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German Pages 96 [104] Year 1984
C. F. G R A U M A N N KLAUS HOLZKAMP MARTIN IRLE
B A N D 15 1984 HEFT 1
VERLAG HANS HUBER BERN STUTTGART WIEN
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, Band 14, H e f t 4 INHALT Zu diesem Heft
287
Nachruf
288
FEGER,
HANS HÖRMANN
H.: Laudatio für C A R L - F R I E D R I C H
GRAUMANN
292
Theorie und Methoden Zur Begriffs- und Forschungslogik von Gründen und Ursachen in psycho- und soziologischen Handlungserklärungen L A N G E H E I N E , R . : Nonstandard log-lineare Modelle
WIMMER, R.:
299 312
Empirie SCHULZ, U. & MAY, T.: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen unter Berücksichtigung von Antizipationen und subjektiven Sicherheiten BOSSONG, B . : Zurexternen Validität des dissonanztheoretischen Leitungsmodells
322 341
Diskussion Zur Entscheidung über präzise wissenschaftliche und statistische Hypothesen. Eine Erwiderung auf Anmerkungen von W I T T E Mix, R.: Anmerkungen zur Likelihood-Testtheorie
WESTERMANN, R . & HAGER, W . :
348 351
Literatur Rezensionen TAJFEL, H. 1982. Gruppenkonflikt und Vorurteil L I L L I , W :. Auf dem Wege zu einer umfassenden Vorurteilskonzeption M U M M E N D E Y , A . : Soziales Verhalten: Von der individué II-kognitiven Beziehungen zwischen sozialen Gruppen
354 354 354
zur Psychologie
der 359
Neuerscheinungen
365
Titel und Abstracta
366
Nachrichten und Mitteilungen
368
Autoren
370
Vorschau
372
Gesamtinhaltsverzeichnis Band 14(1983) N a m e n s - u n d Sachregister Band 14(1983)
373 375
Copyright 1983 Verlag Hans Huber Bern Stuttgart Wien Herstellung: Satzatelier Paul Stegmann, Bern Printed in Switzerland Library ofCongress Catalog Card Number 78-126626 Die ZeitschriftfürSozialpsychologiev/irdinSocialSciences Current Contents / Social and Behavioral Sciences erfaßt.
Citation /nifet(SSCI)und
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983
Zu diesem Heft RAINER GUSKI
hat für uns den Nachruf für
H A N S H Ö R M A N N u n d H U B E R T FEGER d i e
Lau-
datio für C A R L - F R I E D R I C H G R A U M A N N geschrieben. Es ist schmerzhaft, daß nicht für beide eine Laudatio geschrieben werden konnte, wäre doch auch bei H . H Ö R M A N N sehr bald die Vollendung des 60. Lebensjahres zu feiern gewesen wie bei C . - F . G R A U M A N N . Die Entscheidung, einen Mitherausgeber zu ehren und H. F E G E R zu bitten, hierfür seine Laudatio von der Geburtstagsfeier in Heidelberg zur Verfügung zu stellen, haben K . H O L Z K A M P und der Unterzeichnete getroffen. Die internationale Kostenexplosion im Verlags- und Druckgewerbe stellte die Herausgeber vor die Alternative, d e m Verlag bei einer
20%igen Preiserhöhung z u z u s t i m m e n oder eine Reduzierung des Umfanges der Zeitschrift in Kauf zu n e h m e n . Wir haben uns zur zweiten Alternative entschieden, ohne jedoch die Zahl der Beiträge p r o Heft zu reduzieren. Galt bisher die Regel, d a ß der U m f a n g der eingesandten Arbeiten 25 Schreibmaschinenseiten nicht übersteigen sollte, so darf in Z u k u n f t dieser U m f a n g 20 Schreibmaschinenseiten (IV2 Zeilenabstand, 32 Zeilen ä 60 Anschläge) nicht übersteigen. Wir bitten alle A u t o r e n inständig, uns zu helfen, eine Preiserhöhung der Zeitschrift aufzuhalten, indem sie sich selbst zu straffer Kürze und weniger ReO^m d u n d a n z anhalten. ^ ^ Martin Irle
I
J
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HANS HÖRMANN
Guski: Hans Hörmann zum Gedenken
zum Gedenken
RAINER GUSKI Ruhr-Universität Bochum
Ende Mai 1983 starb in Bochum einer der bedeutendsten Vertreter der wissenschaftlichen Psychologie nicht nur Deutschlands, sondern der Welt insgesamt: Prof. Dr. rer.nat. H A N S H Ö R M A N N , 58 Jahre alt - viel zu früh, wenn man an ein mittleres Lebensalter einerseits und die unerfüllten Wünsche seiner Familie, Freunde, Kollegen und Mitarbeiter andererseits denkt. Die Herausgeber der Zeitschrift für SozialDsychologie möchten durch einen vom «offiziellen» Nachruf in der «Psychologischen Rundschau» getrennten Beitrag ihre besondere, auch persönliche Verbundenheit mit H A N S H Ö R M A N N ausdrücken: er war für sie nicht nur der große Gelehrte, international reputierte Sprachpsychologe und Lärmforscher, er war für alle (auch in Konfliktfallen) der hochgeschätzte Gesprächspartner und vorbildliche Mensch. Der Tod H A N S H Ö R M A N N S kam trotz seiner in den letzten Jahren deutlich verschlechterten Gesundheit für seine Familie, Freunde, Kollegen, Mitarbeiter und Schüler überraschend, denn sein Lebenswille schien ungebrochen und seine Arbeitskraft, gemessen an einem «normalen» Wissenschaftler, nur wenig gemindert. Überraschend kam sein Tod auch deshalb, weil die meisten Menschen, die mit H A N S H Ö R M A N N in Kontakt standen, sich noch Gespräche mit ihm erhofft hatten, in denen sie Anregungen zu Problemen erwarteten, bei denen sie allein nicht weiterkamen. Der Tod dieses Mannes berührt wohl alle, die ihn persönlich kannten, besonders stark, denn neben seiner bewunderungswürdigen intellektuellen Kapazität und seinen erhellenden Schriften war eine persönliche Begegnung mit ihm immer eindringlich, nie flüchtig: seine Bescheidenheit und menschliche Zugewandtheit, oft verbunden mit milder Ironie und immer mit einem wachen Geist, lie-
ßen Gespräche mit ihm unvergeßlich, Seminare aufregend und Vorlesungen zu Darbietungen eines Zauberers werden. Diese persönliche Eindringlichkeit ist nicht erst eine Erscheinung der späteren Jahre, sie wird schon von seinen früheren Mit-Studenten berichtet, und sie teilte sich auch Psychologie-fernen Teilnehmern an Arbeitskreisen und Beratungsgremien mit. Sein zurückhaltendes Auftreten schien die Wirkung seiner Argumente noch zu steigern: er hatte so gar nichts vom Egozentrismus und der Arroganz eines stereotypen Professors, er klagte auch nie über Zeitnot und Arbeitsüberlastung - und trotz seiner gesundheitlichen Behinderung wuchs die Reihe seiner Schriften unaufhörlich.
Zur
Biographie
H A N S H Ö R M A N N wurde am 23.10.1924 in Ulm geboren, wuchs dort auf, machte Abitur und begann mit dem Studium der Psychologie, Physiologie und Psychiatrie in Tübingen. Nach Notdienst-Unterbrechung während des Krieges folgte er J O H A N N E S VON A L L E S C H und K U R T W I L D E nach Göttingen, legte dort 1949 seine Diplom-Hauptprüfung für Psychologen ab, promovierte 1952 und wurde wissenschaftlicher Assistent, bis er sich 1959 an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät Göttingens habilitierte und danach den Göttinger Lehrstuhl für Psychologie vertrat. Seine Habilitationsschrift und die nächsten Arbeiten beteiligten sich innovativ an der damals aktuellen Diskussion um «clinical versus Statistical prediction» in der Diagnostik: er meinte, die Zeit sei noch gar nicht reif für eine Entscheidung zwischen der in Deutschland üblichen klinischen Methode und der aus Nordamerika
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 2 8 8 - 2 9 1
herüberdrängenden statistischen Diagnose: man brauche zunächst Erkenntnisse über die durch Testbatterien ausgelösten psychologischen Prozesse, um z. B. behaupten zu können, ein Test erlaube mehr als die Messung aktueller Informations-Verarbeitungsprozesse, er sei auch auf andere Situationen generalisierbar. H A N S HÖRMANN zeigte hier Wege zu einer allgemeinpsychologisch fundierten Diagnostik, die jedoch selten beschritten wurden, zumal er selbst sich mit dem Ruf nach Berlin (1960) stärker der Allgemeinen Psychologie, Sprache und Informationsverarbeitung sowie Problemen der Lärmwirkung und Lärmbewältigung zuwandte. In Berlin berief man ihn zunächst auf eine außerordentliche Professur, dann 1961, nach dem Tod KRIPHAL SODHIS, auf den ordentlichen Lehrstuhl der Freien Universität. Dort sah er sich in der Tradition berühmter Berliner Institutsdirektoren wie C A R L STUMPF, WOLFGANG KÖHLER und O S W A L D KROH und nahm für sich eine Neuorientierung vor: zwar stellte er noch wichtige Handbuchartikel und Zeitschriften-Beiträge zur Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik fertig, sein Interesse wandte sich jedoch deutlicher der Allgemeinen Psychologie zu, vor allem der Organisation und Speicherung von Information sowie der Störung solcher Organisationsvorgänge durch Lärm. Mitte der sechziger Jahre begann er sein in unserer heutigen Einschätzung wichtigstes Werk, die «Psychologie der Sprache», zu schreiben - dieses Buch erschien 1967, mußte drei Jahre später nachgedruckt werden und wurde inzwischen in 5 Fremdsprachen übersetzt. H A N S HÖRMANN war zum international anerkannten Sprachpsychologen geworden. Allerdings wurde er im Verlauf der politischen Auseinandersetzungen, die durch den Vietnamkrieg der USA und die Verabschiedung der Notstandsgesetze ausgelöst und auch im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin vehement und intolerant geführt wurden, einerseits an seiner wissenschaftlichen Arbeit gehindert, andererseits menschlich enttäuscht und physisch bedroht. Als dann der Ruf an die neugegründete Ruhr-Universität Bochum kam und HÖRMANNS Bemühungen um ein unabhängiges Institut für Sprachforschung in Berlin fehlschlugen, suchte er seine Ideale in Bochum zu verwirklichen.
289 In Bochum arbeitete er selbst vor allem an sprachpsychologischen Problemen; die Lärmforschung, die er bis dahin auch selbst aktiv betrieben hatte, überließ er zunächst weitgehend seinen Mitarbeitern, die er jedoch mit unschätzbaren Denkanstößen versorgte. Mitte der siebziger Jahre schrieb er (vor allem am NIAS, dem Niederländischen Institut for Advanced Studies) sein zweites großes sprachpsychologisches Werk: «Meinen und Verstehen». Während die «Psychologie der Sprache» als Lehrbuch konzipiert war und mit der Liebe eines Sammlers viele Details der bisherigen sprachpsychologischen Forschung zusammenfaßt, wird in «Meinen und Verstehen» eine Synthese zwischen Linguistik, Psycholinguistik und Sprachphilosophie versucht: vor allem wird die Semantik, die in der Generativen Linguistik gern als arme Verwandte der Syntax behandelt wird, mit Hilfe des Begriffs der «Sinnkonstanz» zur entscheidenden Größe der aktiven oder passiven Sprachbenutzung. 1977 erschien die zu 50% neu bearbeitete 2. Auflage der «Psychologie der Sprache», und in den folgenden Jahren widmete er sich überwiegend Einzelproblemen der Bedeutung und des Verstehens, wobei er wieder zu einer glücklichen Kombination von Allgemeiner Psychologie und Lärmforschung zurückfand, indem er z. B. sich mit Sprachverständlichkeit und Änderung des Sprachverhaltens unter Lärm beschäftigte. Nach diesen biographischen Stichworten möchte ich auf zwei Schwerpunkte der Arbeit HÖRMANNS eingehen und zunächst eine Äußerung zitieren, die m. E. für seine psychologische Arbeit insgesamt charakteristisch ist. So schreibt er in einem Zeitschriften-Beitrag (1974, p. 153): «Die Psychologie gehört ja insgesamt zu den Wissenschaften, in denen Probleme nicht eigentlich im strengen Sinne (und damit spur- und restlos aus der Welt geschafft) werden, sondern die ihre Probleme so verwandeln, daß sie - for the time being -besser bedacht werden können. Sind die Probleme der gelöst, von denen W. JAMES sprach? Oder die Probleme der , von HÖFFDING über KÖHLER zu POSTMAN? Natürlich nicht, aber wir haben sie anders zu sehen gelernt.» H A N S H Ö R M A N N war wie kaum ein anderer in der Lage, scheinbar feststehende und
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Guski: Hans Hörmann zum Gedenken
durch die «Sachzwänge» des Wissenschaftsbetriebes nicht mehr hinterfragte Begriffe oder Problemlösungsvorschläge anders zu sehen, in Frage bzw. andere Zusammenhänge zu stellen. Diese Eigenschaft verblüffte vor allem seine Studenten, die in der letzten Stunde gerade eine bestimmte Ansicht erworben hatten und in der nächsten mit einer neuen konfrontiert wurden. Einige von ihnen wandten sich fluchtartig von einer Wissenschaft ab, in der es keinen Erkenntnisfortschritt geben sollte; für andere war diese Erkenntnis hilfreich beim Bestimmen des in der eigenen Arbeit Erreichten.
Zum Schwerpunkt
Sprachpsychologie
Die wissenschaftliche Welt verdankt H A N S H Ö R M A N N etwa 9 0 Publikationen, und zwei Drittel davon sind mehr oder weniger direkt sprachpsychologisch zu nennen; schon daran kann man erkennen, wie wichtig die Sprache, jene «größte Erfindung des Menschen» (THORNDIKE, 1 9 4 3 ) , fiir H A N S H Ö R M A N N war; die Sprache war für ihn die entscheidende Instanz, die den Menschen vom Tier unterscheidet: «In der Sprache liegen alle Möglichkeiten des Menschseins beschlossen» ( 1 9 7 7 , p. 1). Dabei betrachtete H A N S H Ö R M A N N die Sprache vor allem als ein Geschehen, das es dem Menschen gestattet, aus seinem eigenen Aktionsraum quasi herauszutreten und sich ihm gegenüberzustellen; für ihn war Sprache letztlich ein Werkzeug zur Bewältigung von Welt, nicht nur zur Codierung von Wahrgenommenem, sondern auch zur Schaffung eines eigenen Ich und zum Verstehen der Welten anderer Menschen; Sprache ist gleichzeitig Stimulus, Response und die zwischen beiden intervenierende Variable, wobei Stimulus und Response nicht nur die jeweilige physikalische Energie bezeichnen, sondern auch die Bedeutung, die ein Sprecher oder Hörer diesen Reizen und Reaktionen beimißt. Dabei ist wesentlich, daß Sprache ein Erzeugnis des sozialen Feldes zwischen Sprecher und Hörer ist, ein Werkzeug zur Verständigung zwischen Menschen nicht nur im Sinne einer einfachen Zeichen-Übermittlung, sondern auch im Sinne der Übermittlung von Gemeintem: ein Sprecher benutzt Sprache, um seine Weltsicht einem Hörer verständlich zu
machen, dabei benutzt er nicht nur die in einer Gesellschaft vereinbarten Zeichen, sondern paßt sich nach Bedarf dem Zeichenvorrat und dem Verständnis seines Hörers sowie der jeweiligen Situation an. H A N S H Ö R M A N N löste sich weit sowohl von historischen StimulusResponse-Auffassungen als auch von den (linguistischen) Ansätzen der «Generativen Grammatik», als er zeigte, daß die Vorgänge des Meinens und Verstehens konstruktive Akte sind, in die sowohl die Zeichencharakteristika der verwendeten Wörter, die Zeichencharakteristika der Wörter-Konfiguration, die Zeichenfunktionen der Person- und Situationsmerkmale eingehen, als auch in besonderer Weise die Intentionen von Sprecher und Hörer, Sinn zu machen bzw. Sinn zu erhalten: «Information ist etwas, das wir aktiv schaffen» (1978, p.470), und an diesem Akt sind neben der «reinen sprachlichen Information» bereits vorhandene Wissensbestände beteiligt: beides zusammen wird zu einem einheitlichen Bild integriert. Kern dieses Integrationsprozesses ist die Absicht eines Sprechers, dem Hörer ein bestimmtes Verständnis zu vermitteln, und die Absicht des Hörers, ein Verständnis zu erhalten, das in sein bereits vorhandenes Wissen von der Person, der Situation und der Sache, um die es geht, paßt.
Zum Schwerpunkt
Lärmforschung
Knapp ein Drittel der Veröffentlichungen von beschäftigen sich mit Fragen der Wirkung von Lärm auf den Menschen, wobei grundwissenschaftliche Fragen überwiegen, jedoch hat er sich in interdisziplinären Arbeitsgruppen schon seit den frühen sechziger Jahren um die Erforschung und Minderung von Umweltlärm als gesellschaftspolitischem Problem bemüht. Nach ersten Arbeiten, in denen «Lärm» nur stellvertretend für einen beliebigen aktivierenden Zusatzreiz verwendet wurde, hat H A N S H Ö R M A N N in Folge der Ergebnisse des interdisziplinären Fluglärmprojekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft, an dessen Konstitutierung er wesentlich beteiligt war, «Lärm» als psychologischen Begriff verstanden, dessen inhaltliche Ausfüllung nicht von Akustikern oder Psychophysikern abhing, sonHANS HÖRMANN
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 2 8 8 - 2 9 1
dem von den Schall erlebenden Menschen. Nun arbeitete er an begrifflichen Analysen zu «Lärrn», «Lästigkeit», «Anpassung» und unterschied deutlicher als andere Forscher zwischen kurzfristigen (z. B. Labor-) und langfristigen (Umwelt-)Effekten lauten Schalls, und er stellte fest, daß die im Alltag immerzu erzwungenen «Anpassungen» der Bevölkerung mit psychischen Kosten verbunden sind. Aus dieser Erkenntnis zum «System Mensch» erwuchs die spätere Hinwendung zu interaktiven Ansätzen, etwa der aktiven Bewältigung von Schall durch Sprecher und Hörer in verbalen Kommunikationssituationen. Die Frage der Bedeutung des Schalls für einen Hörer hat H A N S H Ö R M A N N SO weit getrieben, daß er sogar scheinbar gesicherte Erkenntnisse und Formeln von Akustikern damit in Frage stellen konnte: in der Regel vertäubt ein Ohr bei Anhören sehr lauten Schalls in definierter Weise, d. h. man kann aufgrund der physischen Parameter des Schalls vorhersagen, wie tief die Vertäubung (bzw. wie groß die Schwellenanhebung) ist. H A N S H Ö R M A N N nahm demgegenüber an, daß diese Schwellenanhebung kein rein physiologischer Vertäubungsmechanismus ist, sondern z.B. durch die Bewertung
des Schalls (bzw. durch seine Funktion als Belohnung oder Bestrafung) mitbestimmt wird. Diese Annahme ist jedoch nicht einfach mit der Ersetzung eines psychophysischen Schwellenbegriffs durch einen psychologischen Begriff gleichzusetzen, wie er aus der Signal-Entdekkungstheorie seit Jahren bekannt ist (danach würde nicht die Sensibilität, wohl aber das Antwortkriterium bei der Schwellenmessung durch motivationale Faktoren verschoben), sondern in Folge einer protektiven, zentral gesteuerten Hemmung wird die Empfindlichkeit verschoben. Diese Idee, die inzwischen zu zahlreichen Forschungsarbeiten von Psychologen und Akustikern geführt hat, kann zwar heute noch nicht als endgültig bestätigt oder verworfen gelten, jedoch ist sie charakteristisch für H Ö R M A N N S Denken und für seine anregende Funktion in der Forschung: er hat mehrfach betont, daß sich Psychologen nicht damit begnügen können, psychophysische Reiz-Reaktionsbeziehungen zu erforschen, und «letzte» Erklärungen in physiologischen Mechanismen zu suchen, sondern fragen müssen, welche Bedeutung ein Reiz für einen betroffenen Menschen hat. Wir trauern um
HANS HÖRMANN.
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Laudatio für C A R L - F R I E D R I C H
Feger: Laudatio für C. F. Graumann
GRAUMANN
H U B E R T FEGER Universität Hamburg
Lieber Herr Graumann, liebe Freunde und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Kürzlich hat C.F. G R A U M A N N seiner Laudatio auf S E R G E MOSCOVICI ( 1 9 8 1 ) den Versuch als Ziel gesetzt, das Werk des zu Ehrenden verständlich zu machen, die Grundzüge in aller Vielfalt, die Zusammenhänge und Leitmotive aufzuzeigen und so nach dem Ort des Werkes in der Systematik unseres Faches und innerhalb der Wissenschaft überhaupt zu fragen. Wenn ich nun versuche, diese Vorgabe meines Lehrers aufzugreifen, so tue ich dies unter einem doppelten Vorbehalt. Zum einen folgt eine gewisse Vorstrukturierung meiner Möglichkeiten zu würdigen aus diesem Lehrer-Schüler-Verhältnis, das C.F. G R A U M A N N ( 1 9 6 0 , p. 1 lOf.) selbst so beschrieben hat: «Wer im Sinne seines Lehrers handelt, geht nicht einfach in einer Richtung weiter, die schon ein anderer vor ihm eingeschlagen hatte; vielmehr befindet er sich auf dem Weg, den sein Lehrer ihm eröffnet und den er betreten hat. Das heißt, Weg meint nicht unbedingt eine im einzelnen festgelegte Richtung, sondern einen umschriebenen Horizont von Möglichkeiten, innerhalb dessen die einzelnen Wege und Richtungen sogar wechseln mögen. Entscheidend ist dagegen, daß wohin auch immer einer seinen Weg nimmt, er - solange er im Sinne seines Lehrers fortschreitet - stets bei dem ankommt, was sein Lehrer ihm als Möglichkeit eröffnet hat.» Der zweite Vorbehalt ergibt sich aus der Richtung, in die ich gegangen bin, den der Beschäftigung mit Methodik und mathematischer Formalisierung. Das sind Richtungen im Bereich der mir durch C.F. G R A U M A N N eröffneten Möglichkeiten - nicht nur, weil die persön-
liche Toleranz des Lehrers dies schon in der Assistentenzeit ermöglichte und forderte, sondern weil es keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen phänomenologischer und formalisierender Psychologie, der Art gibt, daß beide unvereinbar wären. Damit habe ich schon angedeutet, daß für mich die Leistung C. F. G R A U M A N N S zu würdigen heißt: G R A U M A N N als phänomenologischen Psychologen zu verstehen. Dazu berechtigt das erste große Werk, mit dem er in unsere Wissenschaft eingetreten ist, die «Grundlagen einer Phänomenologie und Psychologie der Perspektivität», in der schon die wesentlichen Themen und Positionen - vielleicht mit Ausnahme der späteren sozialpsychologischen angelegt sind. Dazu berechtigen auch die umfassenden Handbuchartikel, die C.F. G R A U M A N N auch bei der großen Zahl der psychologischen Forscher bekannt gemacht haben, die weniger an philosophischen, methodologischen und theoretischen Grundfragen unseres Faches, sondern am Forschungsstand im einzelnen interessiert sind. Ich erinnere an Arbeiten wie «Bewußtsein und Bewußtheit. Probleme und Befunde der psychologischen Bewußtseinsforschung» (1966), «Nicht-sinnliche Bedingungen des Wahrnehmens» (1966), «Die Dynamik von Interessen, Wertungen und Einstellungen» (1965) und die Weiterentwicklung in «Wert, Wertung, Werthaltung» (1983), und an die zentralen sozialpsychologischen Arbeiten:
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 2 9 2 - 2 9 8
«Sozialpsychologie: Ort, Gegenstand und Aufgabe» (1969), «Interaktion und K o m m u n i k a t i o n » (1972) und « W a h r n e h m u n g und Beurteilung der anderen und der eigenen Person» (1978). Diese Arbeiten sind nicht n u r die einem jeden willkommene Übersicht, der ein bestimmtes T h e m a in diesem Bereich weiterverfolgen will, sind nicht n u r die unerläßliche Systematisierung, nach der ein Lehrender sucht, sie sind als Bestandsaufnahmen zugleich Integrationen : sie stellen den Bezug zwischen den wesentlichen Fragestellungen unseres Faches her, stellen die Einzelarbeiten in ihren Kontext, auch den historischen, und - einmal mehr, einmal weniger - dies aus der Sicht einer p h ä n o m e n o logischen Psychologie. Das gilt auch für mehrere Zeitschriftenbeiträge, etwa den frühesten und noch stets zitierten über «Social perception» (1956). Was also ist phänomenologische Psychologie? Diese Frage, die ich m e h r als einmal von naturwissenschaftlich orientierten, und auch häufig von amerikanischen Kollegen gestellt bekam, ist sicher nicht leichter zu beantworten als die, beispielsweise was behavioristische oder Gestaltpsychologie sei, auch wenn oder gerade weil phänomenologische Psychologie keine Schule, keine Weltanschauung, keine abgeschottete Zitiergemeinde und kein Verein zur Besetzung von Lehrstühlen ist. Den in diesen Begriffen ausgedrückten Versuchungen hat GRAUMANN stets widerstanden. Vielleicht kann man akzentuierend davon ausgehen, d a ß phänomenologische Psychologie ein methodischer Ansatz ist, der sich de facto mit bestimmten Bereichen der Psychologie stärker befaßt als mit a n d e r e n , und zur Analyse dieser Bereiche eine eigene, kohärente theoretische Struktur, eine spezifische Begrifflichkeit entwickelt hat. Kurz ein Wort zu den bevorzugten Schwerp u n k t e n . Phänomenologen scheinen a m wenigsten bereit zu sein, T h e m e n , Fragestellungen aufzugeben, weil sie zur Zeit, sei es nicht modisch, sei es methodisch nicht elegant und zwingend zu behandeln sind. Wenn Psychologie die Wissenschaft zur Beschreibung und Erklärung von Erleben und Verhalten ist, dann darf m a n von Phänomenologen zu recht erwarten, d a ß sie die Vernachlässigten nicht aufge-
293 ben, weder Erleben, noch Beschreiben. Alle jene Bereiche der Psychologie, in denen die nicht notwendigerweise voll b e w u ß t e - Erfahrung reichhaltige, differenzierte P h ä n o m e n e bereitstellt, haben n a t u r g e m ä ß das besondere Interesse der Phänomenologischen Psychologie gefunden - k a u m z u m Beispiel die Lernforschung, stark hingegen W a h r n e h m u n g und Denken. C . F . G R A U M A N N hat zu beiden beigetragen, wie die schon zitierten Titel belegen; zu erwähnen wäre hier auch der von ihm vor der «kognitiven Wende» herausgegebene Band «Denken». K a u m finden wir Arbeiten zur Entwicklungspsychologie oder physiologische Psychologie, verstärkt hingegen Motivation und Sozialpsychologie, und entsprechend liegen auch hier Arbeitsschwerpunkte von C. F. G R A U M A N N (Z. B. seine E i n f ü h r u n g in die Motivationspsychologie, 1969). Wer in einer empirischen Einzelwissenschaft phänomenologisch arbeiten will, m u ß sich mit deren Methoden intensiv befassen; eben dies tut C . F . G R A U M A N N - und weil das nicht ganz so bekannt geworden ist, auch hier wieder z u m Beleg einige Titel, in denen dies thematisch wird: «Methoden der Motivationsforschung» (1965), «Grundzüge der Verhaltensbeobachtung» (1966), B R E D E N K A M P & G R A U M A N N : «Möglichkeiten und Grenzen mathematischen Verfahrens in den Verhaltenswissenschaften» (1973), «Experiment, Statistik, Geschichte - W U N D T S erstes Heidelberger P r o g r a m m einer Psychologie» (1980) und FEGER & G R A U M A N N : «Beobachtung und Beschreibung von Erleben und Verhalten» (1983). Die phänomenologische Methodik läßt sich eigentlich nicht o h n e ein konkretes Beispiel ihrer A n w e n d u n g verständlich machen. Diese Beispiele sind in ihrer sorgfaltigen Deskription notwendigerweise umfangreich. Besonders in G R A U M A N N S Perspektivitätsbuch finden sich zahlreiche Beispiele, für mich ist sehr eindrucksvoll seine Analyse der Perspektivität im anschaulichen G e w a h r e n - im vorgegenständlichen G e w a h r e n , wie es beim «Vor-sich-hindösen» auftreten kann, beim flüchtigen Gewahren, und schließlich beim gegenständli-
294 chen Gewahren. Es gibt keine andere Möglichkeit als die eigene Lektüre, um die vorsichtige Subtilität der Analyse nachzuvollziehen. Das spezifisch phänomenologische Vorgehen ist eine Analyse von beobachtbaren Gegebenheiten der Erfahrung und des Verhaltens mit dem Ziel, bei der Beschreibung das Wesentliche eines Phänomens, das Invariante in allen Variationen zu verdeutlichen. Der Forscher stellt die ganze Spielbreite des zu Verstehenden vor sich und seinem Leser dar, ohne Einschränkung - und ohne dabei auf Begriffe zurückzugreifen, die nur scheinbar rein deskriptiv sind, in Wirklichkeit jedoch theoretische Annahmen oder tradierte Vorurteile über die Natur des Betrachteten suggerieren. In der Regel m u ß der Forscher sich dabei mit der Sprache und ihrem hilfreichen wie verführerisch fälschenden Gebrauch auseinandersetzen. G R A U MANNS ebenso elegante wie sorgfältige Sprache sind Voraussetzung und Produkt dieses ständigen Kampfes zwischen Werkzeug und Material. Das Ergebnis der phänomenologischen Analyse ist eine differenzierte Beschreibung der wesentlichen, d.h. der ein Phänomen konstituierenden Züge, zugleich mit einer Ordnung seiner vielfältigen Erscheinungsweisen, mit Hinweisen auf Bedingungen und Kontexte. Jede Methodik - Erhebungs- wie Analysemethodik - ist ein geordnetes Bündel von Annahmen, die eine konditionale Prüfung weiterer Annahmen erlauben. Im phänomenologischen Vorgehen fallen Erhebung und Auswertung nicht weit auseinander. Das Bild der aufsteigenden Spirale veranschaulicht gut den stets erneuerten, prinzipiell nicht abgeschlossenen Vorgang, jenes Wechselspiel von neuer Differenzierung anhand neuer Instanzen des Phänomens, und dann vertiefter Strukturbeschreibung nach erneut abstrahierend geleisteter Differenzierung. Was den Leser zu den Ergebnissen der Analyse hinzwingt, ist nicht der logische Schluß in einem formalen Modell, sondern die Evidenz, die sich aus dem Zeigen ergibt. Ähnlich wie bei den Demonstrationen der Gestaltpsychologen wie etwa in M E T Z G E R S «Gesetzte des Sehens» gilt: Jeder, der sehen kann, sieht es. Der häufige Rekurs auf die Alltagserfahrung des Forschers, die er - wie den Blick auf eine dottergelbe Zinnie - mit seinem Leser zu teilen vermag, ist eben
Feger: Laudatio für C. F. Graumann
so zu verstehen: als Demonstration von Evidenz aus potentiell gemeinsamer Erfahrung. In diesem Sinn konstituiert der phänomenologische Ansatz den Gegenstandsbereich unseres Faches, in diesem Sinn ist Phänomenologie unaufgebbar. Warum verzichtet phänomenologische Analyse auf mathematische Formalisierung? Es gibt mehrere Gründe, hauptsächlich, weil die Ziele anders sind. Dies wird z. B. deutlich in der unterschiedlichen Funktion, die Sprache in beiden Ansätzen hat. Es geht dem Phänomenologen nicht primär darum, Sprache zu standardisieren und als Kalkül zu präzisieren, sondern Erfahrung zu vergegenwärtigen, zu reflektieren, darzustellen. Erscheinungen werden nicht als Indikatoren für Latentes, für hypothetische Konstrukte aufgefaßt - Verallgemeinerung wird nicht unter, über oder hinter, sondern in den Erscheinungen gesucht. Der Schluß etwa aus Interkorrelationen von Testscores auf Persönlichkeitsfaktoren, oder aus Ähnlichkeitsurteilen auf kognitive Dimensionen ist aus phänomenologischer Sicht willkürlich und blind, wenn nicht phänomenologische Analyse klärt, was im Test oder Urteil zu erfassen sei. Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist also phänomenologische Analyse nicht im wesentlichen Bezug auf erlebnisdeskriptive Variablen (die werden auch von Nichtphänomenologen untersucht, und Phänomenologen beschreiben auch Verhalten). Es ist vielmehr der Verzicht auf hypothetische Konstrukte, die in einem rein formal bestimmten und nicht aus den Strukturmerkmalen der Phänomene abgeleiteten Fundierungsverhältnis zum Beobachteten stehen. Auch von der typischen naturwissenschaftlichen Analyse mit dem Ziel, komplexe Erscheinungen auf elementare, einfache Gesetze zurückzuführen, unterscheidet sich die phänomenologische. Die Phänomene werden nicht notwendigerweise als zusammengesetzt aufgefaßt; sie sind nicht ausschließlich oder in erster Linie aus dem Zusammenwirken fundamentaler Gesetze zu beschreiben und zu verstehen. Nicht, daß dies ausgeschlossen würde, aber es m u ß nicht sein. Sprache nicht als Kalkül zu formalisieren, bedeutet den Verzicht auf bestimmte Möglichkeiten der Vorhersage. Ich bin überzeugt, daß
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 2 9 2 - 2 9 8
diese Folge eine der größten Barrieren zwischen phänomenologischer Psychologie und der übrigen Grundlagenforschung bewirkt. «Vorhersage» ist für micht nicht - wie etwa in WATSONS behavioristischem Manifest - zusammen mit «Kontrolle» das letzte Ziel von Psychologie. Sie ist ein Test - nur eine Prüfmöglichkeit unter anderen - für die Stimmigkeit einiger Aussagen in Theorien. Und nun ist es so, daß in phänomenologischen Analysen solche Aussagen einfach nicht im Vordergrund stehen. Das, was C.F. G R A U M A N N in seinen frühesten Publikationen immer wieder der formalisierenden Vorgehensweise entgegenhält, ist seine Sorge, die Phänomene zu verfehlen, speziell etwa als Feststellung, ein Experimentator enge notwendigerweise ein, müsse aus zwingenden praktischen Gründen absehen von Wichtigem (so 1960, p. 137 f.). Deshalb wird dem Experiment gegenüber der phänomenologischen Analyse eine nachgehend ergänzende, Einzelfragen - insbesondere bedingungsanalytischer Art - klärende Rolle zuge wiesen. Die Zurückhaltung bei der Formalisierung hat noch eine weitere Folge. Es gibt inzwischen etliche Beispiele, wie die kumulative Entwicklung der Forschung, die Ausfaltung der inneren Logik einer Fragestellung maßgeblich durch ihre Formalisierung ermöglicht wurde und ohne sie nicht verständlich ist. Ich erinnere nur an die mathematischen Lerntheorien, an die Analyse soziometrischer Strukturen bis hin zum Triadenzensus oder die Entwicklung von E D W A R D S bis TVERSKY in der Entscheidungstheorie. Nehmen wir folgendes, gut gesichertes Ergebnis der Präferenzforschung: Während für psychophysikalische Vergleichsurteile starke stochastische Transitivität durchweg gilt, findet sie sich oft nicht in Präferenz-Paarvergleichen. Ich bin überzeugt, daß eine phänomenologische Analyse auch Befunde wie diese etwa innerhalb einer integrierten Theorie der Werturteile ihren systematischen Ort anzuweisen vermag, allerdings erst dann, wenn sie die formale Analyse mitvollzogen hat. Hier ist auch die Reserviertheit des Phänomenologen gegenüber Messen zu erwähnen. Es scheint mir kein Zufall, wenn C . F. G R A U M A N N in seinem 1973 zusammen mit J. BREDENKAMP geschriebenen Artikel über die Möglichkeiten
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und Grenzen mathematischen Verfährens sich zunächst mit dem Messen als einer «Hauptanwendung der Mathematik» befaßt. Auch hier die Sorge, Messen führe zu einer Einschränkung der einer Analyse für wert gehaltenen Erscheinungsvielfalt auf nur eine Hinsicht, die der quantitativen Variation. Freilich hat sich seit der klassischen Psychophysik durch die axiomatische Meßtheorie eine deutliche Akzentverschiebungergeben. Wenn der Zweck bisweilen - übrigens selten genug - Quantifizierung für Anwendung oder für die Prüfung quantitativer theoretischer Aussagen ist, so ist Messung im axiomatischen Ansatz doch im wesentlichen Nachweis der empirischen Gültigkeit eines Strukturmodelles, das qualitative («ordinale») Gesetze als Voraussetzung für Quantifizierung formuliert. Während unserer Diskussion der phänomenologischen Methodik habe ich wiederholt die Frage nach dem Verhältnis der phänomenologischen zur sonstigen psychologischen Forschungberührt. G R A U M A N N hat s i c h - w a s k e i n anderer Phänomenologe so konsequent, so nachhaltig und so detailliert versucht hat - dieser Frage immer wieder gestellt. C.F. G R A U MANN ist Phänomenologe und Psychologe. Seine großen Artikel sind der in immer wieder neuen Bereichen gewagte Versuch, die beiden Ansätze aufeinander zu beziehen. Ich behaupte, daß ohne diese Versuche die Phänomenologie kaum Einfluß auf die Psychologie hätte. Wie läßt sich, wie hat C . F . G R A U M A N N das Verhältnis der beiden Ansätze charakterisiert? Ich selbst habe, als ich G R A U M A N N S Assistent war - eben aus Berkeley von K R E C H , POSTMAN und KEPPEL zurückgekehrt und bald unter dem Eindruck von C L Y D E C O O M B S - , dieses Verhältnis zunächst als ein Übersetzungsproblem angesehen: Man nehme einige Ereignisse der phänomenologischen Analyse, verwandle sie in Operationalisierungen und führe sie so der empirischen Prüfbarkeit zu. Das habe ich in meinen Arbeiten über «Konflikterleben und Konfliktverhalten» ( F E G E R , 1978) zunächst versucht, aber es fehlte die vorausgehende, vollständige phänomenologische Analyse, und es fehlen nach wie vor Bewertungskriterien dafür, ob der Übertragungsvorgang gelungen ist. Ein zweites Verständnis dieses Verhältnisses ist das, was G R A U M A N N (1978) selbst in seiner
296 Darstellung der «Wahrnehmung und Beurteilung der anderen und der eigenen Person» als «protopsychologische Vorüberlegungen» gekennzeichnet hat. Nach einer solchen vorbereitenden Klärung dessen, worüber dann zu forschen ist, unter Einbezug vor- und außerwissenschaftlicher Empirie, faßt er deren Zweck zusammen (p. 156): «Dieser erste phänomenologisch orientierte Blick auf die alltägliche Erfahrung des sich selbst und andere Wahrnehmens und Beurteilens sollte nur den einen Zweck haben, das, was die Psychologie der Selbst- und Fremdwahrnehmung, -beobachtung und -beurteilung konzeptualisiert und empirisiert hat, in die rechte Perspektive zu rücken. Dies erscheint erforderlich, weil die Begegnung mit Menschen und der Umgang mit Sachen und der über beides geführte Dialog und das ist unsere alltägliche Situation - in der psychologischen Grundlagenforschung, teils notwendigerweise, teils nur üblicherweise, abgeblendet werden. Und da, wo man munter Menschen miteinander übereinander kommunizieren oder auch nur agieren läßt, geschieht zwar manches, auch Interessantes; nur, was man Grundlagenforschung zu nennen pflegt, wird - üblicherweise und auch notwendigerweise - ausgeblendet.» Ein drittes Verständnis dieses Verhältnisses ist das der integrierenden Kritik. Um ihre Art und ihre Leistung zu zeigen, möchte ich wieder C . F. G R A U M A N N zitieren, diesmal aus «Interpersonale Perspektivität und Kommunikation». Als Ziele der Analyse gibt sich der Autor vor, «begriffliche Klarheit» zu gewinnen, die Invarianten des Phänomens in ihren Relationen zueinander herauszuarbeiten und Defizienzen der bisherigen Konzepte deutlich zu machen. Ich zitiere (p. 170ff.) seine Kritik an dem auf S H A N N O N und WEAVER zurückgehenden «Nachrichtenübermittlungs-Modell der Kommunikation»: «1) die Perzeption des anderen bleibt reduziert auf die Rezeption der Nachricht des Senders durch den Empfanger. Die für die zwischenmenschliche Kommunikation konstitutive interpersonale Wahrnehmung und Beurteilung (soziale Kognition) bildet das Modell nicht a b . . . . 2) Ineins damit fehlt die von einzelnen phäno-
Feger: Laudatio für C. F. G r a u m a n n
menologisch orientierten Psychologen ernst genommene Reziprozität des Ich-sehe-daß-du-mich-siehst. An ihre Stelle tritt die rein funktionale Rückmeldung (feedback). 3) Neben dieser Verkürzung der interpersonalen Beziehung auf die Übermittlung einer Nachricht ist auch die Mitteilung selber insofern simplifiziert abgebildet, als das, worüber einer dem anderen etwas mitteilt, unterstellt bleibt; die Welt der Personen, Dinge und Sachverhalte gerinnt im Übermittlungs-Modell zur bloßen «Nachricht» (message).» Der Stellenwert dieses Modells ergibt sich zusammen mit den erkannten Abbiendungen aus der positiven Bewertung: Die Vorzüge « . . . liegen - abgesehen von dem Hinweis auf den Menschen als (auch) nachrichtenverarbeitendes System - vor allem in der Klassifikation der Phasen, die eine (begründete oder motivierte) Intention durchlaufen muß, um als Äußerung verstanden zu werden und gegebenenfalls Wirkung hervorzurufen. Damit ist aber auch deutlichergeworden als zuvor, welche Umsetzungsprozesse (und damit mögliche Veränderungen, Verzerrungen, Blockierungen) den Vorgang einer Mitteilung ausmachen, und wie wenig Grund wir zur Annahme haben, daß geglückte oder erfolgreiche Kommunikation der Regelfall ist.» Hier sei auch die zusammengefaßte Bewertung zitiert, in der C . F . G R A U M A N N das «Beziehungsmodell der Kommunikation» von NEWCOMB als spezielle Akzentuierung würdigt (p. 174f.): «Seine Vorzüge - gegenüber dem Übermittlungs-Modell - liegen: a) in der ausdrücklichen Einbeziehung dessen, worüber kommuniziert wird, das damit nicht nur als in die Kommunikation eingeht, b)in der Konzeption des commune der Kommunikation als Koorientierung, die von N E W C O M B , im Hinblick auf die K o n s t r u k tion der Wirklichkeit), vor allem der gesellschaftlichen, wesentlich als , interpretiert wird. Damit wird - im Gegensatz zum bloßen Übermittlungs-Konzept auch die Motivation zur Kommunikation mitthematisiert.
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c) Ein dritter Vorzug liegt in dem Differentialkriterium, d a ß die interpersonale Beziehung thematisiert wird, wenn auch faktisch n u r sub specie der wechselseitigen .» M a n kann n u n nicht einfach diese Modelle gewissermaßen additiv zusammenfügen, oder es dabei bewenden lassen zu sagen, wenn man die eine Erkenntnisabsicht verfolge, d a n n gelte das eine Modell, sonst halte man sich an das andere oder ein drittes. Die Leistung der phänomenologischen Kritik und Integration G R A U M A N N S L e i s t u n g - b e s t e h t darin, aus einer theoretisch geschlossenen Konzeption dessen, wie der Mensch in seiner Welt zu bestimmen sei, im einzelnen und bei jeder konkreten Frage explizieren zu können, wie diese Bestimmung Begriffe wie K o m m u n i k a t i o n klärt und die konstituierenden Strukturen der P h ä n o m e n e entfaltet. Was dies dann für die Analyse der K o m m u n i k a t i o n bedeutet, sei in zwei Zitaten n u r angedeutet (p. 179): «Die anderen in ihrer unmittelbar mir gegebenen Perspektivität sind es denn auch, die dadurch, daß auch ich mich als zu ihrer Perspektive gehörig zähle, nicht n u r sein k ö n n e n ; die Selbstrelativierung der Ich-Perspektive in der Reziprozität der Perspektiven konstituiert so die bzw. den Realitätscharakter der Wirklichkeit.» U n d , Aussagen von Litt & Schütz zusammenfassend (p. 181): «Der deskriptive K e r n jedoch verweist auf eine interaktionale Struktur, die wir wohl als konstitutiv für menschliche K o m m u n i k a t i o n ansehen müssen. D e n n o h n e die A n n a h m e , d a ß der Andere mich potentiell als sein Gegenüber w a h r n i m m t , das sich zu ihm verhält, d a ß prinzipiell er die Dinge so sehen, so benennen, so interpretieren kann - oder wenigstens könnte - , wie ich es tue oder an seiner Stelle tun würde - et vice versa - , erscheint die für jede menschliche K o m m u n i k a t i o n erforderliche Gemeinsamkeit nicht konstituierbar.» Vermutlich sind wir mit diesen A u s f u h r u n gen im Z e n t r u m der Sozialpsychologie angek o m m e n - bei der Frage nach der A r t und den Voraussetzungen der Konstituierung einer gemeinsamen Realität. Die Kritik hat also im wesentlichen nicht n u r geordnet und ergänzt, sie
hat den oder wenigstens einen wesentlichen Bereich der Sozialpsychologie für eine theoretische und empirische Analyse freigelegt. Die erwähnte Begrenztheit der einzelnen empirischen Studie, und sei es n u r hinsichtlich der bloßen Anzahl gleichzeitig zu berücksichtigender Variablen, diese Begrenztheit ist zwar lästig, aber erträglich, solange dadurch die Perspektive nicht verkürzt, jede einzelne konkrete Studie in ihrem Verweisungscharakter gesehen wird. Mir kam es darauf an, in dieser Laudatio C. F. G R A U M A N N S Stellung in einer sich als empirische Wissenschaft verstehenden Psychologie zu verdeutlichen. Zu kurz gekommen ist dabei vieles, seine Tätigkeit als Herausgeber beispielsweise der Werke L E W I N S oder der Z E I T S C H R I F T F Ü R S O Z I A L P S Y C H O L O G I E , seine Tätigkeit in G r e m i e n (hier darf ich die G r ü ß e und den Glückwunsch des Präsidenten meiner Universität, H e r r n F I S C H E R - A P P E L T , und seine Würdigung Ihrer diplomatischen Erfolge einfließen lassen), die zahlreichen Einladungen zu hervorgehobenen Vorträgen im In- und Ausland, vor allem aber konnte ich G R A U M A N N S theoretische Konzeption einer p h ä n o m e n o l o gischen Psychologie nicht ausführlich genug darstellen. In dem mir von G R A U M A N N vorgegebenen Horizont von Möglichkeiten bin ich hier den Weg gegangen, mathematisch-naturwissenschaftliche und phänomenologische Analyse zu kontrastieren in der Hoffnung, so wenigstens einen Aspekt seiner bisherigen Leistungen zu würdigen. Wir wissen, d a ß wir weiteres, neues, erhoffen können.
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Theorie und Methoden Zur Begriffs- und Forschungslogik von Gründen und Ursachen in psycho- und soziologischen Handlungserklärungen REINER WIMMER
Philosophische Fakultät der Universität Konstanz
Es wird der Nachweis versucht, daß (1) ein konsequent behavioristisches Programm der Kausalerklärung menschlichen Verhaltens im Sinne eines universellen Physikalismus sich in pragmatische Widersprüche verwickelt, daß (2) der Kausalbegriff erkenntnislogisch den Handlungsbegriff voraussetzt, daß (3) die experimentellen Wissenschaften von beiden Begriffen Gebrauch machen müssen, um zwischen zufalligen Regelmäßigkeiten und Gesetzen unterscheiden zu können, und daß (4) die sozialwissenschaftliche Verwendung von intentionalistischen Begriffen wie denen des Grundes, Zwecks oder Interesses eine - wie die sozialpsychologische Attributionsforschung zeigt - vernünftige Alternative sowohl zum Behaviorismus als auch zum Introspektionismus bei der Beschreibung und Erklärung menschlichen Handelns in Psychologie und Soziologiedarstellt.
This essay attempts to show that (1) a systematic behavioristic program of causal explanation for human behavior, stated in terms of universal physicalism, entangles itself in pragmatic self-contradictions, (2) that the concept of causality epistemologically presupposes the concept of agency, (3) that the experimental sciences must use both concepts in order to distinguish between accidental and nomic regularities or laws, and (4) that the scientific use o f i n t e n tionalistic concepts, which prove good in the real world, e.g., those pertaining to reason, purpose, and interest, is as attribution research shows - a rational alternative to both behaviorism and introspectionism in describing and explaining human action in psychology and sociology.
•
1. Einleitung Die das Unternehmen einer naturwissenschaftlich orientierten schon von der Bezeichnung her vortrefflich charakterisierende Psychophysik des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts stellte eine erste Etappe auf dem Wege zu einer Psychologie dar, von der man zwar nicht annahm, daß ihre Gesetze jenen Grad von Exaktheit und Allgemeingültigkeit würden erreichen können, den die klassische Physik aufwies, der man aber zutraute, zu Voraussagen über menschliches Verhalten taugliche Wahrscheinlichkeitsgesetze aufzustellen. Der Neopositivismus des Wiener Kreises mit seinem Programm einer am Exaktheitsideal der Physik orientierten Einheitswissenschaft und die sich in einem ähnlichen physikalistischen Geist etablierende strenge Form des Behaviorismus leugneten schließlich jede Eigen-
ständigkeit eines wie auch immer näher zu bestimmenden psychischen Bereichs gegenüber physikalisch zugänglichen Phänomenen. Zudem sollten die rigorose Handhabung des empiristischen Sinnkriteriums und eine kritisch geschärfte Sprachanalyse die Unhaltbarkeit traditioneller Philosopheme - etwa des cartesischen Dualismus von Leib und Seele oder der Freiheit des menschlichen Willens - als metaphysische Hirngespinste oder philosophische Pseudoprobleme entlarven. Damit schien menschliches Handeln als ein autonomes Setzen und Verfolgen von Zwecken nicht mehr stattfinden zu können. Als machtvoll und geschlossen auftretende Bewegungen gehören Neopositivismus und Behaviorismus schon der Vergangenheit an. Die Komplexität jener Phänomene, die sie in methodologischer Eindimensionalität vollständig und endgültig zu klären trachteten, ließ sie
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scheitern. Überdies sahen sich diese totalitären Theorien, sobald sie ihre Behauptungen auf sich selbst anwandten, unmittelbar einer Art verfallen, der zu ihrer Selbstauflösung führen mußte. Denn auch ein Positivist oder Behaviorist kann nicht umhin, sich nicht nur als Privatmann, sondern auch und vor allem als Wissenschaftler - will er seinen Theoremen nicht völlig bewußtlos anhängen - als Handelnder zu verstehen, der bestimmte Zwecke verfolgt und sie mit Gründen auszeichnet, die prinzipiell von jedem verständigen Menschen beurteilbar sein müssen. Zudem wäre der Wahrheitsanspruch wissenschaftlich gewonnener Ergebnisse mit der zugleich erhobenen Behauptung, gänzlich Wirkung kausal determinierender Faktoren zu sein, u n v e r e i n b a r - j a , diese Behauptung selbst wäre, insofern sie einen Geltungsanspruch erhebt, unmöglich! Natürlich läßt sich intentionales Verhalten stets auch auf seine physischen Bedingungen hin befragen und auf diese Weise vergegenständlichen. Aber dieses Vorgehen ist nicht selbst wieder schlechthin objektivierbar; ein regressus in infinitum im Perspektivenwechsel zwischen Handelndem und Beobachter, der Behauptungen über das Verursachtsein des in Frage stehenden Handelns aufstellt, ist unmöglich; stets bleibt zumindest beim Beobachter, der, insofern er ein absichtsvoller Beobachter ist und Urteile fallt, zugleich handelt, ein unauflöslicher , weil er sich auch als beobachtend Handelnder nie selbst vollständig objektivieren kann. Totalitäre Theorien nach Art des Neopositivismus und des extremen Behaviorismus haben sich damit für die Gesamtdeutung menschlichen Verhaltens als unbrauchbar erwiesen. Nur mit gewissen Einschränkungen, vor allem ihres Absolutheitsanspruchs entkleidet, können sie wissenschaftstheoretisch und forschungsstrategisch brauchbare methodische Anweisungen für die Untersuchung menschlichen Verhaltens abgeben. Aber welches sind jene einschränkenden Bedingungen? Es genügt heute nicht mehr, das «Verstehen» den «Geisteswissenschaften» und das «Erklären» den «Naturwissenschaften» zuzuordnen, wie es D I L T H E Y in seinen Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie tat, oder eine Unterscheidung zwischen den das Einmalige
W i m m e r : Zur Begriffs- und Forschungslogik
beschreibenden «idiographischen» Wissenschaften und den das Allgemeine erforschenden «nomothetischen» Wissenschaften zu treffen, wie dies R I C K E R T in Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung versuchte. Ein solcher Dualismus würde verkennen, daß jede der beiden Wissensformen auf die andere angewiesen ist, um zu begreifen, wozu sie taugt und wo ihre Grenzen liegen. Zudem übersieht ein starrer Dualismus die ihn übergreifenden Aufgaben etwa formaler Wissenschaften wie der Mathematik und Logik oder einer die Grundlagen und Methoden aller Einzelwissenschaften bedenkenden Wissenschaftstheorie. Die Wissenschaftstheorie der Sozialwissenschaften und die philosophische Handlungstheorie unternehmen seit geraumer Zeit Anstrengungen, die durch das faktische Vorgehen der Psychologie und Soziologie aufgeworfenen methodischen und begriffslogischen Probleme zu bearbeiten, wie auch Psychologie und Soziologie ihrerseits von diesen Bemühungen Kenntnis zu nehmen beginnen (vgl. z.B. BODEN,
1972;
BORGER & CIOFFI,
1970;
FODOR,
1 9 6 8 ; MACKENZIE, 1 9 7 7 ; M A N N I N E N & TUOMELA, 1 9 7 6 ; M I S C H E L , 1 9 6 9 ; T A Y L O R , 1 9 6 4 ; W O L MAN & N A G E L , 1964). Die Notwendigkeit gegenseitiger Kenntnisnahme wird denn auch von verschiedenen Seiten betont. So schreibt etwa T O U L M I N : « [ . . .] recent discussions o f h u m a n action by analytical philosophers have something to gain from criticism by professional psychologists; while, in return, the theoretical obscurities afflicting contemporary psychology may be seen in a clear light if looked at from the standpoint of analytical p h i l o s o p h y » ( 1 9 6 9 , p. 71).
Ähnlich äußern sich H A R R E & S E C O R D speziell im Blick auf die Sozialpsychologie: «In our view, an adequate social psychology can be developed only as a co-operative enterprise between psychologists, philosophers and sociologists. N o one of these groups seems able to be successful alone. Psychologists have often been concerned with t o o narrow a c o n c e p t i o n of social action, and have been severely handicapped by conceptual naivete. Philosophers have not lacked conceptual sophistication but have t o o often been ignorant of social and psychological facts, while sociologists, despite great breadth of conception, have been unable to d e v e l o p adequate theories of individual social action, and have suffered, with psychologists, from conceptual naivete» (1972, P.2).
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2. Widerlegung eines universellen Physikalismus und extremen Behaviorismus in der Erklärung von Handlungen O h n e auf die verschiedenen Versionen physikalistischer Reduktionen menschlichen Handelns einzugehen, sei ein Argument ausführlicher dargelegt, das es erlaubt, jeden Standpunkt ad absurdum zu führen, der die universelle Behauptung zu vertreten sucht, schlechthin jedes Verhalten sei - wenn auch beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch nicht im einzelnen nachweisbar - gänzlich durch physikalische oder neurophysiologische Ursachen determiniert. Für die mechanistische Ansicht, der Mensch sei letztendlich nichts anderes als eine Maschine, handelt es sich bei dieser Vorstellung natürlich zunächst nur um eine Analogie, für die nicht maßgebend sein kann, daß eine Maschine im üblichen Wortsinn vom Menschen geplant, aus Teilen zusammengesetzt und als Mittel zur Verfolgung bestimmter Zwecke verwandt wird. Die Analogie beruht auch nicht darauf, daß die Arbeitsergebnisse etwa des Betriebs von den Denkresultaten von Menschen vergleichbar oder gar überlegen sein können. Die Analogie bezieht sich auf den Vorgang der Produktion dieser Resultate selbst: Weil wir auf den Vollzug des Denkens eines anderen Menschen letztlich nicht von seiner Behauptung aus schließen, daß er denke, sondern von den Resultaten aus, die er präsentiert, die Ergebnisse maschineller sich zudem nicht wesentlich von den Ergebnissen menschlichen Denkens unterscheiden - in beiden Fällen werden an die Resultate die gleichen Richtigkeitsansprüche gestellt-, können wir auch der Maschine Denken zusprechen. Sollten wir dazu nicht bereit sein, würde der Umkehrschluß fordern, auch dem Menschen das Denken abzusprechen. N u n enthält die mechanistische These vom menschlichen Denken als einem durch bestimmte physikalische Ursachen und Randbedingungen vollständig determinierten und deshalb in Kausalkategorien vollständig erklärbaren Prozeß einen Widerspruch besonderer Art. Es handelt sich nicht um einen formallogischen, sondern um einen selbstreflexiven oder - mit A P E L ZU reden - Widerspruch: Wer diese These vertritt, behauptet implizit auch von sich, daß er als denkender und argumentierender, für diese These einen Wahrheitsanspruch erhebender Mensch im Sinne der These eine Maschine ist, und behauptet implizit von seiner These, d a ß sie als Erzeugnis eines Denkvorgangs Resultat eines maschinellen, kausal bestimmten Prozesses ist. Der Widerspruch besteht also darin, daß der für die Maschinenthese Argumentierende im Vollzug seines Behauptens den Inhalt seiner Behauptung aufhebt. Sagt jemand, er sei eine Maschine, und erhebt für seine Aussage einen Wahrheitsanspruch, dann kann er sie, insofern sie diesen Anspruch erhebt, nicht zugleich als kausal bewirkt ansehen. Daß eine Behauptung wahr oder falsch ist, läßt sich nicht mit dem Aufsuchen und Finden von Ursachen für das Stattfinden dieses Lautereignisses gleichsetzen. Der Erweis der Wahrheit oder Falschheit einer Behauptung läßt sich nur durch ihre intersubjektive Kontrolle, durch das Vorbringen von Gründen und Gegengründen und das intersubjektive Abwägen dieser Gründe erbringen. Natürlich kann man den Vollzug einer Behauptung auch auf seine und , etwa physiologischen und sozialpsychologischen Ursachen hin untersuchen. Insofern eine Aussage aber den Anspruch erhebt, wahr zu sein, läßt sich die Überprüfung dieses Anspruchs nicht durch das Aufsuchen der Ursachen bewerkstelligen, die zu seiner Erhebung geführt haben. Nun könnte der Mechanist dem aufgezeigten Widerspruch auf zweierlei Weise zu entgehen suchen: Er könnte entweder die reflexive Selbstanwendung seiner Theorie bejahen und die Behauptung aufstellen und für sie argumentieren, daß es allein den von seiner These (voraus-)gesetzten deterministischen Wahrheitsbegriff für Behauptungen und Argumentationen gebe, der übliche nicht-deterministische Wahrheitsbegriff demgegenüber jedoch unkritisch und illusionär sei, weil er sich allein fehlender Einsicht in die Totalität der Determination verdanke, oder verneinen und so den Geltungsbereich seiner Theorie auf eigentümliche Weise beschränken, indem er sie ihm entzieht, und zugleich den gebräuchlichen Wahrheitsbegriff - zumindest im Hinblick auf die vertretene These - in Geltung lassen.
302 Gegen beide M a n ö v e r lassen sich dieselben E i n w ä n d e v o r b r i n g e n : Sie stellen 1. I m m u n i sierungsstrategien dar, b e h a u p t e n sie doch, d a ß n u r sie selbst über den Wahrheitsbegriff verfugen u n d verfügen k ö n n e n ; der W a h r heitsbegriff des K o n t r a h e n t e n sei u n ü b e r w i n d lich falsch, weil naturgesetzlich d e t e r m i n i e r t (im ersten Fall als Begriff nicht-deterministischer, im zweiten Fall als Begriff deterministischer Wahrheit). Ü b e r diese U n a n g r e i f b a r keitsstrategie hinaus sind diese Positionen aber 2. wissenschaftlich u n d philosophisch belanglos für den, der sie nicht vertritt; d e n n in Erweit e r u n g eines von BECK gemachten Vorschlags (1975, p. 27) handelt es sich bei ihnen u m S t a n d p u n k t e , gegen die sich ein von i h m sogenanntes A r g u m e n t f u h r e n läßt. BECK greift einen Hinweis EWINGS auf, der das n a c h BECKS M e i n u n g Entscheidende in aphoristischer K ü r z e gesagt habe: «If solipsism is true, t h e r e are n o solipsists, since I a m not one.» BECK gibt dazu folgende E r l ä u t e r u n g : « T h e solipsist position has never been maintained if it is true, because if it is true I alone could have maintained it, and I have not done so. If I argued for solipsism - it is hard to see why I should do so even if, or especially if, I believed it - 1 could not do so in good faith, because I do not believe it. If I were to choose to argue that it is true, my position would be invulnerable to counterargument even if it is false. But I do not choose to do so. [.. .] 1 believe this argument, invented by EWING, is likewise usable by others and is not discountable when extended to others. This argument will carry no weight, of course, with another person if he is a genuine solipsist who knows his business. But if there is such a person, I know that solipsism is false since that person is not I» (1975, p. 28 - 29).
Schließlich läßt sich 3. über den N a c h w e i s der Belanglosigkeit dieser Positionen hinaus, der j a i m m e r n o c h ihre Verständlichkeit u n d in diesem Sinn ihre Möglichkeit voraussetzt, in A u f n a h m e WiTTGENSTEiNScher A r g u m e n t e gegen die D e n k b a r k e i t einer Privatsprache zeigen, d a ß sie als öffentlich vertretene Positionen unmöglich sind, weil sie die Institutionalität der Sprache zwar praktisch voraussetzen, ind e m sie deren W ö r t e r v e r w e n d e n , diese ihre Institutionalität aber m i ß a c h t e n , i n d e m sie W ö r ter wie , usw. in einer Weise verwenden, die sich nicht an ihren eingef ü h r t e n öffentlichen G e b r a u c h anschließen läßt, sondern ihn mit d e m - n u r scheinbar möglichen - liquidiert, der etablierte
Wimmer: Zur Begriffs- und Forschungslogik
G e b r a u c h von usw. sei falsch - eine B e h a u p t u n g , die die Möglichkeit einer Alternative zu diesem G e b r a u c h lediglich vorzutäuschen, seine U n a u s w e i c h l i c h k e i t u n d Alternativenlosigkeit nicht zu begreifen vermag. W e n n sich n u n a u c h sowohl ein universeller wie ein solipsistisch e r m ä ß i g t e r Behaviorismus als wissenschaftlicher S t a n d p u n k t nicht vertreten läßt, so bedeutet die Ü b e r w i n d u n g dieser Einseitigkeiten n o c h keine G e w i c h t u n g oder A b g r e n z u n g der A n s p r ü c h e eines intentionalen und eines kausalen Handlungsverständnisses gegeneinander. W ä h r e n d die Beobachtungssprache des Alltags in bezug auf m i t m e n s c h liches Verhalten ungezwungen intentionale u n d kausale E r k l ä r u n g s m u s t e r zur H a n d hat u n d verwendet, versucht z. B. die wissenschaftliche Beobachtungssprache der Physiologie, das beobachtete Verhalten mit Hilfe von Gesetzesaussagen zu beschreiben, die u . a . ReizR e a k t i o n s - Z u s a m m e n h ä n g e erfassen. In diese Aussagen gehen die subjektiven Intentionen des Physiologen, der sie f o r m u l i e r t , nicht ein, nicht einmal die AB _ j A B _ 12 2 1 1
t AB 1
J j,AB 22
"1 1
(1) und (2) sind äquivalent mit
H2I = ln(m2l)
=X
H12 = ln(m12)
= X + X\iL
1
, ,B 1
}AB 1 , AB 11
+ A
-X
1 B -U > A B
^ 2 2 = In (m 22 ) = X - X^
Übersetzt in Matrixdarstellung lautet (3) (4) Y = XB, wobei " 1 1 1 1
Uli
1-1
H2I X =
Y =
Setzt man allerdings alle möglichen Werte f!ir die Indizes i und j ein, so wird man feststellen, d a ß es m e h r Parameter (nämlich 9) als Datenpunkte (nämlich 4) gibt, so d a ß (1) unbestimmt ist. Den Parametern müssen daher Restriktionen auferlegt werden, um eine eindeutige Lösung zu erhalten. Häufig wird dazu
i A 1 '
~X
*
1-1
H12
1
^22
1 - 1 - 1
1 - 1 - 1
B =
00
2.1. Logitmodelle Modelle
(2) I ; XA = Z;J XB = I i XAB = I ; XAB = 0 i J iJ i J
>>
Hierarchische und nichthierarchische Modelle
-
2.
1
T AB .
1
1.
X wird als Designmatrix bezeichnet und (4) als Designmatrixdarstellung des saturierten log-linearen Modells für eine 2 x 2 Tabelle. Erweitern wir um eine dritte Variable auf eine 2 x 2 x 2 Tabelle, so lautet das saturierte log-lineare Modell
A (5) n iIJK jk = X + X + i
XB+ j
k
+ XAB ij
+ XAC + + XABij = A
C
+ A
AC
+ ABC J
angepaßte Randverteilung
L2
df
(AB), (C)
67.06
(IJ-1)(K - 1 )
= 3
.000
(AB), (AC)
57.86
I(J-1)(K - 1 )
= 2
.000
(BC)
24.86
J ( I - 1)(K - 1 )
= 2
.000
(AB), (AC), (BC)
19.26
( I - 1 ) ( J - 1)(K— 1 ) = 1
.000
(AB),
P
Hinweis: In dieser wie in allen weiteren Tabellen bedeuten: L 2 : Likelihood Ratio Chi-Quadrat df: Freiheitsgrade p: Fehlerwahrscheinlichkeit (Fehler 1. Art) für L2 bei gegebenen df
Tab. 3: Logitparameter des saturierten Modells zu den Dat e n v o n KOBELT.
Parameter
AfC \ f aabc
11
1
Wert
stand. Wert'
.302
4.319
-.176
-2.520
.314
4.500
-.306
-4.387
Standardfehler für alle Parameter = .0698
Ac:
Im Durchschnitt ist für die 1000 Unternehmen konstante bzw. steigende Gewinnentwicklung häufiger festzustellen _ als fallende Gewinnentwicklung. A a c : Im Vergleich zu Personengesellschaften weisen Kapitalgesellschaften eine un_ günstigere Gewinnentwicklung auf. A b c : Bei Mitbestimmung erweist sich die Gewinnentwicklung als optimaler als ohne _ Mitbestimmung. A a b c : Die Gewinnentwicklung stellt sich als besser für Kapitalgesellschaften ohne (A,B 2 ) und Personengesellschaften mit Mitbestimmung (A 2 B[) heraus. 1
1 Hierbei ist zu berücksichtigen, daß alle Effekte als Abweichung vom mean A c definiert sind, und daß die Interaktion die Residualvariation AB nach Berücksichtigung der Haupteffekte quantifiziert.
Da im saturierten Modell die erwarteten mit den beobachteten Häufigkeiten identisch sind, können wir uns die Interaktion auch anhand von Tabelle 1 wie folgt deutlich machen. Bei Mitbestimmung (B,) besteht zwischen A und C eine negative Beziehung («odds ratio» = .38) 2 , ohne Mitbestimmung ist die Beziehung dagegen positiv («odds ratio» = 1.30). Ebensogut können wir uns die Beziehung zwischen B und C für die Kategorien von A ansehen. Um die Zusammenhänge deutlicher zu machen, sind die Daten in Tabelle 4 in reorganisierter Form dargestellt. Daraus wird ersichtlich: Für Kapitalgesellschaften (A,) besteht Unabhängigkeit zwischen B und C; für Personengesellschaften (A 2 ) stellen wirdagegen
Tab. 4: Daten von KOBELT. A
B
C1
C2
«odds»
2 2
1 2
300 130
100 150
3.00 .87
2
«odds ratio»
Die «odds» in Tabelle 1 sind nichts anderes als unsere abhängige Variable, nämlich das Verhältnis von C, zu C 2 für jede Kombination von A und B. Der «ratio» dieser «odds» (z.B. 1.14/3 = .38) ist gleich dem Kreuzproduktverhältnis für die Subtabellen A x C (im Fall von B,). Ein «odds ratio» von 1 zeigt Unabhängigkeit zwischen zwei Variablen an; bei einem Wert kleiner als 1 ist die Beziehung negativ, bei einem Wert größer als 1 ist sie positiv.
317
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 3 1 2 - 3 2 1
einen starken Effekt fest. Bei Mitbestimmung (B,) beträgt das Verhältnis C, zu C 2 300/100 = 3, ohne Mitbestimmung dagegen 130/150 = .87 und somit 3/.87 oder 3.45 zu 1 zugunsten von Mitbestimmung. Es ist deshalb sicherlich sinnvoll zu fragen, ob sich ein Modell spezifizieren läßt, d a ß diesem Tatbestand Rechnung trägt: Kein Effekt BC unter Bedingung A,, starker Effekt unter Bedingung A 2 . (13) gibt uns zunächst die zu Tabelle 4 gehörige Designmatrix. ,AC
1 1 -1 -1
(13)
• ABC
I BC
1 -1 -1 1
-1 -1
Zur Spezifikation konditionaler Effekte von B auf C für die Kategorien von A führen wir mit (14) analog zu (13) ein «nested design» ein, bei dem wir die Variable B als in A hineingeschachtelt betrachten: Ac
(14)
Ä
AC
1
1
1
1
1
-1
1
-1
A
BC/A,
ABC/A
0 0
1 - 1
0 0
1 -1
Dieses Design enthält keinen Haupteffekt B und keine Interaktion AB mehr, dagegen jedoch zwei konditionale Effekte von B auf C für die Kategorien von A. 3 Da wir bereits wissen, daß der Effekt von B auf C für A, nichtig ist, passen wir das Modell (15)
=
+ A ^
+ A^
/ A
2
perfekten Fit. 4 Die Schlußfolgerung gegenüber dem saturierten Modell (10) unterscheidet sich also wesentlich. Wir sprechen nicht m e h r von einem Haupteffekt B und einer Interaktion AB auf C, sondern (neben dem Haupteffekt A) nur noch von einem konditionalen Haupteffekt B auf C für A 2 , der den Löwenanteil der Variation der Logits von C erklärt. Dieses Vorgehen ist in zweifacher Hinsicht bedenkenswert: 1.) zeigt es, wie sich theoretisch abgeleitete konditionale Hypothesen (z.B. X hat nur d a n n einen Effekt auf Z, wenn bestimmte Bedingungen für Y gegeben sind) testen lassen. 2.) zeigt es, wie sich Interaktionen (die häufig schwierig zu interpretieren sind) durch Einf ü h r u n g konditionaler Haupteffekte auflösen lassen. Die 4. Spalte in (13) ist ja identisch mit der Differenz der 3. und 4. Spalte in (14). Darüberhinaus wird deutlich, daß (12) auch dann ein sinnvolles Modell für eine vollständig gekreuzte Klassifikation ist (vgl. (14)), wenn man B als in A geschachtelt ansieht.
2.3.
Beispiel2
Tabelle 5 enthält Daten von LEE (1978). ES geht dabei u m die Frage, ob die Ansicht zum Inhalt von Fernsehserien (O) abhängig ist vom Geschlecht (S) und dem Wohnort der Befragten (L).
Wie man schnell nachvollziehen kann, paßt auf diese Daten kein unsaturiertes hierarchiTab. 5: Daten von LEE.
s
L
Ol
02
«odds»
l l 2 2
1 2 1 2
3 6 5 17
7 12 15 1
.43 .50 .33 17.00
an (streichen also die 3. Spalte aus (14)) und erzielen mit L 2 = .005 bei df = 1 einen praktisch
Bedeutung der Variablen: S: Geschlecht (1 = weiblich, 2 = männlich) L: Wohnort (1 = Land, 2 = Stadt) O: Ansichten zum Inhalt von Fernsehserien (1 = positiv, 2 = negativ)
3 Prinzipiell ist natürlich ebenfalls ein Design möglich, bei dem A in B hineingeschachtelt wird. Es ist daher zu überlegen, welche Variable die jeweils logisch vorgeordnete ist. Unser Fall liegt einfach, da Mitbestimmung der Rechtsform zeitlich nachgeordnet ist.
P r o g r a m m e n M U L T I Q U A L (BOCK & YATES, 1 9 7 3 ) o d e r
4
Derartige Berechnungen sind am einfachsten mit den
G L I M (BAKER & NELDER, 1 9 7 8 ) m ö g l i c h , d a b e i d e d e m B e -
nutzer die Spezifikation von Designmatrizen gestatten.
318
Langeheine: Nonstandard log-lineare Modelle
sches Modell (L 2 für das Modell mit beiden Haupteffekten beträgt 8.03 bei 1 Freiheitsgrad). L E E S Absicht war es, anhand dieser Datenkonstellation auf die Notwendigkeit hinzuweisen, in einigen Fällen über Standardmodelle hinauszugehen, da offensichtlich gilt (vgl. die «odds» in Tabelle 5): O ist unabhängig von S für L p 2) O ist unabhängig von L für S,. M A G I D SON et al. (1981) haben daher vorgeschlagen, das Modell anzupassen, dem die folgende Designmatrix entspricht:
(15)
1 1 1 1
0 0 0 1
D.h.: Männer in städtischen Gebieten unterscheiden sich von den anderen drei Gruppen. Das Modell paßt exzellent (L 2 = .324 bei df = 2, p = .85). M A G I D S O N et al. zeigen im übrigen, daß (15) nicht nur äquivalent ist mit einem «nested model», sondern auch mit einem Quasi-Unabhängigkeits-Modell 5 : würden wir die städtischen Männer ignorieren, so bestünde Unabhängigkeit in Tabelle 5. Beide Beispiele dürften deutlich gemacht haben, daß u.U. sehr einfache anstelle vergleichsweise komplexer Modelle eine gegebene Datenkonstellation erklären können. Solche einfachen Modelle können einmal direkt aus theoretischen Überlegungen abgeleitet und getestet werden. Zum anderen zeigen die Beispiele aber auch, daß es sinnvoll sein kann, sich seine Daten genau anzusehen und gegebenenfalls zu prüfen, ob Nonstandardmodelle anstelle von Standardmodellen zu bevorzugen sind.
-6.63
-18.85
6.73
Abb. 1: Rekursives Pfadmodell zu den Daten von KRÜGER. Bedeutung der Variablen: R : Leistung im Rechtschreibtest (1 = gering, 2 = hoch) S: Sozialstatus des Vaters (1 = hoch, 2 = mittel, 3 = niedrig) G : Geschlecht(l = m ä n n l i c h , 2 = weiblich) N : Note in Deutsch (1 = 1 - 2 , 2 = 3 - 4 , 3 = 5 - 6 )
des Vaters) und G (Geschlecht) mit L 2 = 13.70 und p = .473 bei 14 df eine zufriedenstellende Erklärung der abhängigen Variable N (Deutschnote) liefert. Übersetzt in pfadanalytische Terminologie entsprechen diesem Modell die drei Pfeile von G , R und S auf N in Abbildung 1. Wie aus dieser Abbildung ersichtlich ist, haben wir jedoch zusätzlich zwei weitere Effekte spezifiziert, die den Hypothesen entsprechen, daß die Leistung im Rechtschreibtest ebenfalls abhängig ist vom Geschlecht der Schüler und dem Sozialstatus des Vaters. Zur Testung dieses rekursiven Pfadmodells sind zwei Gleichungen aufzustellen, j e eine für die Variablen N und R , auf die Pfeile zugehen: ( 1 6 ) 4
3.
Modelle für polytome Variablen mit Rangordnung
In einer Reanalyse der Daten von K R Ü G E R (1979) wurde von L A N G E H E I N E (1980a) gezeigt, daß das Logitmodell mit den Haupteffekten R (Leistung im Rechtschreibtest), S (Sozialstatus 5 Quasiunabhängigkeit (GOODMAN, 1968) wird u.a. behandelt von BISHOP et al. (1975), FIENBERG (1977), HABERMAN ( 1 9 7 8 , 1 9 7 9 ) , REYNOLDS ( 1 9 7 7 ) und UPTON (1978).
,
j k
N
(17) ¥ i j R =
=
A
A
N
R
+
+
A
R N
A ?
R
+
A
S N
+
A
G N
J_ G R A: J
Die Testung von (17) wird für die über N zusammengefaßte Tabelle S x G x R durchgeführt (vgl. L A N G E H E I N E , 1982a, 1983). Der Fit für dieses Teilmodell ist ebenfalls akzeptabel (L 2 = 3.79, df = 2). Damit paßt auch das Gesamtmodell: L 13.70 + 3.79 = 17.49, df = 14 + 2 = 16.
319
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 3 1 2 - 3 2 1
Bei der Kennzeichnung der Pfeile mit Pfadkoeffizienten tritt allerdings das Problem auf, daß wir anstelle der aus der regulären Pfadanalyse gewohnten Kennzeichnung eines Pfeils mit einem Koeffizienten mit Parametervektoren (S auf R, R auf N und G auf N) sowie mit einer Parametermatrix (S auf N) arbeiten müssen. Verschiedene Autoren verzichten u.a. aus diesem G r u n d bei Pfadmodellen für kategoriale Daten ganz auf die numerische Kennzeichnung von Pfeilen eines Diagramms. Es mag daher verwundern, daß jedem Pfeil in Abbildung 1 dennoch lediglich ein Koeffizient zugeordnet ist. Welche Überlegung liegt diesem Modell zug r u n d e ? LANGEHEINE (1983) h a t bereits d a r a u f
hingewiesen, daß es recht wahrscheinlich ist, diese Datenstruktur allein durch lineare Beziehungen (also durch Polynome erster Ordnung und somit durch lediglich je einen Parameter) zu beschreiben. Den beiden dreikategorialen Variablen S und N liegt ja zumindest eine natürliche Rangordnung zugrunde. Unter der (nicht notwendig zwingenden) Annahme der Gleichabständigkeit der Kategorien bieten sich daher auch für multivariate Kreuztabellen durch Einführung orthogonaler Polynome zwei weitere Analysemöglichkeiten an: 1.) Wie in der Varianzanalyse lassen sich die Effekte von einzelnen Variablen sowie Interaktionen in lineare, quadratische usw. Komponenten zerlegen und auf Signifikanz testen. 2.) Im Gegensatz zu einem derartigen explorativen Vorgehen lassen sich a priori Hypothesen auf lineare und/oder nichtlineare Effekte durch Einführung entsprechender Restriktionen bei der Mo-
dellspezifikation direkt testen (vgl. BOCK, 1975; DUNCAN & MCRAE, GOODMAN,
1971;
1 9 7 8 ; FIENBERG,
HABERMAN,
1974,
1977; 1978,
1979).
Nach dieser zweiten Möglichkeit wurde auch hier vorgegangen, indem für die Variablen S und N jeweils nur lineare Effekte unter der zusätzlichen A n n a h m e der Gleichabständigkeit der Kategorien für die entsprechenden Pfade in Abbildung 1 angepaßt wurden. Die Ergebnisse verschiedener Modelltests sind in Tabelle 6 zusammengestellt. 6 Die Modelle H, bzw. H 4 quantifizieren jeweils die totale Variation der Logits von R bzw. N unter der Hypothese der Unabhängigkeit der abhängigen Variable von den entsprechenden unabhängigen Variablen. Unter H 2 wird um den Haupteffekt von G auf R und unter H 3 zusätzlich um die lineare Komponente von S auf R erweitert. Dieses Teilmodell paßt mit L2 = 4.46 bei 3 df. Die Modelle H 4 — H 7 sind entspre6 Wie in der Logitanalyse üblich, werden die Randverteilungen der unabhängigen Variablen in allen Modellen exakt angepaßt, in diesem Fall also z.B. die lineare sowie quadratische Komponente (GS ) und (GS q ). Ohne Aufspaltung in Komponenten würde der Minimalset der angepaßten Randverteilungen für das Modell H, lauten: (R), (GS). Im Fall der Modelle H 4 - H 7 muß für die abhängige Variable N neben der linearen ebenfalls die quadratische Komponente angepaßt werden (vgl. Häufigkeiten der univariaten Randverteilung N: 537, 1004, 298). Für die hier interessierenden Effekte der unabhängigen auf die abhängige Variable (Modell H7) fuhren jedoch lineare Komponenten zu einer zufriedenstellenden Anpassung. Da die Designmatrizen für diese Analysen sehr umfangreich sind, verzichten wir auf die Wiedergabe.
Tab. 6: Modelltests zu den Daten von KRÜGER. Abh. Var.
Unabh. Var.
Modell
Angepaßte Randverteilungen
R
G, S
H, H2 H,
(R),(GS,),(GS q ) (R). (GS (), (GS q ), (GR) (R), (GSj), (GS q ), (GR), (Sj R)
N
R, S, G
H4 H< H, H7
(N(), (N q ), (RSjG), (RS q G) (N f ), (Nq), (RS, G), (RSqG), ( R N t ) (N t ), (N q ), (RS f G), (RSqG), (RNf), ( S f N , ) (Nf), (N q ), (RSfG), (RSqG), (RN f ), (S f N f ) , ( G N , )
L2
df
P
75.34 49.62 4.46
5 4 3
.000 .000 .216
735.25 82.07 36.42 15.92
22 21 20 19
.000 .000 .014 .662
Hinweis: Wie üblich, wird nur der Minimalset der angepaßten Randverteilungen angegeben. Die Indizes g und q stehen für die lineare bzw. quadratische Komponente.
320
Langeheine: Nonstandard log-lineare Modelle
chend zu lesen. Die Berücksichtigung lediglich linearer Komponenten in H 7 führt für das zweite Teilmodell zu einem akzeptablen Fit von L2 — 15.92 bei 19 df, so daß für das Gesamtmodell gilt: L2 = 15.92 + 4.46 = 20.38, d f = 19 + 3 = 22. Absolut gesehen hat sich der Fit gegenüber dem alten Gesamtmodell somit kaum verschlechtert. Wir haben jedoch 6 Freiheitsgrade gewonnen. Die uns interessierenden geschätzten Parameter 7 für beide Teilmodelle sind in Tabelle 7 aufgelistet. Dort sind zugleich die Standardfehler und die somit resultierenden standardisierten Parameterschätzungen angegeben, die sich als z-Werte interpretieren lassen. Wegen der besseren Vergleichbarkeit wurden diese standardisierten Koeffizienten auch in das Pfaddiagramm (Abb. 1) eingetragen. Die Ergebnisse entsprechen sowohl hinsichtlich der Effektstärken der intuitiven Erwartung wie auch den Resultaten vorangegangener Analysen.
Tab. 7: Parameterschätzungen zu den Modellen H 3 und H 7 aus Tabelle 6. Modell
Effekt
Parameter
Standardfehler
stand. Wert
H,
R G x R SjxR
-
.041 .209 .327
.042 .050 .041
-
H,
N{ Nq RxN| SfxNf GxN|
.934 2.186 -2.813 .864 - .481
.110 .099 .149 .128 .107
8.52 22.06 -18.85 6.73 - 4.78
.98 5.06 6.63
Hinweis: Die Indizes { und q stehen für die lineare bzw. quadratische Komponente. Die Vorzeichen der Parameter sind u.a. von der Spezifikation der Polynome abhängig (Wahl der ersten oder letzten Kategorie als höchste).
7
Abschließend soll allerdings auf einige Restriktionen hingewiesen werden: 1.) Da über die vorliegende Datenstruktur vor Testung des spezifizierten Kausalmodells bereits relativ detaillierte Kenntnisse durch andere Analysen vorlagen, sollte die Bestätigung des postulierten Modells nicht verwundern. Absicht dieses Abschnitts war es lediglich zu zeigen, wie sich im Fall polytomer Variablen durch Einführung orthogonaler Polynome vergleichsweise einfache (sparsame) Modelle testen lassen. 2.) Dieses Vorgehen ist natürlich sinnlos bei echt nominal skalierten Variablen. Im Fall von ranggeordneten Kategorien wissen wir prinzipiell nichts über die Abstände zwischen einzelnen Kategorien. Aus rechentechnischen Gründen müssen wir bei der Spezifikation der Polynome allerdings irgendwelche Annahmen über diese Abstände machen. Im vorliegenden Fall haben wir uns für Gleichabständigkeit entschieden und sind damit gut gefahren. Gleichabständigkeit ist allerdings nicht zwingend notwendig. Sofern theoretische Überlegungen andere Abstände nahelegen (z. B. das Intervall zwischen erster und zweiter Kategorie ist zweimal so groß wie das zwischen zweiter und dritter Kategorie), so läßt sich dies bei Spezifikation der Polynome berücksichtigen.
Die Berechnungen wurden mit MULTIQUAL (BOCK & YATES, 1973) durchgeführt, indem Designmatrizen für die entsprechenden log-linearen Modelle spezifiziert wurden. Die Parameterschätzungen gelten somit für das jeweilige log-lineare Modell (d.h. nicht für das entsprechende Logitmodell). Die standardisierten Werte sind jedoch im Logit- und log-linearen Modell identisch. Dieses Vorgehen war notwendig, da erst die neue Version von MULTIQ U A L folgende Parameterrestriktionen im Fall von Modell H 7 bei Spezifikation als Logitmodell erlauben wird: R x N p = S x N q = G x N q = 0.
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322
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
Empirie Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen unter Berücksichtigung von Antizipationen und subjektiven Sicherheiten U L R I C H SCHULZ & THEO M A Y Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, Universität Bielefeld
Es wird untersucht, welchen Einfluß Antizipationen und ihre subjektive Sicherheit auf die Entscheidungen und die Informationsverarbeitung in wiederholten Prisoner's-Dilemma-Spielen (PDS) haben. Es wird ein Modell für die Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozesse im Spielverhalten vorgeschlagen. Es werden Ergebnisse aus vier Experimenten berichtet, an denen jeweils 24, 20, 22 und 30 Spieler teilnahmen. A n h a n d der Daten aus drei Experimenten wurde das Modell überprüft. Das Modell erweist sich als nicht unangemessen. Eine Auswirkung der E r h e b u n g der subjektiven Sicherheit in PD-Sequenzen auf das Spielverhalten konnte nicht nachgewiesen werden. Erklärungsversuche der experimentellen Daten d u r c h ein U n t e r m o d e l l o h n e Lernen wurde von den Daten nicht gestützt. Die Zahl korrekter Antizipationen als M a ß für den Realismus eines Spielers scheint eine problematische Kennziffer zu sein.
T h e influence of predictions and their subjective certainty on decision making and information processing in repeated Prisoner's D i l e m m a G a m e s ( P D G ) is studied. A model for the process of decision making and information integration is proposed. Results of four experiments are reported. In these experiments 24, 20, 22 and 30 subjects respectively participated. T h e model was evaluated by means of the data from three experiments. T h e model proves to be quite appropriate. A possible influence on gaming behavior of the measurement of subjective certainty in iterated P D G ' s could not be demonstrated. An attempted explanation of experimental data by a submodel without learning was not supported. T h e n u m b e r of correct predictions seems to be a dubious indicator for realism in experimental games.
1. Iterierte Konfliktspiele In der Kieingruppenforschung werden Spielsituationen untersucht, die sich in ihrer einfachsten Form folgendermaßen beschreiben lassen: An den Spielen nehmen zwei Spielerteil. Jeder Spieler verfugt über zwei Wahlalternativen. Das Spiel wird ohne Verhandlung und ohne Kommunikation gespielt, d.h. jeder Spieler trifft seine Wahl unabhängig vom anderen Spieler. Jedes Paar von Wahlen der beiden Spieler hat für den einzelnen Spieler einen Nutzen (Auszahlung). In Konfliktspielen wird der Nutzen meist in Geldeinheiten vorgegeben und schematisch in einer Matrix dargestellt:
Spieler 1 Alternative I
Spieler 2 Alternative I
Alternative II
Auszahlung für Spieler 1 bei Ergebnis 1,1
Auszahlung für Spieler 1 bei Ergebnis 1,11
Auszahlung Auszahlung Alternative II für Spieler 1 für Spieler 1 bei Ergebnis bei Ergebnis II, II IM Beide Spieler sind über die eigene Auszahlung und die des Partners informiert. In Konfliktspielen besteht kein vollständiger
323
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 3 2 2 - 3 4 0
Interessengegensatz zwischen den Spielern wie in Spielen, in denen der Gewinn des einen Spielers zugleich den Verlust des anderen Spielers bestimmt; vielmehr wird die Auszahlung für die Spieler so gestaltet, daß Entscheidungen, die nur auf der Betrachtung der eigenen Auszahlungbasieren, in vielen Fällen zwar zu einer sicheren aber niedrigen Auszahlung führen und daß Entscheidungen, die auch die Auszahlung des Mitspielers berücksichtigen, mit starken Unsicherheiten behaftet sind: Einerseits kann eine für beide Spieler akzeptable Auszahlung erreicht werden; andererseits können für den Spieler auch sehr niedrige Auszahlungen resultieren. Wenn das Spiel zwischen den gleichen Spielern wiederholt gespielt wird, spricht man von iterierten Konfliktspielen. Man unterscheidet bei iterierten Konfliktspielen, ob die Zahl der Wiederholungen der Spiele den Spielern bekannt ist oder nicht.
2. Antizipation, Spielerintentionen, Realismus Schon in den ersten bedeutenden, psychologischen Untersuchungen zu iterierten Konfliktspielen wurden nicht nur die Wahlen der Spieler, sondern auch deren Vorhersagen über das Spielverhalten der Spielpartner miterhoben. Solche Antizipationen wurden aus zwei Gründen verwendet: Ein Teil der Forscher glaubte, durch die Betrachtung von Vorhersage und Wahl besser die Spielintentionen bzw. strategischen Orientierungen der Spieler erfassen zu können. Eine zweite G r u p p e von Forschern interessierte sich stärker für die Informationsverarbeitung der Spieler während der Spielsequenz. Sie versuchten, aus der Veränderung der Antizipationen die Reaktion der Spieler auf das vorausgegangene Spielgeschehen zu erklären. Die ersten Arbeiten, in denen nach unserer Kenntnis Antizipationen miterhoben wurden, stammen aus dem Kreis um M. D E U T S C H und untersuchten, welchen Einfluß die Machtkonstellation zwischen den Spielern, die Kommunikationsbedingungen im Spiel sowie die Motive der Spieler auf die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen bzw. Argwohn haben. Hiermit wurden auch die Möglichkeiten der
Entwicklung von Kooperation in experimentellen Spielen genauer studiert. LOOMIS ( 1 9 5 9 ) , D E U T S C H ( 1 9 6 0 ) und S O L O M O N ( 1 9 6 0 ) behandelten Zwei-Personen-Spiele, in denen jeder Spieler über eine kooperative und eine nichtkooperative Wahlalternative verfugt. Mit leicht unterschiedlichen Bezeichnungen wurden den Paaren von Antizipation und Wahl die folgenden Interpretationen als motivationale Zustände gegeben, wobei sich die Bezeichnungen der Wahlen auf das Prisoner's-DilemmaSpiel (PDS) beziehen: Antizipation
Wahl
Interpretation
kooperativ
kooperativ
kooperativ
nichtkooperativ kooperativ
gegenseitiges Vertrauen Ausbeutung
nichtkooperativ nichtkooperativ
nichtkooperativ
Wagnis des Risikos Argwohn
S E R M A T ( 1 9 6 4 ) untersuchte als erster das Lernverhalten von Spielern im Chicken-Spiel mit zwei Wahlalternativen. Bei Verwendung eines simulierten Partners mit festen Wahrscheinlichkeiten für die Wahlalternativen konnte ein postuliertes Wahrscheinlichkeitslernen der Spieler nur für extrem hohe und extrem niedrige Wahrscheinlichkeiten nachgewiesen werden. Bei Tit-for-Tat-Strategie des simulierten Spielers zeigten die Vpn allerdings gegen Ende der Spielsequenz ein hohes Maß an korrekten Antizipationen. B I X E N S T I N E & B L U N D E L L ( 1 9 6 6 ) untersuchten ein Modell für das Wahlverhalten der Spieler in Konfliktspielen, in welches die subjektive Wahrscheinlichkeit für eine kooperative Antizipation, gemessen durch den Prozentsatz kooperativer Antizipationen in der Spielsequenz, eingeht. Obwohl dieses einfache Modell verworfen werden mußte, wiesen die Autoren hohe Korrelationen zwischen Vorhersage und eigenem Wahlverhalten der Spieler einerseits und dem Wahlverhalten des Partners andererseits, nach. Auch B I X E N S T I N E et al. ( 1 9 6 6 ) beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von Wahlverhalten und Antizipation der Spieler in einem Sechs-Personen-Konfliktspiel.
324
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
P Y L Y S H Y N et al. (1966) untersuchten für das PD-Spiel, wie sich die Zusammensetzung der beiden Spielparteien auf das Spielverhalten auswirkt. Neben der Bestätigung der Hypothese, daß Spielparteien, bestehend aus zwei Spielern, sich kooperativer verhalten als Spielparteien mit einer Vp, konnte ein Anwachsen der Korrelationen zwischen der Vorhersage und der Wahl der anderen Spielpartei einerseits und der eigenen Wahl andererseits im Laufe der Spielsequenz nachgewiesen werden. Diese Korrelationen sind für Spielparteien mit zwei Spielern deutlich höher als für Spielparteien mit einem Spieler. Ein informationstheoretisches Maß der Unsicherheit der Wahl fallt im Verlaufe der Spielsequenz für beide Gruppen von Spielparteien kontinuierlich. Dieser Abfall der Unsicherheit ist jedoch für Spielparteien mit zwei Spielern wieder wesentlich deutlicher.
griff die Fragestellung von in breitem Rahmen auf und wies u. a. einen deutlichen Einfluß von grundlegenden Motiven der Spieler auf die motivationalen Zustände, operationalisiert durch die Antizipations-Wahl-Paare, nach. TEDESCHI et al. ( 1 9 6 8 ) wiesen zum ersten Mal daraufhin, daß die Erhebung der Antizipation einen Einfluß auf das Wahl verhalten der Spieler in PD-Sequenzen haben kann, weil u.U. der Zwang zur Vorhersage die kognitiven Determinanten des Entscheidungsprozesses verändern kann. Der fragliche Einfluß der Erhebung der Vorhersage konnte bei einer differenzierten Untersuchung der Variablen des Spielverhaltens nicht nachgewiesen werden. Diese Autoren untersuchten auch die Übereinstimmung der Vorhersage mit der Wahl des Spielpartners. Es konnte gezeigt werden, daß bei etwa einem Viertel der Spieler die Anzahl der korrekten Antizipationen über der Zufallserwartung lag. Solche Spieler wurden als Realisten bezeichnet. DieZahl kooperativer Wahlen in der Spielsequenz ist für Realisten deutlich niedriger als für unrealistische Spieler. Nichtrealistische Spieler antizipieren mehrheitlich zu viele kooperative Wahlen des Partners. Die Strategie der Gegenspieler scheint sich allerdings bei Realisten und Nichtrealisten nicht zu unterscheiden. Realismus wird von TEDESCHI et al. (1968) als ein individueller, kognitiver Stil bezeichnet. TERHUNE ( 1 9 6 8 )
DEUTSCH ( 1 9 6 0 )
H A L P I N & PILISUK (1970) variierten bei der Untersuchung eines PD-Spiels neben dem Geschlecht der Spieler die Information über den Mitspieler (realer Mitspieler, Computer als Gegenspieler) und die Erhebung der Antizipationen. Erneut konnte kein Einfluß der Erhebung der Antizipationen auf die kooperativen Wahlen nachgewiesen werden. Da in allen experimentellen Bedingungen ein Partner mit fester Wahrscheinlichkeit für die kooperative Wahl simuliert wurde, konnte auch erneut die Frage des Wahrscheinlichkeitslernens untersucht werden. Es zeigte sich, daß Wahrscheinlichkeitslernen dann schnell eintrat, wenn die Vp wußte, daß sie gegen einen Computer spielte. Bei einem vermeintlich realen Partner trat Wahrscheinlichkeitslernen erst nach etwa 100 Spieldurchgängen deutlicher auf. Eine differenzierte Untersuchung der Veränderung der Häufigkeit von Antizipations-Wahl-Paaren im Verlaufe der Spielsequenz ergab eine stabile Tendenz der Vpn zum «gegenseitigen Vertrauen» im Sinne von D E U T S C H (1960), während alle anderen Tendenzen sich im Laufe der Spielsequenz veränderten. B L U D S Z U W E I T & K A U K E (1976) untersuchten erneut den Realismus der Antizipationen in einem erweiterten PD-Spiel, unter Verwendung zusätzlicher Persönlichkeitsfragebögen. Diese Autoren interpretieren ihre Ergebnisse dahingehend, daß realistische Spieler keine homogene Gruppe darstellen, sondern in eine Untergruppe mißtrauischer, provokanter Spieler und eine Untergruppe kooperationsbereiter Spieler getrennt werden können. REVENSTORF et al. (1977) haben als erste ein formales Lernmodell für die Veränderung der Spielintentionen, erfaßt durch die Antizipations-Wahl-Paare, entwickelt. Ein einfaches Markoflf-Ketten-Modell konnte den Verlauf der Spielintentionen beschreiben. Die Interpretation der Spielintentionen als motivationale Zustände wird durch eine deutliche Stabilität der Intentionen im Verlaufe der Spielsequenz gestützt. S C H U L Z & HESSE (1978) formulierten ein weiteres Modell, in dem die AntizipationsWahl-Paare als psychologische Zustände aufgefaßt werden. In diesem Modell wurden Änderungen der Intentionen als Reaktionen auf vorausgegangenes Spielgeschehen explizit formuliert, was in dem Modell von REVENSTORF
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 3 2 2 - 3 4 0
et al.(1977) nicht der Fall ist. Das Modell eignete sich zur Beschreibung individueller Spielsequenzen. Eine weitere Untersuchung dieses Modells in Experimenten mit einer realen Vp und einem nach dem Modell simulierten Spieler wurde von SCHULZ (1979) vorgenommen. BARTH (1979) untersuchte Verhaltens- und Antizipationsvariable in fünf Konfliktspielen, unter ihnen das PD- und das Chicken-Spiel, mit faktoranalytischen Methoden. Unter anderem konnte sie zwei Faktoren in diesen Variablen nachweisen, die sie als unrealistische Kooperationserwartung bzw. als realistische Kooperationserwartung interpretiert. F R I N D T E ( 1 9 7 9 ) fand bei einem neuen experimentellen Spiel einen deutlichen korrelativen Zusammenhang zwischen der realistischen Kooperationsantizipation und der Tendenz zur nicht-kooperativen Wahl, was die Ergebnisse von TEDESCHI et al. ( 1 9 6 8 ) stützt. BRAMBRING ( 1 9 8 0 ) beschäftigte sich mit der Wirksamkeit von Persönlichkeitsmerkmalen bei experimentellen Spielen. Als Voraussetzung für die Verhaltenswirksamkeit solcher Variablen in experimentellen Spielen sieht er das Vorhandensein realistischer Antizipationen und die Ungezwungenheit der Spielsituation an, d.h. die Spieler müssen die Möglichkeit haben, ihre Intentionen aktiv zu verwirklichen. In PD-Experimenten mit einem simulierten Spieler, der in unterschiedlichem Maße die Erwartungen des Spielers bestätigte, konnte eine Wirksamkeit des Persönlichkeitsmerkmals «direktive Einstellung» nachgewiesen werden. Zusammenfassend lassen sich hieraus die folgenden Schlußfolgerungen ziehen: a) Die Erhebung der Antizipationen im Spielv e r l a u f h a t keinen Einfluß auf das Entscheidungs- und Spielverhalten. b) Aus den Veränderungen der Antizipationen im Laufe der Spielsequenz kann man auf eine Informationsverarbeitung schließen. c) Bei einem Teil der Spieler entwickeln sich realistische Antizipationen, was zu einem steigenden Zusammenhang von Vorhersage und Wahl des Partners führt. Zunehmender Realismus reduziert die Unsicherheit des Spiels. d ) A u s der gemeinsamen Betrachtung von Antizipationen und Wahlen eines Spielers
325
kann man auf motivationale Tendenzen und Spielintentionen schließen. e) Durch die Reaktion der Spieler auf das vorausgegangene Spielgeschehen verändern sich die Häufigkeiten des Auftretens der motivationalen Tendenzen im Laufe der Spielsequenz. f) Realistische Antizipationen wirken sich auf das Wahlverhalten der Spieler aus. Insgesamt kommt bei Realisten die nicht-kooperative Wahl stärker als bei nicht-realistischen Spielern zum Zuge. Realisten lassen sich hinsichtlich kooperativen bzw. nichtkooperativen Motiven unterscheiden. g) In Spielsituationen, die den Spielern die Möglichkeit zur Verwirklichung ihrer Intentionen bieten, kommen Motive und Spielintentionen bei realistischen Antizipationen u.U. deutlicher zum Tragen als in Situationen der Erwartungsunsicherheit.
3. Wahlverhalten, Antizipationen und subjektive Sicherheit Wie oben aufgezeigt, werden in der Spielsequenz Informationsverarbeitungsprozesse und Entscheidungsprozesse wirksam. Eine deutliche Unterscheidung dieser beiden Teilprozesse ist erst von SCHULZ & JONAS ( 1 9 8 2 ) , zurückgehend auf Überlegungen von SCHULZ & M A Y (1980), getroffen worden. In diesem Modell werden die festen strategischen Orientierungen durch die bedingten Wahrscheinlichkeiten der Wahlen bei gegebenen Antizipationen erfaßt. Die Informationsverarbeitung wird durch einen einfachen Lernprozeß für die Antizipationen modelliert, wobei die Wahlen des Mitspielers die kontingenten Ereignisse sind. Das von SCHULZ & JONAS ( 1 9 8 2 ) vorgeschlagene Modell scheint zwar geeignet, die Reaktion der Spieler auf vorausgeganges Spielgeschehen zu beschreiben. Es berücksichtigt allerdings nicht, daß Antizipationen im Informationsverarbeitungsprozeß und bei den Entscheidungsprozessen einen unterschiedlichen Stellenwert haben können, je nachdem ob sie für den Spieler ein hohes Maß an subjektiver Sicherheit oder ein geringes Maß an subjektiver Sicherheit haben. Im Modell wird weiter nicht berücksichtigt, daß die Wahlen des Mitspielers
326
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
als kontingente Ereignisse mit der eigenen Antizipation verglichen werden. Schon D E U T S C H (1960) hat daraufhingewiesen, daß die Spieler einen Vergleich ihrer Antizipation mit der Wahl des Mitspielers d u r c h f u h r e n , und daß korrekte bzw. falsche Antizipationen von den Spielern unterschiedlich verarbeitet werden können. Die Berücksichtigung der Korrektheit der Antizipationen und der subjektiven Sicherheit der Vorhersage in einer Erweiterung des Modells scheint auch deshalb geboten, weil nur so die Informationsverarbeitungsprozesse genauer beschrieben werden können, die zu realistischen Antizipationen fuhren. Realistische Antizipationen werden durch die richtigen Schlüsse aus korrekten bzw. falschen Antizipationen gefördert. Werden die Antizipationen im Laufe der Spielsequenz realistischer, so sollte auch die subjektive Sicherheit der Vorhersagen deutlich anwachsen. Nachfolgend wird ein Modell vorgeschlagen, welches die notwendigen Weiterungen beinhaltet. Das Modell soll für das iterierte Zwei-Personen-PDS entwickelt werden, in dem jeder Spieler i (i = 1,2) über zwei Wahlalternativen, die mit C bzw. D bezeichnet werden, verfügt. Die Wahl des Spielers i im n-ten PD-Spiel der Spielsequenz wird mit Wj n bezeichnet. Die Gesamtzahl der Spiele in der Spielsequenz wird mit N bezeichnet. a
i (Wi n, W2 >n ) ist die Auszahlungsfunktion des Spielers i. Die Auszahlungen sind für alle Spiele konstant. Das PD-Spiel soll in symmetrischer und eingeschränkter F o r m gespielt werden. Deshalt gelten die folgenden Beschränkungen: a, (D,C) > a, (C,C) > a, (D,D) > a, (C,D) 2 a, (C,C) > a, (D,C) + a, (C,D) a 2 (D,C) = a, (C,D), a 2 (C,C) = a, (C,C) a 2 (D,D) = a, (D,D) und a 2 (C,D) = a, (D,C) Die Antizipationen des Spielers i im n-ten Spieldurchgang werden durch die Variable E; n beschrieben. Die Variable n i m m t den Wert C' an, wenn für den Mitspieler eine C-Wahl vorhergesagt wird. Im anderen Falle n i m m t sie den Wert D' an. Die subjektive Sicherheit wird in einfacher F o r m in das Modell eingeführt. Es gibt in jedem Spieldurchgang nur die beiden Möglichkeiten, daß der Spieler sicher bzw. un-
sicher ist. Die Variable der subjektiven Sicherheit wird mit G; n für Spieler i im n-ten Spiel der Sequenz bezeichnet. Sie n i m m t bei Sicherheit den Wert S, bei Unsicherheit den Wert U an. Die eingeführten Variablen werden als Zufallsvariable definiert. Die gesamte Spielsequenz mit den zusätzlichen Variablen Antizipation und subjektive Sicherheit ist daher ein stochastischer Prozeß, der durch die Folge von Zufallsvektoren { ( W i , n , E u , G i , n , W 2 , n ,E 2 , n ,G2,n), 1 ^ n ^ N} beschrieben wird. Für diesen Prozeß sollen n u n A n n a h m e n eingeführt werden, die die obigen Überlegungen präzisieren. Im Modell wird wieder eine Trennung von Informationsverarbeitung und strategischen Orientierungen eingeführt. Es wird angenommen, d a ß die Informationsverarbeitung nur über Antizipationen und über die Sicherheit erfolgt. Jeder Spieler i hat für die vier Paare von Antizipationen und Sicherheitszuständen im n-ten Spiel die Wahrscheinlichkeiten: e
i,i,n
e
i,2,n
E
i,3,n
= P(Ei,„ = P(Ei,„
=
C ' , G j
=
C ' . G j ,n
n
:=
S | Vorgeschichte)
= u | Vorgeschichte) = P(Ei,n = D',Gj, n = u | Vorgeschichte) = P(E,,„ = D',Gj. n = s | Vorgeschichte)
Vorgeschichte bedeutet Vorgeschichte des Prozesses.
Die S u m m e dieser vier Anfangswahrscheinlichkeiten ist 1. Die Informationsverarbeitung wird im Modell durch Lernen bei den Antizipations-Sicherheits-Paaren dargestellt. Dabei wirken bestätigte bzw. nicht bestätigte Vorhersagen als kontingente Ereignisse. Es sei für a; k > o , i = 1,2 und k = 1,2,3,4; 1 = 1,2,3,4 5' a. . e'( a i.i + (1 - 6 h k 1,1 1,1,n k
: (2)
f'
(eiii,n,Ei,2,n,ei,3,n.ei,4,n)=
a-.^^k+l-G.. i,k i,k,n
wobei
i,k
das Kroneckersymbol ist:
s\ _ r 1 für k # 1 k-10fürk# 1
Bei den Funktionen handelt es sich u m Lernoperatoren, die in der Literatur bislang noch nicht verwendet worden sind. Die Funktionen
327
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 322 - 340
f(p) 1.0 Abb. I : Es ist die Funktion l/a
03
f(p) =
— — — - dargestellt. a p ' / a + 1 —p Die Kurven wurden von oben nach unten von folgenden Werten von a erstellt: 5,4, 3, 2,1,0.8,0.6,0.4,0.2.
0.8 Q 7
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1 0.0
0
sind auf dem Einheitsintervall für die angegebenen Werte von otj^ in den ej ^ n monoton wachsende Lernoperatoren, f '
ist in Abbildung 1
K.9K.
für verschiedene Werte von aj ^ dargestellt. Für a j k > 1 handelt es sich um einen die Wahrscheinlichkeit steigernden Operator, für O < aj k < 1 handelt es sich um einen die Wahrscheinlichkeiten senkenden Operator. Die Funktionen f ' sind für k ^ 1, für a; ^ > I senk, 1 kende Operatoren und für dj ^ < 1 steigernde Operatoren. D i e eingeführten Operatoren haben eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit mit den Beta-Operatoren von LUCH (1959). Sie sind allerdings nicht vertauschbare Operatoren. N u n m e h r lassen sich die Lernannahmen formulieren:
Annahme 1 Das nachfolgende Schema enthält den Verstärkungsplan des Modells, der mit den Operatoren f k j vorgenommen wird. Der steigernde bzw. senkende Charakter wird nicht festgelegt. In Spalte 1 des nachfolgenden Schemas wird angegeben, um welche Gruppe von Operatoren es
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1.0
sich handelt. Spalte 2 enthält die Erwartung des Spielers im n-ten Durchgang und Spalte 3 die Wahl des Mitspielers im n-ten Durchgang. Spalte 4 gibt an, mit welcher Funktion Sj k,n +1 aus den Wahrscheinlichkeiten e j j > n berechnet wird. D i e letzte Spalte gibt an, mit welcher Funktion £j i n + 1 aus den ei > j n berechnet wird. k
Ej.n
w 3 _,.„
1
c
c
E i.k,n
f
i,i
+1
6i,l.n+l 1 ^ k f'
1,1
2
C'
D
2,2
f1 2,1
3
D'
C
f1 3,3
f1 3,1
4
D'
D
f1 4,4
f' 4,1
f
Damit enthält der L e r n p r o z e ß als Parameter die Anfangswahrscheinlichkeiten e j j i i = 1,2, 1 = 1,2,3,4 und die Lernparameter a j ^ i = 1,2; k = 1,2,3,4. Der zweite Teil der A n n a h m e n betrifft die strategischen Orientierungen. Diese Orientierungen werden wieder durch bedingte Wahrscheinlichkeiten erfaßt. Es wird angenommen, daß die Orientierungen in der Spielsequenz konstant sind.
328
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
den, in welchem Ausmaß das Untermodell, bei d e m ^ 2 = £¡,3 gesetzt wird, Gültigkeit besitzt.
Annahme 2 Die strategischen Orientierungen sind unabhängig von der Geschichte des Prozesses. Sie sollen auch weiter konstant im Spielverlauf sein. Deshalb kann man einfuhren:
= = = =
P(Wi,n = P(Wi,n = P (Wj n = P(Wi,n =
c c c c E
= = = =
C',Gj>n = C', Gi n = D',G iin = D',Gi,„ =
S) U) U) S)
4. Fragestellungen a) Gültigkeit des Modells Im ersten Teil dieser Untersuchung soll die Angemessenheit des Modells überprüft werden. Es sollen die Modellparameter geschätzt werden und die Verträglichkeit der empirischen Daten mit den Modell vorhersagen verglichen werden.
d) Einfluß der subjektiven Sicherheit auf strategische Orientierungen hat daraufhingewiesen, daß korrekte Antizipationen notwendige Voraussetzungen dafür sind, daß im Spielverhalten Persönlichkeitsmerkmale zum Ausdruck kommen können. Hierzu scheint uns allerdings auch schon ein hoher Grad an subjektiver Sicherheit ausreichend zu sein. Wenn die subjektive Sicherheit einen Einfluß auf Persönlichkeitsmerkmale hat, so wäre zu erwarten, daß die strategischen und motivationalen Orientierungen der Spieler bei subjektiver Sicherheit bzw. Unsicherheit der Spieler unterschiedlich sind. Deshalb soll geprüft werden, inwieweit das Untermodell mit den Setzungen ^ \ = ^¡ 2 und ^¡ 3 = 4 Gültigkeit hat. BRAMBRING ( 1 9 8 0 )
e) Entstehung b) Einfluß der Sicherheit auf das Spielverhalten Es soll experimentell überprüft werden, ob die Erhebung der subjektiven Sicherheit bei jedem Spieldurchgang einen Einfluß auf das Spielverhalten hat. Im Sinne früherer Untersuchungen zum Einfluß der Erhebung der Erwartung auf das Spielverhalten wäre es denkbar, daß bei Erhebung der subjektiven Sicherheit die kognitiven Determinanten des Entscheidungsprozesses verändert werden.
c) Der Einfluß unsicherer
realistischer
Antizipationen
Die Existenz von Lernprozessen ist nach den obigen Ausführungen notwendige Voraussetzung für die Entstehung realistischer Antizipationen. T E D E S C H I et al. ( 1 9 6 8 ) haben realistische Spieler als solche definiert, bei denen die Anzahl korrekter Antizipationen höher war als dies nach Zufall zu erwarten war. Aus Sicht des Modelles kommen korrekte Antizipationen dann zufallig zustande, wenn die Spieler nicht lernen. Deshalb soll das Untermodell, bei dem alle Lernparameter gleich 1 gesetzt werden, hinsichtlich seiner Vorhersage von korrekten Antizipationen mit den Vorhersagen des allgemeinen Modelles verglichen werden.
Antizipationen
Im Modell wird berücksichtigt, daß unsichere bzw. sichere Antizipationen zu unterschiedlichen strategischen Orientierungen führen. Im Extremfall wäre es denkbar, daß unsichere Antizipationen bei den Entscheidungsprozessen überhaupt nicht berücksichtigt werden, d.h. daß die strategischen Orientierungen bei subjektiver Unsicherheit von den Antizipationen unabhängig sind. Deshalb soll überprüft wer-
5. Methode a)
Experimente
Zur Untersuchung der aufgeworfenen Fragestellungen wurden vier PD-Experimente herangezogen, die in zwei umfassenderen Serien von Spielexperimenten durchgeführt wurden. In Experiment I wurde die Auszahlungsmatrix a, (C,C) = 4 Pf,a, (C,D) = - 3 Pf,a, (D,C) = + 9 Pf,a,
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 3 2 2 - 3 4 0 (D,D) = - 2 Pf verwendet. In diesem Experiment sollten die Spieler Antizipation und Wahl angeben. Die Spielsequenz umfaßte 50 Spiele. Experiment II wurde mit der gleichen Auszahlungsmatrix wie Experiment I gespielt. Allerdings sollten die Spieler neben Wahl und Antizipation auch ihre subjektive Sicherheit angeben. Experiment III hatte die Auszahlungsmatrix a, (C,C) = 4 Pf, a, (C,D) = - 3 Pf, a, (D,C) = 9 P f u n d a, (D,D) = 1 Pf. Diese Matrix ist i m S i n n e v o n R A P O P O R T & CHAMMAH ( 1 9 6 5 ) w e n i g e r
kooperativ als die von Experiment I und Experiment II. In Experiment IV wurde die Auszahlungsfunktion a, (C,C) = 8 Pf, a, (C,D) = - 6 Pf, a, (D,C) = 18 Pf, a, (D,D) = 4 Pf verwendet. In diesem Experiment wurden in 45 Spieldurchgängen von den Spielern jeweils Wahl, Antizipation und subjektive Sicherheit erhoben.
b)
Versuchspersonen
Für die vier Experimente wurden männliche Vpn angeworben. Es handelte sich u m Studenten der Bielefelder Hochschulen, die d u r c h einen Aushang angeworben wurden. Für Experiment I wurden 24 Vpn angeworben; in Experiment II bzw. III waren es 20 bzw. 22 Vpn. In Experiment IV wurden 30 Vpn angeworben. Die Vpn waren keine Psychologiestudenten. Z u m überwiegenden Teil handelte es sich um Studenten der Wirtschaftswissenschaften oder der Mathematik. Die Studenten waren alle in niedrigen Semestern. Das Alter lag zwischen 19 und 34 Jahren.
c)
Versuchsauft)au
Der Versuchsaufbau bestand aus einer sechseckigen, sternförmigen A n o r d n u n g von Stellwänden mit sechs Nischen für die Vpn. Die Stellwände verhinderten die K o m m u n i kation der Spieler miteinander. In jeder Nische war ein Arbeitstisch für die Vpn angebracht. Die Vpn konnten durch zwei Schlitze in der Stirnwand der Nische Informationen mit dem Versuchsleiter austauschen. An der Stirnwand der Nische war die jeweilige Spielmatrix des Spieles angeschlagen. Für die beiden Wahlalternativen wurden die Symbole Quadrat bzw. Dreieck verwendet.
d)
Versuchsdurchfiihrung
Der Versuchsaufbau gestattete es, das Experiment mit sechs Vpn gleichzeitig d u r c h z u f ü h r e n . Wenn alle Vpn im Labor eingetroffen waren, wurde Ihnen das d u r c h z u f ü h rende Experiment in einer Instruktion erläutert, insbesondere wurde auf die Auszahlungsmatrix hingewiesen. Nachd e m die Instruktion verlesen worden war, wurden u . U . Fragen der Vpn beantwortet. Im Anschluß daran mußten die Vpn einen kurzen Fragebogen ausfüllen, in dem überprüft wurde, ob sie die Auszahlungsmatrix und die Durchf u h r u n g des Spiels verstanden hatten. Zeigten sich hier noch Verständnisschwierigkeiten, so wurden die Vpn noch einmal mündlich instruiert.
329 D a n n begann das eigentliche Spiel. In jedem Spieldurchgang m u ß t e die Vp die von ihr geforderten Angaben (Wahl und Antizipation sowie je nach T y p des Experimentes auch die subjektive Sicherheit) auf einer Pappkarte eintragen. Anschließend wurde diese Karte dem Versuchsleiter gereicht. Dieser trug die Wahl des Mitspielers auf ihr ein und reichte die Pappkarte z u m Zweck der Rückmeldung an die Vp zurück. N a c h d e m die Vp über die Wahl des Mitspielers informiert wurde, legte sie die Karte d u r c h einen Schlitz in der Stirnwand der Nische in einem Fach ab, welches ihr nicht zugänglich war. Vor Beginn des Spiels wurde den Vpn ein Betrag von D M 5 , - zur Verfügung gestellt. Den Vpn wurde mitgeteilt, d a ß sie im Laufe der Spielsequenz G e w i n n e und Verluste, je nach Spielverhalten, haben würden und d a ß ihre Bezahlung als Vp aus den D M 5 , - zuzüglich den Gewinnen oder Verlusten in der Spielsequenz bestehen würde. Die Vpn rechneten auf einem Blatt ihren Gewinnstand in der Spielsequenz selber mit.
e)
Modellüberprüfung
e.l Parameterschätzung A u s eigenen Untersuchungen z u m Verhalten v o n V p n i n S p i e l s e q u e n z e n ( S C H U L Z & HESSE, 1 9 7 8 ; SCHULZ & JONAS, 1 9 8 2 ) , w i e a u c h a u s d e n
Untersuchungen von KRANZ (1979) ist bekannt, daß das Spielverhalten von Vpn eine große interindividuelle Varianz aufweist. Daher erscheint es angemessen, die Parameter der Spieler jeweils aus den Daten nur einer Spielsequenz, d. h. individuell zu schätzen. Wegen des Schlußeffektes (z.B. STÖCKER, 1980) wurden nicht alle Spieldurchgänge einer Spielsequenz ausgewertet. Für die Experimente I, II, III wurden N = 46, für das Experiment IV wurde N = 40 Spiele ausgewertet. Für die Spielsequenz eines Spielerpaares aus den Experimenten bezeichne w¡ n die Wahl des Spielers i im n-ten Spieldurchgang und e¡ -n die Antizipation des Spielers i im n-ten Spieldurchgang sowie g¡ n den Sicherheitszustand des Spielers i im n-ten Spieldurchgang. Es bezeichne n¡ cc'S die absolute Häufigkeit der Ereignisse, daß Spieler i in der Spielsequenz mit Sicherheit C' antizipierte und C wählte. Entsprechend werden die anderen absoluten Häufigkeiten für Ereignisse in der Spielsequenz des Spielers i interpretiert: n n
i,DC'S> n i,CD'S> n i , D D ' S > n i , C C ' U > i,CD'U>
n
i,DD'U
n
i,DC'U>
330
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
Die gesamte Likelihood läßt sich in vier Faktoren zerlegen. Entsprechend enthält der Logarithmus der Likelihood vier Summanden. Zwei Summanden enthalten nur für jeden Spieler die Parameter der strategischen Orientierungen: 11.1 = n i,CC's'°g^i,l + n i,DC'slogU -^¡,1) + ni,ceulog^j,2 + ni, D C 'ulog(l - £ ¡ , 2 ) + n i,CD-ulog^i,3 + n i i D D X I l o g ( l + ni,CD-s'og^i,4 + n i,DD'u'°g(l Die anderen beiden Summanden der LogLikelihood enthalten nur die Anfangswahrscheinlichkeiten für die Paare von Antizipationen und Sicherheit und die Lernparameter:
11.2 =
N I log P (Ej n = e i>n , Gj n = gj n n = 1
1 = 11, l + Ii,2 + 12,1 + '2,2 Aus der obigen Darstellung der logarithmischen Likelihood leitet man sehr leicht ab, daß die Parameter der strategischen Orientierung explizite Schätzfunktionen haben: n
Si.l =
n
i,CC'S
i , c c s + ni,DC'S n
>i,2 =
i,CC'U
r>i,ccu + ni,DC'U n
i,CD'U
e
51.3 =
n
i,CD'U + n
e
51.4 = n
n
i,DD'U
i,CD'S
i,CD'S +
n
e.2 Modellkontrollen Kennt man die Parameter der Spieler nach der Schätzung, so kann man das stochastische Modell für das Spielverhalten mit Monte-CarloMethoden simulieren. Durch eine Vielzahl von Simulationen kann man sich über die Variabilität des Prozesses ein Bild verschaffen.
Vorgesch.)
Für die Gesamtlikelihood gilt also
e
pations-Sicherheits-Paare und die Lernparameter explizit zu schätzen. Deshalb muß zur Schätzung dieser Parameter eine numerische Maximierung der Log-Likelihood vorgenommen werden. Hierzu wurde die Routine STEPIT von C H A N D L E R ( 1 9 6 5 ) herangezogen.
i,DD'S
Die Schätzgleichungen zeigen, daß die Parameter nur dann zu schätzen sind, wenn in der Spielsequenz die entsprechenden Häufigkeitssummen im Nenner von 0 verschieden sind. Im allgemeinen Modell ist es nicht möglich, die Anfangswahrscheinlichkeiten der Antizi-
Insbesondere ist es möglich, aus einer Vielzahl von Simulationen die Verteilungen verschiedener Kennziffern der Spielsequenz zu berechnen. Nachfolgend werden Ereignisse definiert, deren Häufigkeiten des Auftretens in der ersten bzw. zweiten Hälfte der Spielsequenz als charakteristische Kennziffern verwendet werden. Die nachfolgende Aufzählung enthält auch die Kürzel der Ereignisse in Klammern: beidseitige Wahl (CC) C-Wahl von Spieler 1, D-Wahl von Spieler 2 (CD) D-Wahl von Spieler 1, C-Wahl von Spieler 2 (DC) beidseitige D-Wahl (DD) Für jeden Spieler: C'-Antizipation, C-Wahl (C'C) D'-Antizipation, C-Wahl (D'C) C'-Antizipation und Sicherheit (C'S) C'-Antizipation und Unsicherheit (C'U) korrekte C'-Vorhersage (KC') korrekte D'-Vorhersage (KD') korrekte Antizipationen bei Sicherheit (KS) falsche Antizipationen bei Sicherheit (FS) korrekte Antizipationen bei Unsicherheit (KU) falsche Antizipationen bei Unsicherheit (FU)
331
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 3 2 2 - 3 4 0
Insgesamt werden 24 Kennziffern für die beiden Hälften der Spielsequenz berechnet. Die Modellkontrollen werden nun folgendermaßen durchgeführt. Für jede reale Spielfolge von N Spielen lassen sich aus den empirischen Daten die realisierten Werte der 48 Kennziffern ausrechnen. Aus einer großen Anzahl von Simulationen der Spielsequenz mit den geschätzten Parametern kann man die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der 48 Kennziffern gut approximieren. Aus der Sicht des Modells kann man mit diesen approximativen Wahrscheinlichkeitsverteilungen feststellen, ob die in der empirischen Spielfolge realisierten Werte der Kennziffern bei Gültigkeit des Modells selten sind, oder ob sie mit akzeptablen Wahrscheinlichkeiten auftreten. Im Sinne der Logik des Signifikanztests werden pro Spielerpaar aus den Simulationen 48 zweiseitige Konfidenzintervalle für die empirischen Kennziffern bestimmt. Liegen die realisierten Werte der Kennziffern in diesen Konfidenzintervallen, so liegen keine Modellverletzungen vor. Ansonsten wird eine Modellabweichung konstatiert. Wenn pro Spielerpaar 48 Modellkontrollen auf dem 5%-Niveau durchgeführt werden, ist schon per Zufall zu erwarten, daß ungefähr zwei bis drei Modellabweichungen auftreten. Daher soll für ein Spielerpaar das Modell erst dann verworfen werden, wenn wenigstens vier Modellabweichungen konstatiert worden sind. Es ist anzumerken, daß die hier verwendete Form der Modellkontrolle nicht mehr der strengen Logik der statistischen Tests hinsichtlich Verwerfung oder Stützung eines Modells entspricht. Mit der Vielzahl der Modellkontrollen wird vielmehr versucht aufzuzeigen, in welchen Teilen das Modell die empirischen Daten vorhersagt und bei welchen Teilen deutliche Abweichungen der empirischen Daten von den Modellvorhersagen festzustellen sind. Die Modellkontrollen werden also hier in einem eher deskriptiven Sinne der graduellen Stützung des Modells durch die Daten verwendet. Die Parameterschätzung und die Modellkontrollen werden für die Experimente II, III und IV durchgeführt.
f ) Prüfung des Einflusses der Sicherheit auf das Spielverhalten Im Experiment II wurden von den Spielern Wahl, Antizipation und Sicherheit der Antizipation erhoben. Experiment I wurde als Kontrollgruppe mit der gleichen Spielmatrix in der gleichen Spielanordnung, allerdings ohne Erhebung der Sicherheit durchgeführt. Als Verhaltensindizes sollen folgende Werte verwendet werden. 1. Häufigkeit der beidseitigen C-Wahl in der gesamten Spielsequenz 2. Häufigkeit der gemischten Wahlpaare in der gesamten Spielsequenz 3. Häufigkeit der beidseitigen D-Wahl in der gesamten Spielsequenz Für diese drei Variablen wird mit Hilfe einer Verallgemeinerung des Mann-Whitney-Tests ( P U R I & S E N , 1 9 7 1 ) geprüft, ob ein signifikanter Unterschied zwischen den trivariaten Verteilungen der Experimentalgruppe I bzw. Experimentalgruppe II besteht. g) Untersuchung der
Untermodelle
In den Fragestellungen sind drei Untermodelle spezifiziert worden, für die zunächst die Parameterschätzungen durchzuführen sind. Bei den ersten beiden Modellen ändern sich die Schätzungen für die Anfangswahrscheinlichkeiten der Erwartungssicherheitszustände und die Lernparameter nicht, weil sich die logarithmische Likelihood, wie oben dargestellt, in vier additive Terme aufteilen läßt, und Gleichsetzungen von strategischen Orientierungen die zwei Lernterme nicht beeinflussen. Für das erste Untermodell, in dem für beide Spieler i = 1 , 2 ^ 2 = £¡,3 gesetzt wird, ergeben sich als Schätzer e
n
e
i,cc'U +
n
i,CD'U
Si,2 = S i , 3 = n
i,CC'U + ni,CD'U + ni,DC'U +
n
i,DD'U
Im zweiten Untermodell wird unterstellt, daß die Sicherheitszustände keinen Einfluß auf die strategischen Orientierungen haben. Hier ergeben sich als Schätzer
332
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen n
= £i,2 =
i,CC'S + ni,CC'U
n
n
n
i,CC'S + i,CC'U + i,DC'S + i,DC'U n
li,3=£i,4 =
Ei,1,1 = — (ni,CC'S + ni.DC's) N
n
n
n
i,CD'U +
n
Ei,2,1 = — (ni,CC'U + ni.DC'ü) N
i,CD'S
n
i,CD'U + i,CD'S + i,DD'U +
n
Ei,3,1 = 77 (ni,CD'U + n i,DD'u) N
i,DD'S
Im dritten Untermodell wird unterstellt, daß kein Lernen stattfindet, das heißt, daß alle Lernparameter aj ^ = 1 sind. Hier erhält man als Schätzer für die Anfangswahrscheinlichkeiten der Sicherheits-Antizipations-Kombinationen
4
l=
_L (nj CD>S + N
nj D D S )
Zur Überprüfung, ob die drei spezifizierten Untermodelle die Daten gleich gut oder schlechter als das Hauptmodell spezifizieren,
Tab. 1: Spieler 1
Experiment/ Spielerpaar II
(1,2)
CC 1. 2.
Hälfte Hälfte
II
(3,4)
1. 2.
Hälfte Hälfte
II
(5,6)
1. 2.
Hälfte A Hälfte
II
(7,8)
1. 2.
Hälfte A Hälfte
1. 2.
Hälfte Hälfte
1. 2.
Hälfte A Hälfte
II II
(15,16) (23,24)
III
(19,20)
1. 2.
Hälfte A Hälfte
III
(25,26)
1. 2.
Hälfte Hälfte
III
(39,40)
1. 2.
Hälfte Hälfte
IV
(21,22)
1. 2.
Hälfte Hälfte
IV
(23,24)
1. 2.
Hälfte Hälfte
IV
(25,26)
1. 2.
Hälfte Hälfte
IV
(27,28)
1. 2.
Hälfte Hälfte
IV
(47,48)
1. 2.
Hälfte Hälfte
IV
(55,56)
1. 2.
Hälfte Hälfte
CD
DC
D D C ' C D C C'S
C'U K C ' K D ' KS
FS
KU
FU
+
+
+ + + +
+
+
+
+
+
+
+ +
+ +
+ +
+ +
+
+ + +
+
+
+ +
+
+
+
+
+
+ +
+
333
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 3 2 2 - 3 4 0
hat man bei individueller Auswertung keine signifikanzstatistischen Möglichkeiten zur Hand. Der sonst übliche Maximum-Likelihood-Quotiententest von Obermodell und Untermodell ist hier im signifikanzstatistischen Sinne nicht durchführbar, weil für einzelne Spielsequenzen die erforderlichen asymptotischen Verteilungseigenschaften des Prozesses nicht nachgewiesen werden können. Man kann allerdings im Sinne der Stützungsstatistik prüfen, ob zwischen den Likelihood-Werten des Obermodells und des Untermodells deutliche Unterschiede bestehen. Führt man dann zu-
Spieler 2 C'C D'C C'S C'U KC' KD' KS
FS
KU
+
+
+
+
+
+
+
+
+ +
+
+
+
+ +
+ +
+
+ +
FU
sätzlich auch noch die Modellkontrollen, die oben für das Obermodell beschrieben worden sind, durch und stellt fest, daß die Untermodelle die Kennziffern der Spielsequenz wesentlich schlechter vorhersagen als das Obermodell, so kann man sich einen Eindruck davon verschaffen, ob die Untermodelle durch die Daten gestützt werden oder nicht. 6. Ergebnisse a)
Modellüberprüfung
An den Experimenten II, III und IV nahmen insgesamt 36 Vpn-Paare teil. Für diese Paare wurden jeweils die dargestellten Modellkontrollen für 24 Kennziffern der Spielsequenz, für die erste bzw. die zweite Hälfte der Spielsequenz durchgeführt. Dabei beziehen sich die Auswertungen für die Experimente II bzw. III jeweils auf eine Länge der Gesamtsequenz von 46 Spielen, und das Experiment IV auf eine Spielsequenz von 40 Spielen. In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der Modellkontrollen auf dem 5%-Niveau dargestellt. In den Spalten dieser Tabelle sind zunächst die Symbole für die einzelnen Kennziffern eingetragen. Weiter ist gekennzeichnet, ob sich diese Kennziffern auf Spieler 1 bzw. Spieler 2 beziehen. In der ersten Spalte von Tabelle 1 ist angegeben, auf welches Experiment, welches Spielerpaar innerhalb des Experimentes und auf welche Spielhälfte (angedeutet durch 1. H. bzw. 2. H.) sich die Überprüfung bezieht. Ist bei einer Kennziffer in einer Spielhälfte für dieses Spielerpaar eine Modellabweichung aufdem 5%-Niveau festgestellt worden, so ist in der entsprechenden Spalte ein « + » eingetragen worden. Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse folgendermaßen darstellen. 21 Spielerpaare zeigen keine Modellabweichung. Bei fünf Spielerpaaren wurde eine Modellverletzung, bei vier Spielerpaaren wurden zwei Modellverletzungen, bei zwei Spielerpaaren drei Modellverletzungen festgestellt. Im Methodenteil wurde dargelegt, warum mehr als drei Modell Verletzungen als bedeutsame Abweichung der Modellvorhersagen von den empirischen Daten angesehen werden. Dies ist insgesamt bei vier Spielerpaaren der Fall. Bei einem Spielerpaar liegen vier, bei ei-
334
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
n e m Spielerpaar fünf und bei jeweils einem weiteren Spielerpaar 10 bzw. 19 Modellabweichungen vor. Diese vier Spielerpaare wurden in die weiteren Auswertungen nicht mit einbezogen. Sie sind in Tabelle 1 durch ein A hinter der Bezeichnung des Spielerpaares gekennzeichnet. Prozentual ergibt sich danach folgendes Bild: 58.3% aller Spielerpaare zeigen keine Modellabweichung, 13.9% eine Modellabweichung, 11.1% zwei Modellabweichungen, 5.6% drei Modellabweichungen. Bei 11.1% wurden mehr als drei Modellabweichungen festgestellt.
die L e r n p a r a m e t e r a; ^ wurde eine a n d e r e Darstellung der Ergebnisse gewählt. D a verschiedene Parameterwerte von a ; ^ inhaltlich verschiedene Bedeutung haben, wurde dargestellt für jeden Lernparameter, bei wieviel Prozent der Spieler, die in die Auswertung eingingen ctj^ > 1 war, a j k = 1 war bzw. a ; ^ < 1 war. Im ersten Fall wirkt der Lernoperator wahrscheinlichkeitssteigernd, im zweiten Fall läßt er die Wahrscheinlichkeit konstant und im dritten wirkt er wahrscheinlichkeitssenkend. F ü r jedes Experiment und jeden L e r n p a r a m e t e r sind die relativen Häufigkeiten untereinander in Tabelle 2 angegeben.
b)
U m den Einfluß der Erhebung der Sicherheit auf das Spiel verhalten zu prüfen, sind Experiment I und Experiment II mit der gleichen Spielmatrix gespielt worden. Dabei unterschieden sich die Versuchsdurchführungen darin, d a ß bei Experiment II Wahl, Antizipation und subjektive Sicherheit erhoben w u r d e n , während bei Experiment I auf die E r h e b u n g der subjektiven Sicherheit verzichtet wurde. In Tabelle 3 sind die Ergebnisse einer Zusammenfassung des Spiel verhaltens der einzelnen Spielerpaare dargestellt. In der ersten Spalte von Tabelle 3 ist angegeben, auf welches Experiment sich die Zahlen in der nachfolgenden Zeile beziehen. In Spalte 2 ist angegeben, wieviel Spielerpaare in die Auswertung eingehen. Die Spalten 3 , 4 und 5 enthalten Informationen über die Gesamtzahl beidseitiger Kooperationen, über die Gesamtzahl gemischter W a h l p a a r e und über die Gesamtzahl beidseitiger Defektionen in der gesamten Spielsequenz. F ü r jede dieser Kennziffern ist zunächst in jeder Zeile der Median über die Spielerpaare der Experimental-
Parameterschätzung
Die Parameterschätzungen für die einzelnen Spieler der Spielerpaare, bei denen keine gravierenden Modellabweichungen festgestellt worden sind, sind für die Experimente II, III bzw. IV in Tabelle 2 zusammengefaßt. In der ersten Zeile von Tabelle 2 ist zunächst der zu schätzende Parameter angegeben. Die Ergebnisse wurden jeweils für die einzelnen Experimente zusammengefaßt. In der ersten Spalte tauchen deshalb n u r n o c h die Bezeichnungen der drei Experimente II — IV auf. In der zweiten Spalte ist die Anzahl der Spieler, die in die zusammenfassende Darstellung der Parameterwerte eingegangen sind, angegeben. Für die Parameter ^¡ k und gjjc ist p r o Experiment zunächst der Median angegeben worden (unter dem Median ist jeweils die Spannweite der Parameterwerte angegeben). Auf die Angabe von Mittelwerten und Standardabweichungen wurde verzichtet, weil die Verteilung sehr heterogen und zum Teil extrem zweigipflig war. Für
Tab. 2: %ÍA
6
.20 (1.00)
.17 (.60)
.37 (.90)
.76 (1.00)
.00 (.64)
.00 (.60)
.69 (1.00)
.15 (.89)
.16 (.83)
Experiment
Anzahl
£ii2
II
14
.64 (1.00)
.67 (1.00)
III
20
1.00 (1.00)
IV
30
.90 (1.00)
U
e
U
E
i.3
3.4
«i.i
a¡.2
ai-3
ai4
.15 (.81)
.13 (.47)
.17 (.84)
.21 .08 .69
.46 .08 .46
.54 0 .46
.50 0 .50
.28 (1.00)
.34 (1.00)
.25 (1.00)
.30 (1.00)
.71 .29 0
.69 .15 .15
.56 .22 .22
.65 .18 .18
.28 (1.00)
.24 (1.00)
.11 (.49)
.43 (1.00)
.55 .17 .28
.56 .16 .28
.60 .05 .35
.75 0 .25
335
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 3 2 2 - 3 4 0
eine Prüfgröße von 2.48. Auf dem 5%-Niveau konnte anhand der Chiquadratverteilung mit drei Freiheitsgraden als asymptotischer Verteilung kein statistisch bedeutsamer Unterschied festgestellt werden.
Tab. 3:
Experiment 1
E x p e r i m e n t II
Anzahl Paare
cc
CD + DC
12
11.5 (46)
16.5 (38)
(46)
5.5 (41)
21.5 (35)
(40)
10
DD
9 12.5
c) Überprüfung der
gruppe angegeben (darunter ist jeweils die Spannweite dieser Werte verzeichnet). Mit der multivariaten, parameterfreien Verallgemeinerung des Mann-Whitney-Tests von PURI&SEN(1971) wurde geprüft, ob sich Experimentalgruppe I statistisch bedeutsam von Experimentalgruppe II unterschied. Es ergab sich
Submodelle
Es wurden drei Untermodelle zur Überprüfung vorgeschlagen. Diese Überprüfungen sollten mit Hilfe eines deskriptiv zu wertenden Likelihood-Quotienten bzw. durch die Anzahl der Modellabweichungen auf dem 5%-Niveau vorgenommen werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in Tabelle 4 zusammengestellt. In Tabelle 4 sind in der ersten Spalte die Kenn-
Tab. 4: Experiment Spielerpaar
II II II II II II II III III III III III III III III III (II IV IV IV IV IV IV IV IV IV IV IV IV IV IV IV
(1,2) (3,4) (9,10) (11,12) (13,14) (15, 16) (17,18) (21,22) (25,26) (27,28) (29,30) (31,32) (33,34) (35,36) (37,38) (39,40) (41,42) (1,2) (3,4) (11,12) (13,14) (19,20) (21,22) (23,24) (25,26) (27,28) (37,38) (39,40) (45,46) (47,48) (53,54) (55,56)
Obermodell
Submodell 1
Submodell 2
Submodell 3
5i.2 = Si.3
l\.\ = Si.2
Oi.k = 1
-21
k+
-21
220.1 289.4 103.2 264.1 333.3 245.0 217.5 72.3 96.4 154.3 141.9 82.4 56.8 10.7 9.4 302.3 38.5 19.9 119.0 262.0 153.3 51.9 185.6 227.1 260.7 208.2 126.0 131.9 17.3 61.8 2.9 223.6
3 3 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 2 2 2 2 0 0 0 2 0 0
222.3 298.4 105.9 267.3 337.7 251.6 274.6 72.3 104.9 170.5 147.1 85.8 56.8 10.7 9.4 308.6 38.5 23.8 119.0 263.7 171.3 54.3 212.4 229.9 268.7 208.4 127.4 134.3 17.3 61.8 2.9 224.0
+
+ + + +
+
+ + +
k+
-21
3 2 0 0 1 1 3 0 4 1 0 0 0 0 0 4 0 0 0 0 0 0 2 2 1 1 0 0 0 1 0 0
230.6 289.9 108.1 266.8 339.8 246.9 222.1 72.3 127.7 164.8 145.9 84.4 58.1 10.7 9.4 310.9 38.6 20.9 119.3 269.1 156.4 56.5 189.6 228.8 279.9 215.0 110.9 132.1 17.3 62.0 2.9 232.5
+
+ +
+
k+
-21
3 2 0 0 0 1 0 0 8 6 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 0 2 2 4 1 0 0 0 1 0 1
230.5 307.9 124.3 282.2 350.0 264.0 245.6 100.2 185.9 228.8 167.9 129.3 88.9 43.6 57.8 330.5 50.7 99.2 140.5 280.8 197.5 136.7 214.7 237.6 284.1 226.9 157.1 147.8 31.8 81.4 31.8 260.3
k. + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
4 5 0 1 0 0 1 5 21 24 1 0 0 4 8 4 0 12 11 3 5 16 0 4 7 1 1 0 1 0 2
336
Schulz & May: Ein Modell für das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
Zeichnungen der 32 Spielerpaare, die in der Auswertung verblieben sind, jeweils angegeben. Für das Obermodell und die drei Submodelle sind dann jeweils folgende Angaben in den nachfolgenden vier Doppelspalten enthalten. Pro Modell enthält die erste Spalte das Doppelte der negativen Log-Likelihood (—2 • 1) und die zweite Spalte die Anzahl der Modellabweichungen auf dem 5%-Niveau. Für die Submodelle 1,2 und 3 wurde ein + hinter den - 2 • 1 Wert eingetragen, wenn bei Gültigkeit entsprechender asymptotischer Verteilungseigenschaften der Likelihood-Quotienten-Test auf dem 5%-Niveau statistisch bedeutsame Unterschiede zum Obermodell nachgewiesen hätte. (Bei Gültigkeit der asymptotischen Verteilungseigenschaften kann man die Differenz der — 2 • 1-Werte des Submodells und des Obermodells als Prüfgröße in einen Chiquadrat-Test einbringen. Die Anzahl der Freiheitsgrade dieses Tests ist jeweils die Differenz der zu schätzenden Anzahlen von Parametern des Obermodells und des entsprechenden Untermodells. Daher handelt es sich bei Submodell 1 um zwei Freiheitsgrade, bei Submodell 2 um vier Freiheitsgrade und bei Submodell 3 um acht Freiheitsgrade.)
d) Vorhersage des
Realismus
Die Vorhersage korrekter Antizipationen durch das Obermodell wurde bei den Modelltests behandelt. Aus den Simulationen des Obermodells und des Submodells 3 für die 3 Spielerpaare, die in der Auswertung verblieben sind, wurden pro Spieler und pro Spielhälfte für das Obermodell und das Submodell 3 jeweils der Erwartungswert der korrekten Antizipationen berechnet. Diese Daten sind in den Abbildungen 2a —2c graphisch dargestellt. In Abbildung 2a ist der Erwartungswert korrekter Antizipationen nach dem Obermodell als Abszisse und der Erwartungswert der korrekten Antizipationen in der Spielsequenz nach dem Submodell 3 als Ordinate gegeneinander aufgetragen. Die erste Winkelhalbierende ist zur besseren Orientierung ausgezogen. Spieler der Experimentalgruppe II sind mit X gekennzeichnet, Spieler aus Experiment III mit «O» und Spieler aus Experiment IV mit Y. In Abbildung 2b ist der Erwartungswert korrekter Antizipationen nach dem Obermodell für die erste Spielhälfte gegen den Erwartungswert korrekter Antizipationen nach dem Submodell 3 für die erste Spielhälfte als Ordinate
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 1 4 , 3 2 2 - 3 4 0
gegeneinander aufgetragen. Es wurden die gleichen Symbole für die drei Experimentalgruppen verwendet wie in Abbildung 2a. In Abbildung 2c sind schließlich die Erwartungswerte der korrekten Antizipationen für
337
die zweite Spielhälfte gegeneinander aufgetragen. Die Erwartungswerte nach dem Obermodell sind wieder auf der Abszisse aufgetragen; die Erwartungswerte nach Submodell 3 sind auf der Ordinate aufgetragen.
338
Schulz & May: Ein Modell fiir das Verhalten in Sequenzen von Konfliktspielen
7. Diskussion a) Angemessenheit
des Modells
Es wurden für jedes Spielerpaar insgesamt 48 Modellkontrollen durchgeführt. Wertet man bei Verwendung von 5%-Konfidenzintervallen für die Modellkontrollen alle diejenigen Fälle mit mehr als drei Modellabweichungen als bedeutsame Modellverletzungen, so erweist sich das Modell zur Beschreibung des Verhaltens der Antizipationen und der subjektiven Sicherheit in PDG-Spielen als geeignet. Bei vier Spielerpaaren werden Modellverletzungen festgestellt. Eine genauere Inspektion der Daten von Spielerpaaren mit den massivsten Modellabweichungen ergab folgendes Bild. Bei Spielerpaar (7, 8) aus Experiment II wurde von den beiden Spielern nach anfänglicher beidseitiger Kooperation die Strategie verfolgt, daß in der einen Spielhälfte der eine Spieler C wählt und der andere D. In der zweiten Spielhälfte wurde diese Strategie umgedreht. Antizipationen und subjektive Sicherheit zeigen, daß nach anfänglichen Einspielschwierigkeiten diese Strategie von den Spielern auch erwartet wurde und sie sich dessen sicher waren. Die Spieler des Paares (23, 24) aus Experiment II verfolgten nach anfanglichen Kooperationsversuchen eine Wechselstrategie. Im einen Spiel spielte der eine Spieler C und der andere D, im darauffolgenden Spiel spielte der erste Spieler D und sein Partner C. Antizipation und subjektive Sicherheit weisen nach, daß nach anfänglichen Koordinationsschwierigkeiten die Spieler diese Strategie erkannten und sich auch deren sicher waren. Aus diesen Fällen mit extremen Modellabweichungen läßt sich vermuten, daß das Modell nur schlecht in der Lage ist, abrupte Strategiewechsel der Spieler zu beschreiben. Die in Tabelle 2 angegebenen Parameterschätzungen für die drei Experimente zeigen, daß auf allen Parametern eine erhebliche interindividuelle Varianz vorhanden ist. Dies kommt in den großen Spannweiten der Parameter zum Ausdruck. Die hier verwendete individuelle Schätztechnik erscheint durch diese Heterogenität der Parameterwerte gerechtfertigt zu sein. Es ist allerdings dabei anzumerken, daß die Präzision der Schätzung bei individuel-
len Schätzungen wesentlich geringer ist als bei Gruppenschätzungen. Allerdings ist uns kein theoretisch begründetes Verfahren bekannt, Gruppen von Vpn so zusammenzufassen, daß man für sie begründet eine Gruppenschätzung der Parameter vornehmen kann.
b) Einfluß der Erhebung der subjektiven Sicherheit auf das Spielverhalten Der in Tabelle 3 dargestellte Vergleich der Ergebnisse von Experiment I und Experiment II weist keine statistisch signifikanten Unterschiede auf. Trends in den Medianen der drei Kennziffern scheinen uns wegen der großen Variation in den Verhaltenskennziffern nicht interpretierbar zu sein. Aufgrund der großen interindividuellen Unterschiede im Spielverhalten in Experimental- und Kontrollgruppe scheint es notwendig zu sein, bei weiterer Untersuchung dieser Fragestellung sehr große Anzahlen von Vpn-Paaren in Experimental- und Kontrollgruppe zu verwenden, wenn diese Fragestellung eindeutiger als hier beantwortet werden soll. Diese Untersuchung kann auch nur deshalb ein Hinweis sein, weil aus den nachfolgenden Untersuchungen der Submodelle ein Hinweis auf unterschiedliche Strategien der Spieler in Abhängigkeit von der Spielmatrix abgeleitet werden kann.
c) Angemessenheit
der
Submodelle
Die in Tabelle 4 dargestellten Ergebnisse weisen zunächst nach, daß das Submodell 3, in dem keine Informationsverarbeitung der Spieler stattfindet, durch die Daten nicht gestützt wird. Die Unterschiede in den Werten der doppelten, negativen Log-Likelihood von Submodell 3 zum Obermodell sind deutlich. Mit diesem Ansteigen der—2 • 1-Werte geht auch bei etwa der Hälfte der Spielerpaare ein deutliches Ansteigen der Anzahl der Modellabweichungen einher. Nur bei einem Achtel der Spielerpaare würde ein Likelihood-Quotiententest, wenn er angemessen wäre, keine Ablehnung des Submodells erbringen. Wesentlich uneindeutiger fallen die Ergebnisse für die Submodelle 1 und 2 aus. Submo-
339
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dell 1 weist nur bei etwas weniger als einem Drittel aller Spielerpaare deutlich erhöhte — 2 • 1-Werte gegenüber dem Obermodell auf. Es gehen keine so deutlichen Erhöhungen der Anzahl der Modellabweichungen mit den Erhöhungen dieser Werte einher, wie dies bei Submodell 3 der Fall ist. Submodell 2 zeigt auch bei einem Achtel aller Spielerpaare deutliche Erhöhungen d e r - 2 • 1-Werte. Auch diese gehen allerdings deutlicher mit der E r h ö h u n g der Anzahl der Modellabweichungen einher.
d)
Aus den Abbildungen 2b und 2c läßt sich schließen, d a ß die Lernfähigkeit ein wesentlicher Faktor für das Z u s t a n d e k o m m e n von realistischen Antizipationen ist. Daher erscheint es auf dem Hintergrund des Modells als sinnvoll, den G r a d des Realismus von Spielern nicht aus der Anzahl der korrekten Antizipationen, sondern aus den L e r n p a r a m e t e r n abzuleiten. Die Lernfähigkeit der Spieler im Obermodell scheint auch zu der deutlichen Differenzierung zwischen Obermodell und Submodell 3 in der Tabelle 4 beizutragen.
Realismus Literatur
Der Vergleich der Erwartungswerte korrekter Antizipationen in der gesamten Spielsequenz, die von dem Obermodell vorausgesagt werden, mit denen, die von dem Submodell 3 ohne Lernen vorhergesagt werden, zeigt, d a ß das Untermodell ohne Lernen, bis auf wenige Ausnahmen, im gleichen M a ß korrekte Antizipationen vorhersagt wie das Modell mit Lernen. Aus dieser Tatsache läßt sich folgern, d a ß die Anzahl korrekter Antizipationen aus der gesamten Spielsequenz nicht unbedingt ein vernünftiges M a ß f ü r d e n Realismus eines Spielers sein muß. Dieses Beispiel demonstriert, d a ß man auch eine hohe Zahl korrekter Antizipationen mit einem Modell o h n e jede Informationsverarbeitung erklären kann. Die Unterschiede zwischen dem Obermodell und dem Submodell 3 o h n e Lernen werden erst dann deutlich, wenn m a n die korrekten Antizipationen in den beiden Spielhälften separat untersucht. Das Submodell ohne Lernen sagt für die beiden Spielhälften im Durchschnitt die gleiche Anzahl korrekter Antizipationen vorher, während das Obermodell das vorausgegangene Spielgeschehen berücksichtigt. In Abbildung 2b wird deutlich, d a ß das Submodell o h n e Lernen in der ersten Hälfte der Spielsequenz zu viele korrekte Antizipationen gegenüber d e m Obermodell vorhersagt, während in Abbildung 2c das Submodell o h n e Lernen tendenziell zu wenig korrekte Antizipationen gegenüber dem O b e r m o dell vorhersagt. Spieler, bei denen durch Lernen im Laufe der Spielsequenz realistische Antizipationen Zustandekommen, liegen in Abbildung 2b oberhalb der ersten Winkelhalbierenden. In Abbildung 2c liegen sie unterhalb der ersten Winkelhalbierenden.
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341
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 341 - 3 4 7
Zur externen Validität des dissonanztheoretischen Leistungsmodells B E R N D BOSSONG Erziehungswissenschaftliche Hochschule Rheinland-Pfalz, Abteilung Landau
Das konsistenztheoretische Leistungsmodell (BOSSONG, 1982a) sagt voraus, daß unter spezifischen Bedingungen Personen mit niedriger Fähigkeitsselbsteinschätzung niedrigere Leistungen erzielen als Personen, die sich höher einschätzen. Tritt dieser Effekt nur in Experimenten auf, in denen die Aufmerksamkeit auf die zentralen Kognitionen gelenkt wird? In einem Experiment führten Vpn mehrere Untertests eines Intelligenztests unter den üblichen Bedingungen durch. Einige Tage später wurde die Selbsteinschätzung erhoben und ein Hinweis auf das Ausmaß der Fähigkeitsabhängigkeit der Ergebnisse gegeben. Sie bearbeiteten dann die Parallelformen von zwei Untertests. Wie erwartet führte der Hinweis auf die Fähigkeitsabhängigkeit zu einer Extremisierung der Leistungsunterschiede zwischen Vpn mit hoher und niedriger Selbsteinschätzung, der Hinweis auf die Zufallsabhängigkeit dagegen zu einer Verringerung der Unterschiede. Dies spricht dafür, daß unter den üblichen Durchfuhrungsbedingungen ein mittelstarker Konsistenzeffekt besteht.
T h e consistency-achievement model (BOSSONG, 1982a) predicts achievement differences between persons with high or low self-assessment o f personal ability under specific conditions. Is this consistency-effect restricted to specific experimental conditions which direct attention to the central cognitions of the model in question? In this experiment, subjects worked on an intelligencetest under the usual conditions. Some days later, self-assessment o f ability was measured and the subjects received a hint about the ability-outcome relation. As expected, the assumption o f a high correspondence o f outcomes to ability resulted in a further increase in achievement differences, while the assumption of a strong influence o f chance led to a decrease in differences. This corroborates the hypothesis that the moderate consistency effect is at work under usual test-conditions.
Das dissonanztheoretische Leistungsmodell (BOSSONG, 1982a) enthält im wesentlichen die folgenden Annahmen: Personen tendieren dazu, Leistungsergebnisse zu vermeiden, die nicht mit ihrer Selbsteinschätzung übereinstimmen. Dieses Motiv zur Vermeidung von Dissonanz in Leistungssituationen wirkt sich solange förderlich aus, bis die Person das Leistungsniveau erreicht hat, das ihrer Selbsteinschätzung entspricht. Darüberhinaus wird die Anstrengung gehemmt. Voraussetzungen für die Wirksamkeit dieser Konsistenzmotivation sind:
streckt sich ausdrücklich auch auf Güteleistungen, das sind relativ komplexe Leistungen mit mittlerem bis hohem Schwierigkeitsgrad. BOSSONG (1982a) hat gezeigt, daß Personen unter realistischen Testbedingungen auf für sie erreichbare Leistungen verzichten, wenn die so erzielten Ergebnisse im Widerspruch zu ihrer Selbsteinschätzung stehen würden. In einem Experiment hatten Vpn nach erwartungswidrig guten Ergebnissen ihre Anstrengung bei noch folgenden Aufgaben verringert. In einem anderen Experiment lösten Vpn mit einer niedrigen Selbsteinschätzung sehr viel mehr Aufgaben, wenn diese als bezeichnet wurden, als wenn diese als etikettiert wurden. In beiden Experimenten trat der beschriebene Effekt nur dann auf, wenn den Vpn eine strikte Fähigkeitsattribuierung nahegelegt wurde und die Aufgaben Rückschlüsse über den aktuellen Leistungsstand zuließen.
1. Die Person muß in dem jeweiligen Leistungsbereich eine hinreichend sichere Selbsteinschätzung haben. 2. Sie muß das Leistungsergebnis auf die entsprechende Fähigkeit attribuieren. 3. Während des Leistungsprozesses benötigt sie ausreichende Rückmeldung über ihren aktuellen Leistungsstand. Der
Geltungsbereich
dieses
Modells
er-
Aus der Theorie der kognitiven Dissonanz (IRLE, 1975, p. 313) ergibt sich, daß solche Konsistenzeffekte nur auftreten können, wenn die
342
Bossong: Zur externen Validität des dissonanztheoretischen Leistungsmodells
Person ihre Aufmerksamkeit auf die beteiligten Kognitionen richtet. In den berichteten Experimenten war dies dadurch gegeben, daß die Selbsteinschätzung gemessen und auf die Ursachen nachdrücklich hingewiesen wurde. Auf der Theorieebene ergeben sich so enge Beziehungen zu dem Selbst-Regulationsmodell von CARVER & SCHEIER ( 1 9 8 1 ) . In beiden Modellen wird die Anpassung des Verhaltens an gewisse Standards beschrieben, was diese wiederum stabilisiert. Die Rolle der Rückmeldung und die Notwendigkeit der Hervorhebung (salience) der Standards wird ebenfalls in beiden Theorien betont. Unterschiede ergeben sich dadurch, daß in dem dissonanztheoretischen Modell die Qualität der Motivation genauer beschrieben ist, die in dem Selbst-Regulationsmodell quasi-biologisch mit gekennzeichnet wird. Das dissonanztheoretische Modell ist weiter durch den expliziten Einbezug der Bedingung präziser gefaßt. Der wesentlichste Unterschied dürfte jedoch sein, daß das Selbst-Regulationsmodell für den Leistungsbereich unterstellt, daß der Standard vorherrschend wäre, was zur Folge hätte, daß unter erhöhter Selbstaufmerksamkeit bei ausreichender Ergebniserwartung eine maximale Anstrengung resultieren würde. Daß in dem oben genannten Experiment die Vpn nach diskrepant hoher Leistungsrückmeldung ihre Anstrengung senkten, widerspricht dieser A n n a h m e und belegt, daß die Selbsteinschätzung ein zentraler Standard im Leistungsbereich sein kann. Ein ähnliches Ergebnis wird auch von M C D O N A L D ( 1 9 8 0 ) berichtet. Die vorliegende Untersuchung stellt sich die Frage, ob Konsistenzeffekte auch unter völlig natürlichen Bedingungen auftreten, wie sie bei den üblichen Testdurchführungen oder Klassenarbeiten bestehen. Die beschriebenen Experimente waren insoweit ökologisch invalide, als sie durch die Messung der Selbsteinschätzung und Betonung der Fähigkeitsabhängigkeit die Aufmerksamkeit auf diese Kognitionen richtete. Konsistenzeffekte unter den üblichen Durchführungsbedingungen würden ein ernstes Problem für die Leistungsmessung darstellen. Psychologen und Lehrer unterstellen bisher, daß die Probanden in der Regel ein hohes
Interesse daran hätten, möglichst gut abzuschneiden und sich daher maximal anstrengen würden. Das so entstandene Ergebnis würde also auch die höchste Leistungsfähigkeit der Person anzeigen. Gegenüber dieser Position wird hier behauptet, daß auch unter den üblichen Durchführungsbedingungen die Leistungsergebnisse durch Konsistenzmotivationen beeinflußt werden können. Personen mit einer hohen Einschätzung ihrer Fähigkeiten würden - zumindest zum Teil - deswegen höhere Leistungen haben als Personen mit niedriger Selbsteinschätzung, weil beide G r u p p e n versuchen würden, inkonsistente Leistungsergebnisse zu vermeiden. Für Personen mit hoher Selbsteinschätzung bewirkt diese Tendenz zur Vermeidung niedriger Leistungsergebnisse eine förderliche Motivation, die zu der bestehenden selbst(wert)dienlichen hinzukommt. Bei Personen mit niedriger Selbsteinschätzung ist dagegen diese Konsistenzmotivation eher hemmend, da sie auf die Vermeidung hoher Leistungsergebnisse abzielt und so von der selbst(wert)dienlichen Motivation abzuziehen ist. Es wird angenommen, daß dieser Konsistenzeffekt auch unter den üblichen Durchführungsbedingungen wirksam ist, wenn auch möglicherweise etwas schwächer. Es scheint plausibel, anzunehmen, daß eine Person, die einen Intelligenztest oder eine Klassenarbeit bearbeiten soll, sich Gedanken über ihre Fähigkeit macht und erwartet, daß sie in einem bestimmten Zusammenhang mit dem Leistungsergebnis steht. Wenn sie also ihre Aufmerksamkeit auf diese beiden Kognitionen richtet, sind bereits die wichtigsten Randbedingungen für das Auftreten von Konsistenzeffekten gegeben. Eine ausdrückliche Erhebung der Selbsteinschätzung und ein direkter Hinweis auf einen sehr engen Zusammenhang, wie das in den Experimenten geschehen ist, dürften den Konsistenzeffekt noch verstärken. Umgekehrt würde eine Betonung der Zufallsabhängigkeit der Ergebnisse den Konsistenzeffekt weitgehend aufheben. Nach diesen Überlegungen sollte ein starker Konsistenzeffekt auftreten, wenn Selbsteinschätzung und Fähigkeitsabhängigkeit der Ergebnisse herausgestellt werden, ein mittlerer unter den üblichen Testbedingungen und keiner, wenn betont wird, daß das Leistungsergeb-
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1983, 14, 341 - 3 4 7
nis sehr stark vom Zufall abhängig ist. Es wurde ein Experiment geplant, um diese Annahmen zu überprüfen. Die Vpn sollten zu einem ersten Zeitpunkt unter den üblichen Testbedingungen verschiedene Untertests eines häufig verwandten Intelligenztests bearbeiten. Die Untertests sollten so ausgewählt werden, daß es nur bei einem möglich sein sollte, ungefähr den aktuellen Leistungsstand abzuschätzen. Bei den anderen sollte dies nicht möglich sein. Zu einem zweiten Zeitpunkt sollte dann 1. die Selbsteinschätzung der Intelligenz erhoben und 2. direkte Aussagen über die Enge des Zusammenhangs von Fähigkeit und Leistungsergebnis gemacht werden (Fähigkeit bzw. Fähigkeit und Zufall). Anschließend sollte die Parallelform des Untertests bearbeitet werden, bei dem eine Rückmeldung über den aktuellen Leistungsstand möglich ist. Es wurden dazu folgende Voraussagen gemacht. 1) Im Vortest haben Vpn mit einer hohen Selbsteinschätzung höhere Leistungen als Vpn mit niedriger Selbsteinschätzung. 2) Wird beim Nachtest die Fähigkeitsabhängigkeit der Ergebnisse betont, tritt eine Extremisierung dieses Unterschieds auf: Die Nachtest-minus-Vortest Differenzen sind bei Vpn mit hoher Selbsteinschätzung höher als bei Vpn mit niedriger Selbsteinschätzung. 3) Wird beim Nachtest die Zufallsabhängigkeit der Ergebnisse betont, so wird der Unterschied geringer: Die Nachtest-minus-Vortest Differenzen sind bei Vpn mit hoher Selbsteinschätzung kleiner als bei Vpn mit niedriger Selbsteinschätzung. 4) Werden keine Angaben über die Enge des Zusammenhangs Fähigkeit-Ergebnis gemacht, unterscheiden sich die Differenzscores der Vpn mit hoher Selbsteinschätzung nicht von denen mit niedriger Selbsteinschätzung.
Methode Versuchsplan
und
Versuchspersonen
Z u g r u n d e lag ein 2 (Selbsteinschätzung) x 3 ( U r s a c h e n ) v a r i a n z a n a l y t i s c h e r V e r s u c h s p l a n . Die Stufen des ersten F a k t o r s sind h o h e u n d niedrige Selbsteinschätzung. D e r zweite F a k t o r ist in d e n Stufen Fähigkeitsabhängigkeit, Z u fallsabhängigkeit u n d keine A n g a b e n zu d e n U r s a c h e n re-
p r ä s e n t i e r t . A b h ä n g i g e Variablen sind e i n m a l die A n z a h l d e r richtig gelösten A u f g a b e n des U n t e r t e s t s Z a h l e n r e i h e n des Vortests. Z w e i t e n s die N a c h t e s t - m i n u s - V o r t e s t Differ e n z e n dieses U n t e r t e s t s . V e r s u c h s p e r s o n e n w a r e n 95 weibliche u n d m ä n n l i c h e R e a l s c h ü l e r (etwa 14—15 J a h r e alt) a u s drei a c h t e n Klassen. In j e d e r Klasse w a r e n als Versuchsleiter zwei S t u d e n t e n , die v o r h e r sorgfaltig eingewiesen w u r d e n .
Unterlagen
und
Durchführung
Z u d e m ersten Zeitpunkt k a m e n die Versuchsleiter in die Klassen, stellten sich vor und e r k l ä r t e n , d a ß sie d e n S c h ü lern die Möglichkeit bieten w ü r d e n , in Ü b e r e i n s t i m m u n g mit d e r Schule an e i n e m Test t e i l z u n e h m e n . Die T e i l n a h m e sei freiwillig. Alle Schüler e r k l ä r t e n sich bereit. Die Versuchsleiter teilten d a n n einen Block aus, der folgendes enthielt: 1) Eine laut vorgelesene A n r e d e a n d i e Schüler, die bet o n t e , d a ß diese i m n ä c h s t e n J a h r vor einer wichtigen E n t s c h e i d u n g stehen w ü r d e n , n ä m l i c h o b sie weiter a u f die S c h u l e o d e r in e i n e B e r u f s a u s b i l d u n g gehen sollten. D e r Test k ö n n e da w e r t v o l l e E n t s c h e i d u n g s h i l f e n bieten. Die S c h ü l e r w ü r d e n d a s Ergebnis später e r f a h r e n . Die Testd u r c h f ü h r u n g sei a n o n y m , da a b e r der Test zu zwei vers c h i e d e n e n Z e i t p u n k t e n d u r c h g e f ü h r t w ü r d e , sollten sie eine fünfstellige C o d e - Z a h l auf den Block s c h r e i b e n . 2) Die ebenfalls laut vorgelesene a l l g e m e i n e E i n f u h r u n g z u m Intelligenz-Struktur-Test (IST-70) von AMTHAUER (1972). 3) M e h r e r e U n t e r t e s t s des IST-70 mit d e n jeweiligen A n w e i s u n g e n . Die A n w e i s u n g e n u n d die U n t e r t e s t s w u r d e n a b g e s c h r i e b e n u n d n u r insoweit v e r ä n d e r t , als die V p n die richtigen A n t w o r t a l t e r n a t i v e n auf d a s Blatt schreiben bzw. a u f d e m Blatt u n t e r s t r e i c h e n sollten. Die vorgeschrieb e n e n Zeiten w u r d e n ü b e r n o m m e n . S c h ü l e r die n e b e n e i n ander saßen, hatten unterschiedliche Parallelformen der U n t e r t e s t s . Die U n t e r t e s t s w a r e n W o r t a u s w a h l , Z a h l e n r e i h e n , S a t z e r g ä n z e n , A n a l o g i e n u n d G e m e i n s a m k e i t e n . Bei der A u s w a h l der U n t e r t e s t s w u r d e d a v o n ausgegangen, d a ß n u r d i e A u f g a b e n des U n t e r t e s t s Z a h l r e i h e n den Vpn einen e i n i g e r m a ß e n s i c h e r e n R ü c k s c h l u ß auf die a k t u e l l e H ö h e i h r e r Leistung e r l a u b e n w ü r d e n . Z u d e m zweiten Zeitpunkt, vier Tage später, k a m e n die Versuchsleiter wieder in dieselben Klassen. J e d e r S c h ü l e r erhielt einen D I N A 4 - U m s c h l a g mit seiner C o d e z a h l , der erst a u f A n w e i s u n g geöffnet w e r d e n d u r f t e . D e r U m s c h l a g enthielt einen Block mit folgendem I n h a l t : 1) Einer W i e d e r h o l u n g der E i n f ü h r u n g , die n o c h m a l s d a r a u f hinwies, wie wertvoll d e r Test f ü r die Schullaufb a h n b e r a t u n g sei. 2) E i n e E r f a s s u n g der Selbsteinschätzung der Intelligenz. Sie w u r d e d a m i t b e g r ü n d e t , d a ß die Versuchsleiter als W i s s e n s c h a f t l e r an der Frage interessiert seien, wie gen a u S c h ü l e r ihre Intelligenz einschätzen k ö n n t e n . Sie h a b e mit d e r T e s t d u r c h f ü h r u n g selbst nicht zu t u n , m a n n u t z e n u r diese günstige Gelegenheit aus. Die V p n w u r d e n gebeten, i h r e Intelligenz auf einer P r o z e n t r a n g s k a l a e i n z u s c h ä t zen u n d z w a r im Vergleich mit . Quelle der Varianz Selbsteinschätzung Schulklasse Selbsteinschätzung x Klasse Fehler
SS
df 67,12 15,01
30,10 1285,78
MS
1 67,12 2 7,50 2 89
15,05 14,44
F
p
4,65 0,52
0,033 0,596
1,04
0,357
mit hoher Selbsteinschätzung höhere Leistungen erzielten als die Vpn mit niedriger Leistung. Bei den Untertests, Wortauswahl und Gemeinsamkeiten traten diese Unterschiede nicht auf. Nur bei dem ersten Untertest führte der Faktor zu einem erwähnenswerten Haupteffekt (F(2,89) = 2,85, p < 0,07), der möglicherweise auf eine unterschiedliche Einstimmung oder auf Differenzen in der Zeitnahme zurückzufuhren ist. Bei den anderen Untertests traten solche Unterschiede nicht auf (F < 1,4). Die Klassen dürften also als vergleichbar angesehen werden.
2) Analysen der
Veränderungswerte
Bei zwei Untertests, den Zahlenreihen und den Gemeinsamkeiten lagen Vortest- und Nachtestergebnisse vor. Für jede Vp wurde die Differenz der richtig gelösten Aufgaben Nachtestminus-Vortest berechnet. Diese Veränderungswerte gingen als abhängige Variablen in zwei zweifaktorielle Varianzanalysen ein mit den Faktoren Selbsteinschätzung und Ursachen. Bei den Zahlenreihen (siehe Tab. 2) trat bei den Veränderungswerten der erwartete Interaktionseffekt Selbsteinschätzung x Ursachen auf (F(2,89) = 3,47, p < 0,04).
Tab. 2: Tafel der Varianzanalyse für die AV