Zum Verhältnis von Abbild und Bedeutung: Überlegungen im Grenzfeld zwischen Erkenntnistheorie und Semantik [Reprint 2021 ed.] 9783112473863, 9783112473856


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German Pages 530 [548] Year 1978

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Zum Verhältnis von Abbild und Bedeutung: Überlegungen im Grenzfeld zwischen Erkenntnistheorie und Semantik [Reprint 2021 ed.]
 9783112473863, 9783112473856

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W. LORENZ/G. WOTJAK ZUM VERHÄLTNIS VON ABBILD UND BEDEUTUNG

SAMMLUNG AKADEMIE-VERLAG

39

SPRACHE

WOLFGANG LORENZ GERD WOTJAK

ZUM VERHÄLTNIS VON ABBILD UND BEDEUTUNG Überlegungen im Grenzfeld zwischen Erkenntnistheorie und Semantik

Mit 22 Abbildungen und mehreren, z. T. mehrseitigen Tabellen im Text und einer Falttabelle als Beilage

A K A D E M I E - V E R L A G • BERLIN

1977

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1977 Lizenznummer: 202 • 100/182/77 Gesamtherstellung : IV/2/14 VEB Druckerei „Gottfried Wilhelm Leibniz", 445 Grfifenhainichen • 4896 Bestellnummer: 752 203 3 (7539) • LSV 0805 Printed in GDR DDR 3 8 , - M

Vorbemerkungen

Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit eines Philosophen und eines Linguisten, bei der trotz gemeinsamer gegenstandsimmanenter und interessenbedingter Berührungspunkte nicht wenige Verständigungsschwierigkeiten auftraten. Wie oft haben Verfasser unbemerkt aneinander vorbeigeredet, verführt durch die unterschiedliche Extension und Intension der Begriffe und durch abweichende Terminologie f ü r den gleichen Sachverhalt, der hier zugegebenermaßen besonders komplex ist. Möglicherweise erscheint auch die Frucht unserer intensiven und z. T. recht mühevoll um beiderseitiges volles Verständnis bemühten Diskussionen nicht völlig frei von terminologischen und selbst inhaltlichen Widersprüchen und Inkongruenzen, doch verdeutlicht sie das Bemühen, dem interdisziplinären Charakter des Herangehens möglichst gut gerecht zu werden. Dabei war es unvermeidlich, jeweils f ü r Philosophen oder Linguisten hinlänglich bekannte Sachverhalte im Interesse eines breiten Erklärungszusammenhanges wie auch der Illustration f ü r den „Nichtspezialisten" ausführlicher darzustellen. Darüber hinaus waren wir durchgehend um eine Vertiefung, Ergänzung u n d Neuinterpretation von Detailaspekten bemüht, von denen wir hoffen, daß sie einen kleinen Beitrag zum Meinungsstreit unter „Spezialisten", Philosophen wie Linguisten, darstellen. Die Arbeit sollte als Ganzes der durchgängigen Illustration der Ausgangsthesen zum Verhältnis von Abbild und Bedeutung dienen und daher auch als eine Einheit begriffen werden, wenn auch in den einzelnen Kapiteln deutlich linguistische bzw. philosophisch-erkenntnistheoretische Aspekte akzentuiert werden. Inwiefern unser Hauptziel, eine im echten Sinne interdisziplinäre Beschreibung, tatsächlich gelungen ist, wird der Leser zu entscheiden haben. Uns verbleibt, abschließend allen denen zu danken, die uns im Prozeß der Entstehung und bei der Fertigstellung des Manuskripts mit R a t und Tat hilfreich zur Seite standen. Allen voran den Herren Professoren A. Neubert, O. Kade und V. A. Zvegincev, die wertvolle kritische Hinweise zur konzeptionellen Gestaltung gaben, nicht zuletzt aber auch den Schreibkräften und dem Lektorat Sprachwissenschaft des Akademie-Verlages f ü r die

VI

Vorbemerkungen

schnelle und sachkundige Bearbeitung des Druckmanuskripts. Schließlich gilt unser besonderer Dank unseren Frauen und Familien f ü r ihre nimmermüde verständnisvolle Unterstützung, ohne die die Fertigstellung der Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Leipzig, im Sommer 1975 W. Lorenz/G. Wotjak

Inhalt

Einleitung 1. 1.1. 1.1.1. 1.1.2. 1.1.3. 1.2. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4. 1.4. 1.5. 1.6. 2. 2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.3. 2.3.1.

.

Erkenntnistheoretische Prämissen einer differenzierten Abbildu n d Bedeutungsanalyse Sprache u n d D e n k e n I d e n t i t ä t , Parallelität, Verschiedenheit? Z u m P r o b l e m des „ S p r a c h d e n k e n s " I n n e r e Sprache u n d inneres Sprechen Arbeits-, E r k e n n t n i s - u n d K o m m u n i k a t i o n s p r o z e ß Zu den K o n s t i t u e n t e n u n d D e t e r m i n a n t e n des Abbildprozesses . Z u m Abbildbegriff Die A k t i v i t ä t des S u b j e k t s im Widerspiegelungsprozeß Die Dialektik der zwei Widerspiegelungsbeziehungen . Die Dialektik von individuellem u n d gesellschaftlichem E r k e n n t n i s prozeß Gemeinsamkeiten u n d Unterschiede zwischen E r k e n n t n i s - u n d Kommunikationsprozessen Die materiellen Grundlagen der i n t e r n e n Denk- u n d Sprachprozesse Die B e d e u t u n g als „durchschnittliches A b b i l d " Zur B e d e u t u n g sprachlicher Zeichen Versuch einer B e s t a n d s a u f n a h m e B e d e u t u n g als R e l a t i o n B e d e u t u n g als Bewußtseinstatsache E n t w i c k l u n g einer eigenen B e d e u t u n g s k o n z e p t i o n Dialog- u n d D i s k u r s b e d e u t u n g , Meinung u n d D e u t u n g Kontextbedeutungen und Langue-/System-Bedeutung B e d e u t e n u n d Bezeichnen (Bezeichnung), Referenzbezug . . . . K o m p e t e n z b e d e u t u n g u n d individuelles Abbild B e d e u t u n g als kodifiziertes K o r r e l a t der Ausdrucksebene . . . . Zur B e s c h r e i b u n g der Zuordnungsbeziehungen v o n E i n h e i t e n der Inhalts - und Ausdrucksebene

1

9 9 9 16 22 32 39 39 45 48 50 53 58 62 70 72 80 83 84 86 88 95 97 102 104

VIII

Inhalt

2.3.1.1. Zum Charakter der Zuordnungsrelationen; das Signifikat 2.3.1.2. Zur Motivation der Bezeichnung 2.3.2. Zur Größenordnung der Einheiten der Inhalts- und Ausdrucksebene.' . 2.3.3. Versuch einer Modellierung der Inhalts-/Ausdrucksebene . . . . 2.3.4. Zwischenbilanz 2.4. Zur Abbildqualität der Bedeutung 2.4.1. Die Bedeutung — eine reduzierte Aussage ? 2.4.2. Denotation, Konnotation und die „Unsohärfe" der Bedeutung . . 2.5. Lexikalische und grammatische Bedeutungen 2.5.1. Versuch einer Bestandsaufnahme 2.5.2. Zu den Cases als Beispiel grammatisoher Bedeutungsanalyse . . 2.5.3. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden lexikalischer und grammatischer Bedeutungen 2.6. Pragmatische und/oder stilistische Bedeutungen? 3. 3.1. 3.1.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.4.1. 3.4.1.1. 3.4.1.2. 3.4.2. 3.5. 3.5.1. 3.6. 3.7. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.4. 4.4.1. 4.4.2.

Zum Verhältnis von Bedeutung und Abbild Sprache und Widerspiegelung Gesellschaftliche Widerspiegelung und Muttersprache Zur Differenzierung des Begriffs „Abbild" Die Vermittlung zwischen Abbild und Bedeutung Bedeutung und Sachverhaltswiderspiegelung Bedeutung und Sachwissen Zum Verhältnis von Zentrum (coro) und Peripherie (periphery) Selektionsbeschränkungen, Voraussetzungs- und Behauptungsseme Bedeutung und Sachverhalt Zur Struktur der Bedeutung Erläuterungen zu den Mikrostrukturdarstellungen der Verben des Besitzwechsels Paradigmatische semantische Makrostrukturen Syntagmatische semantische Makrostrukturen Zur Konstituierung einer Semetik/Noematik Zu einigen ausgewählten Beschreibungsmethoden Zum Status des Sems und des Noems Zu einem Seminventar Erläuterungen zu den Semtabellen Semtabellen I und I I Zu den Sem-Sembeziehungen Zu den subordinativen Sembeziehungen Zu den koordinativen Sembeziehungen der Exklusion, der Disjunktion und der Konjunktion

107 111 113 115 120 124 128 131 138 141 145 150 152 159 159 165 173 178 182 199 211 213 218 228 237 244 258 272 277 281 294 303 310 369 373 383

Inhalt

IX

4.5.

Zu einer Typologie der Seme

386-

4.6.

Schlußbemerkungen

394

Übersicht über die verwendeten Symbole und Abkürzungen

400

Anmerkungen

404

1. Kapitel: 2. Kapitel: 3. Kapitel: 4. Kapitel: Bibliographie Falttabelle

404 420 450 470 480 Beilage

Einleitung

Mit der vorliegenden Arbeit wird versucht, einen Beitrag zur Beantwortung •der Fragestellung nach dem Verhältnis von Sprache und Denken zu leisten. Dabei wird, dem Untersuchungsgegenstand wie auch der spezifischen Forschungsrichtung und Ausbildung der Autoren entsprechend, eine enge Zusammenarbeit und sich durchdringende Darstellung von Philosophie, speziell Erkenntnistheorie, und Sprachwissenschaft, vor allem der Bedeutungsforschung, angestrebt. Grundanliegen ist dabei, das Wechselverhältnis zwischen der weltanschaulich relevanten Bestimmung von Sprache und Denken sowie ihres Verhältnisses zueinander und der einzelwissenschaftlichen — wenn auch interdisziplinären — Konkretisierung dieser Problematik in der Abbild- und Bedeutungsebene durchschaubar zu machen, mit dem Ziel, eine erkenntnistheoretisch fundierte Semanalyse der Bedeutung sprachlicher Einheiten zu erreichen. Das Verhältnis von Abbild- und Bedeutungsstrukturen steht so im Mittelpunkt der Untersuchungen. Wir betrachten die materialistische Dialektik als allgemeine Methode unserer Untersuchungen und sind bestrebt, damit die iiinere Dialektik der DenkSprach-Prozesse sichtbar zu machen. Ihre Begriffsbestimmungen und Terminologie legen wir nicht nur den philosophischen, sondern auch den einzelwissenschaftlichen Untersuchungen zugrunde, und nur in wohlbegründeten Fällen werden wir neue Termini und Begriffe einführen bzw. Präzisierungen in Hinsicht auf die Zielstellung der Arbeit vornehmen. Wir hoffen, damit nicht nur einen geeigneten Begriffsapparat zur Beschreibung unseres Untersuchunsgegenstandes zur Verfügung zu haben, sondern darüber hinaus auch zur Verständigung von Philosophen und Linguisten über einen ohnehin sehr schwer zu fassenden, komplexen Gegenstand, wie die Abbilder und Bedeutungen und ihre Interrelationen, beitragen zu können. Die Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Denken ist heute aktueller denn je; gleiches gilt auch für die eng damit verknüpfte speziellere Frage nach der Existenzweise der Semantik, die das Inbeziehungsetzen von Abbild und Bedeutung impliziert, wobei diese Fragestellung über die Anfänge einer eigentlichen Bedeutungsforschung hinaus (Ende des 19. Jahrhunderts) in

2

Einleitung

der prinzipiellen Fragestellung besonders in der Geschichte der Philosophie viel weiter zurückreicht; es sei nur darauf verwiesen, daß sich bereits Aristoteles und Piaton explizit dieser Problematik zuwandten. Fast unübersehbar ist die Zahl der theoretischen Arbeiten zum generellen Zusammenhang von Sprache und Denken bzw. zu speziellen Teilproblemen daraus in den letzten Jahren angewachsen, wie z. B . zur philosophiehistorischen Entwicklung der Fragestellung und der Lösungswege, zu Problemen des Neichens und der Zeichentheorie, der Bedeutung und der Information, zu den neurophysiologischen und psychologischen Prozessen, zu Problemen der Erkenntnis und der Rolle der Sprache in ihr usw., die zumindest periphär den Zusammenhang von Sprache und Denken berühren. Eine auch nur annähernd vollständige Bestandsaufnahme bzw. auch nur ein allgemeiner Uberblick über die unterschiedlichen Standpunkte und Positionen würde den gegebenen Rahmen dieses Buches bei weitem sprengen. Es soll darum nur auf einige Grundprobleme, die die weltanschaulich-philosophische Grundlegung der Sprach-Denk-Beziehungen betreffen und die zur Fundierung der folgenden einzelwissenschaftlichen Untersuchungen relevant sind, sowie auf einige speziellere Beziehungen im Rahmen der engeren Fragestellung nach dem Verhältnis von Abbild und Bedeutung eingegangen werden. Wir stützen uns dabei vor allem auf marxistisch-leninistische Literatur aus Philosophie, Linguistik und partiell auch der Psychologie und Neurophysiologie, die in den letzten Jahren in den sozialistischen Ländern, vor allem in der UdSSR, erschienen ist, und verweisen nur auf die zahlreichen zusammenfassenden Arbeiten, die die philosophiegeschichtliche Problementwicklung bzw. die Entwicklung der Sprachtheorie darstellen. Es läßt sich jedoch im Interesse der Verständlichkeit unserer Problemsicht nicht vermeiden, auf einige ältere, aber auch auf modernere,für die Sprachtheorie und ihre Methoden bedeutsame Literatur, auch des angloamerikanischen und des romanischen Sprachraums, einzugehen, wobei die Kapitel 2 und 4 auf Grund ihres Anliegens diese Literatur stärker aufarbeiten als die anderen Kapitel. Die gewählte Beschränkung auf die Beziehungen von erkenntnistheoretischem Abbild und sprachlicher Bedeutung ergibt sich einerseits daraus, daß die Beschäftigung mit dem Abbildbegriff sofort die weltanschauliche Position der marxistisch-leninistischen Widerspiegelungstheorie impliziert und eine Reihe von weltanschaulich relevanten Positionen schon dadurch genauer gefaßt werden können, daß an die Stelle der in der Literatur z. T. sehr vage bestimmten, relativ verschwommenen und zahlreichen Mißdeutungen ausgesetzten Begriffe des Denkens, des Gedankens, der Idee oder auch des Kognitiven der Begriff des Abbildes tritt. Wir folgen dabei besonders den Intentionen Lenins in seiner Auseinandersetzung mit dem Positivismus.

Einleitung

3

Da jedoch der Abbildbegriff allein dazu nicht ausreicht, weil die Behauptung von Widerspiegelungsbeziehungen an sich noch kein Materialismus ist, wird ein stärkeres Eingehen auf einige Probleme der Widerspiegelung, auf die Determination des Widerspiegelungsprozesses und besonders auf die für die Sprachauffassung relevanten Beziehungen des Individuellen und Gesellschaftlichen im Widerspiegelungsprozeß notwendig, selbst auf die Gefahr hin, zumindest für den Philosophen nichts wesentlich Neues darstellen zu können. Andererseits ist u. E. allein der Abbildbegriff geeignet, ein der Bedeutung sprachlicher Einheiten angemessenes Korrelat auf der Erkenntnisebene abzugeben; weder „Gedanke" noch „Begriff" entsprechen so sehr unseren Intentionen wie der Begriff des Abbildes. Seine Begründung findet dieser Umstand u. E. darin, daß die Bedeutung ihrem Charakter nach selbst eine Bewußtseinsgröße, eine spezielle Form des Abbildes darstellt, zugleich aber als Funktion materieller Signale, materieller Formative eine objektivierte, vergesellschaftete Existenz aufweist. Als besonders tragfähig erweist sich bei der Begründung dieser dialektischen Beziehungen die nähere Untersuchung des Arbeits-, Erkenntnis- und Kommunikationsprozesses, bei der sich zeigt, daß sowohl Erkenntnis- als auch Kommunikationsprozeß in gewisser Hinsicht selbst Momente, Seiten des Arbeitsprozesses, wie ihn Marx bestimmt, sind. Aus dem Vergleich der einfachen Elemente des Arbeitsprozesses mit denen des Erkenntnis- und des Kommunikationsprozesses ergeben sich grundlegende Folgerungen über die Rolle und Funktion des Abbildes und der Bedeutung. Die Beschränkung auf die Untersuchung dieser Zusammenhänge ist demnach Produkt einer umfassenderen Analyse, bei der sich Abbild und Bedeutung als Kern der Sprach-Denk-Beziehungen erweisen. Last not least erweitern sich die Rolle und die Funktion des Zeichens und damit die mit ihm funktional verbundene Bedeutung im gesellschaftlichen Leben, im Prozeß der wissenschaftlich-technischen Revolution. Die Erfordernisse der immer stärker theoretisch orientierten Forschungsmethoden führen notwendig zur Entwicklung einer Vielzahl künstlicher (formaler und formalisierter) Sprachen, zur verstärkten Einführung logischer und besonders mathematischer Symbole und theoretischer Konstruktionen. Damit gewinnt vor allem die Semantik rasch an Bedeutung; denn das eigentliche Problem liegt nicht in der Einführung neuer Zeichensysteme, sondern in den damit verbundenen gnoseologischen Problemen der möglichst genauen Bestimmung der Semantik dieser Zeichensysteme. Letztlich müssen alle diese künstlichen .Zeichensysteme wieder auf die natürliche Sprache zurückgeführt werden, und das nicht nur bei der Einführung ihrer Terme, sondern auch bei der ständigen Interpretation der Zeichen und letztlich bei der Auswertung der Ergebnisse, die durch das formale Spiel mit den Zeichen ge-

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Einleitung;

wonnen werden. Spätestens hier wird die in den künstlichen Zeichensystemen erreichte Eindeutigkeit wieder aufgelöst. Man kann letztlich nur dann bleibende Erfolge auch mit künstlichen Sprachen erreichen, wenn es gelingt, auch die natürlichen Sprachen, genauer die Semantik, exakter zu beschreiben. Exakter beschreiben heißt hier keineswegs die Aufhebung der relativen „Unbestimmtheit" der Semantik von Wörtern der natürlichen Sprache, so wie es z. B. Hobbes und Leibniz vorschwebte, sondern die Schaffung genauer Beschreibungsmethoden dieser Unbestimmtheit, die sichere Erfassung: eben gerade dieser unbestreitbar dialektischen Übergänge, der Überschneidungen, Differenzierungen durch den Ko- bzw. Kontext usw. usf. Jeder Versuch, die natürliche Sprache als festgefügtes, statisches System strukturierter Zeicheneinheiten zu erfassen, muß scheitern, wird dabei doch gerade das wesentliche Moment, welches die natürliche Sprache von allen Kunstsprachen unterscheidet, ihre historische Veränderbarkeit und ihre relative Unbestimmtheit, die große Redundanz, die sie erst befähigt, zum allgemeinen Kommunikationsmittel auch in beliebig neuen Kommunikationssituationen zu dienen, nicht beachtet. Das Ziel müßte u. E. sein, eine möglichst exakte Methode zur Beschreibung dieser Unbestimmtheit der Semantik natürlicher Sprachen, die sowohl ein Ausdruck ihrer Veränderlichkeit als auch ihrer Flexibilität und Variabilität ist, zu finden. Die vorhegende Arbeit soll als Beitrag zur Entwicklung einer solchen Methode betrachtet werden, wobei im Mittelpunkt nicht die Methode selbst steht, sondern die metatheoretische Begründung eines möglichen Ansatzes dafür. Uns erscheint die Aufspaltung des Forschungsobjektes (Abbild bzw. Bedeutung) in einfache bzw. einfachste Elemente und Strukturen nicht nur ein möglicher, sondern der dem Gegenstand adäquate Weg zu sein, wobei wir — wie in Kapitel 1 nachgewiesen wird — den Intentionen von Marx bei der Analyse des Arbeitsprozesses folgen. Doch die Aufspaltung in einfache Elemente reicht allein noch nicht aus; das Problem Ist nicht das Finden solcher kleiner bzw. kleinster Elemente, sondern die möglichst genaue erkenntnistheoretische Interpretation dieser semantischen Elemente. Ihr Vorhandensein haben die Konstituentenanalysen nachgewiesen, die in der modernen Semantiktheorie selbst bei Unterschieden in der Gegenstandsbestimmung, übereinstimmend als ein vielversprechender Ansatz zu einer optimalen Beschreibung der Bedeutung gewertet werden. Da Sprache und Sprachstrukturen eng mit dem Denken und den gedanklichen (noetischen) Strukturen verbunden sind, galt es, diese Beziehungen in den Mittelpunkt der Untersuchungen zu rücken, wobei über die Aussage von der dialektischen Einheit von Sprache und Denken hinauseine genauere Bestimmung dieser dialektischen Beziehungen erforderlich.

Einleitung

5

wurde. Der dabei eingeschlagene Weg und die über lange Jahre gemeinsamer Diskussion gereifte Lösungsvariante fand in letzter Zeit eine gewisse Bestätigung durch ähnliche Überlegungen anderer Linguisten. So stimmt z. B . das nach Abschluß des Textteiles der vorliegenden Arbeit erschienene Buch „Sprachliche Kommunikation und Gesellschaft" [746a] von einem Autorenkollektiv der Akademie der Wissenschaften der DDR unter der Leitung von Wolfdietrich Härtung in wesentlichen Fragestellungen und Lösungsvarianten mit unserem Anliegen überein. Auch in diesem Werk wird eine Beziehung zwischen Abbild und Bedeutung als wesentlichste Sprach-Denk-Beziehung aufgefaßt und die lexikalische Bedeutung als ein Abbild bestimmt, welches nicht mit dem gesamten kognitiven Abbild identisch ist (S. 549). Hier scheint es am Platz, etwas über unsere Position zur sogenannten „relationalen" Bedeutungskonzeption zu sagen. Im eben genannten Buch werden wir zu jenen Autoren gerechnet, die die Bedeutung als eine Relation zwischen Lautkomplex (Formativ) und Abbild (Semem) bestimmen (S. 549). In früheren Arbeiten war es unser Bestreben, den Unterschied zwischen sprachlicher Bedeutung und Begriff sichtbar zu machen, wobei die Kritik der Weisgerberschen Sprachinhaltsforschung ebenso wie die Kritik der neopositivistischen Einholung des Kognitiven in die Bedeutung Ausgangspunkte unserer Überlegungen waren. Wenn die Sphäre des Gedanklichen, des Ideellen, das erkenntnistheoretische Abbild, nicht auf die Bedeutung sprachlicher Einheiten reduziert werden soll, so muß dem Kognitiven eine relativ selbständige Existenz gegenüber den Bedeutungen zugesprochen werden. Wenn die Bedeutungen nicht einfach als erkenntnismäßiges Abbild gefaßt und damit letztlich die Philosophie und besonders die Erkenntnistheorie in die Sprachwissenschaft aufgelöst werden soll, beide also auch nicht als identisch interpretiert werden sollen, dann ergibt sich als eine Möglichkeit der Beschreibung der Bedeutung, sie als eine Relation zwischen Formativelementen und Abbildelementen zu sehen. Die Interpretation der Bedeutung als Relation schließt einerseits eine relative Selbständigkeit der Bedeutung gegenüber dem Abbild ein, andererseits macht sie zugleich ihre Einheit deutlich, da die Beschreibung als Relation die Erfassung der beiden Erscheinungen, zwischen denen Relationen angenommen werden, einschließt. Die Bedeutung wurde so immer als eine Zuordnung von Abbildelementen zu Formativen verstanden. In der Analyse dieser relationalen Beziehungen gingen wir jedoch von Anfang an weiter und waren bestrebt, die die jeweiligen Sememe konstituierenden semologischen Merkmale als noetische Elemente in besonderer Bündelung zu interpretieren, was letztlich die klassische relationelle Auffassung bereits durch eine „substantielle" Konzeption ergänzte, d. h. durch eine Auffassung, bei der die Bedeutung als ein besonderes struk-

«

Einleitung

tariertes Abbild gefaßt wird. Es fällt darum schwer, den Standort der von uns vertretenen Auffassung in die Polarität von „relationalen" und „substantiellen" Konzeptionen einzuordnen. Seinen allgemeinen theoretischen Ansätzen und Voraussetzungen nach ist es ein mehr relationaler denn ein substantieller Standpunkt, in der Analyse des Abbildes und der Bedeutung dagegen ein mehr substantieller denn ein relationaler Standpunkt. Unsere Konzeption dürfte wohl am treffendsten „dialektisch" genannt werden, da sie ihrem Wesen nach eine dialektische Vermittlung beider gegensätzlicher Positionen, eine dialektische Aufhebung ihrer Gegensätzlichkeit anstrebt. Die in der vorliegenden Arbeit vorgetragene Auffassung stellt also keinen Bruch gegenüber einer vorangegangenen Konzeption dar, sondern bedeutet ihre Weiterfuhrung und Ergänzung, bei der nach neuen Möglichkeiten gesucht wurde, um die Dialektik von Identität und Unterschied in den Sprach-DenkProzessen möglichst adäquat zu beschreiben. Das machte eine eingehendere Analyse des Abbildprozesses notwendig und eine Aufgliederung des erkenntnistheoretischen Abbildbegriffes in eine Reihe unterschiedlicher Formen des Abbildes, denen verschiedene Formen der Bedeutung gegenübergestellt werden. Um die Tragfähigkeit der dabei gewonnenen theoretischen Postulate für die praktische linguistische Arbeit zu prüfen, werden eine Reihe von Bedeutungsanalysen vorgestellt. Die enge Zusammenarbeit eines Philosophen und eines Linguisten auf einem Grenzgebiet zwischen beiden Disziplinen hat sich als fruchtbar erwiesen, ergab aber auch manche Schwierigkeiten im gegenseitigen Verstehen der Problemsicht der Erkenntnistheorie bzw. der Bedeutungsforschung. Aus diesem Prozeß des interdisziplinären Forschens ergab sich die Auswahl der zu behandelnden Probleme, wobei im Interesse der Verständlichkeit sowohl für Philosophen als auch für Linguisten auch stärker referierende Darstellungen aufgenommen wurden, ohne daß in diesen Abschnitten immer neue Forschungsergebnisse vorzuweisen wären. Die Notwendigkeit, über die relativ enge Terminologie des eigenen Spezialfaches hinauszugehen und zu einer für Philosophen und Sprachwissenschaftler verständlichen, aber zugleich auch gemeinsamen Terminologie zu kommen, sowie die Notwendigkeit einer gemeinsamen Problemsicht und Beschreibungsmethode erkenntnistheoretischer und linguistischer Gegenstände brachte zugleich eine Reihe von partiellen Wiederholungen in verschiedenen Abschnitten der Arbeit mit sich. Um die Einheitlichkeit unserer Auffassungen zu betonen, schien es uns jedoch erforderlich, z. B. die im stärker erkenntnistheoretisch orientierten Kapitel 1 aufgeworfenen Probleme nochmals mit der gleichen Terminologie und der gleichen Intention der Darstellung in den stärker linguistisch orientierten anderen Kapiteln aufzugreifen. Zugleich wurde es notwendig, eine Reihe von Begriffen explizit zu definieren, da in

Einleitung

7

der langjährigen Zusammenarbeit deutlich wurde, wie leicht mit gleichen Termini in unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen verschiedene Sachverhalte verknüpft werden bzw. die Begriffe in anderer Extension und z. T. auch Intension gebraucht werden und wie schnell damit Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen aneinander vorbeireden können. Es wäre sehr zu wünschen, bei weiteren Forschungen in der dargelegten Richtung im Grenzfeld verschiedener Wissenschaftsbereiche zu einer stärkeren Kooperation mit Vertretern weiterer Wissenschaften, besonders der Psychologie und der Neurophysiologie zu kommen, um die Tragfähigkeit des Gedankens von einem neuen Wissenschaftsbereich „Semetik" — als Wissenschaft von der Analyse, Struktur, Wechselwirkung und Determination der Noeme/Seme — zu prüfen und gegebenenfalls ein geeignetes methodisches Instrumentarium zu schaffen. Erste Überlegungen dazu werden im 4. Kapitel vorgestellt. Noch tragen viele Aussagen vorliegender Arbeit einen hypothetischen Charakter, noch bleiben zahlreiche Fragestellungen unbeantwortet bzw. konnte nur die mögliche Richtung einer Lösung angedeutet werden, doch glauben wir, bei aller Unvollständigkeit und z. T. auch bei theoretisch noch nicht sicher genug formulierten Bestimmungen, einen das bisherige Wissen ergänzenden und zur Diskussion anregenden Beitrag zur weiteren Klärung der komplexen und komplizierten Sprach-Denk-Beziehungen vorlegen zu können.

2 Lorenz/Wotjak

1.

Erkenntnistheoretische Prämissen einer differenzierten Abbild- und Bedeutungsanalyse

1.1. Sprache und Denken Eine Untersuchung der unterschiedlichen Auffassungen über den Zusammenhang von Denken und Sprache stößt immer wieder auf eine Schwierigkeit, die ihre Ursache zu einem großen Teil in diesem Zusammenhang selbst findet: im metatheoretischen Charakter der Fragestellung, da ja in Sprache und Denken nicht über anderes, sondern über Sprache und Denken selbst geurteilt wird, sowie in der breiten Interpretierbarkeit der Ausdrücke „Denken" und „Sprache", ihrer unterschiedlichen Intension und Extension in den verschiedenen Richtungen der Sprachphilosophie als auch in den anderen Wissensehaftsbereichen, die über diesen Zusammenhang reflektieren. 1.1.1. Identität, Parallelität, Verschiedenheit? Der Versuch, die verschiedenen Auffassungen nach Kriterien zu ordnen, die ihre Begründung in der Art des von den jeweiligen Autoren behaupteten Zusammenhangs zwischen diesen beiden Erscheinungen suchen, wie er etwa bei Kainz zu finden ist und von hier ausgehend Eingang in viele Monographien gefunden hat, scheint letztlich wenig geeignet, die unterschiedlichen Positionen tatsächlich einsichtig zu machen. Kainz 1 [358] spricht vom monistischen Identitätsstandpunkt, wie er etwa bei Klages 2 [375] zu finden sei, von der Parallelismustheorie [269, bes. 15], die er als gemilderte Form des Identitätsstandpunktes kennzeichnet, von der dualistischen Verschiedenheitsthese und nennt dabei Berkeley, Kant, Schopenhauer, und von dem Standpunkt der korrelativen Beziehungen, den er selber einnimmt. Eine genauere Analyse jedoch macht deutlich, daß die gewählten Kriterien, die vorerst sehr einleuchtend scheinen, zu unbestimmt sind und nicht vermögen, die Vielschichtigkeit der Begründungen der einzelnen Standpunkte zu erfassen, zeigt doch bereits ein flüchtiger Uberblick, daß scheinbar gleiche Auffassungen in bezug auf die Art der behaupteten Beziehung zwischen Sprache und Denken in ihrer Interpretation erheblich auseinandergehen. Allein die Identitätsauffassung läßt viele Differenzierungen 2*

10

1. Erkenntnistheoretische Prämissen

zu, da sie im Grande nie als absolute, als logische Identität gefaßt wird, selbst wenn verschiedene Autoren mit der erklärten Absicht auftreten, Sprache und Denken als identisch zu interpretieren. In der marxistischleninistischen Literatur spricht man allgemein von der „Einheit" von Sprache und Denken, die bei einigen Autoren — wie noch zu zeigen sein wird — als faktische Identität angesehen3, aber ebenso im Sinne der korrelativen Beziehungen4 bzw. als dialektische Einheit im Gegensätzlichen interpretiert wird, in der Regel aber im Grunde keinem der bei Kainz genannten Standpunkte völlig adäquat ist. Eine nähere Betrachtung zeigt letztlich, daß, wie bereits von anderen Autoren festgestellt, die Bestimmung dieses Verhältnisses eine typisch philosophische Fragestellung ist 5 , wobei die eigentlichen Unterschiede bereits in der Bestimmung dessen liegen, was als Denken und was als Sprache verstanden werden soll. Werden sie als deckungsgleiche Begriffe gefaßt, so ist der Standpunkt der Identität die logische Konsequenz der Extension beider Begriffe. 6 Der Kantianer Marx Diez z. B. schreibt: „Denken ist diejenige Form der Vorstellungsfähigkeit, die sich in und mit der Sprache vollzieht." „Das Denken kommt zum Bewußtsein als ein (innerliches oder äußerliches) Sprechen" [144, 11]. Diese Konzeption des Denkens als „inneres Sprechen", das auch bei einer Reihe anderer Autoren expliziert ist und die wohl auf Piatons Logos-Begriff zurückgeht, führt notwendig — wie noch aufgewiesen werden soll — zu einer Identifizierung von Sprache und Denken, zumindest aber von Denken und Sprechen. Diese Konzeption ist aber eine andere Art der „Identitätsauffassung" als bei Klages, dem es ähnlich wie Weisgerber um die Erfassung der „Seele", der Sphäre des Geistigen als „Sprachgeistiges", als sprachliche Manifestation der „Seele" in der Sprache geht. Das ausgesprochen Logische bleibt außerhalb der Betrachtung, während Diez in Ablehnung dieses mystischen Seelenbegriffs eine rationale Fassung der Sprach-DenkBeziehungen anstrebt, wobei er — trotz einer weitgehenden Identität beider — sehr wohl zwischen ihnen zu unterscheiden weiß.7 Faßt man unter „Denken" auch das Entschlußfassen, die Festlegung von Handlungsstrategien, die Problemlösung (besonders praktischer Probleme, die sich z. B. in der immer wieder zitierten Tätigkeit eines Autoschlossers — „gewußt wo" — manifestiert) usw., so dürfte wohl als sicher angenommen werden, daß es sich dabei um Prozesse handelt, die zumindest aktuell auch ohne vorausgesetzte Sprachprozesse (im Sinne der natürlichen Sprache) oder auch ohne Sprechen, ob nun „inneres" oder „äußeres" Sprechen gemeint sei, ablaufen. Die Extension des hier benutzten Begriffs „Denken" ist weiter als die von „Sprache", zumindest als natürliche Sprache verstanden, und die Konstituierung eines „sprachfreien Denkens" ist dann absolut kein Problem. Bezieht man gar, wie z. B. der Psycholinguist Church — und wie die Mehrzahl

1.1. Sprache und Denken

11

der Behavioristen — die Gesamtheit aller verhaltenssteuernden Aktivitäten in den Begriff „Denken" ein, so wird seine Extension so stark erweitert, daß das Denken — zumindest partiell — auch den höheren Tieren zukommt. Church schreibt: „Wenn Denken ausschließlich verbale Aktivität wäre, würde das menschliche Wesen zum Denken erst am Ende des Säuglingsalters fähig sein. Nun ist jedoch einwandfrei sicher, selbst wenn es nur auf Grund des Problemlösens von Schimpansen wäre, daß bereits Tiere denken." [123] Bei Church finden wir somit eine Form der von Kainz bestimmten „Verschiedenheitsthese", die jedoch in ihrer Begründung und Zielrichtung anders liegt als die von Kainz zitierten Verschiedenheitsauffassungen bei Berkeley, Schopenhauer und Kant. Auch Church macht deutlich, daß trotz aller Verschiedenheit von Sprache und Denken das „nicht perzeptuelle Denken" unbedingt an Sprache gebunden sei, während im Unterschied dazu das „perzeptuelle Denken" sich als situativ bezogenes Denken auch ohne Sprache vollziehe. Doch dieser — wenn auch gemilderte — Verschiedenheitsstandpunkt schlägt in sein Gegenteil um, sobald unter „Sprache" nicht allein die natürliche Sprache, sondern Zeichensysteme überhaupt verstanden werden. Denn dann wäre ja auch das „perzeptuelle Denken", selbst das zeichenvermittelte Handeln höherer Tiere, bei Church als sprachfreies Denken bestimmt, sprachlich determiniert. Sowohl der Identitätsstandpunkt als auch die Verschiedenheitsthese erscheinen als logische Folge der unterschiedlichen Extension des Begriffs „Denken", die unterschiedlichen Standpunkte gehen — je nachdem wie „Denken" oder „Sprache" konzipiert werden, ineinander über, schlagen in ihr Gegenteil um. Ähnliche Überlegungen ließen sich zur sogenannten „Parallelismustheorie" aufstellen, wie sie z. B . bei Peter Hartmann auftritt, der von der „Parallelität zwischen den beiden Faktoren Sprache und Denken" [269, 15] spricht, wobei die Sprache als „abbildende (wiedergebende, mitteilende) Dokumentation des Erkennens und des Erkannten" anzusehen sei [269,18]. Diese „Parallelität" wird von P. Hartmann jedoch wesentlich infolge seines weltanschaulichen Standpunktes als Reduktion des Denkens auf den formalen Apparat der Sprache verstanden, was, wie Kainz richtig feststellte, eigentlich dem Identitätsstandpunkt sehr nahe steht. P. Hartmann schlägt z. B . vor, an Stelle von „geistiger Tätigkeit" das „Wissen um zeichentechnische Prozeduren" zu setzen, oder nicht vom Denken zu sprechen, sondern vom Besitz bzw. der Schaffung einer Zeichenkorrelation ohne materiellen Signalteil [272, 598]. Auch hier zeigt sich, daß die von Kainz gewählten Kriterien für die Einordnung wesentlicher Auffassungen vom Sprach-Denk-Zusammenhang viel zu unbestimmt sind und daß die genaue Extension der Begriffe „Denken" und „Sprache" der Beschreibung ihres Zusammenhanges voraus-

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1. Erkenntnistheoretische Prämissen

gehen muß, womit zugleich diese Problemstellung von einer Relationsbeschreibung zu einer ausgesprochen philosophischen Problemsicht wird. Wenden wir uns der Darstellung dieses Problems in der marxistischen philosophischen Literatur zu. Eine der wesentlichen Schwierigkeiten, die sich einer allgemeinen Bestimmung des Denkens entgegenstellt, besteht darin, daß es keine „Wissenschaft vom Denken" gibt, sondern daß die verschiedenen Wissenschaftsbereiche sich jeweils von ihrem spezifischen Untersuchungsgegenstand her mit den Problemen des Denkens beschäftigen. Resnikov vermerkt, daß „Wissenschaften wie die Psychologie, die Logik, die Erkenntnistheorie und die Linguistik" jeweils „verschiedene Aspekte des Denkens und der Sprache" erforschen [645, 51], ebenso Kopnin, der als weitere Wissenschaften, die sich mit den genannten Problemen beschäftigen, die Physiologie der höheren Nerventätigkeit (Neurophysiologie) sowie die Informationstheorie nennt [393,173]. Es ist verständlich, daß in den Definitionen, die von den jeweiligen Wissenschaften gegeben werden, spezifische Aspekte des Denkens eine dominierende Rolle spielen. Neben diesen vom jeweiligen Wissenschaftsbereich her bestimmten Differenzierungen lassen sich unter marxistisch-leninistischen Autoren im wesentlichen zwei Auffassungen unterscheiden: Jene, die unter Denken die dem Menschen eigentümliche psychische Tätigkeit überhaupt — mit keinen oder nur geringen Einschränkungen — versteht, also einen seiner Extension nach weiteren Begriff des „Denkens" vertritt, und jene vor allem philosophischlogisch orientierte Auffassung, die unter „Denken" nur das begrifflichlogische Operieren faßt. Eine solche engere Fassung des Begriffs „Denken" findet sich in der Regel vor allem dort, wo — wie z. B . bei E . Albrecht, W. Kirchgässner u. a. — das Denken als „Sprachdenken" interpretiert wird.8 Von dieser die Rolle der Sprache für das Denken besonders hervorhebenden Auffassung ausgehend, wenden sie sich meist dagegen, neben den abstrakttheoretischen Formen noch andere Formen des Denkens gelten zu lassen9, wie sie eben z. B . bei Rubinstein genannt werden. Rubinsteins Auffassung, daß „das menschliche Denken . . . gedankliche Operationen von verschiedener Form und verschiedenem Niveau" [661, 453] einschließe, gehört heute wohl zum unbestrittenen Arsenal nicht nur der marxistisch-leninistischen Psychologie, sondern auch der Erkenntnistheorie, wobei gerade in letzter Zeit in der Erkenntnistheorie dieser Gedanke weiterentwickelt wurde.10 Rubinstein unterscheidet zwei Formen des Denkens: das „anschaulich-bildhafte" und das „abstrakt-theoretische" Denken [611, 454ff], wobei er immer wieder deutlich macht, wie sich beide Formen durchdringen und wechselseitig ergänzen. Für Rubinstein ist also selbstverständlich, daß das Denken, um überhaupt „theoretisch-abstrakt" werden zu können, des empirischen

1.1. Sprache und Denken

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Materials bedarf, also keine Kluft zwischen empirischer und theoretischer Erkenntnis aufgerissen werden darf. Jene Autoren, die von einem prinzipiellen „Sprachdenken" ausgehen, werden nun durch ihre Bestimmung des Denkens dazu geführt, eben diese Kluft aufzureißen und die empirische Erkenntnis aus dem Denken zu eliminieren, um „das Denken und die Sprache {Hervorhebung durch Verf.) als die erkenntnistheoretisch wichtigsten Bestandteile des Bewußtseins von den Elementen der empirischen Erkenntnis abzugrenzen" [374,114]. Auch empirische Erkenntnis, die auf der Grundlage von Sinneserfahrungen entsteht, setzt rationale Formen der Verarbeitung der Sinnesdaten voraus, enthält im starken Maße abstrakte Momente und bedarf letztlich sprachlicher Formen. Als Ergebnis der philosophischen Diskussion besonders der letzten Jahre kann als gesichertes marxistisches Wissen betrachtet werden: Der Erkenntnisprozeß umfaßt zwei Formen (nicht Stufen, wie nicht nur in älterer Literatur noch zu lesen ist, da beide Formen nicht als ein Nacheinander verstanden werden können, sondern als zwei sich wechselseitig beeinflussende Formen): sinnliche und rationale. Ergebnisse der sinnlichen Erkenntnis sind Abbilder in Form von Empfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen; sie verbinden den Menschen besonders über seine praktische Tätigkeit direkt mit der äußeren Welt. Die rationale Erkenntnis umfaßt zwei Ebenen oder Arten: die empirische und die theoretische. Während die empirische Erkenntnis vor allem Abbilder von beobachtbaren Gegenständen bzw. Klassen dieser Gegenstände, von durch die Erfahrung vermitteltem Wissen u. a. liefert, sind die Produkte der theoretischen Erkenntnis vor allem Gesetze, abstrakte Konstruktionen (Theorien) usw., also all jene Erkenntnisse, die nicht mehr allein durch Beobachtung und Experiment gewonnen werden können. 11 E s ist eines der Verdienste von Rubinstein, auf ein Problem aufmerksam gemacht zu haben, das in der traditionellen Psychologie so gut wie keine Rolle spielte: das Problem des „praktischen Denkens" 1 2 . E r versucht damit, die absolute Trennung von geistiger und praktischer Tätigkeit auch für die Psychologie aufzuheben in dem Sinne, wie Marx und Engels z. B . in der Deutschen Ideologie die „Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewußtseins" als „zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit" 13 bestimmen. Der Ausdruck „praktisches Denken" drückt nach Rubinstein „einerseits gleichsam die Überwindung des Standpunktes aus, wonach der Intellekt nur in den theoretischen Operationen des abstrakten Wortdenkens in Begriffen zu finden ist: Praxis und Intellekt, Praxis und Denken werden in einem einheitlichen Begriff zusammengefaßt" [661,456]. Rubinstein verstand dar-

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1. Erkenntnistheoretische Prämissen

unter jene Denkform, „die sich im Verlauf praktischer Tätigkeit vollzieht und unmittelbar auf die Lösung praktischer Aufgaben gerichtet ist" [661, 457]. Rubinstein folgt damit ganz den Intentionen von Marx und Engels, die in vielen Arbeiten immer wieder darauf verwiesen, daß die Entwicklung des Denkens untrennbar mit der praktischen Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt verknüpft ist, Ausdruck dieser praktischen Einwirkung auf die Umwelt ist, daß Denken und Erkennen letztlich immer den Zweck verfolgen, dieser Praxis zu dienen [843, bes. 13ff]. Eine philosophische Bestimmung des Denkens kann die psychische Tätigkeit nicht aus sich selbst heraus erklären, auch nicht ausschließlich aus der Widerspiegelungstätigkeit sondern nur aus der praktischen Tätigkeit des vergesellschafteten Menschen. Und gerade dieses Moment betont Rubinstein. Auch P. V. Kopnin — der leider viel zu früh verstorbene sowjetische Philosoph, der sich um die Erarbeitung eines philosophischen Begriffs des Denkens verdient gemacht hat 1 5 — ist bemüht, die Trennung der geistigen Tätigkeit (Denken) vom praktischen Verhalten des Menschen dialektisch aufzuheben, wobei er die außer jeder Frage stehende relative Selbständigkeit des Denkens betont. 16 Das Problem liegt u. E . nicht darin, ob das Denken eine relative Selbständigkeit gegenüber dem praktischen Handeln besitzt, was wohl außer Frage steht, soiidern darin, ob das Denken nur die begriffliche, die theoretisch abstrakte Widerspiegelung erfaßt oder auch jenen Bereich, der nichtbegrifflicher Art ist — was natürlich wiederum eine Frage der Extension des Begriffs „Begriff" ist — so, wie ihn Rubinstein als „praktisches Denken" beschreibt. Die Standpunkte dazu sind keineswegs einheitlich, verbergen sich doch dahinter eine Vielzahl von Problemen, die letztlich ihre Ursache in der Vielschichtigkeit des hier abzuhandelnden Stoffes haben. Im Verlauf unserer Untersuchungen werden wir den Nachweis zu führen versuchen, daß wohl zwischen begrifflichem und nichtbegrifflichem Denken, aber auch zwischen begrifflichem und sprachlichem Denken differenziert werden sollte, nicht im Sinne von zwei Formen oder gar Stufen des Denkens, sondern von zwei sich dialektisch bedingenden und zugleich ausschließenden gegensätzlichen Momenten im Denkprozeß, die neben allgemeinen Gesetzen der Bewegung auch speziellen, nur ihnen eigenen Gesetzen der Bildung und Entwicklung folgen. (Vgl. dazu besonders Kapitel 3.2.) Wir verstehen unter Denken jene höheren Formen psychischer Tätigkeit des Menschen17, in denen mit kognitiven Abbildern operiert wird mit dem Ziel, ein ideelles Modell der objektiven Realität im menschlichen Subjekt aufzubauen, welches die praktisch-gegenständliche Tätigkeit des vergesellschafteten Menschen als bewußte zweckgerichtete Tätigkeit ermöglicht.

1.1. Sprache und Denken

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Das Denken umfaßt so neben dem — den Charakter des Denkens wesentlich bestimmenden — Operieren mit Begriffen auch das Operieren mit solchen Formen von Abbildern, die, empirisch konstituiert, auch sinnlich-konkrete Elemente, emotionale und bewertende Elemente u. ä. enthalten. Damit gebrauchen wir den nach seiner Extension weiteren Begriff des Denkens, während in der philosophischen Literatur häufig ein engerer Begriff des Denkens vertreten wird, der das Denken allein auf das Operieren mit Begriffen und logischen Formen reduziert. Wir werden auf die Konsequenzen dieser unterschiedlichen Extension des Begriffs „Denken" im Folgenden noch einzugehen haben, wobei bereits hier vermerkt sei, daß die Bestimmung des Denkens als Operieren mit Begriffen u. a. dazu zwingt, die Bedeutungen von Wörtern als Begriffe zu fassen, was wiederum den Linguisten vor fast unlösbare Schwierigkeiten in der Bedeutungsanalyse stellt. 18 Die weite Extension des Begriffs „Denken" ist der Versuch, eine Synthese zwischen den in der Philosophie und in der Linguistik differenziert gebrauchten Begriff des Denkens herzustellen. Sie scheint uns zumindest für die semantische Analyse unumgänglich. Das Bewußtsein umfaßt mehr als das Denken, es ist vor allem Produkt der Gesamtheit der psychischen Tätigkeiten im Sinne der Gesamtheit der Beziehungen, die zwischen den verschiedenen psychischen Prozessen vor sich gehen, der inneren Struktur dieser Prozesse, und weniger im Sinne einer aufzählbaren Menge einzelner Formen psychischer Tätigkeiten und Prozesse.19 W. P. Tugarinow definiert Bewußtsein als einen Teil der Psyche. „Bewußt nennt man solche psychischen Erscheinungen und Handlungen des Menschen, die über seinen Verstand und Willen laufen, von ihnen vermittelt werden, die sich folglich mit dem Wissen davon, was er macht, denkt oder fühlt, vollziehen". [771, 47] 20 Nach A. G. Spirgin umfaßt die Struktur des Bewußtseins einerseits alle Formen der kognitiven Tätigkeit wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken, Verstand, Vernunft, als auch die emotionalen Erlebnisse, die Interessen, den Willen, die vernünftige Tätigkeit, die Zielstellung und die schöpferische Aktivität. [533, 502] ™ Diese ganzheitliche Betrachtungsweise hat sich auch in der Neurophysiologie bei der Untersuchung der den Bewußtseinsprozessen zugrunde liegenden Nervenprozesse immer stärker durchgesetzt. M. Rosenberg spricht z. B . davon, daß Bewußtsein nicht als eine isolierte Tätigkeit bestimmter Hirnzentren, auch nicht als Funktion vereinzelter neuronaler Prozesse, sondern nur als „beziehungsverbundener Zusammenhang" der Tätigkeit des Gesamthirns oder zumindest großer Teile davon interpretiert werden kann. „Summierte Effekte der Reizimpulse integrieren wir zum Bewußtsein. Ein isolierter

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1. Erkenntnistheoretische Prämissen

Heiz, der auf keinen Zusammenhang von Strukturen ( . . . ) stößt, bleibt unter seiner Schwelle, bleibt Reflexgeschehen... Es entsteht als neue Qualität, sobald und solange Reizimpulse zu einer Gesamtenergielage in einen Kontrast geraten." [659, 126] Problematisch ist noch die Einordnung des Unbewußten, dem nach F . W . Bassin alle jene nervalen Informationsprozesse zugeordnet werden können, „die komplizierte Formen des Adaptionsverhaltens bedingen und dabei weder mit einem Bewußtwerden der von ihnen hervorgerufenen psychischen Erscheinungen einhergehen noch eine Widerspiegelung im System der 'Erlebnisse' des Subjekts finden" [61,125; vgl. auch 533]. W . P . Tugarinow zählt zur Psyche sowohl bewußte als auch unterbewußte und unbewußte Prozesse,

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Abb. 10

weisen lassen dürften. Für das Signifikat als wissenschaftliches Hilfskonstrukt und Korrelat eines F in der jeweiligen L E wäre in jedem Fall anzunehmen, daß Signifikat = 2 • • . , LB m , wobei nLB,... m £ l Sem. Aus diesem Signifikat (Semsumme) wird — wie aufgezeigt — eine Bedeutung, genauer eine bestimmte Semkonfiguration, als spezifische Semsequenz aktualisiert, so daß also von Kontext zu Kontext Variationen der Semsequenzen gegenüber der in der Langue-System-Bedeutung eingeschliffenen Semkonfiguration (semantische Mikrostruktur, vgl. 3.5.) möglich sind, in jedem Fall aber eindeutige Einfachzuordnungen zum jeweiligen F (als F t y p e ) auf der Kontextebene vorhegen. Diese Eins: Eins-Zuordnungen von £ 0 ' zu einem bestimmten F, nunmehr auch als F i ; bleibt auch im konkreten Sprechereignis in Gestalt der jeweiligen Meinungen und Deutungen gewahrt, womit, ähnlich wie bei den Kontextbedeutüngen von Kontext zu Kontext, hier nun von Individuum zu Individuum, Variationen, Abweichungen sowohl in der Anzahl und Auswahl der dem F i ; F t y p e zugeordneten € 0 ' wie auch in ihrem Vergesellschaftungsgrad (Gruppenkompetenz) oder in ihrer Anordnung nicht ausgeschlossen sind, von denen wir für eine linguistische

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2. Bedeutung sprachlicher Zeichen

Bedeutungsbeschreibung (besonders der Langue-Bedeutung) bewußt abstrahieren. Aus den bisherigen Ausführungen dürfte bereits eine deutliche Analogie zu Termini deutlich geworden sein, die vor allem in der kontrastiven Linguistik, speziell in der Übersetzungswissenschaft, bei der Beschreibung der Äquivalenzbeziehungen zwischen zwei und mehreren Sprachen verbreitet verwendet werden. Eine solche Übereinstimmung mit den E i n s : Eins-Entsprechungen usw. ist keinesfalls zufällig, sind doch in der einsprachigen Kommunikation wesenhaft gleiche Erscheinungen zu beobachten wie in der zweisprachigen. Von den dort erwähnten Äquivalenzbeziehungen 103 fehlt bislang hier die 1 : Null-Entsprechung, und in der Tat ließe sich auch dafür in der Beschreibung der Zuordnungsbeziehungen zwischen Bedeutung und F eine Belegung finden. Wir meinen die bereits in anderem Zusammenhang angesprochenen Fälle einer Erstkodierung, des Bezeichnungs-Benennungsaktes, in dem dem jeweiligen F noch keine Bedeutung und dementsprechend natürlich auch kein Signifikant zugeordnet ist bzw. umgekehrt einer Sachverhaltswiderspiegelung als einem Aj noch kein F . Der Weg ist auch hier im Prinzip der gleiche wie bei der Überwindung einer 1 : Null-Entsprechung beim Übersetzen. I m übrigen erweist sich gerade f ü r den Sprachvergleich und für das Übersetzen wie auch für die Herstellung/Benutzung zwei- und mehrsprachiger Wörterbücher die Hilfskonstruktion des Signifikats als nützlich. Dabei ist in der Regel am ehesten im Bereich der Kontextbedeutungen eine — annähernd — hundertprozentige Abdeckung durch eine L E der L 2 ZU erwarten, wohl nie jedoch bereits eine Identität der Signifikate, selten eine solche der Langue-Bedeutungen. Eine Identität der Langue-Bedeutungen bzw. gar der Signifikate zwischen zwei L E zweier Sprachen fordern zu wollen, hieße eindeutig die Anforderungen an eine Übersetzung unangemessen hoch zu schrauben, unberechtigterweise deshalb, weil wir Texte und mithin Kontextbedeutungen zu übersetzen, besser, f ü r eine bestimmte Kontextbedeutung KB^ der L t eine L E der L 2 zu finden haben, deren K B mit der der L j weitestgehend kongruiert. Doch zurück zu den Zuordnungsbeziehungen zwischen Bedeutung und F selbst und ihrer qualitativen Charakteristik, auf die wir im folgenden kurz eingehen wollen. Hier kann zunächst einmal, ganz im Sinne unserer bisherigen Festlegungen, festgehalten werden, daß es sich um eine in der Kommunikation entstandene und eingeschliffene und damit zugleich die Kommunikation als Invariante gewährleistende Zuordnungsbeziehung handelt, die ihren Ausdruck in den L E findet und sich jeweils als Zuordnungsbeziehung von Signifikat und Signem bzw. von Allosignen und Ko-/Kontextbedeutungen bis hin zu den F , und den Deutungen/Meinungen repräsentiert. Es leuchtet ein, daß es sich dabei um eine gerichtete, eindeutige Zuordnung von einem F zu einer L B

2.3. Bedeutung und Ausdrucksebene

111

handelt, die nicht so ohne weiteres umkehrbar und nicht eineindeutig ist. So können z. B. einem F mehrere LB zugeordnet sein — und um diese geht es uns im folgenden ausschließlich — und umgekehrt — etwa im Falle einer u. E. wenig wahrscheinlichen absoluten Langue-Synonymie 104 — im Prinzip auch einer LB mehrere F. Daß sich auf der Ebene des Kontextes signifikante Veränderungen hinsichtlich der möglichen Zuordnungen Und ihrer Charakterisierung als reversibel und eineindeutig ergeben, liegt auf der Hand; sind doch hier z. B. eher deckungsgleiche kontextuell eingeschränkte, also völlig synonyme LE anzunehmen und ist im konkreten Fall in der Regel einem Allomorph, Allolex usw. nur eine Kontextbedeutung zugeordnet. Von besonderem Interesse dürfte eine Untersuchung der z. B. für die Beschreibung der Bezeichnungen, der paradigmatischen Makrostrukturen und damit der 1. Gliederung der objektiven Realität in Gestalt der Bedeutungen/ LE, besonders relevanten Zuordnungsbeziehungen naturgemäß für den Sprachvergleich und damit auch für den Fremdsprachenunterricht und die Übersetzungswissenschaft, aber auch für die Sprachphilosophie/Erkenntnistheorie sein. Dabei und auch im Hinblick auf eine Charakterisierung der Zuordnungsbeziehungen spielt u. a. die Frage danach, ob deren beide Glieder (Korrelate) historisch-konventionell oder aber wesenhaft, ursprünglich, kausal miteinander verknüpft sind, eine besondere Rolle. 2.3.1.2. Zur Motivation der Bezeichnung Im Nachvollzug jahrtausendealter Überlegungen hinsichtlich des theseioder physei-Charakters der sprachlichen Zeichen entscheiden wir uns hier dafür, daß zwischen Zeichen und Bezeichnetem eine historisch gewachsene, über das Abbild vermittelte, konventionalisierte Beziehung besteht, wobei in die Bedeutung vergesellschaftete Abbildelemente des Bezeichneten eingehen. Es liegt also eine vermittelte Widerspiegelungsqualität vor, d. h. die Zuordnung eines bestimmten Formativs gegenüber dem bezeichneten Sachverhalt wie auch gegenüber der Bedeutung ist nicht kausal durch das Bezeichnete, nicht durch Widerspiegelung bedingt, sondern durch historische Konvention, durch den Usus, motiviert. Es ist in diesem Sinne hinsichtlich der Erstkodierung, der Bezeichnungsbildung im Sprechakt, sicher berechtigt, von einem arbiträren Charakter der Zuordnung zu sprechen; denn zweifellos ist es nicht aus dem Bezeichneten bzw. der Bedeutung (oder dem A) zu motivieren, daß das Objekt der Realität „Tisch" bzw. die Objektklasse, deren Element im Deutschen mit „Tisch" bezeichnet wird, im Französischen mit „table", im Spanischen mit „mesa", im Russischen mit „stol" usw. bezeichnet werden. Es bedarf indessen besonderer Vorsicht, um die vielschichtigen Aspekte, die mit dem vieldeutigen und mißverstand-

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2. Bedeutung sprachlicher Zeichen

liehen Terminus Motivation bezeichnet werden können, nicht einseitig zu interpretieren. Unter Beachtung der Wirkung des dialektischen Paares von Notwendigkeit und Zufall ließe sich präzisierend feststellen: aus einer gesellschaftlichen, kommunikativen Notwendigkeit heraus ergibt sich eine bestimmte Widerspiegelung, eine spezifische Aufgliederung, Erstgliederung der widerzuspiegelnden Realität ( in den A i; die zu Ag,., Awiss und Az vergesellschaftet werden; dies kann nur geschehen, wenn die Aj in der Kommunikation Formativen zugeordnet werden. Welche phonematischen oder morphematischen Strukturen diese Formative aufweisen, welche Form die phonologische Matrix hat, ist bei der Erstkodierung weitgehend Zufall, auch wenn hinsichtlich der zur Bildung verfügbaren Elemente und möglichen Kombinationen bei Existenz weiterer Formative/Zeichen Einschränkungen bestehen (z. B. bereits belegte Phonemkollokationen, systematische und zufällige Lücken). 105 Gleichfalls nur historisch aus der Widerspiegelung •der Sprachgemeinschaft, nicht aber aus einer inneren Zuordnungsnotwendigkeit ist es zu erklären, warum in einer Sprache Lj zweiLangue-Bedeutungen B t und B 2 einem Signifikat und einem gemeinsamen Formativ zugeordnet sind, in einer L 2 dagegen unterschiedlichen Formativen. Wir werden auf die sprachphilosophisch relevanten Fragen der unterschiedlichen sprachlichen Segmentierung der widergespiegelten objektiven Realität an anderer Stelle {z. B. auch im Zusammenhang mit der sogenannten muttersprachlichen Weltsicht, dem Worten der Welt) noch] ausführlich zurückkommen. Bezüglich des Charakters von eingeschliffenen, konventionalisierten, vergesellschafteten Zuordnungsbeziehungen zwischen Formativen und der LangueBedeutung bzw. dem Signifikat, als Teil der Gesamtproblematik der Arbitrarität und Motiviertheit des Zeichens, bei der es viele Mißverständnisse gibt, ist die Frage nach der Motivation/Willkürlichkeit irreführend; ist die Beziehung doch als gesellschaftlich eingeschliffene Zuordnung ganz einfach existent, historisch und gesellschaftlich — kommunikativ — motiviert. Dagegen ist die Wahl eines bestimmten Formativs als Teil einer LE für einen gegebenen Sachverhalt der Realität — von der Erstkodierung abgesehen — durchaus nicht willkürlich im Sinne von beliebig; wird über die Bedeutung doch eine spezifische Sachverhaltswiderspiegelung gewährleistet, führt die Wahl eines Zeichens, dessen ihm zugeordnete Langue-Bedeutung Merkmale enthält, die in keiner Weise mit dem bezeichneten Sachverhalt kongruieren, zu Mißverständnissen, zu Schwierigkeiten, wenn nicht gar zu einem Scheitern der Kommunikation. 106 Während im Hinblick auf die Zuordnung von Formativen und Bedeutungen im allgemeinen am besten von einer Konvention gesprochen wird, die historisch-gesellschaftlich und letztlich auch kommunikativ-usuell motiviert erscheint 107 , ist im Hinblick auf die Verwendung von Zeichen als bilateralen Einheiten (Bezeichnungen) für außersprachliche

2.3. Bedeutung und Ausdrucksebene

113

Sachverhalte z. B . stets eine bestimmte Motivation in Gestalt spezifischer Widerspiegelungsbeziehungen — über die Bedeutung vermittelt — gegeben. Spezielle Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang z. B . aus der sogenannten Teilmotivation bei Wortbildungsprozessen, bei der Kombination kleinerer bedeutungstragender Einheiten, LE, zu größeren Gebilden, die ihrerseits als L E erscheinen können sowie bei der Beurteilung der Erscheinungen, die in der linguistischen Literatur als etymologische Motivation, aber auch als „innere Form" bezeichnet wurden.107 Nur hegt diese Motivation nicht wie bei der Frage nach dem thesei-physei-Charakter in Widerspiegelungsbeziehungen zwischen Formativ und Abbild/Bedeutung. Nicht zufällig, willkürlich, unmotiviert sind aber auch die Unterschiede in der Bezeichnungsstruktur der einzelnen Sprachen; zwar dürfte auch hier nicht der Sachverhalt, z. B. der Nahrungsaufnahme als solcher, sondern vielmehr die Subjekt-Objekt-Dialektik der Erkenntnis dafür verantwortlich zu machen sein, daß im Deutschen von essen und fressen, trinken und saufen gesprochen wird, im Französischen/Spanischen dagegen z. B. unterschiedslos im Hinblick auf Tiere und Menschen nur von manger/boire bzw. comer/beber. Eine Motivation dieser Unterschiede ist in den komplexen historisch-gesellschaftlich bedingten Widerspiegelungs- und Bezeichnungserfordernissen der betreffenden Kommunikationsgemeinschaft zu suchen. 2.3.2. Zur Größenordnung der Einheiten der Inhalts- und Ausdrucksebene Es gehört mit zu den Aufgaben einer die Zusammenhänge zwischen Inhaltsund Ausdrucksebene beschreibenden Sememik, die Größenordnung der einander zugeordneten Einheiten zu bestimmen. Dabei ergibt sich eine Reihe terminologischer Festlegungen, die sowohl die Inhalts- als auch die Ausdrucksebene getrennt, jede für sich, wie auch die sprachlichen Zeichen als komplexe Form-Inhalteinheiten betreffen und ein sehr heterogenes Bild ergeben. Es scheint einleuchtend und allgemein akzeptiert, hierbei zunächst auf der Ausdrucksebene von den kleinsten bedeutungstragenden Einheiten auszugehen, die in der amerikanischen Linguistik von Bloomfeld her als Morpheme, in der französischen Linguistik z. B . als Moneme (lexikalische Morpheme), aber durchaus auch anders bezeichnet wurden. Diesen Morphemen entsprechen auf der Inhaltsebene die Sememe bzw. auf der Ebene des Kontextes (2-Parole) den Allomorphen die Alloseme. Für die kleinsten L E als bilaterale Gebilde könnte u. E. der Terminus Plerem 108 Verwendung finden. Ohne auf terminologische Fragen wie auch bisherige, abweichende und widersprüchliche Bestimmungen detaillierter einzugehen, seien im fol-

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2. Bedeutung sprachlicher Zeichen.

genden noch einige weitere größere Einheiten herausgestellt. Als generelle Einheit der Sprachzeichen könnte dabei das bereits erwähnte Signem gelten, dem auf der Langue-Ebene die Langue-Bedeutung entspricht. Unter Berücksichtigung des für die Bestimmung der Zeichen angeführten systemhaft rekurrenten, usuellen Charakters der Zuordnungsbeziehungen zwischen Einheiten der Inhalts- und solchen der Ausdrucksebene scheint es uns möglich, auch größere Einheiten auf beiden Ebenen herauszustellen, wobei wir uns von der besser beschriebenen bzw. beschreibbaren und klarere Distinktionen ermöglichenden Ausdrucksebene leiten lassen. Da wären zunächst die sich in der Kommunikation wie aber z. B . auch im Wörterbuch als komplexe Einheit von wenigstens einem lexikalischen Morphem und in der Regel 1 . . . n grammatischen Morphemen (bound forms) gebildeten Lexeme zu erwähnen, denen auf der Inhaltsebene die aus einer entsprechenden komplexen, kombinierten Semkonfiguration gebildeten sogenannten Semanteme entsprechen. Semanteme als Bedeutungseinheiten bestehen demnach aus wenigstens einem „lexikalischen Semem" und aus in vielfältiger, durchaus noch nicht völlig geklärter Weise mit ihm verknüpften Inhaltseinheiten der jeweiligen grammatischen Morpheme. Gewiß wäre es auch möglich, in diesem Falle von Sememen zu sprechen und diesen Terminus also nicht auf die Entsprechung eines — lexikalischen — Morphems einzuengen. Immerhin bestehen ja auch hinsichtlich Charakter und Aufbau von Sememen, Semantemen und auch noch komplexeren Gebilden keine prinzipiellen Unterschiede; in jedem Fall haben wir es mit Semkonfigurationen, mit semantischen Mikrostrukturen, zu tun. Angesichts der Auflösbarkeit in Merkmale und der insbesondere in der Kommunikation vor sich gehenden Sprengung der paradigmatischen Sememgrenzen und Bildung komplexerer Semstrukturen sowie des Umstandes, daß eine Abgrenzung von rekurrenten, usuellen und nichtrekurrenten, okkasionellen, also systemhaften bzw. nichtsystemhaften Zuordnungen von Einheiten der Ausdrucksebene zu solchen der Inhaltsebene (komplexe Merkmalkombinationen zu Semsequenzen), unter Umständen gar nicht leicht fällt, könnten Zweifel an dem eingeschlagenen Weg bzw. an seiner Nützlichkeit vorgebracht werden. Wir halten esjedoch im Sinne der vorgebrachten Konzeption wie auch in Ubereinstimmung mit der lexikographischen Praxis für angebracht, neben Sememen und Semantemen (Entsprechungen auf der Ausdrucksebene: Morpheme bzw, Lexeme) auch noch Syntagmeme und Phraseme als inhaltliche Entsprechungen für Syntagmen und Phrasen auf der Ausdrucksebene zu unterscheiden.109 Dabei sind Syntagmeme und Phraseme als Einheiten der Inhaltsebenenicht als Bezeichnungen für die entsprechenden sprachlichen Zeichen, d.h. Komplexe aus Lautbild und Inhalt, zu betrachten. Gerade im Zusammenhang mit den L E , die aus mehreren Lexemen gebildet werden, ergeben sich

2.3. Bedeutung und Ausdrucksebene

115

Probleme hinsichtlich der Abgrenzung von obligatorischen, usuellen und rekurrenten Zuordnungen und Zusammenfügungen und nicht eingeschliffenen, jiichtobligatorisch so einander zugeordneten Lexemverbindungen. Sind Volkswirtschaft und économie nationale z. B . in diesem Sinne in gleicher Weise als eigenständige Zeichenkomplexe zu betrachten, die einen unverwechselbaren spezifischen, komplexen, obligatorisch-rekurrenten und gegenüber okkasionellen Lexemverbindungen abgehobenen Inhalt aufweisen? Unter dem Aspekt der Bedeutung betrachtet, reduziert sich diese Frage •darauf, ob wir von abgrenzbaren, abgegrenzt eingeschliffenen Semkonfigurationen sprechen können, oder ob wir es mit Semsequenzen (Semformeln) zu tun haben, die durch Zusammenordnung (Zuordnung) mehrerer Lexeme gebildet werden können, aber eben nur als Erscheinung des kontextspezifischen Bedeutens bzw. Bezeichnens und nicht als solche der Langue betrachtet werden können. Sicher ist wie bei den meisten sprachlichen Erscheinungen auch hier eine Graduierung — in diesem Fall der Rekurrenz — anzunehmen; Phrasen in unserem Sinne als Zeichengebilde sind als Wendungen {sprichwörtliche Redensarten, Sprichwörter) zu verstehen, die in einer synchronisch relativ invarianten Zuordnungsbeziehung zu den Phrasemen stehen und oft mehrdeutig sind. Es ist gewiß kein Zufall, daß solche unveränderlichen Gebilde als festgefügte, rekurrente und usuelle Lexemverknüpfungen im Wörterbuch gesondert aufgeführt werden, womit praktisch ihrem Charakter als L E Rechnung getragen wird. Damit wird aber auch deutlich, daß für die Bestimmung von größeren selbständigen Inhaltseinheiten, deren Struktur und Sembestand prinzipiell ja auch von nichtrekurrenten Zeichenkombinationen abgedeckt werden kann, die Rekurrenz der Zuordnungsbeziehung zu der Ausdrucksebene entscheidend ist. Für die Bestimmung der Sem-/Sememsequenzen und -konfigurationen auf der Inhaltsebene als mehr oder weniger deutlich abgegrenzte Bewußtseinskomplexe ist also die Ausdrucksebene bzw. die Zuordnung zu dieser von großer Bedeutung, wobei durch Abweichungen in diesem Bereich, etwa z. B. wenn es sich in einer Sprache L t um festkodierte Gebilde, in einer Sprache L 2 aber um noch nicht rekurrent bewußtseinsmäßig als isolierte Zeichengebilde eingeschliffene, zu kodierende Komplexe handelt, keinerlei Veränderungen in der für die Kommunikation entscheidenden Inhaltsstruktur bewirkt werden.

2.3.3. Versuch einer Modellierung der Inhalts-/Ausdrucksebene Abschließend seien zur Charakterisierung der Zuordnungsrelation Und des summarisch abgehandelten Wechselverhältnisses von Bedeutung, Signifikat, Formativ als überindividuelle Abstraktion ( F j ^ ) , als individuelle

116

2. Bedeutung sprachlicher Zeichen

physiologische Realisation (F ia , F t o k e n ), als psycho-physische Realität ('Fa) und als individuelle psychische Erscheinung (F^a) noch einige Mutmaßungen hinsichtlich deren neurophysiologisch-psychologischen Existenz/Realisation angeführt, sowie Konsequenzen für das Verhältnis von Bedeutung und Abbild angedeutet. Daß es sich dabei um stark hypothetische Überlegungen handelt, liegt auf der Hand. Die erwähnte Zuordnungsrelation dürfte im Gehirn der Sprecher einer betreff enden Sprache (Angehörige einer bestimmten Sprach- bzw. Kommunikationsgemeinschaft) als durch die Kommunikation im Prozeß der Spracherlernung, des Zeichengebrauchs und des Wissens- und Erfahrungserwerbs, fest eingeschliffene „verdrahtete" neuronale Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Neuronennetzschaltungen betrachtet werden. Dabei ließen sich die phonologischen Matrizen bzw. Phonembündel in ihren Grundstrukturen sowie die Morpheme durch Zusammenschluß von Neuronen bzw. Neuronennetzschaltungen, die Phoneme oder auch phonologische Merkmale repräsentieren, interpretieren. Diesen Zusammenschaltungen sind in der Größenordnung der Morpheme, aber auch größerer formaler Einheiten, als relativ stabile, durch den wiederholten Gebrauch eingeschliffene, verdrahtete Netzschaltungen (Fa, 'Fa, 'Fb) gleichfalls relativ stabile, festverdrahtete Neuronennetzschaltungen in Gestalt der Sememe bzw. des Signifikats zugeordnet (zusam'mengeschaltet). Dabei erhebt sich abermals die Frage nach der Berechtigung der Annahme eines Signifikats, nach seinem neurophysiologischen Status. I n jedem Fall gilt es, das Vorhandensein von festen Querverbindungen der einzelnen L B im Rahmen des „Signifikats", aber auch generell der paradigmatischen semantischen Makrostrukturen, zu den jeweiligen Lautbildern (F'a, F ' x ) bzw. deren neuronalem Substrat ('Fa, 'Fx) in Form mehr oder weniger geschlossener Neuronennetzschaltungen herauszustellen; ob und in welcher Form das Signifikat neurophysiologisch repräsentiert erscheint, kann hier nicht näher beleuchtet werden. Ähnlich wie bei den 'Fx nehmen wir an, d a ß die Bedeutungen selbst wieder auf Zusammenschaltungen von kleineren Neuronen/Neuronennetzen, die ihrerseits etwa die Seme repräsentieren, basieren und als solche als Gesamtschaltung simultan an die Gesamtschaltung (Sammelschaltung) des F ' x bzw. ' F x als interiorisierte Abbildung des F t y p e angeschlossen werden und nicht jedes einzelne Sem eine direkte Verbindung zu den Phonemschaltungen (phonologischen Merkmalen etc.) oder selbst auch zum jeweiligen F ' x / ' F x ausgebildet hat. Dabei ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß auf der Inhaltsebene Seme mit Sememen, auf der anderen Seite Morpheme mit Phonemen kongruieren können. I n letzterem Fall ist auch mit gebahnten Schaltungen zwischen diesen Einheiten zu rechnen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß z. B. in einer Fremdsprache oder bei Störungen durchaus auch defektuöse aber auch 'Fi als Zuord-

2.3. Bedeutung und Ausdrucksebene

117

nungsgrößen zumindest zur Evokation des Aj noch ausreichen. Darüber hinaus können solche unvollständig bzw. ungenau reproduzierten F j im Rahmen eines situativ fest eingebetteten Sprechereignisses dank der Unterstützung des sprachlichen und außersprachlichen Kontextes u. U. ebenso die Verständigung gewährleisten wie die in jeder Hinsicht vollwertigen LE, was in bestimmten, vom Kontext und den Partnern abhängigen Grenzen sogar auch für fehlerhafte Zuordnungen von F zu Ae also z. B. den unzutreffenden Gebrauch von Fremdwörtern usw. gilt. 110 In die kommunikative Verwendung lexikalischer Einheiten sind offenbar mehrfache Sicherungen eingebaut, die in Gestalt des Ko- und Kontextes, darüber hinaus aber z. B. auch des Denotatswissens, d. h. der Kenntnisse der Kommunikationspartner über den Kommunikationsgegenstand, beabsichtigte Fehlleistungen als solche feststellbar und unbeabsichtigte korrigierbar machen. Daß dabei komplexe Zusammenhänge u. a. bestimmte, aus wiederholten Kommunikationsereignissen mit einem bestimmten Partner über einen bestimmten Gegenstand resultierende Erwartungsschemata einschließlich eines bestimmten Selbst- und Fremdbildes usw.111 und die Verwendung außersprachlicher Mittel zu berücksichtigen sind, liegt auf der Hand. Wir beabsichtigen nicht, in nachstehender schematischer Darstellung auch nur annähernd die tatsächliche Vielfalt der bei der Sprachproduktion sich im Sender vermutlich abspielenden Prozesse zu erfassen, hoffen indessen, in Ergänzung und Anwendung unserer bisherigen Darlegungen zur Bedeutung, ein Modell vorlegen zu können, das die komplexen Wechselbeziehungen von Gesellschaftlichem und Individuellem am Beispiel eines Senders wiedergibt. Auch hier das individuelle Sprechereignis zum Ausgangspunkt machend, nehmen wir an, daß ein Sprecher (Sender) einem anderen Sprecher (Empfänger) eine Information über einen bestimmten konkreten Sachverhalt hic et nunc bzw. über eine Klasse von Sachverhalten geben möchte. Dabei ist es im Prinzip für unsere weiteren Überlegungen unerheblich, ob der Sender neben einer neutralen Darstellung des Sachverhaltes (z. B. begriffliche bzw. Vorstellungskomponente unter 2.4.) bewußt oder unbewußt (Appell oder Symptom) auch eine Wertung (emotionale oder voluntative Einstellung zum bezeichneten Sachverhalt) in der gedanklichen Verarbeitung in sein individuelles A s (Meinung) als £ 0'j...k einfließen läßt. Am Ausgangspunkt steht in jedem Fall eine mehr oder weniger komplexe Kommunikationsabsicht des S, die ihrerseits in einem — unmittelbar durch einen bestimmten Sachverhalt (Wahrnehmung) ausgelösten oder auch durch Rückgriff auf Vorstellungen und gespeicherte Erfahrungen usw. zeitlich zurückliegender Sinneswahrnehmungen und Abstraktionen vermittelten — individuellen Abbild eines potentiellen Senders ihren Niederschlag findet. Dabei greift der Sender in seiner gedanklich-kognitiven Selektion, die sich mit großer Ge-

118

2. Bedeutung sprachlicher Zeichen

schwindigkeit und ohne bewußten Nachvollzug vollzieht, auf den Noemspeicher auf der Ebene des sogenannten logisch-gnoseologischen Substrats 112 zurück, über dessen Struktur, phylo- bzw. ontogenetischen Aufbau und neurophysiologische Repräsentanz wir hier keine näheren Ausführungen machen können, die wir jedoch als hilfreiches Konstrukt für die Verdeutlichung der Beziehungen von Sprache und Denken, Bedeutung und Abbild betrachten. Im Ergebnis dieses Innervierungs- bzw. Aktivierungsprozesses ausgewählter Noeme und ihrer Gruppierung/Zusammenschaltung zu einem in der Regel bereits durch die Kommunikation/Kognition als feste Neuronennetzschaltung eingeschliffenen dynamischen Stereotyp bzw. auch zu einer teil weise/völlig neuen Netzschaltung entsteht das A s (Meinung). Dabei ist zu beachten, daß in dieses A s auch die Kompetenzbedeutung, also ein anteiliger Bestand an vergesellschafteten Bedeutungselementen eben jenes Semems eingegangen ist, das nach unserer Darstellung — also nur scheinbar sukzessiv in der Zeit — im Gefolge der kommunikativ-semantischen Selektion als eine Langue-Bedeutung entsteht. Mit dem Übergang zur extrapolierten Langue- bzw. auch Kontextbedeutung als außerindividueller Größe vollzieht sich als ein Bruch zur bisherigen Darstellung in Abb. 11, S. 119, der Ubergang in den Bereich der Sprache als gesellschaftlicher Erscheinung, der vielleicht bei einer Beschränkung auf die innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft im Prinzip nicht wesentlich divergierende Kompetenzbedeutung hätte vermieden werden können. Mit der Kristallisation der zweifellos nicht ungegliederten (z. B. semiologische Strukturen bzw. semotaktische Regeln, die ja dann auch in den Sememen/Allosemen erhalten bleiben — 4.4.) Merkmalmengen zu Sememen, die ihrerseits durchaus eine sprachspezifische Auswahl, Anordnung und Anzahl von semologischen Merkmalen aufweisen, erfolgt zugleich mit dem Schritt vom Individuellen zum Gesellschaftlichen auch der Ubergang vom Erkenntnistheoretischen zum Linguistischen, vom Abbild zur Bedeutung. Mit der Wahl der seiner Kommunikationsabsicht am nächsten kommenden L E (hier kann er in der Regel zwischen mehreren Synonymen wählen) aus seinem individuell disposiblen Vorrat (Individualwortschatz) und mit ihrer Verwendung in der sprachlichen Kommunikation entäußert der Sender gewissermaßen sein Inneres, seine Gedanken, Wünsche und Einstellungen, vergesellschaftet er sie, muß er gewärtigen, daß sie nicht voll in seinem — subjektiven — Sinne verstanden werden, sondern vielmehr im Sinne einer schwer zu bestimmenden, aber regulativ wirkenden gesellschaftlich-überindividuellen Norm. Bei dieser Zeichen wähl kann er eine mehr oder weniger große Meisterschaft an den Tag legen. Hier nun wird auch offensichtlich, inwiefern ein „verschwommener Gedanke" mit der Wahl einer Bezeichnung, d. h. mit der Überführung des A s in eine Bedeutung für den Sender wie vor allem für die Kommunikationspartner, präzisiert und — ein-

2.3. Bedeutung und Ausdrucksebene

119

mal vergesellschaftet — weitgehend seinem unmittelbaren Einfluß entzogen, nachvollziehbar und überprüfbar wird. Dabei spielt — wie wiederholt betont — der Kontext eine besonders wichtige Rolle, müßte also auch in das nachstehende Schema noch die syntagmatische Dimension der Allosemverkettungen aufgenommen werden, was dieses indessen noch unübersichtlicher machen würde. Bereits hier soll auf eine Reihe möglicher Fehlinterpretationen des nachstehenden Schemas verwiesen werden, die vermieden werden können, wenn u. a. beachtet wird, daß jegliche Bezugnahme auf das O eliminiert

MocfeHierungsrersuch der Auswahl einer LE durch den Sender ohne Berücksichtigung der neurophysJo/ogischen Grundlage I.Ebene des logischSpeicher gnoseologischen Substrats Wvon€D'(Noemen) In ihren semtotogfahen Exìsterufbnrì /nterre/ationen (potentiell überindivlduetl,. virtuell unendliche Zahl und universell) t gedanklich -kognitive Selektion ,tm Selektion voniO',.. .„ (Noemen+Semen) gesellschaftliche ^.Q'ats Bedeutungsbestandteile beinhaltend) Asbm Meinung, dieKompetenzbedeutung 2 kommunikativ-semantische Setektwiatiminierung individuelleren' Sememselekfion m Kommunikation) \ Semem, ùfiZg Seme -Ssmemkombiextrapolierte, außerindividuell £ Semkonfiguration (semangesellschaftliche Größe f/angue) tische Mikrostrukfur) nat/on —

lich-kommunikativer Rb' R c = Relationen zwischen den Aktoren und dem Prädikat: evtl. überRa = Operationsvollzug („von Seiten . . . " ) | flüssig Rb = Operationsauswirkung („an die Adresse von . . ."> durch die Rc = Operationsbezug („im Hinblick auf . . .") I Angabe der Cases

3.4. Bedeutung und Sachverhalt

227

Beispielsätze zur Belegung der Message: D i e Werktätigen verbessern, erhöhen, vergrößern, heben, fördern, . . . den Lebensstandard der Bevölkerung. D i e Werktätigen leisten einen Beitrag, tragen bei zum verbesserten, erhöhten, . . . Lebensstandard der Bevölkerung. D i e Werktätigen, die zum verbesserten, erhöhten, . . . Lebensstandard der Bevölkerung beitragen, . . . Die Werktätigen leisten einen Beitrag, tragen bei zur Verbesserung, Erhöhung,... des Lebensstandards der Bevölkerimg. Die Werktätigen leisten dazu einen Beitrag, tragen dazu bei, daß der Lebensstandard der Bevölkerung steigt, wächst, sieh hebt, verbessert, erhöht,. . . Die Werktätigen garantieren der Bevölkerung einen höheren Lebensstandard. Der Lebensstandard der Bevölkerimg wird durch die Werktätigen erhöht. Die Bevölkerung erhält durch die Werktätigen einen höheren Lebensstandard garantiert. Ein Beitrag der Werktätigen zur Verbesserung, Erhöhung . . . des Lebensstandards ; zum Lebensstandard der Bevölkerung. . . Eine Verbesserung, Erhöhung, . . . des Lebensstandards der Bevölkerung durch die Werktätigen . . .

Die illustrativ gebrauchten Beispiele eines Vergleichs von durch Mikrostrukturen über einen gemeinsamen Referenzbezug hinaus ermöglichten Nuancierungen von Sachverhalten zeigen hinlänglich die Wechselbeziehung von Mikrostrukturen untereinander, von Mikro- und Makrostrukturen, aber auch den Mechanismus und die Möglichkeiten der Bezeichnung von Sachverhalten bzw. der Realisierung des Aufbaus spezifischer Sachverhaltswiderspiegelungen (Mitteilungsabsichten, kommunikative Intentionen) durch Belegung mit „einfachen" Verbbedeutungen allein. Zugleich aber wurde auch deutlich, daß im Prinzip alle denkbaren Nuancierungen eines Sachverhalts sprachlich realisiert werden können, auch wenn dafür keine kodifizierten Wortschatzelemente (LE) mit entsprechender eingeschliffener Mikrostruktur vorliegen. Hier ermöglicht es die Kombination von Einheiten zu größeren, spezifischen syntagmatischen semantischen Makrostrukturen (Satzsemstrukturen), die betreffende „Lücke" zu füllen, wobei auch die Wirkung des extralinguistischen Kontextes zu beachten ünd von einer Lücke wohl immer dann gesprochen werden könnte, wenn f ü r eine vorgegebene spezifische Sachverhaltswiderspiegelung in einer anderen Sprache keine kodifizierte, fest eingeschliffene, rekurrente Zeicheneinheit, keine paradigmatisch systemhaft distinktive L E vorhanden, die betreffende Semstruktur also n i c h t als fest umrissene geordnete Menge von £0' (Semem) als sprachlich systemhafte und zugleich kognitive Größe eingeschliffen, d. h. latent vorhanden und leicht abrufbar ist.

228

3. Bedeutung—Abbild

3.5. Zur Struktur der Bedeutung Wir haben in den vorangehenden Kapiteln bereits mehrfach mit Termini wie semantische Mikrostruktur, Semkonfiguration, Semsequenz usw. operiert; wir haben aber auch auf das Vorhandensein von Bedeutungsbestandteilen, von Semen, semologischen Merkmalen, semantic markers usw. verwiesen und dabei u. a. Prädikat(or)seme, Argumentseme, Voraussetzungsseme, Behauptungsseme, Kontextseme und Kernseme usw. unterschieden. Angesichts der Vielfalt der Bedeutungskonstituenten, der zwischen ihnen bestehenden Wechselbeziehungen (vgl. dazu auch 4.4.) und der Mehrebenenbetrachtung der Bedeutung scheint eine zusammenfassende Betrachtung wünschenswert. Wir können dabei davon ausgehen, daß die Auflösbarkeit der Bedeutung wie auch das Vorhandensein einer bestimmten Strukturiertheit in den letzten Jahren durch zahlreiche theoretische und praktische Untersuchungen 8 2 u. E . hinlänglich bewiesen erscheint. Das allerdings bedeutet noch nicht daß wir über die konkrete Beschaffenheit, die jeweiligen konkreten semantischen Mikro- oder auch Makrostrukturen, bereits erschöpfend unterrichtet wären; hier ist vielmehr noch ein großer Nachholebedarf. Während als gesichert angenommen werden darf, daß die Bedeutungen nicht einfache Bündel (Cluster) kleinerer Elemente darstellen, sondern eine bestimmte interne Struktur aufweisen, bestehen z. B. hinsichtlich der Möglichkeit einer „restfreien" Auflösung der Bedeutung in Merkmale 8 3 wie auch hinsichtlich der konkreten Beschreibung von Semstrukturen noch abweichende Auffassungen. Unsere notwendigerweise noch stark hypothetischen und dem Anliegen der Arbeit entsprechend nur sehr knappen Überlegungen gelten nicht nur f ü r die Langue-Bedeutung (LB als Potenz, sondern auch f ü r die Ko- und Kontextbedeutungen als kontextspezifische Reduktionen (seltener Erweiterungen — syntagmatische Varianten) und letztlich auch f ü r die Kompetenzbedeutungen, die alle als spezifische Semstrukturen verstanden werden können. Auch nur annähernd allen Fragen nachgehen zu wollen, die sich bei der Beschreibung der einer direkten Beobachtung nicht unmittelbar zugängigen Semstrukturen ergeben, hieße den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen; dies erscheint aber auch nicht erforderlich, weil wir hier auf eine stattliche Zahl spezieller und zusammenfassender Untersuchungen verweisen können. Bei einer Beschreibung der Semstrukturen wird es darauf ankommen, anhand konkreter semantischer Mikrostrukturdarstellungen sowohl die sememspezifischen wie auch die intersememisch gültigen Anordnungen der Seme herauszustellen und den Nachweis der sprachspezifischen Auswahl Anzahl und Anordnung der Seme in den Bedeutungen wie auch möglicher interlingualer Übereinstimmungen zu erbringen.

3.5. Struktur der Bedeutung

229

Unter semantischen Mikrostrukturen wollen wir dabei die geordnete Menge (9Äg) von Semen verstehen, die die Semkonfiguration der Langue- bzw. Systembedeutungen bilden; die semantische Mikrostruktur erscheint somit als eine spezifische Unterart der Semstrukturen, wie sie sich in den Kontext bedeutungen, aber auch in den Kompetenzbedeutungen im Hinblick auf isolierte systemhaft rekurrente L E bzw. auch in den sogenannten Satzsemstrukturen (syntagmatischen semantischen Makrostrukturen) wiederfinden. Wir könnten diese Beziehungen mengentheoretisch wie folgt darstellen: semantische Mikrostruktur (sMi) =SJl g Sj . . . n und unter Zugrundelegung der Charakteristik der Seme als sprachlich relevante kognitive Elemente durchaus auch noch weiterführende mengentheoretische Interpretationen anschließen, auf die wir hier unter Verweis auf W. Lorenz/G. Wotjak [473] jedoch verzichten wollen. Entsprechend der unter 2.4. erkenntnistheoretisch und linguistisch ausführlicher begründeten Annahme und in Übereinstimmung mit Auffassungen, wie sie in letzter Zeit sowohl von Anhängern der sogenannten generativen Semantik wie auch von solchen einer sogenannten „situativen" Semantik vertreten wurden, kann die Bedeutung als reduzierte Satzaussage betrachtet werden, kann also aus Regularitäten der Satzsemstrukturen auf solche der Mikrostruktur und umgekehrt geschlossen werden. Ganz in diesem Sinne können wir auch im Hinblick auf die Mikrostrukturen die für den Satz gültige Feststellung anwenden, daß das Ganze immer mehr ist als die Summe seiner Teile und die Beschreibung der Struktur mit der Frage danach verbinden, was dieses Mehr bewirkt. Wir werden dabei vor allem auf hierarchische Unterordnungsbeziehungen (Subordination, Inklusion, Implikation . . .) 8 * stoßen, aber auch einfache Nebenordnungen (Koordination, Adjunktion) nicht ausschließen können (vgl.4.4.), so daß die semantische Mikrostruktur als eine komplexe, durchaus nicht durchgehend hierarchische Anordnung betrachtet werden muß. Diesen Sachverhalt soll nachstehende graphische Darstellung grob veranschaulichen, wobei aus Mikrostrukturanalysen und Beschreibungen der Sem-Sem-Beziehungen (semotaktische Beziehungen) deutlich wird, daß hier Seme verschiedener (wenn auch nicht beliebiger) Semsysteme koexistieren können also Seme aus anderen Semsystemen eingelagert werden. (Seme a—h)86 a I b I y c - + d + (e+f)

230

3. Bedeutung—Abbild

I n diesem Sinne könnten Mikrostrukturen nicht nur entsprechend der unterschiedlichen Anzahl von Semen und den Abweichungen im Abstraktionsbzw. Verdichtungsgrad und in der Anordnung der Seme als semisch „dichter" bzw. „leerer" bestimmt, sondern auch als semisch stärker heterogen oder homogen qualifiziert werden, je nachdem, wieviele unterschiedlichen Semsystemen, Semachsen usw. angehörende Seme die Semkonfiguration als gesellschaftlich eingefrorene Größe bilden. Zum Vergleich wären hier vor allem interlinguale Äquivalente, bei einsprachigem Vorgehen synonyme Bezeichnungen der betreffenden paradigmatischen Makrostruktur, heranzuziehen. In der Tat können sich gerade im zweisprachigen Vergleich offensichtliche Unterschiede im Abstraktionsgrad, auch der Argumentseme, ergeben. So wäre z. B. für Französisch manger die für die deutschen Entsprechungen essen und fressen distinktive Merkmalsdisjunktion (Mensch) Vs (Tier) gegenstandslos; analog bei boire = trinken/saufen. Damit ist zugleich ein Beweis für den sprachspezifischen Charakter der semantischen Mikrostrukturen erbracht, der sich in diesem Fall im Bereich der Argumentspezifikation manifestiert, während im Valenzträger doch weitgehende Identität vorausgesetzt werden kann. Immerhin darf auch bei letzterer nicht übersehen werden, daß aus den Agensspezifika weitere relevante Besonderheiten geschlußfolgert werden könnten, wobei sie im Deutschen durch die lexikalische Differenzierung ins Bewußtsein gehoben und sprachlich relevant werden. In französisch manger dagegen können solche Unterschiede 87 aus dem Sachkontext bzw. als wissensmäßig gespeicherte Elemente gleichfalls aktualisiert, bewußt gemacht werden. Sie dürften aber wohl nicht als Seme, d. h. als im Rahmen des französischen Systems relevante Einheiten, in die betreffende Mikrostruktur eingegangen sein. Unbestritten bleibt manlger und essen/fressen jedoch die Einordnung im Hinbück auf das übergeordnete, allgemeine Genussem (Nahrungsaufnahme) gemeinsam, so daß spätestens auf dieser abstrakteren Ebene auf eine gleiche Sachverhaltswiderspiegelung Bezug genommen werden kann. Da die im Deutschen lexikalisierten und damit sprachlich systemhaft relevanten Unterschiede (Restriktionen der Argumentbesetzungen) in der syntagmatischen Dimension auch für das Französische kontextuell präsent sind bzw. für den Vergleich der Fakt der Nahrungsaufnahme entscheidend ist, also Differenzierungen hinsichtlich Mensch oder Tier mit evoziert oder auch weitgehend neutralisiert werden können, sind die aufgeführten Lexeme in entsprechenden Kontexten durchaus als vollwertige Äquivalente zu bezeichnen. Der postulierte sprachspezifische Charakter der semantischen Mikrostrukturen manifestiert sich aber auch in Unterschieden hinsichtlich der Argument/Valenzträgerbeziehungen. Während beim deutschen Verb heiraten,

3.5. Struktur der Bedeutung

231

z. B. die potentiellen Argumente LS A und L S p ^ 8 8 als A t und A 2 in der syntagmatischen Realisierung unterschiedslos durch die Merkmalsequenz (-konfiguration) -< (Mensch) A (Erwachsen) A (Männlich) > bzw. Merkmalssequenz (-konfiguration) 2 «= (Mensch) A (Erwachsen) A (Weiblich) =• für A t oder A 2 belegt werden können, werden in slawischen Sprachen hier in Unterschieden der Mikrostrukturen der potentiellen Äquivalente begründete Differenzierungen erforderlich, die lexikalisch modifiziert, also sprachlich relevant sind (Bezeichnungsunterschiede). So wird bekanntlich f ü r eine Abfolge A¡ < (Mensch) A (Erwachsen) A (Männlich) > heiratet A 2 < (Mensch) A (Erwachsen) /\ (Weiblich) > im Russischen z. B. ienit'sja, für die umgekehrte Abfolge dagegen obligatorisch idti za muz verwandt. Noch wurden zu wenige interlinguale Vergleiche von Mikrostrukturen durchgeführt 8 9 , bzw. sind die Ergebnisse einsprachiger Mikrostrukturdarstellungen häufig durch abweichende Semsymbolisierungen und -Verwendungen kaum miteinander vergleichbar; so kann es nicht verwundern, wenn entsprechende Feststellungen sehr vorsichtig formuliert werden. So kann beispielsweise auch nicht ausgeschlossen werden, daß sich selbst zwischen Sprach- und Kulturgemeinschaften, die in engen Austauschbeziehungen stehen 9 0 , auch im Bereich der sogenannten Valenzträger 91 , des Prädikators also, Abweichungen ergeben. Nach unserem bisherigen Dafürhalten scheinen jedoch Abweichungen im Bereich der Argumente in diesem Fall zu überwiegen bzw. zumindest für den Sprachvergleich und das Übersetzen gravierendere Probleme zu schaffen — ganz davon abgesehen, daß Abweichungen hier auch deutlicher empfunden werden bzw. leichter feststellbar sind. Die Strukturiertheit der Bedeutung zeigt sich jedoch niGht nur in einer bestimmten hierarchischen Anordnung von Semen, in denen eine bestimmte Abfolge vom Einzelnen, Konkreten zum Allgemeinen, also eine Abstufung des Abstraktionsgrades und der Rekurrenz der Merkmale, festgestellt werden kann. Vielmehr zeigt sie sich auch in Gestalt der von den Prädikatsmerkmalen (Funktoren) eröffneten Argument- bzw. Leerstellen sowie der f ü r diese geforderten semantisch-funktionalen (Cases) und semantisch-denotativen Angaben 9 2 , in Implikations-, Inklusions- und Präsuppositionsbeziehungen (vgl. Verhältnis von Behauptung und Voraussetzung). Dabei sind noch nicht im einzelnen erforschte Wechselbeziehungen zwischen Prädikatssemen und Argumentsemen (Valenzträger (VT) und Leerstellen (LS)) 9 3 wie auch innerhalb des Prädikats (Funktor + Modifikatoren = VT) und der Argumente festzustellen. Ihnen wird am ehesten eine prädikatenlogisch orientierte 9 ' Beschreibung gerecht, bei der von Propositionen, bestehend aus 1. . . m Prädikatoren (unterschiedlicher Ordnung) und 1. . . n Argumentvariablen mit semantisch eingeschränkter Belegbarkeit, ausgegangen wird (vgl. auch 2.4.). Besonders komplexe Strukturen ergeben sich daher 16 Lorenz/Wotjak

232

3. Bedeutung—Abbild

dort, wo sogenannte relationale Seme 95 vorhanden sind. An solchen relationalen Semen bzw. an Semen, die als Argumente ihrerseits wieder eine — mehrstellige — logische Proposition eingebettet haben, kann auch eine plausible Erklärung für Speicherleistungen unseres Gehirns angeboten werden. Denn diese eingebetteten Propositionen sind ihrerseits wieder Ausgangspunkt für weitere Auflösungen, bei denen sich u. U. gleichfalls relationale Seme bzw. eingebettete mehrstellige Propositionen ergeben können usw. und so fort. Hinzu kommt, daß die Argumente von relationalen Semen bei mehrwertigen Sememen z. B. als Argumente A t und A2 (auch als NP 0 , NP t , NP 2 usw. bezeichnet) voneinander geschieden werden müssen, woraus erneut die Notwendigkeit einer Syntax der Semantik offensichtlich wird. Voraussetzung für exakte Aussagen über diese Wechselbeziehungen und Ordnungen wie auch über ihren sememspezifischen oder eventuell auch generell für mehrere/alle Sememe einer Sprache/mehrerer, potentiell aller Sprachen gültigen Charakter, sind detaillierte Beschreibungen der semantischen Mikrostrukturen als eine Art prälexikalischer Pattern mit einem vergleichbaren Seminventar wie auch genauere Analysen zum Sem selbst. Diese würden Gegenstand einer eigenständigen Monographie sein müssen, so daß auch nachstehende Mikrostrukturanalysen nur illustrativen Charakter tragen. Für die Darstellung der Mikrostrukturen nutzen wir im folgenden vor allem prädikatenlogisch orientierte Klammerschreibungen bei denen z. B. auch Vorgänge in eine räumliche und/oder zeitliche Abfolge von statischen Widerspiegelungen von Eigenschaften/Relationen aufgelöst werden können (s. 2.4.). Der Darstellung als Baumgraph mit den damit verknüpften Probltemen einer exakten Unterordnung, binärer, ternärer usw. Gliederungen96 haben wir eine Matrizendarstellung und lineare Klammerung vorgezogen, wobei erstere eine gute Vergleichsgrundlage für die semantische Makrostruktur abgibt. Dabei wurden auch Fragen hinsichtlich des zu wählenden Grades der Auflösung der verdichteten, komplexen Merkmale wie auch z\i B. der Angabe übergeordneter, latent präsenter, durch Redundanzregeln explizierbarer Merkmale akut. Vieles hängt hier von der Zielstellung der> Analyse ab; im allgemeinen wird eine möglichst ökonomische, d. h. mit einem relativ hohen Verdichtungsgrad von Merkmalen wie auch mit spezielleren Merkmalen operierende Beschreibung angestrebt. So könnte untér Ausnutzung solcher genereller hierarchischer Unterordnungsbeziehungen mit dem Merkmal (Mensch) zugleich (Belebt) und sogar das nächststehende Merkmal (Stofflich) bzw. (Materiell) impliziert werden. Wir werden im 4. Kapitel noch einmal auf Fragen der Symbolisierung und der Auflösung bzw. Ersetzung komplexer Merkmale zu sprechen kommen. Bisher gibt es keinen hinreichenden Grund dafür, anzunehmen, daß die semantischen Mikrostrukturen nicht restfrei durch kleinere Bedeutungs-

3.5. Struktur der Bedeutung

233

elemente (Seme und kleinere £0') zu beschreiben wären, wobei allerdings der Auflösungsgrad, wie erwähnt, von der Zielsetzung der Analyse bzw. vom Kontext bestimmt und die interne Struktur durch eine verfeinerte Beschreibung äußerst kompliziert und unübersichtlich wird. Hinzu kommt daß eine solche jederzeit mögliche Auflösung verdichteter Merkmale u. E . nicht typisch etwa für die Speicherung sprachlicher Einheiten und mithin auch für die Erläuterung des Verhältnisses von Bedeutung und Abbildstrukturen ist. Operiert der Sprecher doch bevorzugt beim Denken mit verdichteten Merkmalkomplexen. Nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings, daß für die Seme bzw. auch kleinere begrifflich-noetische Abstraktionselemente nicht nur die Möglichkeit sprachlicher Symbolisierungen besteht; so kann z. B. vor allem zur Wiedergabe der Vorstellungskomponente auf graphische, d. h. bildhafte Darstellungen zurückgegriffen werden, wofür sich besonders unter 4.4. anschauliche Beispiele finden. Es leuchtet ein, daß die Qualität der semantischen Mikrostrukturdarstellungen prinzipiell vor allem daran gemessen werden müßte, daß die entsprechende Semkonfiguration wie auch ihre kontextspezifischen Realisationen als Semsequenzen (Kontextbedeutungen) eine unverwechselbare, eindeutige Belegung durch L E erfahren könnte. Die Semstruktur müßte also die feinsten semantischen Unterschiede zwischen sehr engen Synonymen verdeutlichen, wobei eventuell weitere Nuancierungen noch durch stilistisch-soziolinguistische Indexierungen erfolgen könnten. Eine solche Mikrostrukturbeschreibung setzt, falls sie durch die Postulierung eines idiosynkratischen Restbestands der Bedeutung nicht überhaupt in Frage gestellt wird, vor allem ein einheitliches oder doch zumindest vergleichbares Inventar von Semen voraus, deren Beziehungen untereinander exakt bestimmt, und die genau voneinander abgegrenzt wurden. Es kann angesichts der Problematik einer Konstituentenbeschreibung nicht wunder nehmen, daß vorrangig solche Sememe und Bereiche des Lexikons beschrieben wurden, in denen die Struktur besonders deutlich und eine Feststellung der Seme leichter wurde (z. B. Verben der Fortbewegung, des Besitzwechsels; aber auch schon der Wahrnehmung, Verwandtschaftsbeziehungen, Dimensionsbezeichnungen), bzw. daß bei solchen Merkmalen Übereinstimmung erzielt wurde, die besonders allgemeingültig sind.97 Wir haben uns daher auch darauf beschränkt, zur Illustration ausgewählte Verben des Besitzwechsels heranzuziehen, zu denen bereits relativ umfangreiche Untersuchungen vorlagen.98 Besondere Probleme ergeben sich für die Mikrostrukturdarstellung aber auch aus Merkmalen, die Bestandteil eines betreffenden Semsystems, jedoch im Hinblick auf das Semem neutralisiert, also durch ± ausgezeichnet, sind; (z. B . schnell/langsam bei gehen mit dem übergeordneten Merkmal (Geschwindigkeit)).99 Soll hier nun das Merkmal (Geschwindigkeit) eliminiert 16«

234

3. Bedeutung-Abbild

werden oder im Hinblick auf die syntagmatische Verknüpfbarkeit der Bedeutung von gehen mit schnell oder langsam als wichtige Angabe f ü r die Kombinatorik doch mit aufgeführt werden ? Die Meinungen der Bedeutungsforscher hierzu scheinen noch geteilt, wobei neben einer Tendenz zur Darstellung einer minimal differentiellen Bedeutung auch eine gegenläufige, komplementäre zur Darstellung einer maximalen Mikrostruktur nachweisbar ist. F ü r beide Tendenzen lassen sich Argumente anführen; wir neigen eher einer Erfassung einer maximalen Zahl von Semen, übergeordneten Merkmalen usw. zu, die zumindest solange jeder anderen Darstellung vorzuziehen ist, wie nicht gesicherte Kenntnisse über die semotaktischen Beziehungen und damit Möglichkeiten zur Rekonstituierung von in der Strukturbeschreibung ausgesparten Semen bestehen. Da zwischen Bedeutung und Abbild ganz offensichtlich sehr enge und komplexe Beziehungen bestehen, die letztlich auf den für beide konstitutiven kognitiven Widerspiegelungselementen (Elemente, €0') beruhen, sind aus einer detaillierten Beschreibung der Bedeutungsstrukturen auch wertvolle Einsichten in die Abbildstrukturen selbst zu erwarten. Eine Beschreibung der Bedeutungsstrukturen in Termen ihrer Konstituenten ist aber nicht nur f ü r die Darstellung der Bedeutung und sprachphilosophisch erkenntnistheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Bedeutung und Abbild und im weiteren Sinne von Sprache und Denken von Bedeutung. Sie dient darüber hinaus unmittelbar praktischen Bedürfnissen, so in der kontrastiven Linguistik und Übersetzungstheorie, in der Lexikographie wie auch in der Sprachdaten- und Informationsverarbeitung. 1 0 0 Anordnung, Anzahl und Beschaffenheit der die jeweiligen semantischen Mikrostrukturen konstituierenden Seme sind synchronisch relativ invariant und gewährleisten als vergesellschaftete, gesellschaftlich-kommunikative Norm die interpersonelle Verständigung. Durch die Kommunikation und in dieser wird eine immer größere Annäherung der individuellen Kompetenzbedeutungen an die Langue- wie an die jeweiligen Ko-/Kontextbedeutungen bewirkt. Dennoch ist diese historisch fixierte — eingefrorene — Semanordnung (Sembestand) nicht unveränderlich, nicht einmal in der Synchronie; so ist sie z. B. in Prozessen der Metaphorik, aber auch im Zuge des Erwerbs und der Vergesellschaftung von neuen Erkenntnissen über die Realität in gewissen Grenzen veränderlich bzw. Umstrukturierungen unterworfen. Ihre Begründung findet diese Veränderlichkeit der Sememe, die der Sprache erst die für die Kommunikation erforderliche Variabilität/Elastizität als Voraussetzung f ü r die Modellierung der objektiven Realität verleiht, unter anderem darin, daß die Realität selbst in unerschöpflicher Mannigfaltigkeit existiert und die menschliche Erkenntnis „die ewige, unendliche Annäherung des Denkens an das Objekt ist, da die Widerspiegelung der Natur im mensch-

3.5. Struktur der Bedeutung

235

liehen Denken nicht 'tot', nicht 'abstrakt', nicht ohne Bewegung, nicht ohne Widersprüche, sondern im ewigen Prozeß der Bewegung, des Entstehens der Widersprüche und ihrer Lösung aufzufassen" ist [440, 185]. Als Rückwirkung der spezifischen kontextuellen und wissensmäßigen Modifikationen der Semstruktur in den Semvarianten, den Ko-/Kontextbedeutungen bzw. zunächst in den Diskurs-/Kompetenzbedeutungen, können sich Veränderungen in der semantischen Mikrostruktur ergeben. Diese können dazu führen, daß nicht nur eine Bedeutungsveränderung (Erweiterung oder Einengung) erfolgt, sondern eine qualitativ völlig neue Mikrostruktur angenommen werden kann. Wir wollen hier nicht näher auf diese vor allem für eine diachronische Betrachtung relevanten, aber sich auch im Gefolge der Dialektik von Diachronie und Synchronie auf die Synchronie auswirkenden Faktoren eingehen 101 ; zusammengefaßt ergäben sich folgende mögliche Veränderungen: 1. Semsubstitution, 2. Semeliminierung, 3. Komplettierung durch Seme (Ergänzungen), 4. Veränderungen in der — hierarchischen — Anordnung der Seme . . . Modifikationen beruhen demnach nicht auf einer Umgruppierung der Bestandteile, sondern auch auf Veränderungen im Grundbestand der Merkmale ; durch sie wird die notwendige Anpassung der Bedeutung an die Widerspiegelung und über diese an die widergespiegelte Realität vollzogen. Das aber bedeutet, auch das Seminventar wie auch die Seme selbst werden durch fortschreitende Erkenntnis verändert, erweitert, verallgemeinert und verdichtet. Die semantischen Merkmale, Seme, wie die daraus gebildeten sprachspezifischen und sprachspezifisch Formativen bzw. Formativabbildern (F') zugeordneten Sememe als semantische Mikrostrukturen müssen beweglich, elastisch und wechselseitig verknüpft sein. In synchroner Sicht erweisen sich jedoch die L B als stabilisierender, die Kommunikation zwischen Sprechern mit den unterschiedlichsten Aj und auch Kompetenzbedeutungen gewährleistender Faktor. Natürlich gelingt dies nur über die Kontextbedeutungen völlig, bei denen weitere monosemierende Faktoren der Situation mit einfließen102, aber auch ausgewählte Seme der L B als Kontextvorgaben aktualisiert werden. Die L B weisen in der Tat neben einem Kern, der in den Kontextbedeutungen im wesentlichen invariant bleibt und bei Verben z. B. mit dem Valenzträger (VT — bestehend aus Funktor und Modifikatoren) gleichgesetzt werden kann, etwa im Argumentenbereich mit der dort häufig anzutreffenden Disjunktion im Kontext variabel belegbare Leerstellen (LS)-Vorgaben auf, die meist sehr allgemeinen Charakter besitzen und größere Kontextklassen konstituieren und deshalb als Kontextseme bzw. Klasseme bezeichnet wurden 103 . Wir

236

3. Bedeutung—Abbild

würden in diesem Zusammenhang lieber von Argumentsemen sprechen und ihnen die Funktor-/Modifikatorseme (allgemein Prädikat(or)seme) gegenüberstellen, den Terminus Kontextseme aber lieber vermeiden, da im Kontext nicht nur die oft mit diesen identifizierten Klasseme eine seiegierende Funktion ausüben. Bei der von uns nachstehend näher erläuterten Mikrostrukturdarstellung von 50 ausgewählten deutschen Verben, die der paradigmatischen semantischen Makrostruktur des Besitzwechsels im weiteren Sinne zugerechnet werden können, sind demnach recht komplexe semische Strukturen anzunehmen und kann eine Untergliederung in VT (Prädikatsseme) und Argumentseme (gemeint sind die lexikalischen Voraussetzungen im Sinne von Selektionsbeschränkungen f ü r die Kontextmitspieler) als gesichert vorgegeben werden. Dabei weisen diese Verben gegenüber den Verben der Fortbewegung ein einfacheres Merkmalgefüge im Bereich des Valenzträgers auf, was wohl nicht zuletzt durch den widergespiegelten Sachverhalt selbst, der übersichtlicher und weniger vielfältig interpretierbar scheint, bedingt ist. Demgegenüber fällt eine größere Vielfalt und Anzahl der obligatorischen und fakultativen Argumentseme auf, wobei zu wenige empirische Untersuchungen vorliegen, um die Annahme eines umgekehrt proportionalen Verhältnisses von Anzahl der Prädikatsseme („Intension" des Prädikats) und Anzahl der Argumentseme (Extension) hinreichend zu validieren. Vorsicht vor unangebrachten Verallgemeinerungen im Hinblick auf andere Kommunikationsgemeinschaften scheint aber auch hier am Platze, da in einer L 2 abweichend von dem hier analysierten Sachverhalt durchaus auch weitere Aspekte als relevant in der Sprachgeschichte herausgestellt und in die betreffenden Mikrostrukturen „eingefroren" sein können. Abschließend sei noch darauf verwiesen, daß die Wahl von Verben zwar einem allgemeinen Trend einer bevorzugten Darstellung von Verbbedeutungen folgt, dies aber nicht bedeutet, daß z. B. nicht auch semantische Mikrostrukturen von Adjektiven und von Substantiven außerordentlich komplex sein können. I n der Tat scheinen z. B. Untersuchungen zur Valenz von Adjektiven, aber auch von Substantiven 1 0 4 die von uns in 2.4.1. bereits formulierte Annahme einer prinzipiell gleichartigen Beschaffenheit von Mikrostrukturen verschiedener Wortarten nachdrücklich zu bestätigen: hier wie dort finden wir 1—n wertige Propositionen vor, lassen sich Prädikats- und Argumentseme sowie mannigfache Wechselbeziehungen zwischen ihnen nachweisen.

3.5. Struktur der Bedeutung

3.5.1. Erläuterungen zu den Mikrostrukturdarstellungen des Besitzwechsels

237

der Verben

Hinsichtlich der Darstellung der Seme und ihrer Interrelationen bestehen keine allgemeinverbindlichen Vorgaben (vgl. 4.3.). Wir haben uns in der Spalte Mikrostrukturdarstellung um eine an der Prädikatenlogik angelehnte Beschreibung des Valenzträgers bemüht und die Argumente bewußt herausgenommen und wollen damit keineswegs mehr als nur eine, sicher noch unvollkommene von mehreren Darstellungen anbieten. In einem onomasiologischen Vorgehen wurde zudem bei allen Verben, die bewußt in ungeordneter Reihenfolge aufgeführt wurden, immer nur die Bedeutung dargestellt, die in irgendeiner Weise den zugrundeliegenden Sachverhalt des Besitzwechsels tangiert. So wurden z. B. die LB von gewinnen im Sinne von Wette, Wettkampf gewinnen ebensowenig berücksichtigt wie Wendungen, wie z. B. sein Herz verschenken, wobei z. T. solche Kombinationen ohne Berücksichtigung der Variationen in den VT-Semen unter den Argumenteintragungen vermerkt wurden. (So ist erhalten in Das Haus erhält einen neuen Anstrich z. B. kaum noch als Verb des Besitzwechsels zu deklarieren.) Zum besseren Nachvollzug wurde eine ausführliche Legende wie auch eine Beispielsammlung beigegeben, in der allerdings nicht die Vielzahl der in Gestalt der semantischen Merkmale in den Argumentangaben Vorausgesetzen, vorangelegten potentiellen lexikalischen Besetzungen (Mitspieler) mit Beispielsätzen belegt wurde. I n Klammern gesetzte L E in den Beispielsätzen sollen die in den Argumentangaben vermerkte Feststellung (fak = fakultatives Merkmal) veranschaulichen, die im übrigen zusammen mit den seltenen obligatorischen Leerstellen in der Matrix durch die Auszeichnung unter X und Y bzw. durch die entsprechenden Eintragungen in der Mikrostruktur als X/Y ( = fak) bzw. X 0 , bzw. Y 0 ( = oblig) zum Ausdruck gebracht werden. Dabei wird dem aufmerksamen Betrachter deutlich, daß die Unterscheidung in fak. und oblig., d. h. die kontextuelle bzw. generelle Eliminierbarkeit (Eliminierungszwang), im Matrizenteil nicht ausgewiesen wird und die LSAngaben nicht selten ein sehr komplexes Bild bieten. Sicher hätte hier z. B. durch die Angabe von LS-Sequenzen bzw. die Aufnahme entsprechender variierter Beispielsätze die Anschaulichkeit vergrößert werden können. Aus diesem Grund auch noch einige zusätzliche Bemerkungen zur Legende selbst. Wir haben durchgehend die Ansicht zugrunde gelegt, daß als Gegenstand des Besitzwechsels, aber auch des Verfügungswechsels, so z. B. auch bei mieten, verkaufen, wegnehmen, weggeben.. . (eine Ausnahme stellt z. B. die in ihrer spezifischen semantischen Mikrostruktur nicht berücksichtigte

238

3. Bedeutung-Abbild

Wendung sie bekam ein Kind dar), entsprechend unserem gültigen Moralkodex ein (Hum) ausgeschlossen werden muß. Es leuchtet ein, daß bei Voraussetzung eines anderen soziokulturellen Kontextes (z. B . Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus usw.) diese Annahme für potentiell alle Verben ihre Gültigkeit verliert (anschaulicher Einfluß der Gesellschaft/Ideologie, des gesellschaftlichen Bewußtseins auf die Konstituierung der Bedeutungen). Diese soziokulturelle, kulturanthropologische Relevanz bestimmter Bedeutungselemente, wie auch von Bedeutungen und Abbildern allgemein, zeigt sich im übrigen auch an weiteren Verben und Merkmalen ihrer Bedeutungen; so z. B . bei stehlen, berauben, erobern usw., bei denen davon ausgegangen wurde, daß die begangene Handlung im Widerspruch zum geltenden B.echt (=t= geltendes Rechtsgefühl) steht, es sich also um eine widerrechtliche Aneignung handelt und der betreffende Gegenstand de jure nach wie vor dem Bestohlenen usw. gehört (— *). Auf den sich z. B. mit der Beurteilung der Eroberung ergebenden weiten politisch-ideologischen Hintergrund sei hier gleichfalls nur verwiesen. Durch die gewählte Eintragung sollte der Unterschied zu dem sich im übrigen auch in der Spalte vol (B) als 4- (plus) bzw. im ersteren Falle als — (minus) manifestierenden Sachverhalt verdeutlicht werden, der in Verben wie mieten, leihen abgedeckt wird und eine temporäre Verfügung über den betreffenden Gegenstand zum Ausdruck bringt (s. auch stehlen . . . ) , aber wohl auch im Unterschied zu oben die Anerkennung seitens A, daß das C dem B noch gehört. Als weitere Voraussetzung (moralisch-ethischer Natur) wurde im Interesse der Festlegung einer bestimmten kommunikativen Norm der Umstand berücksichtigt, daß man z. B . nur Dinge in den Besitz (rechtlich) eines anderen überführen kann (darf — vorbehaltlich juristischer Sanktionen), sei es nun als schenken oder als verkaufen, die dem Geber gehören (also durch Poss bzw. + in der betreffenden Spalte ausgewiesen sind). Hier sind, wie weitverbreitet bei den semantischen Merkmalen, natürlich gewisse Graduierungen sowohl hinsichtlich der jeweiligen Kompetenzbedeutung wie auch hinsichtlich der jeweils bezeichneten Sachverhalte denkbar; so wird z. B. ein Vermieten eines Gegenstandes, der einer bestimmten Person nicht gehört, zwar auch moralisch bestritten (weniger stark bei verborgen . . .), aber wohl nicht als juristisch zu belangender Fakt bewertet (vgl. das Zusammenwirken von Bedeutung und Sachverhaltswiderspiegelung unter 3.3. — hier juristisch fixierte Sachverhalte). Bei den Verben kaufen, verkaufen, einkaufen wurde hinsichtlich der L S davon ausgegangen, daß ein Verkäufer als Vertreter einer bestimmten Institution/ Einrichtung fungiert, der — obwohl nicht der Realität entsprechend — um Mißverständnisse zu vermeiden, stellvertretend als Besitzer gewertet werden sollte. Im übrigen wurde bei den Beispielsätzen wie auch bei der Kontrolle

3.5. Struktur der Bedeutung

239

der Intuition im Test am eigenen Sprachgefühl wie auch am Sprachgefühl von vier weiteren Informanten davon ausgegangen, daß als A in der Regel „ich" eintreten und die Perfektform des betreffenden Verbs gewählt werden sollte. Damit hofften wir gewissen, noch nicht voll überschaubaren Kollisionen mit den internen Zeitangaben der Mikrostrukturen wie auch etwaigen Kollisionen im Sprecher/Agens/Beobachter-Tripel vorzubeugen; doch haben wir — der Sprachwirklichkeit entgegenkommend — bei einigen Verben von der sonst beabsichtigten Identifizierung von Sprecher und Agens Abstand genommen, da sich ganz einfach solche „Selbstentlarvungen" als allzu ungewohnt ausnehmen würden (vgl. Beispiele 14—18). Die tabellarische Übersicht soll hier allein zur Illustration für semantische Mikrostrukturdarstellungen ausgewählter Verben stehen; zusammen mit den unter 2.4. gegebenen weiteren Darstellungen, auch zu Substantiven, deren Strukturen keinen prinzipiellen Unterschied zu denen der Verben erkennen lassen, machen sie deutlich, wie komplex die semantischen Mikrostrukturen sind, wie es eine prädikatenlogisch orientierte Konstituentenanalyse jedoch vermag, sehr detaillierte semantische Einsichten zu vermitteln und eine Mikrostrukturdarstellung zu geben. Weitergehende Schlußfolgerungen zur Synonymie, Überlegungen zur Bedeutung von solchen Präfixen wie „be", „weiter", „zurück" usw. wurden von Verf. andernorts formuliert. 105 Was an differenzierenden Semen, an sogenannten Differentia-Semen, im Bereich des VT mit den angegebenen Merkmalen nicht erfaßt werden konnte, wurde in der Tabelle — reichlich unsystematisch und willkürlich und durchaus nicht auf Vollständigkeit bedacht — in der Spalte Sonstiges vermerkt, wobei eindeutig die Darstellung in der Matrize und in den Mikrostrukturen und Argumenten gegenüber der Herausarbeitung weiterer differenzierender Merkmale im Vordergrund stand. Zwischen den VT-Semen und den L S Semen als — grob betrachtet — Ausdruck von Behauptung und Voraussetzungen bestehen vielfältige, im einzelnen noch nicht völlig geklärte, Wechselbeziehungen. Dabei haben wir bei den untersuchten Verben eine explizite Unterscheidung zwischen Funktor- und Modifikatorsemen (letztere als valenzirrelevante Größen ihrem theoretischen Status nach noch weitgehend unbestimmt) nicht vorgenommen. Abweichend von der durch den zugrunde liegenden Sachverhalt des Besitzwechsels (Geber-Empfänger-Gegebenes) als logische Valenz suggerierten Dreiwertigkeit finden wir in den semantischen Mikrostrukturen als semantische Valenz auch obligatorische Zweiwertigkeit und als Kontextbedeutungen virtuell einwertigen Gebrauch, wobei allerdings in jedem Fall das in der Oberflächenstruktur nicht lexikalisierte oder nicht lexikalisierbare Argument letztlich mitverstanden wird (Y 0 , X 0 ) . Noch besonders problematisch erscheint auch die versuchte Angabe von Kasusrollen wie auch der Versuch, bestimmte Regularitäten hinsichtlich der seman-

3. Bedeutung—Abbild

240

tisch-funktionalen Charakteristik der LS sowie eines vom VT zugelassenen bzw. „verhinderten" Rollentausches usw. postulieren zu wollen. 106 Immerhin wollen wir nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß nicht nur die Anzahl der LS, sondern auch deren semantische Besetzbarkeit weitgehend vom VT, von den Behauptungssemen, letztlich vom Sachverhalt bzw. von den aus dem Denotatswissen heraus für möglich/unmöglich gehaltenen Sachverhaltsnuancierungen, determiniert wird und auch zwischen den LS A und L S p / 0 / E usw. bestimmte, vom konkreten VT vermittelte, (u. U. aber auch auf generelle Beziehungen des Sachverhalts bzw. Denotatswissens rekurrierende) Relationen angenommen werden können. 3.5.1.1. Legende zur Tabelle der Verben des Besitzwechsels (siehe beiliegende Falttabelle) 1. Prädikatsmerkmale: Poes (A, C) — lies: ein Argument A hat ein C als Eigentum Poss (A, D) — lies: ein A hat ein D als Eigentum, und dieses ist eindeutig als eine bestimmte Summe Oeldes bestimmt. Poss (A, X) — lies: ein A ist Eigentümer eines Gegenstandes, der im Satz nicht unbedingt ausgedrückt zu sein braucht (fakultative bzw. auch obligatorische Leerstelle) Posa ( b ' d ! ! Poss (B' X) i

lies'

©in Argument B ist Eigentümer eines C, D, X (verstanden als fakultative oder obligatorische Leerstelle)

Poss (Y, C) — lies:

ein fakultativ bzw. obligatorisch nicht ausgedrücktes Argument Poss (Y, D) Y ist Eigentümer von C, D; handelt es sich um eine fakultative Leerstelle, so ist Y = B ; handelt es sich um eine obligatorische Leerstelle Y 0 , kann für Y nicht in jedem Fall eine eindeutige Angabe erfolgen. Poss (Y, C4) — lies: ein Y ist Eigentümer eines von einem konkreten Exemplar der Klasse C unterschiedenen Exemplars der gleichen Klasse als Ci A vol — lies: ein Argument A will/beabsichtigt eine bestimmte Handlung (Eintragung + in der Spalte („schenken, weg-

B vol tj =

— lies:

werfen")); ist ein — angegeben, so bedeutet dies, daß die Handlung gegen den Willen/ohne Wissen von A erfolgt; („verlieren"); ist eingetragen, so ist beides möglich vgl. A vol Angabe von in der Regel zwei, in einigen wenigen Fällen drei Geliehenen

3.5. Struktur der Bedeutung

Sonstiges

241

t j — gibt einen Zeitpunkt an, der vor einem Z e i t p u n k t t 2 usw. liegt. I n der semantischen Mikrostrukturdarstellung wurde die zeitliche Abfolge durch die Angaben t¡ sowie t¡ + ]j u n d in wenigen Fällen („umtauschen", „zurückk a u f e n " usw.) t j + i bzw. durch t j u n d die Zeitangaben t ¡ _ k und t [ _ j symbolisiert, wobei durch diese Schreibung eine gewisse Gerichtetheit z u m Ausdruck gebracht wird — im ersten Fall von A f o r t / —•/, im zweiten auf A zu /

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