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German Pages 128 [135] Year 1988
ISSN 0044-3409 • Z. Psychol, • Leipzig . 195 (1987) 1 • S, 1 - 1 3 8
ZEITSCHRIFT FÜR
PSYCHOLOGIE mit Zeitschrift für angewandte Psychologie
Schriftleitung Friedhart K l i x , Berlin • H a n s - D i e t e r S c h m i d t , Berlin • J o a c h i m Hofi'mann, Berlin Redaktion:
J ü r g e n Mehl, Berlin • Friedrich K u k l a , Berlin
Unter Mitwirkung
von
J . E . Axcoaga (Buenos Aires) P . B. Baltes (Berlin West) N . Bischof (Zürich) A. A. B o d a l j o w (Moskau) H . Dörner (Bamberg) J . Engelkamp (Saarbrücken) P. Fraisse (Paris) H.-G. Geißler (Leipzig) W. Hacker (Dresden) D . J . H e r r m a n n (New York) A. Kossakowski (Berlin)
D. K o v ä r (Bratislava) B. F. Lomow (Moskau) D. Magnusson (Stockholm) K. Pawlik ( H a m b u r g ) P. Pelzold ( J e n a ) H . - D . Rösler (Rostock) E . R o t h (Salzburg) L. S. Svetkova (Moskau) H. Sydow (Berlin) M. Wertheimer (Boulder) G. D . ' Ydewalle (Leuven)
JOHANN
AMBROSIUS
BARTH
LEIPZIG
Inhalt E n g e l k a m p , J . (Saarbrücken). Modalilätsspezifisclie Gcdächtnissystcme im K o n t e x t sprachlicher Informationsverarbeitung. Mit 12 A b b Krause, W . ; Mirtschink, P. (Berlin). Schizophrene D e n k s t ö r u n g e n . I d e n t i f i k a t i o n von P a r a m e t e r i aus Schlußprozesscn f ü r eine rechnergestützte Diagnosefindung in der psychiatrischen Diagnostik Teil II. Mit 2 A b b
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Klix, F . ; Van der Meer, E l k e ; P r e u ß , M.; Wolf, M. (Berlin). Über Prozeß- nnd S t r u k l u r k o m p o n e n t e n der Wissensrcpräsentation beim Menschen. Mit 5 A b b
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Putz-Osterloli, Wiebke (Aachen). Gibt es E x p e r t e n für komplexe Probleme? Mit 2 Abi)
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Eillbrandt, lt. (Kiel). Das A erkiirzungskontinuum Hanoi. Teil II. Mit 6 Ahl»
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möglichen Lösungswissens beim Turni voi
Zoeke, B a r b a r a (Würzburg). Altersspezifische Frequenry-EITekte im Psychophysikalischen Be zugssystemversuch. Mit 7 A b b Buchbesprechungen Hinweise für Autoren
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28, (¡2, 8'i, 100, I I I 127
Anschrift der Redaktion: Dr. J. Mehl, Sektion Psychologie der H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t , Oranienburger Str. 18, Berlin, D D R - 1020, Ruf 2 825091. Anschrift des Verlages: J o h a n n Ambrosius B a r t h , Salomonstr. 18 b, Postfach 109, Leipzig, D D R - 7 0 1 0 , Ruf 7 0 1 3 1 . Von Originalarbciten liefert der Verlag an Stelle eines Honorars 50 Sonderdrucke kostenlos. Buchbesprechungen werden nicht vergütet, d a f ü r bleibt das Besprechungsexemplar E i g e n t u m des R e f e r e n t e n . Anzeigen werden erbeten für Inland a n : V E B Fachbuchverlag, Postfach 349; Leipzig, D D R - 7010, f ü r Ausland a n : I n t e r w e r b u n g G m b H — Gesellschaft f ü r W e r b u n g u n d Auslandsmessen der D D B , I l e r m a n n - D u n c k e r - S t r . 89, Berlin, D D R - 1157, Ruf 5 0 9 0 9 8 1 . F ü r die Anzeigenpreise gelten die Festlegungen gemäß Preiskatalog Nr. 286/1 v o m 1. 7. 1975. Bestellungen nehmen entgegen: In der D D R der Postzeitungsvertrieb und der Verlag J o h a n n Ambrosius B a r t h . In den sozialistischen Ländern der zuständige Postzeitungsvertrieb, in der B R D / B e r l i n (West) die F i r m a Zeitungsvertrieb Gebr. P e t e r m a n n , K u r f ü r s t e n s t r . 111, D - 1000 Berlin (West) 30, u n d der örtliche Buch- u n d Zeitschriftenhandel. In allen anderen S t a a t e n der örtliche Buch- u n d Zeitschriftenhandel. Bestellungen des Buch- u n d Zeitschriftenhandels sind zu richten a n B u c h e x p o r t Volkseigener Außenhandelsbetrieb der D D R , Leninstr. 16, Leipzig, D D R - 7010, Postfach 1C0.
ZEITSCHRIFT
FÜR
PSYCHOLOGIE
Band 195,1987 mit Zeitschrift für angewandte Psychologie Z. Psychol. 195 (1987) 1 - 2 8
Heft 1 Band 101 J . A. Barth, Leipzig/DDR
Aus der Fachrichtung Psychologie der Universität des Saarlandes
Modalitätsspezifische Gedächtnissysteme im Kontext sprachlicher Informationsverarbeitung1 Yon J. Engelkamp Mit 12 Abbildungen
Überlegungen zu verschiedenen Gedächtnisrepräsentationen Über einen imaginalen Kode und darüber, wie er von einem verbalen oder von einem propositionalen Kode unterschieden werden kann, ist viel geforscht und diskutiert worden (z. B. Paivio, 1971; Kosslyn, 1980, 1981; Pylyshyn 1973, 1981; Wippich 1980 u. v. a. m.). Die Debatte darüber ist z. T. sehr grundsätzlich geführt worden. Ohne darauf an dieser Stelle näher einzugehen (vgl. hierzu Engelkamp und Zimmer, 1986), möchte ich feststellen, daß ich diese Debatte über große Strecken für fruchtlos halte, da ich glaube, daß die Entscheidung darüber, ob Wissen z. B. imaginal repräsentiert ist, mit psychologischen Mitteln nicht entscheidbar ist (vgl. auch Anderson, 1978; Snodgrass, 1984). Für oder gegen die Annahme eines imaginalen oder anderen Kodes wird man stets nur mehr oder weniger plausible Argumente anbringen können. Die Annahme von Kodes kann wissenschaftlich mehr oder weniger nützlich sein, aber es bleibt eine Annahme. Wissenschaftlich nützliche Annahmen sind allerdings nicht gering zu achten. Sie sind ein wesentlicher Treibriemen für den Erkenntnisfortschritt, da sie bekannte Phänomene ordnen und neue vorhersagen. So ist es m. E. ein wissenschaftlicher Fortschritt, daß man spätestens seit den 60er Jahren zwischen der Repräsentation der Wortform und der Bedeutung v,on Wörtern unterscheidet, statt nur eine Gedächtnisrepräsentation für beides zu postulieren (z. B. Glass, Holyoak und Santa, 1979; Hoffmann, 1982; Klix, 1976, 1978, 1984; Lindsay und Norman, 1977). Die Repräsentation der Wortform bezeichne ich als Wortmarke (WM). Statt von Bedeutung spreche ich von Konzept (K). Dies macht Sinn, da beides unabhängig voneinander vergessen werden kann (Brown und McNeill, 1966), und da man beides unabhängig voneinander lernen kann (vgl. Engelkamp, 1983). 1 Das Manuskript entstand während eines Forschungsaufenthalts am Netherlands Institute for Advanced Study in the Humanities and Social Sciences in Wassenaar, Niederlande. Ich möchte dem Institut an dieser Stelle für den Forschungsaufenthalt danken. Die Arbeit wurde von der DFG unterstützt. 1 z. Psychologie 195-1
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Das letzte Argument läßt sich auch auf nichtsprachliche, bildliche Reize anwenden. Im Prinzip gilt auch hier, daß es Sinn macht, zwischen der Repräsentation eines optischen Reizes, z. B. einer Rose, und seiner Bedeutung zu unterscheiden, das heißt die Repräsentation des Erscheinungsbildes von der Repräsentation seiner Bedeutung zu trennen. In der Tat wird dies auch zunehmend postuliert. Es lassen sich dabei zwei Positionen unterscheiden. Eine Reihe von Forschern geht davon aus, daß unterhalb der Konzeptebene, d. h. unterhalb der Repräsentation der Bedeutung, visuelle Merkmale repräsentiert sind (z. B. Flores d'Arcais, Schreuder und Glazenborg, 1985; Hoffmann und Klimesch, 1984; Nelson, Reed und McEvoy, 1977). Andere Forscher dagegen postulieren eine der Repräsentation der Wortform ähnliche Repräsentation des visuellen Erscheinungsbildes von Objekten getrennt von der Konzeptrepräsentation (z. B. Glass, Holyoak und Santa, 1979; Zimmer, 1983). Die Repräsentation von Erscheinungsbildern von Objekten nenne ich im folgenden Bildmarke (BM). Bildmarken werden auch oft „sensory image" genannt. Die Trennung zwischen Bildmarke und Konzept ist problematischer als die zwischen Wortmarke und Konzept, weil BM und Konzept enger verknüpft sind als WM und Konzept. Es ist schwer, sich vorzustellen, daß jemand die BM einer Rose repräsentiert h a t , ohne zum mindesten über etwas Bedeutungswissen zu verfügen. Dies hängt damit zusammen, daß Wörter grob gesprochen eine referentielle Bedeutung haben und Bilder eine konstitutive. WM verweisen auf K, BM konstituieren K. WM und K verhalten sich zu einander wie Symbol-Zeichen, BM und K wie Index-Zeichen. Die Forderung weiterer sinnespezifischer Repräsentationen z. B. für akustische Erscheinungen wie das Bellen eines Hundes oder für olfaktorische Erscheinungen wie den Geruch von frisch gebackenem Brot, wird zwar allgemein erhoben (z. B. Glass, Holyoak und Santa, 1979; Paivio, 1971), h a t aber kaum Niederschlag in der empirischen Forschung gefunden. Dies mag damit zusammenhängen, daß in der einschlägigen empirischen Forschung ganz überwiegend mit Substantiven als Reizmaterial gearbeitet worden ist (z. B. Paivio, 1971; Yuille, 1983). Mit der Vernachlässigung der Untersuchung von anderen Wortklassen, insbesondere von Verben in der Gedächtnisforschung mag auch zusammenhängen, daß die Forderung nach BM-analogen motorischen Repräsentationen nie erhoben wurde. Dabei legt die Betrachtung von Handlungen wie „kraulen", „klatschen", „essen" etc. die Annahme von Repräsentationen unseres Wissens darüber, wie wir diese Handlungen ausführen, ebenso nahe wie die Annahme von Repräsentationen über unser Wissen über das visuelle Erscheinungsbild dieser Handlungen. Solche Repräsentationen unseres motorischen Wissens unterscheiden' sich klar von dem entsprechenden konzeptuellen Wissen. J e m a n d kann z. B. sehr wohl wissen, was z. B. „kraulen" bedeutet, d. h. über ein entsprechendes Konzept verfügen, ohne kraulen zu können, d. h. ohne über ein entsprechendes motorisches Wissen zu verfügen. Dieses motorische Wissen, das uns befähigt, eine bestimmte motorische Handlung auszuführen, nenne ich motorisches Programm (MP). Motorische Programme sind im Bereich der Erforschung motorischer Bewegungsabläufe kein neues Konstrukt (vgl. Summers, 1981). Neu ist die Thematisierung solcher MP im Kontext sprachlicher Informationsverarbeitung.
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Im Hinblick auf das Wissen, das mit Handlungen wie „kraulen" oder „Brot schneiden" verbunden ist, lassen sich demnach die folgenden Teilrepräsentationen — zum mindesten begrifflich — unterscheiden; die Repräsentation der begrifflichen Bedeutung einer Handlung (K), die Repräsentation der verbalen Bezeichnung für die Handlung (WM), die Repräsentation des visuellen Erscheinungsbildes der Handlung (BM) und die Repräsentation des motorischen Wissens darüber, wie die Handlung ausgeführt wird (MP). Zu erwähnen ist noch, daß wir über allgemeines Wissen verfügen, z. B . darüber was ein Wort bedeutet, und über Faktenwissen, z. B . darüber, daß wir ein bestimmtes Objekt oder Ereignis gesehen haben und wissen, wie es aussieht. Diese beiden Wissensarten werden seit Tulving (1972) oft als semantisches und episodisches Wissen bezeichnet. Im Hinblick auf konzeptuelle Repräsentationen von Objekten wird in diesem Zusammenhang auch zwischen generellen Konzepten als Repräsentationen von Objektklassen und individuellen Konzepten als Repräsentationen von spezifischen Aussenweltobjekten unterschieden (z. B . Engelkamp, 1976; S. 3 3 f ; Lindsay und Norman, 1977). Obwohl dieser Unterschied wichtig ist und von jeder umfassenden Gedächtnistheorie berücksichtigt werden muß, werde ich in diesem Artikel darauf nicht bezugnehmen, da die hier zur Diskussion stehende Frage, ob es sinnvoll ist, im Kontext der Verarbeitung sprachlicher Informationen spezifische sensorische und motorische Teilrepräsentationen zu fordern, von dieser Unterscheidung unabhängig ist. Hierauf ^hinzuweisen erscheint mir wichtig, weil z. B. Lindsay und Normen (1977 S. 389) die Repräsentation sensorischer Images auf individuelle Konzepte beschränken. Sie sehen zwar für die Repräsentation eines spezifischen Hundes, z. B . für „Bingo" eine BM-Repräsentation vor, aber nicht für generelle Konzepte wie Hund. Daß wahrnehmungsbasierte Informationen bzw. BM auch für generelle Konzepte bis zur Ebene- der sog. Basis- oder Primäckonzepte eine entscheidende Rolle spielen, wird jedoch zumeist nicht in Frage gestellt (z. B . Hoffmann, 1982; Hoff7 mann und Ziessler, 1982; Snodgrass, 1980, 1984; Zimmer, 1983). Ziel der folgenden Ausführungen ist es zu zeigen, daß diese verschiedenen Repräsentationen, insbesondere die visuell-sensorischen und die motorischen, nicht nur begrifflich unterschieden werden können, d. h. daß sie sinnvoll zu unterscheidende Inhalte repräsentieren, sondern daß sie funktional zu unterscheiden sind. Hierzu werde ich in einem ersten Abschnitt, um die Darlegung meiner Argumente zu erleichtern, die Vorstellungen zu einem multimodalen Repräsentationsmodell darstellen, wie es von Hubert D. Zimmer und mir in den letzten Jahren entwickelt wurde (Engelkamp, 1986 a; Engelkamp und Zimmer, 1983a; 1985; Zimmer und Engelkamp, 1985 a), um dann in zwei weiteren Abschnitten die visuell-sensorischen den verbalen Repräsentationen gegenüber zu stellen und die motorischen mit den visuell-sensorischen Repräsentationen zu konfrontieren. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß ich die verschiedenen mit einem sprachlichen Ausdruck verbundenen Teilrepräsentationen als theoretische Konstrukte ansehe, die beim augenblicklichen Stand unseres Wissens über sprachliche Informationsverarbeitung „nützliche Fiktionen" im Sinne von Herrmann (1983) darstellen, um möglichst viele Phänomene aus einer einheitlichen Modellvorstellung heraus zu erklären.
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Das multimodale Repräsentationsmodell Wir gehen davon aus, daß das Gedächtnis kein einheitliches Gesamtsystem bildet, dessen Inhalte z. B. in einem homogenen, propositionalen oder semantischen Netzwerk repräsentiert sind (z. B. Anderson, 1976), sondern daß es aus mehreren voneinander unabhängigen, aber dennoch miteinander kommunizierenden Teilsystemen besteht. Jedes Teilsystem bildet sein eigenes Netzwerk. Die verschiedenen Netzwerke sind miteinander verbunden und hierarchisch organisiert. Die Basis der Hierarchie bilden die sensorischen u n d motorischen Netzwerke, die Spitze der Hierarchie bildet das konzeptuelle Netzwerk, das aus Konzepten besteht. Die sensorischen und motorischen Netze fundieren das konzeptuelle Netz. Konzepte sind die zentralen Einheiten der Verarbeitung. Mit einem Konzept kann eine Wortmarke (WM), eine Bildm'arke (BM) und ein motorisches Programm (MP) assoziiert sein. Ob dies der Fall ist, hängt u. a. von dem konzeptuell repräsentierten Inhalt ab. Wir haben bereits gesehen, daß mit der konzeptuellen Repräsentation von Handlungen BM und MP assoziiert sein können, mit der konzeptuellen Repräsentation von Objekten sind i. d. R. keine MP, wohl aber BM assoziiert. Die Unterscheidung weiterer sensorischer Marken ist wünschenswert, soll hier aber nicht diskutiert werden. Ebenso erscheint es sinnvoll, affektspezifische Reprästationenen zu berücksichtigen (vgl. Zimmer, 1986). Auch darauf gehe ich hier nicht ein. Hinweisen will ich lediglich darauf, daß wir statische Bildmarken als Repräsentationen über das Aussehen von Objekten von dynamischen Bildmarken unterscheiden (vgl. Zimmer und Engelkamp, 1985 b). Letztere repräsentieren räumliche Veränderungen von Objekten. Die Unterscheidung unterschiedlicher Teilrepräsentationen im Kontext einzelner Konzepte sowie die Organisation der einzelnen Teilrepräsentationen in getrennten Netzen mit je eigenen Eigenschaften bilden die Kernannahmen des multimodalen Repräsentationssystems. Die zentrale Frage im Hinblick auf die Unterscheidung verschiedener mit einem Konzept assoziierter Teilrepräsentationen l a u t e t : Lassen sich die postulierten Teilrepräsentationen unabhängig voneinander aktivieren? Wir nehmen an, daß die Aktivation eines Konzeptes nicht notwendig die Aktivation aller mit ihm assoziierten Märken und Programme impliziert. Welche Marken und Programme aktiviert werden, hängt einerseits von der Modalität des zu verarbeitenden Reizes und andererseits von der spezifischen Zielsetzung bei der Verarbeitung ab. I m Mittelpunkt unseres Interesses steht die Frage, welche Teilrepräsentationen bei der Verarbeitung sprachlicher Reize aktiviert werden. Wir fordern, daß bei der Verarbeitung verbaler Ausdrücke wie „Kartoffeln schälen" die betreffenden WM und K in aller Regel automatisch aktiviert werden, wogegen die Aktivation von BM und MP jeweils von spezifischen Bedingungen abhängen sollten. Die betreffende BM sollte aktiviert werden, wenn Vorstellungen erzeugt werden (Perrig, 1982) oder wenn spezifische BM-Aspekte, z. B. beim Größenvergleich, zu beurteilen sind (Paivio, 1975a). Ein MP sollte aktiviert werden, wenn der Hörer die betreffende Handlung ausführt oder eine solche Ausführung intendiert (Zimmer und Engelkamp, 1984) oder wenn spezifische Aspekte von MP zu beurteilen sind (Engelkamp und Zimmer, 1984).
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Bei der Verarbeitung von Bildern sollten BM und K automatisch aktiviert werden. Die WM-Aktivätion sollte hier von spezifischen Bedingungen abhängen, also optional sein. Im Hinblick auf die Repräsentation der einzelnen Bedeutungskomponenten in getrennten Netzen oder eigenen Teilsystemen sind zwei Fragen von besonderer Bedeutung. Die erste Frage richtet sich darauf, ob die spezifischen Teilrepräsentationen z. B. die visuellsensorischen BM untereinander ähnlicher sind, als sie es zu anderen Teilrepräsentationerlsind, z. B. zu MP. Hier geht es also darutn zu zeigen, daß die typengleichen Repräsentationen homogene Teilsysteme bilden. Die zweite Frage ist spezifischer. Sie betrifft nicht nur die prinzipielle Unterscheidbarkeit der in sich als homogen postulierten Teilsysteme, sondern sie zielt auf funktionale Unterschiede dieser Teilsysteme. E s wird gefragt, ob die internen Organisationsstrukturen und die hierauf arbeitenden Prozesse der Teilsysteme sich unterscheiden. Hier nehmen wir z. B. an, daß Klasseninklusionen, besonders charakteristisch für das konzeptuelle Teilsystem sind, daß das WM-System durch assoziative Beziehungen geprägt ist, daß das BM-System eine räumliche Struktur hat und die simultane Organisation und Repräsentation von mehreren BM in eine komplexere BM gestattet. Genau diese Integration einzelner, zunächst getrennter Einheiten in eine neue komplexere Einheit
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in einem einzelnen Akt der Informationsverarbeitung leistet das MP-System nicht. Diese A n n a h m e n zeigen beispielhaft, worum es hier geht. Def Nachweis solcher Unterschiede in der S t r u k t u r u n d im Gebrauch dieser S t r u k t u r e n stellen vielleicht das wichtigste Arg u m e n t f ü r die Forderung unabhängiger Teilsysteme des Gedächtnisses dar. Die sensorischen u n d motorischen Teilsysteme b e t r a c h t e n wir als modalitätsspezifisch, weil sie Interfaces zwischen dem konzeptuellen System u n d den sensorischen I n p u t - u n d motorischen O u t p o t - S y s t e m e n bilden. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen das visuell-sensorische u n d das motorische Teilsystem. S t a t t vom visuell-sensorischen spreche ich der Einfachheit halber auch v o m visuellen oder v o m imaginalen Repräsentations- oder Kodesystem. Zusammenfassend l ä ß t sich festhalten, d a ß wir annehmen, daß wir zu verschiedenen, partiell unabhängigen Teilsystemen des Gedächtnisses Zugang haben, d a ß diese Teilsysteme eigene S t r u k t u r e n u n d Prozesse aufweisen u n d daß sie verschiedene Typen vqn zum Teil modalitätsspezifischen Informationen repräsentieren, deren Aktivation von unterschiedlichen Bedingungen a b h ä n g t . In welchem System Informationen verarbeitet werden, h ä n g t von der Modalität der Reize, aber auch ganz entscheidend vom jeweiligen Handlungsziel ab. Abbildung 1 veranschaulicht abschließend das multimodale Repräsentationssystem.
Unterschiede zwischen dem verbalen und dem visupll-sensorischen Teilsystem' Die Unterscheidung zwischen einem verbalen u n d einem visuellen Repräsentationssystem wird spätestens seit Paivio (1971) i m m e r wieder kontrovers diskutiert (z. B. Anderson, 1978; Kosslyn, 1981; Kosslyn u n d P o m e r a n t z , 1977; Pylyslyn 1973, 1979, 1981; Snodgrass 1984). Ich h a b e bereits einleitend gesagt, daß ich. mich der Auffassung anschließe, d a ß eine Entscheidung n u r u n t e r pragmatischen Aspekten möglich ist. Was ich hier leisten möchte, ist zweierlei. Ich möchte auf zwei Gesichtspunkte bei dieser Diskus; sion a u f m e r k s a m machen, die zu wenig Beachtung finden, f ü r eine Positionsnahme abei erhebliche Bedeutung haben. U n d ich m ö c h t e einige A r g u m e n t e f ü r die Unterscheidung zwischen einem verbalen u n d einem visuellen Repräsentationssystem a n f ü h r e n . Ich werde drei Arten von A r g u m e n t e n vorbringen: Evidenzen f ü r die unabhängige Aktivierbarkeil v o n BM im K o n t e x t der Sprachverarbeitung, Evidenzen f ü r die A n n a h m e eines unabhängigen, homogenen BM-Systems u n d Evidenzen f ü r f u n k t i o n a l e Eigenheiten des BMSystems. Vernachlässigte
Aspekte
Häufig wird nicht explizit zwischen verbalen u n d konzeptuellen Repräsentationen unterschieden. Es bleibt vielfach unklar, ob das visuelle S y s t e m von einem verbalen, von einem konzeptuellen oder von beiden unterschieden werden soll. Paivio (1971, 1975b, 1978) k o n f r o n t i e r t z. B. ein verbales u n d ein imaginales System. E r s t eine genauere Analyse der Ausführungen von Paivio f ü h r t zu der E r k e n n t n i s , daß f ü r ihn sowohl das verbale als auch das imagínale S y s t e m „ B e d e u t u n g s s y s t e m e " sind
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(vgl. Bleasdale, 1983). Verbale wie imagínale Repräsentationen sind für Paivio Bedeutungsrepräsentationen. Autoren, die für ein einheitliches, meist propositionales Repräsentationssystem plädieren (z. B. Anderson und Bower, 1973; Pylyshyn, 1973, 1981) und gegen die Forderung eines eigenständigen visuellen Repräsentationssystem Stellung beziehen, ignorieren hierbei i. d. R. die Frage nach einem gesonderten WM-System. Es scheint mir wichtig zu sein, zunächst einmal zu erkennen, daß man ein visuelles Gedächtnissystem einem verbalen gegenüberstellen kann — hier geht es um die Unterscheidung sprachlich versus 'nichtsprachlich — und es mit einem konzeptuellen System konfrontieren kann — hier steht die Unterscheidung sensorisch versus begrifflich zur Diskussion. Stimmt man Pylyshyn (1973, 1981) zu, daß unsere Kognitionen notwendig konzeptuell sind, dann spitzt sich die Diskussion auf die Frage zu, ob zusätzlich sensorische oder modalitätsspezifische Repräsentationen gefordert werden sollten oder nicht. Blickt man auf die Forschung zum Nachweis modalitätsspezifischer Repräsentationssysteme, dann wird diese Frage sehr häufig im Rahmen sprachlicher Informationsverarbeitung untersucht. Das aber impliziert, daß hier praktisch immer die Aktivation von WM und K im Spiel ist. Man kann wohl davon ausgehen, daß bei der Sprachverarbeitung die WM-Aktivation ohne gleichzeitige Aktivation von K ein seltener Ausnahmefall ist. Wenn wir sehr müde oder mit den Gedanken nicht bei der Sache sind, mag es vorkommen, daß wir etwas hören oder lesen, ohne es zu verstehen. Das bedeutet, daß dort, wo mit verbalen Reizen als Untersuchungsmaterial gearbeitet wird, die WM- und die Konzeptaktivation stets zusammen auftreten. Hier kann es deshalb nur darum gehen, zu zeigen, daß die zusätzliche BM-Aktivation zu spezifischen Effekten führt. In einem anderen Paradigma versucht man, den Nachweis modalitätsspezifischer bzw. -unspezifischer Repräsentationen durch den Vergleich von Sprach- und Bildverarbeitung zu erbringen. Für die Wahrnehmung von Bildern gilt, daß wir sie automatisch erkennen, so daß hier BM und K immer gleichzeitig aktiviert werden.- Kritisch ist hier die Frage, ob eine WM notwendig mitaktiviert wird. Alltagserfahrungen sprechen ebenso dagegen, wie einige experimentelle Untersuchungen zur Bildverarbeitung (z. B. Babbitt, 1982; Intraub, 1979). Akzeptiert man diese Position, so geht es im Kontext der Bildverarbeitung darum herauszufinden, ob die zusätzliche WM-Aktivation spezifische Effekte hervorbringt. Insgesamt ergeben sich damit zur Klärung des Modalitätsproblems die folgenden Vergleichsmöglichkeiten. Bei der Untersuchung der Verarbeitung sprachlicher Reize kann man prüfen, ob die Aktivation von WM und K zu anderen Effekten führt als die von WM, K und BM. Entsprechend kann man bei der Bildverarbeitung prüfen, ob die zusätzliche Aktivation von WM zu BM und K besondere Effekte produziert. Und schließlich kann man Sprach- und Bildverarbeitung vergleichen und prüfen, ob WM und K zu anderen Effekten führt als BM und K. Da Konzepte immer im Spiel sind, spreche ich vom Vergleich eines verbalen mit einem visuellen System. Der zweite Gesichtspunkt, auf den ich hinweisen möchte, betrifft die Beziehung zwischen Wahrnehmungen und Vorstellungen. Diese Beziehung wird bei der Diskussion über modalitätsspezifische Systeme zu wenig berücksichtigt. Je mehr deutlich wird, daß zwischen Wahrnehmungen und Vorstellungen entscheidende Ähnlichkeiten bestehen,
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um so eher wir man dazu neigen, neben Konzepten auch visuell-sensorische Repräsentationen zu postulieren. Ehe ich Evidenzen für die Unterscheidung eines verbalen und eines visuellen Repräsentationssystems anführe, möchte ich deshalb einige Belege für die Ähnlichkeit von Wahrnehmung und Vorstellungen anführen. Ähnlichkeit von Wahrnehmungen und Vorstellungen Für den Nachweis unterschiedlicher Teilsysteme habe ich u. a. gefordert, daß ihre Repräsentationen untereinander homogener als zu Repräsentationen anderer Teilsysteme sein sollten und daß jedes Teilsystem seine eigenen Funktionscharakteristika aufweisen sollte. Wenn Wahrnehmungen und Vorstellungen auf dem gleichen oder wenigstens auf stark überlappenden Systemen beruhen sollten, sollte sich das für sie nicht zeigen lassen. In der Tat spricht eine Reihe von Befunden dafür, daß die in der Wahrnehmung und in der Vorstellung aktivierten Repräsentationen einander ähnlich sind. Es zeigt sich z. B.. daß Versuchspersonen unter gewissen Umständen dazu tendieren, Vorstellungen als Wahrnehmungen zu erinnern und umgekehrt (Johnson, Taylor und Raye, 1977; Johnson, Raye, Wang und Taylor, 1979). Für die Ähnlichkeit der in der Wahrnehmung und in der Vorstellung aktivierten Repräsentationen spricht auch folgender Befund. Bietet man Versuchspersonen nacheinander im Abstand von mehr als 1 Sekunde zwei Reize und läßt sie beurteilen, ob die Reize identisch sind, dann dauern die Urteile genau so lange, wie dann, wenn sich die Versuchspersonen den ersten Reiz vorstellen müssen (Posner, Boies, Eichelmann und Taylor, 1969). Die Ähnlichkeit der Urteilscharakteristika in Situationen, in denen Reize in der Wahrnehmung zu vergleichen sind, und in Situationen, in denen ein vorgestellter Reiz mit einem wahrgenommenen zu vergleichen ist, ist wiederholt berichtet worden (Podgorny, und Shepard, 1978; Shepard und Podgorny, 1978). Andere Untersuchungen fokussieren statt der Ähnlichkeit der Repräsentationen die Ähnlichkeit der Systeme, in denen Reize in der Vorstellung und in der visuellen Wahrnehmung repräsentiert werden. Für die Ähnlichkeit der Systeme, in denen Vorstellungen und Wahrnehmungen repräsentiert werden, werden u. a. Interferenzeffekte angeführt. In mehreren Untersuchungen konnte z. B . gezeigt werden, daß unter einer modalitätsspezifischen Vorstellung die Entdeckungsleistung für Wahrnehmungsreize gleicher Modalität schlechter ist als für Reize aus einer anderen Sinnesmodalität. Das bedeutet z. B., daß die Wahrnehmung für Lichtreize herabgesetzt ist, wenn man sich gleichzeitig visuelle Vorstellungen macht, aber nicht die für akustische Signale (Bosshardt, 1975 a ; Segal und Fusella, 1970, 1971). Kosslyn (1978) und Finke und Kosslyn (1980) belegten die strukturelle und funktionale Ähnlichkeit des Wahrnehmungs- und Vorstellungssystems dadurch, daß sie für Vorstellungen zeigten, daß diese auf einem dem Gesichtsfeld strukturell und funktional analogen „Vorstellungsfeld" operieren. Kosslyn (1978) forderte Versuchspersonen auf, sich einen Elefanten in einiger Entfernung vorzustellen und dann in der Vorstellung auf den Elefanten zuzugehen. Bei einer
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bestimmten Entfernung geben die Versuchspersonen an, den Elefanten nicht mehr ganz zu überblicken. Das „Vorstellungsfeld" fließt über. Bestimmt man aus der geschätzten Distanz beim Überfließen und der Größe des vorgestellten Objektes den „Sehwinkel" zum Zeitpunkt des Überfließens, so ist dieser für Objekte unterschiedlicher Größe konstant. Finke und Kosslyn (1980) ließen die Distanz von zwei Punkten im Gesichtsfeld beurteilen und variierten die Lage der Punkte im Gesichtsfeld, indem sie die Versuchspersonen aufforderten, den Blick vom Zentrum des Gesichtsfeldes ausgehend entlang der vertikalen und horizontalen Achse des Gesichtsfelds zu bewegen. Auf diese Weise wird das Gesichtsfeld über die Punkte geschoben und man kann feststellen, bei welcher Lage die Punktepaare nicht mehr getrennt gesehen, d. h. nicht mehr aufgelöst werden können. Ahnlich mußten sich die Versuchspersonen die Punktepaare auch vorstellen und den Blick in ihrer Vorstellung über die beiden Achsen des Vorstellungsfeldes laufen lassen. Auch sie mußten angeben, wann sie die Punktepaare nicht mehr auflösen konnten. Zwei Faktoren bestimmten in der Wahrnehmung wie in der Vorstellung die Leistung: der Abstand der Punkte voneinander und die Lage der Punktepaare im Wahrnehmungsbzw. Vorstellungsfeld. Für das Vorstellungsfeld ließ sich eine ähnliche Form ermitteln wie für das Gesichtsfeld. Diese Befunde sprechen dafür, daß Wahrnehmungen und Vorstellungen in zum mindesten ähnlichen Systemen repräsentiert werden. Was unterscheidet aber dann Vorstellungen und Wahrnehmungen? Versucht man sich subjektiv die qualitativen Unterschiede zwischen Wahrnehmungen und Vorstellungen vor Augen zu führen, so erscheinen letztere blasser und weniger detailreich. Darüber hinaus erlebt man das Erzeugen von Vorstellungen als anstrengend. Es erfordert die volle Zuwendung von Aufmerksamkeit. Wahrnehmungen dagegen stellen sich mühelos und augenblicklich ein. In der Tat, während Objekte in Sekundenbruchteilen wahrgenommen werden (z. B. Potter, 1976) dauert es Sekunden, um sich ein Objekt vorzustellen (z. B. Cocude und Denis, 1986a, b). Man könnte deshalb annehmen, daß die Vorstellung nur zu einer partiellen Aktivation jener Repräsentation führt, die die Wahrnehmung aktiviert. Letztere deaktiviert jedoch sehr schnell auf das Niveau der Vorstellung. Deshalb unterscheidet sich die Leistung auf der Grundlage der Wahrnehmung schon nach 1 Sekunde nicht mehr von jener auf der Basis der Vorstellung (Posner und Mitarb., 1969). Nur die Vorstellungsrepräsentation kann kontrolliert aufrecht erhalten werden. Der Unterschied zwischen Wahrnehmung und Vorstellung läßt sich deshalb auch so kennzeichnen: Bei der Wahrnehmung werden die Repräsentationen des visuell-sensorischen Systems „bottom up" und stärker aktiviert, bei der Vorstellung „top down" und schwächer. Im Hinlbick auf die Frage, ob man ein visuell-sensorisches von einem verbalen und konzeptuellen System unterscheiden soll, heißt das, daß man bei einer Ablehnung dieser Unterscheidung sich nicht nur gegen die Beteiligung eines sinnesspezifischen Systems bei der Vorstellung, sondern auch bei der Wahrnehmung ausspricht. Bei der Bewertung und theoretischen Interpretation der nun zu berichtenden Befunde zugunsten der Annahme eines eigenständigen visuell-sensorischen Teilsystems ist deshalb immer die Ähnlichkeit von Wahrnehmungs- und Vorstellungsprozessen mitzubedenken.
10 Evidenzen für die unabhängige Aktivierbarkeit Bildmarken-System
Z. Psychol. 195 (1987) 1 von Bildmarken und für ein eigenständiges
Zunächst will ich mich der Frage der unabhängigen Aktivierbarkeit von BM zuwenden. Für die Darbietung konkreter Wörter oder Phrasen bedeutet dies, daß zu zeigen ist, daß nur unter spezifischen Bedingungen BM zusätzlich zu den automatisch aktivierten W M und Konzepten aktiviert werden. Eine solche Bedingung ist die Vorstellungsinstruktion. Es konnte wiederholt gezeigt werden, daß eine Vorstellungsinstruktion zu besseren Behaltensleistungen für konkretes sprachliches Material führt als eine StandardLerninstruktion, die die Versuchspersonen nicht explizit zur Bildung von Vorstellungen auffordert (z. B. Paivio, 1971; Perrig, 1985; Wippich, 1980). Andere Hinweise für die Verschiedenheit von W M und BM und für ihre unabhängige Aktivierbarkeit stammen aus Untersuchungen, die Wort- und Bildverarbeitung vergleichen. Mehrfach konnte z. B. gezeigt werden, daß Behaltensleistungen für Wörter besser sind, wenn als Reize ihre Bilder statt die Wörter selbst verwendet werden (Paivio, 1971; Rohwer, 1966). Erdelyi und Kleinbard (1978) konnten zeigen, daß die Erinnerungsleistung für Bilder von Objekten über Stunden und Tage zunahm, wenn man die Behaltensprüfung wiederholte, für die Wörter traf dies nicht zu. Stellt man Versuchspersonen die Aufgabe, so schnell wie möglich zu entscheiden, ob ein Objekt (z. B. ein Apfel) oder seine Bezeichnung („Apfel") einer bestimmten semantischen Kategorie zuzuordnen ist, so gelingt diese Entscheidung auf der Grundlage von Bildern schneller als auf der Grundlage von Wörtern (Klatzky und Stoy, 1978; Smith und Magee, 1980). Paivio (1975a) konnte zeigen, daß es länger dauert zu entscheiden, welches von zwei Objekten größer ist, wenn diese verbal als wenn sie bildlich, aber größengleich geboten werden. Obwohl jeder dieser Befunde auch ohne die Annahme von BM erklärt werden kann (vgl. Kieras, 1978), lassen sie sich ebenfalls gut mit Hilfe der Annahme von BM erklären. Die Annahme von BM hat jedoch den Vorteil, gleichzeitig die Ähnlichkeiten zwischen Wahrnehmungen und Vorstellungen, sowie bestimmte qualitative Effekte (vgl. Abschnitt 3.4) erklären zu können. Dafür daß die BM ein eigenständiges in sich homogenes Teilsystem bilden, sprechen Experimente zur selektiven Interferenz. Läßt man Personen Listen konkreter Wörter unter einer Vorstellungsinstruktion lernen und stört einmal durch eine visuelle und einmal durch eine verbal-akustische Nebenaufgabe, so ist die Erinnerungsleistung unter der letzteren Störbedingung geringer als unter der ersten. Läßt man dasselbe Material verbal enkodieren, so kehren sich die Störeffekte um. Jetzt stört eine verbal-akustische Nebenaufgabe mehr (z. B. Atwood, 1971; Bosshardt, 1975b; Elliot, 1973; Janssen, 1976a, b, 1981). Evidenzen für funktionale Besonderheiten des Bildmarken-Systems Schließlich zeigen sich unter verbal-konzeptueller und imaginaler Enkodierung qualitativ verschiedene Effekte in Abhängigkeit von den funktionalen Eigenschaften, die beiden Systemen zugeschrieben werden.
Engelkamp, Modalitätsspezifische Gedächtnissysteme
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Wir hatten bereits beim Vergleich von Wahrnehmungen und Vorstellungen festgestellt, daß Vorstellungsbilder in einem „Vorstellungsfeld" erzeugt werden. Das bedeutet, daß Objekte, die gemeinsam im Vorstellungsfeld generiert werden, in einem Image bzw. als eine BM repräsentiert werden. Beim paarweisen Lernen von Wörtern unteE einer imaginalen Enkodierung ist es deshalb wichtig, ob beide Wörter eines Paares gemeinsam im Vorstellungsfeld enkodiert werden oder nacheinander, wobei das Vorstellungsfeld zwischendurch wieder gelöscht wird. Nur die erste Situation schafft eine integrierte Gedächtnisrepräsentation derart, daß das spätere Auffinden eines Paarlings das Auffinden des anderen erleichtert. Im zweiten Fall fördert die imagínale Enkodierung nicht die Bildung von Gedächtniseinheiten, die Wortpaare umfassen. Deshalb sollte das Auffinden eines Paarlings hier nicht das Auffinden des anderen erleichtern (Begg, 1973, 1978). Es sei angemerkt, daß die Zahl der gleichzeitig im Vorstellungsfeld generierbaren Elemente beschränkt ist (vgl. Perrig, 1985). Im Hinblick auf den visuellen Kode ist demnach zu unterscheiden zwischen der Einzelrepräsentation und der Organisation mehrerer Einzelrepräs^ntationen im Vorstellungsfeld. Nur die letztere schafft größere Gedächtniseinheiten. Die erstere erhöht im Vergleich zu einer verbal-konzeptuellen Enkodierung nur die Distinktivität der Gedächtniseinheit. Dies kommt in der generellen Behaltensüberlegenheit für Wortlisten unter einer Vorstellungs- im Vergleich zu einer Standard-Lerninstruktion zum Ausdruck (Paivio, 1971; Wippich, 1980). Das gemeinsame Generieren mehrerer Wörter in einer Vorstellung fördert dagegen ihre Verbindung untereinander und erleichtert wechselseitig ihr Auffinden im Gedächtnis. Ist ein Wort gefunden, so erleichtert dies das Finden des nächsten. Dies konnte wiederholt in Experimenten zum Paar-Assoziationslernen gezeigt werden. Instruiert man die Versuchspersonen, ein Substantivpaar in einem gemeinsamen Image zu enkodieren, dann führt der cued recall (CR), bei dem ein Wort des Paares als Hinweisreiz für das andere verwendet wird, zu besseren Leistungen, als wenn man die Versuchspersonen bittet, sich jeden Paarling getrennt vorzustellen (Begg, 1973; Begg und Anderson, 1976; Bower, 1970; Dempster und Rohwer, 1974; Hasher, Riebman und Wren, 1976). Bei der Freien Reproduktion (FR) und beim Wiedererkennen ist dagegen kein Unterschied zwischen interaktiven und getrennten Vorstellungen festzustellen (Bower, 1970; Begg, 1973; Dempster und Rohwer, 1974; Begg und Anderson, 1976; Hasher und Mitarb., 1976). Innerhalb eines anderen experimentellen Paradigmas wurden ebenfalls Belege für funktionale Unterschiede bei Verarbeitungsprozessen im verbalen und visuell-sensorischen System erbracht. Seit Sternberg (1966) ist bekannt, daß das Urteil darüber, ob ein dargebotenes Item Element eines „memory set" von ein bis etwa sechs Elementen ist, von der Größe des „memory set" abhängt. Die Urteilszeit steigt mit wachsendem „memory set". Dies wird auf einen sequentiellen Vergleichsprozeß zurückgeführt. Wenn es zutrifft, daß im visuell-sensorischen System mehrere Elemente ganzheitlich repräsentiert werden können, sollte sich die beobachtete funktionale Beziehung zwischen Umfang des „memory set" und Urteilszeit ändern, wenn man die Versuchspersonen instruiert, die Elemente des „memory set" in einem Vorstellungsbild zu enkodieren. In einer der ersten Arbeiten dieser Art bot Seamon (1972) seinen Versuchspersonen ein
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bis drei Substantive als „memory set". Die Hälfte der Versuchspersonen wurde instruiert, sich die bezeichneten Objekte in einem Vorstellungsbild zu imaginieren, die an» dere Hälfte sollte die Wörter durch Wiederholen enkodieren. Bei diesen Versuchspersonen stieg die Urteilszeit wie bekannt mit wachsendem „memory set", bei der Vorstellungsgruppe war die Urteilszeit unabhängig vom Umfang des „memory set". Kerst (1976) konnte den Befund replizieren und zusätzlich zeigen, daß die Sternberg-Funktion auch dann zu beobachten war, wenn die Versuchspersonen aus den Wörtern Sätze bilden mußten. Bersted (1983) wies allerdings darauf hin, daß sich die Unabhängigkeit der Urteilszeit von der Größe des „memory set" nur für ja-Urteile nachweisen läßt (Abb. 2). Mit komplexerem Material, nämlich mit schematischen Gesichtern, die entweder verbal beschrieben wurden und über die die Versuchspersonen nachdenken oder zu denen sie Vorstellungen bilden sollten, oder die als Bildreize dargeboten wurden, fand Intons-
imaginal ja
verbal ja
imaginal nein
verbal nein
Abb. 2. Durchschnittliche Reaktionszeit in Sekunden für ja- und nein-Antworten unter imaginaler und verbaler Enkodierung als Funktion des Umfangs des memory set (nach Bersted, 1983) RT (ms) 22oo 2ooo
Nachdenken
18oo 16oo
Vorstellen Hahrnehmen
Abb. 3. Mittlere Zeiten (in ms) für Urteile über die Verschiedenheit zweier Gesichter als Funktion der Merkmale, durch die sich beide Gesichter unterscheiden, und den Gruppenbedingungen Nachdenken,
14oo 12oo 4 5 6 3 Zahl der unterschiedlichen Merkmale
Vorstellen, Wahrnehmen. Weitere Erläuterungen im T e x t , (nach Intons-Peterson, 1984)
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Engelkamp, ModalitätBspezifische Gedächtnissysteme
Peterson (1984) mit bildlichen Testreizen ebenfalls nur bei der Gruppe, die über verbale Beschreibungen nachdenken sollte, eine Abhängigkeit der Zeit für ein Verschiedenurteil von der Zahl der Merkmale, die das Vergleichs- vom Testgesicht unterscheiden (vgl. auch Sergent, 1984). In diesem Zusammenhang sei schließlich auch auf die Experimente zum Satz-Bild-Vergleich hingewiesen. In ihnen waren affirmative (A) und negierte (N) Sätze, die im Hinblick auf eine bildliche Darstellung, z. B. ein Stern ist über einem Kreuz Q, wahr (W) oder falsch (F) sein konnten, auf ihre Übereinstimmung mit den Bildern zu beurteilen. Hierbei zeigte sich, daß deutlich zwei Strategien unterscheidbar sind. Eine, bei der die Sätze in Vorstellungen transformiert werden (Abb. 4a), und eine, bei der die Sätze verbal enkodiert und die Bilder in einen verbalen Kode übersetzt werden (Abb. 4 b ; z. B. Carpenter und Just, 1975; Clark und Chase, 1972; Hoffmann und Klix, 1978; MacLeod, Hunt und Mathews, 1978; Tversky, 1975). Bedeutsam ist ferner, daß bei solchen Vergleichen die Urteilszeit unter der imaginalen Bedingung nicht von der linguistischen Komplexität abhängt, die zur verbalen Beschreibung der Bildreize nötig ist. Die Zeit zur Generierung einer Vorstellung ist eine Funktion der Komplexität des Vorstellungsobjekts, nicht jedoch die Urteilszeit (vgl. Shepard und Podgorny, 1978). Diesen Belegen für die funktionalen Eigenheiten des visuellen Systems messe ich ein besonderes Gewicht für die Annahme eines solchen Systems bei. Obwohl mir ebenfalls wichtig erscheint, daß das Gesamt der Befunde durch das vorgeschlagene multimodale Repräsentationsmodell gut erklärt werden kann.
affirmativ (a) imaginale S t r a t e g i e
negiert
affirmativ
negiert
(b) verbale S t r a t e g i e
Abb. 4. Mittlere Verifikationszeit (in ms) für wahre (W) und falsche (F), sowie für affirmative und negierte Sätze als Funktion einer imaginalen (a) und verbal-propositionalen (b) Enkodierstrategie (nach MacLeod et al., 1978)
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Unterschiede zwischen dem visaell-sensorischen und motorischen Teilsystem I m G e g e n s a t z zum visuell-sensorischen Kodesystem ist das motorische im Kontext der Verarbeitung verbaler Informationen praktisch nicht untersucht worden. Seit dem Beginn der 80er J a h r e haben wir uns in Saarbrücken mit diesem Problem beschäftigt. Zusammenfassende Darstellungen geben Engelkamp (1986a), Engelkamp und Zimmer (1985), Zimmer und Engelkamp (1985a). Soweit ich sehe, h a t sich außer uns nur noch Cohen (z. B. 1983, 1984) mit dieser Frage beschäftigt. Eine Analogie zu dem Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Vorstellung gibt es im Zusammenhang mit dem motorischen Repräsentationssystem im strengen Sinn nicht. Dennoch ist es nützlich, motorische Prozesse unter diesem Gesichtspunkt zu bedenken. Auch bei Handlungen kann man vorgestellte von tatsächlichen Handlungen unterscheiden, ähnlich wie in der Vorstellung antizipierte von wirklichen Wahrnehmungen. Das heißt, auch die Handlung läßt sich in der „Vorstellung" vorbereiten. Wie für die Aktivation von BM gilt, daß das Hören oder Lesen einer verbalen Handlungsphrase automatisch nur die WM- und K-Repräsentationen aktiviert. Die MP müssen kontrolliert aktiviert werden. Dies kann durch die Handlungsabsicht und durch die Handlungsausführung geschehen (Zimmer und Engelkamp, 1984) oder durch spezifische Aufgabenstellungen, die die Verfügbarkeit von MP-Informationen erfordern, ähnlich wie Größenvergleiche die Verfügbarkeit von BM-Informationen fordern (Engelkamp und Zimmer, 1984; Zimmer und Engelkamp, 1985 b). Wie für das visuell-sensorische Teilsystem werde ich jetzt nacheinander Evidenzen f ü r die unabhängige Aktivierbarke'it von MP, für die Annahme eines homogenen MP-Systems und für funktionale Eigenheiten dieses MP-Systems anführen. Evidenzen für die unabhängige Aktivierbarkeit
von motorischen
Programmen
Ich habe bereits gesagt, daß eine verbale Handlungsphrase, wie „die Pfeife rauchen", beim Hören automatisch ihre WM und K, aber nicht ihre BM und MP aktiviert. Diese können durch spezifische Bedingungen zusätzlich aktiviert werden, BM durch eine Vorstellungsinstruktion oder durch die visuelle Darbietung der Handlung, MP durch die Ausführung der Handlung. Diese Aktivation zusätzlicher Teil-Repräsentationen sollte sich positiv auf die Behaltensleistung auswirken. Eine solche allgemeine Beziehung zwischen dem „Reichtum" der Enkodierung und der „Güte" des Retrieval wird von vielen postuliert (z. B. Craik und Lockhart, 1972; Cermak und Craik, 1979; Weisberg 1980) oder auch von Paivio (1971 und später) in seiner dualen Code-Theorie. Auf der Grundlage dieser Annahmen führten wir verschiedene Lernexperimente durch. In allen Experimenten wurden Handlungsphrasen wie „den Brief zerreißen" akustisch zum Lernen dargeboten und die Versuchspersonen aufgefordert, sich die Phrasen einzuprägen, indem sie ein Modell sahen, das die Handlung symbolisch ausführte, oder indem sie versuchten, sich vorzustellen, wie jemand die Handlung ausführte, oder indem sie die Handlung selbst symbolisch ausführten, oder schließlich, indem sie versuchten, die Items nur durch aufmerksames Zuhören zu behalten.
Engelkamp, Modalitätsspezifische Gedächtnissysteme
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Abb. 5. Synopse der mittleren Behaltensleistungen für Handlungsphrasen unter verschiedenen Enkodierbedingungen. Die Daten sind folgenden Experimenten entnommen: V Engelkamp und Krumnacker, 1980, Experiment 1; Y Zimmer, 1984, Experiment 2; O Engelkamp und Zimmer, 1983 b, reales Objekt; • Zimmer und Engelkamp, 1984, Experiment 1; • Engelkamp and Zimmer, 1983b, imaginäres • Objekt; Engelkamp und Krumnakker, 1980, Experiment 2. Gestrichelte Linien verweisen auf Intrapolationen Hören
Vorstellen
Sehen
Tun
Abbildung 5 gibt eine Synopse der Befunde nach Engelkamp und Krumnacker (1980), Engelkamp und Zimmer (1983b), Zimmer und Engelkqjnp (1984), Zimmer (1984). Die Ordinate zeigt die relativen Behaltensleistungen im Free Recall an. Es ist offensichtlich, daß die Befunde insoweit mit den obigen allgemeinen Annahmen übereinstimmen, als jene Instruktionen bzw. Bedingungen, für die wir die Aktivation zusätzlicher Repräsentationen gefördert haben, auch zu besseren Behaltensleistungen geführt haben. Ein wichtiger und nicht erwarteter Befund ist die bessere Behaltensleistungen unter Tun im Vergleich zu den beiden visuell-sensorischen Bedingungen Sehen und Vorstellen. Zunächst einmal zeigt dieser unerwartete Befund, daß die motorische Enkodierbedingung tatsächlich andere Informationen aktiviert als die visuell-sensorischen Bedingungen. Wir interpretieren diese andere Information als MP-Information. Warum — so ist weiter zu fragen — führt die zusätzliche MP-Aktivation zu besseren Behaltensleistungen als die zusätzliche BM-Aktivation? Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Die motorische Enkodierung könnte generell das Behalten mehr begünstigen als die visuell-sensorische, oder die motorische Enkodierung schließt die visuell-sensorische ein, d. h. immer wenn motorisch enkodiert wird, wird auch visuell-sensorisch enkodiert. Ich lasse die Entscheidung hierüber an dieser Stelle offen. Daß die Information, die unter Tun aktiviert wird, tatsächlich angemessen als motorische Information gekennzeichnet wird, belegt das folgende Experiment, in dem Versuchspersonen Handlungsphrasen in einem Experiment mit zwei Lerndurchgängen zu behalten hatten. Variiert wurde in diesem Experiment die Beziehung der im ersten und zweiten Lerndurchgang zu behaltenden Phrasen. Diese konnten in beiden Durchgängen kon-
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zeptuell und motorisch ähnlich sein, wie in folgendem Beispiel: das Brett annageln — die Leiste annageln, oder sie waren konzeptuell ähnlich, aber motorisch verschieden: z. B . den Apfel pflücken — die Blume pflücken. Hier sind die Bewegungsmuster beim Ausführen beider Handlungen verschieden. Läßt man beide Arten von Material, das konzeptuell und motorisch ähnliche (kurz: ä) und das konzeptuell ähnliche und motorisch verschiedene (kurz: v) in zwei Durchgängen unter einer Standard-Instruktion lernen, so sollten die MP nicht aktiviert werden und die konzeptuelle Listenähnlichkeit in beiden Fällen zu ejnem positiven Lerntransfer vom ersten zum zweiten Durchgang führen. Läßt man dagegen beide Arten von Material unter Tun lernen, dann werden auch, die MP aktiviert und die Verschiedenheit dieser Programme vom ersten zum zweiten Durchgang in der v-Liste sollte einen positiven Transfer verhindern. Abbildung 6 zeigt den kritischen Befund (Zimmer, 1985).
1. Trial
2. Trial
motorische Enkodierung
1. Trial
2. Trial
verbal-konzeptuelle Enkodierung
Abb. 6. Relative Behaltensleistung für motorische ähnliche (ä) und verschiedene (v) Handlungsphrasen unter motorischer Zimmer, 1985)
und verbal-konzeptueller Enkodierung im ersten
und zweiten Durchgang (nach
Während unter einer verbal-semantischen Enkodierung beide Materialarten zu einem positiven Transfereffekt vom ersten zum zweiten Durchgang führen, kommt es unter einer motorischen Enkodierung nur beim motorisch ähnlichen Material zu einem positiven Transfer, aber nicht beim motorisch verschiedenen Material. Dieser Befund zeigt, daß unter Tun in der Tat „motorische" Informationen beteiligt sind und diese den vorliegenden Effekt hervorrufen. Die berichteten Experimente belegen, daß unter Tun andere Gedächtnisrepräsentationen aktiviert werden als unter Sehen und Vorstellen und daß diese Repräsentationen sinnvoll als MP interpretiert werden können. Im folgenden wende ich mich der Frage zu, ob die MP ein relativ homogenes Teilsystem bilden.
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Das motorische System als partiell unabhängiges, homogenes Teilsystem Im Hinblick auf die verschiedenen Subsysteme und ihre partielle Unabhängigkeit nehmen wir vor allem an, daß die Aktivation von Repräsentationen innerhalb eines Subsystems wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit zur Folge hat, daß diese miteinander interferieren. Darüber hinaus fordern wir eine systemspezifische Verarbeitungskapazität, die begrenzt ist. Auch dieser Faktor beeinträchtigt die Verarbeitung von mehreren Items in demselben Subsystem (vgl. Kinsbourne und Hicks, 1978). Aus diesen Annahmen folgt, daß die parallele Verarbeitung von Informationen innerhalb eines Teilsystems mehr Interferenz verursacht, als die Verarbeitung derselben Informationsmenge in zwei verschiedenen Teilsystemen. Die selektive Beeinträchtigung einer Hauptaufgabe durch eine Nebenaufgabe abhängig davon, ob die Nebenaufgabe in demselben Teilsystem verarbeitet wird wie die Hauptaufgabe, ist wiederholt genutzt worden, um eben diese Systemunabhängigkeit zu belegen, u. a. wie wir im Abschnitt 3.3 gesehen haben, zur Unterscheidung eines visuell-sensorischen von einem verbalen Teilsystem (z. B. Atwood, 1971; Bosshardt, 1975b; Elliot, 1973; Janssen 1976a, b, 1981) Uns interessierte, ob sich auch zeigen läßt, daß man ein visuell-sensorisches von einem motorischen System unterscheiden kann. Wenn das BM- und MP-System partiell unabhängige Teilsysteme bilden, dann sollten zwei Listen, die in einem der beiden Systeme enkodiert und verarbeitet werden zu einer schlechteren Behaltensleistung führen, als wenn eine Liste in dem einen und die andere Liste in dem anderen System verarbeitet wird. Um dies zu zeigen, führten wir verschiedene selektive Interferenzexperimente durch (Zimmer, Engelkamp und Sieloff, 1984; Zimmer und Engelkamp, 1985 b). Der grundsätzliche Aufbau dieser Experimente war wie folgt. Die Hauptaufgabe bestand darin, eine Liste von Handlungsphrasen motorisch oder visuell-sensorisch zu enkodieren (Tun vs. Vorstellen) und zu lernen. Das Material bei der visuell-sensorischen Enkodierung konnte auch aus Ereignisphrasen (z. B . das Pendel schwingt) bestehen. Mit diesen beiden Hauptaufgaben waren zwei Störaufgaben orthogonal kombiniert. Die Störaufgaben erforderten ebenfalls entweder eine motorische oder eine visuelle Enkodierung. Sie waren entweder Gedächtnis- oder Vergleichsaufgaben. Es gab also insgesamt vier Arten von Störaufgaben. Die motorische Störaufgabe konnte darin bestehen, daß die Versuchspersonen Handlungsphrasen unter Tun zu lernen hatten oder daß sie zwei verbal gebotene Handlungsphrasen hinsichtlich der Ähnlichkeit ihrer motorischen Bewegungsabläufe zu beurteilen hatten (z. B. die Kurbel drehen — den Teig rühren). Die visuell-sensorische Störaufgabe konnte darin bestehen, daß die Versuchspersonen Handlungen oder andere Ereignisse behalten mußten, die sie auf dem Bildschirm eines Videogerätes sahen, oder daß sie zwei Muster sich bewegender Lichtpunkte miteinander zu vergleichen hatten. Die Items der Haupt- und Störaufgabe wurden alternierend dargeboten. Die motorische Hauptaufgabe konnte mit einer motorischen oder einer visuell-sensorischen Störaufgabe kombiniert sein und dasselbe galt für die visuelle Hauptaufgabe. Das typische Befundmuster läßt sich so beschreiben. Die Behaltensleistung einer visuellimaginal enkodierten Hauptaufgabe erwies sich als unabhängig von der Störmodalität. 2
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Die Behaltensleistung bei einer motorisch enkodierten Hauptaufgabe wurde dagegen von der Modalität der Störaufgabe selektiv beeinflußt. Eine motorische Störaufgabe beeinträchtigt das Behalten hier stärker als eine visuell-sensorigche Störaufgabe. Dieser Befund war nicht sehr ausgeprägt, aber über mehrere Experimente konsistent zu beobachten. Dies führte uns dazu, getrennte Analysen für Verben und Substantive durchzuführen. Da das Resultat dieser Analysen aufschlußreich und theoretisch bedeutsam ist, soll, über zwei dieser selektiven Interferenzexperimente etwas ausführlicher berichtet werden. In dem ersten Experiment (Exp. 2 bei Zimmer und Mitarb. 1984) mußten die Versuchspersonen in der Hauptaufgabe Aktionssätze lernen, und zwar unter einer Handlungs- oder einer Vorstellungsinstruktion. Die motorische Störaufgabe bestand in diesem Experiment darin, körperbezogene Handlungen wie „eine Faust machen" auszuführen und so zu lernen. In der visuellen Störaufgabe sahen die Versuchspersonen Ereignisse, wie ein schwingen-
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Abb. 7. Mittlere Behaltensleistung als Funktion der imaginalen (i. E.) und motorischen Enkodierung (m. E.) der Lern- und Störitems (nach Zimmer und Mitarb., 1984, Exp. 2)
1 visuelle motorische Störaufgabe
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4 • « visuelle motorische STÖRAUFGABE a) Verben
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visuelle motorische STÖRAUFGABE b) Objekte
Abb 8. Mittlere relative Behaltensleistung für Verben und Objekte als Funktion der imaginalen (i. E . ) und motorischen Enkodierung (m. E.) der Lern- und Störitems (nach Zimmer und Mitarb., 1984, Exp. 2)
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des Pendel, die sie sich merken sollten. Items der Haupt- und Störaufgaben wurden abwechselnd dargeboten. Abbildung 7 zeigt, das Ergebnis dieses Experimentes. Es ergibt sich ein schwacher Interaktionseffekt von 7^(1,76) = 2.75, p < .10) im free recall. Obwohl dieser Befund dem erwarteten Muster entspricht, ist er nicht sehr ausgeprägt. Wir analysierten deshalb die Behaltensleistungen für die Verben und Objekte getrennt. Diese Analyse erbringt eine interessante Qualifikation der Interferenzeffekts. Sie zeigt eine signifikante Interaktion für Verben (.F(l,76) = 5.33, p < .05), aber nicht für Objekte ( F < 1 ) . Diesen Befund veranschaulicht Abbildung 8. Das gleiche Bild zeigte sich in dem zweiten Experiment (Exp. 1 bei Zimmer und Engelkamp, 1985b), das sich von dem eben zitierten nur dadurch unterschied, daß die Items der Hauptaufgabe unter imaginaler Enkodierung Ereignissätze waren, z. B . „Das Schiff sinkt" oder „Die Brücke stürzt ein". Abbildung 9 zeigt das Ergebnis dieses Experiments. Di c 3
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OB-UB (NO)
Abb. 2. Erkennungszeiten und Standardabweichungen in ms für die UB-OB- und OB-UB-Erkennung in Abhängigkeit von den abzulehnenden Beispielen (NO
und ohne Beziehung) bei natürlichem und künstlichem (gestrichelt) Wortmaterial
war die natürlich-begriffliche Abhängigkeit bei der OB-UB-Erkennung gegenüber NO signifikant länger als wenn sie gegenüber semantisch nicht bezogenen Wortpaaren bestimmtwerden sollte. Das gleiche gilt wiederum in vergleichbarem Grade bei natürlichem (F = 7 , 4 1 > F 0,05; 1; 10) wie bei künstlichem Material ( F = 1 0 , 0 8 > F 0,01; 1; 10). Abbildung 2 zeigt diese Abhängigkeiten im Überblick. Allerdings: So sehr die Zeit Verhältnisse übereinstimmen, so wenig tun es die absoluten Zeiten. Die Differenzen sind erheblich. Eine Vermutung für diese Diskrepanz wurde schon angedeutet: Ein Aufwandsunterschied bei der Aktivierung der Merkmalssätze, bedingt durch einen versuchstechnisch zu geringen, aber objektiv auch nicht realisierbaren Lernaufwand. Um dies zu prüfen, ließen wir dieselben Vpn. vier Monate später dieselbe künstliche Anforderung noch einmal lösen, nur wurden diesmal die Merkmalssätze allein zum Vergleich dargeboten, während die vereinbarten Wortmarken einfach weggelassen waren. Hier wäre nun (bei vertrauten Merkmalskonstellationen) und streng im Rahmen der bisher entwickelten Logik weitergedacht, sogar ein Absinken der absoluten Erkennungszeiten unter die Zeiten bei natürlichem Material zu erwarten. Denn dort bleibt immerhin die Aktivierungszeit des Merkmalssatzes durch die Wortmarke als Zeitaufwand bestehen. Wie Abbildung 3 zeigt, tritt das auch tatsächlich ein. Im ganzen ist damit unsere Annahme gestützt, daß die Erkennung der eingangs bestimmten Begriffsbeziehungen das Ergebnis von Merkmalsvergleichsprozessen ist. Oder anders die Experimente belegen, daß die Annahme einer gesonderten Markierung für UB-OB OB-UB oder NO-Relationen fallengelassen werden kann (vgl. dazu Collins und Quillian 1972). (Im übrigen wird dadurch die Erkennung von Transitivitäten bei großen Be griffsmengen wesentlich einfacher und aufwandsärmer als das bei expliziten Relations markierungen der Fall ist. Die Skizze von Abbildung 4 zeigt in vereinfachter Form, wo rin der Unterschied der beiden Modellannahmen liegt.
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T(ms) 1155 Jl50]
,798 (117) UB-OB (ohne B J
,-'''1071 (218)
UB-OB (NO)
815 (119)
-'"1014 (153)
OB-UB (ohne B.)
OB-UB (NO)
Abb. 3. Erkennungszeiten und Standardabweichungen in ms für die UB-OB- und OB-UB-Erkennung in Abhängigkeit von den abzulehnenden Beispielen (NO und ohne Beziehung). Vergleich von natürlichem mit künstlichem Material (gestrichelt) bei direkter Darbietung der zu vergleichenden Merkmalssätze
Unsere Argumentation für die These, daß Merkmalsvergleichsprozesse die Relationen bestimmen, stützt sich (in diesem Rahmen) auf die Distraktorabhängigkeit der Erkennungszeiten sowie auf die begründbaren Zeitunterschiede und Zeitverhältnisse. Das Gewicht dieses Arguments wird gewiß verstärkt, wenn man zeigen kann, daß es Begriffsbeziehungen gibt, für die diese Distraktorabhängigkeit nicht gilt. 8. Eingetragene vs. prozedural bestimmte Beziehungen zwischen Begriffen (Ein Erkundungsexperiment von E. Küchler) Wir haben schon vor längerem die Hypothese begründet und geprüft, nach der zwei große Klassen semantischer Relationen unterschieden werden müssen, denen im Vollzug komplexer kognitiver Prozesse unterschiedliche Funktionen zukommen. Nach dieser Unterteilung würden alle bisher betrachteten semantischen Relationen zur Klasse der nicht explizit gespeicherten, innerbegrifflich genannten Relationen gehören. Sie würden durch Vergleichsprozesse zwischen Merkmalseigenschaften der Begriffe gebildet. Algorithmisch formulierte Entscheidungsprozeduren sind als Modell solcher Erkennungsprozesse definiert worden (Klix, 1984). Die Experimente dazu wurden an Beispielen von Begriffspaaren durchgeführt, die einfache, im allgemeinen anschauliche Begriffe beschreiben. In Zusammenhang mit der Analyse komplexer Begriffe, durch die nicht nur einzelne Objekte, sondern Geschehenszusammenhänge in Raum und Zeit abgebildet werden, hatten wir die Vermutung begründet, daß solche Konstellationen nicht nur Objekt-, sondern auch qualitativ unterschiedliche Relationsklassifizierungen erfordern. Begriffe wie HOCHZEIT, KAUFEN, V E R L I E R E N sind nicht durch Merkmalssätze allein beschreib(oder voneinander unterscheid-(bar)). Zur Situationscharakteristik gehören ebenso spezifische Interaktionen oder Rollenverteilungen zwischen Personen und Dingen oder auch Zustandsänderungen in Raum und Zeit. (Dem Begriff GELD kommt im Geschehenstyp KAUFEN eine andere Funktion zu als im Situationstyp V E R L I E R E N und wieder andere bei GEWINNEN oder Prägen oder Betrügen usf.) Hier, so die Annahme, gehört der Relationstyp wie ein klassifizierendes Merkmal zum Ereignis 1 0 , nur daß es jein Vom Phänomenologischen her könnte man sagen: E s ist als würde durch die Relationsbindung ein Zeiger auf den Begriff gestellt, durch den damit der Situationskontext bestimmte Merkmale eines Objekts akzentuiert, andere latent läßt oder inhibiert. So akzentuiert der Situationstyp T R A G E N mit K L A V I E R verbunden dessen Gewicht, K O N Z E R T hingegen akzentuiert die Tonqualität des Musikinstruments. 10
Klix u. a., Prozeß- und Strukturkomponenten der Wissensrepräsentation
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Merkmal ist, das zwischen Begriffen vermittelt oder besser: das sie verbindet und daher als semantische Relation bezeichnet werden kann. Abbildung 4 kennzeichnet den so bezeichneten Unterschied zwischen den zwei Klassen semantischer Relationen. In zahlreichen Experimenten (Preuß, 1986) wurde wahrscheinlich gemacht, daß die (wie man in der Linguistik sagt (vgl. Fillmore, 1968) Rollenbeziehungen zwischen Begriffen fest eingetragene Konstituenten des Bedeutungsgehaltes eines (komplexen) Begriffs sind. Eine Art dieses Nachweises besteht darin, daß die Zeit, in der ein Begriffspaar (herausgenommen also aus einer komplexeren Konstellatibn) als semantisch zusammengehörig erkannt wird, von der Stelligkeit der Begriffsbeziehung abhängt (v. d. Meer, 1978; Preuß, 1986): J e komplexer die Vernetzung eines Begriffspaares, um so länger die Zeit für die Bestimiñung der semantischen Beziehung dieses Paares, die ja von den anderen Bindungen mit abhängt. (So ist die Beziehung zwischen R E I T E R und P F E R D relativ eindeutig gegenüber der zwischen R E I T E R und D E R B Y oder R E I T E R und ZÜCHTEN.) In diesem Rahmen ist jedoch nur ein Aspekt von Interesse, nämlich der: Wenn die Deutung der hier in den Abschnitten vorgelegten Befunde stichhaltig ist, und wenn dagegen die eben hypothetisch begründete Deutung fest eingetragener semantischer Relationen im Rahmen von Situations- oder Geschehenstypen zutrifft, dann müßte der nachgewiesene Effekt der Distraktorabhängigkeit auf die innerbegrifflichen Relationen beschränkt bleiben. Die Begründung dafür ist mit Abbildung 4 sinnfällig gemacht.
Abb. 4. Heuristische Vorstellung über die unterschiedliche Realisierung (unten) bzw. Aktivierung (oben) semantischer Relationen. Das Kreisdiagramm soll die Enthaltenseinsbeziehung zwischen Merkmalssätzen andeuten: B ist echt in A enthalten, daher ein Oberbegriff zu A und vice versa. Von G gibt es eine (merkmalsähnlich) eingetragene Relation zu A (z. B. G = K A U F E N und A = WARE mit simultanen Verzweigungen zu C (z. B. G E L D als Instrument) und B (z. B. GESCHÄFT als Lokation)
Wir haben (als veranschaulichendes Beispiel zu denken) unten die mengencharakteristische Darstellung der Merkmalssätze, wie sie für Unter-Oberbegriffsbeziehungen angenommen ist: Der Merkmalssatz des jeweiligen Oberbegriffs ist (vollständig) in dem des Unterbegriffs enthalten C c B c A . Verschiedene Eigenschaften solcher Begriffspaare sind damit verständlich zu machen: Der Grad der Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit (SPERLING — NAGEL vs. Pinguin — Nagel), welche Gemeinsamkeiten im Aussehen oder Verhaltenes gibt, in welchen Details sie sich unterscheiden, — und eben auch, ob der eine Begriff Ober-
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begriff zum anderen ist 11 . Oben in Abbildung 4 ist dargestellt, wie wir uns die Gedächtnisrepräsentation von Relationen vorstellen, die Begriffe als Komponenten von Geschehenstypen miteinander verbinden. Hier geht es (unter gleichen Bedingungen) um die Feststellung, ob eine gefragte Relation die aktivierten Begriffe verbindet oder nicht. Wenn es sich hier um die bloße Aktivierung einer eingetragenen Verbindung handelt (wie etwa bei Jäger—WILD oder R E I T E R —SATTEL), dann darf der Erkennungsaufwand nicht davon abhängen, welche negativen Beispiele es gibt und auch nicht davon, wie ähnlich die sich sind. Im Beispiel also: Die Bejahung der Frage, ob eine Kröte läuft, ist nicht aufwendiger, wenn als Distraktoren Schlange oder Frosch gewählt sind — vorausgesetzt, es wird gewußt, daß Kröten nicht hüpfen. (Das Wissen um solche Verbindungen ist hier vergleichbar gesetzt dem Wissen um charakteristische Merkmale eines Begriffs, die ja auch eingetragen sind.) So ist also eine Konsequenz aus der Behauptung, nach der Relationserkennung einmal prozedural bestimmt, ein anderm aldurch Mitaktivierung erkannt wird, die, daß im ersten Falle Abhängigkeit der Erkennung von den Distraktoren besteht, im zweiten Falle hingegen nicht. Nun ist diese Konsequenz für den ersten Fall vielfach gezeigt, für den zweiten in dieser Art noch nicht nachgewiesen. (Für die Sicherung der Annahme einer festen Informationsspeicherung wurden bislang andere Indikatoren geprüft.) Um Vergleichbarkeit möglicher Einflüsse der beiden Faktoren zu sichern, führte E. Küchler ein Erkundungsexperiment durch: Zur
Methodik:
50 Vpn. hatten 5 min. lang zu 3 vorgegebenen Begriffen (PFLANZE, E S S E N , FAHRZEUG) frei zu assoziieren. Nach vorliegenden zusammenfassenden Berichten (Deese, 1962; Marx, 1983; Strube, 1983) sind die Assoziationshäufigkeit sowie die Zeit vom Anregungsbegriff zum Assoziativ Parameter, die zur Kennzeichnung der Assoziationsstärke herangezogen werden können. Aus den Parametern Häufigkeit der Assoziation und Nähe zum Startbegriff wurde ein Maß der Bindungsstärke abgeleitet. Die jeweils 45 bzw. 60 am stärksten bzw. schwächsten gebundenen Begriffe wurden im Hauptversuch verwendet. (Beispiele für diese Begriffe im Anhang 2). Nach den von uns beschriebenen und hier nur angedeuteten Kriterien wurden die inner(IB) und die zwischen- (ZB) begrifflichen Relationen bestimmt. In der Gruppe der IBRelationen waren 120 positive (60 X stark, 60 X schwach) gegenüber 120 Paaren ohne sinnvollen Bezug zu unterscheiden; bei der ZB-Gruppe waren 90 positive (45Xstark, 45 X schwach) von 90 sinnlosen Beispielen abzugrenzen. Die Distraktoren waren für beide Klassen von Begriffspaaren gleich. Jedes Wortpaar wurde nur einmal gut lesbar auf einem Bildschirm dargeboten. Das Entscheidungskriterium für die Vpn lautete: Gibt es zwischen dem jeweils dargebotenen Wortpaar eine sinnvolle Beziehung oder nicht? Es sollte die entsprechend deklarierte Taste 11 Wenn ein Kind also bei der Benennung von Objekten „Das ist ein . . . " ausruft, so beruht diese Erkennungsleistung danach auf der Identifizierung jener Teilmenge von Merkmalen, die das Individuum mit den Exemplaren seiner Kategorie gemeinsam hat.
Klix u. a., Prozeß- und Strukturkomponenten der Wissensrepräsentation
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rasch, dem ersten Eindruck folgend, gedrückt werden. Die Zeiten wurden rechnerisch gemessen und ausgewertet. Das hier interessierende Ergebnis ist in Abbildung 5 dargestellt. Bei den zwischenbegrifflich als fest gespeichert angenommenen semantischen Relationen hängen die Erkennungszeiten nicht von der Wahl der Distraktoren ab. Dies gilt im Unterschied zu den aus innerbegrifflichen (d. s. aus Merkmals-)eigenschaften abgeleitete Begriffsbeziehungen. Für sie war die Annahme von Prüf- und Entscheidungsoperationen begründet worden. Es sind dies zwei Befunde, die aufs beste mit den aus völlig anderen Daten abgeleiteten Basishypothesen harmonieren. Allerdings sei noch einmal betont, daß es sich hier u m ein, wenn auch sorgfältig geplantes und durchgeführtes, Erkundungsexperiment handelt. Die Datenbasis muß verbreitert werden, bevor allgemeinere Schlußfolgerungen aus diesen Befunden gezogen werden können. (Anm. bei der K o r r e k t u r : Das ist unterdessen geschehen. Diese Angaben wurden bestätigt und verfeinert)
NEIN JA Relationsklassen und Distrektoren.
Abb. 5. Unter den gewählten Bedingungen zeigt sich, daß die unterschiedenen Klassen semantischer Relationen im Erkennungsprozeß auf unterschiedliche Weise von den Distraktoren abhängen: deutliche Abhängigkeit dort, wo Vergleichsprozesse ablaufen und keine Abhängigkeit dann, wenn (vermutlich) eingetragene semantische Relationen im Sinne einer sinnvollen Beziehung erkannt werden sollen
9. Ausblick Abgesehen vom letzten Abschnitt war der H a u p t i n h a l t dieses Beitrages Experimenten gewidmet, die Eigenschaften der Merkmalscharakteristik einfacher Objektbegriffe zum Gegenstand h a t t e n . Es wurde geprüft, ob solche Eigenschaften, die wir Merkmale nennen, in Vergleichsprozessen zwischen Begriffen eine Rolle spielen und welche „synthetischen Urteile a posteriori" aus solchen Vergleichen als ableitbar nachgewiesen werden können. Es waren dies (nach unserer Systematik): Die Ünter-Oberbegriffs-Relation und deren Umkehrung, die Nebenordnung sowie die Entscheidbarkeit, daß keine (im Sinne der Instruktion) sinnvolle Beziehung zwischen 2 Begriffen existiert. In einem späteren Bericht werden wir zeigen, daß die Erkennung von Synonymie-Graden wie von Antonymie den gleichen Prozeßcharakteristika unterliegt. Diese Experimente haben bestätigt, was hier nur implizit v e r m u t e t werden konnte, nämlich daß bei solchen Vergleichsprozessen sehr viel weniger Merkmale f ü r die Erkennungsunterscheidung herangezogen werden, als man intuitiv vermuten möchte. Wir müssen hier unterscheiden lernen zwischen den potentiell
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zur (intensionalen) Beschreibung eines Begriffs angebbaren Merkmalen und denjenigen, die für eine reale, durch Selbst- oder Fremdinstruktion bestimmte Erkennungsleistung herangezogen werden.
Zusammenfassung Die schon in früheren Arbeiten vorgelegte Hypothese, wonach die Erkennung einer Unter-Oberbegriffsbzw. Nebenordnungsrelation auf Merkmalsvergleichsprozessen beruht, wurde einer weiteren experimentellen Prüfung unterzogen. Es konnte gezeigt werden, daß sich die Zeiten zur Erkennung einer UB-OBRelation systematisch verändern, wenn der abzulehnende Relationstyp variiert wird. Zu dem gleichen Resultat führte auch ein Experiment, bei dem das Versuchsmaterial nicht aus Wortpaaren bestand, sondern aus Paaren von sinnfreien Silbenkombinationen, denen Merkmalssätze (Buchstabenkettchen) zugeordnet waren. Dieses künstliche Material war dabei so strukturiert, daß es die von uns für den Relationserkennungsprozeß als relevant angenommenen begrifflichen Eigenschaften nachbildete. Da in diesem Experiment instruktionsgemäß Vergleichsprozesse zur Relationserkennung gefordert waren, stützten die übereinstimmenden Ergebnisse unsere o. g. Hypothese. Sie sind darüber hinaus ein starkes Argument gegen die Annahme einer festen Relationseintragung.
Summary The hypothesis already presented in previous papers according to which the recognition of sub-superterm- or coordination-relation is based upon feature comparison processes was subjected to a further experimental investigation. It could be shown that the times for recognizing a sub-term-super-term relation systematically change, when the relation type to be rejected is varied. The same result was obtained by an experiment in which the test material did not consist of word pairs, but of pairs of meaningless syllables combinations with assigned feature sets (small letter chains). This artificial material was structured so that it reproduced conceptual characteristics assumed by us as relevant for the relation recognition process. As in this experiment—according to instruction—comparison processes were required for recognizing relations, the concurrent results confirmed our hypothesis mentioned above. They are further a strong argument against the assumtion of fixed relations.
Pe3ioMe M3Jio;KeHHaH b npenHHymKx paöoTax rnnoTe3a, corjiaCHO KOTopoit pacpo3HaBaHHe OTHOiuemiii Menmy nacTHHM h o6mjmn iiohhthhmh hot MejKfly conojvmHeHHHMH hohhthhmh ocHOBHBaeTCbH Ha n p o i j e c c a x cpaBHeHHH npHSHaKOB, Stijia noHBeprayTa oKCnepimeHTajibHoit n p o B e p n e . Blijio noKaaaiio, hto Bpesra
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Klix u. a., Prozeß- u n d Strukturkomponenten der Wissensrepräsentation
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Anhang 1 Darstellung des Versuchsmaterials an Hand ausgewählter Beispiele U B - O B 1/3 Adler — Vogel Kogge — Schiff Hecht — Fisch Esel - Tier Fichte — Baum NO 2 Kiefer — Rose Dolch — Pistole Falke — Plötze Nelke — Steinpilz Adler — Kreuzotter
U B - O B 1/2 Adler — Greifvogel Kogge - Segelschiff Hecht — Raubfisch Esel - Huftier Fichte — Nadelbaum NO 1 Kiefer — Tanne Gewehr — Pistole Star Rabe Pflaume — Pfirsich Zander — Barsch „sinnlos" Wartburg — Blume Löwe — Flugzeug K a u f e n — Auto Möhre — Hund Moped — Fisch
Anhang 2 Darstellung des Versuchsmaterials an Hand ausgewählter Beispiele für das Erkundungsexperiment von E . Küchler Bindungsstarke Assoziationen zum Ausgangsbegriff (IBR) Pflanze
Fahrzeug
Baum Lebewesen Tier Blume Rose
Auto Trabant Schiff Wartburg PKW
Essen
Fleisch Brot Obst Wurst Käse
Bindungsschwache Assoziationen zum Ausgangsbegriff (IBR) Pflanze
Fahrzeug
Zwiebel Pilz Dahlie Eiche Buche
Fähre Taxi Motorboot Volvo Krankenwagen
Essen
Aprikose Bonbon Kotelett Spaghetti Broiler
Bindungsstarke Assoziationen zum Ausgangsbegriff "(ZBR) Pflanze
Fahrzeug
Erde Garten wachsen säen Wald
Straße Werkstatt reparieren reisen Tankstelle
Essen
Teller Löffel kochen einkaufen schmecken
Klix u. a., Prozeß- und Strukturkomponenten der Wissensrepräsentation Bindungsschwache Assoziationen zum Ausgangsbegriff Fahrzeug Pflanze Garage Park Kreuzung Boden Bahnhof jäten beschneiden Verkehrsschild Beet Beifahrer
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(ZBR) Essen Küche Pfanne Backofen Kühlschrank verdauen
Distraktoren zu den Ausgangsbegriffen für I B R und ZBR identisch Pflanze Kleidung Metall Geschirr Schrift fahren
Fahrzeug Tier Hose Geschirr Geige tapezieren
Essen Gestein Motorrad Trommel Gewehr hobeln
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Buchbespre chung Fieandt,K. von; Moustgaard, I. K . : ThePerceptual World. 680 S., 221 Abb., 7 Tab. 28 X l 5 cm. L o n d o n New York—San Francisco: Academic Press 1977. Ganzleinen 32 L. Dieses umfangreiche und reich illustrierte Buch stellt den Versuch dar, wesentliche Ergebnisse der klassischen Wahrnehmungstheorie und Perzeptionsforschung — entsprechend dem Erkenntnisstand zum Herausgabezeitpunkt — in einer als Lehrtext geeigneten Form aufzuarbeiten und zu intergrieren. Der Band ist Resultat der nahezu vollständigen Neufassung des Buchs von Fieandt „The World of Perception". Für drei zusätzliche Kapitel wurden Spezialisten gewonnen: V. Sarris (Grundlagen der Psychophysik) und J . D. Molion (Neurone und neuronale Codes; neurale Analyse). Tatsächlich wird nahezu das gesamte Problemspektrum der klassischen Wahrnehmungspsychologie angesprochen, unter Aspekten moderner wahrnehmungspsychologischer Ansätze diskutiert und durch neue Befunde angereichert. Das bedeutet allerdings zugleich, daß wesentliche Themen der gegenwärtigen Perzeptionsforschung, deren Stellenwert bei der Erklärung perzeptiver Phänomene sich immer klarer zeigt, ausgeblendet bleiben. Dies gilt z. B. für Gesetze der Urteilsbildung, praktisch f ü r die gesamte Prozeßforschung sowohl im Bereich der Aktualgenese als auch komplexer Erkennungsaufgaben. Es gilt aber auch für inhaltlich direkt angrenzende Themen wie der Frage nach Gemeinsamkeiten von Repräsentationen, die im engeren Sinne dem Begriff W a h r n e h m u n g zugeordnet oder als Vorstellungen bzw. als Bestandteil des ikonischen Gedächtnisses klassifiziert werden. Die Sachgebiete Psychophysik und neuronale Grundlagen der „ E m p f i n d u n g " werden in einem einleit e n d e n Teil des Buches behandelt. Ein zweiter Teil behandelt unter der Überschrift „Die hierarchische Organisation der W a h r n e h m u n g " die modalen Eigenschaften von Licht und Farbe, die W a h r n e h m u n g von Schall und Geruch, Geschmack und schließlich Tast-, Vibrations- und Temperaturempfindungen. Unter der Überschrift „Höhere Leistungen der W a h r n e h m u n g " werden im dritten Teil traditionelle theoretische Themen dargestellt: Das Problem der sensorischen A t t r i b u t e ; die Differenzierung des visuell-taktilen R a u m e s ; Verhalten und
Klix u. a., Prozeß- und Strukturkomponenten der Wissensrepräsentation Bindungsschwache Assoziationen zum Ausgangsbegriff Fahrzeug Pflanze Garage Park Kreuzung Boden Bahnhof jäten beschneiden Verkehrsschild Beet Beifahrer
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(ZBR) Essen Küche Pfanne Backofen Kühlschrank verdauen
Distraktoren zu den Ausgangsbegriffen für I B R und ZBR identisch Pflanze Kleidung Metall Geschirr Schrift fahren
Fahrzeug Tier Hose Geschirr Geige tapezieren
Essen Gestein Motorrad Trommel Gewehr hobeln
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Buchbespre chung Fieandt,K. von; Moustgaard, I. K . : ThePerceptual World. 680 S., 221 Abb., 7 Tab. 28 X l 5 cm. L o n d o n New York—San Francisco: Academic Press 1977. Ganzleinen 32 L. Dieses umfangreiche und reich illustrierte Buch stellt den Versuch dar, wesentliche Ergebnisse der klassischen Wahrnehmungstheorie und Perzeptionsforschung — entsprechend dem Erkenntnisstand zum Herausgabezeitpunkt — in einer als Lehrtext geeigneten Form aufzuarbeiten und zu intergrieren. Der Band ist Resultat der nahezu vollständigen Neufassung des Buchs von Fieandt „The World of Perception". Für drei zusätzliche Kapitel wurden Spezialisten gewonnen: V. Sarris (Grundlagen der Psychophysik) und J . D. Molion (Neurone und neuronale Codes; neurale Analyse). Tatsächlich wird nahezu das gesamte Problemspektrum der klassischen Wahrnehmungspsychologie angesprochen, unter Aspekten moderner wahrnehmungspsychologischer Ansätze diskutiert und durch neue Befunde angereichert. Das bedeutet allerdings zugleich, daß wesentliche Themen der gegenwärtigen Perzeptionsforschung, deren Stellenwert bei der Erklärung perzeptiver Phänomene sich immer klarer zeigt, ausgeblendet bleiben. Dies gilt z. B. für Gesetze der Urteilsbildung, praktisch f ü r die gesamte Prozeßforschung sowohl im Bereich der Aktualgenese als auch komplexer Erkennungsaufgaben. Es gilt aber auch für inhaltlich direkt angrenzende Themen wie der Frage nach Gemeinsamkeiten von Repräsentationen, die im engeren Sinne dem Begriff W a h r n e h m u n g zugeordnet oder als Vorstellungen bzw. als Bestandteil des ikonischen Gedächtnisses klassifiziert werden. Die Sachgebiete Psychophysik und neuronale Grundlagen der „ E m p f i n d u n g " werden in einem einleit e n d e n Teil des Buches behandelt. Ein zweiter Teil behandelt unter der Überschrift „Die hierarchische Organisation der W a h r n e h m u n g " die modalen Eigenschaften von Licht und Farbe, die W a h r n e h m u n g von Schall und Geruch, Geschmack und schließlich Tast-, Vibrations- und Temperaturempfindungen. Unter der Überschrift „Höhere Leistungen der W a h r n e h m u n g " werden im dritten Teil traditionelle theoretische Themen dargestellt: Das Problem der sensorischen A t t r i b u t e ; die Differenzierung des visuell-taktilen R a u m e s ; Verhalten und
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räumliche Orientierung; Konstanz und perzeptive Invarianz; Objektwahrnehmung; Selbstwahrnehmung; Bewegungs- und Zeitwahrnehmung; Gehör; haptische und vibratorische Information; relationale Invarianz. Ein abschließender Teil betrachtet „nichtperzeptive" Aspekte der Wahrnehmung wie Einstellung, Deprivation und Aufmerksamkeit, die Rolle der Persönlichkeit, die Funktion perzeptiver Gesetzmäßigkeiten im Rahmen der Künste. Schon die Aufzählung zeigt, daß das Buch an den gleichen Schwächen krankt wie die meisten Versuche einer Lehrbuchdarstellung der modernen Wahrnehmungspsychologie: Die systematische Einteilung der Sinnesleistungen, die klassischen Probleme von Empfindung und Konstanz, von niederen und höheren Leistungen scheinen didaktisch unentbehrlich, sind aber kaum mehr in der Lage, den tatsächlichen Inhalt einigermaßen abzudecken. So werden auf der einen Seite anspruchsvolle Konzepte wie Gibsons Theorie der Perzeption und Lands Theorie der Farbwahrnehmung kurz dargestellt, auch neue entwicklungspsychologische Ergebnisse fließen ein, aber im ganzen Buch gibt es kein integratives Schema, das eine Zusammenschau der dargestellten Fakten, klassischen und neueren Ansätze gestatten würde. Der Drang nach Vollständigkeit gibt vielen-Abschnitten des Buches eher den Hinweischarakter eines Wörterbuches der Psychologie; Arbeiten werden zitiert ohne eine genau nachvollziehbare Wiedergabe von Ergebnissen und Argumentation; zwischen Abbildungen und Text bestehen oft nur sehr rudimentäre Bezüge. Die Erörterung fundamentaler Kategorien und Sachverhalte bleibt im Historischen stecken. Das gilt in besonderem Maße für die Abhandlung zum Problem der Attribute und zur Konstanz. Letzteres führt über die klassischen Paradigmen kaum hinaus und behandelt Erklärungsansätze recht kursorisch und ungenau. Der Fachmann-Leser, der über viele Passagen des Buches nicht ohne Verdruß, ja Langeweile hinwegkommt, wird vielleicht durch Verweise, Daten und Graphiken entschädigt, die nicht zum üblichen Lehrbuch-Repertoire gehören. Überhaupt gehört es sicher zu den verdienstvollen Seiten des Buches, daß es auch durch die Fülle der aufgeworfenen Fragen und zitierten Ergebnisse als Mittler zwischen Lehrbuchwissen und Originalliteratur für den Studenten dienen kann. H.-G. Geißler (Leipzig)
Z. Psychol. 195 (1987) 6 3 - 8 4
J . A. Barth, Leipzig/DDR
Aus dem Institut für Psychologie der R W T H Aachen
Gibt es Experten für komplexe Probleme1 Von Wiebke Putz-Osterloh Mit 2 Abbildungen
1. Einleitung Thema dieser Arbeit ist die Frage, wie sich Expertenwissen auf die Bewältigung intransparenter, komplexer Probleme auswirkt. Zunächst sind zwei Wissensarten zu unterscheiden, die Grundlage von Problemlösen sind: Zustands- und Veränderungswissen (s. Anderson, 1983; Klix, 1971). Mit Hilfe deklarativen Zustandswissen werden Problemzustände identifiziert, d. h. verstanden. Erst mit Hilfe operativen Veränderungswissens können an diesen Zuständen Veränderungen in Richtung auf den „Lösungszustand" eines Problems vorgenommen werden (Klix, 1971; Krause, 1982). Beide Wissensarten bestimmen also gemeinsam Art und Verlauf des Problemlösens: Von Zustandsrepräsentationen ist abhängig, welche verfügbaren Operationen anwendbar sind, und verfügbare Operationen determinieren, welche Zustände erreichbar sind. Wichtig für unser Thema ist die weitere Unterscheidung des Veränderungswissens nach der Bereichsspezifität: Gemeint ist die Unterscheidung zwischen bereichspezifischen Algorithmen („epistemisches Veränderungswissen" nach Dörner, 1974) und allgemeinen heuristischen Strategien. Bei der Bearbeitung intransparenter Probleme können zunächst nur heuristische Strategien eingesetzt werden. In den meisten Arbeiten zum Problemlösen von Experten werden transparente Probleme untersucht (s. Chi und Mitarb., 1982). In dieser Arbeit interessiert dagegen die Frage, ob Expertenwissen auch bei intransparenten Problemen Voraussetzung für besonders erfolgreiches Problemlösen ist. Über interindividuelle Vergleiche zwischen Experten und Nichtexperten sollen zunächst globale Wissenseffekte überprüft werden. Aus der Generalisierbarkeit dieser Unterschiede und aus der Analyse intraindividueller Konsistenzen bei zwei verschiedenen Problemen soll abgeschätzt werden, ob eher bereichsspezifisches oder eher übergreifendes heuristisches Wissen den Erfolg der Problembearbeitung determiniert. Im folgenden ersten Abschnitt sollen Anforderungen komplexer Probleme und postulierte Problemlöseprozesse zu deren Bewältigung genannt werden. Im zweiten Abschnitt werden die Auswahl der Probleme und die Auswahl der „Experten" begründet. Dann werden Fragen der Zielvorgabe und der Bewertung des Problemlöseerfolges diskutiert. Im vierten Abschnitt sollen Hypothesen über Wissenseffekte auf das untersuchte ProDiese Arbeit wurde durch eine Sachbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft für das Projekt „Intelligente Wissensanwendung beim Problemlösen" unterstützt.
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lemlöseverhalten abgeleitet werden. Daran schließt sich die Darstellung der Untersuchung und ihrer Ergebnisse an. Im Diskussionsteil sollen die Ergebnisse kritisch daraufhin betrachtet werden, wie weit sich aus ihnen eindeutige Schlüsse auf unterscheidbare Wissenseinflüsse ziehen lassen.
1.1. Anforderungen
komplexer
Probleme
und Problemlöseprozesse
zu deren
Bewältigung
Gegenstand dieser Arbeit sind zwei Probleme, bei denen jeweils auf einem Rechner simulierte „Realitätsausschnitte" durch geeignete Eingriffe zielgerichtet zu steuern sind. Es handelt sich um zwei von Dörner programmierte Systeme: die „Schneiderwerkstatt" (s. Funke, 1984) und das System "Moro" (s. z. B. Putz-Osterloh, 1985). In der Schneiderwerkstatt werden Hemden produziert und verkauft. Im Morosystem wird das Leben der Moros, eines Halbnomadenstammes simuliert, der sich von Rinderzucht und Hirseanbau ernährt. Aufgabe für den Problemloser ist es, als Leiter der Schneiderwerkstatt bzw. in der Rolle eines Entwicklungshelfers, Veränderungen vorzunehmen, so daß sich die Systeme in bestimmten Zielvariablen verbessern (s. u.). Gemeinsam sind beiden Problemen die Merkmale der Intransparenz, Realitätsnähe, Komplexität, Vernetztheit und Dynamik (s. Dörner, 1979). Intransparent sind beide Systeme, da dem Problemloser in der Instruktion nur unvollständige Informationen vorgegeben werden. Durch Fragen an einen Versuchsleiter (der auch die Entscheidungen in den Rechner eingibt) kann er jedoch weitere Daten über mögliche Eingriffe und die aktuellen Zustände der Systemvariablen einholen. Auskünfte über die Beziehungen zwischen den Variablen werden jedoch nicht erteilt. Der Problemloser hat also Hypothesen über Systemvariablen und deren Verknüpfungen zu generieren. Diese Hypothesen kann er anhand der Daten über die Veränderungen im System überprüfen. Im Verlauf der Problembearbeitung wird ein Problemloser sein „Systemwissen" also ausbauen und korrigieren. Dieses Systemwissen ist darstellbar als ein Netz von Beziehungen zwischen Entscheidungsvariablen (d. h. den manipulierbaren Größen, wie z. B. der Menge eingekauften Rohmaterials für Hemden oder der Anzahl von Tiefwasserbrunnen) und beeinflußten Variablen (z. B. der Menge produzierter Hemden, des Heuertrages oder der Größe des nutzbaren Weidelandes). Beide Systeme können als „realitätsnah" eingeschätzt werden. Damit ist gemeint, daß beide Systeme bestimmte Realitätsausschnitte simulieren sollen, so daß Problemloser ihr Vorwissen für die Informationssammlung und Hypothesengenerierung nutzen können und nicht auf „blindes Experimentieren" angewiesen sind. Effekte unterschiedlichen Wissens auf Aufbau und Korrektur der subjektiven Problemrepräsentationen sind deshalb zu erwarten (s. hierzu Greeno, 1980). Umstritten ist allerdings, wie weit die Systeme dem jeweiligen Wissensstand eines Fachgebietes (s. Opwis und Spada, 1985) entsprechen. Da aber ein System einen nicht klar umgrenzten Ausschnitt repräsentiert, muß jeder Problemloser, auch wenn er über Fachwissen verfügt, jeweils durch Fragen überprüfen, wie weit seine Problemrepräsentation
Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
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m i t dem vorgegebenen System korrespondiert, Lücken aufweist oder irrelevante Details beinhaltet. Beide S y s t e m e sind komplex, d. h. sie e n t h a l t e n eine große Zahl v o n Variablen ( S c h n e i d e r w e r k s t a t t : 24, Morosystem: 50), die vielfältig m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t sind. Problemloser werden also eine Auswahl treffen, indem sie wichtige S y s t e m v a r i a b l e n stärker berücksichtigen u n d unwichtige eher a u ß e r acht lassen. Vollständige Problemrepräsentationen sind bei der verfügbaren Zeit nicht zu erwarten, d a sie die Verarbeitungsk a p a z i t ä t der Problemloser überschreiten d ü r f t e n . Beide Systeme sind vernetzt. D a d u r c h haben M a ß n a h m e n nicht n u r H a u p t - sondern auch unterschiedlich viele Nebeneffekte. Das m u ß bei Planungen u n d Analysen berücksichtigt werden, sollen sich nicht einzelne Entscheidungen in ihren E f f e k t e n gegenseitig a u f h e b e n . Beide Systeme sind dynamisch, da — auch u n a b h ä n g i g von Eingriffen des Problemlösers — die Variablen von einem simulierten Z e i t t a k t z u m nächsten ihren Z u s t a n d v e r ä n d e r n : So schwanken z. B. die Preise, oder die Z u n a h m e der Rinderzahl v e r ä n d e r t sich in Abhängigkeit von der vorangegangenen Rindermenge. Problemloser müssen also E n t w i c k lungen analysieren u n d Trends vorhersagen, wollen sie möglichen Fehlentwicklungen gegensteuern. Schon an dieser unvollständigen Auflistung iät erkennbar, wie groß die Vielfalt u n t e r scheidbarer Problemlösungsprozesse bei der Steuerung komplexer Probleme i s t : Prozesse der Informationssammlung, der Datenanalyse, der Generierung u n d Ü b e r p r ü f u n g v o n Hypothesen, der Planung und Entscheidung sind miteinander zu v e r k n ü p f e n . 1.2. Begründung der
Fragestellutig
I n t r a n s p a r e n t e Probleme und E x p e r t e n t u m , wie es Gegenstand empirischer Arbeiten ist, stehen zunächst fast im Widerspruch zueinander. Gelten Personen doch üblicherweise d a n n als E x p e r t e n , wenn sie a u f g r u n d von Ausbildung u n d E r f a h r u n g f ü r P r o b l e m e aus einem eingrenzbaren Realitätsbereich Lösungsalgorithmen erworben h a b e n (s. P i t t , 1983). Lösungsalgorithmen f ü h r e n n u r bei „gut definierten" Problemen (s. Krause, 1982) m i t t r a n s p a r e n t e m Ausgangszustand, klar definierten Zielkriterien u n d b e k a n n t e m Operatori n v e n t a r zu einer Lösung. Demgegenüber können i n t r a n s p a r e n t e Probleme zunächst n u r m i t allgemeinen heuristischen Strategien bearbeitet werden. Ausgehend von den unvollständigen D a t e n in der I n s t r u k t i o n m u ß durch Fragen eine Problemrepräsentation konstruiert werden, in der die zielrelevanten Entscheidungs- und abhängigen Systemvariablen in ihren Verknüpfungsm u s t e r n e n t h a l t e n sind. Diese Verknüpfungen k ö n n e n n u r a u f g r u n d von Wissen hypothetisch konstruiert u n d müssen durch die Analyse von H a u p t - u n d Nebenwirkungen getroffener E n t s c h e i d u n g e n ü b e r p r ü f t werden. Weitere V e r k n ü p f u n g e n k ö n n e n aus vorliegenden D a t e n ü b e r Kovariationen zwischen Systemvariablen erschlossen werden. Dabei lassen sich „Verstehensstrategien" zur K o n s t r u k t i o n , Ü b e r p r ü f u n g u n d K o r r e k t u r der subjektiven Problemrepräsentation (s. Hayes u n d Simon, 1974) n u r künstlich v o n den „eigentlichen" Problemlösestrategien zur zielgerichteten Systemsteuerung t r e n n e n (s. Greeno, 1977). I m optimalen Fall setzen bei g u t definierten Problemen i m m e r d a n n n e u e Verstehensprozesse ein, wenn zielgerichtete Veränderungen an P r o b l e m r e p r ä s e n t a t i o n e n 5
Z. Psychologie 195-1
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
nicht möglich sind, weil z, B. verfügbare Operatoren nicht anwendbar oder aber zwar anwendbar, aber nicht zielführend sind (s. Simon und Hayes. 1976). Bei intransparenten Problemen jedoch ist auch die Verfügbarkeit über Operatoren, die Überprüfung ihrer Anwendbarkeit und ihrer Effekte sowohl von dem Systemwissen eines Problemlösers als auch von seinen Problemlösestrategien abhängig. A priori lassen sich schwer Personen definieren, von denen aufgrund ihrer Erfahrung und Ausbildung erwartet werden könnte, daß sie in herausragender Weise über heuristisches Wissen verfügten. Wenn aber nun bereichsspezifisches Wissen eine Voraussetzung für das Verstehen von in transparenten Problemen ist, so lassen sich leicht Personen finden, von denen ein besseres Problemverständnis erwartet werden kann als von unausgewählten Personen. Dabei kann abgeschätzt werden, in welchem Maße der Umfang bereichsspezifischen Wissens die Güte der Problemrepräsentation determiniert und in welchem Maße die Güte der Problemrepräsentation wiederum darüber entscheidet, ob heuristische Strategien effektiv eingesetzt werden können. Zwangsläufig ist die Frage offen, ob Experten in einem ausgewählten Bereich nicht auch gleichzeitig Personen sind, die sich in ihren heuristischen Strategien von unausgewählten Personen systematisch unterscheiden. Als Experten für unsere Untersuchung wählten wir Professoren der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre aus. Diese Personen verfügen zum einen über differenziertes ökonomisches Fachwissen, von dem die Schneiderwerkstatt einen kleinen Ausschnitt repräsentieren soll. Zum anderen dürften sie — mehr als unausgewählte Studenten — allgemeines Wissen über Systeme und deren Eigenschaften erworben haben. (Ein Beleg für diese Annahme ist, daß z. B. der Umgang mit betriebswirtschaftlichen Simulationsspielen Bestandteil des wirtschaftswissenschaftlichen Hauptstudiums ist.) In Abhängigkeit von ihrem Fachwissen wäre zu erwarten, daß diese Experten transparente ökonomische Systeme erfolgreicher steuern als unausgewählte Personen. Zu prüfen ist, ob Fachwissen und allgemeines Systemwissen auch bei intransparenten Problemen in besonders effektives Verhalten umgesetzt werden kann. 1.3. Zielvorgabe und interindividuelle
Leistungsvarianz
In den meisten Untersuchungen zur Steuerung simulierter Systeme (s. Übersicht von Funke, 1984) wird den Problemlosem ein unbestimmtes Ziel vorgegeben. Sollen nun interindividuelle Leistungsunterschiede aufgeklärt werden, so sind klare Zielkriterien zu definieren, an denen diese Unterschiede quantifiziert werden können. Das ist zwar aus einer logischen Analyse der Systeme möglich (Dörner, 1983), fraglich ist jedoch, ob man damit auch die individuellen Ziele der Problemloser abdecken kann. J e mehr Variablen ein System enthält, desto eher ist zu erwarten, daß Personen aus einem vorgegebenen globalen Ziel z. T. ganz unterschiedliche konkrete Zielvariablen ableiten. Ist das der Fall, dann sind Analysen von Gruppendaten nicht mehr sinnvoll. So stimmten z. B. Problemloser bei dem Morosystem in ihren nachträglichen Erfolgseinschätzungen nur in geringem Maße mit den definierten Zielkriterien überein. E n t -
Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
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sprechend ließen sich zwischen Daten des lauten Denkens und Güteunterschieden für die Problembearbeitung (bis auf eine Ausnahme) keine systematischen Kovariationen finden. Demgegenüber ließen sich bei einer anderen Gruppe von Problemlosem, deren Erfolgseinschätzungen (aufgrund eines vorangegangenen Trainings) hoch mit den Zielkriterien übereinstimmten, aus Daten des lauten Denkens Leistungsunterschiede vorhersagen (Putz-Osterloh, 1985). Wir vermuten deshalb, daß interindividuelle Leistungsvarianz dann aufklärbar ist, wenn Problemloser in der Wahl ihrer Zielkriterien für das Problemlösen übereinstimmen. Da in dieser Arbeit Wissensunterschiede zwischen Gruppen untersucht werden sollen, ist interindividuelle Varianz durch unterschiedliche Zieldefinitionen möglichst gering zu halten. Das soll dadurch geschehen, daß statt eines globalen jeweils mehrere konkrete Zielvariablen vorgegeben werden, die gemeinsam auf einen besseren Wert zu bringen sind. Diese Zielvariablen werden auch als Gütekriterien zur Bewertung der Leistung herangezogen. Zur Steuerung der Schneiderwerkstatt werden den Problemlösern folgende Zielkriterien vorgegeben: — der Kontostand am Ende der Problembearbeitung, — die im Verlauf der Problembearbeitung erzielten Gewinne (unabhängig vom Kontostand), — der an die Arbeiter gezahlte Lohn. Gute Problemloser sollten demnach häufig Gewinne erzielen, durch Investitionen keine Schulden machen und den Arbeitern dennoch einen möglichst hohen Lohn zahlen. Nach diesen Zielkriterien schätzen wir die Schneiderwerkstatt als ein ökonomisch orientiertes System ein. Bei der Steuerung desMorosystems sollen die Problemloser folgende Zielvariablen beachten : — die Größe des Weidelandes, — die Anzahl der Rinder, — die Anzahl der Moros, — die Menge verfügbaren Grundwassers, — das Kapital soll am Ende durch Verkäufe von Produkten (d. h. von Rindern und Hirse) so hoch wie zu Beginn sein. Ein guter Problemloser sollte also am Ende das Startkapital wieder erwirtschaftet haben. Auf einer großen Weidefläche sollten möglichst viele Rinder stehen, die von vielen Moros betreut werden, wobei das Grundwasserreservoir möglichst wenig angegriffen sein sollte. Wegen dieser Restriktion durch Ressourcen schätzen wir das Morosystem als eher ökologisch orientiert ein. An der Ubereinstimmung zwischen subjektiven Erfolgseinschätzungen und den Zielvariablen kann nachträglich überprüft werden, ob die vorgegebenen Ziele in gleichem Maße berücksichtigt worden sind. 1.4. Hypothesen
über
Wissenseffekte
Wirtschaftswissenschaftliche Experten sollen mit unausgewählten Studenten bei der Steuerung eines eher ökologisch und eines eher ökonomisch orientierten Systems miteinander vergleichen werden. Dabei sollen Effekte bereichsspezifischen und heuristi5'
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
sehen Wissens auf Problemlösen erfaßt werden. Zur Beschreibung des Problemlöseverhaltens sind drei Datenebenen zu unterscheiden: — Die höchste Ebene stellen die Effekte unterschiedlichen Verhaltens dar. Hier werden Problemloser nach dem Zustand von Zielvariablen des Systems bewertet. In diesen Erfolgskriterien spiegeln sich gemeinsame Wissens- und Strategieunterschiede wider. — Auf der darunterliegenden Ebene lassen sich anhand von Daten des lauten Denkens durch die Häufigkeit und Abfolge von verbalisierten Problemlöseprozessen Problemlösestrategien beschreiben. — Auf der untersten Ebene schließlich stehen Kennwerte für die subjektive Problemrepräsentation, für Unterschiede im Systemwissen von Problemlosem. Auch diese Werte lassen sich aus Daten des lauten Denkens gewinnen. Diese Ebene dürfte am stärksten durch Wissensunterschiede beeinflußt werden. Bei transparenten Problemen unterscheiden sich Experten von Laien auf allen drei Ebenen (s. Chi und Mitarb. 1982). Dabei verbalisieren Experten ihre weitgehend automatisierten Problemlöseprozesse und-Strategien auf nicht vergleichbarem Niveau zu dem von Nichtexperten (s. Lewis und Anderson, 1985). Diese Schwierigkeit gilt nicht für unsere Untersuchung: Hier sind alle Problemloser unabhängig von ihrem Wissen auf heuristische Strategien angewiesen, die überwiegend bewußter Kontrolle unterliegen und verbalisierbar sein dürften. Experten sollten deshalb auch nicht schneller bei der Problembearbeitung sein (wie sonst üblich) als die Nichtexperten. So erwarten wir, daß aus Daten des lauten Denkens von beiden Personengruppen sowohl leistungsrelevante Problemlöseprozesse als auch das Systemwissen auf vergleichbarem Abstraktionsviveau analysierbar sind. Bereichsspezifische Wissenseffekte sind zunächst auf der untersten Datenebene zu erwarten: Experten sollten das ökonomische System — wenn es valide ist und zum Fachwissen „paßt" — in den zielrelevanten Variablen und ihren Verknüpfungen vollständiger und mit weniger Fehlern erfassen als Nichtexperten. Auf der Strategieebene ist zu erwarten, daß Experten insgesamt mehr Fragen stellen und wegen ihres detailreichen Wissens auch mehr durch Fragen abklären, welche Variablen (von sinnvoll möglichen) im System realisiert sind und welche nicht. Sie sollten mehr richtige und weniger falsche Hypothesen über das System generieren und diese Hypothesen anhand der erfragten Daten über Variablenzustände und deren Veränderungen häufiger überprüfen als die Vergleichsgruppe. Diese Analysen sollten dazu führen, daß sie häufiger richtige Planungen formulieren (d. h. Entscheidungen mit beabsichtigten Effekten richtig verknüpfen und seltener sog. irrelevante Planungen anstellen (das sind im System nicht realisierbare Veränderungen). In früheren Untersuchungen mit der Schneiderwerkstatt waren von unausgewählten Personen diejenigen bessere Problemloser, die bereits im ersten Drittel der Problembearbeitung mehr Fragen stellten, mehr Variablenbeziehungen richtig analysierten, häufiger richtige Hypothesen generierten und seltener irrelevante Maßnahmen beabsichtigten (s. Putz-Osterloh, 1981).'Demnach müßten die Experten, wenn sie sich in der erwarteten Richtung von Nichtexperten unterscheiden, auch in den Zielvariablen höhere Werte erreichen. Bei der Schneiderwerkstatt erwarten wir also systematische Unterschiede auf allen drei Ebenen.
Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
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Lassen sich diese Erwartungen auch auf das Verhalten bei der Steuerung des ökologischen ' Morosystems übertragen? Hier dürften sich die Experten von den Nichtexperten nicht im bereichsspezifischen, wohl aber im allgemeinen Systemwissen und möglicherweise in ihren Strategien unterscheiden. Finden sich auf der untersten Ebene der Systemrepräsentation systematische Unterschiede, so müssen sie auf die genannten Unterschiede zurückführbar sein. Es sollten sich entsprechend vor allem auf der Strategieebene systematische Unterschiede nachweisen lassen: Expertenwissen über die Vernetztheit von Systemen z. B. wird möglicherweise so in Verhalten umgesetzt, daß besonders viele Beziehungen zwischen Variablen angenommen und überprüft werden. Finden sich insgesamt auf der Strategieebene vergleichbare Unterschiede zu denen, die bei der Schneiderwérkstatt postuliertwurden, so müßten auch auf der Leistungsebene Unterschiede feststellbar sein. Doch nicht nur interindividuelle Vergleiche, sondern auch intraindividuelle Konsistenzen können Auskunft über den Einfluß heuristischen und bereichsspezifischen Wissens geben. Zunächst einmal gehen wir von der Annahme aus, daß intraindividuell das Wissen über ökologische und ökonomische Zusammenhänge weitgehend voneinander unabhängig ist. Demgegenüber sollte heuristisches Wissen auf zwei verschiedene intransparente Systeme in gleichem Maße anwendbar sein. Analysen intraindividueller Übereinstimmungen zwischen beiden Systemen sollten deshalb auf allen drei Datenebenen darüber Auskunft geben, ob die Systeme neben spezifischen auch generalisierbare Anforderungen an die Problemloser stellen. Dabei sollen generalisierbare Anforderungen als Anforderungen an heuristisches Wissen interpretiert werden. Zu berücksichtigen sind dabei formale Unterschiede zwischen beiden Systemen: Die Schneiderwerkstatt enthält weniger Variablen als das Morosystem, und diese Variablen sind weniger vernetzt (abzählbar an den Verknüpfungen pro Variable). Daneben unterscheiden sich die Systeme in ihrer Stabilität : Die Variablen des Morosystems entwickeln sich — werden keine Eingriffe vorgenommen — in einem leichten Aufwärtstrend, das System bleibt im Gleichgewicht. Bei der Schneiderwerkstatt dagegen verschlechtert sich ohne Eingriffe der Zustand der Maschinen, und die Produktion sinkt, selbst wenn — auch hier muß der Problemloser eingreifen — in ausreichendem Maße Rohmaterial eingekauft worden ist. Der dritte Unterschied zwischen beiden Systemen liegt in der Anzahl zu berücksichtigender Zielvariablen. Sie ist bei dem umfangreichen Morosystem zwangsläufig höher als bei der kapitalzentrierten Schneiderwerkstatt. Doch erwarten wir, daß Problemloser die fünf Zielvariablen des Morosystems als entscheidende Indikatoren für den Systemzustand verwenden und somit Hilfen für die Systemsteuerung erhalten. Diese Unterschiede verdeutlichen, daß wir keine isomorphen Probleme miteinander vergleichen (s. Kotovsky und Mitarb. 1983). Das dürfte bei realitätsnahen Problemen auch kaum möglich sein. Vergleichbar sind beide Probleme aber in den eingangs genannten Anforderungen, die den Einsatz übereinstimmender heuristischer Strategien erwarten lassen. Für diese Erwartung sprechen auch empirische Ergebnisse über die Vorhersagbarkeit der Problemlösegüte aus Daten des lauten Denkens: Der Erfolg bei beiden Systemen kovariiert z. T. mit übereinstimmenden Problemlöseprozessen, wie der Häufigkeit richtiger Beziehungsanalysen, richtiger Hypothesen und (negativ) irrelevanter Planungen
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(s. Putz-Osterloh, 1983, 1986). Sind diese Problemlöseprozesse ausschließlich von bereichsspezifischem Wissen abhängig, sollten keine intraindividuellen Konstistenzen beobachtbar sein. Finden wir sie doch, so sprechen sie für die posulierte Übereinstimmung in den Anforderungen. 2. Darstellung der Untersuchung 2 2.1.
Unabhängige
Variablen
Als Experten hatten sich sieben Professoren der Wirtschaftswissenschaften bereit erklärt, an dem Versuch teilzunehmen. Als „Vergleichsgruppe" von Nichtexperten wurden dreißig unausgewählte Studenten, die sich auf Anschläge freiwillig zum Versuch angemeldet hatten, herangezogen. Sie wurden für ihre Teilnahme bezahlt. (Vergleichbare Professoren aus anderen Fachbereichen standen uns leider nicht zur Verfügung). Während die Professoren zwischen 40 und 49 Jahre alt waren, betrug das Durchschnittsalter der Studenten 22 Jahre mit einer Streubreite von 19 bis 27 Jahren. Uber die Hälfte der Studenten studierten technische Fächer, drei Betriebswirtschaft und zwei Soziologie, fünf waren Studienanfänger. Die zweite unabhängige Variable stellen die beiden beschriebenen Systeme dar. Die Schneiderwerkstatt ist für 15 simulierte Zeittakte, das Morosystem für 20 Zeittakte zu bearbeiten. Dieser Unterschied in den Zeittakten ist durch die unterschiedliche Stabilität der Systeme bedingt. So kündigen sich im Morosystem sog. Katastrophen (d. h. es treten Hungertote auf, da die Ressourcen wie Weidefläche, Rinder oder Grundwasser zu stark angegriffen wurden), meist erst nach dem 10. Zeittakt an, so daß Leistungsunterschiede erst später erkennbar sind als bei der vergleichsweise instabilen Schneiderwerkstatt. Alle Problemloser bearbeiteten die Probleme in derselben Reihenfolge: zuerst die Schneiderwerkstatt und dann das Morosystem. 2.2.
Ablauf
der
Untersuchung
Für die Studenten und die Experten war der erste Teil der Untersuchung identisch, er teilte sich in zwei Sitzungen. In der ersten Sitzung hatten die Pbn in Einzelversuchen die Schneiderwerkstatt zu leiten. Dabei wurden sie zum lauten Denken aufgefordert. Die Dauer des Versuches betrug in der Regel zwei bis drei Stunden und wurde durch das individuelle Tempo der Pbn bestimmt. Die Studenten wurden am Ende der Problembearbeitung aufgefordert, ihren Erfolg auf einer fünfstufigen Schätzskala einzustufen. In der zweiten Sitzung hatten die Pbn das Morosystem zu bearbeiten. Auch hier betrug die Dauer zwischen zwei und drei Stunden. Nach dem letzten Zeittakt schätzten die Studenten wieder ihren Erfolg ein. Sie wurden zusätzlich aufgefordert anzugeben, welches System 2 F ü r die Mithilfe bei der Auswertung der Untersuchung habe ich Frau cand. phil. Kristin Korb, Frau cand, phil. Isabel Trebovsek und Herrn Dipl.-Psych. M. Lemme, alle Aachen, zu danken.
Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
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für sie schwieriger zu bearbeiten war. Auch die Experten wurden im Gespräch um Einschätzungen der Schwierigkeit gebeten. Gleichzeitig wurden sie um Einschätzungen der Realitätsnähe und um Angaben über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Systemen gebeten. Für die Studenten fand noch eine dritte Sitzung statt. In insgesamt zwei Stunden hatten sie den Intelligenztest von Jäger (1982) zu bearbeiten. Damit sollte der Einfluß der Testintelligenz auf das Problemlösen eingeschätzt werden. Das war bei den Experten aus verschiedenen Gründen leider nicht möglich. 2.3. Abhängige
Variablen
und
Auswertung
2.3.1. Gütewerte Für beide Probleme werden die Daten über das Problemlösen nach den drei Ebenen getrennt. Die Problemlösegüte wird nach dem Zustand der vorgegebenen Zielvariablen bewertet. Für die Systeme liegen somit drei bzw. fünf Gütewerte für jeden Problemloser vor. Die intersubjektive Gültigkeit dieser Gütewerte wird zum einen durch den korrelativen Zusammenhang mit den subjektiven Erfolgseinschätzungen überprüft. Zum anderen werden die Zielvariablen untereinander korreliert. Bei dem Morosystem haben sich die Zielvariablen bei vielen Problemlosem z. T. gegenläufig entwickelt. Es werden deshalb zusätzlich Regeln definiert, nach denen das gemeinsame Erreichen aller fünf Zielkriterien, bzw. deren Verletzung übereinstimmend bewertet werden kann. Wir verzichten dabei auf „blinde" Summation von Gütewerten, so daß „Katastrophen", nämlich Hungertote, nicht durch hohe Werte in einzelnen anderen Variablen kompensierbar sind. Ränge für den Erfolg werden nach folgenden Regeln gebildet: — Das Kapital am Ende entspricht mindestens zu dreiviertel dem Startkapital, die anderen Zielvariablen haben höhere Werte als in einem „Nullauf" ohne Eingriffe, und das Grundwasser ist zu 99 % vorhanden. Die Ränge werden nach der Anzahl von Zielvariablen mit höchsten Werten innerhalb dieser Gruppe vergeben. — Die nächsten Ränge erhalten Personen, bei denen die Kriterien gelockert sind: Das Konto ist nicht überzogen und das Grundwasser nicht mehr als um 10 % reduziert. Dann folgen Personen, bei denen das Kapital nicht berücksichtigt und das Kriterium der Weidefläche gelockert ist: Es muß für die vorhandenen Rinder noch genügend Weidefläche vorhanden sein, sie braucht aber nicht größer als im „Nullauf" zu sein. — Zur nächsten Ranggruppe gehören Problemloser, deren Systeme „katastrophenträchtig", Hungertote aber noch nicht aufgetreten sind, d. h. die Weidefläche, das Grundwasser oder die Rinder sind gegenüber dem Ausgangszustand stark dezimiert. — In die letzte Gruppe gehören Problemloser, bei denen Hungertote vorgekommen sind. Zwischen ihnen wird danach abgestuft, ob noch Rinder und Weidefläche vorhanden sind oder nichts mehr von beidem. Die Einzel- und Ranggütewerte von Experten und Laien werden (mit Hilfe von U-Tests) auf Unterschiede geprüft. Anand von Korrelationen zwischen den Erfolgskriterien beider Systeme wird die Generalisierbarkeit interindividueller Leistungsunterschiede bestimmt.
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
2.3.2. Kennwerte für die Problemrepräsentation Aus den Daten des lauten Denkens wird das Systemwissen der Problemloser erhoben. Wie in vorangegangenen Untersuchungen beschränken wir uns dabei jeweils auf das erste Drittel der Problembearbeitung, d. h. auf die ersten sechs simulierten Zeittakte. Es wird eine Matrix angelegt, deren Zeilen und Spalten durch Systemvariablen besetzt sind. In die Diagonale wird eingetragen, wie oft welche Systemvariable isoliert (d. h. in Entscheidungen oder durch Fragen) angesprochen wird. In die verbleibenden Zellen wird eingetragen, welche Variable mit welchen anderen verknüpft wird. Diese Verknüpfungen werden nach richtig und falsch bewertet. Außerhalb der Matrix wird notiert, wieviele andere Variablen, die nicht im System enthalten sind, zusätzlich angesprochen werden. Aus dieser Matrix werden folgende Werte bestimmt (s. Greeno, 1977).: — die Kohärenz (die Menge gestifteter Beziehungen), — die Korrespondenz (die Menge richtiger Beziehungen), — die Menge zusätzlichen Wissens (die Anzahl angesprochener Variablen außerhalb des Systems). Für beide Systeme wird geprüft, ob Experten systematisch mehr richtiges Systemwissen erwerben als die Nichtexperten und dazu auch mehr zusätzliche Ideen über mögliche Variablen generieren. Aus den Interkorrelationen zwischen diesen Werten für beide Systeme soll auf die Generalisierbarkeit des Wissenserwerbs geschlossen werden. Daneben sollen Interkorrelationen zwischen diesen Kennwerten und den jeweiligen Gütewerten berechnet werden, um die Verstehensabhängigkeit des Problemlöseerfolges abschätzen zu können. 2.3.3. Kennwerte für Problemlösestrategien Die Protokolle des lauten Denkens vom jeweils ersten Drittel der Problembearbeitung werden in einheitliche Kategorien für unterscheidbare Phasen der Problembearbeitung übersetzt. Das Übersetzungsschema umfaßt 21 verschiedene Kategorien. In einer Retest-Untersuchung nach einem halben Jahr betrug die Interraterübereinstimmung für die Übersetzung von insgesamt 2903 Aussagen 76,8 %. Dabei betrug die höchste Übereinstimmungsrate 89 % für die Übersetzung von vier inhaltlich unterschiedlichen Fragen. Die geringste Übereinstimmung von 58,9 % fand sich bei der Übersetzung von insgesamt 90 affektbesetzten Äußerungen. Innerhalb des Schemas werden Kategorien für folgende problembezogene Phasen unterschieden: Informationssammlung, Hypothesenbildung, Analysen (hierzu gehört auch die Überprüfung von Hypothesen), Planungen, Entscheidungen und Zielnennungen. Getrennt von diesen „problembezogenen" Äußerungen werden gefühlsbetonte Aussagen und selbstreflexive Aussagen übersetzt. Zu den selbstreflexiven Aussagen gehören retrospektive Bewertungen des eigenen Verhaltens und prospektive Absichten zur Änderung des Vorgehens. Auch wenn nicht alle 21 Kategorieen zum Vergleich der beiden Versuchsgruppen herangezogen werden sollen (da sie nach bisherigen Ergebnissen in keinem systematischen Zusammenhang zum Erfolg stehen, bzw. zu selten und nicht in allen Protokollen vorkommen), werden die Protokolle vollständig übersetzt. Zum einen kann dadurch überprüft werden, ob sich die Gruppen in der Menge verbalisierter Problemlöseprozesse systematisch unterscheiden.
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Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
Zum andern soll mit Hilfe einer ]Periodenanalyse ausgezählt werden, wie viele verschiedene Kategorienfolgen (von zwei bzw. drei Kategorien) wie häufig in den individuellen Protokollen vorkommen. An diesen Daten wird überprüft, ob Experten insgesamt systematischer bei der Problembearbeitung vorgehen als Nichtexperten. Daneben soll überprüft werden, ob bei dem zweiten System beide Gruppen eine höhere Systematik in der Abfolge verbalisierter Problemlöseprozesse zeigen als bei dem ersten System. Hieran lassen sich generalisierbare Übungseffekte ablesen. Eine höhere Systemaktik des Problemlöseverhaltens in Richtung auf eine Strategie ist daran erkennbar, daß ein übersetztes Protokoll weniger verschiedene Abfolgen enthält und diese Abfolgen mit einer größeren Häufigkeit vorkommen als in einem Protokoll mit einer geringeren Systematik. Aus den Interkorrelationen zwischen ausgewählten Kategorien bei beiden Systemen soll wiederum die Generalisierbarkeit des Verhaltens erschlossen werden. 2.4.
Ergebnisse
2.4.1. Problemlösegüte Der Erwartung entsprechend sind die Experten bei der Schneiderwerkstatt in allen drei Gütewerten systematisch erfolgreicher als die Studenten. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, haben z. B. sechs der sieben Experten in der Zielvariablen „Kontostand" höhere Werte als die Hälfte der Nichtexperten. Dem entspricht ein z-Wert (jeweils mit dem U-Test berechnet) von 2,13, der den kritischen Wert von 1,65 für das gewählte Signifikanzniveau von 5 % überschreitet. Für die Anzahl von Monaten mit Gewinn ergibt sich ein z-Wert von 2,6 und für den Lohn von 1,67. Betrachtet man die Rangkorrelation zwischen den Erfolgseinschätzungen und den Gütewerten der Nichtexperten (s. Tab. I) so wird deutlich, daß sie die Zielvariable Lohn nicht übereinstimmend berücksichtigt haben. Das spiegelt sich auch in den Interkorrelationen zwischen den Gütewerten wider: Die Häufigkeit der Gewinne kovariiert positiv mit dem Kontostand, der Lohn ist aber signifikant negativ mit dem Kontostand korreliert und von dem Gewinnkriterium unabhängig. Tab. I. Rangkorrelationen zwischen Erfolgseinschätzungen und Gütewerten der Schneiderwerkstatt Gütewerte
Erfolgseinschätzung Lohn Monate mit Gewinn
Kontostand
Lohn
Monate mit Gewinn
-,58* -,72* ,53*
-,19
-,39*
* Irrtumswahrscheinlichkeit p S 0,05
-,11
Studenten
bei der
74
Z. Psychol. 195 (1987) 1
N Vpn 13
..
12
•-
Median •
11 10
9
+
8 7
6
+
5
4
+
3 2
1
••
800- 250- 199- 149- 99- 49400 200 150 100 50 0 • n
150
I
51- 101100 150
Kontostand (in TDM)
Studenten Experten
Abb. 1. Häufigkeitsverteilung von Studenten und Experten in der Zielvariable „Kontostand" bei der S c hneiderwerksta tt
Bei dem Morosystem unterscheiden sich die Experten in den Gütewerten nicht systematisch von den Studenten. In Abbildung 2 ist beispielhaft die Verteilung der Zielvariable „Rinderzahl" für Studenten und Experten aufgetragen: Nur die Hälfte der Experten gehört hier zu den „guten" Problemlosem mit Werten über dem Median der Studenten. Betrachtet man wiederum die Korrelationen zwischen den Erfolgseinschätzungen und den Zielvariablen (s. Tab. II), so ist auch hier erkennbar, daß die Problemloser nicht alle Zielvariablen in gleichem Maße berücksichtigt haben: Die Größe der Weidefläche kovariiert nicht systematisch mit den Erfolgseinschätzungen, und die Menge vorhandenen Grundwassers interkorreliert sogar negativ mit dem sich selbst zugeschriebenen Erfolg. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in den Korrelationen zwischen den Gütewerten wider: Die Menge vorhandenen Grundwassers ist mit den anderen Gütewerten negativ interkorreliert und die Weidefläche kovariiert niedriger mit den übrigen Zielvariablen als diese
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Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme N Vpn 9
8 7
6 5 4 3
2 1
0
•
1- 1 . 5 - 3 4.51.5 3 4.5 6
6- 7 . 5 - 9 10.5-12 7.5 9 10.5 12
Anzahl Rinder (in Tausend)
Studenten Experten
Abb. 2. Häufigkeitsverteilung von Studenten und Experten in der Zielvariable „Anzahl der Rinder" bei dem Morosystem Tab. II. Rangkorrelationen zwischen Erfolgseinschätzungen und Gütewerten der Studenten bei dem Morosystem Güte werte
Erfolgseinschätzung Rinder Moros Grundwasser Kapital Hungertote Weidefläche
Weidefläche
Rinder
Moros
Grundwasser
-,25 -,47* ,36* -,40 ,29 -,42*
-,59*
-,68*
,31
,64* -,53 ,56* -,50*
-,21 ,65 -,88*
-,21 ,15
Kapital -,55*
-,41*
Hungertote ,48
Rangwert ,43* -,60* -,64* -,07 -,54 ,80* -,73*
* Irrtumswahrscheinlichkeit p 3 0 , 0 5 in erwarteter Richtung
untereinander. Demnach kann nur wenigen Problemlosem gelungen sein, alle Zielvariablen gemeinsam auf einen höheren Wert zu bringen. Wir haben deshalb die einzelnen Gütewerte nach den im vorigen Abschnitt beschriebenen Regeln in einen Gesamtrangwert zusammengefaßt (einem hohen Rang entspricht eine schlechte Leistung). Dieser Rangwert kovariiert systematisch mit den Erfolgseinschätzungen und allen Zielvariablen (außer dem Grundwasser, s. Tab. II).
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
Auch in dieser gemeinsamen Rangbildung unterscheiden sich die Experten nicht systematisch von den Studenten: Sie erhalten die Rangplätze 2, 3, 5, 12, 22, 24, und sogar den schlechtesten Rang von 3 7 ! Nur fünf Studenten (Experten: 3) gelang es, die Zielvariablen in positiver Richtung zu beeinflussen und dabei das Grundwasser um nicht mehr als 1 % anzugreifen. Acht Studenten (Experten: 1) veränderten — unter Lockerung der Zielrestriktionen — das System noch insgesamt in positiver Richtung. In einen „katastrophenträchtigen" Zustand versetzten das System sieben Studenten (Experten: 2) und Hungertote sind bei zehn Studenten (Experten: 1) aufgetreten. Fünf Experten und 20 Studenten sahen einen Schwierigkeitsunterschied zwischen den Systemen: Die Schneiderwerkstatt erschien allen Experten und 18Studenten schwieriger als das Morosystem. Interkorreliert man die Gütewerte der Studenten und Experten bei beiden Systemen miteinander, ergeben sich folgende Zusammenhänge ( s . T a b . I I I ) : Die Zielvariablen Grundwasser und Lohn kovariieren negativ, die Variable Weidefläche ist unabhängig von den anderen Zielvariablen. Der Ranggütewert kovariiert tendenziell (mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p= ,057, bzw. p — ,06) in erwarteter Richtung mit den beiden Gütewerten für die Schneiderwerkstatt, überzufällig sind zweiGütewerte des Morosystems mit zwei Gütewerten für die Schneiderwerkstatt interkorreliert. Tab. i n . Rangkorrelationen zwischen Gütewerten bei dem Morosystem und der Schneiderwerkstatt (von Experten und Studenten: N = 3 7 ) Gütewerte Morosystem Güte werte S chneiderwerkstatt
Rinder
Kapital
Moros
Rangwert
Grundwasser
Weidefläche
Monate mit Gewinn Kontostand Lohn
,44* ,36* -,16
,45* ,34* -,22
,24 ,20 -,26
-,26 -,25 ,12
— ,40 -,29 -,14
,16 ,08 -,11
'Irrtumswahrscheinlichkeit p S , 0 5 in erwarteter Richtung
Der Anteil gemeinsamer Varianz zwischen Gütewerten bei zwei inhaltlich unterschiedlichen komplexen Problemen ist also — wenn überhaupt — gering. Noch geringer ist allerdings der Anteil gemeinsamer Varianz zwischen Intelligenztestund Problemlöseleistungen: zwischen Gütewerten bei dem Morosystem und Intelligenztestwerten finden sich keinerlei überzufällige Zusammenhänge. Bei der Schneiderwerkstatt kovariieren Testleistungen negativ mit der Zielvariablen Lohn (—,31 bis —,41). Die Variable Kontostand ist mit dem Gesamttestwert zu ,33, mit dem „Figuralen Materialfaktor" und dem Faktor „Komplexität der Verarbeitung zu ,41 interkorreliert. Überzufällige Zusammenhänge zwischen dem Gewinnkriterium und Intelligenztestwerten finden sich nicht. Unterschiede in der Testintelligenz kovariieren also nur schwach in der erwarteten Richtung mit einem Gütewert bei einem komplexen Problem.
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Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
2.4.2 Problemrepräsentation Bei den Studenten war jeweils bei einer Person das Tonband ausgefallen. Daten des lauten Denkens liegen somit von 29 Studenten bei einem System und von 28 Studenten bei beiden Systemen vor. Der Hypothese entprechend unterscheiden sich die Experten von den Studenten in den Kennwerten für das Systemwissen bei der Schneiderwerkstatt (s. Tab. I V ) : Sie betrachten mehr Beziehungen zwischen Systemvariablen (z-Wert: 2,54) und erkennen dabei auch mehr richtige Beziehungen (z-Wert: 3,02) als diese. In der Menge zusätzlichen Wissens unterscheiden sich die Gruppen aber nicht systematisch voneinander (z-Wert: 0,64). Tab. IV. Kennwerte für das Systemwissen von Experten ( N = 7 ) und Studenten (N = 29) bei der Schneiderwerkstatt und dem Morosystem Morosystem
S chneiderwerkstatt Experten s
Studenten s
Kohärenz Korrespondenz Zusätzliches Wissen
Studenten
x
X
Experten
X
s
x
s
15,4 12,5
7,1 6,6
24,7 23,1
9,0 7,8
19,3 15,9
9,6 9,0
37,0 32,6
8,7 5,4
14,5
11,8
16,2
10,7
22,1
13,7
17,1
10,7
x Mittelwerte, s. Standardabweichungen
Genau dasselbe Ergebnis erbringen die Vergleiche auch bei dem Morosystem: Experten finden mehr Beziehungen (z: 3,54), die auch richtig sind (z-: 3,7), als die Studenten, sie ziehen jedoch nicht mehr zusätzliches Wissen für die Problembearbeitung heran als diese. Intraindividuell finden sich hohe Übereinstimmungen zwischen den Repräsentationsdaten bei beiden Systemen (N = 35): Die Anzahl gefundener Beziehungen bei beiden Systemen ist zu 0,60, die Menge richtiger Beziehungen zu 0,62 und die Menge zusätzlichen Wissens zu 0,64 interkorreliert. Systematische Beziehungen zwischen der Menge erworbenen Systemwissens und der Güte der Problembearbeitung finden sich nur bei der Schneiderwerkstatt übereinstimmend bei zwei Gütewerten: Die Korrespondenz des Systemwissens kovariiert mit dem Gewinn zu ,31 und mit dem Kontostand zu ,56 (Kohärenz und Kontostand: ,46). Die Menge zusätzlichen Wissens ist unabhängig vom Problemlöseerfolg. Bei dem Morosystem dagegen kovariiert nur die Menge zusätzlichen Wissens (mit der Anzahl von Moros: ,33. Anzahl von Rindern: ,36) nicht jedoch Kohärenz oder Korrespondenz des Systemwissens mit Erfolgskriterien. 2.4.3. Problemlösestrategien Erwartungsgemäß unterscheiden sich die Experten und Studenten bei der Schneiderwerkstatt in der Häufigkeit folgender Problemlöseprozesse voneinander (s. Tab. V): bei der Hypothesenbildung (richtige: z = 2,98; falsche: z = —2,36), bei Analysen (richtiger Bezie-
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
Tab. V. Kennwerte für Problemlösestrategien v o n Experten ( N = 7 ) und Studenten N = 2 9 ) bei der Schneiderwerkstatt und dem Morosystem Schneiderwerkstatt Studenten Experten X
Fragen nach: Systemvariablen 27,7 Zusätzlichen Variablen 7,6 Analysen richtiger Beziehungen 12,5 Hypothesen: richtig 4,8 falsch 10,5 Planungen: richtig 4,5 2,2 irrelevant Selbstreflexionen: Positive Urteile 0,3 Ziele 7,4 Summe aller Verbalisierungen 153,6 x Mittelwerte,
S
X
S
•
Morosystem Studenten X s
Experten ä s
11,8
33,8
11,1
60,0
22,6
70,2
9,7
6,1
12,1
7,9
12,4
8,9
14,8
8,3
7,5
26,4
13,5
6,3
5,6
17,5
6,6
5,1 7,8
12,1 3,7
6,1 3,9
6,7 1,9
5,6 4,7
16,8 1,0
6,6 1,5
4,6 3,5
11,8 1,0
5,2 1,1
8,3 6,3
5,1 4,7
12,7 1,0
3,6 1,5
0,6 4,9
1,4 6,5
2,5 7,2
0,4 3,2
1,7 3,6
3,1 7,2
3,1 5,1
61,8
188,4
63,1
166,5
64,4
224,1
41,1
s: Standardabweichungen
hungen: z= 2,9) und bei Planungen (richtig: z = 2,9). Entgegen der Erwartung unterscheiden sich die Gruppen aber nicht in der Phase der Informationssammlung systematisch voneinander. Die Menge verbalisierter Lösungsprozesse ist nicht verschieden. Bei dem Morosystem verbalisieren die Experten dagegen systematisch mehr Lösungsprozesse als die Studenten (z=2,2). In der Phase der Informationssammlung unterscheiden sie sich wiederum nicht überzufällig von den Studenten. Systematische Unterschiede in erwarteter Richtung finden sich wiederum bei Analysen (richtiger Beziehungen: z—3,28), bei der Hypothesenbildung (richtig: z = 3,26), der Planung (richtig:z=3,26;irrelevant:z=— 2,98) und auch in selbstreflexiven Aussagen (Ziele: z = 2,2; positive Selbstbewertungen: z = 2,66). Intraindividuell kovariieren die verbalisierten Problemlöseprozesse in ihren Häufigkeiten bei beiden Systemen z. T. erstaunlich hoch miteinander (s. Tab. VI). Lediglich selbstreflexive Zielsetzungen, negative Urteile und irrelevante Planungen sind nicht systematisch interkorreliert. Wie in früheren Untersuchungen mit der Schneiderwerkstatt lassen sich wiederum aus der Häufigkeit verbalisierter Problemlöseprozesse im ersten Drittel der Problembearbeitung Leistungsunterschiede vorhersagen (s. Tab. VII). Diese Vorhersagen gelten n u r für die beiden Erfolgskriterien, die auch mit den subjektiven Erfolgseinschätzungen systematisch interkorreliert sind. Anders bei dem Morosystem: Mit dem Ranggütewert kovariiert kein einziger Lösungsschritt in seiner Häufigkeit überzufällig. Jeweils mit zwei einzelnen Gütewerten kovariieren lediglich die Häufigkeit von Fragen nach zusätzlichen Variablen und (negativ) die Häufigkeit von falschen Hypothesen.
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Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
Tab. VI. Interkorrelationen zwischen den Häufigkeiten verbalisierter Problemlösungsprozesse bei beiden Systemen ( N = 3 5 ) Häufigkeiten von: Fragen — nach Systemvariablen — nach zusätzlichen Variablen Hypothesen — richtig — falsch Analysen richtiger Beziehungen Planungen, richtig Selbstreflexionen - positive Urteile Verbalisierten Prozessen
Interkorrelationen ,47 ,77 ,80 ,47 ,46 ,37 ,61 ,71
Tab. VII. Interkorrelationen zwischen der Häufigkeit verbalisierter Problemlöseprozesse und zwei Gütewerten für die Schneiderwerkstatt ( N = 36) Gütewerte Verbalisierte Problemprozesse Fragen nach Systemvariablen Hypothesen: Richtig Falsch Analysen richtiger Beziehungen Planungen, richtig Selbstreflexionen : positive Urteile
Monate mit Gewinn ,30*
Kontostand ,27
,25 -,29*
,50* -,43*
,42* ,31*
,57* ,57*
-,24
,35*
Irrtumswahrscheinlichkeit p < 0 , 0 5
Auch in der Abfolge verbalisierter Problemlöseprozesse unterscheiden sich die Experten von den Studenten in erwarteter Richtung: bei der Schneiderwerkstatt beträgt der Anteil unterschiedlicher Abfolgen von je zwei Lösungsschritten 45,1 % bei den Experten und 50,4 % bei den Studenten. Dieser Unterschied ist mit einem z-Wert von 1,70 statistisch bedeutsam von Null verschieden. Bei dem Morosystem unterscheiden sich die Experten nicht mehr bedeutsam von den Studenten. Es findet sich jedoch bei beiden Gruppen eine höhere Systematik in den Abfolgen verbalisierter Prozesse: Der Anteil unterschiedlicher Abfolgen an der Summe möglicher verschiedener Abfolgen beträgt hier bei den Studenten 41,03 % und bei den Experten 36,8 %. Dieser Unterschied zwischen den beiden Systemen ist mit einem z-Wert von —3,98 (Studenten) und einem T-Wert von 0 (Experten) statistisch bedeutsam von Null verschieden (berechnet mit dem Wilcoxon-Text für abhängige Paare).
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
3. Diskussion Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, daß Expertenwissen nicht nur bei transparenten, gut definierten Problemen eine Voraussetzung für besonders erfolgreiches Problemlösen ist: Wirtschaftswissenschaftliche Experten unterscheiden sich bei einem ökonomischen, intransparenten Problem sowohl in ihrem Wissenserwerb als auch in ihren Problemstrategien in erwarteter Richtung von studentischen Nichtexperten, so daß sie insgesamt systematisch bessere Leistungen erzielen als diese. Doch auch bei einem ökologischen intransparenten Problem erwerben wirtschaftswissenschaftliche Experten mehr Sygtemwissen und verbalisieren in größerem Umfang als Nichtexperten Problemlöseprozesse, die erfolgreiche Problemlösestrategien kennzeichnen. Diese Unterschiede lassen sich nicht durch bereichsspezifisches Wissen erklären, sondern müssen auf generalisierbares Systemwissen und auf Unterschiede in heuristischen Strategien zurückgeführt werden. Übereinstimmend erwerben die Experten bei beiden Systemen mehr „richtiges" Systemwissen, obwohl sie nicht mehr Daten über die Systeme einholen als die Nichtexperten (s. Frageverhalten). Experten müssen sich also von den Nichtexperten in der Verarbeitung der eingeholten Daten unterscheiden. Das ist auch der Fall. Übereinstimmend generieren sie bei beiden Systemen mehr richtige Hypothesen, sie analysieren häufiger Verknüpfungen zwischen Variablen richtig und formulieren häufiger in richtigen Planungen die angestrebten Effekte ihrer Entscheidungen. Einen „direkten" Beleg für systematische Unterschiede in der Steuerung des Problemlöseverhaltens stellen die bei dem ökologischen Problem gefundenen Unterschiede in den selbstreflexiven Aussagen dar: Die Experten verbalisieren hier systematisch häufiger allgemeine Ziele für ihr Vorgehen und bewerten ihr Verhalten häufiger positiv als die Nichtexperten. Diese Ergebnisse belegen eindrucksvoll zum einen die Unterschiede in der Steuerung der Problemlösestrategien zwischen Experten und Nichtexperten. Zum anderen sprechen sie für die postulierten übereinstimmenden Anforderungen der beiden Probleme. Für übereinstimmende Anforderungen spricht weiterhin, daß alle Problemloser bei dem zweiten Problem durchschnittlich eine höhere Systematik in der Abfolge verbalisierter Problemlöseprozesse aufweisen als bei dem ersten Problem. Hierin sehen wir einen generalisierbaren Übungseffekt von einem intransparenten Problem auf ein zweites. Auf diese Übereinstimmungen zwischen den Problemen führen wir auch die intraindividuellen Konsistenzen in den erhobenen Verhaltensdaten zurück: tendenziell kovariieren die Leistungswerte bei beiden Problemen systematisch miteinander. Deutlicher kovariieren die Kennwerte für das jeweils erworbene Systemwissen und die Häufigkeiten, in denen unterschiedliche Problemlöseprozesse verbalisiert werden. Danach stimmen Problemloser bei zwei verschiedenen Problemen vor allem in der Menge verbalisierter richtiger Hypothesen und in der Häufigkeit überein, in der sie nach zusätzlichen, im System nicht vorhandenen Variablen fragen. Hypothesengenerierung und Informationssammlung sind beides Phasen der Problembearbeitung,* die auf Verminderung von Intransparenz gerichtet sind. Nach unseren Ergebnissen sind sie weniger von be-
Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
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reiehsspezifischem Wissen abhängig, als vielmehr heuristischen Strategien zur Bewältigung von Intransparenz zuzurechnen. Für diese Interpretation spricht, daß sich Experten einerseits in der Informationssammlung nicht von Studenten unterscheiden und andererseits unterschiedslos bei beiden Problemen systematisch mehr richtige Hypothesen generieren als diese. Von bereichsspezifischem Wissen ist jedoch deutlich abhängig, wie häufig falsche Hypothesen formuliert werden: Studenten nennen bei dem ökonomischen Problem systematisch mehr falsche Hypothesen als die Experten. Bei dem ökologischen Problem unterscheiden sich beide Gruppen dagegen nicht mehr bedeutsam voneinander, sie formulieren übereinstimmend selten falsche Hypothesen. Vergleichsweise die niedrigsten intraindividuellen Übereinstimmungen finden sich in den Häufigkeiten, mit denen richtige Planungen formuliert werden: Danach ist die Umsetzung des Systemwissens in Handeln stärker von bereichsspezifischem Wissen als von generalisierbaren Strategien determiniert — wenn auch Experten bei beiden Problemen häufiger richtige Planungen formulieren als die Studenten. Angesichts der replizierbaren Unterschiede zwischen Experten und Nichtexperten bei zwei inhaltlich unterschiedlichen Problemen mag erstaunen, daß systematische Leistungsunterschiede nur bei dem ökonomischen Problem auffindbar sind. Hier waren drei Zielvariablen gemeinsam zu berücksichtigen. Problemloser ohne Expertenwissen haben hier nur die beiden Käpitalvariablen — ohne Berücksichtigung der dritten Zielvariable Lohn — beachtet. (Dabei setzten Problemloser mit höheren Intelligenztestwerten den Lohn sogar niedriger fest als Personen mit niedrigen Intelligenztestwerten). Demgegenüber erzielen die Experten in allen drei vorgegebenen Zielvariablen systematisch höhere Werte als die Nichtexperten. Der Effekt bereichsspezifischen Wissens ist also darin zu sehen, daß scheinbar einander widersprechende Zielvariablen gemeinsam und gleichgewichtig berücksichtigt werden. Diesem Ergebnis entspricht die Annahme, Expertenwissen unterscheide sich von dem Wissen von Nichtexperten nicht allein durch die Menge, sondern vor allem durch die Struktur (s. Chase und Simon 1973; Reitmann, 1976). J e höher der Vernetzungsgrad des Wissens ist, desto eher können verschiedene Zielvariablen in sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Diese Annahme gilt jedoch nicht für das Morosystem. Hier waren insgesamt fünf Zielvariablen zu beachten. Entgegen unserer Erwartung haben sich die Problemloser hier nicht hochübereinstimmend an allen Zielvariablen orientiert. Da die ökonomischen Experten der Annahme nach nicht auch über ökologisches, hochvernetztes Expertenwissen verfügen, gelingt es ihnen nicht, die Zielvariablen miteinander übereinstimmend zu verknüpfen und gleichgewichtig zu beachten. Nur so ist erklärbar, daß die Experten sich zwar in ihren Strategien und der Menge erworbenen Systemwissens von Nichtexperten unterscheiden, nicht jedoch in übereinstimmend besseren Werten in den Zielvariablen. Dem entspricht, daß sich — im Gegensatz zu der früheren Untersuchung — interindividuelle Leistungsunterschiede weder aus quantitativen Kennwerten für das Systemwissen noch aus quantitativen Kennwerten für Problemlösestrategien vorhersagen lassen. Wir vermuten, daß Problemloser interindivi6
Z. Psychologie 195-1
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
duell die Zielvariablen unterschiedlich ausgewählt und gewichtet haben, so daß sie inhaltlich nicht mehr vergleichbare Systemausschnitte bearbeitet haben. Für diese Interpretation sprechen nachträgliche inhaltliche Analysen der von den Problemlosem angesprochenen Themenbereiche: Allein sechs Studenten und ein Experte erwähnen im ersten Drittel der Problembearbeitung die Zielvariable Grundwasser überhaupt nicht. Betrachtet man die relativen Häufigkeiten, in denen Problemloser über die anderen Zielvariablen sprechen, werden große Unterschiede deutlich: Aussagen über das Kapital machen z. B. zwischen 1 und 22 % (Experten 11 bis 35 %) aller thematisch trennbaren Äußerungen aus. Besonders groß sind interindividuelle Unterschiede in dem relativen Anteil, den das Thema „Hirseanbau" (ein für die Zielvariablen eher unwichtiger Bereich) einnimmt: er liegt zwischen 6 und 52 % (Experten: 13 und 44 %). Wir führen diese unterschiedliche Gewichtung der Zielvariablen auf Unterschiede im bereichsspezifischen ökologischen Wissen sowohl der Experten als auch der Studenten zurück. Expertenwissen hat nach den Ergebnissen dieser Arbeit neben bereichsspezifischen, vor allem generalisierbare Effekte auf den Umgang mit intransparenten, komplexen Problemen. Nun mag man einwenden, daß vermutlich nicht so sehr heuristische Strategien, sondern vielmehr nichtkognitive Variablen, wie z. B. Selbstsicherheit (s. Dörner, 1983) entscheidende Determinanten für das Problemlöseverhalten sind. Gegen die Interpretation spricht, daß die Experten gerade das Moroproblem, bei dem sie ihr Verhalten systematisch häufiger als Nichtexperten positiv bewerten, nicht erfolgreicher bearbeiten. Doch ist noch nicht auszuschließen, daß die gefundenen Unterschiede durch unbekannte, konfundierende Variablen mitbestimmt wurden/ Deshalb soll die vorliegende Untersuchung mit ausgewählten Studenten und Assistenten der Wirtschaftswissenschaften wiederholt werden, um die Replizierbarkeit der gefundenen Effekte an besser vergleichbaren Personenstichproben überprüfen zu können. Dabei können z. B. die Testintelligenz von Experten kontrolliert und durch Wissensabfragen unsere Hypothesen über die bereichsspezifischen Wissensunterschiede direkt überprüft werden. Zusammenfassung Professoren der Wirtschaftswissenschaften, als ökonomische Experten, werden mit unausgewählten Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen bei der Bearbeitung eines ökonomischen und eines ökologischen computersimulierten Systems miteinander verglichen. Dabei wird untersucht, wie weit Expertenwissen auch bei intransparenten Problemen systematisch den Aufbau von Problemrepräsentationen, den Einsatz von heuristischen Strategien und den Erfolg der Problembearbeitung beeinflußt. Die generalisierbaren Unterschiede zwischen Experten und Nichtexperten bei beiden Systemen werden auf die effektiveren heuristischen Strategien der Experten zurückgeführt. Als bereichsspezifischer Wissenseffekt wird die gemeinsame Berücksichtigung konträrer Zielvariablen durch die Experten bei dem ökonomischen System interpretiert. Beziehungen zwischen Wissenserwerb, Problemlösestrategien und Erfolgskriterien für dasProblemlösen werden diskutiert und Aspekte derGeneralisierbarkeit der Problemanforderungen angesprochen.
Putz-Osterloh, Experten und komplexe Probleme
83
Summary Professors of economics as experts are compared with nonselected university students from different fields of subjects dealing with one economically and one ecologically oriented computer simulated system. The effect of expert knowledge on the representation of problems, on the use of heuristic strategies, and on the success in problem solving is investigated. The generalizability of differences found between experts and non-experts working on the two problems is interpreted as evidence t h a t the experts use more effective heuristic strategies than the students. Relations between acquisition of knowledge, problem solving strategies and criteria for success are discussed as well as aspects of generalizing problem demands.
Pe3ioi»e IIpo^eccopaM skohomhhöckhx Hayn, BucTynaBiiiHM b KaiecTBe ancnepTOB, h oiyiaftHo BtißpaHHtiM CTyHeHTaM paanHHHtix aKyjibTeTOB npeflJiaraJiHCb rjih paapaßoTKH no oflHoft 9kohommhgckoä h aKonoraHCCKOÖ CHCT6M6, CHMyjIHpOBaHHOft Ha 9 B M , H pe3yJIbTaTH CpaBHHBajfflCb MeHtAy COÖOtt. IIpH 3T0M HCCjieaoBaJiocb, Ha cKJiontKo BejiHKo CHCTeMainiecKoe bjiiihhhg aKcnepTHoro 3HaHHH hh nocTpoeHne BHyTpeHHöro OTpamemiH npoßjieM, Ha HcnoJifcaoBaHiie BBpiicTirtecKHX CTpaTerKÄ h Ha ycneniHocTb pa3pa6oTKH TaKHte h b cnyqae HeTpnBHajibHHx npoSneM. PasjiimHH b pe3yjn>TaTax oncnepTOB h HeaKcnepTOB npw pa3pa6oTKe oöohx CHCTeM oömchhiotch öoaee e$$eKTHBHMMH SBpiicTHiecKnMH cipaTethhmh aKcnepTOB. K a n cnemiaJibHwx 3HaHntt paojeHHBaeTCti to, hto OKCnepTaM ynaeTCH 0flH0BpBMeHHO yiHTHBaTb npoTHBonojiOJKHHe qejieBtie. nepeMeHHbie. 06cyjKj;aeTCH-CBH3b Meatfly noJiyneimeM 3HaHHß, CMpaTerHHMH peuieHHH npoöneM h KpiiTepHHMH ycneniHOCTH npa pemeHHH npoöjieit h 3aTpathbhiotch acneKTH oömeft 3HaiHMOcra Tpe6oBaHirtt, BHTeKawmax hc paccMaTepHHaeMbix npoQneM.
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
Krause, W.: Problemlösen - Stand und Perspektiven. Teil I und II. Z. Psychol. -90 (1982) 141-169. Lewis M. W.; Anderson J . R . : Discrimination of operator Schemata in problem solving: Learning from examples. Cogn. Psychol. 17 (1985) 26-65. Opwis, K . ; Spada, H.: Erwerb und Anwendung von Wissen über ökologische Systeme. In: Ber. 34. Kongr. DGfPs. in Wien 1984. Hrsg. Albert, D. Göttingen: Hogrefe 1985. S. 258-260. Pitt, R. B. Development of a general problem-solving-schema in adolescent and early adulthood. J . E x p . Psychol.: General 112 (1983) 547-584. Putz-Osterloh, W.: Über die Beziehung zwischen Testintelligenz und Problemlöseerfolg. Z. Psychol. 189 (1981) 79-100. Putz-Osterloh, W.: Über Determinanten Komplexer Problemlöseleistungen und Möglichkeiten zu ihrer Erfassung. Sprache und Kognition 2 (1983) 100-116. Putz-Osterloh, W.: Selbstreflexionen, Testintelligenz und interindividuelle Unterschiede in der Bewältigung komplexer Probleme. Sprache und Kognition 4 (1985 im Druck). Simon, H. A.; Hay^s, J . R . : Understanding complex task instructions. In: Cognition and instruction." Hrsg. Klahr, D. Hillsdale, N. J . : Erlbaum 1976. S. 269-285. Eingegangen am 15. 3. 1986 Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. Wiebke Putz-Osterloh Institut für Psychologie Technische Hochschule Aachen Jägerstr. 17/19, D - 5100 Aachen Z. Psychol. 195 (1987) 84
Buchbesprechungen Nuttin, J . ; with the collaboration of Leas, W.: Future time perspective and motivation. Theory and resea^ch method. 235 S., 2 4 x 1 6 cm. Leuven: University Press/Lawrence Erlbaum Associates 1985. Louvain Psychology Series: Studia Psychologica. Paperback. 850 B. F. Die subjektive Zeitperspektive stellt eine der fundamentalen Dimensionen der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung dar. Während die objektive Zeit als physikalische Dimension vergleichsweise einfach zu messen ist, stellt die psychologisch relevante Operationalisierung der subjektiven Zeit ein äußerst schwieriges methodisches Problem dar. Um so begrüßenswerter ist es, daß mit dem vorliegenden Werk ein Buch mit methodologisch-methodischen Prinzipien und Techniken vorliegt, die einen wesentlichen paradigmatischen Zugang zu diesem Problemgebiet aufzeigen. Sein besonderer Wert besteht zudem darin, daß es aus einer jahrzehntelangen Forschung des Autors zu dieser Thematik hervorgegangen ist und damit die methodische und theoretische Quintessenz der Untersuchungen des „Research Centerfor Motivation and Time Perspective" darstellt. Es ergänzt in methodischer Hinsicht das stärker thematisch orientierte Werk desselben Autors zu dieser Thematik aus dem Jahre 1984. Nach einem mehr theoretisch ausgebauten ersten Kapitel („Eine Theorie der Zeitperspektive"), werden in sechs nachfolgenden Kapiteln und drei Anhängen spezielle Einzelheiten methodischer Prozeduren ausführlich und an Beispielen erläutert vorgestellt. Methodentheoretisch gesehen, stellen die verschiedenen Methoden — in der Regel seht gut standardisierte — quasiexperimentelle Verfahren dar, so z. B. contentanalytische Verfahren, konzeptorientierte Ratingverfahren, Einstellungsmeßskalen. Auch die Kodierungsvorschriften z. B. für die contentanalytischen Prozeduren werden ausführlich dargestellt, so daß auch von der speziellen datenanalytischen Seite der Methoden her gesehen, eine Reproduzierbarkeit der Verfahren möglich ist. Bleibt zum Abschluß nur noch mit Dankbarkeit hinzuzufügen: Endlich wieder einmal ein „Methodenbuch", das nicht zu früh und daher nach dem Prinzip „Vogel friß oder stirb" geschrieben wurde. L. und Helga Sprung (Berlin)
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Z. Psychol. 195 (1987) 1
Krause, W.: Problemlösen - Stand und Perspektiven. Teil I und II. Z. Psychol. -90 (1982) 141-169. Lewis M. W.; Anderson J . R . : Discrimination of operator Schemata in problem solving: Learning from examples. Cogn. Psychol. 17 (1985) 26-65. Opwis, K . ; Spada, H.: Erwerb und Anwendung von Wissen über ökologische Systeme. In: Ber. 34. Kongr. DGfPs. in Wien 1984. Hrsg. Albert, D. Göttingen: Hogrefe 1985. S. 258-260. Pitt, R. B. Development of a general problem-solving-schema in adolescent and early adulthood. J . E x p . Psychol.: General 112 (1983) 547-584. Putz-Osterloh, W.: Über die Beziehung zwischen Testintelligenz und Problemlöseerfolg. Z. Psychol. 189 (1981) 79-100. Putz-Osterloh, W.: Über Determinanten Komplexer Problemlöseleistungen und Möglichkeiten zu ihrer Erfassung. Sprache und Kognition 2 (1983) 100-116. Putz-Osterloh, W.: Selbstreflexionen, Testintelligenz und interindividuelle Unterschiede in der Bewältigung komplexer Probleme. Sprache und Kognition 4 (1985 im Druck). Simon, H. A.; Hay^s, J . R . : Understanding complex task instructions. In: Cognition and instruction." Hrsg. Klahr, D. Hillsdale, N. J . : Erlbaum 1976. S. 269-285. Eingegangen am 15. 3. 1986 Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. Wiebke Putz-Osterloh Institut für Psychologie Technische Hochschule Aachen Jägerstr. 17/19, D - 5100 Aachen Z. Psychol. 195 (1987) 84
Buchbesprechungen Nuttin, J . ; with the collaboration of Leas, W.: Future time perspective and motivation. Theory and resea^ch method. 235 S., 2 4 x 1 6 cm. Leuven: University Press/Lawrence Erlbaum Associates 1985. Louvain Psychology Series: Studia Psychologica. Paperback. 850 B. F. Die subjektive Zeitperspektive stellt eine der fundamentalen Dimensionen der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung dar. Während die objektive Zeit als physikalische Dimension vergleichsweise einfach zu messen ist, stellt die psychologisch relevante Operationalisierung der subjektiven Zeit ein äußerst schwieriges methodisches Problem dar. Um so begrüßenswerter ist es, daß mit dem vorliegenden Werk ein Buch mit methodologisch-methodischen Prinzipien und Techniken vorliegt, die einen wesentlichen paradigmatischen Zugang zu diesem Problemgebiet aufzeigen. Sein besonderer Wert besteht zudem darin, daß es aus einer jahrzehntelangen Forschung des Autors zu dieser Thematik hervorgegangen ist und damit die methodische und theoretische Quintessenz der Untersuchungen des „Research Centerfor Motivation and Time Perspective" darstellt. Es ergänzt in methodischer Hinsicht das stärker thematisch orientierte Werk desselben Autors zu dieser Thematik aus dem Jahre 1984. Nach einem mehr theoretisch ausgebauten ersten Kapitel („Eine Theorie der Zeitperspektive"), werden in sechs nachfolgenden Kapiteln und drei Anhängen spezielle Einzelheiten methodischer Prozeduren ausführlich und an Beispielen erläutert vorgestellt. Methodentheoretisch gesehen, stellen die verschiedenen Methoden — in der Regel seht gut standardisierte — quasiexperimentelle Verfahren dar, so z. B. contentanalytische Verfahren, konzeptorientierte Ratingverfahren, Einstellungsmeßskalen. Auch die Kodierungsvorschriften z. B. für die contentanalytischen Prozeduren werden ausführlich dargestellt, so daß auch von der speziellen datenanalytischen Seite der Methoden her gesehen, eine Reproduzierbarkeit der Verfahren möglich ist. Bleibt zum Abschluß nur noch mit Dankbarkeit hinzuzufügen: Endlich wieder einmal ein „Methodenbuch", das nicht zu früh und daher nach dem Prinzip „Vogel friß oder stirb" geschrieben wurde. L. und Helga Sprung (Berlin)
Z. Psychol. 195 (1987) 8 5 - 9 9
J. A. Barth, Leipzig/DDR
Aus dem Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Das Verkürzungskontinuum möglichen Lösungswissens beim Turm von Hanoi Teil II Von H. Filibrandt Mit 6 Abbildungen
Teil I der Arbeit erschien im H e f t 4 (1986) 465—487. In ihr wird ein K o n t i n u u m z u n e h m e n d effektiverer Lösungsfindung f ü r das Problem „ T u r m von H a n o i " vorgeschlagen. Auf der Basis einer e x a k t e n heuristischen R ü c k w ä r t s p l a n u n g wurde eine deterministische abgeleitet, die im folgenden immer weiter v e r k ü r z t wird.
6. Optimierung der deterministischen Rückwärtsplanung Die deterministische R ü c k w ä r t s p l a n u n g ( R W P ) der Abbildung 5 des Teils I ist aus der Sicht des „ e r f a h r e n e n " T. v. H.-Lösers noch „langwierig" bzw. „umständlich". W a r solcher Tadel bei der heuristischen Planungsprozedur berechtigt u n d wurde diese durch Regeln abgelöst, so k a n n sich der Vorwurf auch j e t z t n u r auf die (inzwischen deterministischen) Planungsprozesse beim Einsatz des einen v e r f ü g b a r e n O P beziehen. Diese Prozesse sind also durch F i n d u n g weiterer Regeln weiter zu verkürzen, d a m i t der nicht b e o b a c h t b a r e A u f w a n d an I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g in der „black b o x " weiter einzuschränken ist. Das soll jetzt geschehen. 6.1. Teilweise
Verkürzung des
Abbau-RWP-Kreises
Drei Regeln erlauben die teilweise Verkürzung der A b b a u - R W P . a) Gleichgültig, welche US in die A b b a u - R W P eingehen, sie bildet diese Scheiben i m m e r auf Sj ab, denn die oberste Scheibe der eingehenden T ü r m e ist immer S t . Das erlaubt ein Überspringen aller durchgespielten BS-Zwischenzustände. Das Durchspielen wird durch die Regel „ B S ^ S ^ ' ersetzt. b) Dadurch, d a ß b e i m Durchspielen der ZO-Zustände eine Zweier-Periode a u f t r i t t u n d Zahlen die Eigenschaft besitzen, gerad- oder ungeradzahlig zu sein, eine Eigenschaft, die nicht durchgespielt zu werden b r a u c h t , sondern ihnen direkt „anzusehen" ist, k a n n die Periode auf die bereits b e k a n n t e , d. h. lernsystem-intern bereits a u f g e b a u t e Ordnung der gerad- u n d ungeradzahligen Zahlen abgebildet werden, das Durchspielen auf das Zählen. Da die US als erste Scheibe des Zählens von u n t e n eine ungeradzahlige ist, werden alle ungeradzahligen d o r t h i n gelegt, wohin die u n t e r s t e zu legen ist, alle geradzahligen z u m verbleibenden ZO. c) Die Zählrichtung (von u n t e n n a c h oben oder umgekehrt) spielt keine Rolle. Somit resultiert scheinbar, i n d e m bei der obersten Scheibe m i t der Zählung begonnen wird, ein
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„Vorwärts"-Algorithmus, d. h. ein Algorithmus ohne RWP. Tatsächlich ist das Zählen ein verkappter RWP-Kreis. Man kann es als fortgesetzte Anwendung des OP „i: = i + l " auf den durch ihn definierten Platzhalter „ i " (Klasse der natürlichen Zahlen) auffassen, oder als fortgesetztes Zuordnen der bereits aufgebauten Zahlenfolge zu- den Scheibenzuständen. Natürlich kann die Zuordnung auch unterbleiben, da die Zweier-Periode der beiden jeweils möglichen ZO direkt an den Scheiben durchgespielt werden kann, nur von unten nach oben. 6.2. Ersetzung
der BS-Regel
des
Zielaufbaukreises
Gleichgültig welche US in die RWP eingehen, S t ist immer die nächste tatsächlich bewegte Scheibe. Damit können alle BS-Zulieferregeln entfallen bzw. durch „ B S : = S t " ersetzt werden. Für den Zielaufbaukreis bedeutet dies die Ersetzung seiner BS-Regel, jedoch (noch) nicht seinen Fortfall, da der Kreis wegen seiner ZO-Regel noch zu erhalten ist. 6.3.
Zusammenfassung
Ausgangs
der Abfrage
des negativen „Liegt
Ausgangs
der Abfrage
am ZO eine kleinere
„BS
freiP"
und des
positiven
ScheibeP"
Bei diesen Ausgängen sind die beiden BS-Regeln verschieden, die ZO-Regeln identisch. Die beiden BS-Regeln können ebenfalls durch „ B S : = S / ' ersetzt werden. Damit besteht kein Unterschied mehr zwischen dem negativen und positiven Ausgang, die Reaktion auf diese Ausgänge kann zusammengefaßt werden. 6.4. Ausschaltung
der Abfragen
bezüglich
der
US
Verzweigungsregeln können u. a. dann entfallen, wenn in den Zweigen dieselben Regeln folgen. Scheinbar sind die BS- und ZO-Regeln der Abfragen „War BS U S ? " und „War B S eine die Bewegung verhindernde U S ? " verschieden. Tatsächlich ist eine der beiden BS-Regeln und eine der beiden ZO-Regeln die allgemeinere und kann die jeweils andere ersetzen. So ersetzt die Regel „ B S : = die auf die US am ZO gemäß Anfangsordnung folgende Scheibe" die Regel „ B S : = die (durch die Bewegung von BS) befreite Scheibe". Was den positiven Ausgang der Abfrage „War B S eine die Bewegung verhindernde Scheibe?" betrifft, so ist das leicht erkennbar. Was den negativen Ausgang der Abfrage „War B S U S ? " betrifft (Verbleiben im VWR-Kreis), so gilt die Beobachtung, daß jedesmal, wenn die Regel „ B S : = die (durch die Bewegung von BS) befreite Scheibe" eine neue tatsächlich bewegte Scheibe bestimmt, diese nach (!) dem Ablegen am ZO US ist. Ferner ersetzt die Regel „ZO : = der Ort, der nicht der bisherige ZO ist und auf dem nicht B S liegt" die Regel „ZO : = Herkunftsort der U S " . Mit diesem Nachweis gleicher BSund ZO-Regeln unabhängig von den Ausgängen der beiden Abfragen können diese entfallen. Ein erster Nachteil ist allerdings, daß jetzt die Abfrage „ B S frei?" in bestimmten Fällen unnötigerweise durchlaufen wird. Ein weiterer Nachteil liegt darin, daß die „indirekteren" Regeln die allgemeineren sind. Abbildung 6 zeigt den gegenwärtigen Stand der Verkürzung.
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Abb. 6. Verkürzung der deterministischen Rückwärtsplanung in Abbildung 5 aus Teil I
6.5 Ersetzung der Abfragen „BS frei?" und „Liegt am ZO eine kleinere
Scheibe?"
Jedes zweite Mal ist eine Operation, die von der BS- und ZO-Regel des VWR-Kreises bestimmt wird, nicht ausführbar, sei es, weil BS nicht frei liegt oder sei es, weil am ZO eine kleinere Scheibe liegt. Jedes zweite Mal sind deshalb die BS- und ZO-Regeln anzuwenden, die zu einer erneuten RWP überleiten. Da diese von der Art der Abfrage unabhängig sind, ist es jedes zweite Mal egal, was abgefragt wird. Beide Abfragen können durch die eine Abfrage, ob das erste oder zweite Mal vorliegt, ersetzt werden. Beim zweiten Mal wird automatisch zu den überleitenden BS- und ZO-Regeln gegangen, beim ersten Mal zu den BS- und ZO-Regeln der VWR. Die Art der Abfrage ist leicht gefunden. Da die überleitende BS-Regel „BS : = S^' lautet, wird jedes zweite Mal B S = Sj. Damit liegt ein
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Kriterium vor, wann das erste bzw. zweite Mal gegeben ist. Ist B S = S l 5 so liegt das zweite Mal vor, sonst das erste Mal. Die Abfrage „BS = S t ? " wäre nach der ausführenden Operation einzusetzen. 6.6. Fortfall der eben eingeführten Abfrage „BS= S^' und Fortfall des
VWR-Kreises
Der VWR-Kreis hat seine Existenzberechtigung verloren, da er pro Aktivierung nur noch einmal durchlaufen wird. In Abbildung 6 steht er nur noch da, damit der Kasten „Operation B S nach ZO" nicht zweimal hinzuschreiben ist. Indem wir das jedoch tun, nämlich solchen Kasten auch nach der BS- und ZO-Regel der VWR einfügen, kann der Kreis und mit ihm auch die Abfrage „ 6 8 = 8 ! " entfallen, denn nach dem Durchlauf dieses Kastens ist B S ^ S i und es ist zur RWP überzugehen. 6.7. Fast-Fortfall
des
Zielaufbaukreises
Die ZO-Regel des Meta-Kreises „ZO : = jener Ort, auf dem die Scheibe liegt, die gemäß Anfangsordnung auf die unterste folgt" vermag fast die ZO-Regel „ZO : = C" des Zielaufbaukreises zu übernehmen. Ist S n nach C gebracht, so liegt S n als unterste auf B und ihr ZO
Abb. 7.
Verkürzung des Algorithmus in Abbildung 6
1 Wenn S n unterste Scheibe, dann folgt BP(C)
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kann mit der allgemeineren Regel bestimmt werden. Gleiches gilt f ü r die weiteren Scheiben. Nur f ü r S n ist die allgemeinere Regel nicht anwendbar, denn auf diese folgt in der Anfangsordnung keine weitere Scheibe, es sei denn, per Definition durch die Problemstellung, Platz C. Die Fußnote in den Kästen der ZO-Regel für die R W P in Abbildung 7 ist entsprechend zu erklären. Mit dem Zielaufbaukreis fällt auch die Kontrolle fort, wann der ZZ vollständig realisiert worden ist. Wir fügen ersatzweise zunächst die allgemeine Abfrage „ZZ erreicht"? ein und diskutieren die Frage im Abschnitt 6.10 unten eingehender. Mit dem Flußdiagramm in Abbildung 7 liegt nunmehr ein Algorithmus vor, der nur noch einen einzigen Kreis besitzt, abgesehen vom Zählen als Kreis der ZO-RWP. Die Verkappung dieser R W P ist umso größer, weil mit dem Zählen auch bei Sj begonnen werden kann. Scheinbar liegt also jetzt ein Algorithmus ohne R W P vor, einer, der n u r noch vorwärts plant, zudem nur solche Operationen, die sofort ausführbar sind. 6.8. Vereinfachung der BS- und ZO-Regel für die zweite Operation im Kreis Die Regel, daß in jeder ersten Operation des jetzt einen Kreises S t bewegt wird, vermag gewisse Zwänge auf die folgende zweite Operation auszuüben. Für diese lassen sich daher nach Erkennen der S^-Regel auch andere BS- und ZO-Regeln finden, z. B. „ B S : = die (nach Sj) nächstgrößere freiliegende Scheibe", wobei die Eigenschaft "nächstgrößere" nicht immer getestet zu werden braucht. Die ZO-Regel lautet z. B. „ZO :— der Ort, auf dem nicht S t liegt" oder einfacher „ZO der andere Ort", wobei der Herkunftsort der neuen BS als ausgeschlossen gilt. 6.9. Ausschaltung
des Zcthlens pro R WP
Wenn man den Algorithmus der Abbildung 7 weiter noch wesentlich verkürzen will, dann n u r dort, wo noch der Rest einer R W P besteht. Man muß sich fragen, ob das Zählen pro Kreisdurchlauf wirklich notwendig ist. Der Kreis im Kreis h a t hier n u r die Aufgabe, das ZO-Ergebnis zu erzeugen. Einen solchen Kreis kann m a n dann ersetzen, wenn es gelingt, eine Regel zu finden, die im Takt des übergeordneten Kreises aus einem ZO-Ergebnis das nächste erzeugt. Da die ZO keiner Ordnung angehören, muß nach einer ZO-Periode gesucht werden (Stiftung einer neuen Ordnung). Das Suchergebnis l a u t e t : Wenn die Zahl der Scheiben des Anfangsturms ungerade sind, ergibt sich die Periode CBA, sonst BCA. Die anzuwendende Regel im Takt des Kreises heißt „ZO nächster Ort im ZOKreis CBA bzw. BCA". Damit braucht nur noch ein einziges Mal gezählt zu werden, der Zählerkreis ist zu einem Kreis vor der Anwendung des Hauptkreises geworden (Ausklammerung), die Z O - R W P pro Teilturm zu einer einzigen geschrumpft. Mit dem Nachweis der neuen Regel entfällt auch die bisherige ZO-Regel der Bestimmung der US des jeweiligen Teilturms und das mit ihr verbundene Ausschlußverfahren. Im Verein mit der neuen BS-Regel des Abschnitts 6.8 kann damit der bisher zentrale Begriff der US verschwinden, mit ihm die Forderung nach der Gleichabständigkeit der Scheiben des Anfangsturms. Es genügt jetzt wieder die Rangordnung. Das Verschwinden des Begriffs
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zeigt, weil allgemein die Folge der Verkürzung, wie in einem Lernprozeß zwischenzeitliche Begriffe (Regeln) aufgestellt werden können, die später wieder im Interesse größerer Einfachheit aufzugeben sind. 6.10. Ausschaltung von Kreisabbrechern Wir glauben nicht, daß es unumgänglich ist, bei jedem Kreisdurchlauf bzw. nach jeder Bewegung von S t zu fragen, ob der ZZ erreicht ist. Vpn tun dies auch nicht. Tatsächlich hat uns bei vielen Kreisen unserer Flußdiagramme nur die übliche Anlehnung an die Flußdiagramme für ältere Computer-Programmsprachen dazu verleitet, das Kriterium für den Abbruch Runde für Runde abzufragen. (So ist es z. B. in der Programmsprache Algol nicht möglich, Kreisprozesse ohne „if-statement" zu formulieren.) Vpn wissen oft. schon vorher über den Ausgang einer Abfrage Bescheid und vermögen sie so zu überspringen. Im vorliegenden Fall besteht das Wissen darin, daß der ZZ erreicht ist, wenn nach einer letzten Bewegung von Si die folgende BS-Regel nicht mehr anwendbar ist, weil keine nächstgrößere freiliegende Scheibe mehr existiert. Entsprechend kann man solange weitermachen, bis es nicht mehr weiter geht, d. h. die veränderte Situation keine weitere Anwendung der Kreisregel mehr zuläßt. Das Wissen liegt in ihrem EGS, das bestimmte Situationseigenschaften als Anwendungsvoraussetzungen verlangt. Der Kreisabbruch von außen bedeutet die Erreichung des ZZ. Abbildung 8 zeigt den nunmehr optimalen Algorithmus. In ihm liegen keine if-statements mehr, was ihn zu einem „vollautomatischen" macht. Die Planung in der „black b o x " ist auf das einmalige Zählen der Scheiben des Anfangsturms reduziert (abstrahiert). Sonst
Abb. 8. Optimaler vollautomatischer Geradeaus-Algorithmus duTch weitere Minimierung der ZO-Restplanung
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werden nur Operationen geplant, die sofort realisierbar sind. Damit sind keinerlei Zwischenspeicherungen der Planungen erforderlich. Mit dem Verschwinden von Abfragen und Schleifen belegt das Lösungsprogramm nur noch ein Minimum an Speicherplatz bei maximaler Lösungsgeschwindigkeit. Damit haben wir lückenlos gezeigt, wie aus dem -heuristischen Lösungsalgorithmus der R W P durch fortgesetzte Verkürzung („Übung") ein optimaler deterministischer Lösungsalgorithmus entstehen kann.
7. Die Einordnung vier bekannter Lösungsalgorithmen in das Yerkürzungskontinuum 7.1. Die Move- Pattern-Strategy von Simon Simon (1975) beschreibt diese Strategie wie folgt: In any given Tower of Hanoi situation, there are at most three legal moves: (1) and (2), the smollest exposed disk can move to either of two pegs; and (3) the next-smallest exposed disk, if there is one, can be placed atop the largest exposed disk or on an empty peg. The largest exposed disk, if no pegs are empty, cannot be moved, because the top disks on the other pegs are smaller than it is. Consider now the following strategy: 1. On odd-numbered moves, move the smallest disk; 2. On evennumbered moves, move the next-smallest disk that is exposed; 3. Let peg S be the initial source peg, T the target peg, and O the other peg. Then if the total number of disks is odd, the smallest disk is always moved from S to T to 0 to S, and so on; while if the total number of disks is even, the smallest disk is always moved in the opposite cycle: from S to 0 to T to S, and so on.
Übersetzen wir diese verbalen Angaben in ein Flußdiagramm, unter Benutzung unserer Nomenklatur, so entspricht dieses weitgehend jenem in Abbildung 8, mit folgenden Anmerkungen: 1) Statt von nächstgrößerer Scheibe spricht Simon von nächstkleinerer, 2) Der Nicht-Sj-Ort wird bei ihm durch die Eigenschaft „größte freiliegende Scheibe" oder „leerer Ort" bezeichnet. 3) Während Simon im weiteren anmerkt, daß der Ziel-Kreis für die kleinste Scheibe in den Langzeitspeicher eingebracht werden kann, meint er, daß die Paritäts-Information in das Kurzzeitgedächtnis gehört. Das und die Hervorhebung von „odd-even-numbered moves" deuten darauf hin, daß er pro Kreisdurchlauf diese Information abfragt bzw. sich erinnert, ob die letzte Operation gerade bzw. ungerade war. 4) Bezeichnenderweise macht Simon keine Angaben über das Kriterium des Erreichens des ZZ. Der Simonsche Algorithmus wird bereits von Klix und Mitarb. (1963) und von Sydow (1970) erwähnt. Bei Klix und Mitarb. wird die Nicht-Si-Scheibe (noch) mit „nächstgrößere der untersten Scheiben des Haufens, auf dem die kleinste liegt" beschrieben (S. 130). 7.2. Der „logische" Algorithmus von Klix und Mitarb.
(1963)
Wir geben den Algorithmus in Abbildung 9 in der ausführlichen Fassung von Sydow (1970, S. 179) wieder, wobei wir aus der dortigen Ljapunowschen Schreibweise in die übliche Darstellung des Flußdiagramms übersetzen, ferner aus der dortigen formalisierten Ausdrucksweise in eine leichter faßbare verbale. Der Algorithmus kann als Pionier des Themas gelten, ob und inwieweit Algorithmen menschliche Lösungsprozesse abbilden.
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Abb. 9. Der „logische" Algorithmus von Klix und Mitarb. (1963) als Flußdiagramm Eine Scheibe, die gerade erst bewegt worden ist, darf nicht sofort wieder bewegt werden Zähle nur so weit, wie Scheiben in der gleichmäßigen Ordnung des Anfangszustandes aufeinander folgen Gemeint ist die Folge der Scheiben im Anfangszustand
Der Lernstand des Algorithmus ist unschwer zu erkennen..Es präsentiert sich ein Vorwärts-Algorithmus mit verkappter R W P . Die Vorwärtsbestimmung der BS ist ein Ausschlußverfahren. Fußnote 1 folgt aus der Instruktion, mit möglichst wenigen Zügen zum Ziel zu gelangen. Die zweite Vorschrift ist die, daß niemals eine größere Scheibe auf einer kleineren liegen darf. Beide Vorschriften schaffen Eindeutigkeit auch dann, wenn drei Scheiben frei liegen. Wichtig ist die Erwähnung von Klix und Mitarb. (S. 130), daß S 4 jedes zweite Mal bewegt wird und dazwischen die auf die US des Haufens, auf dem S t liegt, folgende Scheibe. Das wäre eine direkte BS-Bestimmung und entspräche, was diese betrifft, dem optimalen Algorithmus in Abbildung 8. Was die parallelen ZO-Regeln anbelangt, so besteht diese Übereinstimmung nur teilweise. Lassen wir zunächst die Regel „Lege S b auf S b + 1 " beiseite, was Sydow (1970, S. 179) auch t u t , so ist zwecks ZO-Bestimmung vor jeder Operation die R W P in der Verkappung des Zählens durchzuführen, also nicht nur dann, wenn S x zu bewegen ist. Das ist noch umständlich. Es fehlt die zur Bestimmung der Scheibe B S ^ S j parallele ZO-Regel. Das deutet darauf hin, daß das fundamentale Wechselspiel zwischen R W P und VWR nicht explizit e r k a n n t worden ist. (Diese Vermutung stützt sich auch auf die Analyse des Sydowschen Algorithmus im folgenden Abschnitt.) Andererseits wird die umständliche Zählung durch die Abfrage „Liegt S b + 1 frei?" und die Regel „Lege S b auf S b + 1 " fast aufgehoben, denn die Frage ist in (2 n -2)/2 Fällen zu bejahen, was der Zahl der Nicht-S^Operationen entspricht. Insofern ist dem Sydowschen
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Weglassen von Abfrage und Regel nicht zu folgen. Die permanente Abfrage im Kreis bleibt jedoch zeitaufwendig. Sie wäre aufhebbar, wenn es im Takt des Kreises eine Regel gäbe, die die Fälle der Anwendung der Regel „S b auf S b + 1 " vorhersagen würde. Die Suche nach einer solchen Regel hätte danach zu fragen, was den Takt bestimmt. Das ist das Wechselspiel von R W P und V W R , was zur Unterscheidung der S ^ und Nicht-Sj-Bewegung führt. 7.3. Der „heuristische"
Algorithmus
von Sydow
W i r wählen ferner den „heuristischen" Algorithmus von Sydow (1970, S. 181), da er eine zur Arbeitsweise des GPS analoge Struktur besitzt. W i r geben den Algorithmus in Abbildung 10 mit unwesentlichen Veränderungen wieder. Start n=Anzahl Scheiben Anfangszustand a z ( l : n ) In allen Plätzen von az steht das Feld A, z.B. bei n:=3 az(A,A,A), d.h. daß d i « 1. , 2. , 3. Scheibe auf Feld A liegen Zielzustand zz(1:n) In allen Plätzen von zz steht Feld C , z.B. bei n:=3 zz(C,C,C) Zwischenzustand zwz(1:n), beim Start nicht definiert k:=n
Tnnor-offtVo-ig
h
-j|k:=k-1
n /: l
•f Operation S^ von az^ nach zz^ anwendbar?
Ol Ol id
S^ nach zz^ ^az, :=zz, k k
Stopp
Für i : = 1 , k-1 zwz. := jenes Feld aus A,B,C, welches nicht in az^ und nicht in zz^ steht. Für i : = k , . . . . n zwz.:=az.
u
U) a>
+ |k=0?
~2=_
l
l
k:=k-1
Tnnarfly KVc-i c
T
|k:=k-1 S^ nach zwz^ az, .=zwz, k k
Operation von az nach zwz, anwendbar? k
HZ
Für i:=1 k-1 zwz.:=jenes Feld aus A,B,C, welches nicht in az^ und nicht in zwz^ steht. Für i : = k . . . . . n zwz. :=az.
i
Abb. 10.
i
Der „heuristische" Algorithmus von Sydow (1970) mit unwesentlichen Änderungen in der
Nomenklatur
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Eine Analyse des Wissens im Algorithmus zeigt, daß er zwei eigentliche Kreise besitzt, einen inneren und einen äußeren. Der innere Kreis wird durch die Regel „ k : = k —1" kontrolliert. In ihm liegen die beiden Kreisunterbrecher „ a z k = z w z k ? " und „Operation S k von az k n a c h z z k (zwz k ) anwendbar?" Abbruchkriterium ist „ k = 0 ? " . Wie zu sehen ist, braucht dieses Kriterium dann nicht abgefragt zu werden, wenn beide Kreisunterbrecher verneint werden; weil dann noch eine weitere Zwischenzielbildung f ü r die k — 1 kleineren Scheiben notwendig ist und damit eine erneute Abfrage der Unterbrecher. Die Demonstration dieses Wissens f ü h r t zum zweiten Hinschreiben der Kreisregel „ k : = k —1" (ohne daß „k = 0 ? " aus ihr folgt) und zu einem Kreis im inneren Kreis. Der äußere Kreis wird aktiv, wenn k = 0 ist, jedoch nür dann, solange noch eine Zwischenzielbildung durchgeführt wurde. Dieses Wissen f ü h r t zum doppelten Hinschreiben des inneren Kreises mit seinen Abfragen, nur damit nicht nach jedem k = 0 abzufragen ist, ob noch eine Zwischenzielbildung stattfand, das Kriterium für den Abbruch des äußeren Kreises. Diese Technik der Darstellung des Uberspringens von Abfragen aufgrund erkannter Regeln ist zweifellos unökonomisch. Sie resultiert aus der Anlehnung an die Schreibweise herkömmlicher Computer-Flußdiagramme. Wir gehen auf diese Frage nicht weiter ein, denn wir haben den Sydowschen Algorithmus gewählt, um zu zeigen, warum aus ihm bzw. aus der Arbeitsweise des GPS obiger optimaler Algorithmus nicht abgeleitet werden kann bzw. was geschehen müßte, damit es möglich wird. Wir haben hier zwei Einwände bezüglich der Arbeitsweise des G P S . Deren Kenntnis setzen wir voraus (vgl. auch Sydow). Der erste Einwand richtet sich gegen die Aufstellung rangierter Unterschiedslisten (durch den menschlichen Anwender von GPS) und gegen die Trennung dieses Prozesses von dem der Mittel-Ziel-Analyse. Letztere ist, wie überhaupt jede Zwischenzielbildung, eine R W P . Wir haben mit unserer obigen heuristischen R W P gezeigt, wie man ohnb Listen auskommen kann. Auch scheint es, daß die, Informationen in den Listen einer solchen R W P entstammen. Mit den Listen verschwindet auch der Gedanke der Abarbeitung von Unterschiedslisten und der Aufstellung „kleinerer" Unterschiede während der Zwischenzielplanung. Eine adäquate heuristische R W P ist hier jedoch nicht unser Thema, wenn auch mit diesem verknüpft. Der zweite Einwand richtet sich gegen das Fehlen einer V W R . Betrachten wir z. B. den ersten Durchlauf des inneren Kreises, der für die Abarbeitung von Unterschieden sorgt. Sukzessiv wird mit der Regel „ k : = k —1" und dem Ausschluß verfahren das jeweils nächste BS-ZO-Paar bestimmt. Der Kreis ist offenbar der Kreis der deterministischen R W P . E r bricht ab, als die Operation „Sj nach ZO" ausführbar wird. Man sollte nun meinen, daß jetzt die VWR folgt. Diese fehlt. So scheint die Bewegung von S t nicht da zu sein, u m S2 zu befreien 1 , sondern lediglich, um einen Unterschied auszugleichen. Um die nächste Operation „S 2 nach ZO" zu bestimmen, ist fast die gesamte gerade erst durchgeführte R W P erneut durchzuspielen! Und was für diese R W P gilt, stimmt f ü r alle weiteren. Um die nächste Operation aus einer bereits durchgeführten R W P zwecks
1 Wenn es um Befreiung ginge, müßte wohl „S k frei?" statt „Operation anwendbar?" gefragt werden.
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Realisierung festzulegen, sind jedesmal von Anfang an die g e s a m t e n vorlaufenden R W P e n zu wiederholen, soweit sie noch nicht ausgeführt sind. Das ist bei größerer Scheibenzahl ein immenser S u c h a u f w a n d m i t Hilfe der Abfrage „ I s t die Operation a u s f ü h r b a r ? " , n u r u m diese späteste Operation der spätesten V W R zu finden. Vpn werden das sicherlich nicht auf die Dauer m i t m a c h e n . Dieser A u f w a n d ist jedoch nicht der einzige. Nach A u s f ü h r u n g der spätesten O p e r a t i o n folgt immer eine neue R W P . Diese beginnt nicht notwendig m i t der n ä c h s t e n kleineren, sondern m i t irgendeiner der kleineren. Daß der Algorithmus diese nicht k e n n t , m u ß e r sie m i t Hilfe der Abfrage „az k = zwz k ?" suchen. Solange die Frage b e j a h t wird, h a n d e l t es sich u m bereits realisierte Planungen. Daß h a t sich der Algorithmus ebenfalls n i c h t gemerkt, so d a ß das, was bereits getan worden ist, wieder a b g e f r a g t werden m u ß . Solange die Frage v e r n e i n t wird, f i n d e t eine neue R W P s t a t t . Dabei ist die Abfrage „ I s t die Operation a u s f ü h r b a r ? " j e t z t überflüssig, denn eine solche P l a n u n g e n d e t i m m e r m i t der a u s f ü h r b a r e n Bewegung von Sj. Der innere Kreis bietet so das Bild einer Suchschleife, i n der pro Suchlauf (außer b e i m ersten) m i t Hilfe der beiden Abfragen zwei Operationen n a c h der T r e f f e r m e t h o d e gesucht werden, die späteste Operation der spätesten V W R u n d die oberste des s t ö r e n d e n Teiltürms. Der Weg aus diesem Dilemma ist der von uns in diesem Beitrag aufgezeigte. E n t w e d e r sind u n t e r Belastung des Speichers alle R W P e n als Sequenzen von BS-ZO-Paaren a b z u s p e i chern wobei u n t e r weiterer Speicherbelastung die Hierarchie der noch nicht realisierten Vorwärtsoperationen ebenfalls zu behalten ist, oder u n t e r Minimierung der Belastung alle Sequenzen als Vorwärtsregeln u n d die Hierarchie durch Ubergangsregeln. Diese Regellösung h ä t t e auf den inneren Kreis folgende E f f e k t e : 1. J e d e R W P wird n u r einmal durchgeführt. Das wäre die Kreistätigkeit, die übrig b l e i b t . I h r Ergebnis ist die i m m e r bewegbare S j mit ihrem ZO. 2. Durch die Regel des Rückgangs zur spätesten Operation wird nicht bei jeder neuen Kreisaktivierung bei k : = n begonnen, sondern quasi direkt beim I n d e x der g e s u c h t e n Operation. Das schaltet die Abfrage „ I s t die Operation a u s f ü h r b a r ? " aus. 3. Durch die Regel des Übergangs zur US eines störenden Teilturms wird ebenfalls dir e k t der I n d e x k der gesuchten Scheibe angesprungen. Das schaltet die Abfrage ,,az k = zwz k ?" aus. Der Algorithmus präsentiert sich d a n n in einer uns b e k a n n t e n F o r m , u n d er wäre z u m optimalen Algorithmus weiter v e r k ü r z b a r . D a m i t h a b e n wir die theoretische V e r w a n d t schaft des Sydowschen Algorithmus zu den anderen Algorithmen aufgezeigt. Über Rückwirkungen auf die Arbeitsweise des G P S k ö n n e n wir hier nicht n a c h d e n k e n . 7.4. Der rekursive
Algorithmus
in der
Informatik
Das Problem T. v . H . ist in der Informatik-Lehre beliebt zur Darstellung einer b e s t i m m t e n Klasse rekursiver Algorithmen. Wir geben in Abbildung 11 die allgemein b e k a n n t e Lösung in Anlehnung an Bauer u n d Goos (1971, S. 128f.) wieder. Die Prozedur b e s t e h t aus drei Anweisungen. Die mittlere ist die jeweils gesuchte a u s -
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procedure verlege (k, x, y) ;
integer k, x, y ;
begin comment Verlege die Scheiben Nr. 1, 2, . . ., k von Platz x nach Platz y ; if k > 0 then verlege (k— 1, x, 6 —x —y); comment Ausdruck der Operation k-te Scheibe von Platz x nach Platz y ; print (k, x, y); verlege (k — 1, 6 —x —y, y); end procedure verlege; read(n); verlege (n, 1, 3); E s ergibt sich für n : = 3 folgende Sequenz von Prozeduraufrufen und Operationen: Operationen
Prozeduraufrufe
Besetzung der Plätze 1
2
3
123 (3, 1, 3) (2, 1, 2) (1, 1, 3)
(0, 1, 2) (0, 2, 3)
1
(1, 1, 3)
23
(2, 1, 2,)
3
2
(1,3, 2)
3
12
1
(1,3, 2) (0, 3, 1) (0, 1, 2) (2, 2, 3). (3, 1, 3)
12
3
2
3
( 1 , 2 , 1) (0, 2, 3) (0, 3, 1)
(1, 2, 1)
1
(2, 2, 3)
1
23
(1, 1,3) (0, 1, 2) (0, 2, 3) Abb. 11.
(1, 1, 3)
123
Rekursiver Algorithmus in Anlehnung an Bauer und Goos (1971)
führende Operation, die anderen beiden Anweisungen sind die Planungen. Wir setzen voraus, daß der Leser anhand der Prozeduraufrufe die Aufrufe der Prozedur in sich selbst nachvollziehen kann. Wie erkennbar, führt die Prozedur RWPen und VWRen durch. Um letztere leisten zu können, wird im Computer die Sequenz konkreter Parametertripel einer RWP so abgespeichert, daß sie vorwärts wieder aufgerufen werden kann. Eine VWR findet immer dann statt, wenn mit k = 0 das Abbruchkriterum der Rekursion erreicht ist und zur spätesten Operation der spätersten VWR zurückgegangen wird, wobei nach Ausführung der Operation erneut rückwärts geplant wird, beginnend mit der US des Teilturms. Es wird somit das Minimum an Operationen geplant, allerdings mit gewaltigem Aufwand an Speicherplatz, da nicht nur alle Sequenzen von RWPen zwecks VWR abzuspeichern sind, soweit noch nicht abgearbeitet, sondern auch die gesamte hierarchische Verknüpfung zwecks Auffindung der spätesten Operation. Der angeforderte
Filibrandt, Lösungswissen beim Turm von Hanoi
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Speicherplatz ist so groß, daß bei wachsender Scheibenzahl schnell Platzerschöpfung eintritt. Es fehlen lernende Compiler, d. h. Solche, die für die einzelnen Parameter des Prozedurkopfs die Umkehrregeln finden und die Regeln zur Ausschaltung der Hierarchie bzw. Rekursion. Letzteres scheint als Problem durchaus erkannt (z. B. Partsch und Pepper, 1976; vgl. auch Böcker, 1982). 8. Einige Konsequenzen Das nachgewiesene Verkürzungskontinuum von der unabhängige Operationen planenden heuristischen RWP über die deterministische Planung ganzer Ketten zusammenhängender Operationen zum vollautomatischen räum- und zeitsparenden Vorwärts-Algorithmus birgt eine Reihe von Folgerungen für eine zukünftige Theorie des Aufbaus von Wissen in sich. Diese weiterführenden Fragen können wir hier nicht behandeln. Lediglich vier Punkte sollen kurz angesprochen werden. 1. Die Frage, was zu einem bestimmten Zeitpunkt gelernt worden ist,, d. h. welches interne Wissen jeweils die nächste beobachtbare Operation bestimmt, läßt sich meistens nicht eindeutig beantworten. Die Übergänge im Kontinuum sind fließend. Zeitweilig bestimmen alte und neue Regeln die nächste Operation gleichzeitig. Viele hier nicht gezeigte querverbindende' weitere Regeln, viele Mischformen sind möglich. 2. Regelbildung als Vorgang des Einsparens von Speicherplatz und Zeit verweist u. a. auf die in der „hardware" niedergelegten Möglichkeiten direkterer Verknüpfungen. Bei der Anbahnung einer neuen Regel als „Wegweiser" scheint die Technik des Ausschaltens von „if-statements" eine wesentliche Rolle zu spielen. 3. Der Gedanke, daß Algorithmen durch Verkürzungsprozesse entstehen und weiter verkürzbar sein können, hat grundsätzliche Bedeutung für alle algorithmisch abgebildeten oder gesteuerten Prozesse. So können Theorien vereinfacht oder gesteuerte Prozesse „rationalisiert" werden. 4) In der Denk- und Lernpsychologie sind, oft Algorithmen zur Beschreibung des Lösungsverhaltens von Vpn benutzt worden. Setzt man voraus, daß Vpn während einer Lösungssuche immer auch lernen, so vermag ein einzelner Algorithmus weder das Verhalten einer einzelnen Vp noch das Verhalten vieler darzustellen. Soll eine Vp nach einem Algorithmus handeln, so kann man ihr ebenso Wissen als Rezept oktroyieren wie bei einem bereits vorhandenen höheren Entwicklungsstand zwingen, langweilige Schleifen und Knotenpunkte zu durchlaufen. In beiden Fällen sind Untersuchungen der Art „durch diesen Knotenpunkt muß sie kommen" wenig sinnvoll, da der Punkt noch gar nicht ausgebildet oder schon wieder ausgeschaltet sein kann. Spiegelt ein Algorithmus den Erfahrungsstand seines Autors wider und zeigt die Vp ein verkürzteres Verhalten, so vermag er dieses nicht nachzuvollziehen. Der Hinweis auf eine nicht erklärbare Kreativität liegt dann nahe. Zusammenfassung Der Turm von Hanoi gehört zu den in der Denkpsychologie am meisten untersuchten Problemstellungen. Dennoch muß die zentrale Frage, was und wie während der Lösungsversuche gelernt wird, als nach wie vor unzureichend beantwortet gelten. Der vorliegende Beitrag versucht diese Frage theoretisch zu be7
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antworten. Gezeigt wird ein Kontinuum zunehmend effektiverer Lösungsfindung bzw. wachsender E r f a h rung, beginnend mit heuristischen Planungen, unter Hervorhebung der Rückwärtsplanung, und endend mit automatisch bestimmten Lösungshandlungen. Schrittweise wird fast die gesamte Planung ausgeschaltet. Die Verbesserung aus dieser fortgesetzten Umstrukturierung des Lösungswissens äußert sich in zweifacher Weise, zum einen in der Einsparung von Speicherplatz für die Lösungsprogramme und ihrer Zwischenergebnisse, zum anderen in der Einsparung von Lösungszeit. Letzteres v e r m a g die beobachtbare Beschleunigung der Lösungsfindung durch Übung zu erklären. Beide Arten an Sparsamkeit werden durch die fortgesetzte E n t d e c k u n g neuer Regeln ermöglicht, die die jeweils alten verkürzen. In einem zweiten Schritt werden vier recht verschiedene und durch die Literatur bekannte Lösungsalgorithmen in das Kontinuum eingeordnet, damit ihre theoretische Verwandtschaft bzw. ihre Überführbarkeit ineinander nachgewiesen.
Summary In the psychology of thinking the Tower of Hanoi is one of the most extensively studied problems. Nevertheless the central question of what and how subjects learn during their solving efforts must still be considered as not being answered sufficiently. The present paper tries to answer this question theoretically. A continuum of progressively more effective solution finding or increasing experience is demonstratted, starting with heuristic planning, by pointing out t h a t of working backwards, and stopping with automatically determined solving operations. Step by step almost every planning is eliminated. The improvement from such a permanent restructuring of solving knowledge is twofold: on the one hand, there is place to deposit the solving programs and their intermediate results is saved, on the other hand, there is time to solve the problem. The latter is able to explain the observable acceleration of solution finding b y training. B o t h kinds of parsimony are rendered possible b y continuously discovering new rules which always cut short the old ones. In a second step, four very different solving algorithms which are wellknown from the literature are fitted into the continuum, thereby demonstrating their theoretical relationship, i.e. the possibility to transform one into another.
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