Zeitschrift für Sozialpsychologie: Band 5, Heft 1 1974 [Reprint 2021 ed.]
 9783112469903, 9783112469897

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HERAUSGEBER H U B E R T F E G ER C. F. G R A U M A N N KLAUS HOLZKAMP MARTIN IRLE BAND 5

1 974

HEFT1

A K A D E M I S C H E VERLA G S G E S E L L S C H A FT FR A N K F U R T / M A I N VERLAG HANS HUBER BERN STUTTGART WIEN

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, Band 5, Heft 1

INHALT

Zu diesem Heft

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EMPIRIE

H.-D. & DOISE, W.: Ein neuer methodologischer Ansatz zur experimentellen Erforschung von Intergruppen-Beziehungen HARTMANN, H.: Diskriminanzanalysen studentischer Gruppen anhand gesellschaftlich-politischer Attitüden PROSE, F.: Abgelehnte und Unbeachtete: Z u r Differenzierung von Außenseitern in Gruppen BRANDSTÄTTER, H. & RÜTTINGER, B.: Verbale Aggression als Mittel der Beeinflussung in Gruppendiskussionen HELFRICH, H. & DAHME, G.: Sind Verzögerungsphänomene beim spontanen Sprechen Indikatoren persönlichkeitsspezifischer Angstverarbeitung? DANN,

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LITERATUR Neuerscheinungen Titel und Abstracta

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AUTOREN

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Vorankündigungen

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C o p y r i g h t 1974 by A k a d e m i s c h e V e r l a g s g e s e l l s c h a f t F r a n k f u r t u n d Verlag H a n s H u b e r Bern Stuttgart Wien Satz u n d D r u c k : D r u c k e r e i H e i n z A r m Bern P r i n t e d in S w i t z e r l a n d L i b r a r y of C o n g r e s s C a t a l o g C a r d N u m b e r 78 - 126626 D i e Zeitschrift für Sozialpsychologie wird im Social Sciences C i t a t i o n I n d e x (SSCI) erfaßt. ANZEIGENANNAHME Akademische Verlagsgesellschaft F a l k e n s t e i n e r S t r a ß e 75/77 D - 6000 F r a n k f u r t a m M a i n

Verlag Hans Huber L ä n g g a ß s t r a ß e 76 C H - 3000 Bern 9

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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5

Zu diesem Heft Dieses erste Heft im fünften Jahrgang der Zeitschrift enthält keine Beiträge unter der Rubrik «Theorie». Dieser Tatbestand dokumentiert keine Enthaltsamkeit der Herausgeber. Das Angebot an solchen Beiträgen schwankt sehr in Qualität, Quantität und auch der Thematik, die in eine sozialpsychologische Zeitschrift hineinpaßt. In den kommenden Heften werden weitere theoretische Beiträge vorgestellt. Dieses Heft zeichnet sich dadurch aus, daß sich vier der fünf empirischen Beiträge mit Problemen von Intra- oder sogar Inter-Gruppenbeziehungen befassen. Es läßt sich dennoch nicht voraussagen, daß in der sozialpsychologischen

Forschung solche Aufgaben wieder größere Zuwendung erfahren. Insgesamt herrscht weiterhin die Zuwendung zu Problemen vor, welche Individual-Variablen in der Sozialpsychologie behandeln. Die Herausgabe dieses Heftes wurde noch im Jahre 1973 von Hubert Feger vorbereitet. Mit dem neuen Jahrgang hat der Unterzeichnete die geschäftsführende Herausgeberschaft übernommen. Für die redaktionelle Hilfe ist jetzt Claudius Sauer zuständig. Frau Feger danken die Herausgeber herzlich für diese Hilfe in den vergangenen zwei Jahrgängen der ^ ^ ^ Zeitschrift. Martin Irle I J

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D a n n & Doise: Intergruppen-Beziehungen

Empirie Ein neuer methodologischer Ansatz zur experimentellen Erforschung von Intergruppen-Beziehungen1 HANNS-DIETRICH D A N N

Zentrum I Bildungsforschung der Universität Konstanz (Sonderforschungsbereich 23) WILLEM DOISE

Ecole de Psychologie de l'Université de Genève Verschiedene methodologische Ansätze zur Untersuchung von Intergruppen-Beziehungen und deren theoretische Implikationen werden dargestellt. Eine der neuesten Methoden wird im Experiment erprobt. 151 Rekruten der Bundeswehr wurden, angeblich a u f g r u n d ihrer Präferenzen f ü r bestimmte Bilder, einer X- bzw. einer Y - G r u p p e zugewiesen. D a n a c h hatten sie ihre eigene und die andere G r u p p e mittels wertender Ratingskalen zu beurteilen. Den Vpn der vier Experimentalbedingungen wurde zuvor gesagt, sie hätten später über die Verteilung von Geldbeträgen an Mitglieder beider G r u p p e n zu entscheiden. Dabei antizipierte die eine H ä l f t e Wettbewerb, die andere Kooperation zwischen den Gruppen. F ü r jeweils die H ä l f t e dieser V p n war das Objekt dieser Interaktion von hoher Bedeutung (große Geldbeträge), f ü r die andere H ä l f t e von geringer Bedeutung (kleine Geldbeträge). I m Anschluß an die Beurteilung nahmen die Vpn die Verteilung der Geldbeträge mit Hilfe der Matrizenmethode von TAJFEL vor. Die Vpn der Kontrollbedingung bearbeiteten die Ratingskalen, ohne derartige Interaktionen zu antizipieren u n d auszuführen. D a s generelle Ergebnis einer Intergruppen-Diskrimination unter minimalen Gruppenbedingungen konnte erneut eingebracht werden. Während der Interaktion f ü h r t e Wettbewerb zu stärkerer Benachteiligung der anderen G r u p p e als Kooperation. U n t e r Wettbewerb war diese bei hoher Bedeutung des Interaktionsobjekts stärker als bei geringer Bedeutung. In den Beurteilungen wirkte sich die Antizipation dieser Bedingungen nicht eindeutig aus. Dennoch trat bei Wettbewerb mit hoher Bedeutung die stärkste Urteilsdiskrimination auf. A u ß e r d e m fiel sie bei E r w a r t u n g künftiger Interaktionen zwischen den Gruppen allgemein stärker aus als ohne derartige Antizipation. Several methodological approaches in the study of intergroup relations and their theoretical implications are reported. One of the m o r e recent methods is tested in an experiment. 151 recruits were m a d e to believe that according to their preferences for photographs they belonged to either an X-type or Y-type group. They were then asked to describe their experimental own group and the other group with evaluative rating scales. Ss in the f o u r conditions were told in advance that the Es wanted them to allocate some money to members of both groups. Half the Ss anticipated competition, the other half cooperation between the groups. F o r half the competitive and cooperative Ss the object of this interaction was of high importance (much money), f o r the other half of low importance (less money). A f t e r the ratings Ss distributed the money using the method of matrices by TAJFEL. Control Ss completed the rating scales without any anticipation of making such intergroup decisions. T h e general result of intergroup discrimination under minimal groupness cues was replicated. During the interaction competitive Ss discriminated in f a v o u r of the ingroup significantly more than the cooperative Ss. Discrimination was stronger in the high important than in the low important competitive situation. On the ratings the anticipation of these conditions was not clearly revealed. Nevertheless competitive Ss in the important situation discriminated strongest. Moreover discrimination was generally stronger when Ss expected an interaction between the groups than without any such anticipation. 1

Eine Kurzfassung dieser Arbeit wurde auf dem 28. Kongreß der Deutschen Gesellschaft f ü r Psychologie in Saarbrücken, 2.-5. Oktober 1972, vorgetragen (DANN & DOISE 1973).

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 2 - 1 5

Nimmt man gängige Lehrbücher oder Handbücher der Sozialpsychologie zur Hand, so wird man relativ rasch auf einen merkwürdigen Tatbestand stoßen: Probleme der Beziehungen zwischen Gruppen werden meist nicht als so zentral angesehen, daß ihnen ein eigenes Kapitel gewidmet wäre. Allenfalls wird man derartige Fragen in anderen Zusammenhängen behandelt finden, etwa bei der Stereotypen- oder Vorurteilsforschung. Bis vor kurzem waren auch experimentelle Untersuchungen auf diesem Gebiet ausgesprochen selten (vgl. DOISE 1971), im Vergleich etwa zur Fülle der Arbeiten im Bereich der Kleingruppenforschung. Für diese Mißachtung der Beziehungen zwischen Gruppen lassen sich sicher verschiedene Gründe anführen: etwa die erhebliche Schwierigkeit des Gegenstandes, die unvermeidbare Aufwendigkeit der Untersuchungsanordnungen, das Fehlen einer stimulierenden Theorie sowie einer praktikablen Methode usw. Wahrscheinlich wurden Gruppen bislang auch zu stark als relativ geschlossene soziale Systeme angesehen, deren Funktionieren sich im wesentlichen auch unabhängig von ihrer sozialen Umgebung untersuchen läßt. Neue Möglichkeiten zur Untersuchung von Intergruppen-Beziehungen eröffnen sich seit kurzem mit der Entwicklung neuer Methoden. Im folgenden soll zunächst auf verschiedene methodologische Ansätze eingegangen werden, wobei deren Zusammenhang mit theoretischen Überlegungen aufgezeigt wird. Im Anschluß daran wird über ein eigenes Experiment berichtet, das sich einer neuen, besonders vielversprechenden Methode bedient. M E T H O D O L O G I S C H E ANSÄTZE ZUR UNTERSUCHUNG DER INTERGRUPPENDISKRIMI NATION Eine rühmliche Ausnahme unter den Lehrbüchern bildet die Sozialpsychologie von SHERIF & SHERIF (1969) insofern, als sie den Intergruppen-Beziehungen ausreichenden Raum gewährt.

3 Die Feldexperimente, die diese Autoren Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre durchführten, haben denn auch starke Beachtung gefunden. Bekanntlich haben die SHERIFS damals mit etwa 12jährigen Knaben in Sommerlagern gearbeitet (z. B. SHERIF & SHERIF 1 9 5 3 ; SHERIF, HARVEY, WHITE, H O O D & SHERIF

1961). Die Teilnehmer wurden in zwei Hälften aufgeteilt, die zunächst jeweils jede für sich im Verlaufe gemeinsamer Aktivitäten zu echten Gruppen zusammenwuchsen, also wechselseitige Rollenbeziehungen entwickelten, eine Statushierarchie herausbildeten und gemeinsame Regeln und Normen aufstellten. Nachdem die beiden Gruppen so ihre Struktur gefestigt hatten, wurden sie in wettkampfartigen Spielen zusammengeführt; der Sieg der einen Gruppe bedingte dabei zwangsläufig die Niederlage der anderen. Diese Konkurrenzsituation führte zu Feindseligkeiten zwischen den Gruppen, zur Ausbildung von negativen Einstellungen und Stereotypen gegenüber der jeweiligen Außengruppe und zur Überschätzung der Leistungen der eigenen Gruppe. Gemeinsame angenehme Aktivitäten beider Gruppen, wie etwa ein Filmbesuch oder gemeinsame Mahlzeiten, waren nicht geeignet, die Spannungen abzubauen. Erst, als beide Gruppen ein übergeordnetes Ziel von gemeinsamem Interesse in Angriff nahmen, das eine Gruppe für sich allein nicht hätte erreichen können, trat eine Verbesserung in den Beziehungen zwischen den Gruppen ein. Mit derartigen Versuchen sollte gezeigt werden, daß für die Art der Beziehungen zwischen zwei Gruppen das Verhältnis zwischen den jeweiligen Zielen oder Interessen dieser Gruppen ausschlaggebend ist: Ein Interessenkonflikt, in dem die eine Gruppe ihr Ziel nur auf Kosten der anderen erreichen kann, führt zu einer Intergruppen-Diskrimination, also zur Bevorzugung jeweils der eigenen und zur Herabsetzung der anderen Gruppe; eine Konvergenz der Gruppeninteressen bewirkt dagegen positive Beziehungen zwischen den Gruppen. Neuere Untersuchungen haben nun gezeigt, daß es zur Intergruppen-Diskrimination keineswegs eines Interessenkonflikts bedarf. Auch

4 Sherifs notwendige Bedingung für die Bevorzugung der Binnengruppe gegenüber der Außengruppe, daß es sich nämlich um gut entwickelte Gruppen handeln müsse, die in einer Konkurrenzsituation stehen, muß als zu restriktiv angesehen werden. Die neueren Experimente beschäftigen sich mit sogenannten «minimalen Gruppen»; das sind zufällige Zusammenstellungen von Personen, denen keine Gelegenheit gegeben wird, eine Gruppenstruktur auszubilden. Dennoch kommt es sehr rasch zur IntergruppenDiskrimination sowohl auf der Ebene der Wahrnehmungen und Urteile als auch im Verhalten: Die eigene Gruppe wird günstiger bewertet und behandelt als die andere, fremde Gruppe. Eine Serie solcher Experimente wurde von RABBIE und seinen Mitarbeitern in Utrecht durchgeführt. In einem dieser Versuche ( R A B B I E & HORWITZ 1969) sollten die minimalen Bedingungen isoliert werden, die notwendig sind, um eine günstigere Bewertung der Binnengruppe im Vergleich zu einer Außengruppe hervorzurufen. In der Kontrollbedingung wurden etwa 15jährige Schüler, die sich vorher nicht gekannt hatten, dem Zufall nach in jeweils zwei Gruppen zu je vier Mitgliedern eingeteilt. Die eine Gruppe wurde die grüne genannt, erhielt grünes Papier, grüne Kugelschreiber usw., die andere war die blaue Gruppe. E s wurde aber betont, daß dies nur aus technischen Gründen geschehe, und daß die Personen in keiner Weise zusammenarbeiten würden. Im Anschluß an diese Klassifikation hatten die Schüler die eigene und die andere Gruppe mit Hilfe von Ratingskalen zu beurteilen, die eine Wertdimension enthielten. Erwartungsgemäß trat in dieser Situation keinerlei Bevorzugung der eigenen Gruppe auf. In einer der Experimentalbedingungen wurde vor der gegenseitigen Beurteilung eine Münze geworfen, um zu entscheiden, ob die blauen oder die grünen Teilnehmer eine der angeblich knapp bemessenen Belohnungen für die Teilnahme am Experiment erhalten sollten. Dieser Münzwurf genügte, um eine Intergruppen-Diskrimination herbeizuführen: Die eigene Gruppe wurde jeweils günstiger bewertet als die andere Gruppe. Offensichtlich ist der gemeinsame Gewinn bzw.

Dann & Doise: Intergruppen-Beziehungen

Verlust der Belohnung ausreichend, um eine zunächst zufällige Ansammlung von Personen als Gruppe reagieren zu lassen, die sich von einer anderen Gruppe in ihrer Umgebung positiv abzuheben trachtet. Ein anderer Forschungsansatz, der von TAJFEL und Mitarbeitern in Bristol vertreten wird, versucht, die Intergruppen-Diskrimination auf der Verhaltensebene zu analysieren. Eines der Experimente (TAJFEL, BILLIG, B U N D Y & F L A MENT 1971) soll kurz beschrieben werden. Insbesondere wollen wir dabei die Methode veranschaulichen, weil wir sie auch für unser eigenes Experiment herangezogen haben. Vom theoretischen Ansatz her ging es darum, einen Aspekt der Intergruppen-Beziehungen möglichst weitgehend zu isolieren, der eine Grundvoraussetzung des Sozialverhaltens im Rahmen von Gruppen darstellt: die soziale Kategorisierung, also die reine Aufteilung von Personen in Binnen- und Außengruppen. Den Vpn, 14- bis 15jährigen Knaben, wurde eine Serie von Bildern der Maler Klee und Kandinsky gezeigt. Für jeweils ein Bilderpaar hatten sie anzugeben, welches von beiden ihnen besser gefiele. Anschließend wurden sie in zwei Gruppen aufgeteilt: in eine, die angeblich Klee bevorzugte, und eine, die vermeintlich Kandinsky vorzog; in Wirklichkeit geschah die Einteilung aber nach dem Zufall. Entscheidend ist, daß die Teilnehmer lediglich erfuhren, zu welcher Gruppe sie selbst gehörten; sie wußten nicht, wer sonst noch in ihrer eigenen und in der anderen Gruppe war, und es fand keine konkrete Interaktion von Angesicht zu Angesicht zwischen den Gruppenmitgliedern statt. Die Aufgabe bestand nun darin, Geldbeträge an Mitglieder der eigenen und Mitglieder der anderen Gruppe zu verteilen, was unter Bevorzugung der eigenen Gruppe, aber auch nach anderen Gesichtspunkten geschehen konnte. Die V p hat eine Matrix mit Zahlen vor sich, die bestimmte Geldbeträge darstellen sollen (Abb. 1). Die obere Zahlenreihe ist für eine bestimmte Person gedacht und die untere Reihe für eine andere Person. Es ist lediglich angegeben, aus welcher Gruppe die beiden Personen stammen. Die Vp hat die Möglichkeit, sich für

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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 2 - 1 5 Abbildung 1 Beispiel einer Seite aus dem Matrizen-Heft im Experiment von TAJFEL et al. (1971). Heft für ein Mitglied

der

Klee-Gruppe

Diese Zahlen sind die Bezahlung für Mitglied Nr. 74 der Klee-Gruppe

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Mitglied Nr. 44 der Kandinsky-Gruppe

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Tragen Sie bitte hier die Zelle ein, die Sie ausgewählt haben: Bezahlung für Mitglied Nr. 74 der Klee-Gruppe Bezahlung für Mitglied Nr. 44 der Kandinsky-Gruppe

eine der Doppelzellen zu entscheiden und dadurch beiden Personen zugleich einen Geldbetrag zuzuweisen. Es darf aber nur eine der vorhandenen Doppelzellen ausgewählt werden; es ist nicht statthaft, neue Zellen aus den einzelnen Zahlen zusammenzustellen. Jede Vp erhält ein Heftchen mit einer Reihe verschiedener Matrizen. Diese Wahlen bedeuten nun jeweils etwas anderes, wenn sich das Mitglied der eigenen Gruppe oben und das Mitglied der anderen Gruppe unten befindet, als wenn dies umgekehrt ist (Abb. 2). Gilt die obere Zahlenreihe der Matrix für ein Mitglied der Außengruppe, so ließe

sich im vorliegenden Beispiel der größte Gewinn für die eigene Gruppe dann erzielen, wenn man die Zelle rechts außen wählte (maximum ingroup profit: MIP). Außerdem würde diese Entscheidung den größtmöglichen Unterschied zugunsten der eigenen Gruppe gewährleisten (maximum difference in favour of the ingroup: MD). Gilt nun aber die obere Zahlenreihe für ein Mitglied der eigenen Gruppe, so ließe sich der größte Vorteil für die eigene Gruppe dann herausholen, wenn man die äußerste linke Zelle wählte. Der größtmögliche Gewinn für beide Personen zusammen liegt dagegen in jedem Fall bei der Zelle rechts außen (maximum joint

Abbildung 2 Beispiel einer Zahlenmatrix aus. dem Experiment von TAJFEL et al. (1971): MJP-Matrize. Im oberen Anwendungsfall kovariieren alle drei Tendenzen, im unteren werden MIP und M D gegen MJP ausgespielt. Die numerierten Pfeile zeigen jeweils die durchschnittliche Entscheidung der Vpn an. MJP: maximum joint profit MIP: maximum ingroup profit MD: maximum difference in favour of the ingroup

© .1 ein Mitglied der anderen ein Mitglied der eigenen

Gruppe Gruppe

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© ein Mitglied der eigenen ein Mitglied der anderen

Gruppe Gruppe

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MIP ¡MD

MJP

Dann & Doise: Intergruppen-Beziehungen

6 profit: MJP). Außerdem liegt der Punkt der größtmöglichen Fairneß gegenüber beiden Personen im vorliegenden Beispiel immer in der Mitte, also dort, wo beide gleich viel bekommen (máximum fairness: F). Die genannten Gesichtspunkte bestimmen als Strategien oder Tendenzen die Entscheidungen der Vpn. Faktisch wird immer ein Kompromiß zwischen solchen Tendenzen geschlossen. Daher liegen alle Entscheidungen um den Punkt der maximalen Fairneß herum. Man geht nun folgendermaßen vor: Zunächst hält man die Entscheidung der Vp für den Fall fest, daß alle drei Maxima in einer Zelle, nämlich rechts außen, vereinigt sind. Es wird eine Zelle rechts vom Fairneßpunkt gewählt werden (s. Pfeil 1 in Abb. 2). Dann prüft man, ob sich an der Entscheidung der Vp etwas ändert, wenn der maximale Vorteil ihrer eigenen Gruppe auf der entgegengesetzten Seite, also links außen, liegt. Wenn die Vp keinerlei Tendenz hat, auf den Vorteil der eigenen Gruppe bedacht zu sein, dann müßte die Entscheidung genauso ausfallen. Wenn aber die Vp die eigene Gruppe bevorzugen will, so wird sie nun eine Zelle wählen, die weiter links liegt (s. Pfeil 2 in Abb. 2). Die Zellen werden, ausgehend vom Punkt des Zusammenfallens aller drei Maxima, durchnumeriert, so daß sich der Unterschied zwischen beiden Entscheidungen numerisch angeben läßt. Ist er signifikant, so kann man daraus schließen, daß die Tendenz tatsächlich wirksam ist: Die Vp ist bestrebt, die eigene Gruppe günstiger zu behandeln als die andere Gruppe. Durch eine Auswahl geeigneter Matrizen ist es möglich, die verschiedenen Tendenzen systematisch gegeneinander zu variieren, so daß sich ihr relatives Gewicht bestimmen läßt. Einige solcher Kombinationen sind im Experiment von TAJFEL et al. (1971) durchgespielt worden. Dabei hat sich folgendes ergeben: Die Wahlen sind in hochsignifikanter Weise durch die bevorzugte Behandlung von Mitglie2

dern der eigenen Gruppe determiniert, während der Gesichtspunkt des größtmöglichen Gewinns der Mitglieder beider Gruppen zusammengenommen keine Rolle spielt. Haben die Vpn die Wahl, entweder den Gewinn der eigenen Gruppe zu maximieren oder einen möglichst großen Unterschied zwischen den Gruppen herbeizuführen, aber auf Kosten des absoluten Gewinns der eigenen Gruppe, so ist ihnen sogar der Unterschied zwischen den Gruppen wichtiger. Dies ist das überraschendste Ergebnis. Auch wenn die eigene Gruppe, absolut gesehen, dadurch weniger bekommt, tendieren die Vpn dazu, den Gewinnabstand zur anderen Gruppe möglichst zu vergrößern. Insgesamt läßt sich festhalten: Die Vpn reagieren auch auf der Basis einer reinen Ad-hoc-Kategorisierung, also ohne alle Komplikationen einer echten Gruppenmitgliedschaft und einer Interaktion zwischen den Gruppen, im Sinne einer Intergruppen-Diskrimination auf der Verhaltensebene, obwohl sie persönlich davon keinerlei Nutzen haben und obwohl die Möglichkeit bestünde, eine Strategie des größtmöglichen Gewinns für alle einzuschlagen.

PROBLEMSTELLUNG Die Untersuchung 2 , über die nun im folgenden berichtet wird, sollte zeigen, daß das Phänomen der unterschiedlichen Bewertung der Außenund Binnengruppe (mit Ratingskalen) und das Phänomen der unterschiedlichen Behandlung (durch die Verteilung von Geldbeträgen) in bestimmter Weise aufeinander bezogen sind. Allgemein gesagt, ging es um die Frage: Wie determiniert eine antizipierte Interaktion zwischen zwei Gruppen das Bild, das diese Gruppen sich voneinander machen, und wie verhalten sich die Gruppenmitglieder daraufhin in der anschließenden Interaktion selbst? Unter methodologischem Aspekt ging es darum, die Brauchbarkeit der Matrizen-Methode von Tajfel für die

Das Experiment wurde im Juli 1971 im Rahmen der Third European Summer School der European Association of Experimental Social Psychology in Konstanz durchgeführt. Neben den beiden Autoren dieses Referats gehörten dem Team vier weitere Mitglieder an; an anderer Stelle wurde gemeinsam über einen Aspekt des Experiments berichtet ( D O I S E , CSEPELI, D A N N , GOUGE, LARSEN & OSTELL 1 9 7 2 ) .

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Beantwortung einer neuen Fragestellung zu erproben. Es ist nicht weiter verwunderlich, daß die Stereotypen, die zwei Gruppen voneinander entwickeln, die Art der Beziehung zwischen diesen Gruppen widerspiegeln. Nun wurde aber mehrfach nachgewiesen, daß in einer Konfliktsituation das ungünstige Image der Außengruppe auf ganz bestimmte Dimensionen beschränkt bleibt, nämlich auf solche, die für die Konfliktsituation relevant sind und entsprechendes Verhalten begünstigen (AVIGDOR 1 9 5 3 , WILSON, CHUN & KAYATANI 1 9 6 5 ) . Es liegt nahe anzunehmen, daß die negative Beurteilung der Außengruppe in diesem Fall die Funktion haben könnte, das eigene Verhalten nachträglich zu rechtfertigen. Wenn doch die anderen «selbsüchtig» sind, dann darf man auch selbst auf den eigenen Vorteil bedacht sein. Wenn diese Erklärung richtig ist, so müßte man erwarten, daß auch schon künftiges, antizipiertes Verhalten gerechtfertigt wird. In der Tat hat DOISE (1969) nachgewiesen, daß die IntergruppenDiskrimination bereits eintreten kann, bevor überhaupt Interaktionen zwischen den Gruppen stattgefunden haben. Auf der Basis einer reinen Kategorisierung in zwei Gruppen führt die Antizipation künftiger Entscheidungen, die Konsequenzen für die Mitglieder beider Gruppen haben, dazu, daß die Mitglieder der eigenen Gruppe in günstigerem Licht gesehen werden als die Mitglieder der anderen Gruppe. Wenn nun Gruppen-Images tatsächlich eine spezifische antizipatorische Funktion besitzen, so wäre folgendes zu erwarten: Sobald eine Gruppe die Art der künftigen Interaktionen mit einer anderen Gruppe kennt, wird sie ein Image von der Außengruppe entwickeln, das das beabsichtigte Verhalten gegenüber dieser Gruppe rechtfertigt. Diese Überlegungen führten zur ersten Hypothese: Wenn eine Gruppe ihr Ziel nur auf Kosten einer anderen Gruppe erreichen kann, so wird sie diese Gruppe im Vergleich zur eigenen weniger günstig beurteilen, als wenn sie ein gemeinsames Ziel mit der anderen Gruppe verfolgt. Bei Antizipation einer Wettbewerbssituation wird also die Intergruppen-Dis-

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krimination stärker ausfallen als bei Antizipation von Kooperation zwischen den Gruppen. Allerdings ist damit zu rechnen, daß auch bei Erwartung einer Kooperationsbeziehung zwischen den Gruppen immer noch eine gewisse Intergruppen-Diskrimination stattfinden wird, wenn auch eine schwächere als bei Wettbewerbserwartung. RABBIE & HORWITZ ( 1 9 6 9 , p. 2 6 9 ) berichten von einem Versuch, bei dem Gruppen, die sogar schon kooperativ an einer Aufgabe zusammenarbeiteten, dennoch Feindseligkeiten gegeneinander entwickelten. So lautet unsere zweite Hypothese, die allerdings mehr explorativen Charakter hat: Werden überhaupt Gruppeninteraktionen antizipiert, so wird die Intergruppen-Diskrimination stärker ausfallen, als wenn keinerlei Interaktion erwartet wird. Weiterhin ist zu erwarten, daß die Bedeutung des Interaktionsobjekts in einer Wettbewerbssituation eine Rolle spielt. Diese Überlegung geht von der Annahme aus, daß die Erwartung eines «gemeinsamen Schicksals» einer Gruppe unterschiedliche Wirkung auf die Gruppenmitglieder ausüben wird, je nachdem, wie bedeutsam dieses gemeinsame Schicksal sein kann. Wenn es bei einem antizipierten Wettbewerb um Objekte von hohem Wert gehen soll, so wird dies die Gruppen-Images stärker beeinflussen, als wenn es sich um Objekte von geringerem Wert handelt. Die dritte Hypothese läßt sich deshalb so formulieren: Bei Antizipation eines Wettbewerbs zwischen zwei Gruppen wird die Intergruppen-Diskrimination bei hoher Bedeutung des Interaktionsobjekts stärker ausfallen als bei geringer Bedeutung des Interaktionsobjekts. Die erste und die dritte Hypothese lassen sich auch auf die Verhaltensebene übertragen. Wenn also die antizipierte Interaktion anschließend tatsächlich ausgeführt wird, so ist zu erwarten, daß bei Wettbewerb zwischen den Gruppen eine stärkere Intergruppen-Diskrimination im Verhalten auftreten wird als bei Kooperation. Innerhalb der Wettbewerbsbedingung wird bei hoher Bedeutung des Interaktionsobjekts die Intergruppen-Diskrimination im Verhalten stärker sein als bei geringer Bedeutung.

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D a n n & D o i s e : Intergruppen-Beziehungen

METHODE Der Versuch wurde mit 151 Rekruten der Bundeswehr durchgeführt, und zwar in fünf Sitzungen mit je 30, in einem Fall mit 31 Teilnehmern. In der ersten Phase wurde jeweils, ähnlich wie im geschilderten Versuch von T A J F E L et al. (1971), eine Kategorisierung in zwei Gruppen vorgenommen. Die Vpn hatten also ihre Präferenzen für eine Reihe von Bildern anzugeben; diesmal handelte es sich um elektronenmikroskopische Aufnahmen von Blutzellen. Die Vpn wurden, angeblich aufgrund ihrer Bildwahlen, in eine X-Gruppe und eine Y-Gruppe eingeteilt. Jede Vp wußte lediglich, zu welcher Gruppe sie selbst gehörte, nicht aber, in welcher Gruppe die anderen waren. In der zweiten Phase gab daraufhin der VI bekannt, daß ein Geldbetrag zur Verfügung stünde, über dessen Verteilung an die Mitglieder sowohl der eigenen wie auch der anderen Gruppe die Vpn selbst entscheiden sollten. Es folgte eine Erklärung der Matrizen-Methode von TAJFEL et al. (1971). Bei dieser Gelegenheit wurde jeweils eine der Experimentalbedingungen eingeführt. Der Hälfte der Vpn wurde gesagt, es komme darauf an, daß die eigene Gruppe möglichst viel gewinne. Nachher werde der Gesamtgewinn an alle Mitglieder innerhalb jeder Gruppe gleichmäßig verteilt (Wettbewerbsbedingung). Der anderen Hälfte wurde mitgeteilt, es komme darauf an, daß beide Gruppen zusammen möglichst viel erhielten. Der Gesamtgewinn werde nachher unter alle Teilnehmer beider Gruppen gleichmäßig verteilt (Kooperationsbedingung). Den Vpn unter Wettbewerbsbedingung wurde also die Strategie nahegelegt, einen

größtmöglichen Gewinn für die eigene Gruppe zu erzielen (MIP), den Vpn der Kooperationsbedingung dagegen, den Gewinn für beide Gruppen gemeinsam zu maximieren (MJP). Jeweils der Hälfte der Vpn in beiden Bedingungen wurde angegeben, daß jeder Teilnehmer mindestens 50 Pfennige gewinnen werde, aber nicht mehr als eine Mark (geringe Bedeutung des Interaktionsobjekts). Die andere Hälfte erfuhr, daß jeder Teilnehmer mindestens 5 Mark gewinnen könne, aber nicht mehr als 10 Mark (hohe Bedeutung des Interaktionsobjekts). Neben den vier Experimentalbedingungen wurde eine Kontrollbedingung eingeführt. Hier wurden nach der Kategorisierung in eine X- und eine Y-Gruppe keine Angaben über die Verteilung von Geldbeträgen gemacht. Die Vpn sollten keinerlei Interaktion zwischen den Gruppen antizipieren. Tabelle 1 veranschaulicht das experimentelle Design. Bevor die Vpn in den Experimentalbedingungen ihre Entscheidungen über die Verteilung des Geldes trafen, hatten sie in der dritten Phase zunächst die eigene Gruppe und dann die andere Gruppe mit Hilfe von 24 bipolaren 7stufigen Ratingskalen zu beurteilen. 19 dieser Skalen stellten eine eindeutige Wertdimension mit einem positiven, günstigen Pol und einem negativen, ungünstigen Pol dar (z. B. ausgeglichen launisch, kleinlich - großzügig). Alle Urteile einer Vp über ihre eigene Gruppe wurden zu einem Meßwert zusammengefaßt, ebenso ihre Urteile über die andere Gruppe. Die Vpn der Kontrollbedingung beurteilten die eigene und die andere Gruppe unmittelbar im Anschluß an die Kategorisierung in X- und Y-Leute mit denselben Ratingskalen.

Tabelle 1 Experimentelles D e s i g n mit Anzahl der V p n unter jeder Versuchsbedingung. Experimentalbedingungen

Kontrollbedingung

Antizipation von Wettbewerb

Antizipation von Kooperation

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geringe Bedeutung

hohe Bedeutung

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gene Gruppe zu bevorzugen. Dieser Matrizentyp entspricht dem dargestellten Beispiel aus dem Experiment von TAJFEL et al. (1971) (vgl. Abb. 2).

Für die Entscheidung über die Geldbeträge in den Experimentalbedingungen in der vierten Phase wurden drei Typen von Matrizen konstruiert. Die Verwendung dieser Matrizen war hier jedoch, der veränderten Fragestellung entsprechend, eine andere als bei TAJFEL et al. (1971). Dort kam es darauf an, die einzelnen Entscheidungsstrategien systematisch gegeneinander zu variieren, um so ihr relatives Gewicht bestimmen zu können. Die Gruppensituation wurde dabei konstant gehalten. Hier soll dagegen untersucht werden, ob und in welcher Weise das relative Gewicht der verschiedenen Strategien von der spezifischen Gruppensituation abhängt. Oder anders ausgedrückt: um den Einfluß der Experimentalbedingungen prüfen zu können, soll die Intergruppen-Diskrimination auf Verhaltensebene auf verschiedene Weise operationalisiert werden. Folgende Variablen wurden durch geeignete Matrizen realisiert:

2. F-Matrizen: Die Tendenz, den Gewinn der eigenen Gruppe und zugleich den Gewinnabstand zur anderen Gruppe zu maximieren (MIP/MD), diesmal aber gegen die Tendenz, gegenüber beiden Gruppenmitgliedern möglichst fair zu sein, d. h. jedem gleich viel zukommen zu lassen (F). Hier wird gemessen, bis zu welchem Grad die V p vom Punkt der maximalen Fairneß abweicht, um ihre eigene Gruppe zu bevorzugen (Abb. 3). Wendet man die Vorlage so an, daß die obere Zahlenreihe für ein Mitglied der anderen Gruppe gilt und die untere Zahlenreihe für ein Mitglied der eigenen, so liegen für alle drei hier realisierten Tendenzen die M a xima in der äußersten rechten Zelle: Beide Gruppen werden so fair wie möglich behandelt, weil sie gleich viel erhalten; die eigene Gruppe erhält, absolut gesehen, hier am meisten; und der Unterschied zwischen den beiden Gruppen zugunsten der eigenen Gruppe ist hier vergleichsweise noch am größten (bei jeder anderen Zelle weiter links würde die eigene Gruppe gegenüber der anderen zu-

1. MJP-Matrizen: Die Tendenz, den Gewinn der eigenen Gruppe und zugleich der Gewinnabstand zur anderen Gruppe zu maximieren (MIP/MD), gegen die Tendenz, für beide Gruppen zusammen einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen (MJP). Hier wird also gemessen, bis zu welchem Grad die V p vom Punkt des größtmöglichen gemeinsamen Gewinns abweicht, um ihre ei-

Abbildung 3 Beispiel einer F-Matrize. Im oberen Anwendungsfall kovariieren alle drei Tendenzen, im unteren werden MIP und M D gegen F ausgespielt. F: maximum fairness MIP: maximum ingroup profit MD: maximum difference in favour of the ingroup ein Mitglied der anderen

Gruppe

ein Mitglied der eigenen Gruppe

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ein Mitglied der eigenen Gruppe ein Mitglied der anderen

Gruppe

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D a n n & Doise: Intergruppen-Beziehungen

schied zwischen beiden Gruppen zugunsten ihrer eigenen Gruppe zu erhöhen (Abb. 4). Gilt die obere Zahlenreihe der Matrix für ein Mitglied der anderen Gruppe und die untere Zahlenreihe für ein Mitglied der eigenen, so liegen alle drei Maxima in der linken äußeren Zelle: Die eigene Gruppe erhält hier, absolut gesehen, am meisten; beide Gruppen zusammen erzielen ebenfalls den größtmöglichen Gewinn; und der Unterschied zwischen beiden Gruppen zugunsten der eigenen Gruppe ist am größten. Ist dagegen die obere Zahlenreihe für ein Mitglied der eigenen Gruppe bestimmt und die untere für ein Mitglied der anderen, so liegt der Punkt der maximalen Differenz zwischen beiden Gruppen am entgegengesetzten Ende der Matrix rechts außen. Wenn in diesem Fall die Entscheidung der Vp auf eine Zelle fällt, die weiter rechts liegt als vorher, so war die Tendenz wirksam, den Gewinnabstand zur anderen Gruppe zu erhöhen. Die Stärke dieser Tendenz läßt sich wieder an der Größe des Unterschieds zwischen beiden Entscheidungen ablesen.

nehmend benachteiligt). Anders liegt der Fall dann, wenn die Vorlage so verwendet wird, daß die obere Zahlenreihe für ein Mitglied der eigenen Gruppe und die untere Zahlenreihe für ein Mitglied der anderen Gruppe bestimmt ist. Hier liegt nun der Punkt maximalen Gewinns für die eigene Gruppe zusammen mit dem Punkt des maximalen Gewinnabstands zur anderen Gruppe links außen. Wenn nun die Entscheidung der Vp auf eine Zelle fällt, die weiter links liegt als vorher, so muß die Tendenz wirksam gewesen sein, die eigene Gruppe (sowohl hinsichtlich des absoluten Gewinns als auch hinsichtlich des Gewinnabstands zur anderen Gruppe) zu bevorzugen. Die Stärke dieser Tendenz läßt sich an der Größe des Unterschieds zwischen beiden Entscheidungen ablesen. Sie sollte je nach experimenteller Bedingung variieren. 3. MIP/MJP-Matrizen: Die Tendenz, den Gewinnabstand zur anderen Gruppe zu maximieren (MD), gegen die Tendenz, für die eigene Gruppe und zugleich für beide Gruppen zusammen möglichst viel herauszuholen (MIP/MJP). Hier wird also gemessen, bis zu welchem Grad die Vp vom Punkt des größtmöglichen Gewinns der eigenen Gruppe und zugleich beider Gruppen zusammen abweicht, um den Gewinnunter-

ERGEBNISSE UND DISKUSSION Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Wirksamkeit der Manipulation «Wettbewerb gegen Ko-

Abbildung 4 Beispiel einer MIP/MJP-Matrize. Im oberen Anwendungsfall kovariieren alle drei Tendenzen, im unteren wird M D gegen MIP und MJP ausgespielt. M1P: maximum ingroup profit MJP: maximum joint profit M D : maximum difference in favour of the ingroup Mitglied der anderen Mitglied der eigenen

Gruppe Gruppe

16

15

14

13

12

11

10

19

17

15

13

11

9

7

MIP/MJP MD

ein Mitglied der eigenen ein Mitglied der anderen

Gruppe Gruppe

F

16

15

14

13

12

11

10

19

17

15

13

11

9

7

MIP/MJP

F

MD

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 2-15

11

operation» zu überprüfen, sowohl anhand der Ratingskalen als auch anhand der Indizes für die Entscheidungen. Eines der Ratings gestattet den Erfolg der Variablen «Wettbewerb vs. Kooperation» abzuschätzen (sehr auf Gewinn bedacht — nicht an Gewinn interessiert). Eine Varianzanalyse (OSTELL 1972) zeigte, daß unter Wettbewerbsbedingungen stärkeres Gewinnstreben (sowohl bei der eigenen Gruppe als auch bei der anderen) angenommen wurde als unter Kooperationsbedingungen ( F U 0 8 = 6.03, p . Die Klassifikationsgüte blieb also gegenüber der Gesamtstichprobe (36 o/o) nahezu konstant. Auch die Lage der Gruppenzentroide im Raum und ihre Konfiguration blieb für beide Stichprobenhälften weitgehend erhalten. Somit darf wohl - besonders auch im Hinblick auf die infolge des Splittings bereits recht geringen Gruppengrößen - eine hinreichende Stabilität der erzielten Klassifikation angenommen werden. Trennung von drei

Gruppierungen

Die acht Gruppen werden zwar statistisch hochsignifikant getrennt, doch der Klassifikationserfolg läßt - zumindest was die Mehrzahl der Gruppen angeht - den Sozialwissenschaftler,

der an Vorhersagen interessiert ist, natürlich unbefriedigt. Andererseits können die teilweise geringen Raten richtiger Zuordnung nicht überraschen: die drei konfessionell orientierten Gruppen und die drei Verbindungen sind sich nun einmal in ihren sozialen Attitüden jeweils sehr ähnlich. Aus diesem Sachverhalt resultiert eine Konsequenz, die schon im Anschluß an die univariaten Varianzanalysen aufgezeigt wurde: die Zusammenfassung einzelner Gruppen zu komplexeren Gruppierungen. Für eine neue Diskriminanzanalyse wurden SPAK, ESG und KHG (Konf) und die drei Verbindungen (Verb) jeweils zusammengefaßt; die Basisgruppe blieb bestehen, und die DM aufgrund ihrer Zwischenstellung, die sich immer wieder angedeutet hatte, einstweilen unberücksichtigt. Eine optimale Trennung dieser drei Gruppierungen ergab sich bei Step 8 (Variablen in der Reihenfolge ihrer Selektion: APO, Sexualmoral, Erziehung, Strafrechtsreform, Militarismus, Kommunismus, Kirche, Ehe und Familie). Der Wert für Wilks Lambda beträgt / . = 0.456; das entspricht einem F = 15.753 (df t = 16, df 2 = 524; p < 0.0001). In diesem Fall läßt sich die Nullhypothese natürlich erst recht überzeugend zurückweisen. Jede der drei Gruppierungen wird nun auch von den beiden anderen hochsignifikant in dem Raum, der von den acht Variablen aufgespannt wird, getrennt. Diesmal werden 100 °/o der Varianz durch nur zwei Eigenwerte (71.74 % und 28.26 °/o) aufgeklärt, die beide statistisch hochsignifikant sind (jeweils p < 0.0001). Die erste canonische Variable korreliert mit allen acht Testvariablen > .50, ist also mit der allgemeinen «Radikalismus-Konservatismus»-Dimension der unrotierten Faktorenlösung zu vergleichen; die zweite canonische Variable korreliert hoch mit den Testvariablen «Sexualmoral» und «Kirche» und entspricht wieder der «Religionismus»-Dimension. In Abbildung 2 sind die Zentroide der drei Gruppierungen im Diskriminanzraum lokalisiert; die Interpretation versteht sich nun von selbst. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß in der Abbildung die 8-Gruppen- und die 3Gruppen-Lösung übereinanderprojiziert wur-

27

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 16-29

den; die Koordinaten der Zentroide wurden also in zwei verschiedenen Analysen bestimmt. Tabelle 8 zeigt die Klassifikationsmatrix für die drei komplexen Gruppen. Die Diagonale enthält die richtigen Zuordnungen, deren Rate für die Basisgruppe 96 % , für die konfessionell orientierte Gruppierung und für die Verbindungen jeweils 70 °/o und für die Gesamtstichprobe Tabelle 8 Klassifikationsmatrix für 3 Gruppen (absolute Zahlen) Anzahl der klassifizierten Personen Gruppe

Basis

Konf

Verb

N

Basis Konf Verb

23 9 7

0 86 31

1 27 88

24 122 126

71 % beträgt. Alle diese Werte liegen nun mit Sicherheit statistisch hochsignifikant über dem Zufallsbereich. Die Raten der richtigen Zuordnungen sind jetzt auch absolut betrachtet so hoch, daß man zwischen den drei Gruppierungen nicht nur statistisch, sondern auch «substantiell» zu unterscheiden berechtigt ist. Die Stabilitätsprüfung ergab 70 % richtige Zuordnungen für die erste und 69 % richtige Zuordnungen für die zweite Stichprobenhälfte sowie weitgehende Übereinstimmungen der Zentroide und der räumlichen Konfigurationen. Die Stabilität der Klassifikation ist mithin für den Fall der drei Gruppierungen zufriedenstellend gewährleistet, soweit sich dies anhand der Methode des Splittings abschätzen läßt.

DISKUSSTON

ablen «APO», «Sexualmoral» und «Erziehung» den größten Beitrag. (2) A m besten lassen sich die Mitglieder solcher Gruppen klassifizieren, die bezüglich der gemessenen Attitüden möglichst homogen sind (geringe Dispersion). Dies ist offenbar bei jenen Gruppen der Fall, die sich durch attitudenspezifische Aktivitäten (Basis, DM, SP AK) oder durch ein besonderes (elitäres) Selbstverständnis (Corps) gegenüber anderen Gruppen auszeichnen. (3) Hochsignifikant getrennt werden können anhand der selegierten Variablen die Basisgruppen-Stichprobe, eine Gruppierung konfessionell orientierter Gruppen (SPAK, ESG, KHG) und eine Gruppierung unterschiedlicher Verbindungen (Corps, CV, KV). (4) Zwei Dimensionen sind hinreichend, um die Variation der acht Gruppen bzw. der drei Gruppierungen im Diskriminanzraum zu beschreiben. Die beiden Dimensionen lassen sich als allgemeiner bzw. politischer Radikalismus-Konservatismus («Nationalismus») und als Radikalismus-Konservatismus im religiösen Bereich («Religionismus») psychologisch interpretieren.

Abschließend gilt es nun, die Hauptergebnisse mit denen der früher publizierten multivariaten Analysen in Beziehung zu setzen. Aus verschiedenen Faktorenanalysen der 13 Attitüden-Variablen (HARTMANN & WAKENHUT 1972 a) resultierten, wie schon erwähnt, ein starker unrotierter Generalfaktor («Radikalismus-Konservatismus») bzw. drei rotierte gemeinsame Faktoren, von denen die beiden ersten («Religionsmus» und «Nationalismus») bei den Studentenstichproben jeweils gleiche Anteile der Varianz aufklären, während der Varianzanteil des dritten Faktors («Humanitarismus») nur halb so groß ist. Diese faktorenanalytischen Ergebnisse gelten auch für die Stichprobe der studentischen Verbindungen (Corps, CV und KV) und für die Stichprobe der konfessionell orientierten Studenten (SPAK, ESG und KHG). Typenanalysen und Klassifikationsstudien (HARTMANN & WAKENHUT 1 9 7 1 , 1 9 7 2 b ) a n s t u -

Faßt man die Ergebnisse der Diskriminanzanalysen im Hinblick auf die Fragestellung (vgl. S. 22) noch einmal zusammen, so ergibt sich folgendes: (1) Im vorliegenden Kontext ist ein minimaler Prediktorensatz von 6 (8) Attitudenvariablen erforderlich, um Mitglieder von acht studentischen Gruppen (drei Gruppierungen) optimal zu klassifizieren. In beiden Fällen leisten dafür die Vari-

dentischen Zufallsstichproben unterschiedlichen Umfangs führten übereinstimmend zu einer dichotomen Typus- bzw. Klasseneinteilung («Radikale» vs. «Konservative»), wobei vor allem die Dimension des allgemeinen Radikalismus-Konservatismus eine stabile Gruppentrennung gewährleistete. Immerhin ließen sich die beiden Gruppierungen auch anhand der «Na-

28 tionalismus»- und der «Religionismus»-Dimension beschreiben, während dies anhand der «Humanitarismus»-Dimension nicht möglich war. In diesen Rahmen fügen sich die vorliegenden Ergebnisse unschwer ein. Auch hier leistet die Dimension des allgemeinen RadikalismusKonservatismus (3 Gruppierungen) bzw. des «Nationalismus» (8 Gruppen) den wichtigsten Beitrag zur Gruppendifferenzierung. D i e «Religionismus »-Dimension tritt dagegen zwar zurück, besitzt aber doch im Vergleich zu den Ergebnissen der automatischen Klassifikation ( H A R T M A N N & W A K E N H U T 1 9 7 2 b) eine größere Bedeutung. Dieser Unterschied mag darauf zurückzuführen sein, daß die vorgegebenen Gruppen ganz allgemein und teilweise gerade hinsichtlich «religiöser» Attitüden wesentlich spezifischer sind als die große repräsentative Zufallsstichprobe, in der die organisierten Studenten eher Ausnahmen bilden. Dort dominiert in viel stärkerem Maße die politische Dimension. Weshalb sich im Fall der acht Gruppen bei nur 6 selegierten Variablen eine dimensionale Lösung größerer Spezifität («Nationalismus» vs. «Religionismus») ergibt als im Fall der drei Gruppierungen bei 8 Variablen (allgemeiner Radikalismus-Konservatismus vs. «Religionismus»), läßt sich nur vermuten. Falls dieser Unterschied nicht rein statistisch-mathematischer Natur ist, könnte man ihn wiederum mit der größeren Differenziertheit der 8er- gegenüber der 3er-Gruppierung in Verbindung bringen. Als Kernergebnis sei festgehalten: Anhand des benutzten Attitüden-Inventars lassen sich nicht nur bei Zufallsstichproben Typus- bzw. Klasseneinteilungen finden, sondern auch konkrete studentische Gruppen und Gruppierungen «trennen», deren Variation im Diskriminanzraum durch zwei Dimensionen (allgemeiner bzw. politischer - vs. «religiöser» Radikalismus-Konservatismus) hinreichend beschrieben werden kann.

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ZU DIESEM

BEITRAG

Diese Studie wurde durch eine Sachbeihilfe und ein Habilitationsstipendium der Deutschen For-

29 schungsgemeinschaft ermöglicht. Mein Dank gilt allen Gruppen und Einzelpersonen, die an der Erhebung teilnahmen. Roland Wakenhut (Gießen) danke ich für seine Hilfe bei der Rekrutierung und Untersuchung einzelner Gruppen, Peter Zimmermann (Freiburg), Heinz Ulrich Kohr und Frank Jungebloed (Gie- ^ ^ ^ ßen) für Programmberatungen. | J

Prose: Außenseiter in Gruppen

30

Abgelehnte und Unbeachtete: Zur Differenzierung von Außenseitern in Gruppen FRIEDEMANN PROSE

Institut für Psychologie

Universität Kiel

Die Studie versucht, Variablen des Verhaltens und der Persönlichkeit zu ermitteln, in denen sich Außenseiter von Inhabern anderer Positionen in Gruppen unterscheiden, und zu einer differenzierteren Betrachtung des Außenseiters beizutragen. Mit Hilfe soziometrischer Befragung werden aus einer Stichprobe von N = 828 männlichen Individuen, die auf 46 Gruppen verteilt sind, N = 193 Pbn mit definierter Position ausgewählt und einer Batterie von Test- und Beobachtungsverfahren unterzogen. Über Varianzanalysen, Diskriminanzanalyse und Klassifikationsprozedur wird die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Aufgliederung der Außenseiter in «Abgelehnte» und «Unbeachtete» aufgezeigt. The study attempts to isolate behavior and personality variables which distinguish outsiders from group members in other positions within the group and to develop a more differentiated view of the outsider. Using sociometric techniques in 46 groups of 828 male subjects, 193 subjects with a clearly specified position within their respective groups were selected. Various tests and observational method were applied. Analysis of variance and discriminant analysis of the data as well as classification procedures point to the possibility and usefulness of differentiating the concept of outsider into two types: one toward whom the group reacts with indifference and another who is rejected.

PROBLEM Seit

COOLEY ( 1 9 0 2 )

das Konzept des «looking

glass seif» entwickelte, das über G. H. MEAD ( 1 9 3 4 / 1 9 6 8 ) die Theorie der «symbolischen In-

teraktion» beeinflußte, haben zahlreiche Untersuchungen die Bedeutung der Reaktionen anderer, des Vergleichs mit anderen und der Auswirkungen von Rollenverhalten auf das Selbstbild und das Selbstwertgefühl des Individuums aufgezeigt (vgl. A R G Y L E 1 9 7 2 , p. 3 4 7 - 3 8 2 ) . Anhand dieser Forschungsergebnisse ist abzuschätzen, welch weitreichende Konsequenzen eine Randstellung in einer Gruppe, verbunden mit offener Ablehnung oder Nichtbeachtung, für die betroffenen Individuen haben kann. Es fehlt nicht an Versuchen, über Lernprogramme und der Therapie entlehnte Maßnahmen das interaktive Verhalten von Außenseitern

und ihre Position in der Struktur der für sie relevanten Gruppen im Sinne einer stärkeren Integration zu verändern (z. B . BLAIN & RAMIREZ 1 9 6 8 ; B L A U & RAFFERTY 1 9 7 0 ; B O N N E Y

1971;

Ein Überblick über Ansätze dieser Art zeigt jedoch, daß sie nur dann für die Praxis (z. B. den pädagogischen Bereich) verwertbar sein können, wenn sie sich auf ein differenziertes Bild des «Außenseiters» sowie eine empirisch fundierte Kenntnis der Dimensionen sozialen Verhaltens stützen, in denen sich Außenseiter von Inhabern anderer Positionen innerhalb der Struktur einer Gruppe unterscheiden. SEIBEL 1 9 7 1 ) .

In den Untersuchungen, die Material für eine solch differenzierte Diagnostik interpersonalen Verhaltens bereitstellen, werden in der Regel soziometrische Methoden als «Screening device» verwendet, d. h. soziometrische Indizes werden

Z e i t s c h r i f t f ü r S o z i a l p s y c h o l o g i e 1974, 5, 3 0 - 4 7

31

als Kriterium für die Position eines Pbn in ei-

1 9 5 1 ; LEMANN &

ner Gruppe herangezogen und der Zusammen-

NORMAN

hang zwischen diesen Indizes und verschiedenen

HUNT &

Persönlichkeits-

1960).

und

Verhaltensmaßen

bzw.

dem

Extremgruppenvergleich.

SOLOMON 1 9 5 2 ; M I L L POPE

1953;

SOLOMON 1 9 5 5 ;

Außenseiter

BONNEY

PORTER &

neigen zu

1953; 1955;

GHISELLI

Egozentrizität

und unkontrolliertem Verhalten (JENNINGS 1 9 4 3 ;

der Leistungshöhe der Pbn ermittelt. Die meisten Untersuchungen

1953;

arbeiten «Stars»

mit bzw.

NORTHWAY & WIGDOR 1 9 4 7 ; K I D D 1 9 5 1 ; B O N NEY e t a l . 1 9 5 3 ; M I L L 1 9 5 3 ; POPE 1 9 5 3 ;

«overchosen» als die Individuen, die relativ

NEY

viele soziometrische Wahlen erhalten, werden

SCHALDT & RICHTER

HUNT

1955;

&

SOLOMON

BONGOTT-

1955;

1962).

den «Außenseitern» gegenübergestellt, die, je

• Außenseiter neigen zu extremeren

nach Art des benutzten Index, entweder nur die

der

Individuen mit einer großen Anzahl von erhal-

( p e e r s ) (HOLZBERG & POSNER 1 9 5 1 ; K I D D 1 9 5 1 ;

tenen Ablehnungen bzw. diese sowie Pbn, die

BONNEY e t a l . 1 9 5 3 ; LINDZEY &

keine oder relativ wenig Wahlen und Ablehnun-

MASLING et al. 1 9 5 5 ) und zu größerer A b h ä n -

gen auf sich ziehen, umfassen.

gigkeit gegenüber Autoritäten (BARON

1951;

BONNEY e t a l . 1 9 5 3 ; DUNNINGTON 1 9 5 7 ;

MAR-

Unter Vernachlässigung aller zwischen den Untersuchungen bestehenden Unterschiede sol-

Dominanz

SHALL &

gegenüber

MCCANDLESS

Formen

Gleichgestellten URDAN

PORTER &

1957;

1954;

GHI-

len die wichtigsten Ergebnisse zu einem Uber-

SELLI

1 9 6 0 ; KANUNGO 1966). Sie haben trotz

blick zusammengefaßt werden:

ihres

Dominanzanspruchs

• Stars sind allgemein besser an ihre Gruppen

möglichkeiten auf ihre Gruppe als Stars (BERKO-

und relevante Andere

(Bezugspersonen)

g e p a ß t als A u ß e n s e i t e r

(KUHLEN & BRETSCH

1947;

&

GROSSMAN

1 9 5 1 ; FÜLLER &

WRIGHTER

BAUNE 1 9 5 1 ;

1948; TAGIURI

MILL

1 9 5 3 ; BONNEY 1 9 5 5 ; CROFT &

1956;

DAVIS 1 9 5 7 ;

SEMLER 1 9 6 0 ;

an-

BARON 1951;

GRYGIER

LINDZEY

&

WITZ

1956;

GOTTSCHALDT

geringere &

Einfluß-

RICHTER

1962;

KANUNGO 1966). Außenseiter neigen in stärkerem M a ß e zur Aggression K I D D 1 9 5 1 ; MILLER & al.

1953;

MILL

1953;

(JENNINGS

1943;

STINE 1 9 5 1 ; BONNEY e t LINDZEY

&

GOLDWYN

1 9 5 4 ; D A V I S 1 9 5 7 ; DUNNINGTON 1 9 5 7 ) .

BYRNE 1 9 6 8 ) .

• Stars haben stärkeres (jedoch nicht extremes)

• Außenseiter neigen zu größeren emotionalen

S e l b s t v e r t r a u e n (BONNEY e t a l . 1 9 5 3 ; M I L L 1 9 5 3 ;

S t ö r u n g e n (NORTHWAY & WIGDOR 1 9 4 7 ; GROSS-

COONS 1 9 5 7 ; GOTTSCHALDT &

MAN &

MILL

Sie schätzen im Vergleich zu Außenseitern an-

1 9 5 3 ; MCCANDLESS et al. 1956). Sie werden im

dere Individuen großzügiger ein und sind sensi-

WRIGHTER

1948;

BARON

1951;

RICHTER

1962).

Vergleich zu Stars als stärker ängstlich, ge-

tiver gegenüber dem Verhalten und den E m o -

hemmt und sich regressiver verhaltend beschrie-

t i o n e n a n d e r e r (NORTHWAY 1 9 4 4 ; NORTHWAY

b e n (NORTHWAY 1 9 4 4 ; BARON 1 9 5 1 ; K I D D 1 9 5 1 ;

& WIGDOR 1 9 4 7 ; K I D D 1 9 5 1 ; NORMAN

MILLER & STINE 1 9 5 1 ; TAGIURI 1 9 5 1 ; BONNEY



e t a l . 1 9 5 3 ; M I L L 1 9 5 3 ; MCCANDLESS e t a l . 1 9 5 6 ;

a l s A u ß e n s e i t e r (BONNEY 1 9 4 4 ; PETERSEN e t a l .

COONS

1957;

TRENT

1957;

GOTTSCHALDT

&

1953).

Stars erzielen bessere Werte in Intelligenztests

1 9 6 4 ; PFABIGAN 1 9 6 6 ; JANTZEN 1 9 7 0 ) . I n eini-

RICHTER 1 9 6 2 ; KRIEGER & SCHWARTZ 1 9 6 5 ) .

gen Untersuchungen wird der lineare Zusam-

• Stars scheinen leichter zugänglich zu sein als

menhang Intelligenz-Status ersetzt durch einen

Außenseiter und verfügen über Verhaltenswei-

Kurvenverlauf: Intelligenz, die über das «Nor-

sen, die von den jeweiligen Partnern als beloh-

male» hinausgeht, trägt nicht mehr zur Diffe-

nend empfunden werden können: sie zeigen stär-

renzierung bei, während ein niedriger I Q einen

ker emotional positive Tendenzen, gehen auf

engen Zusammenhang mit niedrigem Status auf-

ihre Partner mehr ein und unterstützen sie, sind

w e i s t (GROSSMAN &

freier und gelöster im Kontakt (JENNINGS 1943;

1 9 5 5 ; HEBER 1 9 5 6 ; SEMLER 1 9 6 0 ) .

NORTHWAY & WIGDOR 1 9 4 7 ; FRENCH & MENSH

Schulleistung und Sitzenbleiben sind häufig mit

1948;

GROSSMAN

&

WRIGHTER

1948;

BARON

WRIGHTER 1 9 4 8 ;

BONNEY

Geringere

der Außenseiterstellung in der Schulklasse ver-

Prose: A u ß e n s e i t e r in G r u p p e n

32

knüpft

(HÖHN & KOCH 1 9 5 4 ;

MUGGENTHALER

1 9 5 5 ; NELLES 1 9 6 9 ) .

Aus der Analyse der Untersuchungen und ihrer Ergebnisse ergeben sich weitere Fragestellungen, von denen folgende als Ansatzpunkte für die vorliegende Studie ausgewählt wurden: a) Nur wenige Untersuchungen haben bei den Außenseitern zwischen Abgelehnten und Unbeachteten unterschieden. Theoretisch hat bei einer soziometrischen Befragung das Individuum drei Möglichkeiten, auf ein anderes Gruppenmitglied zu reagieren: durch Wahl, Ablehnung oder Nichtbeachtung. Die herangezogenen Indizes beziehen sich jedoch entweder nur auf Wahlen, dann ist z. B. keine Aussage über das Ausmaß der Ablehnung zu machen, oder auf einen kombinierten Index, in den sowohl Wahlen als auch Ablehnungen eingehen (zumeist Wahlen minus Ablehnungen). Zusätzlich zu Wahlen und Ablehnungen ist der Grad der Beachtung (Wahlen plus Ablehnungen), die ein Pb in seiner Gruppe erfährt, selten berücksichtigt. Für die Annahme, daß eine Differenzierung der «Außenseiter» in Abgelehnte und Unbeachtete sinnvoll ist, da hier qualitative Unterschiede hinsichtlich individueller Merkmale bestehen, sprechen zwei Beobachtungen: a t ) Bei einem, heuristisch zu verstehenden, Versuch, die in den Untersuchungsbefunden enthaltenen Deskriptionsmerkmale in Systematiken sozialen Verhaltens ( L E A R Y 1 9 5 7 , p . 6 5 ; LORR & M C N A I R 1 9 6 5 , p . 8 2 8 ;

AR-

p. 3 1 3 ) einzuordnen, ergibt sich für Außenseiter im Vergleich zu Stars eine große Streubreite der Daten über die Dimensionen und die Tendenz zu zwei unterscheidbaren Merkmalsschwerpunkten, die sich durch den Pol Dominanz/Aggression auf der einen Seite, Submission/soziale Ängstlichkeit auf der anderen Seite charakterisieren lassen. a,) Die wenigen empirischen Untersuchungen, die mit einer Aufgliederung der Außenseiter in «Unbeachtete» und «Abgelehnte» arbeiGYLE 1 9 7 2 ,

ten, zeigen, daß eine solche Abgrenzung mit diagnostischen Verfahren möglich ist. Zu diesem Ergebnis tragen indirekt N O R T H W A Y ( 1 9 4 4 ) , direkt MILLER & STINE ( 1 9 5 1 ) , L E MANN & SOLOMON ( 1 9 5 2 ) , C R O F T &

GRY-

bei. Die hier angegebenen Deskriptionen der Unbeachteten (zurückgezogen; schüchtern, nachgiebig, passiv; angepaßt an Autoritäten) zeigen eine starke Übereinstimmung mit dem Pol Submission/soziale Ängstlichkeit (vgl. a,). Ein Nachteil dieser Untersuchungen liegt jedoch darin, daß sie jeweils nur eine isolierte Persönlichkeitsvariable mit einer Diagnosemethode zu erfassen versuchen, b) Die Ergebnisse der Untersuchungen stehen weitgehend nebeneinander. Es fehlt ein theoretisch fundierter einheitlicher Interpretationshintergrund. In Zusammenhang mit seinem Konzept der «sozialen Kompetenz» geht A R G Y L E auf die «Beliebtheit» des Individuums in Gruppen ein. Eine zentrale Bedeutung mißt er der vierten seiner insgesamt acht Dimensionen sozialen Verhaltens bei, der Belohnungsfunktion, die er als die wahrscheinlich wichtigste Ursache der Beliebtheit bezeichnet ( 1 9 7 2 , p. 3 2 5 ) . A R G Y L E schließt an die «social-reinforcement exchange theories» ( H O M A N S 1 9 6 1 ; T H I B A U T & KELLEY 1 9 5 9 ) an, die den Belohnungswert als eine entscheidende Determinante des Interaktionsprozesses herausstellen. «Belohnungswert» ist eine schwer operationalisierbare Größe. Die vorliegenden Untersuchungen befassen sich mit der Struktur von Gruppen und den Merkmalen von Inhabern definierter Positionen innerhalb der Struktur. Es liegt nahe, diese Merkmale in Beziehung zu grundlegenden Funktionen einer Gruppe zu setzen, deren Realisierung für das Überdauern der Gruppe von großer Wichtigkeit ist (vgl. K R U S E 1 9 7 2 , p. 1 5 6 9 ) und insofern eine belohnende Wirkung auf die Mitglieder haben dürfte. In zahlreichen Untersuchungen werden als solche grundlegenden Gruppendimensionen der Aufgaben (task)- und der sozio-emotionale (mainGIER ( 1 9 5 6 )

33

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 30-47

tenance) Bereich genannt

(CATTELL

1948;

CATTELL & STICE 1 9 5 3 ; BALES 1 9 5 0 ,

1970;

BALES & SLATER 1 9 5 5 ; HEINICKE &

BALES

1953; vgl. auch M C D A V I D & HARARI 1968, p. 248 f.). Für beide Funktionsbereiche liegen Operationalisierungsversuche in Form von Kategoriensystemen zur Beobachtung vor (s. u.). Eine Reihe der in den Untersuchungsergebnissen aufgelisteten Merkmale akzeptierter (gewählter) Individuen lassen sich dem A ufgaben- bzw. Sozio-emotionalen Funktionsbereich der Gruppe zuordnen. Unsere Annahme geht daher dahin, daß die «Beliebtheit» eines Gruppenmitgliedes in einem direkten Zusammenhang mit seinem Beitrag zur Erfüllung der beiden Hauptaufgaben der Gruppe steht, wobei nach dem Divergenztheorem (s. HOFSTÄTTER 1972, p. 142 f.) eine größere Bedeutung des sozioemotionalen Bereichs zu erwarten ist. c) Der weitaus größte Teil der referierten Untersuchungen wurde an Kindern und Jugendlichen vorgenommen. Stark sind auch College-Populationen vertreten, und nur ein geringer Teil wurde an Erwachsenenpopulationen der verschiedensten Art außerhalb des College durchgeführt. Hier liegt ein Nachholbedarf vor.

METHODEN STICHPROBE

Die 828 männlichen Pbn, aus denen über eine soziometrische Befragung nach einem festgelegten Modus (s. u.) N = 1 9 3 Pbn für die Hauptuntersuchung ausgewählt wurden, waren sämtlich Hauptgefreite (Freiwillige) der Bundesmarine, die an Unteroffizierslehrgängen teilnahmen. Sie waren in 46 Gruppen zu 15-20 Personen (Unterrichtseinheiten) zusammengefaßt. Alle Gruppen eines Untersuchungsabschnittes (s. u.) bestanden zum Zeitpunkt der Untersuchung annähernd drei Monate. Das Durchschnittsalter der 193 Pbn der Hauptuntersuchung betrug 21,7 Jahre (Streubreite 19-28 Jahre). 77,5 % hatten abgeschlossene Volks-

schulbildung, 1 7 % Mittlere Reife. Der Rest: keine abgeschlossene Schulbildung bzw. keine Angaben. 88 % verfügten über eine abgeschlossene, vorwiegend handwerkliche, Berufsausbildung. MESSINSTRUMENTE

Die oben zitierten Untersuchungen geben Hinweise auf die Art der Variablen, die zur Differenzierung von Individuen mit unterschiedlichem Status in Gruppen beitragen können. Bei der Auswahl der Meßinstrumente zur Erfassung der wichtigsten dieser Variablen galten als Kriterien u. a. die Ökonomie dieser Verfahren sowie die Möglichkeit eines Vergleichs mit den Ergebnissen anderer Autoren. Es wurden herangezogen: • Kurzform des Intelligenz-Struktur-Test (IST) n. LIENERT & LEUCHTMANN 1 9 5 8 (Untertests SE, AN, GE, Z R , WÜ). • Picture-Frustrating-Study (PFS) in der F o r m von W E R N E R ( 1 9 6 6 ) , die sich durch hohe Auswerteobjektivität auszeichnet. Die Pbn bewerten eine Reihe zu jeder Situation vorgelegter Antwortmöglichkeiten nach einer Skala 1 - 5 (vollkommen passend - vollkommen unpassend). • Minnesota-Multiphasic-Personality-Inventory (MMPI), als Instrument zur Erfassung der Variablen im klinischen Grenzbereich. • Ein speziell zusammengestellter, weniger klinisch ausgerichteter Itempool, gebildet von den der Konstruktion des E N N R ( B R E N G E L M A N N 1960 a/b) zugrundeliegenden Ausgangsskalen (NR, CPF, CPIR, R, Do, IN). Z u r Herkunft dieser Skalen und zu ihrer Interpretation s. BRENGELMANN a . a . O .

• Leaderless Group Discussion (LGD) mit systematischer Beobachtung. Das Grundschema einer L G D (vgl. A N S B A C H E R 1 9 5 1 ) : eine Gruppe von Pbn wird gebeten, über eine definierte Zeitspanne hinweg eine Diskussion zu führen. Niemand aus der Gruppe wird zum Diskussionsleiter bestimmt. VI beobachten das Verhalten der einzelnen Teilnehmer während der Diskussion. Für alle Diskussionsgruppen unserer Untersuchung gelten standardisierte Bedingungen:

34

Prose: Außenseiter in Gruppen

gleichlautende Diskussionsthemen, gleicher Diskussionszeitraum (45 Minuten), zufallsmäßige kreisförmige Sitzordnung, gleiche Größe (5 Personen), gleiche Zusammensetzung hinsichtlich der soziometrischen Positionen der Teilnehmer, alle Teilnehmer entstammen verschiedenen Teilstichproben (Unterrichtseinheiten, s. u.). Das herangezogene Beobachtungssystem orientierte sich weitgehend an der von BALES (1950) vorgeschlagenen Form. Einige Umformulierungen und Ergänzungen wurden nach Vorerhebungen in Anlehnung an BASS (1954) vorgenommen. Es ergab sich daraus ein System von 16 Kategorien. Neun beziehen sich auf den Aufgabenbereich, sieben auf den sozio-emotionalen Bereich der Gruppenfunktionen (s. o.). Jeder Kategorie ist eine Skala zugeordnet, die in fünf Stufen graphisch eine Zunahme der Merkmalsausprägung erfaßt (o = Merkmal nicht aufgetreten). Beispiel (Aufgabenbereich): «1. zeigte Initiative • • D D D O» Die Einschätzung jedes Pbn hinsichtlich der Kategorien erfolgte am Ende der LGD und bezog sich auf den gesamten Beobachtungszeitraum. An der Untersuchung nahmen konstant vier unabhängig urteilende männliche Beobachter (Psychologiestudenten) teil. Je zwei (systematisch wechselnd) waren für die Beobachtung einer LGD-Gruppe vorgesehen. Die Beobachter hatten keine Information über die Zusammensetzung der LGD-Gruppen bzw. über die der Untersuchung zugrundeliegenden Hypothesen. Sie hatten zuvor an einem Beobachtertraining teilgenommen, das sich grob an den von HEYNS & ZANDER (1953) vorgeschlagenen Ausbildungsschritten orientierte. • Soziometrische Verfahren. Im Verlaufe der Untersuchung wurden zwei soziometrische Erhebungen durchgeführt:

mit der in der Kleingruppe bei neuer Zusammensetzung, anderen Zielen sowie kurzer Dauer des Bestehens der Gruppe korrespondiert. Instruktion und Fragen der ersten soziometrischen Erhebung sind nachstehend wiedergegeben. Entsprechend sind die Fragen für die LGDGruppen der zweiten Erhebung formuliert.

- die als «Screening device» anzusehende Befragung der gesamten Grundstichprobe ( N = 828), mit deren Hilfe die endgültige Stichprobe ( N = 1 9 3 ) zusammengestellt wurde; - eine soziometrische Befragung im Anschluß an die LGD. Mit ihr soll geprüft werden, ob die in den Übungseinheiten (erste Befragung) ermittelte Position der ausgewählten Pbn

DURCHFÜHRUNG

Sie haben jetzt diesen Lehrgang zum größten Teil hinter sich gebracht und Gelegenheit gehabt, sich kennenzulernen. In dieser Zeit haben Sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Natürlich ist es schwierig, in einer Gruppe wie dieser ohne Spannungen und Konflikte zu leben. Im Rahmen eines Truppenversuchs wollen wir neue Hörsaalgemeinschaften zusammenstellen. Sie wissen, daß dabei keine Rücksichten auf die bisherigen Gruppeneinteilungen genommen werden. Wir möchten Ihnen aber Gelegenheit geben, sich die Kameraden selbst auszusuchen, mit denen Sie zusammenarbeiten möchten. Deshalb bitten wir Sie, die Fragen auf den nun ausgeteilten Bögen aufrichtig zu beantworten. Von diesen Antworten wird die Aufteilung in andere Hörsaalgemeinschaften abhängen. Niemand Ihrer Vorgesetzten und Kameraden wird Einblick in diese Ergebnisse bekommen, auch ich nicht. Die Auswertung erfolgt durch eine andere Dienststelle. Vermeiden Sie es bitte, während der Beantwortung der Fragen Kontakt mit Kameraden aufzunehmen und Kameraden in Ihre Bögen einsehen zu lassen. Drehen Sie das Blatt nach dem Ausfüllen bitte um. Erst wenn der letzte fertig ist, sammeln wir ein. Welches sind die Hörsaalteilnehmer, mit denen Sie nach der neuen Gruppenaufteilung gern Zusammensein möchten? Schreiben Sie so viele oder so wenige, wie Sie wollen, in einer Reihenfolge auf, indem Sie denjenigen an die erste Stelle setzen, mit dem Sie am liebsten Zusammensein möchten. Welches sind die Hörsaalteilnehmer, mit denen Sie nach der neuen Gruppenaufteilung ungern Zusammensein möchten? Schreiben Sie wieder so viele oder so wenige auf, wie Sie wollen. Schreiben Sie die Namen in einer Reihenfolge auf, indem Sie denjenigen an die erste Stelle setzen, mit dem Sie am wenigsten gern Zusammensein möchten.

Die Datenerhebung fand aus organisatorischen Gründen zu drei verschiedenen Terminen im Verlaufe eines Jahres statt. Jeder Untersuchungstermin gliederte sich in zwei Abschnitte: I) die Erhebung der ersten soziometrischen Daten, die der Auswahl der Pbn für die Haupt-

35

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 30-47

Untersuchung und ihrer Einteilung unter die drei Klassifikationsgesichtspunkte «Abgelehnt», «Unbeachtet», «Gewählt» diente; II) die Hauptuntersuchung, in der Test-, Beobachtungs- und weitere soziometrische Daten der ausgewählten Pbn erhoben wurden. Abschnitt I lag ca. iy2 Wochen vor dem zweiten, dreitägigen Untersuchungsabschnitt. In Abschnitt I wurde in allen beteiligten Unterrichtseinheiten des jeweiligen Untersuchungstermins gleichzeitig eine soziometrische Befragung vorgenommen. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung wurden aus jeder Unterrichtseinheit fünf Vpn ausgewählt: a) der Pb mit dem höchsten Rangplatz bei den Wahlen (meiste erhaltene Wahlen in der Gruppe) = Gewählt; b) der Pb mit dem höchsten Rangplatz bei den Ablehnungen = Abgelehnt; c) die drei Pbn mit den drei höchsten Rangplätzen für Indifferenz (geringste Zahl der erhaltenen Wahlen plus Ablehnungen) = Unbeachtet. [Wahlen und Ablehnungen sind gemäß ihrer Reihenfolge bei der Nennung gewichtet. Die erste Nennung erhält das Gewicht 5, dann verringert sich die Gewichtung bis zu Nennung 5 = 1, alle weiteren Nennungen erhalten ebenfalls das Gewicht 1 (vgl. BASTIN 1967).]

Für a, b und c wurde je eine Ersatzperson mit dem benachbarten Rangplatz bestimmt. Die fünf ausgewählten Pbn wurden, ohne Angabe des Auswahlmodus, gebeten, am zweiten Abschnitt der Untersuchung teilzunehmen. In Abschnitt II fand zunächst die LGD statt. Jede LGD-Gruppe bestand aus einem «Gewählten», einem «Abgelehnten» sowie drei «Unbeachteten», die alle aus verschiedenen Unterrichtseinheiten stammten. (Die größere Anzahl von Unbeachteten war aus rechnerischen Gründen [s. u.] erforderlich. Um eine gleiche Situation für alle Pbn zu schaffen, wurden die Gruppen so zusammengesetzt, daß ein möglichst geringer Bekanntschaftsgrad zwischen allen Mitgliedern bestand.) Im Anschluß an die L G D (s/4 Stunde) füllten die Pbn den zweiten soziometrischen Fragebogen (s. o.) aus und beantworteten den MMPI

(1 y 2 Stunden). Am Ende eines jeden Untersuchungstermines (II) wurden alle Pbn noch einmal zusammengezogen. Sie wurden in zwei großen Gruppen auf zwei Räume verteilt und erhielten eine Testbatterie vorgelegt: IST-Kurzform, PFS-Werner, Itempool. Für die Beantwortung der Tests war eine Gesamtzeit von zwei Stunden vorgesehen. Eine Zeitbegrenzung innerhalb der Batterie bestand nur für die ISTKurzform (40 Minuten). In einigen Fällen erschienen bei der Abschlußuntersuchung (Testbatterie) der drei Termine Pbn nicht, weil sie dienstlich unabkömmlich waren. In anderen Fällen waren die Datensätze unvollständig. Die Zahl der brauchbaren Unterlagen für die Verrechnung reduzierte sich daher wie folgt: Gewählte (Stars)

Abgelehnte

Unbeachtete

erwartet

46

46

138

tatsächlich

41

40

112

Differenz

-5

-6

-26

ERGEBNISSE DATENAUFBEREITUNG

• Für die Kurzform des IST wurden nach dem Manual (AMTHAUER 1955) die Standardwerte der Untertests bestimmt und über das arithmetische Mittel der IQ errechnet. • Die Wernersche Form der PFS enthält insgesamt 117 vorgegebene Antworten, die sich gleichmäßig auf die neun von Rosenzweig postulierten Reaktionsarten verteilen. Aus Summenwerten für die Reaktionsarten lassen sich die Daten für die sechs bei Rosenzweig angegebenen Kategorien (E, I, M, O-D, E-D, N-P), die in die weitere Verrechnung eingehen, ermitteln (s. WERNER 1966). • Angelehnt an die Ergebnisse vorliegender Untersuchungen wurden aus dem MMPI acht Skalenwerte bestimmt: der K (Kontroll-) Wert, Hysterie (Hy), Psychopathie (Pp), MaskulinitätFemininität (Mf), Psychasthenie (Pf), Hypomanie (Ma), soziale Introversion-Extraversion (SI)

36 sowie Welshs Angst- bzw. Fehlanpassungsskalenwert. Die MMPI-Skalenwerte wurden mit IiKorrektur berechnet. • Der Itempool wurde einer Clusteranalyse nach TRYON (1939) unterzogen. Auf dem Niveau Bkrit=2.40 ergaben sich von 15 Clustern drei, für die eine sinnvolle psychologische Interpretation möglich war. Das dritte der Cluster (39 Items) schloß die Items der anderen beiden Cluster zum großen Teil mit ein und war am besten interpretierbar: «Beeinträchtigte Kontaktfähigkeit, mangelnde soziale Fertigkeiten». Für dieses Cluster wurde das Vorzeichen für die Interkorrelationen (Phi-Koeffizienten) der Items mit den Items des Kernclusters ermittelt. Schließlich wurde das Cluster zu einer Skala zusammengefaßt und der Wert jedes Pb bestimmt. Bei Items, die positiv mit dem Kerncluster korrelierten, zählte die Antwort «stimmt» im Fragebogen, bei Items mit negativer Korrelation die Antwort «stimmt nicht» für den Gesamtwert eines Pb auf dieser Skala. • Die Werte in den Beobachtungsskalen wurden für den Aufgabenbereich und den sozioemotionalen Bereich getrennt zu zwei Gesamtwerten pro Pb addiert. Der für die weitere Auswertung herangezogene Wert bestand aus den gemittelten Gesamtwerten pro Funktionsbereich der beiden Beobachter eines Pb. • Aus dem soziometrischen Fragebogen in Anschluß an die L G D wurde für jeden Pbn die (gewichtete) Anzahl der Wahlen sowie die (gewichtete) Anzahl der Ablehnungen bestimmt. Insgesamt erhalten wir für jeden Pb je einen Wert in den 20 Variablen, die für die weitere Verrechnung die Grundlage bilden. Eine Übersicht über die Variablen und die Datenquellen:

Prose: Außenseiter in Gruppen

Datenquelle MMPI

Variable Nr.

Test

1

K

2

Hy

3

Pp

4

Mf

5

Pt

6

Ma

7

Si

IST

8

Ges. Wert

PFS

9

E

10

I

11

M

12

O-D

13

E-D

14

N-P

MMPI

15

Welsh A

Soziometrischer Fragebogen

16

Wahlen

17

Ablehnungen

Beobachtungskategorien

18

Aufgabe

19

Soz. Emot.

Itempool

20

Cluster

Zur Reihe geplanter Auswerteschritte gehört auch der Versuch, die Güte der Testbatterie zur Differenzierung von Individuen mit verschiedener soziometrischer Position mittels einer Kreuzvalidierung abzuschätzen. Dazu werden aus der Gruppe der Unbeachteten (N = 112) nach der odd-even-Methode (Vpn-Nr.) zwei Teilgruppen ä N = 5 6 gebildet. Die Werte der ersten Teilgruppe gehen in alle folgenden Rechenschritte ein. Mit der zweiten Hälfte soll die Kreuzvalidierung der Testbatterie vorgenommen werden. Nur die Gruppe der Unbeachteten wurde ausgewählt, da 1. eine vollständige Kreuzvalidierung mit Stichproben aller drei Gruppen einen zu großen organisatorischen Aufwand (N) be-

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 30-47

37

deutet hätte, 2. die Gruppe der Unbeachteten am meisten hinsichtlich der Abgrenzung zu den beiden anderen Gruppen interessiert.

F-Approximation der BOX-Tests (Box 1949) ergibt in unserem Falle einen Wert von 2,15, der sich bei den gegebenen Freiheitsgraden als signifikant erweist, d. h. es bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppendispersions-

VERRECHNUNG

m a t r i z e n . N a c h COOLEY & LOHNES ( 1 9 7 1 , p .

Varianzanalyse

228) kann die Frage der Homogenität der Gruppendispersionen jedoch vernachlässigt werden, da die Prüfung der Mittelwertsfaktoren über Wilks Lambda sich als recht robust gegenüber der Inhomogenität der Dispersionsmatrizen erwiesen habe. Ähnlich argumentiert EDWARDS

Die Varianzanalysen wurden in F O R T R A N IV nach COOLEY & LOHNES (1971, p. 238 ff.) berechnet. Zunächst wurde über eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA) die over-all-Differenzierungsfähigkeit der Testbatterie überprüft. Die M V A über die drei Gruppen (Gewählte, N 1 = 41; Abgelehnte, N 2 = 40; Unbeachtete, N 3 = 56) und 20 Variablen, ergab für Wilks Lambda den Wert 0,5783. Getestet über eine F-Approximation ( F = l , 8 1 ; d f ! = 4 0 / d f 2 = 230) ist dieser Wert auf dem 1 %-Niveau signifikant. Der Lambda-Test setzt theoretisch gleiche Dispersionsmatrizen bei den Gruppen voraus. Die

( 1 9 7 2 , p . 1 4 9 f.).

Im Anschluß an die M V A wurde mit univariaten Varianzanalysen (ANOVA) die Differenzierungsfähigkeit der einzelnen Tests und Untertests f ü r die drei Gruppen geprüft. Z u nächst seien die Mittelwerte und Streuungen der drei Gruppen sowie der Gesamtgruppe in den 20 Variablen dargestellt:

Tabelle 1 Mittelwerte und Streuungen der Gruppe 1 (Gewählte, N = 41), Gruppe 2 (Abgelehnte, N = 40), Gruppe 3 (Unbeachtete, N = 56) sowie der Gesamtgruppe Gruppe 1 Nr. Test

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

K Hy

PP Mf Pt Ma Si IST E I M O-D E-D N-P W. A Wa Abi. Auf. Soz.E Clu.

M

SD

3,52 13,68 3,47 19,02 4,42 22,37 25,80 4,51 26,88 6,17 4,26 22,59 9,10 26,10 107,41 9,45 124,95 18,64 147,85 17,46 164,15 15,62 131,76 15,00 145,20 14,39 159,32 15,03 12,07 6,46 10,02 3,53 2,15 3,58 42,85 18,20 26,80 10,33 4,78 3,73

Gruppe 2 M

SD

13,33 18,80 23,08 26,05 26,33 22,33 25,95 103,58 131,30 158,35 168,27 141,35 151,85 164,73 12,13 7,78 3,00 42,48 25,98 7,30

3,74 4,35 4,04 4,35 5,47 3,76 9,03 9,43 21,02 18,78 18,91 15,42 15,25 17,86 7,37 3,32 3,56 15,13 7,89 6,92

Gruppe 3 M

13,09 17,13 21,80 23,41 25,38 21,84 27,64 102,29 128,64 153,14 165,07 139,36 147,73 159,32 11,57 6,93 3,66 30,55 19,41 6,34

SD

3,74 4,26 5,05 4,64 5,86 4,40 8,58 9,52 21,19 15,04 17,92 16,27 12,71 14,79 6,54 4,02 3,87 14,79 8,32 4,91

Ges. Gruppe M

13,34 18,18 22,34 24,90 26,10 22,20 26,69 104,20 128,31 153,08 165,73 137,66 148,18 160,90 11,88 8,10 3,01 37,72 23,54 6.15

SD

3,68 4,07 4,59 4,52 5,84 4,18 8,87 9,47 20,41 16,93 17,57 15,65 13,99 15,81 6,77 3,69 3,70 15,98 8,85 5,29

Prose: Außenseiter in Gruppen

38 Tab. 2 gibt die Ergebnisse der Signifikanzprüfungen der Mittelwerte wieder. Die kritischen F-Werte bei den Freiheitsgraden DF) = 2, DF 2 = 85 sind F (a = 5«/„) = 3,07; F ( a = i.;n) = 4,79; F ( a = o,i%) = 7 , 3 1 . Die Tabelle enthält ebenfalls die den F-Werten zugeordneten EtaWerte (n. C O O L E Y & L O H N E S 1971, p. 239 der

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Quadrierter Mittelwert «Innerhalb»

F-Wert

13.51 16.53 21.05 20.43 34.15 17.48 78.64 89.74 416.62 286.52 308.83 244.95 195.84 249.96 45.81 13.58 13.65 255.25 78.37 28.00

Tab. 2 zeigt, daß von den zwanzig Variablen acht signifikant zwischen den Gruppen unterscheiden: a = 5

Tabelle 2 F-Werte und Eta-Quadrat-Werte sowie «Innerhalb»-Varianz der univariaten Varianzanalysen für die einzelnen Tests und Untertests Variable Nr.

Teil der Kriteriumsvarianz, der durch Prädiktorvarianz erklärt werden kann) sowie die Varianz «Innerhalb», die für die Berechnung der Scheffe-Tests (s. u.) heranzuziehen ist.

Signifikanz

Eta Quadrat

n. s.

.005 .046 .013 .071 .012 .006 .008 .051 .015 .055 .009 .061 .034 .024 .002 .113 .029 .124 .134 .034

.31 3.23 .90 5.16 .82 .40 .55 3.59 .99 3.89 .63 4.36 2.34 1.66 .10 8.58 1.99 9.52 10.39 2.35

0.05

n. s. 0.01

n. s. n. s. n. s. 0.05

n. s. 0.05

n. s. 0.05

n. s. n. s. n. s. 0.001

n. s. 0.001 0.001

n. s.

o/o

2) Hy ( M M P I ) ; 8) IST; 10) I (PFS); 12) O - D (PFS); 4) Mf ( M M P I ) ; 16) Wahlen (2. Soziometriefrage); 18) Auf gaben-Aktivität ( L G D ) ; 19) Sozio-emotionale Aktivität ( L G D )

a = 1 % a = 0,1 o/o

Nach der Methode von SCHEFFE (1953) wurde eine Reihe von Vergleichen zwischen den Mittelwerten derjenigen Tests vorgenommen, in denen sich der F-Test als signifikant gezeigt hat (Tab. 3). Die kritischen Werte der Scheffe-Tests liegen für den Vergleich zweier ausgewählter Mittelwerte, D F 1/60, bei 0 = 5 % : 2,00; a = l % : 2,66; a = 0,l % : 3,46 und den Vergleich eines Mittelwertes mit dem Durchschnitt zweier Mittelwerte, DF 2/120, bei : 3,09; a = 0,1 o/0: 3,83. Die Gruppe der Unbeachteten hebt sich am deutlichsten von den anderen Gruppen ab. Im Tabelle 3

Ergebnisse der Signifikanzprüfung bei verschiedenen Mittelwertsvergleichen mit dem ScHEFFÄ-Test (MCNEMAR 1962, p. 285 f.) Variable Vergleich

Hy 2

Mf 4

IST 8

10

O-D 12

Wahl. 16

Aufg. 18

Soz. E. 19

-/O

2,19

2,81

-

1,3

-

-

3,6

3,5

+/0

2,28

2,56

2,65

1,5

2,49

4,00

3,76

4,07

-/+

-

-

1,83

2,80

2,75

2,72

" " "

"'_'"

±/0

2,53

3,18



_



4,36

6,98



y-

+/Ö

_

-

-

2,61

Signifikanzniveau:

a = 5%>:

Gruppen:

Gewählte: + ;

-

; a = 1 %>: Abgelehnte:

2,88

3,99



-

; a = 0,l°/o: =:=:= Unbeachtete: 0

-

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 30-47

39 Tabelle 4

Zusammenfassung der wichtigsten Unterschiede zwischen den Gruppen ( + = Gewählte; - = Abgelehnte; 0 = Unbeachtete) in den einzelnen Testvariablen (links, vertikal). Die Tabelle enthält eine Kurzinterpretation der jeweiligen aufgetretenen Unterschiede

2) Hy

4) Mf

-10

+/0

mehr Interesse an Gruppen, Zugänglichkeit für Gruppenideen

wie - / 0

wie - / 0

größere Interessenbreite, mehr Selbstzufriedenheit

wie - / 0

wie - / 0

8) IST

stärkers Richtung von Aggression gegen das eigene ich

j.

weniger erlebte Beeinträchtigung durch frustrierende soziale Situationen

wie 4-/0, jedoch «stärkere ... »

wie -1/0

mehr Wahlen nach kurzem Bestehen einer neuen Gruppe

wie + / 0 , jedoch «weniger ... »

wie + / 0

/

12) O - D

16) Wahlen

19) Soz. E

+/o

wie + / 0

höheres Intelligenzniveau

10)1

18) Aufg.

+ /0

-/+

stärkere Realisierung aufgabenbezogener Gruppenfunktionen

wie - / 0

wie - / 0

stärkere Realisierung sozio-emotionaler Gruppenfunktionen

wie - / 0

wie - / 0

Vergleich zu den Gewählten (Stars) bestehen in sieben der acht differenzierenden Variablen, im Vergleich zur Gruppe der Abgelehnten in vier Variablen signifikante Unterschiede. Für die vorläufige inhaltliche Interpretation gibt Tabelle 4 (besonders hervorgehoben sind Unterschiede, die als «sehr signifikant» gefunden wurden) einen Überblick. Der Versuch der Interpretation der Ergebnisse der MMPI-Skalen orientiert sich an den für nicht-klinische Stichproben von SPREEN (1963) vorgeschlagenen Interpretationen. Diskriminanzanalyse Im Anschluß an die Varianzanalysen wurde unter Verwendung der Programme M A N O V A

und DISCRM ( F O R T R A N IV) von COOLEY & LOHNES (1971) eine multiple Diskriminanzanalyse gerechnet. Tabelle 5 enthält die wichtigsten Kriterien. Tabelle 5 Prüfstatistiken der multiplen Diskriminanzanalyse für die zwanzig Testvariablen und drei Gruppen WILKS Lambda: .578 Eta-Quadrat: .422

F-Approximation: d^/df,:

Diskriminante

Eigenwert

RAO-ChiQuadrat

I

.401

68

II

.235

26

1

2

2

1.81' 40/230

df

% der Spur ( W - ' A)

40

63.06

19

36.94

signifikant auf 1 %-Niveau: F (a = .01; d f j = 40, d f 2 = 200) = 1,69 signifikant auf 1 %>-Niveau: x 2 (a = .01; df = 40) = 63,7

Prose: Außenseiter in Gruppen

40 R A O S approximativer Chi-Quadrat-Test ist für die erste der Diskriminanten auf dem 1 °/oNiveau signifikant, d. h. die drei Gruppen sind so im Testraum lokalisiert, daß die erste der beiden möglichen Diskriminanten zwischen ihnen trennt. Die Centroide der Gruppen im zweidimensionalen Diskriminanzraum sind:

Tabelle 6 Centroide der drei Gruppen und deren Streuung DI

Gruppen

Gruppe 1 (Gewählte) Gruppe 2 (Abgelehnte) Gruppe 3 (Unbeachtete)

Dil

C

SD

C

SD

-.890 .054 .613

.95 .88 1.09

-.271 .745 -.334

1.04 1.03 .92

Tabelle 7

Die graphische Darstellung der Centroide im Diskriminanzraum gibt Abb. 1 wieder:

+1

nicht über die Güte der Unterscheidung, geben und damit die Bildung weiterer Hypothesen anregen. Wird der Diskriminanzraum über die Innerhalb - Kreuzproduktsummen - Matrix standardisiert, entsprechen die Distanzen zwischen den Centroiden dem D-Maß von MAHALANOBI (DAHME 1 9 7 2 , p. 124). Das D-Maß wurde nach der bei POREBSKI ( 1 9 6 6 , p. 2 2 3 ) angegebenen Methode für die Distanzen der Mittelwerte zwischen den Gruppen berechnet und mit dem FTest auf Signifikanz geprüft. Nur die größte Distanz, zwischen den Gruppen der Gewählten (Stars) und Unbeachteten, erwies sich als signifikant.

Distanzen der soziometrischen Gruppen im Diskriminanzraum ( M A H A L A N O B I S D 2 ) Gruppen

1) G e w ä h l t / Unbeachtet 2) Gewählt / Abgelehnt 3) Abgelehnt / Unbeachtet

DI

D II —i

+1

-1 J

Abb. 1 Lokalisation der Centroide im Diskriminanzraum

Die zweite Diskriminante wird zur Erleichterung der Interpretation der Daten trotz ihrer Insignifikanz mit berücksichtigt. Sie dürfte uns zumindest Information über die Richtung der Differenzen zwischen den Gruppen, wenn schon

D2

D

F

p

2.2987

1,51

2,15

= 1 °/o

1.9295

1,39

1,47

n. s.

1.6091

1,27

1,49

n. s.

D i e Freiheitsgrade für den F-Test sind bei Vergleich 1 d f t = 20 / d f 2 = 76 Vergleich 2 d ^ = 20 / d f 2 = 60 Vergleich 3 d f , = 20 / d f 2 = 75

Insgesamt wird durch die Diskriminanzanalyse (DA) das Ergebnis der Varianzanalysen unterstützt, daß sich die Gruppe der Unbeachteten am deutlichsten von den beiden anderen Gruppen abhebt, wobei die größten Unterschiede zur Gruppe der Gewählten bestehen. Interessant ist eine Prüfung der Frage, welche Tests sich in der DA, ausweislich ihrer Gewichte (Strukturkoeffizienten) als differenzierend zwischen den Gruppen erweisen. Tabelle 8 gibt einen Überblick:

41

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 3 0 ^ 7 Tabelle 8 Rangordnung der Variablen nach ihrer Diskriminationsfähigkeit in Varianz- und Diskriminanzanalyse (ohne Berücksichtigung des Vorzeichens)

DI höchste Struktur-Koeffizienten

DU Signifikanz in VA

höchste Struktur-Koeffizienten

18) Aufg.

18) 19)

19) Soz. E. 16) Wahlen 12) O - D 4) Mf

Signifikanz in V A

__

10) 4) E-D

^ ^ ^ ^

2) Hy 8) IST 10) I

12) 2 0 ) Cluster

D I = erste (signifikante) Diskriminante; D U = zweite Diskriminante. Die Bedeutung der Gruppenfunktionen (Aufgaben-Aktivität, Sozioemotionale Aktivität) für die Differenzierung wird unterstrichen (vgl. o. «Problem»).

rigkeit der Pbn. Die entstandene Kontingenztafel wird mit einem Chi-Quadrat-Test auf die Signifikanz der Unabhängigkeit der Gruppen voneinander geprüft.

Klassifikation

Zuordnung der Vpn zu den drei Gruppen mit H i l f e der Klassifikation (in Klammern die für jede Zelle erwartete Häufigkeit)

Tabelle 9

der

Pbn

Varianz- und Diskriminanzanalyse geben zwar Aufschluß über bestehende Unterschiede, erlauben aber noch nicht, die individuellen Pbn der Stichprobe den Gruppen zuzuordnen. Das Ausmaß der Exaktheit der Zuordnung jedes Pb zu den Gruppen gibt zusätzliche Information über die Unterscheidbarkeit der postulierten Gruppen «Gewählte», «Abgelehnte», «Unbeachtete» mit der vorliegenden Testbatterie. Für die Klassifikationsprozedur werden zunächst die Diskriminanzscores für jeden Pb bestimmt. Darauf aufbauend wird eine Centouroder Klassifikationsanalyse (CLASIF n. COOLEY & LOHNES 1971) gerechnet. Diese Analyse liefert die Klassifikations-Chi-Quadrate sowie die Bayes-Wahrscheinlichkeiten für die Zugehörigkeit jedes Pb zu jeder der drei Gruppen. Indem wir jeden Pb jeweils der Gruppe zuordnen, für die er die größte Bayes-Wahrscheinlichkeit besitzt, nehmen wir die Klassifikation vor. Die Ergebnisse lassen sich in einer 3X3-Matrix darstellen (Tab. 9). Die Zeilen der Matrix bezeichnen die tatsächliche, die Spalten die durch die Klassifikation zugeschriebene Gruppenzugehö-

l Gewählte

2 Abgelehnte

3 Unbeachtete

1) Gewählte

24 (10,77)

8 (10,77)

9 (19,45)

41

2) Abgelehnte

5 (10,51)

22 (10,51)

13 (18,98)

40

3) Unbeachtete

7 (14,72)

6 (14,72)

43 (26,57)

56

36

36

65

2

137 2 2

Der ermittelte over-all Chi-Quadrat-Wert (y= 59,49) ist bei D F = 4 hochsignifikant (p < .01).

Wir sind an der Frage interessiert, welche Einzeleffekte sich ergeben, d. h. ob sich alle Gruppen signifikant unabhängig klassifizieren lassen oder nur eine oder zwei. Für die Analyse unserer 3 x 3 - A u s g a n g s k o n t i n g e n z tafel ergibt sich das Problem der Ausgliederung von möglichen Teiltafeln, die sinnvolle zusätzliche Information geben. Dabei ist zu beachten, daß die Aufteilung nach bestimmten Regeln zu erfolgen hat (vgl.

42

Prose: Außenseiter in Gruppen

BRESNAHAN

&

SHAPIRO

1966).

Als

Beispiel

soll

die

Gruppe «Gewählte» (vgl. Tab. 9) genommen werden. Die Häufigkeit, mit der die Pbn dieser Gruppe richtig klassifiziert wurden, ist in Feld 11 (Diagonale) der 3 x 3 Matrix enthalten. D i e Häufigkeiten, mit denen Mitglieder dieser Gruppe fälschlicherweise den beiden anderen Gruppen zugeordnet wurden, können wir den Feldern 12 und 13 entnehmen. D i e Häufigkeit, mit der Mitglieder anderer Gruppen fälschlicherweise der Gruppe der «Gewählten» zugeordnet wurden, ist in den Feldern 21 und 31 enthalten. D i e Felder 22, 23, 32 und 33 schließlich enthalten die Häufigkeiten, mit denen Mitglieder anderer Gruppen korrekterweise nicht als der Gruppe der «Gewählten» zugehörig eingestuft wurden. In der Sprache der Entscheidungstheorie läßt sich der geschilderte Sachverhalt so ausdrücken:

1

2

3

1

11

12

13

2

21

22

23

3

32

32

33

=

hits

misses

false

correct

alarms

rejections

( v g l . COOMBS e t a l . 1 9 7 0 , p . 1 6 9 )

D i e Frage nach der Richtigkeit der Klassifikation der Gruppe der «Beliebten» lautet: Wie oft hat das Klassifikationsprogramm bei der Einordnung der «gewählten» Pbn richtig entschieden (Treffer, hits), und in welchem Verhältnis stehen die Treffer zu den gleichzeitig vorhandenen «misses», «false alarms» und «correct rejections»? D i e Antwort läßt sich durch ein Vier-Felder-Chi-Quadrat geben, das analog zu dem ausgeführten Beispiel auch für die «Abgelehnten» und «Unbeachteten» gebildet werden kann.

Setzen wir die entsprechenden empirisch gewonnenen Werte ein, so erhalten wir als Ergebnisse:

Alle x 2 -Werte sind hochsignifikant [y2 (et = .01, D F = 1 ) = 6.635], d . h . die drei Gruppen lassen sich mit Hilfe der Klassifikationsprozedur gut voneinander unterscheiden. Damit haben wir eine deutliche Bestätigung für unsere zentrale Hypothese, daß eine Differenzierung der «Außenseiter» in «Abgelehnte» und «Unbeachtete» möglich und sinnvoll ist. Wie ausgeführt (s. o.), gingen die Daten von 50 °/o (N = 56) der ursprünglichen Gruppe der Unbeachteten (Gesamt-N=112) nicht in die bisherige Verrechnung ein. Damit sollte die Möglichkeit der partiellen Kreuzvalidierung für unsere Meßbatterie geschaffen werden. Für die Pbn der Reststichprobe der «Unbeachteten» wurden über die Berechnung der Diskriminanzscores und der Centouranalyse die Bayes-Wahrscheinlichkeiten für die Gruppenzugehörigkeit ermittelt. Die Zuordnungsdaten der ersten Hälfte der Unbeachteten (Eichstichprobe) in der 3 X 3-Ausgangsmatrix (s. o. Tab. 9) wurden durch die der zweiten (Kreuzstichprobe) ersetzt und die erwarteten Häufigkeiten für die Zellen neu berechnet. Es ergab sich ein over-all y_2 = 26.55. Auch dieser Wert ist hochsignifikant (p < .01), liegt jedoch deutlich unter dem ursprünglichen Wert (Tab. 9). Näheren Aufschluß über die Effekte, die durch die Zuordnung der Pbn der Kreuzstichprobe zu den Gruppen entstehen, erhalten wir durch die Bildung einer 2X2-Matrix analog dem bisherigen Vorgehen (s. o.):

Abgelehnte:

Gewählte:

Unbeachtete:

24 (10,77)

27 (30,22)

41

22 (10,51)

18 (29,49)

40

43 (26,57)

13 (29,44)

56

12 (25,23)

84 (70,78)

96

14 (25,49)

83 (71,51)

97

22 (38,43)

59 (42,57)

81

36

101

36

101

65

72

137 2

f = 31,54

137 2

f = 24,06

137 2

2

X = 25,74

43

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 3 0 - 4 7

26 (19,26)

30 (36,38)

56

f = 5,19

22 (26,93)

59 (52,60)

81

(X8 [ p > .02), liegt jedoch erheblich niedriger als der Wert, den wir für die erste Hälfte der Gruppe der Unbeachteten gefunden haben. Dieses Ergebnis der Kreuzvalidierung dürfte durch die für Zwecke der Testkonstruktion sicherlich zu kleine Pbn-Zahl (Unbeachtete N = 56), die zu zufallsbedingten Unterschieden zwischen den nach dem odd-even-Verfahren zusammengestellten Kreuz- und Eichstichproben führen kann, sowie durch die evtl. eingeschränkte Reliabilität einzelner Untertests der Batterie beeinflußt worden sein. Beide Gesichtspunkte kamen für unseren Gruppenvergleich nicht zum Tragen, müssen sich jedoch erschwerend auf eine individuelle Vorhersage des Status auswirken.

ZUSAMMENFASSUNG UND

DISKUSSION

Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, zu einem differenzierteren Bild des Außenseiters in Gruppen beizutragen. Als Ergebnis halten wir fest: Mit Hilfe der Varianzanalysen konnte gezeigt werden, daß die zusammengestellte Meßbatterie eine Unterscheidung zwischen den Gruppen soziometrisch gewählter, abgelehnter und unbeachteter Individuen leistet. Eine Prüfung der Einzeleffekte erbrachte, daß sich die Differenzierungsfähigkeit in signifikanten Unterschieden zwischen den drei Gruppen in einer Reihe von Variablen niederschlug. Die Gruppe der Unbeachteten, der das besondere Interesse gilt, hebt sich nach diesen Ergebnissen am deutlichsten von den beiden anderen Gruppen ab und zeigt die größten Diffe-

renzen zu den soziometrisch Gewählten (Stars). Als wichtigste Unterschiede lassen sich nennen: • Gewählte vs. Abgelehnte: stärkere Ausrichtung von Aggression gegen das eigene Ich, stärkere Beeinträchtigung durch frustrierende Situationen, geringere Akzeptierung in neu zusammengesetzten Gruppen bei den Abgelehnten. • Gewählte vs. Unbeachtete: stärkere Realisierung sowohl aufgabenbezogener als auch sozioemotionaler Gruppenfunktionen, höheres Intelligenzniveau, schnellere Akzeptierung durch andere Gruppenmitglieder in neu zusammengesetzten Gruppen. • Abgelehnte vs. Unbeachtete: stärkere Realisierung sowohl aufgabenbezogener als auch sozio-emotionaler Gruppenfunktionen sowie breitere (soziale) Interessen bei den Abgelehnten. Diese inhaltliche Interpretation der Ergebnisse sollte jedoch als vorläufig angesehen werden, da die herangezogenen Instrumente z. T. in Folgeuntersuchungen durch gezieltere Verfahren zur Diagnostik interpersonalen Verhaltens ersetzt werden können (s. u.). Die Resultate der Diskriminanzanalyse bestätigen, daß sich vor allem Gewählte und Unbeachtete hinsichtlich der gemessenen Merkmale gut voneinander abheben. Der zentrale Anteil der beiden mit der Erfüllung der Gruppenfunktionen zusammenhängenden Beobachtungsvariablen an der Diskrimination der Gruppen wurde unterstrichen. Die mit Hilfe der linearen Kombination der Merkmale und der darauf aufbauenden Berechnung von Diskriminanzscores vorgenommene Klassifikation schließlich demonstrierte, daß sich die Pbn anhand der durch die Meßbatterie gelieferten Daten in hochsignifikanter Weise richtig den Gruppen der soziometrisch Gewählten, Abgelehnten und Unbeachteten zuordnen

44 lassen. Am eindeutigsten ist diese Zuordnung für die Gruppe der Gewählten möglich: hier treten die relativ seltensten Fehlklassifikationen auf. Setzen wir die Ergebnisse in Beziehung zu den aufgestellten Hypothesen, so finden wir: • Die wichtigste, aus der Literaturübersicht abgeleitete, Annahme, daß sich eine Gruppe der soziometrisch Unbeachteten sowohl von der Gruppe der Gewählten als auch der Gruppe der Abgelehnten hinsichtlich einer Reihe von Persönlichkeits- und Verhaltensmaßen unterscheiden läßt, konnte voll bestätigt werden. D. h., daß eine Aufgliederung der Gruppe «Außenseiter» erforderlich und sinnvoll ist. • Die zweite Annahme, daß Gewählte (Stars) einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung der in der Gruppe notwendigen Funktionen leisten, wurde ebenfalls durch die Untersuchungsbefunde bestätigt. Die damit gekoppelte Hypothese, daß Außenseiter weniger gruppenfördernde Aktivitäten zeigen, konnte deutlich für die Unbeachteten, nicht jedoch für die Abgelehnten bestätigt werden. Der Befund, daß abgelehnte Individuen in ebenso starkem Maße wichtige Gruppenfunktionen realisieren wie Gewählte, scheint dem theoretischen Konzept vom Zusammenhang zwischen sozialer Randstellung und Belohnungsfertigkeiten sowie zwischen Belohnungsfertigkeiten und Realisierung wichtiger Gruppenfunktionen zu widersprechen. Das vorgefundene Ergebnis läßt sich jedoch so interpretieren, daß wir annehmen, durch das Beobachtungssystem sei wohl etwas über den Ausprägungsgrad eines Verhaltens bei einem Pb ausgesagt, nichts aber über die Stellung einer bestimmten Interaktionseinheit innerhalb des gesamten in der Gruppe zu beobachtenden Interaktionsablaufes. Wir haben z. B. nicht die zeitliche Reihenfolge der verbalen Äußerungen in der Gruppe erfaßt, nicht die Richtung der Beiträge der einzelnen Gruppenmitglieder und ihre Beziehung zueinander. Damit aber können wir keine Aussage über die Effektivität eines bestimmten Pb (z. B. ob seine Beiträge aufgegriffen wurden, ob eine vermittelnde Äußerung zum

Prose: Außenseiter in Gruppen

Erfolg führte usw.) bei der Erfüllung der Gruppenfunktionen machen, sondern nur darüber, wie stark er Interaktionselemente realisierte, die potentiell zur Durchsetzung für die Gruppe wichtiger Ziele im Aufgaben- und sozio-emotionalen Bereich beitragen. Aber selbst wenn eine Aussage über die Effektivität aus unserem Datenmaterial heraus möglich wäre und wir aufzeigen könnten, daß Abgelehnte in der LGD ebenso effektiv wie Gewählte bei der Realisierung von Gruppenfunktionen sind, müßten wir dennoch Kurzzeit- und Langzeiteffekte, die sich aus der Interaktion verschiedener Persönlichkeits- und Verhaltensvariablen ergeben, mit berücksichtigen. Ein Ergebnis unserer Untersuchung z. B. lautete, daß Abgelehnte durch frustrierende soziale Situationen stärker beeinträchtigt werden als Gewählte und Aggression stärker gegen das eigene Ich richten. Wenn wir davon ausgehen, daß längerfristige soziale Kontakte ohne gelegentliche frustrierende Situationen schwer denkbar sind, so können wir folgern, daß Abgelehnte solche Situationen stärker erleben und in diesen Situationen oder in ihrer Folge evtl. zeitweilig unangemessen reagieren. Dadurch kann der Belohnungswert des Verhaltens der Abgelehnten für die anderen Gruppenmitglieder gesenkt werden, zumal die Vorhersagbarkeit des Verhaltens der Abgelehnten durch situativ bedingte Veränderungen bei Zutreffen des vermuteten Zusammenhangs erschwert sein dürfte. Die Frage wäre zu prüfen, ob die angenommenen Unterschiede der Verarbeitung von frustrierenden Situationen in non-verbalen Verhaltenselementen zum Ausdruck kommen, wie z. B. Blickrichtung, zeitliche Abstimmung des Sprechens (Unterbrechungen), emotionaler Tonfall, Mimik und Gestik. Denkbar wäre die Möglichkeit, daß Faktoren dieser Art die Wirkung der verbalen Äußerungen auf die Interaktionspartner herabsetzen. Auffällig ist, daß Gewählte auch in den kurzfristig neu zusammengesetzten LGD-Gruppen signifikant mehr soziometrische Wahlen auf sich ziehen als Unbeachtete und Abgelehnte. Bei den Unbeachteten kann die Erklärung großen-

Zeitschrift f ü r Sozialpsychologie 1974, 5, 30-47

teils in ihrer geringen Aktivität in Richtung auf die Gruppenfunktionen gesucht werden. Schwieriger ist die Interpretation bei den Abgelehnten. Soziometrisch abgelehnte Individuen befinden sich nach unseren Daten in größerer Nähe zur Gruppe der Gewählten als die Gruppe der Unbeachteten. Zwischen Gewählten und Abgelehnten haben wir die größere Schwierigkeit der Bestimmung von Unterschieden als zwischen Gewählten und Unbeachteten. Die Annahme liegt nahe, daß unsere Meßbatterie wichtige Variablen, in denen sich Abgelehnte und Gewählte unterscheiden, nicht oder nur unzureichend erfaßt. Für Folgeuntersuchungen wird vorgeschlagen, die Variablen Fähigkeit zum Lösen zwischenmenschlicher Probleme (Frustrationssituationen) sowie interpersonale Sensitivität im Sinne der Fähigkeit zum role-taking und der adäquaten Einschätzung der Wirkung (s. o. Effektivität) eigenen Verhaltens auf die Interaktionspartner stärker zu berücksichtigen. Die gebräuchlichen paper-and-pencil-Tests sollten dabei weitgehend durch «Situationstests» mit einer größeren Nähe zum Interaktionsgeschehen ersetzt werden. Die Brauchbarkeit solcher Verfahren konnte durch die Ergebnisse der Gruppendiskussion und der damit verknüpften Beobachtungen aufgezeigt werden. Eine Frage, die auch in dieser Untersuchung offen geblieben ist, ist die nach der UrsacheWirkung-Relation. Wir haben unsere Messung zu einem beliebigen Zeitpunkt X im Laufe der Gruppenentwicklung vorgenommen und verschiedene Verhaltens- und Persönlichkeitsfaktoren registriert. Haben diese Faktoren zu der individuellen Außenseiterposition geführt, oder hat die Außenseiterposition die stärkere Ausprägung dieser die Außenseiter charakterisierenden Variablen herbeigeführt? Der zweite Aspekt steht in engem Zusammenhang mit dem Komplex der Rollenerwartungen. Im Sinne der «self-fulfilling prophecy» kann die Erfüllung sozialer Erwartungen zur Stabilisierung und Etablierung von Verhaltensmustern führen (vgl. S A R B I N & A L L E N 1968, p. 488-558).

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ZU DIESEM

BEITRAG

Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Fassung des empirischen Teils der 1972 der Philosophischen Fakultät der Universität Kiel vorgeleg- M B ten, von Herrn Prof. Dr. Dr. Wegener ^ ^ betreuten Dissertation. _J

Brandstätter & Rüttinger: Verbale Aggression in Gruppendiskussionen

48

Verbale Aggression als Mittel der Beeinflussung in Gruppendiskussionen HERMANN BRANDSTÄTTER

B R U N O RÜTTINGER

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlicher Fachbereich der Universität Augsburg

24 Vpn wurde das schriftliche Wortprotokoll einer fingierten Entscheidungsdiskussion zwischen drei Sprechern vorgelegt, zur Hälfte mit, zur Hälfte ohne aggressive Bemerkungen eines Sprechers. Die Vpn hatten nach jedem Argument auf einer Skala ihre Handlungspräferenz anzugeben. Entgegen der Erwartung beeinträchtigt die Aggressivität der Argumentationsweise nicht den Einfluß des Sprechers (Einfluß = Summe der Präferenzänderungen infolge aller Argumente eines Sprechers), es zeigte sich sogar eine gegenläufige Tendenz zu einem verstärkten Einfluß des aggressiven Sprechers auf Leser mit ähnlicher Einstellung. 24 Ss, reading the written record of an alleged group discussion among 3 persons about a topic of common interest, rated their preferences for the alternative way of action supported by one of the persons, following each argument. One half of the records contained aggressive remarks of that person, the other half did not. Contrary to expectations verbal aggression did not diminish the influence (influence = total number of changes in preference following all arguments posed by one participant in the discussion) of the aggressive speaker. There was even a tendency towards greater influence on the part of the aggressive speaker on those Ss, who held a similar position to him, on account of his verbal aggression.

FRAGESTELLUNG Die vorliegende Untersuchung zur verbalen Aggression in Entscheidungsgruppen gehört zu einer Reihe von Experimenten, mit denen wir der Frage nachgehen, wie sich der Eindruck, den die Mitglieder einer Entscheidungsgruppe voneinander haben bzw. im Laufe des Gesprächs gewinnen, auf ihre individuellen Entscheidungspräferenzen und auf den Gruppenbeschluß ausw i r k t ( v g l . BRANDSTÄTTER e t a l . 1 9 7 1 ; B R A N D -

STÄTTER et al. 1972). Mit einem ersten relativ einfachen Experiment soll erkundet werden, wie Versuchspersonen ihre eigenen Handlungspräferenzen ändern, wenn sie das Protokoll einer aggressiv geführten Diskussion lesen, in der ein Sprecher seinen Gegner durch persönlich verletzende Bemerkungen herabsetzt. In einer solchen Situation be-

findet sich etwa der Leser eines Wortprotokolls einer Sitzung oder eines als Dialog geführten Presseinterviews. Die für später geplanten Experimente sollen schrittweise komplexer werden. Es ist zu erwarten, daß sich manche Ergebnisse der ersten, einfacheren Experimente mit dem unbeteiligten Beobachter (Leser bzw. Zuhörer oder Zuschauer) in den folgenden komplexeren Versuchen mit interagierenden Versuchspersonen wiederfinden lassen. Wir versprechen uns in der Analyse der sehr komplexen Interaktionsprozesse einer Gruppenentscheidung größeren Erfolg, wenn es uns vorher gelungen ist, einige Gesetzmäßigkeiten der Aggressionswahrnehmung für einfachere, leichter kontrollierbare Bedingungen zu klären.

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 4 8 - 5 4

THEORETISCHE

ÜBER-

LEGUNGEN UND BEFUNDE DER

EMPIRISCHE

EINSTELLUNGS-

FORSCHUNG Von gewisser Bedeutung für unsere Fragestellung, wenn auch nicht unmittelbar übertragbar, sind Untersuchungen zur Abhängigkeit der Einstellungsänderung von der Distanz in den Einstellungen zwischen Sprecher und Hörer (vgl. MCGUIRE 1 9 6 9 , p. 223).

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang vor allem die Hypothese von SHERIF & HOVLAND (1961), nach der es eine optimale Distanz für den Einfluß gibt. Diese Hypothese steht in Beziehung zum Assimilations-Kontrast-Theorem. Danach neigt man dazu, den Abstand zwischen der eigenen Einstellung und der von einem anderen geäußerten Einstellung zu unterschätzen, wenn der Abstand gering ist (Assimilation), zu überschätzen, wenn der Abstand groß ist (Kontrast). Der Einfluß eines Sprechers ist nun nach SHERIF & HOVLAND an der Stelle des Übergangs vom Assimilations- zum Kontrastbereich am größten. Der schwächere Einfluß bei geringer Distanz wird zum einen dadurch erklärt, daß der Spielraum für die Annäherung ohnehin kleiner ist, zum anderen dadurch, daß der Hörer die bestehende Distanz infolge des Assimilationsvorgangs unterschätzt und sich erst gar nicht aufgerufen fühlt, seine Einstellung zu ändern. Bei großer Distanz wird der Sprecher abgelehnt, so daß sein Einfluß schwächer, u. U. sogar gegenläufig wird, dies um so mehr, je weniger glaubwürdig der Sprecher erscheint. Da ein aggressiver Sprecher vermutlich eher unglaubwürdig wirkt als ein sachlich argumentierender Sprecher, dürfte bei ihm auch die für den Einfluß optimale Distanz geringer sein. An empirischen Untersuchungen zur Wirkung verbaler Aggression auf die Einstellungsänderung ist uns nur ein Feldexperiment von ABELSON & MILLER ( 1 9 6 7 ) bekannt geworden: Die Vpn, Spaziergänger in einem Stadtpark, wurden von einem Interviewer in ein Gespräch

49

über berufliche Diskriminierung von Negern verwickelt und dabei mit einem anderen «Spaziergänger» (einem Helfer des Interviewers) konfrontiert, der die Gegenposition der Vp vertrat, und der in der einen Versuchsbedingung beleidigende, in der anderen neutrale Bemerkungen beifügte. Wie von den Autoren vorhergesagt, hatte der aggressive Beeinflussungsversuch die gegensätzliche Wirkung: die Vpn entfernten sich noch mehr von der Position des Sprechers. Auch die Zustimmung zu den einzelnen Argumenten war wesentlich geringer, wenn sie aggressiv vorgebracht wurden. In Ermangelung weiterer experimenteller Befunde soll das Resümee einer an eigenen Erfahrungen orientierten phänomenologischen Analyse mitgeteilt werden, die speziell auf die Frage zielte, wie man als unbeteiligter Beobachter einer aggressiv geführten Diskussion reagiert: Welchen Eindruck man von der verbalen Aggression gewinnt und wie sich dieser Eindruck auf die eigene Einstellung zur diskutierten Sache auswirkt, wird vor allem davon abhängen, wieviel Sympathie (bzw. Abneigung) man aus Erfahrung oder Vorurteil dem Aggressor entgegenbringt, wie weit man sich in der Sache mit ihm in Übereinstimmung glaubt, ob man in der verbalen Aggression ein legitimes Mittel der Beeinflussung in Entscheidungsgruppen sieht, wie weit man an verbale Aggressionen gewöhnt ist, ob sie sprachlich elegant oder plump vorgetragen wird, wie weit einem die Aggression im speziellen Fall durch Provokation gerechtfertigt erscheint, schließlich in welchen Rollen man die Diskussionsteilnehmer sieht. Von diesen verschiedenen Bedingungen der Wirkung verbaler Aggression auf den Beobachter soll hier die Distanz in den Handlungspräferenzen zwischen Sprecher und Beobachter (Leser) berücksichtigt werden.

HYPOTHESEN Da der von uns untersuchte Verhaltensbereich noch sehr wenig erforscht ist - die Befunde der von uns zitierten Untersuchungen sind nur sehr

50

Brandstätter & Rüttinger: Verbale Aggression in Gruppendiskussionen

begrenzt auf unsere Fragestellung übertragbar müssen die Hypothesen eher als unsichere Vermutungen denn als theoretisch begründete Vorhersagen gelten. Wir greifen dabei auf das Konzept der kognitiven Konsistenz zurück (OSGOOD & TANNENBAUM 1962), das sich in einer vorausgehenden Untersuchung zur Beziehung von Sympathie und Einfluß bei Gruppenentscheidungen als nützlich erwiesen hat (BRANDSTÄTTER et al. 1971). Danach machte die glaubwürdig erscheinende Mitteilung an jeden der drei Diskussionsteilnehmer, der eine von seinen beiden Gesprächspartnern empfinde ihn als besonders sympathisch, bei großem Unterschied in den Ausgangspräferenzen zwischen Hörer und Sprecher stärker geneigt, den Argumenten dieses Partners zu folgen, als bei geringer Präferenzdistanz. Anstelle der Sympathie auslösenden Mitteilung führen wir in dieser Versuchsreihe die aggressive Argumentationsweise eines Diskussionsteilnehmers ein und erwarten, daß sie Abneigung gegen den aggressiven Sprecher auslöst und seinen Einfluß um so mehr mindert, je größer die Differenz in der Ausgangsposition zwischen aggressivem Sprecher und Zuhörer ist. Wie eingangs bereits erwähnt, untersuchen wir fürs erste nur, wie das Protokoll einer zum Teil aggressiv geführten Entscheidungsdiskussion auf Leser wirkt, die selbst unterschiedliche Präferenzen in dieser Frage haben. Die Diskussion findet zwischen drei Gesprächspartnern A, B, C statt. Während A gegen den Entscheidungsantrag, C für diesen Antrag argumentiert, nimmt B eine Mittelposition ein. (Genauer wird die Versuchsanordnung weiter unten geschildert.) HYPOTHESEla

Aggressivität in der Argumentation mindert den Einfluß eines Sprechers auf die Entscheidungspräferenz eines Lesers. Begründung: Eine Annäherung an einen negativ bewerteten Sprecher würde die Widersprüchlichkeit (Inkonsistenz) der kognitiven Ordnung erhöhen und wird daher vermieden.

HYPOTHESElb

Aggressivität in der Argumentation mindert den Einfluß des aggressiven Sprechers vor allem bei jenen Lesern, die eine stark gegensätzliche Position zu ihm einnehmen. Begründung: Eine aggressive Diskussionsweise verstärkt die Abneigung, die einem Gegner in der Sache ohnehin schon entgegengebracht wird. Er verliert an Glaubwürdigkeit und damit auch an Einfluß.

VERSUCHSPERSONEN UND

VERSUCHSPLAN

Versuchsteilnehmer waren 21 Offiziersanwärter, die sich freiwillig auf Zeit bei der Bundeswehr verpflichtet hatten, und 7 Studenten der Wirtschaftswissenschaften, alle zwischen 19 und 23 Jahren. Sie hatten sich freiwillig und ohne Bezahlung für das Experiment zur Verfügung gestellt. Den Vpn wurde in einem Vorversuch eine Reihe von Entscheidungsfragen vorgelegt. Jede Vp hatte jeweils global das Gewicht der ihr für und gegen die Annahme des Entscheidungsantrags einfallenden Argumente abzuschätzen, und zwar in einem Verhältnis von Zahlen, deren Summe stets 100 ergeben mußte (vgl. BRANDSTÄTTER et al. 1971). Die «Anträge» bezogen sich auf aktuelle Probleme, die in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, z. B. Konsum leichter Rauschmittel, Umweltschutz, Verkehrsplanung. Als Thema für den Hauptversuch, der eine Woche später stattfand, wurde der Antrag: «Die Strafen für den Besitz leichter Rauschmittel, wie Haschisch und Marihuana sollten erhöht werden» ausgewählt, weil hier bei den Vpn die größte Positionsdifferenzierung (Befürworter [C], Unentschiedene [B'], Gegner [A']) bestand. Der Versuchsleiter erklärte den Versuchsteilnehmern, daß ihnen eine schriftlich niedergelegte Diskussion zwischen drei Sprechern vorgelegt würde. Der eine Sprecher (C) argumentiere für eine stärkere Bestrafung, der zweite dagegen (A), während der dritte eine unentschiedene Stellung einnehme (B).

51

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 48-54

Für die schriftliche Darbietungsform hatten wir uns entschieden, weil bei Tonband- oder Filmaufnahmen schwer kontrollierbare, uns zunächst weniger interessierende Variablen, wie Anmutung der Sprechstimme und der äußeren Erscheinung des Sprechers, ins Spiel gekommen wären. Die Versuchspersonen wurden angewiesen, ihren Standpunkt vor der Diskussion und darauf nach jedem der insgesamt 15 Diskussionsbeiträge zu skalieren, und zwar auf der gleichen Skala, auf der die Anfangseinstellung angegeben wurde. Dadurch sollte für die Auswertung sichtbar werden, auf wessen Diskussionsbeitrag hin eine Positionsänderung erfolgte. Um der Situation möglichst Realitätscharakter zu geben, wurden die Versuchspersonen gebeten, sich vorzustellen, daß ihre Standpunkte am Ende der Diskussion als Grundlage für eine Petition an den Bundestag dienen. Die Diskussion bestand aus 15 Beiträgen: Je 5 für jeden Sprecher, für jede Vp in der gleichen Reihenfolge von Argumenten und Sprechern (A 1, B 1, C 1, A 2, B 2, C.2 ... ). Die Vpn wurden nach Zufall je zur Hälfte der Versuchsgruppe und der Kontrollgruppe zugeteilt. Der Versuchsgruppe wurde eine Diskussion vorgelegt, in der die beiden Sprecher A und B nicht aggressiv argumentierten, Sprecher C dagegen Aggressionen gegenüber A vorbrachte. Eine typische Aggression war z. B.: «Herr A, wenn Sie das übersehen, sind Sie für mich ein unqualifizierter Schwätzer». Die Kontrollgruppe erhielt eine Diskussion mit denselben Argumenten, jedoch ohne die aggressiven Beifügungen von C. Um einen möglichen Einfluß der Redezeit zu verhindern, waren alle Diskussionsbeiträge gleich lang. In der Kontrollgruppe wurden in die Beiträge des Sprechers C statt der aggressiven neutrale Bemerkungen eingeschoben. Nach Abschluß des Diskussionsversuchs stuften die Versuchsteilnehmer die Argumentationsweise jedes Sprechers auf einer siebenstufigen Skala unter den Aspekten «überzeugend - nicht überzeugend», «angenehm - unangenehm», «aggressiv - nicht aggressiv», «sachlich - unsachlich» ein.

ERGEBNISSE DER

HYPOTHESENPRÜFUNG

Die Hypothesen 1 a und 1 b wurden mit einer 2 X 3-faktoriellen Varianzanalyse (2 Versuchsbedingungen, 3 Leserpositionen) geprüft (WINER 1971, p. 431). Als abhängige Variable fungierte die Summe der Präferenzänderungen des Lesers auf die jeweils 5 Argumente eines Sprechers, wobei der Intention des Sprechers zuwiderlaufende Änderungen mit negativem Vorzeichen versehen wurden. Um in allen Zellen die gleiche Anzahl von Beobachtungen, nämlich je 4, zu erreichen, wurden die Daten von 4 der 28 Vpn nach Zufall eliminiert. Die Analyse bezieht sich also auf 72 Meßwerte (3 pro Vp). Tabelle 1 Durchschnittliche Summe der Präferenzänderungen Leser A', B', C' auf den Sprecher C in der Kontrollgruppe (KG; Sprecher C nicht aggressiv) und in der Versuchsgruppe (VG; Sprecher C aggressiv) Versuchsbedingung

Leserposition

KG

VG

A. M.

A' B' C'

15,0 5,0 5,0

10,0 22,5 12,5

12,50 13,75 8,75

A. M.

8,33

15,00

11,67

Weder die Hauptwirkung des Faktors Sprecheraggressivität noch die Wechselwirkung Sprecheraggressivität X Leserposition erwies sich als signifikant (vgl. Tab. 1 und 2). Die Hypothese von der allgemein einflußmindernden Wirkung einer aggressiven Argumentationsweise (Hypothese 1 a) läßt sich daher nach diesem Befund nicht aufrechterhalten. Die Ergebnisse sprechen eher für das Gegenteil. Bevor die Nullhypothese («kein Unterschied im Einfluß zwischen aggressiver und sachlicher Argumentationsweise») zugunsten der Annahme, verbale Aggressionen seien einflußfördernd, zurückgewiesen werden kann, bedarf es jedoch weiterer Untersuchungen. Von besonderem Interesse wird in künftigen Versuchen die je nach Position des Lesers unterschiedliche Wirkung der Ag-

52

Brandstätter & Rüttinger: Verbale Aggression in Gruppendiskussionen Tabelle 2 Ergebnisse der Varianzanalyse zu den Hypothesen 1 a und 1 b SS

df

Varianz

F

Aggressivität Leserposition Wechselwirkung Versuchsfehler

266 108 509 1850

1 2 2 18

266 54 255 103

2,58 n. s. 0,52 n. s. 2,48 n. s.

Gesamt

2733

23

Varianzquelle

gression sein. Die hier sich andeutende Wechselwirkung spricht dafür, die Hypothese, daß man mit einer aggressiven Argumentationsweise am wenigsten den Gegner, eher noch den Unentschiedenen oder Gleichgesinnten gewinnen bzw. in seiner Einstellung festigen könne, weiteren experimentellen Prüfungen zu unterziehen 1 . Die Summe der Präferenzänderungen, die beim Beobachter (Leser) durch die Argumente eines Sprechers unmittelbar ausgelöst werden, erfaßt nur den aktuellen, direkten Einfluß. Unberücksichtigt bleibt, wie nachhaltig dieser Einfluß ist, wie leicht es dem Gegner in der Diskussion gelingt, den Einfluß zu neutralisieren. Der Endeffekt der Pro- und Contra-Argumente, auf den es in der Praxis von Gruppendiskussionen vor allem ankommt, bleibt außer Betracht. 1

Die nach Drucklegung dieses Berichts abgeschlossenen Untersuchungen mit weiteren 67 Vpn bestätigten diese Wechselwirkung zwischen Aggressivität der Argumentationsweise und Position des Lesers, so daß dieser Befund als statistisch gesichert gelten kann. Eine allgemein einflußfördernde Wirkung aggressiver Argumentationsweise war nicht mehr feststellbar.

Die Differenz zwischen Anfangs- und Endpräferenz, d. h. zwischen der Einstellung des Lesers vor der Darbietung des ersten Arguments und seiner Einstellung nach der Darbietung des letzten Arguments, zeigt nun gerade diesen Endeffekt (vgl. Tab. 3). Tabelle 3 Durchschnittliche Differenz zwischen Anfangsund Endpräferenz der Leser A', B', C' in Kontrollund Versuchsgruppe Versuchsbedingung KG Leserposition

A' B' C A. M.

VG

2,25 12,25 5,00

0 0 0

1,12 6,12 2,50

6,50

0

3,25

Während sich in der Kontrollgruppe die Vpn der Position des Sprechers A annähern, die B Leser z. B. um durchschnittlich 12,25 Punkte, haben die Leser der Versuchsgruppe (Sprecher C argumentiert aggressiv) am Ende im Durchschnitt die gleichen Präferenzen wie am Anfang.

Tabelle 4 Ergebnisse der Varianzanalyse: Differenzen zwischen Anfangs- und Endpräferenz SS

df

Varianz

F

Aggressivität Leserposition Wechselwirkung Versuchsfehler

267 108 108 2450

1 2 2 18

267 54 54 136

1,96 n. s.

Gesamt

2933

23

Varianzquelle

A.M.

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1974, 5, 4 8 - 5 4

53

Man könnte dies so deuten, daß der Sprecher C durch seine aggressive Argumentationsweise in der Versuchsgruppe mit größerem Erfolg dem Einfluß des Sprechers A entgegengewirkt hat als in der Kontrollgruppe ohne verbale Aggressionen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser statistisch noch nicht signifikante Effekt (vgl. Tab. 4) einer aggressiven Argumentationsweise in weiteren Untersuchungen erhärten läßt 2 .

Wie Tabelle 5 zeigt, wird eine aggressive Argumentationsweise nur vom Gegner, nicht vom Anhänger negativ bewertet. Während die A'Leser den aggressiven Sprecher C durchschnittlich mit 1,5, den friedlichen mit 5,7 bewerten, geben die C'-Leser dem aggressiven Sprecher C eine Bewertung von 13, dem friedlichen C eine Bewertung von 10 Punkten. Die Extrempunkte dieser Skala liegen bei - 4 und + 20. Tabelle 5

ERGÄNZENDER DIE

Durchschnittliche Bewertung der Argumentationsweise des Sprechers C durch die Leser A', B', C' in der Kontrollgruppe (KG) und in der Versuchsgruppe ( V G )

BEFUND

BEWERTUNG

DER

ARGUMENTATIONSWEISE DES SPRECHERS

Versuchsbedingung

C

KG

Ein Diskussionssprecher löst beim Beobachter nicht nur Präferenzänderungen, sondern auch eine Bewertung seiner Argumentationsweise aus. Diese Bewertung kann in unserem Fall als um so positiver gelten, je höher die Argumentationsweise in den Aspekten «überzeugend», «angenehm», «sachlich» und je niedriger im Aspekt «aggressiv» eingestuft wurde. Als Globalmaß für die Bewertung verwenden wir die Summe der Einstufungen in diesen fünf Aspekten, wobei das Urteil im Aspekt «aggressiv» mit negativem Vorzeichen eingeht. 2

In den späteren Untersuchungen mit 67 Vpn bestätigte sich dieser Effekt nicht. D i e Instabilität der Aggressionswirkung auf die Differenz zwischen Anfangs- und Endpräferenz könnte auch auf eine geringe Reliabilität des Differenzmaßes zurückzuführen sein.

Leserposition

A' B' C' A. M.

VG

5,7 3,7 10,0

1,5 3,0 13,0

3,6 3,4 11,5

6,5

5,8

6,1

Eine 2 X 3-faktorielle Varianzanalyse (Tab. 6) weist die Hauptwirkung «Leserposition» als signifikant aus (p