35,

OLG Köln NStZ 2003, 219, 219; OLG Hamm StV 2005, 35 mit Anmerkung Hilger S. 36 f.; OLG Celle StraFo 2009, 204; Graf in KK § 112 Rdn. 22; Dahs/Riedel StV 2003, S. 416 ff.; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 199. 910 OLG Karlsruhe StV 1999, 36, 37; Graf in KK § 112 Rdn. 22; Dahs/Riedel StV 2003, 416, 416. 911 OLG Hamburg StV 2002, 205. 912 OLG Stuttgart StV 1999, 33, 34; OLG Hamm StV 2005, 35, 35; OLG Karlsruhe StV 2005, 33; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22, 22; Graf in KK § 112 Rdn. 22; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 17 a; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 169; a.A. Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 33 a. 913 Als solche bezeichnet von Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 715. Die sogenannten Geburtswehen resultierten aus einem Urteil des BVerfG vom 19. 07. 2005 (BVerfGE 113, 273 ff.), welches die erste Fassung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes vom 21. 07. 2004 (BGBl. I 2004, 1748) für nichtig erklärt hatte. 914 BGBl. I 2006, 1721. 915 Böhm NJW 2006, 2592, 2593.

164

Kap. 3: Der Strafprozess

schwere Straftat verurteilt wurden und sich ins Ausland abgesetzt haben. Auf diese Weise soll die zwangsweise Überstellung dieser Personen von einem Mitgliedsstaat zu einem anderen zwecks Strafverfolgung oder zwecks Ausführung des Strafvollzugs oder einer Maßregelanordnung gewährleistet werden. Der Europäische Haftbefehl soll somit die Rückführung dieser Personen in einem angemessenen Zeitrahmen ermöglichen, damit sie vor Gericht gestellt werden beziehungsweise ihre Haftstrafe verbüßen können916. Materielle Voraussetzung für einen Europäischen Haftbefehl ist grundsätzlich das Vorliegen der beiderseitigen Strafbarkeit, soweit diese nicht ausnahmsweise entbehrlich ist (§ 81 Nr. 4 IRG, Art. 2 II RBEuHb). Gemäß § 81 Nr. 4 IRG entfällt die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates eine Strafbestimmung verletzt, die mit einer Mindesthöchststrafe von drei Jahren bedroht ist und den in Art. 2 II RbEuHb in Bezug genommenen Deliktgruppen entspricht. Unterfällt die Tat nicht den aufgeführten Deliktgruppen, ist die Auslieferung zur Verfolgung nur zulässig, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Staats mit einer Mindesthöchststrafe von 12 Monaten bedroht ist und zusätzlich das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit erfüllt ist (§ 81 Nr. 1 IRG)917. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung bedeutet dies, dass eine Dopingstraftat die materiellen Voraussetzungen des Europäischen Haftbefehls in zweierlei Hinsicht erfüllen kann. Zunächst kann ein Europäischer Haftbefehl in bestimmten Konstellationen gemäß § 81 Nr. 4 IRG, also ohne Beachtung der beiderseitigen Strafbarkeit, erlassen werden. Die erforderliche Mindesthöchststrafe von drei Jahren wird bereits durch den Grundfall des § 95 I AMG erfüllt. Die zusätzliche Voraussetzung der Erfassung durch die Positivliste des Art. 2 II RbEuHb kann durch verschiedene Tathandlungen des § 6 a AMG erfüllt werden, da diese auch den illegalen Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern beinhaltet und es sich bei vielen der im Anhang des Übereinkommens gegen Doping bzw. im Anhang des AMG aufgeführten Stoffen um Hormone oder andere Wachstumsförderer handelt (so v. a. alle im Anhang zum AMG unter I 1 a, I 1 b sowie II genannten Stoffe). Der Begriff des illegalen Handels wird naheliegend so zu verstehen sein, wie das Handeltreiben im Sinne des § 29 I 1 BtMG und, ebenso wie die dort verwendete Auslegung, nicht von den, an einem ehrbaren Kaufmann orientierten Begriffen des Handelsgewerbes und des Handelsgeschäfts im Sinne des HGB918, abzuleiten sein. Zwar findet sich weder im BtMG noch in sonstigen Vorschriften des Straf- oder Ordnungswidrigkeitsrechts eine Legaldefinition für das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens919, es hat jedoch durch die Rechtsprechung eine hinlängliche Defi916 Offizielle Definition der Europäischen Union (http://ec.europa.eu/justice_home/fsj/ criminal/extradition/wai/fsj_criminal_extradition_de.htm). 917 Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 741. 918 Körner § 29 BtMG Rdn. 219. 919 Malek Kap. II Rdn. 86.

A. Das Ermittlungsverfahren

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nition erfahren. Um eine umfassende Erfassung des Rauschgifthandels zu ermöglichen, die durch Arbeitsteilung, Delegation und Tarnung gekennzeichnet ist und angesichts der sich ständig wandelnden Erscheinungsformen des Handeltreibens auf den illegalen Drogenmärkten der Welt920 entschied sich der BGH in ständiger Rechtsprechung gegen eine abschließende Aufzählung von Handelstätigkeiten und für eine weite Definition. Demnach sind unter Handeltreiben alle eigennützigen Bemühungen zu verstehen, die darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern, selbst wenn es sich nur um eine einmalige oder auch nur vermittelnde Tätigkeit handelt921. Aufgrund der somit umfassenden Erfassung verschiedener Formen des Vertriebsprozesses922 werden hiervon bei entsprechendem Vorsatz auch Fälle des Inverkehrbringens i.S.d. §§ 6 a, 95 AMG und wohl auch des Besitzes nicht geringer Mengen923, der mit seiner an ihn anknüpfenden Vermutung eines möglichen Inverkehrbringens, eine Vorstufe hierzu darstellt924, erfasst und erfüllen somit diese zusätzliche Voraussetzung. In den übrigen Fällen der Dopingmitteldelinquenz kann der Erlass eines Europäischen Haftbefehls unter den Voraussetzungen des § 81 Nr. 1 IRG in Betracht kommen. Die erforderliche Mindesthöchststrafe weist der § 95 I AMG aus. Als zusätzliche Voraussetzung muss hier jedoch die beiderseitige Strafbarkeit gegeben sein. Ob auch in dem zu ersuchenden Staat eine, den §§ 6 a, 95 AMG entsprechende, Strafbarkeit vorliegt, muss folglich für den jeweiligen Einzelfall durch den Richter geprüft werden925. Entsteht in diesem Sinne ein dringender Tatverdacht einer Dopingstraftat gegen Athleten, Trainer oder Betreuer aus einem EU-Mitgliedsstaat, so ist bei der Prüfung der Fluchtgefahr die Möglichkeit der Erlangung eines Europäischen Haftbefehls stets zu beachten. Sobald ein solcher in einem späteren Verfahrensstadium erwirkt werden kann und keine Auslieferungshindernisse entgegenstehen, kann die Fluchtgefahr bei EU-Ausländern regelmäßig nicht mehr alleine auf deren Auslän920

Körner § 29 BtMG Rdn. 221. Vgl. zum Opiumgesetz etwa RG DJZ 1932, 808 und BGHSt 6, 246, zum BtMG 1972 BGHSt 25, 290, 291, auch zum BtMG 1982 ständige Rechtsprechung, aus neuerer Zeit etwa BGH NStZ 2000, 207, 208; mit ausführlichen Nachweisen Körner § 29 Rdn. 221; Diese Definition entspricht darüber hinaus dem Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates der Europäischen Union vom 25. 10. 2004 zur Festlegung der Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (Malek Kap. II Rdn. 86). 922 Körner § 29 BtMG Rdn. 221. 923 Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 29, 239, 240 f.; hierzu Malek Kap. II Rdn. 94) ist unter Handeltreiben schon der Einkauf von Betäubungsmitteln zum Zweck des Weiterverkaufs zu verstehen. Ein beabsichtigter Weiterverkauf wird sich hierbei häufig bereits aus den Umständen ergeben, insbesondere der Menge der gekauften Betäubungsmittel, der Art ihrer Lagerung und der Verpackung (OLG Hamm StraFo 1997, 223, 223). 924 Jahn GA 2007, 579, 583. 925 Siehe zu der Dopinggesetzgebung in anderen Ländern oben unter Kapitel 3 A. I. 2. a) bb). 921

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Kap. 3: Der Strafprozess

dereigenschaft – und die damit einhergehenden Aspekte der Auslandskontakte etc. – gestützt werden926. dd) Stellenwert des Sports Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung der Fluchtgefahr bedarf es nicht nur einer Betrachtung derjenigen Aspekte, die auf eine Flucht hindeutenden, vielmehr sind auch die Aspekte, die gegen eine solche sprechen, zu beachten. Als fluchthemmendeUmstände sind insbesondere die soziale Eingliederung des Beschuldigten927 sowie dessen enge berufliche Bindungen928 anzusehen. Diesen Aspekten ist vor allem bei Spitzensportlern eine besondere Bedeutung beizumessen. Der Grund für die zusätzliche Gewichtung dieser Aspekte ist in dem enormen Stellenwert, den der Spitzensport sowie seine Akteure in der Gesellschaft einnehmen, zu sehen. Spitzensportler sind in der Regel großen Teilen der Gesellschaft bekannt. Sie haben durch den Sport und etwaige Werbeverträge ein überdurchschnittlich hohes Einkommen und durch ihre Bekanntheit viele Vorteile im gesellschaftlichen Leben. Entsteht gegen einen dieser Spitzensportler nunmehr der dringende Tatverdacht einer Dopingstraftat, ist es dementsprechend wesentlich weniger wahrscheinlich, dass er dieses Leben aufgibt, um sich dem Strafverfahren zu entziehen. Darüber hinaus wird es auch einem bekannten Sportler erheblich schwerer fallen, sich ohne großes Aufsehen verborgen zu halten. Gilt es demgemäß für einen Richter über einen Haftbefehl gegen einen Spitzensportler mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr zu entscheiden, so müsste eine besonders hohe Strafe zu erwarten sein und zusätzlich gewichtige Gründe für eine drohende Flucht vorliegen, damit ein solcher bejaht werden kann. c) Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr liegt vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Tatverdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf Beweismittel eingewirkt und dadurch die Feststellung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts beeinträchtigt wird929. Der dringende Einwirkungsverdacht 926

So auch Gercke StV 2004, 675, 678; Graf in KK § 112 Rdn. 22 erkennt zwar an, dass die Ausländereigenschaft bei der Prüfung des Fluchtverdachts eines aus einem EU-Land stammenden Beschuldigten jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn keine Auslieferungshindernisse entgegenstehen. Er betont aber gleichzeitig, dass die bloße Möglichkeit des Erlangens eines Europäischen Haftbefehls es nicht vermag eine bestehende Fluchtgefahr zu beseitigen. 927 OLG Köln StV 2000, 628 f.; Graf in KK § 112 Rdn. 24. 928 OLG Hamm StV 1999, 215, 216; Graf in KK § 112 Rdn. 24; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 21. 929 OLG München NStZ 1996, 403, 404; OLG Köln StV 1997, 27, 27; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 26.

A. Das Ermittlungsverfahren

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muss sich dabei auf die in §§ 112 II Nr. 3 a – c StPO genannten Handlungen beziehen930. Für die Begründung des Einwirkungsverdachts bedarf es bestimmter Tatsachen, die sich aus dem Verhalten, den Beziehungen und den Lebensumständen des Beschuldigten ergeben können931. Der dringende Verdacht der Verdunklung kann aber auch aus Indizien, die sich auf bestimmte Tatsachen gründen, abgeleitet werden932. Allgemeine Erfahrungen kriminalistischer oder anderer Art ersetzen zwar nicht die Feststellung bestimmter Tatsachen, sind aber zu Schlussfolgerungen von den festgestellten Tatsachen auf den dringenden Verdunklungsverdacht mit heranzuziehen933. Derartige auf Tatsachen gründende Indizien werden teilweise in der Lebensführung des Beschuldigten gesehen, wenn diese komplett auf Verheimlichen, Verbergen und Verdunkeln, auf Täuschung, Drohung und Gewalt abgestellt ist934. Des Weiteren werden die Indizien von der Rechtsprechung auch aus früheren Straftaten oder der verfolgten Tat gezogen, wenn diese ihrer Natur nach auf Irreführung und Verschleierung angelegt sind935. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung kann die Berücksichtigung dieser Indizien in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle spielen. Sportler sowie die sie umgebenden Personen sind in besonderer Weise darauf bedacht, dass ihre Handlungen im Verborgenen bleiben936. Hierbei liegt die Motivation der Geheimhaltung nicht nur in der Abschottung vor den Strafverfolgungsorganen, vielmehr müssen die Handlungen auch vor den stets präsenten Dopingkontrolleuren, der Presse und gegebenenfalls vor missgünstigen Konkurrenten oder Teamkollegen verheimlicht werden. Hierin muss folglich eine, über das „normale Maß“ anderer Straftäter hinausgehende, Lebensführung der Verheimlichung gesehen werden. Diese wird als Indiz regelmäßig eine gewichtige Rolle bei der Beurteilung der Verdunklungsgefahr spielen und im Zusammentreffen mit weiteren, die Verdunklungsgefahr bestätigenden Indizien937 zu der Bejahung dieses Haftgrundes führen können. Des Weiteren wird die Dopingdelinquenz – wie bereits mehrfach gezeigt938 – vermehrt im Wege der Organisierten Kriminalität begangen. Diese Begehungsweise 930

Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 76. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 28. 932 Graf in KK § 112 Rdn. 30; Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 43. 933 Graf in KK § 112 Rdn. 30. 934 OLG Köln StV 1999, 37, 38; Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 43; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 30. 935 Graf in KK § 112 Rdn. 31 f.; Holger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 43; Meyer-Goßner § 112 Rdn. 30; Dahs FS Dünnebier 227, 234 ff.; Münchhalffen FS Rieß 347, 354 ff.; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 205. 936 Siehe hierzu ausführlich oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). 937 Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 43. 938 So oben unter Kapitel 3 A. I. 1. d) ee). 931

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Kap. 3: Der Strafprozess

wird von der Rechtsprechung vielfach zu den Bereichen der Delinquenz gezählt, die ihrer Natur nach auf Verschleierung, Verheimlichung und Irreführung angelegt sind939. Ob Verdunklungsgefahr jedoch allein im Hinblick auf die Natur der Straftat940 angenommen werden kann, muss bezweifelt werden, da dies auf eine unzulässige Vermischung von dringendem Tatverdacht und Haftgrund und damit auf einen gesetzeswidrigen Haftgrund der Tatbegehung hinauslaufen würde941. Zuzustimmen ist jedoch der Ansicht, dass im Falle des Vorliegens erheblicher Indizien für eine Verdunklungsgefahr die Deliktsnatur oder die Begehungsart ergänzend herangezogen werden kann942. d) Die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung Das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip hat in § 112 I 2 StPO eine einfachgesetzliche Ausprägung erhalten. Sie hat angesichts der Schwere des durch die Untersuchungshaft bewirkten Rechtseingriffs eine Erinnerungsfunktion, in dem sie verdeutlicht, welche Größen zueinander ins Verhältnis zu setzen sind, nämlich einerseits die Rechtsfolgenerwartung und anderseits die Haft, präziser die durch die Haft bewirkten Freiheits- und Folgeeinbußen. Es ist folglich nicht nur die Straferwartung gegen die zu erwartende Haftdauer aufzurechnen, vielmehr müssen die mit der Haft für den speziellen Beschuldigten drohenden Nachteile in allen seinen Lebensbereichen in das Kalkül einbezogen werden943. Hierzu zählen neben gesundheitlichen und familiären Belastungen auch nachteilige Folgen für seine berufliche und wirtschaftliche Existenz944. Auf die Beachtung der beruflichen und wirtschaftlichen Folgen muss bei Spitzensportlern ein besonderer Fokus gesetzt werden. Der haftbedingte Ausfall von Spitzensportlern kann für sie erhebliche wirtschaftliche Nachteile bedeuten. Beispielhaft soll nur an eine mögliche Inhaftierung eines Leichtathleten zum Zeitpunkt eines hochdotierten Turniers oder gar der Olympischen Spiele gedacht werden. Steht ein Sportler nicht zur Verfügung, bricht mitunter für diesen Zeitraum seine gesamte wirtschaftliche Einnahmequelle zusammen. Darüber hinaus muss bei Spitzensportlern auch bedacht werden, dass sie unter Haftbedingungen nicht in ihrer üblichen Art und Weise trainieren können und demgemäß im Anschluss an eine Inhaftierung einen erheblichen Trainingsrückstand aufweisen werden, der sich wiederum negativ auf ihre sportliche Leistung und somit auf ihre berufliche Laufbahn 939

Vergleiche hierzu Kinzig S. 228; Volk NJW 1996, 879, 882. Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 205. 941 Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 43; Dahs FS Dünnebier 227, 234 ff.; Münchhalffen/Gatzweiler Rdn. 205. 942 Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 43. 943 Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 102. 944 Graf in KK § 112 Rdn. 48; Hilger in Löwe/Rosenberg § 112 Rdn. 57; Meinen in Heghmanns/Scheffler Kap. IV Rdn. 102. 940

A. Das Ermittlungsverfahren

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auswirken wird. Bei Spitzensportlern bedeutet eine Inhaftierung somit mitunter einen weitaus erheblicheren Einschnitt in ihre berufliche und wirtschaftliche Existenz als bei anderen Beschuldigten. Die drohenden nachteiligen Folgen in beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht müssen bei ihnen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung somit besonders gewichtet werden.

III. Verfahrenseinstellung im Ermittlungsverfahren Die Einstellung des Verfahrens kann unter Beachtung des Legalitätsprinzips gemäß § 170 II StPO erfolgen, wenn der Sachverhalt keinen Straftatbestand erfüllt, sich kein hinreichender Tatverdacht gegen einen bestimmten Beschuldigten ergeben hat oder weil Verfahrenshindernisse vorliegen beziehungsweise Verfahrensvoraussetzungen fehlen945. Wird der hinreichende Tatverdacht hingegen bejaht, so ist im Regelfall die Erhebung der öffentlichen Klage zwingend geboten. Die Staatsanwaltschaft kann jedoch von den ihr aus Opportunitätsgründen gewährten Einstellungsmöglichkeiten gemäß der §§ 153 ff. StPO Gebrauch machen946. Wie bereits eingangs in der durchgeführten Untersuchung gezeigt947, und auch in anderen Untersuchungen festgestellt948, werden Strafverfahren mit Dopinghintergrund häufig bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt. Die Verfahren werden hierbei sowohl gemäß § 170 II StPO mangels Nachweises oder wegen unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten, als auch aus Opportunitätsgründen eingestellt949. Hierbei sind weder dopingspezifische Auffälligkeiten bei der Einstellungspraxis zu erkennen, noch werfen Taten gemäß §§ 6 a, 95 AMG spezielle Probleme oder Besonderheiten bei der Anwendung der §§ 153 ff., 170 II StPO auf. Einzig das öffentliche Interesse im Sinne des § 153 StPO – bzw. des § 153 a StPO950 – bedarf im Kontext der strafrechtlichen Dopingverfolgung einer näheren Betrachtung. Gemäß § 153 I StPO kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren, das ein Vergehen zum Gegenstand hat, einstellen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Da es sich bei Dopingstraftaten gemäß §§ 6 a, 95 I AMG um Vergehen im Sinne des § 12 II StGB handelt, kommt eine solche Einstellung bei ihnen in Betracht. Auch besonders schwerere Fälle der Dopingdelinquenz gemäß §§ 6 a I, 95 III Nr. 2 AMG können wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, da besonders schwere Fälle bei der 945

Beulke Rdn. 320. Beulke Rdn. 320. 947 Siehe hierzu oben unter Kapitel 2. 948 Körner in KR 2003, 49, 50. 949 Jahn SpuRt 2005, 141, 143; ders. in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 40; Körner KR 2003, 49, 50. 950 Auf die Voraussetzungen des § 153 a StPO soll hier nicht näher eingegangen werden. Die getroffenen Aussagen bezüglich des öffentlichen Interesses gelten entsprechend. 946

170

Kap. 3: Der Strafprozess

Einteilung von Verbrechen und Vergehen außer Betracht bleiben (§ 12 III StGB). Ist somit im Einzelfall die Schuld des Täters einer derartigen Tat als gering anzusehen, so kann das Verfahren eingestellt werden, wenn kein öffentliches Interesse an seiner Bestrafung oder, sofern ein Absehen von Strafe in Betracht kommt, an dem Schuldspruch besteht951. Eine exakte Umgrenzung dessen, was unter dem öffentlichen Interesse im Sinne des § 153 StPO zu verstehen ist, erscheint schwierig952. Aufgrund der Gesetzeskonzeption ist das Merkmal nicht so zu verstehen, wie in § 376 StPO (in Verbindung mit Nr. 86 II RiStBV)953. Es ist vielmehr nach wohl vorherrschende Ansicht an den Sanktionszwecken zu orientieren954 und kann sich somit sowohl aus spezialpräventiven, als auch aus generalpräventiven Gründen ergeben955. Generalpräventive Gesichtspunkte begründen ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung insbesondere dann, wenn wegen der Art der Tatausführung, etwa bei außergewöhnlichen Tatfolgen, wegen der Häufigkeit gleichartiger Delikte oder aus anderen Gründen das reaktionslose Hinnehmen der Tat die Rechtstreue der Bevölkerung erschüttern würde956. Entscheidend ist, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Verbindlichkeit des Rechts beeinträchtigt werden könnte, wenn gerade dieser konkrete Fall nicht verfolgt werden würde957. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung spielt das öffentliche Interesse und die damit einhergehende Frage, wann ein Verfahren trotz geringer Schuld durchgeführt werden muss, eine besondere Rolle, wenn Dopingdelikte von bekannten Sportlern oder Trainern verübt werden und die Taten durch verstärkte Berichterstattung in der Presse eine besondere öffentliche Präsenz erlangen. Um zu beantworten, ob in derartigen Konstellationen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 153 StPO vorliegt, ist zunächst zwischen der öffentlichen Stellung, die bekannte Sportler oder Trainer generell innehaben, und der Präsenz, welche die jeweilige Tat in der Öffentlichkeit erlangt, zu differenzieren. Es ist davon auszugehen, dass die prominente Stellung des Beschuldigten alleine nicht zur Bejahung des öffentlichen Interesses führen darf958, da die Durchführung eines Strafverfahrens gegen einen Bürger, nur weil dieser prominent ist, weder eine 951 Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 28 stellt klar, dass der Gesetzeswortlaut, der besagt, dass kein öffentliches Interesse an der „Strafverfolgung“ besteht, dahingehend auszulegen ist, dass die Strafverfolgung als solche keinen die Verfahrensfortführung rechtfertigenden Selbstzweck darstellt. 952 Kritisch zu den einzelnen Ansätzen einer Grenzziehung Meyer GA 1997, 404, 410 ff. 953 Schoreit in KK § 153 Rdn. 21; Meyer GA 1997, 404, 411 ff. 954 Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 28; ders. Rdn. 334. 955 Schoreit in KK § 153 Rdn. 22; Meyer-Goßner § 153 Rdn. 7; diese Ansicht kritisch betrachtend Meyer GA 1997, 404, 413 ff. 956 Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 31. 957 Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 31. 958 Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 33; ders./Fahl NStZ 2001, 426, 429.

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

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zusätzliche spezial- noch generalpräventive Wirkung entfaltet. Darüber hinaus darf einem prominenten Beschuldigten die Möglichkeit einer Einstellung nach § 153 StPO nicht generell vorgehalten werden959. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die Tat aufgrund der öffentlichen Stellung des Beschuldigten in der Folge, aufgrund einer intensiven Berichterstattung durch die Presse, ein starkes Interesse in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat. Dieses Interesse der Öffentlichkeit an der Straftat führt zwar nicht automatisch zur Bejahung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 153 StPO960, es kann jedoch bereits als Indiz hierfür gewertet werden961. Generalpräventive Gründe können es in derartigen Konstellationen erforderlich werden lassen, das Strafverfahren nicht einzustellen. Positive Generalprävention soll zu einer Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung führen962. Eine Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen bei Aufsehen erregenden Fällen kann dem zuwiderlaufen. Wenn demgemäß die Gesamtumstände ergeben, dass berechtigte generalpräventive Umstände eine Rolle spielen, muss bei derartigen Taten das öffentliche Interesse bejaht werden963.

B. Konsequenz der Beweisschwierigkeiten: Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung im Rahmen der strafrechtlichen Dopingverfolgung Wie nunmehr hinlänglich beschrieben, treten im Rahmen der strafrechtlichen Dopingverfolgung mitunter erhebliche Beweisschwierigkeiten auf. Dass Beweisprobleme von dem Gesetzgeber, aufgrund der Erfahrungen mit ähnlich strukturierten Deliktsbereichen964, bereits antizipiert wurden, zeigt sich in der beweisgeeigneten Gestaltung der eingeführten Tatbestände.

959

Beulke/Fahl NStZ 2001, 426, 429. Schoreit in KK § 153 Rdn. 26; Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 33; ders./Fahl NStZ 2001, 426, 429. 961 Schoreit in KK § 153 Rdn. 26. 962 Kaiser S. 80. 963 Beulke in Löwe/Rosenberg § 153 Rdn. 33; ders./Fahl NStZ 2001, 426, 429. 964 Die Tatbestände der strafrechtlichen Dopingverfolgung wurden erst relativ spät erlassen (das Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes trat zum 11. 09. 1998 in Kraft, das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport zum 24. 10. 2007), wodurch bereits auf Erkenntnisse aus der strukturell ähnlichen Drogenbekämpfung zurückgegriffen werden konnte (das BtMG wurde zum 29. 07. 1981 ausgefertigt). 960

172

Kap. 3: Der Strafprozess

I. Grundzüge des Verhältnisses des materiellen Strafrechts zu dem Strafprozessrecht In dem Lehrbuch „Strafrecht AT“ von Baumann, Weber und Mitsch heißt es, das Strafprozessrecht sei Rechtsdurchsetzungsrecht965. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, jedoch simplifiziert dieser Satz das Verhältnis des materiellen Strafrechts zu dem Strafprozessrecht in einem zu hohen Maße. Aus dem zitierten Satz könnte man bei unreflektierter Betrachtung darauf schließen, dass es sich bei dem Strafprozessrecht lediglich um eine Art „Diener“ des materiellen Rechts handelt, dass es die einzige Aufgabe des Strafprozessrechts sei, der Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen. Ein hierdurch impliziertes Verhältnis der „Stärke“ und „Schwäche“ kann jedoch rechtsfaktisch nicht vorgefunden werden. Rein formal findet – im Gegensatz zu früheren Strafgesetzen966, anders als in anderen Ländern und von der Literatur nicht unkritisch gesehen967 – eine Trennung der beiden Rechtsgebiete statt. Das materielle Strafrecht findet seine Reglungen in dem Strafgesetzbuch und den strafrechtlichen Nebengesetzen, das Strafprozessrecht ist maßgeblich in der Strafprozessordnung, dem Gerichtsverfassungsgesetz, dem Jugendgerichtsgesetz und den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren niedergelegt. Inhaltlich kann jedoch nicht von einer vollständigen Isolation der beiden ausgegangen werden. Schon aufgrund der engen Verbindung in der Anwendung dieser beiden Rechtsgebiete wäre es nahezu naiv anzunehmen, dass sie sich nicht beeinflussen. Der Einfluss geht hierbei jedoch nicht nur in eine Richtung, es finden sich vielmehr sehr fruchtbare gegenseitige Beeinflussungsmöglichkeiten. 1. Maßgeblicher Einfluss des Prozessrechts: Die Beweiserleichterung Um einen Einfluss des Prozessrechts auf das materielle Recht erkennen zu können, muss man sich zunächst die wesentlichen Ziele des Strafprozessrechts vor Augen führen. Eine der Hauptaufgaben des Strafverfahrens ist die Feststellung und die Durchsetzung eines im Einzelfall entstandenen legitimen staatlichen Strafanspruchs968. Um einen staatlichen Strafanspruch feststellen zu können, müssen sämtliche Voraussetzungen des materiellen Straftatbestandes im Prozess bewiesen werden, wobei sich die Beweisführung maßgeblich nach den Regeln der Strafprozessordnung richtet. Hierbei ist besonders im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Frage der Schuld und der Rechtsfolgen, durch den Numerus clausus der Beweismittel des Strengbeweises, ein strikter Rahmen für die Beweisführung vorgegeben.

965

Baumann/Weber/Mitsch AT § 4 Rdn. 2. So die Constitutio Criminalis Carolina (1532) und das Preußische Landrecht (1620 sowie 1721). 967 Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg Einl. M, Rdn. 29. 968 Beulke Rdn. 3. 966

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

173

Um Beweisschwierigkeiten bei bestimmten Tatbeständen entgegenzutreten, wäre es demnach der auf den ersten Blick naheliegendste Weg, die schon bestehende Armada, der in der StPO kodifizierten Beweismöglichkeiten – dann wahrscheinlich unter weiterer Beschneidung der Grundrechte des Beschuldigten – einfach zu erweitern. Dass dies jedoch nicht die einzige gangbare Möglichkeit ist, kann anhand einiger Beispiele der Rechtssetzung verdeutlicht werden. Hierbei zeigt sich, dass ebenso die Möglichkeit besteht, die materiellrechtliche Norm derart zu verändern, dass sie mit den vorhandenen prozessualen Beweismitteln besser nachzuweisen ist. Eine solche tatbestandliche Veränderung mit dem Beweggrund der prozessualen Beweiserleichterung – zum Teil auch unter dem Schlagwort der Praktikabilität erfasst969 – konnte in der älteren und jüngeren Rechtsgeschichte bereits des Öfteren beobachtet werden. Als prominente Beispiele sind insoweit die Einführung des Subventionsbetrugs § 264 StGB, die mehrfache Änderung des § 326 I Nr. 4 StGB sowie generell die Ersetzung von Verletzungs- durch Gefährdungsdelikte zu nennen970. Dass die Gesetzesänderungen aufgrund einer besseren Beweisbarkeit erfolgt sind, ist nicht nur evident, es kann auch teilweise den Gesetzgebungsmaterialien entnommen werden971. In diesem Vorgehen zeigt sich, dass auch das Strafprozessrecht Einfluss auf das materielle Recht hat, dass es sich demnach nicht um eine vorgefestigte Rollenverteilung der „Stärke“ und „Schwäche“ handelt. 2. Übersicht über die Möglichkeiten der Beweiserleichterung im materiellen Strafrecht Ein maßgeblicher Einfluss des Strafprozessrechts auf das materielle Strafrecht ist demnach in der beweisgeeigneten Gestaltung der Normen des materiellen Rechts zu finden. Die Tatbestände des StGB beziehungsweise der strafrechtlichen Nebengesetze werden hierbei so gestaltet oder verändert, dass sie eine größere Beweiseignung aufweisen. Zur Erreichung dieses Ziels gibt es nicht einen universellen Weg, sondern es gibt verschiedene Ansatzpunkte der Tatbestandsveränderung, die die Beweisführung erleichtern sollen. Die zur Erreichung dieses Ziels gängigsten Methoden sind die Veränderung des dem Delikt zugrundeliegenden Rechtsguts, die Vorverlagerung des Rechtsgutsangriffs, die Ausweitung der objektiven Angriffsmöglichkeiten auf das geschützte Rechtsgut, die Verringerung der Tatbestandsanforderungen in subjektiver Hinsicht und die Verringerung des Erfordernisses des vollen Beweises.

969

Peters Strafprozess § 2 VI. Ausführlich zu Beispielen für eine beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung: Weigend FS Triffterer S. 695 ff.. 971 Siehe zum Abfallstrafrecht BT-Drucks 7/2593 S. 10; zum Subventionsbetrug BTDrucks 7/3441 S. 15; zum erweiterten Verfall BT-Drucks 12/989 S. 23. 970

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Kap. 3: Der Strafprozess

a) Veränderung des dem Delikt zugrundeliegenden Rechtsguts Um einen beweisgeeigneteren Norminhalt erlangen zu können, kam es in der Vergangenheit zu der Veränderung oder gar Neuschaffung schützenswerter Rechtsgüter. Das zu schützende Rechtsgut wurde in solchen Fällen weitestmöglich unpräzise gestaltet, sodass an seine Verletzung keine hohen Anforderungen mehr zu stellen sind. Vor diesem Hintergrund konnten zum Schutz dieser Rechtsgüter simpel gestaltete Tatbestände konstruiert werden, deren Beweisbarkeit einfach zu bewerkstelligen ist. Als Beispiel hierfür findet sich das relativ neue Rechtsgut der Volksgesundheit, das im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Drogenhandels eingeführt wurde972. b) Vorverlagerung des Rechtsgutsangriffs („Vorfeldkriminalisierung“) Eine weitere gangbare beweiserleichternde Tatbestandsgestaltung ist die Vorverlagerung des relevanten Rechtsgutsangriffs, die auch als Vorfeldkriminalisierung bezeichnet wird973. Dies ist am ehesten in der Vorverlagerung der Rechtsgutsverletzung auf eine bloße Rechtsgutsgefährdung zu sehen. Bei einer solchen Umwandlung eines Verletzungs- in ein Gefährdungsdelikt, ist aus dem objektiven Tatbestand der Erfolg zu streichen. Eine solche Möglichkeit ist praktikabel für Fälle, in denen gerade der Nachweis des tatbestandlichen Erfolges die Schwierigkeit darstellt. c) Ausweitung objektiver Angriffsmöglichkeiten auf das geschützte Rechtsgut Durch den Wegfall eines objektiven Tatbestandsmerkmals, das bei einem Rechtsgutsangriff die Handlung genauer beschreibt974 oder durch das Hinzufügen weiterer möglicher Tathandlungen die den Angriffsbereich erweitern, kann die Beweisbarkeit zusätzlich erleichtert werden. Durch die dadurch geschaffene Ausweitung der Angriffsmöglichkeiten auf das Rechtsgut, wird ein weites Feld der erfassten Handlungen geschaffen, wodurch der Nachweis einer bestimmten Handlung nicht mehr erforderlich ist. d) Verringerung der Tatbestandsanforderungen in subjektiver Hinsicht Auch in subjektiver Hinsicht kann durch Tatbestandsgestaltung eine Beweiserleichterung geschaffen werden. In der Regel ist der Nachweis subjektiver Tatbestandsmerkmale schwierig, da diese der menschlichen Wahrnehmung nicht zugänglich sind. Aus diesem Grund kann eine leichtere Beweisbarkeit speziell bei 972 973 974

Körner § 29 BtMG Rdn. 236 ff. Hohn S. 29 f. Hohn S. 30 f., 34 ff.

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

175

Delikten mit überschießender Innentendenz durch einen Wegfall dieser zusätzlichen subjektiven Merkmale erzielt werden975. Als Beispiel hierfür kann der Vergleich des § 264 StGB zu § 263 StGB fruchtbar gemacht werden. Bei dem später eingeführten § 264 StGB fehlt es an der Absicht der rechtswidrigen Bereicherung, welche bei § 263 StGB noch erforderlich war. Weiterhin können zusätzliche Merkmale in die gesetzliche Norm aufgenommen werden, die im Nachhinein den Nachweis des subjektiven Tatbestandes erleichtern. e) Verringerung des Erfordernisses des vollen Beweises Anhand des Beispiels des § 73 d StGB kann deutlich gemacht werden, dass eine Beweiserleichterung nicht unbedingt eine Veränderung der Strafbarkeitsvoraussetzungen bedeuten muss, sondern dass schon im Tatbestand geringere Anforderungen an den Beweis gestellt werden können. Eine solche Beweiserleichterung wird aber nicht unkritisch gesehen976 und wurde im Fall des ursprünglichen Hehlereitatbestandes977 bereits für rechtsstaatlich bedenklich erachtet978 und geändert.

II. Gesetzgebung im Bereich strafrechtlicher Dopingverfolgung und der Einfluss beweisgeeigneter Tatbestandsgestaltung darauf Speziell aufgrund der antizipierten Beweisprobleme, vor die Strafverfolgungsorgane im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung gestellt werden, kam es bei der Gesetzgebung zu einem vermehrten Einsatz der Instrumente der beweisgeeigneten Tatbestandsgestaltung. 1. Rechtsgutsgestaltung des § 6 a II a AMG Da der materielle Kern und Bezugspunkt aller rechtlichen Verbote und Gebote irgendwelche zu schützenden Güter oder Werte sind, liegt auch den strafrechtlichen Tatbeständen immer ein Rechtsgut zugrunde979. Demnach kann als gesichert angesehen werden, dass jedem Tatbestand ein zu schützendes Rechtsgut zugrundeliegt, jedoch besteht die größtmögliche Uneinigkeit980 über zwei entscheidende Fragen. Zunächst besteht schon keine Einigkeit, was überhaupt unter einem Rechtsgut zu

975 976 977 978 979 980

Hohn S. 38. Vergleiche hierzu Fischer § 73 d Rdn. 4. § 259 a.F. StGB. BT-Drucks 7/550. Lencker/Eisele in Sch/Sch Vorbem § 13 ff. Rdn. 9; Jahn GA 2007, 579, 579. Ein Überblick hierüber in RoxinAT § 2 Rdn. 103 ff.

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Kap. 3: Der Strafprozess

verstehen ist981. Weiterhin spaltet die Frage, ob der Begriff des Rechtsguts nur als Hilfsmittel der Auslegung dienen kann, oder ob er geeignet ist, dem Gesetzgeber die Grenzen seiner Eingriffsbefugnis vorzuzeichnen, die Gemüter982. Die Frage, was das Rechtsgut genau ist, soll in diesem Zusammenhang dahinstehen können, auf die Frage nach der praktischen Leistungsfähigkeit des Rechtsguts wird in der Folge noch einzugehen sein. Aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 30. Mai 2007983, der mit nur geringfügigen Änderungen am 24. Oktober 2007 als Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport erlassen wurde984, ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung mit diesem Gesetz die Volksgesundheit und die ethisch-moralischen Werte des Sports schützen will. Diese beiden, jedoch vornehmlich nur das Schutzgut der Volksgesundheit, können demnach als die, von dem Gesetz zu schützenden, Rechtsgüter angesehen werden. Dies wirft mehrere Fragen auf. Zunächst stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass es neben den „klassischen“ Schutzgütern wie Leib, Leben und Eigentum weitere Schutzgüter wie die angeführten geben kann, beziehungsweise, ob diese überhaupt schützenswert im Sinne der oben angedeuteten möglichen Grenzen der Eingriffsbefugnisse sind. Weiter wird sich zu fragen sein, warum die Volksgesundheit geschützt werden soll, und nicht die Gesundheit des sich dopenden Sportlers als Schutzgut herangezogen wird. Zuletzt wird auf die beweisgeeignete Wirkung dieser Auswahl einzugehen sein. a) Möglichkeit der Verwendung eines Schutzguts der Volksgesundheit Wenn man die Möglichkeit der Verwendung des Schutzguts der Volksgesundheit beleuchten will, muss man sich zunächst fragen, was strafrechtlich geschützt werden soll und warum. Grundsätzlich ist das Strafrecht zur Ordnung des sozialen Zusammenlebens erforderlich985. Es kann jedoch nicht das Ziel sein, jeden Aspekt des Soziallebens mit strafrechtlichen Mitteln zu regeln. Dementsprechend sind Grenzen zu ziehen, welche Bereiche mit einem solchen besonders starken Schutz zu versehen sind. Da die Rechtsfolge des Strafrechts Strafe ist, die das härteste Übel darstellt, ist es zwar geeignet, die wichtigsten Bereiche des Soziallebens vor Eingriffen abzuschirmen. Gleichzeitig macht es die Härte der Rechtsfolge aber auch erforderlich, das Strafrecht wirklich nur auf die wichtigsten Bereiche des Soziallebens zu beschränken986. Strafrecht wird demnach nur als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes ein981

Roxin AT § 2 Rdn. 2 f. Roxin AT § 2 Rdn. 2, 4. 983 BT-Drucks 16/5526 S. 1. 984 BGBl.I 2007, 2510 ff. 985 Von RoxinAT § 2 Rdn. 7 genauer als „freies und friedliches Zusammenleben unter Gewährleistung aller verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte“ beschrieben. 986 Baumann/Weber/Mitsch AT § 3 Rdn. 10. 982

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

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gesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist987. Somit kommt man zu der extrem umstrittenen Frage, ob es im Rahmen der zu schützenden Rechtsgüter für den Gesetzgeber Grenzen gibt oder ob er jedes Rechtsgut zu einem solchen durch das Strafrecht schützenswerten erklären kann. Einigkeit besteht darüber, dass die Individualrechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum und Vermögen als essentieller Bestandteil der Garantie eines friedlichen, menschlichen Zusammenlebens durch das Strafrecht zu schützende Rechtsgüter darstellen988. Wesentlich problematischer stellt sich die Behandlung von als „Universalrechtsgüter“ bezeichneten Rechtsgütern der Allgemeinheit dar. Deren Existenz ist durchaus erforderlich, da nur mit ihrer Hilfe ein strafrechtlicher Schutz für das friedliche Zusammenleben der Völker in §§ 80 f. StGB, den Bestand des Staates in §§ 81 ff. StGB, die rechtstaatlich-demokratische Ordnung in §§ 84 ff. StGB und für die Staatsgewalten in §§ 105, 113, 153 ff. StGB gewährleistet werden kann989. Dasselbe gilt für überindividuelle Rechtsgüter, etwa den Rechtsverkehr mit Urkunden, der in § 267 StGB gegen Fälschungen geschützt wird, oder für ökologische Güter, deren Schutz das Umweltstrafrecht in §§ 324 ff. StGB bezweckt990. Hierin zeigt sich, dass Rechtsgüter der Allgemeinheit durchaus für ein geordnetes Sozialleben erforderlich sind. Dies kann so jedoch nicht unreflektiert hingenommen werden, vielmehr besteht durch die Existenz dieser Universalrechtsgüter immer die Gefahr deren Missbrauchs. Ein solcher Missbrauch besteht vor allem darin, dass man mit Hilfe vager Allgemeinbegriffe ein Rechtsgut der Allgemeinheit konstruiert, wo die eigentlich zu schützenden Individualgüter nicht in strafwürdiger Weise beeinträchtigt werden991. Genau im Rahmen dieser Problemstellung kommt das hier in Frage stehende Universalrechtsgut der Volksgesundheit in Betracht. Dieses, im Rahmen des Drogenstrafrechts eingeführte Schutzgut, sah sich seit jeher großer Kritik ausgesetzt992. Was genau die Volksgesundheit beschreiben soll, ist in scharfen Grenzen nicht zu erklären. Aber entgegen der, durch den Wortlaut nahegelegten, Gesundheit vieler kommt dem Rechtsgut der Volksgesundheit ein Doppelcharakter zu993. Es soll weiterhin Schäden für die Allgemeinheit umfassen, die sich aus dem verbreiteten Konsum vor allem harter Drogen (als ursprüngliche Begründung, jedoch gedanklich auf das hier in Frage stehende Doping umsetzbar) und den daraus herrührenden

987 988 989 990 991 992 993

BVerfGE 16, 194, 201 f.; 27, 211, 219; BVerfG NJW 2004, 3697 f. Roxin AT § 2 Rdn. 9; Baumann/Weber/MitschAT § 3 Rdn. 12. Baumann/Weber/Mitsch AT § 3 Rdn. 13. Baumann/Weber/Mitsch AT § 3 Rdn. 13. Roxin AT § 2 Rdn. 10. Übersicht hierzu in Körner § 29 Rdn. 236, 238. Nestler in Kreuzer § 11 Rdn. 30.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Gesundheitsbeeinträchtigungen der Einzelnen ergeben994. Das Rechtsgut ist absichtlich sehr vage und großflächig995 formuliert, da schon im Bereich des Betäubungsmittelrechts, wie auch im Bereich strafrechtlicher Dopingverfolgung, eine Auseinandersetzung mit dem Prinzip der Straflosigkeit der Selbstverletzung umgangen werden sollte. Aus den genannten Gründen bietet das Rechtsgut der Volksgesundheit zu Recht genügend Angriffspunkte, es ist jedoch als Universalrechtsgut anerkannt und bildet als Grundlage für eine Strafbarkeit im Rahmen der strafrechtlichen Dopingbekämpfung ein zumindest mögliches Rechtsgut. b) Vorzug des Schutzguts der Volksgesundheit vor dem der individuellen Gesundheit des einzelnen Sportlers Weiter stellt sich die Frage, wieso hier nicht die Gesundheit des jeweiligen Sportlers als zu schützendes Rechtsgut gewählt wurde, sondern die Volksgesundheit. Der Grund hierfür ist bereits darin zu finden, dass der Schutz der Gesundheit eines einzelnen dopingwilligen Sportlers mit dem Grundgesetz unvereinbar wäre996. Dies resultiert bereits aus der, in Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG verbürgten, allgemeine Handlungsfreiheit. Dieses Grundrecht garantiert dem Einzelnen auch in umfassendem Sinne eine riskante, den eigenen Körper gefährdende Lebensführung997. Dies umfasst auch selbstgefährdende und selbstverletzende Verhaltensweisen, wenn diese von der jeweils handelnden Person in ihrer vollen Tragweite überblickt werden. Aufgabe des Strafrechts ist nur, dass niemand gegen seinen Willen geschädigt wird. Was mit dem Willen des Geschädigten geschieht, ist keine Rechtsgutsverletzung, sondern Bestandteil der Selbstverwirklichung und geht den Staat nichts an998. Somit steht fest, dass die Bestrafung einer selbstgefährdenden Handlung des Sportlers, wie sie das Doping darstellt – abgesehen von Fällen eines Autonomiedefizits – mit den Grundrechten nicht vereinbar ist und demnach nicht erfolgen kann999. Um die strafrechtliche Dopingverfolgung dennoch, um den Aspekt der Besitzstrafbarkeit zu erweitern, bedurfte es demnach eines anderen zu schützenden Rechtsguts. Aus vergleichbaren Reglungen des Dopingstrafrechts wurde das Schutzgut der Volksgesundheit rekrutiert, durch das die Besitzstrafbarkeit zum Schutz aller Sportler pönalisiert werden konnte. Aufgrund des schwer fassbaren Inhalts des Rechtsguts der Volksgesundheit hatte es zur Begründung dieser neuen Strafbarkeit einen erheblichen Vorteil gegenüber dem engen Schutzgut der Gesundheit des jeweils dopenden beziehungsweise besitzenden Sportlers. Durch seine 994 995 996 997 998 999

BGH StV 92, 272, 273. Hassemer NStZ 1989, 553, 557. Jahn GA 2007, 579, 581; so auch Kudlich JA 2007, 90, 93. Grundlegend dazu BVerfGE 90, 145, 171 f. Roxin AT § 2 Rdn. 32. So auch Jahn GA 2007, 579, 581 f., zustimmend Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 2.

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

179

Weite ist es somit ein gangbares Schutzgut für die Besitzstrafbarkeit, wenn auch die Pönalisierung des Besitzes aller, auf der WADA-Dopingverbotsmittelliste1000 stehenden Substanzen nicht unkritisch gesehen wird1001. c) Auswirkungen des geschützten Rechtsguts der Volksgesundheit auf die Beweisgeeignetheit des Tatbestandes Die Verwendung des Rechtsguts der Volksgesundheit hat maßgeblichen Anteil an der beweisgeeigneten Gestaltung des dazugehörigen Tatbestandes. Durch die Verwendung dieses luftigen, universellen und schwer greifbaren Rechtsguts können zu dessen Schutz neue Tatbestände mit geringeren Anforderungen an die manifeste Gefährlichkeit des Täterverhaltens leichter konstruieren werden. Das hinter dem Straftatbestand stehende Rechtsgut bietet somit das „Einfallstor“ einer beweiserleichterten Tatbestandsgestaltung. 2. Vorfeldkriminalisierung im Rahmen des § 6 a AMG Es war bereits bei der Einführung des § 6 a AMG im Rahmen des Achten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. September 1998 die Intention des Gesetzgebers, das Zugänglichmachen von Dopingmitteln rechtlich zu verbieten und damit bereits im Vorfeld möglicher Gesundheitsschäden bei dem dopenden Athleten wirksam entgegenzutreten1002. Der verwendete Begriff des Vorfelds ist, ebenso wie der korrespondierende Begriff des Hauptfelds, ein relativer Begriff. Sie bezeichnen unterschiedliche Stufen bei der Pönalisierung menschlichen Verhaltens. Die Unterscheidung der beiden Felder hängt eng mit dem Begriff des Rechtsguts zusammen. Das Hauptfeld ist hierbei die Momentaufnahme eines bestimmten status quo der geschützten Rechtsgüter1003. Die Frage nach dem Vorfeld ergibt sich aus der Richtung des Angriffs auf das Rechtsgut. Wenn man den Angriff auf ein Rechtsgut als gedachte Linie beschreibt, die von einem fiktiven Täter verfolgt wird, die durch kontinuierliche Zunahme der Gefahr für das Rechtsgut charakterisiert wird und bei der Verletzung des Rechtsguts ihr Ende findet1004, so ist das Vorfeld jeder Punkt auf der Angriffslinie, der noch nicht im Bereich der Verletzung der geschützten Rechtsgüter liegt. Um eine solche Vorfeldkriminalisierung zu bewerkstelligen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die wohl am häufigsten verwendete Möglichkeit ist die Ausgestaltung des Tatbestandes als Gefährdungsdelikt. Bei Gefährdungsdelikten ist der 1000

BR-Drucks 709/06, Anlage I S. 42 ff. Zur Einschränkung auf Dopingmittel, von denen eine, den Betäubungsmitteln vergleichbare Gefährlichkeit ausgeht: Jahn GA 2007, 579, 583. 1002 Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 1. 1003 Hohn S. 30. 1004 So auch Hohn S. 30. 1001

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Kap. 3: Der Strafprozess

Eintritt eines Schadens auf Seiten des geschützten Rechtsguts nicht erforderlich, es genügt vielmehr die Herbeiführung einer Gefahrenlage. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Gefährdung konkret oder abstrakt ist. Bei konkreten Gefährdungsdelikten wird eine bestehende Gefahr als Erfolg der Tat angesehen und muss in der Folge durch den Richter festgestellt werden1005. Abstrakten Gefährdungsdelikten liegt die Vermutung zugrunde, dass eine Handlung eine Gefahr für ein Rechtsgut darstellen kann. Auf eine Prüfung, ob hierbei im konkreten Fall eine Gefahr vorgelegen hat, kommt es nicht mehr an1006. Der Straftatbestand des § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Ob die zu Dopingzwecken zugänglich gemachte Substanz geeignet ist, im konkreten Fall eine Leistungssteigerung zu bewirken, hat für die Strafbarkeit keine Bedeutung1007. Relevant ist allein die abstrakte Gefährlichkeit, die von Dopingmitteln ausgeht, die bereits angenommen wird, wenn der entsprechende Stoff im Anhang des Übereinkommens gegen Doping aufgeführt ist oder in einer Rechtsverordnung im Sinne des § 6 a III AMG genannt wird1008. Durch die Ausgestaltung des Tatbestandes als Gefährdungsdelikt braucht somit keine Rechtsgutsverletzung mehr zu erfolgen und folglich auch nicht nachgewiesen werden. Da das Delikt hier sogar als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist, bedarf es nicht einmal mehr des Beweises einer konkreten Gefahr. Diese Tatbestandsgestaltung entspricht damit der Intention des Gesetzgebers, bereits das Zugänglichmachen von Dopingmitteln zu verbieten, um nicht erst eine Rechtsgutsverletzung abzuwarten. Im Rahmen der bereits oben dargestellten freiverantwortlichen Selbstgefährdung würde eine solche Rechtsgutsverletzung weitere Probleme aufwerfen, die durch die gewählte Konstruktion umgangen wurden. Eine Beweiserleichterung stellt die Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt allemal dar. Damit einher geht ein weiterer Aspekt der Vorfeldkriminalisierung, der in der Wahl der Tathandlungen zu finden ist. Speziell das Handeltreiben stellt eine Vorfeldstrafbarkeit zu dem tatsächlichen Doping dar. Der neu inkriminierte Besitz nicht geringer Mengen von Dopingmitteln stellt hierzu noch einmal eine Vorstufe dar, da hierin bereits der Verdacht pönalisiert wird, dass der Besitzende eine Handlung vorgenommen habe oder vornehmen wird, die verboten sei, wie zum Beispiel das Handeltreiben. 3. Ausgestaltung der Tathandlungen des § 6 a AMG Im Rahmen der Beweisführung in der Hauptverhandlung muss auch die zum objektiven Tatbestand gehörende und als willensgetragenes, sozialerhebliches 1005 1006 1007 1008

Schmidt AT S. 35. Schmidt AT S. 36. Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 15. Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 15.

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

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menschliches Verhalten verstandene1009 Tathandlung nachgewiesen werden. Leicht verständlich ist, dass die Schwierigkeiten des Nachweises einer Tathandlung proportional größer werden, je spezifischer sie im Gesetz ausgestaltet ist. Bei einer allgemeinen und weiten Ausgestaltung der Tathandlung ist ein Nachweis somit ungleich leichter zu führen. Der Tatbestand des § 6 a AMG weist vier verschiedene Begehungsweisen aus. Als Tathandlungen sind darin das Inverkehrbringen, das Verschreiben, die Anwendung bei anderen und letztlich der Besitz nicht geringer Mengen pönalisiert. Hiermit sind nicht nur mehrere Tathandlungen kriminalisiert, die jeweiligen Tathandlungen sind zusätzlich weit gefasst. So umfasst das Inverkehrbringen gemäß § 4 Nr. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere und dies jeweils entgeltlich und unentgeltlich1010. Hierdurch werden nahezu alle Tatmodalitäten erfasst, an die man im Rahmen der Zirkulation von Dopingmitteln denken kann. Die Tathandlung richtet sich somit gegen Personen, die den Sportler mit Dopingmitteln versorgen. Wenn man einen Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Pönalisierung der Versorgung mit Dopingmitteln betrachtet, kann leicht gesehen werden, worin bereits in dieser Tatbestandsausgestaltung die Beweiserleichterung zu sehen ist. Hierbei ist daran zu denken, dass der Gesetzgeber sich bei einer Kriminalisierung der Versorgungshandlungen auf den Verkauf an sich hätte beschränken können. Hätte er dies, wie bei der Hehlerei in § 259 StGB, als Tathandlung des Absetzens beschrieben, wäre nur eine selbstständige entgeltliche wirtschaftliche Verwertung der Sache erfasst1011. Hierdurch würden zum einen etliche nunmehr erfasste Tathandlungen außen vor bleiben. Weiterhin würde auch der Beweis wesentlich erschwert werden. Nach der aktuellen Gesetzeslage muss dem Täter beispielsweise nur ein einfacher nachweisbares Vorrätighalten zum Verkauf nachgewiesen werden, dass sich anhand der Menge der vorrätig gehaltenen Dopingmittel indiziell nachweisen lassen kann1012. Müsste hingegen der tatsächliche Verkauf nachgewiesen werden, so bedürfte es wahrscheinlich des Einsatzes von verdeckten Ermittlern, V-Leuten oder zumindest einer längerfristigen Observation, um hierüber im Prozess Beweis erbringen zu können. Ergänzt wird die Tathandlung des Inverkehrbringens durch das Verschreiben, das die Ausstellung eines Rezeptes voraussetzt1013. Erfasst werden hiervon Ärzte, mitunter aber auch der Rezeptfälscher als Nichtarzt1014. Im Rahmen der Anwendung von

1009

Roxin AT § 7 Rdn. 5. Körner § 95 AMG Rdn. 28. 1011 Zum Begriff des Absetzens im Sinne des § 259: Fischer § 259 Rdn. 15. 1012 Generell zu der indiziellen Wirkung (dort bzgl. eines versuchten Inverkehrbringens) Jahn SpuRt 2005, 141, 146. 1013 Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 24. 1014 Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 24. 1010

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Kap. 3: Der Strafprozess

Dopingmitteln ist das Verabreichen an andere pönalisiert1015. Hiervon als Täter erfasst werden Ärzte, Trainer, Betreuer und sonst jede Person, die dem Sportler das Dopingmittel verabreicht. Die neu kriminalisierte Besitzstrafbarkeit soll nun noch etwaige Lücken schließen1016, die von den anderen Tathandlungen nicht abgedeckt sind und vor allem den Sportler selbst der Strafbarkeit unterstellen. Der Besitz ist, was naheliegt, wie in § 29 I 1 Nr. 3 BtMG1017 als Innehaben der Herrschaftsgewalt mit Besitzwillen zu verstehen1018. Der Begriff des Besitzes entspricht somit nicht dem des Bürgerlichen Rechts, sondern dem Begriff des Gewahrsams im Sinne der §§ 242, 246 StGB. Maßgeblich ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis, eine auf eine gewisse Dauer angelegte Einwirkungsmöglichkeit, der tatsächliche ungehinderte Zugang zur Sache1019. Für den Beweis dieser relativ weit gefassten Tathandlung an sich bedarf es somit nicht mehr als dem Fund – einer nicht geringen Menge im Sinne des § 6 a II 2 AMG i.V.m. der DmMV – eines verbotenen Dopingmittels bei dem Täter beziehungsweise in dessen Herrschaftsbereich1020. Nachdem nunmehr also auch der Besitz nicht geringer Mengen pönalisiert ist, wird von dem objektiven Tatbestand des § 6 a AMG nahezu1021 jede Tathandlung, die im Vorfeld des Dopings durchgeführt wird, erfasst. Diese umfassende Ausgestaltung der Tathandlungen führt somit dazu, dass weitestmöglich verschiedene Angriffsarten auf das Rechtsgut erfasst werden und dadurch die Anforderungen an den spezifischen Nachweis einer bestimmten Tathandlung auf ein Minimum reduziert sind, was sich letztlich beweiserleichternd auswirkt. 4. Beweisrechtliche Auswirkungen der Hinweispflicht des § 6 a II 2 AMG Im Rahmen der strafprozessualen Beweisführung kann es regelmäßig zu Problemen im Bereich des subjektiven Tatbestandes kommen. Die Gründe hierfür liegen bereits in der Natur des subjektiven Tatbestandes. Der Vorsatz, Absichten etc. spielen sich im Inneren des Täters ab und sind somit für die Außenwelt nicht ohne weiteres greifbar. Für den Nachweis des subjektiven Tatbestandes bedarf es im Idealfall nur (glaubhafter) Angaben des Angeklagten selbst1022. Bleiben diese Angaben aus, kann 1015

Körner§ 95 AMG Rdn. 28. Kritisch zu dem „in punkto strafbarem Verhalten zweifelhaften“ Merkmal Besitz: Mitsch (NJW 2008, 2295, 2298), der jedoch dessen generell beweiserleichternde „Stellvertreter-Funktion“ gegenüber Vorgängen wie dem Erwerb oder der Nichtablieferung eines Gegenstands betont. 1017 Weber § 29 BtMG Rdn. 1169 ff. 1018 Jahn GA 2007, 579, 586. 1019 Körner§ 29 BtMG Rdn. 1379. 1020 Ergänzt selbstverständlich durch die weiteren Voraussetzungen des Tatbestandes, auf die an dieser Stelle – der Beleuchtung der Tathandlung – nicht eingegangen werden soll. 1021 Lücken aufweisend jedoch Körner§ 95 AMG Rdn. 29. 1022 BGH StV 1984, 411. 1016

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

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die innere Tatseite möglicherweise durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden, sofern der Sachverhalt insoweit hinreichend aufgeklärt ist1023. Lassen die Erklärung des Angeklagten oder das Geschehen mehrere Deutungsmöglichkeiten hinsichtlich der subjektiven Seite zu, so hat das Tatgericht diese umfassend darzulegen und zu begründen, warum es sich für eine Erklärung entscheidet, nach der es den subjektiven Tatbestand als erfüllt ansieht1024. Gesteigerte Voraussetzungen hierzu können sich sogar noch im Bereich des Eventualvorsatzes ergeben1025. Aufgrund des dementsprechend mitunter großen Aufwandes der für den Nachweis des subjektiven Tatbestandes erforderlich ist, kann besonders hier ein beweisgeeignet gestalteter Tatbestand von Vorteil sein. Der § 6 a II 2 AMG enthält eine Pflicht für die herstellenden und vertreibenden Wirtschaftskreise, in die Packungsbeilage der Arzneimittel, welche die in § 6 a II 1 AMG genannten Wirkstoffe oder Stoffe enthalten, einen zusätzlichen Warnhinweis aufzunehmen. Dieser soll darüber aufklären, dass es bei Anwendung des jeweiligen Arzneimittels bei Dopingkontrollen zu positiven Ergebnissen kommen kann. Ein zusätzlicher Warnhinweis ist aufzunehmen, wenn aus dem Fehlgebrauch des Arzneimittels zu Dopingzwecken eine Gesundheitsgefährdung folgen kann. Diese neu eingeführte Hinweispflicht hat neben dem angestrebten Schutz des Sportlers vor unbeabsichtigter Einnahme verbotener Dopingmittel1026 einen strafprozessual beweiserleichternden Charakter. Eine Strafbarkeit gemäß § 6 a AMG setzt voraus, dass die Tathandlungen zu Dopingzwecken im Sport vorgenommen worden sein müssen. Ferner findet diese Norm nur Anwendung auf Arzneimittel, die Stoffe der im Anhang des Übereinkommens gegen Doping aufgeführten Gruppen von verbotenen Wirkstoffen oder Stoffe enthalten, die zur Verwendung bei den dort aufgeführten verbotenen Methoden bestimmt sind. Diese objektiven Voraussetzungen müssen dementsprechend subjektiv vom Vorsatz umfasst werden. Nahezu naturgemäß kam es deshalb regelmäßig zu Schutzbehauptungen, dass der Täter nicht um die dopinggeeignete Wirkung der Arzneimittel wusste. Durch die neu eingeführte Hinweispflicht wird den Tätern nunmehr die Möglichkeit einer Exkulpation mit Nichtwissen um die Wirkung des Arzneimittels sowie gegebenenfalls auch um deren generelles Verbotensein verbaut. Hierdurch wurden die Voraussetzungen für den Nachweis des subjektiven Tatbestandes herabgesetzt und somit eine weitere Beweiserleichterung geschaffen.

1023 1024 1025 1026

Dazu BGH NStZ 1991, 400. BGH NStZ 1987, 362, 362; Julius in HK § 261 Rdn. 41. BGH NStZ 1987, 362 ff. BT-Drucks 16/5526 S. 8.

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Kap. 3: Der Strafprozess

5. Verringerung der Tatbestandsanforderungen in subjektiver Hinsicht durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals des Besitzes der nicht geringen Menge in § 6 a II a AMG Ein weiteres Mittel zur Umgehung möglichst großer Teile der beweisrechtlich anspruchsvollen subjektiven Tatbestandsseite ist in der Verwendung des Tatbestandsmerkmals des Besitzes einer nicht geringen Menge in § 6 a II a AMG zu sehen. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, ist der Besitz nicht geringer Mengen der genannten Arzneimittel strafbar, weil hierdurch die Weitergabe dieser Mittel an andere indiziert wird1027. Auf diesem Wege soll der Verbreitung gefährlicher Dopingmittel wirksam entgegen getreten werden1028. Wie bereits oben beschrieben1029 wurde dieses Konstrukt zum einen gewählt, da eine Pönalisierung des sich dopenden Sportlers, aufgrund des Prinzips der Straflosigkeit der Selbstverletzung, nicht möglich ist. Zum anderen wurde durch die Wahl dieses Tatbestandsmerkmals eine weitere Beweiserleichterung geschaffen. Das eigentliche subjektive Tatbestandsmerkmal der Absicht, die Dopingmittel nicht ausschließlich für den Eigenkonsum zum Zwecke unlauterer sportlicher Leistungssteigerung zu verwenden, sondern – zumindest den nicht dafür benötigten Teil der Dopingmittel – an andere weiterzugeben, wird hierbei in einem objektiven Tatbestandsmerkmal „versteckt“1030. Durch diese Fokussierung auf den objektiven Tatbestand wird der Nachweis der, gerade bei nicht geständigen Beschuldigten kaum zu beweisenden, Weitergabeabsicht umgangen1031. Durch den Austausch eines subjektiven gegen ein objektives Tatbestandsmerkmal wurde die Norm somit beweisrechtlich weiter optimiert. 6. Verweis des § 98 a AMG auf § 73 d StGB, dessen Voraussetzungen sowie beweiserleichternde Wirkungen Der § 98 a AMG besagt, dass in den Fällen des § 95 I Nr. 2 a AMG der § 73 d des Strafgesetzbuches anzuwenden ist, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt. Die damit normierte Anwendbarkeit des erweiterten Verfalls im Rahmen der banden- oder gewerbsmäßigen Dopingstraftaten soll die effektive Gewinnabschöpfung bei diesen Straftaten sicherstellen1032. Der erweiterte Verfall gemäß § 73 d StGB ist als Blankettnorm ausgestaltet und nur anwendbar, wenn ein Straftatbestand 1027

BT-Drucks 16/5526 S. 1, 9. BT-Drucks 16/5526 S. 7, 8. 1029 Siehe oben unter Kapitel 3 B. II. 1. b). 1030 So Mitsch NJW 2008, 2295, 2298. 1031 Mitsch (NJW 2008, 2295, 2298) befürchtet sogar einen großen Effizienzverlust der Norm, wenn die Weitergabeabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal nachzuweisen sein müsste. 1032 BT-Drucks 16/5526 S. 9. 1028

B. Beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung

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auf ihn verweist1033. Die Bestimmung selbst enthält eine eigenständig ausgestaltete Eingriffsbefugnis1034. Die Voraussetzungen des § 73 d StGB müssen somit auch gegeben sein. Gemäß § 73 d StGB ordnet das Gericht bei Vorliegen einer Anknüpfungstat in diesem Sinne den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Gegenüber dem herkömmlichen Verfall1035 weist der erweiterte Verfall damit im Wesentlichen zwei Neuheiten auf. Zum einen brauchen die Verfallsobjekte nicht aus der konkret abgeurteilten Tat zu stammen, vielmehr genügen beliebige andere rechtswidrige Taten. Zum anderen – und für den hier in Frage stehenden Kontext bedeutsamer – kann der erweiterte Verfall schon dann angeordnet werden, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass die betreffenden Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen gewonnen worden sind1036. Zum Verständnis der letztgenannten Neuerung muss sich zunächst die Intention des Gesetzgebers für die Einführung des erweiterten Verfalls vor Augen geführt werden. Durch den erweiterten Verfall soll der Organisierten Kriminalität wirkungsvoller entgegen getreten werden. Zu diesem Zweck soll es zu einer effektiveren Gewinnabschöpfung kommen. Eine solche stellte die Strafverfolgungspraxis regelmäßig vor größere strukturelle Probleme, wenn beispielsweise bei Dopingmittelhändlern größere Geldbeträge vorgefunden wurden, die angesichts der bei ihnen festgestellten Einkommensverhältnissen den Schluss zuließen, dass diese Geldmittel mit hoher Wahrscheinlichkeit aus illegalen Dopingmittelgeschäften stammen. In einem solchen Fall konnte es regelmäßig nur zur Überführung bezüglich der vorgefundenen illegalen Substanzen kommen, eine Abschöpfung des Geldes konnte nicht bewerkstelligt werden, da der Nachweis bezüglich der unrechtmäßigen Herkunft des Geldes in der Regel trotz eines gesteigerten Ermittlungsaufwandes nicht erbringbar war. Aus dieser Tatsache entstand ein nicht hinnehmbarer Anreiz des Anhäufens von dauerhaften Gewinnen durch regelmäßige Begehung der Straftaten1037. Durch den erweiterten Verfall soll nun ein umfänglicher Zugriff auch auf die Gewinne aus illegalem Dopingmittelhandel erfolgen können, auch wenn eine gegen das Strafrecht verstoßende Herkunft von Vermögensgegenständen nicht positiv festgestellt werden kann und nur die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass die Gegenstände aus rechtswidrigen Taten stammen. Die Gerichte werden in diesem Fall von dem vollständigen und häufig kaum führbaren Nachweis der Herkunft der Vermögenswerte befreit1038. Im Gegensatz zum Verfall nach § 73 StGB, der festgestellte Vermögensvorteile voraussetzt, knüpft § 73 d StGB an die den Umständen 1033 1034 1035 1036 1037 1038

Joecks in MüKo § 73 d Rdn. 7. BGHSt 41, 278, 284. Gemeint § 73 StGB. Eser in Sch/Sch § 73 d Rdn. 1. Eser in Sch/Sch § 73 Rdn. 1. Schmidt in LK § 73 d Rdn. 3.

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Kap. 3: Der Strafprozess

nach gerechtfertigte Annahme der illegalen Vermögensherkunft an und schafft damit eine erhebliche Beweiserleichterung1039. Gegen diese Beweiserleichterung werden jedoch vielseitig verfassungsrechtliche Einwände vorgebracht1040. Diese richten sich gegen eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und gegen einen Verstoß gegen das Schuldprinzip und die Unschuldsvermutung, die aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip gewonnen wird. Ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung wird in der Tatsache gesehen, dass eine Verhängung von Strafen oder strafähnlichen Sanktionen ohne gesetzlichen Schuldnachweis grundsätzlich nicht zulässig ist1041. Zwar müssten die Vermögensgegenstände, deren Verfall nach § 73 d StGB angeordnet wird, aus einer mit Strafe bedrohten Handlung herrühren, diese muss jedoch nicht rechtskräftig festgestellt sein. Ferner wird in der Beweiserleichterung ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gesehen, da es bei dem erweiterten Verfall des § 73 d StGB zu der Anordnung des Verfalls über einen Gegenstand kommt, ohne dass der prozessmäßige Nachweis einer rechtswidrigen Tat geführt wird. Ein solches Vorgehen lässt sich nach dieser Ansicht auch nicht mit dem Konstrukt der Grundrechtsverwirkung1042 begründen. Demnach seien Gegenstände, die aus einer Straftat stammen oder für eine solche verwendet werden, nicht schutzwürdig. Dieser Grundsatz lässt sich bei dem erweiterten Verfall jedoch nur dann anwenden, wenn dem Gericht wegen des Strafcharakters der volle Schuldnachweis sowie der zweifelsfreie Nachweis des gemeinschaftswidrigen Gebrauchs des Eigentums gelingt und wenn nachgewiesen werden kann, dass ein konkreter Zusammenhang zwischen der abzuurteilenden Anknüpfungstat und dem Eigentumsmissbrauch besteht1043. Da ein solcher voller Nachweis aber gerade umgangen werden soll, wird hierin ein Grundrechtsverstoß gesehen. Diesen Einwänden ist der BGH im Hinblick auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht gefolgt1044. Demnach kann eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit deliktischer Herkunft für die Anordnung des erweiterten Verfalls nicht ausreichen, die Anordnung kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Tatrichter nach erschöpfender Beweiserhebung und –würdigung die uneingeschränkte Überzeugung von der deliktischen Herkunft der betreffenden Gegenstände gewonnen hat, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden muss1045. An diese Überzeugung sind jedoch keine überspannten Anforderungen zu stellen, eine Wahrscheinlichkeit deliktischer Herkunft, die sich einem objektiven Betrachter 1039 1040 1041 1042 1043 1044 1045

Schmidt in LK § 73 d Rdn. 3. Eine Übersicht in Fischer § 73 d Rdn. 4. Zu der Unschuldsvermutung Degenhart Rdn. 447. BVerfGE 22, 387, 422 f. Schmidt in LK § 73 d Rdn. 16. BGHSt 40, 371 ff. BGHSt 40, 371, 372 f.

C. Das Zwischenverfahren

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geradezu aufdrängt, reicht für die Verfallsanordnung aus1046. Vernünftige, nicht fernliegende Zweifel an der deliktischen Herkunft schließen die Anordnung aus1047. Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass betont, dass § 73 d StGB keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme ist und die Unschuldsvermutung somit nicht verletzt wird1048. Die demnach durchzuführende verfassungskonforme Auslegung schränkt zwar die Anwendung des § 73 d StGB ein wenig ein, ändert jedoch nichts daran, dass die „Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass die Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind“ eine erhebliche Beweiserleichterung darstellen. 7. Aufzählung der verbotenen Stoffe Eine gewisse Beweiserleichterung lässt sich weiterhin in der Aufzählung der verbotenen Stoffe im Anhang des Übereinkommens gegen Doping, beziehungsweise dem Anhang des AMG, erkennen. Durch diese Aufzählung ist es zum einen nicht mehr erforderlich, im Einzelfall die leistungssteigernde Wirkung eines bestimmten Stoffes konkret nachzuweisen. Zum anderen wird hierdurch möglichen bevorstehenden Definitionsproblemen bezüglich dieser Stoffe vorgebeugt.

III. Zusammenfassung Anhand der aufgeführten Beispiele lässt sich gut beobachten, dass der Einfluss des Prozessrechts, die Tatbestände des materiellen Strafrechts beweisgeeigneter zu gestalten, auch mehrfach im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung zu finden ist. Speziell konnten hier einige der am häufigsten verwendeten Methoden der Beweiserleichterung wiedergefunden werden, aber es konnte auch in § 98 a AMG ein einfacher Verweis auf eine bereits beweiserleichternd gestaltete Norm des Strafgesetzbuches vorgefunden werden. Resümierend lässt sich somit feststellen, dass gerade in dem strafverfolgungsrechtlich anspruchsvollen Bereich der Dopingverfolgung vielfach der Weg über beweisgeeignet gestaltete Normen gesucht wird.

C. Das Zwischenverfahren Wenn die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage durch Einreichung einer Anklageschrift erhoben hat, dann soll nach der Verfahrenskonzeption der StPO darüber nicht sofort in einer Hauptverhandlung entschieden werden. Vielmehr soll 1046 1047 1048

BGHSt 40, 371, 373. BGHSt 40, 371, 373. BVerfG NJW 04, 2073 ff.

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Kap. 3: Der Strafprozess

zunächst das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht als eine, von der Anklagebehörde unabhängige Instanz in einem nichtöffentlichen Zwischenverfahren (§§ 199 – 211 StPO) prüfen, ob tatsächlich hinreichende Verdachtsgründe vorliegen. Nur wenn dies der Fall ist, sind dem Beschuldigten die mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbundenen schweren Nachteile im persönlichen Bereich zumutbar1049. Neben der gerichtlichen Anklagekontrolle und der Eröffnungsentscheidung hat sich das Gericht im Rahmen des Zwischenverfahrens unter anderem auch mit den, für Strafverfahren mit Dopinghintergrund interessanten, Fragen einer möglichen Verteidigerbestellung und der Zulassung etwaiger Nebenkläger zu befassen.

I. Die Verteidigerbestellung Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 I, II StPO vor, so wird dem Angeschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, ein solcher bestellt, sobald er gemäß § 201 StPO zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist (§ 141 I StPO). Der Wortlaut1050 von § 141 I StPO legt es nahe, dass die notwendige Bestellung eines Verteidigers nicht zeitgleich mit der Zustellung der Anklage erfolgen muss, sondern erst anschließend geschieht1051. Damit der Verteidiger den Angeschuldigten jedoch schon beraten kann, welche Erklärungen nach § 201 StPO abzugeben sind, ist es empfehlenswert, dem Angeschuldigten zunächst nur die Anklageschrift mit der durch § 142 I 2 StPO vorgeschriebenen Aufforderung zuzustellen, innerhalb einer bestimmten Frist einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu bezeichnen, und den Pflichtverteidiger erst nach Ablauf der Frist, aber noch innerhalb der Erklärungsfrist nach § 201 I StPO zu bestellen1052. Zuständig für die Entscheidung über die Verteidigerbestellung ist grundsätzlich der Vorsitzende des für das Hauptverfahren zuständigen Gerichts oder des Gerichts, bei dem die Sache anhängig ist (§ 141 IV Hs. 1 StPO)1053. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für die Fälle des § 140 I Nr. 4 StPO, bei denen gemäß § 140 IV Hs. 2 StPO das nach § 126 bzw. § 275 a VI StPO zuständige Gericht entscheidet, das heißt im Falle der Vollstreckung der Untersuchungshaft der Haftrichter und in den Fällen einstweiliger Unterbringung die Strafkammer1054.

1049

Beulke Rdn. 352. „… sobald er … aufgefordert worden ist.“ 1051 Heghmanns in Heghmanns/Scheffler Kap. VI Rdn. 31. 1052 Meyer-Goßner § 141 Rdn. 3. 1053 Weiterführend hierzu Meyer-Goßner § 141 Rdn. 6. 1054 Jahn in FS Rissing-van Saan 2011, 273, 281; siehe auch dort (S. 281 f.) zu der weiterführenden Frage der Zuständigkeit, wenn in derselben Sache nicht nur § 140 I Nr. 4 StPO einschlägig ist, sondern auch einer der anderen Katalogfälle des § 140 I StPO. 1050

C. Das Zwischenverfahren

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Wann ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, bestimmt sich nach § 140 I, II StPO. Die Vorschrift enthält eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips1055. Mit dem Institut der notwendigen Verteidigung und mit der Bestellung eines Verteidigers ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und zu diesem Zweck nicht zuletzt an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten hat1056. In § 140 I StPO werden Fallgruppen aufgelistet, bei denen Verteidigungsdefizite des Beschuldigten unterstellt werden1057. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist hierbei zwingend vorgegeben. Für alle durch § 140 I StPO – bzw. sonstige spezielle Vorschriften – noch nicht erfassten Strafverfahren gilt § 140 II StPO als Auffangtatbestand1058. Danach ist ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder weil ersichtlich ist, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann. Im Gegensatz zu den Fällen des ersten Absatzes entscheidet der Vorsitzende über die Verteidigerbestellung gemäß § 140 II StPO nach pflichtgemäßem Ermessen1059. 1. Notwendige Verteidigung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund aufgrund eines drohenden Berufsverbots Gemäß § 140 I Nr. 3 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann. Ausreichend ist hierbei bereits, dass eine derartige Anordnung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist1060. Bei der Anordnung eines Berufsverbots handelt es sich um eine Sicherungsmaßregel1061 (§ 61 Nr. 6 StGB), deren Zweck der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren des Missbrauchs der Berufs- oder Gewerbeausübung zu rechtswidrigen Taten ist1062. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel finden sich in § 70 StGB. Aus der Sicht des Zwischenverfahrens muss es demgemäß wahrscheinlich sein, dass der Täter gemäß § 70 I StGB eine rechtswidrige Tat unter 1055

BVerfGE 46, 202, 210; 63, 380, 390. BVerfGE 65, 171, 174 f.; BGHSt 3, 395, 398. 1057 Beulke Rdn. 166. 1058 Beulke Rdn. 167. 1059 KG StV 1983, 186; Meyer-Goßner § 140 Rdn. 22. 1060 BGHSt 4, 320; RGSt 70, 317; Meyer-Goßner § 140 Rdn. 13; Lüderssen/Jahn in Löwe/ Rosenberg § 140 Rdn. 27 lassen bereits die „naheliegende Möglichkeit“ ausreichen. 1061 Hanack in LK § 70 Rdn. 1 der weiter ausführt, dass die gelegentlichen Hinweise, dass das Berufsverbot „vornehmlich“ oder „überwiegend“ Sicherungszwecken dient eher missverständlich sind, da sie nicht darüber hinweg täuschen können, dass die resozialisierende Einwirkung auf den Täter allenfalls eine mittelbare Folge der Anordnung ist, nicht aber ihr eigentliches Ziel. 1062 Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 1. 1056

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Kap. 3: Der Strafprozess

Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat. Eine scharfe Grenze zwischen beiden Möglichkeiten kann nicht gezogen werden, es reicht vielmehr eine alternative Feststellung1063. Erforderlich ist aber immer eine unmittelbare Beziehung der rechtswidrigen Tat zum ausgeübten Beruf1064. Ein nur äußerer Zusammenhang reicht nicht aus1065. Eine rechtswidrige Tat ist in diesem Sinne unter Missbrauch des Berufs oder Gewerbes begangen, wenn der Täter die ihm durch Beruf oder Gewerbe gegebenen Möglichkeiten oder Befugnisse bewusst und planmäßig, d. h. vorsätzlich, zu Straftaten ausnutzt, die den Aufgaben des betreffenden Berufs oder Gewerbes zuwiderlaufen1066. Unter grober Verletzung der mit dem Beruf oder Gewerbe verbundenen Pflichten ist eine Tat begangen, wenn der Täter durch die Tat den Pflichten gröblich zuwiderhandelt, die ihm für die Ausübung seines Berufs oder Gewerbes durch Gesetz, Vertrag oder öffentlich-rechtliche Anstellungsverfügung auferlegt sind1067. Im Gegensatz zu der Missbrauchsalternative reichen hier fahrlässige Pflichtverletzungen aus, sofern sie unter Strafe gestellt sind1068. Ob eine Pflichtverletzung grober Art ist, beurteilt sich nach dem Grad der Pflichtwidrigkeit oder nach der Bedeutung der missachteten Pflicht. Als grob ist danach die Pflichtwidrigkeit einzustufen, wenn die jeweilige Pflicht in besonders schwerem Maß verletzt wird oder der Verstoß sich gegen eine besonders gewichtige Pflicht richtet1069. Zusätzlich setzt die Anordnung eines Berufsverbots gemäß § 70 I StGB die künftige Gefährlichkeit des Täters voraus. Die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat muss hierbei die Gefahr erkennen lassen, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweigs, Gewerbes oder Gewerbezweigs erhebliche rechtswidrige Taten unter Missbrauch seines Berufs oder seines Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit dem Beruf bzw. Gewerbe verbundenen Pflichten begehen wird1070. Für Strafverfahren mit Dopinghintergrund bedeutet dies, dass eine notwendige Verteidigung aufgrund eines drohenden Berufsverbots vor allem dann in Betracht kommt, wenn sich das Verfahren gegen sogenannte Dopingärzte richtet. Verschreiben oder Verabreichen diese Dopingmittel ohne medizinische Indikation an 1063 Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 5; so auchHanack in LK § 70 Rdn. 17, der jedoch darüber hinaus anführt, dass die Überschneidung der beiden Tatmodalitäten nicht dazu führen darf, dass das Bemühen und die Pflicht des Gerichts zu einer genauen Unterscheidung im Einzelfall entfällt. 1064 BGHSt 22, 144 ff. 1065 Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 5. 1066 BGH NJW 1983 2099; BGH bei Detter NStZ 2007, 633; BGH bei Dallinger MDR 1952, 146, 146; RGSt 68, 397 ff.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 113, 114. 1067 OLG Hamburg NJW 1955, 1568 f.; Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 7. 1068 Hanack in LK § 70 Rdn. 24; Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 7. 1069 Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 7. 1070 Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 9.

C. Das Zwischenverfahren

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Sportler, so kann dies eine Straftat unter Missbrauch des Berufs im Sinne des § 70 I StGB darstellen. Das Verschreiben und Anwenden von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport stellt eine Straftat im Sinne der §§ 6 a I, 95 I Nr. 2 a AMG dar. Werden die Handlungen im Rahmen der Tätigkeit als Arzt vorgenommen, kann hierin eine bewusste Ausnutzung der beruflich eingeräumten Möglichkeiten und Befugnisse gesehen werden. Anlehnend an die Rechtsprechung zum Betäubungsmittelrecht1071, wird ein sachwidriges Verschreiben von Dopingmitteln regelmäßig einen derartigen Missbrauch darstellen, da die sachgerechte Verwendung von Arzneimitteln bereits zum Berufsbild der Ärzte gehört1072. Gleiches muss für eine sachwidrige Verabreichung dieser Mittel gelten. Verabreicht ein Arzt Arzneimittel zu Dopingzwecken und ohne medizinische Indikation, nutzt er seine ärztliche Tätigkeit unter bewusster Missachtung der ihm obliegenden Aufgaben aus, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Lässt darüber hinaus die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen, dass er bei weiterer Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit weitere erhebliche Taten1073 unter Missbrauch seines Berufs begehen wird, so kann ein Berufsverbot gemäß § 70 I StGB angeordnet werden. Etwaig parallel erfolgte Entscheidungen von Verwaltungsbehörden, wie das Ruhen der Approbation des Arztes, haben hierauf keinen Einfluss1074. Werden demgemäß Strafverfahren mit Dopinghintergrund gegen einen sogenannten Dopingarzt geführt, der die Tathandlungen des Verschreibens oder Anwendens von Dopingmitteln in seiner Tätigkeit als Arzt vorgenommen hat und handelt es sich zusätzlich – aufgrund des zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – um einen Fall mit außergewöhnlichen Umständen oder Tatfolgen1075, so ist regelmäßig die naheliegende Möglichkeit eines Berufsverbots zu bejahen, ein Pflichtverteidiger gemäß § 140 I Nr. 3 StPO mithin zwingend zu bestellen. 2. Notwendige Verteidigung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund aufgrund der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage Die Generalklausel des § 140 II 1 StPO ermöglicht eine Pflichtverteidigerbestellung, wenn sie wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint. Ob eine in diesem Sinne schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt, ist aus der Sicht des Angeschuldigten zu beurteilen und nicht etwa aus der des Gerichts1076. 1071 BGH NJW 1975, 2249, 2249; OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 16, 17; Hanack in LK § 70 Rdn. 21; Stree in Sch/Sch § 70 Rdn. 6. 1072 So in Bezug auf Opiate OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 16, 17. 1073 Zu dem Begriff der „erheblichen Taten“ im Sinne des § 70 StGB Hanack in LK § 70 Rdn. 38. 1074 BGH NJW 1975, 2249, 2249; siehe hierzu auch Hanack in LK § 70 Rdn. 47 f.; LangHinrichsen in FS Heinitz, 477, 495 ff. 1075 Siehe hierzu unten unter Kapitel 3 D. III. 2. a). 1076 Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg § 140 Rdn. 68.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Wann dies der Fall ist, kann regelmäßig nicht einheitlich beurteilt werden. In Rechtsprechung und Kommentierungen herrscht zu diesem Punkt eine nahezu unübersichtliche Kasuistik1077. Die von der Rechtsprechung allmählich entwickelten und inzwischen nach vielen Seiten hin aufgefächerten Kriterien treffen je nach Lage des Falles mehr oder weniger gehäuft zusammen1078. Straftaten gemäß §§ 6 a, 95 AMG erfüllen auf den ersten Blick etliche der etablierten Kriterien, so dass eine Verteidigerbestellung aufgrund der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage für derartige Verfahren obligatorisch erscheinen könnte. Auch wenn im Endeffekt tatsächlich regelmäßig mehrere Kriterien zutreffen, kann eine derart pauschale Bejahung dieses Merkmals nicht vorgenommen werden. Vielmehr bedarf es einer gesonderten Überprüfung der Kriterien anhand des jeweiligen Einzelfalls. Bereits die medizinischen Hintergründe, die mit einer Strafbarkeit gemäß § 6 a AMG einhergehen und zwangsläufig zum Tatbestand gehören, können dazu verleiten, Schwierigkeiten in der Sach- und auch der Rechtslage vorschnell zu bejahen. Eine automatische Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 140 II 1 StPO aus diesem Grund ist jedoch abzulehnen. Hierbei ist nämlich zu bedenken, dass viele der Täter, wie vornehmlich Ärzte oder Apotheker, eine medizinischen Vorbildung haben. Aber auch Sportler, die sich aktiv dopen, verfügen zumeist über fundierte medizinische Kenntnisse auf diesem Gebiet, da sie sich ob ihres eigenen Interesses an der Wirkweise des Mittels und an dessen Geheimhaltung zwangsläufig eingehend damit beschäftigen haben. Da die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage aus Sicht des Angeschuldigten zu beurteilen ist, müssen diese etwaigen Vorkenntnisse bei der Beurteilung stets berücksichtigt werden und werden regelmäßig zu einer Ablehnung dieses Kriteriums führen. Gleiches muss auch für die Auseinandersetzung mit Sachverständigengutachten gelten, die regelmäßig für eine Schwierigkeit der Sachlage spricht1079. Da es sich hierbei in der Regel auch um medizinische Sachverständigengutachten handeln wird, werden entsprechende Vorkenntnisse des Angeschuldigten auch hier zu einem Ausschluss des Kriteriums führen. Für eine schwierige Sach- oder Rechtslage in Strafverfahren mit Dopinghintergrund können jedoch die häufig auftretende Fülle der Taten1080 sowie die regelmäßig, im Hinblick auf den Vorsatz bezüglich des Dopingzwecks im Sport, schwer nach-

1077

Vergleiche hierzu Heghmanns in Heghmanns/Scheffler Kap. VI Rdn. 41 m.w.N. Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg § 140 Rdn. 68. 1079 OLG Hamm StV 1987, 192; LG Bochum StV 1987, 383; OLG Karlsruhe StV 1991, 199 f.; Laufhütte in KK § 140 Rdn. 22; Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg § 140 Rdn. 75 m.w.N., 84; Meyer-Goßner § 140 Rdn. 26 a. 1080 LG Frankfurt StV 1983, 69 f.; Laufhütte in KK § 140 Rdn. 22; Lüderssen/Jahn in Löwe/ Rosenberg § 140 Rdn. 74. 1078

C. Das Zwischenverfahren

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zuweisende innere Tatseite1081 sprechen. Darüber hinaus kann in Einzelfällen eine Schwierigkeit der Rechtslage auch aufgrund etwaiger, noch nicht abschließend geklärter, materiell rechtlicher Probleme, die sich aus der Anwendung des, dem Nebenstrafrecht zugehörigen1082 und bislang in der Praxis selten angewandten, § 6 a AMG ergeben, angenommen werden.

II. Die Nebenklagezulassung Die Nebenklage im Sinne der §§ 395 ff. StPO räumt dem Berechtigten das Recht ein, sich der von der Staatsanwaltschaft erhobenen öffentlichen Klage anzuschließen1083. Sie stattet den Nebenkläger mit selbstständigen Rechten aus, die er im Rahmen seiner Beteiligungsbefugnis unabhängig von der Staatsanwaltschaft wahrnehmen kann1084. Hierzu gehören unter anderem volle Anwesenheits-, Anhörungs-, Frage-, Erklärungs-, Ablehnungs- und Beweisantragsrechte (§ 397 I StPO)1085. Der Nebenkläger erlangt seine prozessuale Stellung, wenn er zur Nebenklage berechtigt ist und dem Gericht eine schriftliche Anschlusserklärung gemäß § 396 I 1 StPO vorlegt. Das Gericht hat sodann im Rahmen der Zulassungsentscheidung ausschließlich festzustellen, ob der Nebenkläger zum Anschluss berechtigt ist1086. Nebenklageberechtigt sind die in § 395 StPO genannten Personen. Der abschließende1087 Kreis der Nebenklageberechtigten war bis zu dem Inkrafttreten des 1. Opferrechtsreformgesetzes vielfältiger Kritik ausgesetzt1088. Durch das Gesetz wurde die Nebenklage von der Privatklage entkoppelt, auf die vorher global verwiesen worden war, und ein eigener Katalog der Nebenklageberechtigten in § 395 StPO geschaffen. Seither wurde den Opfern überwiegend schwerwiegender Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter als Verfahrensbeteiligten eine besondere Stellung eingeräumt, um ihre speziellen Bedürfnisse besser vertreten zu können1089. Die Nebenklagebefugnis stand zudem denjenigen zu, die ein Klageerzwingungsverfahren betrieben haben, und deren gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte verletzt wurden. 1081

LG Hamburg StV 1985, 453; Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg § 140 Rdn. 75; Meyer-Goßner § 140 Rdn. 26 a. 1082 OLG Celle StV 1986, 142 f.; LG Hagen StV 1987, 382 f.; OLG Celle StV 1987, 239 f.; OLG Stuttgart StV 2002, 298 f.; Laufhütte in KK § 140 Rdn. 22; Lüderssen/Jahn in Löwe/ Rosenberg § 140 Rdn. 78, 80 m.w.N. 1083 Hilger in Löwe/Rosenberg Vor § 395 Rdn. 1. 1084 Senge in KK Vor § 395 Rdn. 1; Beulke Rdn. 593. 1085 Heghmanns in Heghmanns/Scheffler Kap. VI Rdn. 95. 1086 Heghmanns in Heghmanns/Scheffler Kap. VI Rdn. 97. 1087 Senge in KK § 395 Rdn. 2. 1088 Hilger in Löwe/Rosenberg Vor § 395 Rdn. 4. 1089 BT-Drucks 16/12098 S. 29.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Nach einer, in den Folgejahren erfolgten, mehrfachen Ausweitung des Kreises der Nebenklageberechtigten1090 kam es durch das 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juli 20091091 zu einer Gesamtkonzeption und Neujustierung des § 395 StPO, die sich im Grundsatz auf die besonders schutzbedürftigen Opfer konzentrieren soll1092. Die Schutzbedürftigkeit folgt hierbei insbesondere aus der Schwere der gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Straftaten sowie aus den Folgen der Tat für das Opfer1093. Delikte, die typischerweise nicht als schwerwiegend einzustufen sind und keine schweren Folgen beim Opfer nach sich ziehen, sollten daher nicht mehr zum Anschluss als Nebenkläger berechtigten1094. Aufbauend auf diesen Grundsätzen wurde der § 395 StPO neu gestaltet. Die Nebenklageberechtigung kommt nunmehr den Verletzten einer der in dem Katalog des § 395 I StPO aufgeführten Delikte, den Hinterbliebenen eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten (§ 395 II Nr. 1 StPO), sowie Verletzten, die erfolgreich ein Klageerzwingungsverfahren durchgeführt haben (§ 395 II Nr. 2 StPO) zu. Die gewichtigste1095 Änderung findet sich jedoch in § 395 III StPO. Die bisherige Reglung, die nur bei Straftaten gemäß § 229 StGB und hinzutretenden besonderen Gründen eine Nebenklagebefugnis vorsah, wurde – trotz erheblicher Kritik1096 – stark ausgedehnt und so zu einem Auffangtatbestand1097 umfunktioniert. Nebenklageberechtigt ist demnach, wer durch eine rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 – 189, 229, 244 I Nr. 3, 249 – 255, 316 a StGB, verletzt ist, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten ist. Aus der Verwendung der aufgeführten Straftaten als Regelbeispiele („insbesondere“) ergibt sich, dass ein Anschluss des Verletzten als Nebenkläger nunmehr grundsätzlich wegen jeder rechstwidrigen Tat möglich ist1098, sofern zusätzlich die geforderten besonderen Gründe bejaht werden können1099. Aus Sicht der strafrechtlichen Dopingverfolgung fällt auf, dass Delikte gemäß § 6 a i.V.m. § 95 AMG nicht von dem Katalog des § 395 I StPO erfasst werden. Eine Nebenklage kommt in Strafverfahren mit Dopinghintergrund gemäß § 395 I StPO 1090

BT-Drucks 16/12098 S. 29. BGBl. I 2009, 2280 ff. 1092 BT-Drucks 16/12098 S. 29. 1093 BT-Drucks 16/12098 S. 29. 1094 BR-Drucks 178/09 S. 8. 1095 Auch als „wesentliche“ (Bittmann JuS 2010, 219, 221) bzw. „wesentlichste“ (Stellungnahme BRAK zum 2. Opferrechtsreformgesetz vom März 2009 S. 4) Änderung bezeichnet. 1096 Meyer-Goßner § 395 Rdn. 10 m.w.N.; Stellungnahme BRAK zum 2. Opferrechtsreformgesetz vom März 2009 S. 4; Bittmann JuS 2010, 219, 222; Safferling ZStW 122, 87, 95. 1097 BT-Drucks 16/12098 S. 31. 1098 Stellungnahme BRAK zum 2. Opferrechtsreformgesetz vom März 2009 S. 4; Bittmann JuS 2010, 219, 221. 1099 Ausführlich zu dem unbestimmten Rechtsbegriff der „besonderen Gründe“ i.S.d. § 395 III StPO: Weiner in Graf § 395 Rdn. 18 f.; Bittmann JuS 2010, 219, 221. 1091

C. Das Zwischenverfahren

195

mithin lediglich in Konstellationen, in denen die Verabreichung von Dopingmitteln eine Körperverletzung darstellt, in Betracht. Gemäß § 395 III StPO können des weiteren in Einzelfällen Verletzte einer Straftat gemäß § 6 a I i.V.m. § 95 AMG zur Nebenklage berechtigt sein, also in erster Linie Sportler denen Dopingmittel i.S.d. § 6 a I AMG verabreicht wurden, sofern die Verabreichung nicht bereits den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt und somit gemäß § 395 I StPO ohne weitere Voraussetzungen zur Nebenklage berechtigt. Um die Zusammenarbeit zwischen Sportverbänden und der Strafverfolgung zu fördern, entstand in der Vergangenheit in der Literatur darüber hinaus der aus Praktikabilitätsgründen nachvollziehbare – und wahrscheinlich in der Tat wünschenswerte – Vorschlag, den zuständigen Organen der jeweiligen Verbände die Funktion eines Nebenklägers einzuräumen1100. Wie ein derartiges Vorhaben rechtlich zu bewerkstelligen sein soll, erschließt sich jedoch nicht. Naheliegendste Überlegung wäre die Aufnahme der strafrechtlichen Anti-Doping-Vorschriften des AMG in den Straftatenkatalog des § 395 I StPO. Den gewünschten Effekt würde eine Aufnahme des § 6 a I i.V.m. § 95 AMG jedoch nicht bewirken, da die Nebenklageberechtigung – wie beschrieben – ausschließlich den Verletzten der Straftat zukommen soll. Verletzter im Sinne der Norm ist die durch die in der Vorschrift genannte jeweilige Straftat in ihrem Rechtsgut unmittelbar beeinträchtigte Person1101. Trotz der berechtigten Kritik1102 ist nach der Gesetzesbegründung1103 und der wohl herrschenden Meinung1104 das von § 6 a I AMG geschützte Rechtsgut die Gesundheit des sich dopenden Sportlers; eine Nebenklageberechtigung kommt mithin auch nur ihnen zu. Sportverbände und auch die NADA bzw. die WADA werden nicht erfasst. Gleiches gilt für § 395 III StPO, weshalb auch die potentielle Erfassung einzelner Taten durch diesen Auffangtatbestand nicht zu einer Nebenklageberechtigung für die Organe der Verbände führen würde. Eine Aufnahme des § 6 a II a i. v.m. § 95 AMG in § 395 I StPO würde darüber hinaus bereits dem Gesetzeszweck widersprechen. Wie beschrieben, soll sich die Nebenklage auf besonders schutzbedürftige Opfer beschränken, wobei die Schutzbedürftigkeit aus der Schwere der gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Straftat folgt. Durch § 6 a II a AMG wird jedoch ausschließlich das Universal-

1100 So – jedoch vor dem Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport – Vieweg SpuRt 2004, 194, 197. 1101 Senge in KK § 395 Rdn. 3; hierzu ausführlich Hilger in Löwe/Rosenberg Vor §§ 374 ff. Rdn. 15 ff. m.w.N. 1102 Eine Übersicht hierzu: Freund in MüKo § 6 a AMG Rdn. 1 ff. 1103 BT-Drucks 13/9996 S. 13. 1104 Körner § 95 AMG Rdn. 22; Kloesel/Cyran § 6 a Rdn. 2; Heger in SpuRt 2001, S. 92, 93.

196

Kap. 3: Der Strafprozess

rechtsgut der Volksgesundheit1105 und somit gerade kein Individualrechtsgut geschützt.

D. Das Hauptverfahren Das Hauptverfahren beginnt mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses (§ 203 StPO)1106 und reicht bis zum rechtskräftigen Abschluss der gerichtlichen Untersuchung1107. Es untergliedert sich in zwei Abschnitte, die Vorbereitung (§§ 213 ff. StPO) und die Durchführung der Hauptverhandlung (§§ 226 ff. StPO)1108. Auch wenn, wie bereits zuvor angesprochen1109 und für Strafverfahren mit Dopinghintergrund in besonderem Maße geltend, entscheidende Weichen für das gesamte Strafverfahren bereits im Vorverfahren gestellt werden1110, kommt der Hauptverhandlung allein aus generalpräventiven Gesichtspunkten eine – ohne hiermit die Frage nach dem Kernstück1111 bzw. Höhepunkt des Strafprozesses beantworten zu wollen – überragende Bedeutung zu1112. Bezüglich der Frage, ob in der Praxis in Hauptverfahren, die eine Anklage gemäß §§ 6 a, 95 AMG zum Gegenstand haben, strafprozessuale Besonderheiten oder Probleme auftreten, kann mangels einer quantitativ suffizienten Grundlage bisheriger Hauptverhandlungen keine valide Aussage getroffen werden. Auch die Literatur hat sich mit dem Ablauf der Hauptverhandlung bei Straftaten mit Dopinghintergrund noch nicht hinlänglich beschäftigt. Besonders aus Vergleichen mit der strukturell ähnlichen Betäubungsmitteldelinquenz und in Einzelaspekten auch der Organisierten Kriminalität können jedoch einige prozessuale Besonderheiten antizipiert werden, die in derartigen Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung regelmäßig eine Rolle spielen können.

I. Der Beweisabschnitt 1. Die Vernehmung des Angeklagten Entsprechend der im Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz gemachten Erfahrungen werden auch die sogenannten Dealer von Dopingmitteln weitaus häufiger 1105

BT-Drucks 16/5526 S. 1; siehe hierzu ferner ausführlich oben unter Kapitel 3 B. II. 1. Bzw. im Fall des § 266 II StPO mit dem Beschluss auf Einbeziehung der weiteren Straftat (Meyer-Goßner Einl. Rdn. 64). 1107 Meyer-Goßner Einl. Rdn. 64. 1108 Beulke Rdn. 2. 1109 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. 1110 So auch Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 4. 1111 So Meyer-Goßner Vor § 226 Rdn. 1. 1112 Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 4. 1106

D. Das Hauptverfahren

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die Anklage bestreiten, als geständig zu sein. Diese Annahme bestätigt sich vor allem dann, wenn sich der Anklagevorwurf „nur“ auf Zeugenaussagen oder Telefonüberwachungen stützt1113. Selbst wenn bei einem Dealer die Dopingmittel sichergestellt worden sind, versucht dieser nicht selten mit „abenteuerlichen“ Einlassungen darzulegen, dass er mit den aufgefundenen Mitteln nichts zu tun gehabt hat1114. In diesem Sinne trägt der Angeklagten häufig vor, dass er nur einem Freund eine Gefälligkeit erweisen wollte, beziehungsweise von einem Freund ein Darlehen erwartet und deshalb eine Plastiktüte oder ein Päckchen geholt, getragen oder verwahrt hat, ohne hineinzuschauen1115. Bei derartigen Aussagen muss jedoch regelmäßig überprüft werden, ob sich nicht die Kenntnis des Inhabers von dem Tüten- beziehungsweise Päckcheninhalt bereits aus den Gesamtumständen ergeben kann. Dies kann daran festgemacht werden, dass der Auftraggeber bekanntermaßen mit Dopingmitteln handelt, dass ein hohes Honorar für die Gefälligkeit gezahlt wurde oder dass der Öffentlichkeit nicht zugängliche Bereiche von Trainings- oder Wettkampfstätten das Ziel des Transports waren1116. Sobald bei Kaufverhandlungen auch Ausländer beteiligt waren, lässt sich der Angeklagte nicht selten dahingehend ein, dass er aufgrund von Sprachschwierigkeiten den Gesprächsinhalt nicht, nicht richtig oder nicht vollständig verstanden hat oder dass er selbst missverstanden worden ist. Der Angeklagte verweist hierbei regelmäßig darauf, dass er nur seltene Stammessprachen spricht, Analphabet ist, wegen eines Gangs zur Lokaltoilette beziehungsweise wegen Lärmes nichts gehört oder wegen Dunkelheit nichts gesehen hat1117. Diesem Vorbringen kann durch Anfragen in dem jeweiligen Konsulat, durch Einsichtnahme in die Ausländerakte, durch Gefangenenbriefkontrolle oder durch Einsicht in frühere Ermittlungsakten zur Kontrolle der dort bei Vernehmungen gesprochenen Sprache vielfach entgegengetreten werden1118. Zuletzt versuchen viele Angeklagte vorzutragen, dass sie von einem polizeilichen Scheinkäufer lange überredet und gedrängt wurden und dem Drängen schließlich nur nachgegeben haben, um ihre Ruhe zu haben1119. Maßgebliches Ziel derartiger Aussagen ist die Erlangung einer Strafmilderung1120. Um in solchen Konstellationen Klarheit über das Verhalten des Scheinkäufers zu erhalten, bietet sich zunächst

1113

Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 115. So Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 115. 1115 Körner § 29 BtMG Rdn. 438. 1116 Abgewandelt von den von Körner (§ 29 BtMG Rdn. 438) genannten Ansätzen bezüglich gleicher Vorbringen in Hauptverhandlungen der Betäubungsmitteldelinquenz. 1117 Körner § 29 BtMG Rdn. 438. 1118 Ausführlich hierzu Körner § 29 BtMG Rdn. 438. 1119 Körner § 29 BtMG Rdn. 438. 1120 Hierzu unten unter Kapitel 3 D. III. 1. c) bb) (1). 1114

198

Kap. 3: Der Strafprozess

dessen Vernehmung an. Steht er nicht zur Verfügung, sollten dessen Verbindungspersonen sowie deren Vorgesetzte vernommen werden1121. 2. Sachverständige in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Sobald in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Dopingtests relevant werden – sei es als Indiz für einen vorherigen Besitz1122 oder als ein solcher für eine vorherige Anwendung des Dopingmittels – spielen Sachverständige eine gewichtige Rolle. Gemäß § 73 StPO wird die Auswahl der zuständigen Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl grundsätzlich erst vom Gericht getroffen. Diese Reglung ist von der Praxis jedoch weitgehend außer Kraft gesetzt worden, weil die Staatsanwaltschaft schon im Ermittlungsverfahren regelmäßig Sachverständige bestellt (§ 161 a I 2 StPO, Nr. 69, 70 RiStBV)1123 und es faktisch auch kaum dazu kommt, dass das erkennende Gericht später einen neuen Sachverständigen beruft1124. Ist der Angeklagte mit den Aussagen des Gutachtens des von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht bestellten Sachverständigen unzufrieden, so stellt ihn dies vor ein Problem. Die im angelsächsischen Strafprozess obligatorische Einholung einer „second opinion“, die dort der schmerzlichen Erfahrung geschuldet ist, dass nicht selten Fehlurteile aufgrund fehlerhafter Gutachten ergangen sind und dass (natur-)wissenschaftliche Erkenntnisse notwendiger Weise Fortschritt und Wandel unterliegen1125, ist in der deutschen Strafprozessordnung nur als Ausnahme vorgesehen1126. Zwar besteht für den Verteidiger die Möglichkeit, einen Beweisantrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen zu stellen, diese wird jedoch durch die erleichterten1127 Ablehnungsmöglichkeiten des § 244 IV StPO weit beschränkt1128. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann danach grundsätzlich selbst mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Gericht durch das erste Gutachten die notwendige eigene Sachkunde erworben hat oder das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist, was genau genommen nur bedeutet, dass das Gericht kein eigenes Bedürfnis nach einem weiteren Gutachten verspürt1129. 1121

Körner § 29 BtMG Rdn. 438; Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 116. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa). 1123 Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 283 sowie Deckers § 81 Rdn. 7, 38 ff. 1124 Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 656. 1125 Deckers S. 48. 1126 Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 659. 1127 So Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 301. 1128 Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 659; Deckers (in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 81 Rdn. 15) spricht davon, dass die „Schwelle“ hoch liegt, über die die Verteidigung gehen muss; Rasch/Jungfer (StV 1999, 513, 514) bezeichnet den § 244 StPO gar als „unüberwindbare Hürde“. 1129 Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 659; ausführlich zu den Ablehnungsgründen Becker in Löwe/Rosenberg § 244 Rdn. 326 ff. 1122

D. Das Hauptverfahren

199

Genau eine derartige „second opinion“ werden Angeklagte bezüglich des Dopingtests jedoch in einer Vielzahl der Fälle beanspruchen wollen, da bereits in den Verbandsverfahren in nahezu jedem Dopingfall die Testergebnisse oder -methoden angezweifelt oder ein unsachgemäßer Transport oder eine falsche Lagerung gerügt werden. Darüber hinaus versuchen potentiell Gedopte nicht selten Gutachten in das Verfahren einzubringen, die ihnen Krankheiten oder körperliche Anomalien attestieren und die auf diesem Wege eine natürliche Erklärung für bestimmte erhöhte Werte, aus denen zuvor auf das Doping geschlossen wurde, liefern. Auch neue medizinische Erkenntnisse sollen in das Verfahren eingebracht werden, um vermeintlich veraltete Ergebnisse im Sinne des Angeklagten zu korrigieren. Dem Verteidiger bleibt, wenn sein Mandant aus den genannten Gründen ein weiteres Gutachten wünscht, als „letztes Mittel“1130 nur die Möglichkeit, einen Sachverständigen als sogenannten „Privatgutachter“ zu beauftragen1131. Bezüglich einer sachkundigen Begleitung des Verfahrens ist allgemein anerkannt, dass die Beauftragung eines Sachverständigen im Rahmen des Rechts auf eigene Erhebung zulässig ist1132. Wird dieser nach seiner Beauftragung durch den Verteidiger über den der Begutachtung zugrunde zu legenden Verfahrensstoff informiert, kommen ihm als Gehilfe der Verteidigung gemäß § 53 a StPO sogar die dort genannten Rechte zu1133. Verteidiger und Angeklagter haben jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht den von ihnen beauftragten Sachverständigung zur Hauptverhandlung lädt1134. Lehnt das Gericht es ab, ihn zu laden, erlaubt der § 220 StPO eine Selbstladung durch die Verteidigung. Die Vernehmung der unmittelbar geladenen, präsenten Beweisperson kann das Gericht nur unter den, gegenüber § 244 IV StPO engeren1135, Voraussetzungen des § 245 II StPO ablehnen, also nur, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist, die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist oder wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht, das Beweismittel völlig ungeeignet ist oder der Antrag zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt ist1136. Der präsente Sachverständige hat dieselbe Stellung wie ein vom Gericht geladener Sachverständiger, das heißt er kann an der Hauptverhandlung teilnehmen und besitzt das Fragerecht1137. Dass von der Möglichkeit der Selbstladung in der Praxis bis dato nur selten Gebrauch gemacht wird1138, hat verschiedene Gründe. Zum einen spielen hierbei 1130

So Deckers in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 81 Rdn. 17. Scheffler in Heghmanns/Scheffler Kap. VII Rdn. 667. 1132 Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 289. 1133 Dahs Rdn. 473; Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 289. 1134 Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 292. 1135 Meyer-Goßner § 220 Rdn. 1. 1136 Ziegert S. 312. 1137 Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 292. 1138 Ziegert S. 313. 1131

200

Kap. 3: Der Strafprozess

wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, da der Angeklagte die Kosten zunächst selbst vorstrecken muss1139. Wird der Sachverständige als präsentes Beweismittel in der Hauptverhandlung vernommen, so kann das Gericht jedoch auf Antrag anordnen, den Sachverständigen gemäß § 220 III StPO aus der Staatskasse zu entschädigen1140. Einem solchen Antrag hat das Gericht zu entsprechen, wenn die Vernehmung sachdienlich war, beispielshalber weil die Bekundungen des Sachverständigen die Beurteilungs- und Erörterungsgrundlagen in der Hauptverhandlung erweitert haben1141. Des Weiteren trägt die Tatsache, dass es viele Sachverständige schlicht ablehnen, als „Parteigutachter“ tätig zu werden, zu der Tatsache bei, dass die Selbstladung von Sachverständigen bisweilen eine „exotische Ausnahme“1142 darstellt1143. Die Sachverständigen fürchten den Anschein der Parteilichkeit1144 und sind um ihren Ruf besorgt1145. Darüber hinaus sehen sie sich häufig dem Gegenwind durch das erkennende Gericht beziehungsweise durch die Staatsanwaltschaft1146 ausgesetzt, der ihnen die wiederholte Annahme eines solchen Auftrages gründlich verleiden soll1147. Die Einholung einer „second opinion“ beziehungsweise das Einbringen weiterer Erkenntnisse in die Hauptverhandlung mittels eines zusätzlichen Sachverständigen, ist mithin zwar grundsätzlich rechtlich möglich, in praktischer Hinsicht jedoch nicht unproblematisch.

1139 Ziegert S. 313; Deckers in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 81 Rdn. 17; Aus Sicht der Verteidigung ist hierbei wichtig, den Sachverständigen noch nicht sofort zu entschädigen, sondern den Entschädigungsbetrag nur zu hinterlegen, da andernfalls eine Entschädigungspflicht der Staatskasse gemäß § 220 III StPO nicht besteht (Meyer-Goßner § 220 Rdn. 12). 1140 Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 7 Rdn. 294; Ziegert S. 313. 1141 KG NStZ 1999, 476; OLG München StV 1996, 491 f.; enger BGH StV 1999, 576 f. (eine Entschädigung scheidet aus, wenn der Sachverständige zu entsprechenden Ergebnissen gelangt ist wie der gerichtliche Sachverständige, ferner, wenn das Gericht dem Sachverständigen nicht gefolgt ist und dessen Bekundungen sich auch nicht in anderer Weise in der Entscheidung ausgewirkt haben). 1142 Ziegert S. 313. 1143 Dahs Rdn. 474; instruktiv zu diesem Thema Rasch/Jungfer StV 1999 S. 513 ff. 1144 Dahs Rdn. 474; Deckers in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 81 Rdn. 17. 1145 Dahs Rdn. 474; Ziegert S. 313. 1146 Dahs Rdn. 474 der anführt, dass Staatsanwälte in der Hauptverhandlung gegen Sachverständige, die von einem Verteidiger bestellt sind, „Front machen“; Scheffler in Heghmanns/ Scheffler Kap. VII Rdn. 668 m.w.N. 1147 Deckers in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung § 81 Rdn. 17.

D. Das Hauptverfahren

201

3. Einführung der Ermittlungsergebnisse von Verdeckten Ermittlern in die Hauptverhandlung Wie oben beschrieben, ist der Einsatz von Verdeckten Ermittlern – wenn auch nur in begrenztem Umfang – auch in Strafverfahren mit Dopinghintergrund möglich1148. Von dieser Möglichkeit wird, wie auch im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts1149 und der Organisierten Kriminalität1150, in der Praxis häufig Gebrauch gemacht werden, um in die abgeschotteten Täterkreise der Dopingkriminalität1151 vorzudringen. Entsprechend entstehen auch in diesen Strafverfahren regelmäßig die bekannten, den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme tangierenden1152, Probleme bei der Einführung der Ermittlungsergebnisse der Verdeckten Ermittler in die Hauptverhandlung. Der in den §§ 226 I, 250 ff. StPO niedergelegte Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung besagt, dass die Beweisaufnahme in der Regel vor dem erkennenden Gericht selbst erfolgen muss und die Beweismittel – und hierbei vor allem die persönliche Vernehmung durch das Gericht, § 250 StPO – nicht durch Beweissurrogate ersetzt werden dürfen1153. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz entstehen Probleme sobald die Behörde, die sich des Verdeckten Ermittlers – oder auch sonstiger Helfer der Ermittlungsbehörden1154 – bedient, die Identität dieser Person geheim halten will, sei es weil sie diesen Personen die Vertraulichkeit zusichern musste oder sie weiterhin für diesen Zweck einsetzen möchte, sei es zum Schutz dieser Person selbst1155, und so einen Rückgriff auf Beweissurrogate unumgänglich macht. Da es sich bei Verdeckten Ermittlern definitionsgemäß um Beamte handelt (§ 110 a II StPO), benötigen sie gemäß § 54 StPO i.V.m. § 61 II 1 BBG, § 39 II 1 BRRG für das Strafverfahren eine Genehmigung zur Aussage, die nur versagt werden kann, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ersichtlich gefährden oder erheblich erschweren würde (§ 62 I BBG, § 39 III 1 BRRG)1156. Wird die 1148

Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 6. Malek (Kap. VII Rdn. 9) beschreibt den Einsatz von Verdeckten Ermittlern als „eine der in der Praxis wichtigsten Arten der nicht offenen Ermittlungsmethoden“. 1150 Kinzig (S. 536) spricht von „häufigem“ Einsatz Verdeckter Ermittler in Fällen Organisierter Kriminalität; Norouzi (NJW 2003, 434, 435) betont die „wichtige Rolle“, die Verdeckte Ermittler bei der Aufklärung von Organisierter Kriminalität spielen. 1151 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb); BGHSt GrS 32, 115, 120 f. 1152 Beulke Rdn. 425. 1153 Beulke Rdn. 410. 1154 Auf den Einsatz von V-Leuten etc. soll hier, aus Gründen der inhaltlichen Geschlossenheit, nicht gesondert eingegangen werden, da auch zuvor – siehe oben unter Kapitel 3 A. II. 6. – nur die Besonderheiten des Einsatzes Verdeckter Ermittler untersucht wurden. 1155 Beulke Rdn. 425. 1156 Malek Kap. VII Rdn. 91. 1149

202

Kap. 3: Der Strafprozess

Aussagegenehmigung erteilt, dürfen die Beamten bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung – wie andere gefährdete Zeugen auch – gemäß § 68 III StPO ihre wahre Identität verschweigen, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass durch die Angaben Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden1157. Darüber hinaus besteht für den (Landes-)Innenminister1158 gemäß § 110 b III 3 StPO die Möglichkeit, den Verdeckten Ermittler nach § 96 StPO analog zu sperren – d. h. seine Identität gegenüber dem Gericht und dem Angeklagten geheim zu halten1159 –, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Offenbarung seiner Identität Leben, Leib oder Freiheit seiner oder einer anderen Person oder die Möglichkeit einer weiteren Verwendung gefährdet wird. Um zwischen den staatlichen Geheimhaltungsinteressen, der gerichtlichen Aufklärungspflicht und den Rechten des Beschuldigten einen Ausgleich zu finden1160, wurde von der Rechtsprechung1161 die sogenannte Drei-Stufen-Theorie entwickelt, mit der – abhängig vom Grad der Gefährdung und den bestehenden Schutzmöglichkeiten – beurteilt werden kann, ob der Zeuge teilweise1162 oder komplett gesperrt werden muss1163. Auf der ersten Stufe wird geprüft, ob die Schutzmöglichkeiten des Strafverfahrensrechts ausreichen, um den Zeugen in der Hauptverhandlung zu schützen1164. Ist dies der Fall, so ist die Sperrung unzulässig1165. Ist die Gefährdung des Zeugen hingegen so groß, dass eine Aussage in der Hauptverhandlung ausscheidet, so ist auf der nächsten Stufe zu prüfen, ob er zumindest kommissarisch vernommen werden kann (§ 223 StPO)1166. Das Vernehmungsprotokoll wird hierbei gemäß § 251 I Nr. 2 StPO als Urkundsbeweis in den Prozess eingeführt1167. Bietet auch eine solche Vernehmung keinen hinreichenden Schutz, so muss auf der dritten Stufe geprüft werden, ob eine Beweismittelsurrogation durch eine Protokollverlesung (§ 251 I StPO)1168 bezie1157 Ellbogen JA 2005, 334, 334; siehe ausführlich zur Aussagegenehmigung Malek Kap. VII Rdn. 90 ff. 1158 BGHSt 41, 36 ff.; BGH NStZ 1995, 604 f.; Meyer-Goßner § 110 b Rdn. 8; Beulke Rdn. 426; dies gilt für Polizeibeamte, bei Zollbeamten ist der Finanzminister zuständig (Malek Kap. VII Rdn. 139). 1159 Ellbogen JA 2005, 334, 334. 1160 Norouzi JuS 2003, 434, 435. 1161 BGHSt GrS 32, 115 ff.; BGHSt 33, 83 ff.; 34, 15 ff.; 36, 159 ff. 1162 Die Behörde kann die Sperrung in diesen Fällen von bestimmten Bedingungen abhängig machen (Beulke Rdn. 427). 1163 Beulke Rdn. 427 ff.; Ellbogen JA 2005, 334, 334; Norouzi JuS 2003, 434, 435 f. m.w.N. 1164 Ellbogen JA 2005, 334, 334; Diese sog. „äußere Einschränkungen“ sind z. B. das Verschweigen des Wohnortes, § 68 II StPO, die Geheimhaltung der Identität (anonymer Zeuge), § 68 III StPO und §§ 110 b III 3, 96 StPO, der Ausschluss der Öffentlichkeit, § 172 Nr. 1 a GVG sowie die Videosimultanübertragung, § 247 a S. 1 StPO (Beulke Rdn. 427). 1165 Ellbogen JA 2005, 334, 334. 1166 Siehe hierzu ausführlich Malek Kap. VII Rdn. 156 ff. 1167 Norouzi JuS 2003, 434, 435. 1168 Siehe hierzu ausführlich Malek Kap. VII Rdn. 167.

D. Das Hauptverfahren

203

hungsweise das Abspielen von Videoaufzeichnungen früherer Vernehmungen (insbesondere §§ 58 a I 2 Nr. 2, 168 e S. 4, 255 a StPO) – soweit durch den Rückgriff auf audiovisuelle Medien nicht die Preisgabe der Identität des Zeugen zu befürchten ist1169 – oder durch die Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen in Betracht kommt1170. Der Zeuge wird auf der dritten Stufe vollständig gesperrt und hierdurch unerreichbar im Sinne des § 244 III 2 StPO1171. 4. Die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts im Sinne des § 265 StPO und die Nachtragsanklage in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Infolge des Anklagegrundsatzes und das Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft ist das Gericht, was den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung angeht, an die Entscheidung der Staatsanwaltschaft gebunden1172. Nicht gebunden ist das Gericht dagegen an die rechtliche Würdigung der Tat in Anklage und Eröffnungsbeschluss. Es muss allerdings zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung dem Angeklagten einen Hinweis erteilen und Gelegenheit zur Verteidigung geben, wenn es sich abzeichnet, dass die Tat anders als in der Anklage oder im Eröffnungsbeschluss bewertet werden kann1173. Der rechtliche Hinweis im Sinne des § 265 I StPO ist hierbei erforderlich, sobald der Angeklagte – infolge anderer rechtlicher Beurteilung bei gleich bleibendem Sachverhalt oder wegen in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Tatsachen – aufgrund eines Strafgesetzes verurteilt werden soll, dass anstatt oder neben einem in der Anklage bezeichneten Strafgesetz für den Schuldspruch in Betracht kommt1174. Ebenso ist gemäß § 265 II StPO bei neu zu Tage tretenden Strafschärfungsgründen zu verfahren. Bestreitet der Angeklagte, auf die neuen Umstände genügend vorbereitet zu sein, so ist das Verfahren auf seinen Antrag auszusetzen, § 265 III StPO. Führen die, in der Hauptverhandlung neu zu Tage getretenen, Gesichtspunkte zu einer Strafbarkeit wegen einer anderen als der angeklagten Tat im prozessualen Sinne1175, so genügt ein Hinweis gemäß § 265 I, II StPO nicht mehr, sondern es bedarf 1169

Beulke Rdn. 427. Üblicherweise nimmt die Polizei bereits im Ermittlungsverfahren sogenannte Quellenvernehmungen vor, in denen der Verdeckte Ermittler ohne Namensnennung und ohne Erwähnung von identitätsverratenden Fakten über ihre Wahrnehmungen berichtet. Die Erstellung solcher Vernehmungen erfordert nicht nur in dieser, sondern auch in anderer Richtung besondere Sorgfalt, da der vernehmende Polizeibeamte den Sachverhalt umfassend darstellen und gewissermaßen ergänzende Fragen der späteren Prozessbeteiligten antizipieren muss (Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 125); siehe hierzu ferner Malek Kap. VII Rdn. 169 ff. 1171 BGHSt GrS 32, 115, 126; Beulke Rdn. 429; Norouzi JuS 2003, 434, 435. 1172 Hellebrand in Kinzig § 17 Rdn. 95. 1173 Hellebrand in Kinzig § 17 Rdn. 96. 1174 Meyer-Goßner § 265 Rdn. 8 a. 1175 Zu dem Begriff der Tat im prozessualen Sinne: Meyer-Goßner § 264 Rdn. 1 ff. 1170

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Kap. 3: Der Strafprozess

einer gesonderten Anklage1176. In derartigen Fällen steht es im Ermessen der Staatsanwaltschaft1177, ob sie ein neues Verfahren einleitet oder ob sie im Rahmen der Hauptverhandlung mündlich1178 bis zum Beginn der Urteilsverkündung1179 Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO erhebt. Voraussetzungen der Einbeziehung weiterer Straftaten im Wege der Nachtragsanklage sind gemäß § 266 I StPO die Zuständigkeit des Gerichts und die Zustimmung des Angeklagten. In diesem Zusammenhang werden sich in Strafverfahren, die eine Anklage gemäß §§ 6 a, 95 AMG zum Gegenstand haben, etliche Parallelen zu der Handhabung dieser Institute in Betäubungsmittelverfahren ergeben, da sich zum einen die Taten regelmäßig ähneln werden und zum andern auch Ähnlichkeiten in der Konzeption der Tatbestände der §§ 6 a, 95 AMG und § 29 BtMG zu finden sind1180. Ebenso wie in § 29 I Nr. 1 BtMG werden in §§ 6 a I, II a, 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG die verschiedenen mit Strafe bedrohten Handlungsvarianten aufgezählt. Zusätzlich wird von § 29 III Nr. 1 BtMG wie auch von §§ 6 a I, 95 III Nr. 2 b AMG gewerbsmäßiges Handeln als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls normiert. Da auch eine in ihrem Wesen verschiedene Begehungsform derselben Straftat im Sinne des § 265 I StPO ein anderes als das in der gerichtlich zugelassenen Anklage aufgeführte Strafgesetz darstellt1181, hat ein Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts zumeist zu erfolgen, wenn sich erst in der Hauptverhandlung herausgestellt hat, dass eine andere als die angeklagte Handlungsvariante des § 6 a I, II a AMG verwirklicht wurde. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Angeklagte die Dopingmittel nicht verschrieben, sondern bei einem anderen angewandt hat oder wenn er sie nicht nur besessen, sondern in den Verkehr gebracht hat1182. Ob ein rechtlicher Hinweis auch zu erfolgen hat, wenn sich herausstellt, dass der Angeklagte die Dopingmittel nicht verschrieben, sondern anderweitig in den Verkehr gebracht hat, muss hingegen bezweifelt werden, da es sich bei diesen Begehungsformen eher nicht um Wesensverschiedene handelt und ein Hinweis bei gleichartigen Begehungsformen unterbleiben kann1183. Stellt sich erst im Rahmen einer Hauptverhandlung, die eine Anklage gemäß §§ 6 a I, 95 I Nr. 2 a AMG zum Gegenstand hat, heraus, dass die Merkmale eines besonders schweren Falles gemäß §§ 6 a I, 95 III Nr. 2 AMG vorliegen, so ist auch hier gemäß § 265 II StPO ein rechtlicher Hinweis zu erteilen1184. Anders als bei den 1176 1177 1178 1179 1180 1181 1182 1183 1184

Beulke Rdn. 385. Meyer-Goßner § 266 Rdn. 4. Siehe hierzu Meyer-Goßner § 266 Rdn. 5. BGH bei Dallinger MDR 1955, 394, 397; Meyer-Goßner § 266 Rdn. 4. Schild in Doping und Gewaltprävention, 35, 88. Vergleiche hierzu Meyer-Goßner § 265 Rdn. 12. Entsprechendes für Betäubungsmittel Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 97. Vergleiche hierzu Meyer-Goßner § 265 Rdn. 13. So auch Malek Kap. III Rdn. 23.

D. Das Hauptverfahren

205

unbenannten besonders schweren Fällen, ist bei solchen, die durch das Gesetz an Regelbeispielen erläutert werden, der rechtliche Hinweis stets erforderlich1185. Tauchen in der Hauptverhandlung Beschaffungsdelikte oder weitere selbstständige Taten auf, die eine Strafbarkeit nach dem AMG begründen, können diese hingegen nur dann mit abgeurteilt werden, wenn die Staatsanwaltschaft Nachtragsanklage erhebt und darüber hinaus deren weitere Voraussetzungen erfüllt werden1186. Erfolgt in einem solchen Fall keine Nachtragsanklage, stimmt der Angeklagte ihr nicht zu oder lehnt das Gericht die Einbeziehung entsprechend dem ihm zustehenden Ermessen ab, muss unabhängig vom laufenden Verfahren eine neue Anklage erhoben werden, sofern nicht mit Rücksicht auf die Verurteilung in diesem Verfahren nach § 154 StPO von der Anklageerhebung abgesehen werden kann1187.

II. Die verfahrensbeendendeVerständigung Auch wenn es sich bei der Verständigung im Strafverfahren – dem sogenannten „Deal“1188 – bis zum Jahr 2009 um ein von der Strafprozessordnung nicht geregeltes Institut handelte, war sie doch schon längst Praxis des Strafverfahrens1189. Vom Bundesverfassungsgericht als grundsätzlich nicht unzulässig erachtet1190 wurde sie auch vom Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung1191 beziehungsweise in Folgeentscheidungen1192 für grundsätzlich zulässig erachtet. Gleichzeitig wurden durch die oberste Rechtsprechung mehrere Direktiven aufgestellt, bei deren Einhaltung durch den Tatrichter die Verständigung mit der geltenden Rechtsordnung in

1185 BGH NJW 1988, 501 f.; Wessels FS-Maurach, 295, 308. In älterer Rechtsprechung aus dem Betäubungsmittelstrafrecht bejahte der BGH die Hinweispflicht ausschließlich in Bezug auf das Regelbeispiel des gewerbsmäßigen Handelns und ließ die Frage bezüglich der anderen Regelbeispiele ausdrücklich offen (BGH NJW 1980, 714, 714; vergleiche hierzu auch Körner § 29 BtMG Rdn. 1985). 1186 So in Bezug auf Betäubungsmittelverfahren Hellebrand (in Kreuzer § 17 Rdn. 100), der hierfür als Beispiele aufführt, dass der Angeklagte einräumt, den Betäubungsmittelkonsum durch bestimmte Einbrüche finanziert oder für den Dealer Kurierfahrten durchgeführt zu haben. 1187 Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 100. 1188 So die wohl bekannteste, umgangssprachlich verwendete Begrifflichkeit. Zu den anderen verwendeten Begriffen: Ioakimidis in Heghmanns/Scheffler Kap. VIII Rdn. 25. 1189 Leipold NJW-Spezial 2009, 520, 520; So auch der Bundestag in seinem Gesetzesentwurf zum Gesetz zur Reglung der Verständigung im Strafverfahren (BT-Drucks 16/12310 S. 7), der ausführt, dass die Verständigung im Strafverfahren ein Phänomen ist, das aus dem Gerichtsalltag, insbesondere in umfangreichen und schwierigen Verfahren, mittlerweile nicht mehr hinweg zu denken ist. 1190 BVerfG NStZ 1987, 419 f.; siehe hierzu auch Ioakimidis in Heghmanns/Scheffler Kap. VIII Rdn. 41. 1191 BGHSt 43, 195 ff. 1192 So z. B. BGHSt GrS 50, 40, 48.

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Kap. 3: Der Strafprozess

Einklang zu bringen war1193. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mündete trotz alledem final in einem Appell1194 an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und bejahendenfalls die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Absprachen zu regeln1195. Der Deutsche Bundestag hat hierzu – nach heftiger Diskussion in Wissenschaft und Praxis1196 – am 28. 05. 2009 das Gesetz zur Reglung der Verständigung im Strafverfahren beschlossen, welches am 4. 08. 2009 in Kraft getreten ist1197 und primär das Ziel verfolgt, klare Vorgaben für Absprachen im Strafprozess im Hinblick auf Verfahren, Inhalt und Folgen zu machen1198. Zentralvorschrift für die Verständigung im Strafverfahren ist § 257 c StPO, in welchem die verfahrensbeendende Verständigung geregelt ist1199. 1. Gegenstand der verfahrensbeendenden Verständigung Die zulässigen Absprachegegenstände werden abschließend durch § 257 c II StPO normiert. Danach darf die Verständigung zunächst nur die Rechtsfolgen betreffen, die Inhalt eines Strafurteils oder eines dazugehörigen Beschlusses sein können, nicht jedoch den Schuldspruch. Dies bedeutet vor allem, dass die Frage, nach welchen Tatbeständen der Beschuldigte sich strafbar gemacht hat, keinesfalls verhandelbar ist1200. Bezüglich der Rechtsfolge ist es dem Gericht untersagt, eine bestimmte Strafe anzugeben, es darf lediglich eine Ober- und Untergrenze der Strafe vereinbart werden, § 257 c III 2 StPO1201. Darüber hinaus ist auch – im Rahmen der durch § 56 StGB gesetzten Grenzen – verhandelbar, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll1202. Aufgrund der Tatsache, dass Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht an das Unrecht der Tat, sondern an die Gefährlichkeit des Täters 1193

Kindhäuser § 19 Rdn. 4; ein Überblick zu den Direktiven Malek Kap. VII Rdn. 273; Kröpil JR 2010, 96, 97. 1194 Zum Teil auch als „unüberhörbarer Hilferuf“ bezeichnet (Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2626). 1195 BGHSt 50, 40, 64. 1196 Ein guter Überblick hierzu Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2625 f. 1197 BT-Drucks 16/11736, 16/13095; siehe hierzu auch Altenhain/Haimerl JZ 2010, 327 ff.; Bittmann wistra 2009, S. 414 ff.; Jahn/Müller NJW 2009, 2625 ff.; Kröpil JR 2010, 96 ff.; Leipold NJW-Spezial 2009, 520 ff. 1198 Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2626. 1199 BT-Drucks 16/12310 S. 8, 13; Von Kröpil (JR 2010, 96, 97) als „Kern“ der Reglung über die Urteilsabsprache bezeichnet; So auch Meyer-Goßner (§ 257 c Rdn. 1), der jedoch anmerkt, dass die Vorschrift an einer falschen Stelle in das Gesetz eingefügt worden ist. 1200 Kindhäuser § 19 Rdn. 5. 1201 Leipold (NJW-Spezial 2009, 520, 520) geht davon aus, dass die Feststellung einer Oberund Untergrenze für die festzustellende Strafe voraussichtlich auch den Hauptanwendungsbereich von Absprachen ausmachen wird. 1202 Meyer-Goßner § 257 c Rdn. 12; Kindhäuser § 19 Rdn. 5.

D. Das Hauptverfahren

207

anknüpfen1203, dürfen diese gemäß § 257 c II 3 StPO nicht zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden. Weiterhin kann die Verständigung gemäß § 257 c II StPO sonstige verfahrensbezogenen Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren betreffen. Diese Generalklausel ist jedoch gerade nicht für die in der Praxis bedeutsame Einstellung von Parallelverfahren nach § 154 StPO einschlägig. Solche Zusagen durch die Staatsanwaltschaft sind zwar, wie sich auch im Umkehrschluss aus § 257 c II 3 StPO ergibt, zulässig1204. Sie nehmen aber nicht an der Bindungswirkung nach Maßgabe der Abs. 4 und 5 des § 257 c StPO teil1205. Zuletzt soll auch das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten in die Verständigung einbezogen werden können. Hierbei geht es weniger um das „Benehmen“ einzelner Beteiligter, als vielmehr um deren prozessuale Handlungsoptionen1206. Beispiele für derartiges Prozessverhalten sind der Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen durch den Angeklagten oder den Nebenkläger, die Zusage der Schadenswiedergutmachung durch den Angeklagten oder der Verzicht der Staatsanwaltschaft auf eine geständige Einlassung des Angeklagten1207. Das Geständnis auf Seiten des Angeklagten ist – entgegen der bisher üblichen Praxis1208 – nicht zwingender Gegenstand einer verfahrensbeendenden Verständigung. Gemäß § 257 c II 2 StPO „soll“ es zwar Bestandteil einer jeden Verständigung sein, wird aber nicht notwendigerweise vorausgesetzt. Was im Sinne der Norm unter dem „bemerkenswert unbestimmten“1209 Gesetzesbegriff des Geständnisses zu verstehen ist, ist noch nicht hinlänglich geklärt1210. Unter einem Geständnis gemäß § 254 StPO ist das Zugestehen der Tat oder einzelner Tatsachen, die für die Entscheidung zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage erheblich sein können, zu verstehen1211. Zwar wird man diese Definition, vor allem bezüglich des Ausreichens der Einräumung einzelner Tatsachen, nicht auf § 257 c II 2 StPO übertragen können. Dass für das Absprachegeständnis andererseits aber auch nicht eine detailreiche und in jeder Hinsicht schlüssige Schilderung des äußeren und inneren Deliktstatbestandes verlangt werden kann, belegt bereits der Umkehrschluss aus § 362 Nr. 4 1203

Kindhäuser § 19 Rdn. 5. Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2628. 1205 BT-Drucks 16/12310 S. 13. 1206 Kindhäuser § 19 Rdn. 7. 1207 Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2628; Leipold NJW-Spezial 2009, 520, 520. 1208 Zuvor war das Geständnis „Dreh- und Angelpunkt“ des Deals (Leipold NJW-Spezial 2009, 520, 520). 1209 Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2628. 1210 Der Bundestag führt hierzu in seinem Gesetzesentwurf zum Gesetz zur Reglung der Verständigung im Strafverfahren aus, dass auf die Festlegung der erforderlichen “Qualität” eines Geständnisses bewusst verzichtet wird, da die denkbaren Fallgestaltungen zu mannigfaltig sind. (BT-Drucks 16/12310 S. 13 f.). 1211 Meyer-Goßner § 254 Rdn. 2; Dencker ZStW 102, 51, 62 u. 68. 1204

208

Kap. 3: Der Strafprozess

StPO. Dort ist gerade das weitergehende „Geständnis zur Straftat“ Voraussetzung. Auf eine Festschreibung dieses Qualitätsniveaus wird im Verständigungsgesetz bewusst verzichtet1212. Auch den aus der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung bekannten Kriterien „Umfassendheit“ und „Nachprüfbarkeit“ wird aus Gründen der Flexibilität entgegen der Vorstellung des Bundesrats ausdrücklich eine Absage erteilt1213. Im Ergebnis wird man also bei § 257 c II 2 StPO regelmäßig eine „schlanke“ geständige Einlassung auch im Sinne eines nur pauschal eingeräumten Tatvorwurfs dann ausreichen lassen müssen, wenn mit dieser Schilderung der anklagegegenständliche Sachverhalt für Gericht und Staatsanwaltschaft nachvollziehbar eingeräumt wird1214 und zuvor nichts Anderweitiges – zum Beispiel ein „vollumfängliches“ Geständnis – zur Voraussetzung der Verständigung gemacht wurde. 2. Verfahren Das Zustandekommen einer verfahrensbeendenden Verständigung richtet sich nach § 257 c III StPO. Die Norm regelt jedoch nicht ausdrücklich, von wem die Initiative zu der Verständigung ausgehen kann. Nach zustimmungswürdiger Ansicht braucht sie nicht alleine vom Gericht auszugehen, sondern kann auch durch andere Verfahrensbeteiligte angeregt werden1215. Die Bekanntgabe des möglichen Inhalts der Verständigung, obliegt jedoch gemäß § 257 c III 1 StPO ausschließlich dem Gericht. Es kann bereits zu diesem Zeitpunkt unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- oder Untergrenze der Strafe angeben. Dazu sind die Verfahrensbeteiligten zu hören. Das Gericht hat den Angeklagten im Anschluss darüber zu belehren, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen es sich von der anstehenden Verständigung lösen kann, § 257 c V StPO1216. Stimmen der Angeklagte1217 und die Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zu, kommt die Verständigung zu Stande. Dabei sind der wesentliche Ablauf, Inhalt und Ergebnis der diesbezüglichen Erörterung und Belehrung gemäß § 273 I 2, I a StPO im Hauptverhandlungsprotokoll festzuhalten. 1212

Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2628. BT-Drucks 16/12310 S. 21. 1214 Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2628, die weiter ausführen, dass hingegen in der Regel ein prozessuales Anerkenntnis („Stimmt, ich war’s“), bloßes Nichtbestreiten („Ich trete der Anklage nicht länger entgegen“) oder eine formale Unterwerfungserklärung des Angeklagten ohne inhaltliche Substanz („Ich räume die Anklage jetzt ein, gebe aber keine weiteren Erklärungen ab“) nicht ausreichend sind. 1215 Meyer-Goßner § 257 c Rdn. 23; Kindhäuser § 19 Rdn. 10; Bereits der Gesetzesentwurf des Gesetzes zur Reglung der Verständigung im Strafverfahren geht davon aus, dass kein alleiniges Initiativrecht des Gerichts zur Verständigung besteht (BT-Drucks 16/12310 S. 13). 1216 Die Belehrung nach § 257 c V StPO muss bereits vor dem Wirksamwerden der Verständigung erfolgen (Eschelbach in Graf § 257 c Rdn. 41). 1217 Bittmann (wistra 2009, 414, 415) macht deutlich, dass dies in Konsequenz bedeutet, dass eine Verständigung auch gegen den Willen des Verteidigers zu Stande kommen kann. 1213

D. Das Hauptverfahren

209

Kommt die Verständigung nach den vorstehenden Maßgaben zu Stande, ist sie für das Gericht grundsätzlich bindend1218. Die Bindung kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 257 c IV StPO entfallen. Dies ist gemäß § 257 c IV 1 StPO zum einen möglich, wenn das Gericht aufgrund rechtlich oder tatsächlich bedeutsamer Umstände, die übersehen wurden oder sich neu ergeben haben, zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist und zum anderen gemäß § 257 IV 2 StPO, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Unter dem Prozessverhalten des Angeklagten ist selbstverständlich weder dessen Aussehen, noch dessen Auftreten an den weiteren Verhandlungstagen zu verstehen, sondern schlicht die Tatsache, dass das Gericht nicht an die eigene Zusage gebunden ist, wenn der Angeklagte das Seine nicht wahrt1219. Aus § 257 c IV StPO ergibt sich somit, dass eine einfache Meinungsänderung des Gerichts nicht ausreicht, um die Bindungswirkung entfallen zu lassen. Notwendig sind vielmehr auch für die Rechtsmittelinstanz nachprüfbare objektive Umstände1220. Entfällt die Bindung an die Absprache, sieht § 257 c IV 3 StPO ein Beweisverwertungsverbot für das bereits abgelegte Geständnis des Angeklagten vor. Seine Begründung findet es im Grundrecht des Angeklagten auf ein faires Verfahren1221. Entfällt die Bindung des Gerichts, darf der vom Angeklagten im Vertrauen auf den Bestand der Absprache vorgeleistete Beitrag nicht gegen ihn verwendet werden1222. 3. Die verfahrensbeendende Verständigung in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Die verfahrensbeendende Verständigung kann in Strafverfahren mit Dopinghintergrund in Anbetracht der bekannten Beweisprobleme eine gewichtige Rolle spielen1223, wobei in der Praxis besonders darauf zu achten ist, dass das Geständnis des Angeklagten, das grundsätzlich keine zwingende Voraussetzung ist, Teil der Verständigung wird. Wie nunmehr hinlänglich beschrieben, werden die Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten gemäß §§ 6 a, 95 AMG vor erhebliche Beweispro1218

BT-Drucks 16/12310 S. 14. Bittmann wistra 2009, 414, 416. 1220 Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2629. 1221 BT-Drucks 16/12310 S. 14; Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2629, Fn. 57 m.w.N. 1222 Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2629, gehen darauf ein, dass die Verwertbarkeit von Ergebnissen aus Folgeermittlungen noch ungeklärt ist. 1223 Das dies bei den strukturell vergleichbaren Betäubungsmittelstrafverfahren bereits der Fall ist, führt Malek (Kap. VII Rdn. 266) aus: „Große praktische Bedeutung haben Absprachen daher gerade auch im Betäubungsmittelstrafrecht, was häufig mit besonderen Beweisschwierigkeiten in diesen Verfahren zu tun hat.“ 1219

210

Kap. 3: Der Strafprozess

bleme gestellt. Diese resultieren vor allem auch aus dem Aussageverhalten des Angeklagten. Da alle am Doping eines Sportlers beteiligten Personen eigene Interessen an der Geheimhaltung der Vorgänge rund um das Doping haben1224, sind sowohl der Sportler selbst, sein Dopingmittelhändler sowie die weiteren Beteiligten als Angeklagte zumeist nicht aussagewillig. Ein Anreiz für eine Aussage kann in Strafverfahren mit Dopinghintergrund auch nur selten durch den Einsatz der Kronzeugenreglung geschaffen werden. Wie bereits beschrieben, kommt nur ein geringer Teil der Delinquenten dieser Straftaten als Kronzeugen in Betracht, da von § 46 b StGB nur Täter eines besonders schweren Falls gemäß § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, III 2 Nr. 2 b AMG erfasst werden, die Kenntnisse über zumindest eine weitere, als besonders schweren Fall einzustufende, Dopingstraftat preisgeben1225. Ein Anreiz für eine Aussage des Angeklagten kann in geeigneten Fällen jedoch im Rahmen der Hauptverhandlung durch die verfahrensbeendende Verständigung geschaffen werden, die ebenso wie die Kronzeugenreglung von der Grundprämisse ausgeht, dass ein Entgegenkommen des Beschuldigten durch mildere Strafen honoriert wird. Führen in diesem Sinne die Beweisprobleme in der Hauptverhandlung dazu, dass das Gericht erkennt, dass eine Verurteilung nicht ohne weiteres – also zumindest nicht ohne eine langwierige, aufwändige Beweisaufnahme – möglich ist, wird es dem Angeklagten eine Verständigung anbieten. Bei dieser ist in Strafverfahren mit Dopinghintergrund verstärkt darauf zu achten, dass das Geständnis des Angeklagten zur Voraussetzung der Einigung gemacht wird. Durch das Geständnis können im Idealfall weitere Ermittlungsansätze erlangt werden1226, die bei einem derart strukturierten Deliktsbereich – der sich aufgrund einer allgemeinen Abschottung nach außen durch undurchsichtige Täterstrukturen auszeichnet1227 – von umso größerer Bedeutung sind. Wird durch das Geständnis eines dopenden Sportlers beispielsweise dessen Dopingmittelhändler bekannt oder durch die Aussage des Händlers, dessen Versorger, so können gegen diese Personen in der Folge weitere Verfahren eingeleitet werden und so bestenfalls nach und nach die Täter hinter den Tätern ermittelt und die Organisationsstrukturen offen gelegt werden. In diesem Sinne sollte das Gericht sogar darauf hinwirken, dass das Geständnis auch die Beteiligung Dritter an der verfahrensgegenständlichen Tat umfasst1228. Nicht möglich ist hingegen, dass Aussagen über andere als in der Anklage aufgeführte Taten Dritter zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden, dass der Angeklagte also als eine Art informeller Kronzeuge1229 – und somit regelmäßig unter 1224

Siehe hierzu ausführlich oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 1. c) cc). 1226 Siolek FS Rieß 2002, 563, 571. 1227 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. c) bb). 1228 Siolek (FS Rieß 2002, 563, 571) und Weider (StV 2003, 266, 266) berichten aus der Praxis, dass derartige Aussagen – zumindest vor der Normierung der verfahrensbeendenden Verständigung – in zunehmendem Maße von den Gerichten angestrebt wurden. 1229 Eschelbach in Graf § 257 c Rdn. 10. 1225

D. Das Hauptverfahren

211

Umgehung der Voraussetzungen des § 46 b StGB – einen Strafrabatt durch Aussagen über weitere Straftaten Dritter erlangt, an denen er selbst nicht beteiligt war. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Konnexität, der vom BGH vor ihrer Normierung für die Verständigung entwickelt wurde1230. Dieser geht davon aus, dass der Konflikt, den der Vorschlag einer Verständigung durch das Gericht für den Angeklagten mit sich bringt – sein Verhalten den Wünschen des Gerichts anzupassen oder die Möglichkeit einer deutlich höheren Strafe in Kauf zu nehmen – hinnehmbar ist, sofern die Verständigung geeignet ist, anerkannten strafprozessualen Zwecken zu dienen. Nicht hinzunehmen ist er hingegen, wenn das dem Angeklagten angesonnene Verhalten ersichtlich vordergründig einem Zweck dient, der mit der angeklagten Tat und dem Gang der Hauptverhandlung in keinem inneren Zusammenhang steht1231. Hieraus ergibt sich, dass Gegenstand einer Absprache nur solche Bedingungen sein können, bei denen ein innerer Zusammenhang zwischen Verfahrensgegenstand und dem Gang der Hauptverhandlung einerseits und der strafmildernd zu berücksichtigenden Leistung des Angeklagten andererseits besteht1232. Bezüglich der Aussage des Angeklagten bedeutet dies, dass der Grundsatz der Konnexität nicht gewahrt ist, wenn im Rahmen der Absprache eine Strafmilderung für Angaben bezüglich Taten Dritter versprochen wird, bezüglich derer der innere Zusammenhang zur verfahrensgegenständlichen Tat fehlt1233. Es spricht einiges dafür, dass die Normierung der verfahrensbeendenden Verständigung nichts an der Geltung der Rechtsprechung in Bezug auf die Konnexität geändert hat. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Ausgestaltung des § 257 c II StPO. Die dort aufgeführten, abschließenden Verfahrensgegenstände beziehen sich erkennbar ausschließlich auf das gegenständliche Verfahren. Weder der Norm noch den Gesetzesmaterialien1234 ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Einbeziehung weiterer Verfahren in die Verständigung beabsichtigt hat. Demgemäß ist davon auszugehen, dass auch weiterhin das Geständnis nur der Förderung des an1230 BGH NStZ 2004, 338 f., in Bezug genommen durch den Gesetzesentwurf des Gesetzes zur Reglung der Verständigung im Strafverfahren (BT-Drucks 16/12310 S. 7), indem ausgeführt wurde: „Auch in den Folgejahren war es maßgeblich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die den Verständigungen im Strafverfahren weitere Konturen setzte und in den letzten Jahren davon geprägt war, Auswüchsen beim Zustandekommen und beim Inhalt von Verständigungen entgegenzuwirken, wie sie beispielsweise durch … die Verknüpfung mit verfahrensfremden Zwecken zu verzeichnen war.“ Siehe hierzu auch Ioakimidis in Heghmanns/ Scheffler Kap. VIII Rdn. 95 f. 1231 BGH NStZ 2004, 338, 339. 1232 Weider NStZ 2004, 339, 340. 1233 Weider NStZ 2004, 339, 340. 1234 So geht der Gesetzesentwurf beispielshalber davon aus, dass die Zusage einer Schadenswiedergutmachung „selbstverständlich“ nur bezogen auf das gegenständliche Verfahren zum Teil der Verständigung werden kann (BT-Drucks 16/12310 S. 13). Weiter führt der Gesetzesentwurf aus, dass „Entscheidungen, die in andere Verantwortlichkeit als derjenigen fallen, die am Erkenntnisverfahren beteiligt sind oder Prozesssituationen außerhalb des gegenständlichen Erkenntnisverfahrens betreffen“ ausgeschlossen sind (BT-Drucks 16/12310 S. 13).

212

Kap. 3: Der Strafprozess

hängigen Verfahrens dienlich sein darf und sich somit Erkenntnisse über Tatbeiträge Dritter nur aus dem Geständnis bezüglich der angeklagten Tat ergeben dürfen, ein solches umfängliches Geständnis aber grundsätzlich zur Voraussetzung der Verständigung gemacht werden kann1235. Ob eine Verständigung in Verfahren, die eine Anklage gemäß §§ 6 a, 95 AMG zum Gegenstand haben, in der Praxis auch einen tatsächlichen Anreiz für eine Aussage des Angeklagten darstellt, kann bezweifelt werden. Vor allem bei einer Anklage gemäß §§ 6 a I, II a, 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG ist der Anreiz einer Straferleichterung, aufgrund der ohnehin geringen zu erwartenden Strafe, nicht sonderlich groß1236. Von Interesse kann eine Verständigung jedoch auch in diesen Fällen mitunter für Spitzensportler sein, da hierdurch das Verfahren abkürzt wird und sie somit nicht essentielle Trainingseinheiten oder Wettkämpfe verpassen müssen. Darüber hinaus kommt eine Verständigung wohl maßgeblich in Verfahren, in denen ein besonders schwerer Fall gemäß §§ 6 a I, 95 I Nr. 2 a, III Nr. 2 AMG angeklagt wird, in Betracht.

III. Das Urteil – Die Rechtsfolgen der Tat Nach dem Ende der Beweisaufnahme, den Schlussvorträgen und dem letzten Wort des Angeklagten (§ 258 StPO) zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Anschließend verkündet es das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und Erörterung der Urteilsgründe, § 268 StPO. Das Urteil kann auf Verurteilung, Freispruch oder Einstellung wegen eines Prozesshindernisses beziehungsweise Fehlens der Prozessvoraussetzungen lauten1237. Wird der Angeklagte verurteilt, muss sich das Gericht bezüglich der Strafe neben der Schuldfeststellung mit der Strafzumessung befassen. Darüber hinaus ist zu überprüfen, ob die Verhängung sonstiger Sanktionen erforderlich ist. 1. Die Strafe – Die Strafzumessung Strafzumessung bedeutet Bestimmung der konkreten Strafe im Einzelfall1238. Sie orientiert sich an Sinn und Zweck der Strafe und beruht auf einer Gesamtbewertung aller täter- und tatbezogenen Merkmale1239. In einem ersten Schritt ist der anzuwendende Strafrahmen zu bestimmen. Dabei stellt der Tatbestand bereits einen übergeordneten Strafzumessungsgrund dar, der für sämtliche Erscheinungsformen der in Betracht kommenden Tat gilt. Enthält die einschlägige Strafnorm neben dem Normalstrafrahmen einen Sonderstrafrahmen für besonders schwere oder für be1235

Weider StV 2003, 266, 266. So in Bezug auf die Kronzeugenreglung: Abschlussbericht der ReSpoDo S. 22; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 49; Körner KR 2003, 101, 102. 1237 Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 136. 1238 Malek Kap. III Rdn. 2. 1239 Malek Kap. III Rdn. 2. 1236

D. Das Hauptverfahren

213

sonders milde Fälle, so hat der Tatrichter zunächst zu entscheiden, von welchem Strafrahmen er im Einzelfall ausgeht1240. Erst danach ist innerhalb des gewählten Strafrahmens die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen1241. Kommt es zu einer Verurteilung gemäß §§ 6 a, 95 AMG, gilt es im Rahmen der Strafzumessung einige Besonderheiten zu beachten, auf die im Folgenden – trotz der eigentlichen Zugehörigkeit der Strafzumessung zum materiellen Strafrecht – eingegangen werden soll. Einige der Besonderheiten ergeben sich erneut aus der Nähe der Doping- zu der Betäubungsmitteldelinquenz, andere sind dopingspezifisch. a) Die Strafrahmen des § 6 a i.V.m. § 95 AMG § 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe für denjenigen vor, der entgegen § 6 a I, II a AMG Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr bringt, verschreibt, bei anderen anwendet oder diese in nicht geringen Mengen besitzt. Gemäß § 95 IV AMG wird die fahrlässige Tatbegehung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus § 95 III AMG. Darüber hinaus normiert § 95 III Nr. 2 AMG eine Strafschärfung für besonders schwere Fälle. Solche liegen in der Regel vor, wenn Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport an Personen unter 18 Jahren abgegeben oder bei diesen angewendet werden (§ 95 III Nr. 2 a AMG), wenn gewerbsmäßiges Handeln zu bejahen ist oder wenn der Täter Mitglied einer Bande ist, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat (§ 95 III Nr. 2 b AMG). Die Norm sieht hierfür einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Straftatbestand § 6 a I i.V.m. § 95 I Nr. 2 a AMG

Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren/ Geldstrafe

§ 6 a II a i.V.m. § 95 I Nr. 2 b AMG

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren/ Geldstrafe

§§ 6 a, 95 I, IV AMG

Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr/ Geldstrafe

§§ 6 a, 95, I, III AMG

Strafmilderung gemäß §§ 23 II, 49 I StGB möglich

§§ 6 a I, 95 I Nr. 2 a, III Nr. 2 a AMG Freiheitsstrafe von 1 – 10 Jahren §§ 6 a I, 95 I Nr. 2a, III Nr. 2 b AMG Freiheitsstrafe von 1 – 10 Jahren

1240 1241

BGH StV 1984, 64. Malek Kap. III Rdn. 2.

214

Kap. 3: Der Strafprozess

b) Die Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 StGB Einzelne Vorschriften können eine Strafmilderung gemäß § 49 StGB unter Bezugnahme auf § 49 I StGB oder § 49 II StGB zulassen oder in den Fällen von § 49 I StGB bestimmen. Wenn das Gesetz in diesen Fällen von Mildern der Strafe spricht, ist die obligatorische oder fakultative Wahl eines niedrigeren Strafrahmens gemeint, aus dem gegebenenfalls zunächst die Strafart und dann unmittelbar die Strafe zuzumessen ist1242. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung sind hierbei vor allem die möglichen Strafrahmenverschiebungen aufgrund einer verminderten Schuldfähigkeit und der Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung schwerer Straftaten von besonderem Interesse. aa) Die Strafmilderung aufgrund verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB Der § 21 StGB normiert einen fakultativen Strafmilderungsgrund1243. Hiernach ist derjenige vermindert schuldfähig, dessen Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erheblich vermindert ist. Die Norm sieht in diesen Fällen die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach den Maßgaben des § 49 I StGB vor, deren Anwendung in das Ermessen des Tatrichters gestellt wird1244. Bezüglich der Anwendung des § 21 StGB auf Straftäter aus dem Bereich Betäubungsmitteldelinquenz ist eine umfassende Rechtsprechung ergangen1245, die sich maßgeblich mit der Frage beschäftigt, inwiefern eine Betäubungsmittelabhängigkeit zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen kann. Im Grundsatz wird hierbei davon ausgegangen, dass die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln an sich noch zu keiner Minderung der Schuldfähigkeit – geschweige denn zu deren Ausschluss gemäß § 20 StGB – führt1246. Eine solche kann jedoch in Ausnahmefällen gegeben sein, wenn zum Beispiel der langjährige Betäubungsmittelgenuss zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen1247 – der sogenannten Depravierung1248 – geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen1249. Das gleiche gilt, bei Tatbege1242

Fischer § 49 Rdn. 2. Fischer § 49 Rdn. 3; Wessels/Beulke AT Rdn. 413. 1244 Siehe zur Ausübung des Ermessens speziell in Bezug auf Betäubungsmittel Malek Kap. III Rdn. 50 ff. 1245 Einen guten Überblick hierüber bieten Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 17 ff. 1246 So beispielshalber BGH NStZ 2001, 642; BGH NStZ-RR 2002, 263. 1247 Siehe hierzu im Einzelnen Malek Kap. III Rdn. 42. 1248 Hellebrand in Kreuzer § 17 Rdn. 149. 1249 BGH NStZ-RR 2002, 263; Malek Kap. III Rdn. 41. 1243

D. Das Hauptverfahren

215

hung während eines aktuellen Rausches1250, aber auch bei bloßer Angst vor Entzugserscheinungen, insbesondere bei einem Heroinabhängigen, der diese schon als äußerst unangenehm erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, auch wenn körperliche Entzugserscheinungen zur Tatzeit noch nicht vorhanden sind1251. Es ist somit zu erkennen, dass erst die Auswirkungen der Sucht und die sich daraus ergebenden Folgeerscheinungen in Einzelfällen zu der Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit führen können. Ob entsprechend dieser Rechtsprechung eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB in Einzelfällen auch aufgrund einer Abhängigkeit von Dopingmitteln und den dadurch bedingten Folgeerscheinungen angenommen werden kann, ist bislang ungeklärt und wohl auch eher zu bezweifeln. Bereits die Frage, ob Dopingmittel überhaupt ein vergleichbares Suchtpotential besitzen, konnte bislang weder medizinisch noch von der Rechtsprechung abschließend beantwortet werden. Das nicht von allen in der Verbotsliste des Europäischen Übereinkommens gegen Doping aufgeführten Stoffen eine zu den BtMG-Substanzen vergleichbare Gefährlichkeit ausgeht, ist übereinstimmende Ansicht1252. Ein Suchtpotential kann hierbei, wie sich aus der Literatur ergibt1253, noch am ehesten der Gruppe der anabolen Steroide zukommen. In diesem Zusammenhang wurde von der Rechtskommission des Sports gegen Doping (ReSpoDo), bezüglich der Frage der Pönalisierung des Besitzes anaboler Steroide, eine gutachterliche Kurzstellungnahme eingeholt, die zu dem Ergebnis kam, dass „anabol-androgene Steroide ein Abhängigkeitspotential im Sinne der pharmakologischen Definition „Abhängigkeit“ besitzen (können)“1254. Das Verhältnis des Gefahren- beziehungsweise Suchtpotentials anaboler Steroide zu den Rauschmitteln Cannabis, Kokain und Heroin einerseits und zu Koffein und Nikotin andererseits konnte jedoch auch im Rahmen dieser Untersuchung noch nicht abschließend festgestellt werden. Nach Ansicht der Rechtskommission besteht in diesem Punkt weiterer Aufklärungsbedarf1255. So lange demgemäß nicht einmal fundierte Erkenntnisse über das Suchtpotential von Dopingmitteln, geschweige denn deren Folgewirkungen, existieren, kann die Frage, ob diese zu einer Strafmilderung gemäß § 21 StGB führen können, nicht beantwortet werden. Hinweise aus der Literatur, dass das Suchtpotential, das man bei den anabolen Steroiden festgestellt hat, weit davon entfernt ist, bei vielen Verwendern ein unbeherrschbares Verlangen nach Anabolika im Sinne einer krankhaften

1250

Ständige Rechtsprechung des BGH, so zum Beispiel BGH StV 1997, 517 f. So zum Beispiel BGH NStZ 1999, 448 f. 1252 Hauptmann SpuRt 2005, 239, 241. 1253 So der Abschlussbericht der ReSpoDo S. 34; Ahlers S. 218; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 61. 1254 Abschlussbericht ReSpoDo S. 34. 1255 Abschlussbericht ReSpoDo S. 34. 1251

216

Kap. 3: Der Strafprozess

Drogenabhängigkeit zu wecken1256, vermögen schon einmal eine Tendenz vorzugeben, zu einem abschließenden Ergebnis wird man ohne gesicherte medizinische Erkenntnisse jedoch nicht kommen können. bb) Die Strafmilderung aufgrund der Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung schwerer Straftaten gemäß § 46 b StGB Ein weiterer fakultativer Strafmilderungsgrund findet sich in § 46 b StGB für sogenannte Kronzeugen. Gemäß § 46 b I StGB kann der Strafrahmen nach den Maßgaben des § 49 I StGB verschoben werden, wenn ein Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, vor der Eröffnung der Hauptverhandlung durch die Offenbarung von Wissen zu der Aufklärung oder Verhinderung einer von § 100 a II StPO erfassten Straftat beigetragen hat1257. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt es im Ermessen des Gerichts, die Strafe zu mildern, wobei ihm für seine Entscheidung durch § 46 b II StGB zwei – jedoch nicht abschließende1258 – Richtlinien vorgegeben werden. Gemäß § 46 b II Nr. 1 StGB ist zunächst die Quantität und die Qualität des mitgeteilten Kronzeugenwissens zu berücksichtigen. Nach § 46 b II Nr. 2 StGB ist weiter eine Abwägung zwischen der Tat des Kronzeugen und der Tat, zu der Aufklärungs- und Präventionshilfe geleistet wurde, erforderlich. Kommt das Gericht zu der Entscheidung, dass eine Strafmilderung erfolgen soll, ist zu beachten, dass gemäß § 46 b I StGB anstelle einer ausschließlich angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe eine solche nicht unter zehn Jahren tritt, und dass das Gericht anstelle einer Milderung von Strafe absehen kann, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Wie bereits zuvor beschrieben1259, kann die Kronzeugenreglung im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung nur in einem geringen Teil der Fälle zur Anwendung kommen. Die Voraussetzungen des § 46 b StGB werden nur von Tätern eines besonders schweren Falls gemäß § 6 a i.V.m. § 95 I Nr. 2 a, III 2 Nr. 2 b AMG erfüllt, die Kenntnisse über zumindest eine weitere, als besonders schweren Fall einzustufende, Dopingstraftat preisgeben. Trotz dieses limitierten Anwendungsbereichs werden Staatsanwaltschaft und Gericht in den Fällen, in denen dies möglich 1256 Unter Hinweis auf sportmedizinische Fachliteratur: Ahlers S. 218, der weiter von einem „geringen“ Suchtpotential spricht; Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 61; anders Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 145, die – jedoch ohne Angaben einer Quelle bezüglich dieser Annahme – davon ausgehen, dass Anabolika zumindest das Abhängigkeitspotential der „weichen“ Droge Haschisch oder sogar einer Droge mittlerer Gefährlichkeit wie Kokain hat. 1257 Siehe zu den Voraussetzungen des § 46 b StGB im Einzelnen oben unter Kapitel 3 A. II. 1. c) bb). 1258 BT-Drucks 16/6268 S. 2; Peglau wistra 2009, 409, 411. 1259 Siehe oben unter Kapitel 3 A. II. 1. c) cc).

D. Das Hauptverfahren

217

ist, regelmäßig versuchen, den Angeschuldigten als Kronzeugen zu gewinnen, um durch seine Aussagen wertvolle Informationen über die Hinterleute des Dopings zu erlangen und so die zuvor undurchsichtigen Täterstrukturen aufzubrechen. Geschieht dies, so sind im Rahmen der Strafmilderung die zusätzlichen Voraussetzungen des § 46 b StGB zu beachten. c) Die Strafzumessung im engeren Sinne Innerhalb des im konkreten Fall anzuwendenden Strafrahmens ist auf der Grundlage der individuellen Schuld des Täters unter Berücksichtigung der Strafzwecke die Strafe zu bestimmen1260. Die von der Rechtsprechung insoweit vertretene Spielraumtheorie1261 beruht auf dem Gedanken, dass sich aus dem Schuldmaß zwar keine feste Strafgröße für eine konkrete Tat, wohl aber ein gegenüber dem gesetzlichen Strafrahmen konkreter Schuldrahmen finden lässt. Innerhalb dieses Rahmens ist in richterlicher Wertung die schuldangemessene1262 Strafe für die konkrete Tat unter Berücksichtigung der anerkannten Strafzwecke zuzumessen1263. Die in § 46 II StGB beispielhaft genannten Strafzumessungstatsachen bilden die faktische Grundlage für den nach den Leitgesichtspunkten orientierten Bewertungsakt der Zumessung1264. Jedoch kommen nicht alle der in dem dortigen Katalog aufgezählten Umstände in jedem Fall in Frage1265. Darüber hinaus können, aufgrund der Unvollständigkeit des Katalogs, auch nicht aufgeführte Umstände berücksichtigt werden, soweit sie Anhaltspunkte zum Beispiel für eine höhere oder geringere Schuld des Täters bieten1266. aa) Die gesetzlich benannten Zumessungstatsachen des § 46 II StGB (1) Beweggründe und Ziele des Täters Die über den Vorsatz hinausgehende innere Einstellung des Täters zur Tat kann auch dann festgestellt werden, wenn sich der Angeklagte – was in Strafverfahren mit Dopinghintergrund regelmäßig der Fall sein dürfte – nicht äußert, da auch die festgestellten Umstände des äußeren Tatgeschehens Rückschlüsse auf die psychischen Wurzeln der Tat zulassen1267. Vor allem aus dem Vorleben des Angeklagten und

1260 1261 1262 1263 1264 1265 1266 1267

Fischer § 46 Rdn. 20. BGHSt 7, 28 ff.; 7, 86, 89; 20, 264, 266; BGH wistra 88, 345. BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266. BGHSt 20, 264, 266; BGH NJW 65, 2016; 71, 61; Fischer § 46 Rdn. 20. Fischer § 46 Rdn. 21. BGH bei Dallinger MDR 1971, 720 f. Theune in LK § 46 Rdn. 82. BGH StV 1993, 521, 521.

218

Kap. 3: Der Strafprozess

seinem Verhalten nach der Tat können häufig Rückschlüsse auf seine Einstellung zu der Tat gezogen werden1268. Beweggründe können durch äußere Anreize hervorgerufen sein oder der Anlage und dem Charakter des Täters entspringen1269. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung wird von Körner1270 der sportliche Ehrgeiz – ohne weitere Erklärung – als ein sich strafmildernd auswirkender Beweggrund bezeichnet. Diese Ansicht verwundert sehr. Zwar ist anzuerkennen, dass Sportler häufig durch den inneren Antrieb gewinnen zu wollen – mitunter auch aufgrund finanzieller Nöte, gewinnen zu müssen – schnell in eine Drucksituation geraten. Diese kann, noch gesteigert durch das – sicherlich zum Teil auch nur als Schutzbehauptung angeführte1271 – Gefühl, dass die anderen Sportler ohnehin alle gedopt sind1272, dazu führen, dass es aus Sicht des Sportlers die einzige logische Konsequenz ist, selbst zu dopen – beziehungsweise aus strafrechtlicher Sicht im Zusammenhang damit Dopingmittel in nicht geringen Mengen zu Dopingzwecken im Sport zu besitzen. Jedoch spricht ein derartiger Gedanke gegen nahezu alles, was den Sport ausmacht. Die Leitsätze der sportlichen Fairness und der Chancengleichheit gebieten es dem Sportler, gegen diese Gedanken anzukämpfen und ihnen nicht aus „falschem“ Ehrgeiz nachzugeben. Dieser „falsche“ sportliche Ehrgeiz führt dazu, dass andere Sportler, die ihm nicht nachgeben, zunächst benachteiligt werden und in der Folge gegebenenfalls sogar aufgrund ihrer vermeintlichen Chancenlosigkeit selbst zu Dopingmitteln greifen. So entsteht eine unaufhaltsame Spirale. Der Sportler, der selbst dopt, ist ausschließlich auf seinen eigenen Vorteil bedacht und nimmt die daraus erwachsenden Nachteile anderer Sportler hierfür billigend in Kauf, er handelt mithin aus purem Egoismus. Dass egoistische Beweggründe sich jedoch nicht strafmildernd, sondern im Gegenteil strafschärfend, auswirken ist allgemeine Ansicht1273. Der auf Egoismus beruhende „falsche“ Ehrgeiz der Sportler, kann mithin auf keinen Fall strafmildernd berücksichtigt werden. Eine strafschärfende Heranziehung des Ehrgeizes muss auf der anderen Seite jedoch, ob der beschriebenen Drucksituation, auch bezweifelt werden. Für Trainer und Betreuer, die ein Interesse am Sieg des Sportlers haben, sei es zur Steigerung ihrer eigenen Reputation, sei es aufgrund der ihnen bei Siegen zustehenden Prämien, muss das gleiche gelten. Zwar kann auch bei ihnen in dem Streben nach Siegen des betreuten Sportlers eine Art sportlicher Ehrgeiz erkannt werden, 1268

Theune in LK § 46 Rdn. 83. Theune in LK § 46 Rdn. 87. 1270 Körner § 95 AMG Rdn. 41. 1271 Jahn in Prisma des Sportrechts 2006, 33, 35; Salib in causa sport 2006, 585, 588. 1272 So beispielshalber die österreichische Triathletin und Kronzeugin Lisa Hütthaler, die in einem Interview mit dem Spiegel ausführt, dass sie bei Siegerehrungen kein schlechtes Gewissen hatte. Für sie ist es eine Frage der Gleichberechtigung , da man schon weiß, dass die anderen auch dopen und man die gleichen Erfolgschancen haben will (Der Spiegel 18/2009 vom 27. 04. 2009, S. 128). 1273 BGH NJW 1966, 787, 788; Fischer § 46 Rdn. 27; Theune in LK § 46 Rdn. 89. 1269

D. Das Hauptverfahren

219

aber auch hier handelt es sich um einen, von egoistischen Motiven geleiteten „falschen“ Ehrgeiz, da auch sie letztendlich nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind und dafür Nachteile anderer in Kauf nehmen. (2) Die Art der Ausführung der Tat Die Art der Tatausführung ist für die Bewertung des Handlungsunrechts von Bedeutung. In ihr kann sich insbesondere die verbrecherische Energie und rechtsfeindliche Gesinnung manifestieren. Maßgebliche Kriterien können Ort und Zeit der Tat sein, ihre Dauer, sowie die Handlungsmodalitäten im weitesten Sinne einschließlich der Beteiligung anderer1274. Im Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz sind, vor allem beim Handeltreiben, die Gesamtmenge, insbesondere Wirkstoff und Art des Rauschgifts wesentliche für die Strafzumessung bedeutsame Umstände1275. Dies ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Gesetzgebers, an eine bestimmte Höhe des Wirkstoffgehalts, die sogenannte nicht geringe Menge, eine erhöhte Strafandrohung zu knüpfen1276. Unabhängig von dem Begriff der nicht geringen Menge und seiner gerichtlichen Festlegung weichen die einzelnen Drogen wegen der Verschiedenartigkeit ihrer Wirkung auf die Konsumenten in ihrer Gefährlichkeit voneinander ab. Danach bestimmt sich der Schuldumfang nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ebenfalls1277. In diesem Sinne ist es zulässig die Betäubungsmittel in die Kategorien „weich“ (z. B. Haschisch)1278, „hart“ (z. B. Heroin und Kokain) und eine dazwischen liegende (z. B. Amphetamin)1279 einzuteilen und ihnen eine strafmildernde, strafschärfende beziehungsweise gar keine Wirkung zukommen zu lassen1280. Neben Qualität beziehungsweise Wirkstoffmenge kommt auch der Rauschgiftmenge als solcher eine eigenständige Bedeutung zu1281. Dies ändert allerdings nichts daran, dass im Hinblick auf die durch das Betäubungsmittelgesetz geschützte Gesundheit der Allgemeinheit die Wirkstoffmenge ein bestimmender Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Feststellung des Schuldumfangs ist1282.

1274

Theune in LK § 46 Rdn. 126. BGH NStZ-RR 2002, 52 f.; Theune in LK § 46 Rdn. 137; Malek Kap. III Rdn. 96; eine gute Übersicht zu der in diesem Bereich ergangenen Urteile bietet Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 29 ff. 1276 Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 29. 1277 BGHSt 34, 372, 374; BGH bei Holtz MDR 1979, 985, 986; BGH bei Schoreit NStZ 1993, 326, 330. 1278 BGH StV 1987, 203 f.; vgl. hierzu auch BVerfG NJW 2003, 2978. 1279 BGH StV 1990, 494; 1997, 75 f. 1280 Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 30. 1281 BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18; BGH StV 2004, 603, 604. 1282 BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18. 1275

220

Kap. 3: Der Strafprozess

Ein ähnlicher Fokus wird bei der Strafzumessung auch in Strafverfahren mit Dopinghintergrund auf die Dopingmittelmengen1283 und deren Wirkstoffgehalt zu setzen sein. Bezüglich der Wirkstoffmenge wird auch hier durch die Rechtsprechung eine, an der Gefährlichkeit der im Anhang des Übereinkommens gegen Doping bzw. im Anhang des Arzneimittelgesetz aufgeführten Arzneimittel, orientierte Einteilung in „weiche“ und „harte“ Dopingmittel vorzunehmen sein. In Bezug auf die Dopingmittelmenge wird wie im Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz1284 eine erhebliche Überschreitung der nicht geringen Menge straferschwerend zu berücksichtigen sein und dabei auch nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 III StGB verstoßen. Für das Maß der Schuld ist von erheblicher Bedeutung, um das Wievielfache die nicht geringe Menge des Dopingmittels überschritten wurde (Multiplikationsfaktor)1285. Darüber hinaus können sich bei der Art der Tatausführung unter anderem1286 auch noch die lange Dauer der Dopinggeschäfte1287, der bewaffnete oder brutale Dopingmittelhandel1288, das Verschweigen besonderer Gesundheitsgefahren1289 und das gemischte Angebot von Betäubungsmitteln und Dopingmitteln strafschärfend auswirken1290.

1283 Das dies bereits geschehen ist, führt Körner (§ 95 AMG Rdn. 45 m.w.N.) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung verschiedener Amts- und Landgerichte aus, die ab 10.000 Anabolikatabletten von einem erhöhten Strafrahmen ausgegangen sind. 1284 BGH StV 1990, 53; BGH StV 1991, 565; BGH bei Detter NStZ 199, 120, 122; Malek Kap. III Rdn. 100. 1285 BGH StV 1990, 53; BGH StV 1991, 565; BGH bei Detter NStZ 199, 120, 122; Malek Kap. III Rdn. 100. 1286 Siehe hierzu ferner Körner § 95 AMG Rdn. 43 ff. 1287 LG Frankfurt, U. v. 21.2.2003 – 5933 Ns 89 Js 233872/01; Körner § 95 AMG Rdn. 43. 1288 Körner § 95 AMG Rdn. 45. 1289 Das AG Frankfurt führt hierzu in seinem Urteil vom 22. 01. 2001 (944 Ls 86 Js 32461.8/ 98 – 3016) aus, dass der gewinnbringende Absatz von Dopingmitteln in der Kraftsportszene bei einem Angeklagten, der jahrelang Dopingarzneimittel zur Leistungssteigerung und zum Muskelaufbau genommen und seine Abhängigkeit von diesen leistungssteigernden Substanzen überwunden hat, besonders verwerflich ist, weil er seine Abnehmer gesundheitlichen Problemen aussetzt und einer Kontrolle durch Arzt und Apotheker entzieht (Körner § 95 AMG Rdn. 47). 1290 So geht das LG Darmstadt in seinem Urteil vom 3. 11. 1998 (17 Js 39785/97 – 15 KLs) davon aus, dass für einen Angeklagten, trotz eines umfassenden Geständnisses, der Ableistung von Aufklärungshilfe gemäß § 31 BtMG, einer starken Drogenabhängigkeit und der Sicherstellung eines Großteils seines Drogenangebots, aufgrund erheblicher Vorstrafen wegen Betäubungsmittelhandels und wegen Dopingmittelhandels, großer Mengen von Betäubungsmitteln (ca. 1,3 kg Kokain, 6,5 kg Amphetaminpulver, 1 kg Haschisch, 1,7 kg Ecstasy) und Dopingmittel (113 000 Konsumeinheiten Anabolika), der Bewaffnung, der Straftaten innerhalb der Bewährungszeit und der Erfahrungen als Kraftsportler mit dem Wissen über die gesundheitsschädigende Wirkung von Dopingmitteln, eine hohe Freiheitsstrafe, die zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren führte, schuldangemessen ist (Körner § 95 AMG Rdn. 51).

D. Das Hauptverfahren

221

(3) Die verschuldeten Auswirkungen der Tat Auswirkungen der Tat können dem Täter straferschwerend angelastet werden, soweit sie verschuldet sind, das heißt von ihm vorausgesehen werden konnten und ihm vorwerfbar sind1291. Das betrifft sowohl unmittelbare Tatfolgen als auch grundsätzlich außertatbestandliche Folgen1292, jedenfalls wenn es sich um regelmäßige Tatfolgen handelt und die Folge vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst sind1293. Darüber hinaus können Auswirkungen auf den Täter selbst strafmildernd berücksichtigt werden1294. Hier kommen neben schweren Verletzungen des Täters auch wirtschaftliche, soziale und psychische Folgen der Tat in Betracht1295. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung sind vor allem berufliche Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung von Interesse, da Straftaten gemäß §§ 6 a, 95 AMG nicht selten von Beamten beziehungsweise Ärzten oder Apothekern verübt werden. Berufliche Nebenfolgen können neben ihrer Beachtung bei der Strafzumessung1296 auch schon im Bereich der Strafrahmenwahl von Bedeutung sein1297, sollen jedoch aus Gründen der Geschlossenheit hier besprochen werden. (a) Die beamtenrechtlichen Konsequenzen Obwohl in der Regel beamtenrechtliche Disziplinarmaßnahmen an die strafrechtliche Würdigung der Tat anknüpfen und nicht umgekehrt1298, müssen zwingend vorgeschriebene beamtenrechtliche Nebenfolgen bei der Strafzumessung mit in Betracht gezogen werden1299. Endet nach dem Bundes- oder Landesbeamtengesetz das Beamtenverhältnis des Täters, der im Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist – wobei auch die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in dieser Höhe ausreicht, sofern es sich bei sämtlichen, vom Urteil erfassten Taten um Vorsatztaten handelt –, dann muss das Urteil erkennen lassen, dass sich das Gericht bei der Strafzumessung dieser Wirkung bewusst war1300. Aber auch weitere beamtenrechtliche Konsequenzen, die nicht zum Verlust der Beamtenstellung führen, können im Rahmen der Strafzumessung beachtet werden. 1291 1292

129. 1293

Fischer § 46 Rdn. 34. BGH NStZ 1985, 453; BGH NStZ 2001, 478 f.; BGH StV 1987, 100; BGH StV 1997,

Fischer § 46 Rdn. 34. Fischer § 46 Rdn. 34 b. 1295 Fischer § 46 Rdn. 34 b. 1296 BGHR StGB § 46 I Schuldausgleich 22; BGH NStZ 1996, 539, 539; BGH NStZ 2006, 393, 394. 1297 BGHSt 35, 148, 148 ff.; BGH NStZ 1992, 229, 230; Fischer § 46 Rdn. 34 a. 1298 BGH bei Mösl NStZ 1983, 493, 494. 1299 Malek Kap. III Rdn. 122. 1300 BGH NStZ 1981, 342 f.; Malek Kap. III Rdn. 122. 1294

222

Kap. 3: Der Strafprozess

Für den Bereich der Dopingdelinquenz ist die Beachtung beamtenrechtlicher Nebenfolgen von besonderer Bedeutung, da unter Dopingmittelhändlern nicht wenige kraftsporttreibende Polizei- und Zollbeamte anzutreffen sind, die ihren eigenen Dopingmittelbedarf mit dem Verkauf von Dopingmitteln finanzieren1301. Wird ein solcher Beamter angeklagt und der Tat überführt, ist regelmäßig mit beruflichen Konsequenzen zu rechnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Polizeibeamten, der wegen Anabolikahandels zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, bei der disziplinarrechtlichen Bewertung an Stelle einer Entfernung aus dem Dienst eine Gehaltskürzung für ausreichend angesehen1302. Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat bei einem Polizeibeamten, der über zwei Jahre lang mit Anabolika Handel getrieben hat und deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten mit Bewährung verurteilt worden war, zwar ebenfalls die Notwendigkeit der Entfernung aus dem Dienst verneint, aber eine Degradierung vom Amt des Polizeiobermeisters in das Amt des Polizeimeisters für erforderlich, aber auch ausreichend angesehen1303. Dass in derartigen Verfahren regelmäßig beamtenrechtliche Nebenfolgenauftreten, ist mithin absehbar und im strafrichterlichen Urteil bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. (b) Die beruflichen Folgen für Ärzte und Apotheker Auch bei der Berufsgruppe der Ärzte und Apotheker, die häufig Sportler mit Dopingmitteln versorgen oder ihnen diese verabreichen, können berufliche Nebenfolgen auftreten, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind1304. Ein Strafurteil kann bei Ärzten gemäß § 5 II i.V.m. § 3 I BÄO und bei Apothekern gemäß § 6 II i.V.m. § 4 I BapO, § 2 I ApoG zum Widerruf der Approbation führen1305. Ein notwendig zu erörternder Strafmilderungsgrund liegt hierin jedoch nur, wenn der Täter aufgrund des Widerrufs der Approbation die (alleinige) berufliche Basis verliert1306. Eine aus diesem Grund erfolgte Strafmilderung steht jedoch regelmäßig der strafschärfend zu berücksichtigenden Tatsache, dass Ärzte und Apotheker die Gefährlichkeit der Dopingmittel kannten und sie dennoch ohne Indikation abgegeben oder verabreicht haben1307, gegenüber, deren Beachtung jedoch nur zulässig ist, wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht1308. 1301

Körner § 95 AMG Rdn. 42. BVerwG NVwZ 1999, 881, 881. 1303 Urteil des baden-württembergischen VGH vom 5. 02. 2004 – DL 17 S 11/03; Körner § 95 AMG Rdn. 42. 1304 Malek Kap. III Rdn. 123. 1305 Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 42. 1306 BGH NStZ 1996, 539, 539; BGH NStZ 2006, 393, 394. 1307 Malek Kap. III Rdn. 123. 1308 BGH bei Schoreit NStZ 1994, 325, 328; Malek Kap. III Rdn. 123; vergleiche hierzu auch Fischer § 46 Rdn. 44. 1302

D. Das Hauptverfahren

223

(c) Die Verbandsstrafe Wird ein Strafverfahren gegen einen Sportler aufgrund des Besitzes einer nicht geringen Menge von Dopingmitteln geführt, das aufgrund einer positiven Dopingprobe eingeleitet wurde1309, so ist diesem regelmäßig bereits ein Verbandsverfahren vorausgegangen. Hat dies bereits zu einer Sperre des Sportlers geführt, stellt sich die Frage, ob diese im strafrichterlichen Urteil strafmildernd zu berücksichtigen ist. Eine Verbandsstrafe bei einem Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen richtet sich nach dem NADC. Der Art. 10 NADC sieht hierbei Sperren von zwei beziehungsweise vier Jahren vor, die sich im Einzelfall nach Maßgabe der Norm noch erhöhen oder verringern können1310. Eine Sperre hat gemäß Art. 10.10.1 NADC zur Folge, dass der Athlet gegen den die Sperre verhängt wurde in diesem Zeitraum in keiner Funktion an Wettkämpfen oder organisierten Trainingsmaßnahmen teilnehmen darf1311. Für Berufssportler geht mit einer Sperre regelmäßig der Verlust von Werbe- und Sponsorengeldern, von öffentlichen Zuschüssen für Kaderathleten, sowie von Start- und Preisgeldern einher1312. Berufssportler verlieren durch eine Sperre demgemäß für diesen Zeitraum ihre komplette, aus dem Sport generierte, Einnahmequelle. Sie können ihren Beruf während der Sperre de facto nicht mehr ausüben. Stellt der Sport für den Athleten die einzige finanzielle Einnahmequelle dar, so ist die Verbandsstrafe, entsprechend der Rechtsprechung bezüglich der Berücksichtigung beruflicher Nebenfolgen1313, ein notwendig zu erörternder Strafmilderungsgrund1314. Aber auch wenn der Sportler neben dem Sport noch eine weitere Einnahmequelle hat – wenn er beispielshalber eine Ausbildung absolviert – wird der Richter die Verbandsstrafe und deren Folgen strafmildernd in Erwägung ziehen können. (4) Das Vorleben des Täters, sowie seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auch das Vorleben des Täters ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Feststellungen zum Vorleben und zu den persönlichen Verhältnissen sind regelmäßig erforderlich, auch dann wenn sich der Angeklagte zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht äußert1315. In der Praxis steht hierbei die Frage der Vorbestraftheit im Vordergrund1316. Darüber hinaus ist zu überlegen, inwiefern sich die Ausländereigenschaft des Täters auf die Strafzumessung auswirken kann. Die Beantwortung 1309 1310 1311 1312 1313 1314 1315 1316

Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. I. 1. b) aa). Siehe hierzu im Einzelnen NADC 2009, S. 103 ff.; Kommentar zu Art. 10. Siehe hierzu im Einzelnen NADC 2009, S. 120 f., Kommentar zu Art. 10.10. Dury in FS Röhricht 2005, 1097, 1111. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 D. III. 1. c) aa) (3) (b). So auch Dury in FS Röhricht 2005, 1097, 1111; Vieweg SpuRt 2004, 194, 197. Fischer § 46 Rdn. 37. Vergleiche hierzu Fischer § 46 Rdn. 38 ff.

224

Kap. 3: Der Strafprozess

dieser Frage ist speziell in Strafverfahren mit Dopinghintergrund von einiger Bedeutung, da – wie bereits gezeigt1317 – regelmäßig eine Vielzahl ausländischer Berufssportler, samt Trainern und Betreuern, zu einzelnen Sportveranstaltungen nach Deutschland kommen und hierbei mitunter eine Straftat gemäß §§ 6 a, 95 AMG begehen. Nach allgemeiner Ansicht1318 und ständiger Rechtsprechung1319 kann die Ausländereigenschaft als solche nicht strafschärfend berücksichtigt werden, etwa mit der Begründung, dass der Täter „die ihm entgegengebrachte Vorurteilslosigkeit ausnutzt“ oder „das ihm im Rahmen der gewünschten Integration von ausländischen Mitbürgern entgegen gebrachte Vertrauen missbraucht“ habe1320. Die Staatsangehörigkeit ist grundsätzlich für die Bewertung der Schuld, welche die Grundlage für die Strafzumessung darstellt (§ 46 I 1 StGB), ohne Belang1321. Auch das Maß der Pflichtwidrigkeit wird durch sie nicht beeinflusst1322. Eine gesteigerte Pflicht, sich im Gastland straffrei zu führen, trifft den Ausländer nicht1323. Darüber hinaus ist es auch nicht möglich den „Missbrauch des Gastrechts“, „ohne weitere Substanz“, strafschärfend zu berücksichtigen1324. Dies schließt die Berücksichtigung des „Missbrauchs des Gastrechts“ bei der Strafzumessung allerdings nicht für alle Fallgestaltungen aus1325. Wird mit dieser Wendung ein Sachverhalt beschrieben, bei dem die Tat durch die Ausländereigenschaft des Täters oder seine Stellung als Asylbewerber in einer für die Schuldgewichtung erheblichen Weise geprägt wird, so ist sie rechtlich nicht zu beanstanden1326. Das kann in Betracht kommen, wenn der ausländische Täter in strafbarer Weise Vorteile missbraucht oder sich erschleicht, die ihm gerade mit Rücksicht auf seine Stellung als Ausländer gewährt werden, wenn die Tat im unmittelbaren Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Gastrechts steht, wenn sich die Straftat gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland richtet1327 oder aber wenn der Täter mit der allei-

1317

Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 7. b). So beispielshalber Fischer § 46 Rdn. 43; Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 50; Theune in LK § 46 Rdn. 186; Malek Kap. III Rdn. 126. 1319 BGH NStZ 2006, 35 f.; BGH NJW 1972, 2191; BGH bei Dallinger MDR 1973, 369, 369; StV 1981, 123; BGH bei Mösl NStZ 1981, 131, 133; BGH bei Mösl NStZ 1982, 148, 150; BGH bei Detter NStZ 1991, 272, 275. 1320 Fischer § 46 Rdn. 43. 1321 BGHR StGB § 46 II Lebensumstände 13; BGH NStZ 1993, 337, 337. 1322 Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 50; Theune in LK § 46 Rdn. 187. 1323 BGHR StGB § 46 II Lebensumstände 13; BGH NStZ 1993, 337, 337; Fischer § 46 Rdn. 43; Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 50. 1324 BGHR StGB § 46 II Lebensumstände 12 m.w.N. 1325 BGH NStZ 1993, 337, 337; Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 50. 1326 BGH NStZ 1993, 337, 337. 1327 BGHR StGB § 46 II Lebensumstände 13; Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 50. 1318

D. Das Hauptverfahren

225

nigen Absicht nach Deutschland einreist, hier Straftaten zu begehen1328. Reist ein Sportler mit dessen Betreuer nach Deutschland ein, um hier gedopt an einer Sportveranstaltung teilzunehmen und sie in diesem Sinne planen, Dopingmittel in nicht geringen Mengen bei sich zu führen und diese an den Sportler zu verabreichen, könnte die Überlegung angestellt werden, ob diese Personen mit der alleinigen Absicht nach Deutschland einreisen, um hier Straftaten zu begehen. Eine solche Ansicht ist jedoch abzulehnen. Die maßgebliche Absicht des Sportlers ist an dem Turnier – wenn auch gedopt – teilzunehmen. Die maßgebliche Absicht seiner Entourage ist die Betreuung des Sportlers. Dass der Sportler darüber hinaus auch gedopt sein soll, was regelmäßig den Besitz nicht geringer Mengen von Dopingmitteln und zumeist auch die Anwendung durch Dritte beinhaltet, gehört zwar auch zu dem Gesamtplan der Beteiligten, ist aber nicht einziges, das gesamte Verhalten leitendes, Motiv für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland und kann mithin nicht strafschärfend herangezogen werden. Die Ausländereigenschaft kann sich aber auch – in Grenzen1329 – strafmildernd auswirken, jedoch nicht bereits aufgrund der Prämisse, dass die Ausländereigenschaft an sich bereits eine besondere Strafempfindlichkeit begründet1330. Zu einer Strafmilderung kann es nur in Einzelfällen bei Hinzutreten besonderer Umstände kommen. Derartige Umstände sind beispielsweise Verständigungsprobleme, abweichende Lebensgewohnheiten oder erschwerter familiärer Kontakt1331. Die Annahme, die Strafvollstreckung im Inland werde den Angeklagten als Ausländer besonders hart treffen, verliert jedoch an Bedeutung, wenn die Strafvollstreckung überwiegend im Heimatland erfolgen soll1332. bb) Nicht normierte Zumessungstatsachen Die Aufzählung bedeutsamer Zumessungstatsachen in § 46 II 2 StGB ist nach allgemeiner Ansicht unvollständig. Der Richter hat an Hand des konkreten Falls zu prüfen, welche Umstände sonst noch eine Rolle spielen können und welches Gewicht ihnen bei der Beurteilung des Falls zukommt1333. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung bedarf es hierbei insbesondere der Beachtung einer möglichen Tatprovokation durch Verdeckte Ermittler oder sonstige Vertrauenspersonen. Darüber hinaus stellt sich vor allem bei Spitzensportlern die Frage, inwiefern die so-

1328 BGH NStZ 1993, 337, 337; Fischer § 46 Rdn. 43; siehe hierzu auch Theune § 46 Rdn. 188 f. 1329 Franke in Franke/Wienroeder Vor §§ 29 ff. Rdn. 51. 1330 BGHSt 43, 233, 234; BGH NJW 1997, 403; Fischer § 46 Rdn. 43 b. 1331 BGHSt 43, 233, 234; BGH NStZ 2006, 35, 35. 1332 BGHSt 43, 233, 234; BGH NStZ 1997, 79. 1333 Fischer § 46 Rdn. 56.

226

Kap. 3: Der Strafprozess

genannte „Bestrafung“ beziehungsweise „Vorverurteilung“1334 durch die Medien bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. (1) Die provozierte Tat Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen verdeckt ermittelnde Polizeibeamte oder private Vertrauenspersonen der Polizei als Lockspitzel andere zu einer Straftat anstiften dürfen und welche Konsequenzen sich daraus für den so verleiteten Straftäter ergeben, hat die Rechtsprechung und Lehre insbesondere seit dem Jahre 1980 im Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten beschäftigt1335. Inzwischen besteht in der Rechtsprechung weitgehend Einigkeit über die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher Tatprovokation1336 und deren Grenzen sowie die Auswirkung auf die Strafzumessung1337. Je nach Sachlage ist bereits mildernd zu berücksichtigen, dass der im staatlichen Auftrag Provozierte dem öffentlichen Interesse dienstbar gemacht wurde1338. Darüber hinaus ist die Art und Intensität der Einwirkung auf den Provozierten durch die Vertrauensperson beziehungsweise den Verdeckten Ermittler zu berücksichtigen1339. Hierbei sind drei Aspekten im Besonderen zu beachten. Zunächst ist ausschlaggebend, ob gegen den Täter vor dem Einsatz des Lockspitzels bereits ein Tatverdacht bestand1340. Weiter ist die Tatbereitschaft des Täters, beziehungsweise in diesem Zusammenhang die Intensität der Einwirkung des Lockspitzels auf ihn zu überprüfen1341. Zuletzt ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Provozierte eigene Aktivitäten und Bemühungen entfaltet hat, um die Tat zu verwirklichen1342. Diese Einzelerwägungen können im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu einer wesentlichen Strafmilderung führen1343. Eine mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende Tatprovokation begründet nach der Rechtsprechung einen besonderen Strafmilderungsgrund. Der Bundesgerichtshof hat im Anschluss an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 09. 06. 19981344 die Grundsätze der Strafzumessung bei rechtswidriger Verfahrensverzögerung für die Fälle rechtswidriger 1334 1335 1336 1337 1338

247 ff. 1339

Fischer § 46 Rdn. 63. Theune in LK § 46 Rdn. 253. BGHSt 45, 321, 335 ff.; 47, 44, 47 f.; Fischer § 46 Rdn. 67. Theune in LK § 46 Rdn. 253. BGH NJW 1986, 75 ff.; BGH StV 1987, 435; BGH StV 1993, 127 f.; BGH StV 1995,

Fischer § 46 Rdn. 67. Fischer § 46 Rdn. 66; vergleiche hierzu im Einzelnen Malek Kap. VII Rdn. 36. 1341 Fischer § 46 Rdn. 66; vergleiche hierzu im Einzelnen Malek Kap. VII Rdn. 37. 1342 Fischer § 46 Rdn. 67; vergleiche hierzu im Einzelnen Malek Kap. VII Rdn. 38. 1343 Siehe hierzu auch Theune in LK § 46 Rdn. 254 f. 1344 EGMR StV 1999, 127 ff.; BGHSt 45, 321, 327 f.; siehe hierzu auch Kudlich JuS 2000, 951, 953. 1340

D. Das Hauptverfahren

227

Tatprovokation praktisch übernommen1345. Danach liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß § 6 a I 1 EMRK vor, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen1346. Durch diese Entscheidung wurden die früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit einer Tatprovokation1347 jedoch nicht bedeutungslos, sondern sind ebenfalls zu berücksichtigen1348. Hiernach liegt eine unzulässige Tatprovokation jedenfalls vor, wenn das tatprovozierende Verhalten des Lockspitzels ein solches Übergewicht erlangt, dass demgegenüber der eigene Beitrag des Täters in den Hintergrund tritt, der Täter gewissermaßen „zum bloßen Objekt“ staatlichen Handelns herabgewürdigt wird1349. Die in diesem Sinne unzulässige Tatprovokation stellt einen schuldunabhängigen Strafmilderungsgrund von besonderem Gewicht dar1350. Der dem Tatrichter zur Verfügung stehende Spielraum reicht von der Ablehnung eines besonders schweren Falles trotz Vorliegens eines Regelbeispiels über die Annahme eines minder schweren Falles und das Zurückgehen auf die gesetzliche Mindeststrafe bis zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO sowie zur Verwarnung mit Strafvorbehalt1351. Von Bedeutung sind auch hierbei insbesondere Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme, Tatbereitschaft, Art und Umfang des Tatbeitrags des Provozierten sowie das Maß der Fremdsteuerung1352. Auch im Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung wird es, wie bei der Betäubungsmitteldelinquenz, zur Aufklärung dieses durch Abschottung nach außen gekennzeichneten Kriminalitätsfeldes zu Tatprovokationen durch Vertrauenspersonen oder Verdeckte Ermittler kommen. Im Rahmen der Strafzumessung sind dann die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zu beachten und somit Art und Intensität der Einwirkung der Vertrauensperson beziehungsweise des Verdeckten Ermittlers auf den Provozierten von dem Gericht besonders eingehend zu untersuchen. Einzelheiten, beispielsweise ob es auch hier einen sogenannten „Quanten1345

Theune in LK § 46 Rdn. 257. BGHSt 45, 321, 335 f. 1347 In seiner früheren Rechtsprechung ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass ein unzulässiger Lockspitzeleinsatz aufgrund eines Verfahrenshindernisses zu einer Straflosigkeit des Angestifteten führen kann (BGH NStZ 1981, 394; BGH NStZ 1982, 126; BGH NStZ 1984, 519 f.); siehe hierzu im Einzelnen Malek Kap. VII Rdn. 41 ff. 1348 Theune in LK § 46 Rdn. 258. 1349 BGH NStZ 1984, 555 f.; BGH StV 1995, 131. 1350 BGHSt 45, 321, 341. 1351 BGHSt 45, 321, 341. 1352 BGHSt 32, 345, 355; 45, 321, 341. 1346

228

Kap. 3: Der Strafprozess

sprung“1353 durch die Tatprovokation geben kann, werden durch die Rechtsprechung festzulegen sein und hängen auch maßgeblich davon ab, ob es bei Dopingmitteln eine Einteilung in „weich“ und „hart“ geben kann beziehungsweise geben wird1354. Für Staatsanwaltschaften gilt es also auch in Strafverfahren mit Dopinghintergrund bereits im Ermittlungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Tatverdachts zeitnah in den Ermittlungsakten dokumentiert werden1355. Wie bei der Betäubungsmitteldelinquenz müssen darüber hinaus bei einem Dopingmittelverkauf an eine Vertrauensperson oder einen Verdeckten Ermittler die Umstände der Anbahnung des Geschäfts im Einzelnen dargestellt werden, um eine spätere Überprüfung des Gewichts der Strafmilderung zu ermöglichen. (2) Die „Bestrafung durch die Medien“ Besonders Dopingfälle bekannter Spitzensportler – hierbei ist vor allem an medienträchtige Sportarten wie Fußball oder Radsport zu denken –, die eine Anklage gemäß §§ 6 a, 95 AMG nach sich ziehen, führen regelmäßig zu einer exzessiven Berichterstattung in den Medien. Diese beschränkt sich nicht auf die Sportmedien, sondern wird, ob der Popularität von Spitzensportlern in der heutigen Gesellschaft, auch von den Boulevardmedien aufgegriffen. Der Sportler sieht sich mithin neben der Gerichtsverhandlung einer umfassenden Berichterstattung ausgesetzt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Gericht eine solche „Bestrafung durch die Medien“1356 im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen hat. Obwohl wenig Einigkeit bezüglich der einzelnen Voraussetzungen besteht, kann mit der wohl herrschenden Meinung davon ausgegangen werden, dass eine strafmildernde Berücksichtigung der Medienberichterstattung möglich ist1357. Rechtsgrundlage einer derartigen Strafmilderung ist § 46 StGB, wobei sie unter keine der in § 46 II 2 StGB genannten Strafzumessungstatsachen zu fassen ist, sondern einen sonstigen, gesetzlich nicht ausformulierten Zumessungsgesichtspunkt darstellt1358. Als Sachgründe der Strafmilderung werden die Unschuldsvermutung und vergleichend die Rechtsprechung zur überlangen Verfahrensdauer herangezogen1359. Uneinigkeit besteht hingegen bereits bei der, besonders für Strafverfahren mit Dopinghintergrund bedeutsamen Frage, ob eine Strafmilderung aufgrund der Medienberichterstattung bei allen erdenklichen Personengruppen gleichsam ange1353

BGH StV 2001, 492, 494. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 D. III. 1. c) aa) (2). 1355 BGHSt 45, 321, 328 f. 1356 So der Titel des Aufsatzes von Knauer, GA 2009, 541 ff. 1357 So z. B. BGH NJW 1990, 194, 195; 2001, 2102, 2106; BGH wistra 2008, 58, 59; LG Bonn NJW 2001, 1736, 1739; Fischer § 46 Rdn. 63; Stree in Sch/Sch § 46 Rdn. 55; Gatzweiler StraFo 1995, 64, 67; Knauer GA 2009, 541, 542; Wohlers StV 2005, 186, 191. 1358 Fischer § 46 Rdn. 63; Stree in Sch/Sch § 46 Rdn. 55; Knauer GA 2009, 541, 542 u. 546. 1359 Knauer GA 2009, 541, 542 m.w.N. 1354

D. Das Hauptverfahren

229

wendet werden kann, oder ob zwischen Personen, die sich an exponierter Stelle in der Öffentlichkeit betätigen, und sonstigen Personen zu differenzieren ist. Der Bundesgerichtshof nimmt eine derartige Unterscheidung vor, indem er Personen der Öffentlichkeit eine solche Strafmilderung – vermeintlich – versagt. Grundlage der Versagung ist die Annahme, dass diejenigen, die sich – sei es in Politik, Sport oder Kunst – an exponierter Stelle in der Öffentlichkeit betätigen, mit einem besonderen Interesse an ihrer Person auch für den Fall der Durchführung eines Strafverfahrens rechnen müssen1360. Entgegen dieser Rechtsprechung wurde eine Strafmilderung auch für Personen der Öffentlichkeit von verschiedenen Landgerichten – am populärsten sicherlich im Strafverfahren gegen den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl1361 – bejaht1362. Diese befürwortenswerte Ansicht wird auch von Teilen der Literatur unterstützt1363. In der Tat ist nicht ersichtlich, weswegen die Medienberichterstattung ausschließlich bei Personen, die nicht schon vor der Gerichtsverhandlung im Blickfeld der Öffentlichkeit standen, zu einer Strafmilderung führen soll. Zu bemerken ist zunächst, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage eines Urteils des Landgerichts München I ergangen ist, in dem nicht die Medienberichterstattung an sich strafmildernd berücksichtigt wurde. Vielmehr wurde die Strafmilderung in diesem Urteil mit einer zusätzlichen Belastung begründet, die der Angeklagte aufgrund eines, durch seine Prominenz bedingten, „Spießrutenlaufs zwischen wartenden Fotografen und Kameraleuten“ erdulden musste1364. Das Landgericht hat mithin nur einen aus der Berichterstattung erwachsenden Aspekt strafmildernd herangezogen. Dies wurde zu Recht von dem Bundesgerichtshof als „bedenklich“ bezeichnet1365, da es für Personen der Öffentlichkeit tatsächlich keine 1360

BGH NJW 2000, 154, 157, zuletzt bestätigt durch BGH NJW 2008, 2057, 2057. Das Landgericht Bonn (NJW 2001, 1736, 1739) erkannte in seinem Einstellungsbeschluss gemäß § 153 a StPO an, dass auch im Falle eines Schuldspruchs die persönlich herabwürdigenden Angriffe in der Medienberichterstattung strafmildernd hätten berücksichtigt werden müssen. 1362 In dem Strafverfahren wegen Untreue im Zusammenhang mit dem hessischen Spendenskandal u. a. gegen den früheren Bundesinnenminister und Generalsekretär der CDU Kanther berücksichtigte das Landgericht Wiesbaden zu Gunsten der Angeklagten, dass sie durch das Strafverfahren und die Berichterstattung in den Medien – der Angeklagte Kanther insbesondere durch zum Teil sehr unsachliche Berichte aus der Presse – erheblichen Belastungen ausgesetzt waren (LG Wiesbaden Urteil vom 18. 04. 2005 – Js 320.4/00; Knauer GA 2009, 541, 543, Fn. 20). In dem Verfahren gegen den damaligen Frankfurter Vizepolizeipräsidenten Daschner und einen weiteren Kriminalbeamten wegen Nötigung gegenüber dem Kindesentführer Gaefgen berücksichtigte das Landgericht Frankfurt (NJW 2005, 692, 696) die Medienberichterstattung im Rahmen der Ablehnung des Regelbeispiels des § 240 IV Nr. 3 StGB strafmildernd. Die Begleitung durch die Medien vorprozessual und während des Strafverfahrens war demnach immens. Sie hat die Angeklagten und deren Familie, nach Ansicht des Gerichts, sehr belastet und zum Teil zu einer Prangerwirkung geführt. 1363 Knauer GA 2009, 541, 544 m.w.N., 549 f. 1364 BGH NJW 2000, 154, 157. 1365 BGH NJW 2000, 154, 157. 1361

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Kap. 3: Der Strafprozess

Besonderheit darstellt, ständig von Reportern und Kamerateams umlagert zu sein. Außer Acht gelassen wurden hierbei aber die weiteren Aspekte, die mit einer Berichterstattung durch die Medien einhergehen können. Da gerade Gerichtsverhandlungen prominenter Bürger von den Medien mit besonderem Interesse verfolgt werden und diese auch von den Boulevardmedien gerne mit besonderer Schärfe angegangen werden1366, darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass diese die Prominenten in privater als auch in wirtschaftlicher1367 Hinsicht ebenso hart, wenn nicht sogar noch härter – zu denken ist hier an den, auf einer „Schlammschlacht“ in den Medien fußenden Verlust lukrativer Werbeverträge – treffen kann und auch bei ihnen eine vergleichbare psychische Belastung aufgrund einer Vorverurteilung durch die Massenmedien entstehen kann. Die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit stehende Angeklagte das Interesse an ihrer Person gewöhnt sind, vermag es nicht zu begründen, dass sie diese Folgen, die bei anderen Bürgern strafmildernd berücksichtigt werden können, ohne jegliche prozessuale Konsequenz hinnehmen müssen. Der Druck, der von der medialen Berichterstattung einer Gerichtsverhandlung und einer damit mitunter einhergehenden Brandmarkung in der Öffentlichkeit ausgeht, ist nicht vergleichbar mit der üblichen Berichterstattung, die Personen der Öffentlichkeit über sich ergehen lassen müssen. Eine Unterscheidung ist mithin nicht angebracht. Eine strafmildernde Berücksichtigung der „Bestrafung durch die Medien“ muss folglich auch bei prominenten Angeklagten – also in diesem Zusammenhang v. a. auch bei Spitzensportlern und bekannten Trainern – möglich sein. Wesentlich entscheidender als die Person des Angeklagten sind für die Bejahung der Strafmilderung aufgrund der Berichterstattung in den Medien jedoch deren Begleitumstände. Zum einen kommt es entscheidend auf den Umfang und die Tendenz der Berichterstattung in den Medien an. Hierbei ist darauf zu achten, wie stark über das Strafverfahren berichtet wird und ob es sich maßgeblich um berechtigte Angriffe handelt, oder ob es eine Vielzahl vorverurteilender, reißerischer Sensationsberichterstattung gibt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs können zwar auch berechtigte Angriffe strafmildernd berücksichtigt werden1368, die Strafe ist jedoch umso stärker zu mildern, je umfangreicher und tendenziöser die gegen den Beschuldigten gerichtete Berichterstattung ausfällt1369. Darüber hinaus muss auch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten berücksichtigt werden. Strafmildernd kann es sich hierbei auswirken, wenn die Strafverfolgungsbehörden durch ihre Informationspolitik gegenüber den Medien zu einer Vorverurteilung beigetragen haben1370. Eine Strafmilderung kann hingegen auszuschließen 1366

Hierzu kann beispielhaft die Berichterstattung in dem Strafverfahren gegen den Fernsehmoderator Jörg Kachelmann aus dem Jahr 2010 genannt werden. 1367 Fischer § 46 Rdn. 63. 1368 BGH NJW 1990, 194, 195. 1369 Knauer GA 2009, 541, 550. 1370 Franke in MüKo § 46 Rdn. 55; Knauer GA 2009, 541, 545; Gatzweiler (StraFo 1995, 64, 64) führt hierzu aus, dass Pressemitteilungen von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaften

D. Das Hauptverfahren

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sein, wenn der Verdächtige versucht, die Medien zu instrumentalisieren und so aus Sicht des Täters eine „hausgemachte“ Belastung entsteht1371. Dies ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch noch nicht der Fall, wenn der Angeklagte durch Interviews die Gelegenheit genutzt hat, gegenüber den Medien die Sachlage aus seiner Sicht darzustellen1372. 2. Nebenstrafen und -folgen, sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung Während die Hauptstrafen, trotz aller Orientierung an den Strafzwecken, ganz zentral dem Schuldausgleich dienen, gibt es eine Reihe weiterer Sanktionen, die nicht als schuldausgleichende oder jedenfalls nicht als selbstständig schuldausgleichende Sanktionen konzipiert wurden. Diese sind deutlich stärker als die Hauptstrafen an der rational kalkulierten Realisierung von Präventionszwecken ausgerichtet1373. Aus Sicht der strafrechtlichen Dopingverfolgung sind hierbei vor allem das Berufsverbot sowie Einziehung und Verfall von Bedeutung. a) Das Berufsverbot Bei dem Berufsverbot nach den §§ 70 ff. StGB handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern gemäß § 61 Nr. 6 StGB um eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Diese soll als Präventivmaßnahme die für die Allgemeinheit bestehende Gefahr beseitigen, dass ein Täter bei weiterer Ausübung seines Berufs oder Gewerbes (auch zukünftig) erhebliche rechtswidrige Taten begeht. Deshalb kann sie auch in Fällen angeordnet werden, in denen der Täter wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit nicht verurteilt werden kann1374. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung wurde bereits oben, im Zusammenhang mit der notwendigen Verteidigerbestellung aufgrund eines drohenden Berufsverbots gemäß § 140 I Nr. 3 StPO1375, gezeigt, dass ein Berufsverbot immer dann in Betracht kommt, wenn sich das Verfahren gegen sogenannte Dopingärzte richtet. Verschreiben oder verabreichen diese Dopingmittel ohne medizinische Indikation an Sportler, so kann dies eine Straftat unter Missbrauch des Berufs im Sinne des § 70 I StGB darstellen. Lässt darüber hinaus die Gesamtwürbis hin zu Pressekonferenzen bereits im Ermittlungsverfahren (z. B. aus Anlass von spektakulären Durchsuchungs- und Festnahmeaktionen) teilweise verheerenden Vorverurteilungscharakter gewinnen und die betroffenen Mitbürger oft irreparabel stigmatisieren und über Monate – wenn nicht Jahre – dem Kreuzfeuer massiver, wie sachlich nicht gerechtfertigter Kritik aussetzen. 1371 Franke in MüKo § 46 Rdn. 55; Knauer GA 2009, 541, 545; Wohlers StV 2005, 186, 190. 1372 BGH NJW 1990, 194, 195. 1373 Streng Rdn. 280. 1374 Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 275. 1375 Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 C. I. 1.

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Kap. 3: Der Strafprozess

digung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen, dass er bei weiterer Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit weitere erhebliche Taten unter Missbrauch seines Berufs begehen wird, sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt. Es steht sodann im Ermessen des Richters, ob und in welchem Ausmaß er ein Berufsverbot anordnet1376. Das Gericht hat in der Ausübung seines Ermessens zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Ausgestaltung ein Berufsverbot dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht widerspricht. Dabei muss die Maßregel nach den Vorgaben des § 62 StGB gegen die Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie den Gefährdungsgrad abgewogen werden. Ergänzend zu dieser Abwägung ist wie bei jedem staatlichen Eingriff zu prüfen, ob die Anordnung des Berufsverbots erforderlich ist oder eine weniger einschneidende Rechtsfolge genügt1377. Aufgrund der schwerwiegenden Folgen, die mit einem Berufsverbot einhergehen, wird ein solches bei „normalen“ Fällen der Verabreichung oder Verschreibung von Dopingmitteln durch sogenannte Dopingärzte regelmäßig unverhältnismäßig sein und deshalb nicht angeordnet werden. Das Berufsverbot nimmt dem Betroffenen eines seiner hauptsächlichen Rechte und wirkt, da es unter Umständen seine Lebensplanung zunichtemacht, auf ihn vielfach einschneidender als die Strafe und kann seine Resozialisierung sogar erheblich erschweren1378. Aus diesen Gründen muss es sich bei der abzuurteilenden Dopingstraftat schon um eine solche mit außergewöhnlichen Umständen – z. B. die Verabreichung von Dopingmitteln an eine besondere Vielzahl von Patienten über einen extrem langen Zeitraum – oder außergewöhnliche Folgen – hier ist maßgeblich an Todesfälle als Folge der Anwendung von Dopingmitteln zu denken – handeln, damit ein Berufsverbot auch nur in Betracht kommt. b) Einziehung und Verfall Einziehung und Verfall stellen sonstige Folgen der Straftat dar1379 und richten sich nach den §§ 73 ff. StGB, sowie für die strafrechtliche Dopingverfolgung nach §§ 98, 98 a AMG. Mit diesen Maßnahmen sollen zum einen deliktisch erlangte Gewinne abgeschöpft, zum anderen Objekte, die durch Straftaten hervorgebracht oder der Begehung von Straftaten dienen, aus dem Verkehr gezogen werden1380.

1376 1377 1378 1379 1380

Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 276. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 282. Hanack in LK § 70 Rdn. 3. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 13. Baumann/Weber/Mitsch AT § 35 Rdn. 13.

D. Das Hauptverfahren

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aa) Die Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB (1) Voraussetzungen der Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB Gemäß § 74 StGB können Gegenstände, die durch die Tat hervor gebracht wurden (producta sceleris) oder die zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht wurden oder bestimmt waren (instrumenta sceleris) eingezogen werden. Gegenständen in diesem Sinne sind Sachen oder Rechte1381. Producta sceleris müssen in ihrem jetzigen Zustand unmittelbar durch die mit Strafe bedrohte Handlung entstanden sein1382. Nicht erfasst werden solche Gegenstände, die durch die Tat erworben wurden1383, bei ihnen kommt jedoch Verfall in Betracht. Instrumenta sceleris müssen bei einem (strafbaren) Versuch oder bei der Tat selbst während irgendeiner Phase der Tatbegehung, d. h. spätestens bis zu deren Beendigung als Werkzeug Verwendung gefunden haben oder nach dem Täterplan wenigstens dazu bestimmt gewesen sein1384. Der Begriff des Tatwerkzeugs ist eng auszulegen. Danach reicht die Benutzung eines Gegenstandes lediglich bei Gelegenheit der Tat nicht aus1385. Einziehbar sind nur solche Gegenstände, die nach der Absicht des Täters als eigentliches Mittel der Verwirklichung eines Straftatbestandes eingesetzt werden sollen1386. Sogenannte Beziehungsgegenstände, also solche Sachen, die nicht Werkzeuge oder Produkte der Tat sind, sondern der notwendige Gegenstand der Tat selbst1387, werden nicht von § 74 StGB erfasst. Sie können nur eingezogen werden, wenn eine spezielle Vorschrift – wie § 98 AMG1388 – dies erlaubt1389. Die Einziehung der producta oder instrumenta sceleris – sowie der Beziehungsgegenstände gemäß § 98 AMG1390 – ist als Nebenstrafe nur zugelassen, wenn sie dem Täter oder Teilnehmer zur Zeit der letzten tatrichterlichen Entscheidung1391 gehören, also nach zivilrechtlichen Grundsätzen im Eigentum des Täters stehen oder

1381 1382 1383 1384

m.w.N. 1385 1386 1387 1388 1389 1390 1391

Fischer § 74 Rdn. 3. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 262. Fischer § 74 Rdn. 5. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 262; siehe hierzu auch Fischer § 74 Rdn. 6 BGH NStZ-RR 2002, 332, 333. OLG Düsseldorf NStZ 1993, 137. BGHSt 10, 28 ff.; BGH NStZ 1991, 496. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 A. II. 2. Siehe hierzu Malek Kap. III Rdn. 210 ff. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 263. Fischer § 74 Rdn. 12.

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Kap. 3: Der Strafprozess

ihm zustehen (§ 74 II Nr. 1 StGB). Auf die Rechtsverhältnisse vor der Tat, zur Zeit der Tat und bis zum Urteil kommt es nicht an1392. Die Einziehung der producta oder instrumenta sceleris – sowie der Beziehungsgegenstände gemäß § 98 AMG1393 – ist nach § 74 II Nr. 2 StGB auch zulässig, soweit zwar die Gegenstände Dritten gehören, aber die Allgemeinheit gefährden oder wenn die Gefahr besteht, dass sie der Begehung rechtswidriger Handlungen dienen werden. Insoweit ist die Einziehung nicht Nebenstrafe, sondern hat Sicherungscharakter. Darüber hinaus können, wenn das Gesetz ausdrücklich auf § 74 a StGB verweist, Dritten gehörende Einziehungsgegenstände nach dieser Vorschrift auch dann eingezogen werden, wenn diese zwar nicht Tatbeteiligte sind, aber zu Tatbegehung wenigstens leichtfertig beigetragen haben oder die Gegenstände in Kenntnis der die Einziehung begründenden Umstände in verwerflicher Weise erworben haben1394. Soweit die Einziehung aufgrund von Sondervorschriften nicht zwingend vorgeschrieben ist, liegt sie im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gemäß § 74 d StGB zu beachten, der jedoch nicht die Fälle der Sicherungseinziehung gemäß § 74 II Nr. 2 StGB erfasst. Hat die Einziehung in den Fällen des § 74 II Nr. 1 StGB sowie § 74 a StGB strafähnlichen Charakter, ist die Entscheidung über ihre Anordnung eine Frage der Strafzumessung1395. Hat der Täter den Gegenstand, der ihm zur Zeit der Tat gehörte oder zustand und auf dessen Einziehung hätte erkannt werden können, vor der Entscheidung über die Einziehung verwertet, namentlich veräußert oder verbraucht, oder hat er die Einziehung des Gegenstandes sonst vereitelt, so kann das Gericht die Einziehung des Geldbetrages gegen den Täter bis zu der Höhe anordnen, die dem Wert des Gegenstandes entspricht, § 74 c StGB1396. Diese Vorschrift ist nicht auf Fälle des § 74 I StGB beschränkt, sondern gilt für alle strafrechtlichen Einziehungsfälle1397, insbesondere auch bezüglich der Beziehungsgegenstände1398. Die Wertersatzeinziehung richtet sich nur gegen denjenigen Tatbeteiligten, der zum Zeitpunkt der Tat Eigentümer der Sache oder Inhaber des Rechts ist und die Einziehung später vereitelt. An die Stelle der Einziehung oder neben sie tritt nach § 74 c II StGB Wertersatz, wenn der Tatbeteiligte zwar die Einziehung selbst nicht vereitelt, ihr aber dadurch ganz oder zum Teil die Wirkung genommen hat, dass er den Gegenstand nach der Tat und vor der Entscheidung mit dem dinglichen Recht eines Tatunbeteiligten belastet hat,

1392 1393 1394 1395 1396 1397 1398

BGHSt 8, 205, 212. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 264. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 264. Fischer § 74 b Rdn. 2; Malek Kap. III Rdn. 217. Malek Kap. III Rdn. 219. BGHSt 28, 369, 370. Malek Kap. III Rdn. 219.

D. Das Hauptverfahren

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und zwar in der Weise, dass das Gericht das Erlöschen dieses Rechts nicht entschädigungslos anordnen konnte1399. (2) Die Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB in Strafverfahren mit Dopinghintergrund In Strafverfahren mit Dopinghintergrund gibt es regelmäßig – wie auch bei der Betäubungsmitteldelinquenz1400 – eine Reihe von Tatprodukten und -werkzeugen, die gemäß § 74 StGB eingezogen werden können. Zu denken ist hierbei zunächst an die Behältnisse, in denen Dopingmittel aufbewahrt und solche, in denen Dopingmittel transportiert beziehungsweise auch versteckt werden1401. Neben einfachen Behältnissen kommen hier maßgeblich Transportfahrzeuge in Betracht, die zu Besorgungsfahrten, zu Versorgungsfahrten oder als Konsumstätte verwendet werden können1402. Soweit das Fahrzeug zu einem über die Benutzung als Fortbewegungsmittel hinausgehenden Einsatz zur Begehung oder Vorbereitung von Rauschgiftdelikten gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist, kommt eine Einziehung als Nebenstrafe gemäß § 74 II Nr. 1 StGB oder als Sicherungsmaßnahme nach § 74 II Nr. 2 StGB in Betracht1403. Weiterhin sind vorwiegend medizinische Utensilien, die zur Anwendung der Dopingmittel verwendet werden, potentielle Einziehungsgegenstände. Aber auch weitere Laborutensilien, die der Verpackung etc. der Dopingmittel dienen, können eingezogen werden1404. Gemäß § 74 StGB kann darüber hinaus unter bestimmten Umständen Geld eingezogen werden, wenn ein Geldbetrag zur Begehung oder Vorbereitung eines Dopingmittelgeschäfts gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist1405. Da bei der Einziehung – wie auch bei dem Verfall – bei der Überprüfung der Eigentumsverhältnisse an den in Betracht kommenden Gegenständen, die Rechtslage nach dem bürgerlichen Recht entscheidend ist, gilt es stets, die sich aus § 134 BGB ergebenden Rechtsfolgen zu beachten1406.

1399

Fischer § 74 c Rdn. 4. Einen guten Überblick hierzu liefern Körner (§ 33 Rdn. 26 ff.) und Weber (§ 33 Rdn. 254). 1401 Körner § 33 BtMG Rdn. 26 f.; Weber § 33 Rdn. 254; Malek Kap. III Rdn. 213; Zum Transport von Dopingmitteln und deren Versteckmöglichkeiten, vergleiche oben unter Kapitel 3 A. II. 3. c). 1402 Körner § 33 BtMG Rdn. 45. 1403 Vergleiche hierzu ausführlich Körner § 33 Rdn. 45 ff. 1404 Weber § 33 Rdn. 254. 1405 Siehe hierzu ausführlich Körner § 33 Rdn. 54 ff.; Weber § 33 Rdn. 249 ff. 1406 Weber § 33 Rdn. 275 ff.; hierzu eingehend Weber (§ 33 Rdn. Rdn. 73 ff., dort im Kontext des Verfalls), der ausführt, dass die aus § 134 StGB erwachsende komplizierte Differenzierung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in der Praxis eine Hauptur1400

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Kap. 3: Der Strafprozess

bb) Die Einziehung gemäß § 98 AMG (1) Die Voraussetzung der Einziehung gemäß § 98 AMG Nach § 98 AMG können – ebenso wie nach dem Wortgleichen § 33 II BtMG1407 – Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach §§ 95, 96 AMG oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG bezieht, eingezogen werden1408. Als Beziehungsgegenstände werden Gegenstände angenommen, die den Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat bilden, ohne dass sie producta oder instrumente sceleris sind1409. Die Norm ergänzt insofern die Einziehungsvorschriften der §§ 73 ff. StGB1410. Gemäß § 98 AMG ist § 74 a StGB anwendbar, wonach Beziehungsgegenstände auch dann eingezogen werden dürfen, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen, wenigstens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand Beziehungsgegenstand der Straftat geworden ist, oder wenn dieser in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben wurde. (2) Die Einziehung gemäß § 98 AMG in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Als Beziehungsgegenstände im Sinne des § 98 AMG kommen maßgeblich die Arzneimittel an sich in Betracht1411, wenn diese entgegen § 6 a AMG zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr gebracht, verschrieben oder besessen werden. Dies gilt jedoch nur soweit sie Gegenstand der von der Anklage umfassten und vom Gericht festgestellten Tat sind1412. Geschäftserlöse beziehungsweise –gewinne aus dem Dopingmittelgeschäft und auch die dem Transport der Dopingmittel dienenden Fahrzeuge stellen hingegen keine Beziehungsgegenstände im Sinne des § 98 AMG dar1413. Die Wertersatzeinziehung gemäß § 74 c StGB tritt an die Stelle der nach § 98 AMG zulässigen Einziehung der Arzneimittel, wenn der Täter diese inzwischen veräußert, verbraucht, verborgen oder vernichtet hat, oder wenn ihr jetziger Besitzer sache für die Scheu vor der Anwendung der Verfallsvorschriften darstellt. Siehe auch Körner § 33 Rdn. 19 ff.; Malek Kap. III Rdn. 221 m.w.N. 1407 Siehe hierzu Körner § 33 Rdn. 12 ff. BtMG; Weber § 33 Rdn. 265 ff.; Malek Kap. III Rdn. 210 ff. 1408 Körner § 98 AMG Rdn. 3. 1409 BGH NStZ 1991, 496; BayOLG NStZ-RR 1997, 51. 1410 Körner § 33 BtMG Rdn. 10, 12. 1411 Körner § 98 AMG Rdn. 3. 1412 BGH NStZ 2002, 438 f. 1413 BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand Nr. 1; Körner § 33 BtMG Rdn. 12 m.w.N.; Weber § 33 Rdn. 267; Malek Kap. III Rdn. 212.

D. Das Hauptverfahren

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nicht ermittelt werden kann, aber nur, wenn sie ihm zur Tatzeit gehörten oder zustanden1414. cc) Der Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB (1) Voraussetzungen des Verfalls gemäß §§ 73 ff. StGB Der Verfall ist keine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art, um die durch eine rechtswidrige Tat erlangten Vorteile dem illegitimen Empfänger wieder abzunehmen. Der Gesetzgeber folgt dem Rechtsgedanken des § 817 S. 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte und das aus dem Geschäft Erlangte komplett unwiederbriglich verloren sein sollen. Würde man den Täter nur bestrafen, ihm aber gleichzeitig die Gewinne aus der Straftat belassen, so könnte ein Verbrechen ein Geschäft sein und die deliktischen Einkünfte könnten vom Täter und der Allgemeinheit als Anreiz zur weiteren Tatbegehung verstanden werden1415. Der Verfall dient der Abschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen. Dieser Zweck bestimmt die Rechtnatur. Danach besteht kein Anlass, seiner Anordnung Einfluss auf die Strafzumessung einzuräumen1416. Die mit dem Verfall verbundene Vermögenseinbuße ist mithin in der Regel kein Strafmilderungsgrund1417. Ist in diesem Sinne eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer oder ein durch die Tat begünstigter Dritter für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht gemäß § 73 I StGB zwingend1418 dessen Verfall an. Bei der Tat muss es sich gerade um diejenige handeln, die Gegenstand des Verfahrens ist1419. Sie muss rechtswidrig gewesen sein, nicht jedoch schuldhaft. Die Tat kann versucht, fahrlässig oder in Form der Beihilfe begangen worden sein1420. Unter den Begriff „etwas“ fällt jeder wirtschaftliche Vermögenszuwachs, er braucht nicht eine Sache oder ein Recht zu sein. Handelt es sich jedoch um solche, muss die Sache Eigentum des Täters geworden sein, das Recht muss ihm zustehen1421. Seit der Neufassung des § 73 StGB im Jahr 19931422 gilt für den Verfall das Bruttoprinzip1423. Hiernach soll nicht nur der aus der Tat gezogene Vorteil dem 1414

BGH StV 1983, 416; Körner § 33 Rdn. 62. Körner § 33 BtMG Rdn. 70. 1416 Körner § 33 BtMG Rdn. 71. 1417 BGH NStZ 1995, 491 f.; BGH NStZ-RR 1997, 270, 271; BGH NStZ 2001, 312; BGH NJW 2002, 3339. 1418 BGH NStZ 1994, 123 f.; BGH NStZ-RR 2000, 57 f. 1419 Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 246. 1420 Körner § 33 BtMG Rdn. 74. 1421 Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 246; näher hierzu Körner § 33 BtMG Rdn. 83. 1422 Durch das Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I 1992, 372). 1423 BGHSt 47, 369, 370 ff.; Fischer § 73 Rdn. 3; Körner § 33 BtMG; Malek Kap. III Rdn. 225; Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 246. 1415

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Kap. 3: Der Strafprozess

Verfall unterliegen, sondern das, was dem Täter brutto zugeflossen ist. Es ist mithin ohne Bedeutung, ob der Täter etwa bei der Planung und Vorbereitung der Tat „Aufwendungen“ hatte, die das durch die Tat Erlange mindern oder gar insgesamt aufwiegen1424. Dies soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten beitragen1425. Der Verfallsgegenstand muss unmittelbar aus der oder für die von der Anklage umfassten und vom Tatrichter festgestellten Anknüpfungstat erlangt worden sein. Es bedarf somit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer unmittelbaren Kausalität zwischen Tat und Vorteil1426. Aus der Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen1427. Um Vorteile für die Tat handelt es sich demgegenüber, wenn Vermögenswerte dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln, also für die Begehung der Straftat, gewährt werden1428. Grundsätzlich kommt Verfall bei Eigentum von Dritten nicht in Betracht. Ein solches steht dem Verfall nur dann nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen des § 73 IV StGB vorliegen. Danach können dem Angeklagten nicht gehörende Gegenstände verfallen, wenn der Dritte dem der Gegenstand gehört oder zusteht, den Vorteil für die Tat oder zumindest in Kenntnis der Tat gewährt hat. Gemäß § 73 I 2 StGB ist die Anordnung des Verfalls bei bestehenden zivilrechtlichen Rückerstattungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen, um dem Verletzten den Zugriff auf den vom Täter erzielten Tatvorteil zu sichern1429. Der § 73 a StGB sieht – wie der § 74 c StGB für die Einziehung1430 – die Möglichkeit des Verfalls des Wertersatzes vor. Die Norm bestimmt insoweit, dass das erkennende Gericht nach Lage der Sache zum Zeitpunkt seiner Entscheidung anstelle des nicht möglichen Verfalls des Erlangten gemäß § 73 StGB den Verfall des Wertersatzes, also eines dem Wert des Erlangten entsprechenden Geldbetrages, anzuordnen hat. Auch der Wertersatzverfall setzt daher voraus, dass der Täter zunächst etwas im Sinne des § 73 StGB erlangt hat, knüpft also an die Voraussetzungen des Verfalls an1431. Der Verfall wird nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre, § 73 c I 1 StGB. Er kann darüber hinaus gemäß § 73 c I 2 StGB unterbleiben, wenn der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen

1424 1425 1426 1427 1428 1429 1430 1431

Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 246. BGHSt 47, 369, 374 f. BGH NStZ 2001, 155 ff.; BGH NStZ 2002, 477, 479; Körner § 33 BtMG Rdn. 76. BGHR StGB § 73 Erlangtes 4; BGH NJW 2001, 693, 694. BGH NStZ 2003, 37 ff.; Körner § 33 Rdn. 77. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 249. Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 D. III. 2. b) aa) (1). Fischer § 73 a Rdn. 2.

D. Das Hauptverfahren

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des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist, oder wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat1432. (2) Der Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Als maßgeblicher Vermögenszuwachs, der im Wege des Verfalls eingezogen werden kann, ist der Dopingmittelgeschäftserlös anzusehen. Im Sinne des Bruttoprinzips geht die Rechtsprechung im Bereich des Betäubungsmittelstrafrecht davon aus, dass bei Rauschgiftgeschäften der gesamte Verkaufserlös ohne Abzug von Einkaufspreisen, Transportkosten, Kurierlohn etc., bei illegalen ärztlichen Behandlungen mit Betäubungsmitteln ohne Abzug der Unkosten für ärztliche Behandlung und Laborunkosten, für verfallen zu erklären ist. Ausnahmen gestattet die Härteklausel des § 73 c StGB nur für ungewöhnliche Fallgestaltungen1433. Diese Grundsätze können für die Dopingdelinquenz übernommen werden. Werden demgemäß Arzneimittel zu Dopingzwecken verkauft – und somit im Sinne des § 6 a AMG in den Verkehr gebracht – oder entgeltlich verschrieben muss das erlangte Etwas auf Grundlage dieser Rechtsprechung ermittelt und sodann für verfallen erklärt werden1434. Entscheidend ist, was dem Betroffenen gerade durch die Straftat zugeflossen ist, oder was er durch diese erspart hat. Ist der Erlös aus einem festgestellten Dopingmittelgeschäft unbekannt, so darf nicht ein Verfallsbetrag damit begründet werden, was der Angeklagte mit der Dopingmittelmenge hätte erzielen können, sondern das Gericht muss aufgrund der Marktpreise nach § 73 b StGB schätzen und seine Überzeugung bilden, dass er zumindest diesen Preis erzielt hätte1435. Neben dem Veräußerungserlös für die Dopingmittel kommen als Verfallsobjekte vor allem Honorare für Kuriertätigkeiten1436 und Gewinnbeteiligungen sowie Belohnungen in Betracht1437. Da darüber hinaus auch ersparte Aufwendungen einen Vermögenszuwachs darstellen können, kann der Verfall auch angeordnet werden, wenn mit dem Dopingmittelgeld andere Aufwendungen bestritten und mit den so eingesparten Mitteln das Vermögen gebildet oder dessen Verbrauch vermindert wurde1438. 1432

Siehe hierzu im Einzelnen Körner § 33 BtMG Rdn. 94 ff. Zu der umfassenden Rechtsprechung in diesem Bereich Körner § 33 Rdn. 87 m.w.N. 1434 Siehe hierzu in Bezug auf die Betäubungsmitteldelinquenz ausführlich Körner (§ 33 Rdn. 106 ff.). 1435 So die Rechtsprechung des BGH in Bezug auf Betäubungsmittelgeschäfte (BGH NStZRR 2001, 82; BGH NStZ-RR 2002, 208 f.; Siehe zur Schätzung des Erlangten gemäß § 73 b StGB ferner Körner § 33 Rdn. 91 f. 1436 BGHR StGB § 74 I Tatmittel 4; BGHR StGB § 73 Erlangtes 3. 1437 Weber § 33 Rdn. 38. 1438 BGHR StGB § 73 c Wert 2; BGH NStZ 2000, 480, 481; Weber § 33 Rdn. 41. 1433

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Kap. 3: Der Strafprozess

Hat der Tatbeteiligte aus der Tat keinen Erlös, sondern nur die Dopingmittel selbst erlangt, so unterliegen diese nicht dem Verfall, sondern als Beziehungsgegenstände der Einziehung1439. dd) Der erweiterte Verfall § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB (1) Die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls gemäß § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB Da bei bestimmten Delikten – v. a. solchen der Organisierten Kriminalität1440 –der Nachweis, dass der Täter vorhandenes Vermögen gerade durch die den Gegenstand des Verfahrens bildende Tat erworben hat, kaum zu führen ist und deshalb der Verfall ausscheidet, wurde vom Gesetzgeber durch § 73 d StGB eine erweiterte Zugriffsmöglichkeit auf derartiges Vermögen geschaffen Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 73 d StGB ist, dass eine bestimmte rechtswidrige Anknüpfungstat begangen ist, wie sie die das Blankett ausfüllende, rückverweisende Norm beschreibt1441. Für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung findet sich eine derartige Verweisungsnorm in § 98 a AMG. Hiernach ist der § 73 d StGB in den Fällen des § 95 I Nr. 2 a AMG anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande gehandelt hat. Der Verfall ist in derartigen Fällen anzuordnen, wenn Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Diese Taten sind nicht mit denen identisch, die Gegenstand des Verfahrens sind, es ist nicht einmal erforderlich, dass sie zu den Delikten gehören, die auf § 73 d StGB verweisen1442. Nach dem Wortlaut des Gesetzes, aber auch nach den Gesetzesmaterialien genügt an sich für den Nachweis der Herkunft der Gegenstände eine hohe Wahrscheinlichkeit. Demgegenüber verlangt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus rechtsstaatlichen Gründen im Wege verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift eine auf erschöpfende Beweiserhebung und -würdigung beruhende uneingeschränkte tatrichterliche Überzeugung von der deliktischen Herkunft der Gegenstände1443. An diese Rechtsprechung sind keine überspannten Anforderungen zu stellen1444. Eine Wahrscheinlichkeit deliktischer Herkunft, die sich einem objektiven Betrachter geradezu aufdrängt, reicht für die Verfallsanordnung aus1445. Vernünftige, nicht fern liegende Zweifel an der deliktischen Herkunft schließen die Anordnung hingegen aus1446. 1439

Siehe hierzu oben unter Kapitel 3 D. III. 2. b) bb). Weber § 33 Rdn. 191. 1441 „Katalogtat“ BGHSt 41, 278, 284; Fischer § 73 d Rdn. 10. 1442 Malek Kap. III Rdn. 258. 1443 BGHSt 40, 371, 373; vergleiche hierzu ausführlich Fischer § 73 d Rdn. 2 ff.; Körner § 33 Rdn. 133 ff. 1444 Fischer § 73 d Rdn. 5. 1445 BGHSt 40, 371, 373. 1440

D. Das Hauptverfahren

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Die dem Verfall unterliegenden Gegenstände müssen dem Täter gehören, fremdes Eigentum hindert aber die Verfallsanordnung nach § 73 d I 2 StGB nicht, wenn der Täter wegen der aus § 134 BGB folgenden Nichtigkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts nicht Eigentümer werden konnte1447. Die Vorschriften über den Verfall des Wertersatzes (§73 a StGB), die Schätzung (§ 73 b StGB) und die Härtevorschrift (§ 73 c StGB) gelten gemäß § 73 d II, IV StGB entsprechend. § 73 I 3 StGB verweist neben § 73 II StGB auch auf § 73 I 2 StGB, um so ebenfalls eine angemessene Berücksichtigung der Rechte Dritter zu ermöglichen1448. (2) Der erweiterte Verfall gemäß § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB in Strafverfahren mit Dopinghintergrund Gesetzgeberisches Motiv für die Anwendbarkeit des erweiterten Verfalls in Fällen, in denen der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten gemäß §§ 6 a I, 95 I Nr. 2 a StGB zusammengeschlossen hat, ist die Gewährleistung einer effektiven Gewinnabschöpfung. Der § 98 a AMG entspricht damit den vergleichbaren Vorschriften über die Gewinnabschöpfung bei anderen Straftaten, die einen Bezug zur Organisierten Kriminalität aufweisen1449. Die erforderliche uneingeschränkte Überzeugung von der kriminellen Herkunft aufgefundener Gelder darf nicht auf Spekulationen beruhen1450. Vielmehr müssen die Lebens- und Einkommensverhältnisse umfassend aufgeklärt worden sein1451. Erneut anlehnend an Erkenntnisse aus der Betäubungsmitteldelinquenz kann es hier, neben der regelmäßigen Feststellung der Einkommensverhältnisse, unter Umständen erforderlich sein, zu überprüfen, ob der Angeklagte seinen Lebensstil plötzlich geändert hat1452. Zusätzlich können Hinweise aus einschlägigen Szenen, in denen der Angeklagte seit Jahren als Dealer bekannt ist, auf eine deliktische Herkunft hindeuten. Kann dem Angeklagte erhöhter Kontakt zu möglicherweise – strafrechtlich oder verbandsrechtlich – überführten Dopingmittelkonsumenten nachgewiesen werden, so kann auch dies zur Überzeugungsbildung des Gerichts herangezogen werden. Ebenso kann bezüglich der Tatsache, dass in der Wohnung des Angeklagten Utensilien für Verpackung und Verkauf, nebst umfänglichen Abrechnungsbüchern aufgefunden wurden, verfahren werden1453. 1446 1447 1448 1449 1450 1451 1452 1453

BGHSt 40, 371, 373. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rdn. 258. BT-Drucks 16/700, S. 20. BT-Drucks 16/5526 S. 9. BGHSt 40, 371 ff. Körner § 33 Rdn. 144. Körner § 33 Rdn. 144. Körner § 33 Rdn. 144.

Kapitel 4

Fazit Es konnte gezeigt werden, dass die materiell-rechtlichen Anti-Doping-Normen des AMG nicht zwangsläufig weiterhin „totes Recht“ darstellen müssen, sondern, dass sie leicht revitalisiert werden und so eine suffiziente Grundlage für eine effektive Bekämpfung des Dopings im Sport darstellen können, sofern 1. die auf einem Verstoß gegen sie beruhenden Strafverfahren konsequent eingeleitet und durchgeführt werden, und 2. ein paar geringfügige Justierungen durch den Bundesgesetzgeber, die Länder sowie die Sportverbände und die NADA vorgenommen werden. Darüber hinaus konnten einige umstrittene Probleme eingehend untersucht und etliche, zuvor wenig bis gar nicht beachtete, Besonderheiten bei der Anwendung der strafrechtlichen Dopingverbote des AMG im Strafprozess aufgezeigt werden (hierzu unter 3.). Zu 1.: Der Grundpfeiler einer effektiven strafrechtlichen Dopingverfolgung ist die konsequente Durchführung der Strafverfahren. Aufgrund der deliktspezifischen Besonderheiten muss hierbei der Verfahrenseinleitung die größte Aufmerksamkeit zugebilligt werden. Da der dopende Athlet und die sich um ihn bildende Personengruppe jeweils eigene Interessen am Doping des Sportlers und an dessen Geheimhaltung haben und es sich bei der Dopingdelinquenz zusätzlich um einen klassischen Fall der quasi-opferlosen Kriminalität handelt, stellen Strafanzeigender Opfer und Täter die absolute Ausnahme dar. Umso wichtiger ist es, alle weiteren Möglichkeiten zur Einleitung der Strafverfahren auszunutzen. Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass eine positive Dopingprobe bereits einen Anfangsverdacht begründet und mithin zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet. Aber auch darüber hinaus gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, Strafverfahren mit Dopinghintergrund einzuleiten, von denen jedoch in gebührendem Maße wohl nur Gebrauch gemacht werden kann, wenn spezielle Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit den Ermittlungen betraut werden. Nach ihrer Einleitung müssen die Strafverfahren mit Dopinghintergrund ferner unter Einsatz aller zur Verfügung stehender prozessualer Mittel konsequent zu Ende gebracht werden. Von den Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung sollte nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden, sie sollten nicht – wie es momentan

Kap. 4: Fazit

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den Anschein hat – die erste Wahl eines jeden Staatsanwalts sein, der in einer Akte das Wort „Doping“ liest. Zu 2.: Zur vollständigen Revitalisierung der strafrechtlichen Dopingverfolgung, bedarf es zusätzlich einiger Justierungen durch den Bundesgesetzgeber [hierzu unter a)], die Länder [unter b]) sowie die Verbände und die NADA [unter c)]. Hierbei handelt es sich nicht um große, gewichtige Veränderungen, aber um solche, die eine nachhaltige Wirkung entfalten können. a) Für eine sinnvolle Erweiterung der Möglichkeiten der Verfahrenseinleitungen, wäre es wünschenswert, wenn der Bundesgesetzgeber Fitnessstudios und Wettkampfstätten explizit in den Katalog der Betriebe, Einrichtungen und Personen aufnehmen würde, die gemäß § 64 AMG der Regelüberwachung durch die Arzneimittelüberwachungsbehörden unterliegen, da diese vom jetzigen Gesetzeswortlaut nicht erfasst werden1. Weitere Gesetzesänderungen durch den Bundesgesetzgeber erscheinen zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich, beziehungsweise nicht möglich. Speziell kommt eine Aufnahme der §§ 6 a, 95 I Nr. 2 a, 2 b AMG in die Straftatenkataloge der § 100 a StPO und § 110 a StPO nicht in Betracht. Auch von einer Aufnahme in den Katalog des § 395 StPO muss abgesehen werden, da eine solche den gewünschten Erfolg – die Installation von Organen der Verbände als Nebenkläger – nicht erbringen würde. b) Unabdingbare Voraussetzung für die Revitalisierung der strafrechtlichen Dopingverbote des AMG ist die Schaffung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften durch die Bundesländer. Ohne Staatsanwälte mit besonderen Fachkenntnissen, die sich ausschließlich mit diesen Delikten beschäftigen und die zugleich kontinuierlichen Kontakt mit den Sportverbänden und der NADA halten, wird es keine erfolgreiche staatliche Dopingbekämpfung geben! Hieran werden auch weitere materiell-rechtliche Gesetze nichts ändern können. Bei der strafrechtlichen Dopingverfolgung handelt es sich – wie auch bei der strafrechtlichen Betäubungsmittelverfolgung – ob ihrer Besonderheiten um einen derart speziellen Deliktsbereich, dass eine Bearbeitung durch allgemeine Abteilungen nie von hinreichendem Erfolg gekrönt sein kann. c) Auch die Verbände beziehungsweise die NADA müssen –sofern sie tatsächlich von Seiten des Staats im Kampf gegen das Doping unterstützt werden wollen–einen Beitrag zur Revitalisierung der strafrechtlichen Anti-Doping-Normen leisten, indem sie die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden verbessern. Neben einer generellen Kooperation, wie sie sich begrüßenswerter Weise aktuell zwischen der NADA und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München 1 Ein solcher – jedoch nur die Fitnessstudios betreffender – Vorschlag wurde auch schon von der Rechtskommission des Sports gegen Doping in ihrem Abschlussbericht (dort S. 29) unterbreitet.

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Kap. 4: Fazit

andeutet2, muss eine Änderung der Anzeigeverpflichtung des NADC vorgenommen werden. Die unverständlichen Trennung zwischen einer Anzeigepflicht bei Hinweisen Dritter und einer, in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Organisation gestellten, Anzeigebefugnis bei einer positiven Dopingprobein Art. 14.2 NADC ist zu verwerfen. An ihre Stelle sollte, korrespondierend mit der Bejahung des strafprozessualen Anfangsverdachts bei einer positiven Dopingprobe, eine generelle Anzeigepflicht ohne Unterscheidung nach dem Ursprung des Verdachts treten. Darüber hinaus wäre es begrüßenswert, wenn die Verbände beziehungsweise die NADA Schutzmechanismen für Whistleblower in ihre Reglements aufnehmen würden. Zu 3.: a) Erlangt die Staatsanwaltschaft durch die Sportverbände oder die NADA Kenntnis von einer positiven Dopingprobe, so genügt dies bereits zur Bejahung eines Anfangsverdachts. Das Auffinden einer geringeren als der nicht geringen Menge von Dopingmitteln führt hingegen ebenso wenig unmittelbar zu einer Annahme des Anfangsverdachts, wie das Auffinden von Dopingmittelverpackungen. Beides kann aber im Zusammentreffen mit weiteren Indizien einen Anfangsverdacht begründen. b) Für Bundessportfachverbände, Verbände im Bereich des Behindertensports und Ausrichter von Großveranstaltungen, die durch das Bundesministerium des Innern gefördert werden, besteht eine vertragliche Verpflichtung ab Kenntniserlangung eines positiven Testergebnisses, Strafanzeige bei der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft zu stellen. c) Entscheidende Hinweise zur Einleitung von Strafverfahren mit Dopinghintergrund können von Krankenkassen und Banken kommen. Darüber hinaus können bei der Verfahrenseinleitung das Bundeskriminalamt und der Zoll eine Rolle spielen. Aufgrund der Eigenheiten der Dopingdelinquenz kommen ferner– im Rahmen ihrer jeweiligen Zulässigkeit –Initiativermittlungen, Vorermittlungen und Strukturverfahren in Betracht. d) Im Rahmen der Erfassung von Auslandstaten gemäß § 7 StGB ist in besonderem Maße darauf zu achten, dass die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist, da nicht jedes Land über Anti-Doping-Gesetze verfügt. e) Wird einem Sportler in seinem Heimatland der Diplomatenstatus verliehen, so kann dies gemäß § 20 II GVG zu einem Verfahrenshindernis in Deutschland führen. 2 Siehe hierzu Bekanntmachung auf der Homepage der NADA (http://interaktiv.nadabonn.de/42.html).

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f) Die Einführung der Besitzstrafbarkeit in § 6 a II a AMG hat nicht zu einer Verschlechterung der Situation beim Personalbeweis geführt, da der des Dopings verdächtige Sportler schon zuvor nicht bei der Aufklärung der Tat mitgewirkt hat. g) Trotz einer, auf dem Prinzip der strict liability beruhenden, Art faktischen Zwangs zur Aussage im verbandsrechtlichen Verfahren, besteht kein Beweisverwertungsverbot für die dort gewonnenen Aussagen des Sportlers. Die fehlende gesetzliche Mitwirkungspflicht und die Tatsache, dass die Aussagen nicht durch hoheitliche Gewalt erzwingbar sind, schließen eine Übertragbarkeit der Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. h) Von der neu eingeführten deliktsübergreifenden Kronzeugenreglung des § 46 b StGB können nunmehr Täter eines besonders schweren Falls einer Dopingstraftat erfasst werden, die Kenntnisse über eine weitere, als besonders schweren Fall einzustufende Dopingstraftat preisgeben. Die Einführung einer– zuvor heftig umstrittenen – dopingspezifischen sogenannten kleinen Kronzeugenreglung ist damit hinfällig geworden. i) Bezüglich der Möglichkeiten des Zeugenschutzes für Spitzensportler und Trainer ist stets deren Bekanntheitsgrad zu berücksichtigen. j) Die von Verbänden oder der NADA gewonnen Dopingproben können regelmäßig in Strafverfahren verwendet werden. Ein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 StPO besteht für die Dopingproben zumeist nicht, da sie in der Regel nicht von einem Arzt oder einer sonstigen zeugnisverweigerungsberechtigten Person im Sinne des § 53 I Nr. 2 StPO genommen werden und es sich bei den Dopingkontrolllaboren in Köln und Kreischa nicht um Krankenanstalten im Sinne des § 97 II 2 StPO handelt. Darüber hinaus ist kein Beweisverwertungsverbot aufgrund der aktiven Mitwirkung des Sportlers anzuerkennen. Zwar besteht aufgrund der Reglungen des NADC ein tatsächlicher Zwang zur Abgabe, diesem hat sich der Sportler aber zum einen freiwillig unterworfen, zum anderen ist die Abgabe der Dopingprobe nicht durch hoheitliche staatliche Gewalt erzwingbar. Eine Übertragbarkeit der Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts muss mithin auch hier ausscheiden. k) Im Zusammenhang mit der Anordnung der Untersuchungshaft ist zu beachten, dass es sich bei Spitzensportlern häufig um Ausländer handelt, die nur für einzelne Sportveranstaltungen in Deutschland sind. Fluchtgefahr ist bei ihnen nicht pauschal zu bejahen, vielmehr gilt es eine Gesamtabwägung aller Aspekte des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. l) Bei dem öffentlichen Interesse i.S.d. § 153 StPO bzw. § 153 a StPO ist zu beachten, dass die prominente Stellung eines Sportlers nicht automatisch zur Be-

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jahung dieses Merkmals führen darf. Etwas anderes kann gelten, wenn eine besonders intensive Berichterstattung durch die Presse ein starkes Interesse der Öffentlichkeit hervorgerufen hat. m) Aufgrund der antizipierten Beweisprobleme hat der Gesetzgeber bei der Normierung der strafrechtlichen Anti-Doping-Gesetze des AMG vielfach Methoden zur beweisgeeigneten Tatbestandsgestaltung verwendet. n) Ein drohendes Berufsverbot für sogenannte Dopingärzte sowie Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage können in Strafverfahren mit Dopinghintergrund zur Annahme eines Falls der notwendigen Verteidigung führen. o) Wird von dem Angeklagten in einem Strafverfahren mit Dopinghintergrund ein Sachverständigengutachten bezüglich eines Dopingtests angezweifelt, so verbleibt ihm zumeist nur die Möglichkeit einen Privatgutachter zu beauftragen um eine „second opinion“ in das Verfahren einzubringen. Ein solches Vorgehen stellt jedoch regelmäßig eine nicht zu unterschätzende Hürde dar, da es für den Angeklagten zum einen wirtschaftliche Risiken mit sich bringt und viele Sachverständige zum anderen nicht bereit sind, als Privatgutachter tätig zu werden. p) Die verfahrensbeendende Verständigung kann in Strafverfahren mit Dopinghintergrund in Anbetracht der bekannten Beweisprobleme und der limitierten Anwendungsmöglichkeiten der Kronzeugenreglung eine gewichtige Rolle spielen. Hierbei gilt es, verstärkt darauf zu achten, dass das Geständnis des Angeklagten zum Teil der Verständigung gemacht wird. Optimaler Weise sollte dies auch Tatbeiträge Dritter zu der verfahrensgegenständlichen Tat umfassen. q) Es bleibt zu bezweifeln, dass der Dopingmittelkonsum bzw. dessen Folgen zu einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB führen können. Letztlich bedarf es aber zur abschließenden Klärung des Suchtpotentials von Dopingmitteln – und hier v. a. von anabolen Steroiden – umfassender medizinischer Gutachten. r) Bei der Strafzumessung gemäß § 46 II 2 StGB gilt es in Strafverfahren mit Dopinghintergrund eine Reihe deliktspezifischer Besonderheiten zu berücksichtigen: Der sportliche Ehrgeiz kann im Gegensatz zu beamtenrechtlichen-, berufsrechtlichen- und verbandsrechtlichen Folgen nicht strafmildernd berücksichtigt werden. Die Ausländereigenschaft des Angeklagten ist nicht strafschärfend heranzuziehen. Die Menge der Dopingmittel stellt eine strafzumessungsrelevante Tatsache dar. Bezüglich des Wirkstoffgehalts sollte, wie auch bei Betäubungsmitteln, eine Einteilung in „weiche“ und „harte“ Dopingmittel erfolgen.

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s) Eine „Bestrafung durch die Medien“ aufgrund einer exzessiven Berichterstattung kann als unbenannte Strafzumessungstatsache i.S.d. § 46 StGB strafmildernd berücksichtigt werden. Eine Unterscheidung zwischen Personen, die sich an exponierter Stelle in der Öffentlichkeit betätigen, und sonstigen Personen ist nicht vorzunehmen. Bei der Beurteilung einer Strafmilderung kommt es vielmehr in erster Linie auf den Umfang und die Tendenz der Berichterstattung, sowie auf den eigenen Beitrag des Angeklagten zur Berichterstattung an. t) Ein Berufsverbot gemäß §§ 70 ff. StGB kommt in erster Linie bei sogenannten Dopingärzten in Betracht. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist ein solches aber nur anzuordnen, wenn es sich bei der abzuurteilenden Dopingstraftat um eine solche mit außergewöhnlichen Umständen oder außergewöhnlichen Folgen handelt. u) Bei Straftaten mit Dopinghintergrund kommen neben Einziehung und Verfall gemäß §§ 74 ff. StGB auch eine Einziehung gemäß § 98 AMG und der Erweiterte Verfall gemäß § 98 a AMG i.V.m. § 73 d StGB in Betracht. Der § 98 AMG ermöglicht hierbei die Einziehung der Beziehungsgegenstände, also der Arzneimittel, wenn diese zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr gebracht, verschrieben oder besessen werden.

Anhang

Anti-Doping-Zuwendungsklauseln des Bundesministeriums des Innern 1.) Anti-Doping-Klausel für Bewilligungsbescheide zur Förderung von Sportgroßveranstaltungen in Deutschland (WM/EM/Sonstige) – Anlage: (Mindest-)Anforderungen des BMI an Dopingkontrollmaßnahmen Die grundsätzliche Förderzusage des BMI setzt die Vorlage eines mit der NADA abgestimmten Anti-Doping-Programms für die Großveranstaltung voraus. Der Zuwendungsempfänger hat auf geeignete Weise sicherzustellen, dass die folgenden Anforderungen vom Veranstalter erfüllt werden: 1. Der Veranstalter hat mit der NADA die Anti-Doping-Maßnahmen abzusprechen und zu koordinieren. Das Anti-Doping-Programm soll insbesondere Angaben zu Art und Umfang der durchzuführenden Dopingkontrollen, zur schriftlichen Unterwerfung aller Teilnehmer an einer Sportgroßveranstaltung (Athleten/innen, Trainer und Betreuer) unter den NADACode oder einen anderen dem WADA-Code entsprechenden Regelwerk, und zum geplanten Zeitrahmen des Anti-Doping-Programms enthalten. Spätestens bis zu einem Jahr vor Beginn der Sportgroßveranstaltung hat der Veranstalter zusammen mit der NADA die Umsetzung des Anti-Doping-Programms zu starten. 2. Der Veranstalter stellt in Absprache mit dem internationalen oder nationalen Sportfachverband sicher, dass nur Athleten/innen an der Sportgroßveranstaltung teilnehmen dürfen, die einem Dopingkontrollsystem angehören, das die Vorgaben des WADA-Codes erfüllt (einschließlich unangekündigter Trainingskontrollen im Vorfeld der Wettkampfveranstaltung). Ferner legt er im Vorfeld der Sportgroßveranstaltung spätestens jedoch bis zwei Wochen vor dem Beginn der Wettkampfveranstaltung der NADA eine Liste aller an der Sportgroßveranstaltung teilnehmenden Athleten/innen vor. Die Liste hat dabei insbesondere Angaben zur Testpoolzugehörigkeit des jeweiligen Athleten unter Benennung der zuständigen AntiDoping-Organisation zu enthalten. Ausnahmen von diesen Regelungen sind nur in begründeten Einzelfällen möglich und der NADA entsprechend anzuzeigen. 3. Anforderungen an die NADA Im Rahmen der Sportgroßveranstaltung organisiert grundsätzlich die NADA die Dopingkontrollen und führt diese entsprechend den Vorgaben des NADA-Codes und seiner Ausführungsbestimmungen durch, sofern nicht nach Absprache zwischen dem Veranstalter und

Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

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der NADA für die Sportart oder die Art der Veranstaltung ein anderes Vorgehen erforderlich und vereinbart ist. 3.1 Vor-Wettkampf-Kontrollen (Pre-Competition-Testing) In einem Zeitraum von zwei Wochen vor bis zum Beginn der Wettkampfveranstaltung führt die NADA eine mit dem Veranstalter abzustimmende Anzahl von unangekündigten Dopingkontrollen bei den gemeldeten Teilnehmern durch. Zeitpunkt und Art der Kontrolle bestimmt die NADA. Der Veranstalter und die NADA behalten sich zudem vor, die genommenen Proben nach der Analyse einzufrieren und zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu analysieren. 3.2 Wettkampfkontrollen (In-Competition-Testing) Während der Wettkampfveranstaltung führt die NADA ebenfalls Dopingkontrollen durch. Je nach Sportart und Art der Veranstaltung werden dabei folgende Kontrollmaßnahmen ausgeführt: – Bei Einzelsportarten werden die erst- bis drittplatzierten Athleten/innen ausgewählter Wettkämpfe sowie ggf. weitere 5 – 10 % Prozent aller Teilnehmenden kontrolliert. – Bei Mannschaftssportarten werden in ausgewählten Wettkämpfen jeweils bis zu drei Spieler/innen einer teilnehmenden Mannschaft kontrolliert. Anzahl und Art der Kontrollen werden in Absprache mit dem Veranstalter von der NADA abschließend festgelegt. Führt der Veranstalter die Dopingkontrollen im Rahmen der Wettkampfveranstaltung selbst durch, behält sich die NADA vor, ein eigenes Beobachter-Team zur Wettkampfveranstaltung zu entsenden. 4. Ergebnismanagement Der Veranstalter regelt im Vorfeld der Wettkampfveranstaltung mit dem nationalen und internationalen Sportfachverband, welche Anti-Doping-Organisation das Ergebnismanagement übernimmt. Der NADA ist diese Entscheidung mit dem im Vorfeld festzulegenden Anti-Doping-Programm (siehe Ziff. 1) schriftlich mitzuteilen. 5. Analytik Die Analyse der Wettkampfkontrollen erfolgt nach den Bestimmungen des NADA-Codes und dessen Ausführungsbestimmungen oder einem anderen dem WADA-Code entsprechenden Regelwerk. Die NADA ist zudem berechtigt, Datenbanken zur Verwaltung und Auswertung der Ergebnisse von Blut- und Urinkontrollen anzulegen und Blut- und Urinproben zur späteren Analyse einzufrieren. 6. Der Veranstalter weist darauf hin, dass die NADA maßgeblicher Ansprechpartner für jegliche – auch anonym übermittelte – Hinweise auf Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen ist. 7. Öffentlichkeit und Medien Der Veranstalter kann sich in Absprache mit der NADA im Vorfeld der Veranstaltung der Öffentlichkeit und der Medien bedienen, um auf die Anti-Doping-Aktivitäten aufmerksam zu machen und die eigenen Anstrengungen darzustellen. 8. Die Finanzierung der o.g. und evtl. weiterer Maßnahmen der Dopingbekämpfung erfolgt durch den Veranstalter.

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Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

2.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Internationale Geschäftsstellen“ – als Bestandteil des BVA-Zuwendungsbescheids an die Sportfachverbände Der Geschäftsstelle ist aufzugeben, sich für eine uneingeschränkte aktive Dopingbekämpfung einzusetzen sowie sich in keiner Weise an Dopingmaßnahmen zu beteiligen oder Doping zu unterstützen. Das für sie tätige haupt- und nebenamtliche Personal ist rechtlich in schriftlicher Form dementsprechend zu verpflichten. Die Zuwiderhandlung ist als grobe Pflichtverletzung festzulegen, die das Recht zur sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle nach sich ziehen und zu einer vollständigen oder anteiligen Rückforderung der gewährten Mittel führen kann. Jeder Verstoß gegen die hier genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung.

3.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Sportmedizinische Untersuchungen“ – Auflage als Bestandteil des BVA-Zuwendungsbescheids an den DOSB Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Mitwirkung des Zuwendungsempfängers bei der Dopingbekämpfung voraus. Hierzu gehören insbesondere die inhaltliche Beachtung des NADA-Codes und die aktive Verfolgung von Anhaltspunkten für Dopingverstöße im Bereich des Zuwendungsempfängers und der von ihm beauftragten lizenzierten Institute. Der Zuwendungsempfänger ist verpflichtet, bei Beauftragung der lizenzierten Institute vertraglich sicherzustellen, dass für dort Beschäftige (insbesondere Medizinerinnen und Mediziner), die als Athletenbetreuer im Sinne des NADA-Codes (siehe Anhang 1 NADA-Code) tätig sind, in schriftlicher Form festgelegt ist, dass die Mitwirkung bei den in Art. 2 NADACode genannten Doping-Verstößen grobe Pflichtverletzungen darstellen, die das Recht zu einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit des Instituts mit dem/der betreffenden Beschäftigten und zur sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit des Zuwendungsempfängers mit dem beauftragten Institut nach sich zieht. In entsprechender Weise ist sicherzustellen, dass diese Personen die Beweislastregeln des Art. 3 NADA-Code als für sich anwendbar und die Liste verbotener Wirkstoffe und verbotener Methoden der WADA gemäß Art. 4 NADA-Code als verbindlich anerkennen. Der Zuwendungsempfänger hat sicherzustellen, dass die von ihm beauftragten Institute von allen bei den Untersuchungen mitwirkenden Medizinerinnen und Medizinern eine Anti-Doping-Erklärung einfordern (wie die Ehren- und Verpflichtungserklärung für Ärzte, Tierärzte, Physiotherapeuten, Trainer und Betreuer des DOSB) und in den Arbeits- oder Honorarverträgen festlegen, dass wahrheitswidrige Angaben in der Anti-Doping-Erklärung das Institut zur Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses berechtigen. Hinsichtlich des übrigen haupt- und nebenamtlichen bei den Untersuchungen mitwirkenden Personals ist durch den Zuwendungsempfänger vertraglich sicherzustellen, dass diese vom beauftragten Institute in schriftlicher Form verpflichtet werden, sich in keiner Weise an Dopingmaßnahmen zu beteiligen oder das Doping zu unterstützen. Die Zuwiderhandlung ist als grobe Pflichtverletzung festzulegen, die das Recht zu einer fristlosen Kündigung des betref-

Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

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fenden Personals durch das Institut und zur sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit des Zuwendungsempfängers mit dem beauftragten Institut nach sich zieht. Der Zuwendungsempfänger hat vertraglich sicherzustellen, dass die von ihm beauftragten Institute nach Bekanntwerden eines positiven Analyseergebnisses bei einem betreuten Sportler ermitteln und dokumentieren, wer bei dem Dopingverstoß mitgewirkt hat sowie unverzüglich folgende Mitteilungen zu machen: 1. der zuständigen Staatsanwaltschaft über Kenntnis von Sachverhalten, die auf einen Verstoß gegen § 6 a Arzneimittelgesetz bzw. gegen das Betäubungsmittelgesetz hinweisen, 2. der NADA sowie dem betroffenen Sportfachverband über Anhaltspunkte für einen Dopingverstoß sowie über eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft nach Nr. 1, 3. dem Dienstherrn, falls die oder der Betroffene im Bundesdienst steht, über Mitteilungen nach Nr. 1 und 2. Ein Verstoß des Zuwendungsempfängers oder der von diesem beauftragten Institute gegen die genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung.

4.) Anti-Doping-Klausel im Zuwendungsbescheid des BVA an den DOSB für die Finanzierung der Trainerakademie Köln des DOSB Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Mitwirkung des Zuwendungsempfängers bei der Dopingbekämpfung voraus. Hierzu gehören insbesondere die inhaltliche Beachtung des NADA-Codes, die aktive Verfolgung von Anhaltspunkten für Dopingverstöße im Bereich des Zuwendungsempfängers sowie die Unterstützung aller Maßnahmen zur Dopingbekämpfung, insbesondere der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) und der Sportfachverbände. Das haupt- und nebenamtliche Personal an der Trainerakademie Köln des DOSB ist spätestens bis zum 31. August 2008 in schriftlicher Form zu verpflichten, sich in keiner Weise an Dopingmaßnahmen (siehe Art. 2 NADA-Code) zu beteiligen oder das Doping zu unterstützen. Die Zuwiderhandlung ist als grobe Pflichtverletzung festzulegen, die das Recht zu einer fristlosen Kündigung oder zur sofortigen Beendigung einer Zusammenarbeit mit dem Zuwendungsempfänger nach sich zieht. Ein Verstoß gegen die genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung.

5.) Anti-Doping-Erklärung – Studium an der Trainerakademie des DOSB Bewerber/innen um einen Ausbildungsplatz an der Trainerakademie Köln des DOSB haben vor der Entscheidung über ihre Zulassung zum Studium der Zulassungskommission die folgende Anti-Doping-Erklärung abzugeben.

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Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

Hiermit erkläre ich rechtsverbindlich: – Ich habe weder in meiner aktiven Zeit als Sportler/in noch danach (als Trainer/in) gegen jeweils geltende Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen (vgl. Art. 2 NADA-Code) oder: – Ich habe gegen die jeweils geltenden Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen (konkrete Angaben bitte auf einem gesonderten Blatt). Weiterhin erkläre ich: – Ich erkenne die einschlägigen Anti-Doping-Bestimmungen, insbesondere den WADA und NADA-Code, als für mich verbindlich an. – Sofern ein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt, bin ich damit einverstanden, dass mein Fall der vom DOSB eingesetzten unabhängigen Kommission zur Überprüfung von Trainern/-innen und Offiziellen mit Dopingvergangenheit (sog. „Steiner-Kommission“) vorgelegt wird und deren Votum der Trainerakademie und dem Bundesministerium des Innern zur weiteren Entscheidung zur Verfügung gestellt wird. – Ich bin damit einverstanden, dass meine Angaben, z. B. mit Hilfe der NADA, überprüft werden können. – Ich bin mir bewusst, dass eine wahrheitswidrige Angabe die Trainerakademie zur Aufhebung meines Ausbildungsvertrages und mir gegenüber zu einer Rückforderung der vom Sportfachverband an die an der Trainerakademie entrichteten Lehrgangskosten führen kann.

6.) Anti-Doping-Klausel im Zuwendungsbescheid des BVA an die Spitzensportverbände, denen für die Kosten der Ausbildung ihres bundesfinanzierbaren Leistungspersonals zum Diplomtrainer/zur Diplomtrainerin an der Trainerakademie Köln des DOSB eine Zuwendung gewährt werden kann Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Mitwirkung des Zuwendungsempfängers und seiner vertraglich oder durch Mitgliedschaft an ihn gebundenen Personen bei der Dopingbekämpfung voraus. Hierzu gehören insbesondere die inhaltliche Beachtung des NADA-Codes und die aktive Verfolgung von Anhaltspunkten für Dopingverstöße im Bereich des Zuwendungsempfängers. Für die mit diesem Bescheid gewährte Zuwendung für die Kosten der Ausbildung ihres bundesfinanzierbaren Leistungssportpersonals zum Diplomtrainer/zur Diplomtrainerin an der Trainerakademie (TA) Köln des DOSB (Namen einfügen) gilt folgende Regelung: Wird während oder nach Abschluss der Ausbildung ein Dopingverstoß bekannt oder weist die Anti-Doping-Erklärung der Studentin/des Studenten wahrheitswidrige Inhalte auf, ist seitens des Verbandes eine Stellungnahme der vom DOSB eingesetzten unabhängigen Kommission zur Überprüfung von Trainern/-innen und Offiziellen mit Dopingvergangenheit (sog. „Steiner-Kommission“) herbeizuführen. Das Bundesministerium des Innern entscheidet auf der Grundlage der Kommissionsempfehlung über eine Rückforderung der gewährten Zuwendung.

Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

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7.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Deutsche Schulsportstiftung/JTFO“ Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Mitwirkung des Zuwendungsempfängers bei der Dopingbekämpfung voraus. Hierzu gehören insbesondere die inhaltliche Beachtung des NADA-Codes, die aktive Verfolgung von Anhaltspunkten für Dopingverstöße im Bereich des Zuwendungsempfängers sowie die Unterstützung aller Maßnahmen zur Dopingbekämpfung, insbesondere der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) und der Sportfachverbände. Mit der Mittelanforderung sind darüber hinaus Antidoping-Erklärungen der für die Stiftung geschäftsführend tätigen Personen vorzulegen, diese sind bei zwischenzeitlichem Personalwechsel erneut einzuholen und BVA nachzureichen. Jeder Verstoß gegen die hier genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung.

8.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „OSP, BLZ, IAT, FES und Entsendung zu Sportgroßereignissen“ Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Mitwirkung des Zuwendungsempfängers bei der Dopingbekämpfung voraus. Hierzu gehören insbesondere die inhaltliche Beachtung des NADA-Codes, die aktive Verfolgung von Anhaltspunkten für Dopingverstöße im Bereich des Zuwendungsempfängers sowie die Unterstützung aller Maßnahmen zur Dopingbekämpfung, insbesondere der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) und der Sportfachverbände. Für Athletenbetreuer im Sinne des NADA-Codes (siehe Anhang 1 NADA-Code), die für den Zuwendungsempfänger tätig sind, ist rechtlich in schriftlicher Form festzulegen, dass die Mitwirkung bei den in Art. 2 NADA-Code genannten Doping-Verstößen grobe Pflichtverletzungen darstellen, die zu einer fristlosen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder der Zusammenarbeit führen können. Die Beweislastregeln des Art. 3 NADA-Code und die Liste verbotener Substanzen und verbotener Methoden der WADA gemäß Art. 4 NADA-Code sind auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis für anwendbar und verbindlich zu erklären. Das übrige haupt- und nebenamtliche Personal ist rechtlich in schriftlicher Form zu verpflichten, sich in keiner Weise an Dopingmaßnahmen zu beteiligen oder das Doping zu unterstützen. Die Zuwiderhandlung ist als grobe Pflichtverletzung festzulegen, die das Recht zu einer fristlosen Kündigung oder zur sofortigen Beendigung einer Zusammenarbeit mit dem Zuwendungsempfänger nach sich zieht. Nach Bekannt werden eines positiven Analyseergebnisses bei einem betreuten Sportler hat der Zuwendungsempfänger zu ermitteln und zu dokumentieren, ob Angehörige, Mitarbeiter oder Beauftragte des Zuwendungsempfängers bei dem Dopingverstoß mitgewirkt haben, sowie unverzüglich folgende Mitteilungen zu machen: 1. der zuständigen Staatsanwaltschaft über Kenntnis von Sachverhalten, die auf einen Verstoß gegen § 6 a Arzneimittelgesetz bzw. gegen das Betäubungsmittelgesetz hinweisen, 2. der NADA sowie dem betroffenen Sportfachverband über Anhaltspunkte für einen Dopingverstoß sowie über eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft nach Nr. 1.

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Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

Zusatz bei Entsenderegelungen: – Durch entsprechende Entsenderegelungen sind des Dopings oder der Anwendung verbotener Medikationen bei einem Tier überführte Mitglieder von zu Sportgroßveranstaltungen entsandten zur Erstattung der auf sie und ggf. das Tier entfallenden Entsendekosten verpflichtet. – Die Bundeszuwendung mindert sich entsprechend, unbeschadet etwaiger Erstattungen des Mannschaftsmitglieds gegenüber dem DOSB oder Verbands – Ein Verstoß gegen die genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung. Zusatz vom 23. März 2009: – Abgewandelte Fassung – Entsendungskosten Vancouver 2010 – – Durch entsprechende Entsendungsregelungen sind des Dopings überführte Mitglieder der Olympiamannschaft Vancouver 2010 zur Erstattung der auf sie entfallenden Entsendekosten zu verpflichten. – Die Bundeszuwendung mindert sich entsprechend, unbeschadet etwaiger Erstattungen des Mannschaftsmitglieds gegenüber dem DOSB oder Verband.

9.) Anti-Doping-Zuwendungsklausel „Verbände mit besonderer Aufgabenstellung, Special Olympics Deutschland und Blindenschachbund“ Die Bundesförderung setzt die uneingeschränkte aktive Mitwirkung des Zuwendungsempfängers bei der Dopingbekämpfung voraus. Hierzu gehören insbesondere die inhaltliche Beachtung des NADA-Codes, die aktive Verfolgung von Anhaltspunkten für Dopingverstöße im Bereich des Zuwendungsempfängers sowie die Unterstützung aller Maßnahmen zur Dopingbekämpfung, insbesondere der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) und der Sportfachverbände. Für Athletenbetreuer im Sinne des NADA-Codes (siehe Anhang 1 NADA-Code), die für den Zuwendungsempfänger tätig sind, ist rechtlich in schriftlicher Form festzulegen, dass die Mitwirkung bei den in Art. 2 NADA-Code genannten Doping-Verstößen grobe Pflichtverletzungen darstellen, die zu einer fristlosen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder der Zusammenarbeit führen können. Die Beweislastregeln des Art. 3 NADA-Code und die Liste verbotener Substanzen und verbotener Methoden der WADA gemäß Art. 4 NADA-Code sind auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis für anwendbar und verbindlich zu erklären. Das übrige für den Verband tätige haupt- und nebenamtliche Personal ist rechtlich in schriftlicher Form dazu zu verpflichten, sich in keiner Weise an Dopingmaßnahmen zu beteiligen oder das Doping zu unterstützen. Die Zuwiderhandlung ist als grobe Pflichtverletzung festzulegen, die das Recht zu einer fristlosen Kündigung oder zur sofortigen Beendigung einer Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Verband nach sich zieht. Nach Bekannt werden eines positiven Analyseergebnisses hat der Zuwendungsempfänger zu ermitteln und zu dokumentieren, ob Angehörige, Mitarbeiter oder Beauftragte des Zuwendungsempfängers bei dem Dopingverstoß mitgewirkt haben, sowie unverzüglich folgende Mitteilungen zu machen:

Anhang: Anti-Doping-Zuwendungsklauseln

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1. der zuständigen Staatsanwaltschaft über Kenntnis von Sachverhalten, die auf einen Verstoß gegen § 6 a Arzneimittelgesetz bzw. gegen das Betäubungsmittelgesetz hinweisen, 2. der NADA über eine Mitteilung an die StA nach Nr. 1 und das Ergebnis des Ermittlungsbzw. Strafverfahrens sowie des verbandsinternen oder sportschiedsgerichtlichen Verfahrens, 3. dem Dienstherrn, falls der oder die Betroffene im Bundesdienst steht, über Mitteilungen nach Nr. 1 und 2 und über Meldepflichtverstöße sowie die dazu ergangenen Sanktionen und getroffenen Feststellungen, Sofern ein(e) Athletin/Athlet an einer vom Bund geförderten Maßnahme teilnimmt und des Dopings überführt wird, hat der Bundessportfachverband von der Athletin bzw. dem Athleten die anteiligen Maßnahmekosten zurückzufordern. Die Bundeszuwendung mindert sich entsprechend. Die Zuwendung des Bundes steht unter der Auflage, dass für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen in Streitverfahren aus dem NADA-Code spätestens ab 01. 01. 2009 ausschließlich der Rechtsweg zu einem unabhängigen Schiedsgericht beschritten wird, das den Anforderungen der Bestimmungen des 10. Buches der ZPO (insbesondere hinsichtlich Auswahl und Zusammensetzung der Schiedsrichter, Verfahrensregeln) genügt. Diese Auflage kann entweder erfüllt werden durch Nutzung eines verbandseigenen, unabhängigen Schiedsgerichts im Sinne der ZPO oder eines externen Schiedsgerichts, z. B. des Deutschen Sportschiedsgerichts bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), das den Verbänden im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung empfohlen wird. Zusatz bei Entsenderegelungen: – Durch entsprechende Entsendungsregelungen sind des Dopings oder der Anwendung verbotener Medikation bei einem Tier überführte Mitglieder von zu Sportgroßereignissen entsandten Mannschaften zur Erstattung der auf sie entfallenden Entsendekosten zu verpflichten. Die Bundeszuwendung mindert sich entsprechend. – Jeder Verstoß gegen die hier genannten Verpflichtungen führt zu einer Überprüfung der Bundesförderung im Hinblick auf eine Kürzung, Rückforderung oder Einstellung.

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Sachverzeichnis Abhängigkeit 42, 75, 214 f., 220 abstraktes Gefährdungsdelikt 180 allgemeine Handlungsfreiheit 94, 178 allgemeines Persönlichkeitsrecht 108 Anfangsverdacht 32 – 39, 46, 52, 57, 60, 73 f., 78 – 81, 83, 151, 153, 155, 242, 244 Anti-Doping-Klausel 49, 248, 251 Anti-Dopingbeauftragter 45 Anwendung bei anderen 35, 93, 181 Apotheker 23, 41, 52, 55, 62, 118 – 120, 132, 137, 192, 220, 222 Approbation 191, 222 Arzneimittelüberwachungsbehörden 83, 243 – Anlassüberwachung 84, 88 – Regelüberwachung 84 – 88, 243 Arzt 22 f., 36, 43, 55, 57 f., 85, 95, 109, 117 – 120, 134, 137, 181 f., 191 f., 222, 250 Asylrecht 114, 135 f. Auskunftsverweigerungsrecht 87, 109, 112, 116, 118 Auslandstaten 89, 91, 244 Aussageverweigerungsrecht 112, 117

BALCO 139 Banken 64 – 66, 244 Bankengeheimnis 66 Beamte 101, 152, 201 f., 221 Begünstigung 45 Belgien 91 Berufsverbot 189, 191, 231 f., 246 f. Beschaffungsdelikte 205 Beschlagnahme 62, 67, 123, 130 f., 137 Beschlagnahmefreiheit 132 Besitzstrafbarkeit 34 – 36, 46, 78, 94, 109, 117, 138, 150 f., 178, 182, 245 Bestechlichkeit 57, 67 f., 146 Bestechung 68, 146 Betäubungsmittel 36, 52, 54, 124, 165, 204, 214, 219

Betreuer 22 f., 36, 69, 71, 92, 109, 152, 160, 162, 165, 182, 218, 225, 248, 250 Betrug 57, 62, 64 Beweiserleichterung 172 – 175, 180 f., 183 f., 186 f. beweisgeeignete Tatbestandsgestaltung 171 Beweislastumkehr 111 Beweisverwertungsverbot 37, 110, 113, 135 f., 209, 245 Beziehungsgegenstände 233 f., 236, 240, 247 Blutbild 134 Blutprobe 134, 149 Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen 65 Bundesförderung des Spitzensports 48 Bundeskriminalamt 27, 46, 64, 67, 76 f., 82, 244 Bundesministerium des Innern 47, 244 Bundesrepublik Deutschland 47, 76, 224 COFIDIS

139, 143

DDR 26, 30, 94 – 97 Deal siehe verfahrensbeendendeVerständigung 205 Dealer 41, 109, 118, 196, 205, 241 Disqualifikation 22 DmMV 37, 39, 53 f., 182 Dopingkontrollen 22, 34, 41, 45, 50, 92, 95, 98, 114, 133, 135 f., 183, 248 f. Dopingmittelverpackung 39, 151, 235, 244 Dopingprobe 34 – 37, 46, 79, 114, 133 – 135, 143, 151, 223, 242, 244 f. DOSB 250 – 252, 254 Drei-Stufen-Theorie 202 Dunkelfeld 72, 86, 103, 142 Durchsuchung 37, 123, 131, 136 – 139 Ehrgeiz 218, 246 Eigentumsgarantie 186

Sachverzeichnis Einziehung 231 – 236, 238, 240, 247 England 91 Ergebnismanagement 45, 249 erweiterter Verfall 184 f., 240 f. Europäische Union 87, 163 – 165 Europäischer Haftbefehl 163, 165 f. Europäisches Übereinkommens gegen Doping 53, 215 Falsche Verdächtigung 126 Finnland 91 Fitnessstudio 85 – 87, 243 Frankreich 92 Freiburger Expertenkommission 43 Freigabe 22 freiverantwortliche Selbstgefährdung 180 Funktionär 22 f., 43 f., 109, 130 Geldwäsche 64 – 66, 120 Gemeinschuldnerentscheidung 110 f., 113 – 115, 135, 245 Generalstaatsanwaltschaft 25 Gerichtsstand 100 Geständnis 207, 209 – 211, 246 Griechenland 92 Grundrechte 74 f., 81, 86, 145, 173, 176 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 61, 146, 148, 232, 234 Grundsatz des fairen Verfahrens 227 Haltbarkeitsdatum 35 Hellfeld 72 hinreichender Tatverdacht 27, 169 Hinweispflicht 182 f., 205 ICD-Schlüssel 55 Immunität 98 – 100 In-Competition-Testing 249 Individualrechtsgut 94, 177 Initiativermittlungen 62, 72 – 77, 244 Injektionsmerkmale 150 Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln 133 Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie Dresden 133 instrumenta sceleris 233 f. Internet 65, 77, 79, 102

Inverkehrbringen 181 IOC 23, 91, 95 Irland 92 Italien 92

267 35, 117, 124, 127, 154,

Justizministerium

7, 25, 105

konkretes Gefährdungsdelikt 180 Konnexität 211 Kontrolldelikte 44, 72 körperlichen Untersuchung 147, 151 Körperverletzung 97, 195 Korruption 24, 67 – 69, 72, 93 Kraftfahrzeuge 85 Krankenkasse 52, 54 – 62, 244 Kronzeugenreglung 120 – 125, 127 f., 210, 212, 216, 245 f. Lockspitzel 226 f. Luxemburg 92 Manager 22 f., 41, 95, 152 Maßregeln der Besserung und Sicherung 159, 206, 231 Medien 21, 34, 70, 79, 203, 226, 228 – 230, 247, 249 Nachtragsanklage 203 – 205 NADA 22 – 24, 27, 34, 45 – 51, 104, 106, 110, 133 – 135, 195, 242 – 245, 248 – 255 Nebenklage 193 – 195 Nebenstrafen 231 nemo-tenetur-Grundsatz 108 f. Niederlande 92 Norwegen 92 Olympische Spiele 51, 91, 159, 168 OMADC 110 Organisierte Kriminalität 73, 82, 104, 121, 125, 128, 130, 153, 167, 185, 196, 201, 240 f. Österreich 92 f. Pflichtverteidiger 189 Physical Work Control GmbH Polen 93 Portugal 93

133

268

Sachverzeichnis

Praktikabilität 173 Pre-Competition-Testing 249 Privatgutachter 199, 246 producta sceleris 233 PWC 133 f. quasi-opferlose Kriminalität 43, 68, 145, 242 quasigesetzliches Verfolgungshinderniss 98 Radsport 228 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 58, 65, 74, 81 Rechtsgut 93, 146, 173 – 175, 177 – 180, 182, 195 Rechtskommission des Sports gegen Doping 23, 32, 84, 86, 103, 105, 124, 128, 215, 243 Rechtsstaatsprinzip 108, 186, 226 Rezept 54, 181 Rückwirkungsverbot 96 Sachverständige 84, 198 – 200 Schicksalsgemeinschaft 41, 69, 116 f. Schiedsgericht 50, 255 Schulungen 51, 103, 106 Schweden 93 Schweiz 93 Schwerpunktstaatsanwaltschaft 25, 28, 47, 51, 101 – 105, 242 f. second opinion 198 – 200, 246 Sicherstellung 41, 130 – 132, 137, 220 Sonderbotschafter 99 Sozialdaten 57 – 64 Spanien 93 Special Olympics 50, 254 Sponsoren 41 – 44 Sportmedizinische Untersuchung 250 Sportverband 22, 27, 32, 34, 43, 45 f., 49, 114, 123, 195, 242, 244 Staatsanwaltschaft München I 25, 28, 102 Steiner-Kommission 252 Strafanzeige 27 f., 32, 39 – 41, 43 f., 47, 51, 64, 68, 72, 104, 106, 145 Strafrahmenverschiebung 126, 214 Strafvereitelung 45

Strafzumessung 121, 125 f., 149, 212 f., 217, 219 – 224, 226 – 228, 234, 237, 246 strict liability 110, 245 Strukturverfahren 82, 244 subjektiv-objektive Beschuldigtentheorie 107 Submissionsabsprache 68 Tatprovokation 225 – 228 Team T-Mobile 43 Telekommunikationsüberwachung 137, 140 – 146 Trainer 22 f., 36, 38, 41, 53, 71, 92, 95, 117, 129 f., 139, 160, 162, 165, 170, 182, 218, 245, 248, 250, 252 Trainerakademie 251 f. Transparency International 70 Transportfahrzeuge 235 Universalschutzgut 94 Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme 201 Unschuldsvermutung 101, 111, 156, 186 f., 228 Untersuchungshaft 156 – 159, 168, 188, 245 – Fluchtgefahr 156 f., 159 – 163, 165 f., 245 – Verdunklungsgefahr 156, 158, 166 – 168 – Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft 168 Untersuchungsverweigerungsrecht 150, 152 Untreue 57, 61 f., 229 Urinprobe 22, 95, 110, 133 f., 249 Urteil 31, 85, 88, 108, 113, 160, 163, 212, 220 – 223, 229, 234 USA 51, 71 V-Personen 128 Vancouver 2010 21, 254 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts 203 f. Verdeckte Ermittler 123, 128, 152 f., 155, 201, 203, 225, 227 verfahrensbeendendeVerständigung 205 Verfahrenseinstellung 27, 169, 171, 242 Verfahrenshindernis 99, 244 Verfall 173, 185 f., 231 – 233, 235, 237 – 241, 247

Sachverzeichnis Verjährung 96 f. verminderte Schuldfähigkeit 215 Vernehmung 67, 106 – 108, 115 f., 118, 129, 196 – 203 Verschreiben 35, 52, 54, 93, 117, 124, 127, 153 f., 181, 190, 231 Volksgesundheit 94, 174, 176 – 179, 196 Vorermittlungen 79 f., 244 Vorfeldermittlungen 73, 80 f. Vorfeldkriminalisierung 174, 179 f. Vortäuschen einer Straftat 126 Vorteilsannahme 57, 68, 146 WADA 34, 53, 91 – 93, 110, 133, 135, 179, 195, 248 – 250, 252 – 254 Wähler- und Abgeordnetenbestechung 68 Wesentlichkeitstheorie 75

269

Wettkampfarzt 86 Wettkampfstätte 21, 85 – 88, 197, 243 Whistleblowing 67 Wirkstoffgehalt 219, 246 Wirtschaftskriminalität 67, 69, 72, 103, 105, 125, 145 WTA 159 Zahnarzt 57 Zeugen 39, 67 f., 70, 106 f., 109, 115 – 118, 120, 129 f., 146, 149 f., 152, 202 f. Zeugenschutz 128 f. Zeugnisverweigerungsrecht 62, 66, 116, 119, 132, 134, 137 Zoll 77 f., 131, 202, 222, 244 Zuständigkeit 45, 63, 76, 83, 88 f., 100 f., 104 f., 123, 133, 188, 204