Zeitschrift für Sozialpsychologie: Band 10, Heft 4 1979 [Reprint 2021 ed.]
 9783112469408, 9783112469392

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HERAUSGEBER HUBERT FEGER

C. F. G R A U M A N N KLAUS HOLZKAMP MARTIN IRLE

B A N D 10 1979 HEFT 4

V E R L A G HANS H U B E R BERN STUTTGART WIEN

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1979, Band 10, Heft 4 INHALT Zu diesem Heft

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Theorie und Methoden Die Scheu des Psychologen vor der Interaktion. Ein Schisma und seine Geschichte IRLE, M.: Das Instrument der «Täuschung» in der Verhaltens- und Sozialwissenschaftlichen Forschung F E G E R , H . : Einstellungsstruktur und Einstellungsänderung: Ergebnisse, Probleme und ein Komponentenmodell der Einstellungsobjekte

GRAUMANN, C . F . :

284 305 331

Empirie Dimensionen des Parteienkonflikts und Präferenzordnungen der deutschen Wählerschaft: Eine Unfoldinganalyse L I E P M A N N , D. & H O L L I N G , H . : Zur Determination von Einstellungen gegenüber der Organisation Schule, durch Kontext- und Strukturparameter

NORPOTH, H . :

350

363

Diskussion MUMMENDEY, A.: Anmerkungen zur «Prädikationsanalyse des Aggressionsbegriffs» von Jüttemann J Ü T T E M A N N , G . : Antwort auf die Anmerkungen von A. Mummendey . . . .

375 378

Literatur Neuerscheinungen Titel und Abstracta

380 382

Autoren

385

Gesamtinhaltsverzeichnis Band 10 (1979) Namens- und Sachregister Band 10 (1979)

387 389

C o p y r i g h t 1979 Verlag H a n s H u b c r Bern Stuttgart Wien Herstellung: Satzatelier P a u l S i e g m a n n , Bern P r i n t e d in Switzerland Library of C o n g r e s s C a t a l o g C a r d N u m b e r 78-126626 Die Zeitschrift für Sozia/psychologie wird in Social Sciences Citation Current Contents/ Social and Behavioral Sciences e r f a ß t .

Index (SSCI) und

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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1979

Zu diesem Heft Diese Zeitschrift erscheint seit 10 Jahren. Ein Stück Verlagsgeschichte, Geschichte aber auch der Sozialpsychologie im deutschsprachigen Raum. Was kann ein Verlag bei der Gründung einer neuen Zeitschrift erwarten? Er wird ja sein neues Produkt nicht unvorbereitet lancieren, indessen aber mit vielen Imponderabilien rechnen müssen. So war es zunächst ein Duumvirat, das von den vier Herausgebern mit der verlegerischen Realisierung bedacht wurde: die Akademische Verlagsgesellschaft und der Verlag Hans Huber. Veränderungen in der bundesrepublikanischen Verlagslandschaft führten dann 1975 zur Trennung. Die verlegerische Verantwortung lag nun ausschließlich bei Hans Huber. Das Fach Sozialpsychologie ist in den deutschsprachigen Ländern erst spät etabliert worden. Die Entwicklung dann erfolgte dementsprechend .rasant. Mit viel Energie und Aufwand wurde Sozialpsychologie betrieben. Die Anwendungsgebiete wurden sichtbar, der Einfluß war nicht mehr wegzudenken: Sozialpsychologie/Klinische Psychologie; Sozialpsychologie/Arbeitsund Organisationspsychologie; Sozialpsychologie/Politische Psychologie; Sozialpsychologie/ Sprach- und Kommunikationspsychologie; Sozialpsychologie/Umweltpsychologie'. Die Sozialpsychologie repräsentiert in unserem Verlagsprogramm einen Schwerpunkt, wie er vor 10 Jahren kaum denkbar gewesen wäre. Die Zeitschrift hat die Funktion der Annäherung durch Information übernommen, das Fach hat an Faszination gewonnen. Wer liest die Zeitschrift für Sozialpsychologie? Abonnenten sind Bibliotheken u.a. in der Schweiz, in der Bundesrepublik, in Österreich, dann in Holland, in Japan, in den USA; Kliniken in diesen Ländern, und Private: praktizierende Psychologen, Universitätslehrer, Studenten.

Eine Zeitschrift wie diese ist ja kein Produkt, das Herausgeber für einen Verlag machen; ein ebenso wichtiges Element in diesem System ist der Leser. Es ist also nicht ungewöhnlich, wenn bei Gelegenheit der Konferenzen von Herausgebern und Verlag immer wieder über die Zielgruppen geredet wird; denn diese Zielgruppen bestimmen nicht unwesentlich Inhalt und Attraktivität der Zeitschrift. Und da sind zu guter Letzt auch die Autoren zu finden, die für die Zeitschrift schreiben, wobei einmal mehr und an dieser Stelle besonders darauf hinzuweisen wäre, daß die Kriterien für die Aufnahme von Arbeiten in diese Zeitschrift außerordentlich streng sind. Sie, verehrte Leserin und verehrter Leser, werden nun prüfen können, ob die Herausgeber, die dieses Jubiläumsheft mit eigenen Beiträgen sozusagen ermöglichten, den von ihnen formulierten und geforderten Auflagen für die Zulassung in diese Zeitschrift genügen oder nicht. Dies wäre demnach eine freundliche Einladung, zu reagieren; denn Sozialpsychologie impliziert ja auch den Komplex Kommunikation. Es ist vor allem der Wunsch des Verlegers, über Herausgeber und Autoren hinaus, auch mit der leider hartnäckig schweigenden Mehrheit, den Lesern, kommunizieren zu können. Wir danken den Herausgebern, den Autoren und den Lesern für die Arbeit, die sie, alles in allem, für diese Zeitschrift geleistet haben. Ihre Zukunft wird sich so darstellen lassen, wie sie aile Beteiligten durch ihr Engagement, durch Ausdauer, Fleiß und Aufmerksamkeit prägen. Bern, im Dezember 1979

Heinz Weder Leiter des Verlages Hans Huber

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Graumann: Die Scheu des Psychologen vor der Interaktion

Theorie und Methoden Die Scheu des Psychologen vor der Interaktion. Ein Schisma und seine Geschichte CARL F . GRAUMANN Psychologisches Institut der Universität Heidelberg

In den siebziger Jahren haben sozialpsychologische Veröffentlichungen, die von Unzufriedenheit und Krise handeln, an Zahl und Gewicht zugenommen. Dieser Zustand der Selbstaufmerksamkeit von Sozialpsychologen wird mithilfe der Duval-Wicklundschen Theorie analysiert. Die Hauptthemen der Selbstaufmerksamkeit und Selbstkritik werden auf die historische Spaltung von psychologischer und soziologischer Sozialpsychologie zurückgeführt. Das zentrale Problem liegt darin, daß die als Teil der (Individual-)Psychologie praktizierte übliche Sozialpsychologie keine Sozialwissenschaft ist. Als eine Aufgabe, bei der Psychologie und Soziologie integrierende Forschung möglich ist, bleibt die wissenschaftliche Erforschung der Kleingruppe.

is a psychological concept; it is a contagious panic. IMRE LAKATOS

I. Sozialpsychologie im Zustand der Selbstaufmerksamkeit Blickt man auf die letzte Dekade der Sozialpsychologiezurück, so lassen sich die siebziger Jahre sicher charakterisieren durch ein weiteres Anwachsen sozialpsychologischer Forschungsaktivitäten und, damit verbunden, eine entsprechende Zunahme an der Sozialpsychologie gewidmeten Institutionen und Organen. Doch diese Aussage ist nicht i.e.S. charakteristisch; sie hätte man auch am Ende der vorangegangenen Dekade machen können; denn das Wachstum der Sozialpsychologie läßt sich seit den vierziger Jahren in schon gewohnter Stetigkeit beobachten. Die Eigenart der Sozialpsychologie des letzten Jahrzehnts liegt eher in ihrer Thematik. Zwar gibt es

During the seventies social psychological publications voicing dissatisfaction and crisis have increased in number and force. This situation of social psychologists' self-awareness is analyzed in terms of Duval's and Wicklund's theory. The major topics of self-awareness and self-criticism are interpreted as originating in the historical schism between psychological and sociological social psychologies. The central issue is that traditional social psychology, practiced as a branch of (individual) psychology, is not a social science. A common task, however, for psychology and sociology where integrating research is feasible, is the scientific investigation of small groups.

auch hier das Übliche. Damit meine ich nicht nur die Dauerbrenner unter den Forschungsthemen, sondern auch den für Sozialwissenschaften schon typisch zu nennenden Wandel dieser Thematik (böse Menschen reden hier gar von Forschungsmoden). Das, was ich für die letzte Dekade als relativ auffällig und - zurückblickend - charakteristisch bezeichnen würde, ist die Beschäftigung der Sozialpsychologie mit sich selbst. Beginnend Ende der sechziger Jahre, z.T. unter dem Eindruck studentischen «Hinterfragens», finden wir und zwar seitdem zunehmend (also nicht mit dem Abebben der Studentenbewegung abnehmend) - auf Tagungen Vorträge und Symposien, in Zeitschriften Artikel und Diskussionen, schließlich Monographien, in denen sich Sozialpsychologen mit ihrem (und natürlich: ihrer Kollegen) eigenem Tun kritisch auseinandersetzen. Die Liste der solchermaßen reflexiv gewordenen Autoren umfaßt von Anfang an dieNamen der wichtigsten Köpfe der sozialpsychologischen Forschung; heute gibt es nur noch wenige

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führende Fachvertreter, die sich nicht in die Diskussion um die Sozialpsychologie eingeschaltet haben'. Nun muß man wohl schon selbst Sozialpsychologe von der heutigen Art sein, um darüber zu erstaunen, daß Wissenschaftler beginnen, über ihr eigenes Tun zu reflektieren. Man könnte schließlich - gerade auch als Psychologe - ein gewisses Maß an Bewußtheit des eigenen Tuns für selbstverständlich halten. Daß die Reflexion der siebziger Jahre aber alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist, belegt die Art und Weise, wie die zur Reflexion gekommenen Sozialpsychologen ihr eigenes Nachdenken und Fragen etikettieren. Von Anfang an ist nämlich so selbstverständlich die Rede von einer «Krise» der Sozialpsychologie, als sei «Krise» der gängige Oberbegriff für Kritik und Selbstkritik. MERTENS & FUCHS (1978) mögen Recht daran getan haben, die «Krise der Sozialpsychologie» wenigstens mit einem Fragezeichen zu versehen; die Anzahl der mit der Krisenkategorie operierenden Veröffentlichungen ist bereits stattlich, und sie scheint, wie die bisher vorliegenden Veröffentlichungen des Jahres 1979 erkennen lassen, auch in den Achtzigern nicht abzureißen. Um uns der Doppelfrage zuwenden zu können, warum die sozialpsychologische Selbstreflexion als «Krise» aufgefaßt und bezeichnet wird, und was als deren Ursprung anzusehen ist, sei eine Anleihe bei einer der jüngsten und handlichsten Theorien der Sozialpsychologie gemacht. Es besteht wohl kein Einwand gegen die Beschreibung, daß in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl von Sozialpsychologen ihre Aufmerksamkeit auf sichselbst,genauer:aufihrprofessionelles Selbst, gerichtet hat. Damit ist der Fall eingetreten, auf den sich die von D U V A L Ä WICKLUND entwickelte Theorie der «objektiven Selbstaufmerksamkeit» richtet (DUVAL & WICKLUND, 1972; WICKLUND, 1975; vgl. FREY et al., 1978); im Folgenden wegen ihres logisch wie sprachlich unsinnigen Titels kurz OSA-Theorie genannt 2 ). Die drei wichtigsten Annahmen dieser Theorie lauten in Kürze: 1

Von denen, die diese selbstkritische Diskussion bestrei-

t e n , g r e i f e i c h d i e N a m e n h e r a u s : ARGYLE, BACKMAN, BERKOWITZ, CAMPBELL, M . DEUTSCH, K . GERGEN, GREENWALD,

1. Dasjenige, worauf sich die Selbstaufmerksamkeit richtet, wird aktualisiert und intensiviert. 2. Denjenigen, die sich im Zustand der Selbstaufmerksamkeit befinden, werden Diskrepanzen zwischen ihrem tatsächlichen Hin und Lassen und den Aspirationen ihres idealen Selbst besonders deutlich bewußt. 3. Diese Diskrepanzen - die auch dissonanztheoretisch faßbar sind - bringen eine Motivation hervor, die meist negativ erlebte Diskrepanz zwischen Ist und Soll zu reduzieren. Solche Reduktion geschieht laut WICKLUND durch Selbstaufmerksamkeit 3 . Gehen wir diese drei (vereinfacht dargestellten) Annahmen in einer Art Selbstanwendung der sozialpsychologischen Theoriebildung durch: (1975)

1. Durch die Selbstaufmerksamkeit führender Sozialpsychologen werden «aktualisiert und intensiviert»:

a) Das Selbstverständnis als Vertreter einer nomothetischen (oder nomologischen oder naturwissenschaftlichen) Disziplin (z.B. GERGEN, 1 9 7 3 , 1 9 7 6 ; HARRE&SECORD, 1 9 7 2 ) , genauer: Einer Disziplin, die bis in die sechziger Jahre im großen und ganzen unbefragt als eine nomologische, vorwiegend experimentell operierende, Disziplin galt. (Die sogenannte soziologische Sozialpsychologie [s.u.] schließe ich hiervon aus.) Die AufJ Nach der OSA-Theorie rufen negative Diskrepanzen Selbstkritik, positive dagegen eine Steigerung des Selbstwertgefühls hervor. Nach der (nicht sonderlich) naiven Psychologie Wilhelm Büschs gehören diese beiden Reaktionen in jedem Fall zusammen:

«Die Selbstkritik hat viel für sich, Gesetzt der Fall, ich tadle mich, So hab' ich erstens den Gewinn, Daß ich so hübsch bescheiden bin. Zum zweiten denken sich die Leut', Der Mann ist lauter Redlichkeit. Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen Vorweg den andren Kritiküssen. Und viertens h o f f ' ich außerdem Auf Widerspruch, der mir genehm. So kommt es dann zuletzt heraus, Daß ich ein ganz famoses Haus.»

HELMREICH, JAHODA, KELMAN, KIESLER, M C G U I R E , MOSCOVICI, PROSHANSKY, SECORD, SHAVEN, SHERIF, SINGER, BREWSTER SMITH, I. STEINER, STRICKLAND, TAJFEL, TRIANDIS. 2

V g l . h i e r z u FREY et a l . 1 9 7 8 , 1 9 2 A n m . 2 u n d GRAUMANN

1 9 7 9 , 1 8 0 A n m . 25.

Ob diese Zeilen Büschs die derzeitige Selbstkritik-«Krise» der Sozialpsychologie besser darstellen als die OSA-Theorie WICKLUNDS, m u ß i c h o f f e n lassen. Zumindest ist Büschs «Modell» der Selbstkritik interaktionaler als WICKLUNDS.

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merksamkeit richtet sich auf tatsächliche wie mutmaßliche Grenzen und Lücken der nomothetischen Vorgehensweise, vor allem aus der Sorge, die historische wie soziale (gesellschaftliche) Relativität psychologischer Sachverhalte würde verfehlt und sei nur durch eine idiographische (historische) Disziplin adäquat zu erfassen (kritisch hierzu bspw. H E R R M A N N , 1 9 7 1 ) .

«der Psychologe den wahren Zweck und die Bedingungen des Experiments verbirgt bzw .die Versuchspersonen falsch informiert oder sie schmerzhaften, peinlichen oder noch schlimmeren Erfahrungen aussetzt, ohne daß die Versuchspersonen wissen, worum es überhaupt g e h t . . . » ( 1 9 5 4 , p. 155).

b) Der Primat der

experimentellenMethodikz.B.

ARGYLE, 1 9 7 2 ; BACKMAN, 1 9 7 9 ; BRENNER e t a l . ,

1978; G E R G E N , 1978; M C G U I R E , 1967,1973; T A J 1972; T A J F E L & F R Ä S E R , 1978, p.46ff. Nachdem schon, seit R I E C K E N (1962) die «Deuteroprobleme» der Versuchspersonen und O R N E (1962) die «Aufforderungscharakteristika» der Versuchssituation identifiziert hatten, die Sozialpsychologie des Experiments ein beherrschendes und kontroverses Thema der sechziger Jahre geworden war, wurde mit der Problematisierung der experimentellen Methode auch deren Vorrangstellung in Frage gestellt. Sie geht laut G E R G E N (1978, p.508) so weit, daß «Within psychology the pursuit of social understanding has become virtually synonymous with the experimental method». Die Selbstaufmerksamkeit der Sozialpsychologen richtet sich hier - wie auch früher schon - au f die relative Künstlichkeit, die mangelnde «Lebensnähe» oder - moderner formuliert - ökologische Repräsentativität des Experiments, wodurch die Schlußfolgerung vom Labor auf die eigentlich interessierende Alltagssituation erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werde. Eine andere kritische Kennzeichnung der laborexperimentellen Methode ist die Belanglosigkeit bzw. Trivialität der meisten ihrer Befunde, sofern diese nicht ohnehin «Artefakte» seien. FEL,

c) Die Präferenz für ethisch fragwürdige Techniken sozialpsychologischer Forschung (z.B. BoW E R & D E GASPARIS, 1 9 7 8 ; D I E N E R & CRANDALL, 1 9 7 8 ; KRUSE & K U M P F , im Druck; vgl. hierzu auch den Beitrag von IRLE in diesem Heft). Verfahren wie das seit je geübte unwissentliche und halbwissentliche Experiment werden auf einmal als «Täuschung» der Versuchspersonen angeprangert. KELMAN ( 1 9 6 6 , 1 9 6 7 ) leitete eine bis in dieses Heft reichende Serie von Pro- und Kontra-Stellungnahmen ein, nachdem V I N A C K E bereits 1 9 5 4 in einer kurzen Notiz im American Psychologist festgestellt hatte, daß

Aber auch schon das für das Laborexperiment strenggenommen konstitutive Verfahren der «Manipulation» der Vp-Reaktionen im Sinne abhängiger Variablen stieß nach jahrzehntelanger Praxis auf die Selbstkritik von Experimentalpsychologen (z.B. KELMAN, 1965; H O L Z K A M P , 1972). Solche Kritik, gegen Praktiken und Fragwürdigkeiten der experimentellen Methodik überhaupt gerichtet, trifft die Sozialpsychologie in dem Maße, wie sie sich selbst mit dieser Methodik identifiziert. Und jeder Aspekt der sogenannten «Krise» hat etwas von einer «Identitätskrise». d) Die mangelnde Relevanz oder (wenn man gegenüber der zum «kritischen» Schlagwort der sechziger Jahre abgesunkenen Vokabel immer noch Vermeidungstendenzen verspürt) der mangelnde Bezug der sozialpsychologischen Grundlagenforschung zur gesellschaftlichen oder auch nur beruflichen Praxis (z.B. A R G Y L E , 1972; A R GYRIS, 1 9 7 5 ; KELMAN, 1 9 6 8 ; R I N G , 1 9 6 7 ; S M I T H ,

1973). Diese Runde eröffnete K E N N E T H R I N G mit der Klage, dass sich die Sozialpsychologen, die z.T. noch direkte Schüler von K U R T L E W I N waren, nicht mehr dessen Werten und dem Ziel verpflichtet fühlten, daß «Sozialpsychologie nicht nur die wissenschaftliche Erkenntnis vom Menschen mehren, sondern auch die Sache der Wohlfahrt der Menschheit fördern könne» (1967, p.113). Stattdessen herrsche eine an den «frivolen» Werten von «Spaß und Spiel» orientierte sozial irrelevante Sozialpsychologie; L E W I N S Konzeption sei nicht nur kompromittiert, sie sei «herabgewürdigt» worden. Unter dem Mangel an Einheit von Theorie und Praxis, die L E W I N favorisierte, leidet nach Auffassung mancher Selbstkritiker vor allem die angewandte Sozialpsychologie ( H E L M R E I C H , 1975). Eine Variante der Kritik an der Irrelevanz sozialpsychologischer Forschung ist der Vorwurf (oft erhoben im Kontext der Kritik an der «positivistischen», nomothetischen Vorgehens weise), die Sozialpsychologie sei deswegen so belanglos, weil sie es versäume, den Sinn, den Handlungen oder Situationen für Menschen haben, adäquat zu erfassen ( S M I T H , 1974); nach P E P I T O N E (1976) ver-

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fehlt die bisherige Sozialpsychologie weitgehend den normativen Charakter der meisten der von ihr untersuchten sozialen Phänomene. e) Der (nicht nur) amerikanische «Provinzialismus». Europäische Sozialpsychologen (wie MosCOVICI, 1 9 7 2 ; TAJFEL, 1 9 7 2 ; J A H O D A , 1 9 7 4 , 1 9 7 9 ;

und einige (wenige) ihrer USamerikanischen Kollegen (z.B. G E R G E N , 1973; R. SMITH, 1978) beklagen seit einiger Zeit den (vor allem, aber nicht ausschließlich) amerikanischen wissenschaftlichen «Provinzialismus», der in erster Linie darin besteht, bei der Theoriebildung das eigene soziokulturelle Bezugssystem nicht zu reflektieren und deshalb Befunde, die ausschließlich an, sagen wir, amerikanischen College-Studenten oder gar einer WASP-Stichprobe gewonnen worden sind, ohne weitere Qualifikation oder Relativierung auf allgemeine Sätze hin zu generalisieren. Damit wiederholt zwar die Sozialpsychologie lediglich den Fehler der (früheren?) Allgemeinen Psychologie, deren Vpn fast ausschließlich Weiße waren, ohne daß dies ausdrücklich vermerkt worden wäre 4 . Andrerseits sollten aber gerade der Sozialpsychologie, der interkulturelle Variation seit W U N D T S Völkerpsychologie, der Intergruppendifferenzen spätestens seit L E W I N vertraut sind, die Ethnozentrismus spätestens seit der Kalifornischen Schule auf ihrem Forschungsprogramm hat, die Fehler vorschneller bzw. nicht begründeter Verallgemeinerung von Urteilen fremd sein. Es sollten also eigentlich Aussagen über Dissonanzreduktion, über defensive Attribution, über sozialen Vergleich, über das Vergleichsniveau für Alternativen etc. nicht so formuliert werden, als stände ihr Geltungsbereich außer Frage. Geschieht dies dennoch, so liegt hier eine der in den letzten Jahren kritisierten Varianten eines wissenschaftlichen «Provinzialismus» oder Ethnozentrismus vor. M. SHERIF ( 1 9 7 7 ) , der ebenfalls dafür eintritt, «die Sozialpsychologie G R A U M A N N , 1976)

4 Hätte man es vermerkt, dann wäre diese Allgemeine Psychologie (und jede ihr gleichgestellte Sozialpsychologie) von Anfang an, streng genommen, Différentielle Psychologie gewesen. Doch auch die heutige «Allgemeine», die sich nicht ausdrücklich als «Universelle» versteht, unterläßt in der Regel den Vermerk über den mutmaßlichen Geltungsbereich und -Zeitraum ihrer allgemeinen Sätze. Immerhin nehmen sich Vertreter der Kulturvergleichenden Sozialpsychologie (wie, traditionsgemäß, der Sprachpsychologie) des Problems der Universalien an (vgl. TRIANDIS, 1978).

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aus ihrer gegenwärtigen ethnozentrischen ja provinziellen Begrenztheit herauszuführen, um aus ihr eine wahrhaft repräsentative Wissenschaft vom Menschen im allgemeinen zu machen», kritisiert die soziokulturelle und epochale Relativität am Beispiel der Lehrbücher: «Die meisten Lehrbücher (vor allem solche von psychologischen Sozialpsychologen) sollten besser Amerikanische Sozialpsychologie heißen, mit der näheren Spezifizierung » ( a . a . O . , p.371). Die andere Variante des Unbehagens am wissenschaftlichen Ethnozentrismus findet sich vor allem in der Selbstkritik europäischer Sozialpsychologen, wenn etwa MOSCIVICI ( 1 9 7 2 , p . 1 9 ) beklagt, daß, «wenn alles, was wir tun, in der Assimilation der uns übermittelten Literatur besteht..., wir dann auch nur die Präokkupation und Tradition einer anderen Gesellschaft adoptieren; wir arbeiten im Abstrakten, um die Probleme der amerikanischen Gesellschaft zu lösen.»

Der Selbstvorwurf, daß wir uns sozialpsychologischeTheorien und soziale Probleme vorgeben (lassen), die - sei es ausschließlich oder primär aus den ökonomischen, politischen, ethnischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen der USA entstanden sind, läuft jaletztlich darauf hinaus, daß wir, wenn wir dies tun, dazu beitragen, den US-amerikanischen «Provinzialismus» noch zu diffundieren. f) Der «bürgerliche» Charakter der Sozialpsychologie ist der Kardinalvorwurf derjenigen Sozialpsychologen, die sich politisch zu einer der Spielarten des Marxismus bekennen (z.B. A R M I STEAD, 1 9 7 4 ; E C K A R D T , 1 9 7 9 ; HOLZKAMP, 1 9 7 0 ; STAEUBLE, 1 9 7 2 ) . Sie nennen «bürgerlich» die Tendenz, bei Aussagen über das Sozialverhalten von Individuen, das laut K . M A R X und F . E N G E L S als fundamental anzusetzende Prinzip der gesellschaftlichen Determiniertheit des Einzelnen außer Acht zu lassen. Da «gesellschaftlich determiniert» vor allem die jeweils historisch-konkreten Produktionsverhältnisse meint, ist ein bürgerlicher Sozialpsychologe derjenige, der das politisch-ökonomische Bezugssystem der (spät-)kapitalistischen Produktionsweise nicht wissenschaftlich zur Kenntnis nimmt bzw. es stillschweigend unterstellt - und damit die bestehende Gesellschaftsform «stabilisiert»:

«... weil Psychologen über die Gesellschaft so,

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wie sie besteht, Daten sammeln, werden sie leicht dazu verleitet, Kausaltheorien zu produzieren, die die stillschweigende Annahme enthalten, daß die bestehende soziale Ordnung die einzig mögliche oder wünschenswerte sei - eine Konstante und nicht eine Variable» (INGLEBY, 1 9 7 4 , p.320). Im Grundeist das Etikett «bürgerlich» nur eine generalisierte Variante von «provinziell»; kritisiert wird in beiden Fällen, daß das eigene soziale Bezugssystem als selbstverständliche «Grundgegebenheit» angesehen wird. Soweit sechs Brennpunkte sozialpsychologischer Selbstaufmerksamkeit, wie sie sich in den siebziger Jahren herausgebildet haben. Die Aufzählung ist sicher nicht vollständig; auch Titelwahl und Zuordnungen sind anders denkbar. Doch läßt sich an der Zentralität der Themen und vor allem am Engagement, mit dem zu diesen Themen pro und contra Stellung bezogen wurde, ohne weiteres erkennen, daß es hier um die Sozialpsychologie selbst, d.h. um ihre Identität geht; d.h., um wieder an die OSA-Theorie anschließen zu können, um das Selbstverständnis derer, die sich als Sozialpsychologen verstehen.

keine nennenswerten Diskrepanzen zwischen ihrem wissenschaftlichen Ideal(-Selbst) und ihrem alltäglichen Forscherdasein bewußt wird; zumindest keine, die über den (oft resignierten) Wunsch hinausgeht: «Further research is needed.» Von den anderen haben sich zwar die meisten der allgemeinen Rede von einer «Krise der Sozialpsychologie» angeschlossen, scheinbar weil das Thema inzwischen so heißt, aber manche meinen weniger Gravierendes. So sprechen KIESLER& L Ü C K E (1976) zwar auch von «Krise», doch ist das bei ihnen wohl nur ein anderes Wort für «a great deal of dissatisfaction», genauer für eine «Unzufriedenheit mit der derzeitigen Verfassung der Theorie und der experimentellen Paradigmen» (a.a.O., p.142). Den Kern der Unzufriedenheit fassen KIESLER und L Ü C K E in das «Gefühl, daß unsere kollektiven und kumulativen Forschungsbemühungen keine wesentlichen und klaren Konsequenzen für die bedeutsamen sozialen Probleme unserer Zeit haben» (ebda.). Ähnlich zurückhaltend formuliert D. KATZ (1972, p. 588) das Unbehagen an der von ihm vertretenen und auch propagierten experimentellen Sozialpsychologie als

2. Die Theorie der Selbstaufmerksamkeit macht, wie wir sahen, nun die weitere Annahme, daß sich diejenigen, die sich im Zustand der Selbstaufmerksamkeit befinden, «der Diskrepanzen zwischen ihrem tatsächlichen Verhalten und ihren Intentionen und Aspirationen (also ihrem idealen Selbst) stärker bewußt werden» (FREY et al., 1978, p.193). Dieses Bewußtwerden nimmt die Form der Selbstbewertung an, die bei deutlich als negativ erkannten oder vermuteten Diskrepanzen auch negativ ausfallen wird; der Prototyp hierfür sei das uns vorerst alleine interessierende Zurückbleiben des Leistungsniveaus hinter dem Anspruchsniveau. Schauen wir uns kurz an, wie Sozialpsychologen, als Selbst- und als Fremdbeobachter, diese Diskrepanzerfahrung beschreiben und bewerten. Auch hier kann nur ein Querschnitt der Meinungen gegeben werden, in denen sich das bei negativen Diskrepanzen zu erwartende Unbehagen ausgedrückt hat. a) Unruhe und Unzufriedenheit Der Ordnung halber sollte man vorweg an die nicht allzuwenigen denken, die keinerlei Unbehagen kennen oder erkennen lassen, weil ihnen auch

«Sorge..., daß ohne einige neue theoretische OrientierungenunserGebiet(derexperimentellen Sozialpsychologie [C.F. G.] für allzulange Zeit auf dem gegenwärtigen Entwicklungsniveau stehen bleiben kann. Wenn wir in der experimentellen Sozialpsychologiefür die nächsten 15 Jahre lediglich die Menge unserer Bemühungen steigern, ohne die Richtung zu ändern, werden wir baldeine negative Bilanz haben.» Oder in den Worten von THORNGATE (1976, p. 136): «Our discipline faces Stagnation unless we begin to develop new approaches to it.» Es selbst steuert zur Auflösung der Stagnation «Postulate der Impotenz» (impostulates) bei, d.h. eine Serie von Aussagen über die Unfähigkeit, bestimmte Dinge zu tun, wie immer man es methodisch auch anstellen mag. Das entscheidende «Impostulat» ist das der theoretischen Einfachheit, die in der Sozialpsychologie letztlich nicht zu erreichen sei (a.a.O., p.124 ff.). M C G U I R E , 1 9 6 7 der erste beredte Verteidiger des durch K . R I N G ( 1 9 6 7 ) provozierten «wissenschaftlichen Establishment», diagnostizierte damals, daß das dynamische Gleichgewicht zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung gestört worden sei «by a temporary perturbation too far in one direction» (a. a. O., p.

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124), d.h. zugunsten vor allem der laborexperimentellen Forschung. Aber es dauerte bis zum Tokioter Kongreß, daß M C G U I R E (1973) die Lage der Sozialpsychologie mit «Erdstößen» und die vieler Sozialpsychologen mit «erschüttertem Vertrauen» charakterisierte. Doch lag ihm näher, als wie andere von einer «Krise», lediglich von «Unbehagen» und «Unruhe» darüber zu reden, daß das Gleichgewicht von Theorie und Empirie, von Hypothesen Generieren und Hypothesen Testen, von Labor- und Feldforschung, von Beschreibung und Erklärung, von Quer- und LängsschnittAnalysen gestört sei; allerdings so sehr, «daß alles in Frage gestellt ist, und wo es manchmal den Anschein hat, daß den Besten jede Überzeugung fehlt, während die Schlimmsten voll von leidenschaftlicher Intensität sind» (a.a.O., p. 456). In seiner Presidential Address vor der APA Division of Personality and Social Psychology sprach P A U L S E C O R D 1975 zwar davon, daß, sich selbst und was sie tun zu kritisieren, «heutzutage ein populärer Sport unter Sozialpsychologen» sei (SECORD, 1977, p.41), doch bleibt er, wenn er ernst wird, nicht beim Konstatieren von «Klagen» und «weitverbreiteter Unzufriedenheit» stehen; sein ganzer Vortrag steht unter dem Titel der «Suche nach einem Paradigma»; darüber gleich mehr. Eine Art Desorientiertheit stellen so unterschiedliche Sozialpsychologen wie J A H O D A und SHAVER fest. J A H O D A ( 1 9 7 4 , p . 1 0 5 ) glaubt, feststellen zu können, daß «viele Leute nicht mehr völlig an das glauben, was sie tun», ja daß sie glauben, auf ein «falsches Geleise» geraten zu sein. SHAVER ( 1 9 7 4 , p . 3 5 6 ) meint, «viele amerikanische Sozialpsychologen hätten das Gefühl, weder einen substantiellen Beitrag zur Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens noch zur Entwicklung einer kohärenten wissenschaftlichen Disziplin geleistet zu haben» - ein Satz, der - ohnehin anläßlich des Erscheinens von ISRAEL & TAJFEL (1972) geschrieben - sicher nicht nur für amerikanische Sozialpsychologen gilt. b) Krise Wenn j emand nicht mehr an das glaubt, was er tut, keinen rechten Sinn mehr in seinem Handeln sieht, sich allgemein desorientiert zeigt, dann sagen wir allerdings umgangssprachlich wie wissenschaftlich gerne, daß der Betreffende sich in einer Krise befindet. Solche Krisen kennt die Lebensal-

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terforschung in der Pubertät wie in der Lebensmitte. In einem ähnlichen Sinne verwendet wäre auch die Rede von der Krise der Sozialpsychologie vertretbar. So definiert T R I A N D I S (1975, p. 84) die «Krise in der Sozialpsychologie» durch eine Reihe von Mängeln, die wir zur Zeit besonders deutlich spüren: «Die Variablen, die in unserer Theorie Verwendung finden, erklären zu wenig Varianz. Sie haben begrenzte Replizierbarkeit und Generalisierbarkeit und erklären nicht die Wechselwirkungen zwischen Person-, Situations- und Verhaltensmerkmalen. Unsere Theorien und Untersuchungspläne sind so zugeschnitten, daß sie die Existenz von Differenzen determinieren, Methodenvarianz und -artefakte widerspiegeln und oft Pseudodimensionen aufweisen».

Doch die Interpretation der erfahrenen Diskrepanzen zwischen Soll- und Ist-Zustand der Sozialpsychologie als Krise war von Anfang an schwerwiegender gemeint, nämlich als Krise im Kuhnschen Sinne oder, vorsichtiger formuliert, im Sinne des Kuhn-Verständnisses der entsprechenden Psychologen. Ohne hier zu entscheiden, was K U H N (1967, 1970, 1972) genau unter einer Krise in der Wissenschaft versteht5, noch ob die Kuhnsche Theorie wissenschaftlicher Revolutionen überhaupt auf die derzeitige Psychologie angewendet werden darf 6 , genüge für das Folgende Kuhns funktionaler Hinweis, daß die Bedeutung von Krisen in dem von ihnen gegebenen Hinweis liege, daß der Zeitpunkt für einen Paradigmawechsel gekommen sei (1967, p. 109). Denn umso mehr versteht man die Selbstbewertungen mancher Sozialpsychologen im Zustand der Selbstaufmerksamkeit. ELMS (1975) ist darin zuzustimmen, daß, soviel auch immer die Rede von der Krise ist, man unterschiedliche Krisen vor sich hat. Die quasi «harmloseste» dürfte die (von ihm selbst für seine Person behauptete) Vertrauenskrise sein, die etwa die obigen Phänomene deckt. Sie kann sich, wenn ' Eingeführt wird der Begriff der Krise von KUHN (1967, p. 12) so, daß er sich nahtlos an die hier praktizierte Selbstanwendung der Theorie der Selbstaufmerksamkeit anzuschließen scheint. «Zum Beispiel erfordert die Art und Weise, in der Anomalien (oder Störungen der Erwartungen) die wachsende Aufmerksamkeit einer wissenschaftlichen Gemeinschaft erregen, ein genaues Studium, und das gilt auch füi> das Auftauchen der Krisen, die durch wiederholte Mißerfolge bei dem Versuch, eine Anomalie auszugleichen, hervorgerufen werden können.» 6 Vgl. hierzu bejahend etwa PALERMO (1971), GROEBEN & SCHEELE (1977), verneinend bzw. skeptisch etwa BRISKMAN (1972), HERRMANN (1976).

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Graumann: Die Scheu des Psychologen vor der Interaktion

zentrale Merkmale oder «Eigenschaften» dessen, was man unter Sozialpsychologie versteht, in den Brennpunkt der Selbstaufmerksamkeit der Sozialpsychologen geraten, selbstverständlich zu einer Identitätskrise verschärfen. Auch diese, glaube ich, läßt sich für einige Sozialpsychologen belegen. Nun ist aber die Krisendiskussion i. e. S. von A n f a n g an über eine Krise im Sinne des Kuhnschen Modells wissenschaftlicher Revolutionen geführt worden (BERKOWITZ, 1970; SMITH, 1972), also über eine paradigmatische Krise, die bereits den Hinweis auf den nahen Paradigmawechsel enthält (KUHN, ebda.). B E R K O W I T Z (1970, p.86) sieht die Sozialpsychologie ausdrücklich in der von Kuhn beschriebenen «Krisenphase». B R E W S T E R S M I T H , dem sich 1972 die Frage aufdrängte, ob es mit der experimentellen Sozialpsychologie überhaupt weitergehe, entwickelte bei der Beantwortung ebenfalls die Überzeugung, daß die Situation die einer paradigmatischen Krise sei. «Unsere besten Wissenschaftler tasten sich mühsam bei der Suche nach einem brauchbaren Paradigma vorwärts» (1973, p. 464). Auch M. S H E R I F (1977) ist - bei aller Skepsis gegenüber den «ever increasing voices about the crisis in social science (not only in social psychology)» ( a . a . O . , p.371) und gegenüber dem Mißbrauch des Paradigmabegriffs ( a . a . O . , p. 374) - doch von einer tiefwurzelnden Krise überzeugt , deren Hauptindikator für ihn das eklatante Mißverhältnis zwischen der Menge und der Güte sozialpsychologischer (publizierter) Forschung ist, zwischen viel «Spreu» und wenig «Weizen» ( a . a . O . , p.368). Am dezidiertesten setzt sich von den Sozialpsychologen wohl P A U L S E C O R D (1977) mit der Kuhnschen Theorie und damit metatheoretisch mit der Krise auseinander. In «Social Psychology in Search of a Paradigm» bemüht er sich, Wege aufzuweisen, die aus der Krise herausführen und damit aller Ungewißheit und Frustration ein Ende bereiten ( a . a . O . , p.41). Schon bei S E C O R D ist nicht mehr die Rede von der Suche nach nur einem Paradigma; auch KIESLER & L Ü C K E ( a . a . O . , p . 1 4 3 ) halten die Vorstellung von einem einzigen Paradigma für die Sozialpsychologie für überholt; diese Autoren haben gar den Verdacht, daß manche mit der Krisenbeschwörung die « H e r a u f k u n f t des Paradigmas» mitbeschwören wollen (ebda.); doch das wären Verhaltensweisen, die sich nicht mehr aus der

OSA-Theorie alleine vorhersagen ließen; hier müßte die Dissonanztheorie von «When prophecy fails» (FESTINGER et al., 1956) hinzugenommen werden. Eine letzte hier zu diskutierende Selbstbewertung - und wohl die radikalste überhaupt spricht nicht einmal mehr von Krise und Paradigmawechsel, sondern negiert den Status der Sozialpsychologie als science (Naturwissenschaft); sie sei adäquater als history (und damit als Geisteswissenschaft) zu betreiben (GERGEN, 1973,1976, 1978; hierzu die Diskussion bei GODOW, 1976; GOTTLIEB, 1 9 7 6 ; G R E E N W A L D , 1 9 7 6 ; H E N D R I C K , 1976;

M.LEWIN,

1977;

MANIS,

1975;

CKER, 1 9 7 4 ; THORNGATE, 1 9 7 6 ; WOLFF,

SCHLEN1977)7.

Die Hauptargumente für die Konzeption der Sozialpsychologie als eine historische Disziplin lauten, daß (1) psychologische Erkenntnisse durch ihre Diffusion und aufgrund ihres immer auch präskriptiv interpretierbaren Charakters dasjenige Verhalten verändern, das sie beschreiben und erklären sollen, und daß (2) kultureller Wandel das Aufstellensinnvollerfüralle Epochen gültiger Gesetze verbietet. Die kritische Folgerung GERGENS lautet entsprechend, daß es kurzsichtig sei, Sozialpsychologie einzelwissenschaftlich getrennt zu halten von der Geschichtswissenschaft und anderen historisch orientierten Disziplinen wie Soziologie, Politologie und Ökonomie. Aus anderen Gründen, die nur zum Teil denen GERGENS verwandt sind, zieht auch MOSCOVICI (1972, p.32) das Fazit: «Man muß zugeben, daß Sozialpsychologie in Wahrheit keine Wissenschaft ist.» Es fehle ihr jede Art von Einheitlichkeit, die andere Wissenschaften charakterisiere. Unter den Trennungslinien, die Moscovici zu erkennen glaubt, sei eine herausgegriffen, die in der «Krisendiskussion» auch sonst figuriert: «die Trennungslinie zwischen Beobachtung und Experiment» ( a . a . O . , p.34), die Moscovici wohl mit Recht nicht lediglich als eine der Arbeitsteilung sieht: « E s handelt sich um eine echte Spaltung, die die wissenschaftliche Gemeinschaft so tief trennt, daß man mit Recht fragen kann, o b wir es nicht mit zwei verschiedenen Arten von 7 In der deutschsprachigen Fachliteratur wurde die analoge Diskussion über das Für und Wider nomothetischer Psychologie (nicht so sehr speziell nomothetischer Sozialpsychologie) geführt, wozu hier nur stellvertretend auf entsprechende Beiträge in unserer Zeitschrift verwiesen sei ( z . B . HOLZKAMP, 1970; HERRMANN, 1971; sowie die kritische Diskussion der kritischen Psychologie, passim).

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Wissenschaft oder zwei getrennten Disziplinen zu tun haben» (ebda).

Lassen wir beiseite, ob es sich um Selbst- oder Fremdkritik handelt, und rekapitulieren nur kurz die bekannten Angriffs- und Abwehrmomente der beiden Lager: Die einen, die «Experimentalisten», verfügen über die «harten» oder «sauberen» Daten, deren Ähnlichkeit mit der sozialen Realität im Extremfall rein zufällig ist (s.o.); die anderen, die «Feldforscher», arbeiten mit «weichen» oder «schmutzigen» Daten, weil sie den direkten Zugang zur sozialen Wirklichkeit, zu natürlichen (alltäglichen) Situationen suchen. Bemerkenswert ist nun, wie sich diese «Krisis», die hier j a wörtlich «Trennung» bedeutet, auf die Gesamtgruppe der Sozialpsychologen verteilt. WILSON & SCHAFER (1978) sind dem in einer Erhebungsstudie zur Frage: «Ist Sozialpsychologie interdisziplinär?» in der Weise nachgegangen, daß sie zuerst einmal drei Stichproben bildeten, je nachdem, ob ihre Respondenten sich als psychologische (PSP) oder als soziologische (SSP) Sozialpsychologen oder als beides ( S P S P ) bezeichneten. Befragt nun, welcher Forschungsmethoden sie sich bedienten, antworteten für die acht vorgegebenen Methodenkategorien die drei Gruppen, wie (in Prozent der verwendeten Methoden) aus Tab. 1 ersichtlich.

Tab. 1: Prozentuale Verteilung von Forschungsmethoden bei drei Gruppen von sozialpsychologischen Forschern. PSP = Sozialpsychologen, die sich als Psychologen, SSP = als Soziologen, S P S P = als beides bezeichnen. (Modifiziert nach D. W. W I L S O N & R . B . S C H A F E R : 1s social psychology interdisciplinary? Personality and Social Psychology Bulletin 1978,4, 548552. Copyright © 1978 Society for Personality and Social Psychology, Inc.) PSP (n = 44)

SSP (n = 24)

SPSP (n = 26)

Laborexperiment Feldexperiment natürliches Experiment

46 12 8

13 5 4

24 9 11

experimentelle Methode

66

22

44

Erhebung Feldstudie Literaturforschung Archivforschung Diverses

13 12 6 2 1

38 19 19 1 0

37 8 5 2 3

nichtexperimentelle Methode 34

77

55

Das aber bedeutet, daß für zwei Drittel der psychologischen Sozialpsychologen die experimentelle die Methode ihrer Wahl ist, aber nicht einmal für ein Viertel der soziologischen Sozialpsychologie, deren favorisierte Methode die Erhebung ist. Leider unterscheiden sich die beiden Gruppen P S P und S S P nach der gleichen Untersuchung auch in den Forschungsthemen, den bevorzugten Lehrbüchern, den für sie einschlägigen wissens c h a f t l i c h e n A u t o r i t ä t e n ( P S P : LEWIN, FESTINGER, SCHACHTER, A S C H , CAMPBELL,

ALLPORT;

S S P : M E A D , GOFFMAN, F R E N C H , HOMANS, BALES)

und in den Fachzeitschriften, in denen sie publizieren, bzw. die sie lesen. So kommen die beiden Sozialpsychologen zu dem auch von anderen Autoren gezogenen und (von beiden Seiten) bedauerten Schluß: «Die zwei Lager ignorieren einander weitgehend, halten einander für irrelevant oder sind sich gar der Existenz der anderen nicht bewußt» ( a . a . O . , p. 551). Der wohl alleanderen Differenzen ausmachende Unterschied: 86% der PSP-Gruppe graduierten von einem Psychologischen Institut, 87% der SSP-Stichprobe von einem Soziologischen Institut (vgl. zum gleichen Thema des sozialpsychologischen Schismas ARCHIBALD, 1 9 7 6 ; ARMISTEAD, 1 9 7 4 ; B L A N K , 1 9 7 8 ; GRAUMANN, 1 9 6 9 ; HOUSE, 1 9 7 7 ; STRYKER, 1 9 7 7 ) .

Vielleicht ist der Untertitel des Artikels von ARCHIBALD die prägnanteste Einschätzung der kontradisziplinären Situation: « B a d fences m a k e b a d neighbours». Es dürfte keine Frage sein, daß, wie es BLANK (1978) jüngst bedauert hat, die so ausschließliche und ausschließende disziplinare Identifikation das Potential beider Sozialpsychologien stark einschränkt. Einen kleinen, aber schlaglichtartigen Beleg dafür bringt die obige Studie von WILSON & SCHAFER ( a . a . O . , p . 552): B i s in die S P S P - G r u p p e

hinein, die doch die interdisziplinärste war, nannten die «Psychologen» LEWIN als ihren wichtigsten Gewährsmann und MEAD überhaupt nicht, nannten die «Soziologen» MEAD als ihren wichtigsten Gewährsmann und LEWIN überhaupt nicht. Ich möchte das Kapitel der Selbstbewertung der Sozialpsychologie als «krisenhaft» nicht abschließen, ohne einen Hinweis anzufügen, den ges c h i c h t s b e w u ß t MIRIAM L E W I N ( 1 9 7 7 ) g e g e b e n

h a t , i n d e m sie in E r i n n e r u n g a n KURT LEWINS

Konzeption der Sozialpsychologie die «Krise von 1977» mit der «Krise von 1927» verglich, dem

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Graumann: Die Scheu des Psychologen vor der Interaktion

Jahr also, in dem KARL BÜHLER seine berühmte « K r i s e der P s y c h o l o g i e » herausbrachte, KURT LEWIN «Gesetz und Experiment in der Psycholog i e » . In diesem kleinen Band (in dessen Einleitungsabschnitt LEWIN übrigens von einer « K r i s e » der psychologischen Begriffsbildung und der sich daraus ergebenden erkenntnistheoretischen P r o blematik spricht) kontrastiert LEWIN die Regelmäßigkeit oder Regel, die einen «historisch-geographischen» Zusammenhang erklärt, und das Gesetz, das eine Aussage über einen « konditionalgenetischen» Geschehenstypus darstellt. Die (an CASSIRER orientierten) Schlußfolgerungen, die K . LEWIN aus der Gegenüberstellung von genotypischen und phänotypischen Verläufen und Zuständen für die Behandlung des Einzelfalls und vor allem - für das Aufsteigen v o m Einzelfall zum Typus gezogen hat, betreffen unmittelbar Aspekte der heute von GERGEN (1973) ausgelösten Kontroverse. MIRIAM LEWIN ( a . a . O . , p.169) geht so weit, die « K r i s e von 1977» als eine Zurückweisung der «Locke-Humeschen Erkenntnistheorie» zu bewerten und damit eine Annäherung an die neukantianische Position CASSIRER-LEWINS ZU diagnostizieren . A u f j eden Fall aber hat die These viel für sich, daß es in den beiden 50 Jahre auseinander liegenden « K r i s e n » um ähnliche Probleme ging. Diese Beziehung genauer zu erkennen, bedürfte es allerdings einer gründlicheren Historiographie als sie in der Psychologie üblich ist (s.u.). Sonst entsteht der irreführende Eindruck, den der Klinische Psychologe N.L.FARBEROW (1973) für sein Gebiet gewann: « T h e crisis is chronic».

SHERIF(1977 , p. 374) ironisch diedes «Business A s U s u a l » genannt hat. Wer unter Selbstkritik versteht, « N o b o d y is p e r f e c t » , und daß man die eben abgeschlossene Untersuchung noch besser hätte machen können, hat wohl die im strengen P e r f e k tionierungswollen auch vor sich selbst nicht Halt machende Attitüde «Just Sharpen The Technical T o o l s » (ebda.). Schließlich gibt es denjenigen, der die Selbstkritik in der gegenwärtigen Sozialpsychologie prinzipiell akzeptiert; nur, ehe er sie für sich selbst realisiert: «Just One M o r e Experim e n t » (THORNGATE, a . a . O . , p.124). Ich glaube, auch die erste Reaktionsform aus Raumgründen hier nicht im einzelnen belegen zu können, noch es zu müssen. Fast alle der genannten an der Selbstkritik beteiligten Autoren haben ja nicht nur, wie es SHERIF ( a . a . O . , p . 3 7 1 f . ) formulierte, sich an die Brust geschlagen und sind in das große KrisenLamento ausgebrochen; die meisten bieten auch Auswege und Rezepte, von denen die wichtigsten

3. Die dritte und für unsere Selbstanwendung letzte These der O S A - T h e o r i e besagt, daß die negativ bewerteten Diskrepanzen zwischen dem realen und dem idealen Selbstkonzept eine Motivation hervorbringen, derlei Diskrepanzen zu reduzieren . Selbstkritik und - sekundär - Meidung von Selbstaufmerksamkeit induzierenden Situationen sind die beiden bekanntesten Reduktionsformen. D a v o n ist die letztere sicher in der heutigen Sozialpsychologie rein zahlenmäßig die verbreitetste, allerdings, da sie sich kaum äußert, schwer zu lokalisieren. Immerhin, wer von dem ganzen Krisengerede nichts hält, und sich auch nicht davon beeindrucken läßt, daß sich ernst zu nehmende Forscher selbstkritisch äußern, der nimmt, wenn er völlig unberührt bleibt, die Haltung ein, die

MERTENS & FUCHS ( a . a . O . , p . l 6 4 f f . ) i n e i n e m K a -

pitel « Vorschläge zur Behebung der K r i s e » behandelt haben. Leider sind die im einzelnen gemachten Vorschläge so heterogen und zum Teil auch nicht kompatibel, daß ihre gemeinsame Verwirklichung ausgeschlossen ist, die Realisierung aber der Einzelrezepte die kritische Situation der Sozialpsychologie nur verschlimmbessern kann. Ich möchte für den zweiten und abschließenden Teil dieser Überlegungen nur eine einzige Richtung verfolgen, die ich durch folgende These charakterisieren möchte. Wenn man sich die von Sozialpsychologen im Zustand der Selbstaufmerksamkeit vorgebrachten Selbstkritiken im einzelnen vor A u g e n führt, so ist wohl keine darunter, die wirklich neu ist. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, daß das heute Vermißte das zu Beginn der Sozialpsychologie durchaus für deren Theoriebildung, Thematik und Methodik G e f o r derte ist, allerdings durch den von A n f a n g an zwiespältigen Charakter der Sozialpsychologie auseinandergerissen worden ist.

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A separate individual is an abstraction unknown to experience, and so likewise is society when regarded as something apart from individuals. CHARLES H . COOLEY

II. Die zwiespältige Sozialpsychologie

man mit MCDOUGALL(1908) annimmt, daß soziale Triebe dem Menschen zwar angeboren sind, er jedoch von vor-moralischen zu moralischen Tendenzen allererst «sozialisiert» werden müsse, die Sozialisation zur (erwachsenen) Persönlichkeit ist ein genuin sozialpsychologisches Thema, auch wenn Entwicklungspsychologie und Persönlichkeitspsychologie den gleichen Anspruch erheben können, und wenn manche Sozialpsychologien der Gegenwart (und zwar gerade psychologische) dieses Thema nicht behandeln ( vgl. et wa BERGIUS, 1 9 7 6 ; N E W C O M B e t a l . , 1 9 6 6 ; S H E R I F & SHERIF,

1. Drei Ebenen sozialpsychologischer Forschung

1969; erstaunlicherweise auch H I E B S C H 1979 im Unterschied zu H I E B S C H

WERG,

& VOR& VOR-

a) Die Sozialpsychologie des Individuums

WERG, 1971).

Es gibt psychologisch bedeutsame Sachverhalte, die sich unmittelbar am einzelnen Individuum und nur am Individuum beobachten und messen lassen, nämlich als dessen Verhalten und Zustände. Es hat sich dabei so eingebürgert, die Reaktionen eines Individuums auf physische Reize als Forschungsthema der Allgemeinen Psychologie, Reaktionen auf «soziale Reize» als Gegenstand der Sozialpsychologie zu betrachten (hierzu G R A U M A N N , 1969, p.60ff.). Doch läßt sich diese naive Unterscheidung und damit die Arbeitsteilung nur akzentuierend durchhalten; eine Psychologie, von der alles «Soziale» quasi subtrahiert würde, dürfte sich kaum «Allgemeine» nennen. Andrerseits ist die Limitierung «sozialer Reize» auf personale (praktiziert seit F.H. ALLPORT, 1924) unzulässig eng. Allein aus diesen Gründen bleibt auch die Grenzziehung zwischen Allgemeiner und Sozialpsychologie rein traditionell-irrational, und die Hauptkapitel der «Allgemeinen», nämlich Wahrnehmung, Begriffsbildung, Urteilen, Problemlösen, Emotion und Motivation wiederholen sich im typischen Lehrbuch der Sozialpsychologie mit dem vorangestellten Adjektiv «sozial». Das entscheidende gemeinsame Element beider «Fächer» ist also darin zu sehen, daß Allgemeine wie Sozialpsychologie Individualpsychologie sind.

Wiederum kann man angesichts der Tatsache, daß Kinder in eine konkrete soziale Gruppe (Familie) hineingeboren werden, und sich fast ihr ganzes Lernen als ein sozial vermitteltes und bekräftigtes vollzieht, die Frage stellen, was Sozialpsychologie und Entwicklungspsychologie, vor allem Lebensalterforschung, voneinander trennt. Wenn es die Entwicklungsperspektive ist, die - im Sinne einer Arbeitsteilung - ein eigenes «Fach» konstituiert, dann wäre nicht nur Sozialisation i. e. S. von der Sozialpsychologie zu subtrahieren, sondern jede Frage der Genese und des Wandels von individuellen Verhaltensweisen, Zuständen und Persönlichkeitsmerkmalen. Die eigentliche Bedingungsanalyse würde auf diese Weise in der (verbleibenden) Sozialpsychologie gravierend verkürzt.

Noch in einer zweiten Hinsicht wird das Individuum sozialpsychologisch interessant, nämlich als sich entwickelnde Persönlichkeit. Gleich ob man mit manchen Psychoanalytikern (Freudscher Provenienz) annimmt, der Mensch komme als mit «egoistischen» Trieben ausgestattetes Naturwesen zur Welt und werde erst durch entsprechenden Triebverzicht zum Kulturwesen, oder ob

Zu den psychologisch bedeutsamen Sachverhalten, die unmittelbar nur am Individuum feststellbar sind, gehören schließlich die Merkmale (Eigenschaften), die eine Persönlichkeit ausmachen. Sie sind, wenn man irgendeine der gängigen Listen von Eigenschaften oder Persönlichkeitsfaktoren herausgreift, in einem beachtlichen Ausmaße Zusammenstellungen von Bezeichnungen für soziale Verhaltensmuster bzw. für die aus ihnen attribuierten Dispositionen (etwa kontaktbereit, beherrscht, aggressiv, impulsiv, sorgfältig, gewissenhaft, draufgängerisch, Schutz suchend, argwöhnisch usw. in HOFSTÄTTERS (1971, p.377) Darstellung des 16 PFT). Doch die mit ihnen operierende Différentielle Psychologie bedient sich bekanntlich ganz anderer Theorie und Modelle eben der Persönlichkeit - als die Sozialpsychologie. Immerhin - und das mag ein Fortschritt sein -

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ist in Titel und Thematik des führenden amerikanischen Fachorgans die langjährige Ehe von «abn o r m » und «sozial» durch die von «Persönlichkeit» und «sozial» abgelöst worden 8 . Doch handelt es sich bei aller Individuenzentriertheit beider Teildisziplinen nicht um eine Einheit, sondern um eine Und-Verbindung; insofern ist der Titel der Zeitschrift korrekt.

Doch das untersuchte interaktionale P h ä n o m e n ist - auf die Gefahr der unzulässigen Wiederholung gesagt - zwar nicht «mehr», aber etwas anderes als die Summe dieser Bedingungen oder «Anteile» . N u n läßt sich diese interaktionale Perspektive von den reinen Interaktionsphänomenen auf alle Sachverhalte generalisieren, die zwar an A festgestellt und auch dort isoliert werden können (wie ein isoliertes Lächeln oder eine chronische Gereiztheit bei A), die uns aber erst dann voll verständlich werden, wenn wir erkennen, daß sie auf B (C, D . . . ) bezogen oder durch B (C, D . . . ) ausgelöst sind. (Zum Prinzip erhoben, wird diese Sicht zum Interaktionismus, der den unter (a) charakterisierten «Individualismus» aufhebt.)

b) Die Sozialpsychologie der Interaktion Es gibt psychologisch bedeutsame Sachverhalte, die sich nur an der Interaktion von mindestens zwei Individuen feststellen lassen. Solche interaktionalen P h ä n o m e n e sind weit gestreut; sie reichen vom flüchtigen Händedruck und Begrüßungskuß bis zum Eingehen oder Auflösen einer sozialen Beziehung oder Verbindung; sie umfassen alles, was Menschen miteinander bzw. gegeneinander tun. Im Unterschied zu den intrapersonalen bzw. individuellen Phänomenen der ersten Ebene sozialpsychologischer Forschung handelt es sich jetzt um interpersonale bzw. interindividuelle Verhaltensweisen. Nicht einmal der strenge «methodologische Individualist», der noch jede Kommunikation methodologisch halbiert (in A sendet, B empfängt, dann sendet B usw.), ist in der Lage, einen Händedruck oder Kuß aus methodischen Gründen in zwei individuelle Anteile zu halbieren, ohne sich - und zwar rein methodologisch - zu blamieren. (Lieber überläßt er die echt interaktionalen P h ä n o m e n e den Dichtern und Ethnomethodologen.) Wie das schlichte Beispiel des Händedrucks zeigt, handelt es sich bei rein interaktionalen Phänomenen nicht um Numinoses oder Atmosphärisches (wie die erfolgreich exorzierte «Gruppenseele»), wohl aber um emergente P h ä n o m e n e , die allererst entstehen, wenn Menschen sich in spezifischer Weise zueinander verhalten. Selbstverständlich gehört zur Interaktions-Analyse, speziell der Bedingungsanalyse, die Identifikation des Beitrags (Anteils) des Einen und des Anderen sowie sonstiger, z. B. ökologischer Bedingungen. ' Nach ALLPORT (1968, p.35) ist die erst seit 1922 offiziell gewordene Verbindung 1965 nicht aus theoretischen Überlegungen, sondern aus Platzgründen aufgelöst worden. Dafür platzt jetzt das Journal of Personality and Social Psychology aus den Nähten bzw. in die Unterorgane: «Attitudes and Social Cognition», «Interpersonal Relations and Group Processes» und «Personality and Individual Processes», wobei auffällt, daß nach wie vor das «Intrapersonale» in einen sozialund einen persönlichkeitspsychologischen Teil zerfällt.

Bleiben wir bei der reinen Tatsache interaktionaler P h ä n o m e n e , so bleibt festzuhalten, daß soziale (interpersonale) Interaktion in Dyaden und Gruppen ein legitimer Forschungsbereich der Sozialpsychologie ist und von manchen zum definiens von Sozialpsychologie gemacht worden ist ( v g l . ARGYLE, 1 9 7 2 ; NEWCOMB e t a l . , 1 9 6 5 u n d d i e

Vertreter des symbolischen Interaktionismus wie LINDESMITH & STRAUSS, 1974). Die Verwendung des Wortes Interaktion ist allerdings noch kein Beleg d a f ü r , daß der betreffende Sozialpsychologe Interaktion im obigen Sinne versteht. Wenn etwa Interaktion heißt: Das Verhalten von A beeinflußt das Verhalten von B, und das Verhalten von B affiziert das Verhalten von A (wie bei THIBAUT&KELLEY, 1959; dagegen entfällt in KELLEY & THIBAUT, 1978, Interaktion als zentrale Kategorie; vgl. auch die Definition sozialer Interaktion bei IRLE, 1975, p.398) 9 , dann betont diese «Definition» die pure Kontingenz zweier Aktionen. Das eigentlich Interaktionale, etwa als Wechselwirkung, wird explizit ausgespart; die Interpretation: B verhält sich so, weil A das und das getan hat, ist unzulässig. Das beobachtete Verhalten von A wie von B läßt sich im Sinne der Sozialpsychologie vom Individuum (s.o.) beschreiben. Ein letztes Wort zur Erforschung interaktionaler P h ä n o m e n e läßt die Geschichte der Sozialpsy' THIBAUT& KELLEY (1959) definieren, was sie Interaktion nennen, sogar noch zurückhaltender: Zwei Personen stehen demgemäß in Interaktion, wenn «sie Verhalten in Gegenwart der anderen äußern, sie Produkte füreinander erzeugen oder miteinander kommunizieren» ( a . a . O . , p.10). Die Autoren sprechen bereits dann von Interaktion, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß die Handlungen jeder Person die der anderen affizieren (ebda.; Hervorhebungen von C. F. G.).

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chologie angeraten erscheinen. Denn in dem - oft fast ausschließlichen - Maße, in dem heute Interaktion an «Mindestmengen» von Menschen, meist Dyaden, studiert wird, war es zu Beginn Interaktion in «Massen». Sieht man von aller unund außerwissenschaftlichen Ideologieab.diedie Massenpsychologie des fin du siècle charakterisiert, einige der seitdem interessierenden Phänomene sind rein interaktionale. Als Beispiel kann die sogenannte «psychische Ansteckung» dienen, die, später in behavioristischer Sprache als « Interstimulation» und als «zirkuläre Reaktion» bezeichnet (ALLPORT, 1 9 2 4 ) , auch noch die heutige Psychologie des kollektiven Verhaltens als reziproke Sensibilisierung beschäftigt (vgl. etwa MILGRAM & TOCH, 1 9 6 9 ; KRONER, 1 9 7 2 ) .

Es mag sein, daß diese auffällige Akzentverlagerung der eines gesellschaftlichen Interesses vom Öffentlichen zum Privaten (vgl. KRUSE, im Druck) parallel geht. Tatsache ist, daß die Erforschung interaktionaler Phänomene in Dyaden und Kleingruppen die in Kollektiven so drastisch abgelöst hat, daß in manchen heutigen Lehrbüchern der Sozialpsychologie kollektives Verhalten nicht mehr thematisiert wird, was noch im ersten Viertel dieses Jahrhunderts kaum denkbar gewesen wäre. Dabei finden selbst die Interaktionen in Kleingruppen heute nicht mehr das Forschungsinteresse, das sie eigentlich verdienen. LEWIN und die frühen Erforscher der «Gruppendynamik» (vgl. CARTWRIGHT & ZANDER, 1 9 6 8 3 ) haben sicher Recht mit ihrer Annahme, daß der Mensch - nicht nur unserer Kultur - den größten Teil seines privaten und beruflichen Lebens in Kleingruppen verbringt, und daß deshalb das Studium menschlicher Interaktionen in und zwischen Gruppen für einen Verhaltenswissenschaftler ein sehr zentraler Teil seiner Forschung sein muß. Nun galt das ja wohl nicht nur für die vierziger und fünfziger Jahre; aber nur in diesen beiden Dekaden «blühte» die Kleingruppenforschung. Seit den sechziger Jahren ist sie so zurückgegangen, daß STEINER ( 1 9 7 4 ) seine Katz-Newcomb Lecture in Ann Arbor unter die Frage stellte «Was ist bloß der Gruppe in der Sozialpsychologie zugestoßen?» Seine sehr lesenswerte Antwort ist, auf das Wesentliche zusammengefaßt, eine doppelte: 1) Die Sozialpsychologie ist im ganzen etwa seit den sechziger Jahren «individualistischer» ge-

worden, d.h. noch individuum-zentrierter als sie es ohnehin schon war. Als Belege können dienen die Präokkupation mit Attitüden, Dissonanz und eine sehr individualistische «social perception»-Forschung; jetzt ist es Attribution. 2) Auch in der Blütezeit der (experimentellen) Kleingruppenforschung dominiert die individualistische Perspektive, z.T. theoretisch provoziert durch Lewins kognitivistisches Konzept des (individuellen) «Lebensraums». «Psychologische Sozialpsychologen redeten zwar von der Gruppe, aber es scheint, daß siesich erst wohlfühlten, wenn sie sie in einen Haufen von Wahrnehmungen und Valenzen im Kopf des individuellen Gruppenmitglieds transformiert hatten» (a.a.O., p.101).

Umgekehrt hielt die soziologische Sozialpsychologie ihre Präokkupation mit Macht, Status, Position und anderen Strukturproblemen davon ab, der eigentlichen Gruppeninteraktion gerecht zu werden. Steiners Prognose, die Sozialpsychologie würde Ende der siebziger Jahre wieder so «groupy» sein wie Ende der vierziger (a.a.O., p.106), war falsch; er hatte den kognitivistischen Trend und den ihm inhärenten methodologischen Individualismus unterschätzt. Was dagegen heute unter der Bezeichnung «Gruppendynamik» blüht, wächst und (auch kommerziell) gedeiht, ist, auch wenn der Begriff auf LEWIN(1939) zurückgeführt wird, eine bunte Mischung von Gruppentechniken zu therapeutischen, pädagogischen und wirtschaftlichen Zwecken und von sehr unterschiedlicher Provenienz und Güte. Die Beziehung dieser gruppendynamischen Ereignisse und Technologien zur gegenwärtigen sozialpsychologischen Grundlagenforschung ist denn auch eher zufälliger Art. c) Die Sozialpsychologie sozialer Strukturen Psychologische Aussagen über soziale Aggregate wie Kleingruppen oder auch größere Menschenmengen zu machen, erscheint bei aller methodischen Schwierigkeit, die sie bereiten, nach wie vor legitim. Ist die Situation anders bei formaleren sozialen Strukturen (Organisationen, Institutionen)? Wenn ich eine Organisation wie einen Verband, eine Institution wie die Kirche nehme, was können dann psychologische bzw. sozialpsychologische Aussagen über solche Strukturen sein? Einmal sicher Aussagen über einzelne Individuen

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(in strukturell definierten Positionen und Rollen) im Sinne der analytischen Ebene (a). Ihr Spezifikum wäre dann lediglich, daß die hypostasierte Abhängigkeit des Verhaltens solcher Individuen nicht allgemein von sozialen, sondern spezieller etwa von institutionellen «Reizen» zu untersuchen wäre. Auf diesem Wege gewann beispielsweise F.H. ALLPORT (1933) seine (umstrittenen) Erkenntnisse über «institutionelles Verhalten»; doch kann es nicht bei einer individuenzentrierten Betrachtungsweise bleiben. Wer, wie viele Sozialpsychologen seit Ross (1908), an Uniformitäten menschlichen Verhaltens und deren Gegenteil, fem Atypischen, interessiert ist (so vor allem

wenigstens ein «group mind» (MCDOUGALL) gebe und wie beides wissenschaftlich zu erfassen sei. Während ALLPORT (1924), der Gegenspieler von MCDOUGALL (1920), psychologische Realität nur beim Individuum sah und entsprechend das «Gruppenbewußtsein» aus der Wissenschaft verbannte, die Gruppe als ganzes jedoch (wie schon Ross, 1908) an die Soziologie delegierte (a.a.O., p.10), löste der Lewin-Kreis das «Gruppenbewußtsein», wie die «Gruppenatmosphäre», in Interaktionen bzw. in ein interaktionales Rollenspiel auf (LEWIN, 1953, p.83). Dennoch gibt es, seit die Psychologie auch als Verhaltenswissenschaft auftritt, die Möglichkeit, sinnvoll vom Verhalten ganzer sozialer Systeme zu sprechen: Eine Kolonne marschiert, ein Gremium fällt eine Entscheidung, eine Firma wird bestreikt. Sicher läßt sich das Marschieren, Entscheiden, Streiken in eine Fülle von Einzelaktivitäten auflösen, nicht aber darauf reduzieren. Den erkenntnistheoretischen Streit um die Realität oder Fiktionalität des Sozialen oder auch nur um den ontologischen (oder gar ideologischen) Primat des Sozialen von dem Individuellen braucht man nicht zu beleben, um die Feststellung treffen zu können: Auch das Verhalten eines sozialen Systems als ganzes läßt sich beschreiben und - in Grenzen - messen, ohne dabei ausschließlich auf individuelles und interindividuelles Verhalten zurückgreifen zu müssen. Denn so wieGruppen und Organisationen auch bei Austausch aller ihrer Mitglieder weiter existieren können, bleiben sie prinzipiell auch handlungsfähig, wenn von Mal zu Mal die Mitglieder und die zwischen ihnen spielenden Interaktionen variieren. Dafür, daß weiter marschiert, entschieden und gestreikt wird, sorgen die Regeln des entsprechenden sozialen Systems, die ihrerseits zu identifizieren und zu erfor-

d i e ALLPORT-Schüler D . K A T Z & R . L . S C H A N C K ,

1938), muß, um Gleichförmigkeit überhaupt in den Blick zu bekommen, von dem Einen weg auf die Vielen sehen. Das Individuum tritt zurück; es wird Merkmals-Träger, u.U. nur eines einzigen Kennzeichens; die Psychologie wird «aktuarisch» 10 , ihre Methode das «Schrotschußverfahren». Die anderen Möglichkeiten sozialpsychologischer Aussagen über soziale Organisationen und Institutionen liegen ohne Zweifel auf der analytischen Ebene (b) der sozialen Interaktion. Gibt es Interaktionsmuster (der Kooperation, des Wettbewerbs, der Kommunikation, der Verhandelung der gemeinsamen Konfliktlösung), die sich nur (oder auffällig häufig) in bestimmten sozialen Strukturen finden? Von welcher organisatorischen oder institutionellen Bedingung hängen sie ab? Von den formellen Strukturen der Organisation oder eher von informellen Gruppenstrukturen? 11 Solche und ähnliche Fragestellungen - heute z.T. Themen der Organisationspsychologie und -Soziologie - sind reine Weiterentwicklungen der unter (b) charakterisierten Probleme. Bleibt die Frage, ob es auch sozialpsychologische Aussagen über soziale Strukturen im ganzen gibt. Als die Psychologie noch primär Bewußtseinswissenschaft war, lautete die kontroverse Frage, ob es eine «Volksseele» (WUNDT) oder 10 «Actuarial Psychology» (von actuarius, dessen Prototyp der Versicherungsstatistiker ist), die nur probabilistische Aussagen der «großen Zahl» macht.

" ALLPORT ( 1 9 3 3 ) , KATZ & SCHANCK ( 1 9 6 8 ) e t w a u n t e r -

scheiden bei Institutionen: leaders, rank and file, physical p l a n t a n d e q u i p m e n t . V g l . a u c h IRLE ( 1 9 7 1 ) . 12 In «Probleme der Völkerpsychologie» kommt WUNDT (1911, p.20)zu dem Schluß, da» «die < Volksseele) an sich ein

ebenso berechtigter, ja notwendiger Gegenstand psychologischer Untersuchung wie die individuelle Seele (ist). Und da es Regelmäßigkeiten des geistigen Geschehens gibt, die an die wechselseitigen Beziehungen der Individuen gebunden sind, so würde die Völkerpsychologie sogar mit denselben Rechten den Anspruch erheben können zu heißen wie die Individualpsychologie. Hierhin gehört auch die Frage des immer noch kontroversen Volks- oder Nationalcharakters bzw. der modalen Persönlichkeit (basic personality), derer sich wiederum dieSoziologie und Anthropologie annehmen, während die Psychologie die in den Köpfen von Individuen hypostasierten nationalen Stereotype erforscht, die keinen Nationalcharakter zur Voraussetzung haben.

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sehen die heutige Sozialwissenschaft sich durchaus zutraut.

2. Der historische Zwiespalt und die «Krise» Weder gibt es interaktionsfreie Individuen noch kontextfreie Interaktionen noch individuenfreie soziale Systeme (außer alles dieses als Abstraktionen). So trivial die Feststellung ist, so selbstverständlich bekannt sollte auch der oft geführte Nachweis sein, daß die drei Ebenen sozialpsychologischer Forschung einander bedingen. Damit sollte aber eine am sozialen Verhalten interessierte Wissenschaft auf keine dieser drei analytischen Ebenen verzichten dürfen. Die Sozialpsychologie hat, soweit sie von Psychologen betrieben wird, dennoch zumeist verzichtet und sich damit in eine Lage gebracht, die sie heute als «Krise» beklagt. Tatsächlich gilt nämlich für die Sozialpsychologie als Zweig der Psychologie seit deren historischen Anfängen, was beispielsweise KRECH & CRUTCHFIELD ( 1 9 4 8 ) in ihrem (bis heute weitverbreiteten) Lehrbuch entschieden haben. Sie differenzieren, ähnlich wie es im letzten Abschnitt geschah, zwischen drei Ebenen sozialer Analyse,

nennen aber bereits die individualistische die psychologische; die beiden anderen «gehören» in die Gruppendynamik 13 bzw. die Soziologie. Sozialpsychologie ist wie selbstverständlich Individualpsychologie:«... als Grundlagenwissenschaft hat die Sozialpsychologie das Ziel, universelle Gesetze des Sozialverhaltens des Individuums aufzustellen» (a.a.O., p.7). Als Anfänge zählen in der durchweg sehr dilettantisch betriebenen Historiographie der Sozialpsychologie in der Regel zwei Bücher des Jahres 1 9 0 8 : des Psychologen MCDOUGALL «Introduction to social psychology» und des Soziologen Ross «Social Psychology». Wenn heutige Sozialpsychologen (etwa ALLPORT, 1 9 6 8 ; HOFSTÄTTER, 1 9 7 3 5 ; JONES & GERARD, 1 9 6 7 ; NEWCOMB e t a l . , 1 9 6 5 ; S H A W & C O S T A N Z O , 1 9 7 0 ; SHERIF&SHERIF,

" Daß die Gruppendynamik auf einer Ebene mit Psychologie und Soziologie separat aufgeführt wird, ergibt sich aus der Logik der Argumentation, daß die analytische Einheit der Sozialpsychologie das Individuum ist. Ergo wird für die wissenschaftliche Untersuchung der Gruppe eine andere komplementäre Disziplin benötigt. Trotz einer radikalen Revision behält auch die Neuauflage von 1962 das Prinzip bei: «Among the sciences of society it is only social psychology that deals primarily with the behavior of the individual» (a.a.O., p.3).

297 19692) diese beiden Bücher als die ersten Lehrbücher der Sozialpsychologie bezeichnen, dann ist dies nicht nur falsch, weil Sozialpsychologie auch in Buchtiteln - schon vor 1908 und vor der Jahrhundertwende bekannt war (vgl. hierzu etwa LEYENS, 1979). Es ist auch falsch, die beiden Bücher von 1908 in einem Atemzug als textbooks der Sozialpsychologie zu bezeichnen. MCDOUGALLS Buch ist eine Motivationspsychologie, von der ihr Verfasser glaubte, daß sie am besten in eine Sozialpsychologie, wenn nicht überhaupt in die Sozialwissenschaften, einführen könne (a.a.O., p.2f.). Zur Sozialpsychologie selbst kam MCDOUGALL in seiner «Einführung», wie er später selbstkritisch feststellen mußte, überhaupt nicht (1960, p. XVI). Aber auch das bescheidenere Ziel einer für die Sozialpsychologie verbindlichen Propädeutik hat MCDOUGALL nicht erreicht; die Trieblehre Freuds gewann auf die Dauer, vor allem bei Soziologen und Anthropologen, mehr Anhänger als MCDOUGALLS Instinktlehre. Was gleichwohl für die spätere und heutige Sozialpsychologie (psychologischer Provenienz) verbindlich wurde, ist die konsequent individualpsychologische Durchführung. Behandelt wurden und werden die Merkmale des Individuums, die für dessen Leben in der Gesellschaft von Wichtigkeit sind. Die entsprechenden Stichwörter (wie conation, emotion, habit, instinet, judgment, sentiment) verraten die enge Bindung zur Allgemeinen Psychologie seiner Zeit - und zur heutigen Sozialpsychologie. Wenn für MCDOUGALL ein psychischer Prozeß erst dann vollständig beschrieben ist, wenn er in seinem kognitiven, affektiven und «konativen» Aspekt beschrieben ist, dann spiegelt diese Konzeption von 1908 die «platonische Trichotomie» (ALLPORT) von Denken, Fühlen, Wollen wider, die sich später dann auf das umstrittene Dreikomponenten-Modell der Einstellung zurückzog (ROSENBERG & HOVLAND, 1960; TRIANDIS, 1975a)und damit die soziale Attitüde zu einer, allgemeinpsychologisch gesprochen, allumfassenden Kategorie aufblähte: Symptom ihres Endes? In noch einem weiteren Sinn hat MCDOUGALL die heutige Sozialpsychologie antizipiert. Überzeugt von- dem «Ausmaß», in dem das erwachsene menschliche Bewußtsein das Produkt des prägenden Einflusses der sozialen Umwelt ist (1908, p. 16), glaubte er, das «Fundamentalproblem der Sozialpsychologie» sei der

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Prozeß der «Moralisierung oder Sozialisierung des Individuums» (a.a.O., p.18). Das Themades für alle psychologische Sozialpsychologie konstitutiven Individualismus war damit festgelegt. Als F. H . A L L P O R T dann mit seiner einflußreichen Sozialpsychologie von 1924 die behavioristische Note einbrachte, änderte sich prinzipiell nichts mehr am Programm der «Social psychology as a science of individual behavior and consciousness» (1924, p . l ) . Völlig anders die Sozialpsychologie des Soziologen Ross (1908), die er selbst eine «Pionierabhandlung» nennt. Und eine Pionierleistung war sie im amerikanischen Sinn dieses Wortes; denn wie ein frontiersman des 19. Jahrhunderts berichtet er: «... I have brought social psychology as far as I can unaided» (a.a.O., p.VII). Tatsächlich sieht man dieser frühen Sozialpsychologie an, daß sie einer ohne Hilfe geschrieben hat, d.h. ohne Rekurs auf diejenigen, die schon vor ihm Sozialpsychologie oder auch nur Psychologie getrieben hatten. Als die Ross inspirierenden Autoren muß man GABRIEL T A R D E (1890) nennen, dessen «Gesetze der Imitation» 1903 in englischer Übersetzung vorlagen, sowie B. SIDIS (1898), der eine Psychologie der Suggestion geschrieben hatte. Suggestion und Imitation beherrschen denn auch die Thematik dieser Sozialpsychologie. Deren Forschungsbereich ist entsprechend so definiert, daß mit Suggestion (als Ursache oder Reiz [1908, p. 12]) und Imitation (als Wirkung bzw. Reaktion) die meisten sozialpsychologischen Phänomene erklärt, auf jeden Fall aber kategorisiert werden konnten. Denn diese Sozialpsychologie «... sucht diejenigen Gleichförmigkeiten 4 im Fühlen, Glauben oder Wollen - und damit im Handeln zu verstehen und erklären, die auf die Interaktion von Menschen, d.h. au f soziale Ursachen zurückzuführen sind» (a. a. O., p. 1). Denn von Natur ist jeder Mensch etwas Einmaliges; in Folge der Vergesellschaftung wird diese Individualität jedoch «zu einem großen Teil ausgelöscht bzw. verwischt, so daß wir Menschen immer in (Ebenen der Gleichförmigkeit) antreffen» (ebda.). Diese «Ebenen» sind querschnittlich aufweisbareÜbereinstimmungen bzw. Gleichförmigkeiten aufgrund gemeinsamer Sprache, Religion, Sitte, Kultur - im Grunde die Thematik, die WILHELM W U N D T (a.a.O. und 1900ff.) für die Völkerpsy-

chologie vorgeschlagen und bereits in Angriff genommen hatte, die aber nicht von der Psychologie, sondern von Anthropologie und Soziologie aufgegriffen und weitergeführt worden ist. Kennzeichnend ist, daß schon Ross das Zusammenleben in Gruppen und anderen sozialen Strukturen als nicht zur Thematik der Sozialpsychologie, sondern zur Soziologie gehörig bezeichnet. Die Kategorie der Interaktion verwendet Ross, der seine Sozialpsychologie auch eine «Interpsychologie» nennt, in einem fundierenden Sinn. Wie COOLEY ( 1 9 0 2 ) und später M E A D ( 1 9 6 9 ) vertritt Ross, in kritischer Abhebung gegen die ältere Psychologie, die Sozialität des Bewußtseins:' 5

14

Hervorhebung von C. F. G.

« D i e neuere Psychologie legt bei der Erklärung der Bewußtseinsinhalte dem sozialen Faktor größtes Gewicht bei. Sie besteht darauf, daß ohne Interaktion mit dem Bewußtsein anderer die seelische Entwicklung des Kindes auf einem Niveau stecken bliebe, das nicht weit oberhalb der Idiotie läge» (a.a.O., p . l l ) " ,

seltsame Anthropogenese, wenn der gleiche Autor vertritt, daß wir von Natur alle einmalig sind und uns erst die Kultur nivelliert. Doch hier sind sich vielleicht zwei Gedankengänge nicht begegnet. Ungleich M E A D arbeitet Ross keine interaktionistische Theorie aus. Er beschränkt sich darauf, die nivellierenden Auswirkungen kollektiver Interaktion zu registrieren und verkürzt damit in Verlängerung der «Massenpsychologie» des ausgehenden 19. Jahrhunderts das Gebiet der Sozialpsychologie auf das des kollektiven Verhaltens". Im Unterschied zu der streng individualpsychologisch entworfenen Sozialpsychologie McDOUGALLS spielt das Individuum bei Ross eine G. H. MEAD, der übrigens schon seit 1900 an der Universität Chicago seine später berühmt gewordene Vorlesung über Sozialpsychologie hielt, kritisiert allerdings in seiner ersten sozialpsychologischen Veröffentlichung von 1909, daß Ross den bewußtseinskonstitutiven Charakter der Sozialität verfehlt habe (MEAD, 1964, p.94). " Ähnlich formuliert C.H.COOLEY (1909, p.62): « O h n e Kommunikation entfaltet das Bewußtsein nicht sein eigentlich menschliches Wesen; es bleibt vielmehr in einem abnormen, schwer zu beschreibenden Zustand zwischen Mensch und Tier.» 17 IRMINGARD STAEUBLE (1972), die in ihrer «Kritik der Sozialpsychologie» Ross ein eigenes Kapitel gewidmet hat, ignoriert erstaunlicherweisedie «Social Psychology» von 1908 und deutet Ross' «Social Control» von 1901 als dess.en Gründungsbeitrag zur Sozialpsychologie. Zumindest ignoriert sie damit, was Ross selber als Sozialpsychologie und was er als Soziologie verstanden wissen will.

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Rolle quasi nur als Träger kollektiver Merkmale: der Aufregung, der Panik, der Mode, der Konvention, der Sitten. Dieses Wesen kommt fast nur im Plural vor, und von diesem Plural sind die meisten reine Objekte bzw. Zielpersonen kollektiver uniformierender Strömungen; einige wenige «außerordentliche Personen» dagegen prägen die anderen (a.a.O., p.4f.). Wenn man den von M C D O U G A L L (1908) vorgeschlagenen Begriff der Sozialisation des Individuums zur Unterscheidung verwendet, dann hieße Sozialisation bei M C D O U G A L L soviel wie Humanisierung, ja Altruisierung, bei Ross hieße es Konventionalisierung, ja Uniformierung. Assoziation als Vergesellschaftung wird Assimilation. Nun ist Ross nicht der einzige und schon gar nicht der bedeutendste Soziologe seiner Zeit gewesen, der sich Gedanken über eine Sozialpsychologie gemacht hat. Ich will, in der Zeit um 1908 bleibend, nur zwei weitere, für die Sozialwissenschaft bedeutendere Namen herausgreifen: SIMMEL und G . H . M E A D . SIMMEL hat in seiner «Soziologie» von 1908 in einem «Exkurs über Sozialpsychologie» (1968, p.421ff.) neben einer scharfsinnigen Kritik der Rede von einer realen «Volksseele», einer «Kollektivseele» eine Formulierung der Fragestellung der Sozialpsychologie gebracht: «Welche Modifikation erfährt der seelische Prozeß eines Individuums, wenn er unter bestimmten Beeinflussungen durch die gesellschaftliche Umgebung verläuft? Dies aber ist ein Teil der allgemeinen psychologische Aufgabe, die - was ein identischer Satz ist - eine individualpsychologische ist» (a.a.O., p.423). Die Sozialpsychologie ist also nicht einmal «ein nebengeordnetes Pendant der individuellen Psychologie, sondern... ein Teilgebiet eben dieser...» (p.425). Jede Art interpersonaler oder sozialer Wechselwirkung bis hin zum elementaren EinanderAnblicken (p.484) wird als «soziologische Leistung» aufgefaßt und zentrales Thema dieser Soziologie. Halten wir fest, daß in dieser Tradition, an der also Soziologen und Psychologen gewirkt haben, Sozialpsychologie per definitionem immer Individualpsychologie ist; die gelegentlich geübte Gegenüberstellung von «individuell» und «sozial» vermag nicht zwischen Allgemeiner und Sozialpsychologie zu trennen, eher zwischen Wissenschaften vom Individuellen, zu denen die Sozialpsychologie gehört, und Wissenschaften vom

299 Sozialen, zu denen sie nicht gehört! Es gehört nun zum historischen Selbstverständnis bzw. Selbstmißverständnis der meisten Sozialpsychologen, sich als Sozialwissenschaftler verstanden zu haben, ohne es in dem Sinne zu sein wie alle anderen, voran die Soziologen, Kulturanthropologen, Politologen, Ökonomen. Alle anderen handeln von gesellschaftlichen (politischen, wirtschaftlichen und anderen kulturellen) Strukturen und Prozessen, innerhalb derer das Individuum zwar als «Größe»undinseinendenkbarengesellschaftlich vorgezeichneten Rollen, Positionen, allgemein: Funktionen, figuriert, nicht aber, außer wo es auffällig wird, in seiner individualpsychologischen Beschaffenheit. Umgekehrt figuriert «die Gesellschaft» (hier als Sammelbegriff verwendet) im Individuum der Psychologie als ein Faktor (eine Faktorenklasse) neben anderen, beispielsweise physiologischen. Man kann sich der Sonderstellung der Psychologie bewußt sein, wenn man wie KRECH et al. (1962, p.3) die Sozialpsychologie als die einzige Sozialwissenschaft bestimmt, die sich primär mit dem Individuum befaßt. Das dilemmatische Bewußtsein, eine «individualistische Sozialwissenschaft» zu betreiben, bleibt und wird in «Krisen» virulent, d.h. immer dann, wenn allzu deutlich wird, daß die beiden anderen Ebenen möglicher sozialpsychologischer Analysen (s. [b] und [c], p.294-297) aus dem individualistischen Selbstverständnis heraus ignoriert, zumindest aber vernachlässigt worden sind. Dabei gab es von Anfang an eine Alternative zum strikten Individualismusder Sozialpsychologie, die sich nicht in der (Rossschen) Verlängerung der «Massenpsychologie» erschöpfte, nämlich den Interaktionismus GEORG HERBERT M E A D S . Schon in seinen beiden ersten Veröffentlichungen zur Sozialpsychologie (im Psychological Bulletin [ M E A D , 1909,1910]), deren allererster Satz übrigens lautet «There is the widest divergence among psychologists as to the nature of Social Psychology»(1964, p.94), insistiert M E A D auf der prinzipiellen Sozialität des Verhaltens. Nicht Instinkt oder Imitation bringen den einen dazu, sich wie der andere zu verhalten, sondern - und das ist bekanntlich Jahre vor WATSONS Manifest von 1913 geschrieben: «the conduct of one form is a stimulus to another to a certain act, and ... this act again becomes a stimulus at first to a certain reaction ...» (1964, p. 101).

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In dieser Grundform von «Kommunikation» (ebda.) werden Ego und Alter (bzw. Socii) konstituiert und damit auch das Bewußtsein von Selbst und Anderen, weil, so die aus Wundts Analyse der Gebärde ( W U N D T , 1900) weiterentwickelte Konzeption, wir uns am ehesten (unserer selbst) bewußt werden, wenn wir genötigt sind, das sich aufgrund unseres eigenen Verhaltens ständig ändernde Verhalten des Anderen zu antizipieren. Kurz und vereinfacht: Was wir Individualität, Selbstbewußtsein, Bewußtsein überhaupt nennen, ist nicht etwas, aus dem heraus Interaktion mit anderem Bewußtsein möglich wird, sondern etwas, das allererst in Interaktion oder Kommunikation entsteht. Sozialpsychologie treiben ist also keine Untersuchung individueller Bewußtseinsinhalte und Verhaltensweisen, sondern die Analyse des weitgehend symbolisch vermittelten und damit prinzipiell interaktiven Handelns gegenüber Anderen und sozialen Strukturen. Die Grundüberzeugung dieser Tradition ist, wie es LINDESMITH & STRAUSS in ihrer «Sozialpsychologie» von 1968 (deutsch 1974) formulieren, «daß die Merkmale des menschlichen Verhaltens, die es vom Verhalten anderer Lebewesen unterscheiden, von der Tatsache herrühren, daß der Mensch ein Symbolverwender ist, ... das einzige Lebewesen, dessen soziale Gruppierungen von symbolischen Prozessen abhängig und durchdrungen sind» (1974,1, p. 28).

len Primats sehr verschiedene angeführt. Fest steht aber, daß der in Frage gestellte Primat mit der individualpsychologischen Orientierung auf das engste assoziiert ist. Nicht, daß man Gruppen nicht auch im Labor untersuchen kann. Seit Anfang des Jahrhunderts ist der Einfluß der Gruppe auf die Leistung des einzelnen (vgl. M O E D E , 1920; ALLPORT, 1924), seit LEWINS Konzeption der Gruppendynamik (s.o.) sind auch komplexere Gruppenprozesse unter Laborbedingungen untersucht worden. Nur erreichten derlei Untersuchungen, wie STEINER (a.a.O.) gezeigt hat, nicht die Dignität, die man der strengeren Kontrollierbarkeit des Individualexperiments attribuiert. Natürliche Gruppen sind verständlicherweise ohnehin eine Rarität im Labor: Wer in einer experimentell orientierten Sozialpsychologie beispielsweise etwas über die Primärgruppe der Familie in Erfahrung bringen möchte, ist in der Regel auf der falschen Fährte; viele Lehrbücher der Sozialpsychologie kennen konsequent das Stichwort «Familie» gar nicht. Noch schwieriger bis unmöglich wird dann die experimentelle Untersuchung von Großgruppen und anderen sozialen Systemen. Das aber heißt: Von der Individual- über die Interaktions- bis zur Systemanalyse nimmt in der Sozialpsychologie der Einsatz des Experiments ab, während Beobachtungs- und Erhebungsverfahren zunehmen. Letztere aber haben für den traditionell sozialisierten Psycho-Sozialpsychologen nicht den Status des Experiments, «weich» und «schmutzig» wie ihm derlei Daten sind. Umgekehrt lassen sich soziologische Sozialpsychologen nicht gerne ihre Fragestellungen (oder gar an sie herangetragene soziale Probleme) durch ein bestimmtes Methodenideal verkürzen oder gar verwehren. So sind immer wieder Fronten und Abkapselungen entstanden, die das historische Schisma der Sozialpsychologie eher vertiefen. Nicht einmal DÖLLE ( H E R R M A N N , 1974) hat die Auffassung vertreten, daß aus jeder Duplizität eine Dichotomie werden müsse; hier ist es geschehen: Aus einer historischen Duplizität um die Jahrhundertwende hat sich die heutige irrationale Dichotomie der Sozialpsychologie entwickelt. Man muß sich dieses Schisma in dem Kontrast vor Augen führen, in dem es tatsächlich existiert, aber nur von wenigen (etwaMoscovici, 1972,p.34)gesehen wird.

Entsprechend finden symbolische Prozesse der Kommunikation, vor allem Sprache, Rollenspiel, Interaktionsformen, Sozialisation und die Konzeptionen des eigenen Selbst und «signifikanter» Anderer eine ganz andere Berücksichtigung in dieser Art soziologischer Sozialpsychologie als in der psychologischen, während umgekehrt bis in die Sprachpsychologie hinein ein Aussparen des «kommunikativen Aspekts» zu beobachten und zu beklagen ist (vgl. hierzu Moscovici, 1967). Durchweg gilt, was ja auch die Erhebung von WILSON & SCHAFER (a.a.O.) ergab, daß zwar die alternativen Sozialpsychologien einander nicht ausschließen, die sie jeweils praktizierenden Sozialpsychologen aber wenig Notiz von der Arbeit der anderen nehmen. Verständlicher wird dieses Schisma, wenn man seine methodologischen Implikationen mitbedenkt. Die durchweg an der Allgemeinen Psychologie orientierte Sozialpsychologie fstVorisiert auch deren methodisches Rückgrat, das Laborexperiment. Gründedafür werden von Verfechtern und Kritikern des experimentel-

Auf der einen Seite: Wissenschaftstheoretisch, methodologisch und phänomenologisch sind

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durchaus zu vereinbaren und ergänzen einander die Blickrichtungen -

auf den Einen und auf die Vielen, auf solitäres Tun und auf gemeinschaftliches Handeln, - auf informelle Kleingruppen und auf formale Organisationen, - auf soziale Phänomene, so wie sie sind, und so, wie sie historisch geworden sind, - auf Phänomene im Labor und im Feld. Auf der anderen Seite: Es existieren nebeneinander zwei Subkulturen, die sich beide «Sozialpsychologie» nennen, -

auf die sich Theorien und Methoden quasi zweigipflig verteilen, - die an zwei verschiedenen Historien arbeiten, - die unterschiedliche Heroen (oder Heilige) verehren: Hie Lewin - Hie Mead! - die unterschiedlichen Verkehr haben. Mit anderen Worten: Was von der Sache her zusammenpaßt, wird von den Vertretern dieser Sache über separate Institute, Organe, Curricula und Diplome so auseinandergehalten, daß depure ¡contingente Faktizität zweier Wissenschaften entsteht. Diese Faktizität wird offenkundig, wenn man sich klar macht, daß das Schisma zu Zeiten der bewußtseinswissenschaftlichen Sozialpsychologie zu Beginn des Jahrhunderts, zu Zeiten des Behaviorismus (in Psychologie und Soziologie) und immer noch in der (wieder) kognitivistischen Psychologie und Soziologie herrscht. Nicht der hypostasierte Paradigmawechsel vom behavioristischen zum kognitivistischen Modell, nicht dominierende Theorien halten die Gruppen auseinander, die in sich ohnehin nicht einheitlich und einig sind. Was alleine trennt - und als Trennung für viele längst festgeschrieben ist - war und ist: auf der einen Seite die Scheu des Psychologen vor dem Interaktionalen, als kehre mit ihm die erfolgreich vertriebene Gruppenseele zurück, die Überzeugung des Psychologen, wirklich (und meßbar) Í sei letztlich nur das Individuelle; auf der anderen ¡ Seite die Sorge des Soziologen, der Blick auf das j Individuum blende die gesellschaftlichen Zusammenhänge und Bedingungen ab, die Überzeugung des Soziologen von der übergeordneten Wirklichkeit sozialer Strukturen. Läßt sich diese schon historisch gewordene Situation überhaupt ändern? Sicher nicht durch die

eschatologische Beschwörung eines Paradigmawechsels in der Sozialpsychologie. Sicher auch nicht durch ein einsinniges Weiterverfolgen des (individualisierenden) Kognitivismus. Möglicherweise aber durch die Wiedergewinnung des gemeinsamen Grundes: der Kleingruppenforschung, auf dem alleine ohne Zwang alle drei analytischen Ebenen und alle Methoden der Sozialpsychologie in Beziehung und, wenn wir das nächste Mal umsichtiger zu Werke gehen, zur Konvergenz gebracht werden können. Was immer der Gruppe in der Sozialpsychologie zugestoßen ist (STEINER), die in der Sozialpsychologie denkbare «Integration von Psychologie und Soziologie» (DOISE, 1978) kann, wenn überhaupt erstrebt, nur auf dem Testgelände der Kleingruppenforschung betrieben werden. Alternativ bleibt immer noch die Möglichkeit, die oft antagonistischen Beziehungen zwischen Gruppen am Paradigma der zwei Sozialpsychologien zu studieren.

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' Diese und die weiteren angesonnenen Übersetzungen wurden aus WILDHAGEN (1972) bezogen.

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Irle: D a s Instrument der «Täuschung» in der Verhaltens- und Sozialwissenschaftlichen Forschung

nommen, daß es verwunderlich ist, warum man «deception» als Instrument sozialpsychologischer Forschung nicht etwas freier von Konnotationen mit , oder

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