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German Pages 242 [248] Year 1996
Wirtschaftspolitik Problemorientierte Einführung
Von
Dr. Hans-Jürgen Ahrns und
Dr. Hans-Dieter Feser Professor der Volkswirtschaftslehre
7., unwesentlich veränderte Auflage
R Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - dP-Eiuheitsaufnahme Ahrns, Hans-Jürgen: Wittschaftspolitik : problemorientierte Einführung / von HansJürgen Ahms und Hans-Dieter Feser. - 7., unwesentlich veränd. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 1997 ISBN 3-486-23979-1 NE: Feser, Hans-Dieter:
© 1997 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildung« ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, Münch« ISBN 3-486-23979-1
Inhaltsverzeichnis Vorwort
IX
Kapitel 1 : Allgemeine Grundlegung der Wirtschaftspolitik in Marktwirtschaften
1
1. Problemstellung
1
2. Grundfragen der Wirtschaftspolitik 2.1 Elemente einer entscheidungsorientierten Wirtschaftspolitik 2.2 Erweiterung der wirtschaftspolitischen Problemstellung durch die „Neue Politische Ökonomie"
2 2 6
3. Zur Begründung von Wirtschaftspolitik in der Marktwirtschaft
9
3.1 Die (neo-)klassische Lehre der liberalen Marktgesellschaft 3.2 Liberale Doktrin der Wirtschaftspolitik 3.3 Zur Notwendigkeit interventionistischer Wirtschaftspolitik 3.3.1 Öffentliche Güter 3.3.2 Externe Effekte 3.3.3 Gefährdung des Wettbewerbs 3.3.4 Unzureichende Risikoabsicherung und Verteilungsungleichheit. . 3.3.5 Gesamtwirtschaftliche Instabilität 3.3.6 Wachstums- und Strukturprobleme
9 11 12 14 15 17 20 22 25
4. Wirtschaftspolitik in der „Sozialen Marktwirtschaft"
28
Kapitel 2: Wettbewerbspolitik
37
1. Problemstellung
37
2. Funktionen des Wettbewerbs im Marktsystem
38
2.1 2.2 2.3 2.4
38 39 39 40
Lenkungs-(Steuerungs-)Funktion Anreizfunktion Verteilungsfunktion „Freiheitsfunktion"
3. Leitbilder der Wettbewerbspolitik
40
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
41 43 46 48 49
Vollständige Konkurrenz Funktionsfähiger Wettbewerb Optimale Wettbewerbsintensität Das (neoklassische) Konzept der „Wettbewerbsfreiheit" Die wettbewerbspolitischen Vorstellungen der „Chicago-School" . . . .
VI
Inhaltsverzeichnis
4. Wettbewerbsbeschränkungen
51
4.1 Kartelle, abgestimmtes Verhalten und andere Formen der Verhaltenskoordination 4.2 Mißbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht 4.3 Unternehmenskonzentration 4.3.1 Begriff und Formen der Unternehmenskonzentration 4.3.2 Zur Beurteilung der Unternehmenskonzentration
52 55 56 56 58
5. Grundzüge der Wettbewerbspolitik in der Bundesrepublik Deutschland Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
65
-
5.1 Vorbemerkungen 5.2 Kartellverbot; Verbot abgestimmten Verhaltens 5.3 Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen 5.3.1 Abgrenzung des „relevanten Marktes" 5.3.2 Kriterien der Marktbeherrschung 5.3.3 Nachweis des Mißbrauchs 5.3.4 Erfahrungen mit der Mißbrauchsaufsicht 5.4 Zusammenschlußkontrolle 5.4.1 Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland 5.4.2 Inhalt und Verfahren der Zusammenschlußkontrolle 5.4.3 Erfahrungen mit der Zusammenschlußkontrolle 5.4.4 Ergänzung der Zusammenschlußkontrolle durch Entflechtungsmaßnahmen?
65 66 68 68 69 70 74 75 76 80 83
Kapitel 3: Stabilisierungspolitik
87
1. Problemstellung
87
85
2. Stabilitätsziele
89
2.1 2.2 2.3 2.4
89 89 94 97
Zielorientierte Wirtschaftspolitik Ziele der Stabilisierungspolitik Zielkonflikte Ökonomische Indikatoren
3. Theoretische Grundlagen stabilisierungspolitischer
Konzeptionen
99
3.1 Keynessche und keynesianische Stabiliserungskonzeption 3.2 Neoklassisch-monetaristische Stabilisierungskonzeption
99 102
4. Instrumente und Träger der Stabilisierungspolitik
105
4.1 Fiskalpolitik 4.1.1 Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes 4.1.2 Träger der Fiskalpolitik 4.1.3 Mängel diskretionärer Fiskalpolitik 4.2 G e l d - u n d Kreditpolitik 4.2.1 G e l d - u n d kreditpolitisches Instrumentarium der Bundesbank 4.2.2 Träger der Geld-und Kreditpolitik 4.2.3 Mängel diskretionärer Geld-und Kreditpolitik 5. Theoretisch-konzeptionelle
Grenzen der Stabilisierungspolitik
105 106 110 111 113 . . 114 118 118 120
Inhaltsverzeichnis
VII
Kapitel 4 : Wachstums- und Strukturpolitik
123
1. Problemstellung
123
2. Wachstums- und strukturpolitische
Orientierung
124
2.1 Wachstum als wirtschaftspolitisches Ziel 2.2 Strukturpolitische Zielsetzung 2.3 Meßkonzeptionen
124 128 130
3. Wachstumspolitisches
132
Instrumentarium
3.1 Determinanten und Faktoren des Wachstumsprozesses 3.2 Faktorbezogene Wachstumspolitik 3.2.1 Produktionsfaktor Arbeit 3.2.2 Produktionsfaktor Kapital 3.2.3 Technischer Fortschritt
132 134 134 136 139
4. Strukturelle Steuerung
144
4.1 Gesamtwirtschaftlicher Strukturwandel 4.2 Faktoren strukturellen Wandels 4.3 Strukturpolitische Ansätze 4.3.1 Nachfrageorientierte Strukturpolitik 4.3.2 Angebotsorientierte Strukturpolitik 4.4 Umweltpolitik 4.4.1 Ökologische Orientierung 4.4.2 Umweltpolitisches Instrumentarium
145 147 149 150 150 155 155 158
5. Zusammenhang
zwischen Stabilisierungs-,
Wachstums-und
Strukturpolitik
161
Kapitel 5: Verteilungspolitik
163
/. Problemstellung
163
2. Grundlegende Begriffe und Kategorien der EinkommensVermögensverteilung
und 164
2.1 Einkommensverteilung
164
2.2 Vermögen : Abgrenzungs-und Bewertungsprobleme
167
3. Darstellung der Verteilung und Messung der Verteilungsungleichheit. 4. Stand und Entwicklung der Einkommensder Bundesrepublik Deutschland 4.1 4.2 4.3 4.4
und Vermögensverteilung in
Informationsquellen und Datenbasis Zur Entwicklung der Lohnquote Stand und Entwicklung der personellen Einkommensverteilung Stand und Entwicklung der Vermögensverteilung
...
170 172 172 174 175 178
5. Zur Diskussion verteilungspolitischer Zielsetzungen
180
5.1 Egalitätsprinzip
180
VIII
Inhaltsverzeichnis
5.2 Leistungsprinzip 5.3 B e d a r f s p r i n z i p 5.4 V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g als Ziel 6. Ansatzpunkte
der Verteilungspolitik:
182 184 185 Ein Überblick
186
7. Lohnpolitik
188
7.1 Institutionelle R a h m e n b e d i n g u n g e n 7.2 Der g e w e r k s c h a f t l i c h e E i n f l u ß auf L o h n h ö h e , L o h n q u o t e u n d Lohnstruktur
188 189
8. Ausgewählte
194
Instrumente
der staatlichen
Umverteilungspolitik
8.1 Der E i n f l u ß d e s Staates a u f die Verteilung: Ein Ü b e r b l i c k 8.2 Sozi al t r a n s f e r s in d e r B u n d e s r e p u b l i k : U m f a n g , S t r u k t u r u n d Verteilungseffekte 8.3 Die E i n k o m m e n s t e u e r als I n s t r u m e n t der R e d i s t r i b u t i o n
196 201
9. Instrumente
206
der Vermögenspolitik
194
9.1 Staatliche S p a r f ö r d e r u n g 9.2 V e r m ö g e n s b i l d u n g d e r A r b e i t n e h m e r auf betrieblicher u n d überbetrieblicher Ebene
206 209
Abkürzungsverzeichnis
214
Literaturverzeichnis
215
Sachverzeichnis
224
Vorwort (1. bis 7. Auflage)
Auch mit der N e u a u f l a g e soll eine elementare E i n f ü h r u n g in die Wirtschaftspolitik gegeben werden. Die Verfasser h o f f e n , d a ß sie nicht nur Studenten der Wirtschaftswissenschaften die erste Orientierung erleichtern, sondern auch „ N i c h t - Ö k o n o m e n " , die sich f ü r wirtschaftspolitische Fragestellungen interessieren, einige nützliche I n f o r m a t i o n e n bieten k ö n n e n . Wirtschaftspolitik als wissenschaftliche Disziplin beruht auf Erkenntnissen der Wirtschaftstheorie, aber auch der Politikwissenschaft, der Soziologie sowie des Staats- u n d Verwaltungsrechts. Angesichts der Unmöglichkeit, alle notwendigen Grundlagen in diesem Lehrbuch zu vermitteln, sahen sich die Autoren genötigt, gewisse Vorkenntnisse des Lesers als bereits v o r h a n d e n zu unterstellen und sich darauf zu beschränken, die theoretische Fundierung der zu erörternden wirtschaftspolitischen Fragestellungen lediglich anzudeuten. Bei dieser Skizze sollte nach den Vorstellungen der Verfasser vor allem auch erkennbar werden, d a ß sich wirtschaftspolitische Kontroversen nicht allein auf unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Wirksamkeit einzelner M a ß n a h m e n b ü n d e l beziehen, sondern auf recht grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Funktionsmechanismen prinzipiell marktwirtschaftlich organisierter Systeme. Damit ist bereits angekündigt, d a ß die Erörterung wirtschaftspolitischer Fragestellungen im Rahmen der Marktwirtschaft erfolgt. Die Eingrenzung ist insoweit noch enger, als fast ausnahmslos auf die konkreten institutionellen Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland abgestellt wird. Bei der - n a t u r g e m ä ß willkürlichen - Auswahl der zu behandelnden Problemfelder der Wirtschaftspolitik beschränken sich die Verfasser auf die Wettbewerbs-, Stabilisierungs-, Wachstums- u n d Struktur- sowie Verteilungspolitik. Da sich die Notwendigkeit von Wirtschaftspolitik in einem auf dem Marktmechanismus basierenden Wirtschaftssystem nicht o h n e weiteres als einleuchtend ergibt, wird in Kapitel I der Versuch u n t e r n o m m e n , diese in systematischer Weise herzuleiten. Kapitel 2 ist einem „klassischen" Bereich staatlicher Wirtschaftspolitik gewidmet: der Institutionalisierung u n d Kontrolle von Wettbewerb. Die drei folgenden Kapitel befassen sich mit wirtschaftspolitischen Ansätzen, die sich durch eine eher höhere Eingriffsintensität des Staates charakterisieren lassen. So wird durch Stabilisierungspolitik - dargestellt in Kapitel 3 - versucht, zyklische Schwankungen des Wirtschaftsprozesses zu glätten u n d eine kurzfristige stetige Entwicklung zu fördern. Wachstums- und Strukturpolitik werden als bedeutende Aspekte der längerfristigen Entwicklungsperspektive sowie der strukturellen Ausgewogenheit ö k o n o m i s c h e r Prozesse in Kapitel 4 erörtert. In diesem Z u s a m m e n h a n g werden auch Probleme der Umweltpolitik behandelt, weil diese als strukturell bedingt angesehen werden können. Die in Kapitel 5 schließlich zu erörternden Fragen der Verteilungspolitik stehen in enger Wechselwirkung zur Wettbewerbs-, Stabilisierungs- sowie Wachstums- und Strukturpolitik. So gesehen ist Verteilungspolitik trotz der durchaus eigenständigen Problemlage ein „Querschnittsbereich" der Wirtschaftspolitik mit deutlichen Bezügen zur Sozialpolitik.
χ
Vorwort
Eine A b g r e n z u n g d e r z u v o r g e n a n n t e n Bereiche d e r Wirtschaftspolitik läßt sich angesichts d e r wechselseitigen V e r k n ü p f u n g e n - die in d e n zahlreichen Querverweisen des F u ß n o t e n a p p a r a t e s z u m A u s d r u c k k o m m e n - n u r analytisch rechtfertigen. Der A u f b a u d e s Lehrbuches e r l a u b t es a b e r d e m Leser, diese Einf ü h r u n g kapitelweise d u r c h z u a r b e i t e n , wenngleich ein zuverlässiger G e s a m t e i n d r u c k sowie eine h i n r e i c h e n d e „Sensibilisierung" f ü r die wesentlichen P r o b l e m e der Wirtschaftspolitik n u r n a c h Lektüre des gesamten Textes entstehen d ü r f t e n . Die Verfasser b e d a u e r n , d a ß sie n o t g e d r u n g e n auf die E r ö r t e r u n g vieler bed e u t s a m e r Fragestellungen verzichten m u ß t e n . S o h ä t t e beispielsweise eine detaillierte E r ö r t e r u n g d e s historischen Prozesses, d e r zur K o n s t i t u i e r u n g der „ S o zialen M a r k t w i r t s c h a f t " in der Bundesrepublik g e f ü h r t hat, den R a h m e n dieses e i n f ü h r e n d e n L e h r b u c h e s e b e n s o gesprengt, wie die Berücksichtigung der vielfältigen a u ß e n w i r t s c h a f t l i c h e n V e r k n ü p f u n g e n einer n a t i o n a l betriebenen Wirtschaftspolitik. A b e r a u c h d i e B e h a n d l u n g der a u s g e w ä h l t e n T h e m e n b e r e i c h e m u ß t e im Detail l ü c k e n h a f t bleiben; der interessierte Leser findet d a h e r zahlreiche Hinweise auf die w e i t e r f ü h r e n d e Literatur. Dieses L e h r b u c h hätte o h n e d e n kritischen Diskussionsgeist der Kollegen a m Institut f ü r Volkswirtschaftslehre, einschließlich Ö k o n o m e t r i e d e r Universität R e g e n s b u r g nicht entstehen k ö n n e n . Wir m ö c h t e n i n s b e s o n d e r e a b e r Josef Eichh a m m e r , Peter d e Geijsel, J o a c h i m G e n o s k o , F r a n z Haslinger u n d W i n f r i e d Vogt f ü r a n r e g e n d e Kritik zu einzelnen Kapiteln d a n k e n . Für die o f t m a l s recht m ü h e v o l l e T r a n s p o n i e r u n g des Textes in ein d r u c k f e r t i g e s M a n u s k r i p t d a n k e n wir Fräulein Elisabeth K o n r a d sehr herzlich. Hans-Jürgen Hans-Dieter
Ahrns Feser
Kapitel 1 Allgemeine Grundlegung der Wirtschaftspolitik in Marktwirtschaften
1. Problemstellung In d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d , wie in a n d e r e n ö k o n o m i s c h v e r g l e i c h b a r o r g a n i s i e r t e n u n d e n t w i c k e l t e n I n d u s t r i e s t a a t e n , e n t f a l t e t d e r Staat i n t e n s i v e u n d vielfältige w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e A k t i v i t ä t e n . D i e s e T a t s a c h e w i r d g e w ö h n l i c h als g e g e b e n h i n g e n o m m e n , u n d die Diskussion sogleich a u f d i e F r a g e gelenkt, o b d i e s e o d e r j e n e M a ß n a h m e geeignet ers c h e i n t , d e n v o r g e g e b e n e n Zielen d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k dienlich zu sein. Diese D i s k u s s i o n u m d i e E i g n u n g von Mitteln z u r E r f ü l l u n g v o n Zielen ist n o t w e n d i g u n d n ü t z l i c h ; sie bildet d a h e r zu R e c h t e i n e n z e n t r a l e n G e g e n s t a n d wissens c h a f t l i c h e r A n a l y s e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k . A u c h in diesem L e h r b u c h w e r d e n wir u n s e i n g e h e n d mit diesen i n s t r u m e n t a l e n A s p e k t e n zu b e f a s s e n h a b e n . W i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e H a n d l u n g e n sind E r g e b n i s s e politischer Willensbild u n g s - u n d E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e . Diese g e r a d e z u s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e Feststell u n g sollte A n l a ß sein, d e n politischen P r o z e ß als i n t e g r a l e n Bestandteil wirts c h a f t s p o l i t i s c h e r P r o b l e m s t e l l u n g e n zu b e t r a c h t e n . F r a g e n des Inhalts u n d d e r R a n g f o l g e v o n Z i e l e n , d e r A u s w a h l u n d des Vollzugs w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r M a ß n a h m e n k ö n n e n in a n g e m e s s e n e r Weise k a u m b e a n t w o r t e t w e r d e n , o h n e den Motiven der wirtschaftspolitischen Akteure, den formalen gesellschaftlichen E n t s c h e i d u n g s r e g e l n , d e r S t r u k t u r w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r I n s t i t u t i o n e n etc. n a c h zugehen. W i r t s c h a f t s p o l i t i k ist in ihrem derzeit b e o b a c h t b a r e n U m f a n g k e i n e s w e g s eine S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t ; w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e E i n g r i f f e des Staates w a r e n u n d sind in e i n e m m a r k t w i r t s c h a f t l i c h - k a p i t a l i s t i s c h e n S y s t e m ' v i e l m e h r stets u m stritten. N a c h d e n klassisch-liberalen V o r s t e l l u n g e n sollte sich d e r Staat im wesentlic h e n d a r a u f b e s c h r ä n k e n , die „ R o l l e eines S c h i e d s r i c h t e r s " e i n z u n e h m e n , d e r ü b e r d i e E i n h a l t u n g d e r a l l g e m e i n v e r b i n d l i c h e n Spielregeln w a c h t . A u c h h e u t e s t e h e n liberale M a r k t t h e o r e t i k e r dieser A u f f a s s u n g - w e n n a u c h in m o d i f i z i e r t e r F o r m - n a h e . F ü r sie scheint j e d e n f a l l s f e s t z u s t e h e n , d a ß die L ö s u n g d e r vielfältigen ö k o n o m i s c h e n P r o b l e m e , d e n e n sich h o c h i n d u s t r i a l i s i e r t e V o l k s w i r t s c h a f ten g e g e n ü b e r s e h e n , nicht m e h r , s o n d e r n w e n i g e r S t a a t s i n t e r v e n t i o n v e r l a n g t . In e i n e m d e u t l i c h e n G e g e n s a t z d a z u steht die v o n d e n Kritikern d e r l i b e r a l e n D o k t r i n e i n g e n o m m e n e Position, d a ß ein s e i n e n „ e i g e n e n G e s e t z m ä ß i g k e i t e n " u n t e r w o r f e n e s System d e r kapitalistischen M a r k t w i r t s c h a f t ö k o n o m i s c h - s o z i a l e ' Ein Wirtschaftssystem sei allgemein d a n n als „marktwirtschaftlich" bezeichnet, w e n n Märkte d i e vorherrschende Institution sind, über die eine A b s t i m m u n g ö k o n o m i s c h e r H a n d l u n g e n erfolgt. Gesellschaftssysteme mit ausgeprägt privatem Eigentum - insbesondere an d e n Produktionsmitteln - seien als „kapitalistisch" benannt.
2
Kap. I : Allgemeine Grundlegung
Zustände und Entwicklungen hervorbringt, die mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen nicht vereinbar sind. Wirtschaftspolitik erscheint mithin begründungsbedürftig. Wir werden zu zeigen versuchen, d a ß sie auch a u f der G r u n d l a g e systematischer Argumente begründungsfähig ist. Die in diesem Kapitel zu behandelnden Hauptfragen lauten daher in verkürzter F o r m : (1) W e l c h e Elemente sind in grundlegender Weise kennzeichnend fÜF eine entscheidungsorientierte Wirtschaftspolitik? (2) Welche Erweiterungen erfährt die traditionelle Betrachtungsweise wirtschaftspolitischer Ziel-Mittel-Beziehungen durch die Einbeziehung politischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse? (3) W e l c h e Rolle wird der Wirtschaftspolitik des Staates in einer Gesellschaft zugewiesen, die an den Vorstellungen des (neo-)klassischen Marktmodells orientiert ist? (4) Mit welchen Argumenten läßt sich in systematischer Weise die Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Eingriffe in kapitalistischen Marktsystemen begründen ? (5) W e l c h e grundlegenden Prinzipien lassen sich aus dem in der Bundesrepublik gegebenen System der „Sozialen M a r k t w i r t s c h a f t " für die Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik ableiten?
2. Grundfragen der Wirtschaftspolitik 2.1 Elemente einer entscheidungsorientierten Wirtschaftspolitik Als Wirtschaftspolitik bezeichnen wir in der Alltagssprache das tatsächliche H a n d e l n all j e n e r Institutionen ( „ T r ä g e r " 2 der Wirtschaftspolitik), die zu wirtschaftspolitischen Entscheidungen und deren Durchsetzung legitimiert sind. Wirtschaftspolitik ist ein Teilbereich der allgemeinen Politik und d a r a u f gerichtet, die Rahmenbedingungen sowie den A b l a u f ö k o n o m i s c h e r Aktivitäten im Hinblick a u f bestimmte Ziele zu gestalten und zu beeinflussen. Von dieser „ p r a k t i s c h e n " Wirtschaftspolitik zu unterscheiden ist die wissenschaftliche Disziplin (theoretische Wirtschaftspolitik, T h e o r i e der Wirtschaftspolitik)', die eben j e n e Gestaltung und Beeinflussung des gesellschaftlichen Wirtschaftens zu ihrem Forschungsgegenstand macht. Als primäre A u f g a b e der theoretischen Wirtschaftspolitik wird traditionellerweise die Analyse optimaler Handlungsalternativen zur Erreichung vorgegebener Zielsetzungen angesehen. W e n n wir einen begrifflichen Unterschied zwischen praktischer und theoretischer Wirtschaftspolitik m a c h e n , sollten wir nicht übersehen, d a ß zwischen beiden enge wechselseitige Beziehungen bestehen. Einerseits gewinnt die theoreti2
Zur näheren Eingrenzung des Begriffs „Träger der Wirtschaftspolitik" vgl. unten S. 5 f.
3
Zu den Grundlagen der Theorie der Wirtschaftspolitik vgl. u.a. P. Dobias ( 1980), G. Gäfgen (1975), H. Körner (1977), T. Pütz (1975), M.E. Streit (1979), U. Teichmann (1979), K. G. Zinn( 1974).
Kap. I : Allgemeine Grundlegung
3
sehe Wirtschaftspolitik ihr „ A n s c h a u u n g s m a t e r i a l " u n d ihre Fragestellungen nicht zuletzt aus den k o n k r e t e n P r o b l e m e n der p r a k t i s c h e n Wirtschaftspolitik, a n d e r e r s e i t s b e d i e n t sich j e n e d e r E r k e n n t n i s s e w i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t l i c h e r A n a l y s e , u m zu „ b e s s e r e n " E n t s c h e i d u n g e n zu g e l a n g e n . I h r e n s i c h t b a r e n A u s druck findet die K o o p e r a t i o n zwischen Theorie u n d Praxis der Wirtschaftspolitik in d e r ( w i r t s c h a f t s - ) w i s s e n s c h a f t l i c h e n Beratung d e r P o l i t i k 4 . Wirtschaftspolitisches H a n d e l n erscheint grundsätzlich d a n n angezeigt, wenn d i e t a t s ä c h l i c h e ö k o n o m i s c h e E n t w i c k l u n g v o n d e r g e w o l l t e n - in d e n Z i e l e n a u s g e d r ü c k t e n - a b w e i c h t . D i e T r ä g e r w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r E n t s c h e i d u n g e n benötigen daher I n f o r m a t i o n e n über die wirtschaftliche Lage sowie deren m u t m a ß liche V e r ä n d e r u n g u n d K e n n t n i s s e ü b e r d i e v e r f ü g b a r e n w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n Instrumente sowie deren voraussichtliche Wirkung. A l s G r u n d e l e m e n t e j e d e s w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e s stellen s i c h d a m i t d a s Z i e l - , Lage-, Mittel- und Kontrollproblem d a r . Wirtschaftspolitische Ziele beinhalten A u s s a g e n ü b e r gewollte, angestrebte ö k o n o m i s c h e Z u s t ä n d e b z w . V e r l ä u f e . Sie s i n d A u s d r u c k b e s t i m m t e r gesells c h a f t l i c h e r W e r t h a l t u n g e n u n d d a h e r n i c h t ein f ü r a l l e m a l f e s t g e l e g t , s o n d e r n zeit- u n d r a u m g e b u n d e n . Selbst wenn man der Auffassung folgt, wissenschaftliche Aussagen über die Wünschbarkeit von Zielen seien nicht möglich, weil sich Werturteile nicht wissenschaftlich begründen ließen 5 , so bedeutet dies keineswegs, daß Ziele aus dem Forschungsbereich der Theorie der Wirtschaftspolitik ausgeklammert werden müßten. Die theoretische Wirtschaftspolitik vermag sehr wohl Aussagen über die Herkunft und den Inhalt wirtschaftspolitischer Ziele und d e r ihnen zugrundeliegenden gesellschaftlichen Normen zu machen. Im Bereich p r a k t i s c h e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k s i n d Z i e l e n i c h t i m m e r h i n r e i c h e n d k o n k r e t i s i e r t . D i e s gilt n i c h t n u r f ü r d i e g r u n d l e g e n d e n Z i e l e d e r G e s e l l s c h a f t s g e s t a l t u n g wie F r e i h e i t , G e r e c h t i g k e i t , S i c h e r h e i t u n d W o h l s t a n d 6 , s o n d e r n a u c h f ü r d i e n a c h g e o r d n e t e n Z i e l e p r a g m a t i s c h o r i e n t i e r t e r P o l i t i k , wie sich n o c h a m Beispiel der wirtschaftspolitischen F o r d e r u n g e n nach e i n e m möglichst h o h e n Beschäftigungsstand, nach Preisniveaustabilität, nach angemessenem Wirts c h a f t s w a c h s t u m etc. e r w e i s e n w i r d 7 . Die Aufgabe theoretischer Wirtschaftspolitik w ü r d e folglich darin bestehen, d i e w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n Z i e l e zu k o n k r e t i s i e r e n , d . h . m ö g l i c h s t p r ä z i s e Bes c h r e i b u n g e n d e s w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h G e w o l l t e n zu l i e f e r n . D a z u ist d i e E r a r b e i -
4
So existieren in der Bundesrepublik eine Reihe wirtschaftswissenschaftlicher Beratungsgremien. Die bekanntesten seien kurz genannt: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monopolkommission, Wissenschaftliche Beiräte bei verschiedenen Bundesministerien (Wirtschaft, Finanzen etc.), Arbeitsgemeinschaft der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute. Zur grundlegenden Problematik wissenschaftlicher Politikberatung sowie zur Aufgabenbeschreibung einzelner institutionalisierter Beratungsgremien vgl. u.a. E. v. Beckerath. H. Giersch ( 1963) sowie die k n a p p e Übersicht bei B. S. Frey ( 1981, S. 367 ff.).
5
Wir wollen hier nicht auf die klassische Debatte über die Möglichkeit und Wünschbarkeit der Werturteilsfreiheit wissenschaftlicher Aussagen eingehen. Eine knappe Zusammenfassung der Argumente findet sich bei T. Pütz (1975), M. E. Streit (1979) und K. G. Zini1(1974). Zur Diskussion „letzter Ziele" vgl. H. Giersch ( 1960).
7
Vgl. die Kapitel 3 und 4.
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K a p . I : Allgemeine G r u n d l e g u n g
tung von Meßvorschriften für Zielgrößen erforderlich; eine Aufgabe, die bislang in v i e l e n F ä l l e n n i c h t g e l ö s t w e r d e n k o n n t e . P r a k t i s c h e W i r t s c h a f t s p o l i t i k strebt n i c h t n u r e i n Ziel a n , s o n d e r n r e g e l m ä ß i g g a n z e „ B ü n d e l " v o n Z i e l e n . D a b e i k a n n n i c h t a u s g e s c h l o s s e n w e r d e n , d a ß in d i e s e m K a t a l o g v o n Z i e l e n W i d e r s p r ü c h e a u f t r e t e n . N e b e n d e r M ö g l i c h k e i t logis c h e r I n k o n s i s t e n z s i n d v o r a l l e m j e n e F ä l l e v o n B e d e u t u n g , in d e n e n p r i n z i p i e l l g l e i c h r a n g i g e Z i e l e in d e r R e a l i t ä t t a t s ä c h l i c h in K o n f l i k t g e r a t e n 8 . In d e r a r t i g e n K o n f l i k t f ä l l e n e r g i b t sich f ü r d i e p r a k t i s c h e W i r t s c h a f t s p o l i t i k d a s s c h w e r w i e g e n d e E n t s c h e i d u n g s p r o b l e m , d i e Z i e l e in e i n e R a n g o r d n u n g z u b r i n g e n b z w . K o m p r o m i s s e bei d e n a n g e s t r e b t e n Z i e l e r r e i c h u n g s g r a d e n e i n z u g e h e n . I d e a l e r weise hätte die T h e o r i e der Wirtschaftspoltik f ü r eine solche E n t s c h e i d u n g beg r ü n d b a r e Regeln bereitzustellen''. A b w e i c h u n g e n v o n d e n Z i e l e n sind z u d i a g n o s t i z i e r e n u n d z u p r o g n o s t i z i e r e n . Lagebeurteilung und Vorausschätzung der künftigen ökonomischen Entwicklung bilden daher zentrale Bestandteile jeder entscheidungsorientierten Wirtschaftspolitik. N o t w e n d i g k e i t , zeitlicher Vollzug sowie D o s i e r u n g wirtschaftspolitischen Instrumenteneinsatzes hängen wesentlich von der z u g r u n d e gelegten Diagnose und Prognose ab'". D i e A u s w a h l d e r M i t t e l ( I n s t r u m e n t e ) " steht t r a d i t i o n e l l e r w e i s e im M i t t e l p u n k t des wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozesses. N a c h d e m hier zug r u n d e gelegten V e r s t ä n d n i s hat Wirtschaftspolitik die E i g n u n g v o n Mitteln z u r E r r e i c h u n g v o r g e g e b e n e r Z i e l e zu p r ü f e n . S o l l e n Mittel g e e i g n e t s e i n , d i e Z i e l g r ö ß e n in d e r g e w ü n s c h t e n R i c h t u n g u n d S t ä r k e ( I n t e n s i t ä t ) zu b e e i n f l u s s e n , so setzt d i e s n o t w e n d i g v o r a u s , d a ß z w i s c h e n Mitteln u n d Zielen eindeutige V e r k n ü p f u n g e n bestehen. Aussagen ü b e r derartige V e r k n ü p f u n g e n b a s i e r e n a u f E r k e n n t n i s s e n d e r W i r t s c h a f t s t h e o r i e , d . h . a u f Aussagen über die zugrundeliegenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen12.
" Z u r T y p o l o g i e v o n Z i e l b e z i e h u n g e n vgl. u . a . M. E. Streit ( 1979, S. 134ff.). '' Dies w ü r d e vor allem K e n n t n i s s e über die sozialen Kosten d e s Verzichts auf die Realisier u n g w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r Ziele voraussetzen. Derartige I n f o r m a t i o n e n liegen b i s l a n g nicht in exakter F o r m vor. "' D i e m e t h o d i s c h e n G r u n d l a g e n u n d tatsächlich praktizierten V e r f a h r e n der D i a g n o s e u n d P r o g n o s e k ö n n e n hier nicht diskutiert w e r d e n . Vgl. d a z u u . a . K. W. Rothschild (1969) u n d R. Hujer, R. Cremer( 1978). " D i e hier v o r g e n o m m e n e u n d a u c h a n s o n s t e n übliche U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n Zielen u n d Mittel ist nicht g a n z u n p r o b l e m a t i s c h . Ziele k ö n n e n Mittel z u r E r r e i c h u n g übergeo r d n e t e r Ziele sein (Beispiel: d a s Ziel eines möglichst h o h e n B e s c h ä f t i g u n g s s t a n d e s k a n n als Mittel zur E r f ü l l u n g d e r h ö h e r r a n g i g e n Gesellschaftsziele Sicherheit u n d W o h l s t a n d v e r s t a n d e n w e r d e n ) ; Mittel k ö n n e n selbst einen Eigenwert besitzen u n d insoweit Z i e l c h a r a k t e r a n n e h m e n . Stark v e r e i n f a c h t k ö n n t e d e r Z u s a m m e n h a n g zwischen W i r t s c h a f t s t h e o r i e u n d theoretis c h e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k etwa wie folgt illustriert w e r d e n : W i r t s c h a f t s t h e o r i e versucht K a u s a l z u s a m m e n h ä n g e a u f z u k l ä r e n . Sie f o r m u l i e r t Sätze, wie beispielsweise d i e s e n : „ I m m e r wenn d i e volkswirtschaftliche N a c h f r a g e nach G ü t e r n u n d D i e n s t l e i s t u n g e n steigt, wird die B e s c h ä f t i g u n g von A r b e i t s k r ä f t e n z u n e h m e n . " Diese A u s s a g e wird n u n g l e i c h s a m ins „ P o l i t i s c h e " g e w e n d e t : „ W e n n die E r h ö h u n g des B e s c h ä f t i g u n g s s t a n d e s ein Ziel der W i r t s c h a f t s p o l i t i k ist, d a n n ist die S t e i g e r u n g d e r v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n N a c h f r a g e ein geeignetes I n s t r u m e n t . "
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Kap. 1 : Allgemeine G r u n d l e g u n g
Es g e n ü g t f r e i l i c h n i c h t f e s t z u s t e l l e n , i r g e n d e i n I n s t r u m e n t sei g e e i g n e t , ein bes t i m m t e s Ziel zu f ö r d e r n , es m u ß z u g l e i c h g e p r ü f t w e r d e n , o b d i e s e s I n s t r u m e n t der Kontrolle des Trägers der Wirtschaftspolitik unterliegt". Die A u s w a h l d e r k o n t r o l l i e r b a r e n Mittel h ä t t e s o zu e r f o l g e n , d a ß ein m ö g lichst h o h e r G r a d d e r Z i e l e r r e i c h u n g zu e r w a r t e n ist. W i r t s c h a f t s p o l i t i k h ä t t e in d i e s e m S i n n e d e n Grundsätzen rationalen H a n d e l n s zu e n t s p r e c h e n 1 4 . D i e s s c h l i e ß t u . a . d e n b e d e u t s a m e n A s p e k t e i n , d a ß w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e Mittel stets im H i n b l i c k a u f d i e mit i h n e n v e r b u n d e n e n ( u n e r w ü n s c h t e n ) N e b e n w i r k u n g e n zu p r ü f e n s i n d . D a s Kontrollproblem s c h l i e ß t n i c h t n u r d i e Ü b e r w a c h u n g d e s V o l l z u g s wirtschaftspolitischer M a ß n a h m e n ein, s o n d e r n vor allem eine W i r k u n g s k o n t r o l l e d e r e i n g e s c h l a g e n e n T h e r a p i e . D i e s b e z ü g l i c h e I n f o r m a t i o n e n s i n d f ü r k ü n f t i g zu treffende Entscheidungen von Bedeutung. Diese sehr k n a p p e Skizze des wirtschaftspolitischen Entscheidungs- u n d H a n d l u n g s p r o z e s s e s wäre unvollständig o h n e den Hinweis auf die institutionellen R a h m e n b e d i n g u n g e n . D i e s b e t r i f f t v o r a l l e m d i e j e n i g e n I n s t i t u t i o n e n , d i e w i r e i n g a n g s als „ T r ä g e r " d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k b e z e i c h n e t h a b e n . Z u r K e n n z e i c h n u n g wirtschaftspolitischer T r ä g e r k a n n auf zwei a b g e s t e l l t w e r d e n : (1) M a c h t u n d (2) L e g i t i m a t i o n .
Merkmale
D i e M a c h t z u r D u r c h s e t z u n g w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r E n t s c h e i d u n g e n ist k e i n e s w e g s a u f s t a a t l i c h e I n s t i t u t i o n e n ( P a r l a m e n t e , R e g i e r u n g e n , V e r w a l t u n g e n etc.) b e s c h r ä n k t , v i e l m e h r b e s i t z e n a u c h n i c h t - s t a a t l i c h e O r g a n i s a t i o n e n (ζ. B. Verb ä n d e ) o d e r gar Einzelpersonen die Möglichkeit, ihre Interessen durchzusetzen. D i e g e s e l l s c h a f t l i c h e Legitimation z u r M a c h t a u s ü b u n g w i r d in e r s t e r L i n i e d u r c h
wirtschaftspolitischer Entscheidungsprozeß im engeren Sinn
I
Lageproblem
Abb. 1
Zielproblem Mittelproblem
Vollzugs- und Kontrollproblem
G r u n d e l e m e n t e des wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozesses
" So mag ζ. B. die Beeinflussung der Löhne als geeignetes Instrument zur Erreichung bestimmter wirtschaftspolitischer Ziele erkannt worden sein, aber gleichwohl mögen die Träger der Wirtschaftspolitik keinen direkten Einfluß auf die Lohnbildung ausüben können. 14
Zu den methodischen Grundlagen rationalen Handelns siehe G. Gäfgen( 1974, S. 18Ff.); zur Theorie rationaler Wirtschaftspolitik vgl. T. Piìtz, G. Neuhauser(1980).
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Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
die Verfassung bestimmt, d a n e b e n durch einzelgesetzliche Regelungen sowie Verträge (insbesondere auch solcher auf internationaler Ebene). Legitimation u n d M a c h t m ü s s e n n i c h t n o t w e n d i g e r w e i s e in d e n g l e i c h e n I n s t i t u t i o n e n z u s a m m e n f a l l e n . W e n n wir a l s T r ä g e r d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k a l l e i n d i e s t a a t l i c h e n O r g a n e (als I n h a b e r d e r H o h e i t s g e w a l t ) a n s e h e n , s o ist d a m i t e i n e V i e l z a h l v o n I n s t i t u t i o n e n b e z e i c h n e t ( O r g a n e d e r Legislative u n d E x e k u t i v e a u f d e r E b e n e d e s Bundes, der Länder und der G e m e i n d e n sowie der E G ; ferner die Notenbank). A u s d i e s e m U m s t a n d e r g e b e n sich e r h e b l i c h e P r o b l e m e d e r K o m p e t e n z a b g r e n zung und der Koordination wirtschaftspolitischen Handelns. Die Z u s a m m e n h ä n g e zwischen den einzelnen E l e m e n t e n des wirtschaftspolitis c h e n E n t s c h e i d u n g s m o d e l l s s i n d in d e r A b b . I n o c h e i n m a l z u s a m m e n g e f a ß t . 2.2 Erweiterung der wirtschaftspolitischen Problemstellung durch die „ N e u e Politische Ö k o n o m i e " Das zuvor skizzierte Muster einer entscheidungsorientierten m u ß in m a n c h e r H i n s i c h t u n b e f r i e d i g e n d e r s c h e i n e n .
Wirtschaftspolitik
Z i e l e w e r d e n als g e g e b e n a n g e n o m m e n , n i c h t a b e r d i e F r a g e gestellt, w e s s e n Interessen und Wertvorstellungen hinter der Auswahl, Rangfolge u n d Interpret a t i o n w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r Z i e l e s t e h e n u n d w e r s e i n e A b s i c h t e n in k o n k r e t e n gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen politisch durchzusetzen vermag. E b e n s o w i r d bei d e r B e u r t e i l u n g v o n Z i e l - M i t t e l - B e z i e h u n g e n l e d i g l i c h a u f d i e technische Eignung von wirtschaftspolitischen Instrumenten abgehoben und die Interessengebundenheit der Mittelauswahl (-dosierung, -terminierung) übersehen. Der politische Willensbildungs- u n d Entscheidungsprozeß bleibt mithin außerhalb der Betrachtung. Es w u r d e d a h e r als n o t w e n d i g e m p f u n d e n , d e n p o l i t i s c h e n P r o z e ß in e i n e T h e o r i e d e r Wirtschaftspolitik einzubeziehen. U m eine solche Integration bem ü h t sich v o r a l l e m d i e „ N e u e P o l i t i s c h e Ö k o n o m i e " 1 5 . D e r e n F r a g e s t e l l u n g e n l a s s e n sich s t a r k v e r k ü r z t e t w a w i e folgt k e n n z e i c h n e n : • W e l c h e g r u n d l e g e n d e n E n t s c h e i d u n g s m e c h a n i s m e n s i n d in m o d e r n e n G e s e l l schaften vorherrschend? Als dominant und sich wechselseitig beeinflussend werden folgende Entscheidungsmechanismen hervorgehoben: Preismechanismus (Markt), Abstimmung (Demokratie), Verhandlung 1 ", Bürokratie (Hierarchie). • L a s s e n d e m o k r a t i s c h e A b s t i m m u n g s v e r f a h r e n ( W a h l e n ) e r w a r t e n , d a ß sich d e r politische Wille der S t a a t s b ü r g e r auf d e r E b e n e d e r Gesellschaft r e p r ä s e n t i e r t ?
" Daneben existieren Bezeichnungen wie „Ökonomische Theorie der Politik", „Nichtmarktliche Entscheidungstheorie", „public choice theory". Gemeinsames Kennzeichen dieser Forschungsansätze ist die Anwendung des modernen wirtschaftstheoretischen Instrumentariums auf eine Analyse der Politik. Die inzwischen sehr umfangreiche Literatur wird überblicksweise dargestellt von G. Kirsch (1974), sowie BS. Frey (1980). Vgl. ferner die von HP. Widmaier ( 1974) und W. W. Pommerehne, B.S. Frey (\979) herausgegebenen Aufsatzsammlungen mit einigen bedeutenden Originalbeiträgen. Auf Verhandlungslösungen, wie sie für den Prozeß der Lohnbildung typisch sind, wird in Kapitel 5 eingegangen.
Kap. I : Allgemeine G r u n d l e g u n g
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Die U n t e r s u c h u n g e n a l t e r n a t i v e r d e m o k r a t i s c h e r A b s t i m m u n g s v e r f a h r e n o f f e n b a r e n , d a ß eine w i d e r s p r u c h s f r e i e Z u s a m m e n f a s s u n g ( A g g r e g a t i o n ) i n d i v i d u e l l e r P r ä f e r e n z e n zu einer kollektiven Zielsetzung (formalisiert in einer „sozialen W o h l f a h r t s f u n k t i o n " ) nicht m ö g l i c h ist1 . D a h e r sind willkürliche A b s t i m m u n g s e r g e b n i s s e möglich u n d der U m s t a n d zu b e r ü c k s i c h t i g e n , d a ß W a h l v e r f a h r e n strategieanfällig sind (beides gilt in b e s o n d e r e m M a ß e f ü r die e i n f a c h e M e h r h e i t s e n t s c h e i d u n g ) " .
• Von welchen Zielen lassen sich die politischen Akteure in der Demokratie leiten? P o l i t i k e r ( R e g i e r u n g e n ) w e r d e n stets auf d a s G e m e i n w o h l , d e m allein zu d i e n e n i h n e n a u f g e t r a g e n ist, verpflichtet. Es erscheint a l l e r d i n g s die A n n a h m e nicht g a n z unrealistisch, d a ß d i e politischen A k t e u r e d u r c h a u s eigennützigen Interessen (Streben n a c h M a c h t , Eink o m m e n , Prestige) folgen. In A n a l o g i e z u m g e w i n n m a x i m i e r e n d e n U n t e r n e h m e r wird in M o d e l l e n d e r ö k o n o m i schen Politiktheorie d e r T y p u s d e s s t i m m e n m a x i m i e r e n d e n Politikers e i n g e f ü h r t ' " , d e r „ p o l i t i s c h e G ü t e r " (ζ. B. w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e P r o g r a m m e ) a n b i e t e t und bei dessen Aktivitäten d i e F ö r d e r u n g des G e m e i n w o h l s gleichsam n u r als N e b e n p r o d u k t a n f ä l l t . A u c h d i e W ä h l e r w e r d e n als n u t z e n m a x i m i e r e n d e K o n s u m e n t e n von (wirtschafts-)politischen P r o g r a m m e n v e r s t a n d e n , die j e n e n Politikern (Parteien) i h r e S t i m m e g e b e n , die ihren j e eigenen N u t z e n v o r s t e l l u n g e n am besten e n t s p r e c h e n . E r k e n n e n die W ä h l e r , d a ß ihre i n d i v i d u e l l e S t i m m a b g a b e keinen m e r k l i c h e n E i n f l u ß a u f d e n W a h l a u s g a n g h a t , werd e n sie kein b e s o n d e r e s Interesse d a r a n h a b e n , sich möglichst u m f a s s e n d ü b e r die a n g e b o t e n e n ( w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n ) A l t e r n a t i v e n zu i n f o r m i e r e n . U n t e r Berücksichtigung d e r K o s t e n der I n f o r m a t i o n s b e s c h a f f u n g erscheint „ I g n o r a n z " m i t h i n als „ r a t i o n a l " . Dies sichert d e n j e n i g e n E i n f l u ß , die I n f o r m a t i o n e n k o s t e n l o s a n b i e t e n (organisierte Interessen als „ I n f o r m a t i o n s v e r m i t t l e r " ) .
• W e l c h e Ergebnisse läßt die Parteienkonkurrenz um Wählerstimmen erwarten? A n h a n d e i n f a c h e r M o d e l l e des politischen Wettbewerbs im Z w e i p a r t e i e n - S y s t e m wird gefolgert, d a ß die nach S t i m m e n m a x i m i e r u n g s t r e b e n d e n Parteien identische (wirtschaftspolitische) P r o g r a m m e a n b i e t e n w e r d e n , d i e im S p e k t r u m d e r Interessen d e n P r ä f e r e n z e n der M e d i a n - W ä h l e r e n t s p r e c h e n . W e l c h e Partei die Regierungsgewalt erringt, h ä n g t d a n n e r h e b l i c h vom Z u f a l l ab. K o n k u r r i e r e n m e h r als zwei Parteien um d i e E r h a l t u n g bzw. E r r i n g u n g d e r M a c h t , so sind wegen d e r Möglichkeit d e r K o a l i t i o n s b i l d u n g a l l g e m e i n e P r o g n o s e n d a r ü b e r , welche W ä h l e r g r u p p e n ihre Interessen d u r c h z u s e t z e n v e r m ö g e n , nicht m e h r f o r m u l i e r b a r .
Dies ist die A u s s a g e des von K.J. Arrow (1951) f o r m u l i e r t e n „ U n m ö g l i c h k e i t s t h e o r e m s " . U n t e r d e r A n n a h m e , d a ß die aus d e n individuellen P r ä f e r e n z e n d e r W ä h l e r abz u l e i t e n d e g e s e l l s c h a f t l i c h e E n t s c h e i d u n g b e s t i m m t e n a k z e p t a b l e n A n f o r d e r u n g e n gen ü g t , ist kein A b s t i m m u n g s v e r f a h r e n d e n k b a r , d a s in allen Fällen ( d . h . bei beliebigen K o m b i n a t i o n e n i n d i v i d u e l l e r P r ä f e r e n z e n ) eine w i d e r s p r u c h s f r e i e A b b i l d u n g d e r individuellen Urteile in einer gesellschaftlichen P r ä f e r e n z o r d n u n g (einer „sozialen W o h l f a h r t s f u n k t i o n " ) erlaubt. 18
Bezüglich der M e h r h e i t s e n t s c h e i d u n g e n wird g e w ö h n l i c h a u f d a s seit l a n g e m b e k a n n t e „ A b s t i m m u n g s p a r a d o x o n " verwiesen. A n h a n d eines e i n f a c h e n Falles (3 W ä h l e r , 3 z u r A b s t i m m u n g gestellte A l t e r n a t i v e n ) k a n n gezeigt w e r d e n , d a ß willkürliche A b s t i m m u n g s e r g e b n i s s e m ö g l i c h sind. A n g e s i c h t s d e r T a t s a c h e , d a ß realiter A b s t i m m u n g e n reg e l m ä ß i g d a n n b e e n d e t w e r d e n , w e n n e i n e „ s i e g r e i c h e " A l t e r n a t i v e festgestellt w i r d , ist nicht b e k a n n t , o b ein p a r a d o x e s E r g e b n i s vorliegt. Die R e i h e n f o l g e , in d e r ü b e r P a a r e von A l t e r n a t i v e n a b g e s t i m m t w i r d , k a n n d a n n d a r ü b e r e n t s c h e i d e n , welche A l t e r n a t i v e g e w i n n t ; M a n i p u l a t i o n e n e r s c h e i n e n d a h e r möglich.
1,1
Vgl. i n s b e s o n d e r e A. Do»'»*(1968).
8
Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
• W e l c h e R o l l e spielen d i e organisierten Interessen im p o l i t i s c h e n P r o z e ß ? Der politische Einfluß organisierter Interessen (zu deren Institutionalisierung das Vorhandensein gemeinsamer politischer Anliegen allein nicht ausreichend erscheint) 2 " wird auf verschiedenen Wegen vermittelt: (1) durch die Entsendung eigener Vertreter in die Parlamente bzw. durch finanzielle und organisatorische Unterstützung bestimmter Politiker bzw. Parteien; (2) durch selektive „Informationsvermittlung" zur Beeinflussung des Wählerverhaltens, des Abstimmungsverhaltens von Parlamentariern oder der Entscheidungen von Regierungen (bzw. Verwaltungen); (3) durch Institutionalisierung einer Anhörungspflicht von Vertretern organisierter Interessen im Gesetzgebungsverfahren; (4) durch strategisches Verhalten (ζ. B. „Stimmentausch") in parlamentarischen Abstimmungen, wodurch organisierte Minoritäten bei gegenseitiger Unterstützung ihre (wirtschaftspolitischen) Interessen durchzusetzen vermögen. • W e l c h e E i n f l ü s s e g e h e n v o n der Bürokratie a u f d i e p o l i t i s c h e n E n t s c h e i d u n gen aus? Die Mitglieder bürokratischer Organisationen (z.B. öffentlicher Verwaltungen) sind nach idealisierendem Demokratieverständnis lediglich Vollzugsorgane der Regierungspolitik und allein daran interessiert, diejenigen Leistungen für Staatsbürger zu erbringen, die in kollektiven Entscheidungsverfahren festgelegt sind. Realistischer erscheint die Annahme, daß Bürokratien (auch) eigennützige Ziele verfolgen (ein möglichst hohes Einkommen, öffentliche Anerkennung, möglicherweise auch ein konfliktfreies, ruhiges und angenehmes Leben). Das Prestige- und Einkommensstreben der Führungskräfte öffentlicher Verwaltungen wird nun für deren Neigung verantwortlich gemacht, die Parlamentarier zur Ausdehnung der Verwaltungsbudgets zu veranlassen. Soweit dies gelingt, würde ein größerer Umfang öffentlicher Leistungen angeboten, als gesellschaftlich erwünscht 21 . Die häufig nur lückenhafte Kontrolle bürokratischer Organisationen durch die dazu legitimierten politischen Institutionen erlaubt den Bürokraten, sich „ O a s e n " zu schaffen, innerhalb derer sie ihre eigenen Nutzenvorstellungen verwirklichen können. Daraus wird häufig gefolgert, daß öffentliche Verwaltungen nicht hinreichend motiviert seien, die öffentlichen Mittel so effizient wie möglich zu verwenden (öffentliche Leistungen so kostengünstig wie möglich anzubieten). • W e l c h e I n t e r d e p e n d e n z e n bestehen z w i s c h e n p o l i t i s c h e n u n d ö k o n o m i s c h e n Prozessen? Eine recht breite Aufmerksamkeit haben politisch-ökonomische Modelle erregt, die zeigen, d a ß das Verhalten stimmenmaximierender Politiker (Regierungen) zu zyklischen Schwankungen gesamtwirtschaftlicher Abläufe führen kann („politische Konjunkturzyklen") 22 . So mag eine Regierung ζ. B. die Erfahrung machen, d a ß sie ihre Chancen, wiedergewählt zu werden, dadurch verbessern kann, wenn sie kurz vor dem Wahltermin erhebliche Anstrengungen zur Bekämpfung einer bestehenden Arbeitslosigkeit macht. Nach dem Wahlsieg wird sie zunächst die durch eine solche Wirtschaftspolitik bewirkte Inflationstendenz bekämpfen, um beim Herannahen des nächsten Wahltermins erneut eine expansive Beschäftigungspolitik einzuleiten. Solange man sich darauf verlassen kann, daß Wähler vergeßlich sind, besteht ein gewisser Anreiz für die Regierung, durch wechselnd expansive und restriktive Wirtschaftspolitik zyklische Schwankungen der Gesamtwirtschaft zu fördern. M a n kann g e w i ß m a n c h e s gegen d i e B e t r a c h t u n g s w e i s e der „ N e u e n 2,1
Vgl. dazu vor allem M. Olson jr. ( 1968).
21
Vgl. u.a. W.A. Niskanen(\91\). Vgl. u.a. W. D. Nordhaus (1977).
22
Politi-
9
Kap. I : Allgemeine G r u n d l e g u n g
sehen Ö k o n o m i e " kritisch e i n w e n d e n , i n s b e s o n d e r e wohl d i e allzu n a i v e Ausw e c h s l u n g d e s „ h o m o o e c o n o m i c u s " gegen die Figur d e s „ h o m o p o l i t i c u s " u n d die h ä u f i g s e h r e i n f a c h e S t r u k t u r d e r v e r w e n d e t e n p o l i t - ö k o n o m i s c h e n M o d e l l e ; ihr u n b e s t r e i t b a r e r V o r z u g liegt d a r i n , W i r t s c h a f t s p o l i t i k n i c h t n u r als eine rein t e c h n o k r a t i s c h e K a l k u l a t i o n im S i n n e d e r O p t i m i e r u n g e i n e r „ i r g e n d w i e " gegeb e n e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n W o h l f a h r t s f u n k t i o n e r s c h e i n e n zu lassen.
3 . Z u r B e g r ü n d u n g von W i r t s c h a f t s p o l i t i k in d e r M a r k t w i r t s c h a f t E i n i g e d e r b i s h e r a n g e d e u t e t e n P r o b l e m e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k k ö n n t e n sich als w e i t g e h e n d g e g e n s t a n d s l o s e r w e i s e n , w e n n d e r N a c h w e i s g e l ä n g e , d a ß sich in einer l i b e r a l e n M a r k t g e s e l l s c h a f t n i c h t - m a r k t l i c h e E n t s c h e i d u n g s p r o z e d u r e n a u f einen u n v e r m e i d l i c h e n , a b e r i n s g e s a m t u n b e d e u t e n d e n Rest r e d u z i e r e n lassen. O d e r a n d e r s f o r m u l i e r t : In e i n e r G e s e l l s c h a f t , in d e r d i e g e s e l l s c h a f t l i c h e K o o r d i n a t i o n i n d i v i d u e l l e r E n t s c h e i d u n g e n ü b e r M ä r k t e erfolgt, s c h e i n t es f ü r wirts c h a f t s p o l i t i s c h e A k t i v i t ä t e n des Staates j e n s e i t s d e r n o t w e n d i g e n F e s t l e g u n g u n d K o n t r o l l e a l l g e m e i n g ü l t i g e r Regeln s o w i e d e r E r f ü l l u n g w e n i g e r nicht ü b e r den M a r k t m e c h a n i s m u s zu b e w ä l t i g e n d e r A u f g a b e n k e i n e n b e g r ü n d b a r e n Platz zu g e b e n . W i r t s c h a f t s p o l i t i k k ö n n t e in einer s o l c h e n G e s e l l s c h a f t im P r i n z i p n u r als störend o d e r g a r als z e r s t ö r e n d e m p f u n d e n w e r d e n . Diese A u f f a s s u n g hat e i n e lange T r a d i t i o n , u n d sie übt allem A n s c h e i n n a c h a u c h h e u t e n o c h eine b e a c h t l i che A n z i e h u n g s k r a f t aus. In e i n e m d e u t l i c h e n G e g e n s a t z d a z u steht d i e M e i n u n g , d a ß d i e F u n k t i o n s f ä higkeit eines m a r k t w i r t s c h a f t l i c h - k a p i t a l i s t i s c h e n Systems (soweit ü b e r h a u p t ) nur d u r c h intensive wirtschaftspolitische Interventionen erhalten werden kann. Wir h a l t e n d i e s e A u f f a s s u n g f ü r b e g r ü n d e t u n d w e r d e n d a f ü r e i n i g e A r g u m e n t e darzulegen versuchen2'. 3.1 Die (neo-)klassische Lehre der liberalen Marktgesellschaft Die l i b e r a l e A u f f a s s u n g v o n W i r t s c h a f t s p o l i t i k ist auf d a s v o r allem v o n d e n e n g l i s c h e n K l a s s i k e r n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e 2 4 e n t w i c k e l t e Marktmodell z u r ü c k führbar. Im idealisierten M a r k t s y s t e m erfolgt die O r g a n i s a t i o n ö k o n o m i s c h e r H a n d l u n g e n d e z e n t r a l d u r c h e i n e Vielzahl u n a b h ä n g i g a g i e r e n d e r I n d i v i d u e n . D i e T a u s c h p l ä n e d e r W i r t s c h a f t s s u b j e k t e ( p r i v a t e H a u s h a l t e u n d U n t e r n e h m e n bieten L e i s t u n g e n u n d G ü t e r a u f M ä r k t e n an b z w . f r a g e n diese n a c h ) w e r d e n ü b e r Preise, die sich auf d e n j e w e i l i g e n M ä r k t e n u n t e r W e t t b e w e r b s b e d i n g u n g e n bild e n , a u f e i n a n d e r a b g e s t i m m t . D i e W i r t s c h a f t s s u b j e k t e e n t s c h e i d e n frei ü b e r ihre T e i l n a h m e a n d e n T a u s c h p r o z e s s e n , in d e n e n sie als f o r m a l G l e i c h g e s t e l l t e mitwirken. Die grundlegende ordnungspolitische Idee d e s M a r k t m o d e l l s b e s t e h t d a r i n , d a ß dieses e i n e n sich selbst r e g u l i e r e n d e n M e c h a n i s m u s d a r s t e l l t ; es ist d i e „ U n s i c h t 23
Vgl. u n t e n S. 1 2 f f .
24
Als h e r a u s r a g e n d e V e r t r e t e r d e r n a t i o n a l ö k o n o m i s c h e n Adam
Smith
(
1723-1790),
David
Ricardo
(
1772-1823),
John
Klassik in E n g l a n d Stuart
gelten
A/r//( 1806-1873).
10
Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
bare H a n d " (Adam Smith) des über Preise gesteuerten Marktes, der die individuellen Pläne in Übereinstimmung bringt. Indem jedes Wirtschaftssubjekt seinen Eigennutz zu befriedigen versucht, fördert es zugleich auch gesellschaftliche Ziele. Die zentrale These lautet d a h e r : Privates Gewinn- bzw. Nutzenstreben führt in einem durch Wettbewerb gekennzeichneten Marktsystem zu einer optimalen Verwendung der prinzipiell knappen Produktionsressourcen bei bestmöglicher Erfüllung der K o n s u m e n t e n w ü n sche (kurz: optimale Allokation) und zu gesellschaftlichem Wohlstand. Eine Gesellschaft freier u n d gleicher Individuen wird in dieser Tauschwelt folglich nicht aus der solidarischen Verfolgung gesellschaftlichen Interesses, sondern gerade aus der prinzipiellen A n e r k e n n u n g des Einzelinteresses begründet. Konsequenterweise bedarf die Marktgesellschaft daher auch keiner zentralen Institution, die das allgemeine gesellschaftliche Wohl festlegt. Das v o n e i n a n d e r u n a b h ä n g i g e Optimierungsverhalten der Wirtschaftssubjekte garantiert die Harm o n i e zwischen einzel- u n d gesamtwirtschaftlichen Interessen (Harmoniethese). Diese Harmonievorstellung enthält zugleich auch die Fiktion einer krisenfreien Wirtschaft: jedes Angebot schafft sich gleichsam seine eigene Nachfrage, was auch als S a d d l e s Theorem 25 bezeichnet wird. Damit wird das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht als Identität von Angebot u n d N a c h f r a g e unzerstörbar, u n d Wirtschaftskrisen sind langfristig nicht möglich. Es ist dies die Vorstellung einer kapitalistischen Marktwirtschaft, die aufg r u n d endogener Mechanismen tendenziell auf ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht hinsteuert. Im Gleichgewicht sind die Erwartungen und Planungen aller Wirtschaftssubjekte u n d Wirtschaftssektoren erfüllt. Die Unternehmen können gerade die Gütermenge verkaufen, deren Absatz sie geplant haben, und eben diese Menge entspricht dem geplanten Konsum der privaten Haushalte. Auf dem Weg zu diesem Zustand werden Ungleichgewichte (in Form von Über- oder Unterproduktion von G ü t e r n oder unfreiwilliger Arbeitslosigkeit) durch den marktwirtschaftlichen Preismechanismus abgebaut. In der auf Leon Walratr6 zurückgehenden Weiterentwicklung des klassischen Ansatzes zur neoklassischen Theorie des allgemeinen Tausch- und Produktionsgleichgewichts sind hierzu folgende Anpassungsregeln entwickelt w o r d e n : Preise steigen bei Überschußnachfrage und sinken bei Überschußangebot auf den einzelnen Märkten; Ausweitungen der G ü t e r p r o d u k t i o n erfolgen nur, wenn die erzielbaren Güterpreise über den Produktionskosten liegen 27 . D a s Funktionieren dieses Stabilitätsmechanismus setzt auf allen Märkten Wettbewerb voraus 2 8 . Nur d a n n können Preis-, Zins- und Lohn-Anpassungen d a f ü r sorgen, d a ß stets Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren herrscht. D a s Vertrauen in den Preismechanismus als optimales Allokationsverfahren wird in der neoklassischen Reflexion der Organisation und Funktionsweise gesellschaftlichen Wirtschaftens zum zentralen Theorem der Wohlfahrtsökono-
27
Benannt nach dem französischen Nationalökonomen Jean Babiisle Say( 1767-1832). Schweizerischer Nationalökonom (1834-1910). Diese Aussagen werden in zahlreichen Lehrbüchern zur sogenannten MikroÖkonomie präzisiert und formalisiert. Vgl. u.a. J. Schumann (1980). Vgl. im einzelnen Kapitel 2.
II
Kap. I : Allgemeine G r u n d l e g u n g
mik2'' ausformuliert: alle Marktgleichgewichte sind optimal, wie alle optimalen Allokationen gleichgewichtige Ergebnisse bringen. Optimalität wird dabei im Sinne Paretosr"' verstanden und bedeutet, d a ß kein Wirtschaftssubjekt durch weitere ö k o n o m i s c h e Aktivitäten seine eigene Bedürfnisbefriedigung verbessern k a n n , ohne d a d u r c h mindestens ein anderes Individuum schlechter zu stellen. Damit ist der prima facie-Fall f ü r ökonomisches „laissez-faire" konstruiert. N a c h der allgemeinen Theorie des Warentausches u n d der Preise - die zugleich G r u n d l a g e j e d e r liberalen Philosophie ist - ergibt sich der beste Zustand einer Gesellschaft also d a n n , wenn sämtliche Allokationsentscheidungen im R a h m e n eines Systems mit freien und vertraglich geregelten Tauschbeziehungen getroffen werden. Damit ist auch die Definition der Marktwirtschaft vorgezeichnet. Die Vorteile der Marktgesellschaft sollen in individueller Leistung und Initiative, Anpassungsfähigkeit und D y n a m i k liegen und folglich eine progressive Ordnungsform 3 1 präsentieren. F. A. von Hayek ergänzt das Effizienzargument gesellschaftspolitisch d a d u r c h , d a ß er nachzuweisen versucht, d a ß n u r die marktwirtschaftliche O r d n u n g des ökonomischen Systems eine freie Gesellschaft konstituiert 1 -. 3.2 Liberale Doktrin der Wirtschaftspolitik Wie sieht nun auf der G r u n d l a g e der postulierten prinzipiellen Stabilität der Marktwirtschaft das wirtschaftspolitische Credo des Liberalismus a u s ? G a n z allgemein formuliert ist es die „ D o m e s t i z i e r u n g des ö k o n o m i s c h e n Lev i a t h a n " " : bei Priorität des Freiheitspostulats (verstanden als möglichst unbeschränkte Verfolgung des Einzelinteresses) soll der Staat wirtschaftspolitisch nur d a n n eingreifen, wenn d a d u r c h gesellschaftliche M i ß s t ä n d e beseitigt u n d / o d e r bessere Resultate erwartet werden k ö n n e n . Der Staat sollte auch deshalb nicht in die ökonomischen Prozesse intervenieren, da diese nach Ansicht von Klassikern wie Adam Smith u n d David Ricardo nach unveränderlichen Naturgesetzen ablaufen. Auf der Basis d e r liberalen Prinzipien (individuelle Freiheit, Selbstinteresse u n d Konkurrenz) reduzieren sich folglich die ö k o n o m i s c h e n Funktionen des Staates' 4 auf den Bereich äußere und innere Sicherheit (insbesondere Schutz der Eigentumsrechte sowie der Gewerbe- und Vertragsfreiheit)' 5 sowie die Gewährleistung der für die Funktionsfähigkeit des Marktes notwendigen R a h m e n b e d i n gungen institutioneller (z. B. funktionierendes Geldsystem) und materieller (z. B.
Vgl. etwa E. Söhnten •"' Vilfredo
"
(1976).
Pareto ( 1848-1923), i t a l i e n i s c h e r N a t i o n a l ö k o n o m u n d S o z i o l o g e .
W. Engels (\919, S. 48ff.). Vgl. F A. von Hayek (1976).
"
C. Watrin (1979, S. 233). E i n e v o r z ü g l i c h e D a r s t e l l u n g d e r E n t w i c k l u n g d e r W i r t s c h a f t s k o n z e p t i o n d e s k l a s s i s c h e n L i b e r a l i s m u s f i n d e t sich bei J. Kromphardt
' J E i n e D a r s t e l l u n g d e r k l a s s i s c h e n S i c h t w e i s e f i n d e t sich bei L. Robhins( 15
(1980). 1970).
Diese beiden protektiven Funktionen brachten dem Staat des laissez-faire-Liberalismus d e s 19. J a h r h u n d e r t s d a s Etikett „ N a c h t w ä c h t e r s t a a t " (Lasalle) (1980, S. 181).
e i n ; vgl. J.
Krompliardl
12
Kap. 1 : Allgemeine G r u n d l e g u n g
die Bereitstellung bestimmter Infrastruktureinrichtungen, etwa im Bildungsbereich) Art36. Diese liberale Grundposition, fortgeführt im Neoliberalismus und der Neoklassik 37 als der Theorie der Marktprozesse, votiert also für ein geringes Maß an wirtschaftspolitischen Interventionen. Fallweise (diskretionäre) staatliche Eingriffe vor allem würden der Verstetigung der ökonomischen Prozesse, d.h. der Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes, entgegenstehen. Wo dennoch staatliche Eingriffe erforderlich werden, sollen Interventionsformen gewählt werden, die den individuellen Entscheidungsraum der Wirtschaftssubjekte so wenig wie möglich einschränken und zugleich den Ermessensspielraum für staatliche Aktivitäten so eng wie möglich halten. Dieses marktwirtschaftliche Subsidiaritätsprinzip weist der Ordnungspolitik (in Form der Wettbewerbspolitik) absolute Priorität zu vor einer Wirtschaftspolitik, die in gesamtwirtschaftliche Abläufe eingreift (Prozeßpolitik) 38 . Das Postulat einer funktionierenden Wettbewerbsordnung ist, wie wir oben gesehen haben, konstitutiv für eine freie Tauschwirtschaft. Anlässe für staatliche Interventionen ergeben sich deshalb nur bei Versagen des Konkurrenzmechanismus. In der Realität kapitalistischer Marktwirtschaften ist allerdings nirgendwo eine solche Ordnung auch nur annähernd geschaffen worden. 3.3 Zur Notwendigkeit interventionistischer Wirtschaftspolitik Konfrontiert man die tatsächlichen Gegebenheiten kapitalistischer Marktwirtschaften mit dem liberalen Marktmodell, so ergeben sich erhebliche Zweifel an dessen Erklärungswert. Das dort vermittelte Bild eines harmonisch agierenden privaten Sektors einer Volkswirtschaft kontrastiert stark mit der disharmonischen Realität. Allem Anschein nach besteht ein dringender Bedarf für staatliche Interventionen, um die Funktionsfähigkeit von Marktsystemen zu gewährleisten. Aber läßt sich die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in systematischer Weise aus den beobachteten Funktionsmängeln marktwirtschaftlicher Systeme begründen? Eine Beantwortung dieser Frage erweist sich als schwierig angesichts der Tatsache, daß unsere theoretischen Kenntnisse über die grundlegenden ökonomischen Zusammenhänge unvollkommen sind und eine umfassende Erklärung staatlichen Handels bislang noch nicht entwickelt ist. Wenn wir nachfolgend einige Argumente für die Notwendigkeit interventionistischer 39 Wirtschaftspolitik darlegen, so kann es sich dabei lediglich um eine unvollständige und in manchen Details vergröbernde Skizze handeln. In späteren Kapiteln werden einige Argumente erneut aufgegriffen und einer ausführlichen Diskussion unterzogen. Um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen, sei gesagt, d a ß nicht allein marktwirtschaftlich-kapitalistische Systeme Funktionsmängel aufweisen. Soweit dies b e h a u p t e t 36
37
38 39
J. M. Buchanan (1975) verwendet diese Aufgabenbereiche f ü r seine Einteilung in einen protektiven u n d einen produktiven Staat. Diese Richtung geht überwiegend von F.A. von Hayek (1976) u n d M. Friedman (1975) aus u n d wird insbesondere von den „ N e w Libertarians" um J. M. Buchanan u n d R. E. Wagner (1977) fortgesetzt. So etwa R. Blum( 1982, S. 152). Der T e r m i n u s „interventionistische" Wirtschaftspolitik wird h ä u f i g zur K e n n z e i c h n u n g willkürlicher, punktueller und unkoordinierter Eingriffe des Staates in das Marktgeschehen g e b r a u c h t ; er ist daher mit stark negativen Wertungen besetzt. Hier sei der Be-
Kap. I : Allgemeine G r u n d l e g u n g
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wird, ist es unzweifelhaft falsch. Wir interessieren uns hier nicht f ü r eine vergleichende Analyse von Wirtschaftssystemen, auch nicht f ü r eine u m f a s s e n d e Kritik des Kapitalismus u n d der sich d a r a u s möglicherweise ergebenden Folgerungen f ü r eine Umgestaltung besteh e n d e r Wirtschaftssysteme, sondern allein f ü r die Frage, wie im R a h m e n eines marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems die Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Eingriffe des Staates systematisch begründet werden k a n n .
Die herkömmlichen theoretischen Argumente f ü r die Notwendigkeit staatlicher Interventionen lassen sich verkürzt wie folgt zusammenfassen: • Der marktwirtschaftliche Koordinationsmechanismus versagt im Falle „ ö f f e n t licher G ü t e r " . • Das marktwirtschaftliche Preissystem liefert für individuelle Produktions- u n d Konsumentscheidungen „ f a l s c h e " I n f o r m a t i o n e n , sofern „externe E f f e k t e " auftreten. • Der f ü r die Funktionsfähigkeit von Marktsystemen notwendige Wettbewerb ist keine sich selbst erhaltende Institution; vielmehr ist Wettbewerb stets durch Auflösung bedroht. • Über marktwirtschaftliche Tauschprozesse wird keine sozial befriedigende Absicherung gegen die vielfältigen individuellen Lebensrisiken erreicht. • Wie auch immer die (historische) Ausgangsverteilung von Einkommen u n d Vermögen aussehen möge, im Marktsystem sind Tendenzen angelegt, die eine Ungleichheit der Verteilung herbeiführen u n d insoweit Konflikte erzeugen, die die gesellschaftliche Stabilität des Systems in Frage stellen. • Marktsysteme besitzen keine ausreichend wirksamen Mechanismen, gesamtwirtschaftliche Instabilitäten - wie sie sich vor allem in anhaltender Unterbeschäftigung äußern - aus eigener K r a f t zuverlässig zu beseitigen. • Instabilitäten gesamtwirtschaftlicher Prozesse vermengen sich in intensiver Weise mit den langfristigen Problemen wirtschaftlichen Wachstums u n d des strukturellen Wandels. Es erscheint nicht gesichert, d a ß marktwirtschaftliche Systeme stets eine ausreichende ökonomische „ D y n a m i k " entfalten u n d Wachstumsprozesse die gesellschaftlich gewünschte Entwicklungsrichtung n e h m e n . Der Wandel sektoraler u n d regionaler Strukturen - zugleich Ursache wie Folge des Wirtschaftswachstums - kann zu ökonomischen u n d sozialen Ungleichgewichten führen, zu deren Überwindung das Marktsystem in angemessener Weise nicht allein befähigt erscheint. Die hier aufgeführten Argumente, die nachfolgend näher erläutert werden, liegen ersichtlich auf unterschiedlichen Ebenen gesellschaftlich-ökonomischer Betrachtungsweise. Will m a n sie systematisieren, so könnte m a n „allokatives" 4 0 , „distributives" 4 1 u n d „konjunkturelles M a r k t v e r s a g e n " unterscheiden. Die staatlichen Interventionen zur Korrektur derartigen Marktversagens k ö n n t e n d a n n entsprechend zugeordnet werden 4 2 . griff Intervention im Sinne geplanter u n d a u f e i n a n d e r abgestimmter wirtschaftspolitischer Eingriffe zur K o r r e k t u r der als systematisch e r k a n n t e n Fehlentwicklungen in marktwirtschaftlichen Systemen verstanden. 40
Als grundlegend f ü r die Systematik des allokativen Marktversagens gilt der Beitrag von F.M. Bator( 1958).
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So G. Krause-Junk (1974), d e r in Analogie zur Theorie des allokativen Marktversagens eine Theorie des „ d i s t r i b u t i v e n " Marktversagens skizziert.
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Vgl. etwa die von R.A. Musgrave (1966) vorgeschlagene Gliederung des öffentlichen Haushalts in eine Allokations-, Distributions- u n d Stabilisierungs-,.Abteilung".
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K a p . 1: A l l g e m e i n e G r u n d l e g u n g
3.3.1 ö f f e n t l i c h e Güter 43 Ö f f e n t l i c h e G ü t e r ( K o l l e k t i v g ü t e r ) sind im w e s e n t l i c h e n d u r c h zwei M e r k m a l e g e k e n n z e i c h n e t : (1) die N i c h t - A n w e n d b a r k e i t d e s m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e n A u s s c h l u ß p r i n z i p s u n d (2) d i e N i c h t - R i v a l i t ä t d e s K o n s u m s . D a s m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e A u s s c h l u ß p r i n z i p besteht e i n f a c h d a r i n , d a ß d i e j e n i gen I n d i v i d u e n , d i e nicht bereit sind, d e n f ü r i r g e n d e i n ( „ p r i v a t e s " ) G u t g e f o r d e r t e n Preis zu z a h l e n , v o n dessen K o n s u m a u s g e s c h l o s s e n w e r d e n . Dieser A u s s c h l u ß ist bei ö f f e n t l i c h e n G ü t e r n e n t w e d e r a u s t e c h n i s c h e n G r ü n d e n n i c h t m ö g lich o d e r v e r u r s a c h t p r o h i b i t i v h o h e K o s t e n (der A u s s c h l u ß ist also ö k o n o m i s c h „unmöglich"). W i r d i r g e n d e i n G u t v o n einem I n d i v i d u u m k o n s u m i e r t u n d k a n n dieses G u t n i c h t zugleich v o n a n d e r e n I n d i v i d u e n k o n s u m i e r t w e r d e n , o h n e d a ß es zu Eins c h r ä n k u n g e n f ü r alle K o n s u m e n t e n k o m m t , so k ö n n e n wir v o n K o n s u m - R i v a l i tät s p r e c h e n . E i n e s o l c h e K o n s u m r i v a l i t ä t gilt n i c h t f ü r ö f f e n t l i c h e G ü t e r , sie k ö n n e n o h n e E i n s c h r ä n k u n g zugleich v o n e i n e r Vielzahl v o n I n d i v i d u e n k o n s u miert w e r d e n . E i n e Bereitstellung ö f f e n t l i c h e r G ü t e r k a n n ü b e r m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e T a u s c h p r o z e s s e nicht e r w a r t e t w e r d e n , weil e i g e n n ü t z i g h a n d e l n d e I n d i v i d u e n i h r e P r ä f e r e n z e n f ü r d e r a r t i g e G ü t e r v e r h e i m l i c h e n w e r d e n , in d e r E r w a r t u n g , d a ß sie - s o b a l d ein ö f f e n t l i c h e s G u t erst e i n m a l v o r h a n d e n ist - o h n e B e s c h r ä n k u n g m i t k o n s u m i e r e n k ö n n e n , a u c h wenn sie k e i n e n eigenen K o s t e n b e i t r a g leisten. N e h m e n alle I n d i v i d u e n eine solche Trittbrettfahrer-Haltung ( f r e e r i d e r - P o s i t i o n ) e i n , ergibt sich f ü r d i e G e s a m t h e i t d e r I n d i v i d u e n (die G e s e l l s c h a f t ) ein offensichtlich ungünstiges Ergebnis: öffentliche Güter werden, obwohl deren Kons u m v o n d e n I n d i v i d u e n g e w ü n s c h t w i r d , nicht a n g e b o t e n . O d e r : d e r m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e A l l o k a t i o n s m e c h a n i s m u s v e r s a g t bei d e r Bereitstellung ö f f e n t l i c h e r Güter. Als Beispiele f ü r d e r a r t i g e G ü t e r w e r d e n in erster Linie die G e w ä h r l e i s t u n g v o n i n n e r e r u n d ä u ß e r e r Sicherheit, a b e r a u c h d i e Leistungen des Verkehrs-, Bild u n g s - u n d G e s u n d h e i t s s y s t e m s sowie s o n s t i g e r s o g e n a n n t e r I n f r a s t r u k t u r e i n r i c h t u n g e n g e n a n n t . Wie also k a n n d a s A n g e b o t an ö f f e n t l i c h e n G ü t e r n sichergestellt w e r d e n ? E i n e n a h e l i e g e n d e A n t w o r t l a u t e t : Ö f f e n t l i c h e G ü t e r m ü s s e n d u r c h d e n Staat ( ü b e r staatliche Budgets) bereitgestellt werden 4 4 . In p o l i t i s c h e n Entscheidungsprozessen sind Umfang und Struktur öffentlicher Güter sowie die V e r t e i l u n g d e r F i n a n z i e r u n g s l a s t e n ( ü b e r S t e u e r n o d e r sonstige Z w a n g s a b g a b e n ) festzulegen. D a m i t verlagert sich das P r o b l e m a u f eine a n d e r e E b e n e . N u n m e h r
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D i e P r o b l e m a t i k d e r ö f f e n t l i c h e n G ü t e r stellt seit l a n g e m e i n e n z e n t r a l e n D i s k u s s i o n s p u n k t d e r ö k o n o m i s c h e n T h e o r i e ( i n s b e s o n d e r e d e r F i n a n z w i s s e n s c h a f t ) d a r : die m o d e r n e I n t e r p r e t a t i o n d e r T h e o r i e ö f f e n t l i c h e r G ü t e r geht v o r allem auf P.A. Samuehon (1954) u n d R.A. Musgrare( 1966) z u r ü c k .
J4
D a z u e r s c h e i n e n zwei A n m e r k u n g e n n o t w e n d i g : (1) N e b e n d e r hier g e n a n n t e n L ö s u n g ist e i n e s o l c h e ü b e r f r e i w i l l i g e V e r h a n d l u n g e n z w i s c h e n d e n an ö f f e n t l i c h e n G ü t e r n int e r e s s i e r t e n I n d i v i d u e n d e n k b a r , j e d e n f a l l s f ü r d e n Fall, w o ü b e r s c h a u b a r e s o z i a l e Bez i e h u n g e n in relativ k l e i n e n G r u p p e n g e g e b e n sind. (2) Bereitstellung ö f f e n t l i c h e r G ü t e r d u r c h d e n Staat b e d e u t e t nicht z w i n g e n d , d a ß d e r S t a a t a u c h d e r e n P r o d u k t i o n (etwa in öffentlichen U n t e r n e h m e n ) übernehmen m u ß . Unter welchen Bedingungen eine solche L ö s u n g v o r t e i l h a f t e r s c h e i n e n k ö n n t e , soll hier nicht weiter g e p r ü f t w e r d e n .
Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung ist z u f r a g e n , w e l c h e E r g e b n i s s e v o n d e m o k r a t i s c h e n u n d b ü r o k r a t i s c h e n s c h e i d u n g s v e r f a h r e n zu e r w a r t e n s i n d 4 5 .
15 Ent-
So überzeugend auch die theoretischen Erwägungen für das „ M a r k t v e r s a g e n " im F a l l e ö f f e n t l i c h e r G ü t e r s i n d , in d e r R e a l i t ä t l a s s e n sich „ r e i n e " K o l l e k t i v g ü ter k a u m f i n d e n . U n s e r e b e i s p i e l h a f t a u f g e f ü h r t e n F ä l l e e r f ü l l e n d i e g e n a n n t e n K r i t e r i e n im s t r e n g e n S i n n e n i c h t . S e l b s t f ü r d i e „ k l a s s i s c h e n " K o l l e k t i v g ü t e r V e r t e i d i g u n g , P o l i z e i s c h u t z etc. ist d a s A u s s c h l u ß p r i n z i p d u r c h a u s a n w e n d b a r , u n d d i e s gilt erst r e c h t f ü r d i e ü b r i g e n g e n a n n t e n Fälle. L e i s t u n g e n d e s B i l d u n g s u n d Gesundheitssystems erscheinen grundsätzlich „ m a r k t g ä n g i g " ; ihre kollektive B e r e i t s t e l l u n g m u ß d a h e r d u r c h a n d e r e A r g u m e n t e g e r e c h t f e r t i g t w e r d e n . S t a a t l i c h e I n t e r v e n t i o n e n z . B . im B i l d u n g s b e r e i c h w e r d e n d a n n a u c h wie f o l g t begründet: • A u s b i l d u n g stiftet n i c h t n u r i n d i v i d u e l l e n N u t z e n , s o n d e r n d a r ü b e r h i n a u s N u t z e n f ü r die Gesellschaft. Wegen dieser positiven „ e x t e r n e n Effekte"4'1 m u ß d a m i t gerechnet werden, d a ß die Individuen weniger A u s b i l d u n g n a c h f r a g e n , als a u s g e s e l l s c h a f t l i c h e r S i c h t w ü n s c h e n s w e r t e r s c h e i n t . • D i e I n d i v i d u e n n e i g e n in s y s t e m a t i s c h e r W e i s e zu e i n e r Ü b e r s c h ä t z u n g g e g e n w ä r t i g e r N u t z e n ( u n d e n t s p r e c h e n d zu e i n e r M i n d e r e i n s c h ä t z u n g k ü n f t i g e r N u t z e n ) , so d a ß a u c h a u s d i e s e m G r u n d e i n e zu g e r i n g e N a c h f r a g e n a c h A u s b i l d u n g zu e r w a r t e n ist. Die i n d i v i d u e l l e n E n t s c h e i d u n g e n e r s c h e i n e n m i t h i n k o r r e k t u r bedürftig4 . • Ein ausschließlich privatwirtschaftliches Angebot an Ausbildungsleistungen e r s c h e i n t n i c h t a k z e p t a b e l , weil d e r e n I n a n s p r u c h n a h m e letztlich v o n d e r Z a h lungsfähigkeit der Individuen abhinge u n d wegen der faktischen Ungleichverteilung der E i n k o m m e n und Vermögen der G r u n d s a t z der Chancengleichheit materiell verletzt w ü r d e . 3 . 3 . 2 Externe E f f e k t e Als „ e x t e r n " k a n n m a n a l l e j e n e a u ß e r h a l b v o n M a r k t b e z i e h u n g e n a u f t r e t e n d e n E f f e k t e b e z e i c h n e n , d i e v o n d e n ö k o n o m i s c h e n A k t i v i t ä t e n e i n z e l n e r im B e r e i c h d e r P r o d u k t i o n u n d / o d e r K o n s u m t i o n a u s g e h e n u n d d i e sich a u f a n d e r e in p o s i t i v e r ( n u t z e n - bzw. g e w i n n s t e i g e r n d ) o d e r n e g a t i v e r W e i s e ( n u t z e n - b z w . g e w i n n mindernd) auswirken. D a z u e i n e i n f a c h e s B e i s p i e l : Z w e i U n t e r n e h m e n ( A u n d B) m ö g e n i h r e n S t a n d o r t a n e i n e m F l u ß h a b e n . U n t e r n e h m e n A leitet in d e n O b e r l a u f d e s F l u s ses v e r s c h m u t z t e A b w ä s s e r e i n . U n t e r n e h m e n Β b e n ö t i g t j e d o c h s a u b e r e s W a s ser. F o l g l i c h e n t s t e h e n z u s ä t z l i c h e K o s t e n d u r c h d i e R e i n i g u n g . J e m e h r d a s U n t e r n e h m e n A p r o d u z i e r t , u m s o h ö h e r s i n d d i e K o s t e n f ü r d a s U n t e r n e h m e n B. Dieses kann jedoch für die erlittenen Nachteile keine m a r k t m ä ß i g e K o m p e n s a tion e r l a n g e n , u n d d a s U n t e r n e h m e n A hat folglich keine V e r a n l a s s u n g , die v o n i h m v e r u r s a c h t e n e x t e r n e n K o s t e n in s e i n e n e i g e n e n P r o d u k t i o n s e n t s c h e i d u n g e n
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Dieses Problem wird, wie bereits angedeutet (vgl. oben S. 6ff.), im Rahmen der „ N e u e n Politischen Ö k o n o m i e " ausführlich erörtert.
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Auf die Problematik externer Effekte wird sogleich einzugehen sein. Paternalistische Eingriffe des Staates müssen freilich als heikel e m p f u n d e n werden in einer Gesellschaft, die den individueller^ Entscheidungen eindeutigen Vorrang vor kollektiven einräumt. Insofern kann es nicht überraschen, daß liberale Theoretiker den genannten Rechtfertigungsgründen für staatliche Interventionen kritisch gegenüberstehen.
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Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
zu b e r ü c k s i c h t i g e n . F ü r d i e P r o d u k t i o n s e n t s c h e i d u n g e n d e s U n t e r n e h m e n s s i n d nur Marktpreise (für Produktionsfaktoren u n d Güter) entscheidend. Wären die Kosten der Abwasserreinigung jedoch „ i n t e r n e " Kosten des U n t e r n e h m e n s A, s o w ü r d e es sich (bei g e g e b e n e n K o n k u r r e n z p r e i s e n ) in s e i n e r P r o d u k t i o n s m e n g e a n p a s s e n . G e n e r e l l : W e n n die p r i v a t e n K o s t e n d e r P r o d u k t i o n g e r i n g e r sind als die „ s o z i a l e n " K o s t e n , wird die P r o d u k t i o n ü b e r j e n e s M a ß h i n a u s ausg e d e h n t , d a s g e s e l l s c h a f t l i c h o p t i m a l ist. Es w e r d e n z u v i e l e R e s s o u r c e n in j e n e P r o d u k t i o n e n g e l e n k t , d i e e x t e r n e K o s t e n v e r u r s a c h e n , weil sich d i e I n d i v i d u e n g l e i c h s a m a n d e n „ f a l s c h e n P r e i s e n " orientieren· 4 8 . Im Falle positiver externer Effekte stellt sich das umgekehrte Resultat ein. Erzeugen die Aktivitäten einzelner Wirtschaftseinheiten „externe Erträge" für andere, ohne d a ß diese eine marktmäßige Gegenleistung zu erbringen haben, werden die „Verursacher" der externen Effekte ihre Aktivitäten nicht bis zu jenem Punkt ausdehnen, der gesellschaftlich wünschenswert wäre; es werden folglich zu wenig Ressourcen in diese Aktivitäten gelenkt 49 . Eine Korrektur derartigen „ M a r k t v e r s a g e n s " erscheint wiederum d u r c h staatliche Eingriffe m ö g l i c h . Dabei sind recht u n t e r s c h i e d l i c h e Verfahren d e n k b a r : V e r b o t e u n d G e b o t e , F e s t l e g u n g b e s t i m m t e r N o r m e n b z w . S t a n d a r d s (ζ. B. f ü r die Schadstoffemission), Auferlegung von Steuern (Abgaben), G e w ä h r u n g von Subventionen5". Welche Lösungen gewählt werden, hängt nicht zuletzt von den spezifischen U m s t ä n d e n ab, u n t e r d e n e n externe Effekte auftreten. In allen b e d e u t s a m e n F ä l l e n - S c h ä d i g u n g d e r U m w e l t , V e r z e h r e r s c h ö p f b a r e r R e s s o u r c e n - ist d a s N e t z e x t e r n e r B e z i e h u n g e n o h n e h i n e r h e b l i c h k o m p l i z i e r t e r als in u n s e r e m o b e n a n g e f ü h r t e n Beispiel. E x t e r n e E f f e k t e t r e t e n n i c h t n u r in e i n e r R i c h t u n g a u f , d i e „ V e r u r s a c h e r " s i n d selten e i n d e u t i g zu i d e n t i f i z i e ren, die W i r k u n g e n sind etwa wegen d e r k o m p l e x e n I n t e r d e p e n d e n z e n innerh a l b d e s ö k o l o g i s c h e n S y s t e m s nicht e i n g r e n z b a r , d i e K o s t e n u n d E r t r ä g e n i c h t in e x a k t e r W e i s e z u b e w e r t e n etc. D i e N o t w e n d i g k e i t s t a a t l i c h e r I n t e r v e n t i o n e n im F a l l e e x t e r n e r E f f e k t e w i r d v o n e i n i g e n l i b e r a l e n M a r k t t h e o r e t i k e r n n i c h t als z w i n g e n d a n g e s e h e n ; sie e r w ä gen vielmehr die Möglichkeit, eine „ I n t e r n a l i s i e r u n g " externer Effekte d u r c h V e r h a n d l u n g e n z w i s c h e n V e r u r s a c h e r n u n d B e t r o f f e n e n zu b e w e r k s t e l l i g e n . R e c h t e i n f a c h e r s c h e i n t e i n e V e r h a n d l u n g s l ö s u n g im F a l l e w e c h s e l s e i t i g e r (reziproker) externer Effekte51 u n d nur wenigen Beteiligten. Hier sind die Interessen g l e i c h g e r i c h t e t , u n d d i e H e r b e i f ü h r u n g e i n e r e i n v e r n e h m l i c h e n L ö s u n g veru r s a c h t k e i n e m e r k l i c h e n K o s t e n . Im F a l l e e i n s e i t i g e r e x t e r n e r E f f e k t e liegt j e d o c h ein I n t e r e s s e n g e g e n s a t z v o r : w ä h r e n d d e r „ V e r u r s a c h e r " z . B . n e g a t i v e r ext e r n e r E f f e k t e ein I n t e r e s s e d a r a n hat, s e i n e A k t i v i t ä t a u f r e c h t z u e r h a l t e n , ist d e r „ B e t r o f f e n e " g e r a d e d a r a n interessiert, d a ß dies nicht geschieht. Erfolgt die Z u o r d n u n g v o n Eigentumsrechten' 2 d e r a r t , d a ß d e r B e t r o f f e n e d i e s e e x t e r n e n E f J
" Vgl. E. Biissmann (1979, S. 95).
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'' Als Beispiel für Aktivitäten, die positive externe Effekte erzeugen, ist bereits die Ausbildung genannt worden. 5,1 Vgl. Kapitel 4, insbesondere S. 158ff. 51
Das Standard-Heispiel d a f ü r ist der „Obstbauer-Imker-Fall": jeder profitiert von der Aktivität des anderen. Vgl. auch E. Biissmann ( 1979, S. 147 f.). Dies ist die nicht ganz treffende Übersetzung des in der angelsächsischen Literatur verwendeten Begriffs der „property rights". Dieser bezieht sich nicht nur auf die Befug-
Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
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f e k t e n i c h t d u l d e n m u ß , s o h a t d e r V e r u r s a c h e r f ü r d e n S c h a d e n zu h a f t e n . I m u m g e k e h r t e n Fall h a t d e r B e t r o f f e n e e i n e D u l d u n g s p f l i c h t u n d d e r V e r u r s a c h e r h a f t e t n i c h t f ü r d e n S c h a d e n . In b e i d e n F ä l l e n ist d e n k b a r , d a ß d i e Beteiligten in V e r h a n d l u n g e n eintreten über eine a n g e m e s s e n e K o m p e n s a t i o n f ü r die D u l d u n g v o n b z w . d e n V e r z i c h t a u f A k t i v i t ä t e n , d i e e x t e r n e E f f e k t e e r z e u g e n . N u n ist gezeigt w o r d e n , d a ß es f ü r d i e H e r b e i f ü h r u n g e i n e r a l l o k a t i o n s - o p t i m a l e n Verh a n d l u n g s l ö s u n g g l e i c h g ü l t i g ist, wie d i e E i g e n t u m s r e c h t e z u g e o r d n e t w e r d e n , s o f e r n v o r a l l e m d i e s o g e n a n n t e n Transaktionskosten ( d a s s i n d K o s t e n d e r I n f o r m a t i o n s b e s c h a f f u n g , der V e r h a n d l u n g s f ü h r u n g , der Kontrolle über die Einhalt u n g d e r V e r e i n b a r u n g etc.) n i c h t r e l e v a n t s i n d 5 ' . U n t e r A l l o k a t i o n s g e s i c h t s p u n k t e n ist d i e e i n e R e c h t s z u o r d n u n g d e r a n d e r e n n i c h t ü b e r l e g e n 5 4 . D i e s e A u s s a g e gilt f r e i l i c h n u r f ü r s e h r e i n f a c h e Fälle. T r a n s a k t i o n s k o s t e n w e r d e n i n s b e s o n d e r e d a n n e i n e b e d e u t e n d e R o l l e s p i e l e n , w e n n d i e Z a h l d e r v o n e x t e r n e n Eff e k t e n B e t r o f f e n e n g r o ß ist. V e r h a n d l u n g e n w e r d e n u n t e r d i e s e n U m s t ä n d e n k a u m z u s t a n d e k o m m e n ; m i t s t r a t e g i s c h e m V e r h a l t e n ( e t w a in d e r f ü r ö f f e n t l i che Güter55 typischen F o r m des Trittbrettfahrer-Verhaltens) m u ß gerechnet werd e n . Im ü b r i g e n ist h e r v o r z u h e b e n , d a ß d i e Z u o r d n u n g v o n E i g e n t u m s r e c h t e n e i n s c h n e i d e n d e V e r t e i l u n g s k o n s e q u e n z e n h a t 5 6 , u n d es ist a p r i o r i n i c h t e i n z u s e hen, w a r u m diese für rechtspolitische Entscheidungen einen geringeren R a n g h a b e n sollten als ö k o n o m i s c h e E f f i z i e n z ü b e r l e g u n g e n 5 7 . 3 . 3 . 3 Gefährdung des Wettbewerbs W e t t b e w e r b ( K o n k u r r e n z ) ist, w i e b e r e i t s a n g e d e u t e t , e i n e n o t w e n d i g e B e d i n gung für die Funktionsfähigkeit von Marktsystemen. U n t e r Wettbewerbsbeding u n g e n w e r d e n d i e M a r k t t e i l n e h m e r z u e i n e m V e r h a l t e n v e r a n l a ß t , d a s zu o p t i -
nisse des Eigentümers, mit einer Sache in seinem Interesse zu verfahren und Dritte von jeder Einwirkung auszuschließen, soweit nicht Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 903 BGB), sondern ganz allgemein auf die durch die Rechtsordnung sanktionierten Beziehungen zwischen Individuen im Hinblick auf die Nutzung von Gütern. Das Recht des Eigentums (right of ownership) bildet nur eine Subkategorie der property rights. Das Konzept wird als eine Erweiterung der herkömmlichen mikroökonomischen Theorie verstanden; Güter sind nicht nur durch ihre physisch-technischen Eigenschaften, sondern durch ein „ B ü n d e l " von Rechten charakterisiert. Einen Überblick über die Theorie der property rights geben E. G. Furuhotn. S. Pejovich (1972). "
Dies ist die Aussage des sogenannten „Coase-Theorems" ; vgl. R.H. Coase (1960). Eine leicht verständliche Darstellung des Theorems findet sich u.a. bei J. Schumann (1980, S. 375 ff.).
' 4 Offenbar kann diese Aussage auch als Kritik an einer einseitigen Anwendung des „Verursacherprinzips" (im Umweltschutzrecht) verstanden werden. si Zwischen dem Problem öffentlicher Güter und dem der externen Effekte besteht sehr enge Verwandtschaft; öffentliche Güter können als Extremfall von Konsumexternalitäten begriffen werden. is
Diese Aussage ist unmittelbar einsichtig, wenn man die aus den oben angeführten Formen der Rechtszuweisung folgenden Schadenersatzpflichten miteinander vergleicht.
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Der Versuch, ökonomische Effizienzargumente in den Vordergrund rechtlicher Analysen und rechtspolitischer Empfehlungen zu stellen, ist kennzeichnend für eine „ Ö k o n o mische Theorie des Rechts". Vgl. vor allem R.A. Posner(\911).
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malen ö k o n o m i s c h e n Ergebnissen58 für die Gesellschaft insgesamt führt u n d d a s die Individuen vor E i n s c h r ä n k u n g e n ihrer wirtschaftlichen Freiheit schützt59. W e t t b e w e r b ist w e d e r b e q u e m n o c h r i s i k o l o s . E r n ö t i g t d i e P r o d u z e n t e n zu ständiger Anpassung an die Konsumentenwünsche und die kostengünstigste P r o d u k t i o n s m e t h o d e . M i ß l i n g t diese A n p a s s u n g , d r o h e n V e r l u s t e (im E x t r e m f a l l der Konkurs). W e t t b e w e r b scheint einer Realisierung der G e w i n n m a x i m i e r u n g s a b s i c h t g e r a d e z u im W e g e z u s t e h e n . S o l a n g e a u f e i n z e l n e n M ä r k t e n G e w i n n e e r z i e l b a r s i n d u n d es k e i n e r l e i H i n d e r n i s s e g i b t , in d i e s e M ä r k t e als P r o d u z e n t e i n z u t r e t e n , w i r d e i n e A u s d e h n u n g d e r A n g e b o t s m e n g e e r f o l g e n u n d die G e w i n n e tendenziell z u m V e r s c h w i n d e n gebracht 1 '". M i t h i n m u ß es n a h e l i e g e n d e r s c h e i n e n , d a ß d i e P r o d u z e n t e n v e r s u c h e n , dieser K o n s e q u e n z auszuweichen. Eine e r f o l g v e r s p r e c h e n d e Strategie bes t e h t d a r i n , W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n zu p r a k t i z i e r e n . S o g e s e h e n e r z e u g t W e t t b e w e r b e i n e n Anreiz zur Beseitigung von Wettbewerb. Mit w e l c h e n M i t t e l n a u c h i m m e r e i n z e l n e o d e r G r u p p e n v o n P r o d u z e n t e n M a c h t e r r i n g e n , d i e sie d a z u b e f ä h i g t , d i e M a r k t e r g e b n i s s e z u e i g e n e m Vorteil u n d z u m N a c h t e i l a n d e r e r zu b e e i n f l u s s e n , d i e O p t i m a l i t ä t d e s M a r k t s y s t e m s ers c h e i n t verletzt. D i e s w i r d t r a d i t i o n e l l e r w e i s e a m Fall d e s M o n o p o l s ( d e s A l l e i n a n b i e t e r s im m a r k t m o r p h o l o g i s c h e n S i n n e ) d e m o n s t r i e r t : Im V e r g l e i c h z u r K o n k u r r e n z stellt sich e i n e s c h l e c h t e r e M a r k t v e r s o r g u n g bei h ö h e r e n G ü t e r p r e i s e n u n d u n z u r e i c h e n d e r N u t z u n g v o n P r o d u k t i o n s f a k t o r e n ein. I m ü b r i g e n w i r d d i e W a h l f r e i heit d e r N a c h f r a g e r e i n g e s c h r ä n k t ( d i e K o n s u m e n t e n s o u v e r ä n i t ä t ist verletzt)' 1 1 . D i e s e s Urteil f ä l l t f r e i l i c h a n d e r s a u s , w e n n m a n d a v o n a u s g e h t , M o n o p o l i s t e n seien a u f g r u n d i h r e r G r ö ß e b e f ä h i g t , K o s t e n v o r t e i l e zu r e a l i s i e r e n u n d zu einer beschleunigten Durchsetzung technischer Neuerungen beizutragen62. E r k l ä r u n g s b e d ü r f t i g e r s c h e i n t im ü b r i g e n , wie es e i n e m M o n o p o l i s t e n a u f D a u e r g e l i n g e n k ö n n t e , s e i n e P o s i t i o n zu v e r t e i d i g e n . D i e „ E x t r a - P r o f i t e " e i n e s Monopolisten müssen geradezu Konkurrenz provozieren. Durch das Auftreten n e u e r U n t e r n e h m e n , d i e das gleiche G u t anbieten, sowie d u r c h das A n g e b o t von Ersatzgütern („Substitutionskonkurrenz") werden Monopolpositionen tendenziell a u f g e l ö s t . I n w i e w e i t s i c h diese T e n d e n z z u r B e s e i t i g u n g v o n M o n o p o l e n realiter durchzusetzen v e r m a g , kann generell nicht entschieden werden. R e a l i t e r ist d i e E x i s t e n z r e i n e r ( p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e r ) M o n o p o l e o h n e h i n wen i g e r b e d e u t s a m als d i e H e r a u s b i l d u n g v o n O l i g o p o l e n 6 1 . O l i g o p o l i s t i s c h e 58
Diese Aussage gilt unter der einschränkenden Bedingung, d a ß von der Problematik öffentlicher Güter, externer Effekte und der Möglichkeit gesamtwirtschaftlicher Instabilitäten abgesehen wird. s " Die Funktionen des Wettbewerbs werden in Kapitel 2 näher erläutert. ''" Unter Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz (vgl. dazu ebenfalls Kapitel 2) sind die Gewinne im langfristigen Gleichgewicht Null; vgl. etwa J. Schumann (1980, S. 187 ff.). M
Die Herleitung dieser Resultate erfolgt im Rahmen der mikroökonomischen Theorie; vgl. J. Schumann (1980, S. 233 ff.) Wir werden uns mit diesen Argumenten ebenfalls in Kapitel 2 näher auseinandersetzen. Dies ist eine Marktform, die durch eine geringe Zahl von Anbietern mit jeweils bedeutendem Marktanteil gekennzeichnet ist.
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M a r k t b e d i n g u n g e n u n t e r s c h e i d e n sich v o m Fall d e s A l l e i n a n b i e t e r s u n d d e r K o n k u r r e n z u n t e r e i n e r g r o ß e n Z a h l v o n A n b i e t e r n in m a r k a n t e r W e i s e : D e r e i n z e l n e O l i g o p o l i s t h a t bei s e i n e n A k t i o n e n n i c h t n u r d i e R e a k t i o n d e r M a r k t g e g e n s e i t e ( d e r N a c h f r a g e r ) , s o n d e r n a u c h d i e s e i n e r K o n k u r r e n t e n stets in R e c h n u n g zu s t e l l e n . O l i g o p o l s i t u a t i o n e n l a s s e n sich in a n s c h a u l i c h e r W e i s e als strategisches Spiel b e s c h r e i b e n . P l a n t ein O l i g o p o l i s t e i n e A k t i o n , so w i r d e r a b z u s c h ä t z e n h a b e n , wie s e i n e K o n k u r r e n t e n r e a g i e r e n w e r d e n u n d wie d i e s e R e a k t i o n a u f s e i n e e i g e n e Posit i o n z u r ü c k w i r k t ( „ R e a k t i o n s v e r b u n d e n h e i t im O l i g o p o l " ) 6 4 . D a d i e m ö g l i c h e n A k t i o n s - R e a k t i o n s - M u s t e r v i e l f ä l t i g u n d f ü r d i e Beteiligten n i c h t mit G e w i ß h e i t v o r a u s s e h b a r s i n d , e r s c h e i n e n e i n d e u t i g e „ G l e i c h g e w i c h t s l ö s u n g e n " im O l i g o p o l g e n e r e l l n i c h t g a r a n t i e r t 6 5 . D i e s e r U m s t a n d e r s c h w e r t d i e Formulierung allgemeiner Aussagen über die Marktergebnisse oligopolistischer K o n k u r r e n z . Eine gewisse Plausibilität k a n n j e d o c h f o l g e n d e Überlegung für sich in A n s p r u c h n e h m e n : V e r s u c h t ein e i n z e l n e r O l i g o p o l i s t d u r c h P r e i s s e n k u n g s e i n e n A b s a t z zu L a s t e n d e r ü b r i g e n A n b i e t e r z u e r h ö h e n , so w i r d er d a m i t rechnen m ü s s e n , d a ß die K o n k u r r e n t e n ihrerseits mit einer Preissenkung antw o r t e n . E i n e P o s i t i o n s v e r b e s s e r u n g ist s o k a u m zu e r r e i c h e n , v i e l m e h r b e f i n d e n sich a l l e A n b i e t e r n a c h e r f o l g t e r A n p a s s u n g a u f e i n e m n i e d r i g e r e n P r e i s n i v e a u u n d d a m i t (bei g e g e b e n e r M a r k t n a c h f r a g e u n d g e g e b e n e n K o s t e n ) a u f e i n e m n i e d r i g e r e n G e w i n n n i v e a u . E i n e s o l c h e S t r a t e g i e e r s c h e i n t w e n i g v o r t e i l h a f t , zum a l sie d i e G e f a h r in sich b i r g t , d a ß u n k a l k u l i e r b a r e ( „ r u i n ö s e " ) P r e i s k ä m p f e ausgelöst w e r d e n . Andererseits wird der einzelne Oligopolist auch nicht damit r e c h n e n k ö n n e n , d a ß d i e K o n k u r r e n t e n bei e i n e r P r e i s e r h ö h u n g f o l g e n , w e n n j e n e d u r c h V e r b l e i b b e i m a l t e n Preis e i n e n Teil d e r N a c h f r a g e a u f sich z i e h e n k ö n n e n . D i e s e K o n s t e l l a t i o n s p r i c h t f ü r e i n e g e w i s s e Rigidität der Preise u n t e r oligopolistischen M a r k t b e d i n g u n g e n sowie d a f ü r , d a ß Strategien des NichtP r e i s w e t t b e w e r b s ( W e r b u n g , P r o d u k t d i f f e r e n z i e r u n g etc.) v o r h e r r s c h e n w e r d e n . Ä n d e r u n g e n der Produktions- u n d N a c h f r a g e b e d i n g u n g e n führen nicht notwend i g e r w e i s e zu P r e i s a n p a s s u n g e n , u n d d a m i t g e h t e i n e f ü r d i e F u n k t i o n s f ä h i g k e i t von Marktsystemen wichtige Information verloren. J e g e r i n g e r d i e Z a h l d e r A n b i e t e r ist, j e d u r c h s i c h t i g e r d i e M a r k t v e r h ä l t n i s s e f ü r d i e B e t e i l i g t e n s i n d , j e e n g e r a l s o d i e o l i g o p o l i s t i s c h e I n t e r d e p e n d e n z ist, u m s o e h e r w e r d e n d i e O l i g o p o l i s t e n e r k e n n e n , d a ß sich g e m e i n s a m e s H a n d e l n als vorteilhaft erweisen k a n n . Oligopole erscheinen d a h e r als anfällig für wettbewerbsbeschränkende Verabredungen und Verhaltensabstimmungen''''. D i e s e - g e w i ß v e r e i n f a c h t e n - Ü b e r l e g u n g e n l a s s e n d i e These b e g r ü n d e t erscheinen, d a ß die Herstellung und Kontrolle von Wettbewerb eine notwendige A u f g a b e d e s S t a a t e s ist. D i e s w i r d im a l l g e m e i n e n a u c h n i c h t g r u n d s ä t z l i c h in F r a g e g e s t e l l t ; ä u ß e r s t k o n t r o v e r s s i n d a l l e r d i n g s d i e A u f f a s s u n g e n d a r ü b e r , welc h e k o n k r e t e A u s p r ä g u n g v o n W e t t b e w e r b a n g e s t r e b t w e r d e n sollte u n d w e l c h e Mittel d e r S t a a t d a b e i a n z u w e n d e n h a b e 6 7 . M
Zur Kennzeichnung dieser Situation wird auch der Begriff „oligopolistische Interdependenz" verwendet. ''5 Wir verweisen wiederum auf die mikroökonomische (Lehrbuch-)Literatur; vgl. J. Schumann ( 1980, S. 275IT.). "" Näheres dazu in Kapitel 2. Ziele und Mittel der Wettbewerbspolitik werden ausführlich in Kapitel 2 erörtert.
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3 . 3 . 4 Unzureichende Risikoabsicherung und Verteilungsungleichheit D i e s o z i a l e n K o n s e q u e n z e n e i n e s „ u n g e z ü g e l t e n " K a p i t a l i s m u s t r a t e n in a l l e r Schärfe zutage mit der Ausbreitung der „industriellen Revolution". Die hemmungslose Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft (Kinderarbeit, Überlänge des Arbeitstages), sehr geringe Entlohnung, das Fehlen jeglichen Schutzes vor den Folgen von K r a n k h e i t , Invalidität, Alter, Arbeitslosigkeit, die I n h u m a n i t ä t der A r b e i t s - u n d L e b e n s b e d i n g u n g e n d e s F a b r i k a r b e i t e r - P r o l e t a r i a t s , all d i e s e M i ß stände ließen Sozialrevolutionäre Kräfte entstehen, die die Existenz des überk o m m e n e n politischen und ökonomischen Systems ernsthaft bedrohten. Das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokrat i e " ( S o z i a l i s t e n g e s e t z , 1878) u n d d e r B e g i n n e i n e r u m f a n g r e i c h e n S o z i a l g e s e t z g e b u n g ( 1 8 8 3 - 1 8 8 9 ) im e h e m a l i g e n D e u t s c h e n R e i c h s t a n d e n in e i n e m u n m i t t e l b a r e n B e z u g z u e i n a n d e r 6 8 . S e i t h e r h a t sich d i e S o z i a l p o l i t i k s c h r i t t w e i s e z u e i n e m u m f a s s e n d e n System sozialer Leistungen ausgeweitet. Die unbestreitbare Bedeut u n g d e s „ N e t z e s " s o z i a l e r S i c h e r u n g liegt h e u t e in d e s s e n B e i t r a g z u r sozialen Stabilität d e r G e s e l l s c h a f t . D a r i n liegt d e r H a u p t z w e c k d e r f ü r d e n S o z i a l s t a a t k o n s t i t u t i v e n s t a a t l i c h e n S o z i a l p o l i t i k . D i e P r o b l e m a t i k d e r G e w ä h r l e i s t u n g soz i a l e r S i c h e r h e i t liegt f r e i l i c h d a r i n , d a ß ein z ü g i g a u s g e b a u t e r S o z i a l s t a a t m i t s e i n e r „ D y n a m i k s o z i a l e r L e i s t u n g e n " a u c h zu e i n e r „ D y n a m i k d e r B e d ü r f n i s s e " f ü h r t , d e r e n B e f r i e d i g u n g v o r a l l e m in P e r i o d e n u n g ü n s t i g e r g e s a m t w i r t schaftlicher Entwicklung schwierig erscheint. Art u n d U m f a n g der heutigen Sozialpolitik erscheint m a n c h e n Kritikern nicht n u r a u s d i e s e m G r u n d r e v i s i o n s b e d ü r f t i g ; es w i r d v o r a l l e m b e m ä n g e l t , d a ß d i e A u s d e h n u n g s o z i a l p o l i t i s c h e r A k t i v i t ä t e n d e s S t a a t e s zu e i n e r S c h w ä c h u n g i n d i v i d u e l l e r E i g e n v e r a n t w o r t l i c h k e i t u n d I n i t i a t i v e , zu e i n e r E i n s c h r ä n k u n g i n d i v i dueller Unabhängigkeit von (paternalistischer) staatlicher Fürsorge geführt habe. Wie auch immer der normative und faktische Gehalt dieser E i n w ä n d e beurteilt w i r d , es e r s c h e i n t l o h n e n d , d i e F r a g e k u r z z u s t r e i f e n , i n w i e w e i t e i n e m a r k t m ä ß i g e A b s i c h e r u n g von Risiken ü b e r h a u p t möglich erscheint69. Z u r A b d e c k u n g vielfältiger Risikofolgen existieren Versicherungsmärkte. Gel e g e n t l i c h w i r d d e r u n z u t r e f f e n d e E i n d r u c k e r w e c k t , als k ö n n e m a n sich gewissermaßen „gegen alles" versichern. Privatwirtschaftlich versicherbar sind nur kalkulierbare Risiken (Eintrittswahrscheinlichkeit und Streuung des versicherten „ S c h a d e n s f a l l s " m ü s s e n a u f g r u n d von E r f a h r u n g a b s c h ä t z b a r sein). Ist d i e s e Bed i n g u n g nicht erfüllbar, k o m m t eine R i s i k o a b s i c h e r u n g über Versicherungsm ä r k t e n i c h t z u s t a n d e . H e r r s c h t U n s i c h e r h e i t 7 " ü b e r d e n E i n t r i t t b e s t i m m t e r Ere i g n i s s e , so w i r d sich k e i n g e w i n n o r i e n t i e r t e s V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m e n b e r e i t f i n d e n , e i n e V e r s i c h e r u n g d e s S c h a d e n s f a l l s zu ü b e r n e h m e n . Arbeitslosigkeit e r s c h e i n t a u s d i e s e m G r u n d p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h n i c h t versicherbar.
Zur Geschichte der Sozialgesetzgebung in Deutschland sowie zur Ausgestaltung der (gegenwärtigen) Sozialpolitik vgl. u.a. H. Lampen (1980). "" Vgl. auch P. Bernhoh ( 1979, S. 145 IT.). Im Gegensatz zu Risiko ist Unsicherheit dadurch gekennzeichnet, daß keine Wahrscheinlichkeitsverteilungen für bestimmte Ereignisse bekannt sind.
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Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Umstand, daß in bestimmten Fällen der Versicherte ein Interesse daran haben könnte, den Schadensfall herbeizuführen bzw. nicht zu verhindern („moral hazard"). Hat der Versicherer keine hinreichende Kontrolle über derartige Verhaltensweisen, so wird er sich nicht bereit finden, einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Dies ist der G r u n d d a f ü r , daß ζ. B. das Unternehmerrisiko nicht versicherbar ist' 1 . W o R i s i k o a b s i c h e r u n g ü b e r M ä r k t e n i c h t m ö g l i c h , a b e r sozial e r w ü n s c h t ist ( w i e im Fall d e r A r b e i t s l o s i g k e i t ) , ist e i n e s t a a t l i c h e A b s i c h e r u n g n o t w e n d i g ( e t w a in F o r m k o l l e k t i v e r V e r s i c h e r u n g s s y s t e m e ) . A b e r selbst in F ä l l e n , in d e n e n R i s i k e n o b j e k t i v k a l k u l i e r b a r s i n d (wie bei K r a n k h e i t , I n v a l i d i t ä t , A l t e r , T o d ) , m ü ß t e e i n e „ M a r k t l ö s u n g " zu g e s e l l s c h a f t lich i n a k z e p t a b l e n E r g e b n i s s e n f ü h r e n . E i n e r s e i t s m ö g e n d i e I n d i v i d u e n zu e i n e r ( s u b j e k t i v e n ) U n t e r s c h ä t z u n g d e r R i s i k e n n e i g e n ( u n d d i e s n i c h t n u r a u s Leichts i n n u n d I g n o r a n z , s o n d e r n w e g e n u n v o l l s t ä n d i g e r I n f o r m a t i o n u n d e i n e r system a t i s c h e n F e h l e i n s c h ä t z u n g k ü n f t i g e r R i s i k e n ) , u n d a n d e r e r s e i t s s i n d viele I n d i v i d u e n a u f g r u n d z u g e r i n g e n E i n k o m m e n s ( u n d V e r m ö g e n s ) n i c h t in d e r L a g e , f ü r e i n e h i n r e i c h e n d e A b d e c k u n g d e r R i s i k o f o l g e n zu s o r g e n . Nicht selten treffen h o h e s Risiko ( P e r s o n e n , die einer b e s o n d e r s gesundheitsg e f ä h r d e n d e n b z w . u n f a l l t r ä c h t i g e n B e s c h ä f t i g u n g n a c h g e h e n ; k i n d e r r e i c h e Familien) und geringe Zahlungsfähigkeit zusammen. I m R a h m e n p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e r A r r a n g e m e n t s ist s e l b s t v e r s t ä n d l i c h n i c h t zu e r w a r t e n , d a ß d i e L a s t e n v o n R i s i k e n n a c h M a ß g a b e d e r i n d i v i d u e l l e n ö k o n o m i s c h e n Leistungsfähigkeit verteilt w e r d e n . D a h e r wird der Versuch u n t e r n o m m e n , eine sozial gerechte Lastenverteilung im R a h m e n ( s o z i a l - ) p o l i t i s c h e r E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e h e r b e i z u f ü h r e n . A n g e s i c h t s d e r o f f e n s i c h t l i c h d i v e r g i e r e n d e n A n s c h a u u n g e n ü b e r e i n e g e r e c h t e Vert e i l u n g ist d i e s e i n e g r u n d s ä t z l i c h s c h w e r zu l ö s e n d e , w e n n g l e i c h n o t w e n d i g e gesellschaftliche Aufgabe. D a m i t ist e i n z e n t r a l e s P r o b l e m m a r k t w i r t s c h a f t l i c h - k a p i t a l i s t i s c h e r S y s t e m e a n g e s p r o c h e n : d i e Ungleichheit der Verteilung v o n E i n k o m m e n u n d V e r m ö g e n . D i e s e - e m p i r i s c h e v i d e n t e - T e n d e n z z u r V e r t e i l u n g s u n g l e i c h h e i t s c h e i n t im M a r k t s y s t e m a n g e l e g t . Es g i b t w e n i g A n l a ß z u d e r V e r m u t u n g , d a ß in e i n e r sich selbst ü b e r l a s s e n e n kapitalistischen M a r k t w i r t s c h a f t K r ä f t e w i r k s a m w e r d e n , die zu e i n e r V e r r i n g e r u n g d e r U n g l e i c h h e i t f ü h r e n , es ist im G e g e n t e i l e h e r z u e r w a r ten, d a ß die i m m a n e n t e n Prozesse auf eine Verstärkung der Ungleichheit hinwirken72. 71
Man wird keinem privaten Versicherungsunternehmen empfehlen können, eine Versicherung des „Unternehmergewinns" zu übernehmen. Allerdings wird man in einem Marktsystem ebensowenig d a f ü r plädieren wollen, eine kollektive Absicherung für das Unternehmerrisiko einzuführen, wenngleich dies faktisch in vielen Fällen geschieht (Beispiel: staatliche Subventionierung von Unternehmen, deren drohender Konkurs eine merkliche Zahl von Arbeitsplätzen gefährdet).
"
Dies ist anhand verschiedener verteilungstheoretischer Ansätze gezeigt worden. Im Rahmen dieses einführenden Lehrbuchs zur Wirtschaftspolitik erscheint eine Diskussion der komplexen Zusammenhänge, die die Verteilung der Einkommen und Vermögen in einem Marktsystem (mit Privateigentum an den Produktionsmitteln und Erbrecht) bestimmen, nicht möglich. Wir müssen auf die verteilungstheoretische Literatur verweisen; stellvertretend für eine Fülle von Lehrbuchdarstellungen vgl. H. Barlmann (1981), C.C. Roberts ( 1980).
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Kap. I : Allgemeine Grundlegung
Ökonomen, die auf der Grundlage eines idealisierten Marktmodells argumentieren, sind geneigt, dieses Problem auszuklammern. Die Theorie des allgemeinen Konkurrenzgleichgewichts liefert eindeutige Kriterien für die Effizienz der Güterproduktion und des Tausches, nicht jedoch für die Bewertung alternativer Verteilungsergebnisse. Dies führt nicht selten zu der unzutreffenden Aussage, Urteile über die Effizienz eines ökonomischen Systems seien gleichsam wertneutral, Urteile über die Verteilungsergebnisse jedoch nicht. Die Anerkennung einer gegebenen Verteilung ist aber nicht weniger „werthaltig" als die Forderung nach einer Korrektur der Verteilung. N u n kann m a n d u r c h a u s die Ansicht vertreten, d a ß eine gegebene Ungleichv e r t e i l u n g p e r se n o c h n i c h t m i t d e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n G e r e c h t i g k e i t s n o r m e n in Konflikt geraten m u ß " . Aber realistischerweise wird m a n nicht ausschließen k ö n n e n , d a ß in d e r U n g l e i c h h e i t d e r E i n k o m m e n s - u n d V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g ein d a u e r h a f t e r g e s e l l s c h a f t l i c h e r K o n f l i k t a n g e l e g t ist. D e r a r t i g e K o n f l i k t e s i n d geeignet, nicht n u r politische, sondern i n s b e s o n d e r e auch ö k o n o m i s c h e Gleichg e w i c h t e in F r a g e z u s t e l l e n . A l l e m A n s c h e i n n a c h s i n d es n i c h t z u l e t z t Verteil u n g s a u s e i n a n d e r s e t z u n g e n , d i e g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e U n g l e i c h g e w i c h t e in d e n r e a l e n G e s e l l s c h a f t e n m i t m a r k t w i r t s c h a f t l i c h - k a p i t a l i s t i s c h e r O r g a n i s a t i o n hervorrufen74. Die N o t w e n d i g k e i t staatlicher Eingriffe zur Korrektur der marktwirtschaftlichen Verteilungsergebnisse erscheint deshalb begründet. 3 . 3 . 5 Gesamtwirtschaftliche Instabilität D e r W i d e r s p r u c h z w i s c h e n e i n e r T h e o r i e , d i e e i n e im M a r k t s y s t e m a n g e l e g t e T e n d e n z zu e i n e m g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n G l e i c h g e w i c h t bei V o l l b e s c h ä f t i g u n g v o r a u s s a g t , u n d e i n e r R e a l i t ä t , d i e d u r c h w i e d e r k e h r e n d e , l ä n g e r a n h a l t e n d e Arb e i t s l o s i g k e i t g e k e n n z e i c h n e t ist, e r s c h e i n t k r a s s e r k a u m d e n k b a r . S o l a n g e es a b e r m ö g l i c h ist, g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e F e h l e n t w i c k l u n g e n als K o n s e q u e n z einer den M a r k t m e c h a n i s m u s störenden wirtschaftspolitischen Akt i v i t ä t v o r a l l e m d e s S t a a t e s z u d e u t e n , s i e h t m a n sich o f f e n b a r n i c h t g e n ö t i g t , die Theorie als u n z u t r e f f e n d e Erklärung fallenzulassen. Dieses Festhalten an der „ V o l l b e s c h ä f t i g u n g s t h e s e " schien jedoch nicht länger gerechtfertigt, n a c h d e m J. M. Kevnes'5 d e r als r e v o l u t i o n ä r e m p f u n d e n e N a c h w e i s g e l u n g e n w a r , d a ß in e i n e m k a p i t a l i s t i s c h e n M a r k t s y s t e m ein Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung m ö g l i c h u n d n i c h t n u r als A u s n a h m e f a l l zu e r w a r t e n ist. M i t d e m B e g r i f f d e s „ U n t e r b e s c h ä f t i g u n g s g l e i c h g e w i c h t s " ist e i n e g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e S i t u a t i o n
1
Wir werden uns mit alternativen Verteilungsnormen in Kapitel 5 näher auseinandersetzen.
4
Der Zustand eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bei Vollbeschäftigung muß als instabil angesehen werden, wenn die Möglichkeit von Verteilungskonllikten in Betracht gezogen wird (weitere G r ü n d e für gesamtwirtschaftliche Instabilitäten werden später erörtert; vgl. Kapitel 3). Versuchen nämlich Arbeitnehmer, Unternehmer und Staat je höhere Ansprüche auf das volkswirtschaftliche Einkommen durchzusetzen, so werden Prozesse ausgelöst, die zu Inflation (d.h. anhaltende Steigerung des Preisniveaus) u n d / o d e r Unterbeschäftigung führen. Die Zusammenhänge zwischen Verteilungskonflikten und gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten werden ausführlich erörtert von H. Barlmann ( 1981 ). J.M. Keynes (1964) veröffentlichte 1936 unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise (mit Millionen von Arbeitslosen in allen entwickelten Industriestaaten mit marktwirtschaftlich-kapitalistischer Ordnung) eine allgemeine Beschäftigungstheorie, die sich von der Gleichgewichtsvorstellung der damals vorherrschenden Theorie löste und eine „Revolutionierung" des nationalökonomischen Denkens einleitete.
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Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
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b e s c h r i e b e n , d i e d u r c h ein G l e i c h g e w i c h t a u f d e n G ü t e r - u n d G e l d m ä r k t e n , a b e r e i n U n g l e i c h g e w i c h t a u f d e m A r b e i t s m a r k t g e k e n n z e i c h n e t ist. A u s e i n e r solc h e n K o n s t e l l a t i o n k a n n sich d a s M a r k t s y s t e m n i c h t selbst b e f r e i e n ; d i e „ u n s i c h t b a r e H a n d " ist n i c h t in d e r L a g e , d i e F u n k t i o n s b e d i n g u n g e n d e s S y s t e m s a u f g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e r E b e n e zu e r h a l t e n . D e r p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e S e k t o r d e r V o l k s w i r t s c h a f t w i r d als immanent instabil a n g e s e h e n ' 6 u n d b e d a r f l a u f e n d e r wirtschaftspolitischer Interventionen des Staates. D i e seit J a h r z e h n t e n v o r h e r r s c h e n d e L e h r b u c h d a r s t e l l u n g d e r keynesianischen Theorie 7 7 stellt im K e r n a u f d i e Rigidität v o n L ö h n e n u n d P r e i s e n ab 7 8 . D a m i t b o t sich ein A n h a l t s p u n k t f ü r d i e n e o k l a s s i s c h e K r i t i k , w i e sich r e c h t e i n f a c h zeig e n läßt. W e n n auf dem Arbeitsmarkt zum herrschenden (realen) Lohn mehr Arbeit ang e b o t e n als n a c h g e f r a g t w i r d , s o m ü ß t e d e r A n g e b o t s ü b e r s c h u ß d e n ( r e a l e n ) L o h n so l a n g e d r ü c k e n , bis sich ein n e u e s G l e i c h g e w i c h t ( V o l l b e s c h ä f t i g u n g ) a u f d e m A r b e i t s m a r k t einstellt. Wird die A n p a s s u n g d e r L ö h n e j e d o c h d u r c h G e werkschaften oder Staat (z.B. Mindestlohngesetzgebung) verhindert, so k a n n d a s s c h e i n b a r e V e r s a g e n d e s M a r k t s y s t e m s leicht e r k l ä r t w e r d e n . Es ist wied e r u m das „falsche Verhalten", das eine Anpassung an das VollbeschäftigungsGleichgewicht blockiert7''. S o r e a l i t ä t s n a h d i e A n n a h m e n a c h u n t e n s t a r r e r L ö h n e u n d Preise 8 " a u c h imm e r sein m a g , es m ü ß t e d e r N a c h w e i s g e f ü h r t w e r d e n , d a ß a u c h b e i (a p r i o r i ) flexiblen Preisen u n d L ö h n e n eine b e h a r r l i c h e U n t e r b e s c h ä f t i g u n g s s i t u a t i o n auft r e t e n k a n n . D i e s e r N a c h w e i s ist v o n Patinkin81 g e f ü h r t w o r d e n . D a n e b e n ist a b e r f ü r d i e Keynessche Theorie v . a . d a s P r o b l e m d e r Unsicherheit u n d d e r Erwartungsbildung im E n t s c h e i d u n g s p r o z e ß d e r W i r t s c h a f t s s u b j e k t e zu betrachten. 76
So schreibt Keynes ( 1964, S. 381): „ . . . u n e m p l o y m e n t . . . is associated - and in my opinion, inevitable associated - with present-day capitalistic individualism." Man kann unter einer geradezu unübersehbaren Zahl makroökonomischer Texte auswählen. Eine sehr klare Darstellung auch der neueren Diskussion um die Theorie von Kevnes gibt O. Landmann (1976); wir lehnen uns seiner Argumentation nachfolgend recht eng an.
"
In der A>v/7e.sschen Theorie stehen Erwartungen, Unsicherheit und effektive Nachfrage im Vordergrund. Siehe zum Unterschied zwischen /Cenie.vscher und keynesianischer Auffassung auch Kapitel 3, unten S. 99 ff. Selbstverständlich kann man einem Marktsystem mangelnde Anpassungsfähigkeit nicht vorwerfen, wenn eine solche infolge institutioneller Hemmnisse gar nicht möglich ist. Nicht der Marktmechanismus ist „ s c h u l d " daran, daß die Überwindung einer Unterbeschäftigungssituation nicht gelingt, sondern Gewerkschaften oder Staat. Diese Überlegung greift jedoch zu kurz. Selbst wenn die Gewerkschaften sich einer Senkung des nominalen Lohns nicht widersetzen, so ist keineswegs garantiert, daß die bestehende Arbeitslosigkeit überwunden wird. Fallen nämlich auch die Güterpreise, so ändert sich die Höhe des realen Lohns nicht (oder nicht im erforderlichen Umfang). Die Rentabilitätslage der Unternehmen wird nicht (bzw. nicht entscheidend) verbessert, und es gibt folglich keine Veranlassung für die Produzenten, ihre Nachfrage nach Arbeitskräften auszudehnen. Lohnsenkung kann sich vielmehr als gefährliche Strategie erweisen, wenn dadurch ein sich selbst verstärkender Prozeß sinkender Einkommen, sinkender Nachfrage, sinkender Produktion und sinkender Beschäftigung ausgelöst wird.
"" Vgl. auch unsere Überlegungen zu oligopolistischen Märkten; oben S. 18f. 81
Vgl. D. Palinkin( 1965).
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Kap. 1 : Allgemeine G r u n d l e g u n g
Die herkömmliche Theorie zeigt uns, wie ein aus dem Gleichgewicht geratener Markt bei einem neuen Gleichgewicht wieder „ R u h e " findet. Der Weg aber, der aus einem Ungleichgewicht durch Anpassung der Preise zu einem neuen Gleichgewicht führt, wird nicht beschrieben. Das läßt die Frage a u f k o m m e n , wie sich Wirtschaftssubjekte unter Ungleichgewichtsbedingungen verhalten. Betrachten wir einen einzelnen Produzenten. Dieser weiß selbstverständlich nicht mit Gewißheit, wie sich die Nachfrage nach den von ihm angebotenen G ü tern entwickeln wird. Aber er besitzt bestimmte aus E r f a h r u n g gewonnene Vorstellungen darüber, mit welchen Schwankungen der N a c h f r a g e er rechnen m u ß , u n d er wird sich in seinen Planungen darauf einstellen. N u n möge der Produzent von einem Rückgang der Nachfrage überrascht werden. Die unerwartete Absatzstockung wird ihn n u n aber nicht zu spontanen Preissenkungen drängen 82 , vielmehr wird er eine abwartende Haltung einnehmen. Eine Einschränkung der Produktionsmenge erscheint zunächst vorteilhafter. Nach einiger Zeit mag sich herausstellen, d a ß der Nachfragerückgang systematischen Charakter h a t : erst d a n n erscheint eine Preisanpassung naheliegend. Unsicherheit über die zu erwartende Nachfrageentwicklung führt so zu verzögerter Preisanpassung u n d vorgezogener Mengenanpassung 8 3 . Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn eine solche Abfolge auf gesamtwirtschaftlicher Ebene betrachtet wird? Wenn U n t e r n e h m e n a u f g r u n d eines unerwarteten (etwa außenwirtschaftlich bedingten) N a c h f r a g e r ü c k g a n g s weniger produzieren, benötigen sie auch weniger Arbeitsleistungen. Dies bedeutet nun aber f ü r die Haushalte, d a ß diese ihre Pläne nicht realisieren k ö n n e n ; sie können zum herrschenden Lohnsatz weniger Arbeitsleistungen „ v e r k a u f e n " als geplant. Dies zwingt sie dazu, ihre Ausgabenpläne zu revidieren. Die effektive Nachfrage der Haushalte ist geringer als die bei Realisierung der Einkommenspläne beabsichtigte. Und es ist diese effektive N a c h f r a g e , die auf den Gütermärkten für die Produzenten sichtbar wird. Diese werden ihre Produktions-(Angebots-)Menge an die effektive N a c h f r a g e anpassen, u n d so wird das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt verstärkt. Dieser Prozeß wird noch dadurch beschleunigt, d a ß die U n t e r n e h m e n auch in bezug auf ihre Investitionstätigkeit Zurückhaltung üben werden. Die aktuelle Höhe der effektiven N a c h f r a g e erlaubt vielen U n t e r n e h m e n nicht die gewünschte Auslastung der v o r h a n d e n e n Produktionskapazitäten; diese Unternehmen haben daher wenig Veranlassung, ihre Angebotsmöglichkeiten durch Investitionen auch noch auszuweiten 8 4 . So fällt zusätzlich N a c h f r a g e aus. Die ursprüngliche Störung löst eine Art Kettenreaktion 8 5 aus, die weiter vom Gleichgewicht bei VollZumal einer solchen Preissenkung bei gegebenen Produktionskosten recht enge Grenzen gesetzt sind. 81
Die (relative) Rigidität der Preise wäre dann nicht mehr das Resultat marktwidriger Eingriffe (in den Konkurrenzmechanismus), s o n d e r n das Ergebnis rationalen ökonomischen Verhaltens der Wirtschaftssubjekte (mithin marktimmanent).
"J Auch niedrige Zinsen versprechen in einer Situation weitverbreiteter Unsicherheit und pessimistischer Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Absatzmöglichkeiten keine Abhilfe. Selbst wenn a n g e n o m m e n werden könnte, d a ß Zinssenkungen zu einer Anregung der Investitionstätigkeit beitragen, muß mit d e r Möglichkeit gerechnet werden, d a ß bei E r h ö h u n g des G e l d a n g e b o t s eine Zinssenkung im notwendigen A u s m a ß nicht eintritt, weil es die Wirtschaftssubjekte vorziehen, möglichst liquide zu bleiben. 85
Dies ist der von Keynes analysierte Prozeß sich kumulativ ausbreitender Störungen, der unter dem N a m e n „ M u l t i p l i k a t o r - P r o z e ß " bekannt ist.
Kap. I : Allgemeine Grundlegung
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b e s c h ä f t i g u n g w e g f ü h r t . Selbst w e n n in diesem Prozeß Preise u n d L ö h n e u n t e r d e m Druck von Ü b e r k a p a z i t ä t e n u n d Arbeitslosigkeit sinken, werden diese „ P r e i s s i g n a l e " von h e m m e n d e n „ M e n g e n s i g n a l e n " überlagert. P r o d u z e n t e n u n d H a u s h a l t e wären wohl bereit, ihr A n g e b o t auf d e n jeweiligen A b s a t z m ä r k t e n ( G ü t e r - u n d A r b e i t s m a r k t ) a u s z u d e h n e n , a b e r auf diesen M ä r k t e n wird zu geringe A u f n a h m e b e r e i t s c h a f t signalisiert. O b sich n u n die Preissignale schließlich d u r c h z u s e t z e n vermögen o d e r o b eine R ü c k k e h r zu einem Gleichgewicht bei V o l l b e s c h ä f t i g u n g „ a u s eigener K r a f t " letztlich unmöglich wird, an dieser Frage scheiden sich in g r u n d l e g e n d e r Weise die theoretischen A u f f a s s u n g e n über die F u n k t i o n s m e c h a n i s m e n kapitalistischer Marktsysteme. G r o b v e r e i n f a c h t , lassen sich die u n t e r s c h i e d l i c h e n Positionen wie folgt k e n n z e i c h n e n : (1) Die Preissignale sind wirksam. Ein t e m p o r ä r e s Ungleichgewicht wird o h n e b e d e u t e n d e V e r z ö g e r u n g ü b e r w u n d e n . Für wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates besteht keine Veranlassung 8 6 . (2) Eine R ü c k k e h r z u m Vollbeschäftigungsgleichgewicht ist zwar vorgezeichnet, aber der Weg ist lang u n d m ü h s a m . Wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates sind w ü n s c h e n s w e r t u n d nützlich, um d e n A n p a s s u n g s p r o z e ß zu b e s c h l e u n i g e n . (3) D i e Wirtschaft verharrt im Z u s t a n d des Ungleichgewichts. Die Regulative des M a r k t s y s t e m s sind nicht wirksam. O h n e wirtschaftspolitische I n t e r v e n t i o n e n ist die Beseitigung einer U n t e r b e s c h ä f t i g u n g s s i t u a t i o n ü b e r h a u p t nicht möglich. Welche k o n k r e t e n H a n d l u n g s a n w e i s u n g e n f ü r die Wirtschaftspolitik aus d e r in (3) a n g e d e u t e t e n Kevnesschen Position im einzelnen abzuleiten sind, soll an dieser Stelle nicht g e p r ü f t werden 8 7 . 3.3.6 Wachstums- und Strukturprobleme 88 W i r t s c h a f t s w a c h s t u m - üblicherweise definiert als langfristige Z u n a h m e d e r volkswirtschaftlichen P r o d u k t i o n - wird von M a r k t t h e o r e t i k e r n grundsätzlich als ein Prozeß a n g e s e h e n , der sich bei geeigneter A u s g e s t a l t u n g der institutionellen R a h m e n b e d i n g u n g e n (Eigentum an den P r o d u k t i o n s m i t t e l n , E n t s c h e i d u n g s u n d H a n d l u n g s f r e i h e i t , Wettbewerb) gleichsam s p o n t a n als Ergebnis individueller, d e z e n t r a l e r Aktivitäten der W i r t s c h a f t s s u b j e k t e einstellt. Für eine unmittelb a r e Beeinflussung d e s W a c h s t u m s p r o z e s s e s d u r c h d e n Staat scheint es dieser A u f f a s s u n g zufolge prinzipiell keine V e r a n l a s s u n g zu geben. U n u m s t r i t t e n ist freilich, d a ß zu d e n n o t w e n d i g e n ( w e n n auch nicht hinreic h e n d e n ) V o r a u s s e t z u n g e n privater P r o d u k t i o n u n d K o n s u m t i o n ein in U m f a n g u n d Struktur a u s r e i c h e n d e s A n g e b o t a n s o g e n a n n t e n Infrastrukturleistungen gehört. Z u m Bereich d e r (materiellen) I n f r a s t r u k t u r z ä h l e n i n s b e s o n d e r e d a s Verkehrs- u n d K o m m u n i k a t i o n s s y s t e m , d a s Bildungs- u n d G e s u n d h e i t s w e s e n . D a die Leistungen d e r I n f r a s t r u k t u r M e r k m a l e v o n Kollektivgütern bzw. b e d e u t e n d e externe Erträge a u f w e i s e n , ist d e r e n Bereitstellung ü b e r d e n marktwirtschaftli8,1
Im G e g e n t e i l : W i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e I n t e r v e n t i o n e n w ü r d e n d i e s e r A u f f a s s u n g z u f o l g e d e n A n p a s s u n g s p r o z e ß nur stören. Vgl. K a p i t e l 3.
87
A u s f ü h r l i c h e E r l ä u t e r u n g e n d a z u in K a p i t e l 3.
88
D a d i e g r u n d l e g e n d e n E l e m e n t e e i n e r B e g r ü n d u n g für d e n Wachstums- u n d strukturpol i t i s c h e n L e n k u n g s b e d a r f bereits b e k a n n t s i n d , k ö n n e n wir u n s kurz f a s s e n . E i n e e i n g e h e n d e r e D i s k u s s i o n d e r n a c h f o l g e n d a n g e s p r o c h e n e n P r o b l e m e e r f o l g t in K a p i t e l 4.
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Kap. I : Allgemeine Grundlegung
c h e n A l l o k a t i o n s m e c h a n i s m u s n i c h t o d e r n u r in u n z u r e i c h e n d e m M a ß e zu erwarten8". Kollektive Entscheidungen u n d H a n d l u n g e n sind daher u n u m g ä n g lich. Trotz m a n c h e r Unklarheiten bezüglich der relativen B e d e u t u n g jener Faktor e n , d i e W i r t s c h a f t s w a c h s t u m letztlich h e r v o r b r i n g e n , b e s t e h t ein r e c h t h o h e s M a ß a n E i n i g k e i t d a r ü b e r , d a ß d e r technische Fortschritt e i n e ä u ß e r s t r e l e v a n t e D e t e r m i n a n t e d a r s t e l l t . T e c h n i s c h e r F o r t s c h r i t t w i r d im w e s e n t l i c h e n d u r c h Forschung u n d Entwicklung b e w i r k t u n d ist d a h e r in e r h e b l i c h e m M a ß e m i t Unsicherheit u n d Risiko b e l a s t e t . D i e U n g e w i ß h e i t d a r ü b e r , o b w i s s e n s c h a f t l i c h - t e c h nische B e m ü h u n g e n zu kommerziell n u t z b a r e n Resultaten f ü h r e n , b e h i n d e r t g r u n d s ä t z l i c h p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e A k t i v i t ä t e n im B e r e i c h v o n F o r s c h u n g u n d Entwicklung. Ein weiteres Problem entsteht d a d u r c h , d a ß die Erträge von Fors c h u n g s a n s t r e n g u n g e n n i c h t in j e d e m F a l l e (ζ. B. ü b e r P a t e n t e u n d L i z e n z e n ) int e r n a l i s i e r t w e r d e n k ö n n e n (sie w e r d e n g l e i c h s a m zu ö f f e n t l i c h e n G ü t e r n ) ; d i e s gilt im b e s o n d e r e n M a ß e f ü r d i e G r u n d l a g e n f o r s c h u n g . Technische und organisatorische Neuerungen werden privatwirtschaftlich nicht auf ihre Folgen f ü r die Gesellschaft geprüft, soweit diese Folgen d e n C h a rakter negativer externer Effekte haben (technologisch bedingte Arbeitslosigkeit k a n n in d i e s e m S i n n e a l s ein - o f f e n b a r a n B e d e u t u n g s t a r k z u n e h m e n d e s - Beispiel i n t e r p r e t i e r t w e r d e n ) 9 0 . Q u a n t i t a t i v e s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m ist r e a l i t e r m i t e i n e r z u n e h m e n d e n Belas t u n g d e r Umwelt u n d e i n e m b e s c h l e u n i g t e n V e r z e h r n i c h t - r e p r o d u z i e r b a r e r Ressourcen v e r b u n d e n . N i c h t z u l e t z t im I n t e r e s s e k ü n f t i g e r G e n e r a t i o n e n e r s c h e i n t d a h e r eine politische Steuerung des Wachstumsprozesses äußerst dringlich. D e r W a n d e l sektoraler Produktionsstrukturen i n f o l g e sich v e r ä n d e r n d e r N a c h f r a g e s c h i c h t u n g u n d t e c h n o l o g i s c h e r E n t w i c k l u n g e n ist z u g l e i c h V o r a u s s e t z u n g und Begleiterscheinung ökonomischer Wachstumsprozesse. Zur Anpassung der P r o d u k t i o n s s t r u k t u r e n e r s c h e i n e n M a r k t s y s t e m e ( z u m i n d e s t t h e o r e t i s c h ) in b e s o n d e r e m M a ß e b e f ä h i g t , s o w e i t die W i r t s c h a f t s a k t e u r e ü b e r d i e V e r ä n d e r u n g d e r relativen Preise zuverlässige Signale erhalten. Die I n f o r m a t i o n e n , die d a s P r e i s s y s t e m " 1 b e r e i t s t e l l t , b e z i e h e n sich j e d o c h g a n z ü b e r w i e g e n d a u f d i e G e g e n w a r t ; „ Z u k u n f t s m ä r k t e " e x i s t i e r e n l e d i g l i c h als A u s n a h m e f a l l ( d i e s o g e n a n n t e n T e r m i n m ä r k t e s i n d B e i s p i e l e dafür)" 2 . J e d e Entscheidung, die die Ausrichtung auf eine bestimmte Produktionsstruktur betrifft, beruht insoweit auf unvollständigen I n f o r m a t i o n e n . N u r im M o d e l l e i n e r M a r k t w i r t s c h a f t k a n n m i t d e m G r e n z f a l l u n e n d l i c h h o h e r A n p a s s u n g s g e s c h w i n d i g k e i t a r g u m e n t i e r t w e r d e n . In d e r R e a l i t ä t s i n d zeitliche V e r z ö g e r u n g e n u n v e r m e i d l i c h . Dies f ü h r t zu t e m p o r ä r e n Ungleichgewicht e n : e i n i g e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e S e k t o r e n w e i s e n Ü b e r k a p a z i t ä t e n a u f , in a n d e r e n e r g e b e n sich E n g p ä s s e . D i e O p t i m a l i t ä t d e r R e s s o u r c e n a l l o k a t i o n ist d a h e r r e g e l m ä ß i g verletzt. 8
" Vgl. oben S. 15 ff. ™ Vgl. dazu Kapitel 3, S. 94. Es sollte hinzugefügt werden, daß die Funktionsfähigkeit des Preissystems selbst in Frage steht; vgl. dazu unsere Bemerkungen zum Wettbewerbsproblem oben S. 17 ff. Zur Problematik des (überwiegenden) Fehlens von Zukunftsmärkten vgl. u.a. P. Bernhol: (1979, S. 131 ff.).
Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
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S t r u k t u r v e r ä n d e r u n g e n erzeugen e r h e b l i c h e soziale Probleme, wie sie sich insb e s o n d e r e in d e r s o g e n a n n t e n strukturellen Arbeitslosigkeit 9 1 ä u ß e r n . A u s d e r N o t w e n d i g k e i t , d e n s t r u k t u r e l l e n W a n d e l einerseits zu b e s c h l e u n i g e n ( A l l o k a t i o n s a r g u m e n t ) , a b e r a n d e r e r s e i t s sozial a k z e p t a b e l zu gestalten (Distrib u t i o n s a r g u m e n t ) , e n t s t e h t ein S p a n n u n g s v e r h ä l t n i s , w e l c h e s im R a h m e n staatlic h e r S t r u k t u r p o l i t i k zu K o m p r o m i s s e n zwingt. Es ist u n v e r k e n n b a r , d a ß d i e räumliche Verteilung d e r P r o d u k t i o n u n d K o n s u m t i o n a u s g e p r ä g t e U n g l e i c h h e i t a u f w e i s t . Die T e n d e n z zu w a c h s e n d e r r ä u m l i c h e r Ballung ( A g g l o m e r a t i o n ) einerseits u n d zur „ E n t l e e r u n g " v o n R e g i o n e n andererseits ist nicht zuletzt auf d i e bereits e r ö r t e r t e n „ M a r k t f e h l e r " z u r ü c k f ü h r b a r . Die r ä u m l i c h e Z u s a m m e n b a l l u n g von P r o d u k t i o n s s t ä t t e n ( u n d W o h n s t ä t ten) k a n n a u s e i n z e l w i r t s c h a f t l i c h e r Sicht als v o r t e i l h a f t e r s c h e i n e n ( m a n d e n k e z . B . an die „ F ü h l u n g s v o r t e i l e " f ü r U n t e r n e h m e n , die sich an S t a n d o r t e n niederlassen, die bereits e i n e K o n z e n t r a t i o n v o n G ü t e r - u n d D i e n s t l e i s t u n g s a n g e b o t e n a u f w e i s e n , an die Vorteile, die sich a u s d e r r ä u m l i c h e n N ä h e zu d e n A b s a t z z e n tren sowie a u s d e r N u t z u n g eines u m f a n g r e i c h e n ö f f e n t l i c h e n L e i s t u n g s a n g e b o t s in d e n B a l l u n g s r ä u m e n e r g e b e n ) , a u s g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e r Sicht h i n g e g e n d u r c h a u s als nachteilig. Die mit d e r A g g l o m e r a t i o n v e r b u n d e n e n sozialen K o sten ( U m w e l t b e l a s t u n g , P r o b l e m e d e r V e r s t ä d t e r u n g etc.) sind h ö h e r als die priv a t e n Kosten d e r P r o d u k t i o n u n d K o n s u m t i o n . D a a b e r die e x t e r n e n K o s t e n nicht in die e i n z e l w i r t s c h a f t l i c h e n K a l k ü l e (hier: S t a n d o r t e n t s c h e i d u n g e n ) eingeh e n , sind s u b o p t i m a l e r ä u m l i c h e S t r u k t u r e n zu e r w a r t e n . D i e a n g e f ü h r t e n G r ü n d e v e r d e u t l i c h e n d i e N o t w e n d i g k e i t staatlicher W a c h s t u m s · u n d S t r u k t u r p o l i t i k , d e r e n Ziele u n d Mittel n o c h e i n g e h e n d zu e r ö r t e r n sein werden" 4 . Abschließende Bemerkungen D a s G r u n d a n l i e g e n d e r v o r a n g e h e n d e n A b s c h n i t t e w a r es, den Anlaß zu wirtschaftspolitischen Eingriffen des Staates aus systematischen Fehlentwicklungen d e s M a r k t s y s t e m s h e r z u l e i t e n . Art u n d Umfang s t a a t l i c h e r I n t e r v e n t i o n e n sind d a m i t noch nicht e i n d e u t i g b e s t i m m t . I n s o f e r n e r ö f f n e t sich ein breites Feld k o n t r o v e r s g e f ü h r t e r D i s k u s s i o n e n ü b e r g e e i g n e t e I n s t r u m e n t e ( A u s w a h l - , Dosier u n g s - u n d T e r m i n i e r u n g s p r o b l e m e ) , ü b e r d i e w i r k u n g s v o l l e institutionelle Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik (Entscheidungs- u n d Koordinierungsverfahr e n ) sowie ü b e r die w i r t s c h a f t s v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e E i n g r e n z u n g des U m f a n g s staatlicher Aktivitäten 1 ". U n g e a c h t e t aller b e s t e h e n d e n M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n bezüglich d e r a n g e d e u t e t e n P r o b l e m s t e l l u n g e n e r s c h e i n t es u n z w e i f e l h a f t , d a ß d e r T y p u s d e r „gelenkten Marktwirtschaft", d . h . e i n e r O r g a n i s a t i o n d e s W i r t s c h a f t e n s , in d e r die ökonomischen Aktivitäten der Wirtschaftssubjekte einer dualen Beeinflussung·" 93 94 95 96
Vgl. dazu Kapitel 3, S. 93 f. Vgl. Kapitel 4. Vgl. M.E. Streit (1979, S. 29). Wirtschaftspolitische Eingriffe verursachen ihrerseits gesellschaftliche Kosten, und es ist keineswegs gesichert, daß wirtschaftspolitische Entscheidungen stets zu „besseren" Ergebnissen führen als Marktprozesse. Diese Problematik wird neuerdings intensiver thematisiert unter dem Stichwort „Staatsversagen" bzw. „Politikversagen" (in unverkennbarer Analogie zur Theorie des Marktversagens). Vgl. dazu u.a. den Versuch einer systematischen Analyse durch C. Wolf jr. (1979) sowie unsere Hinweise auf die „Neue Politische Ökonomie" (oben S. 6 ff.).
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K a p . I : Allgemeine G r u n d l e g u n g
durch den Markt und durch den intervenierenden Staat unterliegen, angesichts des immanenten Versagens „reiner" Marktsysteme nicht mehr revidierbar ist, ohne grundlegende Legitimationskrisen zu riskieren. Die entwickelten westlichen Industriegesellschaften sind - trotz mancher Unterschiede in den Formen staatlicher Wirtschaftspolitik - gelenkte Marktwirtschaften. Dies gilt anerkanntermaßen auch für die in der Bundesrepublik angestrebte Ordnung der „Sozialen Marktwirtschaft".
4. Wirtschaftspolitik in der „ S o z i a l e n Marktwirtschaft" Der Versuch, Form und Reichweite staatlicher Wirtschaftspolitik im System der „Sozialen Marktwirtschaft" der Bundesrepublik in allgemeiner Weise zu umschreiben, erweist sich als nicht ganz einfach, gleichgültig, ob dabei auf die zugrundeliegende ordnungspolitische Konzeption, auf die Pragmatik konkreter Wirtschaftspolitik oder auf die wirtschaftsverfassungsrechtliche Ausgestaltung abgestellt wird. Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft ist ideengeschichtlich stark von den Vorstellungen des sogenannten Ordoliberalismus"7 beeinflußt. Die Vertreter dieser Variante neoliberalen Denkens, W. Euchen, F. Böhm, W. Röpke u.v.a. dürften sich in folgenden grundlegenden Positionen treffen: (1) in ihrer zumindest verbal sehr scharfen Abgrenzung gegenüber den Vorstellungen des klassischen Liberalismus" 8 , (2) in ihrer radikalen Kritik am Kollektivismus (nationalsozialistischer und kommunistischer Prägung) und am Sozialismus, (3) in ihrer Befürwortung einer aufgeklärten, geläuterten liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die als „dritter Weg" zwischen den kritisierten Extremen des laissez-faire-Liberalismus und des Kollektivismus bzw. Sozialismus verstanden wird, sowie (4) in ihrer Forderung nach einer konsequenten Wirtschaftsordnungspolitik. Als das eigentlich Neue der ordoliberalen Konzeption bezeichnen ihre Anhänger die Idee der Wirtschaftsordnung'". Der kardinale Fehler des klassischen Wirtschaftsliberalismus wird vor allem darin gesehen, daß dieser die Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung allein den Privaten überlassen habe und den Staat zu einer schwachen, von privatkapitalistischen Interessen abhängigen Institution degenerieren ließ. Statt dessen wird ein „starker" und unabhängiger Staat gefordert, der die Wirtschaftsordnung bewußt gestaltet.
''
Z u r D a r s t e l l u n g d e r o r d o l i b e r a l e n K o n z e p t i o n vgl. u . a . R. Blum ( 1969), H.G.
Schachi-
schabel ( 1976), M. Wulff( 1976).
m
Die Kritik a m klassischen Liberalismus ( „ P a l ä o l i b e r a l i s m u s " o d e r gar „Vulgärliberalism u s " ) trägt zum Teil a u s g e p r ä g t antikapitalistische Züge. Der laissez-faire-Liberalismus wird f ü r d i e D e g e n e r i e r u n g d e r M a r k t w i r t s c h a f t z u m K a p i t a l i s m u s v e r a n t w o r t l i c h gem a c h t u n d dieser f ü r d e n W e g in den K o l l e k t i v i s m u s u n d F a s c h i s m u s (einige O r d o l i b e rale vertreten die T h e s e , d a ß d e r K o m p l o t t zwischen d e r kapitalistischen G r o ß i n d u s t r i e u n d dem N a t i o n a l s o z i a l i s m u s die faschistische M a c h t e r g r e i f u n g in D e u t s c h l a n d letztlich erst e r m ö g l i c h t habe). Z u r o r d o l i b e r a l e n Kritik a m klassischen L i b e r a l i s m u s vgl. u . a . A. Riistow(1950). U n t e r W i r t s c h a f t s o r d n u n g wird die „ G e s a m t h e i t d e r realisierten F o r m e n , in d e n e n in c o n c r e t o jeweils d e r alltägliche W i r t s c h a f t s p r o z e ß a b l ä u f t " ( W. Eucken, 1952, S. 372), verstanden.
Kap. I : Allgemeine Grundlegung
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Die W i r t s c h a f t s o r d n u n g , die die individuelle Freiheitssphäre schützt, zugleich e i n e n A n r e i z zu h ö c h s t m ö g l i c h e r w i r t s c h a f t l i c h e r L e i s t u n g b i e t e t u n d d a s i n d i v i d u e l l e H a n d e l n in R i c h t u n g a u f d a s g e s e l l s c h a f t l i c h e W o h l l e n k t , ist d i e M a r k t wirtschaft10". D i e p r i m ä r e o r d n u n g s p o l i t i s c h e A u f g a b e b e s t e h t in d e r „ H e r s t e l l u n g e i n e s funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz"101. Die Konstituierung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung erfordert - nach den Vorstellungen W. Euchens - b e s t i m m t e P r i n z i p i e n 1 0 2 : • offene Märkte (keine Beschränkung des Marktzugangs); • Privateigentum an den
Produktionsmitteln10';
• H a f t u n g des Eigentümers; • Vertragsfreiheit (mit d e r E i n s c h r ä n k u n g , d a ß diese nicht d a z u m i ß b r a u c h t werd e n d a r f , d i e V e r t r a g s f r e i h e i t zu b e s c h r ä n k e n o d e r z u b e s e i t i g e n ) ; • S t a b i l i t ä t d e r W ä h r u n g ( H e r s t e l l u n g e i n e r G e l d o r d n u n g , d i e ein s t a b i l e s Preisniveau sichert); • Konstanz der Wirtschaftspolitik1"4. D i e V e r t r e t e r d e s O r d o l i b e r a l i s m u s g e h e n n i c h t d a v o n a u s , d a ß sich d i e k o n s t i t u i e r e n d e n P r i n z i p i e n d e r W e t t b e w e r b s o r d n u n g d a u e r h a f t v o n selbst e r h a l t e n . W. Euchen f o r m u l i e r t d a h e r z u s ä t z l i c h e „regulierende Prinzipien" 1 0 5 , s o v o r allem d i e N o t w e n d i g k e i t e i n e r s t a a t l i c h e n M o n o p o l a u f s i c h t , d i e in e r s t e r L i n i e d a s E n t s t e h e n m o n o p o l i s t i s c h e r M a c h t p o s i t i o n e n zu v e r h i n d e r n h ä t t e . A b e r a u c h d i e Korrektur der aus d e m Marktprozeß resultierenden Einkommensverteilung durch eine progressive E i n k o m m e n s t e u e r , die soziale Sicherung und der Schutz der A r b e i t n e h m e r ( O r d n u n g des Arbeitsmarktes, nötigenfalls M i n d e s t l o h n g e -
100
Für W. Euchen (1952) existieren nur zwei G r u n d f o r m e n möglicher Wirtschaftsordnungen: die Verkehrswirtschaft (Marktwirtschaft) und die zentralgeleitete Wirtschaft (Zentralverwaltungswirtschaft). Diese Dichotomisierung hat die ordnungstheoretische und -politische Debatte in der Bundesrepublik bis heute stark beeinflußt (und man wird hinzufügen können: sehr stark eingeengt). H. Riese ( 1972) kritisiert Euchens Typologie der Wirtschaftsordnung dahingehend, d a ß sie letztlich nur dazu diente, die ordnungspolitische Entscheidung zugunsten einer Marktwirtschaft zu rechtfertigen.
101
W. Euchen (1952, S. 254) mit dem besonders hervorgehobenen Zusatz: „Dies ist das wirtschaftsverfassungsrechtliche G r u n d p r i n z i p . "
,o:
Vgl. W. Euchen( 1952, S. 254 ff.).
101
In ihrer Rechtfertigung der Privateigentumsordnung folgen die Ordoliberalen unverkennbar klassisch-liberalen Argumentationsmustern: Privateigentum sei notwendige Voraussetzung für Wettbewerb und Garantie für individuelle Freiheit. Kollektiveigentum wird vor allem deshalb abgelehnt, weil dies zu einer Zusammenballung ökonomischer und politischer Macht führe.
104
„Konstanz ist ein zentrales Erfordernis der Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsordnung. Die Wirtschaftspolitik stelle einen brauchbaren wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rahmen für den Wirtschaftsprozeß her; an diesem Rahmen halte sie beharrlich fest und ändere nur mit Vorsicht." W. Euchen (1952, S. 289). Der Ordoliberalismus nimmt damit Empfehlungen vorweg, die in der gegenwärtigen Diskussion um die Strategien der Wirtschaftspolitik eine bedeutende Rolle spielen; vgl. dazu Kapitel 3.
1,15
W. Euchen (\9S2, S. 29 Iff.).
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Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
setzgebung) sowie die K o r r e k t u r privater Wirtschaftsrechnungen""' werden ausd r ü c k l i c h als w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e A u f g a b e n d e s S t a a t e s a n e r k a n n t . Bei a l l e d e m ist d i e s t a a t l i c h e W i r t s c h a f t s p o l i t i k u n t e r d a s Primat der O r d nungspolitik gestellt" 1 7 . E i n g r i f f e in d e n W i r t s c h a f t s p r o z e ß w e r d e n im G r u n d e als e n t b e h r l i c h a n g e s e h e n . D i e s e P o s i t i o n zeigt sich r e c h t d e u t l i c h bei d e r E i n s c h ä t zung konjunkturpolitischer Erfordernisse. Z w a r wird die Möglichkeit gesamtwirtschaftlicher Instabilitäten (Konjunkturschwankungen, Massenarbeitslosigk e i t ) d u r c h a u s als i m m a n e n t e s P r o b l e m v o n M a r k t w i r t s c h a f t e n g e s e h e n u n d d i e V e r m e i d u n g v o n A r b e i t s l o s i g k e i t n a c h d r ü c k l i c h als z e n t r a l e A u f g a b e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k b e t o n t , a b e r zu i h r e r B e w ä l t i g u n g w i r d w i e d e r u m e m p f o h l e n , o r d nungspolitisch vorzugehen. S o f e r n d i e k o n s t i t u i e r e n d e n u n d r e g u l i e r e n d e n P r i n z i p i e n in d e r W e t t b e w e r b s o r d n u n g verwirklicht sind, wird dem Preissystem die Fähigkeit z u g e s p r o c h e n , „ D i s p r o p o r t i o n a l i t ä t e n " aufzudecken und auszugleichen. K o n s t a n z der Wirts c h a f t s p o l i t i k f ö r d e r e im ü b r i g e n e i n e s t e t i g e E n t w i c k l u n g d e r G e s a m t w i r t s c h a f t . D a r ü b e r h i n a u s g e h e n d e Malinahmen zur Lenkung wirtschaftlicher Abläufe werd e n als „ w a h r s c h e i n l i c h " n i c h t e r f o r d e r l i c h a n g e s e h e n " " 1 . D a s g r u n d l e g e n d e D i l e m m a o r d o l i b e r a l e r V o r s t e l l u n g e n ist n i c h t zu ü b e r s e h e n : W i r t s c h a f t s p o l i t i k soll sich p r i n z i p i e l l a u f d i e H e r s t e l l u n g e i n e r f u n k t i o n s f ä h i g e n W e t t b e w e r b s o r d n u n g b e s c h r ä n k e n u n d sich a b l a u f p o l i t i s c h e r E i n g r i f f e e n t h a l t e n , a b e r g e r a d e d i e s e s i n d n o t w e n d i g , u m d e n o r d n u n g s p o l i t i s c h e n Ziels e t z u n g e n z u m D u r c h b r u c h zu v e r h e l f e n . D a h e r k a n n es n i c h t ü b e r r a s c h e n , w e n n d i e V e r t r e t e r d e s O r d o l i b e r a l i s m u s bei d e r K o n k r e t i s i e r u n g w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e r P r o b l e m l ö s u n g e n n i c h t selten e i n d e u t i g e A u s s a g e n v e r m e i d e n b z w . sich in W i d e r s p r ü c h e v e r w i c k e l n . W e n n g l e i c h m a n d e n O r d o l i b e r a l e n n i c h t d e n V o r w u r f zu m a c h e n g e n e i g t ist, sie w ü r d e n e i n e m n a i v e n G l a u b e n a n d i e S e l b s t r e g u l i e r u n g s f ä h i g k e i t d e s M a r k t s y s t e m s a n h ä n g e n 1 " ' ' , s c h e i n t d o c h stets in i h r e n G r u n d p o s i t i o n e n d i e a l t l i b e r a l e Harmonievorstellung unverkennbar auf"". Die Durchsetzung ordoliberaler Ordnungsvorstellungen schien unmittelbar n a c h d e m Z u s a m m e n b r u c h des Dritten Reiches wenig aussichtsreich angesichts d e r a u c h in d e n w e s t l i c h e n B e s a t z u n g s z o n e n v o r h e r r s c h e n d e n s o z i a l i s t i s c h e n ""' Damit ist eine Aufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik gemeint, die wir heute als „Internalisierung externer Effekte" bezeichnen ; vgl. oben S. 16. " r „ D i e wirtschaftspolitische Tätigkeit sollte auf die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses." W. Eucken (1952, S. 336). "IS Vgl. W. Eucken (1952, S. 311). ""' Diese Einschätzung m u ß indessen zweifelhaft erscheinen, wenn man bestimmte Aussagen der ordoliberalen Schule betrachtet. So bezeichnen F. Böhm. F.A. Lui:. F. W. Meyer ( 1960/61, S. XLIV) „die marktwirtschaftliche Lenkungsmaschinerie . . . als eine geradezu unheimlich leistungsfähige Apparatur, die auch die Sünden ganzer Generationen von privaten und politischen Interventionspfuschern in sich hineinfrißt, ohne Symptome von Übelkeit zu zeigen, vielmehr unverdrossen bemüht ist, auch den puren Unverstand der Menschen in hartnäckigen Ausstoß von Wohlverstand zu verwandeln". "" „ I m m e r wieder dringt durch das ordopolitische Programm die alte liberale Vorstellung von der Volkswirtschaft als eines sich selbst optimal steuernden Mechanismus und damit die Furcht vor einem zu mächtigen Staat durch, obwohl ein solcher auf der anderen Seite zur Setzung des Ordnungsrahmens erwünscht ist." P. Dobias (1980, S. 26).
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S t r ö m u n g e n . F ü r g r o ß e T e i l e d e r B e v ö l k e r u n g s c h i e n f e s t z u s t e h e n , d a ß ein n o t w e n d i g e r w e i s e r a d i k a l e r N e u b e g i n n n u r in e i n e m S y s t e m d e s d e m o k r a t i s c h e n , freiheitlichen Sozialismus möglich w a r ; die A n k n ü p f u n g an eine bürgerlich-liberale W i r t s c h a f t s v e r f a s s u n g o d e r g a r d i e R e k o n s t r u k t i o n d e s K a p i t a l i s m u s ers c h i e n vielen u n v o r s t e l l b a r . D i e s e A u f f a s s u n g w u r d e n i c h t n u r in K r e i s e n v e r t r e ten, die s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n u n d g e w e r k s c h a f t l i c h e n T r a d i t i o n e n n a h e s t a n d e n , s o n d e r n a u c h in j e n e n , d i e sich d e r c h r i s t l i c h e n S o z i a l l e h r e v e r p f l i c h t e t f ü h l t e n . W e n n g l e i c h sich in d e n N a c h k r i e g s j a h r e n n a c h u n d n a c h a u c h l i b e r a l e u n d k o n s e r v a t i v - b ü r g e r l i c h e S t r ö m u n g e n in p o l i t i s c h e n P a r t e i e n zu f o r m i e r e n b e g a n n e n u n d sich ein g e w i s s e r S t i m m u n g s w a n d e l in d e r B e v ö l k e r u n g a n g e s i c h t s d e r r e a len E n t w i c k l u n g in d e r s o w j e t i s c h e n B e s a t z u n g s z o n e b e m e r k b a r m a c h t e , w a r es schließlich d o c h e n t s c h e i d e n d der a m e r i k a n i s c h e n Besatzungspolitik z u z u r e c h n e n , d a ß sich d i e K o n z e p t i o n d e r „Sozialen M a r k t w i r t s c h a f t ' " " d u r c h z u s e t z e n vermochte"2. D e r g r u n d l e g e n d e G e d a n k e d e r S o z i a l e n M a r k t w i r t s c h a f t w u r d e d a r i n gesehen, ,,das Prinzip der Freiheit auf dem M a r k t e mit dem des sozialen Ausgleichs zu v e r b i n d e n . . . " ' " . D i e s e e h e r u n d e u t l i c h e F o r m u l i e r u n g ließ e i n e n b r e i t e n R a u m f ü r p r a g m a t i s c h e E n t s c h e i d u n g e n , u n d d i e s e m u ß t e n a n g e s i c h t s d e r h e r r s c h e n d e n N o t l a g e eines v o m K r i e g v e r w ü s t e t e n L a n d e s a l s v o r d r i n g l i c h e r s c h e i n e n . D i e sich in d e n F o l g e j a h r e n e i n s t e l l e n d e n E r f o l g e w e s t d e u t s c h e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k - in d e r w e s t l i c h e n W e l t als „ W i r t s c h a f t s w u n d e r " g e p r i e s e n - f ü h r t e n s c h l i e ß l i c h zu einer sehr w e i t g e h e n d e n A n e r k e n n u n g d e r o r d n u n g s p o l i t i s c h e n G r u n d e n t s c h e i d u n g a u c h bei j e n e n , d i e i h r a n f a n g s ä u ß e r s t s k e p t i s c h g e g e n ü b e r s t a n d e n . D i e H e r s t e l l u n g e i n e r d e n V o r s t e l l u n g e n d e s O r d o l i b e r a l i s m u s g e m ä ß e n Wettbewerbsordnung b i l d e t e z w a r e i n e n K e r n p u n k t in d e r P r o g r a m m a t i k d e r S o z i a l e n M a r k t w i r t s c h a f t , i h r e p o l i t i s c h e D u r c h s e t z u n g e r w i e s sich i n d e s s e n als e i n n i c h t r e a l i s i e r b a r e s V o r h a b e n . E r s t 1957 w u r d e m i t d e m G e s e t z g e g e n W e t t b e w e r b s b e schränkungen ( G W B ) die rechtliche G r u n d l a g e für eine staatliche Wettbewerbsp o l i t i k g e s c h a f f e n . D a s W e t t b e w e r b s g e s e t z e n t h i e l t j e d o c h ( z u n ä c h s t ) k e i n e Instrumente, die das Entstehen monopolistischer und oligopolistischer Marktstrukturen hätten verhindern k ö n n e n . Auch die Kontrolle bereits existierender M a r k t m a c h t e r w i e s sich als w e n i g w i r k u n g s v o l l " 4 . Von A n f a n g an bestand eine ausgeprägte Neigung, große Bereiche privatwirts c h a f t l i c h e r A k t i v i t ä t n i c h t d e r w e t t b e w e r b l i c h e n S t e u e r u n g zu u n t e r w e r f e n . D a f ü r g a b es e i n e r s e i t s w o h l b e g r ü n d e t e A r g u m e n t e " 5 , a n d e r e r s e i t s zeigt sich bei d e r Regelung von Nicht-Wettbewerbsbereichen der massive Einfluß organisierter Interessen. ' " Der Begriff „Soziale Marktwirtschaft" - von A. Miiller-Armack geprägt und vor allem von L. Erhard popularisiert und politisch umgesetzt - wurde erstmals offiziell Bestandteil parteipolitischer Programmatik in den wirtschaftspolitischen Leitsätzen der C D U aus dem Jahr 1949. Zur detaillierten Darstellung der ordnungspolitischen Auseinandersetzungen in Westdeutschland und zur Politik der westlichen Besatzungsmächte vgl. u.a. G. Ambrosius (1977), R. Blum ( 1969). '" A. Miiller-Armack ( 1956, S. 390). 114 Dies wird in Kapitel 2 im einzelnen darzulegen sein. Wettbewerb kann auch in einem Marktsystem kein universell anwendbares Prinzip sein; darüber bestehen im Grundsatz auch keine Meinungsverschiedenheiten. Einer-
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Ordnungspolitik beschränkt sich in der Sozialen Marktwirtschaft keineswegs allein auf die Wettbewerbspolitik, sondern erstreckt sich insbesondere auch auf die O r d n u n g des Produktions- u n d Unternehmensbereichs. Dabei geht es vor allem um die gesellschaftspolitisch bedeutsame Frage der Entscheidungs- und Dispositionsrechte. Mit der G r u n d e n t s c h e i d u n g zugunsten einer Privateigentumsordnung scheint die Subordination der Arbeitnehmerinteressen im Produktions- und Unternehmensbereich vorgezeichnet. Die Eigentumsgarantie beinhaltet notwendig das Dispositionsrecht des Produktionsmitteleigentümers, sie bedeutet damit zugleich Herrschaft über Arbeitnehmer. Eine solche Herrschaft kann aber in einer freiheitlich, demokratisch und sozialstaatlich verfaßten Gesellschaft auch nicht über Eigentumsrechte legitimierbar sein. Insoweit darf der Gesetzgeber nicht prinzipiell d a r a n gehindert sein, die Unternehmensverfassung so auszugestalten, d a ß sie dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion Rechnung trägt'"'. Die Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer (auf der Ebene des Betriebs u n d des Unternehmens sowie auf überbetrieblicher Ebene)" 7 steht daher nicht in einem grundsätzlichen Widerspruch zur Garantie des Privateigent u m s an Produktionsmitteln. Die Mitbestimmung bildet einen notwendigen Bestandteil der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft, ungeachtet aller besteh e n d e n Meinungsverschiedenheiten über Art und U m f a n g der Mitbestimmungsrechte. Die Politik des sozialen Ausgleichs bezieht sich im übrigen vornehmlich auf den Ausbau des Systems der Sozialen Sicherung. In der Bundesrepublik konnte ein Niveau kollektiver Sicherung realisiert werden, d a s im internationalen Vergleich stets als vorbildlich hervorgehoben wird. Unter den Verfechtern marktwirtschaftlicher Ordnungsprinzipien bestehen gleichwohl erhebliche Vorbehalte gegen erkennbare Bestrebungen, die die staatliche Sozialpolitik in Richtung auf einen „ W o h l f a h r t s s t a a t " drängen. Sozialpolitik erscheint jenen im Gegenteil um so entbehrlicher, je schneller das allgemeine E i n k o m m e n s n i v e a u steigt. O d e r : Wirtschaftliches Wachstum wird letztlich als wirkungsvollste Sozialpolitik angesehen. Wachstumspolitik soll dieser Auffassung entsprechend prinzipiell auch Vorrang vor der Verteilungspolitik haben. Das eingängige, aber gleichwohl unbestätigte Argument lautet: wirtschaftliches Wachstum „schlichtet" Verteilungskonflikte, weil es weniger Anlaß gibt, über die Aufteilung des G e s a m t e i n k o m m e n s
seits gibt es Märkte, die unter Bedingungen unbeschränkter K o n k u r r e n z sozial völlig inakzeptable Konsequenzen aufweisen w ü r d e n . Der Arbeitsmarkt ist d a f ü r d a s wichtigste Beispiel (die O r d n u n g des Arbeitsmarktes in der Bundesrepublik wird in den G r u n d z ü g e n in Kapitel 5 dargestellt); der W o h n u n g s m a r k t , der Markt f ü r G e s u n d heitsleistungen sind weitere Beispiele. Andererseits existieren Märkte, auf d e n e n gleichsam aus „ t e c h n i s c h e n " G r ü n d e n Wettbewerb nicht realisierbar erscheint („natürliche M o n o p o l e " ) ; lokale Versorgungsunternehmen (für Wasser, Strom, Gas) sind d a f ü r häufig g e n a n n t e Beispiele. "* E. Siem (1980, S. 170). "" Auf die Entstehungsgeschichte, den Inhalt, die Auswirkungen der Mitbestimmungsgesetze (Betriebsverfassungsgesetz, Personalvertretungsgesetze, M o n t a n m i t b e s t i m m u n g s gesetz, Mitbestimmungsgesetz 1976) kann hier nicht n ä h e r eingegangen werden. Einen Überblick gibt u . a . H. Lampen( 1980, S. 318ff.).
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z w i s c h e n d e n sozialen G r u p p e n „ f u n k t i o n s l o s e K ä m p f e " a u s z u t r a g e n , w e n n d a s E i n k o m m e n i n s g e s a m t u n d f ü r alle z u n i m m t . Z u d e m wird die E r w a r t u n g b e k r ä f tigt, d a ß W i r t s c h a f t s w a c h s t u m z u n e h m e n d e E r s p a r n i s u n d d a m i t Vermögensbildung a u c h in b r e i t e n B e v ö l k e r u n g s k r e i s e n e r m ö g l i c h t , so d a ß in l ä n g e r e r Sicht eine A n g l e i c h u n g d e r V e r m ö g e n u n d d e r d a m i t v e r b u n d e n e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n Positionen e r r e i c h t w i r d " 8 . Im R a h m e n d e r Sozialen M a r k t w i r t s c h a f t schien es z u n ä c h s t f ü r eine aktive Konjunktursteuerung d e s S t a a t e s k a u m V e r a n l a s s u n g zu g e b e n . Bei d e r B e k ä m p f u n g ( a u s h e u t i g e r Sicht s c h w a c h e r ) i n f l a t i o n ä r e r T e n d e n z e n , d i e sich n a c h Erreichen eines w e i t g e h e n d e n V o l l b e s c h ä f t i g u n g s z u s t a n d e s zeigten, w u r d e s o d a n n d e r Geldpolitik e i n d e u t i g e Priorität e i n g e r ä u m t . Die D e u t s c h e B u n d e s b a n k k o n n t e a l l e r d i n g s ihre Rolle als „ H ü t e r i n d e r W ä h r u n g " i m m e r weniger e r f ü l l e n , weil sie g e n ö t i g t war, d e n I m p o r t v o n I n f l a t i o n ü b e r z u n e h m e n d e A u ß e n h a n d e l s ü b e r s c h ü s s e d e r B u n d e s r e p u b l i k in e i n e m System prinzipiell fester W e c h s e l kurse hinzunehmen. Erst als 1 9 6 6 / 6 7 die erste g r ö ß e r e B e s c h ä f t i g u n g s k r i s e ( n a c h Ü b e r w i n d u n g d e r N a c h k r i e g s a r b e i t s l o s i g k e i t ) a u f t r a t , erwies sich eine s y s t e m a t i s c h e E r w e i t e r u n g des stabilitätspolitischen I n s t r u m e n t a r i u m s als u n u m g ä n g l i c h . Mit der Verabs c h i e d u n g d e s G e s e t z e s z u r F ö r d e r u n g d e r Stabilität u n d d e s W a c h s t u m s d e r W i r t s c h a f t ( S t a b G ) im J a h r 1967 w u r d e eine n e u e Phase d e r Sozialen M a r k t w i r t s c h a f t eingeleitet. Die V e r a n k e r u n g einer im G r u n d s a t z k e y n e s i a n i s c h e n G l o b a l s t e u e r u n g " ' ' k o n n t e als Beginn eines o r d n u n g s p o l i t i s c h e n T r a n s f o r m a t i o n s p r o z e s s e s v e r s t a n den werden. W a n n i m m e r sich w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e A k t i v i t ä t e n auf z u s ä t z l i c h e A u f g a b e n b e r e i c h e u n d / o d e r I n s t r u m e n t a r i e n a u s d e h n t e n ( a k t u e l l e r e Beispiele: U m w e l t schutz, S t r u k t u r p o l i t i k ) 1 2 0 , w u r d e die F r a g e n a c h ihrer Konformität gestellt. D a m i t k ö n n e n u n t e r s c h i e d l i c h e S a c h v e r h a l t e a n g e s p r o c h e n sein: 1 - 1 W i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e M a ß n a h m e n k ö n n e n d a r a u f h i n g e p r ü f t w e r d e n , o b sie (1) geeignet s i n d , d i e a n g e s t r e b t e n Z i e l e zu e r f ü l l e n (Zielkonformität), (2) nicht zu e i n e r S t ö r u n g d e s M a r k t m e c h a n i s m u s f ü h ren (Marktkonformität), (3) d e n W e t t b e w e r b s p r i n z i p i e n nicht z u w i d e r l a u f e n (Wettbewerbskonformität), (4) d e r W i r t s c h a f t s o r d n u n g i n s g e s a m t g e m ä ß s i n d (Ordnungskonformität). Die F o r d e r u n g n a c h Z i e l k o n f o r m i t ä t b e d a r f k e i n e r n ä h e r e n B e g r ü n d u n g . E r h e b l i c h e Z w e i f e l v e r u r s a c h e n j e d o c h d i e ü b r i g e n K o n f o r m i t ä t s f o r d e r u n g e n . Es gibt z a h l r e i c h e Ins t r u m e n t e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k , d i e m a n nicht als m a r k t - o d e r w e t t b e w e r b s k o n f o r m b e z e i c h n e n k a n n , d i e a b e r g l e i c h w o h l im H i n b l i c k a u f d i e a n g e s t r e b t e n Z i e l e als e r w ü n s c h t und nützlich eingestuft werden k ö n n e n . Die g e n a n n t e n B e u r t e i l u n g s k r i t e r i e n s i n d ü b e r a l l d o r t u n b r a u c h b a r , w o M ä r k t e o h n e h i n nicht v o r h a n d e n s i n d ( B e r e i t s t e l l u n g ö f f e n t l i c h e r L e i s t u n g e n ) , nicht f u n k t i o n s f ä h i g sein k ö n n e n o d e r a b e r d a s W e t t b e w e r b s p r i n z i p a u s ζ. B. s o z i a l e n E r w ä g u n g e n nicht w i r k s a m w e r d e n soll. D i e F r a g e d e r O r d n u n g s k o n f o r m i t ä t ist vielschichtiger. Bezieht sich d i e Beurt e i l u n g a u f d i e zu i r g e n d e i n e m Z e i t p u n k t t a t s ä c h l i c h g e g e b e n e o d e r a u f d i e a n g e s t r e b t e O r d n u n g (auf d a s „Leitbild", d e n „ I d e a l t y p u s " ) ? " " I n w i e w e i t sich d i e s e E r w a r t u n g e n e r f ü l l e n k o n n t e n , w i r d in K a p i t e l 5 n ä h e r zu u n t e r s u c h e n sein. " " Vgl. d a z u im e i n z e l n e n K a p i t e l 3. '-" Vgl. d a z u K a p i t e l 4. 121
Vgl. a u c h d e n Ü b e r b l i c k bei G. Gulmann
(1980).
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Kap. 1 : Allgemeine Grundlegung
Mit dem Hinweis auf den Vorstoß gegen eine gegebene Ordnung läßt sich praktisch jeder Reformversuch ablehnen. Soll nicht eine Zementierung des status quo gerechtfertigt werden, dann wird sich die Forderung nach Konformität auf die angestrebte O r d n u n g beziehen müssen. Dann m u ß aber diese Ordnung in allen relevanten Elementen hinreichend genau bestimmt sein. Dies ist jedenfalls bezüglich des Konzeptes der Sozialen Marktwirtschaft nicht gegeben. Diese ist keine fest umrissene, sondern eine für neue Problemlösungen prinzipiell offene, wandlungsfähige Wirtschaftsordnung. Damit sei freilich nicht gesagt, d a ß Soziale Marktwirtschaft für jede beliebige Art von Wirtschaftspolitik offensteht. In d e r F r a g e n a c h d e r O r d n u n g s k o n f o r m i t ä t ist bei w e i t e r I n t e r p r e t a t i o n a u c h die n a c h der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Wirtschaftspolitik e i n g e s c h l o s s e n 1 2 2 . Seit I n k r a f t t r e t e n des G r u n d g e s e t z e s w i r d e i n e k o n t r o v e r s e D i s k u s s i o n d a r ü b e r g e f ü h r t , i n w i e w e i t sich a u s d i e s e m e i n e v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e G r u n d e n t s c h e i d u n g f ü r d i e S o z i a l e M a r k t w i r t s c h a f t a b l e i t e n l i e ß e . D a s S p e k t r u m d e r vert r e t e n e n M e i n u n g e n w a r z u m i n d e s t u r s p r ü n g l i c h s e h r breit 1 2 1 . H i s t o r i s c h b e d e u t s a m ist z u n ä c h s t d i e T a t s a c h e , d a ß w e g e n d e r a b w e i c h e n d e n p o l i t i s c h e n V o r s t e l l u n g e n ü b e r d i e a n z u s t r e b e n d e W i r t s c h a f t s o r d n u n g im P a r l a mentarischen Rat auf eine Festlegung bewußt verzichtet wurde, um den K o m p r o m i ß , d e n d a s G r u n d g e s e t z s c h l i e ß l i c h d a r s t e l l t e , n i c h t zu g e f ä h r d e n . D i e s erk l ä r t a u c h d e n U m s t a n d , d a ß d a s G r u n d g e s e t z ( a n d e r s als d i e W e i m a r e r V e r f a s s u n g u n d d i e V e r f a s s u n g e n d e r L ä n d e r d e r s p ä t e r e n B u n d e s r e p u b l i k ) k e i n e n gesonderten Abschnitt über die Wirtschafts- und S o z i a l o r d n u n g enthält. Gleichw o h l ist w i e d e r h o l t ( u n d a u c h in j ü n g s t e r Z e i t ) d e r V e r s u c h u n t e r n o m m e n w o r d e n , „ d i e s e s e i n d e u t i g e W o l l e n d e r p o l i t i s c h e n K r ä f t e . . . n a c h t r ä g l i c h in e i n e verfassungsrechtliche G a r a n t i e der sozialen Marktwirtschaft umzudeuten"124. D e m g e g e n ü b e r h a t d a s B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t in s e i n e m b e r ü h m t e n „ I n v e s t i t i o n s h i l f e u r t e i l " festgestellt: 1 2 5 „ D a s Grundgesetz garantiert weder die wirtschaftspolitische Neutralität der Regierungsund Gesetzgebungsgewalt noch eine nur mit marktkonformen Mitteln zu steuernde .soziale Marktwirtschaft'. Die .wirtschaftspolitische Neutralität' des Grundgesetzes besteht lediglich darin, daß sich der Verfassungsgeber nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat. Dies ermöglicht dem Gesetzgeber die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet." D a s B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t geht v o n e i n e m e i n g e s c h r ä n k t e n B e g r i f f d e r wirtschaftspolitischen „Neutralität" des Grundgesetzes aus. Die „Relative Off e n h e i t " d e r V e r f a s s u n g b e d e u t e t d a b e i , d a ß d e r G e s e t z g e b e r bei d e r A u s g e s t a l tung d e r W i r t s c h a f t s o r d n u n g sowie bei der Auswahl d e r ihm s a c h g e m ä ß erschein e n d e n W i r t s c h a f t s p o l i t i k n i c h t völlig f r e i , s o n d e r n e b e n s o wie s o n s t a u c h a n d a s G r u n d g e s e t z g e b u n d e n ist.
IM 125
Unter Wirtschaftsverfassung sei hier die Gesamtheit der auf die Wirtschaft bezogenen verfassungsrechtlichen Normen und Prinzipien verstanden. Entsprechend existiert eine umfangreiche Literatur: einen knappen Überblick geben u.a. P. Badura ( 1976), W. Bohling(1981 ). E. Stein ( 1980, S. 186). BVerfGE 4,7 ff., 17 f. Im „Mitbestimmungsurteil" ist diese Auffassung erneut bekräftigt worden; BVerfGE 50, 2 9 0 f f , 336f.
Kap. I : Allgemeine Grundlegung
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D i e s b e d e u t e t im e i n z e l n e n d i e B e a c h t u n g der g r u n d r e c h t l i c h e n G e w ä h r l e i stungen' 2 6 , der Prinzipien d e s Rechts- und Sozialstaats, der b u n d e s s t a a t l i c h e n K o m p e t e n z a b g r e n z u n g s o w i e der V e r p f l i c h t u n g v o n B u n d u n d Ländern, den Erf o r d e r n i s s e n d e s g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n G l e i c h g e w i c h t s R e c h n u n g zu tragen.
Dies sind insbesondere die folgenden Grundrechte: allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2, 1), Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9, I) sowie Tarifautonomie (Art. 9, III), Berufs- und Gewerbefreiheit (Art. 12, I), Garantie des Eigentums und des Erbrechts (Art. 14, I), Sozialisierungsmöglichkeit (Art. 15). Zur Interpretation vgl. die staatsrechtliche Lehrbuchliteratur sowie Kommentare zum Grundgesetz; u.a. E. Stein (1980) mit weiteren Hinweisen.
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Kapitel 2 Wettbewerbspolitik
1. Problemstellung Marktwirtschaftliche Systeme werden gewöhnlich damit legitimiert, d a ß sie (1) zu einer bestmöglichen Güterversorgung der Gesellschaft führen u n d dabei (2) ein hohes M a ß an individueller Freiheit gewähren. Damit sich diese als gesellschaftlich positiv bewerteten Ergebnisse einstellen, m u ß wirksamer Wettbewerb bestehen. Wie wir bereits zu zeigen versuchten', ist Wettbewerb kein Ordnungsprinzip, das sich spontan einstellt und d a u e r h a f t von selbst erhält. Die Herstellung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung und deren Kontrolle ist daher als eine notwendige staatliche Aufgabe erkannt worden. Über diesen G r u n d s a t z besteht heute im wesentlichen Einigkeit, nicht jedoch in der Frage, wie die angestrebte Wettbewerbsordnung konkret beschaffen sein sollte. Wir werden nachfolgend einige alternative „Leitbilder" der Wettbewerbspolitik kurz vorstellen und einer kritischen Diskussion unterziehen. Es wird sich dabei zeigen, d a ß jedes der erörterten Konzepte spezifische Schwächen aufweist, so d a ß sich die praktische Wettbewerbspolitik nicht auf ein eindeutiges theoretisches F u n d a m e n t stützen kann. Aus diesem Umstand ergeben sich Unsicherheiten bei der Auswahl des geeigneten wettbewerbspolitischen Instrumentariums sowie bei der Abschätzung der Wirkungen, die bei der H a n d h a b u n g desselben zu erwarten sind. Das Instrumentarium der Wettbewerbspolitik ist in der Bundesrepublik im wesentlichen durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bestimmt. Inhalt u n d Anwendungsprobleme dieses Gesetzes sind d a h e r in den G r u n d z ü g e n darzustellen. Es wird sich dabei allerdings als notwendig erweisen, a l l e - i m engeren S i n n e - j u r i s t i s c h e n Interpretations- und Verfahrensfragen auszuklammern. Wir werden ferner darauf verzichten, die Wettbewerbspolitik in der Europäischen Gemeinschaft und in a n d e r e n Ländern zu erörtern. Die H a u p t f r a g e n dieses Kapitels lauten mithin: (1) Wozu ist Wettbewerb nützlich? (2) Wie soll Wettbewerb konkret beschaffen sein? (3) Welche Formen von Wettbewerbsbeschränkungen bilden zentrale Ansatzpunkte der Wettbewerbspolitik? (4) Inwieweit ist es gelungen, Wettbewerbsbeschränkungen auf der G r u n d l a g e des G W B zu verhindern? (5) Inwieweit erscheint das Instrumentarium des G W B ergänzungsbedürftig? 1
Vgl. Kapitel I, insbesondere Seite 17 ff. Die dort bereits angeführten A r g u m e n t e werden in den n a c h f o l g e n d e n Abschnitten erneut aufgegriffen und einer eingehenden Diskussion unterzogen.
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Kap. 2: Wettbewerbspolitik
2. Funktionen des Wettbewerbs im Marktsystem 2.1 Lenkungs-(Steuerungs-)Funktion In j e d e r W i r t s c h a f t s o r d n u n g müssen Grundprobleme gefunden werden:
Lösungen
für folgende
ökonomische
• Wie werden die Pläne aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten so a u f e i n a n d e r abgestimmt, daß es w e d e r zu Überschußangebot n o c h zu Überschußnachfrage auf d e n Güterund Produktionsfaktormärkten k o m m t ? • Wie wird sichergestellt, d a ß die prinzipiell k n a p p e n ö k o n o m i s c h e n Ressourcen vollständig genutzt werden und ihre Verwendung s o gesteuert wird, d a ß eine b e s t m ö g l i c h e Güterversorgung der Gesellschaft erfolgt?
Koordinierungsfunktion Die A b s t i m m u n g ( K o o r d i n a t i o n ) einer a u ß e r o r d e n t l i c h g r o ß e n Z a h l i n d i v i d u e l ler u n d u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r a u f g e s t e l l t e r W i r t s c h a f t s p l ä n e erfolgt im idealisierten M a r k t s y s t e m ü b e r Preise, die sich a u f Märkten u n t e r Konkurrenzbedingungen 2 b i l d e n . K o n k u r r e n z p r e i s e w e r d e n a u f j e d e m e i n z e l n e n G ü t e r - ( b z w . Fakt o r - ) M a r k t d u r c h G e s a m t a n g e b o t und G e s a m t n a c h f r a g e b e s t i m m t , o h n e d a ß es einzelnen A n b i e t e r n o d e r N a c h f r a g e r n m ö g l i c h wäre, auf d e n M a r k t p r e i s Einf l u ß zu n e h m e n . Alle A n b i e t e r u n d N a c h f r a g e r s i n d g e z w u n g e n , d e n M a r k t p r e i s als v o r g e g e b e n e s „ D a t u m " zu a k z e p t i e r e n ; sie k ö n n e n sich lediglich in ihren M e n g e n e n t s c h e i d u n g e n (bezüglich der a n g e b o t e n e n o d e r n a c h g e f r a g t e n M e n g e ) an diesen M a r k t p r e i s a n p a s s e n . So g e b i l d e t e K o n k u r r e n z p r e i s e f ü h r e n ein G l e i c h g e w i c h t z w i s c h e n A n g e b o t und N a c h f r a g e h e r b e i ; beim „ G l e i c h g e w i c h t s p r e i s " wird j e w e i l s g e n a u d i e M e n g e a n G ü t e r n ( P r o d u k t i o n s f a k t o r e n ) n a c h g e fragt, die auch angeboten wird; die Märkte werden „ g e r ä u m t " . Überschußangeb o t ( - n a c h f r a g e ) k a n n - j e d e n f a l l s a n h a l t e n d - nicht a u f t r e t e n , s o f e r n n u r d i e Preise voll b e w e g l i c h sind ( d . h . nicht d a r a n g e h i n d e r t w e r d e n , j e n a c h sich verä n d e r n d e n A n g e b o t s - u n d N a c h f r a g e k o n s t e l l a t i o n e n zu sinken o d e r zu steigen) u n d sich alle W i r t s c h a f t s s u b j e k t e in ihren A n g e b o t s - u n d N a c h f r a g e e n t s c h e i d u n gen a n Preisen o r i e n t i e r e n . Allokationsfunktion W i e w e r d e n die j e w e i l s v o r h a n d e n e n , k n a p p e n R e s s o u r c e n a u f d i e a l t e r n a t i v e n V e r w e n d u n g e n a u f g e t e i l t ? Diese s o g e n a n n t e Allokationsaufgabe wird im M a r k t system e b e n f a l l s d u r c h W e t t b e w e r b s p r e i s e gelöst. A n g e n o m m e n , d i e N a c h f r a g e n a c h einem G u t χ e r h ö h e sich, w ä h r e n d sie f ü r ein G u t y sinke (die G r ü n d e f ü r diese N a c h f r a g e v e r s c h i e b u n g m ö g e n in e i n e r V e r ä n d e r u n g d e r K o n s u m e n t e n p r ä f e r e n z e n liegen). D a s G u t χ wird s t ä r k e r b e g e h r t als z u v o r , d e r W e t t b e w e r b s preis wird „ c e t e r i s p a r i b u s " ( d . h . unter s o n s t u n v e r ä n d e r t e n B e d i n g u n g e n ) steig e n . Diese P r e i s s t e i g e r u n g erzeugt einen A n r e i z z u r A u s d e h n u n g d e s m e n g e n m ä ßigen A n g e b o t s u n d d a m i t zugleich e i n e s t ä r k e r e V e r w e n d u n g d e r R e s s o u r c e n f ü r d i e P r o d u k t i o n des G u t e s x. Beim G u t y h i n g e g e n wird d e r W e t t b e w e r b s p r e i s ceteris p a r i b u s (c. p.) s i n k e n , d i e A n g e b o t s m e n g e wird verringert u n d „ ü b e r f l ü s sige" R e s s o u r c e n w e r d e n a b g e z o g e n , d . h . n u n m e h r dort v e r w e n d e t , w o d i e K n a p p h e i t z u g e n o m m e n hat. Dieser M e c h a n i s m u s f ü h r t d a z u , d a ß die R e s s o u r cen stets d o r t h i n g e l e n k t w e r d e n , wo sie am d r i n g l i c h s t e n b e n ö t i g t w e r d e n . D a r ;
A u f die B e d i n g u n g e n der „ v o l l k o m m e n e n K o n k u r r e n z " wird sogleich e i n z u g e h e n s e i n ; vgl. unten S. 41 ff.
Kap. 2 : Wettbewerbspolitik
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ü b e r h i n a u s wird sichergestellt, d a ß u n t e r W e t t b e w e r b s b e d i n g u n g e n letztlich d i e P r ä f e r e n z e n d e r K o n s u m e n t e n d a r ü b e r e n t s c h e i d e n , welche G ü t e r in w e l c h e n M e n g e n p r o d u z i e r t w e r d e n . Folglich w e r d e n a u c h d i e R e s s o u r c e n s o eingesetzt, wie es den K o n s u m e n t e n p r ä f e r e n z e n e n t s p r i c h t . 2.2 Anreizfunktion A u s d e r K n a p p h e i t d e r R e s s o u r c e n läßt sich die F o r d e r u n g b e g r ü n d e n , diese so gut wie möglich zu n u t z e n . D e n n eine G e s e l l s c h a f t , d i e die v e r f ü g b a r e n R e s s o u r cen nicht b e s t m ö g l i c h ( „ o p t i m a l " ) einsetzt, verzichtet auf m ö g l i c h e G ü t e r p r o d u k t i o n , also a u f eine m ö g l i c h e V e r b e s s e r u n g d e r m a t e r i e l l e n V e r s o r g u n g ' . Folglich sollte die P r o d u k t i o n einer b e s t i m m t e n G ü t e r m e n g e so o r g a n i s i e r t w e r d e n , d a ß d e r Einsatz von R e s s o u r c e n m i n i m i e r t w i r d ; u n d dies e n t s p r i c h t d e r F o r d e r u n g d e r Kostenminimierung. D e r W e t t b e w e r b s m e c h a n i s m u s sorgt f ü r eine M i n i m i e r u n g d e r K o s t e n . A n g e n o m m e n , auf i r g e n d e i n e m G ü t e r m a r k t ließen die g e g e b e n e n M a r k t p r e i s e G e w i n n e zu, so wird dies - s o f e r n keinerlei H i n d e r n i s s e beim Eintritt in diesen M a r k t vorliegen - d a z u f ü h r e n , d a ß d a s A n g e b o t d u r c h die bereits v o r h a n d e n e n u n d die neu h i n z u t r e t e n d e n P r o d u z e n t e n a u s g e d e h n t wird. Diese A n g e b o t s a u s d e h n u n g wird c. p. ( d . h . i n s b e s o n d e r e bei u n v e r ä n d e r t e r N a c h f r a g e ) den W e t t b e w e r b s p r e i s so lange sinken lassen, bis d a s M i n i m u m d e r D u r c h s c h n i t t s k o s t e n ( S t ü c k k o s t e n ) erreicht wird 4 . W e i t e r e P r e i s s e n k u n g e n sind c. p. nicht r e a l i s i e r b a r , weil d a m i t j e d e r Anreiz, G ü t e r a n z u b i e t e n , e n t f i e l e ; d e n n n i c h t - k o s t e n d e c k e n d e Preise w ü r d e n schließlich alle A n b i e t e r z u m A u s s c h e i d e n a u s d e m M a r k t zwingen. Diejenigen A n b i e t e r , die w e n i g e r e r f o l g r e i c h sind, sich an d i e jeweilige N a c h f r a g e a n z u p a s s e n u n d die k o s t e n g ü n s t i g s t e P r o d u k t i o n s m e t h o d e zu realisieren, w e r d e n d u r c h d e n M a r k t in F o r m v o n Verlusten „ b e s t r a f t " u n d z u r A n p a s s u n g bzw. zum A u s s c h e i d e n g e z w u n g e n . D e r M a r k t hat d a m i t eine - gesellschaftlich n ü t z l i c h e - Anreiz- bzw. Selektionsfunktion. 2.3 Verteilungsfunktion U n t e r W e t t b e w e r b s b e d i n g u n g e n w e r d e n die P r o d u k t i o n s f a k t o r e n e n t s p r e c h e n d ihrer ( m a r k t b e w e r t e t e n ) L e i s t u n g e n t l o h n t . Diese A u s s a g e , die es n o c h n ä h e r zu e r l ä u t e r n gilt, wird v e r k n ü p f t mit e i n e r V e r t e i l u n g s n o r m , die als „ l e i s t u n g s g e rechte Verteilung" interpretiert wird. Die B e h a u p t u n g , d i e E n t l o h n u n g d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n e n t s p r e c h e i h r e r Leistung, stützt sich a u f f o l g e n d e e i n f a c h e Ü b e r l e g u n g : Ein P r o d u z e n t w i r d n u r so viele P r o d u k t i o n s f a k t o r e n e i n s e t z e n , wie dies s e i n e m Ziel, d e r G e w i n n m a x i m i e r u n g , e n t s p r i c h t . Sind die K o n k u r r e n z m a r k t p r e i s e d e r G ü t e r u n d d e r Pro1
Hinter dieser A u s s a g e stellt selbstverständlich d a s Werturteil, d a ß die gesellschaftliche „ W o h l f a h r t " v o m U m f a n g der realisierten Güterversorgung abhängt; oder m . a . W.: e i n e Gesellschaft gelangt auf ein höheres Wohlfahrtsniveau, w e n n sie die Versorgung mit materiellen Gütern verbessert. D i e s e m Werturteil m u ß man sich nicht unbedingt anschließen, aber es dürfte wohl eine breite Z u s t i m m u n g finden.
4
Dabei wird unterstellt, daß in den Kosten s o w o h l eine Entlohnung der Unternehmerleistung als auch eine „ a n g e m e s s e n e " Verzinsung des eingesetzten Kapitals enthalten ist.
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K a p . 2: W e t t b e w e r b s p o l i t i k
d u k t i o n s f a k t o r e n f ü r den einzelnen P r o d u z e n t e n v o r g e g e b e n (also v o n seiner A n g e b o t s - u n d N a c h f r a g e m e n g e u n a b h ä n g i g ) , so w i r d er den m e n g e n m ä ß i g e n E i n s a t z v o n P r o d u k t i o n s f a k t o r e n bis zu d e m P u n k t a u s d e h n e n , bei d e m d e r Preis d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n (ζ. B. d e r L o h n s a t z ) g e r a d e d e m M a r k t w e r t d e s s e n e n t s p r i c h t , was sie an p r o d u k t i v e n L e i s t u n g e n e r b r i n g e n . D e r M a r k t w e r t d e r p r o d u k t i v e n L e i s t u n g e n t s p r i c h t dem p h y s i s c h e n P r o d u k t i o n s b e i t r a g d e r zuletzt eingesetzten M e n g e n e i n h e i t i r g e n d e i n e s P r o d u k t i o n s f a k t o r s ( d e m „ G r e n z p r o d u k t " ) , bewertet mit d e m M a r k t p r e i s d e s p r o d u z i e r t e n G u t e s (also d e m M a r k t wert des G r e n z p r o d u k t s ) . Die E n t l o h n u n g d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n e n t s p r i c h t d i e s e m M a r k t w e r t d e r p r o d u k t i v e n L e i s t u n g - sie ist also „ l e i s t u n g s g e r e c h t " 5 2.4 „Freiheitsfunktion" F ü r alle M a r k t t e i l n e h m e r besteht f o r m a l e Freiheit des T a u s c h e s , d i e Freiheit d e r K o n s u m w a h l (die Freiheit u n t e r a l t e r n a t i v e n A n g e b o t e n a u s w ä h l e n zu k ö n n e n ) , d i e Freiheit der B e r u f s w a h l , die Freiheit zu p r o d u z i e r e n , die Freiheit, ü b e r d e n E i n s a t z d e r P r o d u k t i o n s m i t t e l n a c h e i g e n e m E r m e s s e n zu e n t s c h e i d e n etc. W e t t b e w e r b wird als Institution b e g r i f f e n , d i e die A u s ü b u n g v o n ö k o n o m i s c h e r M a c h t begrenzt. Vor der Institution des W e t t b e w e r b s m a r k t e s sind alle I n d i v i d u e n gleich ( „ C h a n c e n g l e i c h h e i t " ) ; es existieren k e i n e Privilegien.
formal
Die W e t t b e w e r b s o r d n u n g g a r a n t i e r t f r e i e u n d gleiche I n d i v i d u e n u n d verwirklicht d a m i t d a s Endziel e i n e r w a h r h a f t liberalen G e s e l l s c h a f t . Wegen dieser „ f r e i h e i t s s i c h e r n d e n " F u n k t i o n d e r K o n k u r r e n z b e t r a c h t e n m a n c h e M a r k t t h e o r e t i k e r W e t t b e w e r b nicht n u r als Mittel z u m Z w e c k ( d . h . z u r R e a l i s i e r u n g b e s t i m m t e r ö k o n o m i s c h e r Ziele), s o n d e r n als „Ziel an s i c h " .
3. Leitbilder der Wettbewerbspolitik W i e m u ß W e t t b e w e r b k o n k r e t b e s c h a f f e n sein, d a m i t d i e v o n i h m e r w a r t e t e n F u n k t i o n e n e r f ü l l t w e r d e n ? Auf welches „ L e i t b i l d " hin soll W e t t b e w e r b s p o l i t i k a u s g e r i c h t e t w e r d e n ? Auf diese Fragen sind so z a h l r e i c h e A n t w o r t e n g e g e b e n w o r d e n , d a ß sie hier nicht vollständig referiert w e r d e n k ö n n e n . W i r b e s c h r ä n k e n u n s d a h e r a u f d i e D a r s t e l l u n g u n d kritische B e u r t e i l u n g einiger wichtiger wettbewerbspolitischer Konzeptionen": 5
Z u r Kritik d i e s e r A u s s a g e vgl. Kapitel 5, i n s b e s o n d e r e S. 182 ff.
Λ
So wird ζ. B. a u f d i e D a r s t e l l u n g und Kritik d e s K o n z e p t e s d e r „ g e g e n g e w i c h t i g e n M a r k t m a c h t " ( c o u n t e r v a i l i n g p o w e r ) v e r z i c h t e t , o b w o h l es in e i n e m gewissen U m f a n g a u c h in d a s b u n d e s d e u t s c h e W e t t b e w e r b s r e c h t E i n g a n g g e f u n d e n h a t . Dieses K o n z e p t b a s i e r t a u f d e r V o r s t e l l u n g , o h n e h i n e x i s t i e r e n d e u n d letztlich u n v e r m e i d b a r e M a r k t m a c h t nicht zu b e s e i t i g e n , s o n d e r n zu n e u t r a l i s i e r e n d u r c h d e n A u f b a u g e g e n g e w i c h t i g e r M a c h t p o s i t i o n e n (vgl. J.K. Galbraitli 1957). Als Beispiel k a n n d i e F ö r d e r u n g d e r mittels t ä n d i s c h e n W i r t s c h a f t d u r c h die Z u l a s s u n g v o n K a r t e l l e n u n d a n d e r e n K o o p e r a t i o n s f o r m e n als „ G e g e n m a c h t " zu d e n G r o ß u n t e r n e h m e n g e n a n n t w e r d e n . Die k r i t i s c h e Disk u s s i o n d i e s e s K o n z e p t e s h a t a l s b a l d v e r d e u t l i c h t , d a ß d e r A u f b a u v o n G e g e n m a c h t als w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e s R e z e p t in d e r Regel n i c h t in B e t r a c h t k o m m e n k a n n , v o r a l l e m weil ( I ) n u r in s e l t e n e n Fällen e i n e M a c h t n e u t r a l i s i e r u n g m ö g l i c h e r s c h e i n t s o w i e (2) d i e G e f a h r b e s t e h t , d a ß sich M a c h t u n d G e g e n m a c h t zu Lasten D r i t t e r (etwa d e r K o n s u menten) verbünden können.
41
K a p . 2: W e t t b e w e r b s p o l i t i k 3.1 V o l l s t ä n d i g e K o n k u r r e n z Bei
Einführung des
Gesetzes
gegen
Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB)
J a h r 1957 g i n g d e r G e s e t z g e b e r o f f e n b a r v o n d e r w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e n
im
Kon-
z e p t i o n der „ v o l l s t ä n d i g e n K o n k u r r e n z " aus7. D i e s war, w i e wir bereits g e s e h e n h a b e n 8 , auch d a s w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e Leitbild, d a s die Vertreter des O r d o l i b e r a l i s m u s präferierten, w e n n g l e i c h d a s G W B in v i e l e n w i c h t i g e n schließlich
nicht deren
Forderung
nach
einem
Vorstellungen zu entsprechen „funktionsfähigen
Bestimmungen
vermochte.
Preissystem
W.
vollständiger
Euckens Konkur-
renz'"' g a b a l l e r d i n g s i n s o w e i t A n l a ß z u M i ß v e r s t ä n d n i s s e n , a l s e i n e G l e i c h s e t z u n g seines K o n z e p t e s mit d e m theoretischen M o d e l l der vollständigen (vollkomm e n e n ) Konkurrenz s e h r n a h e lag. J e n e s M o d e l l bildet ein Kernstück d e r ( n e o klassischen) G l e i c h g e w i c h t s t h e o r i e , d e s s e n w e s e n t l i c h e A u s s a g e n bereits referiert w u r d e n . Für Z w e c k e d e r p r a k t i s c h e n W e t t b e w e r b s p o l i t i k m u ß t e d a s M o d e l l d e s vollkommenen
Wettbewerbs
wegen
seiner
restriktiven
Bedingungen
wenig
b r a u c h b a r e r s c h e i n e n . D i e Vertreter d e s O r d o l i b e r a l i s m u s h a b e n daher w i e d e r holt v e r s u c h t , ihr V e r s t ä n d n i s v o n e i n e r f u n k t i o n s f ä h i g e n
Wettbewerbsordnung
g e g e n ü b e r der m o d e l l t h e o r e t i s c h e n K o n s t r u k t i o n a b z u g r e n z e n , o h n e d a ß d i e s in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise gelungen
wäre.
Es e r s c h e i n t d a h e r nützlich, d i e B e d i n g u n g e n d e r v o l l k o m m e n e n
Konkurrenz
zu benennen1": (1) S e h r viele A n b i e t e r u n d N a c h f r a g e r mit j e w e i l s u n b e d e u t e n d e m
Marktanteil;
(2) H o m o g e n i t ä t d e r G ü t e r ; F e h l e n j e g l i c h e r p e r s ö n l i c h e r , r ä u m l i c h e r u n d z e i t l i c h e r P r ä f e renzen ; (3) v o l l k o m m e n e M a r k t t r a n s p a r e n z ; (4) völlig u n b e s c h r ä n k t e r M a r k t z u t r i t t ( M a r k t a u s t r i t t ) ; (5) u n e n d l i c h h o h e R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t bei d e r A n p a s s u n g an D a t e n ä n d e r u n g e n . D i e B e d i n g u n g ( I ) sichert d i e E i n f l u ß l o s i g k e i t eines j e d e n A n b i e t e r s b z w . N a c h f r a g e r s a u f die Marktergebnisse (insbesondere den Marktpreis). Unter der Voraussetzung „atomistis c h e r K o n k u r r e n z " ist d e r M a r k t p r e i s f ü r alle M a r k t t e i l n e h m e r ein „ D a t u m " ; sie k ö n n e n sich lediglich in ihren M e n g e n e n t s c h e i d u n g e n an d i e s e n M a r k t p r e i s a n p a s s e n ( „ M e n g e n anpassung"). D i e H o m o g e n i t ä t d e r G ü t e r ( G ü t e r sind a u s d e r Sicht d e r N a c h f r a g e r völlig g l e i c h a r t i g u n d d a h e r beliebig a u s t a u s c h b a r ) , d a s F e h l e n j e g l i c h e r p e r s ö n l i c h e r P r ä f e r e n z ( d e r f r e u n d liche H ä n d l e r A wird d e m w e n i g e r f r e u n d l i c h e n H ä n d l e r Β n i c h t v o r g e z o g e n ) , r ä u m l i c h e r P r ä f e r e n z ( d e r H ä n d l e r A wird w e g e n g e r i n g e r e r r ä u m l i c h e r E n t f e r n u n g d e m w e i t e r entf e r n t e n H ä n d l e r Β nicht v o r g e z o g e n ) , zeitlicher P r ä f e r e n z ( d e r K u n d e A w i r d , o b w o h l p e r s ö n l i c h b e k a n n t , nicht f r ü h e r b e l i e f e r t als i r g e n d e i n a n d e r e r K u n d e ) läßt n u r e i n e n e i n h e i t lichen M a r k t p r e i s zu ( B e d i n g u n g 2 ) ; P r e i s a b w e i c h u n g e n n a c h o b e n w ü r d e n z u r t o t a l e n A b w a n d e r u n g d e r N a c h f r a g e r f ü h r e n . V o l l k o m m e n e M a r k t t r a n s p a r e n z ( B e d i n g u n g 3) bedeutet vollständige Information und Voraussicht über sämtliche für Angebots- u n d Nach-
Vgl. E n t w u r f e i n e s G e s e t z e s g e g e n W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n (1955). 8
"
Vgl. K a p i t e l I, i n s b e s o n d e r e S . 9 f f . u n d 28 ff.
W. Euchen ( 1952),
S. 254.
D i e V e r w e n d u n g d e r Begriffe v o l l s t ä n d i g e , v o l l k o m m e n e K o n k u r r e n z ( p u r e , p e r f e c t c o m p e t i t i o n ) ist in d e r L i t e r a t u r nicht e i n h e i t l i c h . D i e B e d i n g u n g s k a t a l o g e w e i c h e n d a h e r e b e n f a l l s a b ; h ä u f i g w e r d e n z u s ä t z l i c h e V o r a u s s e t z u n g e n g e n a n n t (z.B. v o l l k o m m e n e T e i l b a r k e i t u n d M o b i l i t ä t d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n ) . Die hier g e n a n n t e n B e d i n gungen erscheinen uns ausreichend, die nachfolgend dargelegten Ergebnisse des Konk u r r e n z m o d e l l s zu b e g r ü n d e n .
42
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
frageentscheidungen relevanten Größen (Preise, Güterqualitäten, Lieferbedingungen, Produktionstechnik etc.). Freier Marktzutritt (-austritt) meint das Fehlen jeglicher rechtlicher, institutioneller oder faktischer Beschränkungen, am Markt als Anbieter oder Nachfrager aufzutreten (Bedingung 4). Unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeit (Bedingung 5) schließt das Kntstehen temporärer Vorsprungsgewinne aus. Es b e d a r f k a u m e i n e r n ä h e r e n B e g r ü n d u n g , d a ß d i e B e d i n g u n g e n d e s M o d e l l s v o l l k o m m e n e r K o n k u r r e n z in h ö c h s t e m M a ß e w i r k l i c h k e i t s f r e m d ( p a r t i e l l s o g a r u n r e a l i s i e r b a r ) s i n d . D i e ö k o n o m i s c h e R e a l i t ä t ist v i e l m e h r g e k e n n z e i c h n e t d u r c h z a h l r e i c h e „ U n v o l l k o m m e n h e i t e n " : es e x i s t i e r e n g r o ß e ( z . T . g i g a n t i s c h e ) U n t e r n e h m e n , d e r e n E i n f l u ß a u f die M a r k t e r g e b n i s s e b e d e u t e n d ist. P r e i s e s i n d nicht von a n o n y m e n M a r k t k r ä f t e n gesetzte „ D a t e n " , s o n d e r n „ A k t i o n s p a r a m e t e r " d e r P r o d u z e n t e n . D i e w e t t b e w e r b l i c h e n H a n d l u n g e n b e z i e h e n sich n i c h t a u s s c h l i e ß l i c h ( u n d m ö g l i c h e r w e i s e n i c h t e i n m a l v o r n e h m l i c h ) a u f Preise, s o n dern ebenso auf Verkaufsbedingungen (Rabatte, Zahlungs- und Lieferbedingung e n etc.), P r o d u k t e ( P r o d u k t g e s t a l t u n g u n d - d i f f e r e n z i e r u n g ) , W e r b u n g ( P r ä f e r e n z s c h a f f u n g ) usf. U n t e r n e h m e n s i n d O r g a n i s a t i o n e n m i t e i g e n e r i n n e r e r S t r u k t u r ; z w i s c h e n Eig e n t ü m e r n u n d U n t e r n e h m e n s l e i t e r n b e s t e h t in d e r d u r c h M a n a g e r g e f ü h r t e n Organisation keine Identität; unternehmerische Zielsetzungen und Verhaltensweisen erfahren dadurch Veränderungen. D i e M a r k t t r a n s p a r e n z ist u n v o l l k o m m e n ( v o l l k o m m e n e V o r a u s s i c h t s c h l e c h terdings ausgeschlossen), der Marktzutritt nicht unbeschränkt. Die Theorie der „ u n v o l l k o m m e n e n " oder „monopolistischen K o n k u r r e n z " z e i g t , d a ß A b w e i c h u n g e n v o n d e n o b e n g e n a n n t e n B e d i n g u n g e n zu h ö h e r e n K o s t e n u n d P r e i s e n , zu w e n i g e r e f f i z i e n t e r V e r w e n d u n g d e r R e s s o u r c e n , z u u n a u s g e n u t z t e n P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t e n etc. f ü h r e n k ö n n e n " . T r o t z a l l e r R e a l i t ä t s f e r n e b e s t a n d g l e i c h w o h l d i e V o r s t e l l u n g , sich d u r c h W e t t b e w e r b s p o l i t i k d e m I d e a l d e r v o l l s t ä n d i g e n K o n k u r r e n z s o w e i t a l s m ö g l i c h a n z u n ä h e r n . Es galt a l s o , „ U n v o l l k o m m e n h e i t e n " d e s W e t t b e w e r b s m ö g l i c h s t zu b e s e i t i g e n . D i e s e w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e V o r s t e l l u n g ist j e d o c h z a h l r e i c h e n ausgesetzt:
Einwänden
• [Das Konzept der vollständigen Konkurrenz ist ein rein statisches (d.h. auf den Zeitpunkt bezogenes); Wettbewerb ist jedoch ein „dynamischer Prozeß". Der Faktor „ Z e i t " hat für Wettbewerbsvorgänge eine eigenständige Bedeutung. • Im Modell der vollständigen Konkurrenz haben die Anbieter weder die Veranlassung noch die Möglichkeit, Preispolitik zu betreiben, Qualitätsverbesserungen zu realisieren, technische Neuerungen (bei Produkten und Produktionsverfahren) zu erproben usf. Wettbewerb denaturiert zur „Schlafmützenkonkurrenz" (F.A. Lut:). • Damit Produkt- und Prozeßinnovationen für den einzelnen Anbieter überhaupt sinnvoll erscheinen,, muß ein gewisser Zeitraum vergehen, bevor die Konkurrenten nachziehen. Andernfalls würden die durch erfolgreiche Innovation erzielbaren (Zusatz-)Gewinne unverzüglich „wegkonkurriert". Bleibt dem „ P i o n i e r " aber ein gewisser zeitlicher Vorsprung vor der Imitation der Mit-Wettbewerber, so erzielt er eine temporäre Monopolstellung. Derartige, durch überlegene Leistung begründete temporäre Monopolstellungen erscheinen wettbewerbspolitisch vorteilhaft, nachteilig werden sie erst dann, wenn sie über einen „ v e r n ü n f t i g e n " Zeitraum hinaus ausgedehnt werden können bzw. sich dauerhaft etablieren. Die Welt der vollständigen Konkurrenz ist eine Welt ohne Ungewißheit. Vollkommene In'1
Vgl. u. a. J. Schumann
( 1980).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
43
formation und Voraussicht sind aber Bedingungen, die - soweit überhaupt vorstellbar Wettbewerb letztlich überflüssig machen. Sind die Konsequenzen wettbewerblicher Handlungen (Preisstrategien, Innovationen) für jedermann vollständig voraussehbar, so erübrigen sie sich eigentlich, ein Wettbewerbsvorsprung ist für niemanden erzielbar. Wirksamer Wettbewerb erfordert ein „Mindestmaß an Ungewißheit" 1 2 . • Die Güterproduktion in einer großen Zahl kleiner Unternehmen kann den Verzicht auf Kostensenkungen durch großbetriebliche Produktion bedeuten". Bestehen derartige „Großbetriebsvorteile", so kann längerfristig kein Platz für eine Vielzahl von Anbietern sein, vielmehr werden sich wenige große Unternehmen durchsetzen. • Eine Wettbewerbspolitik, die versucht, „ U n v o l l k o m m e n h e i t e n " des Wettbewerbs zu verhindern oder zu beseitigen, kann unter bestimmten Bedingungen das Gegenteil dessen erreichen, was sie vorgibt anzustreben: weniger Wettbewerb statt mehr Wettbewerb 1 4 . Gewisse Unvollkommenheiten können geradezu eine Bedingung d a f ü r sein, d a ß sich Wettbewerbsprozesse überhaupt entfalten können. Generell: Bestehen bereits Unvollkommenheiten (z.B. ein oligopolistischer Markt), so kann die Beseitigung anderer Unvollkommenheiten (beschränkte Markttransparenz) zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen. Gewisse Unvollkommenheiten können folglich eine Voraussetzung für wirksamen („funktionsfähigen") Wettbewerb sein. Derartige Ü b e r l e g u n g e n , v o n J. M. Clark15 bereits 1 9 3 9 / 4 0 vorgetragen, h a b e n zu der F o r m u l i e r u n g e i n e s alternativen Leitbildes der W e t t b e w e r b s p o l i t i k geführt: d e m K o n z e p t d e s „ f u n k t i o n s f ä h i g e n W e t t b e w e r b s " ( „ w o r k a b l e c o m p e t i tion"). 3.2 Funktionsfähiger Wettbewerb K o n z e p t e d e s f u n k t i o n s f ä h i g e n ( w i r k s a m e n , e f f e k t i v e n ) W e t t b e w e r b s stellen d e n V e r s u c h dar, d i e unrealistischen B e d i n g u n g e n der „ v o l l s t ä n d i g e n K o n k u r r e n z " zu ü b e r w i n d e n u n d zu einer für praktische Z w e c k e brauchbaren W e t t b e w e r b s n o r m z u g e l a n g e n . Es handelt sich d a b e i allerdings nicht um e i n e theoretisch ges c h l o s s e n e K o n z e p t i o n , s o n d e r n eher um e i n e n K a t a l o g v o n Kriterien, a n h a n d derer d i e F u n k t i o n s f ä h i g k e i t konkreter, durch o l i g o p o l i s t i s c h e u n d m o n o p o l i s t i sche E l e m e n t e g e k e n n z e i c h n e t e r W e t t b e w e r b s p r o z e s s e beurteilt w e r d e n kann"·.
l:
E. Heuss ( 1980, S. 681).
"
Vgl. unten S. 59 ff. Dazu ein häufig zitiertes Beispiel: Gegeben sei ein Angebotsoligopol mit relativ homogenen Gütern. Die Anbieter einigen sich darauf, eine sog. Preismeldestelle einzurichten. Dieser Organisation sind alle Preise, Preisnachlässe und sonstigen Verkaufsbedingungen mitzuteilen; die Preismeldestelle gibt diese Informationen unverzüglich an alle Mitglieder weiter. Im Sinne des Konzepts „vollkommener Konkurrenz" müßte eine solche Einrichtung als wettbewerbsfördernd eingestuft werden: sie erhöht die Markttransparenz. Tatsächlich aber könnte sich die Preismeldestelle unter den gegebenen Marktbedingungen als wettbewerbsschädlich erweisen: denn theoretische Erwägungen und empirische Befunde lehren, d a ß offener Preiswettbewerb im Oligopol mit homogenen Gütern wenig wahrscheinlich ist. Erhöhte Markttransparenz läßt auch versteckte Preiskonkurrenz (über Rabatte etc.) wenig ratsam erscheinen, weil mit der spontanen Reaktion der Konkurrenten gerechnet werden muß. Preismeldestellen können sich als ein Instrument der Verhaltenskoordination erweisen, etwa in dem Sinne, d a ß sich alle Anbieter stillschweigend an den jeweils höchsten Preis anpassen.
14
15
J.M. Clark ( 1940). Einen guten Überblick über die Diskussion des „Workability"-Konzepts gibt J. Poeche (1970).
44
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
Fast d u r c h g ä n g i g w e r d e n die Kriterien zu f o l g e n d e n M e r k m a l s g r u p p e n zus a m m e n g e f a ß t , die zur Beurteilung f u n k t i o n s f ä h i g e n Wettbewerbs herangezogen werden können: M a r k t s t r u k t u r - K r i t e r i e n ( m a r k e t structure) • • • • • •
Zahl und relative G r ö ß e der A n b i e t e r / N a c h f r a g e r , A u s m a ß der Produktionsdifferenzierung, G r a d der M a r k t t r a n s p a r e n z , Vorhandensein von Marktzutrittsbeschränkungen, U m f a n g der Verflechtungen zwischen Anbietern ( N a c h f r a g e r n ) , Alter der Branche (Marktphase)' 7 .
M a r k t v e r h a l t e n s - K r i t e r i e n ( m a r k e t conduct, behavior) • • • •
Preis- und sonstige Verkaufsstrategien, Neigung zu wettbewerbsbeschränkenden H a n d l u n g e n , Innovationsaktivitäten, Risikoneigung.
Marktergebnis-Kriterien (market performance) • • • • • • • •
Preisniveau, Kostenniveau, Gewinniveau, Produktqualitäten, Marktversorgung, T e m p o des technischen Fortschritts (Produkt- u n d Verfahrensinnovationen), Werbeaufwand, Kapazitätsauslastung.
A n h a n d d e r g e n a n n t e n ( u n d e i n e r V i e l z a h l w e i t e r e r ) K r i t e r i e n soll n u n in k o n k r e t e n Fällen d e r Test u n t e r n o m m e n w e r d e n , o b f u n k t i o n s f ä h i g e r W e t t b e w e r b v o r l i e g t o d e r n i c h t . K o n t r o v e r s ist d a b e i d i e F r a g e , o b f ü r d e n T e s t f u n k t i o n s f ä higen Wettbewerbs die Betrachtung nur jeweils einer M e r k m a l s g r u p p e ausreic h e n d ist, o b k o m b i n i e r t e M e r k m a l s a u s p r ä g u n g e n v e r w e n d e t w e r d e n s o l l t e n o d e r o b schließlich alle M e r k m a l s g r u p p e n zur Beurteilung herangezogen w e r d e n müssen. So wurde u.a. die Ansicht vertreten, daß es zunächst ausreichend sei, einen Marktstrukturtest zu m a c h e n ; führt dieser zu dem Urteil, funktionsfähiger Wettbewerb liege vor, so k ö n n e auf weitere Tests verzichtet werden. Dabei wird o f f e n b a r unterstellt, f u n k t i o n s f ä hige Marktstrukturen führten auch zum erwünschten kompetitiven Verhalten und zu guten Marktergebnissen. Erst wenn der Marktstrukturtest den Verdacht nicht-funktionsfähigen Wettbewerbs begründe, erscheinen Marktverhaltens- und Marktergebnistests erforderlich. Dieses Kriterium bedarf einer Erläuterung: Die Art und Intensität von Wettbewerbsbeziehungen hängt auch vom „ A l t e r " einer Branche ab, d . h . davon, ob sich die angebotenen Produkte im Stadium der Einführung, der Reife oder bereits im Absterben befinden (sog. „ M a r k t p h a s e n " oder Phasen des „Produktlebenszyklus"). In der Einführungsphase (ein neues Produkt wird kreiert) besitzt der Innovator eine Monopolstellung. In d e r anschließenden Expansionsphase treten neue Anbieter auf diesem Markt auf, die d a s Produkt qualitativ verbessern, die Produktionstechnik vervollkommnen, zusätzliche N a c h f r a g e erschließen. Die Reifephase ist dadurch gekennzeichnet, d a ß d a s Produkt weitgehend verbreitet ist, Änderungen der Produktqualität nur noch marginal sind, die Produktionstechnik perfektioniert ist etc. Die Marktstruktur ändert sich erneut in der R ü c k b i l d u n g s p h a s e ; neue G ü t e r beginnen das alte Produkt zu verdrängen, die rückläufige N a c h f r a g e läßt nur Platz f ü r eine geringere Zahl von Produzenten. Vgl. ausführlich dazu E. Heuss ( 1965).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
45
Führt etwa der Marktergebnistest zu „ g u t e n " Resultaten (trotz weniger zufriedenstellender Marktstrukturen und -Verhaltensweisen), so könne gleichwohl funktionsfähiger Wettbewerb konstatiert werden. D i e K o n z e p t i o n d e r f u n k t i o n s f ä h i g e n K o n k u r r e n z ist n a c h h a l t i g w o r d e n ; wir w o l l e n n a c h f o l g e n d e i n i g e Einwände r e f e r i e r e n 1 8 :
kritisiert
• Die Zahl der möglichen Beurteilungskriterien ist zu groß, sie sind nicht hinreichend operational definierbar, ihre Zuordnung zu den einzelnen Merkmalsgruppen ist nicht eindeutig, bei der Gewichtung sind willkürliche Entscheidungen unvermeidlich. • Selbst wenn die Zahl der Struktur-, Verhaltens- und Ergebniskriterien jeweils n u r gering ist (wie in unserer Übersicht), ergibt sich eine außerordentlich große Zahl von Kombinationsmöglichkeiten. • Die Einzelkriterien sind wenig eindeutig; anhand einiger Marktergebnisnormen läßt sich dies leicht demonstrieren. Sind Preise (Kosten, Gewinne) unangemessen hoch? Ist der Werbeaufwand unvernünftig hoch? Geht die Produktdifferenzierung zu weit? Vollzieht sich der technische Fortschritt zu langsam? Was heißt „angemessen", „vernünftig", „ausreichend schnell" etc.? Hängt die Entscheidung nicht vor allem von der Einschätzung des Beobachters (bzw. von seinen Vorstellungen über eine „gute" Wirtschaft) ab? • Die Zuordnung der Einzelkriterien zu den Merkmalsgruppen Marktstruktur-, -verhalten, -ergebnis ist nicht immer eindeutig. So kann z.B. das Kriterium „Produktdifferenzierung" als Struktur-, als Verhaltens- (Produktdifferenzierung als Wettbewerbsstrategie) oder als Ergebnisnorm (hinreichende Auswahl zwischen Produkten) Verwendung finden. Wie werden die Einzelkriterien gewichtet? Nicht alle Merkmale sind für konkrete Wettbewerbsvorgänge von gleicher Relevanz. Aber aufgrund welchen Maßstabs wird über die Rangfolge der Kriterien entschieden? • Manche Kritiker machen geltend, daß Marktergebnisse grundsätzlich nicht normierbar seien, weil Wettbewerb ein „offener Prozeß" sei'". Erst im Wettbewerbsprozeß werde entdeckt, welche Güter in welcher Intensität begehrt werden, welche Produktionsverfahren realisierbar sind etc.; die Marktergebnisse würden daher stets nur vorläufigen Charakter haben. Die dauernde Anpassung an vorläufige Marktergebnisse würde diese ständig verä n d e r n ; die Vielfalt der möglichen Handlungs- und Reaktionsmuster, die verschiedenen Ausprägungen, die Innovations- und Imitationsprozesse nehmen könnten, machten eine Voraussage über Marktergebnisse in hohem Maße ungewiß. • Zwischen Marktstruktur-, -verhalten und -ergebnis bestehen keine eindeutigen Kausalbeziehungen. Die Aussage, d a ß aus einer bestimmten Struktur ein bestimmtes Verhalten und aus diesem ein bestimmtes Ergebnis folgt, kann nicht als hinreichend gesichert angesehen werden. • Zwischen Marktstruktur, -verhalten und -ergebnis treten zirkuläre Beziehungen auf. Nicht nur die mangelnde Eindeutigkeit der Kausalbeziehungen erweist sich als Problem für das Konzept funktionsfähigen Wettbewerbs, sondern auch die Beobachtung von Rückkopplungseffekten („feed-backs") zwischen Struktur, Verhalten und Ergebnis. Das Marktverhalten wird nicht nur von der Marktstruktur mitbestimmt, sondern bewirkt seinerseits Änderungen der Marktstruktur; entsprechendes gilt für die Beziehung zwischen Marktergebnis und Verhalten. Dazu zwei Beispiele: Aggressive Wettbewerbsstrategien („Verdrängungswettbewerb") wirken auf die Zahl und relative Größe der Anbieter zurück (Rückwirkung auf die Marktstruktur). Als unzureichend e m p f u n d e n e Gewinne könnten die Anbieter eines Marktes dazu veranlassen, abgestimmte Preiserhöhungen zu vollziehen (Rückwirkung auf das Marktverhalten). • Insbesondere jene Kritiker, die generelle Vorbehalte gegen staatliche Interventionen in den Marktprozeß haben, befürchten, d a ß eine Wettbewerbspolitik, die sich auf das KonVgl. dazu u.a. G. Aberle (1980, S. 287), H. Bartìing ( 1980, S. 23 ff.), H. Berg S. 223 f.). Vgl. insbesondere F.A. v. Hayek (1968).
(M\,
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K a p . 2: W e t t b e w e r b s p o l i t i k
z e p t d e r f u n k t i o n s f ä h i g e n K o n k u r r e n z stützt, z u u n a n g e m e s s e n e n ( „ n i c h t m a r k t k o n f o r m e n " ) Eingriffen d e r Wettbewerbsbehörden (bzw. Gerichte) führen könnten. Dem Staat w ü r d e M a c h t v e r l i e h e n , d i e i h m - nach M e i n u n g d i e s e r K r i t i k e r - in e i n e m m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e n System nicht z u s t e h t . D a r ü b e r h i n a u s f ü h r e d i e U n s i c h e r h e i t ü b e r d i e w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e B e u r t e i l u n g v o n V e r h a l t e n s w e i s e n bzw. v o n M a r k t e r g e b n i s s e n z u r V e r u n s i c h e r u n g d e r A n b i e t e r mit der m u t m a ß l i c h e n W i r k u n g e i n e r L ä h m u n g von W e t t b e w e r b s prozessen.
3.3 Optimale Wettbewerbsintensität D a s von E. Kantzenhach vorgelegte K o n z e p t der „ o p t i m a l e n W e t t b e w e r b s i n t e n sität"-" k a n n als Versuch gewertet werden, einige S c h w ä c h e n der bis d a h i n vorgelegten w o r k a b i l i t y - K o n z e p t e a u s z u r ä u m e n u n d zu eindeutigeren Aussagen zu gelangen. Dieser v o n einigen Wettbewerbstheoretikern heftig kritisierte 2 1 Ansatz Kantzenbachs hatte o f f e n b a r nachhaltigen E i n f l u ß auf die Wettbewerbspolitik 2 2 u n d -gesetzgebung (2. N o v e l l e zum G W B 1973) in der B u n d e s r e p u b l i k . G r u n d l e g e n d f ü r d a s K o n z e p t „ o p t i m a l e r W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t " ist die Herleitung e r w ü n s c h t e r Marktergebnisse über b e s t i m m t e Verhaltensweisen aus d e r spezifischen Marktstruktur des „weiten O l i g o p o i s " . Die M a r k t s t r u k t u r wird d u r c h zwei E l e m e n t e g e k e n n z e i c h n e t : (1) die Z a h l der A n b i e t e r u n d (2) d e n G r a d der M a r k t u n v o l l k o m m e n h e i t . Letztere wird w i e d e r u m bestimmt d u r c h (a) d a s A u s m a ß der P r o d u k t d i f f e r e n z i e r u n g u n d (b) die M a r k t t r a n s p a r e n z . Die erste zentrale T h e s e lautet: • „ D i e p o t e n t i e l l e W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t steigt (fällt) mit a b n e h m e n d e r ( z u n e h m e n d e r ) Zahl der K o n k u r r e n t e n u n d mit zunehmender ( a b n e h m e n d e r ) M a r k t v o l l k o m m e n h e i t " 2 1 .
Die potentielle Wettbewerbsintensität erreicht ihr M a x i m u m beim D u o p o l (zwei Anbieter, viele N a c h f r a g e r ; h o m o g e n e G ü t e r , vollständige M a r k t t r a n s p a renz); im Polypol (viele Anbieter und N a c h f r a g e r ) ist sie a m geringsten. • „Mit wachsender potentieller Wettbewerbsintensität nimmt das A u s m a ß der Wettbew e r b s b e s c h r ä n k u n g z u , u n d als d e r e n E r g e b n i s n i m m t d i e e f f e k t i v e W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t nach Überschreiten eines Maximalwertes wieder a b l O J .
Es erscheint plausibel, d a ß (I) die Neigung zu w e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k e n d e m Verhalten mit z u n e h m e n d e r (potentieller) W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t wächst u n d (2) die Möglichkeit, W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n zu praktizieren, mit kleiner werd e n d e r Anbieterzahl u n d z u n e h m e n d e r M a r k t v o l l k o m m e n h e i t erleichtert wird ( o d e r : W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n werden um so wahrscheinlicher, j e kleiner die Zahl d e r K o n k u r r e n t e n , je h o m o g e n e r die P r o d u k t e , j e vollständiger die Markttransparenz). Die effektive Wettbewerbsintensität erscheint d a h e r im Bereich „ e n g e r Oligop o l e " deutlich g e r i n g e r als die potentielle Wettbewerbsintensität. Kantzenhach folgert d a r a u s , d a ß d a s Optimum im Bereich „weiter O l i g o p o l e " bei „ m ä ß i g e r Marktunvollkommenheit" (d.h. „mäßiger" Produktdifferenzierung und „mäßig Vgl. E. Kantzenhach :l
( 1966).
Vgl. die ( z . T . r e c h t p o l e m i s c h g e f ü h r t e ) A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n E. ( 1967) u n d E. Hoppmann
(1966).
:2
Vgl. H. Kartte(
1969).
21
E. Kantzenhach
(1967, S. 203).
24
E b e n d a , S. 226.
Kantzenhach
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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beschränkter" Markttransparenz) gegeben sei. Im „Optimum der Wettbewerbsintensität" werden die Funktionen des Wettbewerbs bestmöglich erfüllt 25 . Die nachfolgende Abbildung illustriert die Argumentation 2 6 . Diese wettbewerbstheoretischen Überlegungen lassen eine Reihe von Schlußfolgerungen für die Ausgestaltung der praktischen Wettbewerbspolitik zu; einige seien kurz erwähnt: • Im Bereich „enger O l i g o p o l e " müßte die Marktstruktur durch Auflösung bzw. Entflechtung marktmächtiger U n t e r n e h m e n in Richtung auf eine Vergrößerung der Anbieterzahl verändert werden. Soweit dieser Weg nicht gangbar erscheint, wäre eine strikte Mißbrauchskontrolle auszuüben. • Im Bereich „weiter O l i g o p o l e " müßte das Instrumentarium einer laufenden Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen angewendet werden, um das Entstehen übermäßig hoher Marktmacht durch fortschreitende Unternehmenskonzentration zu verhindern. • Im Bereich polypolistischer Marktstrukturen müßte die Anbieterzahl verringert werden. Mittel dazu wären die Zulassung von K o o p e r a t i o n s f o r m e n zwischen kleinen Unternehmen oder die F ö r d e r u n g von Unternehmenszusammenschlüssen.
Gegen die Kantzenbachsche Konzeption sind viele Einwände erhoben worden 2 7 ; wir referieren nachfolgend einige: • Das Konzept stützt sich auf eine zu geringe Zahl von Einflußgrößen (Zahl der Anbieter, G r a d der Marktvollkommenheit); andere G r ö ß e n , wie Schranken des Marktzutritts, Struktur der Marktgegenseite (Nachfrageseite) etc. bleiben unberücksichtigt. • Die behauptete Kausalbeziehung zwischen Marktstruktur u n d Marktergebnis ist nicht hinreichend gesichert (vgl. oben). 2S
27
Vgl. dazu unsere Erläuterungen im Abschnitt 2 dieses Kapitels. Neben den dort beschriebenen A u f g a b e n des Wettbewerbs rücken bei Kanlzenbach die „ d y n a m i s c h e n F u n k t i o n e n " der K o n k u r r e n z ganz in den V o r d e r g r u n d ; diese sind: (I) eine möglichst rasche Durchsetzung des technischen Fortschritts bei Produkten und Produktionsverfahren und (2) eine flexible A n p a s s u n g der U n t e r n e h m e n an D a t e n ä n d e r u n g e n . Vgl. E. Kanlzenbach ( 1966). Es wird hier eine stark vereinfachende Illustration gegeben; sie ist lediglich zweidimensional. Die Achse „ M a r k t u n v o l l k o m m e n h e i t " wird zwar angedeutet, die dazugehörigen Kurven der „Wettbewerbsintensitäten" sind jedoch weggelassen.
Vgl. u.a. G. Aherle( 1980), H. Bartlinge 1980), H. Berg ( 1981), E. Hoppmann ( 1966).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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• Die Abgrenzung des „weiten Oligopois" gegenüber dem „engen Oligopol" und dem Polypol bleibt unklar. • Noch unpräziser erscheinen Begriffe wie „mäßige Produktdifferenzierung" oder „mäßig beschränkte Markttransparenz". • Die Intensität des Wettbewerbs, definiert als „Geschwindigkeit, mit der die Vorsprungsgewinne, die der technische Fortschritt den Unternehmen einbringt, von der Konkurrenz wieder weggefressen wird"2*, ist operational nicht meßbar. • Das Konzept impliziert das nicht ohne weiteres einleuchtende Ergebnis, daß durch das Hinzutreten neuer Konkurrenten in ein „weites Oligopol" die Intensität des Wettbewerbs stets verringert wird. • Bei der Herausarbeitung der Wettbewerbsfunktionen wird nur auf ökonomische Vorteilhaftigkeit (insb. im Hinblick auf die Durchsetzung des technischen Fortschritts und die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit an veränderte ökonomische Bedingungen) abgestellt, die freiheitssichernde Funktion der Konkurrenz jedoch vernachlässigt.
3.4 Das (neoklassische) Konzept der „Wettbewerbsfreiheit" Der zuletzt g e n a n n t e Einwand wird zum zentralen Punkt der Kritik des f u n k tionsfähigen Wettbewerbs u n d der Angelpunkt eines alternativen wettbewerbspolitischen Leitbildes bei einer G r u p p e von Ö k o n o m e n , die bewußt an die wettbewerblichen Vorstellungen der nationalökonomischen Klassik a n k n ü p f e n u n d diese in eine zeitgemäße Form zu übertragen versuchen (daher „neoklassische" Wettbewerbskonzeption) 2 9 . G r u n d l e g e n d f ü r diese Position ist die Behauptung, d a ß Wettbewerbsfreiheit, verbunden mit dem „spirit of competition" initiativer, „ d y n a m i s c h e r " Unternehmer, stets zu vorteilhaften ökonomischen Ergebnissen führt. Zwischen dem Ziel „Wettbewerbsfreiheit" u n d dem Ziel „gute Marktergebnisse" besteht nach dieser Auffassung grundsätzlich eine harmonische Beziehung"'. Wettbewerbsfreiheit wird positiv definiert i.S. von Entscheidungs- u n d Handlungsfreiheit. Auf der Seite der Anbieter drückt sich Freiheit in der Fähigkeit aus, Initiativen zu ergreifen, technische, organisatorische und ökonomische Neuerungen einzuführen, sowie in der Möglichkeit zur Imitation. Auf der Nachfragerseite bedeutet Wettbewerbsfreiheit, zwischen verschiedenen Alternativen auswählen zu können. Wettbewerbsfreiheit kann negativ definiert werden als Abwesenheit von „ u n angemessener M a r k t m a c h t " 1 ' . Bei der Klassifizierung von Wettbewerbsbeschränkungen (also: Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit) werden folgende Unterscheidungen vorgenommen: (I) „ N a t ü r l i c h e " Wettbewerbsbeschränkungen Bereiche, in denen Wettbewerb nicht möglich ist („natürliche M o n o p o l e " ) oder zu unerwünschten Ergebnissen führt, werden zu Ausnahmebereichen erklärt. E. KaMzenbach
( 1966, S. 39).
Im deutschsprachigen Raum kann E. Hoppmann als Hauptvertreter dieser Richtung angesehen werden: vgl. E. Hoppmann ( 1968). •"' Hoppmann bestreitet damit die Möglichkeit eines Konfliktes zwischen Wettbewerbsfreiheit und vorteilhaften ökonomischen Marktergebnissen (sog. „Dilemma-These"). Vgl. E. Hoppmann (1968). "
Später wird Wettbewerbsfreiheit i.S. von „Abwesenheit von Zwang durch andere" verstanden. Vgl. E. Hoppmann (1977, S. 13 ff.).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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Derartige A u s n a h m e b e r e i c h e sind für e i n e w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e T h e r a p i e (i.S. einer Herstellung v o n „ W e t t b e w e r b s f r e i h e i t " ) grundsätzlich nicht z u g ä n g l i c h . Hier m u ß staatliche K o n t r o l l e an d i e Stelle v o n W e t t b e w e r b treten'-. (2) „ K ü n s t l i c h e " ( „ w i l l k ü r l i c h e " ) W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n S o w e i t diese (a) a u f überlegener Marktleistung b e r u h e n , sind sie n o t w e n d i g u n d nützlich für f u n k t i o n i e r e n d e W e t t b e w e r b s p r o z e s s e . Sind W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n j e d o c h (b) n i c h t - m a r k t l e i s t u n g s b e d i n g t , s o sind sie zu untersagen. Eind e u t i g e , a l l g e m e i n g ü l t i g e u n d justiziable Verbote sind G e b o t e n v o r z u z i e h e n . D a durch werden E r m e s s e n s e n t s c h e i d u n g e n , d i e v o n W e t t b e w e r b s b e h ö r d e n u n d G e r i c h t e n v o n Fall zu Fall ( „ d i s k r e t i o n ä r " ) gefällt w e r d e n , v e r m i e d e n . Z u g l e i c h w e r d e n Marktergebnistests (wie sie im K o n z e p t d e s „ f u n k t i o n s f ä h i g e n Wettbew e r b s " erforderlich sein k ö n n e n ) e b e n s o a b g e l e h n t wie E i n g r i f f e in die Marktstrukturen. Ferner wird d i e V e r m u t u n g geäußert, d a ß n i c h t - l e i s t u n g s b e d i n g t e , w i l l k ü r l i c h e W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n in der Regel d a s Ergebnis staatlicher Politik s e i e n " . In dieser V e r m u t u n g äußert sich der für Liberale t y p i s c h e Vorbehalt g e g e n staatliche M a c h t b e f u g n i s s e . D i e s e r n e o k l a s s i s c h e n W e t t b e w e r b s k o n z e p t i o n ist h e f t i g w i d e r s p r o c h e n word e n ' 4 ; kritisiert wird vor a l l e m , d a ß • der Begriff der Wettbewerbsfreiheit nicht operational definiert ist und eine Quantifizierung von Wettbewerbsfreiheit auch gar nicht erst versucht wird; • die behauptete Entsprechung von Wettbewerbsfreiheit und vorteilhaften ökonomischen Ergebnissen des Wettbewerbs zweifelhaft erscheint; selbst bei Wettbewerbsfreiheit kann fehlende Bereitschaft zu kompetitivem Verhalten „schlechte" Marktergebnisse hervorbringen: • die Abgrenzung von „Ausnahmebereichen", in denen Wettbewerb vermeintlich unmöglich ist, nicht eindeutig ist; • die Ablehnung von Marktergebnistests letztlich nicht durchgehalten werden kann, da bei der Abgrenzung von Nicht-Wettbewerbs-Bereichen eine Beurteilung der Marktergebnisse erforderlich wird; • sich ein abschließender Verbotskatalog für wettbewerbsbeschränkende Praktiken nicht aufstellen läßt; folglich sind Ermessensentscheidungen unter Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls notwendig; • selbst d a n n , wenn einzelne Handlungen als legal angesehen werden, die Gefahr besteht, d a ß Kombinationen derartiger legaler Handlungen massive Wettbewerbsbeschränkungen bedeuten können; • der Verzicht auf Marktstruktureingriffe auf Märkten mit verkrusteten (Macht-)Strukturen insgesamt weniger Wettbewerb bedeuten kann als bei aktivem Einsatz wettbewerbsfördernder Instrumente der Wirtschaftspolitik. 3 . 5 D i e wettbewerbspolitischen Vorstellungen der „ C h i c a g o S c h o o l " E i n e - je n a c h S t a n d p u n k t - radikale o d e r k o n s e q u e n t e n e o k l a s s i s c h e Wettbew e r b s p o s i t i o n wird v o n einer G r u p p e v o n a m e r i k a n i s c h e n Ö k o n o m e n u n d Juristen e i n g e n o m m e n , d i e g e w ö h n l i c h d e r „ C h i c a g o S c h o o l " z u g e r e c h n e t w e r d e n ' s .
"
Als geeignetstes Instrument wird diese staatliche Mißbrauchskontrolle empfohlen, die sich insbesondere auf die Verhinderung mißbräuchlicher (wettbewerbsbeschränkender) Verhaltensweisen zu konzentrieren hätte. „(Es) sei gesagt, d a ß die gravierendsten Beschränkungen in aller Regel staatlichen Ursprungs sind. Die wichtigste Möglichkeit, das Machtproblem zu lösen, wäre das Unterlassen staatlicher M a ß n a h m e n zur Wettbewerbsverhinderung. Für eine spezielle Wettbewerbspolitik gibt es dann nicht mehr so viel zu tun." E. Hoppmann (1977, S. 18).
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D i e Vertreter d i e s e r S c h u l e attackieren v e h e m e n t e i n i g e z e n t r a l e R e g e l u n g e n d e s a m e r i k a n i s c h e n A n t i - T r u s t - R e c h t s u n d d i e a u f dieser G r u n d l a g e e r g a n g e n e n G e r i c h t s e n t s c h e i d u n g e n . H i n t e r dieser Kritik steht d i e G r u n d h a l t u n g , d a ß wettb e w e r b s p o l i t i s c h e E i n g r i f f e in d e r Regel ü b e r f l ü s s i g o d e r g a r s c h ä d l i c h s i n d . D a s heißt z w a r n i c h t , d a ß W e t t b e w e r b s p o l i t i k generell a b g e l e h n t w i r d ; soweit ζ. B. P r e i s a b s p r a c h e n v e r b o t e n oder d i e V e r s p e r r u n g d e s Z u g a n g s zu wesentlic h e n R e s s o u r c e n v e r h i n d e r t wird, e r s c h e i n t W e t t b e w e r b s p o l i t i k n o t w e n d i g u n d nützlich. S c h ä d l i c h ist sie j e d o c h d o r t , wo sie d i e ü b e r l e g e n e L e i s t u n g v o n g r o ß e n U n t e r n e h m e n als E r g e b n i s von W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n m i ß d e u t e t u n d d u r c h E i n g r i f f e in d i e M a r k t s t r u k t u r (z.B. d u r c h D e - K o n z e n t r a t i o n s m a ß n a h m e n ) bes t r a f t . Dieser V o r w u r f stützt sich auf die A u f f a s s u n g , d a ß G r o ß u n t e r n e h m e n k o s t e n g ü n s t i g e r p r o d u z i e r e n , ein h o h e r G r a d d e r U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n m i t h i n A u s d r u c k d e r Kostensituation ist 36 . D i e Vertreter d e r C h i c a g o - S c h u l e d e u t e n d a h e r a u c h d i e e m p i r i s c h e n Bef u n d e , d i e e i n e n Z u s a m m e n h a n g zwischen G e w i n n h ö h e u n d d e m G r a d d e r U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n zeigen, lediglich als Beleg f ü r d i e ü b e r l e g e n e Leis t u n g s f ä h i g k e i t g r ö ß e r e r U n t e r n e h m e n (bzw. d e r e n M a n a g e m e n t s ) . Z u r B e g r ü n d u n g dieser A u f f a s s u n g wird i n s b e s o n d e r e d a r a u f verwiesen, d a ß ü b e r l e g e n e M a r k t p o s i t i o n e n - sofern sie n i c h t a u f h ö h e r e r Effizienz b e r u h e n l ä n g e r f r i s t i g nicht a u f r e c h t e r h a l t e n w e r d e n k ö n n t e n , s o n d e r n d e r „ E r o s i o n " d u r c h W e t t b e w e r b ausgesetzt seien. Es sei d e n n , es g e l ä n g e , n a c h h a l t i g w i r k s a m e M a r k t z u t r i t t s s c h r a n k e n a u f z u b a u e n . E b e n dies a b e r k ö n n e ( s e l b s t v e r s t ä n d l i c h mit A u s n a h m e staatlich s a n k t i o n i e r t e r M a r k t z u t r i t t s b a r r i e r e n sowie gewisser, bereits e r w ä h n t e r M o n o p o l i s i e r u n g s p r a k t i k e n ) a u f l ä n g e r e Sicht nicht g e l i n g e n . D a z u eine I l l u s t r a t i o n 1 7 : A n g e n o m m e n , auf e i n e m M a r k t mit h o h e r U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n w ü r d e n die g r o ß e n U n t e r n e h m e n ihre M a r k t m a c h t d a z u a u s n u t z e n , ü b e r h ö h t e Preise zu f o r d e r n , so m ü ß t e dies ein s t a r k e r A n r e i z f ü r d i e k l e i n e n U n t e r n e h m e n sein, niedrigere Preise zu setzen u n d ihre P r o d u k t i o n a u s z u d e h n e n 1 8 . W e l c h e B a r r i e r e n also k ö n n t e n sie d a r a n h i n d e r n ? • Kostenvorteile großbetrieblicher Produktion 11 ', die die führenden U n t e r n e h m e n des betrachteten Marktes realisieren können. Aber dies sei keine (Eintritts-)Barriere, s o n d e r n leu
Vgl. H. BartHng (1980, S. 48 ff:), H. Berg (1981, S. 230).
"
Dieser Schule werden keineswegs nur Ö k o n o m e n u n d Juristen zugerechnet, die an der Universität C h i c a g o tätig sind oder waren. G a n z generell wird mit diesem Etikett e i n e bestimmte - in C h i c a g o begründete - Denkrichtung gekennzeichnet. D i e s e Schule wird uns noch einmal b e g e g n e n in der Kontroverse um die Stabilisierungspolitik (vgl. Kapitel 3). Zur Darstellung der Wettbewerbspositionen vgl. u.a. Y. Brozen (1975), H.J. Goldschmid u. a. ( 1974), R.A. Posner (1976). "' „ U n d e r the pressure o f competition rivalry, and in the apparent absence o f e f f e c t i v e barriers to entry, it w o u l d seem that concentration o f industry's output in a f e w firms could o n l y derive f r o m their superiority in producing and marketing products or in the superiority of a structure of industry in which there are o n l y a few firms." H. Demselz (1975. S. 264). r Vgl. R. A. Posner ( 1976, S. 92). -1* Dieser Fall wird als äquivalent für den Zutritt neuer Anbieter betrachtet. w
Ausführlicher dazu unten S. 59 ff.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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diglich eine Information darüber, welche Größe der Produktionskapazität notwendig ist, um effizient produzieren zu können. • Kapitalerfordernisse zum Aufbau einer kostenoptimalen Unternehmensgröße. Auch dies sei keine (Eintritts-)Barriere, denn der Kapitalbedarf ist für alle Unternehmen, egal ob sie die effiziente Gröl.ie bereits besitzen oder anstreben, im Prinzip gleich hoch. • Durch (massive) Werbung geschaffene Präferenzen der Konsumenten für die Güter der führenden Unternehmen. Auch dies sei keine plausible Begründung, denn Werbung ist nicht kostenlos. Kleinere Unternehmen können diese Kosten durch Verzicht auf (massive) Werbung vermeiden und entsprechend preisgünstiger anbieten. Es sei nicht einzusehen, warum den Konsumenten dieser Vorteil auf Dauer verborgen bleiben sollte. Als R e s u l t a t d e r a r t i g e r Ü b e r l e g u n g e n v e r b l e i b t f o l g l i c h , d a ß U n t e r n e h m e n s g r ö ß e u n d K o n z e n t r a t i o n letztlich d a s E r g e b n i s h ö h e r e r E f f i z i e n z s i n d . G e g e n d i e s e P o s i t i o n l a s s e n sich e i n i g e E i n w ä n d e e r h e b e n . K r i t i k w ü r d i g ( o d e r d o c h z u m i n d e s t d i s k u s s i o n s w ü r d i g ) e r s c h e i n t d e r G l a u b e an d i e F u n k t i o n s f ä h i g keit e i n e s sich w e i t g e h e n d s e l b s t ü b e r l a s s e n e n W e t t b e w e r b s s y s t e m s u n d d a s d a r auf gestützte Plädoyer für eine nur mäßig eingeschränkte ,,laissez-faire"-Politik des Staates. Die Vertreter der Chicago-Schule akzeptieren n u r einen Beurteil u n g s m a ß s t a b für W e t t b e w e r b : die Effizienz der Ressourcenallokation. Fragen der Entstehung, Verteilung u n d Kontrolle privater Macht erscheinen ihnen offenbar wenig bedenkenswert. Die Behauptung, U n t e r n e h m e n s g r ö ß e u n d K o n z e n t r a t i o n seien durch Produktionskostenvorteile bzw. überlegene unternehmerische Leistung begründet u n d gerechtfertigt, findet keine zweifelsfreie empirische Bestätigung40. Ebensow e n i g ü b e r z e u g e n d ist d i e A u s s a g e , M a r k t z u t r i t t s b e s c h r ä n k u n g e n seien ( v o n w e nigen A u s n a h m e n a b g e s e h e n ) nicht wirksam·". Für die Vertreter der C h i c a g o S c h u l e ist ζ. B. d e r U m s t a n d , d a ß e t a b l i e r t e g r o ß e U n t e r n e h m e n e i n e n l e i c h t e r e n Z u g a n g zu d e n K a p i t a l m ä r k t e n h a b e n u n d v o r t e i l h a f t e r e B e d i n g u n g e n bei d e r F i n a n z i e r u n g r e a l i s i e r e n k ö n n e n als k l e i n e r e b z w . n e u h i n z u t r e t e n d e U n t e r n e h m e n , lediglich A u s d r u c k d a f ü r , d a ß die Kreditgläubiger das Risiko der Finanzierung größerer U n t e r n e h m e n geringer einschätzen. Dieses A r g u m e n t mag zutreff e n d s e i n ; es m ü ß t e a l l e r d i n g s e m p i r i s c h n a c h g e w i e s e n w e r d e n , d a ß d i e F i n a n z i e r u n g s v o r t e i l e g r o ß e r U n t e r n e h m e n allein d u r c h e i n e g e r i n g e r e R i s i k o p r ä m i e für die Gläubiger u n d nicht etwa durch M a r k t m a c h t b e g r ü n d e t sind. Faktisch bedeutet dies jedoch, d a ß kleinere (neu hinzutretende) U n t e r n e h m e n a m K a p i t a l m a r k t d i s k r i m i n i e r t w e r d e n u n d sich d a m i t i h r e C h a n c e v e r m i n d e r t , d i e P o s i t i o n d e r e t a b l i e r t e n g r o ß e n U n t e r n e h m e n zu g e f ä h r d e n . Es d r ä n g t sich d e r V e r d a c h t a u f , d i e B e h a u p t u n g , „ b a r r i e r s t o e n t r y " seien n i c h t e x i s t e n t o d e r w e i t g e h e n d u n w i r k s a m , d i e n e lediglich d e r I m m u n i s i e r u n g d e r e i g e n e n A r g u mentation vor möglicher Kritik.
4. Wettbewerbsbeschränkungen Wir haben mehrfach die - o f f e n b a r b e g r ü n d e t e - V e r m u t u n g geäußert, d a ß W e t t b e w e r b stets d a d u r c h b e d r o h t ist, d a ß e i n e a u s d e r Sicht d e r n a c h m a x i m a lem G e w i n n s t r e b e n d e n P r o d u z e n t e n w o h l v e r s t ä n d l i c h e N e i g u n g b e s t e h t , W e t t -
4
" Vgl. dazu unten S. 59 ff.
41
Zur gegenteiligen Position vgl. vor allem J.S. Bain (1967).
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Kap. 2: Wettbewerbspolitik
b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n zu p r a k t i z i e r e n , u n d d a b e i s c h e i n t d e r P h a n t a s i e k a u m e i n e G r e n z e gesetzt z u sein. D a s P r o b l e m liegt j e d o c h d a r i n , W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n als s o l c h e z u i d e n t i f i z i e r e n . D i e s setzt n ä m l i c h e i n e k o n k r e t e V o r s t e l l u n g d a r ü b e r v o r a u s , w i e u n b e s c h r ä n k t e r W e t t b e w e r b b e s c h a f f e n ist ( u n d w i r h a b e n bei u n s e r e m k u r z e n Überblick gesehen, wie unterschiedlich die Beurteilungsnormen sind), sowie eine genaue P r ü f u n g d e r jeweils gegebenen U m s t ä n d e . Gewisse H a n d l u n g e n mög e n bei b e s t i m m t e n W e t t b e w e r b s s i t u a t i o n e n als u n b e d e n k l i c h e r s c h e i n e n , w ä h rend die gleichen A k t i o n e n unter anderen (marktstrukturellen) Bedingungen als w e t t b e w e r b s s c h ä d l i c h e i n g e s t u f t w e r d e n m ü s s e n . F e r n e r k a n n sich d i e w e t t b e w e r b s b e h i n d e r n d e W i r k u n g b e s t i m m t e r H a n d l u n g e n erst d a r a u s e r g e b e n , d a ß sie mit a n d e r e n k o m b i n i e r t w e r d e n . W i r e r ö r t e r n n a c h f o l g e n d n u r e i n i g e ( g ä n gige) F o r m e n v o n W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n . 4.1 Kartelle, abgestimmtes Verhalten und andere Formen der Verhaltenskoordination Kartelle 4 2 g e h ö r e n v e r m u t l i c h zu d e n ä l t e s t e n F o r m e n d e r W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g . Es h a n d e l t sich d a b e i u m v e r t r a g l i c h e V e r e i n b a r u n g e n z w i s c h e n r e c h t l i c h s e l b s t ä n d i g e n M a r k t t e i l n e h m e r n e i n e r M a r k t s e i t e ( i . d . R. z w i s c h e n A n b i e t e r n ) , d i e t a t s ä c h l i c h o d e r p o t e n t i e l l z u e i n a n d e r im W e t t b e w e r b s t e h e n . A l s G e g e n s t a n d d e s K a r t e l l v e r t r a g e s k o m m e n g r u n d s ä t z l i c h a l l e A k t i o n s p a r a m e t e r in Bet r a c h t ( P r e i s e , M e n g e n , V e r k a u f s k o n d i t i o n e n etc.). D e r V e r t r a g s s c h l u ß d ü r f t e reg e l m ä ß i g in d e r A b s i c h t e r f o l g e n , d e n D r u c k d e s W e t t b e w e r b s ( u n d d a s d a m i t v e r b u n d e n e R i s i k o ) z u m i n d e r n . O b j e d e F o r m d e s K a r t e l l s als w e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k e n d e i n z u s t u f e n ist, l ä ß t sich g e n e r e l l n i c h t e n t s c h e i d e n . Es e m p f i e h l t sich g l e i c h w o h l , j e d e K a r t e l l f o r m a l s p o t e n t i e l l w e t t b e w e r b s s c h ä d l i c h zu b e t r a c h t e n u n d i n s o w e i t k r i t i s c h zu p r ü f e n . P r i n z i p i e l l e r s c h e i n t j e d e r M a r k t f ü r d i e K a r t e l l b i l d u n g g e e i g n e t , j e d o c h erw e i s e n sich b e s t i m m t e B e d i n g u n g e n a l s d i e K a r t e l l i e r b a r k e i t b e g ü n s t i g e n d ; d i e s sind vor allem : • eine geringe Zahl von Anbietern (allgemein: Marktteilnehmern); dies erleichtert die Einigung und die gegenseitige Kontrolle: • homogene Güter (Ähnlichkeiten in den Produktionsprogrammen); • relativ identische Kostenverläufe; • relativ hohe Marktzutrittsschranken: • hohe Markttransparenz: • unausgenutzle Produktionskapazitäten bzw. starke (konjunkturbedingte) Schwankungen im Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten, kaum noch zunehmende, stagnierende oder gar rückläufige Marktnachfrage (Produktmärkte in der Ausreifungs-, Stagnations-, Rückbildungsphase) 4 1 . K a r t e l l e w e r d e n h ä u f i g als e h e r i n s t a b i l e G e b i l d e a n g e s e h e n ; ein U m s t a n d , d e r einerseits die T e n d e n z zur Ausweitung von K a r t e l l v e r e i n b a r u n g e n sowie and e r e r s e i t s d e r e n K u r z l e b i g k e i t b e g r ü n d e n k ö n n t e . D i e s e A u s s a g e sei a m Fall ein e s Preiskartells e r l ä u t e r t . I n h a l t d e r K a r t e l l v e r e i n b a r u n g sei d i e F e s t l e g u n g ei42
Vgl. u.a. E. Tuchtfeldt (1978) und H.-U. WMeke
J1
Diese Gründe dürften zu der weitverbreiteten Meinung geführt haben, Kartelle seien „Kinder der Not".
(\9Π).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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nes f ü r alle K a r t e l l m i t g l i e d e r e i n h e i t l i c h e n Preises 4 4 . Dieser Preis soll h ö h e r sein als d e r W e t t b e w e r b s p r e i s ( m a n d a r f d a v o n a u s g e h e n , d a ß dies d e r Z w e c k eines Preiskartells ist). Der i n n e r e Z u s a m m e n h a l t dieses Kartells k ö n n t e n u n d a d u r c h gestört w e r d e n , d a ß ( I ) d i e K a r t e l l m i t g l i e d e r ihre A n g e b o t s m e n g e a u s d e h n e n (der h ö h e r e Preis d ü r f t e d a f ü r V e r a n l a s s u n g g e b e n ) u n d d a m i t bei g e g e b e n e r M a r k t n a c h f r a g e die D u r c h s e t z u n g des K a r t e l l p r e i s e s g e f ä h r d e n o d e r (2) die K a r tellmitglieder v e r s u c h e n , ihre eigene M a r k t p o s i t i o n d u r c h v e r d e c k t e Preiszuges t ä n d n i s s e ( R a b a t t e , g ü n s t i g e Z a h l u n g s b e d i n g u n g e n ) zu v e r b e s s e r n mit d e m Ergebnis, d a ß d e r K a r t e l l p r e i s gleichsam „ d u r c h l ö c h e r t " wird. U m dieses vertragswidrige V e r h a l t e n zu v e r h i n d e r n , k a n n d e r K a r t e l l v e r t r a g - s o f e r n er legal ist b e s t i m m t e S a n k t i o n e n ( K o n v e n t i o n a l s t r a f e n ) v o r s e h e n . Ist d e r K a r t e l l v e r t r a g jed o c h illegal, so m ü s s e n a n d e r e F o r m e n d e r „ B e s t r a f u n g " a n g e w e n d e t w e r d e n ; Boykott d e r V e r t r a g s b r ü c h i g e n o d e r d e r e n V e r d r ä n g u n g k ö n n t e n sich als Mittel a n b i e t e n . N a h e l i e g e n d ist freilich d e r W e g , d i e K a r t e l l v e r e i n b a r u n g zu erweit e r n ; also ein Preiskartell d u r c h V e r e i n b a r u n g e n ü b e r M e n g e n ( „ Q u o t e n k a r tell"), ü b e r R a b a t t e ( „ R a b a t t k a r t e l l " ) , V e r k a u f s b e d i n g u n g e n ( „ K o n d i t i o n e n k a r tell") usw. zu e r g ä n z e n , bis hin z u r g e m e i n s a m e n V e r k a u f s o r g a n i s a t i o n , die k e i n e s e l b s t ä n d i g e Preis- u n d A b s a t z p o l i t i k d e r K a r t e l l m i t g l i e d e r m e h r z u l ä ß t ( „ S y n d i k a t " ) . A b e r selbst diese O r g a n i s a t i o n ist d u r c h A u f l ö s u n g b e d r o h t , da d i e Syndikatsmitglieder versuchen werden, höhere Produktionsquoten durchzusetzen ( „ Q u o t e n k ä m p f e " ) . S i n d d i e Q u o t e n so festgelegt, d a ß nicht alle S y n d i k a t s m i t g l i e d e r ihre P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t e n a u s l a s t e n k ö n n e n , so e r f o r d e r t dies Ausg l e i c h s z a h l u n g e n z w i s c h e n i h n e n ( d . h . , d e r K a r t e l l v e r t r a g w i r d u m eine weitere V e r e i n b a r u n g ergänzt). K a r t e l l e sind nicht n u r d u r c h d a s V e r h a l t e n d e r eigenen M i t g l i e d e r g e f ä h r d e t , s o n d e r n i n s b e s o n d e r e d u r c h A u ß e n s e i t e r . D a d e r Kartellpreis a n n a h m e g e m ä ß h ö h e r ist als d e r Preis, d e r sich u n t e r B e d i n g u n g e n u n b e s c h r ä n k t e n W e t t b e w e r b s e r g e b e n w ü r d e , ist dies g e r a d e z u eine E i n l a d u n g f ü r N i c h t - K a r t e l l m i t g l i e d e r , d u r c h P r e i s u n t e r b i e t u n g d e n e i g e n e n M a r k t a n t e i l ausz u d e h n e n . S o f e r n A u ß e n s e i t e r nicht d a v o n ü b e r z e u g t w e r d e n k ö n n e n , d a ß a u c h f ü r sie die K a r t e l l m i t g l i e d s c h a f t von Vorteil ist, w e r d e n A b w e h r s t r a t e g i e n entwickelt: • A b s c h l u ß v o n exklusiven Lieferverträgen mit Herstellern von Vorprodukten bzw. mit A b n e h m e r n auf nachgelagerten Stufen; • G e w ä h r u n g von b e s o n d e r e n Rabatten und sonstigen Vergünstigungen für Lieferanten und A b n e h m e r des Kartells; • Boykott von Lieferanten u n d A b n e h m e r n , die A u ß e n s e i t e r beliefern bzw. v o n diesen Gütern kaufen; • gezielte Preisunterbietung gegen Außenseiter durch einzelne Kartellmitglieder mit internen A u s g l e i c h s z a h l u n g e n für die dabei entstehenden Verluste.
Je w e n i g e r u m f a s s e n d d a s Kartell ist u n d j e w e n i g e r w i r k u n g s v o l l D r o h u n g e n gegen V e r t r a g s b r ü c h i g e s o w i e A u ß e n s e i t e r s i n d , u m so f r u s t r i e r e n d e r ist die Erf a h r u n g d e r j e n i g e n , d i e sich an die K a r t e l l v e r e i n b a r u n g h a l t e n ; wird Vertragst r e u e nicht m e h r b e l o h n t , so ist die A u f k ü n d i g u n g d e s K a r t e l l s i m m e r h i n n a h e liegend. 44
Preiskartelle müssen selbstverständlich nicht einheitliche Preise beinhalten, denkbar ist vielmehr auch, d a ß unterschiedliche Preise (z.B. bei heterogenen Gütern) vereinbart werden, d a ß Preisänderungen (Preisanpassungen) zeitlich gestaffelt werden, d a ß Preise in vorher festgesetzter R e i h e n f o l g e von einzelnen Kartellmitgliedern gezielt unterboten werden, um (etwa bei ö f f e n t l i c h e n Ausschreibungen) G e s c h ä f t s a b s c h l ü s s e innerhalb des Kartells zu verteilen (sog. Submissionskartell).
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Kap. 2: Wettbewerbspolitik
D i e s e Ü b e r l e g u n g e n sollten freilich nicht zu d e m ü b e r e i l t e n S c h l u ß verleiten, K a r t e l l e seien w e g e n i h r e r Instabilität kein g r a v i e r e n d e s P r o b l e m f ü r d i e W e t t b e w e r b s p o l i t i k ; d i e Z a h l d e r e x i s t i e r e n d e n Kartelle spricht e h e r d a g e g e n . Sofern Kartelle (oder zumindest jene Kartellformen, deren wettbewerbsbes c h r ä n k e n d e W i r k u n g u n b e s t r i t t e n ist) v e r b o t e n s i n d , bieten sich U m g e h u n g s strategien a n . Vertragliche V e r e i n b a r u n g e n k ö n n e n d u r c h formlose Absprachen ersetzt werd e n (sog. „ F r ü h s t ü c k s k a r t e l l e " o d e r „ g e n t l e m e n ' s a g r e e m e n t s " ) . D e r Z u s a m m e n h a l t eines s o l c h e n „ F r ü h s t ü c k s k a r t e l l s " m u ß k e i n e s w e g s s c h w ä c h e r sein als d e r eines e c h t e n K a r t e l l s , s o f e r n nur h i n r e i c h e n d e I n t e r e s s e n i d e n t i t ä t vorliegt u n d d e r j e n i g e , d e r gegen die V e r e i n b a r u n g verstößt, mit S a n k t i o n e n r e c h n e n muß. F o r m l o s e A b s p r a c h e n setzen i m m e r h i n noch d i r e k t e p e r s ö n l i c h e K o n t a k t e v o r a u s . Es m a g g u t e G r ü n d e g e b e n , diese zu v e r m e i d e n . Eine M ö g l i c h k e i t , direkte K o n t a k t a u f n a h m e zu u m g e h e n , besteht d a r i n , F o r m e n i n d i r e k t e r I n f o r m a t i o n s ü b e r m i t t l u n g zu b e n u t z e n . So k ö n n e n gezielte I n f o r m a t i o n e n z . B . ü b e r beabsichtigte Preisstrategien d u r c h ö f f e n t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g vermittelt w e r d e n . Ein noch g e r i n g e r e s M a ß an V e r s t ä n d i g u n g ist in d e n Fällen n o t w e n d i g , in den e n m a r k t s t r u k t u r e l l e G e g e b e n h e i t e n bei d e n M a r k t t e i l n e h m e r n d i e Einsicht förd e r n , d a ß f r i e d l i c h e W e t t b e w e r b s s t r a t e g i e n nützlich sind, d a ß ein „ A u f e i n a n d e r R ü c k s i c h t - N e h m e n " e i n e f ü r alle Beteiligten v o r t e i l h a f t e V e r h a l t e n s w e i s e d a r stellt. In o l i g o p o l i s t i s c h e n M ä r k t e n mit relativ g e r i n g e r Z a h l von A n b i e t e r n , ausgeglichener Verteilung der Marktanteile, weitgehend standardisierten Produkt e n , ä h n l i c h e n P r o d u k t i o n s v e r f a h r e n u n d - k o s t e n ist ein solches V e r h a l t e n n a h e liegend. Aggressive Strategien (ζ. B. P r e i s s e n k u n g e n mit d e m Ziel, d e n K o n k u r r e n t e n g r ö ß e r e Teile ihres A b s a t z e s zu n e h m e n ) , e r s c h e i n e n u n t e r d e n g e n a n n t e n B e d i n g u n g e n w e n i g e r f o l g v e r s p r e c h e n d , d e n n es m u ß mit R e a k t i o n e n g e r e c h n e t w e r d e n , die a u f d i e Position d e s Initiators nicht u n b e d i n g t positiv z u r ü c k w i r k e n . D a s B e w u ß t s e i n d e r e n g e n Reaktionsverbundenheit im O l i g o p o l ( „ o l i g o p o l i s t i s c h e I n t e r d e p e n d e n z " ) f ö r d e r t f r i e d f e r t i g e V e r h a l t e n s w e i s e n 4 3 . D a s S t r e b e n nach Sicherheit ( d a s S t r e b e n n a c h langfristiger A b s i c h e r u n g d e r G e w i n n e ) tritt an die Stelle einer k u r z f r i s t i g e n G e w i n n m a x i m i e r u n g s - S t r a t e g i e . W i r d z u d e m d i e Erf a h r u n g g e m a c h t , d a ß ζ. B. parallele P r e i s e r h ö h u n g e n z u m Vorteil aller A n b i e t e r g e r e i c h e n k ö n n e n , so stellt sich faktisch d a s gleiche E r g e b n i s ein wie im Falle förmlicher Vereinbarungen. In o l i g o p o l i s t i s c h e n M ä r k t e n läßt sich h ä u f i g b e o b a c h t e n , d a ß e i n z e l n e A n b i e t e r d i e Rolle e i n e s „ P r e i s f ü h r e r s " ü b e r n e h m e n . Dabei ist k e i n e s w e g s e r f o r d e r l i c h , d a ß d e r P r e i s f ü h r e r eine d o m i n i e r e n d e Rolle innerhalb des Oligopois einnimmt (etwa den größten Marktanteil besitzt), v i e l m e h r k a n n d i e P r e i s f ü h r e r s c h a f t g r u n d s ä t z l i c h v o n j e d e m A n b i e t e r ü b e r n o m m e n w e r d e n . E n t s c h e i d e n d ist a l l e i n , d a ß sich d e r j e w e i l i g e P r e i s f ü h r e r d a r a u f v e r l a s s e n k a n n , d a ß ihm d i e „ K o n k u r r e n t e n " folgen.
Die Frage, o b d e r a r t i g e V e r h a l t e n s p a r a l l e l i t ä t d a s E r g e b n i s eines „abgestimmten Verhaltens" (im S i n n e e i n e r informell h e r b e i g e f ü h r t e n W i l l e n s ü b e r e i n s t i m m u n g ) ist o d e r lediglich A u s d r u c k d e r allen M a r k t t e i l n e h m e r n b e w u ß t e n M a r k t s i t u a t i o n , bleibt trotz i n t e n s i v e r Diskussion weiterhin u n k l a r . G e l e g e n t l i c h wird d e r Versuch g e m a c h t , g l e i c h f ö r m i g e s V e r h a l t e n z w i s c h e n W e t t b e w e r b e r n , etwa bei P r e i s e r h ö h u n g e n , als v o n d e n M a r k t v e r h ä l t n i s s e n (vor 15
Vgl. Kapitel I.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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allem im engen Oligopol) erzwungen darzustellen (sog. „oligopolistischer Marktzwang") in der Absicht, bestimmte wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen gegen Vorwürfe der Kartellbehörden u n d Gerichte zu immunisieren. 4.2 Mißbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht M a r k t m a c h t ist Bedingung u n d G e f ä h r d u n g des Wettbewerbs zugleich. Einerseits benötigen Unternehmen eine gewisse Marktmacht, um wettbewerbliche Strategien durchzusetzen, andererseits besteht die G e f a h r , d a ß Marktmacht mißbraucht wird, um Wettbewerb zu unterdrücken. Marktmacht k a n n entstehen durch überlegene Leistung (bessere Anpassung an die Käuferwünsche, kostengünstigere Produktionsverfahren etc.), aber auch durch wettbewerbsbeschränkendes Verhalten (Behinderung, Verdrängung, Ausbeutung). Soweit M a r k t m a c h t im Prozeß des Leistungswettbewerbs entsteht, aber auch durch diesen wieder aufgelöst wird, wird dies als Zeichen wirksamen, funktionsfähigen Wettbewerbs gedeutet. W a n n aber liegt Mißbrauch vor? Eine mögliche Antwort lautet: mißbräuchlich sind alle Verhaltensweisen, die bei wirksamem Wettbewerb nicht praktiziert werden könnten. Diese Antwort ist nur scheinbar eindeutig, d e n n wegen der Vielfalt alternativer marktstruktureller Gegebenheiten sind sehr viele Handlungen möglich, und es ist schwer auszumachen, welche Verhaltensweisen bei wirksamem Wettbewerb nicht möglich wären 46 . Das Problem ist wettbewerbstheoretisch nicht eindeutig lösbar, gleichwohl m u ß für Zwecke der praktischen Wettbewerbspolitik eine Abgrenzung von Mißbrauch g e f u n d e n werden. Als mißbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht könnten Strategien angesehen werden, „ d e n Wettbewerb d a d u r c h zu beschränken, d a ß Marktteilnehmer der gleichen oder der anderen Marktseite zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt oder gezwungen werden oder potentielle Wettbewerber vom Marktzutritt abgehalten werden" 4 7 . Typische Strategien dieses häufig als Behinderungsmißbrauch 48 bezeichneten M a c h t m i ß b r a u c h s sind: • • • • • •
Preisdiskriminierung, Ausschließlichkeitsbindungen, Koppelungsgeschäfte, Gegenseitigkeitsgeschäfte, Liefer- und Bezugssperren, Vertriebsbindungen u n d dergl.
Preisdiskriminierung ist eine sehr häufig a n z u t r e f f e n d e Praktik, u n d sie k o m m t in vielen Formen vor'". D a ß ein Anbieter f ü r ein und dasselbe G u t unterschiedlich h o h e Preise von seinen A b n e h m e r n verlangt, d ü r f t e der bekannteste Fall sein (und es ist auch derjenige, der gewöhnlich mit dem Begriff der Preisdiskriminierung in Verbindung gebracht wird). Durch Ausschließlichkeitsbindungen verpflichtet ein Unternehmen seine Lieferanten, nur ihn zu beliefern, bzw. seine A b n e h m e r , nur seine Produkte zu vertreiben. Ein Kopplungsgeschäft liegt vor, wenn der Kauf eines gewünschten Produktes mit der Verpflichtung v e r b u n d e n wird, zugleich auch ein anderes Produkt a b z u n e h m e n . 4
" H.-U.
47 4
WiUeke( 1980, S. 388).
Ebenda, S. 389.
* Vgl. u.a. /. Schmidt
( 1981, S. 82 ff.).
"" Vgl. E. Käufer ( 1980, S. 208 ff.).
56
K a p . 2: Wettbewerbspolitik
Bei Gegenseitigkeitsgeschäften (reciprocal dealing) wird nach dem Motto v e r f a h r e n : „ I c h k a u f e nur bei dir, wenn d u auch bei mir kaufst." D a d u r c h erlangen U n t e r n e h m e n mit breitgefächertem Angebot Vorteile gegenüber ihren K o n k u r r e n t e n , die ein stärker spezialisiertes P r o d u k t i o n s p r o g r a m m anbieten. Verweigert ein U n t e r n e h m e n seinen Abnehmern die Belieferung oder seinen Lieferanten die A b n a h m e von P r o d u k t e n (Liefer- und Bezugssperren), so stellt dies eine sehr rigorose Form der Behinderung d a r ; sie d ü r f t e ein sehr hohes M a ß an M a r k t m a c h t voraussetzen. In diesem Z u s a m m e n h a n g ist auch auf den bereits a n a n d e r e r Stelle g e n a n n t e n Fall hinzuweisen, bei dem m a r k t m ä c h t i g e Unternehmen ihren (potentiellen) K o n k u r r e n t e n den Z u g a n g zu wichtigen Ressourcen ( R o h s t o f f e n und sonstigen V o r p r o d u k t e n ) versperren. Vertriebsbindungen k ö n n e n etwa darin bestehen, d a ß U n t e r n e h m e n ihren A b n e h m e r n vorschreiben, welche K u n d e n sie zu beliefern haben, in welchen Gebieten sie die Produkte zu vertreiben haben etc. (diese Formen der Vertriebsbindung k ö n n e n o f f e n b a r als Instrument der Preisdiskriminierung verwendet werden).
Eine andere Kategorie des Mißbrauchs wird häufig als Ausbeutungsmißbrauch bezeichnet. Dieser besteht insbesondere darin, d a ß „zu h o h e " Preise verlangt oder „zu niedrige Preise" gezahlt werden. Ein U n t e r n e h m e n kann seine Macht als Anbieter dazu mißbrauchen, von seinen A b n e h m e r n unangemessen hohe Preise zu f o r d e r n , oder seine Macht als N a c h f r a g e r dazu einsetzen, von seinen Lieferanten unangemessene Preiszugeständnisse (etwa in Form überhöhter Rabatte, durch Ü b e r n a h m e von Kosten, die sonst von den Abnehmern getragen werden usw.) zu verlangen. Das Problem besteht freilich darin, die Mißbräuchlichkeit der Preise festzustellen, denn o f f e n b a r setzt dies die Kenntnis der Preishöhe voraus, die bei wirksamem Wettbewerb als angemessen gelten kann 5 0 . 4.3 Unternehmenskonzentration Das Entstehen u n d die Verstärkung von M a r k t m a c h t steht in engem Z u s a m m e n hang mit der - global u n d längerfristig betrachtet - z u n e h m e n d e n Konzentration im Unternehmensbereich 31 . Diese Entwicklung ist nicht nur eines der zentralen Probleme der Wettbewerbspolitik, sondern ganz generell der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Die nachfolgenden Erörterungen sollen einige Aspekte dieses Problems verdeutlichen; im Vordergrund steht dabei die Frage der wettbewerblichen Auswirkungen der Konzentration. 4.3.1 Begriff und Formen der Unternehmenskonzentration Unter wirtschaftlicher Konzentration wird ganz allgemein „die Ballung von wirtschaftlichen oder wirtschaftlich relevanten G r ö ß e n einschließlich der Verfügungsmacht über Produktionsfaktoren" 5 2 verstanden. Diese Definition von Konzentration ist sehr weit, sie schließt eine Reihe von Vorgängen ein, die hier nicht zur Diskussion stehen (so ζ. B. die Einkommens- u n d Vermögenskonzentration 5 3 ); hier interessiert nur die Unternehmenskonzentration. Grundsätzlich k a n n Konzentration im Unternehmensbereich auf folgende Weise zustande kommen: 511
Eine Darstellung der Verfahren zur Feststellung von Preismißbrauch wird im Zusammenhang mit der Mißbrauchsaufsicht über m a r k t b e h e r r s c h e n d e U n t e r n e h m e n gegeben (vgl. unten S. 68 ff.).
51
Zum Stand der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik vgl. unten S. 76 ff.
52
J. Müller. R. Hoehreiter (1975, S. 18).
51
Vgl. Kapitel 5.
57
Kap. 2: Wettbewerbspolitik • einige U n t e r n e h m e n Wachstum");
wachsen
schneller
als ihre
Konkurrenten
(„internes
• U n t e r n e h m e n schließen sich z u s a m m e n ( „ e x t e r n e s W a c h s t u m " ) ; • Unternehmen scheiden endgültig aus dem Markt aus („Verdrängung"). I n t e r n e s u n d e x t e r n e s W a c h s t u m k a n n sich in u n t e r s c h i e d l i c h e r R i c h t u n g v o l l z i e h e n ; wir beziehen die n a c h f o l g e n d e n Begriffe jeweils n u r a u f externe Wachst u m s v o r g ä n g e (sie l a s s e n s i c h e n t s p r e c h e n d a u f i n t e r n e a n w e n d e n ) . • Horizontal: U n t e r n e h m e n d e r gleichen P r o d u k t i o n s s t u f e ( i n n e r h a l b einer Prod u k t g r u p p e , i n n e r h a l b einer „ B r a n c h e " ) schließen sich z u s a m m e n . Beispiel: Z u sammenschluß von Automobilproduzenten. • Vertikal: U n t e r n e h m e n vor- u n d / o d e r n a c h g e l a g e r t e r P r o d u k t i o n s s t u f e n ( „ B r a n c h e n " ) s c h l i e ß e n sich z u s a m m e n . Beispiel: Z u s a m m e n s c h l u ß v o n Stahlund Automobilproduzenten. • Diagonal oder konglomerat: U n t e r n e h m e n s c h l i e ß e n sich z u s a m m e n , d e r e n P r o d u k t i o n ( P r o d u k t e ) w e d e r h o r i z o n t a l n o c h v e r t i k a l in V e r b i n d u n g s t e h e n 5 4 . Beispiel: P r o d u z e n t e n von N a h r u n g s m i t t e l n schließen sich mit R e e d e r e i e n zusammen. W e n n v o n U n t e r n e h m e n s z u s a m m e n s c h l ü s s e n d i e R e d e ist, s o ist d i e s O b e r b e g r i f f f ü r e i n e V i e l z a h l v o n F ä l l e n zu v e r s t e h e n :
als
• Fusion: Verschmelzung von U n t e r n e h m e n durch Vermögenserwerb; die Verschmelzung k a n n zum Untergang des ü b e r n o m m e n e n Unternehmens f ü h r e n oder auch zur Bildung eines neuen U n t e r n e h m e n s . • Anteilserwerb: Erwerb von (stimmberechtigten) Kapitalanteilen. J e nach U m f a n g der Kapitalbeteiligung variiert die Kontrolle. Mehrheitsbeteiligungen vermitteln beherrschende Kontrolle; zweifelhaft sind jedoch in dieser Hinsicht Minderheitsbeteiligungen. Soweit 25% des stimmberechtigten Kapitals erworben werden, besteht immerhin d i e Möglichkeit, wichtige Gesellschafterbeschlüsse zu blockieren. Aber selbst geringere Beteiligung k a n n bei ansonsten stark gestreutem Anteilseigentum einen entscheidenden Einfluß sichern. • Konzernbildung: Vertraglicher Z u s a m m e n s c h l u ß men unter einer gemeinsamen Leitung, wobei der die Gleichrangigkeit oder die U n t e r o r d n u n g von Regel kommen solche Verträge erst a u f g r u n d von
von rechtlich selbständigen UnternehVertrag über eine gemeinsame Leitung U n t e r n e h m e n beinhalten kann. In der Kapitalbeteiligungen zustande.
• Gemeinschaftsunternehmen (joint venture): G r ü n d u n g eines gemeinschaftlichen Untern e h m e n s durch zwei oder mehr U n t e r n e h m e n mit prinzipiell beliebigen Beteiligungsverhältnissen. • sonstige Unternehmensverträge: Verträge über G e w i n n a b f ü h r u n g (im ganzen o d e r in Teilen des Gewinns), Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträge etc. Auch diesen Vertragsabschlüssen geht in der Regel ein Anteilserwerb voraus. • personelle Verflechtungen: Bei weiter Fassung des Begriffs „ U n t e r n e h m e n s z u s a m m e n s c h l u ß " m u ß auch der Fall personeller Verflechtung zwischen U n t e r n e h m e n berück54
Dies ist die Kennzeichnung des Falles „ r e i n e r " Konglomerate. In vielen konkreten Fällen ist die Abgrenzung gegenüber horizontalen und vertikalen Zusammenschlüssen weniger eindeutig, so etwa bei Zusammenschlüssen von U n t e r n e h m e n mit gleichartigen Produkten, aber räumlich getrennten Märkten (sog. market extension merger) bzw. bei solchen von U n t e r n e h m e n mit verwandten Produkten u n d räumlich ü b e r l a p p e n d e n Märkten (sog. product extension merger). Diese Fälle sind häufiger zu beobachten als j e n e der „ r e i n e n " Konglomerate. Z u r Systematik konglomerater Zusammenschlüsse vgl. u.a. I. Schmidt (1981, S. 95 f.).
58
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
sichtigt w e r d e n . E i n f l u ß a u f u n t e r n e h m e r i s c h e E n t s c h e i d u n g e n u n d K o o r d i n a t i o n v o n V e r h a l t e n s w e i s e n lassen sich a u c h d a d u r c h e r r e i c h e n , d a ß P e r s o n e n in wichtige P o s i t i o n e n u n d O r g a n e (ζ. B. A u f s i c h t s r ä t e ) a n d e r e r U n t e r n e h m e n e n t s a n d t w e r d e n . D e r a r t i g e p e r s o nelle V e r f l e c h t u n g e n s i n d k e i n e s w e g s auf j e n e F ä l l e b e s c h r ä n k t , bei d e n e n K a p i t a l b e t e i l i g u n g e n b e s t e h e n : a u c h ü b e r K r e d i t b e z i e h u n g e n l a s s e n sich d e r a r t i g e E i n f l u ß m ö g l i c h k e i ten b e g r ü n d e n ( m a n d e n k e a n d i e z a h l r e i c h e n B a n k e n v e r t r e t e r in d e n A u f s i c h t s r ä t e n v o n Nicht-Banken-Aktiengesellschaften).
4.3.2 Zur Beurteilung der Unternehmenskonzentration*5 Allgemeine Aspekte Bei der Beurteilung der Unternehmenskonzentration werden recht kontroverse S t a n d p u n k t e vertreten. Dies k a n n insoweit nicht überraschen, als nicht nur unterschiedliche politische u n d ideologische Bewertungen in die Diskussion eingeführt werden, sondern auch die theoretische und empirische Analyse dieses komplexen P h ä n o m e n s noch erhebliche Lücken aufweist. Die Diskussion um das Für und Wider der Unternehmenskonzentration beschränkt sich keineswegs auf wettbewerbstheoretische u n d -politische Aspekte, vielfach stehen gesellschaftliche, politische und sonstige wirtschaftspolitische Gesichtspunkte im Vordergrund. Angesichts der thematischen Breite erscheint es nicht möglich, im Rahmen dieses e i n f ü h r e n d e n Lehrbuchs einen detaillierten Überblick über die Argumente zu geben; einige kurze Anmerkungen müssen genügen. Bei der gesellschaftlichen u n d politischen Beurteilung der (fortschreitenden) Konzentration im Unternehmensbereich geht es nicht nur um d a s Problem des Überlebens kapitalistischer Wirtschaftsordnungen 5 6 , s o n d e r n auch um die zentrale Frage, inwieweit demokratische Institutionen u n d individuelle Freiheitsrechte durch die Ballung ökonomischer Macht in Frage gestellt werden. Ökonomische Macht vermittelt nicht nur Einfluß auf politische Entscheidungen, sondern entzieht sich - unter den herrschenden institutionellen Regeln - weitgehend einer demokratischen Kontrolle. Ein Teilaspekt dieser Debatte betrifft die mögliche G e f ä h r d u n g demokratischer Willensbildung durch die Konzentration im Bereich der Medien (insbesondere der Presse) 57 . Soweit der Einfluß der Unternehmenskonzentration auf wichtige wirtschaftspolitische Zielgrößen (Beschäftigung, Preisniveaustabilität, Wachstum, Verteilung) angesprochen ist, ergibt sich aus der Diskussion ein eher diffuses Bild. Beschäftigungs- u n d stabilitätspolitische Bemühungen 5 8 können durch eine (zunehmende) Konzentration sowohl gefördert als auch behindert werden. So wird einerseits darauf hingewiesen, d a ß die konjunkturelle Reagibilität konzentrierter Wirtschaftszweige wegen des vorherrschenden oligopolistischen Wettbewerbsverhaltens, wegen der regelmäßig besseren Risikostreuung diversifizierter U n t e r n e h m e n , wegen der Ressourcenverfügbarkeit großer Unternehmen u n d S5
Vgl. vor a l l e m H. Arndt (1971). E i n e k n a p p e Ü b e r s i c h t ü b e r d i e w i c h t i g s t e n A r g u m e n t e gibt R. Müller (1975).
F ü r Marx ist d i e z u n e h m e n d e K o n z e n t r a t i o n in d e r E i g e n g e s e t z l i c h k e i t des K a p i t a l i s m u s a n g e l e g t u n d b e g r ü n d e t letztlich d i e N o t w e n d i g k e i t (bzw. U n a u s w e i c h l i c h k e i t ) sein e r h i s t o r i s c h e n Ü b e r w i n d u n g . Selbst w e n n m a n d i e U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n f ü r w e n i g e r s c h i c k s a l h a f t h ä l t , b l e i b t gleichwohl die G e f ä h r d u n g k a p i t a l i s t i s c h e r M a r k t w i r t s c h a f t e n ein s e h r e r n s t zu n e h m e n d e s T h e m a . 57 Vgl. u . a . D. Grosser ( 1970). s * Vgl. K a p i t e l 3.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
59
wegen der besseren internationalen Wettbewerbsfähigkeit gemildert wird u n d d a h e r zu einer Stabilisierung der Beschäftigung führt 5 ''. Andererseits wird kritisch hervorgehoben, d a ß mit wachsender Konzentration im Unternehmensbereich eine z u n e h m e n d e Rigidität der Preise einhergeht, was u.a. dazu führt, d a ß auf gesamtwirtschaftliche Nachfragerückgänge nicht (oder nur stark verzögert) mit Preisreduktionen, sondern (zunächst) mit Mengeneinschränkungen reagiert wird - mit negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung 6 0 . Des weiteren wird die Vermutung geäußert, d a ß mit wachsender Marktmacht Preiserhöhungsspielräume genutzt werden, die zu einer Verstärkung (wenn nicht sogar zu einer eigenständigen Quelle) der Inflation führen 6 1 . Der Einfluß der Unternehmenskonzentration auf das Wirtschaftswachstum 62 wird überwiegend positiv beurteilt. Zur Begründung wird einerseits auf Kostenersparnisse durch großbetriebliche Produktion ( k n a p p e Ressourcen werden eingespart und f ü r a n d e r e produktive Verwendungen verfügbar) und andererseits auf die F ö r d e r u n g des technischen Fortschritts durch große Unternehmen verwiesen 6 '. Hinsichtlich der Wirkungen der Unternehmenskonzentration auf die Einkommens- und Vermögensverteilung 64 wird traditionell behauptet, d a ß die Ungleichheit verstärkt wird. Diese Aussage kann sich sowohl auf theoretische Erwägungen als auch auf empirische Befunde stützen. Durch Unternehmenskonzentration vermittelte Marktmacht ermöglicht die Erzielung höherer G e w i n n e u n d (von diesen nicht unabhängig) eine höhere Vermögensakkumulation in den Unternehmen und damit Vermögensbildung zugunsten der Eigentümer. Dem wird entgegengehalten, d a ß „monopolistische" Erträge nicht nur den Unternehmenseigentümern, s o n d e r n auch den Arbeitnehmern in Form höherer Entlohnung (bzw. verbesserter betrieblicher Sozialleistungen) zum Vorteil gereichen. Diese kursorischen Bemerkungen sind zweifellos nicht hinreichend f ü r eine fundiertere Beurteilung der U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n ; wir wollten jedoch den möglichen Eindruck vermeiden, als handelte es sich bei der hier angesprochenen Problematik allein um eine solche der Wettbewerbstheorie u n d -politik. Wettbewerbspolitische Aspekte Die mit der horizontalen Konzentration v e r b u n d e n e Verminderung der Anbieterzahl auf einem Markt kann, aber m u ß nicht notwendigerweise zu einer Verringerung des Wettbewerbs führen. D e n k b a r ist vielmehr auch, d a ß der Wettbewerb intensiviert wird. Andererseits besteht die wohlbegründete Vermutung, d a ß die Verringerung der Anbieterzahl die Wahrscheinlichkeit wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen erhöht; hierbei ist insbesondere an die von der Oligopoltheorie prognostizierte Neigung zu offenen u n d versteckten Verhaltensabstimmungen zu erinnern. Selbst wenn m a n die Wahrscheinlichkeit wettbewerbsbe5V
6
Zum Z u s a m m e n h a n g zwischen Konzentration und Oberhäuser ( 1979).
Konjunkturpolitik vgl. u.a. A.
" Vgl. Kapitel 1.
61
Vgl. dazu u.a. E. Käufer (1981, S. 578 ff.).
ftJ
Vgl. Kapitel 4.
6J
Mit diesen Argumenten werden wir uns noch kritisch auseinanderzusetzen h a b e n ; vgl. unten S. 63 ff.
64
Vgl. Kapitel 5.
60
K a p . 2: W e t t b e w e r b s p o l i t i k
s c h r ä n k e n d e r Praktiken h o c h einschätzt, w ä r e es d e n k b a r , d a ß die d a m i t verb u n d e n e n Nachteile a u f g e w o g e n oder sogar ü b e r k o m p e n s i e r t werden d u r c h gewisse ö k o n o m i s c h e Vorteile. Ein „ k l a s s i s c h e r " Rechtfertigungsgrund f ü r horizontale U n t e r n e h m e n s k o n zentration ist die B e h a u p t u n g , durch großbetriebliche (bzw. mehrbetriebliche) P r o d u k t i o n seien Kostenvorteile erzielbar. Diese s o g e n a n n t e n „ e c o n o m i e s of scale" ä u ß e r n sich d a r i n , d a ß die langfristigen Durchschnittskosten (Stückkosten) mit w a c h s e n d e r P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t sinken. In Abb. 3 wird eine solche Kostendegression illustriert. Bis zur „ m i n d e s t o p t i m a l e n Betriebsgröße" ( M m i n ) fallen die langfristigen Stückkosten, d a n a c h werden sie als k o n s t a n t , später als wieder ansteigend unterstellt 6 5 :
'S
t/3
Abb. 3
Mmin
Mma
*
Produktionskapazität
D e r f a l l e n d e Ast d e r langfristigen Stückkosten wird u.a. mit f o l g e n d e n Argumenten begründet66: • Spezialisierung D u r c h S p e z i a l i s i e r u n g auf b e s t i m m t e Tätigkeiten wird eine b e s o n d e r e G e s c h i c k l i c h k e i t u n d Fertigkeit e n t w i c k e l t ; dies gilt sowohl f ü r m a n u e l l e Tätigkeiten als a u c h f ü r o r g a n i s a torische Tätigkeiten (Management). • Unteilbarkeiten Bei vielen P r o d u k t i o n e n spielen technisch b e d i n g t e M i n d e s t g r ö ß e n v o n P r o d u k t i o n s a n l a gen e i n e gewichtige Rolle ( P r o d u k t i o n s a n l a g e n lassen sich nicht beliebig v e r k l e i n e r n ; sie sind nicht beliebig teilbar). O p t i m a l e N u t z u n g d e r P r o d u k t i o n s a n l a g e n e r f o r d e r t d a h e r eine b e s t i m m t e G r ö ß e d e r b e t r i e b l i c h e n P r o d u k t i o n . • Losgrößenersparnisse K o s t e n e r s p a r n i s s e k ö n n e n d u r c h längere P r o d u k t i o n s r e i h e n ( L o s g r ö ß e n ) erzielt w e r d e n ; auch dieser Vorteil liegt letztlich in der S p e z i a l i s i e r u n g . W e n n ζ. B. d i e U m r ü s t u n g v o n M a s c h i n e n a u f e i n e n a n d e r e n P r o d u k t t y p e r h e b l i c h e Zeit in A n s p r u c h n i m m t , steigen d i e K o s t e n mit k l e i n e r w e r d e n d e n L o s g r ö ß e n . • Investitionskosten-, Material- und Energieeinsparung Mit w a c h s e n d e r P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t n i m m t d e r Investitions-, M a t e r i a l - u n d E n e r g i e a u f w a n d h ä u f i g u n t e r p r o p o r t i o n a l zu.
N e b e n den auf den einzelnen Betrieb bezogenen Kostenvorteilen werden solche f ü r die mehrbetriebliche Produktion b e h a u p t e t : D u r c h Dezentralisierung von P r o d u k t i o n e n in mehreren Betrieben j e U n t e r n e h m e n lassen sich eine Reihe v o n Vorteilen realisieren. D u r c h räumliche Dezentralisierung k ö n n e n T r a n s p o r t k o "
Bei d e m a b g e b i l d e t e n K o s t e n v e r l a u f h a n d e l t es sich nicht um e i n e D a r s t e l l u n g tatsächlich b e o b a c h t e t e r B e d i n g u n g e n , s o n d e r n lediglich u m die Illustration eines A r g u m e n t s . A u s f ü h r l i c h d a z u E. Kaufer (1981, S. 6 6 ff.).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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sten gesenkt w e r d e n . D u r c h Verteilung der P r o d u k t i o n auf v e r s c h i e d e n e Betriebe lassen sich Losgrößenvorteile besser nutzen, Störungsrisiken bei P r o d u k tionsausfällen besser verteilen usw. A n g e n o m m e n , die langfristigen S t ü c k k o s t e n w ü r d e n s t ä n d i g fallen, so w ü r d e es sich aus k o s t e n ö k o n o m i s c h e n G r ü n d e n e m p f e h l e n , die P r o d u k t i o n eines M a r k t e s in einem Betrieb zu konzentrieren 6 7 . Selbst wenn die d u r c h s c h n i t t l i c h e n Kosten mit steigender K a p a z i t ä t u n v e r ä n d e r t bleiben, w ü r d e d e m W a c h s t u m von Betrieben (bzw. U n t e r n e h m e n ) insoweit keine G r e n z e gesetzt 68 . K o s t e n ö k o n o m i s c h e Begrenzungen w ü r d e n sich j e d o c h d a n n ergeben, wenn die langfristigen Stückkosten nach Überschreiten einer o p t i m a l e n M a x i m a l g r ö ß e ( M m a x in A b b . 3) ansteigen. Als mögliche G r ü n d e d a f ü r werden i n s b e s o n d e r e ü b e r p r o p o r tional steigende Kosten d e r O r g a n i s a t i o n , d . h . Ineffizienzen im Bereich d e r Lenkung, Koordination, Planung und Kontrolle, genannt. Offensichtlich ist die Frage, inwieweit e c o n o m i e s of scale eine Rolle spielen, von einiger B e d e u t u n g f ü r wettbewerbspolitische E r w ä g u n g e n . D e n n eine Politik d e r K o n z e n t r a t i o n s b e s c h r ä n k u n g bzw. der D e k o n z e n t r a t i o n ließe sich nicht o h n e weiteres rechtfertigen, w e n n diese mit einem erheblichen Effizienzverlust v e r b u n d e n wäre. Die vorliegenden e m p i r i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n 6 9 liefern d a z u keine eindeutigen B e f u n d e . E c o n o m i e s of scale h a b e n o f f e n b a r ( u n d nicht ü b e r r a s c h e n d ) u n terschiedlich große B e d e u t u n g in d e n einzelnen Wirtschaftszweigen. A u c h bei z u r ü c k h a l t e n d e r I n t e r p r e t a t i o n d e r Ergebnisse läßt sich feststellen, d a ß g r o ß b e triebliche (und m e h r b e t r i e b l i c h e ) Kostenvorteile keine h i n r e i c h e n d e E r k l ä r u n g f ü r d a s in einigen L ä n d e r n b e o b a c h t e t e Niveau der h o r i z o n t a l e n K o n z e n t r a t i o n liefern. M . a . W., in einigen Industrien sind die U n t e r n e h m e n größer, als sich dies d u r c h P r o d u k t i o n s k o s t e n v o r t e i l e allein rechtfertigen ließe. Ferner d e u t e n m a n c h e U n t e r s u c h u n g e n d a r a u f hin, d a ß in einer g r ö ß e r e n Z a h l v o n I n d u s t r i e n Betriebe ( U n t e r n e h m e n ) mit s u b - o p t i m a l e r G r ö ß e keine b e d e u t e n d e n P r o d u k t i o n s k o s t e n n a c h t e i l e haben 7 0 . Freilich gibt es eine Vielzahl weiterer A r g u m e n t e , die Kostenvorteile f ü r größere U n t e r n e h m e n (einschließlich solcher mit vertikaler u n d k o n g l o m e r a t e r Int e g r a t i o n ) b e g r ü n d e n k ö n n e n . Dies sind vor allem Kostenvorteile im Bereich d e r B e s c h a f f u n g , des Vertriebs, der W e r b u n g u n d der F i n a n z i e r u n g . D a eine detaillierte Diskussion der g e n a n n t e n A s p e k t e hier nicht erfolgen k a n n , müssen folg e n d e stark verkürzte u n d v e r e i n f a c h t e Hinweise g e n ü g e n . Kostenvorteile im Beschaffungsbereich ergeben sich vor allem durch niedrigere Preise von Vorprodukten (z. B. durch Gewährung von Mengenrabatten). Hierbei muß allerdings der 47
Diese Aussage muß möglicherweise modifiziert werden, wenn die Transportkosten (die von der räumlichen Ausdehnung der Märkte, der Art der transportierten Güter, den vorhandenen Transporttechniken, der Verkehrsinfrastruktur etc. abhängen) berücksichtigt werden. Λ " Selbstverständlich wird eine Grenze durch die Höhe der jeweiligen Marktnachfrage gezogen. ** Auf die in diesen Untersuchungen angewendeten Verfahren und deren Problematik kann hier ebensowenig eingegangen werden wie auf die differenzierten Ergebnisse der zahlreichen Einzeluntersuchungen. Wir müssen auf die Literatur verweisen; einen Überblick gibt u.a. E. Käufer ( 1981, S. 58 ff.). 7 " Vgl. u.a. F.M. Scherer (1980).
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Kap. 2: Wettbewerbspolitik
U m s t a n d beachtet werden, d a ß große Unternehmen auch in der Lage sein k ö n n e n , Preiszugeständnisse vermittels ihrer Macht als Nachfrager durchzusetzen. Im Bereich des Vertriebs und in der W e r b u n g mögen hohe Fixkosten zu einer Kostendegression führen. Ein wesentlicher Vorteil für G r o ß u n t e r n e h m e n d ü r f t e sich bei der Finanzierung (von Investitionen) ergeben. G r o ß u n t e r n e h m e n , die regelmäßig als Kapitalgesellschaften organisiert sind, haben einen wesentlich besseren Z u g a n g zu den (nationalen und internationalen) Kapitalmärkten als kleinere Unternehmen. Die Finanzierung über Beteiligungspapiere (z.B. Aktien) ist ein Weg der Eigenfinanzierung, der den Personengesellschaften g r u n d sätzlich versperrt ist. Die E r f a h r u n g zeigt ferner, d a ß die G e w ä h r u n g von G r o ß k r e d i t e n durch Banken regelmäßig zu günstigeren (Zins-)Konditionen erfolgt. Dies dürfte u.a. darauf z u r ü c k z u f ü h r e n sein, d a ß einerseits G r o ß u n t e r n e h m e n über eine bessere Verhandlungsposition verfügen und andererseits die „ B o n i t ä t " von G r o ß u n t e r n e h m e n durch die Kreditgeber höher eingeschätzt wird 71 .
Fragt man nach den Motiven für vertikale Unternehmensintegration, so werden economies of scale ebenfalls genannt, jedoch treten einige andere gewichtige Argumente hinzu. Vertikal integrierte U n t e r n e h m e n k ö n n e n sich gegen mögliche Risiken im Beschaffungs- und Absatzbereich absichern. So können Engpässe und Qualitätsminderungen bei der Beschaffung von Vorprodukten vermieden bzw. Absatzwege gesichert werden. Zudem bietet die vertikale Integration einen gewissen Schutz vor Zugangssperren durch marktmächtige Konkurrenten. Freilich läßt sich dieses Argument auch u m k e h r e n : Vertikal integrierte Unternehmen k ö n n e n ihre Machtposition mißbräuchlich dazu benutzen, Konkurrenten beim Z u g a n g zu den Absatz- u n d Beschaffungsmärkten zu behindern. Diese Behinderung kann sich nicht nur gegen aktuelle, sondern auch gegen potentielle Konkurrenten richten (vertikale Integration als Instrument der Marktzugangsbeschränkung)" 2 . In jüngerer Zeit wurde auf einen weiteren Aspekt hingewiesen: die vertikale Integration von Unternehmen vermindert die sogenannten Transaktionskosten 7 '. Üblicherweise sichern Unternehmen den Bezug und Absatz von Gütern durch Verträge. Die Suche nach geeigneten Vertragspartnern u n d die vertragliche Vereinbarung selbst verursacht K o s t e n ; die Möglichkeit der Vertragsverletzung bedeutet Risiko. Beides kann durch vertikale Integration vermindert werden. Dem Wachstum von Unternehmen in horizontaler u n d vertikaler Richtung wird nicht selten d a d u r c h eine Grenze gezogen, d a ß das Volumen der jeweiligen M a r k t n a c h f r a g e ausgeschöpft ist. Diese Grenze kann durch Diversifikation des Produktionsprogramms, durch Erschließung zusätzlicher Märkte hinausgeschoben werden (Produkterweiterung bzw. Markterweiterung). Aber selbst dort, wo derartige Grenzen nicht relevant sind, d ü r f t e die Diversifikation erhebliche Vorteile besitzen. In erster Linie ist an die Verminderung des (Verlust-)Risikos zu d e n k e n . Je weiter das Prod u k t i o n s p r o g r a m m gestreut ist, je stärker der Absatz über zahlreiche Märkte verteilt ist, um so geringer ist i.d. R. das unternehmerische Risiko. N a c h f r a g e s c h w a n k u n g e n und -ver-
71
Vgl. oben S. 51.
73
Vgl. J. S. Bain (1967).
71
Z u m Begriff der Transaktionskosten vgl. Kapitel 1. Das Konzept der Transaktionskosten selbst ist nicht neu (vgl. R. Coase, 1937); jüngeren D a t u m s ist die systematische Einbeziehung in wettbewerbstheoretische u n d -politische Überlegungen; vgl. u.a. O.E. Williamson (1971).
K a p . 2: W e t t b e w e r b s p o l i t i k
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S c h i e b u n g e n w i r k e n sich bei d i v e r s i f i z i e r t e n U n t e r n e h m e n w e n i g e r s t a r k a u s als bei m o n o strukturierten Unternehmen. E v e n t u e l l a u f t r e t e n d e G e w i n n r ü c k g ä n g e o d e r Verluste in e i n z e l n e n M ä r k t e n k ö n n e n in ein e m d i v e r s i f i z i e r t e n U n t e r n e h m e n intern a u s g e g l i c h e n w e r d e n ; d i e E x i s t e n z b e d r o h u n g wird d a d u r c h v e r m i n d e r t . D i e s e r A s p e k t d ü r f t e e r h e b l i c h e B e d e u t u n g h a b e n bei d e r Finanzierung konglomerater U n t e r n e h m e n , denn die Bereitschaft zur Kreditgewährung steigt mit s i n k e n d e m Risiko.
Man wird freilich zu bedenken haben, d a ß konglomerate Unternehmen die Möglichkeit haben, kämpferische Strategien gegenüber Wettbewerbern anzuwenden. Interner Verlustausgleich k ö n n t e eine Verdrängung von Konkurrenten durch gezielte Preisunterbietung auf Einzelmärkten erlauben (konglomerate Unternehmen haben gleichsam „tiefe Taschen"). Allein die D r o h u n g mit K a m p f strategien mag ausreichen, um kleinere und spezialisierte Unternehmen zu disziplinieren. Ein weiterer wettbewerbsbeschränkender Effekt k a n n sich aus der Anwendung des „reciprocal dealing" durch konglomerate U n t e r n e h m e n ergeben. Je stärker Unternehmen diversifiziert sind, um so wahrscheinlicher wird der Fall, d a ß ihre Geschäftspartner in einzelnen Markt- bzw. Produktbereichen sowohl Lieferanten als auch K u n d e n sind 74 . Es ist naheliegend, d a ß derartige Konstellationen mißbräuchlich ausgenutzt werden k ö n n e n . Schließlich sei auf die generelle G e f ä h r d u n g des Wettbewerbs hingewiesen, die sich nicht nur aus der Verminderung potentieller K o n k u r r e n z durch die Errichtung von Marktzutrittsbarrieren ergibt, sondern aus dem Umstand, d a ß mit fortschreitender konglomerater Konzentration wenige relativ große Unternehmen in einer z u n e h m e n d e n Zahl von Märkten in Berührung geraten, mit der Folge steigender „oligopolistischer Interdependenz". Diese begünstigt mit hoher Wahrscheinlichkeit friedfertige, kooperative Verhaltensweisen, den weitgehenden Verzicht auf kompetitive Strategien, die Mentalität des „ A u f e i n a n d e r - R ü c k sicht-Nehmens" 7 5 . J.A. Schumpeter"' wird immer wieder als Protagonist der These in Anspruch g e n o m m e n , große Unternehmen seien die „ P r o d u z e n t e n " des technischen Fortschritts77. Dieses Argument bildet einen zentralen Gegenstand der Konzentrationsdebatte. Von G r o ß u n t e r n e h m e n wird vor allem deshalb eine F ö r d e r u n g des technischen Fortschritts erwartet, weil diese • d i e mit d e r F o r s c h u n g u n d E n t w i c k l u n g ( F & E) v e r b u n d e n e n h o h e n K o s t e n u n d Risik e n b e s s e r zu t r a g e n in d e r L a g e s i n d als k l e i n e r e U n t e r n e h m e n ; • „ e c o n o m i e s of s c a l e " a u c h im F & Ε-Bereich r e a l i s i e r e n k ö n n e n ; • w e g e n i h r e r besser e n t w i c k e l t e n A b s a t z o r g a n i s a t i o n zu e i n e r s c h n e l l e r e n technischer Neuerungen beitragen;
Verbreitung
• i n e f f i z i e n t e P a r a l l e l e n t w i c k l u n g e n im F & Ε - B e r e i c h v e r m e i d e n k ö n n e n .
74
"
M a n k a n n sich leicht n o c h w e s e n t l i c h k o m p l i z i e r t e r e V e r k e t t u n g e n v o r s t e l l e n . Einen Überblick über die wettbewerbspolitischen Argumente gegen konglomerate Unt e r n e h m e n s z u s a m m e n s c h l ü s s e gibt u . a . B. Veltrup ( 1975, S. 40 ff.).
Vgl. J. A. Schumpeter ( 1950). 77
Z u r D e f i n i t i o n d e s t e c h n i s c h e n F o r t s c h r i t t s vgl. K a p i t e l 4.
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Kap. 2: Wettbewerbspolitik
So plausibel diese Aussagen auch sein m ö g e n , ihre u n e i n g e s c h r ä n k t e empirische Bestätigung h a b e n sie nicht gefunden 7 8 · 7 9 . D i e v o r l i e g e n d e n B e f u n d e lassen sich stark vergröbert etwa wie folgt z u s a m m e n f a s s e n : • Zwischen Unternehmensgröße und (relativem) F & Ε-Aufwand (gemessen an den F & EInvestitionen, Personalausgaben für Techniker, Wissenschaftler etc.) scheint es keinen generellen Zusammenhang zu geben. In einigen Wirtschaftszweigen ist jedoch eine enge Beziehung zwischen den hier relevanten Größen festgestellt worden (die chemische Industrie wird beispielsweise wiederholt genannt). • Die Beobachtungen sprechen dagegen, daß Großunternehmen erfolgreichere F & E-Aktivitäten entwickeln. Der „output" von F & E scheint zunächst mit wachsender Unternehmensgröße anzusteigen, jedoch nach Überschreiten eines Optimums wieder zu fallen. • Großunternehmen scheinen F & E weniger effizient (i.S. eines Vergleichs von Aufwand und Ertrag) zu betreiben als kleinere Unternehmen. Als Gründe dafür werden vermutet: Trägheiten bürokratischer Organisation, „laxere" Kostenkontrolle und zur Kreativität nicht besonders anregende „Umweltbedingungen" in Großunternehmen. • Der Zusammenhang zwischen Marktstruktur (Konzentrationsgrad) und Innovation ist weitgehend unklar: die empirischen Befunde variieren sehr stark. Das dürfte vor allem daran liegen, daß der Konzentrationsgrad kein besonders gut geeigneter Indikator für die Intensität des aktuellen und potentiellen Wettbewerbs ist. Es erscheint plausibel anzunehmen, daß mit wachsender Konzentration und abnehmender aktueller Wettbewerbsintensität die Anstrengungen, neue Produktionsverfahren und neue Produkte einzuführen, nachlassen. Zu einer gegenteiligen Aussage kann man gelangen, wenn man die potentielle Konkurrenz berücksichtigt. Diese dürfte einen starken Druck auf die innovatorischen Anstrengungen der etablierten Unternehmen ausüben. Deshalb sind - auch in diesem Kontext die Bedingungen des Marktzutritts ein wesentliches, aber statistisch nicht leicht zu erfassendes Element der Marktstruktur. Ein gewisses Ausmaß „monopolistischer Macht" scheint eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Durchsetzung des technischen Fortschritts zu sein. Üblicherweise w i r d die k a u s a l e Beziehung zwischen K o n z e n t r a t i o n u n d techn i s c h e m Fortschritt betrachtet. M a n k a n n a b e r a u c h die u m g e k e h r t e F r a g e stellen: welche W i r k u n g e n hat der technische Fortschritt auf die U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n ? A u c h hier sind die Z u s a m m e n h ä n g e u n k l a r . D e r technische Fortschritt k a n n sowohl k o n z e n t r a t i o n s f ö r d e r n d sein (sofern er z. B. zu g r ö ß e r e n m i n d e s t o p t i m a l e n Betriebs- u n d U n t e r n e h m e n s g r ö ß e n f ü h r t ) als auch k o n z e n t r a t i o n s h e m m e n d (ein wichtiger G r u n d m a g d a r i n gesehen w e r d e n , d a ß d a s S p e k t r u m der Substitutionsmöglichkeiten d u r c h t e c h n i s c h e n Fortschritt vergrößert wird).
78
Empirische Tests der hier interessierenden Zusammenhänge erweisen sich sowohl aus methodischen Gründen als auch wegen der häufig unzureichenden statistischen Daten als schwierig. Um ein Beispiel zu nennen: Was in F & E „hineingesteckt" wird, läßt sich relativ genau ermitteln, nicht jedoch, was dabei „herauskommt". Verwendet man als Indikator des Erfolgs von F & Ε ζ. Β. die Zahl der angemeldeten Patente, so mag dies ein schlechter Maßstab sein; denn einerseits ist vieles (insb. im Bereich der Grundlagenforschung) nicht patentierbar und andererseits ist nicht erkennbar, ob gewissermaßen totaler Unfug oder wirklich bahnbrechende Neuerungen patentiert werden. Ferner muß bedacht werden, daß patentierbare Neuerungen gekauft werden können. Es wird häufig vermutet, daß insb. Großunternehmen starke Aktivitäten beim Erwerb von technischen und organisatorischen Innovationen entfalten. Die Patentstatistik enthält daher möglicherweise Verzerrungen.
79
Einen guten Überblick geben M. I. Kamien. N. L. Scliwarlz (1975), vgl. ferner V. Müller (1975). Eine empirische Studie für die Bundesrepublik hat J. Tabbert (1974) vorgelegt.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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Trotz aller verbleibenden Unsicherheiten k a n n die Aussage, fortschreitende Unternehmenskonzentration sei notwendig u n d nützlich, weil sie den technischen Fortschritt fördert, nicht als ausreichend belegt angesehen werden. N i m m t man die Einwände hinzu, die gegen die behauptete kostensenkende Wirkung der Konzentration vorgetragen werden, so verbleibt wenig Positives - nicht i.S. einer einzelwirtschaftlichen, sondern gesamtwirtschaftlichen Betrachtung. Der häufig geäußerte Verdacht, Konzentrationsstrategien dienten vor allem der Erringung u n d Sicherung von Macht, k a n n jedenfalls nicht als entkräftet gelten. Im nachfolgenden Abschnitt wird zu erörtern sein, inwieweit die Wettbewerbspolitik auf der G r u n d l a g e des G W B d a s Entstehen u n d die Verstärkung von wirtschaftlicher Macht sowie deren mißbräuchliche Ausnutzung zu verhindern vermag.
5. Grundzüge der Wettbewerbspolitik in der Bundesrepublik Deutschland Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 5.1 Vorbemerkungen Das im Jahre 1957 nach langwierigen Beratungen, heftigen politischen Auseinandersetzungen und massiver E i n f l u ß n a h m e durch Verbände verabschiedete Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen („Kartellgesetz") 8 0 ist von m a n c h e n Beobachtern euphemistisch als „Grundgesetz der Marktwirtschaft" gefeiert worden, und es wurden hohe Erwartungen in d a s damit geschaffene wettbewerbspolitische und -rechtliche Instrumentarium gesetzt. Seither scheint dieser Optimismus einer eher skeptischen Einschätzung gewichen zu sein. Die bislang gesammelten Erfahrungen - über die noch zu berichten sein wird - machen dies nur allzu verständlich. Bei der A n w e n d u n g des G W B zeigten sich alsbald erhebliche Lücken, die der Gesetzgeber durch Novellierungen des Gesetzes in den Jahren 1965, 1973, 1976 und zuletzt 1980 zu schließen versuchte. Als einschneidend kann die Gesetzesnovelle 1973 bezeichnet w e r d e n ; sie stellte die Wettbewerbspolitik in der Bundesrepublik auf eine neue konzeptionelle G r u n d l a g e 8 ' . Erstmals wurde die Möglichkeit geschaffen, gegen wettbewerbsbeschränkende U n t e r n e h m e n s z u s a m m e n schlüsse vorzugehen (sogenannte Fusionskontrolle), die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen wesentlich verschärft, die sogenannte „Preisbindung der zweiten H a n d " faktisch beseitigt (und durch die Zulassung „unverbindlicher Preisempfehlungen" ersetzt) sowie zusätzliche Kooperationserleichterungen f ü r die mittelständische Wirtschaft eingeführt. Wir haben nicht die Absicht, einen vollständigen Überblick über das G W B seine Instrumente, Verfahren, institutionellen Regelungen - zu geben 8 2 ; wir beschränken uns bewußt auf einige wichtige Aspekte. 80
Zur Entwicklungsgeschichte des GWB vgl. R. Roberl (1976).
"
Vgl. unsere Ausführungen zur Konzeption des „funktionsfähigen Wettbewerbs", oben S. 43 ff.
82
Wir verzichten ferner auf die Erörterung weiterer wettbewerbspolitisch relevanter gesetzlicher Regelungen, obwohl etwa das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ( U W G ) mit dem G W B in einem inneren Zusammenhang steht. Außer Betracht bleibt auch das Europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 65 und 66 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl - EGKS; Art. 85 und 86 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - EWG). Der Leser findet breite Darstellungen in der umfangreichen juristischen Literatur zum Wettbewerbsrecht; vgl. u.a. V. Emmerich (1979), F. Rillner (1981).
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Kap. 2: Wettbewerbspolitik 5 . 2 K a r t e l l v e r b o t ; Verbot a b g e s t i m m t e n V e r h a l t e n s
In § 1 , 1 G W B w i r d e i n g r u n d s ä t z l i c h e s Verbot 8 3 von Kartellen a u s g e s p r o c h e n . Bei d e r I n t e r p r e t a t i o n d e s K a r t e l l v e r b o t s e r g e b e n s i c h e i n e R e i h e v o n P r o b l e m e n , d i e i n s b e s o n d e r e im j u r i s t i s c h e n S c h r i f t t u m e i n g e h e n d e r ö r t e r t w e r d e n 8 4 . U n s soll h i e r n u r e i n A s p e k t i n t e r e s s i e r e n , n ä m l i c h d i e A u s l e g u n g d e s Vertragsbegriffs. W ä h r e n d die R e c h t s p r e c h u n g d e n Vertragsbegriff z u n ä c h s t weit a u s z u l e g e n geneigt war, k a m es später zu dessen E i n e n g u n g . In d e m w e n i g r ü h m l i c h e n „ T e e r f a r b e n b e s c h l u ß " vertrat der B G H die Auffassung, d a ß der Vertragsbegriff d e s B G B u n e i n g e s c h r ä n k t a n z u w e n d e n sei ( d . h . e i n e d u r c h A n g e b o t u n d A n n a h m e herbeigeführte Willensübereinstimmung der Parteien). D a m i t war das Kartellverbot faktisch ausgehöhlt. Fall" 1 : Die großen europäischen Farbenhersteller trafen sich im J a h r 1967 zu einem Inform a t i o n s · und Erfahrungsaustausch. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Vertreter eines schweizerischen U n t e r n e h m e n s , seine Gesellschaft habe die Absicht, die Preise für Farbstoffe zum 16.10.1967 um 8% zu erhöhen. D a r a u f h i n erhöhten praktisch alle Produzenten ihre Preise gleichförmig um 8% zum genannten Termin. D a s Bundeskartellamt (BKartA) schloß aus diesem Vorgang auf eine Willensübereinstimmung und verhängte gegen 4 g r o ß e deutsche Hersteller G e l d b u ß e n . Das Kammergericht in Berlin hob den Bußgeldbescheid mit der Begründung auf, die A n n a h m e einer vertraglichen Bindung der betreffenden U n t e r n e h m e n sei nicht überzeugend nachgewiesen worden. Die Rechtsbeschwerde des B K a r t A wurde 1970 vom BGH in der g e n a n n t e n Entscheidung abgewiesen. D e r Gesetzgeber hat aus dieser (und anderen) Gerichtsentscheidungen Konseq u e n z e n g e z o g e n u n d in d e r 2. N o v e l l e z u m G W B ( 1 9 7 3 ) e i n Verbot a b g e s t i m m ten V e r h a l t e n s e i n g e f ü h r t (§ 2 5 , II G W B ) 8 6 . E s u n t e r l i e g t k e i n e m Z w e i f e l , d a ß d i e p r a k t i s c h e A n w e n d u n g des Verbotes w e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k e n d e r V e r h a l t e n s a b s t i m m u n g e n e r h e b l i c h e B e w e i s s c h w i e r i g k e i t e n m i t s i c h b r i n g t , „ z u m a l in V e r O b w o h l in § 1 G W B nur von der Unwirksamkeit bestimmter Verträge und Beschlüsse die Rede ist, kann gleichwohl von einem Kartellverbot gesprochen werden, denn die Praktizierung eines unzulässigen Kartells ist verboten u n d strafbar (§§ 37a, I und 38, I, I GWB). *4 Umstritten ist u.a., in welchem Verhältnis d e r Vertrag (Beschluß) zur Wettbewerbsbes c h r ä n k u n g steht. Bei sehr restriktiver Auslegung wird davon ausgegangen, d a ß die Wettbewerbsbeschränkung Gegenstand des Vertrags (Beschlusses) sein m u ß (sog. Gegenstandstheorie); die wettbewerbsbeschränkende Wirkung oder auch nur der Zweck bleibt dabei außer Betracht. Diese Interpretation erscheint wettbewerbspolitisch äußerst bedenklich, d e n n es verlangt nur geringes Geschick, den Vertragsgegenstand zu tarnen. Eine weitergehende Interpretation stellt auf den Zweck ab, den die Vertragsparteien verfolgen (sog. Zwecktheorie). Die Erforschung des Willens d ü r f t e prinzipiell schwierig sein: die A n w e n d u n g des Kartellverbots stößt deshalb auf erhebliche Beweisprobleme. Bei weiter Auslegung - die wettbewerbspolitisch geboten erscheint - wird weder auf den Gegenstand noch auf den Zweck abgestellt, sondern lediglich auf die W i r k u n g des Vertrages (Beschlusses). Diese sog. Folgetheorie beginnt sich durchzusetz e n ; sie wird jedoch gelegentlich insoweit eingeschränkt, als nur die Folgen Berücksichtigung finden sollen, die bei Abschluß des Vertrages objektiv voraussehbar waren. Vgl. d a z u V. Emmerich (1979). "5
E i n e genauere Fallschilderung (mit Quellennachweisen) gibt I. Schmidt ff.).
u
Die Unbestimmtheit des Begriffes der „ V e r h a l t e n s a b s t i m m u n g " ist bereits erörtert word e n (vgl. oben S. 54 f.).
(1981, S. 153
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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dacht geratene Unternehmen o f f e n k u n d i g e Übereinstimmungen im Einsatz ihrer Aktionsparameter zumeist unwiderlegbar als lediglich bewußtes und damit statthaftes Parallelverhalten darstellen können" 8 7 . Weiterhin ist daran zu erinnern, d a ß Verhaltensabstimmungen auch d a d u r c h erfolgen k ö n n e n , d a ß ζ. B. V e r b ä n d e ein bestimmtes Verhalten anraten. Deshalb enthält das G W B in § 38, I, 11 ein prinzipielles Empfehlungsverbot, von dem jedoch zahlreiche Ausnahmen zugelassen sind. Das Kartellverbot ist durch so zahlreiche Ausnahmen durchlöchert, d a ß man durchaus sagen kann, das Kartellverbot stelle die Ausnahme, die Zulassung des Kartells hingegen den Regelfall dar 8 ". Wir verzichten auf eine Aufzählung u n d Kommentierung der einzelnen Ausnahmen 8 9 . Wir wollen lediglich exemplarisch verdeutlichen, d a ß sich prinzipiell jede Kartellform als wettbewerbsbeschränkend erweisen kann. Die Zulässigkeit von Rabattkartellen''" wird u.a. damit gerechtfertigt, d a ß sie die Markttransparenz erhöhen, eine schädliche „ R a b a t t s c h l e u d e r e i " verhindern und den Wettbewerb auf ein wesentliches Element - den Preis - beziehen. Wie wir bereits gesehen haben, wird sich aber ein Rabattkartell unter den marktstrukturellen Bedingungen eines engen Oligopois mit weitgehend homogenen Produkten sehr wahrscheinlich so auswirken, d a ß selbst ein verdeckter Preiswettbewerb unterbunden wird. G a n z ähnliche Bedenken, wie sie gegen Rabattkartelle erhoben werden, lassen sich z. B. gegen Konditionen-, Rationalisierungs- und Spezialisierungskartelle geltend m a c h e n ; auch diese Kartellformen sind geeignet, unter bestimmten marktstrukturellen Gegebenheiten den verbleibenden „Restwettbewerb" auszuschalten. Noch problematischer als die zahlreichen Einzelausnahmen vom Kartellverbot ist die weitgehende Freistellung (§§ 99-103a G W B ) einiger sehr bedeutender Wirtschaftszweige von den Vorschriften des G W B 9 1 ; dies sind vor allem: • • • • •
die die der die die
Verkehrswirtschaft, Land- u n d Forstwirtschaft, Montanbereich (Kohle u n d Stahl), Kredit- und Versicherungswirtschaft, Versorgungswirtschaft (Elektrizitäts-, Gas- u n d Wasserversorgung).
87
H. Berg (1981, S. 246).
88
Vgl. V. Emmerich
(1979, S. 70 f.).
"" Ein kommentierter Überblick findet sich bei H. Berg (1981, S. 248 ff.). Die zugelassenen Kartelle unterliegen der Mißbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt (vgl. unten).
90
"
Erwähnenswert erscheint n o c h , d a ß der Bundeswirtschaftsminister auf Antrag jedes Kartell zulassen k a n n , „ w e n n ausnahmsweise die Beschränkung des Wettbewerbs aus überwiegenden G r ü n d e n der Gesamtwirtschaft und des G e m e i n w o h l s notwendig ist" (§ 8, I G W B ) . Auf die Problematik der Ministererlaubnis wird noch in anderem Zusamm e n h a n g einzugehen sein (vgl. unten S. 84 f.). Sofern der Nachweis erbracht wird, d a ß Rabatte ein „echtes Leistungsentgelt" sind u n d nicht zu einer „ungerechtfertigt unterschiedlichen B e h a n d l u n g " führen (vgl. im einzelnen § 3, I GWB). U n t e r n e h m e n , die den nachfolgend genannten Wirtschaftszweigen angehören, unterliegen der Mißbrauchsaufsicht d u r c h das BKartA u n d d a r ü b e r hinaus i.d. R. einer besonderen staatlichen Fachaufsicht (Beispiel: Aufsicht über Banken u n d Versicherungen).
68
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
Zur Rechtfertigung dieser Freistellungen werden sehr unterschiedliche Argumente angeführt 9 2 ; sie beziehen sich in ihrem Kern d a r a u f , d a ß in den genannten Wirtschaftszweigen Wettbewerb angeblich nicht die von ihm erwarteten Funktionen zu erfüllen vermag. Bei näherer P r ü f u n g (die hier nicht vorgenommen werden k a n n ) zeigt sich allerdings, d a ß die behaupteten „ B e s o n d e r h e i t e n " dieser Wirtschaftszweige Wettbewerb keineswegs grundsätzlich ausschließen, vielmehr sind die Freistellungen überwiegend auf politische Macht von organisierten Interessen der jeweiligen Wirtschaftszweige zurückzuführen 9 3 . 5.3 Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen Bei der Mißbrauchskontrolle über marktbeherrschende grundsätzlich drei Schritte erforderlich, u n d zwar
Unternehmen
sind
(1) die Abgrenzung des „relevanten Marktes", (2) die Feststellung der Marktbeherrschung, (3) der Nachweis des Mißbrauchs. 5.3.1 Abgrenzung des „relevanten Marktes" Offensichtlich ist eine Marktabgrenzung notwendig, wenn man feststellen will, ob ein Einzelunternehmen oder eine G r u p p e von U n t e r n e h m e n eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Eine Marktabgrenzung ist (a) in sachlicher, (b) in räumlicher u n d gelegentlich auch (c) in zeitlicher 94 Hinsicht erforderlich. Von den theoretischen und praktisch-empirischen Methoden der sachlichen Marktabgrenzung seien hier nur wenige Varianten angedeutet 9 5 : Man stelle sich alle Güter wie auf einer Perlenkette aufgereiht vor. Einzelne G r u p p e n von Perlen stehen dicht nebeneinander (Güter mit engen Substitutionsbeziehungen) u n d sind von anderen durch Lücken („Substitutionslücken") getrennt. Derartige Lücken in der Substitutionskette können nun als Marktgrenzen interpretiert werden. Um die Stärke (bzw. Schwäche) der Substitutionsbeziehungen festzustellen, kann auf das Konzept der Kreuzpreiselastizität zurückgegriffen werden. Die Kreuzpreiselastizität setzt die relative Änderung der mengenmäßigen N a c h f r a g e nach einem Gut A in Beziehung zu einer relativen Preisänderung eines Gutes B. Ein positiver Wert der Kreuzpreiselastizität zeigt, d a ß es sich bei den betrachteten Gütern um Substitute handelt. Obwohl diese M e t h o d e zur Messung von Substitutionsbeziehungen - und damit zur Abgrenzung von Märkten - recht plausibel erscheint, ist sie f ü r praktische Zwecke nicht direkt anwendbar. Die Kreuzpreiselastizität zwischen zwei Gütern wird unter der A n n a h m e abgeleitet, daß alle a n d e r e n G r ö ß e n , die sonst noch auf Nachfrageverschiebungen Einfluß haben k ö n n t e n , konstant bleiben. Tatsächlich könnten sich beispielsweise zugleich die Einkommen, die KäuferVgl. dazu u.a. F. Rittner ( m \ , S. 136 ff.). "
Vgl. auch V. Emmerich
'4
Dieser Fall sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, aber nicht weiter berücksichtigt.
(1979, S. 278).
'5
Genauer dazu M. Bartimg (1980, S. 92 ff.), I. Schmidt
(1981, S. 27 ff.).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
69
Präferenzen etc. geändert haben. Selbstverständlich ist die Konstanz aller übrigen Einflußgrößen in der Realität regelmäßig nicht gegeben. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, d a ß nicht allein Preisänderungen zu einer N a c h f r a g e ä n derung führen müssen, sondern z.B. auch Qualitätsänderungen. Deren Quantifizierung bereitet jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Zudem darf nicht übersehen werden, d a ß der Wert der Kreuzpreiselastizität durch den Einsatz unternehmerischer Aktionsparameter wie Werbung, Absatzu n d Vertriebsmethoden, Service und dergl. beeinflußbar ist. Die Marktabgrenzung wird damit abhängig von der Strategie der Unternehmen 9 6 . Für praktische Zwecke der Marktabgrenzung hat man auf Hilfskonstruktionen zurückgreifen müssen. Gelegentlich wird das Konzept der physikalisch-technischen Äquivalenz angewendet und alle Güter mit physikalisch-technisch gleichen Eigenschaften einem Markt zugeordnet. Dieses Konzept mag möglicherweise für Investitionsgüter und industrielle Zwischenprodukte a n w e n d b a r sein; für Konsumgüter erscheint es wenig brauchbar. Für K o n s u m e n t e n stehen weniger die technischen Eigenschaften der Güter im Vordergrund als vielmehr ihre Eignung, bestimmte subjektiv e m p f u n d e n e Bedürfnisse zu befriedigen. Auch technisch-physikalisch ganz unterschiedliche Güter k ö n n e n in der Einschätzung der K o n s u m e n t e n völlig äquivalent sein. Diese Überlegungen f ü h r e n zu Konzepten der funktionalen u n d reaktiven Äquivalenz. W ä h r e n d bei der funktionalen Austauschbarkeit noch nach der „objektiven" Gleichwertigkeit von Gütern f ü r bestimmte Verwendungszwecke gefragt wird, stellt die reaktive Austauschbarkeit allein auf das Urteil des („verständigen") Verbrauchers ab. Alle Güter, die von den K o n s u m e n t e n tatsächlich für austauschbar gehalten werden, können einem Markt zugeordnet werden. Dieses Verfahren hat sich in der Entscheidungspraxis der Wettbewerbsbehörden und Gerichte weitgehend durchgesetzt. Die prinzipielle Schwäche aller Hilfskonstruktionen zur Abgrenzung des „relevanten M a r k t e s " liegt freilich darin, d a ß sie keine allgemeingültigen N o r m e n liefern. Die in konkreten Einzelfällen vorg e n o m m e n e Abgrenzung ist nicht frei von subjektiven Plausibilitätsüberlegungen desjenigen, der die Marktabgrenzung vollzieht' 7 . Für die Marktabgrenzung in räumlicher Hinsicht bietet das G W B zunächst insoweit einen Anhaltspunkt, als der Geltungsbereich des Gesetzes das Bundesgebiet u n d Berlin (West) einschließt. Im Einzelfall kann die räumliche Eingrenzung des Marktes sehr viel enger sein, etwa d a s lokale oder regionale Absatzgebiet. In anderen Fällen erscheint die Begrenzung auf das Bundesgebiet zu eng, bei sogenannten „ m u l t i n a t i o n a l e n " Unternehmen oder bei Unternehmen mit intensiven Export- u n d Importbeziehungen müssen die geographischen Grenzen des Marktes weiter gezogen werden. 5.3.2 Kriterien der Marktbeherrschung Als marktbeherrschend gilt g e m ä ß § 22 G W B : (1) ein Einzelunternehmen, d a s als Anbieter oder N a c h f r a g e r von bestimmten Waren oder gewerblichen Leistungen 96
Vgl. /. Schmidt
97
Vgl. H. Barlling ( 1980, S. 98).
(\98\,
S. 30).
70
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
a) keinem W e t t b e w e r b o d e r b) keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist bzw. c) eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung besitzt. (2) eine G r u p p e von U n t e r n e h m e n , soweit zwischen ihnen allgemein o d e r auf b e s t i m m t e n M ä r k t e n aus tatsächlichen G r ü n d e n ein wesentlicher W e t t b e w e r b nicht besteht u n d soweit sie in ihrer G e s a m t h e i t m a r k t b e h e r r s c h e n d sind (vgl. 1). D e r Fall ( l a ) m e i n t o f f e n b a r das (freilich seltene) Monopol. Bei d e r Feststellung, o b ein U n t e r n e h m e n keinem wesentlichen W e t t b e w e r b ausgesetzt ist (Fall lb), wird i n s b e s o n d e r e d a n a c h zu fragen sein, o b d a s b e t r e f f e n d e U n t e r n e h m e n g e g e n ü b e r seinen K o n k u r r e n t e n eine „ U n a b h ä n g i g k e i t s p o s i t i o n " e i n n e h m e n k a n n , d . h . w e i t g e h e n d o h n e Rücksicht auf die Aktivitäten seiner W e t t b e w e r b e r h a n d e l n k a n n . Dies d ü r f t e im Falle d e s s o g e n a n n t e n Teilmonopols (ein g r o ß e r A n b i e t e r , viele o d e r wenige kleine A n b i e t e r ) gegeben sein. D a s traditionelle M a r k t m a c h t k o n z e p t versagt d o r t , w o vertikal integrierte bzw. stark diversifizierte U n t e r n e h m e n z w a r keinen b e d e u t e n d e n M a r k t a n t e i l auf einzelnen M ä r k t e n besitzen, aber gleichwohl eine m a r k t b e h e r r s c h e n d e Stellung i n n e h a b e n k ö n n e n . Bei d e r P r ü f u n g , o b ein U n t e r n e h m e n eine ü b e r r a g e n d e M a r k t s t e l l u n g besitzt (Fall lc), sollen d a h e r n e b e n d e m M a r k t a n t e i l a u c h die Fin a n z k r a f t , V e r f l e c h t u n g e n mit a n d e r e n U n t e r n e h m e n sowie rechtliche o d e r tatsächliche S c h r a n k e n f ü r d e n Marktzutritt a n d e r e r U n t e r n e h m e n berücksichtigt w e r d e n (§ 22, II, 2 G W B ) . A n d e r s als der M a r k t a n t e i l eines U n t e r n e h m e n s a m relevanten M a r k t (gemessen a m Umsatzanteil), der i.d. R. leicht feststellbar ist, liegen f ü r die übrigen Kriterien ( F i n a n z k r a f t , M a r k t z u g a n g etc.) keine o p e r a t i o n a l e n M a ß s t ä b e vor. U m Indizien f ü r eine ü b e r r a g e n d e M a r k t s t e l l u n g zu g e w i n n e n , wird m a n vor allem auf d a s M a r k t v e r h a l t e n des b e t r e f f e n d e n U n t e r n e h m e n s abstellen m ü s s e n . F ü r das marktbeherrschende Oligopol (Fall 2) gelten prinzipiell die gleichen Ü b e r l e g u n g e n wie f ü r d a s m a r k t b e h e r r s c h e n d e E i n z e l u n t e r n e h m e n . U m die M i ß b r a u c h s a u f s i c h t zu erleichtern, hat d e r Gesetzgeber in § 22, III G W B eine Vermutung der Marktbeherrschung e i n g e f ü h r t . Die (widerlegbare) V e r m u t u n g gilt f ü r ein E i n z e l u n t e r n e h m e n mit e i n e m M a r k t a n t e i l v o n m i n d e stens 33,3% (sofern b e s t i m m t e Umsatzgrenzen überschritten w e r d e n ) u n d im O l i g o p o l f a l l , w e n n 3 o d e r weniger U n t e r n e h m e n einen M a r k t a n t e i l von 50% o d e r m e h r bzw. 5 o d e r weniger U n t e r n e h m e n einen M a r k t a n t e i l von 66,6% o d e r m e h r h a b e n (hier gelten w i e d e r u m b e s t i m m t e U m s a t z g r e n z e n ) . 5.3.3 Nachweis des Mißbrauchs Das eigentliche P r o b l e m d e r M i ß b r a u c h s a u f s i c h t ü b e r m a r k t b e h e r r s c h e n d e Unt e r n e h m e n liegt in d e r K o n k r e t i s i e r u n g u n d im N a c h w e i s des M i ß b r a u c h s . Mit der 4. N o v e l l e des G W B sind einige M i ß b r a u c h s t a t b e s t ä n d e e x e m p l a r i s c h b e n a n n t w o r d e n (§ 22, IV G W B ) . Die dort g e n a n n t e n M i ß b r a u c h s f o r m e n lassen sich in die bereits erörterten Kategorien des Behinderungs- und Ausbeutungsmißbrauches e i n o r d n e n 9 8 . W i r b e s c h r ä n k e n u n s auf die E r ö r t e r u n g des Falles mißbräuchlich überhöhter
'* Vgl. o b e n S. 55 f.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
71
Preise, zumal dieser Fall die vergleichsweise größte Aufmerksamkeit auf sich zieht' 9 . Grundsätzlich geht man d a v o n aus, d a ß ein Preismißbrauch vorliegt, wenn ein marktmächtiges Unternehmen höhere Preise fordert, als dies bei wirksamem Wettbewerb möglich wäre. Dieser ,,als-ob-Wettbewerbs-Preis" ist eine fiktive Größe, die sich realiter nicht beobachten läßt. Daher müssen Verfahren angewandt werden, die eine näherungsweise Bestimmung des wettbewerbsanalogen Preises erlauben. A n w e n d u n g finden dabei: • das Vergleichsmarktkonzept u n d • das Konzept der Kosten- und Gewinnkontrolle. Vergleichsmarktkonzept Das n u n m e h r auch vom Gesetzgeber sanktionierte und seit langem in der Praxis verwendete Vergleichsmarktkonzept besteht darin, den wettbewerbsanalogen Preis d a d u r c h zu ermitteln, d a ß räumlich, zeitlich und sachlich getrennte Märkte zum Vergleich herangezogen werden. So werden Preise eines Unternehmens z.B. im Inland und Ausland miteinander verglichen. Dieser Vergleich ist jedoch nur d a n n sinnvoll, wenn der (ausländische) Vergleichsmarkt wirksamen Wettbewerb aufweist, sich aber in sonst allen relevanten Merkmalen nicht vom vermachteten (inländischen) Markt unterscheidet. Diese Bedingung d ü r f t e nur in seltenen Fällen erfüllt sein. Strukturelle Unterschiede müssen d a n n durch Korrekturzu- und -abschlage ausgeglichen werden. Oder der Vergleich bezieht sich auf zeitlich abgegrenzte Vergleichsmärkte in dem Sinne, d a ß die Preise vor und nach dem Eintreten einer marktbeherrschenden Stellung eines oder mehrerer Unternehmen miteinander verglichen werden. Soweit Preisunterschiede nicht durch Kostendifferenzen gerechtfertigt werden k ö n n e n , liefert dies einen Hinweis auf machtbedingten Mißbrauch. Schließlich k a n n man versuchen, die Mißbräuchlichkeit von Preisforderungen eines marktmächtigen Unternehmens (bzw. Oligopois) d a d u r c h zu ermitteln, d a ß man die Preise mit denen anderer U n t e r n e h m e n , die vergleichbare Produkte anbieten, gegenüberstellt. Kosten- und Gewinnkontrolle Soweit Vergleichsmärkte nicht a u f f i n d b a r sind, wird man versuchen, zur Feststellung von Preismißbrauch auf Kosten- u n d Gewinnkontrollen zurückzugreifen. Die Schwierigkeiten dieser Verfahren liegen j e d o c h auf der H a n d . Die Trenn u n g von betriebswirtschaftlich notwendigen u n d nicht-notwendigen Kosten erscheint kaum möglich. Die Frage, ob die Kosten eines Unternehmens angemessen sind, ob Kostensenkungen infolge von Produktivitätsfortschritten angemessen realisiert w u r d e n etc., läßt sich nicht zweifelsfrei entscheiden. Die Zurechnung von Kosten auf einzelne Güter bei M e h r p r o d u k t u n t e r n e h m e n ist stets willkürlich. Unklar bleibt ferner, inwieweit Kostenveränderungen infolge unterschiedlicher Kapazitätsauslastung berücksichtigt werden sollten. Dies impliziert Urteile m
Ausführliche Erörterungen zum Behinderungsmißbrauch (1981, S. 113 ff. und S. 166 ff.).
finden
sich bei I.
Schmidt
72
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
über die Zweckmäßigkeit unternehmerischer Investitionsentscheidungen (die zum Aufbau der Produktionskapazitäten geführt haben). Die Mißbrauchskontrolle könnte so in die Nähe einer „Investitionskontrolle" geraten. Nicht minder problematisch ist der Versuch, „unangemessen h o h e " Gewinne als Maßstab f ü r den Mißbrauch marktmächtiger Unternehmen heranzuziehen. Es gibt kein überzeugendes Verfahren, das die Feststellung eines „wettbewerbsadäquaten Gewinns" erlauben würde. Wird hilfsweise auf Gewinnvergleiche zurückgegriffen (der Gewinn eines marktbeherrschenden Unternehmens wird mit denen anderer Unternehmen verglichen, die der gleichen Branche etwa dem gleichen Industriezweig - angehören), so liefert dies keine eindeutigen Informationen. Denn (1) könnte das Gewinniveau der gesamten Branche infolge geringen Wettbewerbs überhöht sein, (2) können sich die Kostenstrukturen der betrachteten Unternehmen unterscheiden, (3) könnten sich vergleichsweise höhere Gewinne eines marktmächtigen Unternehmens aus dessen überlegener innovatorischer Leistung erklären („übernormale" Gewinne wären deshalb nicht als mißbräuchlich zu qualifizieren) und (4) könnte selbst bei einem vergleichsweise geringeren Gewinn des marktmächtigen Unternehmens eine mißbräuchliche Preissetzung nicht ausgeschlossen werden. Letzteres könnte damit zusammenhängen, d a ß ein marktmächtiges Unternehmen aufgrund fehlenden Wettbewerbsdrucks nicht gezwungen ist, kostenoptimal zu produzieren. Im Rahmen eines solchen Gewinnvergleichs wäre d a n n wiederum die Frage zu klären, ob die Kosten des marktmächtigen Unternehmens angemessen (i.S. von wettbewerbsadäquat) sind. Gegen den Versuch, mißbräuchliche Preisforderungen marktmächtiger Unternehmen durch den Rückschluß über Kosten und Gewinne festzustellen, werden neben den bereits genannten Einwänden vor allem ordnungspolitische Bedenken geltend gemacht. Es wird bezweifelt, daß eine behördliche (gerichtliche) Kosten- und Gewinnkontrolle mit den Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung vereinbar ist (das Kartellamt als „Preiskommissar"). Überdies bestehen Zweifel, ob derartige Kontrollen rechtsstaatlichen G r u n d sätzen zu entsprechen vermögen, da die notwendigerweise zu fällenden behördlichen Ermessensentscheidungen die G e f a h r der Willkür einschließen („Mißbrauch der Mißbrauchsaufsicht"). Zudem kann der Versuch, behördliche Richtlinien zur Preisermittlung durch Kostenrechnungs- und Bewertungsrichtlinien zu erlassen (eine mögliche Konsequenz wettbewerbspolitischer Kosten- und Gewinnkontrolle), das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich angestrebt wird. Die Unternehmen würden möglicherweise dazu verleitet, Kosten auf Preise „hochzurechnen" (gewünschte Preiserhöhungen durch „unausweichliche" Kostenerhöhungen zu legitimieren), anstatt die Preise in Richtung auf das Kostenniveau und dieses selbst zu drükken 100 . Abschließend seien noch einmal die gesetzlichen Regelungen der Mißbrauchsaufsicht nach § 22 G W B systematisch zusammengefaßt sowie die Befugnisse des Β Kart A genannt 1 0 1 . 100
Vgl. H. Berg (1981, S. 263 f.).
101
Quelle: H. Berg (1981, S. 253).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik Übersicht 1
73
Mißbrauchsaufsicht nach § 22 G W B
1. Definition der Marktbeherrschung (sog. M o n o p o l v e r m u t u n g )
Ein U n t e r n e h m e n ist marktbeherrschend ..., soweit es als Anbieter oder Nachfolger einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 1. o h n e Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder 2. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern ü b e r r a g e n d e Marktstellung h a t . . . (§ 22 Abs. 1 GWB)
2. Vermutungskriterien f ü r das Bestehen einer überragenden Marktstellung
... hierbei sind außer (dem) Marktanteil insbesondere seine Finanzkraft, sein Z u g a n g zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen U n t e r n e h m e n sowie rechtliche o d e r tatsächliche Schranken f ü r den Marktzutritt a n d e r e r Untern e h m e n zu berücksichtigen . . . (§ 22 Abs. 1 G W B )
3. Marktbeherrschendes Oligopol (sog. Oligopolvermutung)
Als marktbeherrschend gelten auch zwei oder mehr U n t e r n e h m e n , soweit zwischen ihnen . . . ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht u n d soweit sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen (§ 22 Abs. 2 G W B )
4. Vermutungskriterien f ü r das Bestehen eines M o n o p o l s
Es wird vermutet, d a ß ein U n t e r n e h m e n marktbeherrschend . . . ist, wenn es . . . einen Marktanteil von mindestens einem Drittel h a t . . . (§ 22 Abs. 3 G W B )
5. Vermutungskriterien f ü r das Bestehen einer marktbeherrsehenden Oligopolgruppe
Es wird vermutet, d a ß die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn ... a) drei oder weniger U n t e r n e h m e n z u s a m m e n einen Marktanteil von 50 v. H. oder mehr haben oder b) f ü n f oder weniger U n t e r n e h m e n z u s a m m e n ein e n Marktanteil von zwei Dritteln o d e r mehr haben (§ 22 Abs. 3 G W B )
6. Bagatellklausel
Die M o n o p o l v e r m u t u n g gilt nicht gegenüber Untern e h m e n , die im letzten abgeschlossenen Geschäftsj a h r Umsatzerlöse von weniger als 250 Mill. DM hatten (§ 22 Abs. 3 G W B ) Die O l i g o p o l v e r m u t u n g greift nicht gegenüber Unternehmen mit Umsatzerlösen von weniger als 100 Mill. DM
7. Eingreifkriterium der Mißbrauchsaufsicht
Die Kartellbehörde hat gegenüber marktbeherrschenden U n t e r n e h m e n die in Absatz 5 g e n a n n t e n Befugnisse, soweit diese ihre marktbeherrschende S t e l l u n g . . . mißbräuchlich ausnutzen (§ 22 Abs. 4 GWB)
8. Spezifizierung des Eingreifkriteriums
Ein M i ß b r a u c h im Sinne des Absatzes I liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Untern e h m e n ... I. die Wettbewerbsmöglichkeiten a n d e r e r Untern e h m e n in einer f ü r den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise o h n e sachlich gerechtfertigten G r u n d beeinträchtigt
74
Kap. 2: Wettbewerbspolitik 2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ergeben würden . . . 3. ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, d a ß der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist (§ 22 Abs. 4 GWB)
9. Befugnisse des Bundeskartellamtes
Die Kartellbehörde kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 marktbeherrschenden Unternehmen ein mißbräuchliches Verhalten untersagen und Verträge für unwirksam erklären ... Zuvor soll die Kartellbehörde die Beteiligten auffordern, den beanstandeten Mißbrauch abzustellen (§ 22 Abs. 5 GWB)
5 . 3 . 4 Erfahrungen mit der Mißbrauchsaufsicht D i e M i ß b r a u c h s a u f s i c h t g e g e n ü b e r m a r k t m ä c h t i g e n U n t e r n e h m e n k a n n im w e sentlichen als gescheitert a n g e s e h e n w e r d e n . D a s B u n d e s k a r t e l l a m t ( B K a r t A ) k o n n t e sich in k e i n e m der wichtigen Verfahren, z . B . g e g e n d i e M i n e r a l ö l u n t e r n e h m e n , g e g e n d i e A u t o m o b i l i n d u s t r i e , g e g e n U n t e r n e h m e n der P h a r m a i n d u strie ( M e r c k : „ V i t a m i n Β 12"; H o f f m a n n - L a R o c h e : „ V a l i u m - L i b r i u m " ) , durchsetzen. D i e V e r f a h r e n w u r d e n e n t w e d e r vor einer gerichtlichen E n t s c h e i d u n g abgebrochen (Beispiel: Mißbrauchsverfahren gegen die Mineralölgesellschaften) o d e r durch höchstrichterlichen Beschluß z u u n g u n s t e n d e s B K a r t A e n t s c h i e d e n (letztes Beispiel: ,,Valium-Librium"-Fall). D a s B K a r t A hat i n z w i s c h e n k e i n e n e u e n Verfahren eingeleitet u n d zu e r k e n n e n g e g e b e n , d a ß es in Z u k u n f t versuc h e n werde, verstärkt g e g e n Formen des B e h i n d e r u n g s m i ß b r a u c h s v o r z u g e hen' 0 2 . D i e materiellen S c h w i e r i g k e i t e n bei der M i ß b r a u c h s a u f s i c h t zeigten s i c h in aller D e u t l i c h k e i t a m „ V a l i u m - L i b r i u m " - F a l l 1 0 3 . D a s BKartA scheiterte nicht an den S c h w i e r i g k e i t e n , d i e grundsätzlich mit d e r A b g r e n z u n g d e s r e l e v a n t e n Marktes u n d mit der Feststellung der Marktbeherrs c h u n g v e r b u n d e n sind, s o n d e r n letztlich allein am N a c h w e i s des ( P r e i s - ) M i ß brauchs. In s e i n e m B e s c h l u ß v o m 1 2 . 2 . 1 9 8 0 führte der B G H zu d e m in d i e s e m Verfahren h e r a n g e z o g e n e n Vergleichsmarkt a u s : „Dabei können zwar nicht zu hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit gestellt werden; doch dürften andererseits - insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem als Vergleichsmaterial lediglich die (Wettbewerbs-)Preise eines einzelnen Vergleichsunternehmens herangezogen werden - die Unterschiede nicht so erheblich sein, d a ß sich Zuoder Abschläge von einem solchen Ausmaß ergeben, d a ß die ermittelten (mutmaßlichen) Wettbewerbspreise sich im Ergebnis nicht mehr auf konkrete Vergleichszahlen stützen, sondern durch das Übergewicht der auf reinen Schätzungen beruhenden Zu- oder Ab102 103
Vgl. Bundeskartellamt (1981). Einen kurzen Überblick über die „Geschichte" dieses Falles gibt H. Berg (1981, S. 262 ff.).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
75
schlage sowie der dem betroffenen Unternehmen zusätzlich zuzubilligenden Bandbreiten zu einem letztlich nur noch fiktiven Wettbewerbspreis o h n e sachliche Grundlage führen" 1 0 4 . D e r b e a n s t a n d e t e Vergleichspreis w a r etwa n a c h f o l g e n d e m S c h e m a ermittelt worden105: Tatsächlicher Preis eines Arzneimittelherstellers auf dem räumlichen Vergleichsmarkt der Niederlande +
Zuschlag als Ausgleich für Patentverletzung"" 1
=
Wettbewerbspreis des Billiganbieters auf dem Vergleichsmarkt
+
Zuschlag für Marktstrukturunterschiede zwischen dem Vergleichsmarkt und dem untersuchten Markt (einschl. der Währungsdifferenzen)
+
Zuschlag für Nebenleistungen eines Nichtbilliganbieters (Erhaltung des Rufs eines altrenommierten Unternehmens)
+ = + +
Zuschlag für forschendes Unternehmen wettbewerbsanaloger Preis auf dem untersuchten Markt Zuschlag zum Ausgleich von Unsicherheiten in der Beweisführung Zuschlag für das Erfordernis „erheblicher Überschreitungen" des festgestellten wettbewerbsanalogen Preises
=
„Mißbrauchsgrenze"
D i e Z u s c h l ä g e z u m W e t t b e w e r b s p r e i s d e s n i e d e r l ä n d i s c h e n A n b i e t e r s erschien e n n o t w e n d i g , u m einerseits strukturelle M a r k t u n t e r s c h i e d e ( a b w e i c h e n d e Arzneimittelgesetze, B e s t e h e n einer P r e i s v e r o r d n u n g in d e n N i e d e r l a n d e n ) u n d andererseits u n t e r n e h m e n s s p e z i f i s c h e U n t e r s c h i e d e (im Bereich der F o r s c h u n g , bei S e r v i c e l e i s t u n g e n für Ärzte etc.) a u s z u g l e i c h e n . Ein w e i t e r e s Problem ergab sich d a r a u s , d a ß der Preis d e s n i e d e r l ä n d i s c h e n U n t e r n e h m e n s in D M u m z u r e c h n e n war. W e n n a u c h d a s o . a . K a l k u l a t i o n s s c h e m a selbst nicht b e m ä n g e l t w u r d e , s o d o c h d i e T a t s a c h e , d a ß sich der ermittelte w e t t b e w e r b s a n a l o g e Preis zu m e h r als 50% a u s Z u s c h l ä g e n z u s a m m e n s e t z t e . 5.4 Zusammenschlußkontrolle A n g e s i c h t s der s t ä n d i g s t e i g e n d e n Z a h l v o n U n t e r n e h m e n s z u s a m m e n s c h l ü s s e n sah sich der G e s e t z g e b e r genötigt, 1973 (2. N o v e l l e z u m G W B ) eine „ v o r b e u g e n d e F u s i o n s k o n t r o l l e " e i n z u f ü h r e n . Bereits 1955 war e i n e Z u s a m m e n s c h l u ß k o n t r o l l e im R e g i e r u n g s e n t w u r f z u m G W B v o r g e s e h e n , sie w u r d e j e d o c h im B u n d e s t a g mit der B e g r ü n d u n g a b g e l e h n t , d a ß d a d u r c h die w ü n s c h e n s w e r t e E n t w i c k l u n g zu o p t i m a l e n Betriebsgrößen b e h i n d e r t würde. In der Z w i s c h e n z e i t b e s t a n d lediglich e i n e A n z e i g e p f l i c h t für U n t e r n e h m e n s z u s a m m e n s c h l ü s s e (so-
104
W u W / E BGH 1692.
105
Vgl. H. Albach (1978, S. 537 ff.).
104
Dem niederländischen Hersteller war zunächst der Vorwurf gemacht worden, in ein Verfahrenspatent von H o f f m a n n - L a Roche eingegriffen zu haben. Dieser Vorwurf wurde jedoch später (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 24.8.78; W u W / E , OLG 2053) als unbegründet zurückgewiesen und ein Zuschlag auf den Preis des vermeintlichen Patentverletzers für nicht notwendig erklärt.
76
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
weit b e s t i m m t e V o r a u s s e t z u n g e n vorlagen), j e d o c h keine H a n d h a b e , gegen u n e r wünschte (wettbewerbsschädliche) Unternehmenszusammenschlüsse vorzugehen. Wir wollen zunächst einige Informationen über den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration geben u n d s o d a n n Inhalt und Probleme der praktizierten Fusionskontrolle erörtern. 5 . 4 . 1 U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n in der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d Methodisch-statistische Probleme Will m a n I n f o r m a t i o n e n ü b e r d e n S t a n d u n d d i e E n t w i c k l u n g d e r U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n g e w i n n e n , so s t ö ß t m a n a u f z w e i g r u n d l e g e n d e P r o b l e m e : (1) M e ß p r o b l e m e : F ü r d i e s t a t i s t i s c h e K o n z e n t r a t i o n s m e s s u n g s t e h e n z a h l r e i che Verfahren zu V e r f ü g u n g , deren K o n s t r u k t i o n u n d A u s s a g e k r a f t hier nicht e r ö r t e r t w e r d e n k ö n n e n 1 0 7 . S e h r weit v e r b r e i t e t ist d i e K o n z e n t r a t i o n s m e s s u n g m i t H i l f e s o g e n a n n t e r Konzentrationsraten ( c o n c e n t r a t i o n r a t i o s ) . D a b e i w i r d d e r A n t e i l d e r 3, 4, 6, 8, 10 . . . g r ö ß t e n U n t e r n e h m e n e n t w e d e r a m j e w e i l i g e n M a r k t ( „ M a r k t k o n z e n t r a t i o n " ) oder an der Gesamtwirtschaft (bzw. an g r o ß e n Teilen der Volkswirtschaft, z.B. des gesamten Industriesektors) ermittelt. Diese Met h o d e h a t d e n V o r z u g , r e c h t a n s c h a u l i c h e E r g e b n i s s e z u l i e f e r n , u n d stellt v e r gleichsweise geringe A n f o r d e r u n g e n an das statistische Datenmaterial. Aber die Nachteile dieser M e t h o d e sind unverkennbar: • die Festlegung der Zahl der jeweils erfaßten U n t e r n e h m e n m u ß willkürlich erscheinen; • die Größenverteilung innerhalb der erfaßten U n t e r n e h m e n s g r u p p e bleibt unsichtbar; diese d ü r f t e aber f ü r eine wettbewerbliche Beurteilung von Bedeutung sein. Ebenso werden Veränderungen in der Größenstruktur nicht e r f a ß t ; • die Zahl und relative G r ö ß e d e r nicht erfaßten U n t e r n e h m e n bleibt im d u n k e l n ; • problematisch ist die Wahl der Bezugsgröße: Ermittelt man den Anteil der größten U n ternehmen an der Produktion, am Umsatz, an der Beschäftigtenzahl o d e r an a n d e r e n G r ö ßen? Die Bezugsgröße Produktion scheint am unproblematischsten zu sein, es sei d e n n , ein relevanter Anteil des Markt-(Gesamt-)Angebotes besteht aus importierten Gütern. Umsatzgrößen führen bei vertikalen Konzentrationen zu Verzerrungen (da nur die A u ß e n u m s ä t z e der U n t e r n e h m e n erfaßt werden). Beschäftigungszahlen verfälschen die Ergebnisse, wenn die Arbeitsintensität (bzw. Kapitalintensität) innerhalb der betrachteten U n t e r n e h m e n s g r u p p e streut' 0 *; • durch Konzentrationsraten, die sich auf Einzelmärkte oder Branchen beziehen, lassen sich vertikale und vor allem konglomerate U n t e r n e h m e n s k o n z e n t r a t i o n e n nicht sinnvoll messen, da helfen nur „ m a r k t ü b e r g r e i f e n d e " Analysen; • die vielfältigen finanziellen u n d personellen Verflechtungen lassen sich durch concentration ratios nicht darstellen; • die I n f o r m a t i o n , d a ß ζ. B. die 6 größten U n t e r n e h m e n einen Marktanteil von 50% h a b e n , besagt noch nicht allzuviel; man müßte wissen, o b dieser Anteil bereits ein - unter wettbewerbspolitischen Aspekten gesehen - bedenkliches Machtpotential bedeutet. Es gibt jedoch kein voll zufriedenstellendes Verfahren, „kritische Werte" der Marktbeherrschung festzulegen. Vgl. dazu u.a. J. Müller. R. Hochreiter ( 1975). "'8 A n g e n o m m e n , große Unternehmen produzieren mit relativ höherem Kapitaleinsatz als kleinere U n t e r n e h m e n , so führt die Bezugsgröße „ B e s c h ä f t i g u n g " zu einer Unterschätzung der Konzentrationsraten.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
77
Selbst wenn m a n - aus theoretischer Sicht - ideale M e ß m e t h o d e n entwickeln könnte, bleibt das Problem, d a ß das statistische Datenmaterial den Ansprüchen regelmäßig nicht genügt. (2) Datenprobleme: Die von der M o n o p o l k o m m i s s i o n " " veröffentlichten Konzentrationsraten beruhen auf Ergebnissen der Industrieberichterstattung des Statistischen Bundesamtes. Die dort verwendete Klassifikation der Wirtschaftszweige liefert nicht die f ü r eine Ermittlung der Marktkonzentration erforderlichen Daten, d e n n bei der Abgrenzung der Wirtschaftszweige stehen eher produktionstechnische Gesichtspunkte im V o r d e r g r u n d , nicht jedoch die Frage, welche Güter - unter Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Austauschbarkeit jeweils zu einem Markt zusammenzufassen wären. Die Z u o r d n u n g der Unternehmen zu den Wirtschaftszweigen erfolgt nach dem Schwerpunktprinzip (d.h., die U n t e r n e h m e n werden d a n a c h zugeordnet, in welchem Wirtschaftszweig der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität liegt); bei M e h r p r o d u k t u n t e r n e h m e n führt d a s zu Zuordnungsschwierigkeiten. Die Konzentrationsdaten erfassen keine Konzernverflechtungen, da Unternehmen in der Industriestatistik als rechtliche Einheiten erfaßt werden. Die ausgewiesenen Daten beschreiben lediglich den G r a d der horizontalen Unternehmenskonzentration, nicht jedoch vertikale u n d konglomerate Strukturen"0. Aus den genannten G r ü n d e n müssen die ermittelten Konzentrationsraten als verzerrt angesehen werden (und es spricht einiges d a f ü r , d a ß der Grad der Unternehmenskonzentration zu niedrig ausgewiesen w i r d ' " ) . Bei der zeitlichen Entwicklung der Konzentration spielen derartige systematische Fehler keine Rolle, sofern nur die Berechnungsmethode keine Ä n d e r u n g e n erfährt. Einige ausgewählte Konzentrationsdaten für die Bundesrepublik Die Fülle der Daten, die von der M o n o p o l k o m m i s s i o n zur Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik präsentiert w u r d e n " 2 , k a n n hier nur in einem sehr kleinen Ausschnitt wiedergegeben werden. Das so vermittelte Bild ist zweifellos entschieden zu grob, aber es mag d e n n o c h geeignet sein, einige charakteristische Züge des Konzentrationsprozesses zu verdeutlichen. Der Konzentrationsgrad in den Wirtschaftszweigen der Industrie hat im Durchschnitt ein recht hohes Niveau erreicht, und dieses Konzentrationsniveau nimmt kontinuierlich zu. Die langfristig steigende Konzentrationstendenz wird durch die Werte der nachfolgenden Tabelle verdeutlicht. "" D i e M o n o p o l k o m m i s s i o n ist ein Sachverständigengremium, dessen A u f g a b e (gem. § 2 4 b G W B ) darin besteht, „ i n ihren G u t a c h t e n d e n jeweiligen Stand der U n t e r n e h m e n s konzentration s o w i e deren absehbare E n t w i c k l u n g . . . (zu) beurteilen ...". 1.0
D i e M o n o p o l k o m m i s s i o n erläutert in ihrem 3. Hauptgutachten, d a ß durch die Umstellung der amtlichen Industriestatistik in Z u k u n f t auch vertikale und k o n g l o m e r a t e K o n zentrationen zu erfassen sein werden. Vgl. M o n o p o l k o m m i s s i o n (1980, S. 30 ff.).
1.1
Vgl. M o n o p o l k o m m i s s i o n (1980, S. 38).
112
Vgl. dazu im e i n z e l n e n die bisher erschienenen Hauptgutachten der M o n o p o l k o m m i s sion (1976, 1978, 1980).
78
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
Tab. 1 Durchschnittlicher Anteil der 10 größten U n t e r n e h m e n am Umsatz aller Industriezweige 1 9 5 4 - 1 9 7 7 ' ) - in v . H . 1954 1960 1968 1970 1972
41,8 42,0 42,3 42,7 43,7
1973 1974 1975 1976 1977
31,1 33,5 38,5 40,9 41,5
') D i e D a t e n der Jahre 1954 u n d 1960 sind aus m e t h o d i s c h e n G r ü n d e n mit d e n e n der Folgejahre nicht direkt vergleichbar Q u e l l e : M o n o p o l k o m m i s s i o n (1980, S. 51)
Betrachtet man die Periode 1973-1977, f ü r die Konzentrationsdaten auf prinzipiell einheitlicher statistischer Grundlage ermittelt wurden, so bestätigt sich die Tendenzaussage, d a ß die Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik fortschreitet. Tab. 2 Durchschnittlicher Anteil der 3 ( C R 3 ) , 6 (CR„) und 10 ( C R , 0 ) größten Unternehm e n a m Umsatz der Wirtschaftszweige 1973, 1975 und 1977 - in v . H . Jahr
1973 1975 1977
ungewogen CR62) cr3
CR,,
gewogen') CRj
CR,2)
CR,o
25,4 25,3 26,9
41,8 42,3 43,7
23,8 24,6 25,6
32,1 34,3 34,9
39,4 41,5 42,2
34,3 34,5 35,3
') G e w i c h t e t mit d e m U m s a t z v o l u m e n der Wirtschaftszweige 2
) O h n e Tabakverarbeitung u n d Lederverarbeitung
Q u e l l e : M o n o p o l k o m m i s s i o n (1980, S. 31, 2 2 4 f f . )
Die Durchschnittsbetrachtung verdeckt allerdings die außerordentlich großen Unterschiede in den einzelnen Wirtschaftszweigen. Gemessen am Umsatzanteil der 3 größten U n t e r n e h m e n variieren die Konzentrationsraten zwischen 81,3% (im Luft- und R a u m f a h r z e u g b a u ) und 3,5% (in der Holzverarbeitung). Die Konzentrationsentwicklung verläuft in den einzelnen Wirtschaftszweigen ebenfalls unterschiedlich. Die allgemein steigende Konzentration schließt keineswegs aus, d a ß in einzelnen Wirtschaftsbereichen t e m p o r ä r e Dekonzentrationstendenzen beobachtet werden k ö n n e n . Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, d a ß die auffallendsten Veränderungen der Konzentration insbesondere in den Wirtschaftszweigen erfolgen, die bisher noch kein sehr hohes Konzentrationsniveau aufweisen. Die Zahl der Wirtschaftszweige mit sehr h o h e r " 3 Konzentration hat zwischen 1973 und 1977 n u r ganz unwesentlich zugenommen, der Anteil dieser Branchen am G e s a m t u m s a t z der Industrie jedoch ist merklich gewachsen. Auffallend ist ferner die Tatsache, d a ß der Anteil der größten U n t e r n e h m e n an der Zahl der Beschäftigten des jeweiligen Wirtschaftszweiges regelmäßig höher ist als deren Umsatzanteil. Dies k a n n nach Auffassung der M o n o p o l k o m m i s sion prinzipiell auf folgende Gründe zurückgeführt w e r d e n :
N a c h der Klassifikation der M o n o p o l k o m m i s s i o n sind dies Wirtschaftszweige mit e i n e m Anteil der 3 g r ö ß t e n Unternehmen v o n 50% und mehr.
79
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
• die größeren Unternehmen erzielen höhere Produktivitäten (infolge höheren Kapitaleinsatzes, modernerer Technik oder der Realisierung von „economies of scale"); • die größeren Unternehmen können relativ höhere Preise durchsetzen; • die größeren Unternehmen sind relativ stärker diversifiziert m . W e r d e n die Wirtschaftszweige zu g r ö ß e r e n industriellen Bereichen z u s a m m e n g e f a ß t , so zeigt sich, d a ß die K o n z e n t r a t i o n mit w a c h s e n d e r N ä h e zum K o n s u m a b n i m m t ( o d e r : j e g r ö ß e r die E n t f e r n u n g d e r Wirtschaftsbereiche vom E n d v e r b r a u c h ist, um so h ö h e r wird der G r a d der K o n z e n t r a t i o n ) . Tab. 3 Durchschnittlicher Anteil der 3, 6, 10 größten Unternehmen am gewogenen Umsatz der industriellen Hauptgruppen 1977 - in v. H. industrielle Hauptgruppe
gewogener Konzentrationsgrad CR., CRf, CRio
Bergbau Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe Investitionsgüter produzierendes Gewerbe Verbrauchsgüter produzierendes Gewerbe Ernährungsgewerbe')
65,9 32,4 28,4 7,0 6,1
84,4 47,8 36,5 10,9 9,3
93,9 57,2 42,7 17,0 12,8
') Ohne Tabakverarbeitung. Einschl. der Tabakverarbeitung beträgt der entsprechende CR.i-Wert 13,4%. CR 6 -, CRm-Werte können aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlicht werden Quelle: Monopolkommission (1980, S. 42) Ein weiteres K e n n z e i c h e n des K o n z e n t r a t i o n s p r o z e s s e s ist, d a ß die Z a h l der U n t e r n e h m e n i n n e r h a l b eines Wirtschaftszweiges mit steigendem K o n z e n t r a t i o n s g r a d deutlich a b n i m m t ; w ä h r e n d sich in nur m ä ß i g k o n z e n t r i e r t e n Branchen durchschnittlich 2606 U n t e r n e h m e n betätigten, w a r e n es in sehr hoch konzentrierten Wirtschaftszweigen n u r n o c h 136 (jeweils 1977). Für die wettbewerbliche Beurteilung des K o n z e n t r a t i o n s p r o z e s s e s spielt schließlich die G r ö ß e n v e r t e i l u n g der U n t e r n e h m e n i n n e r h a l b der Wirtschaftszweige eine nicht u n e r h e b l i c h e Rolle. D i e statistisch ausgewiesenen G r ö ß e n p r o p o r t i o n e n (Verhältnis des D u r c h s c h n i t t s u m s a t z e s d e r g r ö ß t e n U n t e r n e h m e n z u m d u r c h s c h n i t t l i c h e n U m s a t z aller übrigen U n t e r n e h m e n ) weisen erhebliche U n t e r s c h i e d e a u f " 5 ; die G r ö ß e n d i f f e r e n z e n sind w i e d e r u m in den hoch k o n z e n t r i e r t e n Wirtschaftszweigen am ausgeprägtesten. Betrachtet man den S t a n d u n d die E n t w i c k l u n g d e r K o n z e n t r a t i o n im Bereich d e r Großunternehmen (der „100 G r ö ß t e n " ) 1 1 6 , so ist e r k e n n b a r , d a ß diese ihren Anteil am G e s a m t u m s a t z der w e s t d e u t s c h e n W i r t s c h a f t a u s d e h n e n k o n n t e n
114
"5 116
Was statistisch zu einem höheren Umsatzanteil führt, wenn die Unternehmen außerhalb des für die Zurechnung zu den Wirtschaftszweigen maßgeblichen Schwerpunktes ihrer wirtschaftlichen Betätigung höhere Umsatz-Beschäftigten-Relationen aufweisen. Vgl. Monopolkommission (1980, S. 44 f.). Die Größenproportionen variierten 1977 zwischen 215:1 und 8:1 (im Durchschnitt 56:1). Die Liste der Großunternehmen kann hier aus Platzgründen nicht abgedruckt werden; vgl. Monopolkommission (1980, S. 63 ff.).
80
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
(1972: 21,7%; 1978: 24,2%). Bemerkenswert ist, d a ß die Unternehmen an der Spitze der „100 G r ö ß t e n " ihre führende Position gegenüber dem übrigen Feld nachhaltig ausgebaut haben, und für diese Entwicklung sind vor allem Unternehmenszusammenschlüsse verantwortlich" 7 . Die Rangfolge innerhalb der G r u p p e der G r o ß u n t e r n e h m e n weist in der Periode 1972-1978 nicht unerhebliche Veränderungen auf. Darin spiegelt sich vor allem die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Wirtschaftszweige; konjunkturelle und strukturelle Veränderungen betreffen die einzelnen Branchen in unterschiedlichem M a ß e . Wettbewerbspolitisch bedeutsam sind nicht nur der Anteil der G r o ß u n t e r n e h men am Umsatz (an der Beschäftigung, an der Produktion) der Gesamtwirtschaft, sondern auch deren finanzielle Verflechtungen" 8 . In einer nicht geringen Zahl von Fällen"'' weisen die Unternehmen aus dem Kreis der „100 G r ö ß t e n " untereinander Kapitalbeteiligungen auf. Die Verflechtungen zwischen G r o ß u n t e r n e h m e n werden über Gemeinschaftsunternehmen verstärkt 1 2 0 ; allein die VEBA stand 1978 über Gemeinschaftsunternehmen mit praktisch jedem zweiten U n t e r n e h m e n aus dem Kreis der „100 G r ö ß t e n " in Verbindung. Der Prozeß fortschreitender Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik k o n n t e hier nur in höchst rudimentärer Form aufgezeigt werden. Wir werden uns nun der Frage zuwenden, inwieweit diese Entwicklung einer wettbewerbspolitischen Kontrolle - auf der G r u n d l a g e des G W B - unterworfen werden kann. 5.4.2 Inhalt und Verfahren der Zusammenschlußkontrolle Nach § 24, I G W B k ö n n e n Unternehmenszusammenschlüsse untersagt werden, von denen zu erwarten ist, d a ß sie zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen werden. Ein Zusammenschlußverbot erfolgt d a n n nicht, wenn (1) die Unternehmen nachweisen, d a ß durch den Zusammenschluß eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen eintritt, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (sogenannte Abwägungsklausel), oder (2) der Bundeswirtschaftsminister auf Antrag die Erlaubnis zum Zusammenschluß erteilt, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird o d e r der Z u s a m m e n s c h l u ß durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (sogenannte Ministererlaubnis). Über Einzelheiten der gesetzlichen Regelungen u n d des Verfahrens informieren die nachfolgenden Übersichten 121 . " 7 Zu den „ F u s i o n s a k t i v i t ä t e n " der G r o ß u n t e r n e h m e n vgl. unten S. 83 f. 118 Zu den personellen Verflechtungen zwischen den G r o ß u n t e r n e h m e n vgl. M o n o p o l k o m mission (1980). "" Zu Einzelheiten vgl. Monopolkommission (1980, insb. S. 91). 120
Die G r o ß u n t e r n e h m e n waren 1978 an nicht weniger als 847 G e m e i n s c h a f t s u n t e r n e h men direkt oder indirekt beteiligt. Vgl. M o n o p o l k o m m i s s i o n (1980, S. 108).
121
Quelle: H. ß e r g ( 1 9 8 1 , S. 254 und S. 256).
Kap. 2: Wettbewerbspolitik Übersicht 2
81
Vermutungs- u n d Ausnahmekriterien der Z u s a m m e n s c h l u ß k o n t r o l l e
§ 22 G W B
Die in § 22 G W B gegebenen Definitionen von Marktbeherrschung u n d die dort genannten Vermutungstatbestände sind auch im R a h m e n der Zusammenschlußkontrolle relevant
§23 a GWB
Es wird vermutet, d a ß durch den Z u s a m m e n s c h l u ß eine überragende Marktstellung entstehen o d e r sich verstärken wird, wenn
Anschluß an ein G r o ß u n t e r nehmen
1. sich ein U n t e r n e h m e n , das im letzten vor dem Z u s a m m e n s c h l u ß e n d e n d e n G e s c h ä f t s j a h r Umsatzerlöse von mindestens zwei Milliarden D M hatte, mit einem a n d e r e n Unternehmen zusammenschließt, das
Mittelstandsklausel
a) auf einem Markt tätig ist, auf dem kleine und mittlere U n t e r n e h m e n insgesamt einen Marktanteil von mindestens zwei Dritteln u n d die am Z u s a m m e n s c h l u ß beteiligten Unternehmen einen Marktanteil von insgesamt mindestens 5 v. H. h a b e n , oder
Anschluß eines „Marktbeherrschers"
b) auf einem oder mehreren Märkten marktbeherrschend ist, auf denen i n s g e s a m t . . . mindestens 150 Millionen D M umgesetzt wurden, oder
Ressourcenvermutung
2. die am Z u s a m m e n s c h l u ß beteiligten Unternehmen insgesamt Umsatzerlöse von mindestens zwölf Milliarden D M u n d mindestens zwei der beteiligten U n t e r n e h m e n Umsatzerlöse von jeweils mindestens einer Milliarde DM hatten
Marktbeherrschende Unternehmensgruppe
Es gilt auch eine U n t e r n e h m e n s g r u p p e als marktbeherrschend, wenn sie 1. aus drei oder weniger U n t e r n e h m e n besteht, die auf einem Markt die höchsten Marktanteile u n d z u s a m m e n einen Marktanteil von 50 v. H. erreichen, oder 2. aus f ü n f oder weniger U n t e r n e h m e n besteht, die auf einem Markt die höchsten Marktanteile u n d z u s a m m e n einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen . . .
Ausnahmeregelung
Die Vermutung gilt nicht, soweit es sich um Unternehmen handelt, die Umsatzerlöse von weniger als 150 Millionen DM hatten, oder wenn die beteiligten U n t e r n e h m e n insgesamt einen Marktanteil von nicht mehr als 15 v. H. erreichen
§ 24 G W B
Wird durch einen Z u s a m m e n s c h l u ß eine marktbeherrschende Stellung erreicht o d e r verstärkt, so hat das BKartA die in § 24 Abs. 2-7 genannten Befugnisse. Dies gilt jedoch nicht, 1. wenn die beteiligten U n t e r n e h m e n insgesamt Umsatzerlöse von weniger als 500 Millionen D M hatten oder
Z u s a m m e n s c h l u ß kleiner u n d mittlerer Unternehmen
82
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
A n s c h l u ß eines Kleinunternehmens
2. wenn sich ein unabhängiges U n t e r n e h m e n mit Umsatzerlösen von nicht mehr als 50 Millionen D M einem a n d e r e n U n t e r n e h m e n anschließt, es sei d e n n , das eine U n t e r n e h m e n hatte Umsatzerlöse von mindestens vier Millionen D M u n d das andere U n t e r n e h m e n Umsatzerlöse von mindestens einer Milliarde D M , o d e r
ßagatellmarktklausel
3. soweit ein Markt b e t r o f f e n ist, auf dem seit mindestens f ü n f J a h r e n Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden u n d auf dem im letzten K a l e n d e r j a h r weniger als zehn Millionen D M umgesetzt wurden
Übersicht 3
Verfahren der Zusammenschlußkontrolle nach § 24 G W B
ne ι η Zusa m mensch Iu β statthaft
Die Zusammenschlußkontrolle ist vorbeugend, soweit eine beabsichtigte „ F u s i o n " untersagt wird, andernfalls erfolgt sie nachträglich (spätestens nach einem J a h r nach Eingang der vollständigen Anzeige gemäß § 23 G W B ) mit der Auflösung des vollzogenen Zusammenschlusses. Die Anzeigepflicht von Zusammenschlüssen, soweit sie eine bestimmte G r ö ß e n o r d n u n g überschreiten, dient insoweit der Vorbereitung der Zusammenschlußkontrolle. Der Begriff der Unternehmenszusammenschlüsse ist in § 23, II G W B umfassend definiert 1 ". Soweit also von „Fusionskontrolle" die Rede ist, so ist dieser Begriff nicht etwa auf den Fall der Verschmelzung von Unternehmen begrenzt. Der primäre Zweck der Zusammenschlußkontrolle wird in der Begrenzung der fortschreitenden Unternehmenskonzentration gesehen. Dabei wird o f f e n b a r Vgl. auch unsere Übersicht, S. 57.
Kap. 2: Wettbewerbspolitik
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unterstellt, d a ß Z u s a m m e n s c h l ü s s e e i n e n w e s e n t l i c h e n E i n f l u ß auf d i e E n t w i c k lung der K o n z e n t r a t i o n h a b e n . D i e s m u ß nicht n o t w e n d i g e r w e i s e z u t r e f f e n . D e n n a u c h i n f o l g e internen U n t e r n e h m e n s w a c h s t u m s ( u n d dieser Fall wird nicht v o n der Z u s a m m e n s c h l u ß k o n t r o l l e erfaßt), durch V e r d r ä n g u n g s e f f e k t e , durch Marktzutritte und Marktaustritte wird d i e E n t w i c k l u n g d e s K o n z e n t r a t i o n s g r a d e s beeinflußt 1 2 1 . 5 . 4 . 3 Erfahrungen mit der Z u s a m m e n s c h l u ß k o n t r o l l e D i e bisher mit der s o g e n a n n t e n F u s i o n s k o n t r o l l e g e s a m m e l t e n Erfahrungen lassen e r h e b l i c h e Z w e i f e l daran a u f k o m m e n , d a ß d i e s e s w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e Instrument d e n e r h o f f t e n Erfolg hatte. Seit 1973 ist ( w i e T a b e l l e 4 zeigt) d i e Zahl der a n g e m e l d e t e n Z u s a m m e n s c h l ü s s e erheblich gestiegen. Bis e i n s c h l i e ß l i c h 1980 sind lediglich 35 F u s i o n e n untersagt w o r d e n ( d a v o n nur 12 rechtskräftig). Tab. 4
Angezeigte Zusammenschlüsse 1973-1980
a ) n a c h der Zahl der Zusammenschlüsse Jahr 1973 1974 1975 1976 Zahl 34 294 445 453 insgesamt 1973-1980: 3575 b) nach der Form des Zusammenschlusses Vermögenserwerb Anteilserwerb Gemeinschaftsunternehmen Vertragliche Verbindung Personengleichheit sonstige Verbindungen c) nach der Art des Zusammenschlusses horizontal vertikal konglomerat
1977 554 Zahl 860 1648 918 106 5 38 Zahl 2408 681 486
1978 558
1979 602 v.H. 24,0 46,1 25,7 3,0 0,1 1,1 v.H. 67,4 19,0 13,6
Quelle: Bundeskartellamt (1981) Es hat sich ferner gezeigt, d a ß vor a l l e m G r o ß u n t e r n e h m e n eine a u ß e r o r d e n t lich starke Z u s a m m e n s c h l u ß a k t i v i t ä t entfalten. D i e n a c h f o l g e n d e T a b e l l e zeigt d i e H ä u f i g k e i t der Z u s a m m e n s c h l u ß f ä l l e , an d e n e n e i n i g e G r o ß u n t e r n e h m e n im Zeitraum 1 9 7 3 - 1 9 8 0 beteiligt waren 1 2 4 .
123
J. Müller, R. Hochreiter (1975, S. 233 ff.) haben für die Periode 1965-1971 versucht, den Einfluß der genannten Effekte auf die Unternehmenskonzentration abzuschätzen, u n d kamen dabei zu dem Ergebnis, daß sowohl externe als auch interne Wachstumsvorgänge zu einer Veränderung der Konzentration in der Bundesrepublik beigetragen haben. Ein Übergewicht des „Fusionseffektes" war festzustellen bei der Entwicklung der Konzentrationsraten, die die 8 größten Unternehmen des jeweils untersuchten Wirtschaftszweiges umfaßten. Die Notwendigkeit einer Zusammenschlußkontrolle erscheint auch unter Berücksichtigung dieses Untersuchungsergebnisses als wohlbegründet; zumal Anzeichen d a f ü r sprechen, daß der Einfluß des „Fusionseffektes" auf die Unternehmenskonzentration in den letzten Jahren eher zugenommen hat.
I2
>>«e.«chen T h e o r i e also über d e n G ü t e r m a r k t d e t e r m i n i e r t " . Die eigentliche U r s a c h e von Arbeitslosigkeit ist folglich weniger in der H ö h e d e r R e a l l ö h n e als vielmehr in m a n g e l n d e r G ü t e r n a c h f r a g e zu sehen. Dabei wird die effektive N a c h f r a g e nach Investitionsgütern - d a m i t auch d a s Beschäftigungsniveau - d u r c h die nie vollständig e r k l ä r b a r e n Ertragse r w a r t u n g e n der U n t e r n e h m e r b e s t i m m t . Die wirtschaftspolitische K o n s e q u e n z d a r a u s ist, die G ü t e r n a c h f r a g e so zu beleben, d a ß ein Beschäftigungsstand möglichst n a h e am Vollbeschäftigungsniveau erreicht wird. Akzeptiert m a n die Kevnessche These, d a ß m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e Systeme zu instabilen u n d ungleichgewichtigen A b l ä u f e n t e n d i e r e n , u n d will m a n die Effizienzvorteile der dezentralisierten privaten E n t s c h e i d u n g e n dieser Systeme erhalten, resultiert als wirtschaftspolitisches S t e u e r u n g s k o n z e p t d e r stabilisierungsorientierte Interventionismus. In der auf Hicks z u r ü c k g e h e n d e n T r a d i t i o n des Keynesianismus wird die m a n g e l n d e Fähigkeit des m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e n Systems, S c h w a n k u n g e n der untern e h m e r i s c h e n Investitionstätigkeit zu glätten, fast ausschließlich a u f institutionelle F a k t o r e n (Lohn- u n d Preisrigiditäten) zurückgeführt 5 8 . D a s G e g e n s t e u e r n wird hier zur keynesianischen Globalpolitik. Die H a u p t l a s t keynesianischer G l o b a l s t e u e r u n g liegt bei d e r antizyklischen Fiskalpolitik 59 . Dabei wird sowohl f ü r die Beschäftigungspolitik wie f ü r die Preisniveaustabilisierung der gleiche A n s a t z p u n k t gewählt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage 60 . 56
Die e m p i r i s c h e B e o b a c h t u n g , d a ß bei M a r k t u n g l e i c h g e w i c h t e n k u r z f r i s t i g nicht d i e Preise und Lohnsätze r e a g i e r e n , s o n d e r n d i e M e n g e n , wird von Vertretern d e r Neuen Makroökonomie w i e d e r a u f g e g r i f f e n . Vgl. stellvertretend H. Hagemann u . a . (1981).
57
Paiinkin
58
Die R e d u k t i o n d e r Keyne.suchen T h e o r i e a u f eine kurzfristige T h e o r i e z u r B e s t i m m u n g des G l e i c h g e w i c h t s e i n k o m m e n s läßt die u n s i c h e r e n E r w a r t u n g e n d e r U n t e r n e h m e r als a u s l ö s e n d e r F a k t o r zyklischer Instabilitäten v e r s c h w i n d e n . Die Investitionen w e r d e n n u r noch als vom jeweiligen Z i n s s a t z a b h ä n g i g betrachtet. D a m i t wird Keynes auf d e n S o n d e r f a l l einer d u r c h institutionell b e d i n g t e Rigiditäten gestörten M a r k t w i r t s c h a f t zur ü c k g e f ü h r t . Da in der Neoklassik volle Preis- u n d Lohnflexibilität V o r a u s s e t z u n g f ü r d a s Erreichen des g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n G l e i c h g e w i c h t s ist, wird d i e Kirne.ssche Problematik als k e y n e s i a n i s c h e R e d u k t i o n ( = Rigiditätsfall) akzeptiert. Dies hat b e s c h ä f t i gungspolitisch zur Folge, d a ß Arbeitslosigkeit „ f r e i w i l l i g " ist, da j e d e s A n g e b o t an Arb e i t s k r a f t - bei flexibler R e a l l o h n v o r s t e l l u n g - a u c h Arbeit f i n d e t . Vgl. hierzu H. Hage-
(1965, S. 313 ff.) u n d Kapitel I, o b e n S. 23.
mann u. a. ( 1981, S. 19 ff.) und J. Kromphardi (1980, S. 175 ff.). Zu U n t e r s c h i e d e n zwischen K m i M s c h e r u n d k e y n e s i a n i s c h e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k vgl. H. Ostleitner( 1978). 5
" Vgl. hierzu unten S. 105 ff.
"" D e r e n K o m p o n e n t e n s i n d : K o n s u m g ü t e r n a c h f r a g e , I n v e s t i t i o n s g ü t e r n a c h f r a g e , Staatsausgaben, Exporte, Importe.
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Kap. 3: Stabilisierungspolitik
Da N o m i n a l l ö h n e und Güterpreise wegen der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften u n d der Preissetzungsmacht der U n t e r n e h m e r als nach unten starr gelten, wird die Inflationsbekämpfung nicht m o n e t ä r (über die Geldpolitik), sondern vorwiegend durch die fiskalische Steuerung betrieben 6 1 . Nach keynesianischer A u f f a s s u n g beruht die antizyklische Fiskalpolitik, die im wesentlichen staatliche Nachfragepolitik ist, auf Mengen- u n d Einkommenseffekten. So werden bei expansiver Nachfragepolitik positive Mengenreaktionen ( E r h ö h u n g von Produktion u n d Beschäftigung), bei N a c h f r a g e d ä m p f u n g jedoch Preiseffekte erwartet. 3.2 Neoklassisch-monetaristische Stabilisierungskonzeption Die Keynessche Theorie verstand sich als „ R e v o l u t i o n i e r u n g " der klassischen Theorie. Bereits A n f a n g der 60er Jahre ist dagegen die „monetaristische Gegenrevolution" eingeleitet worden 6 2 . Diese basiert auf der neoklassischen Theorie und ist vor allem durch folgende Thesen charakterisiert: ( I ) Gesamtwirtschaftliche Prozesse sind in kapitalistischen Marktwirtschaften inhärent stabil (Paradigma e n d o g e n e r Stabilisierungsfähigkeit); Störungen werden durch den Marktmechanismus grundsätzlich kompensiert, eine R ü c k k e h r zum Gleichgewicht ist garantiert, wenngleich dieser A n p a s s u n g s p r o z e ß einen unterschiedlich großen Zeitbedarf erfordert. (2) In der Realität a u f t r e t e n d e Instabilitäten gesamtwirtschaftlicher Prozesse sind eher durch eine diskretionäre Wirtschaftspolitik verursacht. (3) Nicht von fiskalpolitischen M a ß n a h m e n , sondern von Veränderungen der Geldmenge gehen dominante Impulse auf die makroökonomischen G r ö ß e n aus. Die Geldpolitik ist dabei zu verstetigen.
Der prinzipielle Unterschied zum wirtschaftspolitischen Konzept des Keynesianismus liegt im Stabilitätsparadigma, womit die beiden anderen Thesen korrespondieren. Der private Sektor weist dabei eine zweifache Stabilität a u f : er produziert keine sich selbst verstärkenden Schwankungen und kompensiert zudem auf ihn einwirkende Störungen. Die stabilisierungspolitische Norm der neoklassisch-monetaristischen Konzeption lautet folglich: Z u r ü c k n a h m e staatlicher Interventionen - diese werden, der neoliberalen Gesellschaftsauffassung folgend 6 3 , ohnehin als destabilisierend und freiheitsbeschränkend aufgefaßt - , Konstanz des verbleibenden wirtschaftspolitischen R a h m e n s und Vermeidung von Störungen, die kumulative Anpassungs- und Eingriffsprozesse in Gang setzen 64 . Dabei soll die m a k r o ö k o n o m i sche Steuerung p r i m ä r über die Geldpolitik erfolgen. Geldpolitische M a ß n a h m e n greifen aber nicht direkt in die ökonomischen Aktivitäten des realen Sektors ein. Die entscheidende Frage der Geldpolitik lauM
Die Inflationserklärung ist in der Gütersphäre fundiert: Preise steigen nur d a n n , wenn die Nachfrage g r ö ß e r ist als das Angebot. Preisniveaustabilität kann nach diesem Verständnis so lange nicht zum Problem werden, als Arbeitslosigkeit vorliegt. Vgl. zur Monetarismus-Debatte P. Kolmbach (1973) und W. Ehrlicher. W. D. Becker (1978). Vgl. zur neoklassischen Theorie der liberalen Marktgesellschaft ausführlicher Kapitel 1, oben S. 9 ff.
M
Diese monetaristische „Verstetigungsregel" ist schon in Euckens „ K o n s t a n z der Wirtschaftspolitik" z u g r u n d e gelegt. Vgl. W. Eucken (1952, S. 288) sowie Kapitel 1, oben S. 29.
Kap. 3: Stabilisierungspolitik
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tet d e s h a l b , o b u n d wie d i e m o n e t ä r e n I m p u l s e ü b e r t r a g e n w e r d e n . M o n e t a r i s t e n gehen dabei von einer engen Beziehung zwischen der G e l d m e n g e n ä n d e r u n g u n d den ökonomischen Aktivitäten aus (Kausalitätshypothese). Die D o m i n a n z des m o n e t ä r e n I m p u l s e s soll - s o w i r d p o s t u l i e r t - d a s O u t p u t n i v e a u s t ä r k e r b e e i n flussen als fiskalische A n s t ö ß e . G e f r a g t wird also, a u f w e l c h e n W e g e n eine Geldmengenveränderung die gewünschten Steuerungseffekte der gesamtwirtschaftlichen G r ö ß e n erzielt: w a r u m sollen Wirtschaftssubjekte ihre K o n s u m - u n d Investitionsgüternachfrage ausd e h n e n , n u r weil e i n e e r h ö h t e G e l d m e n g e z u r V e r f ü g u n g g e s t e l l t w i r d ? G r u n d l e g e n d f ü r d i e A n t w o r t d e r M o n e t a r i s t e n ist d i e A n n a h m e , d a ß d i e G e l d n a c h f r a g e a l s Teil e i n e s a l l g e m e i n e n P r o b l e m s d e r o p t i m a l e n V e r m ö g e n s h a l t u n g b e g r i f f e n wird65. Monetaristischer Transmissionsmechanismus Ein wesentlicher Unterschied zur keynesianischen Analyse m o n e t ä r e r Impulse66 b e s t e h t in d e r B e r ü c k s i c h t i g u n g v o n V e r m ö g e n s e n t s c h e i d u n g e n d e r W i r t s c h a f t s s u b j e k t e 6 7 . D e r e n N e t t o v e r m ö g e n s b e s t a n d setzt s i c h z u s a m m e n a u s : A k t i v a p o s i t i o n e n wie Kasse, W e r t p a p i e r e , Kredit, Realkapital (einschließlich langlebiger G e b r a u c h s g ü t e r ) u n d H u m a n k a p i t a l abzüglich der Passivapositionen wie Verbindlichkeiten g e g e n ü b e r B a n k e n (im B a n k e n s e k t o r erscheint hier die Position Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken), emittierte Wertpapiere und sonstige V e r b i n d l i c h k e i t e n . D i e s e n V e r m ö g e n s b e s t a n d w o l l e n d i e W i r t s c h a f t s s u b j e k t e in
65
Im Kontext der monetaristischen Theorie ist auch die K o n s u m g ü t e r n a c h f r a g e vom Vermögen der jeweiligen Wirtschaftssubjekte abhängig. Eine weitere wesentliche Variable f ü r Konsumentscheidungen ist das permanente Einkommen (die Entwicklung dieser Hypothese geht auf M. Friedman zurück). Danach hängen K o n s u m a u s g a b e n von den auf Dauer erwarteten E i n k o m m e n ab und sind folglich durch kurzfristige M a ß n a h m e n der fiskalpolitischen Nachfragesteuerung nicht zu beeinflussen. Vgl. im Unterschied hierzu die keynesianische Konsumtheorie, unten S. 107. Weitere Elemente der monetaristischen M a k r o ö k o n o m i e sind bei J. Kromphardt (1980, S. 187 ff.) dargestellt.
^
Keynes sieht die Wirkung m o n e t ä r e r Impulse auf ökonomische Aktivitäten und damit Produktion und Beschäftigung als abhängig von der Zinselastizität der Investitionen wie auch der G e l d n a c h f r a g e . Dabei wird a n g e n o m m e n , d a ß die Zinselastizität v.a. der G e l d n a c h f r a g e der jeweiligen konjunkturellen Situation gegenläufig ist. In rezessiven Phasen rechnet man daher mit einer hohen Zinselastizität, so d a ß eine G e l d m e n g e n e x pansion nur zu geringen Zinssenkungen führt, mit wenig Auswirkungen auf die Nachfrage. Die G e l d m e n g e n a u s w e i t u n g k a n n auch in der Liquiditätsfalle verschwinden, da die Wirtschaftssubjekte in E r w a r t u n g steigender Zinsen (oder v o r h a n d e n e r Zinsrigiditäten) die Liquiditätsausweitung in der Spekulationskasse halten. Die Geldpolitik versagt generell in Situationen, in denen Wirtschaftssubjekte durch steigende Liquiditätspräferenz und sinkende Investitionsneigung eine expansive Geldpolitik b e h i n d e r n . Die Keynesianer rücken die Liquiditätsfalle - von Keynes als seltener Ausnahmefall beschrieben - in den Vordergrund ihres Kreditkostenmechanismus u n d begründen damit die d o m i n a n t e Rolle der Fiskalpolitik v.a. in der Rezession. Nach dem Kreditkostenprinzip führt eine Zinssenkung n u r bei zinsreagiblen Investitionen zu verstärkter unternehmerischer Investitionstätigkeit, die sich in eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen N a c h f r a g e umschlägt. Der Erfolg dieses Übertragungsmechanismus hängt allerdings vom G r a d der Zinselastizität ab. Vgl. hierzu ausführlicher D. Duwendag u . a . (1977, S. 212 ff.).
67
Vgl. zur monetaristischen Vermögensentscheidungstheorie S. 196 ff.).
D. Duwendag
u . a . (1977,
104
K a p . 3: Stabilisierungspolitik
j e d e r Periode auf die verschiedenen A n l a g e f o r m e n so a u f t e i l e n , d a ß die Vermögensstruktur u n t e r Berücksichtigung der zu e r w a r t e n d e n E i n n a h m e n , einschließlich einer eventuellen zusätzlichen V e r s c h u l d u n g , optimal ist. Dieses r a t i o n a l e Verhalten soll einen m a x i m a l e n Vermögensertrag abwerfen 6 8 . A m Beispiel d e r O f f e n m a r k t p o l i t i k 6 ' ' sollen die E f f e k t e einer G e l d m e n g e n e r h ö h u n g auf die E r t r a g s r a t e n von V e r m ö g e n s a r t e n dargestellt w e r d e n . Die B u n d e s b a n k k a n n eine G e l d m e n g e n e r h ö h u n g in d e r F o r m h e r b e i f ü h r e n , d a ß sie v o n d e n G e s c h ä f t s b a n k e n W e r t p a p i e r e zu h ö h e r e n als d e n M a r k t k u r s e n a n k a u f t : D a d u r c h sinkt d i e R e n d i t e ( E r t r a g s r a t e ) d e r jeweiligen W e r t p a p i e r e , bezogen auf ihren n u n m e h r g e l t e n d e n Preis 7 ". D i e G e s c h ä f t s b a n k e n suchen n u n ihrerseits r e n t a b l e A n l a g e n f ü r die zusätzliche Liquidität. Sie e r w e r b e n e r t r a g s b r i n g e n d e F i n a n z a k t i v a i m m e r so lange, bis d e r e n Preissteigerungen d e n E r w e r b a n d e r e r Vermögenstitel r e n t a b l e r e r s c h e i n e n lassen. Dieser U m s c h i c h t u n g s p r o z e ß zwischen G e l d - und F i n a n z a k t i v a greift auch auf die V e r m ö g e n s e n t s c h e i d u n g e n d e r W i r t s c h a f t s s u b j e k t e ü b e r und ist a b g e s c h l o s s e n , w e n n n u r n o c h Anlagen in S a c h v e r m ö g e n s o b j e k t e n rentabel e r s c h e i n e n . A u c h hier f ü h r t die Ä n d e r u n g der relativen Preise f ü r b e s t e h e n d e O b j e k t e dazu, d a ß d e r e n N e u p r o d u k t i o n rentabel erscheint. D e r jetzt e i n s e t z e n d e I n v e s t i t i o n s p r o z e ß f ü h r t im realen S e k t o r zur E r h ö h u n g d e r P r o d u k tion, d e r B e s c h ä f t i g u n g u n d d e s gesamten E i n k o m m e n s , s o m i t letztlich zu e r h ö h t e r gesamtwirtschaftlicher Nachfrage.
Der d u r c h G e l d m e n g e n ä n d e r u n g e n ausgelöste monetäre Impuls pflanzt sich über zahlreiche A n p a s s u n g s r e a k t i o n e n u n d S u b s t i t u t i o n e n ( = T r a n s m i s s i o n s m e c h a n i s m u s ) so lange fort, bis über die V e r ä n d e r u n g der relativen Preise der verschiedenen V e r m ö g e n s o b j e k t e eine A u s d e h n u n g d e r Wirtschaftstätigkeit eingetreten ist. Auch die K o n s u m a u s g a b e n d e r W i r t s c h a f t s s u b j e k t e n e h m e n zu, da ihr Vermögen w ä h r e n d des Substitutionsprozesses a n Wert g e w o n n e n hat. Folglich zieht eine G e l d m e n g e n e r h ö h u n g auch zusätzliche K o n s u m g ü t e r n a c h f r a g e nach sich (Realvermögenseffekt)". Die geschilderten A n p a s s u n g s p r o z e s s e w e r d e n als Selbststeuerung des privaten Sektors interpretiert, die reale und m o n e t ä r e I m p u l s e d u r c h M e n g e n - u n d P r e i s a n p a s s u n g e n in Stabilisierungsbewegungen umsetzen u n d schließlich absorbieren. Das m o n e t a r i s t i s c h e Fazit lautet: die G e l d m e n g e n v a r i a t i o n ist f ü r die Bes t i m m u n g des N i v e a u s volkswirtschaftlicher Aktivitäten relevanter als die N a c h fragebeeinflussung. U m die e n d o g e n e n Stabilitätstendenzen des ö k o n o m i s c h e n Systems nicht zu b e h i n d e r n , müssen sowohl geld- wie fiskalpolitische M a ß n a h m e n d i s k r e t i o n ä r e r Art u n t e r b l e i b e n . D i s k r e t i o n ä r e Stabilisierungspolitik k a n n nach monetaristischer A u f f a s s u n g nur die l a u f e n d v e r f ü g b a r e n E i n k o m m e n o d e r die aktuellen Ertragssätze beeinflussen, nicht aber d a s f ü r ö k o n o m i s c h e Aktivitäten d e r Wirts c h a f t s s u b j e k t e relevante d a u e r h a f t e E i n k o m m e n u n d die V e r m ö g e n s b e s t ä n d e . Die auf Keynes f u ß e n d e u n d v . a . von J. Tobin e n t w i c k e l t e Portfoliotheorie ( T h e o r i e d e r V e r m ö g e n s s t r u k t u r ) geht von einer engeren V e r m ö g e n s a b g r e n z u n g aus, d a sie nicht d i e langlebigen G e b r a u c h s g ü t e r u n d das H u m a n k a p i t a l e r f a ß t . Des weiteren unterscheidet sie sich b e i m O p t i m a l i t ä t s k r i t e r i u m , i n d e m sie nicht n u r d e n Vermögensertrag, s o n d e r n a u c h das Risiko einbezieht, d a s der gewählten S t r u k t u r e i n e s V e r m ö g e n s b e s t a n d e s a n haftet. Vgl. hierzu D. Duwendag u . a . (1977, S. 206 ff.). ''' Zu diesem g e l d p o l i t i s c h e n I n s t r u m e n t siehe u n t e n S. 117. " Bei gegebenem W e r t p a p i e r a n g e b o t steigen bei v e r m e h r t e r N a c h f r a g e d e r e n K u r s e u n d sinkt infolgedessen ihre R e n d i t e . 71
Vgl. hierzu a u c h die D a r s t e l l u n g bei P. Kolmbach
(1973, S. 26 f.).
Kap. 3: Stabilisierungspolitik
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Die monetaristische Forderung an die Geldpolitik verdichtet sich daher darin, die zyklusorientierte durch die trendorientierte Politik zu ersetzen. Die Geldmengenregel würde dieser Verstetigungsabsicht entsprechen: Die jährliche Erhöhung der Geldmenge ist am langfristigen realen Wachstumspotential auszurichten (den volkswirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten) und dem als unvermeidlich anzusehenden Preisniveauanstieg (potentialorientierte Geldpolitik).
4. Instrumente und Träger der Stabilisierungspolitik Zur Steuerung der einzelnen Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage im konjunkturellen Verlauf stehen der Stabilisierungspolitik die Instrumente der Fiskalpolitik, der Geld- und Kreditpolitik, der staatlichen Einkommenspolitik 72 und die M a ß n a h m e n der außenwirtschaftlichen Absicherung 73 zur Verfügung. Als institutioneller Rahmen des im folgenden dargestellten Instrumentariums und der Entscheidungsträger wird das in der Bundesrepublik praktizierte Konzept der Globalsteuerung gewählt. Globalsteuerung bedeutet dabei, daß die makroökonomischen Aggregate (Konsum, Investitionen, Staatsausgaben etc.) als Ganzes 7 4 so beeinflußt werden sollen, daß eine Abstimmung von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und volkswirtschaftlichem Angebot erfolgt. Da sich die Globalsteuerung im marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen bewegt, werden die Entscheidungen der sogenannten Mikroeinheiten (private Haushalte, Unternehmen, autonome Gruppen) nicht direkt beeinflußt. 4.1 Fiskalpolitik Fiskalpolitik (fiscal policy) bezeichnet den Einsatz staatlicher Ausgaben u n d / oder Einnahmen zur Verwirklichung gesamtwirtschaftlicher Ziele. Ihr Ausgangspunkt ist die Annahme, daß die Höhe der Beschäftigung durch das jeweilige Niveau der effektiven Nachfrage bestimmt wird, wofür Keynes die theoretische Grundlage lieferte. Fiskalpolitische Maßnahmen beeinflussen folglich primär die Nachfrage, indirekt aber auch die Liquidität der Wirtschaftssubjekte und Gebietskörperschaften sowie die Erwartungshaltungen. Dabei hängt das endgültige Ausmaß dieser Effekte auch von der Art der Ausgabenfinanzierung ab. Das Instrumentarium der Fiskalpolitik ist im StabG festgelegt, dessen Grundorientierung die Glättung gesamtwirtschaftlicher Aktivitätsschwankungen durch den antizyklischen Einsatz Steuer- und ausgabenpolitischer Maßnahmen beinhaltet. Der Grundsatz des jährlichen Budgetausgleichs wird folglich aufgegeben. Defizite öffentlicher Haushalte in Abschwungs- und Rezessionsphasen, stillgelegte Mittel im Boom, unterstützt durch nachfragedämpfende bzw. -belebende Änderungen der Steuer- und Ausgabenstruktur, sind für eine stabilisierungspolitisch ausgerichtete Fiskalpolitik charakteristisch.
72
Vgl. zur Stabilitätsfunktion der Einkommenspolitik Kapitel 5.
"
Diese werden aus Platzgründen nicht dargestellt. Vgl. die Darstellung bei U. Teichmann (1982, S. 259 ff.). Die strukturelle Differenzierung wirtschaftspolitischer Instrumente erfolgt erst durch die Strukturpolitik. Vgl. hierzu Kapitel 4.
74
106
Kap. 3: Stabilisierungspolitik
4.1.1 Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes Z u r E r r e i c h u n g der gesamtwirtschaftlichen Ziele des § 1 S t a b G k a n n f o l g e n d e s M a ß n a h m e b ü n d e l 7 5 eingesetzt w e r d e n : • Informationsinstrumente Diese bilden die Grundlage für die Meinungsbildung der Träger wirtschaftspolitischer Entscheidungen über die jeweilige Wirtschaftslage. Im Jahreswirtschaftsbericht legt die Bundesregierung - im Januar eines jeden Jahres - die für das laufende Jahr angestrebten Ziele (Jahresprojektionen), die geplanten wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen und eine Stellungnahme zum Jahresgutachten des Sachverständigenrates vor (§ 2 StabG). Diese Absichtserklärungen der staatlichen Stabilisierungspolitik bilden u.a. die Grundlagen für die Dispositionen der Wirtschaftssubjekte und der Tarifparteien. Ferner ist alle zwei Jahre von der Bundesregierung der Subventionsbericht vorzulegen (§ 12 StabG). • Planungsinstrumente In Form der mittelfristigen Finanzplanung (§ 9 StabG) und der Verpflichtung zur Aufstellung mehrjähriger Investitionsprogramme (§ 10 StabG) soll die Entwicklung des öffentlichen Haushaltsvolumens und Investitionsgebarens zwischen Bund und Ländern aufeinander abgestimmt und in einen längerfristigen Zusammenhang mit der allgemeinen Wirtschaftslage gebracht werden. Diese ausgabenorientierte Finanzplanung7
Vgl. J. Werner (1971, S. 23 ff.) und zu weiteren Beispielen ökonomischer Strukturelemente H.-R. Peters (1981, S. 42 ff.).
2
" Siehe hierzu insbesondere unten S. 145 ff.
27
E. Preiser ( 1970, S. 158) und unten S. 161.
sich grundsätzlich noch zwei weitere Wachsdie A u f b a u p h a s e d e r Bundesrepublik sogecharakteristisch, das meist als Wachstum d e r konkretisiert ist. Wird dagegen der Z u w a c h s Bevölkerung angegeben, spricht man vom
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
129
E f f e k t e , lokale M o n o p o l e 2 8 u n d I m m o b i l i t ä t e n der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n 2 * . Zud e m erschwert a u c h die m a n g e l n d e Voraussicht des privaten Sektors, Ä n d e r u n gen d e r N a c h f r a g e - etwa a u f g r u n d z u n e h m e n d e r A u s l a n d s k o n k u r r e n z o d e r n e u e r Substitutionsgüter - rasch g e n u g zu e r k e n n e n o d e r k o n j u n k t u r e l l von strukturell b e d i n g t e n N a c h f r a g e ä n d e r u n g e n u n t e r s c h e i d e n zu k ö n n e n , die notw e n d i g e n A n p a s s u n g e n . E b e n s o b e g r ü n d e n die soziale A b s i c h e r u n g ö k o n o m i scher E n t w i c k l u n g s p r o z e s s e sowie gesellschaftspolitische F o r d e r u n g e n nach qualitativem W a c h s t u m strukturpolitische I n t e r v e n t i o n e n . D a es z u d e m generell keine strukturneutrale Wirtschaftspolitik gibt, so wirken sich i n s b e s o n d e r e glob a l s t e u e r n d e M a ß n a h m e n in unterschiedlich strukturierten Regionen verschieden aus, wird Strukturpolitik bereits d e s h a l b zur n o t w e n d i g e n E r g ä n z u n g d e r globalen Steuerung 1 0 . Strukturpolitik k a n n n a c h ihrer Zielsetzung in eine Wachstums- und produktivitätsorientierte, sowie in eine stabilitäts- und angleichungsorientierte S t r u k t u r p o l i tik u n t e r s c h i e d e n w e r d e n , i n d e m e i n m a l die S c h a f f u n g o p t i m a l e r W a c h s t u m s v o r a u s s e t z u n g e n , die Mobilisierung d e r vollen A u s n u t z u n g des P r o d u k t i o n s p o tentials u n d der Produktivitätsreserven in allen volkswirtschaftlichen Bereichen im V o r d e r g r u n d steht. Hier rückt die Allokationseffizienz in den M i t t e l p u n k t des Interesses. D a n e b e n soll die Stabilisierung der ö k o n o m i s c h e n Aktivitäten, der soziale Ausgleich u n d die A n g l e i c h u n g regionaler Lebens- u n d A r b e i t s b e d i n g u n gen in den B r a n c h e n u n d Regionen a n g e s t r e b t w e r d e n " . Ihr generelles Ziel ist die Sicherung u n d F ö r d e r u n g k ü n f t i g e n W a c h s t u m s bei gleichzeitiger sozialer A b s i c h e r u n g d e r v o m S t r u k t u r w a n d e l B e t r o f f e n e n d u r c h M a ß n a h m e n , die nicht global ausgerichtet, s o n d e r n auf die ö k o n o m i s c h e n Teilbereiche bezogen sind. D a es die Strukturpolitik mit einer Vielzahl von Zielen (meist auch qualitativer Art) zu tun hat, läßt sich k a u m eine u m f a s s e n d e strukturpolitische Z i e l f u n k t i o n erstellen. N a c h ihrem A n s a t z p u n k t k a n n m a n j e d o c h sektorale u n d regionale strukturpolitische Ziele u n t e r s c h e i d e n . G e m e i n s a m ist ihnen ihre A u s r i c h t u n g a u f strukturelle Ausgewogenheit 32 . Diese u m f a ß t - d e m e n t s p r e c h e n d - eine regionale u n d eine sektorale Politikkomponente. Regionale Strukturpolitik soll die negativen A u s w i r k u n g e n von Disparitäten zwischen A g g l o m e r a t i o n s - u n d p e r i p h e r e n R ä u m e n auf die Lebenslage d e r Wirts c h a f t s s u b j e k t e , auf wirtschaftliches W a c h s t u m u n d ö k o n o m i s c h e Stabilität auszugleichen v e r s u c h e n , i n d e m sie die E n t w i c k l u n g einzelner W i r t s c h a f t s r ä u m e im R a h m e n der R a u m o r d n u n g b e e i n f l u ß t . Sie ist vor allem w a c h s t u m s p o l i t i s c h , d . h . a n der A u s s c h ö p f u n g der in d e n einzelnen Regionen v o r h a n d e n e n P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l e orientiert. Ihre Fragestel2
* Bereits große Produktionsanlagen erschweren rasche Anpassungen an Nachfrageverschiebungen. Ausgangspunkt der Begründung strukturpolitischer Maßnahmen ist hier offensichtlich die Theorie des Marktversagens. Siehe zu dieser Kapitel 1, oben S. 12 f. Zur Begründung der Strukturpolitik vgl. auch H.-F. Ecke ν (1978, S. 66ff.) und H.-R. Peters (\99,\, S. 52ff.). 30 Die strukturelle Steuerung wird im einzelnen unten S. 144ff. dargestellt. " H.-R. Peters (mi, S. 56ff.). " U. Teichmann ( 1979, S. 45 ff.).
130
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
lung ist die o p t i m a l e Verteilung der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n auf alternative Verwend u n g s m ö g l i c h k e i t e n . N e b e n b e d i n g u n g ist d i e Verringerung interregionaler Entwicklungsunterschiede. Sektorale Strukturpolitik zielt primär d a r a u f a b , die Anteile einzelner Branchen a n volkswirtschaftlichen G e s a m t g r ö ß e n u n d deren Entwicklung zu beeinflussen. D u r c h d e n A b b a u strukturkonservierender M a ß n a h m e n u n d beschleunigte S t r u k t u r a n p a s s u n g im einzelnen soll das W i r t s c h a f t s w a c h s t u m gesteigert w e r d e n , i n d e m P r o d u k t i o n s f a k t o r e n in j e n e Branchen gelenkt werden, in d e n e n sie einen möglichst h o h e n Ertrag erzielen. Fast alle quantitativ b e d e u t s a m e n M a ß n a h m e n d e r regionalen u n d sektoralen S t r u k t u r p o l i t i k " sind auf die F ö r d e r u n g industrieller Investitionen ausgerichtet. Strukturpolitik ist d a m i t wie die Wachstumspolitik überwiegend ein I n s t r u m e n t mittelfristiger Angebotspolitik und rein investitionsorientiert 34 . Die Strukturpolitik ist auch als Reaktion a u f die Keynessche N a c h f r a g e p o l i t i k zu v e r s t e h e n : Fehlentwicklungen auf der Angebotsseite k a n n eine staatliche N a c h f r a g e p o l i t i k auf D a u e r nicht kompensieren. A u c h die strukturpolitische Orientierung d e r Wirtschaftspolitik konfligiert mit a n d e r e n ö k o n o m i s c h e n Zielsetzungen, i n s b e s o n d e r e mit wachstumspolitischen 3 5 . Zwei typische Zielkonflikte s i n d : • Strukturerhaltung und Wachstum Die angleichungsorientierte Strukturpolitik kann durch Subventionspolitik Strukturen konservieren oder deren Anpassung an den erforderlichen strukturellen Wandel verzögern. Dadurch werden knappe Produktionsfaktoren in suboptimalen Verwendungen gebunden, wo sie Produktivitätsfortschritte und damit wirtschaftliches Wachstum einschränken. • Strukturprobleme und Wachstum Eine einseitig verfolgte wachstumsorientierte Strukturpolitik kann bereits vorhandene strukturelle Ungleichgewichte und Probleme noch verstärken und somit immer mehr kompensatorische soziale M a ß n a h m e n und Umstellungshilfen (Anpassungssubventionen) erfordern.
Dabei ist bereits im Strukturziel selbst ein Konflikt angelegt zwischen der Allokationseffizienz u n d d e r sozialen Orientierung, ein H ö c h s t m a ß an sozialer Sicherheit zu gewährleisten, d e r in der Realität politische E n t s c h e i d u n g e n mit K o m p r o m i ß c h a r a k t e r z u r Folge hat.
2.3 Meßkonzeptionen Die E r h ö h u n g des BSP k a n n sowohl d u r c h W a c h s t u m im engeren Sinne ( F a k t o r v e r m e h r u n g und verbesserte Faktoreffizienz) wie durch verbesserte Faktorallokation erreicht werden. In d e r ö k o n o m i s c h e n Wirklichkeit tritt beides meist gemeinsam auf. Folglich lassen sich die W i r k u n g e n Wachstums- und strukturpolitischer M a ß n a h m e n k a u m lokalisieren u n d empirisch nur schwer erfassen.
Im einzelnen hierzu siehe unten S. 149ff. 34
Der internationale Terminus für Strukturpolitik ist auch „industrial policy". Vgl. hierzu
15
Siehe hierzu auch B. Gahlen u.a. (1981, S. 209) und H.-R.
B. Gahlen u.a. (1981, S. 193). Peters
81, S. 58).
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
131
Indikatoren der Wohlstandsmessung Der klassische M a ß s t a b f ü r W a c h s t u m u n d W o h l f a h r t ist die W a c h s t u m s r a t e des realen BSPs beziehungsweise des g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n P r o d u k t i o n s p o t e n tials". G e g e n diese Art d e r e i n d i m e n s i o n a l e n (da nur in G e l d e i n h e i t e n a u s g e d r ü c k ten), materiellen W o h l f a h r t s m e s s u n g w e r d e n f o l g e n d e prinzipielle E i n w ä n d e erhoben : • Soziale Kosten und Wohlfahrtsbeeinträchtigende Umweltbelastungen einer wachsenden Versorgung mit Gütern werden nicht berücksichtigt; • öffentliche Güter werden falsch oder nicht bewertet, da für sie meistens keine Marktpreise existieren; damit können Wohlfahrtseffekte der Tätigkeit des Staates nicht zutreffend bewertet werden; • Veränderungen gesellschaftlicher Institutionen (z.B. durch Urbanisierungsprozesse ausgelöst) sowie wohlfahrtssteigernde Veränderungen der Lebensbedingungen (ζ. B. durch Arbeitszeitverkürzungen) werden nicht berücksichtigt; • es werden keine Aussagen darüber getroffen, wie der reale Zuwachs des BSP und damit die materielle Wohlfahrtssteigerung verteilt wird; • es werden keine Aussagen hinsichtlich der qualitativen Zusammensetzung des produzierten Endprodukts getroffen. Als Fazit ist festzustellen: d a s BSP ist d a n n als ö k o n o m i s c h e r I n d i k a t o r aussagelos, wenn es wirtschaftliches W a c h s t u m mit W o h l f a h r t s s t e i g e r u n g gleichsetzt. Zugleich verdeckt sein globales Aggregationsniveau strukturelle V e r ä n d e r u n g e n u n d Defizite. Dieses U n b e h a g e n an d e r U n v o l l k o m m e n h e i t des traditionellen W a c h s t u m s i n d i k a t o r s f ü h r t e im Z u s a m m e n h a n g mit d e r A n f a n g d e r 70er J a h r e einsetzenden Diskussion um Lebensqualität dazu, die rein ö k o n o m i s c h e Sozialp r o d u k t s r e c h n u n g d u r c h eine m e h r d i m e n s i o n a l k o n z i p i e r t e u n d nicht ausschließlich in G e l d e i n h e i t e n b e w e r t e t e gesellschaftliche Sozialberichterstattung zu ergänzen. Basiselemente dieses neuen K o n z e p t s sind die s o g e n a n n t e n sozialen Indikatoren. Sie sollen I n f o r m a t i o n e n ü b e r Z u s t a n d u n d V e r ä n d e r u n g gesellschaftlicher Bereiche, aber auch gesellschaftlicher Werte u n d B e d ü r f n i s s e liefern u n d w e r d e n objektiv gemessen o d e r subjektiv erfragt. Als I n f o r m a t i o n s t r ä g e r w e r d e n sie d a m i t zur n o t w e n d i g e n E r g ä n z u n g der volkswirtschaftlichen G e s a m t r e c h n u n g , d a d e r e n ö k o n o m i s c h e D a t e n k a u m derartige E r k e n n t n i s s e liefern k ö n n e n . Die wesentliche F u n k t i o n d e r Sozialberichterstattung soll d a r i n liegen, d a ß mit ihrer Hilfe auf d e r politischen S t e u e r u n g s e b e n e die q u a n t i t a t i v orientierte Stabilisierungs- u n d W a c h s t u m s p o l i t i k d u r c h eine qualitative w o h l f a h r t s o r i e n tierte Politik ergänzt w e r d e n k a n n " . D e r E n t w i c k l u n g s s t a n d der sozialen I n d i k a toren ermöglicht derzeit noch nicht die Einlösung dieses A n s p r u c h s , d a eine Vielzahl von Aggregations- u n d B e w e r t u n g s p r o b l e m e n n o c h o f f e n ist. Z u d e m liegt a u c h keine T h e o r i e gesellschaftlicher E n t w i c k l u n g vor, auf d e r e n G r u n d lage d i e Sozialberichterstattung gestellt sein m ü ß t e , um nicht d e m V o r w u r f theorielosen Messens ausgesetzt zu sein. Beide M e ß k o n z e p t i o n e n h a b e n Vor- u n d N a c h t e i l e ; e i n e Ü b e r e i n s t i m m u n g , wie W o h l f a h r t zu messen ist, hat sich bislang nicht eingestellt. 36 17
Vgl. zu diesen Wachstumsindikatoren im einzelnen Kapitel 3, oben S. 97 f. Vgl. hierzu stellvertretend für viele andere etwa W. Zapf (1976).
132
Kap. 4 : Wachstums- u n d Strukturpolitik
Die prinzipielle Kritik am BSP wendet sich gegen den undifferenzierten Wachstumsbegriff, der lediglich auf die reale Produktionszunahme abstellt u n d gesellschaftliche Wohlfahrt damit gleichsetzt. Auf der Ideologieebene kulminiert die Kritik im Vorwurf des „Wachstumsfetischismus". In diesem Z u s a m m e n h a n g wird die Frage nach dem Erstrebenswerten an wirtschaftlichem Wachstum per se gestellt, bis hin zur Gegenposition des „Nullwachstums"· 18 . Die Diskussion qualitativer Aspekte, aber auch politischer, soziologischer u n d sozialpsychologischer Folgeerscheinungen des Wirtschaftswachstums k ö n n t e die Dimensionen dieses Begriffs u n d insbesondere die Gleichsetzung von gesellschaftlicher Wohlfahrt mit ökonomischem Wachstum differenzieren helfen. Die angestrebte H ö h e künftigen wirtschaftlichen Wachstums d ü r f t e dabei zwischen den beiden Extrempositionen liegen. Strukturberichterstattung Eine aktive und vorausschauend betriebene Strukturpolitik setzt diagnostisches Wissen über die bisherigen strukturellen Entwicklungslinien, deren Ursachen, Determinanten u n d die Intensität des Strukturwandels voraus. Erst auf dieser G r u n d l a g e k ö n n e n z.B. Anpassungshemmnisse identifiziert sowie Vorstellungen über die strukturelle Entwicklung volkswirtschaftlicher, regionaler und sektoraler Bereiche zu strukturpolitischen Handlungsmaximen verdichtet werden. Im Unterschied zu den bislang vorherrschenden Branchenanalysen soll die im A u f b a u befindliche periodische Strukturberichterstattung 39 anstelle isolierter Untersuchungen von Branchenentwicklungen den Prozeß sektoralen Strukturwandels als G e s a m t k o m p l e x erfassen. Sie soll die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Strukturwandels auf die Nachfrage- und Angebotsseite aufzeigen. Dadurch soll sich die Planungsfähigkeit wirtschaftspolitischer Instanzen verbessern, Entscheidungen zugunsten einer stärker industrie- o d e r einer mehr dienstleistungsorientierten Strukturpolitik zu treffen. Darüber hinaus wird auch eine Wirkungsanalyse der staatlichen Strukturpolitik, insbesondere der Subventionspolitik, erwartet. Wesentliche Hindernisse einer effektiven Strukturberichterstattung sind die mangelhafte Datenlage u n d ungelöste methodische Analyseprobleme. So sind sowohl im diagnostischen wie im prognostischen Bereich aufgrund des hohen Aggregations- u n d Abstraktionsgrades immer nur Teilwirklichkeiten abbildbar. Auch deshalb sind die Entscheidungen der privaten Wirtschaftssubjekte wie der wirtschaftspolitischen Instanzen nach wie vor unter Unsicherheit zu treffen. Dennoch k ö n n e n die Strukturberichte zur Bewußt- u n d T r a n s p a r e n t m a c h u n g der Risiken, Unsicherheiten und Zusammenhänge im strukturellen Wandel des ökonomischen Systems beitragen.
3. Wachstumspolitisches Instrumentarium 3.1 Determinanten und Faktoren des Wachstumsprozesses Der gegenwärtige Entwicklungsstand der Wachstumstheorie liefert zwar keine Informationen f ü r konkrete wachstumspolitische Aktionen, immerhin aber De18
Zur Präzisierung der stationären Wirtschaftsentwicklung vgl. Α. E. 0 / / ( 1 9 8 1 ) . D e n Auftrag zur Erstellung dieser Strukturberichte vergab die Bundesregierung 1978 an die großen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute. 1981 wurden die ersten Strukturberichte veröffentlicht, 1983 soll die nächste Fortschreibung vorgelegt werden.
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
133
terminanten des Wachstumsprozesses u n d Ansatzpunkte f ü r seine prozeßpolitische Steuerung 4 0 . Als Determinanten der Wachstumsrate sind in den jeweiligen Wachstumsmodellen herausgearbeitet w o r d e n : • die Investitionen, • das Bevölkerungswachstums sowie • der technische u n d organisatorische Fortschritt. Dabei wirken sich die beiden letzten Determinanten o h n e das „InvestitionsM e d i u m " meist nicht aus. Die strategischen Größen der m a k r o ö k o n o m i s c h e n Steuerung des Wachstumsprozesses sind folglich die Investitionen u n d der technische Fortschritt. U m f a n g , Struktur und zeitliche Verteilung dieser beiden G r ö ß e n beeinflussen den Beginn eines Wachstumsprozesses. Die Wachstumsrate kann dabei sowohl durch vermehrten mengenmäßigen Einsatz der Produktionsfaktoren, aber auch durch deren verbesserten Einsatz (über Produktivitätssteigerungen u n d / o d e r effizientere Kombination) erzielt werden. Qualitätsverbesserungen der beiden Produktionsfaktoren Arbeit u n d Kapital tragen in hochentwickelten Volkswirtschaften wesentlich zum Wachstum bei 41 . Folglich lassen sich die wachstumspolitischen Instrumente in quantitativer u n d qualitativer Hinsicht unterscheiden.
Ansatzpunkte
direkte Wirkung
Produktionsfaktor Arbeit
quantitativ
Maßnahmenbereiche
Gesellschaftlicher Kapitalbestand
Beeinflussung des
qualitativ
Produkt ionsfaktor Kapital
Technischer Fortschritt
Abb. 8
J
quantitativ
qualitativ
Faktorbezogene Wachstumspolitik
" Die Wachstumstheorie analysiert nicht die Ursachen, vielmehr die Bedingungen gleichgewichtigen Wachstums, oder sie spaltet die Wachstumsrate lediglich in Faktoren a u f , o h n e empirisch widerlegbare Aussagen zu machen. Vgl. hierzu E. Dürr( 1977, S. 37 f.). 41 E. F. Denison( 1962) zeigt d a r ü b e r hinaus weitere Faktoren auf, die die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Produktionskapazitäten beeinflussen k ö n n e n : - die Änderungen in der Struktur der Erwerbstätigen, - die Änderungen in der Struktur des Kapitalbestandes und - die Änderungen in den sektoralen und regionalen Strukturen des ökonomischen Systems.
134
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
Die primär wachstumspolitisch wirkenden Instrumente k ö n n e n zudem in faktorbezogene M a ß n a h m e n u n d die wachstumspolitisch orientierte Strukturpolitik 42 eingeteilt werden. In der obigen A b b i l d u n g 8 sind die Wirkungsrichtungen faktorbezogener wachstumspolitischer M a ß n a h m e n auf den gesellschaftlichen Kapitalbestand dargestellt. Dieser ist die begriffliche Z u s a m m e n f a s s u n g spezieller Kapitalbestände. Dabei ist dem Produktionsfaktor Kapital und dem technischen Fortschritt jeweils keine direkte qualitative beziehungsweise quantitative Wirkung zugeschrieben, d a diese jeweiligen Wirkungen erst im gemeinsamen Z u s a m m e n wirken beider A n s a t z p u n k t e und damit indirekt zum Tragen kommen. 3.2 Faktorbezogene Wachstumspolitik 3.2.1 Produktionsfaktor Arbeit In entwickelten Industriegesellschaften ist ein vermehrter Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit nur noch bedingt möglich. Das Arbeitsvolumen 43 ist durch die Entwicklung der Anzahl der inländischen Erwerbstätigen, den Gastarbeiteranteil u n d die Entwicklung der durchschnittlichen Arbeitszeit beeinflußt. Das inländische Erwerbspersonenpotential hängt dabei von der Altersstruktur, dem Bevölkerungswachstum, der Länge der Ausbildungszeiten u n d der Erwerbsbeteiligung ab 44 . Da eine aktive Bevölkerungspolitik nur sehr langfristig wirkt, wird sie nicht als Ansatzpunkt f ü r wachstumspolitische M a ß n a h m e n gewählt. Die Erwerbsbeteiligung läßt sich unter Umständen durch das Erschließen zusätzlicher inländischer Arbeitskräfte vergrößern, indem ein ausgeweitetes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen etwa f ü r weibliche Arbeitskräfte attraktiv wird. Diese geschlechtsspezifische Ä n d e r u n g der Erwerbsquote setzt aber auch die Schaffung institutioneller Einrichtungen wie Kindergärten u n d Ganztagsschulen voraus 45 . Die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit wiederum ist überwiegend durch tariflich vereinbarte Arbeits- u n d Urlaubszeiten fixiert. Der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte erhöht zunächst die inländische Erwerbsquote; n a c h f o l g e n d e nicht berufstätige Familienmitglieder senken sie jedoch wieder 46 . Auf die Problematik der schon heute ungelösten ökonomischen u n d sozialen Integration einschließlich der kulturellen u n d zivilisatorischen Assimilation soll nur hingewiesen werden. Die unterschiedliche Entwicklung dieser Faktoren des Arbeitsvolumens führte in der Bundesrepublik dazu, d a ß das Arbeitsvolumen stetig a b n a h m : von 96,1 v . H . (1960) auf nur noch 91,0 ν. H. (1977) 47 . Wenn das reale Bruttosozialprodukt dennoch wachsen soll, ist dies ceteris paribus nur durch die qualitative Verbesserung des Produktionsfaktors Arbeit erreichbar. 42
Diese ist unten S. 149 ff. näher dargestellt.
41
Dieses ist das Produkt aus der Anzahl der Erwerbstätigen und der durchschnittlich geleisteten Zahl an Arbeitsstunden.
44
Vgl. hierzu R. Hujer, R. Cremer( 1978, S. 86ff.).
45
Vgl. hierzu J. Kromphardt
4Λ
Vgl. hierzu J. Werner ( 1971, S. 53).
47
Vgl. hierzu Bundesanstalt
(1972, S. 108 f.). (1978, S. 24f.).
135
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
Qualifikation führt allgemein zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit. Vermittelt wird sie durch M a ß n a h m e n der staatlichen Bildungs- und Berufsqualifizierungspolitik einschließlich der Weiter- bzw. Anpassungsfortbildung 48 . In der historischen Betrachtung der Entwicklung der Industriegesellschaften hat das Bildungssystem immer eine besondere Bedeutung gehabt. Es vermittelt nicht nur den einzelnen Individuen gesellschaftliche C h a n c e n und Positionen sowie soziale Sicherheit. Vielmehr hat es auch die Voraussetzungen f ü r die Mobilität und Flexibilität der Arbeitskräfte zu schaffen, die der strukturelle Wandel erfordert. Der Ausbildungs- und Wissensstand der Arbeitskräfte soll den möglichen Effizienzverlusten entgegenwirken, die aus der Alterung u n d den strukturellen Veränderungen in der Zusammensetzung des Erwerbspotentials bei s c h r u m p f e n d e r Bevölkerung 4 '' entstehen. Das wachstumspolitisch interessante Ziel der Bildungspolitik ist die Beeinflussung des Niveaus ( = Arbeitsvolumen) u n d der Struktur ( = qualitative Zusammensetzung des Arbeitsvolumens) des Humankapitals 50 , um eine höhere Produktivität des k n a p p e n Produktionsfaktors Arbeit zu erreichen. Für den Wachstumseffekt von Bildungsinvestitionen (umfassen Investitionen in eine verbesserte Bild u n g und Ausbildung) 5 1 kommt es dabei nicht nur auf den U m f a n g , sondern auch auf die Verteilung dieser Investitionen auf die verschiedenen Bereiche u n d Stufen des Bildungssystems an. Tab. 7 Entwicklung der Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen in der Bundesrepublik Deutschland - Anteile in % Qualifikationsniveau Zeit
Un- u n d Angelernte
Betriebliche Berufsausbildung
Berufsfach-, Fachschule
Fachhochschule, Hochschule
Sonstige
1980 1985 1990
24,7 20,3 17,0
46,6 46,5 44,5
17,5 20,2 22,9
8,1 9,4 11,2
3,1 3,6 4,4
Quelle: G. Weisshuhn (1978, S. 135) 48
4
Die berufliche Bildung wird im dualen System (Ausbildung in Form betrieblicher Lehre sowie theoretischer und allgemeinbildender Unterrichtung in den Berufsschulen) einerseits durch die Betriebe und Ausbildenden, andererseits im wesentlichen durch staatliche Mittel finanziert. D a r ü b e r hinaus bestehen noch eine Reihe flankierender Finanzierungsmöglichkeiten (etwa das Finanzierungsinstrumentarium des A F G zur individuellen Qualifikationsforderung durch Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie zur Umschulung, aber auch die Mittel des BAFöG) und stützender M a ß n a h m e n des Bundes u n d der Länder mit regionaler u n d / o d e r struktureller Orientierung (so etwa Finanzhilfen des Bundes an die Länder zur S c h a f f u n g zusätzlicher Ausbildungskapazitäten).
" Zur Gesellschaftspolitischen Bedeutung einer a b n e h m e n d e n Bevölkerung siehe unten S. 145 f.
50
Dieses erklärt die Spezialisierungsstruktur des Wirtschaftssystems u n d u m f a ß t alle Fähigkeiten, qualitativ u n d technologisch hochwertige Produkte herzustellen, n e u e Produkte u n d Produktionsverfahren zu entwickeln u n d auf den Markt zu bringen o d e r Prod u k t i o n s k o m p l e x e u n d Vertriebssysteme zu planen u n d zu organisieren.
51
Dabei ist a n z u m e r k e n , d a ß die theoretische wie empirische Belegbarkeit des Zusamm e n h a n g s zwischen Humankapitalinvestitionen u n d wirtschaftlichem Wachstum, u m die sich insbesondere die Bildungsökonomie bemüht, nach wie vor umstritten ist. Eine besondere Rolle hierbei spielt der technische Fortschritt; vgl. unten S. 139ff.
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Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
D i e in d e r B u n d e s r e p u b l i k s t a t t g e f u n d e n e B i l d u n g s e x p a n s i o n hat nicht n u r zu v e r m e h r t e r Bildung a n sich (Bildung als K o n s u m g u t ) , s o n d e r n auch zu einer verä n d e r t e n Qualifikationsstruktur (diese u m f a ß t Bildungs- u n d A u s b i l d u n g s n i v e a u ) des A r b e i t s k r ä f t e a n g e b o t s (Bildung als Investitionsgut) geführt. Eine Prog n o s e der k ü n f t i g e n E n t w i c k l u n g d e r - Q u a l i f i k a t i o n s s t r u k t u r ist Tabelle 7 zu entnehmen. Tritt diese E n t w i c k l u n g ein, so werden f ü r den A r b e i t s m a r k t z u n e h m e n d Prob l e m e der A b s t i m m u n g zwischen dem Bildungs- u n d d e m Beschäftigungssystem a u f g e w o r f e n . So k a n n z.B. eine w a c h s e n d e A n z a h l von B e r u f s a n f ä n g e r n mit H o c h s c h u l a b s c h l u ß d a z u f ü h r e n , d a ß die E i n g a n g s b e d i n g u n g e n f ü r m a n c h e Ber u f e sich e r h ö h e n . D i e Q u a l i f i k a t i o n s s t r u k t u r k a n n a b e r auch d u r c h e x o g e n e Einflüsse (etwa t e c h n o l o g i s c h e Entwicklungen u n d i n t e r n a t i o n a l e r K o n k u r r e n z d r u c k ) verändert w e r d e n . So kann i n s b e s o n d e r e die D i f f u s i o n der I n f o r m a t i o n s t e c h n o l o g i e n ( s o g e n a n n t e „ m i k r o e l e k t r o n i s c h e R e v o l u t i o n " ) sowohl zu H ö h e r q u a l i f i z i e r u n g e n d u r c h gestiegene A n f o r d e r u n g e n in d e n Bereichen F o r s c h u n g u n d E n t w i c k l u n g , W a r t u n g , K u n d e n d i e n s t u n d Service, a b e r a u c h zu D e q u a l i f i z i e r u n g e n von A r b e i t s p l ä t z e n , etwa in den Bereichen P r o d u k t i o n u n d Verwaltung, führen. In f ö d e r a t i v organisierten D e m o k r a t i e n wie d e r Bundesrepublik 5 2 steht der staatlichen Bildungspolitik - neben d e r Bildungs- u n d Berufsqualifizierungspolitik - zur V e r m e i d u n g derartiger A n p a s s u n g s f r i k t i o n e n prinzipiell nur d a s Instrum e n t der Berufsberatung zur Verfügung. Diese soll d e n Ü b e r g a n g vom Bildungsin d a s Beschäftigungssystem erleichtern u n d vermitteln. 3.2.2 Produktionsfaktor Kapital W a c h s t u m s p o l i t i s c h e M a ß n a h m e n k ö n n e n sowohl auf die V e r g r ö ß e r u n g wie a u c h auf die V e r b e s s e r u n g des volkswirtschaftlichen P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l s abzielen. Sie sind d a h e r eine Politik zur Förderung der Investitionstätigkeit. Als deren u n a b h ä n g i g e Variablen ergeben sich: Zins, Absatz- u n d G e w i n n e r w a r t u n gen, F i n a n z i e r u n g s m ö g l i c h k e i t e n . D a der P r o d u k t i o n s f a k t o r Kapital prinzipiell v e r m e h r b a r ist, bieten sich als traditionelle I n s t r u m e n t e der mengenmäßigen Erweiterung des K a p i t a l b e s t a n d e s die • Sparförderungspolitik, • Steuerpolitik u n d • Infrastrukturpolitik an. Sparförderungspolitik Wie in der W a c h s t u m s t h e o r i e gezeigt wird, ist S p a r e n bzw. die Ersparnisbildung ein wesentlicher B e s t i m m u n g s f a k t o r wirtschaftlichen W a c h s t u m s . M a ß n a h m e n , die a u f eine V e r ä n d e r u n g der Sparneigung abzielen, s i n d : • Zwangssparen durch Steuererhöhungen zugunsten der öffentlichen Investitionen und mittels Investivlöhnen zugunsten der privaten Investitionen 5 '.
51
Nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes ist die Bildungspolitik Ländersache. Es sind nur einige wenige Gegenstände der Kulturpolitik in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (in Art. 74 GG) überwiesen. Zu verteilungspolitischen Implikationen und Formen der staatlichen Sparförderung vgl. Kapitel 5.
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
137
• Formen des Prämien- u n d W o h n u n g s b a u s p a r e n s , die über Zinssubventionen und Steuervergünstigungen die individuelle Sparneigung erhöhen.
Daneben gibt es noch die Möglichkeit einer Erhöhung der durchschnittlichen Sparquote durch eine Umverteilung der Einkommen zugunsten der hohen Einkommensbezieher. Diese M a ß n a h m e konfligiert jedoch mit verteilungspolitischen Zielen. Wachstumspolitisch scheidet d a h e r eine Ausweitung des Kapitalbestandes ohne Sparförderung aus, sofern verteilungspolitische Gesichtspunkte insoweit berücksichtigt werden, d a ß keine Verschlechterung des Status q u o eintreten soll 54 . Die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Sparquote - die zusätzliches Sparen u n d nicht nur Umschichtungen der verschiedenen S p a r f o r m e n voraussetzt bringt jedoch nur d a n n den gewünschten Wachstumseffekt, wenn auch eine entsprechende Investitionsgüternachfrage eintritt. Steuerpolitik Investitionsförderung wird aber auch über steuerliche Abschreibungsmodalitäten betrieben. Abschreibungen sind im betriebswirtschaftlichen Verständnis die buchhaltungsmäßige Erfassung der Wertminderungen von Investitionsgütern durch Gebrauch u n d natürlichen Verschleiß; volkswirtschaftlich bilden sie die Differenz zwischen Brutto- und Nettoinvestitionen, da die Ersatzinvestitionen durch die Abschreibungen finanziert werden sollen. Abschreibungsvergünstigungen erhöhen die verfügbaren Bruttogewinne der Unternehmen und damit den betrieblichen Liquiditätsspielraum und können daher neue Investitionen induzieren. Sie bedeuten andererseits Steuerausfälle f ü r die öffentlichen Haushalte. Zudem führen neue Investitionen wiederum zu neuen Abschreibungsmöglichkeiten und damit zu gesteigerten Profitabilitäten geplanter Investitionen. Die steuerliche Ermöglichung von Abschreibungen bestimmt dabei nicht, welche Investitionen gefördert werden sollen, sondern fördert jede Investition. Neben diesen allgemeinen Abschreibungsbedingungen k a n n zur gezielten steuerlichen Förderung von Innovationen die Möglichkeit von Sonderabschreibungen, Investitionszulagen und steuerfreien Rücklagen eingeräumt werden 5 5 . Wachstumspolitisch motivierte Abschreibungserleichterungen können v.a. in Phasen rascher technologischer Entwicklungen erhebliche Bedeutung erlangen. So führen neue Produktionsverfahren insbesondere d a n n zur Alterung des vorh a n d e n e n Kapitalbestands 5 6 , wenn im internationalen Vergleich diese Technologien sich im Inland nur verzögert ausbreiten 5 7 . Auch ein schnell wachsender Kapitalbestand würde diesen Alterungsprozeß nicht a u f h a l t e n , wenn sich seine technologische Qualität nicht verändert. Ein alternder Kapitalbestand jedoch ermöglicht nur geringere Produktionszuwächse. 5J
J Kromphardt
( 1972, S. I I I ) .
55
Zu einer Palette möglicher Steueranreize vgl. neuerdings SVR, J G 1981/82, Tz. 387 ff. 5 * Neben dem Kapitalbestand ist eine alternde Wirtschaft auch noch durch eine abnehm e n d e Flexibilität des Wirtschaftssystems gegenüber Störungen sowie eine zumindest stagnierende Fähigkeit, neue Erkenntnisse zu produzieren und zu verteilen, charakterisiert. 57
Der dadurch entstehende Innovationsdruck wird zur Begründung gezielter staatlicher Innovations- und Technologiepolitik mit herangezogen. Siehe hierzu unten S. 140f.
138
K a p . 4: Wachstums- und Strukturpolitik
Die wachstumspolitisch erhofften Anreizeffekte steuerpolitischer M a ß n a h m e n f ü r eine gesteigerte Investitionstätigkeit treten allerdings erst d a n n ein, wenn die geplanten Investitionen mit entsprechenden Gewinnerwartungen einhergehen. Z u s a m m e n f a s s e n d ist festzustellen, d a ß die Erweiterung der Finanzierungsr ä u m e (private Ersparnisbildung als G r u n d l a g e der Außenfinanzierung einschließlich betrieblicher Selbstfinanzierung) nur den Liquiditätsrahmen f ü r Investitionsmöglichkeiten schafft. Bleiben die erhofften unternehmerischen Investitionsentscheidungen, der entsprechende U m f a n g des Investitionsbudgets dennoch aus, müssen M a ß n a h m e n ergriffen werden, die die Investitionsneigung erhöhen. Diese ist in hohem M a ß e erwartungsbedingt u n d somit mit Unsicherheiten behaftet. Allgemein wird daher auch ein durch die Stabilisierungspolitik geschaffenes „positives" Investitionsklima als notwendig erachtet. Infrastrukturpolitik Wirtschaftliches Wachstum ist auch durch die Entwicklung der öffentlichen Investitionen 5 8 , insbesondere aber durch die Bereitstellung der öffentlichen Infrastruktur, beeinflußbar. Diese ist ein wichtiger Angebotsfaktor f ü r das ö k o n o m i sche System, der die Produktivität privater Wirtschaftstätigkeit erhöhen kann. Entscheidend f ü r die Beurteilung der Infrastrukturausstattung einer Volkswirtschaft ist die H ö h e des gesamten Infrastrukturbestandes 39 . Dieser ergibt sich f ü r j e d e Periode aus dem Anfangsbestand zuzüglich der Infrastrukturinvestitionen abzüglich der Abschreibungen und Abgänge. Der öffentliche Kapitalbestand ist dabei in die Bereiche der konsumtiven u n d produktiven Infrastruktur aufspaltbar. Diese versorgen die privaten Haushalte u n d die Unternehmen mit Einrichtungen u n d Dienstleistungen, die nicht marktm ä ß i g angeboten werden 6 0 . Dazu zählen z.B. die Sektoren Ausbildung, Forschung, Sport- und Erholungsstätten, Verkehr und Entsorgungsbereiche, Energie- und Wasserversorgung. Die meisten öffentlichen Investitionen haben dabei in diesen Bereichen einen Kapazitätseffekt von Null. Das bedeutet, d a ß diese Investitionen zu keiner unmittelbaren Ausweitung jener Produktionskapazitäten f ü h r e n , mit denen marktgängige Güter hergestellt werden. Sie haben durchaus aber den Charakter von „Produktionsvoraussetzungen" für den privaten Sektor u n d erhöhen dadurch die Rentabilitäten unternehmerischer Aktivitäten. Dem Infrastrukturkapital in Form von materiellen Anlagen stehen auch immaterielle Kapitalbestände in Form des Bildungs-, Ausbildungs- und G e s u n d heitsstandes der Wirtschaftssubjekte ( = Humankapital) sowie in Form des Innovationskapitals ( = Bestand an organisatorischem und technologischem Wissen) gegenüber" 1 . Das H u m a n k a p i t a l ist unmittelbar mit dem Produktionsfaktor Arbeit verbunden (und dort behandelt worden), das Innovationskapital hingegen mit dem technischen Fortschritt. 58
5
Z u r Rolle der öffentlichen Investitionen bei der N a c h f r a g e s t e u e r u n g siehe Kapitel 3, oben S. 108 ff.
" Vgl. hierzu v.a. W. Leib/ritz (1980). "" Vgl. zur theoretischen Erklärung des Angebots öffentlicher G ü t e r Kapitel 1, oben S. 14f. Z u r Begrifflichkeit der Infrastruktur und deren Abgrenzungs- u n d Meßproblematik vgl. R. L. Frey(\912) u n d J. Slohler ( 1965); allgemein zu Aspekten der Theorie u n d Politik der Infrastruktur siehe U. E. Simonis ( 1977).
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
139
3.2.3 Technischer Fortschritt Eine zielbewußte staatliche Wachstumspolitik versucht neben der Erhöhung der Spar- und Investitionsquote auch die technologische und organisatorische Entwicklung zu beeinflussen, um nicht nur mittelfristig, sondern auch langfristig die Wachstumsrate zu steigern. Die Beeinflussung des technischen Fortschritts ist dabei meist die Voraussetzung für die Verwirklichung einer bestimmten Investitionsquote'' 2 . Investitionen besitzen deshalb wachstumspolitisch einen strategischen Stellenwert, da sie die Durchsetzung des technologischen Fortschritts garantieren, der weitgehend an die Neukapitalbildung gebunden ist". Da sich der Fortschritt über die Investitionen vollzieht, erlangt die Inhomogenität der Zusammensetzung des Kapitalbestandes wachstumspolitische Bedeutung: der technologische Fortschritt kommt nicht erst bei Erweiterungs- und Verbesserungsinvestitionen, sondern bereits bei Ersatzinvestitionen zum Zuge. Damit bestimmt nicht nur die Nettoinvestition, sondern vielmehr auch schon die laufende Bruttoinvestition die Änderung des technologischen Niveaus 64 . Produktivitätsfortschritte sind dabei oft in jenen Bereichen am größten, in denen am umfangreichsten investiert wird (sogenanntes Verdoorn-Theorem). Schnelles wirtschaftliches Wachstum führt allerdings auch zu einer breiten Basis der Alterspyramide des Kapitalbestandes. Zunächst dominieren die den neuesten technologischen Stand verkörpernden Produktionsanlagen. Nach einigen Perioden sind die gebräuchlichen Verfahren und Produkte entsprechend weit ausgereift. Dem ökonomischen Ertragsgesetz folgend, können reduzierte technologische Fortschritts- und damit Wachstumsraten resultieren, wenn nicht ein entsprechender Innovationsdruck zu einer ständigen technologischen Erneuerung des Kapitalbestands führt 65 . Kann das marktwirtschaftliche System diese Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Entwicklung nicht garantieren, ergibt sich für die Wirtschaftspolitik als permanente Aufgabe eine wachstumsorientierte Modernisierungspolitik, um einer Überalterung des volkswirtschaftlichen Produktionspotentials entgegenzuwirken. Die entscheidende Frage ist, ob die Rate des technischen Fortschritts wachstumspolitisch beeinflußbar ist. Die relevanten Determinanten dieser Rate sind die Erfindungen (inventions), die Neuerungen (innovations) und deren Verbreitung (diffusion). 62
"
M
65
Die Investitionsquote wird nicht nur durch das wachstumspolitische I n s t r u m e n t a r i u m u n d d i e s t a b i l i s i e r u n g s p o l i t i s c h e I n v e s t i t i o n s f ö r d e r u n g , s o n d e r n a u c h n o c h d u r c h d i e reg i o n a l e u n d s e k t o r a l e S t r u k t u r p o l i t i k b e e i n f l u ß t . S i e h e h i e r z u u n t e n S. 149 ff. D i e s ist d i e F o r m d e s s o g e n a n n t e n faktorgebundenen F o r t s c h r i t t s , d e r d a n n v o r l i e g t , w e n n d a s n e u e W i s s e n n u r m i t H i l f e d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n in d e n P r o d u k t i o n s p r o z e ß e i n g e b r a c h t w e r d e n k a n n . D a b e i soll d e r kapitalgebundene t e c h n i s c h e F o r t s c h r i t t v . a . d u r c h d i e s t a a t l i c h e I n n o v a t i o n s - u n d T e c h n o l o g i e p o l i t i k , d e r arbeitsgebundene technische Fortschritt über die Bildungs- u n d ßerufsqualifizierungspolitik beeinflußt w e r d e n . Bei d e r D u r c h s e t z u n g d e s t e c h n i s c h e n F o r t s c h r i t t s u n t e r s c h e i d e t m a n a u c h n o c h d e n faktorungebundenen F o r t s c h r i t t , d e r in d e n P r o d u k t i o n s p r o z e ß n i c h t ü b e r d i e Produktionsfaktoren, sondern über organisatorische Neuerungen eingeführt wird. Dies d a r f nicht d a m i t verwechselt w e r d e n , d a ß positive Nettoinvestitionen die z e n t r a l e G r ö ß e f ü r w a c h s e n d e W i r t s c h a f t e n s i n d , d a s i e in d e r R e g e l d i e K a p a z i t ä t d e s K a p i t a l b e s t a n d e s e r h ö h e n . E r s a t z i n v e s t i t i o n e n e r s e t z e n l e d i g l i c h d e n in e i n e r P e r i o d e a n f a l l e n d e n V e r s c h l e i ß a n K a p i t a l g ü t e r n . H i e r b e i ist d e r Z u w a c h s a n K a p i t a l g ü t e r n g l e i c h N u l l . Ist a u c h d i e N e t t o i n v e s t i t i o n g l e i c h N u l l , s p r i c h t m a n v o n e i n e r stationären W i r t s c h a f t . Z u d e n K a p a z i t ä t s e f f e k t e n v o n I n v e s t i t i o n e n s i e h e a u c h u n t e n S. 140. Vgl. z u r P r o b l e m a t i k d e r a l t e r n d e n W i r t s c h a f t o b e n S. 137.
140
Kap. 4: Wachstums- u n d Strukturpolitik
Erfindungen Das Inventionspotential ist generell vom Niveau und der Struktur des Humankapitalbestands 6 6 abhängig. Ungeklärt sind die Motive, die Erfindungen induzieren. Das klassische Instrument der Förderung des Fortschritts ist in diesem Zusamm e n h a n g der Patentschutz 6 7 . Patente beziehen sich dabei stets auf Erfindungen 6 8 . Diese werden in einem gewissen Sinne als öffentliche G ü t e r 6 ' aufgefaßt, die positive externe Effekte haben, die vom M a r k t nicht vergütet werden. Da sie sich folglich betriebswirtschaftlich nicht tragen, kann die Inventions-Bereitschaft des unternehmerischen Sektors gering sein. Deshalb erteilt die Patentgewährung dem Patentinhaber - mittels rechtsgestaltender Verwaltungsakte durch das Patentamt - gewisse Befugnisse für einen bestimmten Zeitraum. Durch die Ausschließlichkeit der Patentrechte k a n n der Patentinhaber über die Nutzung einer bestimmten technologischen Neuerung Extraprofite erzielen (Verwertungsmonopol) und Imitationsprozesse verzögern (Nachahmungsverbot) 7 0 . Das Ziel der Patentschutzpolitik ist die Motivierung u n d Belohnung von Erfindungs-, Innovations- u n d Investitionsbereitschaft. Das ausschließliche Patentrecht soll in der Forschungs- u n d Entwicklungsphase die Risikobereitschaft im unternehmerischen Sektor fördern. Neuerungen Unter Innovation wird im folgenden der Prozeß der Entwicklung und Anwend u n g neuer Verfahren u n d Produkte, die ökonomische Nutzung der E r f i n d u n gen also, verstanden. Dabei unterscheidet m a n : • Prozeßinnovationen; diese u m f a s s e n neue M e t h o d e n zur Herstellung b e k a n n t e r G ü t e r durch arbeits- o d e r kapit a l s p a r e n d e n t e c h n i s c h e n F o r t s c h r i t t u n d / o d e r o r g a n i s a t o r i s c h e L ö s u n g e n ; sie e r h ö h e n m e i s t d e n A u t o m a t i o n s - u n d R a t i o n a l i s i e r u n g s g r a d u n d sind in vielen Fällen m i t K a p a z i tätseffekten verbunden71;
M
Vgl. z u m H u m a n s p i e g e l o b e n S. 135 f.
"" Vgl. h i e r z u F.-K. Beier{
1981).
"8 D a b e i m ü s s e n s o g e n a n n t e „ p a t e n t f ä h i g e " E r f i n d u n g e n v o r l i e g e n , d i e sich a u f P r o d u k t e w i e a u c h a u f V e r f a h r e n b e z i e h e n k ö n n e n . Vgl. hierzu d i e §§ 1 u n d 6 P a t e n t g e s e t z . "" Vgl. zu d e n E i g e n s c h a f t e n ö f f e n t l i c h e r G ü t e r K a p i t e l 1, o b e n S. 14f. Z u d e n L i z e n z v e r t r ä g e n als Mittel der V e r b r e i t u n g d e s F o r t s c h r i t t s s i e h e u n t e n S. 142. K a p a z i t ä t s e f f e k t e h ä n g e n v . a . v o n den b e i d e n f o l g e n d e n I n v e s t i t i o n s t y p e n a b : 1. Erweiterungsinvestitionen ( c a p i t a l w i d e n i n g ) d e h n e n d i e P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t im R a h m e n ein e r g e g e b e n e n T e c h n o l o g i e a u s ; 2. Verbesserungsinvestitionen ( c a p i t a l d e e p e n i n g ) b e w i r ken e i n e E r h ö h u n g d e r d u r c h s c h n i t t l i c h e n L e b e n s d a u e r d e r P r o d u k t i o n s a n l a g e n . In d e r l a n g f r i s t i g e n A n a l y s e d e s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s b e d e u t e n I n v e s t i t i o n e n a l s o n i c h t n u r m e h r N a c h f r a g e ( = Einkommenseffekt), s o n d e r n e r w e i t e r n a u f d e r A n g e b o t s seite z u g l e i c h d a s P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l ( = Kapazitätseffekt). D a b e i f ü h r t e i n e K a p a z i t ä t s a u s w e i t u n g n u r d a n n zu W a c h s t u m , w e n n d i e U n t e r n e h m e r d i e s e z u s ä t z l i c h g e s c h a f fenen Kapazitäten auch zur Mehrproduktion nutzen. Zur Analyse des Z u s a m m e n h a n g s z w i s c h e n I n v e s t i t i o n e n u n d W a c h s t u m s i e h e E. Preiser ( 1970, S. I 1 7 f f . ) .
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
141
• Produktinnovationen, diese beziehen sich auf die Einführung gänzlich neuer Produkte, überwiegend aber auf Detail- u n d / o d e r Funktionsänderungen bestehender Produkte; dabei ändert sich die Güternachfrage derart, daß die alten Produkte v o m Markt verdrängt werden 7 2 .
Zur Beeinflussung der Innovationsrate bieten sich die Gestaltungsmöglichkeiten einer staatlichen Innovations- und Technologiepolitik an 71 . Diese zielt auf die angebotsorientierte Verwendung und Durchsetzung der Innovationen ab und u m f a ß t im wesentlichen den Technologietransfer u n d das Technologie-Assessment. Der Technologietransfer soll mit Hilfe von Informations-, Dokumentationsund Beratungssystemen die Übertragungsgeschwindigkeit von technologischem Wissen in den Unternehmensbereich erhöhen. Zugleich vermittelt er technologisches Wissen auch auf internationaler Ebene u n d liefert damit einen Beitrag zur Außenwirtschafts- u n d Entwicklungspolitik. A u f g r u n d der bestehenden internationalen Arbeitsteilung u n d Spezialisierung erhalten die Z u s a m m e n h ä n g e des internationalen Technologiewettbewerbs insbesondere f ü r die Wachstums- u n d Technologiepolitik der ressourcen- u n d rohstoffarmen Bundesrepublik eine herausragende Bedeutung. Der Technologietransfer bestimmt somit wesentlich die Richtung und Rate der Innovationen, wobei er ein entsprechendes Nutzungspotential voraussetzt. Innovationen können nur d a n n praktisch genutzt werden, wenn das Bildungssystem a d ä q u a t e Qualifikationen anbietet. D a s H u m a n k a p i t a l (im Sinne von nicht patentfähigem Wissen, sogenanntem Know-how der Erwerbstätigen) spielt folglich bei der Bewältigung von Innovationsbedarfen eine wesentliche Rolle 74 . Für das Anreizen von Wachstumseffekten bedeutet dies, d a ß sich die qualitative Verbesserung der Produktionsfaktoren Arbeit u n d Kapital wechselseitig bedingt. D a s Technologie-Assessment (Technologiefolgenabschätzung u n d Technologiebewertung) ist als Methodik der Abschätzung künftiger Auswirkungen gesellschaftspolitisch notwendig, um die jeweilige gesellschaftliche Akzeptanz technologischer Ä n d e r u n g e n einschätzen zu k ö n n e n , methodologisch jedoch derzeit nur unvollkommen möglich. Verbreitung Die Diffusion ist - neben der Invention u n d Innovation - das letzte Glied in der Entfaltung ökonomischer Breitenwirkung des technischen Fortschritts. Sie setzt als zentrale Figur das Neuerungen durchsetzende Unternehmen voraus und ist s o d a n n wesentlich bestimmt durch die Bereitschaft anderer Unternehmer, Erfindungen u n d Neuerungen zu übernehmen (Imitation u n d Adaption). Die Diffusionsgeschwindigkeit ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig·
72
D e n durch Innovationen verursachten Entwertungsprozeß des Kapitalbestands und vorhandener Produkte bezeichnet Schumpeter als „schöpferische Zerstörung".
71
Herkömmlicherweise als Bereich der „Forschung und Entwicklung ( F + E ) " oder „research and development (R + D)" bezeichnet. Wird z u n e h m e n d jedoch auch begrifflich um die angebotsorientierte technologische K o m p o n e n t e erweitert.
74
Z u n e h m e n d werden bei Prozeßinnovationen auch umfassende innerbetriebliche Reorganisationsmaßnahmen erforderlich.
142
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
So setzen sich Prozeß- u n d Produktinnovationen gegenüber bestehenden Verfahren u n d Gütern d a n n durch, wenn sie diesen kostenmäßig überlegen sind u n d / o d e r Bedürfnisse besser befriedigen. Auch die Faktorpreisrelationen im internationalen Vergleich beeinflussen die Diffusionsgeschwindigkeit 7 5 . In Ländern mit hohem Lohnniveau - wie etwa der Bundesrepublik - sehen sich die Unternehmer einem wachsenden Innovationsdruck ausgesetzt, sofern sie auf den Weltmärkten konkurrenzfähig u n d an ihren Produktionsstandorten bleiben wollen. Der relative Anstieg der Vorleistungskosten (insbesondere bei Rohstoffen und Energie) gegenüber dem Preis der Kapitalgüter verstärkt diesen Druck noch. Sofern die Erfindungen und Erneuerungen nicht monopolisiert werden (Patente), verläuft die Verbreitung meist sehr schnell, da überwiegend verbesserte unternehmerische Gewinnsituationen zu erwarten sind. Wachstumspolitisch interessant ist für die Diffusion von Fortschritt folglich auch das Patentwesen und die Frage, ob die Patentschutzpolitik fortschrittsfördernde oder regulierende Eigenschaften hat. Unternehmensstrategisch können Patente zur Behinderung von Wettbewerb in kapitalistischen Marktwirtschaften eingesetzt werden 7 6 . Das Problem sui generis dabei ist, ob d a d u r c h Marktmacht begründet oder verstärkt wird. Die mit dem Patent erteilten ausschließlichen Rechte k ö n n e n die A n w e n d u n g und Verbreitung technologischen Wissens aber auch fördern. Durch die Zuordnung der Neuerung an den Patentinhaber eröffnen sich die Möglichkeiten des allgemeinen Rechts- und Geschäftsverkehrs. Der Patentinhaber kann die Neuerung über Lizenzen Verwerten, wodurch sich der Fortschritt ausbreitet. In diesem Sinne wird das Patent zu einem wichtigen Instrument insbesondere des internationalen Technologietransfers. Für die Umsetzung von Innovationen in ökonomische Investitionen kann der Staat in kapitalistischen Marktwirtschaften Anreize und Integrationsangebote bieten, die einzelwirtschaftlichen Investitionsentscheidungen selbst aber nicht steuern 7 7 . M a ß n a h m e n der staatlichen Innovations- u n d Technologiepolitik beschränken sich demzufolge überwiegend auf die F ö r d e r u n g von Industrievorhaben, wenn die U n t e r n e h m e n das technologische u n d / o d e r ökonomische Risiko einer wichtigen Innovation nicht allein tragen k ö n n e n . Dabei m u ß es sich um Projekte handeln, die so langfristig sind, d a ß auf absehbare Zeit nicht mit Gewinnen zu rechnen ist, weil der Markt bessere technologische Lösungen zunächst unterbewertet oder weil die N a c h f r a g e nicht zur Induzierung entsprechend neuer Lösungen ausreicht. Betriebliche Ausgaben f ü r Innovationen unterliegen dem gleichen privatwirtschaftlichen Investitionskalkül wie Sachinvestitionen. Nur sind wegen der unsteten Entwicklung von Innovationsprozessen und des hohen Risikos derartiger Investitionen rentabilitätsorientierte Entscheidungen äußerst schwierig. Z u d e m kann die jeweilige konjunkturelle Situation die Risikoaversion unternehmerischer Entscheidungen wesentlich mit beeinflussen. Dies alles legitimiert die
75
Ein weiterer Bestimmungsgrund ist auch der oben behandelte Technologietransfer.
76
Siehe hierzu oben S. 141 f.
77
D i e Stimulierung industrieller Innovationen ist Kernbestandteil der indirekten Projektförderung.
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
143
staatliche Förderung u n d finanzpolitische Risikoabdeckung 78 , um den Innovationsprozeß von der aktuellen Gewinnerzielung abzukoppeln. Für eine aktive innovationsorientierte Wachstumspolitik gibt es neben der indirekten F ö r d e r u n g Sonderfälle einer direkten Projektförderung. Dabei stellt sich allerdings das Auswahlproblem, zu bestimmen, was im Interesse der Allgemeinheit liegt. Es entsteht gleichzeitig das Problem, d a ß die Förderung neuer Technologiebereiche a u f g r u n d der Knappheit finanzieller Mittel den alten Schwerpunkten Fördermittel entziehen muß. Folglich ist die Konsequenz der Knappheitssituation, d a ß Schlüsseltechnologien, d.h. Technologien mit großer zukünftiger Tragweite 7 9 , gefördert werden sollen. Dabei bleibt allerdings die Auswahl dieser Technologien beliebig, solange nicht die Art des Wachstums, sondern das Wachstum per se zur G r u n d l a g e der angebotsorientierten Technologieförderung gemacht wird. Innovations- u n d Technologiepolitik wird also ökonomisch damit begründet, d a ß die M a r k t k r ä f t e nicht ausreichen, Risikokapital in entsprechendem M a ß e zur Verfügung zu stellen und die positiven externen Effekte von Innovationen 8 0 zu internalisieren. Darüber hinaus fehlt auch der notwendige U m f a n g an - f ü r den Innovationsprozeß entscheidenden - Schumpeterschen Figuren des dynamischen Unternehmers 8 '. Dies alles begründet staatliche Innovations- und Technologiepolitik u n d das eben beschriebene M a ß n a h m e b ü n d e l (Förder-, Beratungs- u n d Patentschutzpolitik) einschließlich der Bildungs- und Berufsqualifizierungspolitik. Die Notwendigkeit direkter staatlicher Projektförderung wird meist mit dem Ausgleich internationaler Wettbewerbsnachteile belegt. Prinzipiell soll aber in kapitalistischen Marktwirtschaften die Wettbewerbspolitik die R a h m e n b e d i n g u n g e n d a f ü r schaffen, d a ß Anreize zur Entwicklung neuer Produkte, zur Erschließung neuer Märkte und zur E i n f ü h r u n g neuer Verfahren auch in oligopolistisch strukturierten Märkten bestehen 8 2 . Nur durch das Zusammenspiel all dieser M a ß n a h m e n können kompensatorisch Voraussetzungen d a f ü r geschaffen werden, d a ß innovative, wachstumsträchtige Prozesse eingeleitet werden.
7B
Zu e i n z e l n e n I n s t r u m e n t e n d e s F ö r d e r u n g s k o n z e p t s in d e r B u n d e s r e p u b l i k , wie e t w a Investitionszulagen und Kapitalbereitstellung durch die Deutsche Wagnisfinanzierungsg e s e l l s c h a f t , vgl. B M F T , B M W (1979).
7,1
S c h l ü s s e l t e c h n o l o g i e n zeigen t e c h n i s c h e , ö k o n o m i s c h e u n d g e s e l l s c h a f t l i c h e W i r k u n g e n s o w i e Breiten- u n d F o l g e e f f e k t e . Sie w e r d e n meist d u r c h Basisinnovationen b e g r ü n d e t . E i n e d e r a r t i g e B a s i s i n n o v a t i o n w ä r e etwa d i e M i k r o e l e k t r o n i k als T r ä g e r d e r n e u e n I n f o r m a t i o n s t e c h n o l o g i e n . D a v o n u n t e r s c h i e d e n , a b e r d a r a u f a u f b a u e n d s i n d die Folgeinnovationen. Vgl. zu Z i e l e n u n d P r o g r a m m b e r e i c h e n d e r s t a a t l i c h e n F o r s c h u n g s - u n d F ö r d e r u n g s p o l i t i k B M F T (1979).
"" D a n e b e n k ö n n e n I n n o v a t i o n e n a b e r a u c h mit n e g a t i v e n e x t e r n e n E f f e k t e n v e r b u n d e n (z.B. s t a r k e U m w e l t b e l a s t u n g ) u n d - o b w o h l b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h r e n t a b e l - gesells c h a f t s p o l i t i s c h nicht s i n n v o l l sein. D i e s e r T a t b e s t a n d d i e n t meist z u r B e g r ü n d u n g d e r U m w e l t p o l i t i k ; siehe h i e r z u u n t e n S. 155ff. Kl
Die z e n t r a l e E i g e n s c h a f t d y n a m i s c h e r U n t e r n e h m e r in d e r M a r k t w i r t s c h a f t ist d e r e n Ris i k o b e r e i t s c h a f t . Vgl. h i e r z u J. A. Schumpeter
(\9M).
Z u r I n n o v a t i o n s f u n k t i o n d e s W e t t b e w e r b s siehe a u c h K a p i t e l 2.
144
Kap. 4: Wachstums- u n d Strukturpolitik
Die vorrangige Aufgabe staatlicher Innovations- und Technologiepolitik ist die Beseitigung von Innovationshemmnissen, die in Form einer ungenügenden Ausstattung der Volkswirtschaft mit H u m a n k a p i t a l u n d finanziellen Mitteln (Risikokapital) sowie bei Technologietransfer und inflexiblen Organisationsstrukturen auftreten. Im Sinne einer aktiven Wachstumspolitik hat sie aber auch Entwicklungsengpässe zu identifizieren u n d geeignete M a ß n a h m e n u n d Instrumente zu ihrer Beseitigung zu entwickeln 8 3 . Bis weit in die 70er Jahre herrschte die Auffassung vor, d a ß sozialer Fortschritt mit technologischem Fortschritt einhergeht, der insgesamt eine wohlfahrtssteigernde Produktivitätsentwicklung mit sich bringt. Für eine gesellschaftspolitische Bewertung ist jedoch eine Bilanzierung der positiven Wachstumseffekte und der negativen Freisetzungseffekte erforderlich, die etwa in Form des Verlustes von Märkten aufgrund mangelnder unternehmerischer Dynamik und der technologischen Arbeitslosigkeit auftreten k ö n n e n . Die sozialen Auswirkungen des technologischen Wandels sollten traditionellerweise durch eine staatlich betriebene kompensatorische Sozialpolitik u n d eine gewerkschaftlich betriebene Rationalisierungsschutzpolitik aufgefangen werden. Der technologische Fortschritt wird zwar immer noch als letztlich notwendig, in seiner gesellschaftspolitischen Wirkung aber als eher ambivalent u n d in Grenzen als politisch gestaltbar betrachtet. Angestrebt wird daher die Ergänzung der wachstumspolitisch orientierten Modernisierung der Volkswirtschaft durch eine stärkere Sozialorientierung der Technologieförderung 84 , sowie die Beteiligung unternehmerischer u n d gewerkschaftlicher Interessenvertretung neben politischer u n d fachlicher Beteiligung im technologiepolitischen Dialog (TPD), der Ziele und Förderungsschwerpunkte der staatlichen Innovations- und Technologiepolitik festlegen soll.
4. Strukturelle Steuerung Die wirtschaftliche Entwicklung eines ökonomischen Systems ist im allgemeinen durch ständigen Strukturwandel gekennzeichnet, der d a u e r h a f t e Veränderungen auslöst. Das typische Verlaufsmuster ist durch eine langfristige, trendmäßige Entwicklung oder durch Strukturbrüche - etwa infolge b a h n b r e c h e n d e r Erfind u n g e n - charakterisiert. Konjunkturell bedingte Veränderungen der volkswirtschaftlichen Strukturen werden folglich nicht als Wandel aufgefaßt. Der Unterschied zwischen globaler und struktureller Steuerung besteht nun keineswegs nur in den Fristen, d.h. in den Periodenlängen, auf die sich die jeweilige politische M a ß n a h m e bezieht. Von zentraler Bedeutung ist auch die Dis-
In d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d w e r d e n a l s E n t w i c k l u n g s e n g p ä s s e d e r z e i t d i e Bereic h e Energie, W o h n u n g s b a u u n d S t a d t e n t w i c k l u n g , U m w e l t s c h u t z , A n w e n d u n g d e r Mik r o e l e k t r o n i k u n d D i e n s t l e i s t u n g e n d i s k u t i e r t . Vgl. B M F T ( 1 9 8 1 , S. 1 0 3 f f . ) . "4 S o w e r d e n a u c h E n g p ä s s e im B e r e i c h d e r s o z i a l e n D i e n s t l e i s t u n g e n u n d S i c h e r u n g s s y s t e m e f e s t g e s t e l l t , d i e d u r c h Sozialinnovationen ( z . B . i n t e n s i v e r e B e m ü h u n g e n z u r H u m a n i s i e r u n g des Arbeitslebens) ü b e r w u n d e n werden sollen.
Kap. 4: Wachstums- u n d Strukturpolitik
145
aggregation der gesteuerten Bereiche: die globale Stabilisierungspolitik bezieht sich allein auf das Niveau der volkswirtschaftlichen Aggregate, die Strukturpolitik 85 zusätzlich auf deren Zusammensetzung. 4.1 Gesamtwirtschaftlicher Strukturwandel Strukturwandel kann positiv (Fortschritt u n d soziale Errungenschaften), zum anderen aber auch negativ (stärkere Mobilitätserfordernisse etwa) bewertet werden. Er bezieht sich überwiegend auf die im Zeitablauf sich ä n d e r n d e Verteilung von Produktion und Faktoreinsatz auf die Wirtschaftszweige, die Wirtschaftsräume sowie die Betriebs- und Unternehmensgrößen. Letztere sind als struktureller Bereich der Wettbewerbspolitik ausgewiesen und dort zu behandeln. Das Ziel strukturellen Wandels im regionalen und sektoralen Bereich ist die Hebung der Faktorproduktivitäten sowie die Verbesserung der Übereinstimm u n g zwischen den jeweiligen Produktions- u n d Verwendungsstrukturen. Der Strukturwandel ist folglich nicht m o n o k a u s a l , sondern mehrdimensional strukturiert. Dimensionen des Strukturwandels Die räumliche Dimension bezieht sich zunächst auf die Raumstruktur, insbesondere auf das Verhältnis von Verdichtungs- zu peripheren Räumen. Das hier festzustellende Entwicklungsgefälle ergibt sich meist aus Standortvorteilen (z.B. in der Infrastrukturausstattung sowie dem Angebot an Erwerbsmöglichkeiten) der Entwicklungszentren. Beeinflußt davon ist auch die Siedlungsstruktur, bei der ebenfalls eine Tendenz zur Verstädterung u n d räumlichen Verdichtung festzustellen ist. Ergebnis der R a u m - und Siedlungsstruktur ist die sogenannte regionale Wirtschaftskraft, die sich in der Beschäftigungsdichte, dem Bruttoinlandsprodukt u n d der Lohn- u n d Gehaltssumme je Beschäftigten niederschlägt. Die unterschiedlichen Entwicklungen in den Regionen verschärfen die regionalen Disparitäten in der Arbeitsplatz- und Bevölkerungsentwicklung. Struktureller Wandel verändert aber auch nachhaltig das Verhältnis zwischen den Regionen und beeinflußt damit die Gleichwertigkeit der Lebenschancen im räumlichen Umgriff eines Gesellschaftssystems. Zugleich führt die Industrialisierung sowie das Verkehrs- und Siedlungswesen zu einer z u n e h m e n d e n Belastung der Umwelt. Der Strukturwandel wird regional sichtbar an der Aufwärts- bzw. Unterentwicklung von Teilräumen, den Wanderungsbewegungen innerhalb einer Volkswirtschaft u n d der Verteilung der s t a n d o r t g e b u n d e n e n Umweltbelastung. Die demographische Dimension ist in der Bundesrepublik durch eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung 8 6 gekennzeichnet. Die natürliche Bevölkerungsbewegung (Ergebnis der Geburten- u n d Sterberatenentwicklung) zeigt langfristig eine deutlich a b n e h m e n d e Tendenz. D a r a u s resultiert - bei gleichbleibenden Versorgungsstandards - ein insgesamt rückläufiger Bedarf an Infrastruktureinrichtungen, soweit dieser an die Bevölkerungszahl gebunden ist. Entlastungen werden insbesondere im Bildungsbereich u n d bei den Verkehrsnetzen erwartet. 85
Zur Definition der Strukturpolitik siehe oben S. 128.
86
Vgl. B M J F G (1980) und Guiachten
(1980).
146
Kap. 4: Wachstums- u n d Strukturpolitik
D i e n o t w e n d i g w e r d e n d e n A n p a s s u n g s z w ä n g e f ü r I n f r a s t r u k t u r b e r e i c h e vers t ä r k e n sich a b e r a u c h d a d u r c h , d a ß d i e V e r s o r g u n g s s t a n d a r d s selbst v e r ä n d e r t w e r d e n . So k ö n n e n sich a u f g r u n d d e r A l t e r s s t r u k t u r d e r B e v ö l k e r u n g in e i n e m b e s t i m m t e n U m f a n g N a c h h o l - u n d E r w e i t e r u n g s i n v e s t i t i o n e n v . a . in d e n B e r e i chen der Altenhilfe u n d der geriatrischen Versorgung ergeben87. Eine exakte Prognose der notwendig werdenden Ä n d e r u n g e n der öffentlichen Investitionspolitik hinsichtlich Gesamtvolumen, Struktur u n d qualitativer Ausrichtung ist deshalb schwierig, weil die Z u s a m m e n h ä n g e zwischen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum noch weitgehend ungeklärt sind. Zudem werden Anpassungsprozesse d u r c h veränderte A n s p r ü c h e an die Qualität d e r öffentlichen Infrastruktur überlagert. D i e sektorale Dimension zeigt sich a m W a c h s t u m b e z i e h u n g s w e i s e d e r S c h r u m p f u n g v o n W i r t s c h a f t s z w e i g e n o d e r d e m W a n d e l in d e n A n f o r d e r u n g e n an Qualifikationen88. I m f o l g e n d e n soll n o c h a u f S t a d i e n u n d E n t w i c k l u n g s s t u f e n d e s S t r u k t u r wandels eingegangen werden, wozu unterschiedliche Hypothesen vorliegen. Die beiden bekanntesten sind: • Drei-Sektoren-Hypothese 8 '' D a n a c h ist die ö k o n o m i s c h e Entwicklung d u r c h deutliche Verschiebungen d e r Produktions- und Beschäftigtenstruktur vom primären über den sekundären zum tertiären Sektor gekennzeichnet. Die eher pragmatisch ausgerichtete Sektorenabgrenzung wird meist wie folgt v o r g e n o m m e n : der primäre Sektor u m f a ß t Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei, der s e k u n d ä r e Sektor Bergbau, Industrie und H a n d w e r k , der tertiäre Sektor private u n d öffentliche Dienstleistungen. Ursachen der unterschiedlichen Entwicklung der volkswirtschaftlichen Produktions- und Nachfragestrukturen sind einmal Sättigungserscheinungen auf der Nachfrageseite: in der Entwicklung der P r o - K o p f - E i n k o m m e n erreichen die Ernährungsgüter (Deckung der G r u n d b e d ü r f n i s s e ) zuerst das Sättigungsniveau. Es folgen die gewerblichen Güter und zuletzt die Dienstleistungen, bei d e n e n keine prinzipiellen Sättigungsgrenzen erkennbar sind. Auf der Angebotsseite bestimmt die Entwicklung der Produktionstechnologie und der Organisation die Produktivitätsfortschritte. D a n a c h drängt im langfristigen Wachstumsprozeß kapitalistischer Marktwirtschaften der s e k u n d ä r e Sektor zunächst den Anteil des primären Sektors zurück und s c h r u m p f t anschließend selbst zugunsten der Entwicklung des tertiären Sektors. Nach dieser Hypothese bewirkt folglich das Zusammenspiel von Produktion u n d Nachfrage den Strukturwandel, wobei die in den jeweiligen Sektoren freigesetzten Arbeitskräfte im nachfragebegünstigten folgenden Sektor Beschäftigung finden. • These von der postindustriellen Gesellschaft 90 Nach dieser These wird die Phase materiellen Wachstums (kennzeichnend f ü r die industrielle Gesellschaft) von einem überwiegend nichtmateriellen Wachstum abgelöst. Die entscheidenden Impulse gehen in der nachindustriellen Gesellschaft von dem innovativen und d i s p o n i e r e n d e n Potential der Dienstleistungsgesellschaft aus. Forschung, Entwicklung, Planung u n d Organisation werden f ü r den Entwicklungsstand der Gesellschaft dom i n a n t . Dabei d e h n t sich der Dienstleistungssektor a u f g r u n d des steigenden W o h l s t a n d s und vermehrter Freizeit immer mehr aus.
87
Einrichtungen der außerfamiliären Hilfestellung für ältere Menschen fallen traditionell der kommunalen Sozialpolitik zu. Vgl. hierzu H.-D. Feser ( 1980, S. 205 ff.).
88
Die Faktoren des sektoralen Strukturwandels werden ausführlicher unten diskutiert.
,0
V.a. D. Bell{ 1975) und J. Ge/-i/i«m»(l981) gehören zu den Repräsentanten dieser Richtung.
Diese ist v.a. von C. Clark (1957) und J. Fourastié (1954) formuliert worden.
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
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D i e e m p i r i s c h e G ü l t i g k e i t b e i d e r H y p o t h e s e n f ü r d i e B u n d e s r e p u b l i k ist u m s t r i t t e n ' " . Z u d e m e r l a u b e n es d e r a r t e i n f a c h e E r k l ä r u n g s m u s t e r d e s S t r u k t u r w a n d e l s n i c h t , S t r u k t u r p r o b l e m e zu i d e n t i f i z i e r e n u n d A n s a t z p u n k t e d e r S t r u k t u r p o l i t i k zu f o r m u l i e r e n . F e r n e r w ä r e n a u c h U n t e r s u c h u n g e n d e s intrasektoralen Strukturwandels, d . h . d e r V e r ä n d e r u n g e n d e r P r o d u k t i o n s - , B e s c h ä f t i g t e n u n d B e t r i e b s g r ö ß e n s t r u k t u r i n n e r h a l b d e r S e k t o r e n , e r g ä n z e n d zu l e i s t e n . 4 . 2 Faktoren strukturellen W a n d e l s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m ist ü b e r e i n e l ä n g e r e P e r i o d e o h n e j e g l i c h e Ä n d e r u n g d e r ö k o n o m i s c h e n S t r u k t u r e n k a u m vorstellbar. Im W a c h s t u m s p r o z e ß werden die Ressourcen (Kapital, Arbeit, technologischer Fortschritt u n d Umwelt) entwikkelt u n d v e r ä n d e r t u n d d a m i t e i n e b e s t i m m t e W i r t s c h a f t s s t r u k t u r g e s c h a f f e n . Diese bestimmt Richtung und Niveau künftigen Wirtschaftswachstums. Zusätzlich w i r k e n s i c h i n t e r n a t i o n a l e N a c h f r a g e - u n d P r o d u k t i o n s b e d i n g u n g e n (in Form von Handelsströmen u n d Faktorwanderungen) auf Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftswachstum aus'2. Faktoren e i n e s d e r a r t i g e n S t r u k t u r w a n d e l s in w a c h s e n d e n W i r t s c h a f t e n s i n d : (1) Änderungen in der Struktur der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage: bei steigendem verfügbaren Realeinkommen wird die Nachfrage in verschiedenen Produktbereichen unterschiedlich rasch gesättigt, in anderen wiederum ausgeweitet"'; die Nachfrage wächst also nicht mit einer einheitlichen Rate; (2) eine zunehmende Kapitalintensivierung der Produktion, insbesondere auch wegen der nicht unbegrenzten Vermehrbarkeit und damit der relativen Verteuerung des Produktionsfaktors Arbeit" 4 ; (3) die technologische Entwicklung, die sich in den einzelnen Sektoren unterschiedlich rasch ausbreitet sowie in arbeits- und kapitalsparender Richtung verschieden stark ausprägt" 5 ; (4) Änderungen in der Bevölkerungsstruktur"''. D i e s e binnenwirtschaftlichen Faktoren d e s S t r u k t u r w a n d e l s k ö n n e n d u r c h weltwirtschaftliche Veränderungen ü b e r l a g e r t , t e i l w e i s e k o m p e n s i e r t , a b e r a u c h v e r "' Vgl. hierzu Κ. H. Oppenländer (\9i\), der von der „Industrialisierung des tertiären Sektors als auch (der) Tertiärisierung des Industriesektors" (ebd., S. 272) spricht. Strukturelle Änderungen beziehen sich also einmal auf die Allokation der Ressourcen, zum anderen auf deren Akkumulation (ζ. B. auf eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur). Ein zentrales Problem dabei ist, daß die ökonomische Theorie keine Verknüpfung von Allokation und Wachstum herstellt. Die Allokationsregeln beziehen sich immer auf gegebene und nicht auf wachsende Ressourcen, und die Wachstumstheorie kann umgekehrt keinen Zusammenhang zwischen effizienter Struktur und Expansion herstellen. Folglich kann die Theorie keine Handlungsregeln für die Politik anbieten. Vgl. hierzu H. Riese (1975, S. 101 ff. und S. 114ff.). "' In den empirischen Befunden der Strukturberichte wird für die Bundesrepublik eine Präferenz privater Haushalte für langlebige und hochwertige Gebrauchsgüter festgestellt, aber keine Bestätigung d a f ü r , daß es wegen der Wachstumsabschwächung im Berichtszeitraum (1960-1980) zu generellen Sättigungserscheinungen gekommen ist. Partielle Sättigungstendenzen sind jedoch nicht zu übersehen. Vgl. etwa D I W (1981, S. 50 ff.). "4 Der Übergang zu weniger arbeitsintensiven Produktionsverfahren wird zur wichtigen unternehmerischen Strategie der Rentabilitätssicherung. "5 Als dominanter Faktor künftiger Entwicklung wird die Diffusion der Basisinnovation „Mikroelektronik" gesehen. Siehe dazu auch oben S. 143. ** Siehe hierzu oben S. 145.
148 schärft werden. sind:
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
Derartige Änderungen internationaler
Rahmenbedingungen
(1) d e r Z u s a m m e n b r u c h d e s S y s t e m s fester W e c h s e l k u r s e " ; (2) d i e a b r u p t e V e r ä n d e r u n g d e r E n e r g i e p r e i s s i t u a t i o n seit 1973; (3) d i e V e r s c h ä r f u n g d e r i n t e r n a t i o n a l e n W e t t b e w e r b s s i t u a t i o n u n d d a m i t V e r ä n d e r u n g e n in d e r i n t e r n a t i o n a l e n A r b e i t s t e i l u n g .
Der außenhandelsbedingte Strukturanpassungsdruck ist insbesondere für die Bundesrepublik mit ihrer hohen Exportorientierung (und der wachsenden Importkonkurrenz aus den Entwicklungsländern) ein bedeutender Faktor des binnenwirtschaftlichen Strukturwandels. Generell ist festzustellen, d a ß zwischen allen Faktoren des Strukturwandels ein interdependentes Beziehungs- und Wirkungsnetz besteht. So hat z.B. die Energiepreissituation seit 1973 zur Inflationsbeschleunigung und zu Leistungsbilanzdefiziten in den meisten westlichen Industrieländern beigetragen. D a d u r c h ausgelöste restriktive Wirtschaftspolitiken wiederum verursachten Strukturverschiebungen in der gesamtwirtschaftlichen E n d n a c h f r a g e , die erneuten Anpassungsdruck hervorriefen. Allgemein wirken Faktoren des Strukturwandels einmal auf der Nachfrageseite (nachfrageinduzierter Strukturwandel), zum anderen auf der Angebotsseite (Wandel in den Produktionsstrukturen), wobei zwischen Veränderungen der Nachfrage- und der Angebotsstruktur ein enger Z u s a m m e n h a n g besteht. Sollen suboptimale Beschäftigungen knapper Produktionsfaktoren vermieden werden, müssen beide Strukturen mittel- bis langfristig einander entsprechen. Nachfrage- u n d angebotsinduzierter Strukturwandel beeinflußt darüber hinaus auch die Berufs- u n d Beschäftigtenstruktur. Das Resultat ist ein hoher Anpassungsbedarf am Arbeitsmarkt, da sich die N a c h f r a g e nach Arbeitskräften qualitativ ändert" 8 . Für die Bundesrepublik bringt die demographisch bedingte quantitative Z u n a h m e des Arbeitskräfteangebots der nächsten Jahre (Eintritt geburtenstarker Jahrgänge in das Erwerbsleben) zusätzlich erhebliche arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Probleme mit sich. Strukturwandel als Ergebnis ökonomischer Aktivitäten läßt sich in einer dynamisch wachsenden Wirtschaft leichter und unauffälliger bewältigen als in einer stagnierenden oder sogar schrumpfenden. In Phasen positiver ökonomischer Dies führte zumindest für die Bundesrepublik zum Wegfall der jahrelangen Überbewert u n g der D - M a r k , die mit v e r u r s a c h e n d f ü r d i e h o h e n L e i s t u n g s b i l a n z ü b e r s c h ü s s e bis M i t t e d e r 70er J a h r e w a r . '* So läßt sich in fast allen Z w e i g e n des w a r e n p r o d u z i e r e n d e n G e w e r b e s e i n e Polarisierungstendenz f e s t s t e l l e n : e i n e r s e i t s A b n a h m e d e r F e r t i g u n g s b e r u f e , a n d e r e r s e i t s Z u n a h m e d e r t e c h n i s c h e n , d e r D i e n s t l e i s t u n g s - u n d d e r V e r w a l t u n g s b e r u f e . H i e r i n spiegelt sich der s t a r k e R ü c k g a n g d e s w a r e n p r o d u z i e r e n d e n G e w e r b e s u n d d e r E i n f l u ß d e s ö f f e n t l i c h e n S e k t o r s a u f d i e Struktur der Erwerbstätigkeit w i d e r . N i c h t zu u n t e r s c h ä t z e n s i n d a u c h d i e A u s w i r k u n g e n v o n Rationalisierungsinvestitionen ( v . a . a u f d e r G r u n d l a g e der neuen Informationstechnologien), die diese Polarisierungstendenzen verstärken k ö n n e n . Ü b e r d i e s k ö n n e n sie zu e r h e b l i c h e n P r o d u k t i v i t ä t s s t e i g e r u n g e n a u c h im D i e n s t l e i s t u n g s s e k t o r f ü h r e n , w a s d i e Absorptionsfähigkeit d e s t e r t i ä r e n S e k t o r s f ü r freigesetzte A r b e i t s k r ä f t e a n d e r e r S e k t o r e n b e g r e n z t . D i e s e Ä n d e r u n g e n d e r A r b e i t s t e i l u n g z u g u n s t e n b e s t i m m t e r D i e n s t l e i s t u n g e n wird vers c h i e d e n t l i c h als stetige E n t w i c k l u n g z u r Dienstleistungsgesellschaft i n t e p r e t i e r t . Vgl. hierzu e t w a H W W A (1981, S. 17 ff.) u n d o b e n S. 146.
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
149
Entwicklung profitieren auch produktivitätsschwächere Sektoren noch von der E x p a n s i o n . Bei v e r l a n g s a m t e m w i r t s c h a f t l i c h e n W a c h s t u m d a g e g e n w e r d e n s e k torale Friktionen verschärft und treten z u n e h m e n d Probleme der regionalen Stagnation auf19. S t r u k t u r e l l e r W a n d e l v o l l z i e h t sich a l s o n i c h t o h n e u n e r w ü n s c h t e N e b e n w i r k u n g e n , d i e in F o r m v o n Anpassungskosten f ü r a l l e P r o d u k t i o n s f a k t o r e n , R e g i o n e n u n d S e k t o r e n a u f t r e t e n k ö n n e n . A u f g a b e der Strukturpolitik ist es d e s h a l b , d e n v o r f i n d b a r e n S t r u k t u r w a n d e l s e l b s t o d e r d i e V e r ä n d e r u n g e n in d e n F a k t o r e n d e r W i r t s c h a f t s s t r u k t u r zu s t e u e r n 1 0 0 , u m d e r a r t i g e A n p a s s u n g s k o s t e n zu m i nimieren. Im f o l g e n d e n w i r d a u f A n s a t z p u n k t e d e r sektoralen Strukturpolitik u n d d e r Umweltpolitik n ä h e r e i n g e g a n g e n . E i n e D a r s t e l l u n g d e r s p e z i f i s c h r e g i o n a l p o l i t i schen Ansatzpunkte unterbleibt trotz deren systematischer Zugehörigkeit zur S t r u k t u r p o l i t i k " " . D i e Regionalpolitik w e i c h t z w a r in i h r e r M e t h o d i k e r h e b l i c h v o n d e r s e k t o r a l e n S t r u k t u r p o l i t i k a b . R e g i o n a l e S t r u k t u r p o l i t i k ist a b e r a u c h zu e i n e m G r o ß t e i l I n d u s t r i e a n s i e d l u n g s p o l i t i k , d . h . , sie will d i e V e r ä n d e r u n g r e g i o naler Wirtschaftsstrukturen über Investitionen w a h r n e h m e n . Das bedeutet, d a ß die Investitionen des privaten Sektors unter regionalen u n d sektoralen Zielsetz u n g e n p o l i t i s c h b e e i n f l u ß t w e r d e n s o l l e n . A n d e r e r s e i t s ist d i e R e g i o n a l p o l i t i k in i h r e r A n w e n d u n g a b e r a u c h w e n i g e r u m s t r i t t e n als d i e s e k t o r a l e S t r u k t u r p o l i t i k . Es ist z i e m l i c h e i n d e u t i g f e s t z u s t e l l e n , d a ß o h n e r e g i o n a l ö k o n o m i s c h e M a ß n a h m e n d i e m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e S e l b s t s t e u e r u n g z u e i n e r V e r s c h ä r f u n g statt zu einem Abbau regionaler Ungleichgewichte führen würde. Auf die Z u s a m m e n h ä n g e zwischen regionalem u n d sektoralem S t r u k t u r w a n del ist s e l b s t v e r s t ä n d l i c h h i n z u w e i s e n . 4 . 3 Strukturpolitische Ansätze S t r u k t u r p o l i t i s c h e M a ß n a h m e n k ö n n e n mit u n t e r s c h i e d l i c h e r I n t e n t i o n e i n g e setzt w e r d e n : S t r u k t u r e r h a l t u n g u n d S t r u k t u r v e r ä n d e r u n g s i n d d i e b e i d e n wesentlichen Steuerungsstrategien. Strukturerhaltende M a ß n a h m e n v e r s u c h e n B e s t e h e n d e s z u k o n s e r v i e r e n u n d / o d e r A n p a s s u n g s p h a s e n zeitlich zu v e r l ä n g e r n 1 0 2 . Sie w i r k e n f o l g l i c h M a r k t t e n d e n z e n e n t g e g e n . Strukturverändernde M a ß n a h m e n u m f a s s e n v . a . A n p a s s u n g s i n terventionen, die darauf abzielen, Engpässe und Überkapazitäten103 sowie Mobil i t ä t s h e m m n i s s e , d i e d e m S t r u k t u r w a n d e l e n t g e g e n s t e h e n , zu b e s e i t i g e n . D e r a r tige F e h l s t r u k t u r e n e n t s t e h e n d a b e i d u r c h N i c h t a n p a s s u n g , zu l a n g s a m e r o d e r f a l s c h e r A n p a s s u n g a n sich v e r ä n d e r n d e S t r u k t u r e n . D i e s e F o r m e n d e r Anpassungspolitik h a b e n e h e r r e a k t i v e n C h a r a k t e r (passive Strukturpolitik), i n d e m a u f f e s t s t e l l b a r e o d e r v e r m e i n t l i c h e M a r k t m ä n g e l , d i e ein e m als n o t w e n d i g e r a c h t e t e n u n d z ü g i g sich v o l l z i e h e n d e n S t r u k t u r w a n d e l e n t "" Vgl. dazu insbesondere W. Buhr. P. Friedrich (1981). 100
Vgl. hierzu G. Gä/fc«! (1978, S. 228).
101
Vgl. zu diesen F. Bultler u.a. (1977). Strukturkonservierende Maßnahmen können dabei mit wachstumspolitischen Zielen konfligieren. Siehe dazu oben S. 130.
102
103
Der sektoralen Überkapazität entspricht dabei beim Faktorpotential die strukturelle Arbeitslosigkeit. Vgl. zu dieser oben S. 93 f.
150
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
gegenstehen, reagiert wird. Dagegen will das Steuerungskonzept der aktiven Strukturpolitik jenen Strukturwandel in G a n g setzen, der sich durch die Marktsteuerung so nicht ergeben würde' 0 4 . Auch die aktive Strukturpolitik wirkt dabei überwiegend marktunterstützend (Anpassungspolitik), da es nicht Aufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik sein k a n n , zukunftsträchtige Produktionen für den Privatsektor zu entdecken u n d zu fördern. Andererseits setzt sie aber auch eigene Wertentscheidungen, da ihr Anliegen die vorausschauende, präventive Vermeidung von Fehlentwicklungen 1 0 5 u n d die Gestaltung einer zukunftsgerechten sektoralen Wirtschaftsstruktur ist (Politik der Zukunftssicherung). Ihr Hauptproblem ist neben der Koordination strukturpolitischer Einzelmaßn a h m e n insbesondere deren Integration in eine gesamtwirtschaftliche Entwicklungs- oder Modernisierungsstrategie. Die Diskussion der Faktoren des Strukturwandels hat gezeigt, d a ß unterschiedliche gesamtwirtschaftliche Auswirkungen auf die Nachfrage- und Angebotsseite resultieren, wobei hinsichtlich der D o m i n a n z der Faktoren kein Konsens besteht. Die folgende Einteilung der M a ß n a h m e n sektoraler Strukturpolitik orientiert sich an den beiden volkswirtschaftlichen Kreislaufaggregaten Nachfrage und Angebot. 4.3.1 Nachfrageorientierte Strukturpolitik Veränderungen in der Nachfragestruktur werden einmal durch Änderungen in den relativen Preisen von Gütern und Dienstleistungen verursacht u n d sind des weiteren Ergebnis sich - a u f g r u n d steigender P r o - K o p f - E i n k o m m e n - ändernder Bedürfnisse und Präferenzen. Beides bewirkt Verschiebungen zwischen den einzelnen Aggregaten der gesamtwirtschaftlichen N a c h f r a g e ( K o n s u m , Investitionen, Staatsausgaben, Export, Import) wie auch innerhalb der Aggregate. Die Förderung der Nachfrageseite setzt die Identifizierung zusätzlicher neuer Nachfragebereiche (für private und öffentliche Nachfrage) voraus, um mit geeigneten M a ß n a h m e n eine mittelfristige Stabilität der Nachfrageentwicklung zu gewährleisten. Autonome Marktkräfte können unter Umständen nicht dazu ausreichen, derartige Nachfragebereiche im notwendigen U m f a n g bereitzustellen. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Produktinnovationen, da neue und verbesserte Produkte neue Absatzmöglichkeiten schaffen können""'. 4.3.2 Angebotsorientierte Strukturpolitik Die meisten Ansatzpunkte sektoraler Strukturpolitik liegen bei den G r ö ß e n des Angebots, den Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und technischer Fortschritt. Der Produktionsfaktor Arbeit soll dabei mit dem Konzept der aktiven Arbeitsmarktpolitik'"7, der Produktionsfaktor Kapital durch die Industriepolitik' 08 u n d ,04
G. Gäfgen (1978, S. 229).
105
So sollen etwa durch rechtzeitige Umlenkung der Produktionsfaktoren Strukturkrisen vermieden werden.
"" Vgl. hierzu auch oben S. 140. 107 Vgl. zur Darstellung dieses bislang nicht wohldefinierten Politikbereichs (1978). 108
Bundesanstalt
Sektorale Strukturpolitik ist Industriepolitik, womit investitionsbeeinflussende Maßnahmen gemeint sind, welche die Struktur, die Produktivität und die internationale
Kap. 4: Wachstums- u n d Strukturpolitik
151
der technische Fortschritt schließlich über eine gezielt betriebene staatliche Innovations· und Technologiepolitik nicht nur global 1 0 ', sondern auch sektoral gesteuert werden. Dabei können die Instrumente der sektoralen Strukturpolitik so eingesetzt werden, d a ß sie die Anpassung des ökonomischen Systems an den Strukturwandel und dessen Vollzug fördern oder verzögern. Förderung des Strukturwandels Strukturellen Wandel fördernde M a ß n a h m e n umfassen den sektoral gezielten Einsatz steuerlicher und finanzieller Instrumente (Bereitstellung von Risikokapital): • indirekte Verbesserung der S e l b s t f i n a n z i e r u n g " 0 durch steuerliche M a ß n a h m e n , • direkte Mittelvergabe (Zulagen, Zuschüsse zu Investitionskosten und Zinsen, ö f f e n t l i c h e Kredithilfen 1 " und Bürgschaften, aber auch Stillegungsprämien) zur Absicherung v o n Anpassungsverlusten und Entwicklungsrisiken.
Dabei sind die direkten finanziellen Anreize für strukturpolitische Ziele beser verwendbar, da mit der Mittelhergabe mehr oder weniger genaue Bedingungen verknüpft sein k ö n n e n , wodurch z.B. Neuerungen zum Durchbruch verholfen werden kann. D a r ü b e r hinaus soll auch eine strukturinnovierende Forschungspolitik strukturellen Wandel fördern. Kennzeichnend d a f ü r ist einmal eine verstärkte Hinwend u n g zu kleinen u n d mittleren Unternehmen. Die M a ß n a h m e n reichen hier von der Förderungsvergabe (Zulagen für Investitionen im F + E - B e r e i c h , Kapitalund Kredithilfen zur Finanzierung des Investitionsbedarfs bei M a r k t e i n f ü h r u n g ) bis zum Technologietransfer über Innovationsberatungsstellen und D o k u m e n tationssystemen" 2 . D a r ü b e r hinaus soll durch eine gezielte direkte Projektförderung v.a. in Engpaß-Bereichen" 3 die wirtschaftliche u n d soziale Entwicklung langfristig gesteuert werden. Die gezielte staatliche Innovations- und Technologiepolitik wird zu einer Schlüsselgröße sektoraler Strukturpolitik" 4 . Der direkten Projektförderung kritisch entgegengehalten wird, d a ß die indirekte Innovationsförderung effizienter sein k a n n , weil sie alle Innovationen u m f a ß t u n d der mit ihr verbundene bürokratische A u f w a n d auch geringer ist.
Wettbewerbsfähigkeit des privaten Sektors beeinflussen. D a z u zählen die Wettbewerbsund Handelspolitik, die U n t e r n e h m e n s s u b v e n t i o n i e r u n g , die staatliche E i n f l u ß n a h m e auf die industrielle Forschung und E n t w i c k l u n g , die Rolle der öffentlichen U n t e r n e h men s o w i e die A n w e n d u n g von M e t h o d e n struktureller Steuerung. "" Vgl. zu dieser wachstumspolitischen Strategie o b e n S. 142 ff. 110
Steuerpolitische Investitionsförderung läuft hier den wachstumspolitischen m e n parallel. Vgl. dazu o b e n S. 137 f.
111
D i e s e umfassen b e s o n d e r e Kredithilfen (z.B. bei Ernteschäden) s o w i e Mittelstandsund Existenzgründungskredite. Bereitgestellt werden sie v o n besonderen Kreditanstalten. So obliegt z . B . der Kreditanstalt für W i e d e r a u f b a u ( K f W ) die b a n k t e c h n i s c h e Abw i c k l u n g des E R P - S o n d e r v e r m ö g e n s , d a s ein Finanzierungshilfeprogramm mit strukturpolitischer Bedeutung ist.
1,2
B M F T , B M W (1979). Vgl. zu diesen o b e n S. 143f.
114
Vgl. hierzu V. Hauff,
F. W. Scharpf(
1975).
Maßnah-
152
Kap. 4: Wachstums- u n d Strukturpolitik
Effizienzprobleme anderer Art können sich dadurch ergeben, wenn technologische Innovationen über die Startphase hinaus in einem M a ß e gefördert werden, der bestimmte Sektoren dem Wettbewerb entzieht. Die wachstumspolitisch orientierte, sektorale Strukturpolitik ist aber nicht nur an der Effizienz, sondern auch an der Flexibilität des Wirtschaftssystems interessiert. Diese wird stark beeinflußt von der Mobilität der Produktionsfaktoren, d.h. der Aufteilung von Arbeitskräften u n d Unternehmen auf Sektoren, in Berufe und auf Standorte. Die Wirtschaftspolitik hat die Strukturflexibilität" 5 zu fördern u n d folglich Mobilitätshemmnisse zu mildern oder zu kompensieren: • eine verstärkte sektorale Arbeitsmobilität soll über die Reduzierung von Unsicherheiten bezüglich alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten erreicht w e r d e n ; eine verbesserte T r a n s p a r e n z der F a k t o r m ä r k t e aufgrund besserer Information zu liefern ist A u f g a b e der Arbeitsämter'"'; • die regionale Arbeitsmobilität soll durch M a ß n a h m e n des A F G , wie Umzugs- u n d Übergangsbeihilfen, aber auch durch A b f i n d u n g e n , sowie W o h n b a u f ö r d e r u n g in Regionen mit Arbeitskräfte-Mangel (sogenannte Regionalprogramme) erhöht w e r d e n ; diese M a ß n a h men subventionieren private Standortwünsche; • Einrichtungen von Ausbildungsstätten zur beruflichen Umschulung u n d Fortbildung (nach A F G ) steigern sowohl die regionale wie auch die sektorale Arbeitsmobilität" 7 ; • Stillegungs- und Investitionsprämien sollen d i e Mobilität des Produktionsfaktors Kapital e r h ö h e n .
Die erwünschten W a n d e r u n g e n des Produktionsfaktors Arbeit a u f g r u n d verbesserter I n f o r m a t i o n e n über die Faktormärkte sowie einmaliger und zeitlich begrenzter Transferzahlungen finden aber nur d a n n statt, wenn die materiellen Anreize ( F ö r d e r u n g der Umstellungskosten) entsprechend groß sind und am neuen Arbeitsplatz ein deutlich höheres Einkommen erzielt werden k a n n " 8 . Ebenso ist die Mobilität des Faktors Kapital - mit A u s n a h m e des subventionierten Kapazitätsabbaus - von unternehmerischen Erwartungen abhängig. Da kein Wanderungszwang besteht, erhebt sich für die indikative Strukturpolitik" 9 stets die Frage nach der effizienten Allokation der geförderten Produktionsfaktoren. Die bislang geschilderten Anpassungsinterventionen können den Strukturwandel abkürzen (etwa mittels Umschulungs- u n d K a p a z i t ä t s a b b a u m a ß n a h m e n sowie durch Investitionsprämien) und mit Hilfe der M a ß n a h m e n zur Mobilitätssteigerung der Produktionsfaktoren auch beschleunigen. Dadurch ausgelöste raschere b r a n c h e n i n t e r n e Umstrukturierungen und intrasektorale Veränderungen k ö n n e n d i e volkswirtschaftlichen Produktivitäten und wirtschaftliches Wachstum steigern helfen. G e f ö r d e r t werden sollen dabei v.a. solche Sektoren, in denen der marktbedingte Strukturwandel zu langsam verläuft, aber auch Bereiche, in denen die Anreize für die als notwendig erachtete zügige Entwicklung sogen a n n t e r zukunfts- oder wachstumsträchtiger und international wettbewerbsfähiger Sektoren nicht ausreichen. 115
Siehe hierzu auch G. Gäfgen (1978, S. 234ff.).
116
Z u r Rolle der Berufsberatung der Arbeitsämter siehe oben S. 136.
118
Die Berufsqualifizierungspolitik ist nicht nur für die Strukturpolitik, s o n d e r n auch f ü r die Wachstumspolitik ein wesentlicher Bestandteil. Vgl. hierzu auch oben S. 135. Abstrahiert wird bei dieser Argumentation von Immobilitäten der Arbeitskräfte aufg r u n d verwandtschaftlicher und sonstiger räumlicher Bindungen. Vgl. zu diesem Begriff unten S. 154f.
Kap. 4 : Wachstums- u n d Strukturpolitik
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Verzögerung des Strukturwandels Aus beschäftigungspolitischen u n d sozialen G r ü n d e n kann der Strukturwandel aber auch zeitlich verzögert werden, um den Anpassungsdruck einzelner Sektoren u n d der dort Beschäftigten oder in industriell monostrukturierten Regionen 1 2 0 zu vermindern. Gestützt werden insbesondere solche Sektoren, bei denen der marktgesteuerte Strukturwandel zu erheblichen Friktionen führen würde 1 2 1 . Betroffen davon sind meist stagnierende o d e r s c h r u m p f e n d e Branchen. Instrument der Strukturerhaltungspolitik ist die Subventionspolitik. Begründet wird die Vergabe von Erhaltungssubventionen (Form der direkten Subventionen) mit regional-, beschäftigungs-, versorgungs- u n d sozialpolitischen Überlegungen. Das empirisch feststellbare Wachstum der Subventionen ist dabei auch durch die Eigendynamik des staatlichen Subventionssystems mit verursacht: auf Wiederwahl bedachte Politiker neigen eher zur Aufrechterhaltung denn zur Reduzierung einmal gewährter Hilfen 122 . Ebenso ist die staatliche Bürokratie bestrebt, ihre Aufgabengebiete zu halten u n d auszuweiten. Dies führt dazu, d a ß die M a ß n a h m e n der Strukturerhaltungspolitik meist auf Dauer angelegt sind 123 . In der Bundesrepublik konzentriert sich diese staatlich subventionierte Branchenförderung auf wenige Sektoren: Land- und Forstwirtschaft, Verkehr, Wohnungswesen und Bergbau 124 . D a n e b e n existieren aber noch zusätzliche Programme direkter Unterstützung strukturschwacher Branchen, wie Stahlindustrie und Schiffsbau. Im allgemeinen sind strukturkonservierende M a ß n a h m e n fallweise ausgerichtet. Eine umfassende Vorstellung für die Entwicklung der Branchenstrukturen existiert nicht. Allokationspolitisch ist festzuhalten, d a ß die Existenz potentieller staatlicher Erhaltungshilfen die Wettbewerbsfähigkeit u n d Anpassungsbereitschaft des privaten Sektors schwächt. So stellt die Subventionierung quasi eine Absatzgarantie dar, welche die sektoralen Überkapazitäten vergrößern kann. Die damit verbundene suboptimale Beschäftigung k n a p p e r Produktionsfaktoren verursacht gesellschaftliche Kosten. Dies trägt zur H e m m u n g des Strukturwandels und des möglichen wirtschaftlichen Wachstums bei, da historisch entstandene u n d sich überholende Wirtschaftsstrukturen konserviert werden.
120
Ein typisches Beispiel einer Strukturkrise, die regional konzentriert auftreten kann, wäre für die Bundesrepublik das Ruhrgebiet. Diese Industrieregion ist ü b e r w i e g e n d v o n der in einer Krise steckenden Stahlbranche abhängig.
121
Zu d e m sich hierbei ergebenden Konflikt mit d e m Wachstumsziel siehe o b e n S. 130.
122
D a ß die Parteien S t i m m e n maximieren, ist die These der N e u e n Politischen Ö k o n o m i e . Vgl. hierzu auch Kapitel I, o b e n S. 6 ff.
121
D i e damit einhergehende starke T e n d e n z , d e n Einfluß des Staates auf den Strukturwandel a u s z u d e h n e n , darf nicht mit aktiver Strukturpolitik verwechselt werden.
124
Hierzu stellt das l F O - l n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (1981, S. 246) in seinem Strukturbericht fest: „ A u f d i e s e vier Bereiche e n t f i e l e n je nach Beobachtungsjahr zwei Drittel bis drei Viertel aller staatlichen Hilfen. A u f d e n großen Bereich .Verarbeitendes G e werbe, H a n d e l , H a n d w e r k , Dienstleistungen', entfielen in den siebziger Jahren nur 5 - 6 % der Begünstigungen. Allerdings profitierte diese G r u p p e v o n Wirtschaftszweigen auch v o n der R e g i o n a l f ö r d e r u n g (incl. Berlin) u n d der Forschungsförderung. D a s Förd e r v o l u m e n hat bei diesen A u f g a b e n überdurchschnittlich z u g e n o m m e n . "
154
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
Zu den s t r u k t u r e r h a l t e n d e n M a ß n a h m e n zählen a u c h die wettbewerbspolitischen Ausnahmeregelungen 123 , die staatlichen Marktzugangsbeschränkungen u n d Kapazitätsregulierungen (sogenannte M a r k t - u n d B e r u f s o r d n u n g e n ) . Diese Ins t r u m e n t e versuchen ü b e r W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n 1 2 6 sektorale Strukturziele zu verfolgen. S t r u k t u r k o n s e r v i e r e n d e M a ß n a h m e n h a b e n eine e r h e b l i c h e p r a k t i s c h e B e d e u t u n g , o b w o h l sie den g e n u i n strukturpolitischen Zielen ( A n p a s s u n g u n d Z u k u n f t s s i c h e r u n g ) , aber a u c h d e m G r u n d s a t z der m a r k t w i r t s c h a f t l i chen Subsidiarität w i d e r s p r e c h e n . Feststellbar ist, d a ß die Strukturpolitik im R a h m e n einer kapitalistischen M a r k t w i r t s c h a f t subsidiären Charakter h a t : Sie soll die Flexibilität d e s m a r k t u n d w e t t b e w e r b s b e d i n g t e n S t r u k t u r w a n d e l s erhöhen 1 2 7 . Ziel dieser e r g ä n z e n d e n M a ß n a h m e n d e r M a r k t s t e u e r u n g ist die M i n i m i e r u n g von A n p a s s u n g s k o s t e n im A l l o k a t i o n s p r o z e ß . D a die Ursache d a f ü r in Branc h e n e n g p ä s s e n mit Ü b e r k a p a z i t ä t e n o d e r in m o n o p o l i s t i s c h e n u n d oligopolistischen M a r k t f o r m e n zu sehen ist, wäre die N a c h f r a g e s t e u e r u n g nicht die a d ä q u a te wirtschaftspolitische M a ß n a h m e . Hier sind I n s t r u m e n t e d e r W e t t b e w e r b s u n d d e r a n g e b o t s o r i e n t i e r t e n Strukturpolitik zu ergreifen 1 2 8 . Politikbereiche, die e b e n f a l l s strukturellen W a n d e l v e r u r s a c h e n , a b e r a u c h zu seiner S t e u e r u n g b e i t r a g e n , sind a u ß e r d e m : A r b e i t s m a r k t p o l i t i k , I n f r a s t r u k t u r politik, auf Sektoren b e z o g e n e Politikbereiche wie Agrarpolitik, W o h n u n g s p o l i tik, Energiepolitik u . a . m . A u c h die Außenhandelspolitik hat in o f f e n e n Volksw i r t s c h a f t e n s t r u k t u r p o l i t i s c h e Bedeutung. Einmal soll sie die i n l ä n d i s c h e Prod u k t i o n s s t r u k t u r vor negativen a u ß e n w i r t s c h a f t l i c h e n Einflüssen (wie etwa Preissteigerungen u n d N a c h f r a g e v e r f a l l ) abschirmen 1 2 9 . Andererseits soll a b e r d u r c h den A b b a u protektionistischer M a ß n a h m e n u n d H a n d e l s h e m m n i s s e der i n t e r n a t i o n a l b e d i n g t e A n p a s s u n g s d r u c k (internationales K o s t e n n i v e a u u n d N a c h f r a g e s t r u k t u r sowie Q u a l i t ä t s s t a n d a r d s der W e l t m ä r k t e ) a u c h auf die inländ i s c h e W i r t s c h a f t s s t r u k t u r wirken, d a m i t die im i n t e r n a t i o n a l e n Vergleich zu teuer p r o d u z i e r e n d e n Sektoren rascher s c h r u m p f e n . Z u extensiv u n d intensiv bet r i e b e n e a u ß e n w i r t s c h a f t l i c h e A b s i c h e r u n g k ö n n t e u n t e r U m s t ä n d e n sonst der i n t e r n a t i o n a l e n K o n k u r r e n z f ä h i g k e i t abträglich sein. A b s c h l i e ß e n d ist n o c h d a r a u f hinzuweisen, d a ß die Strukturpolitik in M a r k t w i r t s c h a f t e n keine „ S y s t e m ü b e r w i n d u n g " anstrebt, wie noch A n f a n g d e r 70er J a h r e der Vorwurf in der stark ideologisiert g e f ü h r t e n Investitionslenkungsdebatte" 0 lautete. V i e l m e h r ist heute - a u c h u n t e r d e m E i n d r u c k d e r l a n g a n h a l t e n d e n Arbeitslosigkeit - eine p r a g m a t i s c h e B e t r a c h t u n g der N o t w e n d i g k e i t u n d d e r G r e n z e n der s o g e n a n n t e n indirekten Investitionslenkung ( F o r m der indikati125
Siehe hierzu auch Kapitel 2, oben S. 67 f. Konzessionen, Kontingentierungen, Anbaubeschränkungen, Befähigungsnachweise, aber auch staatliche Preisinterventionen in Form von Mindestpreisen (ζ. B. auf dem EG-Agrarmarkt), Verwendungsauflagen usw. sind Bestandteile dieser Maßnahmen. 127 Vgl. hierzu auch W. Meißner ( 1981 ), der einen Überblick der in westlichen Marktwirtschaften praktizierten Strukturpolitik gibt. 128 Vgl. hierzu J. Werner (1971, S. 11). I2a Derartige außenhandelspolitische Schutzmaßnahmen, auf die hier nicht näher eingegangen wird, sind Zölle, Abschöpfungen, Kontingente, Selbstbeschränkungsabkommen und Handelshemmnisse. Vgl. dazu auch G. Gäfgen (1978, S. 247f.). "" Eine Zusammenfassung der einschlägigen Argumente findet man bei H. G. Nutzinger (1978) und R. Steininger-Fetzer ( 1981). 126
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ven Planung) festzustellen. Hier werden Ziele formuliert, die in einem unverbindlichen Rahmen von Perspektivplänen längerfristig anzustreben sind. Dabei bestehen keine Sanktionsmöglichkeiten f ü r die Zielverwirklichung, es dominiert die indirekte Beeinflussung der Entscheidungsräume der Wirtschaftssubjekte" 1 . Mit einer derartigen R a h m e n p l a n u n g soll die fallweise strukturpolitische Intervention vermieden w e r d e n " 2 . Dies bedeutet aber wiederum auch nicht einen naiven Glauben an einen optimal funktionierenden Marktmechanismus (mit lediglich partiellen technokratischen Verbesserungen), sondern durchaus eine Infragestellung der Funktionsfähigkeit und der Stärkung sowie Ergänzung desselben durch „ a k t i v e " Steuerungskonzepte. Aktive Strukturpolitik versucht in ihrer sektoralen Variante die Selektion zukünftiger Wachstumsbranchen u n d deren Förderung. Aber gerade auch die Verlangsamung von Schrumpfungsprozessen soll zukunftsorientiert sein, damit insgesamt eine ausgewogene und sozial akzeptable wirtschaftliche Entwicklung eintritt. 4.4 Umweltpolitik Die z u n e h m e n d e Belastung - in Teilbereichen bereits Zerstörung - der Umwelt nimmt in den Industriegesellschaften" 1 ein solches A u s m a ß an, d a ß sie zum gesellschaftlichen Problem geworden ist. Ablesbar ist der G r a d der Verschlechterung der ökologischen R a h m e n b e d i n g u n g e n an den Veränderungen der Zustandsvariablen der Umwelt: Luft, Wasser, Lärm, Müll, natürliche Ressourcen. Die Umweltproblematik ist dabei vorrangig bestimmt durch die Entwicklung der Konsum-, Produktions-, Energienutzungs- und Abfallverwertungsformen. Angesichts dieser Entwicklung erhebt sich die Frage nach den wirtschaftlichen Ursachen: warum produziert unser Wirtschaftssystem Umweltbelastungen? 4.4.1 ökologische Orientierung Das allgemeine Dilemma der Umweltproblematik liegt darin, d a ß Umweltgüter lange Zeit als „ f r e i e " Güter behandelt wurden, obwohl sie in der Realität k n a p p e Güter geworden waren. Gleichwohl waren Umweltgüter bislang kostenlos" 4 , weswegen sie als öffentliche G ü t e r " 5 zu übermäßig genutzt wurden. Daraus haben sich eine Reihe miteinander verbundener u n d sich gegenseitig bedingender Verzerrungen ergeben: (1) D a Umweltgüter v o m M a r k t m e c h a n i s m u s nicht erfaßt w e r d e n , erscheinen auch die mit der Produktion und d e m K o n s u m verbundenen negativen e x t e r n e n E f f e k t e (etwa Schadstoffbelastung und R a u b b a u ) nicht. "' D a die M a ß n a h m e n der s o g e n a n n t e n d i r e k t e n Investitionslenkung nicht der marktwirtschaftlichen O r d n u n g k o n f o r m sind, da sie v. a. die Privatheit der Investitionsentscheid u n g e n durch reglementierende G e b o t e ( F o r m der imperativen P l a n u n g ) verletzt, unterbleibt in diesem Lehrbuch auch deren Darstellung. 132
Derartige R a h m e n p l ä n e existieren in der Bundesrepublik seit längerem im Bereich der raumwirksamen Politik: B u n d e s r a u m o r d n u n g s p r o g r a m m , G e m e i n s c h a f t s a u f g a b e zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (nach Art. 91a G G ) und Landesentw i c k l u n g s p r o g r a m m e der Bundesländer sind die bekanntesten.
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Hierin unterscheidet sich die Umweltsituation in kapitalistischen u n d sozialistischen G e s e l l s c h a f t s s y s t e m e n kaum.
134
Staatliche U m w e l t p o l i t i k gibt es z . B . in der Bundesrepublik seit 1971 (Vorlage des ersten U m w e l t p r o g r a m m s der Bundesregierung).
135
Siehe zum K o n z e p t der ö f f e n t l i c h e n Güter u n d der externen Effekte Kapitel I, o b e n S. 14 ff.
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Z u d e m verhalten sich die Wirtschaftssubjekte aufgrund des öffentlichen Charakters der Umweltgüter so, d a ß sie zur Erhaltung der Umwelt nichts beitragen, solange alle anderen dies auch nicht tun (sogenannte Trittbrettfahrer-Position). Eine Überversorgung des Wirtschaftssystems mit negative externe Effekte verursachenden G ü t e r n ist die Folge 136 . (2) Das Auseinanderklaffen der gesellschaftlichen und privaten Kosten' 3 7 der Güterproduktion führt zu verzerrten Preisrelationen. Wenn Knappheitssituationen nicht angezeigt werden, resultieren suboptimale Allokationen der Faktoren Arbeit, Kapital u n d Umweltressourcen. (3) Die Standortentscheidungen der Unternehmer haben sich bislang nicht an bereits vorh a n d e n e n regionalen Umweltbelastungen orientiert. Vielmehr ist empirisch ein enger Zus a m m e n h a n g zwischen dem häufigen Auftreten von Umweltschäden sowie der Konzentration von Wohn- u n d Arbeitsplätzen feststellbar. Agglomerationen führen auch zu einer fortschreitenden räumlichen Zersiedelung (Suburbanisierung). Dadurch nehmen Wochenend- u n d Freizeitverkehr zu, wodurch Umweltbelastungen auf Erholungs- u n d landwirtschaftliche Gebiete übertragen werden. Anzahl, Art u n d Verteilung von Wohn- und Arbeitsstätten bestimmen also - im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung - die unterschiedlichen Flächennutzungen 1 3 8 u n d regional differenzierten Umweltbelastungen. Es entsteht die G e f a h r eines wachsenden Mißverhältnisses zwischen besiedelter Fläche u n d Komplementärräumen für ökologischen Ausgleich, Erholung, Wasser- u n d Landwirtschaft. Die Regionalpolitik 139 erlangt daher zunehmend eine umweltpolitische Stützfunktion: durch Verkehrs- u n d raumplanerische M a ß n a h m e n sind die jeweiligen Flächenfunktionen (Wirtschafts-, Erholungs-, Landwirtschafts-, Wasser- und Naturschutzgebiete) präventiv sicherzustellen (räumliche Entwicklungsplanung). (4) Auch sektoral sind die Umweltbelastungen nicht gleichmäßig auf die einzelnen Wirtschaftsbranchen verteilt.
Die Umweltproblematik ist aber nicht nur ein Externalitäten- und Allokationsproblem, sondern besitzt auch eine wachstumspolitische Dimension. Die Euphorie eines „goldenen Zeitalters" des stetigen, gleichgewichtigen Wirtschaftswachstums der 60er Jahre ist geschwunden. Die Ursache dafür liegt in den verschärften Umweltbelastungen und -risiken zusätzlichen quantitativen Wachstums sowie in den schrumpfenden Beständen natürlicher Ressourcen. Wachstumsgrenzen ergeben sich folglich aus den Umweltproblemen und begrenzten Rohstoffreserven 140 . Daher richtet sich das Interesse auf die Determinanten eines umwelt136
Dies ist auch traditionell der Ansatzpunkt der Umweltökonomik. Vgl. repräsentativ hierfür H. Siebert {1978 und 1979).
137
Gesellschaftliche Folgelasten, die der Allgemeinheit entstehen, wenn der einzelne Emittend Umweltschutzmaßnahmen unterläßt, sind etwa Korrosionen, Fischsterben in den Flüssen und auch die Häufung von Krankheiten in Belastungsgebieten.
1311
Räumlich differenzierte Ansprüche auf Flächennutzungen ergeben sich auch im kommunalen Bereich. Vgl. hierzu H.-D. Feser ( 1980, S. 209 f.).
I3
* Unter diesen Aspekten wird die Regionalpolitik nicht mehr die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse durch Angleichung regionaler Unterschiede von Wirtschaftskraft, Infrastrukturausstattung und Umweltbelastung in allen Teilräumen anstreben können. Vielmehr wird sie immer mehr dem Konzept der räumlich-funktionalen Arbeitsteilung folgen, wonach jeder Teilraum aufgrund seines speziellen Potentials besondere Aufgaben für andere Teilräume mit übernimmt.
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Die Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Variablen sowie der Industrieproduktion, dem Bevölkerungswachstum und der Nahrungsproduktion sind im Auftrag des Club of Rome in ihrer trendmäßigen Entwicklung mittels eines sogenannten Weltmodells für ein Jahrhundert berechnet worden. Vgl. dazu D. Meadows u.a. (1973). Zu Grenzen der Belastbarkeit der Umwelt vgl. neuerdings Global (1981).
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u n d r e s s o u r c e n s c h o n e n d e n W a c h s t u m s . Die E i n b e z i e h u n g ökologischer M a ß stäbe wird - n e b e n d e m technischen Fortschritt als sozial relevantem Fortschritt - zum wesentlichen F a k t o r qualitativen Wachstums. Zwischen einem so verstand e n e n W i r t s c h a f t s w a c h s t u m u n d dem U m w e l t s c h u t z besteht kein Zielkonflikt. Im Z u s a m m e n h a n g mit d e n G r e n z e n des W a c h s t u m s wird m a n c h m a l auch die F o r d e r u n g n a c h Nullwachstum e r h o b e n . D u r c h eine allgemeine V e r r i n g e r u n g der g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n N a c h f r a g e soll zugleich die M e n g e u m w e l t b e l a s t e n d e r Aktivitäten reduziert w e r d e n . Das N u l l w a c h s t u m wird mit d e m globalen Erreichen von Sättigungsgrenzen b e g r ü n d e t , w o n a c h d a s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m nicht m e h r n o t w e n d i g ist, a b e r des kapitalistischen Verwertungsprozesses wegen als Selbstzweck n o c h weiter verfolgt wird. Z u einem derartigen stationären Zustand der W i r t s c h a f t ist a n z u m e r k e n , d a ß d e r b l o ß e Verzicht auf W a c h s t u m die gegenwärtigen U m w e l t p r o b l e m e nicht beseitigt. A u c h sind im N u l l w a c h s t u m weder die n o t w e n d i g e n noch die h i n r e i c h e n d e n Bedingungen f ü r die E r h a l t u n g der U m w e l t u n d der n a t ü r l i c h e n Ressourcen ( B o d e n , R o h s t o f f e ) angelegt. Nicht ü b e r s e h e n werden soll a u c h , d a ß u m w e l t s c h ü t z e n d e E f f e k t e mit t e c h n o logischen I n n o v a t i o n e n v e r k n ü p f t sind, die zu ihrer Verbreitung einer gewissen Investitionstätigkeit b e d ü r f e n 1 4 1 . Wie wiederholt festgestellt, tritt in d e r u m w e l t p o l i t i s c h e n Fragestellung der Allokations- u n d W a c h s t u m s p o l i t i k die ökologische Dimension in den V o r d e r grund. Diese bezieht sich nicht n u r auf U m w e l t b e l a s t u n g e n , s o n d e r n auch a u f d e n A b b a u wieder e r n e u e r b a r e r , i n s b e s o n d e r e a b e r n i c h t - r e p r o d u z i e r b a r e r Ressourcen 1 4 2 . Folglich setzen politische M a ß n a h m e n , die ökologische Zielsetzungen berücksichtigen, u . a . auch vollständige K e n n t n i s ü b e r v o r h a n d e n e Lagerstätten' 4 3 , aber auch d e n technischen Fortschritt v o r a u s , der n e u e Ressourcen v e r f ü g b a r macht. D a n e b e n ist a u c h eine zeitliche Dimension zu berücksichtigen. Schließlich gibt j a die jetzige G e n e r a t i o n u n e r w ü n s c h t e G ü t e r a n die Z u k u n f t weiter. So k ö n n e n etwa b e s t i m m t e S c h a d s t o f f e (ζ. B. D D T in d e r N a h r u n g s k e t t e o d e r Freon in d e r Ozonschicht), die sich in d e r Zeit a k k u m u l i e r e n , die U m w e l t q u a l i t ä t in d e r Zuk u n f t b e e i n t r ä c h t i g e n , i n d e m sie die R e g e n e r a t i o n s f ä h i g k e i t der n a t ü r l i c h e n U m weltsysteme beeinflussen. Die z u k ü n f t i g e G e n e r a t i o n erbt also einen S c h a d s t o f f pool 1 4 4 . Es w e r d e n a b e r a u c h die heutigen Emissions-' 4 5 u n d E n t s o r g u n g s t e c h n o logien sowie die emittierenden S e k t o r s t r u k t u r e n weitergegeben. 141
Zur Form des gebundenen technischen Fortschritts vgl. oben S. 139. '4- Beispiele dafür sind mineralische Rohstoffe, wie Metalle und fossile Brennstoffe. Damit ist auch das Energieproblem mit der Umweltpolitik verknüpft. Die „Unwiederbringlichkeit" von Ressourcen ist dabei nicht absolut zu fassen: sie muß auf historische Zeitmaße und individuelle sowie gesellschaftliche Bedürfnisse bezogen werden. ' 4) Zur Erschöpfbarkeit der Bestände an natürlichen Ressourcen vgl. etwa Global ( 1981). 144 H. Sieberl (1978, S. 50ff.). 145 Für die Diskussion umweltpolitischer Maßnahmen zentral sind die beiden folgenden Begriffe: Emissionen bezeichnen den Ausstoß von Schadstoffen an der Quelle der Umweltbelastung (Abgabe, Abwasser). Immissionen erfassen die eingetretene Belastung der Umwelt durch Schadstoffe (Staubniederschlag und „saurer" Regen, Gewässerverschmutzung).
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Umweltpolitische M a ß n a h m e n werden aus konservativer Sichtweise als dem beschäftigungspolitischen Ziel abträglich betrachtet: Umweltschutz bedeutet erhöhte A u f w e n d u n g e n , die die Gewinne der Unternehmen und folglich die Investitionsanreize senken. Produktionseinstellungen, Standortverlagerungen ins Ausland u n d verringerte internationale Konkurrenzfähigkeit führen zu zurückgehendem W a c h s t u m und damit zu Arbeitslosigkeit. Diesen Belastungsmomenten stehen allerdings in einer kreislauftheoretischen Betrachtung - diese ist f ü r die Analyse ö k o n o m i s c h e r Z u s a m m e n h ä n g e selbstverständlich - Erträge in Form positiver Einkommens- u n d Beschäftigungseffekte gegenüber. So sind f ü r U m w e l t s c h u t z m a ß n a h m e n Investitionen nötig u n d werden im expandierenden Sektor der Entsorgungsindustrien Güter u n d Dienstleistungen mit Arbeitskraftu n d Investitionsbedarf""' geschaffen. Zusätzliche Beschäftigungsimpulse gehen zudem von den Vorleistungsverflechtungen durch die Nachfrage der Umweltschutzindustrien aus. Die hier erzielten E i n k o m m e n schaffen über Multiplikator-Akzelerator-Prozesse weitere Arbeitsplätze. Durch empirische Studien für die Bundesrepublik kann belegt werden, d a ß der Umweltschutz das Arbeitsmarktproblem zumindest nicht verschärft hat. Strukturpolitischer Interventionsbedarf entsteht dort, wo die Umweltschutzkosten sektoral und regional zu gehäuften Anpassungsproblemen führen, da die Umweltstandards die einzelnen Sektoren in unterschiedlicher Weise treffen. Aus den dargestellten Dimensionen ergeben sich die Begründungen einer staatlich betriebenen Umweltpolitik: allokatives Marktversagen a u f g r u n d externer Effekte, m a n g e l n d e Voraussicht der Wirtschaftssubjekte, intergenerative und damit intertemporale Problematik. Ziel der Umweltpolitik ist, durch eine Begrenzung der Umweltbelastung auf ein erträgliches A u s m a ß die gesellschaftliche Wohlfahrt insgesamt zu steigern. Dabei soll durch geeignete M a ß n a h m e n auch sichergestellt werden, d a ß irreversible Prozesse das ökologische Gleichgewicht nicht bedrohen 1 4 7 . Interventionen zur Durchsetzung umweltpolitischer Ziele werden prinzipiell k a u m mehr bestritten. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, mit welchen Instrumenten sie zu verwirklichen sind. 4.4.2 Umweltpolitisches Instrumentarium Die umweltpolitischen Eingriffsmöglichkeiten beziehen sich überwiegend auf Umweltbelastungen, die im Produktionssektor entstehen. Es werden aber auch negative Konsumexternalitäten - etwa Autoabgase u n d Hausbrandemissionen angesprochen. Neben den Wirtschafssubjekten (private Haushalte und Unternehmen) sind auch die K o m m u n e n Verursacher von Umweltbelastungen. Um unter ökologischen Gesichtspunkten notwendige Investitionen vorzunehmen, k ö n n e n sie von Bund und Ländern mit entsprechenden Anreizen oder Sanktionen belegt werden.
146
H o h e r lnvestitions-, aber auch E n e r g i e a u f w a n d ist in d e n Bereichen der R ü c k g e w i n n u n g s t e c h n i k e n (recycling) zu verzeichnen: Kläranlagen, Einrichtungen für Verschrottung, M ü l l a u f b e r e i t u n g u n d -Verbrennung. Weitere wichtige Umweltschutzinvestitionen finden im Bereich der Lärmschutzanlagen und der E m i s s i o n s b e g r e n z u n g e n (etwa Abgasfilter) statt.
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Vgl. hierzu K o m m i s s i o n e n , S. 356).
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Z u r Einteilung des I n s t r u m e n t a r i u m s sind im f o l g e n d e n die jeweiligen E f f e k t e gewählt w o r d e n , die mit den I n t e r v e n t i o n e n erreicht werden sollen. D a b e i ist in der A b f o l g e d e r M a ß n a h m e n eine z u n e h m e n d e Eingriffsintensität feststellbar. Verfügungsrechte an Umweltgütern Diese auf Überlegungen der Theorie der „property rights" N8 zurückgehenden Konzepte kommen der marktwirtschaftlichen Idealvorstellung am nächsten: Es werden private Eigentumsrechte an den bisher „freien" Umweltgütern geschaffen. Die Benutzer dieser Güter zahlen den Eigentümern einen Preis wie für den Gebrauch anderer knapper Güter auch. So könnten etwa den Anliegern eines Sees Eigentumsrechte an diesem zugesprochen werden, aufgrund der sie von Verschmutzern des Wassers Schadenersatz verlangen können' 4 '. Ein anderer theoretischer Vorschlag ist ein Verhandlungsverfahren zwischen den Parteien zur Berücksichtigung negativer externer Effekte. Coase konnte zeigen, daß unter bestimmten Voraussetzungen (Fehlen von Transaktionskosten) eine effiziente Verhandlungslösung unabhängig von der Zuordnung von Eigentumsrechten ist (Coase-Theorem)150. Bei Gültigkeit dieses Theorems hat sich der Staat folglich nur - und dies ist für Markttheoretiker das Verlockende an diesem Theorem - auf die Sicherung der Rechtsordnung zu beschränken. Gegen die Praktikabilität dieses Konzepts spricht die mit der Anzahl der Schädiger und Betroffenen zunehmende Schwierigkeit, aus organisatorischen und technischen Gründen zu Verhandlungen zu kommen 151 . Verhandlungslösungen dürften daher eher im „nachbarschaftlichen" Bereich liegen. Gerade diese Fälle haben aber die Umweltproblematik nicht zu einem gesellschaftlichen Problem werden lassen. Es wird zudem implizit eine Gleichverteilung der Verhandlungsmacht unter den Wirtschaftssubjekten vorausgesetzt. Preisregulierungen Durch sie soll die Ursache der verzerrten Preisrelationen - die fehlende Bewertung der Umweltgüter durch den Markt - kompensiert werden. Das klassische finanzpolitische Instrument hierzu ist die Steuer- und Subventionslösung 152 . Eine gewinnorientierte Unternehmung nimmt Umweltschutzinvestitionen nur dann vor, wenn die Unterlassung mit Sanktionen (bzw. die Durchführung mit Anreizen) verbunden ist, die sich negativ (positiv) auf die Gewinne auswirken. Deshalb versuchen die folgenden Instrumente durch Be- und Entlastungen die Kostenlage der Unternehmen zu beeinflussn: • Emissionssteuern (Strafsteuern oder Abgaben) zielen auf die Belastung bestimmter Faktoreinsätze oder Produktionsverfahren ab und werden als Grenzwerte pro Einheit Schadstoff erhoben. Ein Beispiel wäre das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) von 1976, wonach alle Einleiter schädlicher Abwässer in Gewässer mit Abgaben pro Jahr und Giftigkeit der Schadeinheit belegt werden. • Subventionen für die Vermeidung von Emissionen. Gefördert werden investive Aufwendungen für umweltfreundliche Produktionstechnologien. Hierfür stellen Bund und Länder entsprechende Mittel bereit. Allerdings widerspricht die Subventionspolitik dem Verursacherprinzip, das die Internalisierung der Umweltkosten verlangt. Preisregulierenden M a ß n a h m e n ist d a s Verursacherprinzip als d e r marktwirtschaftlichen O r d n u n g a d ä q u a t e Strategie z u g r u n d e gelegt. D a n a c h soll d e r Emit-
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Vgl. hierzu Kapitel 1, oben S. 16 f. ' Vgl. auch Kommission (1977, S. 355 f.). 150 Vgl. dazu auch Kapitel 1, oben S. 17. 151 Die Transaktionskosten (Informationsbeschaffung, organisatorischer Aufwand für Verhandlungen) können so umfangreich werden, daß private Verhandlungen unmöglich werden. 152 Die Anwendung des Steuer-Subventions-Mechanismus zur Internalisierung externer Effekte geht auf A. C. Pigou (I960) zurück. ,4
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Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
tent mit den durch ihn entstehenden Umweltschäden rückbelastet werden. Damit geht die Benutzung von Umweltgütern als Kostenfaktor in die einzelwirtschaftlichen Bewertungsprozesse ein. Folglich verteuern sich Produktionsverfahren oder Produkte, was die gewünschten Substitutionsprozesse u n d die Entwicklung umweltverträglicher Güter und Verfahren induziert. Die ökologisch entscheidende Frage dabei ist, ob die Preissteuerung f ü r die Erhaltung der Umweltgüter und die Vermeidung von Irreversibilitäten vieler Umweltprozesse ausreicht. Dagegen sprechen die Schwierigkeiten einer exakten Ermittlung der Umweltkosten und deren Zurechnung auf die Verursacher. Auch wird die Höhe und Verwendung der Abgaben nach politischen Maßstäben bestimmt. Die W a h r u n g ökologischer Zielsetzungen d ü r f t e insgesamt gesehen unsicher sein. Das Instrumentarium ist daher durch direkt wirkende administrative M a ß n a h men zu ergänzen, die niveau- und emissionsorientierte Grenzen f ü r Umweltbelastungen ziehen. Mengenregulierungen Die Festsetzung bestimmter quantitativer Normen und Standards bei der Emission von Umweltbelastungen geht in Ge- und Verbote sowie Genehmigungsverfahren ein. Ihre Grundlage sind allgemeine Gesetze und Verwaltungsvorschriften. Diese direkten Eingriffe verhindern unternehmerische Entscheidungen oder schreiben solche vor. Sie reduzieren folglich unmittelbar den unternehmerischen Entscheidungsspielraum. Mit diesen Ansätzen wird vor allem im Bereich des Immissionsschutzes gearbeitet. So hat die Bundesregierung im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) von 1974 geplante Neuinvestitionen für Anlagen, die in besonderem Maße geeignet sind, emittierend zu sein, anmeldungs- und genehmigungspflichtig gemacht. Damit soll auch die Standortwahl bei Industrieansiedlungen mit der regionalen Konzentration umweltbelastender Industrien abgestimmt werden. Zugleich ist deren Betrieb durch Rechtsverordnungen eingeengt worden: in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) sind Emissionsgrenzwerte der Luftverschmutzung festgelegt, in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) maximal zulässige Geräuschwerte.
Abgaben, aber auch Auflagen, Ge- und Verbote orientieren sich mehr oder minder am Verursacherprinzip: die Umweltbelastung pro Produktions- u n d / oder Konsumaktivität soll durch Verminderung der Emission vor dem Entstehen oder durch Entsorgung nach diesem vermindert werden (passiver Umweltschutz). Dagegen will die aktive Umweltpolitik durch eine gezielte Beeinflussung der Struktur der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage u n d des wirtschaftlichen Wachstums umweltfreundliche Aktivitäten 1 5 ' bewirken. Für diesen strukturellen Wandel besitzen Innovationen einen strategischen Stellenwert. Strukturinnovierende Technologiepolitik soll die Hinwendung zu einer weniger umweltbelastenden Produktionsstruktur u n d zu umweltschonenden sowie rohstoff- u n d energiesparenden Produktionsverfahren fördern. Anstöße hierzu können auch durch umweltpolitische A n f o r d e r u n g e n kommen, die zu Produkt- und Prozeßinnovationen zwingen 154 . Aktive Umweltpolitik erfordert ein Gesamtkonzept, das die einzelnen ökologisch intervenierenden M a ß n a h m e n integriert. Zudem will sie nicht Umweltschonende Verkehrssysteme wären etwa ein Beispiel derartiger Bedingungen der Umweltqualität. 154
Zur Bedeutung des umweltfreundlichen technischen Fortschritts vgl. D. Cansier( 1978).
Kap. 4: Wachstums- und Strukturpolitik
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m e h r n u r a u f d e m V e r u r s a c h e r p r i n z i p , s o n d e r n v i e l m e h r a u f d e m Vorsorgeprinzip a u f b a u e n . D a d u r c h s o l l e n U m w e l t b e l a s t u n g e n erst g a r n i c h t e n t s t e h e n . U m w e l t p o l i t i k besitzt - a u c h in d e r p a s s i v e n F o r m - a l l e K e n n z e i c h e n v o n I n vestitionslenkung155: Planmäßigkeit u n d Zukunftsorientierung. Gesteuert wird teils m i t R a h m e n v o r g a b e n ( L u f t r e i n h a l t e p l ä n e ) , t e i l w e i s e a b e r a u c h m i t v e r b i n d lichen Festlegungen (Abwasser- u n d Abfallbeseitigungspläne). Die dabei eingesetzten Instrumente wirken indirekt (Steuern, S u b v e n t i o n e n ) u n d direkt (Auflagen, G e n e h m i g u n g e n ) auf die Investitionsentscheidungen ein. Dabei wird die ö k o l o g i s c h e Effizienz 1 5 " d i r e k t e r M a ß n a h m e n h ö h e r v e r a n s c h l a g t a l s p r e i s r e g u lierender. Dem potentiellen Emittenten bleibt nur die Möglichkeit, e n t w e d e r auf d i e s c h ä d i g e n d e n A k t i v i t ä t e n zu v e r z i c h t e n o d e r d i e V o r s c h r i f t e n i n h a l t l i c h a u s zufüllen. Damit werden Produktinnovationen und Produktionstechnologien n a c h Art u n d H ö h e d e r I n v e s t i t i o n b e e i n f l u ß t . A l l e r d i n g s ist d i e W i r k s a m k e i t von hinreichenden Kontrollen157 und der Höhe der jeweiligen Sanktionen abhängig. Indirekte Eingriffe beeinflussen dagegen den unternehmerischen Entscheidungsraum durch Anreize und Sanktionen. Die Schwierigkeit des Vollzugs liegt h i e r d a r i n , d i e M ö g l i c h k e i t e i n e r U m g e h u n g d e r b e a b s i c h t i g t e n W i r k u n g e n einzuschränken. D i e U m w e l t p o l i t i k e r g ä n z t d e n K a t a l o g ö k o n o m i s c h e r I n t e r v e n t i o n e n in d e r S p h ä r e „ p r o d u z i e r t e r " G ü t e r d u r c h s t e u e r n d e E i n g r i f f e im B e r e i c h d e r „ n a t ü r l i c h e n " G ü t e r . D a b e i ist d i e U m w e l t p o l i t i k e i n e t y p i s c h e Querschnittsaufgabe, d i e die Bereiche der regionalen u n d sektoralen Strukturpolitik, aber auch der Innov a t i o n s - u n d T e c h n o l o g i e p o l i t i k b e r ü h r t 1 5 8 . D u r c h sie w i r d d a s „ a n g e m e s s e n e " Wirtschaftswachstum konkretisiert, indem die gesellschaftliche Akzeptanz ökonomischer Expansion geprüft wird.
5. Zusammenhang zwischen Stabilisierungs-, Wachstumsund Strukturpolitik Die Stabilisierungspolitik versucht - kurzfristig orientiert - Gleichheit von effektiver gesamtwirtschaftlicher N a c h f r a g e u n d P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l anzusteuern. Im Mittelpunkt steht dabei v.a. die Beeinflussung d e r Investitionsgüternachfrage u n d die Variation der Staatsausgaben. D a m i t b e e i n f l u ß t sie a b e r a u c h m i t t e l - b i s l a n g f r i s t i g d i e s e k t o r a l e P r o d u k tionsstruktur u n d sollte folglich bereits kurzfristig a u f die schon b e s t e h e n d e Rücksicht nehmen. Z u d e m werden konjunkturelle Aufschwünge vielfach durch I n v e s t i t i o n e n e i n g e l e i t e t , d i e in s o g e n a n n t e n W a c h s t u m s b r a n c h e n v o r g e n o m m e n werden. Dabei k o m m t das Instrumentarium der Geld- u n d Kreditpolitik für eine D i f f e r e n z i e r u n g in r e g i o n a l e r u n d s e k t o r a l e r H i n s i c h t w e n i g e r in F r a g e als fi-
155 156
Vgl. hierzu R. Steininger-Fetzer (1981, S. 156 f.). Diese ist dann gegeben, wenn bestimmte Maßnahmen tatsächlich zur Erfüllung der ökologischen Zielsetzungen beitragen.
157
Damit steigt - effizienzmindernd - der Verwaltungsaufwand bei Bürokratie und Betroffenen.
158
Vgl. hierzu Kommission
(1977, S. 346).
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Kap. 4 : Wachstums- u n d Strukturpolitik
nanzpolitische Instrumente (etwa Abschreibungsmodalitäten, Investitionszuschüsse u n d Infrastrukturinvestitionen). In diese Z u s a m m e n h ä n g e eingebettet ist die Wachstums- und strukturpolitische Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung. Angebots- u n d nachfrageorientierte Politik sollten zusammen eine langfristig gleichgewichtige Entwicklung fördern. Festzustellen ist allerdings, d a ß es bisher nicht gelungen ist, eine befriedigende V e r k n ü p f u n g von kurzfristiger (nachfrageschaffender) und langfristiger (produktivitätsschaffender) Wirtschaftspolitik herzustellen 1 5 '. So führt langanhaltende Arbeitslosigkeit zu einer Minderung der möglichen Wachstumsrate u n d d a u e r h a f t e r Preisniveauanstieg zu Fehlallokation von Produktionsfaktoren. Eine die Niveau- und Struktureffekte wirtschaftlicher Entwicklung berücksichtigende Wirtschaftspolitik existiert bislang nicht.
Gelingt diese K o p p l u n g nicht, besteht auch die G e f a h r - wie in den meisten Industriesektoren seit den 70er Jahren zu beobachten ist - , d a ß ein Produktionsanstieg mit einem gleichzeitigen Beschäftigungsrückgang einhergeht (Form des sogenannten jobless growth of output).
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Kapitel 5 Verteilungspolitik
1. Problemstellung Die in der Bundesrepublik und anderen entwickelten Industrieländern gegebene Einkommens- u n d Vermögensverteilung ist ungleichmäßig. Dies ist eine - trotz aller bestehenden Informationslücken - unbestreitbare und im übrigen auch recht augenfällige Tatsache. Ob man diese Ungleichverteilung mit den Attributen „gerecht" oder „ u n g e r e c h t " versehen will, ist unzweifelhaft eine Frage moralischen, ethischen oder politischen Werturteils. Ungleichheit muß nicht notwendigerweise mit Ungerechtigkeit gleichgesetzt werden. In der Bundesrepublik scheint die Auffassung vorzuherrschen, daß die aus dem M a r k t p r o z e ß sich ergebende Einkommensverteilung und insbesondere die Vermögensverteilung ein zu hohes M a ß an Ungleichheit aufweist u n d daher korrekturbedürftig ist. Weniger Ungleichheit wird als hochrangiges gesellschaftliches Ziel anerkannt. Aber auch nur insoweit scheint Einigkeit zu herrschen; kontrovers bleibt die Frage, in welchem Umfang die Verteilungsunterschiede eingeebnet werden sollten u n d welcher Mittel man sich dabei zu bedienen hätte. Nach einer konkreten, materiellen Verteilungszielsetzung wird man in der Bundesrepublik mühsam suchen müssen; die von Regierungen, Parteien, Verb ä n d e n sowie von anderen sozialen Institutionen deklarierten Verteilungsziele bleiben regelmäßig äußerst vage. Das ist gewiß ein gravierender Nachteil, da dadurch die Beurteilung verteilungspolitischer Absichten ebenso erschwert wird wie eine Erfolgskontrolle verteilungspolitischer M a ß n a h m e n . Andererseits scheint die Unscharfe verteilungspolitischer Ziele die Konsensfindung zu erleichtern, fällt doch vielen Gesellschaftsmitgliedern die Zustimmung zu Verteilungszielen leichter, solange sie keine genauen Informationen darüber besitzen, wie ihre eigene Position am Ende aussehen soll 1 . Gleichwohl ist eine Konkretisierung von Verteilungszielen oder doch eine Aussage darüber, in welcher Richtung eine Umverteilung der Einkommen u n d Vermögen erfolgen soll, erforderlich, will man die Frage geeigneter Mittel diskutieren. Schließlich ist zu bedenken, d a ß verteilungspolitische Ziele Elemente eines umfassenden Zielkatalogs sind, und es k a n n nicht ausgeschlossen werden, d a ß verteilungspolitische Absichten mit a n d e r e n wirtschaftspolitischen Zielgrößen in Konflikt geraten. Treten derartige Zielantinomien auf, so sind Kompromisse un1
In d i e gleiche Richtung deutet die Überlegung, d a ß in demokratisch verfaßten Staaten westlicher Prägung die nach Stimmenmehrheiten strebenden Parteien um die G u n s t sehr breiter Wählerschichten und großer organisierter Interessengruppen werben m ü s s e n , w a s eine gewisse U n s c h a r f e und Unverbindlichkeit verteilungspolitischer Aussagen ratsam erscheinen läßt. Z u m i n d e s t einige gesellschaftliche Schichten würden es im übrigen nicht begrüßen, w e n n das Verteilungsproblem zu stark in den Mittelpunkt der (ordnungs-)politischen D i s k u s s i o n gerät.
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Kap. 5: Verteilungspolitik
vermeidlich, u n d es k a n n nicht v e r w u n d e r n , d a ß verteilungspolitische Ziele d a n n eine Relativierung e r f a h r e n , wenn d e r E r f ü l l u n g a n d e r e r wirtschaftspolitischer Ziele eine h ö h e r e Dringlichkeit z u g e s p r o c h e n wird. Wir werden in diesem Kapitel folgende Fragen e r ö r t e r n : (1) Wie lassen sich die f ü r eine verteilungspolitische A n a l y s e n o t w e n d i g e n Begriffe a b g r e n z e n ? (2) W e l c h e I n f o r m a t i o n e n besitzen wir, die uns Aussagen ü b e r den S t a n d u n d die E n t w i c k l u n g der E i n k o m m e n s - u n d V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g in der Bundesrepublik e r l a u b e n ? (3) Inwieweit lassen sich verteilungspolitische Zielsetzungen k o n k r e t i s i e r e n ? (4) Welches sind die grundsätzlichen A n s a t z p u n k t e der Verteilungspolitik? (5) H a t die g e w e r k s c h a f t l i c h e Lohnpolitik E i n f l u ß auf die E i n k o m m e n s v e r t e i lung? (6) W e l c h e Verteilungswirkungen gehen g r u n d s ä t z l i c h von der Staatstätigkeit aus? (7) Welche redistributiven W i r k u n g e n hat d i e staatliche T r a n s f e r p o l i t i k ? (8) Ist die E i n k o m m e n s t e u e r ein wirksames Mittel der E i n k o m m e n s u m v e r t e i lung? (9) Wie sind die g r u n d l e g e n d e n Vorschläge zur V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g zu beurteilen?
2. Grundlegende Begriffe und Kategorien der Einkommensund Vermögensverteilung 2.1 Einkommensverteilung Im volkswirtschaftlichen P r o d u k t i o n s p r o z e ß w e r d e n P r o d u k t i o n s f a k t o r e n (Arbeit, K a p i t a l , B o d e n ) m i t e i n a n d e r k o m b i n i e r t , u m G ü t e r u n d Dienstleistungen zu erzeugen. Die Preise der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n , die sich auf M ä r k t e n f ü r Prod u k t i o n s f a k t o r e n (kurz: F a k t o r m ä r k t e ) b i l d e n , b e s t i m m e n z u s a m m e n mit d e n E i n s a t z m e n g e n d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n d e r e n E i n k o m m e n : Löhne, G e h ä l t e r , Z i n s e n , M i e t e n , Pachten sowie Gewinne 2 . D a sich die P r o d u k t i o n s f a k t o r e n im Besitz von Personen bzw. P e r s o n e n g r u p p e n b e f i n d e n , ist a u c h d a s G e s a m t e i n k o m m e n a u f diese verteilt 3 . Für die Verteilung des volkswirtschaftlichen Ein- Als G e w i n n sei hier j e n e Restgröße bezeichnet, die sich nach A b z u g des Unternehmerlohns (d.h. der E n t l o h n u n g für unternehmerische Arbeitsleistung) s o w i e der Verzinsung des im U n t e r n e h m e n eingesetzten Kapitals v o m E i n k o m m e n aus Unternehmertätigkeit ergibt. In einem weiteren S i n n e könnten auch alle N i c h t - L o h n - E i n k o m m e n als „ G e w i n n " bezeichnet werden. Schwierigkeiten der Z u r e c h n u n g ergeben sich allerdings aus der Tatsache, d a ß s o w o h l U n t e r n e h m e n mit eigener Rechtspersönlichkeit als auch der Staat E i n k o m m e n erzielen. Bei ersteren wäre eine personelle Zurechnung der nicht verteilten E i n k o m m e n auf die Eigentümer grundsätzlich möglich (wenn auch praktisch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden). Bei den E i n k o m m e n des Staates aus Unternehmertätigkeit und V e r m ö g e n erscheint e i n e Z u r e c h n u n g prinzipiell problematisch; man k ö n n t e allenfalls argumentieren, d a ß d i e S t a a t s e i n k o m m e n der Bereitstellung v o n Leistungen dienen, d i e letztlich den Individuen zugute k o m m e n .
Kap. 5: Verteilungspolitik
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k o m m e n s läßt sich a u s dieser v e r e i n f a c h t e n Ü b e r l e g u n g e i n e wichtige begriffliche Unterscheidung herleiten: (1) Die Verteilung des E i n k o m m e n s a u f d i e P r o d u k t i o n s f a k t o r e n n a c h d e r e n „ F u n k t i o n " im P r o d u k t i o n s p r o z e ß ; diese wird ü b l i c h e r w e i s e als funktionelle Verteilung bezeichnet. (2) Die Verteilung d e r E i n k o m m e n auf P e r s o n e n bzw. P e r s o n e n g r u p p e n u n a b h ä n g i g d a v o n , welche F u n k t i o n e n sie im P r o d u k t i o n s p r o z e ß a u s ü b e n bzw. a u s welchen „ Q u e l l e n " ihre E i n k o m m e n f l i e ß e n ; dies bezeichnet m a n als personelle Verteilung. Dabei erweist es sich als z w e c k m ä ß i g , nicht E i n z e l p e r s o n e n zu b e t r a c h t e n , s o n d e r n H a u s halte. Diese stellen d i e r e l e v a n t e n ö k o n o m i s c h e n Einheiten d a r , in d e n e n E n t s c h e i d u n g e n ü b e r E i n k o m m e n s e r z i e l u n g u n d - V e r w e n d u n g g e t r o f f e n w e r d e n . H a u s h a l t e lassen sich nach b e s t i m m t e n M e r k m a l e n g r u p p i e r e n , z.B. • nach d e r H ö h e des H a u s h a l t s e i n k o m m e n s ( m a n bildet E i n k o m m e n s g r ö ß e n k l a s s e n u n d o r d n e t diesen H a u s h a l t e z u ) ; • nach der sozialen Stellung des H a u s h a l t s v o r s t a n d e s ( A r b e i t e r , Angestellter, Selbständiger, R e n t n e r ) 4 ; • nach d e r G r ö ß e d e s H a u s h a l t s ( d e r Z a h l d e r H a u s h a l t s m i t g l i e d e r ) ; • n a c h d e r Altersstruktur des H a u s h a l t s . Die Unterscheidung zwischen funktioneller und personeller Verteilung wäre recht überflüssig, w e n n m a n d a v o n ausgehen könnte, d a ß die Haushalte jeweils a u s e i n e r „ Q u e l l e " E i n k o m m e n b e z i e h e n . D i e s ist j e d o c h r e g e l m ä ß i g n i c h t d e r Fall (sog. „ Q u e r v e r t e i l u n g " ) . Will m a n die Verteilung beurteilen, so w i r d m a n d e n Z e i t a s p e k t berücksichtig e n m ü s s e n . W i r h a b e n u n s a n g e w ö h n t , k u r z e P e r i o d e n ( ζ . B. e i n z e l n e J a h r e ) z u b e r ü c k s i c h t i g e n . D a s ist n i c h t i m m e r a n g e m e s s e n . N e h m e n wir zwei H a u s h a l t e A und B. D a s E i n k o m m e n von A m ö g e sich im Z e i t a b l a u f sehr stetig e n t w i c k e l n , j e n e s v o n Β s t a r k e p e r i o d i s c h e (etwa j ä h r l i c h e ) S c h w a n k u n g e n a u f weisen, j e d o c h im langfristigen D u r c h s c h n i t t d e m E i n k o m m e n des H a u s h a l t s A entsprechen. Betrachten wir k u r z e P e r i o d e n , so w e r d e n u n s d i e E i n k o m m e n s p o s i t i o n e n der beiden H a u s h a l t e z u e i n a n d e r e i n m a l recht gleich, ein a n d e r e s Mal recht ungleich e r s c h e i n e n ; d i e relativen Positionen (i. S. v. „ ä r m e r " o d e r „ r e i c h e r " ) m ö g e n s o g a r v o n J a h r zu J a h r wechseln. Ein u n v e r z e r r t e r e s Bild vermittelt d a h e r d i e B e t r a c h t u n g v o n „ L e b e n s e i n k o m m e n " und deren Verteilung. Insbesondere für sozialpolitische Erwägungen hat d i e s e r i n t e r t e m p o r a l e D i s t r i b u t i o n s a s p e k t w e s e n t l i c h e B e d e u t u n g ; e s sei n u r a n d i e E n t w i c k l u n g d e r E i n k o m m e n b e i m Ü b e r g a n g v o n d e r E r w e r b s p h a s e in d i e Altersphase erinnert. In e i n e m e n g e n Z u s a m m e n h a n g d a m i t s t e h t d i e F r a g e d e r V e r t e i l u n g z w i s c h e n „ G e n e r a t i o n e n " (intergenerationale Verteilung); e t w a d i e V e r t e i l u n g z w i s c h e n den Erwerbstätigen und den nicht m e h r Erwerbstätigen. Wir werden auf diese beiden Aspekte im Z u s a m m e n h a n g mit der sozialen Alterssicherung n o c h einm a l z u r ü c k k o m m e n 5 . B e r e i t s a n a n d e r e r Stelle h a b e n w i r a u f d i e P r o b l e m e inter-
4
Diese U n t e r s c h e i d u n g erscheint m a n c h e n recht atavistisch. M a n m a g in d e r Tat d a r ü b e r streiten, o b m a n d i e o b e n g e n a n n t e n K a t e g o r i e n f ü r d i e K e n n z e i c h n u n g sozialer Schicht u n g e n ü b e r h a u p t n o c h v e r w e n d e n sollte, z u m a l die G r u p p e n in sich sehr h e t e r o g e n sind (die Statistiker t u n es n a c h wie vor). In d e r G r u p p e d e r R e n t n e r h a u s h a l t e ζ. B. w e r d e n nicht n u r S o z i a l r e n t n e r (was dem Regelfall entspricht), s o n d e r n a u c h „ R e n t i e r s " (also H a u s h a l t e , die ausschließlich o d e r ü b e r w i e g e n d von V e r m ö g e n s e r t r ä g e n leben) e r f a ß t .
5
Vgl. u n t e n S. 199 ff.
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Kap. 5: Verteilungspolitik
sektoraler und interregionaler Verteilungsunterschiede aufmerksam gemacht 6 . Schließlich stellt die internationale Verteilung (insbesondere zwischen entwickelten und nicht-entwickelten Volkswirtschaften) ein zentrales ökonomisches u n d politisches Problem globalen Ausmaßes dar. Die Verteilung, so wie sie sich aus dem Marktprozeß ergibt (die sogenannte primäre Verteilung), ist gleichsam nur eine vorläufige, d e n n sie wird durch vielfältige Aktivitäten des Staates verändert. Die E i n k o m m e n werden durch Erhebung von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen etc. vermindert, aber auch durch Einkommensübertragungen (Renten, Sozialhilfe, Arbeitslosenunterstützung, Kindergeld, Mietbeihilfen, Subventionen usw.) erhöht. Diese sich nach der staatlichen Umverteilung ergebende Einkommensverteilung nennen wir üblicherweise sekundäre Verteilung. Auf den ersten Blick mag diese Unterscheidung recht einleuchtend erscheinen, bei genauerem Hinsehen erweist sie sich als problematisch. Es ist ganz unwahrscheinlich, d a ß Individuen die Auferlegung von Steuern (und anderen Abgaben) sowie die Z u f ü h r u n g von Transfereinkommen reaktionslos hinnehmen, vielmehr ist a n z u n e h m e n , d a ß sie sich in ihren ökonomischen Verhaltensweisen anpassen. Vielfältige Mengen- und Preisreaktionen sind denkbar. Um nur wenige zu n e n n e n : Unternehmen versuchen, Steuern u n d Sozialversicherungsbeiträge über Preiserhöhungen abzuwälzen, Arbeitnehmer m ö g e n entsprechendes in Lohnverh a n d l u n g e n probieren. A n g e b o t v o n und N a c h f r a g e nach Gütern und Faktorleistungen werden sich verändern, und diese Änderungen pflanzen sich über volkswirtschaftliche K r e i s l a u f z u s a m m e n h ä n g e fort.
Dies kann nicht o h n e Rückwirkungen auf die „ M a r k t v e r t e i l u n g " (sogenannte Primärverteilung) bleiben. Realistisch betrachtet, ist die Primärverteilung der Periode t mehr oder weniger stark beeinflußt durch die staatliche Aktivität der Periode t - l , und entsprechend bestimmt die sogenannte Sekundärverteilung der Periode t die Primärverteilung der Periode t-l-1 mit usf. Dieser Umstand wirft o f f e n b a r schwerwiegende m e t h o d i s c h e Probleme für eine A n a l y s e der staatlichen (Um-)Verteilungspolitik auf. Der häufig a n g e w e n d e t e Kunstgriff, sich gedanklich zunächst eine Ö k o n o m i e „ o h n e Staat" vorzustellen und d a n n den Staat „ e i n z u führen", um die durch ihn bewirkten Verteilungsänderungen zu erfassen, erscheint w e g e n des unauflöslichen Z u s a m m e n h a n g s zwischen Markt u n d Staat gänzlich fiktiv. Ein akzeptabler Weg besteht darin, den Staat als integralen Bestandteil einer Volkswirtschaft in die A n a l y s e einzubeziehen u n d d i e wechselseitigen A n p a s s u n g s v o r g ä n g e bis zu ihrem „ E n d e " zu verfolgen. Leider ist d i e s e anspruchsvolle V o r g e h e n s w e i s e für theoretische u n d n o c h viel weniger lur empirische Untersuchungen bislang nicht möglich. Daher operiert man mit rigorosen Verkürzungen, d.h., man berücksichtigt A n p a s s u n g s v o r g ä n g e überhaupt nicht oder bricht sie willkürlich an einer bestimmten Stelle ab.
Wir haben bisher den Begriff Einkommen nicht definiert. Im täglichen Sprachgebrauch wird E i n k o m m e n im Sinne eines periodischen „ G e l d s t r o m s " verstanden. Das ist gewiß nicht unzutreffend, aber f ü r Verteilungsanalysen unzureichend, denn neben monetären Größen haben nicht-monetäre („reale") Elemente für die individuellen Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung eine nicht unwesentliche Bedeutung. Das ist sofort einsichtig, wenn man bedenkt, d a ß neben Geldzahlungen n a t u r a l e Formen der Entlohnung existieren (Beispiele: kostenloses Kantinenessen f ü r Arbeitnehmer, Nutzung von betrieblichen Kindergärten, Erholungsheimen und sonstigen Sozialeinrichtungen, Deputatkohle für " Vgl. Kapitel 4.
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Bergleute etc.). Ferner wären auch die in den privaten Haushalten selbst hergestellten Güter und Leistungen dem E i n k o m m e n zuzurechnen. Bei weiter Fassung des Einkommensbegriffs würden auch die Nutzungen langlebiger Konsumgüter (Beispiele: das selbstbewohnte Eigenheim, das private A u t o etc.) als Einkommen zu erfassen sein. Von außerordentlicher Bedeutung für die individuelle Bedürfnisbefriedigung ist schließlich die I n a n s p r u c h n a h m e öffentlicher Leistungen. In einigen der genannten Fälle stehen einer Umrechnung nicht-monetärer Einkommenselemente in monetäre Größen keine prinzipiellen Schwierigkeiten entgegen. Grundsätzliche Probleme ergeben sich vor allem bei den öffentlichen Leistungen, denn einerseits existieren f ü r diese in aller Regel keine marktmäßigen Bewertungen (keine Marktpreise) u n d andererseits ist die individuelle Inans p r u c h n a h m e derartiger Leistungen keineswegs einfach zu ermitteln 7 . In Statistiken der funktionellen Einkommensverteilung wird das E i n k o m m e n unterteilt in Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit u n d Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. In den Arbeitnehmereinkommen werden bestimmte Zahlungen und Leistungen der Unternehmen an die Arbeitnehmer nicht deren Einkommen zugerechnet; die von den Arbeitgebern zu entrichtenden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung werden jedoch den Arbeitnehmereinkommen zugeschlagen 8 . In Statistiken der personellen Einkommensverteilung steht regelmäßig nicht das „ M a r k t e i n k o m m e n " , sondern das verfügbare Einkommen (Nettoeinkommen) der Haushalte im Vordergrund. Dieses ist definiert als Bruttoeinkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen abzüglich der sogenannten direkten Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich der vom Staat e m p f a n g e n e n Transfereinkommen. Will man nicht nominelle, sondern reale (d.h. von Preisänderungen bereinigte) Einkommen ausweisen, ergeben sich nicht unerhebliche Deflationierungsprobleme. Abgesehen von der grundsätzlichen Schwierigkeit, „richtige" Preisindices zu ermitteln, erscheint es keineswegs unproblematisch, die Einkommen aller Haushalte mit einem einheitlichen Preisindex zu deflationieren. Die Struktur der Konsumausgaben hängt nicht zuletzt vom Einkommensniveau ab, u n d daher können sich Änderungen der relativen Preise recht unterschiedlich auf die verfügbaren Einkommen der einzelnen Haushaltsschichten auswirken'. 2.2 Vermögen: Abgrenzungs- und Bewertungsprobleme Die begriffliche Abgrenzung des Vermögens ist eher noch schwieriger als die des Einkommens. Es existiert keine einheitliche und für alle Untersuchungszwecke brauchbare Definition des Vermögens. Nach gängigen Vorstellungen würde man zum Vermögen alle Güter u n d Forderungen rechnen, die monetäre Erträge abwerfen (wie Bankguthaben, Wertpapiere, Eigentum an U n t e r n e h m e n , Haus- und Grundbesitz). Dieser Vermögensbegriff erscheint zu eng, denn auch Gegenstände im Gebrauch der privaten Haushalte, öffentliche Einrichtungen, die von Privaten genutzt werden, sowie durch Ausbildung erworbene Fähigkeiten, möglicherweise eine robuste G e s u n d heit stellen Vermögen im weitesten Sinne dar. 7
Wir kommen auf diese Probleme später noch einmal zurück; vgl. unten S. 195.
" Zu Einzelheiten der statistischen Einkommensrechnung vgl. F. Haslinger sondere S. 148 f.). * Vgl. dazu ebenfalls F. Haslinger (1978).
(1978, insbe-
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D i e n a c h f o l g e n d e Übersicht enthält e i n e recht u m f a s s e n d e A u f z ä h l u n g v o n V e r m ö g e n s k a t e g o r i e n "'. Λ. Humanvermögen B. .Sachvermögen I. Konsumtivvermögen 1. privates a) Gebrauchsvermögen b) nicht erwerbswirtschaftlich genutzte Grundstücke u n d G e b ä u d e 2. öffentliches II. Produktivvermögen 1. privates a) Anlagen (Ausrüstungen, Bauten) b) Vorräte c) erwerbswirtschaftlich genutzte Grundstücke und Wohngebäude 2. öffentliches C. Geldvermögen 1. privates 2. öffentliches D a z u einige Erläuterungen: Als Humanvermögen (human capital, Arbeitsvermögen) können wir die ökonomisch verwertbaren, insbesondere durch Ausbildung und Erfahrung erworbenen Fähigkeiten der Menschen bezeichnen. D a ß diese Vermögenskategorie von außerordentlicher Bedeutung ist, m u ß nicht näher begründet werden. Sehr schwierig ist freilich die Erfassung und Bewertung dieses H u m a n v e r m ö g e n s " . In statistischen Verteilungsrechnungen fehlt es regelmäßig. Beim Sachvermögen haben wir zwischen dem Konsumtivvermögeii und Produktivvermögen unterschieden. Ersteres u m f a ß t sowohl das private Konsumtivvermögen (Güter irrt Gebrauch von privaten Haushalten) als auch jenen Teil des staatlichen Vermögens, der konsumtive Nutzungen durch private Haushalte ermöglicht (dazu wären - zumindest teilweise - Schulen, Krankenhäuser, Theater, Museen, Verkehrswege, Verwaltungseinrichtungen etc. zu zählen). Diese Abgrenzung des öffentlichen Vermögens entspricht nicht der statistischen Konvention' 2 , sie erscheint gleichwohl sinnvoll; denn der Staat kann als Institution begriffen werden, deren primärer Zweck darauf gerichtet ist, Leistungen an den privaten
"' Vgl. C.
Folkers(mO).
" Grundsätzlich kann das Humankapital als Gegenwartswert zukünftiger Einkommenserzielungsmöglichkeiten als Ergebnis der Ausbildung, Gesundheitsvorsorge etc. eines Menschen verstanden werden. Eine solche Bewertung würde sich auf ungewisse künftige Ereignisse beziehen; sie wirft im übrigen eine Reihe schwieriger Fragen auf: „ W a s hätte man unter Abschreibungen des menschlichen Vermögens zu verstehen? Sollten sämtliche Ausgaben für ärztliche Behandlungen und Medikamente als Bruttoinvestitionen erfaßt werden oder nur jene, die tatsächlich wirksam und erfolgreich waren? Wie sollte der Wert des menschlichen Kapitals, das der nette Herr Müller von nebenan nach diesem Konzept zweifelsohne verkörpert, bestimmt werden?" F. Haslinger(1978, S. 73). i: Wir wollen hier nicht auf Einzelheiten der Vermögensrechnung eingehen. Festzuhalten ist, daß das öffentliche Sachvermögen n u r zu einem Teil erfaßt wird. Grundsätzlich werden alle militärischen Güter und Einrichtungen, auch wenn sie längerfristig nutzbar sind, als Staatsverbrauch verbucht, sie stellen also kein öffentliches Vermögen dar. Der Bestand an „Sachen im Gemeingebrauch" (insbesondere Verkehrswege) wird nicht bewertet. (Die laufenden Ausgaben für Straßen werden in den Rechnungen der öffentlichen Haushalte zwar als Investitionen ausgewiesen, aber sofort wieder abgeschrieben.)
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Sektor abzugeben. Die T r e n n u n g von konsumtiv und produktiv genutztem öffentlichen Vermögen ist freilich alles a n d e r e als einfach. Als Produktivvermögen wollen wir zunächst alle im privaten Sektor v o r h a n d e n e n G ü t e r betrachten, die Produktionszwecken dienen (bzw. erwerbswirtschaftlich genutzt w e r d e n ) : dazu gehören vor allem Fabrikgebäude, M a s c h i n e n , Vorräte an Rohstoffen, Fertigfabrikaten etc. Diese Vermögensgegenstände stehen nicht zu Unrecht im Mittelpunkt verteilungspolitischer Überlegungen, vermitteln sie doch mehr als nur die Möglichkeit, E i n k o m m e n zu erzielen. Teile des öffentlichen Vermögens werden erwerbswirtschaftlich genutzt (Beispiel: öffentliche Unternehmen), sie gehören unzweifelhaft zum Produktivvermögen. Aber auch Teile des öffentlichen Vermögens, die nicht erwerbswirtschaftlich genutzt werden, stellen direkt oder indirekt produktive Dienste für den privaten Produktionssektor bereit (Beispiel: Verkehrswege, soweit sie f ü r den gewerblichen Güter- und Personentransport genutzt werden). Wie bereits beim öffentlichen Konsumtivvermögen angemerkt, ergeben sich hier erhebliche Abgrenzungsprobleme. Das Geldvermögen (Finanzvermögen) ist als Differenz zwischen Forderungen u n d Verbindlichkeiten definiert. Gängige Beispiele f ü r Forderungen sind Geldanlagen (Bargeldbestände, Bankguthaben, Wertpapiere, A n s p r ü c h e gegen V e r s i c h e r u n g e n " etc.), a b e r auch Kreditforderungen 1 4 .
Rechnet man die Vermögen aller inländischen Wirtschaftseinheiten zusammen, so gelangt man zum Volksvermögen. Dieses u m f a ß t konventionellerweise alle statistisch erfaßten Sachvermögensbestände zuzüglich der Nettoforderungen (bzw. abzüglich der Nettoverbindlichkeiten) gegenüber dem Ausland. Forderungen u n d Verbindlichkeiten der inländischen Wirtschaftseinheiten untereinander heben sich selbstverständlich gegenseitig auf, sie erscheinen daher auch nicht im Volksvermögen. Für Fragen der Vermögensverteilung innerhalb einer Volkswirtschaft ist gleichwohl das gesamte Geldvermögen von wesentlichem Interesse. Neben Erfassungsproblemen ergeben sich beim Vermögen vielfältige Bewertungsprobleme. Grundsätzlich sind verschiedene Bewertungsverfahren a n w e n d b a r : Marktwerte, Nominalwerte, Ertragswerte, Anschaffungswerte, Wiederbeschaffungswerte 1 5 . Für einen Teil der Sachgüter und Forderungen lassen sich Marktwerte (Tageswerte, Verkehrswerte) ermitteln. Dies gilt vor allem für börsengängige Wertpapiere, f ü r die Kurswerte notiert werden. Aber nicht alle Vermögensobjekte werden auf Märkten gehandelt (das gilt f ü r viele gebrauchte Gegenstände, die in privaten Haushalten genutzt werden, u n d vor allem für den ganz überwiegenden Teil des öffentlichen Sachvermögens). Mit Nominalwerten werden vor allem Forderungen bewertet; der jeweilige Nominalwert entspricht dem Geldbetrag, auf den die Forderung lautet. Der Ertragswert ergibt sich als Summe aller diskontierten (abgezinsten) zukünftigen Nettoerträge eines Vermögensobjektes. Diese Bewertungsmethode läßt sich f ü r alle Forderungen u n d Sachvermögen anwenden, die laufende Erträge abwerfen (Beispiel: Bewertung von Miethäusern). Insbesondere bei langlebigen Sachgütern erfolgt eine Bewertung zu Anschaf" Inwieweit Ansprüche gegen Versicherungen zum personellen Vermögen gezählt werden sollten, ist vor allem im Hinblick auf Sozialversicherungsansprüche umstritten. Gegen ihre Berücksichtigung spricht, d a ß derartige Forderungen nicht kapitalisierbar, beleihbar, vererbbar, also generell nicht disponibel sind. Für ihre Berücksichtigung k ö n n t e die Tatsache sprechen, d a ß sie f ü r die individuellen Vermögenspositionen insoweit nicht irrelevant sind, als sie in einem gewissen U m f a n g Sicherheit verschaffen. 14
Das öffentliche Geldvermögen ist i.d. R. negativ (Staatsschuld).
15
Vgl. F. Haslinger ( 1978, S. 75 f.).
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fungs- oder Wiederbeschaffungswerten. Anschaffungswerte sind dann angemessen, wenn die Preise a n n ä h e r n d konstant bleiben. Im Falle anhaltender Preisniveausteigerungen empfiehlt sich eine Bewertung zu Wiederbeschaffungspreisen. 3. D a r s t e l l u n g der Verteilung und M e s s u n g der Verteilungsungleichheit Ein einfaches u n d in Verteilungsauseinandersetzungen häufig benutztes Maß der funktionellen Einkommensverteilung ist die sogenannte Lohnquote. Sie stellt den Anteil der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit am Volkseinkommen dar (Bruttolohnquote). Angenommen, die Lohnquote würde sich im Zeitablauf erhöhen, so könnte d a r a u s der Schluß gezogen werden, die funktionelle Einkommensverteilung habe sich zugunsten der Bezieher von Arbeitseinkommen verändert. Diese Schlußfolgerung mag j e d o c h voreilig oder falsch sein, d e n n im gleichen Zeitraum k ö n n t e der Anteil der Arbeitnehmer zugenommen (und der Anteil der Selbständigen entsprechend a b g e n o m m e n ) haben. Diese Strukturverschiebung verfälscht das Ergebnis. Um dies zu vermeiden, nimmt man eine „Bereinigung" der Lohnquote üblicherweise derart vor, d a ß man die Struktur Arbeitnehmer zu Selbständige eines Basisjahres als unverändert unterstellt u n d auf dieser G r u n d l a g e eine „bereinigte L o h n q u o t e " für die jeweils betrachtete Periode berechnet 1 6 . D a s Äquivalent zur Lohnquote bildet die sogenannte Gewinnquote. Diese Bezeichnung ist recht irreführend, denn es wird nicht der Anteil der Gewinne i.e.S. am Volkseinkommen erfaßt, sondern der Anteil aller Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (also auch Zinsen, Miet- u n d Pachteinkommen etc.). Dabei enthalten auch die Einkommen aus Unternehmertätigkeit Elemente, die unschwer als Arbeitseinkommen (der Selbständigen) zu interpretieren sind. 17 . M a n wird allerdings die Frage stellen müssen, ob die Berechnung von Lohnund G e w i n n q u o t e n sinnvolle Informationen über die Verteilung liefert. Es gibt viele G r ü n d e , die dagegen sprechen, z.B.: • D i e Bildung zweier Klassen („Lohnbezieher" u n d „ G e w i n n b e z i e h e r " ) vergröbert die soziale Schichtung in einem solchen Maße, d a ß Rückschlüsse auf d i e relative materielle Position einzelner sozialer G r u p p e n nicht mehr g e w o n n e n werden k ö n n e n " . • D i e G r u p p e der „ L o h n b e z i e h e r " ist in sich derart i n h o m o g e n , d a ß Verteilungsaussagen tunlichst nicht auf die L o h n q u o t e gestützt w e r d e n sollten. D a s E i n k o m m e n eines ungelernten Arbeiters unterscheidet sich bemerkenswert von d e m eines angestellten M a n a g e r s ; b e i d e werden aber der g l e i c h e n „Klasse" zugerechnet. D a z u ein Beispiel: D i e unbereinigte L o h n q u o t e für d a s Jahr 1981 m ö g e 70% betragen; der Arbeitnehmeranteil m ö g e im Zeitraum 1970 bis 1981 v o n 80% auf 90% gestiegen sein. Die bereinigte L o h n q u o t e für das Jahr 1981 ergibt sich d a n n aus: , , ,„„. Arbeitnehmeranteil 1970 unbereinigte Lohnquote 1981 · -τ—,—: : ., . . „ . 6 M Arbeitnehmeranteil 1981 a l s o : 70 · 80 : 9 0 = 62,2. Prinzipiell ist es m ö g l i c h , den Selbständigen fiktive A r b e i t s e i n k o m m e n zuzurechnen, ind e m man etwa die L ö h n e vergleichbarer Tätigkeiten von Arbeitnehmern als Vergleichsg r ö ß e n heranzieht. A u f diese Weise würde man zu einer Q u o t e aller A r b e i t s e i n k o m m e n am V o l k s e i n k o m m e n g e l a n g e n . D a z u ist einmal ironisch angemerkt w o r d e n , die A u f t e i l u n g der Menschheit in Lohnu n d G e w i n n b e z i e h e r sei e b e n s o sinnvoll wie d i e U n t e r s c h e i d u n g von Leuten, die Erdn ü s s e verkaufen und s o l c h e n , die dies nicht tun.
K a p . 5: Verteilungspolitik
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• Entsprechendes gilt f ü r die G e w i n n q u o t e . Sie enthält das E i n k o m m e n eines selbständigen Gemüsehändlers ebenso wie das Einkommen eines tätigen G r o ß u n t e r n e h m e r s . • Verteilungsaussagen, die sich auf die Lohn-(Gewinn-)Quote beziehen, verleiten zu Fehlinterpretationen, weil beide Q u o t e n zyklische Veränderungen aufweisen. In einer k o n j u n k turellen Situation, die durch z u n e h m e n d e Unterbeschäftigung gekennzeichnet ist, erscheint die statistisch ausgewiesene L o h n q u o t e relativ hoch. Umgekehrt verhält es sich in einer Konjunktursituation, die durch eine A n n ä h e r u n g an die „Vollbeschäftigung" gekennzeichnet ist. Der G r u n d ist - vereinfacht - der, d a ß die Löhne d e r noch beschäftigten Arbeitnehmer im konjunkturellen Abschwung relativ weniger stark sinken als die Gewinne; im konjunkturellen Aufschwung steigen jedoch die G e w i n n e relativ stärker als die Löhne. • Verteilungsquoten erlauben - wegen der Querverteilung - keine Rückschlüsse auf die personelle Einkommensverteilung. D i e s e ( u n d a n d e r e ) E i n w ä n d e l a s s e n es r a t s a m e r s c h e i n e n , d e r f u n k t i o n e l l e n E i n k o m m e n s v e r t e i l u n g kein größeres G e w i c h t für verteilungspolitische Überlegungen zuzumessen. F ü r d i e B e u r t e i l u n g v o n V e r t e i l u n g s u n t e r s c h i e d e n m a g m a n es a l s r e l a t i v u n e r heblich ansehen, aus welchen „Quellen" den einzelnen Personen (Haushalten) E i n k o m m e n z u f l i e ß e n . Bei d e r D a r s t e l l u n g d e r personellen E i n k o m m e n s v e r t e i lung tritt d i e s e r G e s i c h t s p u n k t d a h e r a u c h s t a r k in d e n H i n t e r g r u n d . Einige methodische P r o b l e m e wirft die Frage auf, wie m a n die Ungleichheit d e r p e r s o n e l l e n Verteilung m e s s e n u n d darstellen sollte. D i e v o r g e s c h l a g e n e n u n d a u c h a n g e w e n d e t e n M e ß m e t h o d e n weisen je f ü r sich b e s t i m m t e E i g e n a r t e n u n d Unzulänglichkeiten a u f ; wir wollen allerdings d a r a u f verzichten, einzelne Verteilungsmaße darzustellen u n d kritisch zu beurteilen". Es existiert eine D a r s t e l l u n g s f o r m , d i e d e n Vorzug hat, s e h r leicht interpretierb a r u n d a n s c h a u l i c h z u s e i n ; d i e s o g e n a n n t e Lorenzkurve. Sie wird wie folgt konstruiert (vgl. Abb. 9 und 10): Man ordnet die Haushalte nach der H ö h e ihres E i n k o m m e n s , b e g i n n e n d mit dem niedrigsten E i n k o m m e n , u n d trägt die kumulierten Anteile der Haushalte auf einer horizontalen Achse auf. Die aufsummierten Einkommensanteile werden entsprechend auf einer vertikalen Achse abgetragen. Bei völliger Gleichverteilung der E i n k o m m e n (jedem Haushalt fällt der gleiche Anteil am Gesamteink o m m e n zu) stellt sich die Lorenzkurve als Diagonale d a r ; bei absolut ungleicher Verteilung (ein Haushalt erhält das G e s a m t e i n k o m m e n ) ist die Lorenzkurve identisch mit den Koordinatenachsen. Je weiter die Lorenzkurve von der Gleichverteilungs-Diagonalen abweicht (je dicker gleichsam ihr „ B a u c h " ist), um so ungleicher ist die Einkommensverteilung. (Völlig analog läßt sich diese Darstellung auf die Vermögensverteilung a n w e n d e n . ) Will man mehrere beobachtete Verteilungen miteinander vergleichen (etwa im Sinne der Aussage: Die Verteilung zum Zeitpunkt t(, ist ungleichmäßiger als die Verteilung zum Zeitpunkt ti), so ist dies nur eindeutig möglich, wenn sich die Lorenzkurven nicht schneiden. Aus der Lorenzkurve läßt sich d e r sogenannte Gini-Koeffizient als M a ß f ü r die Konzentration der Einkommen (Vermögen) ableiten. Dieser Koeffizient ist definiert als Verhältnis der Fläche zwischen der Lorenzkurve und der Gleichverteilungsdiagonalen zur Fläche des gesamten Dreiecks. Bei absoluter Gleichverteilung ist dieser Koeffizient gleich Null, bei absoluter Ungleichverteilung gleich Eins. Für alle realistischen Fälle liegt er zwischen Null u n d Eins.
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Einen ausgezeichneten Überblick über die gängigen Verteilungsmaße gibt Α. K. Sen (1975). Er macht zugleich deutlich, d a ß alle statistischen Verteilungsmaße implizit normative Wertungen enthalten.
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Kap. 5: Verteilungspolitik
4. Stand und Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland 4 . 1 Informationsquellen und D a t e n b a s i s Es w ä r e gewiß ä u ß e r s t wünschenswert, w e n n m a n ein lückenloses u n d zugleich l ä n g e r e Z e i t r ä u m e u m f a s s e n d e s Bild d e r E i n k o m m e n s - u n d V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g g e w i n n e n k ö n n t e ; e i n s o l c h e s ist j e d o c h f ü r d i e B u n d e s r e p u b l i k n i c h t v e r f ü g b a r . Es e x i s t i e r t k e i n e f o r t l a u f e n d e B e o b a c h t u n g d e r E i n k o m m e n s - u n d V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g d u r c h die amtliche Statistik. I n s b e s o n d e r e liegen f ü r die 50er u n d auch noch f ü r die 60er J a h r e nur sehr u n z u r e i c h e n d e I n f o r m a t i o n e n vor. D a s ist k e i n Z u f a l l . D e r G e s e t z g e b e r k o n n t e s i c h n i c h t e n t s c h l i e ß e n , d e n S t a t i s t i k e r n e i n e n e n t s p r e c h e n d e n A u f t r a g zu e r t e i l e n , m i t d e m n i c h t e b e n ü b e r z e u g e n d e n A r g u m e n t , e i n e s o l c h e V e r t e i l u n g s s t a t i s t i k sei z u k o s t s p i e l i g . Fairerweise wird m a n sagen müssen, d a ß inzwischen d i e I n f o r m a t i o n s b a s i s erh e b l i c h v e r b e s s e r t w o r d e n ist. B e v o r wir die v o r l i e g e n d e n e m p i r i s c h e n D a t e n in A u s s c h n i t t e n w o l l e n wir g a n z k u r z d i e I n f o r m a t i o n s q u e l l e n b e n e n n e n 2 0 .
präsentieren,
Daten über die Einkommensverteilung stützen sich vor allem auf Steuerstatistiken (Lohnu n d Einkommensteuer), Stichproben (insbesondere E i n k o m m e n s - u n d Verbrauchsstichproben), Strukturstatistiken (Lohn- und Gehaltsstrukturerhebungen) u n d sogenannte integrierte Verteilungsrechnungen 2 1 . Für Verteilungsrechnungen bilden Steuerstatistiken zwar eine wichtige, aber keineswegs zuverlässige Basis. Der Einkommensbegriff ist f ü r Besteuerungszwecke anders definiert, als dies für Verteilungsrechnungen erforderlich wäre. Nicht alle Personen (Haushalte) sind steuerpflichtig; und nicht alle Einkommen werden steuerlich erfaßt. Eine vergleichsweise solidere Basis bilden die Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS), die in den J a h r e n 1962/63, 1969, 1973 u n d 1978 vom Statistischen Bundesamt d u r c h g e f ü h r t wurden. Es handelt sich dabei um Befragungen ausgewählter Haushalte, die unter a n d e r e m Angaben zur Höhe ihrer Nettoeinkommen m a c h e n . Gewisse Unzulänglichkeiten derartiger Statistiken ergeben sich daraus, d a ß Ausländerhaushalte und Haushalte in Anstalten sowie H a u s h a l t e mit sehr hohem monatlichen E i n k o m m e n (1969: 10000 D M ; 1973: 15000 D M ; 1978: 20000 D M ) nicht erfaßt werden. Am unteren und oberen E n d e d e r E i n k o m m e n s p y r a m i d e ergeben sich daraus Verzerrungen. Lohn- und Gehaltsstrukturerhebungen liefern Daten über die Lohnsituation einzelner G r u p p e n von E i n k o m m e n s b e z i e h e r n ; ihre Brauchbarkeit f ü r Verteilungsrechnungen ist jedoch beschränkt, weil derartige Erhebungen im Unternehmensbereich erfolgen und eine V e r b i n d u n g zu den Haushaltseinkommen nicht o h n e weiteres herzustellen ist. Bei den „integrierten Verteilungsrechnungen" handelt es sich schließlich um z.T. sehr umfangreiche u n d tief gegliederte Statistiken auf der G r u n d l a g e der bisher genannten Informationsquellen sowie zusätzlicher Erhebungen und Schätzungen. Ü b e r S t a n d u n d E n t w i c k l u n g d e r personellen V e r m ö g e n s v e r t e i l u n g e x i s t i e r e n b i s in d i e M i t t e d e r 6 0 e r J a h r e s o g u t w i e ü b e r h a u p t k e i n e b r a u c h b a r e n I n f o r m a t i o n e n . D i e viel b e a c h t e t e u n d h e f t i g d i s k u t i e r t e U n t e r s u c h u n g v o n Krelle u . a . 2 2 20
Ausführlich dazu H.-J. Krupp (1975).
21
Zu nennen sind insbesondere die Verteilungsrechnungen des D I W (Deutsches Institut f ü r Wirtschaftsforschung, Berlin) und die umfangreichen Datensätze des SPES-Projektes (Sozialpolitisches Entscheidungs- und Indikatorensystem f ü r die Bundesrepublik Deutschland).
22
Vgl. W. Krelle u.a. (1968).
K a p . 5: V e r t e i l u n g s p o l i t i k
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brachte für das J a h r 1960 einige wichtige Teilergebnisse. D a sich die Untersuchung auf die Ergebnisse der Vermögensteuerstatistik stützte, konnten nur relativ zuverlässige Angaben über die Vermögen der wohlhabendsten Haushalte gemacht werden, nicht j e d o c h über die Vermögensverteilung innerhalb der breiten Masse der Bevölkerung. Der wohl am häufigsten zitierte Satz der genannten Untersuchung lautete: „ . . . Haushalte mit einem Vermögen von mehr als 100000,- D M besitzen rund 70% des Eigentums an den gewerblichen U n t e r n e h m u n g e n , obwohl sie nur 1,7% der Bevölkerung ausmachen" 2 3 . Diese hohe Konzentration im Bereich des Produktivvermögens schien in krasser Weise die gesellschaftliche Machtverteilung in der Bundesrepublik zu beschreiben, wenngleich dabei die Tatsache in den Hintergrund gedrängt wurde, d a ß die Konzentration bei den übrigen Vermögensarten weniger ausgeprägt war. Mit Vorlage der Ergebnisse der EVS verbesserte sich die Datenbasis zwar erheblich, gleichwohl verbleiben noch Informationslücken: einzelne Vermögensformen werden gar nicht erfaßt, bei anderen beschränkt sich der Nachweis nur auf Teilvermögen. Einige Bevölkerungsgruppen sind nicht mit einbezogen, so vor allem Ausländerhaushalte u n d Haushalte mit hohem Einkommen. Wie bereits dargelegt, müssen Vermögen auf ihren in D M ausdrückbaren Wert gebracht werden. Dabei entstehen erhebliche Verzerrungen. So wird der Wert von Betrieben u n d Beteiligungen an solchen (soweit sie nicht Aktienvermögen darstellen) in der EVS auf der Basis sogenannter Einheitswerte erfaßt. Diese dienen steuerlichen Zwecken u n d entsprechen nicht den jeweiligen Markt- oder Ertragswerten. Entsprechend wird bei der Bewertung des Haus- und G r u n d v e r mögens verfahren, dessen aktueller Wert in der Regel um ein Mehrfaches höher ist als der Einheitswert. Um die Unterbewertung bestimmter Vermögensarten zu vermeiden, müssen Bewertungskorrekturen vorgenommen werden, die d a n n ihrerseits dem Vorwurf ausgesetzt sind, unrealistisch zu sein. Vergleichsweise geringe Probleme ergeben sich bei der Bewertung des Geldvermögens; in der EVS werden jedoch Bargeld-, Sicht- u n d Terminguthaben nicht erfaßt. Diese sind zwar in ihrer G e s a m t h ö h e bekannt (vgl. Erhebungen der Deutschen Bundesbank), ihre Verteilung auf die Haushalte m u ß jedoch geschätzt werden.
E b e n d a , S. 381.
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Kap. 5: Verteilungspolitik
4.2 Zur Entwicklung der Lohnquote Obwohl die Lohnquote für verteilungspolitische Erwägungen nur von nachrangiger Bedeutung ist, erscheint es uns nützlich, die Ergebnisse dieser Verteilungsrechnung zu referieren.
Tab. 8 Jahr
1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 19791 4i
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Konzentration
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Großunternehmen,
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Sachverzeichnis Abgestimmtes Verhalten 19, 54 f., 66 f. Ablaufspolitik, siehe Stabilisierungspolitik Abschreibungen 107 f., 137, 162, 205 siehe auch Steuerpolitik Absprachen, siehe Kartelle Abstimmungsverfahren, siehe Wahlen Abstimmungsparadoxon 7 Abwasserabgabengesetz 159 Äquivalenzkonzepte 69 siehe auch Mißbrauchsaufsicht Äquivalenzprinzip 199 Agglomeration 27, 129, 131, 145, 156 Akzelerator 158 Allokation 10, 14, 26, 38f„ 51, 90, 147, 156, 162, 185 - intertemporale 126, 157 f. - optimale 10, 26, 130 Alterssicherung, siehe Soziale Sicherung Anpassungspolitik 149 siehe auch Strukturpolitik Anreizfunktion des Wettbewerbs 39 Anteilserwerb, siehe Unternehmenszusammenschlüsse Arbeit 94, 133 ff., 147, 164,211 siehe auch Produktionsfaktoren Arbeitgeber 189 ff. Arbeitsförderungsgesetz 125, 152 Arbeitslosigkeit 20, 91, 93, 96, 98, 107, 121, 158, 162, 191 f., 195, 197 f. - freiwillige 93 - friktionelle 91,93 - konjunkturelle 91,93 - saisonale 91,93 - strukturelle 27, 91, 93 f., 121, 127 f., 149 - technologische 26,94, 127 f., 144, 192 - unfreiwillige 10,93, 101 f. Arbeitsmarkt 23 f., 29,31, 136, 148, 190 —indikatoren 97 f. - -mobilität 152 - -politik 94, 135 f., 150, 152, 154 Arbeitsvertrag 189 Arbeitsvolumen 133 f. Arbeitszeit 126, 131 Ausbeutungsmißbrauch 56, 70 siehe auch Wettbewerb Ausbildung, siehe Bildung und Berufsqualifikation Ausgabenpolitik 109 ff. siehe auch Fiskalpolitik - antizyklische 108 f. - expansive 109 - kontraktive 110
- prozyklische 110 Außenbeitrag 98 Außenhandel 33 Außenhandelspolitik 154 Außenwirtschaftliche Absicherung 105, 113, 115, 118 f., 154 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 90 ff., 96 ff. Ausschließlichkeitsbindungen 55 siehe auch Wettbewerb Aussperrung 191 Bankenliquidität 115 f., 118 f. Bedarfsprinzip 184 f. siehe auch Gerechtigkeitsnormen Behinderungsmißbrauch 55, 70 siehe auch Wettbewerb Berufsqualifikation 15, 133, 134ff„ 143, 148, 152, 193,201 Beschäftigung 90f., 95, 97f., 101 f., 105, 127, 135 f., 191 — s k r i s e 33 - -politik 58,94 - -sstruktur 127, 148 - -stheorie 100 Bevölkerung 133, 145 ff., 156 Bildung 12, 14f., 25, 133ff., 138f., 141, 143, 187 f., 195 Budgetinzidenz 194 Bürokratie 6, 8 Bundesbank 6, 33,92, 100, 104, 109f„ 114 ff., 118f., 173 Bundesimmissionsschutzgesetz 160 Bundeskartellamt 66, 72, 74 f. Bruttosozialprodukt 87 f., 97 f., 114, 123 f., 127, 130 ff. Chancengleichheit 40 Chicago Schule 49ff. Coase-Theorem 17, 159 Crowding out-Effekt 109 Deflation 90 Deflatorische Lücke 107 Demand management, siehe Stabilisierungspolitik Devisenreserven 92 Diagnose 4, 97, 111, 132 Dienstleistungen 144ff., 164 Dienstleistungsgesellschaft 146, 148 Diffusion 141 ff. siehe auch Technischer Fortschritt
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Sachverzeichnis
Diskontpolitik 115,119 Diversifikation 62f. Drei-Sektoren-Hypothese 146f. siehe auch Strukturwandel Duopol 46 f. Economies of scale, siehe Kosten Effizienz 17, 22, 51, 97, 111 f., 116, 129 f., 135, 151 f., 161, 184 Egalitätsprinzip 180 ff. siehe auch Gerechtigkeitsnormen Eigentum an Produktionsmitteln 1, 25, 29, 32, 186, 206 Eigentumsrechte 11, 16 f., 159 Eingriffsinstrumente 107 siehe auch Fiskalpolitik Einkommen 126, 164, 166 f., 181, 185 - permanentes 103 - steuerliches 202 ff. - verfügbares 100, 107, 167, 177, 187 f., 198, 213 Einkommenseffekt 109, 141, 158 Einkommenspolitik 105, 127 Einkommensteuer 29, 187, 201 ff. Einkommensverteilung, siehe Verteilung Einlagenpolitik 117 Emission 157 f., 160 Emissionssteuer 159 Empfehlungsverbot 67 siehe auch Kartelle Entflechtung 47, 50, 85 f. siehe auch Unternehmenskonzentration Entscheidungsprozeß - gesellschaftlicher 6 ff., 9 - wirtschaftspolitischer 3 ff. Entscheidungsrechte 32 Entwicklungsengpaß 144, 151 siehe auch Innovationspolitik Entwicklungspolitik 126 Erfindungen 140 siehe auch Technischer Fortschritt Erwerbstätige 133f., 148, 198, 200f. Erwerbspersonenpotential 97, 134 Erwartungen 23f., 87, 100, 105, 108, 112, 116, 119, 124, 136, 138. 152 Europäische Gemeinschaft 6, 65 Export 148 Exportindustrie 90 Externe Effekte 13, 15ff., 128f., 155, 158 - positive 15 f., 26, 140, 143 - negative 15f„ 26f„ 131, 143 - Internalisierung 16,29, 159 Faktoren, siehe Produktionsfaktoren Finanzausgleich 111 Finanzplanung, mittelfristige 106 Finanzplanungsrat 106,118
Fiskalpolitik 99, 105 ff., 113, 121, 124, 127, 192 - antizyklische 101 f., 105, 108f. - Instrumente der 105ff., 161 f. - Mängel der 111 ff. Forschung und Entwicklung 26, 63 f., 108, 126, 140 ff., 146, 151 siehe auch Innovation und Technischer Fortschritt Free rider-Position, siehe TrittbrettfahrerVerhalten Freiheitsfunktion des Wettbewerbs 40 Fusion, siehe Unternehmenszusammenschlüsse Gegenseitigkeitsgeschäfte 54, 63 siehe auch Wettbewerb Geldangebot 114 Geldnachfrage 103,114 Geldmenge 102 ff., 114 f., 119 f. - Wirkungen von Geldmengenänderungen 103 ff., 114, 119 Geldpolitik 33, 100, 102ff., 109, 113ff., 124, 151, 161, 187, 192 - Instrumente der 104, 114 ff. - Mängel der 118 ff. - potentialorientierte 105 - Träger der 118 - Verstetigung der 102 f., 105, 114, 119 f. Gemeinschaftsunternehmen 57, 80 siehe auch Unternehmenszusammenschlüsse Gerechtigkeitsnormen 22, 180 ff., 204 - Bedarfsprinzip 184 f. - Egalitätsprinzip 180 ff. - Leistungsprinzip 39 f., 182 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 31,41, 46, 65 ff. Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVRG) 90 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) 33, 90ff., 105 ff. - Instrumente des StabG 106 ff. Gesundheitswesen 14 f., 25, 195 Gewerkschaften 96, 189 ff., 209, 211 f. Gewinn 18, 42, 72, 164, 191, 202 f., 209 ff. —beteiligung 209 ff. - -kontrolle 71 f. - -maximierung 18, 39 f., 54, 182 - -quote 170 f. Gini-Koeffizient 171 Gleichgewicht - außenwirtschaftliches 90 ff., 96 ff. - bei Unterbeschäftigung 22 f., 100
Sachverzeichnis - bei Vollbeschäftigung 22, 25 - dynamisches 92 - gesamtwirtschaftliches 1 0 , 2 5 , 9 0 , 102, 120 - Konkurrenz- 10, 22 - langfristiges 18 - ökologisches 158 - Theorie des allgemeinen 1 0 , 2 2 , 4 1 Globalsteuerung, siehe Stabilisierungspolitik Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung 40, 182 f. Grundgesetz 34f., 92, 110, 189, 206 G r u n d r e c h t e 35 Güter 164 - homogene 41,46,52 - natürliche 161 - öffentliche 13 ff., 25 f., 124, 126, 131, 139 f., 155 f., 185 Handlungsfreiheit 25, 40, 48 H a r m o n i e t h e s e 10,30 Haushalt - öffentlicher 14, 109 f. - privater 165 ff., 175, 177, 196, 198 H u m a n k a p i t a l 103, 133, 135 f., 138, 140ff., 168, 187 Immission 158, 160 Indexierung 112 Indikatoren - ö k o n o m i s c h e 97 ff., 114, 123 - soziale 131 f. - Wohlstands- 130 ff. Industrieansiedlung 149, 160 Industriepolitik 112 Inflation 22, 33, 59, 90, 96, 102, 106, 114, 120 f., 148, 192 - F o r m e n der 91 - importierte 92, 97 Inflatorische Lücke 107 I n f o r m a t i o n 97, 114, 131 — s i n s t r u m e n t e 106, siehe auch Fiskalpolitik - unvollständige 26, 129 - v o l l k o m m e n e 42 f. I n f r a s t r u k t u r 12, 14,25, 126f., 145 f., 156, 162,212 - -politik 138, 154 Imitation 45, 154 I n n o v a t i o n 4 2 , 4 5 , 63 f., 94, 124, 135, 138 ff., 145, 147, 157, 160 - -shemmnise 144 - -skapital 133, 138 - -spolitik 133, 137, 141, 142ff„ 151 f., 161 siehe auch Technischer Fortschritt
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Instabilität, gesamtwirtschaftliche 13, 22 ff., 30, 99 ff., 119 Interessen, organisierte 7 f., 31 Intervention, wirtschaftspolitische 12 ff., 4 5 , 9 9 , 101 f., 107, 123, 156, 158 Investition 24, 100, 107ff., 128, 133, 139 ff., 149, 157f., 161 f., 191, 209 f. - -sförderung 130, 133, 136 ff., 151 — s h i l f e u r t e i l 34 — s l e n k u n g 154 f., 161 - Rationalisierungs- 94, 148 Investivlohn 209, siehe auch Vermögensbildung, betriebliche J a h r e s p r o j e k t i o n e n 99 Jahreswirtschaftsbericht 106 Kapital 133, 136ff., 147, 164, 211 siehe auch Produktionsfaktoren Kapitalbestand - alternder 137, 139 - ökonomischer 133, 139, 183 - gesellschaftlicher 133 f. Kapitalismus, siehe Marktwirtschaft, kapitalistische Kapitalmarkt 51, 62, 109 Kapazitätseffekt 138 f., 140 Kartell 52ff., 67 — a b s p r a c h e n 54 - A u s n a h m e n vom 67 f. - -verbot 66 ff. Keynesianismus 2 2 f f . , 9 9 f f . , 103, 107, 110f„ 120 Keynessche Theorie 22 ff., 99 ff. Klassik, n a t i o n a l ö k o n o m i s c h e 9, 11 f. Kollektivgüter, siehe Güter, öffentliche Kollektivismus 28 Konformität 33f.,45,92f. Konfliktregelung 126 siehe auch Ziele, wachstumspolitische Konjunktur - -ausgleichsrücklage 109 f. — i n d i k a t o r e n 97 f. - -politik 30, 33, 8 8 , 9 4 , 123 siehe auch Stabilisierungspolitik - -rat 106, 118 — S t e u e r u n g 33 - -zyklus 8, 30, 87f., 123, 191,211 Konkurrenz, siehe Wettbewerb Konsum - -besteuerung 187 f. - -nachfrage 107, 192 - -rivalität 14 - -theorie 103, 107 K o n s u m e n t e n s o u v e r ä n i t ä t 18 Konzern, siehe U n t e r n e h m e n s z u s a m menschlüsse
228
Sachverzeichnis
Konzentration, siehe Unternehmenskonzentration, Vermögen und Verteilung Konzertierte Aktion 106 Koordinationsinstrumente 106 siehe auch Fiskalpolitik Koordinierungsfunktion des Wettbewerbs 38 Kosten - -kontrolle 71 - -minimierung 39 - private 27, 156 - soziale 4, 16,27, 126, 128, 131, 153, 156 - Stück- 60 f., 113 —vorteile großbetrieblicher Produktion 43 ff., 50 f., 60 f. Kreditermächtigungen 109 Kreditlimitierung 110 Laissez faire-Liberalismus, siehe Liberalismus Lebenslagen 127, 129, 131 Lebensqualität 127 f., 131 Leistungsbilanz 92 Leistungsprinzip 40, 182 ff. siehe auch Gerechtigkeitsnormen Lenkungsfunktion des Wettbewerbs 38 f. Liberalismus, klassischer 9, 11 f., 27 f., 30, 51 Liquiditätsfalle 103 Lizenzen 26, 142 Lohn - -bildung 96, 100f„ 107, 189ff., 209 - -drift 193 - -politik 106f., 188ff., 193, 209ff. - -Preis-Spirale 106, 192 - -quote 170 f., 174, 190 f. - -rigidität 23, 96, 100, 102 - -struktur 190 ff. — t h e o r i e 23 Lombardpolitik 115,119 Lorenzkurve 171, 176 ff. Macht - institutionelle 5 , 9 5 , 102, 186, 190 - politische 29, 58 - wirtschaftliche 18, 29, 51, 58, 102, 173 siehe auch Marktmacht Markt —abgrenzung 68 f. - -anteil 41 - -austritt und-zutritt 18, 29, 39, 41 f., 50 f., 63 f., 154 - -beherrschung 69 f., 76, 80 —ergebnis 44 f. - -formen 18,46, 154 — p h a s e n 44
- relevanter 68 - -struktur 3 1 , 4 4 f., 46, 64 - -transparenz 4 1 , 4 3 , 4 6 , 4 8 , 5 2 —unvollkommenheit 46 f. —verhalten 44 f. - -versagen 13 ff., 27, 129, 158 —Vollkommenheit 46 f. Marktmacht 31, 48, 56 ff., 62, 96, 121, 142, 183 - gegengewichtige 40 - Mißbrauch von 55 ff., 70 ff. Marktwirtschaft 9ff., 29, 41, 65, 92, 121, 124, 139, 159 f., 183 ff. - Funktionsfähigkeit der 9, 25, 90, 92, 112, 155 - Funktionsmängel der 12 ff., 90, 128 - gelenkte 27 f. - kapitalistische 1, 12f„ 20ff., 25, 28, 31, 58, 99, 102, 142 f., 146, 154, 194, 206, 211 - soziale 28 ff., 31 ff., 182 Mengenregulierung 160 f. siehe auch Umweltpolitik Mindestreservenpolitik 116 ff. Ministererlaubnis 67, 80, 84 f. Mißbrauchsaufsicht 47, 65, 68 ff. Mitbestimmung 32, 34, 210f. Mobilität 145, 152, 184 Modernisierungspolitik 139 Monetarismus 102ff., 113 f., 119f. Monopol 18, 42 f., 50, 70, 140, 154, 183 - lokales 129 - temporäres 42 Monopolkommission 77, 85 f. Multiplikator 24, 101, 109, 158 Nachfrage —änderung 128 f. - effektive 23 f., 101 f., 130, 161 - gesamtwirtschaftliche 109, 112 f., 116 ff., 124, 127, 147, 150, 160f., 191 f. - -komponenten 100, 102 f., 105, 107, 113 - -struktur 147, 150 Neoliberalismus 12, 28, 102 siehe auch Liberalismus Neoklassik 9f., 12,48ff., 102ff., 119, 183 sieheauch Klassik, nationalökonomische Neue Makroökonomie 101 Neue Politische Ökonomie 6 ff., 153 Offenmarktpolitik 104,117fr. Oligopol 18f., 43, 46ff., 54, 59, 63, 70, 84, 143, 154 Optimalität, siehe Allokation Ordnungspolitik 30 ff. Ordoliberalismus 28 ff., 41 siehe auch Liberalismus
Sachverzeichnis Pareto-Optimum 11 siehe auch Allokation Patente 26, 64, 140, 142 f. Philipps-Kurve 95 f. Planungsinstrumente 106 siehe auch Fiskalpolitik Politikberatung 3 Politikversagen 27 Polypol 46 f. Portfoliotheorie 104 Postindustrielle Gesellschaft 146 f. siehe auch Strukturwandel Preis — a n p a s s u n g 24 — b i n d u n g 65 - -diskriminierung 55 - -flexibilität 23 — f i i h r e r 54 - -indices 97 f., 167 - -kartell 52 f. — m e c h a n i s m u s 9 f., 38 ff. siehe auch Marktwirtschaft - -meldesteilen 43 - -mißbrauch 56, 70ff. - -niveaustabilität 29, 90 f., 95 ff., 102, 106 f., 109, 114, 120, 127, 162, 193 — r e g u l i e r u n g e n 159 ff. siehe auch Umweltpolitik - -rigidität 19, 23 f., 59, 102 - Vergleichs- 72 - -Wettbewerb 3 8 , 4 0 Produktdifferenzierung 42, 45 ff. Produktionsfaktoren 128, 133 ff., 150, 162, 164, 183, 187 - Entlohnung der 39 f., 164, 182 f., 187 f. - Märkte für 164 - Mobilität der 129, 152 Produktionsfunktion 183 Produktionskapazität 24, 52, 133 Produktionspotential, gesamtwirtschaftliches 87, 92 f., 97 f., 107, 112 f., 121, 124, 129, 131, 133 ff., 139, 161 Produktionsstruktur 26,94, 148, 161 Prognose 4, 97, 111, 132 Projektförderung 142 f. Property rights, siehe Eigentumsrechte Prozeßpolitik, siehe Stabilisierungspolitik Qualifikation 135, 141, 146 Qualifikationsstruktur 127, 135 f. siehe auch Berufsqualifikation Rabatte 42, 53, 56 Rationalisierungsschutz 144 Raum - -Ordnung 129, 155 — p l a n u n g 156
229
- -struktur 27, 145 Reaktionsgeschwindigkeit 41 f. Reaktionsverbundenheit im Oligopol 19, 54 Realvermögenseffekt 104 Rechtsstaat 35 Refinanzierungspolitik 115,118 Regionalpolitik, siehe Strukturpolitik, regionale Renten 166, 181, 195, 198 - -formel 199 f. - -Versicherung 199 ff. Ressourcen, erschöpfbare 16,26, 126 ff., 157 Rigidität, siehe Lohn, Preis, Zins Risiko 20f., 26, 58, 62, 104, 132, 140, 142 ff., 151 - -absicherung 13, 20 f., 181 Say sches Theorem 10 Selbstregulierungsfähigkeit, siehe Marktwirtschaft Selektionsfunktion des Wettbewerbs 39 Sozial — b e r i c h t e r s t a t t u n g 131 - -budget 196 f. - -fisci 110 —gesetzgebung 20 - -hilfe 166 — l e i s t u n g e n 196 ff. — l e i s t u n g s q u o t e 196, 198 - -politik 20, 32, 130, 144, 146, 181 - -Staat 2 0 , 3 2 , 3 5 , 181 - -transfers 195 ff. - -Versicherung 167, 169, 187 f., 195 ff. Soziale Sicherung 20, 29, 32, 129, 144, 181, 195 f. Sozialer Fortschritt 144,155 Sozialismus 28, 30 f. Sparen 133, 136, 139, 178, 187f., 206ff., 213 Sparförderung 136 f., 187 f., 206 ff. Spekulationskasse 103 Staat - - s a u f g a b e n 11 f., 29, 37, 99 ff. - -sausgaben 105, 108ff., 127, 161, 194ff. - -seinnahmen 105, 164, 194 ff. - -shaushalt 105, 200 — s v e r m ö g e n 169 - -sversagen 27 Stabilität - ökonomische 129 - soziale 20, 58, 104 Stabilitätspolitik 88 siehe auch Stabilisierungspolitik Stabilisierungspolitik 33, 58, 88 ff., 92 f., 124, 127, 144, 161 f.
230
Sachverzeichnis
- Automatismen der 112 - Asymmetrie der 112 - Grenzen der 120 f. - Indikatoren der 97 f. - Instrumente der 105 ff. - monetäre 114 ff. - nachfrageorientierte 88, 107, 121 - Theorie der 99 ff. - Träger der 110f„ 118 f. - Ziele der 89ff. Stagflation 120 f. Standort 145, 158 - -entscheidung 27, 156, 160, 192 Steuer - -politik 105 ff., 137 f., 151, 159, 187 f., 194, 198, 201 ff. —satzvariation 107 - -system 16, 166, 196 - -tarif 201, 203 ff. Stimmenmaximierung 7 f., 163 Streik 191 Struktur 27, 128, 133 Strukturberichterstattung 132, 147 Strukturpolitik 121, 123 ff., 128 ff., 149 ff., 154, 156, 161 f. - aktive 150, 155 - angebotsorientierte 150 f., 154 - indikative 152 - nachfrageorientierte 150 - passive 149 f. - regionale 129 f., 139, 145, 149, 156, 161 - sektorale 130, 139, 149, 151, 153, 156, 161 - stabilitätsorientierte 129 - wachstumsorientierte 129, 134 Strukturwandel 13, 25 ff., 91 ff., 113, 126 ff., 132, 144 ff., 151, 153 ff. - angebotsinduzierter 148 - nachfrageinduzierter 148 - regionaler 27, 132, 145 - sektoraler 94, 132, 146 f., 149 Syndikat 53 Subsidiaritätsprinzip, marktwirtschaftliches 12 Subventionen 16, 130, 137, 151, 159, 166, 195, 206 ff. Subventionsbericht 106 Subventionspolitik 130, 132, 153, 159, 195 Substitution 64, 68, 119 Tarifautonomie 100, 106, 189 Tarifvertrag 96, 189, 191 Tauschwirtschaft, siehe Marktwirtschaft Technischer Fortschritt 26, 42, 48, 59, 63 f., 94, 133 f., 136 f., 139 ff., 147, 151 f., 157, 160 - Formen 139
Technologie —assessment 141 - -politik 133, 137, 141 ff., 151 f., 160 f. - Schlüssel- 143 - -transfer 141 f., 144, 151 —Wettbewerb 141 time-lags, siehe Zeitverzögerungen Transaktionskosten 17,62,159 Transferzahlungen 126, 166, 187, 188, 195 ff., 202 Transmissionsmechanismen 103 f., 114 siehe auch Geldmengenänderungen Trittbrettfahrer-Verhalten 14, 17, 111, 156 Überwälzung 191,196,205 Umwelt 16, 27, 127, 131, 143 ff., 147, 155 Umweltpolitik 128, 143, 149, 155ff. - Instrumente der 128, 158 ff. Umverteilung 91 Umverteilungspolitik 137, 194 ff., 199 - intergenerationale 200 f. - intertemporale 199 f. Ungleichgewicht 10, 23 ff., 30, 100 - temporäres 25 f. Unmöglichkeitstheorem 7 Unsicherheit 20 f., 23, 26, 42 f., 100, 132 Unterbeschäftigung 13, 22ff.,93, 120f. siehe auch Arbeitslosigkeit Unternehmensgröße 76, 79 f., 83 f. Unternehmenskonzentration 50 f., 56 ff. - Daten der 77 ff. - F o r m e n d e r 57, 59, 62 f., 83, 85 f. - Messung der 76 f. - Wirkungen der 58 ff. Unternehmensverfassung 32 Unternehmenszusammenschlüsse - Entwicklung der 80, 83 - Formen der 57 f. - Kontrolle der 47, 65, 75 ff., 82 ff. Vereinbarungen - förmliche 54 - vertragliche 62 Verflechtungen - außenwirtschaftliche 92 - finanzielle 80 - personelle 57 f. siehe auch Unternehmenszusammenschlüsse Verfügungsrechte, siehe Eigentumsrechte Vergleichsmarktkonzept 71, 74 f. Verhandlungen 16, 159, 191 Vermögen 167 ff. —sbestand 206 —sbesteuerung 187, 206 - Bewertung von 169, 173 —sentscheidung 103
Sachverzeichnis -
Geld- 168 f., 173 Konsumtiv- 168 f. -skonzentration 178 f., 185 Produktiv- 168 f., 173, 178 f., 186,209, 213 - Sach- 168 - -stransfer 187,206 - Volks- 169 - -szuwachs 206 Vermögensbildung 33, 185 f., 206 ff., 210 - betriebliche 209ff. - überbetriebliche 21 Iff. Vermögenspolitik 186 ff. - Instrumente der 206 ff. Versicherungsmarkt 20 Verstädterung, siehe Agglomeration Verteilung - Einkommens- 13,29,59,93, 127, 163 ff., 172 ff., 185 f., 199 - funktionelle 165ff., 170f., 174, 182, 191 —sillusion 127 - Inflation und 90f. - intergenerationale 165 - internationale 166 - interregionale 166 - intersektorale 166 - intertemporale 165 - -skonflikt 22, 126 —skonzentration 173, 175 ff. - leistungsgerechte 39 f. - Markt- 166 - personelle 165 ff., 171 ff. - -spolitik 32, 136, 186 ff., 207 - primäre 166, 187, 194 - sekundäre 166, 194 - -sstatistik 172 ff. - -sungleichheit 20 ff., 163, 170 ff., 190, 206 - Wachstum und 127 Vertragsfreiheit 11,29 Vertriebsbindungen 56 siehe auch Wettbewerb Verursacherprinzip 16 f., 159 f. siehe auch Umweltpolitik Viereck, magisches 94 Vollbeschäftigung 10, 33, 91, 101, 120, 171, 198 Vorsorgeprinzip 160 siehe auch Umweltpolitik Wachstum —determinanten von 126, 132 f. - Faktoren von 133 —sfetischismus 132 - Grenzen von 156 - Kosten von 128 - maximales 126
-
231
Null- 132, 157 optimales 126 potentialorientiertes 127 qualitatives 26, 128, 131, 157 stetiges u. angemessenes 92, 125, 128, 161 -sstrategien 128 wirtschaftliches 13, 25 ff., 32f., 59, 87, 93, 97 f., 123, 127ff., 136, 146f., 149, 152, 156, 160 Wachstumspolitik 87, 121, 123 ff., 139, 141, 161 f. - aktive 144 - angebotsorientierte 130 - faktorbezogene 134 ff. - Instrumente der 113, 133 ff. Wahl, demokratische 6 f. Wählerverhalten 7 Währung 3 - -sstabilität 29, 118 f. Wechselkurs 92, 113 - fester 33, 96 f., 114, 148" - flexibler 114, 116 Werbung 42, 51 Werturteil 3 , 2 2 , 3 9 , 9 4 , 163 Wettbewerb - Ausnahmebereiche für 49, 67 f., 153 - Beschränkungen für 18, 46, 48 f., 51 ff. - dynamischer 42, 48 - -sfreiheit 48 f. - Funktionen von 38 ff. - funktionsfähiger 43 ff. —shemmnisse 142 - internationaler 59,90, 143, 148, 152, 158 - Kontrolle von 19 - Leistungs- 55 - neoklassische Konzeption von 48 - ökonomischer 9 f., 13, 17 ff., 124, 152 - politischer 7 - Substitutions- 18,85 - unvollkommener 42 f. - Verdrängungs- 45, 63 - vollkommener 18, 29, 41 ff., 182 f. Wettbewerbsintensität - effektive 46 - optimale 46 ff. - potentielle 46 Wettbewerbspolitik 12, 31, 37 ff., 55, 59 ff., 65 ff., 124, 143, 145, 151, 153f. - Leitbilder der 37, 40 ff. Wirtschaft - alternde 137, 139 - stationäre 139, 157 Wirtschaftsordnung 28 ff., 34, 38, 58 - regulierende Prinzipien der 29 f. Wirtschaftspolitik - angebotsorientierte 87, 121, 124, 140, 143, 162
232
Sachverzeichnis
- Begründung von 9 ff., 99 ff. - diskretionäre 12, 102, 104, U l f . , 118f. - entscheidungsorientierte, siehe Entscheidungsprozeß - interventionistische 12 ff., 99 - Konstanz der 29 f., 102, 119 - Kontrollproblem der 5 - Koordinationsproblem der 6, 110 - Instrumente der 3 f., 27 - liberale 9, 11 f. - nachfrageorientierte 88, 162 - praktische 2 f. - theoretische 2 f. - Träger der 2, 5 f., 106, 110, 118 Wirtschaftstheorie 4 Wirtschaftsverfassung 34 Wirtschaftszweige, Klassifikation der 77 Wohlfahrt (auch: Wohlstand) 10,39, 125 f., 130 ff., 144 - -smessung 130 ff. Wohlfahrtsfunktion, soziale 7, 9 Wohlfahrtsökonomik 10f., 180 Wohlfahrtsstaat 32 Workable competition, siehe Wettbewerb, funktionsfähiger
Zahlungsbilanz 91 f., 115 —gleichgewicht 91, 113 Zeitverzögerungen 111 f., 118 Ziele - geldpolitische 114 - gesellschaftliche 3,91, 127, 194 - politische 7, 190 - soziale 190, 205 - stabilitätspolitische 89ff., 114, 118, 120 - strukturpolitische 128 ff., 145 - umweltpolitische 158 - vermögenspolitische 185 ff. - verteilungspolitische 93, 163, 180 ff., 194, 205,210 - wachstumspolitische 124 ff. - wirtschaftspolitische 3, 58, 124, 127, 190, 194, 205 Zielkonflikte 4,27, 94ff., 120f., 127f., 130, 137, 149, 163, 184 Zins 103, 109, 115 f., 136f„ 164, 187,207, 209 —elastizität 103 - -politik 115 siehe auch Geldpolitik - -rigidität 103 Zukunftsmärkte 26
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Von Professor Hal R. Varían Ph. D„ University of Michigan. Aus dem Amerikanischen von Dipl.-Volksw. Martin Weigert.
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