Wilhelm von Humboldt - Briefe: Band I-2 Briefe Juli 1791 bis Juni 1795 9783110376432, 9783110375084

The c. 150 letters document the first 4 years of Humboldt’s marriage, which he began in rural seclusion, before spending

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German Pages 558 [560] Year 2015

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Editionsprinzipien
Die Briefe
199. An Sophie Fränkel, 1. VIII. 1791
200. An Christoph Girtanner, 2. VIII. 1791
201. An David Friedländer, 7. VIII. 1791
202. An Georg Forster, 16. VIII. 1791
203. An Josias Löffler, 19. VIII. 1791
204. An Friedrich Heinrich Jacobi, 22. VIII. 1791
205. An Ernst Gottfried Fischer, 26. VIII. 1791
206. An Friedrich Gentz, August 1791
207. An Carl Theodor v. Dalberg, 18. X. 1791
208. An Sophie Fränkel, 7. XI. 1791
209. An Gentz, Dezember 1791
210. An Gentz, 9. I. 1792
211. An Forster, Ende Januar 1792
212. An Johann Gottfried Ebel, 21. II. 1792
213. An Jakob Dominikus (?), 14. IV. 1792
214. An Friedrich Schiller, 8. V. 1792
215. An Sophie Fränkel, 26. V. 1792
216. An Henriette Herz und Brendel Veit, 26. V. 1792
217. An Rudolf Zacharias Becker (?), 1. VI. 1792
218. An Forster, 1. VI. 1792
219. An Charlotte Schiller, 28. VI. 1792
220. An Carl Gustaf v. Brinkman, 9. VII. 1792
221. An Karoline v. Humboldt, 16. (?) VII. 1792
222. An Karoline v. Humboldt, 17. VII. 1792
223. An Karoline v. Humboldt, 18. VII. 1792
224. An Brinkman, 20. VII. 1792
225. An Karoline v. Humboldt, 23. VII. 1792
226. An Brinkman, 25. VII. 1792
227. An Karoline v. Humboldt, 26. VII. 1792
228. An Friedrich Leopold v. Kircheisen, 1. VIII. 1792
229. An Löffler, 15. VIII. 1792
230. An Brinkman, 24. VIII. 1792
231. An Brinkman, 3. IX. 1792
232. An Brinkman, 14. IX. 1792
233. An Brinkman, 21. IX. 1792
234. An Brinkman, 26. IX. 1792
235. An Friedrich August Wolf, August / September 1792
236. An Brinkman, 8. (?) X. 1792
237. An Brinkman, 11. X. 1792
238. An Schiller, 12. X. 1792
239. An Brinkman, 20. (?) X. 1792
240. An Wolf, 22. X. 1792
241. An Brinkman, 23. X. 1792
242. An Schiller, 25. X. 1792
243. An Forster, 1. XI. 1792
244. An Schiller, 9. XI. 1792
245. An Brinkman, 9. XI. 1792
246. An Brinkman, 30. XI. 1792
247. An Wolf, 1. XII. 1792
248. An Brinkman, 7. XII. 1792
249. An Schiller, 7. XII. 1792
250. An Brinkman, 27. XII. 1792
251. An Schiller, 14. I. 1793
252. An Schiller, 18. I. 1793
253. An Wolf, 23. I. 1793
254. An Wolf, 24. I. 1793
255. An Brinkman, 25. I. 1793
256. An Brinkman, 27. I. 1793
257. An Wolf, 6. II. 1793
258. An Hemmerde & Schwetschke, 7. II. 1793
259. An Brinkman, 8. II. 1793
260. An Wolf, ca. 1. III. 1793
261. An Brinkman, 18. III. 1793
262. An Wolf, 31. 3. 1793
263. An Charlotte Schiller, 24. IV. 1793
264. An Wolf, 27. IV. 1793
265. An Friedrich Wilhelm Gotter, 3. V. 1793
266. An Brinkman, 13. V. 1793
267. An Brinkman, 17. V. 1793
268. An August Wilhelm Schlegel, 25. V. 1793
269. An Brinkman, 30. V. 1793
270. An Wolf, 22./31. V. 1793
271. An Gentz, 5. VII. 1793
272. An Christian Gottlob Heyne, 8. VII. 1793
273. An Brinkman, 14. VII. 1793
274. An Wolf, 5. VIII. 1793
275. An Brinkman, 14. VIII. 1793
276. An Brinkman, 2. IX. 1793
277. An Wolf, ca. 25./28. IX. 1793
278. An Wolf, 4. X. 1793
279. An Löffler, 7. X. 1793
280. An Brinkman, 22. X. 1793
281. An Christian Gottfried Körner, 27. X. 1793
282. An Wolf, 28. X. 1793
283. An David Veit, Oktober (?) 1793
284. An Wolf, 4. (?) XI. 1793
285. An Körner, 8. XI. 1793
286. An Johann Leopold Neumann, 9. XI. 1793
287. An Wolf, 11. (?) XI. 1793
288. An Brinkman, 15. XI. 1793
289. An Hemmerde & Schwetschke, 15. XI. 1793
290. An A. W. Schlegel, 16. XI. 1793
291. An Wolf, 18. XI. 1793
292. An Körner, 19. XI. 1793
293. An Wolf, 28. XI. 1793
294. An Wolf, 5. XII. 1793
295. An Brinkman, 19. XII. 1793
296. An Wolf, ca. 20. XII. 1793
297. An Wolf, ca. 21. XII. 1793
298. An Wolf, 30. XII. 1793
299. An Wolf, 1. I. 1794
300. An Wolf, 10./11. I. 1794
301. An Wolf, 16./17. I. 1794
302. An Körner, 17./18. I. 1794
303. An Wolf, 19./21. I. 1794
304. An Brinkman, 26. I. 1794
305. An Wolf, 2./3. II. 1794
306. An Karoline v. Beulwitz, 15. II. 1794
307. An Wolf, 8./10. III. 1794
308. An Wolf, 23./24. III. 1794
309. An Dalberg, 28./29. III. 1794
310. An Körner, 28./31. III. 1794
311. An Christian Wilhelm v. Dohm, 4. IV. 1794
312. An Wolf, 28. IV. 1794
313. An Johann Gottlob Schneider, 16. V. 1794
314. An Hans Friedrich Vieweg, 23. V. 1794
315. An Wolf, 30. V. 1794
316. An Schiller, Juni / Juli 1794
317. An Wolf, 25. VII. 1794
318. An Brinkman, 14./15. IX. 1794
319. An Schiller, 15. IX. 1794
320. An Schiller, 21./22. IX. 1794
321. An Brinkman, 3. XI. 1794
322. An Johann Wolfgang v. Goethe, 7. XI. 1794
323. An Friedrich Schlegel, 10. XI. 1794
324. An Dohm, 12. XI. 1794
325. An Brinkman, 14. XI. 1794
326. An Körner, 10. XII. 1794
327. An Goethe, 14. XII. 1794
328. An Brinkman, 22. XII. 1794
329. An Wolf, 22. XII. 1794
330. An Wolf, 28./29. XII. 1794
331. An Schneider, 8. I. 1795
332. An Goethe, 30. (?) I. 1795
333. An Wolf, 30. I./2. II. 1795
334. An Goethe, 23. III. 1795
335. An Wolf, 23. III. 1795
336. An Carl August Böttiger, 1. V. 1795
337. An Körner, 7. V. 1795
338. An Christoph Heinrich Krüger, 10. V. 1795
339. An Böttiger, 12. V. 1795
340. An Johann Carl Freiesleben, 12. V. 1795
341. An Goethe, 21. V. 1795
342. An Wolf, 3. VI. 1795
343. An Karoline v. Humboldt, 4. VI. 1795
344. An Goethe, 15. VI. 1795
345. An Wolf, 15. VI. 1795
346. An Böttiger, 22. VI. 1795
347. An Goethe, 22. VI. 1795
348. An Wolf, 26. VI. 1795
349. An Böttiger (?), 26. VI. 1795
Kommentar
Abkürzungsverzeichnis
Maße und Münzen
Siglenverzeichnis
Humboldts Schriften
Humboldts Bücherverzeichnisse
Personenregister
Ortsregister
Sachregister
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Wilhelm von Humboldt Briefe  Band 2

Wilhelm von Humboldt Briefe Historisch-kritische Ausgabe

Abteilung 1: Briefe bis zum Beginn der diplomatischen Laufbahn 1781–1802

Wilhelm von Humboldt Briefe Band 2

Juli 1791–Juni 1795 Herausgegeben und kommentiert von Philip Mattson

ISBN 978-3-11-037508-4 e-ISBN 978-3-11-037643-2 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Layout & Satz: Moritz Ahrens & Leonard Keidel Druck & Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

In memoriam Harold Frazyer Mattson 1904–1998 Jane Mattson, geb. Reynolds 1905–2013

Vorwort Auch dieser Band verdankt sein Zustandekommen der Mitarbeit und dem Entgegenkommen vieler Freunde, Fachleute, Handschrifteneigentümer, Verlagsmitarbeiter. Die mehrfachen vermittelnden Initiativen des Freundes Fritz Peter Knapp kommen auch hier zum Tragen – wie es ja in allen Bänden der Fall sein wird. Hier sei auch den öffentlichen Fundstellen für bereitwillige Abdruck- bzw. Reprogenehmigung gedankt. Von privater Seite kamen auch mehrere Autographen hinzu: Familie Escher (Zürich), Andreas Flitner (Tübingen) und Volker Hesse (Berlin) seien für verständnisvolles Entgegenkommen gedankt, und der Familie der Grafen Trolle-Wachtmeister auf TrolleLjungby (Schweden) sei auch an dieser Stelle gedankt für ihr hochherziges Überlassen der Briefe Humboldts an Carl Gustaf v. Brinkman als Mikrofilm, der von der Universitätsbibliothek Uppsala gehütet wird. Die seinerzeitige fruchtbare Zusammenarbeit mit Erwin Arnold und Ulrich Proetel feiert ab diesem Band, und ganz besonders in diesem, fröhliche Urständ. Ihre Klarstellungen und Kommentarbeiträge zu den Briefen Humboldts an F. A. Wolf werden hier gerne nochmals bescheinigt bzw. übernommen. Die von der Öffentlichkeit selten wahrgenommenen, aber für historische Zusammenhänge oft unentbehrlichen Nachforschungen der Archivare seien hier wie schon im ersten Band besonders hervorgehoben; hier sind vor allem die Herren Rüdiger Glaw, Stadtarchiv Jena, und Roland Kuhne, Stadtarchiv Halle, zu erwähnen. Auch eine Kommentarvermittlung durch den Freund Folker Reichert verdient gebührende Anerkennung. Schließlich sei den befreundeten und so überaus kompetenten Satzgestaltern, Morit­z Ahrens und Leonard Keidel, für optimale Zusammenarbeit sowie Susanne Rade und Peter Heyl für verständnisvolle und vor allem geduldige Verlagsbetreuung herzlichst gedankt. Wien, im März 2015

Ph. M.

VII

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Editionsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Die Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 199.  An Sophie Fränkel, 1. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200.  An Christoph Girtanner, 2. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201.  An David Friedländer, 7. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.  An Georg Forster, 16. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.  An Josias Löffler, 19. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204.  An Friedrich Heinrich Jacobi, 22. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205.  An Ernst Gottfried Fischer, 26. VIII. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206.  An Friedrich Gentz, August 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207.  An Carl Theodor v. Dalberg, 18. X. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208.  An Sophie Fränkel, 7. XI. 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209.  An Gentz, Dezember 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210.  An Gentz, 9. I. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211.  An Forster, Ende Januar 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.  An Johann Gottfried Ebel, 21. II. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.  An Jakob Dominikus (?), 14. IV. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.  An Friedrich Schiller, 8. V. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215.  An Sophie Fränkel, 26. V. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216.  An Henriette Herz und Brendel Veit, 26. V. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . 217.  An Rudolf Zacharias Becker (?), 1. VI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218.  An Forster, 1. VI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219.  An Charlotte Schiller, 28. VI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220.  An Carl Gustaf v. Brinkman, 9. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221.  An Karoline v. Humboldt, 16. (?) VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.  An Karoline v. Humboldt, 17. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.  An Karoline v. Humboldt, 18. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.  An Brinkman, 20. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225.  An Karoline v. Humboldt, 23. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 14 16 18 19 21 22 24 30 31 31 34 46 47 49 50 52 53 55 56 60 60 61 61 63 65 66

IX

226.  An Brinkman, 25. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 227.  An Karoline v. Humboldt, 26. VII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 228.  An Friedrich Leopold v. Kircheisen, 1. VIII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . 70 229.  An Löffler, 15. VIII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 230.  An Brinkman, 24. VIII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 231.  An Brinkman, 3. IX. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 232.  An Brinkman, 14. IX. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 233.  An Brinkman, 21. IX. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 234.  An Brinkman, 26. IX. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 235.  An Friedrich August Wolf, August / September 1792 . . . . . . . . . . . . . . . 83 236.  An Brinkman, 8. (?) X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 237.  An Brinkman, 11. X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 238.  An Schiller, 12. X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 239.  An Brinkman, 20. (?) X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 240.  An Wolf, 22. X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 241.  An Brinkman, 23. X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 242.  An Schiller, 25. X. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 243.  An Forster, 1. XI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 244.  An Schiller, 9. XI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 245.  An Brinkman, 9. XI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 246.  An Brinkman, 30. XI. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 247.  An Wolf, 1. XII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 248.  An Brinkman, 7. XII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 249.  An Schiller, 7. XII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 250.  An Brinkman, 27. XII. 1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 251.  An Schiller, 14. I. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 252.  An Schiller, 18. I. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 253.  An Wolf, 23. I. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 254.  An Wolf, 24. I. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 255.  An Brinkman, 25. I. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 256.  An Brinkman, 27. I. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 257.  An Wolf, 6. II. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 258.  An Hemmerde & Schwetschke, 7. II. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 259.  An Brinkman, 8. II. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 260.  An Wolf, ca. 1. III. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 261.  An Brinkman, 18. III. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 262.  An Wolf, 31. 3. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 263.  An Charlotte Schiller, 24. IV. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 264.  An Wolf, 27. IV. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 265.  An Friedrich Wilhelm Gotter, 3. V. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

X

266.  An Brinkman, 13. V. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 267.  An Brinkman, 17. V. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 268.  An August Wilhelm Schlegel, 25. V. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 269.  An Brinkman, 30. V. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 270.  An Wolf, 22./31. V. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 271.  An Gentz, 5. VII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 272.  An Christian Gottlob Heyne, 8. VII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 273.  An Brinkman, 14. VII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 274.  An Wolf, 5. VIII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 275.  An Brinkman, 14. VIII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 276.  An Brinkman, 2. IX. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 277.  An Wolf, ca. 25./28. IX. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 278.  An Wolf, 4. X. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 279.  An Löffler, 7. X. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 280.  An Brinkman, 22. X. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 281.  An Christian Gottfried Körner, 27. X. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 282.  An Wolf, 28. X. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 283.  An David Veit, Oktober (?) 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 284.  An Wolf, 4. (?) XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 285.  An Körner, 8. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 286.  An Johann Leopold Neumann, 9. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 287.  An Wolf, 11. (?) XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 288.  An Brinkman, 15. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 289.  An Hemmerde & Schwetschke, 15. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 290.  An A. W. Schlegel, 16. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 291.  An Wolf, 18. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 292.  An Körner, 19. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 293.  An Wolf, 28. XI. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 294.  An Wolf, 5. XII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 295.  An Brinkman, 19. XII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 296.  An Wolf, ca. 20. XII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 297.  An Wolf, ca. 21. XII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 298.  An Wolf, 30. XII. 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 299.  An Wolf, 1. I. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 300.  An Wolf, 10./11. I. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 301.  An Wolf, 16./17. I. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 302.  An Körner, 17./18. I. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 303.  An Wolf, 19./21. I. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 304.  An Brinkman, 26. I. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 305.  An Wolf, 2./3. II. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

XI

306.  An Karoline v. Beulwitz, 15. II. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 307.  An Wolf, 8./10. III. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 308.  An Wolf, 23./24. III. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 309.  An Dalberg, 28./29. III. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 310.  An Körner, 28./31. III. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 311.  An Christian Wilhelm v. Dohm, 4. IV. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 312.  An Wolf, 28. IV. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 313.  An Johann Gottlob Schneider, 16. V. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 314.  An Hans Friedrich Vieweg, 23. V. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 315.  An Wolf, 30. V. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 316.  An Schiller, Juni / Juli 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 317.  An Wolf, 25. VII. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 318.  An Brinkman, 14./15. IX. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 319.  An Schiller, 15. IX. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 320.  An Schiller, 21./22. IX. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 321.  An Brinkman, 3. XI. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 322.  An Johann Wolfgang v. Goethe, 7. XI. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 323.  An Friedrich Schlegel, 10. XI. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 324.  An Dohm, 12. XI. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 325.  An Brinkman, 14. XI. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 326.  An Körner, 10. XII. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 327.  An Goethe, 14. XII. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 328.  An Brinkman, 22. XII. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 329.  An Wolf, 22. XII. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 330.  An Wolf, 28./29. XII. 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 331.  An Schneider, 8. I. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 332.  An Goethe, 30. (?) I. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 333.  An Wolf, 30. I./2. II. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 334.  An Goethe, 23. III. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 335.  An Wolf, 23. III. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 336.  An Carl August Böttiger, 1. V. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 337.  An Körner, 7. V. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 338.  An Christoph Heinrich Krüger, 10. V. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 339.  An Böttiger, 12. V. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 340.  An Johann Carl Freiesleben, 12. V. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 341.  An Goethe, 21. V. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 342.  An Wolf, 3. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 343.  An Karoline v. Humboldt, 4. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 344.  An Goethe, 15. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 345.  An Wolf, 15. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

XII

346.  An Böttiger, 22. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 347.  An Goethe, 22. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 348.  An Wolf, 26. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 349.  An Böttiger (?), 26. VI. 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Maße und Münzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 Humboldts Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 Humboldts Bücherverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544

Abbildungsverzeichnis 1.  Handschriftenwiedergabe des ersten Briefs an F. A. Wolf (Seite 1) . . . . . . . . 236 2.  Vollständige Wiedergabe der Handschrift des Briefs 307 an Wolf . . . . . . . . . 237 3.  Handschriftenprobe eines Brief-Zettels Wolfs an Humboldt . . . . . . . . . . . 441

XIII

Einleitung Am Beginn dieses Bandes, im Sommer 1791, finden wir Humboldt mitten im Idyll, das die Brautleute sich seinerzeit ausgedacht hatten, in glücklicher Häuslichkeit auf dem Dacherödenschen Familiengut, Burgörner, dem Schauplatz ihrer ersten Begegnung im Sommer 1788. Die Hochzeit liegt rund fünf Wochen zurück, und Humboldt lebt „unendlich glüklich“, seine Frau Karoline sei „heiter und froh“, ihr Zusammensein sei „durch nichts gestört“ (Brief 199, Z. 24 f. – im folgenden 199/24 f.): die äußeren Bedingungen zur Verwirklichung jener Pläne, die ihn zur Aufgabe einer viel versprechenden Laufbahn im preußischen Justizwesen bewogen hatten, konnten nicht günstiger sein. Aber wohin tendierten diese Pläne? Es ist auffallend, dass Humboldt in den Brautbriefen gelegentlich von seinen ,Studien‘ sprach, dies aber nur ganz allgemein, ohne sie thematisch näher zu umreißen. Das wird kein Zufall sein. Denn das Ideal, das er und Karoline sich gesetzt hatten, war zwar auch das aller jungen Verliebten: einander ganz zu leben, für einander unter Ausschluss störender Nebenumstände zu existieren, inein­ander völlig aufzugehen usw. Als Ideal war das durchaus nichts Ungewöhnliches, und natürlich auch als solches etwas völlig Unerreichbares. Das Besondere daran war, dass noch etwas hinzukam: die bereits angedeuteten, nicht näher definierten ,Studien‘, die vor allem die Selbstverwirklichung fördern sollten. Es war dies gewissermaßen eine Vertiefung und Verfeinerung des Ideals der Selbstvervollkommnung, das die schwärmerische ,Verbindung‘ mit den Jugendfreunden Henriette Herz, Brendel Veit und Carl von La Roche beseelt hatte, und nun sollten philosophische Untersuchungen und Lektüre in den klassischen Sprachen, aber auch beispielsweise eine Vertiefung der in Berlin begonnenen astronomischen Studien diese Selbstverwirklichung ermöglichen. Nebenbei diente die Einführung Karolines ins Griechische durch Humboldt – ein Vorhaben der Brautleute, das konkret formuliert worden war – ihrer Selbstverwirklichung. Wesentlich zur Charakterisierung des Burgörnerschen Idylls ist, dass zunächst keine publizistischen Pläne damit verbunden waren: Humboldt hat sich nicht zurückgezogen, um Bücher zu schreiben, sondern um sich zu bilden. Das sollte sich aber bald ändern. Humboldt hatte sich zwar physisch isoliert, aber nicht alle Verbindung mit der Außenwelt abgebrochen: die briefliche Verbindung mit den Freunden blühte geradezu auf. In den Wochen nach der Heirat müssen gehaltreiche Briefe mit dem Berliner Freund Friedrich Gentz gewechselt worden sein, und diese Auseinandersetzung führte denn auch zu einer ersten Schwerpunktbildung der ländlichen ,Studien‘. Ein Umgang mit Gentz konnte nämlich schon in dessen Jugend-

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jahren nur mit einem intensiven politischen Diskurs einhergehen, dessen Hintergrund natürlich die Französische Revolution bildete. Wie Humboldt – und mit ihm der Großteil der europäischen Jugend überhaupt – hatte auch Gentz, der spätere vehemente Gegner der Revolution, den politischen Umsturz in Paris zunächst begrüßt, und in den Folgejahren, als er sich allmählich von seiner anfänglichen Begeisterung distanzierte, blieb sie ein Hauptthema ihres geistigen Umgangs. In den ersten Wochen des Burgörnerschen Aufenthalts schrieb Humboldt dem Freund eine längere briefliche Darlegung seiner „Ideen über Staatsverfassung, durch die neue französische Constitution veranlaßt“ (Brief 206; Kurztitel in dieser Ausgabe: Staatsverfassung), ohne jede Publikationsabsicht, sondern nur um über die eigenen Gedankengänge Klarheit zu gewinnen, und der Empfänger schickte den Brief kurzerhand an den Herausgeber der führenden Zeitschrift der Berliner Aufklärung, der ,Berlinischen Monatsschrift‘, Johann Erich Biester, der ihn, mit obiger Überschrift versehen, bereitwillig abdruckte. Dieser Brief war gewiss einer von mehreren, die nach Humboldts Abreise Mitte Juni 1791 (zur Hochzeit in Erfurt) den mündlichen politischen Diskurs des Berliner Umgangs auf schriftlichem Weg fortsetzten, die aber nicht auf uns gekommen sind, weil Gentz zu jenen gehörte, die ihre Privatkorrespondenz prinzipiell nicht aufbewahrten (die wenigen erhaltenen Briefe Humboldts an ihn sind meist solche, die der Empfänger an Dritte weiterleitete; in diesem Band wird ein weiterer Fall dieser Art vorkommen). Nur dem Umstand, dass Gentz in diesem Fall die Idee gekommen war, diese besonders geschlossene Argumentation einer Publikationsmöglichkeit zuzuführen, ist es zu verdanken, dass wir heute den Text überhaupt besitzen, und dank diesem Umstand ist Humboldt im Handumdrehen aus dem sich selbst lebenden Landedelmann zum staatstheoretischen Publizisten geworden. Diese unbeabsichtigte Wendung bewirkte in der Folge eine Wandlung im Selbstbildungsplan, einen Richtungswechsel seiner Einstellung von innen nach außen, zur Überlegung hin, man könnte diese Art der Selbstverwirklichung auch an die Öffentlichkeit herantragen. Das mangelnde Selbstvertrauen, das manche Äußerung in den Brautbriefen belegte, war so weit überwunden, dass er nunmehr mit erklärter Publikationsabsicht zur Feder zu greifen bereit war. Eine weitere Frucht des Umgangs mit Gentz entstand in den Wochen nach Gentz’ Besuch in Burgörner Anfang November 1791: die umfangreichste Schrift seiner Jugendjahre, „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“ (Staatswirksamkeit). Brief 210 beweist, dass bereits zu Beginn des Jahres 1792 große Partien dieser Abhandlung fertig ausgearbeitet waren, denn etliche Passagen des Briefes sind im Wortlaut deckungsgleich mit der späteren Druckversion (aus diesem Grund wird nur die abweichende erste Hälfte des Briefs vollständig wiedergegeben). Dass dieses Publikationsvorhaben doch nicht verwirklicht wurde, zumindest nicht zu Lebzeiten des Autors, lag an mehreren Faktoren. Da war zunächst die Radikalität der Grundthese der Schrift selbst, wonach der Staat lediglich für innere und äußere

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Sicherheit zu sorgen habe, sonst aber jeden Eingriff, der die freie Persönlichkeitsentfaltung seiner Bürger beeinträchtigen könnte, tunlichst zu unterlassen habe. Kein Wunder, dass dies bei der Berliner Zensur auf Bedenken stieß. Nachdem der Freund Carl Gustaf von Brinkman in Berlin Verlagsverhandlungen geführt hatte, wandte sich ­Humboldt deshalb an Schiller mit der Bitte, nach einem auswärtigen Verleger Ausschau zu halten. Vorabdrucke erscheinen, in Biesters Zeitschrift und in Schillers ,Neuer Thalia‘, um Bogenhonorar wird gefeilscht, und als es dann tatsächlich gelingt, einen auswärtigen Verleger zu finden, macht Humboldt eine für ihn nicht untypische Kehrtwendung: er wolle die nach seiner Ansicht dringend notwendige Umarbeitung allenfalls später vornehmen, da ihn momentan andere Beschäftigungen in Anspruch nehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass ihm auch wegen einer möglichen späteren Anstellung im auswärtigen Department, von dem er sich wohlweislich nur hatte beurlauben lassen, Bedenken gekommen waren, sie könne durch diese dem Hof gewiss nicht genehme Schrift erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Auch ist es denkbar, dass Humboldt den Vergleich mit dem als gewandten politischen Schriftsteller bereits hervorgetretenen Gentz scheute, dessen Bearbeitung von Edmund B ­ urkes ,Betrachtungen über die französische Revolution‘ er enthusiastisch begrüßt hatte (Br. 259). Inzwischen hatte sich jedoch der ambitionierte Publizist wieder den eigenen Studien zugewandt, und diese waren nun philologischer Natur. Im Sommer 1792 suchte Humboldt den berühmten Gräzisten Friedrich August Wolf in Halle auf, und es kam bald zu einem regen Briefverkehr zwischen dem bestallten Professor und dem dilettierenden Privatmann. Wie so oft in seinem bisherigen Leben schloss sich Humboldt einem älteren Etablierten zu diesem Behuf freundschaftlich an, anstatt einen Gleichaltrigen zu suchen. Man denke z. B. an Friedrich Schlegel, mit dem in diesen Jahren ein brieflicher Kontakt zustande kam, der zunächst beiderseits einiges erwarten ließ, auch hinsichtlich der Griechischstudien, aber aus Gründen, die nur vermutet werden können, nicht von Dauer war. Die Motivation der Annäherung an Wolf war – wie immer – der Wunsch, durch den Umgang mit dem neuen Freund Fortschritte in der eigenen Bildung zu erfahren. Das bestätigt Humboldt dem allerersten dieser Freunde, Georg Forster, einmal ausdrücklich (204/36). Sogar eine Äußerung in einem Brief an Christoph Girtanner besagt Ähnliches (200/7). Der Eifer, mit dem Humboldt den Briefwechsel mit Wolf führte, zeigt jedenfalls, wie anregend sich diese Verbindung auf seine Privatstudien auswirkte. Die Aussagen der ersten Briefe zeigen aber auch deutlich, dass Humboldt noch vor dieser Annäherung schon im Banne Pindars stand und bereits ahnte, dass dessen scheinbar freien Rhythmen ein festes metrisches Schema zugrunde lag. Das wird bereits im Mai 1792, im ersten Brief an Schiller (214), angedeutet, in dem von Humboldts Wunsch, als Pindar-Übersetzer öffentlich aufzutreten – gekoppelt mit der zaghaften Frage, ob Schiller ihm die dazu notwendige verstechnische Gewandtheit zutraue – die Rede ist. Der

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Funke, der mit der Publikation von Staatsverfassung gezündet worden war, war noch nicht verglommen. Im ersten Brief an Wolf tritt Humboldt zwar als ,abwesender Schüler‘ des Empfängers auf (235/18), aber auch als selbstbewusster Denker über Grundfragen der Philologie. So nimmt es nicht wunder, dass er sogar recht bald mit einer Schrift aufwartet, die sein späteres Wort, er sei zwar nicht dazu gemacht, „Philologe von Metier“ zu sein, habe aber die Fähigkeit, über das Wesen der Antike Grundsätzliches zu liefern (247/49), rechtfertigt: „Über das Studium des Alterthums, und des Griechischen insbesondre“ (Altertumsstudium). Damit meldete sich aber auch wieder der Privatgelehrte mit publizistischen Ambi­ tionen zurück, denn diese ,Griechenskizze‘, wie er die Schrift häufig nennt, war offenbar als Einleitung zu einer ganzen Publikationsreihe unter dem Sammeltitel „Hellas“ gedacht, die sich aus den immer ausgedehnteren Studien Humboldts mehr oder weniger von selbst ergab: eine in loser zeitlicher Folge erscheinende Reihe von Übersetzungen und Aufsätzen, auch zu Sachthemen – man denke an die erst später entstandene Pauly/Wissowasche ,Realenzyklopädie‘ –, der eine grundsätzliche Einleitung vorangestellt werden sollte, zweifellos eine ausführlichere Fassung der ,Griechenskizze‘. Das Gesamtprojekt konnte zwar so nicht zustande kommen, aber schon seine Konzipierung zeigt, von welcher Höhe aus dieser dilettierende Landedelmann auf das Gebiet schaute. (Dass die ,Griechenskizze‘ so skizzenhaft blieb, lag übrigens an einer nicht überlieferten Stellungnahme Wolfs, die die Selbstzweifel Humboldts wieder die Oberhand gewinnen und ihn von einer ausführlichen Ausarbeitung Abstand nehmen ließ, wie er Jahrzehnte später berichten wird: die Schrift sei eine seiner besten Arbeiten, und er hätte auf Wolf nicht hören sollen – vgl. zu 262/59.) Auch ein weiterer Teil dieses Projekts war bereits im Entstehen begriffen: das Übersetzen antiker Dichtung. Mit Proben seiner Pindar-Übersetzungen war Humboldt ja bei der ersten Begegnung mit Wolf aufgetreten (235/26), und hier war sein Ideal einer metrisch getreuen Übersetzung schon deshalb bemerkenswert, weil sonst kaum jemand – Wolf inklusive – Humboldts Ansicht teilte. Außer Pindar gelang Humboldt eine schöne Übersetzung des Danae-Fragments des Simonides aus Kos (294/10) und von Aischylos, den er ebenfalls noch vor der Begegnung mit Wolf eifrig las, übersetzte er einen Chor aus den Eumeniden, den Biester in seiner Zeitschrift abdruckte. Diese Arbeiten gingen mit erschöpfenden metrischen Studien einher, über die in langen, detaillierten Briefen an den gelehrten Freund referiert wird. Humboldts Bestreben, die Geheimnisse der Pindarschen Metrik zu ergründen, führten ihn sogar zu einem ungewöhnlichen und letztlich völlig ungeeigneten Schritt: beim letzten Schüler Johann Sebastian Bachs musikalischen Unterricht (inklusive Generalbass!) zu nehmen, worüber ebenfalls berichtet wird (264/10). Alle diese Versuche galten somit poetischen Vorlagen und hatten damit gleichzeitig – nach Humboldts strenger Auffassung – nicht nur den Wortlaut, sondern auch die Ge-

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setze der Prosodie zu beachten, ein Prinzip, das der Wiedergabe des Gedankenflusses selten günstig ist. Umso mehr ist es zu bedauern, dass Humboldt mit dem Vorhaben einer Thukydides-Übersetzung nur geliebäugelt hat (241/26 u. ö.); verkörperte dieser Historiograph doch das, was Humboldt später als das Non-plus-Ultra der sprachlichen Vollendung – und das war für ihn die ideenanregende Wirkung einer Sprache auf ihre Sprecher – betrachten sollte: die attische Prosa. Es ist zwar mehr als verständlich, dass eine vollständige Übersetzung dieses Mammutwerks durch Humboldt nicht zustande kam, aber wie würde wenigstens eine Probe, etwa die Leichenrede des Perikles, aus der Feder Humboldts willkommen sein, der zum Prosaisten weit mehr Veranlagung besaß als zum Versifikator. Es ist auch denkbar, dass er dadurch auch an stilistischem Selbstvertrauen gewonnen hätte, an jener Geschmeidigkeit, deren Fehlen in seinen nächsten publizistischen Versuchen so sehr gerügt werden sollte. Die intensive Korrespondenz mit Wolf tat aber jener mit dem Freund seiner letzten Berliner Jahre, Carl Gustaf von Brinkman, keinen Abbruch. Auch sie nimmt einen großen Teil des Bandes ein (Brinkman wurde bereits als Verlagsvermittler für Staatswirksamkeit erwähnt). In den Briefen an ihn ist Humboldts Ton auffallend lockerer, ungezwungener, ja oft frivol. Humboldt setzt den Umgangston der häufigen persönlichen Treffen mit dem Freund – oft zusammen mit Gentz – in schriftlicher Form fort, und es fällt auf – und darf gerade in einer deutschen Publikation nicht stillschweigend übergangen werden –, dass oft scherzhaft auf Juden angespielt wird, mit Formulierungen, die damals und noch lange danach unter einem Sammelbegriff wie etwa ,harmloser Antisemitismus‘ quittiert worden wären und auch gewiss so gemeint waren, heute aber zumindest en passant registriert werden müssen. Der häufige Umgang dieses auch gesellschaftlich durchaus unternehmungslustigen Trios – Humboldt, Gentz und Brinkman – in jüdischen Kreisen, vor allem aber mit Jüdinnen (Henriette Herz, Brendel Veit, ,der Fränkel‘, Rahel Levin), wird der Anlass dieser ewigen Anspielungen gewesen sein, die eine Art von Selbstironie zum Ausdruck brachten: Berlin sei derartig langweilig, dass nur der Umgang mit Juden eine lohnende Unterhaltung verspreche. In den Briefen an Brinkman durfte offenbar eine solche Bemerkung nicht fehlen; es hat vielmehr den Anschein, dass der Empfänger sie geradezu erwartete, und in den – verlorenen – Briefen an Gentz wird es nicht anders gewesen sein. Freilich zogen beide, Humboldt und Gentz, im Ernstfall, wenn der ,scherzhafte‘ Antisemitismus grimmig zu werden drohte, eine rote Linie, und auch bei Brinkman darf man eine gleiche Haltung annehmen. Ein seriöses Thema der Briefe, die Humboldt mit Brinkman gewechselt hat, war aber die eigene Selbstanalyse bzw. die Auseinandersetzung mit dem Bild Humboldts, das man sich nach Brinkmans Darstellung in der Berliner Gesellschaft gebildet hatte. Immer wieder ist von Humboldts angeblicher ,Kälte‘ die Rede – wie schon im ersten ­ amals, und er Band dieser Edition. Humboldts Reaktion ist jetzt noch gelassener als d antwortet darauf selbstsicher: „Wenn ich einen Eindruck mache, ist es ein bleibender“

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(259/85), und er gibt sich wenigstens nach außen hin unbekümmert darüber, was ,die anderen‘ über ihn denken: ein weiteres Zeugnis zunehmender Selbstsicherheit. In den Briefen an Brinkman zeigt sich dieses gestärkte Selbstvertrauen an einer anderen Stelle, gewissermaßen auf höherem, über das eigene Empfinden hinausgehendem Niveau: in einer Charakteristik des Bruders Alexander, die in einer erstaunlich hellsichtigen Prophezeiung der künftigen Leistungen und Bedeutung des Bruders gipfelt – in einer Naturwissenschaft freilich, von der Wilhelm fordert, sie möge stets den Menschen in den Mittelpunkt stellen – und bei der er ausdrücklich sagt, seine Worte seien mit der „ruhige[n] Kälte“ geschrieben, „in der nicht Zuneigung, Liebe […] den Gesichtspunkt verrükt“ (261/138). Wie weit ist diese Stelle vom gelegentlichen Spott der Brautbriefe oder von der Herablassung entfernt, mit der Humboldt den jüngeren Bruder Forster empfohlen hatte (119/20 –Bd. 1), beides Haltungen, die aus den noch vorhandenen Spannungen geschwisterlicher Rivalität zu erklären sind. Auch den Koadjutor Dalberg sieht und beurteilt er nun viel nüchterner und durchaus nicht mehr mit der schwärmerischen Bewunderung der Brautzeit (vgl. 315/15). Als weiterer Beleg dieser gewonnenen Urteilssicherheit und zum Abschluss der Charakteristik des Briefwechsels mit Brinkman sei auf ein Zerwürfnis zwischen den beiden hingewiesen, das fast zum Abbruch der Freundschaft geführt hätte: Humboldt beantwortet eine Beschwerde des Freundes über eine Eintrübung der Beziehung während seines Berlin-Aufenthalts im Sommer 1793 mit sorgfältig ausformulierten Gegenargumenten, die zu einem Befund gelangen, der sich etwa wie folgt zusammenfassen lässt: ,Sie befinden sich auf dem Weg zu einer flatterhaften, affektierten Oberflächlichkeit, mit der ich nichts zu tun haben will.‘ Der Brief ist in seiner Argumentation ein Meisterstück und zeigt auch den künftigen Diplomaten, dessen Anwesenheit am grünen Tisch oft auf die Verhandlungspartner furchterregend wirkte, in aller Deutlichkeit. Der sonst schreibsüchtige Brinkman schwieg daraufhin Monate lang. Aber zurück zu Humboldts ,Studien‘. Auch in diesen Monaten waren sie nicht ausschließlich der Philologie gewidmet, denn eine neue Bekanntschaft, mit dem Freund Schillers, Christian Gottfried Körner, gab seiner alten Liebe zur Philosophie neuen Auftrieb. Humboldt lernte ihn während eines Aufenthalts in Dresden im Sommer 1793 kennen, wo Körner, Oberappellationsrat dort, gerade jene Berufslaufbahn beschritt, die dem jungen Humboldt vorbestimmt war (ohne nachteilige Folgen für Körners sonstige geistige Interessen). Das Gespräch der beiden spann sich um grundlegende ästhetische Fragen, die vor allem durch Körners Meinung, man müsse das Schöne durch konkrete Eigenschaften definieren können, bei Humboldt eine Rückkehr zum „Canon“ aller Philosophie, den kritizistischen Schriften Kants (281/20), hier insbesondere der ,Kritik der Urteilskraft‘, zur Folge hatte, aus welcher grundsätzliche Darlegungen der Problematik durch Humboldt resultierten, die auch Friedrich Schlegel beeindruckten. Im großen philosophischen Brief an Körner fällt dann einige Wochen danach das Wort von der „Kunst, aus Faktis Philosophie zu ziehen“ (292/70), das als

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Motto für Humboldts ganzes wissenschaftliches Œuvre dienen könnte. Stellt doch seine spätere Sprachwissenschaft ein riesiges Gebäude aus akribischer Empirie dar, die auf philosophischem Fundament errichtet wurde und fruchtbar darauf zurückwirkte. Der Gewinn der beiden neuen Freunde, Wolf und Körner, war allerdings mit dem Verlust eines der ältesten einhergegangen. Die Nachricht von Georg Forsters Parteinahme für die Mainzer Klubbisten nimmt Humboldt zunächst mit Verwunderung, ja Kopfschütteln zur Kenntnis (249/33); später, nach der Rückeroberung der Stadt und der Auflösung von Forsters Ehe, wird er nur noch vom ,armen Forster‘ sprechen, der auch im Zeitrahmen dieses Bandes, einsam und verarmt, 1794 in Paris stirbt. – Den ,Verlust‘ eines weiteren Freundes beklagt Humboldt mehrfach in diesen Briefen, des engsten Freundes aus der Göttinger Studienzeit, Israel Stieglitz (jetzt spricht Humboldt übrigens nur noch vom ,stinkenden Göttingen‘, wo er „im Olymp zu seyn glaubte“ – 317/58). Wir erfahren nicht, wodurch Stieglitz den Freund, der ihm auch späterhin bescheinigen wird, bei einem Badevorfall in der Leine sein Leben gerettet zu haben (vgl. Brief 32 – Bd. 1), so bitter enttäuscht hat (vgl. 230/11 u. ö.). War es vielleicht nur, dass er ihm einfach nicht schrieb? Der einzige überlieferte Brief Humboldts an ihn wird erst etwa zehn Jahre nach dem letzten dieses Bandes geschrieben werden und nimmt den vertraulichen Ton des Göttinger Umgangs wie selbstverständlich wieder auf. Zu dieser Zeit ist freilich in Humboldts Leben eine neue Epoche angebrochen: Ende Februar 1794 übersiedelt die junge Familie, einer Anregung Schillers folgend, nach Jena, und obwohl Schiller selbst erst im Mai von seiner Reise in die Heimat dorthin zurückkehren sollte, wirkt die Änderung der äußeren Lage allein, nach Jahren in ländlicher Isolierung, die – dies hebt Humboldt mehrfach hervor – vor allem im Winter schwer erträglich war, wie eine Befreiung. Es gab aber noch einen Grund, nicht erst Schillers Rückkehr abzuwarten: Karolines bevorstehende Niederkunft, die möglichst nicht auf dem Lande vor sich gehen sollte (auch die Tochter Karoline war ja in Erfurt, nicht in Burgörner geboren worden – im Mai 1792). In Jena stand ihnen in Professor Stark ein erfahrener Accoucheur zur Disposition, und die Geburt des Sohnes Wilhelm am 5. Mai 1794 verlief nach Wunsch. Kurz danach war auch Schiller wieder im Lande, und nun begann jener tägliche Umgang, man kann auch sagen ein ununterbrochenes philosophisches Gespräch der beiden Freunde, auf das Humboldt in späteren Jahren immer mit Dankbarkeit und Sehnsucht zurückblicken sollte. Es war ein beiderseits aktiver, aber nun einmal mündlicher Dialog, über den nichts Näheres überliefert ist, der aber gewiss hauptsächlich Ästhetik, Dichtung, Prosodie u. dgl. betraf. Es war vor allem für Schiller eine willkommene Gelegenheit, die eigenen Gedankengänge an diesem scharfsinnigen Raisonneur auszuprobieren (eine spätere Briefstelle Schillers lässt diese Behauptung berechtigt erscheinen). Und es war ein besonders glücklicher Umstand, dass just in jener Lebensepoche des Dichters ein solcher Geist in seine Nähe zog, da er selbst vorwiegend mit philosophischen Fragen befasst war. Die Briefe an den Herzog Friedrich Christian

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von Augustenburg waren bis zu diesem Zeitpunkt längst geschrieben und harrten der Überarbeitung und Veröffentlichung als „Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen“, und gewiss spannen die Gespräche der beiden Freunde diese Materie weiter fort. Noch hatte das denkwürdige Gespräch Schillers mit Goethe beim Verlassen einer Zusammenkunft der Jenaer „Naturhistorischen Gesellschaft“ nicht stattgefunden, und es ist ein glücklicher Zufall, dass es gerade Humboldt war, der die Fahrgelegenheit für Schillers kurze Reise ins Haus Goethes bereitstellte, als nämlich Schiller den neuen Freund um die Erlaubnis bat, bei ihm krank sein zu dürfen. So markierte jener Besuch Schillers bei Goethe nicht nur die Zementierung dieses Freundschaftsbunds, er fädelte auch den Beginn der Freundschaft Humboldts mit Goethe ein (vgl. zu Br. 320/2). Gleichsam als Nebenprodukt dieser Verbindung erfuhren Humboldts Studien eine Erweiterung, denn die anatomischen Studien, die der neue Freund gerade in dieser Epoche eifrig betrieb und die ihn immer wieder zu Aufenthalten in Jena veranlassten, wo er mit dem Jenenser Professor der Anatomie, Justus Christian Loder, eng zusammenarbeitete, lagen auch Humboldt gewissermaßen auf dem Weg. Hatte er doch jüngst gefordert, den Menschen in den Mittelpunkt der Naturwissenschaft zu stellen, und so lag es nahe, dass auch er sich an diesen Studien beteiligte und noch dazu Loders Vorlesungen beiwohnte. Welch glückliche Fügung, die Beschäftigung mit einer als notwendig erkannten Disziplin auch als Vehikel zu verwenden, um einen umso intensiveren Umgang mit dem großen neuen Freund genießen zu können! Einige Wochen vor dieser Wendung hatte Humboldt an einer Krankheit laboriert, die medizingeschichtlich nicht uninteressant ist. Man will es zunächst nicht glauben, aber alles spricht dafür, dass er im Juni / Juli 1794 an Malaria erkrankt war. In unseren Tagen ist man geneigt, diese Krankheit ausschließlich in den Tropen anzusiedeln, aber Humboldts (und Schillers) Aussagen und die konsultierte Fachliteratur deuten auf eine, freilich nicht allzu schwere, Malariaerkrankung hin (vgl. 317/17 und den Kommentar). Es ist für Humboldt nicht untypisch, dass er während der Krankheit, „im Fieberfrost“, wie er schreibt (316/30), die Kraft fand, das Gespräch mit Schiller in Form eines Gedichts fortzusetzen: eine petrarkisch aufgebaute „Canzone“ als Erläuterung zu einem ihrer prosodischen Gespräche (Brief 316). Humboldt zog dann im Oktober 1794 in Schillers unmittelbare Nähe, ins gegenüber gelegene Haus, Unterm Markt 4 (Schiller wohnte im Haus Nr. 1). Ab diesem Zeitpunkt stand der Plan des Freundes, eine völlig neue, niveauvolle Zeitschrift mit Namen „Die Horen“ herauszugeben, im Mittelpunkt der Diskussion. Humboldt wurde auch Mitglied des Redaktionskomitees, und wieder erwachte der Wunsch in ihm, publizistisch hervorzutreten. Er verfasste – von Schiller regelrecht angefeuert – zwei Aufsätze für das neue Organ, „Ueber den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluß auf die organische Natur“ und „Ueber die männliche und weibliche Form“, die auch im ersten Quartal 1795 abgedruckt wurden, allerdings mit fatalen Folgen: Humboldts ,Horen‘Aufsätze fielen beim Publikum komplett durch und lieferten jahrelang die Stichworte

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für Spötteleien über deren Verfasser. Man stieß sich an der ganzen Idee, derlei Thematik einer philosophischen Behandlung zuzuführen, aber auch an der Steifheit der Ausführung. Schiller selbst hatte in einer früheren Stellungnahme Humboldts stilistische Begabung stark angezweifelt (er habe wohl zu schriftstellerischen Arbeiten kein rechtes Talent), und ein Brief Kants an ihn, den er auch Humboldt mitteilte, brachte die Schwierigkeit des Unternehmens auf den Punkt: der Verfasser sei wohl ein ,guter Kopf ‘ – die ,Horen‘-Beiträge erschienen ja anonym –, aber bei einer solchen Sachlage (der Aufteilung der organischen Natur in zwei Geschlechter) sei philosophisch nun einmal nichts auszurichten; die „Natureinrichtung“ der Fortpflanzung entziehe sich einer vernunftmäßigen Betrachtung (vgl. zu 337/58). Humboldt gab sich in einigen brieflichen Äußerungen darüber zwar ungerührt, aber die Wirkung der Ablehnung des von ihm geradezu angebeteten Immanuel Kant wird vernichtend gewesen sein. Auch ein recht boshaftes Wort Friedrich Schlegels über Humboldts Vortragsweise gehört hierher und trifft den Nagel auf den Kopf: Humboldt sei ein „philosophischer Hofmann“ (zu 326/12), weil er es in seiner Argumentation allen recht machen wolle, sich keine philosophischen – hier: argumentativen – Blößen geben wolle, er sei bestrebt, in seinem Raisonnement an alle Eventualitäten zu denken, er wolle umfassend und unanfechtbar sein anstatt einen Standpunkt einzunehmen und zu verfechten, er strebe nach Allgemeingültigkeit statt Pointiertheit. – Mit der Rezeption seiner ,Horen‘Aufsätze zur Geschlechterlehre war jedenfalls Humboldts neu gewonnenes Selbstvertrauen wieder dahin. Wie weit entfernt ist jetzt der „Taumel des Schreibens“ (259/25), in dem er Staatswirksamkeit niederschrieb, wie weit die Zuversicht, mit einem Werk etwas Bleibendes geschaffen zu haben. Es werden Jahre vergehen, bevor er es wagt, wieder als Schriftsteller aufzutreten. Noch vor der Abreise nach Berlin, die diesen Band beschließt, findet im Mai 1795 ein wichtiges literarisches Ereignis statt, das Erscheinen der „Prolegomena ad Homerum“ des Freundes Wolf und ihre Aufnahme in Weimar. Bei dieser Gelegenheit wirkt Humboldt als (Mit-)Vermittler bei der Bekanntschaft Wolfs mit Goethe, den die Grundthese der ,Prolegomena‘ – dass Homer nie existiert habe, dass die sogenannten homerischen Epen vielmehr eine Sammlung von Beiträgen zum Mythenstoff durch einzelne Rhapsoden seien usw. – zwar „schlecht erbaut“ hatte, ihn aber nicht daran hinderte, die Genialität des eigenwilligen Gräzisten gebührend zu würdigen. Die Abreise nach Berlin am 1. Juli 1795 empfand Humboldt zwar nicht als biographischen Einschnitt – äußerer Anlass war nur ein nicht näher genanntes Geldgeschäft, das seine Anwesenheit in Berlin in den ersten Tagen des Juli erforderte. Dennoch ergab es sich, dass sie bald so angesehen werden musste: er fand die Mutter ernsthaft erkrankt vor, und seine Rückkehr zog sich, da die Hoffnung auf Genesung sich allmählich als aussichtslos zeigte, in immer weitere Ferne. So ergibt es sich, dass der größte Teil des nächsten Bandes von diesem als vorübergehend konzipierten Aufenthalt ausgefüllt wird: erst im November 1796 wird Humboldt wieder in Jena sein.

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Editionsprinzipien Eine ausführliche Darlegung der Editionsprinzipien dieser Briefsammlung schließt die Einleitung zum ersten Band ab. Hier seien noch einmal die Hauptpunkte zusammengefasst: 1. Die Textvorlagen teilen sich in zwei Gruppen ein: a) Originalhandschriften bzw. (wo diese fehlen) b) Sonstiges (Abschriften, bezeugte briefliche Äußerungen/Inhalte, Drucke). Die beiden Gruppen werden durch die jeweils verwendete Schriftart unterschieden: Gruppe a steht in einer Antiqua-(Serif-)Schrift, Jannon; Gruppe b in einer Grotesk-(Sans-Serif-)Schrift, Jannon Sans. Der Text von Gruppe a ist historisch-kritisch; Gruppe b folgt der jeweiligen Vorlage. Hinzu kommt (in der Gruppe a) eine eigene Schrift, welche die im Zeitrahmen dieses Bandes gelegentlich verwendete besondere Zitierform Humboldts wiedergibt: er gibt die Worte des Zitierten in einer betont kalligraphischen lateinischen Schrift wieder, ohne An- und Abführungsstriche. Dafür wird hier die Zierschrift Joos verwendet. Man beachte auch die private ,Rechtschreibreform‘, die Humboldt im Herbst 1793 bei sich durchführt: es heißt nun Blick(e) statt Blik/Blikke und Spitze statt Spize; das verbum substantivum wird seyn statt sein geschrieben. Den Übergang kann man in Brief 280 förmlich mit eigenen Augen verfolgen. 2.  Im Kommentarteil und im Register wird auf Briefnummer und -zeile verwiesen: ,264/22‘ bedeutet z. B. ,Brief 264, Zeile 22‘, und ,zu 264/22‘, ,Kommentar zu Brief 264, Zeile 22‘. Auch im Kommentar soll die Verwendung verschiedener Schriften die Benutzung erleichtern: Myriad semibold condensed wird ausschließlich für Lemmata verwendet, und die Kurztitel von Humboldts Schriften stehen in Frutiger. (Die vollen Titel stehen in einem eigenen Verzeichnis am Schluss des Bandes.) 3.  Das Personenregister enthält die Lebensdaten der Personen – soweit bekannt – und die für den Zeitrahmen des Bandes relevanten Lebensstationen und versteht sich als Ergänzung (und Entlastung) des Kommentars.

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Die Briefe

199.  An Sophie Fränkel in Berlin

Burgörner, 1. August 1791

Bedauern, vor der Abreise nicht Abschied genommen zu haben, der für ihn zu schmerzlich gewesen wäre; Bewunderung ihrer Fassung in ihrer unglücklichen Lage. Ihre Freundschaft mit Gentz; Besorgnis um die Verbindung Stieglitz’ mit Jeannette Ephraim.

Burgörner, 1. Aug. 1791.

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Ich habe Ihnen eben ein paar Zeilen geschrieben, die Sie bei Empfang dieses Brief­ chens wohl schon gelesen haben werden. Ich glaubte, es wäre gut wegen F[ränkel] Ihnen etwas Zeigbares in aller Rüksicht zu schikken. Sie erlauben mir ja aber wohl ein Paar Worte näher mit Ihnen zu reden. Sie waren immer so gütig gegen mich, ich darf vielleicht noch auf eben diese Güte rechnen. Ich nahm nicht Abschied von Ihnen, liebe Frau, vor meiner Abreise. Verzeihen Sie es mir, aber es hätte mir und Ihnen weh gethan, uns noch bloß für die Augen­ blikke der Trennung zu sehen, und unglüklicherweise war meine Zeit so beschränkt, daß ich auf mehr nicht rechnen durfte. Gewiß glauben Sie es mir, meine Theure, daß, wie wenig Dinge es auch gleich giebt, um deren willen es mir leid that, Ber­ lin zu verlassen, dennoch der Verlust Ihres Umgangs vorzüglich zu diesen wenigen Dingen gehörte. Ihre sanfte liebevolle Seele wirkte so wohlthätig auf mich, und un­ vergeßlich wird mir jede Stunde bleiben, die Sie mir schenkten. Möchten auch Sie Sich manchmal unsrer Zusammenkünfte, unsrer Spaziergänge erinnern! Ich denke sehr oft an Sie, und um so öfter, als ich in einer Lage so glüklich bin, in der Sie gerade so viel – leider so alles entbehren. Wie tief es mich indeß auch geschmerzt hat, dieß so oft zu bemerken; so hat es mich doch auf der andern Seite auch so innig gefreut, zu sehen, wie Sie dieß tragen, und wie Sie überhaupt in jeder Rüksicht dieß Verhält­ niß behandeln. Wenn eine so entbehrende Lage den heitren Genuß so sehr raubt, so giebt sie doch auch der Seele eine große Kraft, und versteht man, wie Sie die Kunst, auch in ihr noch Freude zu geben und Gutes zu stiften, so genießt man wiederum eines sehr entschädigenden innern Bewußtseins! Von mir weiß ich Ihnen wenig zu sagen. Ich lebe unendlich glüklich, meine Frau ist heiter und froh, und auch unsre äußere Lage ist durch nichts gestört. Sie erhalten diesen Brief durch Gentz. Die Trennung von ihm hat meinem Her­ zen sehr viel gekostet. Ich liebte ihn außerordentlich, und er hieng auch mit gleicher Wärme an mir. Ich freue mich noch immer zu Ihrer beider ersten Bekanntschaft bei­ getragen zu haben. Er hatte so wenig Menschen, die es eigentlich werth waren mit ihm umzugehen. 20  heitern Genuß D  27  Ich liebe ihn D

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Brief 199–200

Von J[eannette] u. St[ieglitz] wüßte ich gern etwas. Schreiben Sie mir doch et­ was ausführliches darüber. Sie wissen, es ist nicht bloß Neugier, die mich zu dieser Bitte bewegt. St. ist mir sehr theuer, und ob ich gleich wohl weiß, daß sich so vorher mit Gewißheit wenig schließen läßt, so bedaure ich ihn doch warlich sehr um der Zukunft willen. Beinah in gleich vielen Rüksichten bedaure ich J. und so nehme ich innigen Antheil an beider Schiksal. Von Minetten höre ich gar nichts. Nun leben Sie wohl, liebe theure Freundin. Gedenken Sie manchmal meiner, und schreiben Sie mir bald einmal.

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Humboldt.

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200.  An Christoph Girtanner in Göttingen

Burgörner, 2. August 1791

Erinnerung an den gemeinsamen Umgang in Göttingen; Befürchtung, dass dieses freundschaftliche Verhältnis getrübt worden sei. Humboldts neue Existenz als privatisierender, frisch verheirateter Landedelmann. Anregung eines Treffens in Erfurt. Dalberg. Stieglitz’ bevorstehende Heirat. Seyffer; Jachmann.

Burgörner, 2. Aug. 1791. Ihr lezter Brief, theurer Freund, fand mich nicht mehr in Berlin, sondern wurde mir hierher nachgeschikt. Ich erhielt ihn erst vor etwa 8 Tagen, und darum verzö­ gerte sich meine Antwort. Innig habe ich mich gefreut, in demselben so viele neue Versicherungen Ihrer fortdauernden Freundschaft zu finden. Gewiß, liebster Freund, habe ich oft mit innigem Vergnügen an die Stunden zurükgedacht, die wir in Göt­ tingen, in Ihrem kleinen Stübchen verbracht haben, und die größere Bildung, die ich durch so manches tiefe und feine Raisonnement, so manche treffende Bemer­ kung von so vielen Seiten in dieser Zeit durch Sie erhielt würde sie schon allein sehr oft in mir zurükrufen. Ihr Stillschweigen während Ihres Aufenthalts in England that mir weh; ich konnte mir die Ursachen nicht erklären; und wollte so ungern abge­ schnitten glauben, was mir so unendlich viel Freude gegeben hatte. Ihr erster Brief nach Ihrer Rükkunft überraschte mich überaus angenehm, aber unglüklicher Weise erhielt ich ihn in einer Periode, wo eine drükkende Menge von Geschäften mir alle Zeit, und meinem Kopfe auch alle Stimmung raubten. Ich verschob die Antwort von 32 ausführlicher D

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Woche zu Woche, und der heitere Tag, für den ich sie aufsparte, kam nicht. In einer gleich unruhigen Periode, wenn gleich andrer Art antwortete ich Ihnen endlich, da ich fürchtete, Sie möchten nicht lang mehr in Göttingen bleiben, und dieser Ursach allein schreiben Sie es zu, wenn Ihnen dieser Brief nicht vollständig oder nicht leb­ haft genug sagte, was ich so innig für Sie empfinde. Denn – verzeihen Sie mir, lieber Freund, – aber ich glaube Ihren lezten Zeilen ein andres Verhältniß zwischen uns anzusehen, als dasjenige, welches ich wünsche, und welches ich mir immer dachte. Wenn ich, indem ich Ihnen dieß völlig offenherzig gestehe, vielleicht die Grenzen der Discretion überschreite, so mag mich die Wärme entschuldigen, mit der ich mich uns wieder auf dem Punkte der Vertraulichkeit zu sehen wünschte, die mir ehemals so glükliche Stunden gab. Wie groß aber auch diese Wärme, wie groß meine Sehn­ sucht danach ist; so würde ich doch in der That Ihnen dieß freie Geständniß nicht gethan haben, wenn ich hätte glauben müssen, daß Ihre Empfindungen für mich eine Aenderung erlitten hätten. Allein Ihr erster Brief zeigt mir völlig das Gegentheil. Er ist so freundschaftlich, so vertraut, daß ich in ihm mit unendlicher Freude das Bild unsres ehemaligen Umgangs erblikte. Ihr lezter, gestehe ich Ihnen nochmals, schien mir, wie gütig er auch ist, kälter. Den Grund kann ich jezt nur in meinem Betragen, meinem langen Stillschweigen, meinem flüchtigen Briefe finden. Dieser Gedanke, auf diese Weise selbst mich um ein Verhältniß gebracht zu haben, dessen Andenken meinem Herzen so theuer ist, war mir zu peinigend, als daß ich nicht ganz offen hätte mit Ihnen sein müssen. Wenn es mir gelungen ist, theurer Freund, mich Ihnen jezt ganz verständlich zu machen; so werden Sie sehen, daß hierin schlechterdings kein Vorwurf irgend einer Art für Sie liegen soll; daß ich ferner nicht eigentlich um die Fortsezung des Verhältnisses bitte, das zwischen uns bestand – weil ich wohl fühle, daß sich so etwas nicht erbitten läßt, u. selbst dadurch daß es erbeten ist, sei­ nen Werth verliert – sondern daß es allein meine Absicht ist, Sie zu versichern, daß mit meinen Empfindungen gegen Sie keine Aenderung vorgieng, und daß es mich überaus glüklich machen würde, wenn Sie mir wieder mit der nemlichen Wärme, Offenheit u. Vertraulichkeit, als sonst, begegneten. Und nun, mein Bester, auf im­ mer genug hievon. Ich bin jezt verheirathet, theurer Freund, u. lebe auf dem Lande, wo ich auch nun fürs erste mich beständig aufzuhalten gedenke. Ich fühle mich sehr glüklich, in einer frohen häuslichen Existenz, einer unbegränzten Unabhängigkeit u. einer selbstge­ wählten Thätigkeit. Ich darf nicht hoffen, daß einmal Ihr Weg Sie hier in das Vor­ gebirge des Harzes, zwischen Eisleben u. Mansfeld, herführen sollte, so innig lieb dieß mir auch sein würde; allein ich denke gegen das Frühjahr auf einige Wochen meinen Schwiegervater, der zwar jezt mit mir hier ist, aber mich im Herbst verläßt, in Erfurth zu besuchen. Vielleicht sähe ich Sie da. Sie kennen, so viel ich weiß, den Koadjutor Dalberg noch nicht. Er ist in der That ein seltner Mann, u. immer ist seine

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Brief 200–201

Bekanntschaft um seines Einflusses willen wichtig. Höchst interessant wäre es mir, wenn ich alsdann wenigstens die Freude hätte, Sie zu sehen. In einer Lage, die von der so verschieden ist, in der Sie mich kannten, muß manches in mir eine andre Wendung genommen haben. Darüber Sie zu hören, wenn Sie mich noch eben der Offenheit werth hielten, mit der Sie ehemals mit mir umgiengen, wäre in der That einer meiner sehnlichsten Wünsche. Stieglitz heirathet bald. Ich wollte Sie kennten seine Braut, wie ich [s]ie kenne. Sie würden ein interessantes Geschöpf finden. Aber wenn man bedenkt, daß es St. Braut ist. Etwas Ungleicheres gab es vielleicht nicht. Wie stehn Sie jezt mit ihm? Legt Seyffer oft seinen Kopf zwischen Ihre Thür? Er hat vor ein Paar Monaten meine Frau in Erfurth gesprochen, und ihr erzählt, ich u. er hätten zusammen ge­ wohnt, wären Tag u. Nacht zusammen gewesen alles – pour se faire valoir. Ist das nicht ganz Seyfferisch. Jachmanns Hosen – denn a potiori fit denominatio sind mir nur wenig zu Gesicht gekommen. [(]Tausend Dank noch für Ihre trefliche Schilderung![)] Ich danke Ih­ nen, daß Sie ihn mir nicht adressirten. Ich hätte gern gleiche Schonung für Sie in An­ sehung des Petisci gehabt. Indeß that es mir weh, diesem gutmüthigen u. bescheide­ nen Menschen etwas abzuschlagen. Meine Adresse ist: Burgörner p. Eisleben. Ewig der Ihrige, Humboldt.

201.  An David Friedländer in Berlin

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Burgörner, 7. August 1791

Beschreibung des Lebens in ländlicher Zurückgezogenheit: Zufriedenheit, im kleine­n Kreis zu wirken. Verwunderung und Enttäuschung über die gegenwärtige politische Lage.

Burgörner, 7. Aug. 1791. Seit einigen Wochen, lieber Friedländer, bin ich nun in der Lage, in der ich jezt fürs erste bleiben werde, und ich eile Ihnen ein Paar Worte über meine Art zu leben zu sagen. Wie wenig Sie auch mit meinen lezten Schritten, und besonders mit dem zufrieden waren, der mich von Berlin und den Geschäften entfernte; so werden Sie doch, darf ich hoffen, nicht aufhören an mir und meinen ferneren Schiksalen einen freundschaftlichen Antheil zu nehmen. 1 Burgörnes L K

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Ich lebe, wie Sie schon aus meinen Planen wissen, und aus der Ueberschrift dieses Briefes sehen, auf dem Lande, an dem schwer auszusprechenden Orte, und mein Leben ist so einfach, daß es Ihnen nicht schwer sein wird, [S]ich ein lebhaftes Bild davon zu entwerfen. Beschäftigung mit den Studien, die mir immer die lieb­ sten waren, und Unterhaltung mit auswärtigen Freunden, die ich bei meiner vori­ gen Lebensart fast ganz hatte vernachlässigen müssen, wechslen mit Spaziergängen und einem höchst angenehmen häuslichen Umgange ab. So verfließt ein Tag nach dem andren, und jeder giebt mir ein stilles, aber sehr genügendes Glük. Für mich ist der Kreis, in dem ich jezt lebe der angemessenste, es ist der, den ich am besten auszufüllen vermag, und sollte es nicht wichtiger sein, seinen Kreis – wie groß, oder klein – auszufüllen, als gerade diesen oder jenen zu haben. Fühle ich je mehr Kräfte, als dieser Kreis fordert, nun so findet sich vielleicht auch ein größerer. Allein schwer­ lich wird das je der Fall sein. Je mehr man schon thut, desto mehr sieht man zu thun noch vor sich. Die intensive Größe ist gerade diejenige, welche man nie erschöpft, und dennoch, wie sonderbar, suchen die meisten Menschen immer die extensive, als wären sie mit jener schon fertig. Statt zu fragen, wieviel an dem Flek, an dem sie sind, noch zu thun ist, eilen sie schon nach einem andren hin. Wenn dieß, wie es mir scheint, den Geist nothwendig zerstreut; so muß er bei jenem Verweilen an Tiefe und Stärke gewinnen, und ich gestehe Ihnen gern, daß ich für diesen Gewinn allein Sinn habe. Doch nun genug davon. Wie geht es Ihnen, mein theurer Freund? Was macht Ihre vortrefliche Familie, Ihre lieben Söhne? Sagen Sie mir bald ein Wort davon. Wenn ich mich ja mehr mit politischen Dingen beschäftigt hätte, so wäre ein Langes und ein Breites über die Wunder zu schwazen, die rund um einen vorgehen. Hätte jemand diese Dinge vor zwanzig Jahren geweissagt; so hätte man ihn verlacht. Nach dieser Analogie zu schließen, wer weiß, was noch zu erwarten steht. Derglei­ chen Erfahrungen, dünkt mich, sollten die Leute doch klug machen, und sie nicht so auf Begebenheiten vertrauen lassen. Wieviel Gutes hat man von Frankreichs Re­ volution geweissagt? Wie nah ist jezt alles wieder dem Untergang. Wieviel von der Auf klärung, die auf Friedrichs Zeitalter folgen würde? – Hierauf ersparen [S]ie mir hoffentlich die Antwort. Die Nuzanwendung hievon ist wohl die, daß man jede Be­ gebenheit, und jedes Zeitalter wie eine nüzliche und erbauliche Geschichte ansieht, sich daraus nimmt, was gut und heilsam ist, das Uebrige als Hülse betrachtet, und nur jenem innren Ideenschaze vertraut. 9  Orte (sprich: Burg-ör-nes) L K  13  ganz hätte G  14  und meinem D  15  ein Jeder K  16 der angenehmste, D  18  als grade L  20  zu thun vor sich. K  23  an dem Zweck, D  24  nach dem K  wie mir K  25  bei seinem Verweilen L K  27  habe, doch L  habe; doch K  30  je mehr D  31  und Breites D  über die Stunden K  32  vor zwanzig Jahren diese Dinge K  36  wieder Alles K 41 Ideengesetze D

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Brief 201–203

Verzeihen Sie dieß lange Geschwäz, mein Bester. Empfehlen Sie mich den Ihri­ gen aufs freundschaftlichste, und schreiben Sie mir bald. Es ist ja ein Wort, das [S]ie in die Wüste sagen. Leben Sie wohl! Ewig Meine Adresse ist: Ihr, Burgörner (sprich: Burg-ör-ner) p. Humboldt. Mansfeld.

202.  An Georg Forster in Mainz

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Burgörner, 16. August 1791

Die neue Existenz auf dem Lande; Rechtfertigung des Abschieds vom Staatsdienst unter Berufung auf Forstersche Leitsätze der Selbstbildung. Hoffen auf Fortsetzung der Freundschaft.

Burgörner, 16. August, 1791. Zürnen Sie mir nicht, lieber Forster, daß ich so lange verschob, Ihnen zu schreiben. Ich wollte die Zeit abwarten, wo ich meinen Freunden ganz gehören könnte, und diese Zeit ist erst seit einigen Wochen gekommen. Ich habe mich nun von allen Geschäften losgemacht, Berlin verlassen und geheirathet, und lebe auf dem Lande, in einer unabhängigen, selbst gewählten, unendlich glüklichen Existenz. Ich empfinde dieß doppelt, indem ich Ihnen es sage; ich kenne Ihr warmes, lie­ bevolles Herz, Ihre innige Theilnahme. Ich besorge auch von Ihnen nicht die Misbilligung des Schritts, den ich that, die ich von so vielen andren erfuhr. Sie schäzen Freiheit und unabhängige Thätigkeit zu sehr, um allen Nuzen nur von einer solchen zu erwarten, die durch äußre Geschäftslagen bestimmt wird; und Sie trauen, hoff’ ich, mir zu, daß ich nie eine andre Richtung wählen werde, als auf der ich, nach meiner innersten Ueberzeugung, für meine höchste und vielseitigste Bildung den meisten Gewinn hoffen darf. In der That, lieber Freund, war die Unmöglichkeit dieß zu können vorzüglich das, was mich zu einer andren Laufbahn bestimmte. Die Säze, daß nichts auf Erden so wichtig ist, als die höchste Kraft und die vielseitigste Bildung der Individuen, und daß daher der wahren Moral erstes Gesez ist: bilde Dich selbst und nur ihr zweites: wirke auf andre durch das, was Du bist, diese Maximen sind mir zu eigen, als daß ich mich je von ihnen trennen könnte. Wie konnte ich mich aber mit ihnen in einer Lage ertragen, in der ich kaum hoffen durfte, mich dem Ideale, das meinen Geist und mein Herz beschäftigte, auch nur mit langsamen Schritten zu 45  Nachschrift fehlt L K  46  p] fehlt D  ||  1  den 16. D3

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nähern, wie konnte mir selbst der Nuzen Ersaz sein, den ich freilich stiftete, und künftig in unendlich höherm Maaße gestiftet haben würde? Ich zog also das bescheidnere Loos vor, ein stilles häusliches Dasein, einen kleineren Wirkungskreis. In diesem kann ich mir selbst leben, den Personen, die mir am nächsten sind, ein heitres zufriednes Leben schaffen, und vielleicht auch – wenn mir ein guter Genius glükliche Stunden gewährt – einiges zu dem beitragen, wozu im Grunde alles Thun und Treiben in der Welt, selbst wider seinen Willen, nur als Mittel dient, zur Bereicherung oder Berichtigung unsrer Ideen. Soviel von mir und meiner Lage. Wie geht es Ihnen, mein Theurer? Ich hörte so lang nichts, auch nicht durch andre, von Ihnen, es war meine Schuld, ich fühl es. Aber Sie, Lieber, werden mein Stillschweigen ver­ zeihen. So oft waren Sie mir gegenwärtig, so oft versezte ich mich zu den Ihrigen, so oft freute mich die Erinnerung der glüklichen Tage, die ich mit Ihnen verlebt habe! Diese Erin­ nerung ist es auch, die mir Muth macht noch auf Ihr Andenken, Ihre Freundschaft zu rech­ nen. Theurer guter Forster, Sie haben mich mit einer Liebe, einer Zärtlichkeit behandelt, selbst in der Zeit, da ich Sie gewiß noch bloß durch die Wärme interessiren konnte, mit der ich mich so gern an große und gute Menschen anschloß. Durch Sie habe ich einen so großen Theil meiner Bildung erhalten. Dafür, und für alles, was mein Geist und mein Herz durch Sie genoß, würde mein Dank Sie noch segnen, wenn ich auch nicht hoffen dürfte, noch in Ihrem Andenken zu leben, wenn die Zeit, wenn ein Misverständniß, wozu mein Stillschweigen vielleicht Anlaß geben konnte, die Gefühle erstikt hätte, die mich sonst so innig beglükten. Ist das aber nicht, darf ich in Ihnen noch den treuen warmen Freund sehn, den ich ehmals kannte, nun, mein Theurer, so nehmen Sie meinen wärmsten innigsten Dank für dieß neue Geschenk!

203.  An Josias Löffler in Gotha

Burgörner, 19. August 1791

Leben und Studien in ländlicher Zurückgezogenheit. Die geistlichen Angelegenheiten in Preußen.

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Was werden Sie von mir denken, verehrungswürdigster Freund, daß ich Ihnen in so äußerst langer Zeit nicht schrieb, Ihnen zweimal mehrere Wochen lang so nah war und Sie nicht besuchte, und Ihnen selbst von der gänzlichen Veränderung mei­ ner Lage noch keine Nachricht gab? Allein in der That beurtheilten Sie mich sehr un­ richtig, wenn Sie dieß alles dem Mangel eines fortdauernden Andenkens, und nicht 21  konnte ich mir D3  25  vielleicht – wenn […] gewährt – auch Einiges D1  29  so lange D1  43  Dank doppelt D1

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Brief 203–204

vielmehr bloß zufälligen Umständen, Geschäften und Zerstreuungen zuschrieben. Diese allein sind warlich Schuld daran, und nie werde ich aufhören, mich der ange­ nehmen Zeiten zu erinnern, die ich jedesmal in Ihrer Nähe verlebte, und mich nach dem Vergnügen zu sehnen, Nachrichten Ihres heitren und zufriednen Lebens von Ihnen selbst zu erhalten. Ich lebe anizt auf dem Lande mit meiner Frau und meinem Schwiegervater, und bin äußerst glüklich und vergnügt. Vielleicht hat Ihnen Herr Rath Bekker einiges von meiner Frau und Ihrer Familie erzählt, und dann werden Sie Sich noch lebhafter von den Vorzügen meiner Lage überzeugen können. Zu diesen rechne ich auch gar sehr meine Unabhängigkeit, und Entferntheit von allem Geschäftsleben. Von wie manchen Seiten es mich auch interessirte; so zog es mich doch ganz von meinen Lieblingsstudien ab, und schwerlich hätte ich auf die Länge darauf Verzicht thun können, wenigstens einen großen Theil meiner Zeit meiner eignen Bildung auf eine selbstgewählte Weise zu widmen. Ich werde mich daher auch schwerlich entschlie­ ßen, je wieder ein eigentliches Amt zu suchen, ob ich gleich für jezt noch bei dem Départment der auswärtigen Angelegenheiten als LegationsRath angestellt bin. Ich beschäftige mich jezt vorzüglich mit Philologie und Philosophie. Wie oft erinnere ich mich bei irgend einem Griechischen Schriftsteller unsrer ersten Lektionen, und Ihrer gütigen Bemühungen. Was sagen Sie zu unsren Staaten? zu der Behandlung der geistlichen Geschäfte insbesondre? Sie haben Herrn Probst Teller vor Kurzem in Dessau gesprochen, und werden also auch mit dem Détail bekannt sein. Wenn nicht immer in dem Charakter und den Ideen der Menschen etwas Unzerstörbares zurükbliebe, wäre es doch in der That eine äußerst traurige Betrachtung, daß alles Gute in sein Nichts zurüksin­ ken zu müssen scheint. Verzeihen Sie, theuerster Freund, mein langes Geschwäz. Wie schmeichelhaft würde es mir sein, wenn Sie die Güte hätten, mir recht bald selbst von Ihrem Befin­ den Nachricht zu geben. Lassen Sie mich die angenehme Hofnung nicht vergebens nähren! Empfehlen Sie, wenn ich bitten darf, mein Andenken den Herren Bekker und Gotter, und glauben Sie gewiß, daß ich nie aufhören werde, mit der herzlichsten Verehrung und wärmsten Freundschaft zu sein Burgörner, 19. Aug. 1791. Meine Adresse ist: Burgörner p. Eisleben.

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ganz der Ihrige, Humboldt. 40

204.  An Fr. H. Jacobi in Pempelfort

Burgörner, 22. August 1791

Schilderung des neuen häuslichen Idylls: Rückzug aus dem Justizdepartement; Heirat; Zusammenleben auf dem Lande. Kant-Studien. Hoffen auf eine Rückkehr Jacobis zur Philosophie.

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Endlich, theuerster Freund ist die Zeit gekommen, da mir die Freude vergönnt wird, einen Briefwechsel wieder anzuknüpfen, den beinah Jahre unterbrachen. Ich lebe wieder in einer Lage, in der ich beinah meine ganze Zeit der Unterhaltung mit abwesenden Freun­ den widmen kann, da in den lezten 2 Jahren es mir kaum möglich war von Reisen, Zerstreu­ ungen und Geschäften einzelne halbe Stunden abzumüssigen, und ich also lieber schwieg, als ein Paar flüchtige Zeilen hinschrieb. Diesen Ursachen allein, und warlich keinen an­ dren müssen Sie es zuschreiben, daß ich Ihnen von der so gänzlichen Veränderung meines Schiksals und aller meiner Plane – die Sie wahrscheinlich schon von andren hörten – so gar nichts sagte. Alle meine wärmsten, innigsten Gefühle für Sie, theurer Mann, die herz­ liche Verehrung, die Freundschaft und Liebe, die mich an Sie seit den ersten Tagen unsrer Bekanntschaft fesselten, leben noch gleich rein und stark in mir, und der Gedanke, Ihnen jezt näher angehören, Ihres Geistes und Herzens mehr genießen zu können, erhöht noch das Glük meiner schon in der That einzigen Lage! Ihr lezter Brief enthielt so eine hübsche Stelle über das Geschäftsleben, Sie wünschten mir damals, mich davon los machen zu können. Ihr Wunsch, mein Bester, ist jezt erfüllt, ich bin entfernt von allem, was nur irgend Geschäft heißt, und lebe völlig unabhängig und frei. Meine Anstellung bei der Justiz war es allein, die mir Arbeit machte. Ich habe daher auch nur sie aufgegeben, und bin bei dem Département der auswärtigen Angelegenheiten ge­ blieben, um mir nicht allen Rükweg zu einer andren Laufbahn zu verschließen. Freilich möchte aber diese Thür wohl zu denen gehören, die nie gebraucht werden. Daß ich versprochen war, schrieb Ihnen, glaub ich, schon Alexander einmal. Jezt bin ich verheirathet und lebe mit meiner Frau und meinem Schwiegervater auf dem Lande. Von meiner Frau wäre ich Ihnen, und Ihren verehrungswürdigen Schwestern, wenn sie sich mei­ ner noch erinnern, wohl eine Beschreibung schuldig. Allein mit dem Beschreiben der Per­ sonen, die einem so nah sind, ists nun so eine Sache, das vollständige treue Bild stellt man nie dar, schon vielleicht darum nie, weil man das Original zu genau kennt, alles darstellen will, was man davon fühlt, und die Gränzen überschreitet, die alles Ausdrükken und Dar­ stellen nothwendig hat. Ich sage Ihnen also nur daß meine Frau und ich uns innig lieben, unsre Neigungen, sogar zum Theil unsre Beschäftigungen sehr mit einander übereinstim­ men, und daß wir unendlich glüklich und froh mit einander leben. Mein Schwiegervater, der ehemalige Kammer Präsident in Minden von Dacheröden, ist ein braver aufgeklärter und kenntnißvoller Mann, der auch allerlei juristisches geschrieben hat. Er lebt jezt mit uns auf einem seiner Güter, wird uns aber den Herbst verlassen, weil er gewohnt ist, den Win­ ter in Erfurth zuzubringen. Wir werden, einen kurzen Aufenthalt in Erfurth abgerechnet,

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Brief 204–205

hier bleiben. Das Landgut, auf dem ich lebe, liegt in einer schönen Gegend, und in der Nähe von Halle. So bin ich auch nicht von aller Litteratur abgeschnitten, und entbehre also bei meinem ländlichen Aufenthalt eben nicht viele Vortheile der Stadt. Seit zwei Monaten erst lebe ich hier; seit dieser Zeit aber habe ich auch alle meine ehe­ maligen Studien zurükgerufen. Vorzüglich beschäftigt mich jezt wieder die Metaphysik. Ich habe mir vorgenommen eine neue ernstliche Revision meiner eignen Ueberzeugungen vorzunehmen, und studire das Kantische System von vorn an von neuem durch. Von die­ sem denke ich dann zu den älteren überzugehn, die ich doch im Grunde, da mich immer soviel Dinge diesem Studium entrissen, auch nur sehr oberflächlich kenne. Aeußerst neugierig bin ich von Ihnen, theurer Freund, zu hören, wohin Sie in den lezt­ verwichenen Jahren Ihre philosophischen Untersuchungen richteten. Ganz abgezogen hat Sie doch die Politik nicht, auf die Sie, wie mir Dohm sagte, seit Frankreichs großer Revo­ lution, vorzüglich Ihre Aufmerksamkeit wandten. Sie müssen Ihr Versprechen erfüllen, das Gebäude Ihrer Philosophie vor den Augen des Publikums von neuem aufzuführen. Es ist zu groß und schön, und zu originell, um nicht ganz und von allen, die Philosophie inte­ ressirt gekannt zu sein. Auch sehe ich mit inniger Sehnsucht wieder einmal einem neuen Produkt von Ihnen entgegen. Ewig werde ich mich an die Zeit erinnern, da Sie mich in Göttingen manchmal mit einem Aufsaz überraschten! Wenn ich, verehrungswürdiger Mann! noch in Ihrem Andenken lebe, wenn die Liebe, die Sie mir ehemals bewiesen, der ich so glükliche Stunden danke, nicht ganz in Ihnen erlo­ schen ist; so lassen Sie es mich bald von Ihnen selbst hören. Empfehlen Sie mich dem fort­ dauernden Andenken Ihrer vortreflichen Schwestern, und glauben Sie gewiß, daß meine innigste Verehrung und herzlichste Liebe für Sie nie verlöschen wird! Ganz Burgörner, der Ihrige, 22. Aug. 1791. Humboldt. Meine Adresse ist: Burgörner p. Halberstadt und Sandersleben.

205.  An Ernst Gottfried Fischer in Berlin

Burgörner, 26. August 1791

Mathematische Studien zur Festigung astronomischer Kenntnisse; Bitte um Vermittlung bei der Beschaffung von Studienmaterialien. Grüße an Patenkind.

Was werden Sie von mir gedacht haben, theuerster Herr Professor, daß ich Berlin ver­ lassen habe, ohne vorher noch einmal das Vergnügen zu genießen, wenigstens persönlich von Ihnen Abschied zu nehmen. Allein in der That lebte ich, als ich aus Berlin gieng, in einer solchen Unruhe, daß ich mehrere meiner nächsten Bekannten nicht mehr gesehen

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habe. Ich brachte die Iezten Wochen nicht einmal eigentlich in Berlin, sondern in Tegel zu, und kam nur immer auf ein Paar Tage in die Stadt. Ich darf mir daher vielleicht nicht mit Unrecht schmeicheln, daß Sie, verehrungswürdigster Freund, dieß nicht einem Mangel der Freundschaft, sondern allein den zufälligen Umständen beimessen werden, die es in der That auch einzig veranlaßten. Denn warlich würde ich es mir nie verzeihen, wenn die vielen Beweise Ihrer freundschaftlichen Güte gegen mich je aus meinem lebhaftesten Andenken verschwänden, und ich mich ihrer nicht immer gleich dankbar erinnerte. Ich bin jezt verheirathet, lieber Herr Professor, und lebe auf einem Landgute meines Schwiegervaters in der Gegend von Halle. Ich führe ein völlig unabhängiges und äußerst angenehmes Leben. Ich kann mich völlig den Lieblingsstudien widmen, von welchen mich meine Geschäfte in Berlin auf eine mir in der That höchst unangenehme Weise entfernt hatten, und ich kann wohl sagen, daß ich hierin eine Befriedigung finde, die ich im Ge­ schäftsleben immer vermißt haben würde; und gewiß hätten die äußeren Vortheile, de­ ren ich freilich mit der Zeit wohl genossen hätte, mich für diesen Verlust auf keine Weise entschädigt. Unter diesen Studien bin ich denn auch zu den mathematischen zurükgekehrt. Ich habe von neuem angefangen, den Lorenz durchzuarbeiten. Da ich mich aber so lange Zeit nicht mit diesen Gegenständen beschäftigt habe; so finde ich freilich manche Schwierigkeit, ob­ gleich mir eine unübersteigliche noch nicht vorgekommen ist. Vorzüglich wünschte ich, mit der Astronomie näher bekannt zu werden. Was die eigentliche Kenntniß der Gestirne betrift; so bin ich zwar ziemlich weit damit. Ich kenne wenigstens alle Sternbilder ohne Anstoß. Nur das eigentlich Mathematische fehlt mir ganz. Ich lese zwar jezt fleißig Herrn Bode[s] kleines Handbuch, allein meine Unbekannthelt mit der sphärischen Trigonome­ trie hat jezt alle meine Fortschritte auch darin gehemmt, und ich habe daher angefangen, erst diese, nach Lorenz, genauer zu studiren. Herr Bode hat vor einiger Zeit einen Erd- und einen HimmelsGlobus, ich glaube 1' im Diameter, angekündigt, und ich bin von seiner großen Genauigkeit überzeugt, daß die Ar­ beit treflich werden wird. Wenn beide Globen nicht über 5 Friedrichsd’or kosteten, wünschte ich sie mir anzuschaffen. Erlaubten Sie, theurer Freund, mir wohl die Bitte, in diesem Fall, in meinem Namen darauf zu subscribiren, oder pränumeriren? Die Auslage würde Ihnen Herr Assessor Kunth, auf Ihre Anzeige, sogleich erstatten. Ich weiß nicht, ob Herr Prof. Bode die Globen völlig fertig, oder die Karten zur eignen Besorgung des Aufklebens liefert. Im lezte­ ren Fall würde ich Sie gehorsamst ersuchen, sie in Berlin aufkleben zu lassen. Hernach bitte ich Sie, dieselben, wohl eingepakt, mir auf der Post zu schikken, oder im Fall das Gewicht zu groß wäre und das Porto zu kostbar würde, sie nur an Herrn Kunth abliefern zu lassen. Herrn Prof. Bode bitte ich meiner fortdauernden innigsten Hochachtung zu versichern. Ich bin in der That beschämt, Ihnen mit diesem Auftrage beschwerlich zu fallen. Allein Ihre freundschaftliche Güte, von der Sie mir so oft so unverkennbare Beweise gaben, läßt mich eine nachsichtsvolle Verzeihung hoffen.

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Brief 205–206

Ihrer Frau Gemahlin bitte ich mich gehorsamst zu empfehlen, und mein Pathchen, das nun wohl schon einen Gruß versteht, recht sehr zu grüßen. Sie, theuerster Freund, ersuche ich herzlich um die Fortdauer Ihres freundschaftlichen Andenkens, und bin ewig mit der wärmsten Hochachtung ganz Burgörner, der Ihrige, 26. Aug. 1791. Humboldt Meine Adresse ist: Burgörner per Mansfeld.

206.  An Friedrich Gentz in Berlin

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Burgörner, August 1791

Der Aufsatz Staatsverfassung: Skepsis, ob eine Verfassung „nach bloßen Grundsätzen der Vernunft“ gelingen könne, da diese nur eine leitende statt einer zeugenden Wirkung auf die Menschen ausübe; Resultat: Verlust der Energie; historischer Rückblick auf Vorformen als Geschichte des Überlebens des Freiheitsgedankens; dennoch sei auch Gutes von diesem Ansatz zu erwarten (auch hierzu historische Vorbilder, Analogie zu den Menschenaltern, Geschlechtern).

Ich beschäftige mich in meiner Einsamkeit mehr mit politischen Gegenständen, als ich es je bei den häufigen Veranlassungen dazu, die das geschäftige Leben darbietet, gethan habe. Ich fange an, politische Zeitungen zu lesen, lieber Gentz, und da ich gleich nicht sagen kann, daß sie ein großes Interesse in mir erwekten, so reizen mich doch noch am meisten die Französischen Angelegenheiten. Es fällt mir dabei alles Kluge und Einfältige ein, was ich seit zwei Jahren darüber gehört habe, und am Ende komme ich gewöhnlich auf Sie und Ihren Enthusiasmus dafür zurük. Mein eignes Urtheil – wenn ich, um mir doch selbst von mir Rechenschaft zu geben, mich eins zu fällen zwinge – stimmt dann mit kei­ nem andren gerade überein; es mag sogar paradox scheinen, aber Sie sind ja einmal mit meinen Paradoxien vertraut, und wenigstens sollen Sie auch in dieser Konsequenz mit dem Ueberrest nicht vermissen. Was ich am häufigsten, und, ich kann es nicht läugnen, mit dem meisten Interesse über die Nationalversammlung und ihre Gesezgebung hörte, war Tadel, nur leider ein Tadel, für den die Abfertigung auch so nah lag. Bald Mangel an Sachkenntniß, bald Vorurtheil, bald ein kleingeistiger Schauder vor allem Neuen und Ungewöhnlichen, und wer weiß was noch für leicht zu widerlegende Irrthümer; und hielt auch einmal ein Tadel jede Widerlegung 3  Ich lese die politischen Zeitungen regelmäßiger als sonst und ob ich gleich D1-2  4 erwecken, D1 7  auf Sie, lieber *, und den lebhaften Antheil, den Sie an diesen Gegenständen nahmen, zurük. D1-2 9  andren geradezu überein; D1-2  10  sollen Sie in der gegenwärtigen auch Konsequenz mit den übrigen nicht vermissen. D1-2  14  Abfertigung immer so D1-2

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aus; so blieb doch immer der leidige Entschuldigungsgrund, daß zwölfhundert auch weise Menschen doch immer nur Menschen sind. Mit dem Tadel, wie überhaupt mit dem Be­ urtheilen einzelner Anordnungen kommt man also schwerlich ins Reine. Dagegen giebt es, dünkt mich, ein ganz offenbares, kurzes, von jedermann anerkanntes Faktum, welches schlechterdings alle Data zur gründlichen Prüfung des Unternehmens vollständig enthält. Die Nationalversammlung hat es unternommen, ein völlig neues Staatsgebäude, nach bloßen Grundsäzen der Vernunft, aufzuführen. Dieß Faktum muß jedermann, und sie selbst einräumen. Nun aber kann keine Staatsverfassung gelingen, welche die Vernunft – vorausgesezt, daß sie ungehinderte Macht habe, ihren Entwürfen Wirklichkeit zu ge­ ben – nach einem angelegten Plane gründet; nur eine solche kann gedeihen, welche aus dem Kampfe des mächtigeren Zufalls mit der entgegenstrebenden Vernunft hervorgeht. Dieser Saz ist mir so evident, daß ich ihn nicht auf Staatsverfassungen allein einschränken möchte, sondern ihn gern auf jedes praktische Unternehmen überhaupt ausdehne. Für einen so rüstigen Vertheidiger der Vernunft indeß, als Sie sind, möchte er dieselbe Evidenz nicht haben. Ich verweile daher länger dabei. Ehe ich jedoch zu den Gründen übergehe, noch vorher ein Paar Worte zur näheren Be­ stimmung desselben. Zuvörderst, sehen Sie, lasse ich den Entwurf der Nationalversamm­ lung zu einer Gesezgebung für den Entwurf der Vernunft selbst gelten. Zweitens will ich auch nicht sagen, daß die Grundsäze ihres Systems zu spekulativ, nicht auf die Ausführung berechnet sind. Ich will sogar voraussezen, alle Deputirte zusammen hätten den wirkli­ chen Zustand Frankreichs und seiner Bewohner auf das anschaulichste vor Augen gehabt, und die Grundsäze der Vernunft diesem Zustande, soviel als es nur überhaupt, und jenem Ideal unbeschadet, möglich war, angepaßt. Endlich rede ich nicht von den Schwierigkeiten der Ausführung. Wie wahr und wizig es auch sein mag qu’il ne faut pas donner des leçons d’anatomie sur un corps vivant; so muß doch erst der Erfolg zeigen, ob nicht dennoch das Unternehmen Dauer gewinnt, und nicht festgegründetes Wohl des Ganzen vorüber­ gehenden Uebeln Einzelner vorgezogen zu werden verdient? Ich gehe also bloß von den simpeln Säzen aus: 1. die Nationalversammlung will eine völlig neue Staatsverfassung grün­ den, 2. sie will dieselbe in allen ihren einzelnen Theilen nach den reinen, wenn gleich der individuellen Lage Frankreichs angepaßten Grundsäzen der Vernunft bilden, und nehme diese Staatsverfassung als völlig ausführbar, oder wenn man will, auch als schon wirklich ausgeführt an. Dennoch, sag’ ich, kann eine solche Staatsverfassung nicht gedeihen.

18  Menschen immer D1  21  des ganzen Unternehmens D1-2  22  Die constituirende Nationalversammlung D1-2  23  jedermann, und sie selbst muß es einräumen. D1-2  26 Plane gleichsam von vorn her gründet; D1-2 (D2: von vornher)  32  vorher noch ein paar D1  36 alle Gesezgeber zusammen D1-2  41  so müßte doch D1-2  44  die Nationalversammlung wollte D1-2 45  sie wollte D1-2  46  bilden. Ich nehme D1-2  47  Staatsverfassung (für den Augenblick) völlig D1 Staatsverfassung – für den Augenblik – als völlig D2

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Brief 206

Eine neue Verfassung soll auf die bisherige folgen. An die Stelle eines Systems, das allein darauf berechnet war, soviel Mittel, als möglich, aus der Nation zur Befriedigung des Ehrgeizes und der Verschwendungssucht eines Einzigen zu ziehen, soll ein System treten, das nur die Freiheit, die Ruhe, und das Glük jedes Einzelnen zum Zwek hat. Zwei ganz entgegengesezte Zustände sollen also auf einander folgen. Wo ist nun das Band, das beide verknüpft? Wer traut sich Erfindungskraft und Geschiklichkeit genug zu, es zu weben? Man studire noch so genau den gegenwärtigen Zustand, man berechne noch so genau darnach das, was man auf ihn folgen läßt, immer reicht es nicht hin. Alles unser Wis­ sen und Erkennen beruht auf allgemeinen, d. i. wenn wir von Gegenständen der Erfahrung reden, unvollständigen und halbwahren Ideen, von dem Individuellen vermögen wir nur wenig aufzufassen, und doch kommt hier alles auf individuelle Kräfte, individuelles Wir­ ken, Leiden, und Genießen an. Ganz anders ist es, wenn der Zufall wirkt, und die Vernunft ihn nur zu lenken strebt. Aus der ganzen, individuellen Beschaffenheit der Gegenwart – denn diese von uns unerkannten Kräfte heißen uns doch nur Zufall – geht dann die Folge hervor, die Entwürfe, welche die Vernunft dann durchzusezen bemüht ist, erhalten, wenn auch ihre Bemühungen gelingen, von dem Gegenstande selbst noch, auf den sie angelegt sind, Form und Modifikation. So können sie Dauer gewinnen, so Nuzen stiften. Auf jene Weise, wenn sie auch ausgeführt werden, bleiben sie ewig unfruchtbar. Was im Menschen gedeihen soll, muß aus seinem Innren entspringen, nicht ihm von außen gegeben werden, und was ist ein Staat, als eine Summe menschlicher wirkender und leidender Kräfte? Auch fordert jede Wirkung eine gleich starke Gegenwirkung, jedes Zeugen ein gleich thätiges Empfangen. Die Gegenwart muß daher schon auf die Zukunft vorbereitet sein. Darum wirkt der Zufall so mächtig. Die Gegenwart reißt da die Zukunft an sich. Wo diese ihr noch fremd ist, da ist alles todt und kalt. So, wo Absicht hervorbringen will. Die Ver­ nunft hat wohl Fähigkeit, vorhandnen Stoff zu bilden, aber nicht Kraft, neuen zu erzeugen. Diese Kraft ruht allein im Wesen der Dinge, diese wirken, die wahrhaft weise Vernunft reizt sie nur zur Thätigkeit, und sucht sie zu lenken. Hierbei bleibt sie bescheiden stehen. Staatsverfassungen lassen sich nicht auf Menschen, wie Schößlinge auf Bäume pfropfen. Wo Zeit und Natur nicht vorgearbeitet haben, da ists, als bindet man Blüthen mit Fäden an. Die erste Mittagssonne versengt sie. Indeß entsteht hier noch immer die Frage, ob die Französische Nation nicht hinläng­ lich vorbereitet ist, die neue Staatsverfassung aufzunehmen? Allein für eine, nach bloßen Grundsäzen der Vernunft, systematisch entworfene Staatsverfassung kann nie eine Nation reif genug sein. Die Vernunft verlangt ein vereintes, und verhältnißmäßiges Wirken aller Kräfte. Außer dem Grade der Vollkommenheit jeder einzelnen, hat sie noch die Festigkeit ihrer Vereinigung, und das richtigste Verhältniß einer jeden zu den übrigen vor Augen. Wenn aber auf der einen Seite die Vernunft nur durch das vielseitigste Wirken befriedigt 76  lassen sich auf Menschen, D1

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wird, so ist auf der andren Seite das Loos der Menschheit Einseitigkeit. Jeder Augenblik übt nur Eine Kraft in Einer Art der Aeußerung. Häufige Wiederholung geht in Gewohnheit über, und diese Eine Aeußerung dieser Einen Kraft wird nun mehr oder minder, länger oder kürzer, Charakter. Wie der Mensch auch ringen mag, die einzelne, in jedem Moment wirkende Kraft durch die Mitwirkung aller übrigen modificiren zu lassen; so erreicht er es nie, und was er der Einseitigkeit abgewinnt, das verliert er an Kraft. Wer sich auf mehrere Gegenstände verbreitet, wirkt schwächer auf alle. So stehen Kraft und Bildung ewig in umgekehrtem Verhältniß. Der Weise verfolgt keine ganz, jede ist ihm zu lieb, sie ganz der andren zu opfern. So ist auch in dem höchsten Ideale menschlicher Natur, das die glü­ hende Phantasie sich zu bilden vermag, jeder Augenblik der Gegenwart eine schöne, aber nur Eine Blüthe. Den Kranz vermag nur das Gedächtniß zu flechten, das die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft. Wie mit dem einzelnen Menschen, so mit ganzen Nationen. Sie nehmen auf einmal nur Einen Gang. Daher ihre Verschiedenheiten unter einander, da­ her ihre Verschiedenheiten in ihnen selbst in verschiedenen Epochen. Was thut nun der weise Gesezgeber? Er studirt die gegenwärtige Richtung, dann, je nachdem er sie findet, befördert er sie, oder strebt ihr entgegen; so erhält sie eine andre Modifikation, und diese wieder eine andre, und so fort. So begnügt er sich, sie dem Ziele der Vollkommenheit zu nähern. Was aber muß entstehen, wenn sie auf einmal nach dem PIane der bloßen Vernunft, nach dem Ideale, arbeiten, wenn sie nicht mehr genügsam Eine Treflichkeit ver­ folgen, sondern zu gleicher Zeit nach allen ringen soll? Schlaffheit und Unthätigkeit. Alles, was wir mit Wärme und Enthusiasmus ergreifen, ist eine Art der Liebe. Wo nun nicht Ein Ideal mehr die Seele füllt, so ist Kälte, wo ehemals Glut war. Ueberhaupt vermag mit Ener­ gie nie der zu wirken, der mit allen Kräften auf Einmal gleichmäßig wirken soll. Mit der Energie aber schwindet jede andre Tugend hin. Ohne sie wird der Mensch Maschine. Man bewundert, was er thut; man verachtet, was er ist. Lassen Sie uns einen Blik auf die Geschichte der Staatsverfassungen werfen, und wir werden in keiner einen nur irgend hohen Grad der Vollkommenheit finden, allein von den Vorzügen, die das Ideal eines Staats alle vereinen müßte, werden wir auch in den verderb­ testen immer einen, oder den andren entdekken. Die erste Herrschaft schuf das Bedürf­ niß. Man gehorchte nie länger, als man entweder den Herrscher nicht entbehren, oder ihm nicht widerstehen konnte. Dieß ist die Geschichte aller, auch der blühendsten alten Staaten. Eine dringende Gefahr nöthigte die Nation einem Herrscher zu gehorchen. War die Gefahr vorüber, so strebte sie das Joch abzuschütteln. Allein oft hatte sich der Herr­ scher zu sehr festgesezt, ihr Ringen war vergebens. Dieser Gang ist auch der menschli­ chen Natur völlig angemessen. Der Mensch vermag außer sich zu wirken, und sich in sich 86  auf der andern das Loos D1  87 Widerholung D2  99  Was thut nur D1  106  Wenn nur nicht D1  Wenn nun nicht D2  107  so ist da Kälte, wo ehmals D1  111  werfen. Wir D1  112 Grad durchgängiger Vollkommenheit D1  118  strebte jene das D1

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Brief 206

zu bilden. Bei dem Ersteren kommt es bloß auf Kraft, und zwekmäßige Richtung dersel­ ben an; bei dem Lezteren auf Selbstthätigkeit. Daher ist zu diesem Freiheit, zu jenem, da mehrere Kräfte nie besser gerichtet werden, als wenn Ein Wille sie lenkt, Unterwürfigkeit nothwendig. Dieß Gefühl unterwarf die Menschen der Herrschaft, sobald sie wirken woll­ ten; aber das höhere Gefühl ihrer innren Würde erwachte, wenn dieser Zwek nun erreicht war. Ohne diese Betrachtung würde es auch nie begreiflich sein, wie derselbe Römer in der Stadt dem Senat Geseze vorschrieb, und im Lager seinen Rükken willig den Streichen der Centurionen darbot. Aus dieser Beschaffenheit der alten Staaten entspringt es, daß, wenn man unter Systemen absichtliche Plane versteht, sie eigentlich gar kein politisches System hatten, und daß, wenn wir jezt bei politischen Einrichtungen philosophische, oder politische Gründe angeben, wir bei ihnen immer nur historische finden. Diese Verfas­ sung dauerte bis ins Mittelalter hin. Zu dieser Zeit, da die tiefste Barbarei alles überdekte, mußte, sobald sich mit dieser Barbarei Macht vereinte, der ärgste Despotismus entstehn, und billig hätte man der Freiheit ihren gänzlichen Untergang verkündigen sollen. Allein der Kampf der Herrschsüchtigen unter einander erhielt sie. Nur konnte freilich, bei dieser gewaltsamen Lage der Sachen, niemand selbst frei sein, der nicht zugleich Unterdrükker der Freiheit der andren war. Das Lehnssystem war es, in welchem die ärgste Sklaverei, und ausgelassene Freiheit unmittelbar neben einander existirte. Denn der Vasall trozte dem Lehnsherrn nicht weniger, als er seine Unterthanen unmenschlich bedrükte. Die Eifersucht der Regenten auf die Macht der Vasallen schuf diesen ein Gegengewicht in den Städten und dem Volk, und endlich gelang es ihm, sie zu unterdrükken. Statt daß nun ehemals doch Ein Stand Dépot der Freiheit gewesen war, war jezt alles Sklave. Der Adel verband sich mit dem Regenten, das Volk zu unterdrükken, und von hier aus hebt die Verderb­ lichkeit des Adels an, der immer nur ein nothwendiges Uebel war, und jezt ein überflüssi­ ges geworden ist. Seitdem diente nun alles den Absichten des Regenten allein. Dennoch gewann die Freiheit. Denn da das Volk mehr dem Regenten, als dem Adel unterworfen war; so verschafte schon die weitere Entfernung von jenem mehr Luft. Dann konnten jene Absichten auch nicht sowohl mehr, wie sonst, unmittelbar durch die physischen Kräfte der Unterthanen – woraus vorzüglich die persönliche Sklaverei entstand – erreicht werden. Es war ein Mittel nothwendig, das Geld. Alles Streben gieng nun also dahin, von der Nation, soviel als möglich, Geld aufzubringen. Diese Möglichkeit beruhte aber auf zwei Dingen. Die Nation mußte Geld haben, und man mußte es von ihr bekommen. Jenen Zwek nicht zu verfehlen, mußten ihr allerlei Quellen der Industrie eröfnet werden; diesen am besten zu erreichen, mußte man mannigfaltige Wege entdekken, theils um nicht durch aufbrin­ gende Mittel zu Empörungen zu reizen, theils um die Kosten zu vermindern, welche die 138 existirten. D1  139  nicht minder, D1  140  des Regenten D1  142  Despot der Freiheit D1  142–145  war itzt alles Sklav: alles diente nur den Absichten des Regenten allein. D1  148  nicht so füglich mehr, wie D1  151  Die Möglichkeit D1 

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Hebung selbst verursachte. Hierauf gründen sich eigentlich alle unsre heutigen politischen Systeme. Weil aber, um den Hauptzwek zu erreichen, also im Grunde nur als untergeord­ netes Mittel, Wohlstand der Nation beabsichtet wurde, und man ihr, als unerlaßbare Be­ dingung dieses Wohlstandes, einen höheren Grad der Freiheit zugestand; so kehrten gut­ müthige Menschen, vorzüglich Schriftsteller, die Sache um, nannten jenen Wohlstand den Zwek, die Erhebung der Abgaben nur das nothwendige Mittel dazu. Hie und da kam diese Idee auch wohl in den Kopf eines Fürsten, und so entstand das Princip, daß die Regierung für das Glük und das Wohl, das physische und moralische, der Nation sorgen muß. Ge­ rade der ärgste und drükkendste Despotismus. Denn weil die Mittel der Unterdrükkung so verstekt, so verwikkelt waren; so glaubten sich die Menschen frei, und wurden an ihren edelsten Kräften gelähmt. Indeß entsprang aus dem Uebel auch wieder das Heilmittel. Der auf diesem Wege zugleich entdekte Schaz von Kenntnissen, die allgemeiner verbrei­ tete Aufklärung belehrten die Menschheit wieder über ihre Rechte, brachten wieder Sehn­ sucht nach Freiheit hervor. Auf der andren Seite wurde das Regieren so künstlich, daß es unbeschreibliche Klugheit und Vorsicht erheischte. Gerade in dem Lande nun, in welchem Aufklärung die Nation zur furchtbarsten für den Despotismus gemacht hatte, vernachläs­ sigte sich die Regierung am meisten, und gab die gefährlichsten Blößen. Hier mußte also auch die Revolution zuerst entstehen, und nun konnte kein andres System folgen, als das System einer gemäßigten, aber doch völligen und unumschränkten Freiheit, das System der Vernunft, das Ideal der Staatsverfassung. Die Menschheit hatte an einem Extrem gelit­ ten, in einem Extrem mußte sie ihre Rettung suchen. Ob diese Staatsverfassung Fortgang haben wird? Der Analogie der Geschichte nach, Nein! Aber sie wird die Ideen aufs neue aufklären, aufs neue jede thätige Tugend anfachen, und so ihren Segen weit über Frank­ reichs Gränzen verbreiten. Sie wird dadurch den Gang aller menschlichen Begebenheiten bewähren, in denen das Gute nie an der Stelle wirkt, wo es geschieht, sondern in weiten Entfernungen der Räume oder der Zeiten, und in denen jene Stelle ihre wohlthätige Wir­ kung wieder von einer andren, gleich fernen, empfängt. Ich kann mich nicht enthalten, dieser lezten Betrachtung noch einige Beispiele hinzu­ zufügen. In jeder Periode hat es Dinge gegeben, die, verderblich an sich, der Menschheit ein unschäzbares Gut retteten. Was erhielt die Freiheit in den Zeiten des Mittelalters? Das Lehnssystem. Was Aufklärung und Wissenschaften in den Zeiten der Barbarei? Das Mönchswesen. Was die edle Liebe zum andren Geschlecht in den Zeiten der Herabwür­ digung dieses Geschlechts bei den Griechen, um auch aus dem häuslichen Leben ein Bei­ spiel zu wählen? Die Knabenliebe. Ja, wir bedürfen nicht einmal der Geschichte; der Gang 173 ff.  nun konnte man – bei der bekannten Unfähigkeit der Menschen, die Mittelwege zu finden, und besonders bei dem raschen und feurigen Charakter der Nazion – kein anderes System erwarten, als das, worin man die größtmögliche Freyheit beabsichtigte: das System der Vernunft, das Ideal der Staatsverfassung. D1  178  Frankreichs Gränze D1  186  Was die Aufklärung D1

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Brief 206–209

des Menschenlebens überhaupt ist das treffendste Beispiel. In jeder Epoche desselben ist Eine Art des Daseins Hauptfigur in dem Gemälde, indeß alle übrigen ihr, als Nebenfiguren, dienen. In einer andren Epoche wird sie zur Nebenfigur, und eine von jenen tritt auf den Vordergrund. So danken wir allen bloß heitren, sorgenfreien Genuß der Kindheit; allen En­ thusiasmus für das empfundene Schöne, alle Verachtung der Arbeit und Gefahr, es zu er­ ringen, dem blühenden Jünglingsalter; alle sorgsame Ueberlegung, allen Eifer aus Gründen der Vernunft der Reife des Mannes; alle Gewöhnung an den Gedanken der Hinfälligkeit selbst, alle wehmüthige Freude an der Betrachtung, das war, und ist nun nicht mehr! dem Hinwelken des Greises. In jeder Periode existirt der Mensch ganz. Aber in jeder schimmert nur Ein Funke seines Wesens hell und leuchtend; bei den andren ists der matte Schein, bald des schon halbverloschnen, bald des erst künftig aufflammenden Lichts. Eben so ists in jedem einzelnen Menschen, mit jeder seiner Fähigkeiten und Empfindungen. Allein ein Individuum Einer Art erschöpft selbst in der Folge aller Zustände nicht alle Gefühle. Der Mann z. B. bei den Menschen, ewig beschäftigt außer sich zu wirken, ewig strebend nach Freiheit und Herrschaft, besizt nur selten die Sanftmuth, die Güte, den Wunsch, auch durch das Glük zu beglükken, das man empfindet, nicht immer durch das, was man giebt – welches alles dem Weibe so eigen ist. Dagegen fehlt es dem Weibe so oft an Stärke, Thätigkeit, Muth. Um daher die volle Schönheit des ganzen Menschen zu fühlen, muß es ein Mittel geben, das beider Vorzüge, wenn auch nur auf Momente, und in verschiednen Graden vereint fühlen läßt, und dieß Mittel muß des schönsten Lebens schönsten Genuß bewahren. Was folgt nun aus diesem allem? daß kein einzelner Zustand der Menschen und Dinge Aufmerksamkeit verdient an sich, sondern nur in Zusammenhang mit dem vorhergehen­ den und folgenden Dasein; daß die Resultate an sich nichts sind, alles nur die Kräfte, die sie hervorbringen, und die aus ihnen entspringen. Und nun genug für heute, lieber Gentz. Leben Sie wohl!

207.  An Carl Theodor v. Dalberg in Erfurt

Burgörner, 18. Oktober 1791

Karoline berichtet: Buchsendung an Dalberg.

Humboldt hat mit lezter Post an den H. Koadjutor das neue Gesezbuch abgeschikt das er nebst einem Exemplar für sich von Berlin empfangen. 205  Glück, das man empfindet, zu beglücken; D1  208  das beide Vorzüge, D1  211  aus diesem allen? D1  und der Dinge an sich Aufmerksamkeit verdient, D1  213  Kräfte, welche jene hervorbringen, und aus ihnen wieder entspringen. D1  215  lieber *. D1-2 

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208.  An Sophie Fränkel in Berlin

Burgörner, 7. November 1791

Lob der Genügsamkeit, mit der sie ihre Lage erträgt. Gentz’ Besuch; die Bedeutung der Freundschaft mit der Fränkel für ihn; dessen Rückreise bei strenger Kälte.

Burgörner, 7. Nov. 1791.

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Einen so lieben und freundschaftlichen Brief, als den Ihrigen, theure Freundin, solange unbeantwortet zu lassen, ist freilich nicht recht, und mehr als Einmal habe ich mich deshalb angeklagt. Allein so große Schuld auch dabei auf meine Rechnung kommt; so haben mich doch auch unvorhergesehene Umstände abgehalten. Ich war gerade, als Ihr Brief ankam verreist, und empfieng ihn daher erst mehrere Wochen nachdem Sie ihn schrieben. Unendlich hat es mich gefreut zu hören, daß Sie in der That glüklicher leben, als ich mir vorstellte, und noch mehr, wo möglich, hat mich die Genügsamkeit entzükt, mit der Sie, über dem Gefühl einiger Freuden, Ihre tägliche, warlich drükkende Lage beinahe ganz zu vergessen scheinen. Gentz ist 5 Tage lang bei uns gewesen und hat uns gestern früh verlassen. Sie kennen ihn zu genau, als daß ich Ihnen noch zu sagen brauchte, wie unendlich süß mir diese Tage gewesen sind. Er hat mir erzählt, wie Sie allein ihm seinen Berliner Aufenthalt angenehm machen, und wir haben uns gemeinschaftlich vieler froher Tage erinnert, die wir Ihrer Güte dankten. Sie sollten einmal hier bei uns sein, liebe Freundin. Wenn auch, wie jezt, alles beschneit wäre, würde es Ihnen, denk ich, den­ noch gefallen. Aber Sie glauben nicht wie tief Winter es schon hier in den Bergen ist. Ich bedaure den armen Gentz herzlich um seiner Rükreise willen. Denn heute ist die Kälte schneidend, und heute Nachmittag reist er von Rothenburg, 2 Meilen von hier ab, wo er noch einen Freund besucht hat. Für Ihren Anisette, […].

209.  An Gentz in Berlin

Burgörner, Dezember 1791

Im Zusammenhang mit Staatsverfassung eingehende Betrachtung der menschlichen Kräfte als politisch-moralischer Faktor. Blick auf die Antike: die Kraft der Ganzheit überwiege einzelne Werke; in der Gegenwart hingegen Vorrang der Erfindungen vor den menschlichen Kräften; moralische Aufgabe dieser Kräfte: die sinnlichen Begierden durch Anleitung der Vernunft produktiv zu bündeln.

Ich habe Ihnen in meinem – wie Sie ihn nannten – politischen Briefe einmal ge­ sagt, daß das Gute nie da wirke, wo es sei, sondern bald in größeren, bald in geringeren

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Brief 209

Entfernungen. Dieß fühle ich jezt in der That an mir selbst auf eine äußerst evidente Art bestätigt. Ich habe eine wahre Manie über Politik zu schwazen und zu schreiben, und doch wissen Sie, daß ich mich immer eigentlich nur mit dem beschäftigte, was den einzel­ nen Menschen, und das Privatleben angeht. Ihnen waren, wie Sie mir oft sagten, politische Gegenstände immer die interessantesten, und Sie hinterließen mir einen Aufsaz über me­ taphysische Moral, und ich schreibe Ihnen politische Briefe. Indeß werden Sie meiner Poli­ tik, und vorzüglich der in meinem heutigen Brief wenn er mir anders so gelingt, als ich ihn im Sinn habe, den Grund leicht ansehen, auf dem sie gebaut ist. Ich schloß neulich damit, daß die Kräfte der Menschen eigentlich das sind, was allein Aufmerksamkeit verdient. Wie es der Hauptgrund meines Tadels der Französischen Nationalversammlung war; so ist es auch der Grund des Gebäudes der Politik, das ich nach und nach aufzuführen denke, und ich gehe also davon zuerst aus. Der handelnde Mensch zeigt zwei Gegenstände, welche wetteifernd unsre Aufmerk­ samkeit an sich ziehen, die thätige Kraft, und das gewirkte Resultat. In der früheren Ge­ schichte der Nationen, vorzüglich in den schönen Zeitaltern Griechenlands und Roms ver­ schwinden auch die größesten Werke beinah in dem Glanze der Kraft, die sie schuf. Wir bewundern nicht so die Weisheit ihrer Staatsverfassungen und politischen Systeme, als den Gemeingeist der Nation, das Genie des Redners, welcher sie zu leiten, und indem er sie leitete, noch ihre Energie zu erhöhen verstand; nicht so den künstlich ersonnenen Plan ihrer Schlachten, als den Muth der Heere, die Geistesgegenwart ihrer Führer; nicht so die Wahrheit ihrer philosophischen Lehrgebäude, als den weitumfassenden Geist derer, die sie aufführten. Selbst in Absicht auf ihre Kunst, ist uns das Volk interessanter, dessen feine Reizbarkeit die Zahl der Saiten der Leier zu einer Staatsangelegenheit machte, das mit einem fast an Raserei gränzenden Enthusiasmus sich zu Werken des Genies hingezogen fühlte, und mit einer, sonst nur Kennern eignen Feinheit sie richtete, als selbst die Werke ihrer vielleicht nie erreichten Künstler. Bei uns ist das alles anders. Wir rühmen uns mehr der menschlichen Erfindungen, als der menschlichen Kräfte, einer systematischen, nach Grundsäzen entworfenen Staatsverfassung und Politik, einer zur Wissenschaft geworde­ nen Kriegskunst, einer vollendeten Kritik der Vernunft. Große Menschen stehen seltner auf, und gehören, wie zu einem andren Geschlechte, und, wollte man eine Berechnung anstellen, so ist am häufigsten unter uns das Genie des Verstandes, seltner das der Kunst, am seltensten aber das, was den Helden der alten Zeit Unsterblichkeit gab, das Genie der thätigen Tugend. Nur Eins haben wir gerettet, die Achtung und Bewunderung dessen, was wir nicht mehr sind. Denn wenn gleich keiner von uns in Athen, Sparta, oder Rom zu leben wünschte; so wagt es doch auch keiner seine Ehrfurcht selbst dem Niedrigsten unter dem Volk zu versagen, das, um nur Ein Beispiel zu wählen, diese kühne Beharrlichkeit in Vertheidigung seiner angegriffenen Rechte, und diese weise Mäßigung im Gebrauch der wiedererlangten zeigte. Eben so und nach eben dem Princip ehren wir auch unter uns den

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großen Krieger mehr, als den gleich großen Staatsmann, diesen, als den Künstler, und die­ sen endlich, als den Gelehrten u. s. f. Eine gleiche Schäzung hat jedes Zeitalter aufgestellt, und die menschliche Natur hat dadurch bewiesen, daß wie auch ihre Vernunft raisonniren, und ihre Neigung handlen möge, das in sich Schöne und Große sie doch höher entzükt, als das Nüzliche, die Blüthe höher als die Frucht. Zu zwei Naturen gehörend vereint der Mensch entgegengesezte Eigenschaften in sich, auf der einen Seite alle sinnliche Begierden des Thiers, auf der andren eine Vernunft, deren Forderungen jede Sphäre der Sinnlichkeit zu eng ist. Zusammengebundene Pfeile waren schon den Scythen Emblem der höchsten Kraft. Die simple Wahrheit dieses Bildes scheint mit dem Fortgange der Kultur immer mehr verkannt worden zu sein. Statt die Kräfte des menschlichen Wesens zu vereinen, hat man sie auf eine unbegreifliche Art zu trennen ge­ sucht. Die Kindheit der Nationen – wenn es je eigentlich einen solchen Zustand gab, und nicht vielmehr der Mensch sich, auch in seinen ersten Anfängen schon als Mensch erwies – gab natürlich der Sinnlichkeit die Herrschaft. Ganz entgegengesezt suchte eine vernünf­ telnde Moral dieselbe zu unterdrükken, und die Politik – weil freilich des Schwächeren Lenkung auch geringere Kräfte erfordert – kam ihr bald mehr, bald minder zu Hülfe, und ersann, direkt und indirekt, eine unglaubliche Menge von Mitteln zu diesem Zwek. Nur die blühendsten Nationen in den schönsten Zeitaltern, und die größesten Menschen aller Epochen wirkten mit der Stärke ihres vereinten Wesens. Alles, was dem Menschen Bewun­ derung einflößen soll, muß an das unsichtbare Reich grenzen, dem wir, ohne es weiter zu kennen, alles, was sinnlich ist, entgegensezen. Zugleich muß es von der Anwendung einer großen Kraft zeugen. Ohne diese Kraft erwirbt auch die höchste Reinheit der leitenden Idee, ohne diese Reinheit auch die angestrengteste Kraft nicht unsre Achtung, und weil Widerstand – wenn gleich Kraftäußerung ohne ihn sein kann – doch das sicherste Zei­ chen derselben ist; so zieht uns kein Schauspiel so an, als das des Kampfs der Sehnsucht nach moralischer Größe gegen mächtige sinnliche Antriebe. Nun aber stammt alle Kraft des Menschen ursprünglich aus seiner Sinnlichkeit, auch die mächtigste Idee vermag nicht, ohne dieß Medium zu wirken, und eine Wirksamkeit nicht bloß nach, sondern auch durch bloße und reine Ideen wäre ein chimärischer Begriff. So ist also Sinnlichkeit und Vernunft, das eine der Quell aller Kraft, das andre aller Lenkung der Kraft. Niemand kann, ohne sein Wesen aufzuheben, das eine oder das andre vernichten, wohl aber dem einen oder dem andren mehr Einfluß gestatten. An der verhältnißmäßigen Mischung beider erkennt man den Weisen […].

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210.  An Gentz in Berlin

Burgörner, 9. Januar 1792

Anknüpfend an Staatsverfassung Auseinandersetzung mit Montesquieus Prinzipien und der Vorbildlichkeit der römischen Geschichte; Analyse der Verfassungsbeschlüsse des französischen Nationalkonvents. Hiernach Überleitung zu ausführlicher Darlegung der Hauptthesen der späteren Abhandlung Staatswirksamkeit.

Wenn ich neulich, lieber Gentz, die Französische Konstitution nur als eine Veranlas­ sung brauchte, allgemeine Ideen über alle Staatsreformen überhaupt gelegentlich daran zu entwikkeln; so habe ich sie seitdem zu einem angelegentlicheren Gegenstande meines Nachdenkens gemacht, und da sind mir vorzüglich zwei Betrachtungen aufgestoßen, die, wie mich dünkt, diese Konstitution noch weit von dem Ruhme eines Vernunftideals ent­ fernen, in dessen ruhigem Besiz mein voriger Brief sie ließ. Wenn ich aber meinen Ideen mistraue; so mistraue ich noch mehr meiner Sachkenntniß, und in dieser doppelten Rük­ sicht bitt’ ich Sie um Berichtigung meines Raisonnements. Bei der Beurtheilung jeder Staatsverfassung muß man, dünkt mich, sorgfältig zwei zu oft verwechselte Dinge unterscheiden, den Zwek, den sich die ganze Staatsverfassung überhaupt zu erreichen vorsezt, und die Mittel, welche sie verwendet um sich selbst ihr Dasein und die Möglichkeit ihrer Thätigkeit zu erhalten. Von dem ersteren ist in vielen Verfassungen, und z. B. in den alten griechischen und Italischen gar die Frage nicht. Ob in Sparta, Athen, und Rom bloß die Sicherheit abgezwekt wurde, oder auch das übrige Wohl der Menschen, ob in diesem Fall ihr moralisches, oder physisches? möchte nicht bloß eine schwer, sondern eine gar nicht zu entscheidende Frage sein. Sehr natürlich auch. Solange es die Menschen waren, die sich einen Herrscher gaben, so konnte es ihnen nicht einfallen zu fragen, was wollen wir nun anfangen, wenn wir frei und wenn wir sicher sind, aber wenn der Herrscher die Menschen unterwirft, dann ist es nicht befremdend, daß entweder die Menschlichkeit des Regenten sich selbst die Frage vorlegt, welche Gränzen er wohl seiner Wirksamkeit sezen darf? oder daß die Menschen selbst es wagen, ihn an diese Gränzen zu erinnern. Die Bereicherung des Staatsrechts mit dieser Frage dürfte daher in eben die Zei­ ten fallen, in welchen, statt daß ehemals die Freien einen Herrscher verlangten, der Herr­ scher Sklaven suchte, und in die Zeiten, wo aus den Bürgern Unterthanen wurden. Auf der andren Seite war in den älteren Staaten die Frage, wie man der Regierung Festigkeit und Gewalt zusichern wollte, noch ungleich interessanter, als jezt. Denn in einem Zeitalter, wo der geringere Grad der Kultur und die weniger ausgebreitete Kommunikation es noch we­ niger möglich macht der wirklichen Kraft nur Zeichen der Kraft, und dem gegenwärtigen Widerstande auf die Zukunft weisende Furcht und Hofnung entgegenzusezen, wo es gilt, was die Menschen sind, und nicht, was sie haben, da muß es, weil der höchst mögliche Un­ terschied der Kräfte gegen den höchst möglichen Unterschied der Güter natürlicherweise unendlich klein ist, da, sag’ ich, muß es bei weitem leichter sein, einen Thron umzustoßen, als zu behaupten. Wie nahe diese Verschiedenheit zweier Epochen sei, welche offenbar

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in der Geschichte der Staatsverfassungen, wenn gleich mit großen Verschiedenheiten des Orts und der Zeit, existirten, zeigt die Bemerkung, daß in beiden Epochen völlig gleiche Erscheinungen sich bloß durch diese zwiefache Quelle unterschieden. In den älteren und neueren Staaten wachte man über die Aufrechthaltung der hergebrachten Religionen, in beiden gab es öffentliche Erziehungsanstalten, in Platons Republik und in mehr als Einem neueren Lande sucht man den Handel von der Nation an den Staat zu bringen, und all­ gemein in alten und neuen Staaten schränkt man die freie Willkühr des Menschenlebens ein, aber weder in den alten sagte man, daß dieß auf die Beförderung des physischen und moralischen Wohls der Bürger abzwekke, noch in den neueren, daß es die Vermeidung von Aufruhr zur Absicht habe. Der einzige Einwurf hiegegen möchte von dem „sagt man“ herzunehmen sein, allein den kann ich hier, wo es mir nicht auf historische, sondern politi­ sche Erörterung ankommt, leicht übergehen. Ueberhaupt, wie auch überall mag gehandelt worden sein; so ist gewiß, daß die beiden gleich anfangs erwähnten Gesichtspunkte – der eine sowenig als der andre – vernach­ lässigt werden dürfen. Der ganze Unterschied besteht nur darin, daß der eine bloß einen positiven, der andre einen negativen Gebrauch hat. Die Menschen wollen in Gesellschaft leben. Dazu führt sie ihre Natur. In der Gesellschaft aber fühlen sie das Bedürfniß gemein­ schaftlicher Führung. Nun entstehen natürlich die beiden obigen Fragen: 1., was verlangt man von der Regierung, und worauf schränkt man ihren Zwek ein? 2., wie bringt man es dahin, daß die Regierung nie mehr thun wolle, aber dieß immer thun könne? Ich fange zuerst bei der lezteren an, weil, wenn ich meine Data über die Französische Konstitution überschlage, mein Reichthum hier größer ist, und auch diese Frage – bei einer genaueren Abmarkung der Wissenschaften – wohl allein eigentlich in die Politik gehört, indem die andre, mehr aus der Moral oder dem Naturrecht geschöpft, der Politik nur die Gränze sezt. Montesquieus principes haben mir immer eine der genievollsten Ideen geschienen. Sie deuten gerade das an, was ich hier meine, die Nothwendigkeit gleichsam dem unkörper­ lichen Ideal einen Körper zu leihen, damit es den Menschen sichtbar werde. Unstreitig ist seine Aufzählung oberflächlich und unvollständig. Aber dieser einzige Mann sucht die Ideen nicht auf; sie begegnen ihm, und der geistvolle Leser schämt sich die Gebur­ ten seines Genies erst systematisch zu reihen. Sobald man das Band zwischen dem Staat und der Nation fest knüpfen will, sind zwei Klippen zu vermeiden, dem Staate nicht zu wenig Gewalt zu verleihen, damit er sicher wirken könne, und nicht zu viel einzuräumen, damit er die Gränzen nicht überschreite. Daher ist es nie weise, ein wirkliches Ueberge­ wicht physischer Macht zu veranlassen, wie es in allen despotischen und selbst – durch die stehenden Armeen – in unsern monarchischen Staaten ist. Weniger schlimme Folgen hat es schon, wenn die Macht nicht unmittelbare, sondern mittelbare durch Gewinnung der Nation, oder eines Theils derselben ist. So bei der Ehre, dem principe der Monarchie, 65 Gewalt] korr. aus Macht H  70 ist.] aus wirkt. H

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nach Montesquieu. Denn dieselbe Ehre, welche die Nation an den Thron bindet, verhin­ dert sie auch, sich als Sklavin behandeln zu lassen. Könnte diese Triebfeder ihrer Natur nach auf alle Mitglieder der Nation wirken; so möchte sie – insofern man nemlich bloß den politischen Gesichtspunkt der Festigkeit der Verfassung faßt – vielleicht die beste sein. Aber da sie allemal nur einen Theil der Nation umfaßt; so kann nur der sie billigen, dessen Sorgfalt um den Ueberrest ganz unbekümmert ist. Wie daher die lezte der noch übrigen Montesquieu­schen Triebfedern die edelste im einzelnen Menschen ist; so ist sie auch die, welche allein zum wahren Ziel führt. Nur der reine Enthusiasmus für die Konsti­ tution – wenn Sie mir erlauben, so M[ontesquieus] vertu zu übersezen – blüht immer in ungeschwächter Kraft und nur er vergißt nie seiner Schranken. Aber die Hofnung, dieser Triebfeder so leicht Meister zu werden, schwächt schon die warnende und belehrende Erfahrung, daß man ihn nur in den blühendsten Zeiten der alten Staaten, und bei uns nur in isolirten, oder noch unkultivirten Ländern findet. Für eine bloße Idee haben sich wohl Philosophen, aber nie Nationen erwärmt. Bei diesen entsteht Begeisterung für die Kon­ stitution nur dann, wenn diese Konstitution aus ihrem Nationalcharakter gleichsam her­ vorgeht, wenn sie aufhören müßten die Menschen zu sein, die sie sind, wenn sie die Kon­ stitution verlören. Dann entsteht sie nicht leicht anders als in einer Epoche, in welcher die Bedürfnisse der Menschen noch sehr einfach, und die Nothwendigkeit ihrer Verbindung sehr groß ist. Die Festigkeit einer Vereinigung Mehrerer steht allemal im umgekehrten Ver­ hältniß zu der Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse, und dem Gefühle der Kraft der Einzelnen. Diese Schwierigkeiten sahen die Alten wohl ein. Daher allein stammten Lykurgus gemein­ schaftliche Mahlzeiten, daher Platos Weibergemeinschaft, Verbannung vieler Gattungen der Dichtkunst u. s. f. Daher sogar Aristoteles grausamer Vorschlag, bei einer zu großen Bevölkerung die Geburten zu unterdrükken. Wie man über diese Projekte und Geseze urtheilen mag, so sahen diese zu oft verlachten, und zu selten verstandenen Weisen wohl ein, daß, sobald der Mensch ein doppeltes Dasein kennt, das Dasein des Menschen und das des Bürgers, der Staat aufgelöst sei, den nur Bürgertugend erhalten soll. In eben dem Verstande hatte auch, was immer der furchtsam fromme M. einwenden mag, Bayle recht zu behaupten, daß ein Staat von Christen nicht bestehen könne. Denn unstreitig ist eine der heilsamsten Folgen des Christenthums die größere Vereinigung der Menschen gewe­ sen; und unläugbar trennen sich die Bande einer Gesellschaft in eben dem Grade, in wel­ chem ihre Mitglieder sich andern, nicht zu ihnen gehörenden nähern. Alle alten Staaten, wenigstens gewisse Perioden hindurch, sind gleichsam einzelne kolossalische Menschen­ gestalten. In jeder ein entschiedener Charakter, entschiedene Tugenden, entschiedene Fehler. Ueberall ist Einheit und wenn man mit andren vergleicht, überall unverkennbare Verschiedenheiten. Mit der Kultur, mit der größeren Gemeinschaft der Menschen, unter der Bildung einer gemeinschaftlichen Religion, und einer, nur in viele freilich oft weit ab­ weichende Dialekte getheilten Sprache, muß das aufhören, und kann nicht zurükkehren. Es ist eine Erscheinung, die, einst wohlthätig, einer zum mindesten gleich wohlthätigen

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gewichen ist. Die nüchterne Weisheit belehrt sich an ihren Schatten, aber versucht nicht, sie, gleich einem abgeschiedenen Geiste, zurükzuzaubern. Außer diesen M[ontesquieuschen] principes giebt es noch ein oft und, weise ange­ wandt, immer mit Glük versuchtes Mittel, die Staatsverfassung zu sichern, die Gegenei­ nanderstellung mehrerer, von einander unabhängiger Mächte. Dieß muß man mehr als irgendwo in dem Römischen Staate studiren. Ueberhaupt kann ich mich nicht enthalten, es zu sagen, daß die Römische Geschichte das einzige wahre Lehrbuch der Politik ist, und mir ewig der der größeste Politiker bleiben wird, der dieß unablässig studirt hat. In Rom giebt kein vernünftlender, oder schwärmerischer Gesezgeber eine neue Konstitution, aber man sieht ein Volk, das, ohne vorher eine Nation ausgemacht zu haben, nur durch seine Verfassung gebildet ist, ein Volk, das ewig mit seinen Nachbarn und dem Schiksale kämpft, und, bei seiner unbegränzten Freiheitsliebe, daher ewig in dem Fall ist eines Herrschers zu bedürfen, und einen Unterdrükker zu fürchten, dessen wahrhaft praktischer Verstand allemal, durch die Gefahr begeistert, das beste Heilmittel findet, und dessen edler, und selbst in seinen Fehlern großer Charakter nie seine Würde vergißt. Man hat den Livius verlacht, wenn er irgendeinmal sagt, die Römer hätten nie einen Krieg aus Eroberungs­ sucht angefangen. Aber wenn sie Eroberungssucht besaßen; so wars doch die edelste aller, und gewiß wären sie lieber die Schiedsrichter, als die Beherrscher der Nationen gewesen. Verzeihen Sie diese Ausschweifung, theurer Freund. Ich komme zurük. Die Römer wogen aufs genaueste die Gränzen der Macht gegeneinander ab. Sobald Ein Plebejer einen Ku­ rulischen Stuhl einnahm, erschienen auf dem Marktplaz drei andre patrizische, ein Verhält­ niß, das, wer die Römische Verfassung wahrhaft studirt hat, nicht übertrieben finden wird. Dieß Mittel des Gleichgewichts – wenn ich so sagen darf – ist nur für alte Zeiten und alte Nationen. In jeder lassen sich verschiedne Stände, mit wohl abgewogener Macht, und mit gehörig gereizten Begierden einander entgegenstellen. Welches von diesen Mitteln hat nun die konstituirende N[ational]V[ersammlung] ge­ wählt? Wenn mich nicht alle meine Sachkenntniß trügt, keins. Nichts steht der jedesmali­ gen Legislatur entgegen. Der König und seine Minister sind ohne Macht. Die Römischen Tribunen waren es auch. Auch sacrosancti wie der Französische König und nur mit einem veto versehen. Aber das veto der Tribunen unterstüzte das Volk. Wehe dem Zeitpunkt, wo je das Volk seis gegen die Legislatur oder gegen den König handelt. In jedem Fall ists ein Eingriff in die Konstitution, und in die Verfassung sind nun beide Mächte gesezt, daß sie auf das Mittel reduzirt werden, eine dritte ungesezmäßige zu Hülfe zu rufen. Aber eine solche Gegeneinanderstellung der Stände hat die NV. auch nicht einführen wollen. Sie fürchtete nur den König, und dem hat sie Fesseln angelegt. Für die Legislatur und die Nation bürgt ihr Enthusiasmus für die neu eingeführte Freiheit. Der Grundsaz, auf dem die ganze Konstitution aufgeführt ist, ist Gleichheit, aber – gewiß zum erstenmal 113 Glück D  144  fürchtete nur] aus verließ sich auf H

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in irgendeiner Nation – Gleichheit nicht der Bürger, sondern der Menschen. Es mag im­ merhin eine schwere Sache sein, zu bestimmen, ob die Rechte der Menschheit einem Gesezgeber diesen Grundsaz abnöthigen. Auf der einen Seite, dünkt mich, erfordern die Menschenrechte wohl, daß jeder frei sei, aber schlechterdings nicht, daß jeder herrsche; auf der andren indeß halte ich es gleichfalls unrichtig, sich auf alte Verträge und Rechte zu beziehen. Das Recht da anführen, wo die Sache ganz geändert ist, heißt offenbar um der Form willen die Sache vernichten. Allein die nähere Ausführung und die Anwendung bei­ der Bemerkungen erregt noch eine Menge von Schwierigkeiten. Indeß kommt es auch hier auf diese Erörterung nicht an. Neben dem Grundsaz der allgemeinen Menschengleich­ heit wäre es immer Pflicht der NV. gewesen ihrer Verfassung eine Triebfeder beizugeben, welche ihr die Dauer gesichert hätte, und die Möglichkeit leidet keinen Zweifel. Daß das Prinzip der Menschengleichheit selbst keine solche ist, davon, mein Theurer, ersparen Sie mir gewiß den Beweis. Wo nicht so verweise ich Sie auf den Saz, daß alle Energie mit der Ausbreitung hinschwindet, auf meinen vorigen Brief überhaupt, und auf die Erfahrung, welche das Geschrei über die Freierklärung der Negersklaven unter Menschen giebt, die einem Könige kaum noch den Titel Majestät einräumen. Ich darf es daher, denke ich, sagen, es fehlt der Französischen Konstitution an allen Triebfedern, dem Könige an aller Macht, der Legislatur an allem Zaum, und der Nation an allem Zunder des Enthusiasmus. Nur Ein Staat, in der mir bekannten Geschichte, hat sich – die übrigen ungeheuren Verschiedenheiten abgerechnet – ohngefehr in gleicher Lage befunden, Athen. Das wollüstige Athenische Volk hatte gewiß keine Tugend, in der ausgelassensten Demokratie war nicht an Ehre, im monarchischen Verstande, zu denken, Furcht traf nur die Guten und Edlen, und die Macht des Volks hatte keine Zügel, als seine eigne durch Geschwäz bestechbare Eitelkeit. Dennoch hat Athen geblüht, und seit den Pisistratiden keine einheimische Tyrannie in seinen Mauren entstehen sehen. Denn die 30 Tyrannen gab bekanntermaaßen Lacedämon. Allein die Fehler der Athenischen Verfas­ sung zeigt auch ihre Geschichte genug, und daß die Verfassung sich erhielt, war warlich nur Folge des Uebermaaßes der Demokratie, der mehr eiteln, als großen Freiheitsliebe des Volks, des Ostracismus und seiner übrigen Ungerechtigkeiten; lauter Heilmittel, welche warlich das Uebel selbst nicht sehr fürchterlich machen. Vielleicht möchten die Schriftstel­ ler des Jahrhunderts Ludwigs XIV. mit ungünstiger Vorbedeutung so oft an die Aehnlich­ keit von Paris und Athen erinnert haben. Unausführbarer also, als jedes mir bisher bekannte Projekt, unausführbarer selbst als Platos Republik wird mir ewig die Französische Konstitution scheinen. Mag es immer­ hin unmöglich sein, in Platos Allegorie zu reden, das irdische, erdgebohrne Roß zu dem Wohnsiz der Urgestalten der Wesen über den Gestirnen zu lenken, näher scheint mir dem 156 beizugeben,] aus beizumischen. H  181  in Platos Allegorie zu reden,] aus die menschliche Unvollkomm[enheit] H

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Ziele doch der, welcher kühn wagt, ihm mit Gebiß und Geißel zu gebieten, als der, welcher ihm ohnmächtig den Zügel überläßt. 2., Ich gehe zum zweiten nun über, welchen Zwek muß die wahre Politik jeder Staats­ verfassung vorschreiben, und welches sind daher die Schranken ihrer Wirksamkeit? Sie werden es mir verzeihen, wenn ich hiebei noch weniger Rüksicht auf Frankreich nehme. Die Ideen sind mir an sich interessanter, und über Frankreichs jezige Verfassung fehlen mir viele Data. Das physische und moralische Wohl der Nation, sagen fast alle unsre politischen Schriftsteller, ist der Zwek des Staats, und Religions und Polizeiedikte sagen es deutlich genug, daß die Ausführung hier der Theorie sehr nahebleibt. Vorzüglich häufig aber ist das Einmischen des Staats in die Betreibung aller Gewerbe. Akkerbau, Handwerker, Handel, Künste und Wissenschaften selbst, alles erhält Leben und Lenkung vom Staat. Auf diesen Grundsäzen ist die seit einiger Zeit so gepriesene Polizeiwissenschaft erbaut, und vielen Schriftstellern nach, sollte man glauben, das einzige Verderben sei nur dieß, daß man nicht jeden einzelnen Unterthan, überall, und, wie Rousseau seinen Emil, bis ins Ehbett hinein hofmeistem kann. Die Alten schränkten auch die Freiheit auf mancherlei Art ein, oft auf eine drükkendere. Aber der Unterschied ist und bleibt mächtig. Die Alten sorgten für die Kraft und Bildung des Menschen, als Menschen; die [Neueren] für seinen Besiz und seine Erwerbfähigkeit. Die Alten suchten Tugend, die Neueren Glükseligkeit. Ein Philosoph (Sie werden den Rakker hier nicht erkennen, es ist Tiedemann) entblödet sich nicht zu sagen, daß, wenn den Gerechten alles UngIük immer nothwendig träfe, was Plato einmal in sei­ ner Republik schildert, die Ungerechtigkeit Pflicht sein werde; der selbst, welcher die Mo­ ralität in ihrer höchsten Reinheit sah und darstellte, glaubt durch ungeheuer künstliche Maschinerie seinem Ideal des Menschen die Glükseligkeit warlich mehr wie eine fremde Belohnung, als wie ein eigen errungenes Gut zuzuführen. Ich verliere kein Wort über diese Verschiedenheit. Ich schließe nur mit einer Stelle aus Aristoteles Ethik: Το οικειον ἑκαστῳ

τῃ φυσει, κρατιστον και ἡδιστον εσϑ’ ἑκαστῳ· και τῳ ανϑρωπῳ δη ὁ κατα τον νουν βιος, ειπερ τουτο μαλιστα ανϑρωπος, οὑτος αρα και ευδαιμονεστατος.

So allgemein indeß auch jenes angeführte Prinzip ist, so verdient es, dünkt mich, doch noch allerdings einer nähern Prüfung. Der wahre Zwek des Menschen – nicht der, den die wechselnde Neigung, sondern den die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt – ist die höchste und proportionirlichste Bildung seiner Kräfte zu Einem Ganzen. […]. Freilich giebt es nun auch eine Art der Unterdrükkung, die, statt den Menschen einzu­ schränken, den Dingen um ihn her eine beliebige Gestalt giebt, allein besser ists immer, diese beiden Dinge – so sehr sie auch gewissermaaßen Eins und dasselbe sind – noch von einander zu trennen. 200  die Menschen für seinen Besiz H  201 Glückseligkeit D  209  καὶ ἡδιστον […] καὶ ανϑρωπῳ D 210  ειπερ μαλιστα τουτο τῳ ανϑρωπος, D

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Alles reduzirt sich im Menschen auf Form und Materie. […] […] Bewiesen halte ich […], daß die wahre Vernunft den Menschen keinen andren Zu­ stand als einen solchen wünschen kann, in welchem nicht nur jeder Mensch die ungebun­ denste Freiheit hat, sich aus sich selbst zu entwikkeln, sondern in dem auch die physische Natur keine andre Gestalt von Menschenhänden empfängt, als ihr jeder Mensch, nach dem Maaß seines Bedürfnisses und seiner Neigung, nur beschränkt durch seine Kraft und sein Recht, selbst giebt. Von diesem Grundsaz darf meines Erachtens die Vernunft nie mehr nachgeben, als nur soviel zu seiner Erhaltung selbst nothwendig ist. Er müßte da­ her auch jeder Politik und besonders der Beantwortung der Frage, von der ich hier rede, immer zum Grunde liegen. Ich habe gesucht, ihn aus den höchsten Gesichtspunkten zu betrachten. Wenn das die Unbequemlichkeit hat, daß man dadurch die Wahrheiten von der Anwendung weiter entfernt, so hat es auch den Nuzen, daß ihre Richtigkeit evidenter ist, daß sie dem ganzen Gewebe der Säze des Aufstellenden oder des Prüfenden inniger einverleibt werden, und daß selbst die Entfernung von aller Anwendung gewisser eine un­ schikliche Anwendung verhindert. Der Zwek einer Staatsverfassung kann positiv und negativ sein. Er kann Glük beför­ dern oder nur Uebel verhindern wollen, und im leztern Fall Uebel der Natur oder Uebel der Menschen. Schränkt er sich auf das leztere ein, so sucht er nur Sicherheit und dieser Sicherheit lassen Sie mich einmal alle übrigen möglichen Zwekke vereint entgegensezen. Die eben festgestellten Grundsäze verwerfen nun schon an sich jedes Bemühen des Staats, seine Sorgfalt an die Stelle der Sorgfalt der Nation wenigstens in allen Dingen zu sezen, die nicht unmittelbaren Bezug auf die Kränkung der Rechte des Einen durch den andren haben; und ich könnte mich insofern dabei begnügen. Indeß wird es doch sogar nothwendig sein, hier noch ein wenig mehr ins Détail zu gehen. Der Staat sieht das Land und die Nation, als ein Ganzes an, und glaubt für die Erhal­ tung dieses Ganzen in seinem moralischen und physischen Wohlstande sorgen zu müssen. Daher die Beförderung des Akkerbaues, der Industrie und des Handels durch Geseze und Ermunterungen, daher, oder wenigstens oft daher alle Finanz und Münzoperationen, Ein und Ausfuhrverbote u. s. f. Denn ich bleibe mit Fleiß bei dem physischen Wohl hier stehn. Daher noch ferner alle Veranstaltungen zur Verhütung oder Herstellung von Beschädi­ gungen durch die Natur, ferner alle Armenanstalten, kurz jede Einrichtung des Staats, wel­ che das physische Wohl der Nation zu erhalten, oder zu befördern die Absicht hat. Alle diese, behaupte ich nun, sind schädlich, und einer wahren, von den höchsten, aber immer menschlichen Gesichtspunkten ausgehenden Politik unangemessen. Der Geist der Regierung herrscht in einer jeden solchen Einrichtung, und wie weise und heilsam auch dieser Geist sei; so bringt er Einförmigkeit, und eine fremde Handlungs­ weise in der Nation hervor. […]

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[…] Alles im Menschen ist Organisation. Was in ihm gedeihen soll, muß in ihm ge­ säet werden. Alle Kraft sezt Enthusiasmus, und dieser allemal die Bedingung voraus, daß man den Gegenstand desselben als sein Eigenthum ansieht. Nun aber hält der, von seinen ersten Kräften nie ganz entartende Mensch das nie so sehr für sein, was er besizt, als was er thut, und der Arbeiter, der einen Garten bestellt, ist gewiß in einem wahreren Sinn Ei­ genthümer, als der Bettler, dem ein König eine halbe Provinz gäbe. Was würde man sagen, wenn ein Fürst nach Platos Vorschlage Jungfrauen und Jünglinge ausläse, und nach seinen Principien vermählte? In den Extremen erschrekken wir vor den Dingen, aber die Elemente der Extreme übersehen wir, und wenn wir mit geringerem Irrthum den Schaden nicht ach­ ten, der von ihnen zu besorgen steht; so vergessen wir doch mit größerem die heilsamen Folgen, die aus ihnen zu ziehen wären. Mit hinreichender Sorgfalt – deren Versuche aber freilich alsdann am besten gelängen, wenn sie am müssigsten wären – ließen sich vielleicht aus allen Bauren und Handwerkern Künstler bilden, d. h. Menschen, welche ihr Gewerbe um ihres Gewerbes willen liebten, durch eigne Erfindsamkeit und eigengelenkte Kraft üb­ ten, und dadurch ihren Kopf, ihren Charakter, ihren Genuß erhöhten; und so würde die Menschheit durch eben die Dinge geadelt, die jezt so oft, wie schön sie auch an sich sind, nur dazu dienen, sie zu entehren. Sich selbst in allem Thun und Treiben überlassen, von jeder fremden Hülfe entblößt, die sie nicht selbst sich verschaften, würden die Menschen auch oft mit und ohne Schuld in Verlegenheit und Unglük gerathen. Aber das Glük, zu dem der Mensch bestimmt ist, ist auch kein andres, als das seine Kraft ihm verschaft. Und diese Lagen gerade sind es, welche den Verstand schärfen und den Charakter bilden. Wo der Staat die Selbstthätigkeit durch zu spezielles Einwirken verhindert, da – entstehen solche Uebel nicht? O! das wäre warlich ein unbedeutender Nachtheil, und der Anblik der genußvollen Heiterkeit würde bald die Stirn auch des strengsten Stoikers entfalten. Aber sie entstehen auch da, und überlassen den einmal auf fremde Kraft zu lehnen gewohn­ ten Menschen nun einem trostlosen Schiksal. Denn so wie das Ringen und thätige Arbeit das Unglük erleichtert, so und im zehnfach höhern Grade erschwert es hofnungslose, viel­ leicht getäuschte Erwartung. Selbst den besten Fall angenommen, gleichen die Staaten, von denen ich hier rede, nur zu oft den Aerzten, die die Krankheit nähren und den Tod entfernen. Ehe es Aerzte gab, kannte man nur Gesundheit oder Tod. Eine fernere nachtheilige Folge dieser Art von Staatssystem rührt aus den Veranstal­ tungen her, die erfordert werden, um es in Ausübung zu bringen. Die Geschäfte des Staats erhalten dadurch eine Verflechtung, die, um nicht Verwirrung zu werden, einer unglaubli­ chen Menge detaillirter Einrichtungen und Hände bedarf. Von diesen haben indeß doch die meisten gleichsam nur mit Zeichen und Formeln der Dinge zu thun. Möchte es hin­ gehen, daß dadurch viele vielleicht trefliche Köpfe dem Denken, viele sonst nüzlicher be­ schäftigte Hände der reellen Arbeit entzogen werden, eben da diese Beschäftigungen, wie 261 thut,] aus erzeugt hat H

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auch immer ihre Beschaffenheit sein mag, eine große Wichtigkeit erhalten, und allerdings, um konsequent zu sein, erhalten müssen, so werden dadurch überhaupt die Gesichts­ punkte des Wichtigen und Unwichtigen, des Ehrenvollen und Verächtlichen, des lezten und der untergeordneten Endzwekke verrükt. Und da das eben Angeführte, die Nothwen­ digkeit von Beschäftigungen dieser Art, aus mancherlei leicht in die Augen fallenden Gründen ein so großer Nachtheil nicht ist; so gehe ich zu diesem lezten, der Verrückung der Gesichtspunkte über. Die Menschen werden um der Sachen, die Kräfte um der Resultate willen vernachläs­ sigt. […] […] […] Es ist mir genug Ideen hinzuwerfen, damit Ihr reiferes Urtheil sie prüfe. Der erste Grundsaz dieses Theils meiner Politik wäre daher: der Staat gehe keinen Schritt weiter, als zur Sicherstellung der Bürger gegen sie selbst und gegen auswärtige Feinde nothwendig ist, zu keinem andren Zwekke beschränke er ihre Freiheit. Die nähere Anwendung übergehe ich. Ich bemerke nur, daß diese Beschränkungen auf mancherlei Weise geschehen, durch Geseze, Ermunterungen, Preise, dadurch, daß der Landesherr selbst der beträchtlichste Eigenthümer ist, und daß er einzelnen Bürgern überwiegende Rechte, Monopolien u. s. w. einräumt. […] […] […] Die menschlichen Kräfte, unaufhörlich nach einer gleichsam unendlichen Wirk­ samkeit strebend, wenn sie einander begegnen, vereinen, oder bekämpfen sich. Welche Gestalt der Kampf annehme, ob die des Krieges, des Wetteifers, welche Sie sonst nuan­ ciren wollen, hängt vorzüglich von ihrer Verfeinerung ab. Wenn ich es daher wagen darf allein aus dem in diesem ganzen Briefe gewählten Gesichtspunkte die Skizze einer Staats­ verfassung zu entwerfen, so müßte den Krieg und Frieden beschließen allemal die Nation. Im Kriege selbst müßte der Staat anführen, und der Krieger durch den unbedingtesten Gehorsam gebunden sein. Einiger, als in diesem Punkt, in dem ich dennoch auch, was eigentlich zum Zusammen­ hang des ganzen Raisonnements dieses Briefes gehört, völlig gegen allen Einwurf gesi­ chert halte, werden Sie mit mir über die Sorgfalt des Staats zur Erhaltung der innern Si­ cherheit sein. Schon ein oberflächliches Raisonnement und selbst eine sehr mangelhafte Erfahrung lehrt, daß diese Sorgfalt mehr oder minder weit ausgreifen kann, ihren Endzwek zu erreichen. Sie kann sich begnügen begangne Unordnungen beizulegen und zu bestra­ fen. Sie kann ihre Begehung an sich zu verhüten suchen, und sie kann endlich, zu diesem Endzwek, den Bürgern überhaupt, ihrem Charakter und ihrem Geist, eine Wendung zu ertheilen bemüht sein, die hiezu abzwekt. Auch gleichsam die Extension ist verschiedner Grade fähig. Es können bloß Beleidigungen der Rechte der Bürger oder unmittelbarer Rechte des Staats untersucht und gerügt werden, oder man kann, indem man den Bür­ ger als ein Wesen ansieht, das dem Staat die Anwendung seiner Kräfte schuldig ist, auch

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auf Handlungen ein wachsames Auge haben, deren Folgen sich nur auf die Handlenden selbst erstrekken. Alles dieß fasse ich hier auf einmal zusammen, und rede daher allge­ mein von allen Einrichtungen des Staats, welche zwar in der Absicht der Beförderung der öffentlichen Sicherheit geschehen, allein sich nicht begnügen unmittelbare Kränkungen der Rechte der Bürger und des Staats zu bestrafen oder, wenn man grade im Begriff ist, sie zu begehen, zu verhüten. Ich ziehe zugleich alle übrigen hieher, die zwar nicht Sicherheit allein, sondern das Wohl der Bürger überhaupt, indeß das moralische, nicht das physische zum Endzwek haben, weil diese mit den übrigen, von denen ich hier rede, in näherer Ver­ wandtschaft stehen, als mit denen, von welchen ich im Vorigen sprach. Die sinnlichen Empfindungen, Neigungen und Leidenschaften sind es, welche sich zu­ erst und in den heftigsten Aeußerungen an den Menschen zeigen. […] […] […] Durch die Extreme der Dinge müssen die Menschen auf der Weisheit und Tugend mittlern Pfad gelangen. Extreme müssen, gleich großen in die Ferne leuchtenden Massen, weit wirken, um den feinsten Adern des Körpers Blut zu verschaffen, muß eine beträcht­ liche Menge in den großen vorhanden sein. Hier die Ordnung der Natur stören wollen, heißt moralisches Uebel anrichten um physisches zu vernichten. Wenn ich es daher nicht billige, selbst wirklichem Uebel, sobald es nur noch nicht fremdes Recht kränkt, entgegen zu arbeiten, so schließen Sie leicht, daß ich alle Bildung, welche der Staat durch Erziehung und Religion positiv geben will, [misbillige]. Ich ver­ weile hiebei auch keinen Augenblik. Alles ist aus dem Vorigen klar. Die nähere Anwendung habe ich schon in dem alten Aufsaz, den Sie kennen, gemacht. Freilich mangelhaft, eben die Mängel dieses Briefes selbst zeigen Ihnen, daß jene Mängel hier nicht wieder ergänzt worden sind. Nur um der Konsequenz willen Eine Bemerkung. Alle Religion – sobald im praktischen Leben davon die Rede ist – beruht auf Empfindung. Wie das Empfindungs­ system eines Menschen, so nicht bloß seine Religiosität, sondern so auch sein Religions­ system. Die Nüancen sind unendlich verschieden. Allein folgende zwei Unterschiede wir­ ken doch mächtig. Erstlich der Unterschied der Selbstständigkeit und der hinlehnenden Liebe; zweitens des Gefühls der Kraft des Individuums, und der Schönheit der Einheit in dem Mannigfaltigen. Das Leztere ist gleichsam intellektueller. In beiden führen die bei­ den ersten Modifikationen allein für sich zum entschiednen Atheismus, die beiden lezten zum entschiednen Theismus. In beiden beides vereint können Atheismus und Theismus hervorbringen, und soll über Werth entschieden werden; so würde ich, da Werth der Re­ ligionssysteme immer nach dem Werth der ihnen zum Grunde liegenden intellektuellen und empfindenden Kräfte geschäzt werden kann, dem Theismus und Atheismus, wie er auf die zulezt erwähnte Weise entsteht, den Vorzug vor dem Theismus und Atheismus ge­ ben, auf die erstere Weise entstanden. Eine unpartheiische Entscheidung zwischen beiden halte ich für unmöglich. Bei diesem engen Zusammenhange des Empfindungs und Reli­ gionssystems würde daher völlige Freiheit des Erstern, und einschränkende Anordnung

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des Leztern wenn nicht unmöglich, doch gewiß noch mehr als bloß inkonsequent sein. Soviel hievon und nun wiederhole ich bloß das mehr als Einmal gesagte, daß die Religion nur eine ohne alle Aufsicht des Staats zu lassende Gemeineinrichtung sei, und Aufsicht auf Erziehungsanstalten ganz aufhören müßte. Lassen Sie mich jezt alles zusammennehmen, was ich über die Beantwortung der zwei­ ten Frage gesagt habe. Der Zwek des Staats darf daher nichts anders als die Erhaltung der Sicherheit gegen auswärtige Feinde, und gegen Beeinträchtigungen der Bürger unter einander sein. In diesen Schranken muß er seine Wirksamkeit halten, und selbst in der Wahl der Mittel zu diesem Zwek beschränken ihn eben die Grundsäze, welche ihm keinen an­dren, als diesen Zwek erlauben. Er darf nemlich – und ich rede hier nun sehr natürlich bloß von der innern [Sicherheit] – keine andre Mittel anwenden als Entscheidung des streitigen Rechts, Herstellung des verlezten, Bestrafung des Verlezers. Verbrechen zuvor­ kommen dürfte er nur, insofern hinlängliche Merkmale vorhanden wären, daß die Theilha­ ber sie schon beschlossen hätten. Dem Einwurfe der Unausführbarkeit überhaupt – denn von der unter diesen oder je­ nen Umständen, in diesem oder jenem Lande oder Jahrhundert ist hier die Rede gar nicht – zu begegnen mag noch Folgendes dienen. 1., Der Mensch ist an sich mehr zu wohlthätigen, als eigennüzigen Handlungen geneigt. […]. 5., Wieviel strenge Aufsuchung der wirklich begangnen Verbrechen, gerechte und wohl abgemeßne aber unerlaßliche Strafe, folglich seltne Straflosigkeit vermag, ist praktisch noch nie hinreichend versucht worden. Zur Beurtheilung der Französischen Konstitution nach dem hier Entwikkelten kehre ich mehr zurük, Sie um Verzeihung zu bitten, daß ich hierüber nichts zu sagen vermag, als in der That dieselbe wirklich vorzunehmen. Freilich scheint es mir, als wäre auf die Fest­ stellung des Zweks, auf die Bestimmung der Grenzen, nicht einzelner Theile, sondern des Ganzen der Staatsgewalt, wenn nicht gar keine, doch zu wenig Rüksicht genommen; förmlich ist die Abschaffung des Adels, diese willkührliche Vernichtung eines Unterschie­ des, den man in Ungerechtigkeit auszuarten, nicht eben ausrotten mußte, meinen Grund­ säzen völlig zuwider; endlich könnte ich auch freilich noch einzelne bis jezt überdieß noch nicht völlig genehmigte Projekte, National Erziehung und dergleichen anführen. Allein über alles dieß ist meine Sachkenntniß so mangelhaft, und ich eile zum Ende. Je weniger und mehr als wenig ich indeß hier leiste, desto mehr liegt es mir ob, wenigstens den Umriß des Bildes, das ich vom Staat hier entworfen habe, soviel als möglich zu vollenden. Ich muß daher noch Folgendes hinzusezen. Auch um den eingeschränktesten Zwek zu erfüllen, muß der Staat hinlängliche Ein­ künfte haben. Schon meine Unwissenheit in allem was Finanzen heißt, sichert Sie hier vor einem langen Raisonnement. Nur des Zusammenhanges willen muß ich bemerken, daß auch bei Finanzeinrichtungen jene Rüksicht des Zweks der Menschen im Staat, und der 382  innern Schönheit D

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daher entspringenden Beschränkung seines Zweks nicht aus der Acht gelassen werden muß. […]; so muß man indeß auch nicht vergessen, daß der Staat, dem so enge Gränzen gesezt sind, keiner großen Einkünfte bedarf, und daß der Staat, der so gar kein eignes, von dem der Bürger getheiltes Interesse hat, der Hülfe freier, d. h. wohlhabender Bürger mehr versichert sein kann. So hätte ich die Außenlinien der Gegenstände, die ich behandeln wollte, vollständig gezogen. Indeß meine ich damit nicht, daß nicht noch im Einzelnen ein größeres Détail nöthig gewesen wäre. So bei der Bestimmung der Art, wie der Staat nun für die innre Sicherheit sorgen darf, und sogar muß. Auch was ich hier nur aus dem Gesichtspunkt des Ersprießlichen und Besten betrachtete, müßte es nicht uninteressant sein, aus dem Ge­ sichtspunkt des Rechtes zu prüfen. Beides übergehe ich hier. Nur Eine Frage muß ich noch beantworten. Ich habe selbst gesagt, daß die Verstär­ kung des Privatinteresse das öffentliche schwäche, und nun ist meine einzige Absicht darauf hinausgegangen, dieß Privatinteresse nicht bloß zu verstärken, sondern auch zu vervielfachen. Wie wird daher ein solcher Staat irgend bestehen können? Allein wie ich es vervielfacht habe, so habe ich es auch mit dem öffentlichen so genau als möglich verbun­ den, indem ich gleichsam jenes nur auf dieß, wie es jeder Bürger – da jeder doch sicher sein will – anerkennt, [gründete]. So dürfte ich also doch vielleicht jene anfangs erwähnte Liebe der Konstitution hier erwarten. Allein, wenn ich auch hierauf nicht rechnen will, so wäre eine Entgegenstellung der Gewalten und dadurch hervorgebrachte Sicherheit gewiß möglich. Dann trift auch hier ein, daß der Staat, der weniger wirken soll, eine geringere Macht, und die geringere Macht eine geringere Wehr braucht. Endlich versteht es sich auch von selbst, daß so wie überhaupt manchmal Kraft oder Genuß dem Resultat ge­ opfert werden muß, um [nicht] einen größern Verlust zu erhalten, dieß auch hier immer angewandt werden müßte. Wie nun aber die ganze Staatsgewalt richtig vertheilt werden kann, folglich die ganze Diskussion über die Vorzüge der Arten der Regierungsform, über­ gehe ich hier gleichfalls, und da vielleicht diese eigentlich die Politik ausmacht, bescheide ich mich gern hier gleichsam nur Prolegomena geliefert zu haben. Ueberhaupt habe ich versucht für den Menschen im Staat die vortheilhafteste Lage auszusuchen. […] […] Die nachtheiligen Folgen zu zeigen, welche die Verwechselung der freien Wirk­ samkeit der Nation mit der erzwungnen der Staatsverfassung, dem Genuß, den Kräften, und dem Charakter der Menschen gebracht hat, ist daher auch eine der vorzüglichsten Absichten dieser Blätter gewesen. Burg Oerner, 9. Januar, 1792.

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Burgörner (?), Ende Januar 1792

Lobende Worte für Forsters ‚Ansichten vom Niederrhein‘ und ‚Sakontala‘. Abschlägig zu einer Bitte Forsters um einen Aufsatz zur Publikation. Humboldts Anteil am Buch über den Prozess Ungers gegen Zöllner.

Ihre Ansichten haben mir viel Freude gemacht. Sie haben so viele wahrhaft genialische Stellen, und, was immer meine Bewunderung so heftig anzieht, eine so strenge Richtigkeit der Ideen mitten im glühendsten Feuer der Begeisterung. Das Raisonnement über Kunst hat mir vortreflich geschienen. Nur Eins, lieber Freund, lassen Sie mich Ihnen aufrichtig ge­ stehn. Die Dedikation habe ich ganz und gar nicht verstanden. Alexander sagte mir, sie sei an Ihre Frau. Können Sie mir nicht ein Paar Worte Erläuterung geben? Gleich viel Freude hat mir Sakontala gemacht. Lang hat mich nichts so angezogen. Diese Zartheit der Emp­ findung, diese Kultur verbunden mit dieser Einfachheit! Ihre Uebersezung ist meisterhaft. Nur mit Ihrem Gefühl war es möglich, diesen Empfindungen diesen Ausdruk zu leihen! Sie fordern in Ihrem Briefe, mein Theurer, meinen alten Aufsaz für Ihre kleine Schriften. Aber es ist mir gleich unmöglich, ihn Ihnen so zu geben, und ihn umzuarbeiten. Ich bin zu dieser Arbeit jezt nicht gerade in der Stimmung, oder vielmehr die Ideen, die dazu gehö­ ren, müssen erst eine größere Reife durch Lektüre und Nachdenken erhalten. Die Reife, die man ihnen so giebt, indem man sich hinsezt, nachdenkt, und sie nun auf Einmal ins Reine bringen will, kommt mir immer vor, wie eine Reife im Treibhaus. Man merkt es den Früch­ ten doch an, daß ihnen die Zeit und die wohlthätige Wärme der Sonne mangelte. Der erste Aufsaz aber, den ich jezt glüklich zu Stande bringe, lieber Forster, soll Ihrem Schuze vertraut sein. Eine sonderbare Schriftstellerarbeit werden Sie wohl von mir gesehn haben, den Pro­ ceß von Unger gegen Zöllner. Das Urtheil ist von Klein. Die Protokolle von mir. Eisenber­ gen gehört nur die Unterschrift. Diese an sich unbedeutende Arbeit freut mich nur darum, weil ich hoffe, Sie sollen keinen Ausdruk darin finden, der Animosität, oder Sucht, seine Aufklärung zu zeigen, oder ein Buch statt Akten zu schreiben, verriethe. Das Urtheil, so schön es ist, ist von diesen Dingen nicht ganz frei.

7  Lange hat mich D1  23  ein Buch Acten D1 (GW I)

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212.  An Johann Gottfried Ebel in Zürich

Erfurt, 21. Februar 1792

Ebel in finanziellen Schwierigkeiten; Weiß als möglicher Helfer. Bedenken gegen Ebels Reisepläne aus gesellschaftlichen Rücksichten.

Erfurt, den 21. Februar, 92.

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Beschuldigen Sie mich nicht der Nachlässigkeit, theurer Freund, wenn ich Ihren Brief vom 20. Jan. am 21. Febr. beantworte. Allein da ich schon seit geraumer Zeit mich nicht mehr in Berlin aufhalte, wovon ich Sie durch Stuve, oder Weiß, oder Dohna, unterrichtet glaubte, so ist der Brief im Hause meiner Mutter solange liegen geblieben, und ich erhalte ihn erst eben vor einer halben Stunde. Es ist mir herzlich erfreulich gewesen, daß Sie mein Andenken so freundschaft­ lich bewahrt haben, und schon oft that es mir innig leid, in so langer Zeit nicht nur nichts von Ihnen zu hören, sondern auch nicht einmal Ihren Aufenthaltsort mit Zu­ verlässigkeit zu wissen. Auch hätte mir nichts einen so sichren Beweis Ihres gütigen Vertrauens geben können, als die Eröfnungen über Ihre Lage, welche Ihr lieber Brief enthält. Eben so innig bedaure ich aber auch, mein Lieber, gerade jezt die völlige Unmöglichkeit zu sehen, Ihre Wünsche zu erfüllen. Eine so beträchtliche Summe, als Ihre jezige Lage fordert, ja auch eine um mehr als die Hälfte geringere jezt und noch dazu hier an einem fremden Orte aufzubringen ist mir schlechterdings unmög­ lich, und auf bringen müßte ich sie. Denn vorräthig habe ich schlechterdings nicht mehr, als mein eignes Bedürfniß erheischt. Ueberdieß befinde ich mich noch in ei­ ner Lage, wo, um meine Unabhängigkeit zu erhalten, ja um nur überhaupt meine nächsten Pflichten zu erfüllen, ich fast nichts, geschweige denn eine solche Summe wagen kann. Doch berühre ich dieß bloß hier, weil ich freilich hinlänglich absehe, daß die Gewährung Ihres Wunsches schlechterdings kein Risiko irgend einer Art mit sich führt. Unter diesen Umständen kann ich daher Sie nur bitten, gewiß überzeugt zu sein, wie tief es mich schmerzt, gerade in einer gewissermaaßen dringenden Lage Ihnen nicht auf eine thätige Weise zeigen zu können, wie meine wärmste, innigste Freundschaft für Sie noch gewiß eben dieselbe ist, welche Sie jemals war. Indeß ist mir eingefallen, daß ich doch Einen Schritt thun könnte, zu dem ich freilich der Kürze der Zeit wegen, Ihre Einwilligung nicht erst einfordern kann, den ich aber in Ihren Augen rechtfertigen zu können glaube. Ich will nemlich Weiß, der, wie ich gewiß weiß, wenigstens vor 2 Monaten noch mit dem Projekt in Berlin war, den ganzen Winter dort zu bleiben, und dem, wie ich Ihnen zur Beruhigung sagen kann, damals, seine gewöhnliche Kränklichkeit abge­ rechnet, kein Unfall zugestoßen war, schreiben, ihm sagen, daß ich einen Brief von Ihnen erhalten, worin Sie seinetwegen besorgt wären, da Sie so lange keine Zeile

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Brief 212–213

von mir gesehen, mich nach ihm fragten, und zugleich hinzusezten, daß da Ihre Ab­ reise von Zürich von einem Brief von ihm, und von dieser Abreise ein großer Theil Ihrer liebsten und wichtigsten Plane abhienge, Sie Sich wegen seines Stillschweigens in sehr großer Verlegenheit befänden. Da ich, wie sich von selbst versteht, schlech­ terdings nichts von Ihrem mir geäußerten Wunsche, noch überhaupt von Ihren ge­ genseitigen Finanzverhältnissen erwähnen werde, so kann, meines Erachtens, auch die größeste Delikatesse, die Sie mit Recht Weiß beilegen, hierin nichts Anstößiges finden, und wenigstens, hoffe ich, wird mein Brief ihn bewegen, Sie aus Ihrer Ver­ legenheit ungesäumt zu ziehen. Gut wäre es indeß freilich, wenn Sie, gleich nach Empfang dieses Briefs, selbst Weißen detaillirt schrieben, damit er das Genauere Ih­ rer Lage erführe. Sie dürfen die Adresse nur folgendermaaßen machen: Herrn Kanonikus Weiss, in Berlin. abzugeben bei dem H. Geh. Secr. Gentz dem älteren, an der Schleusenbrükke, in der Münze. Gentz ist mein Freund u. sein Bekannter, u. ich werde Gentz um die schleunige Be­ sorgung des Briefs ersuchen. Es kann bloß eine Art Nachlässigkeit von Weiss sein, wenn er Ihnen kein Geld schikt. Denn er hat gewiß, auch wenn er einen Wechsel von Königsberg nicht abwarten will, soviel Credit in Berlin. Es versteht sich, daß ich Weiss bloß darum nur soviel u. nichts weiter schriebe, weil ich keinen Auftrag von Ihnen habe, und Misverständnisse anzurichten fürchte, für welche dann mein guter Wille ein schlechter Entschuldigungsgrund sein möchte. Glauben Sie aber, daß ich sonst gut, oder Ihrer Lage gemäß auf Weiss wirken könnte, so erbitte ich mir nur Ihre Aufträge. Wie sehr würde ich mich freuen, wenn Sie hieran wenigstens mein herzliches Bestreben Ihnen nüzlich zu sein erkennen möchten! Diesem Bestreben bitte ich Sie gleichfalls noch das Folgende zu verzeihen. Sie schreiben von einer Reise nach Paris u. London auf 2[–]3 Wochen in jeder Stadt mit etwa 400r. Sie sezen selbst hinzu, es sei nur der Leute wegen. Aber, lieber Freund, verzeihen Sie mir, ich halte die Besorgniß, welche dieser Plan in Ihnen her­ vorbringt, für Folge melancholischer Vorstellungen. Meiner Erfahrung nach sehen die Menschen (im Ganzen u. nun nicht auf die ersten Eindrükke, sondern auf die Folge Rüksicht genommen) doch nicht soviel auf den Schein, als man oft glaubt. Die Wahrheit dringt durch, zerstreut leicht ein ungünstiges Vorurtheil, u. verstekt sich nie lange hinter einem günstigen. Darum opfre ich dem Schein nie etwas auf, als nur

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das, was gar keinen Werth für mich hat, u. kann meinen Freunden gleichfalls nichts anderes rathen. Ihr Aufenthalt in Zürich war sehr gut motivirt, u. die diskreten u. vernünftigen Menschen werden zufrieden sein, wenn Sie zum Grunde Privatum­ stände angeben, die übrigen – sollten Ihnen die so einen Aufenthalt so sehr verar­ gen? Und dann, Lieber, ein so schnelles Reisen durch Paris u. London sollte das viel besser wirken? Denn einen längeren Aufenthalt vorgeben wollten Sie doch gewiß nicht? Sollte es nicht gerade auf die beste Klasse am schlimmsten wirken? Was Sie aber aufopfern scheint mir doch nicht so wenig. In jeder Lage sind 400 r. ein Objekt, und, wenn Sie es mir verzeihen, ich glaube schlechterdings nicht, daß dieß reichen kann. Könnten Sie einen längeren Aufenthalt machen, oder kann Ihnen ein so kur­ zer einen größeren Nuzen schaffen, als ich zu beurtheilen im Stande bin, so halte ich ihn freilich auch einer sogar viel größern Aufopferung äußerst würdig. Von mir sage ich Ihnen jezt nichts. Das Ganze, daß ich verheirathet bin, und ei­ gentlich auf dem Lande lebe, hier mich nur zum Besuch bei meinem Schwiegervater ein Paar Monate aufhalte, wissen Sie vielleicht schon. Zu Mehrerem mangelt mir heute die Zeit. Weiss schreib ich mit heutiger Post. Leben Sie wohl, behalten Sie mich lieb, u. antworten Sie mir bald. Meine Adresse ist bloß: H. v. H. in Erfurt. Adieu! Ewig der Ihrige, Humboldt. Ist Stuve wieder in Braunschweig? Ich kann es aus Ihrem Briefe nicht deutlich sehen.

213.  An Jakob Dominikus (?) in Erfurt

Erfurt, 14. April 1792

Bitte um Ausleihung einer Herodot-Ausgabe.

Da mir der Herr Koadjutor aufgetragen hat, eine Stelle im Herodot für ihn nachzu­ schlagen, und ich jezt keine Ausgabe desselben zur Hand habe; so nehme ich mir die Frei­ heit Ew. Wohlgebohren gehorsamst um gefällige Mittheilung einer Ausgabe des Hero­ dots, welche es auch sein möchte, zu ersuchen. Ich werde Ew. Wohlgebohren für diese

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Brief 213–214

freundschaftliche Güte den verbindlichsten Dank wissen, und habe die Ehre, mit der un­ wandelbarsten Hochachtung zu verharren Ew. Wohlgebohren gehorsamster, Humboldt. 14. April, 92.

214.  An Friedrich Schiller in Jena

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Erfurt, 8. Mai 1792

Übersendung der Übersetzung einer Pindarschen Ode. Schillers unbestechliches lite­rarisches Urteil. Die Schwierigkeiten, Pindar zu übersetzen; Streben nach strenger metrischer Treue.

Erfurt, den 8. Mai, 92. Wenn Sie diesen Brief auf brechen, theuerster Freund, erwarten Sie wahrschein­ lich die Nachricht von Karolinens Niederkunft. Wie sehr werden Sie Sich aber wun­ dern, wenn Sie statt dessen eine ganz andre Geburt erblikken. Allein es muß mit dem Gebähren eine anstekkende Sache sein; denn solange wir drei hier zusammen sind, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Etwas, seis nun ein Stük einer Oper, oder Ode oder eines Aufsazes zur Welt kommt. Nur das Eine, was wir allein eigentlich alle erwarten, bleibt noch immer zu unsrer aller Staunen aus. Sie erhalten also hier ein poetisches Machwerk von mir, lieber Freund, und Sie verzeihen, daß ich mich damit gerade an Sie wende. Aber wenn ich überhaupt nie­ mandes Urtheil so sehr, als gerade das Ihrige ehren würde; so bin ich auch bei nie­ mandem so sicher von der Strenge der Gerechtigkeit überzeugt, als bei Ihnen. So mancherlei fremdartige Gründe, oder wenn auch nicht das, doch vielleicht einzelne nicht unglükliche Stellen bringen so oft bei so Vielen günstige, oder wenigstens minder ungünstige Urtheile hervor. So oft ich mich hingegen erinnere, Ihr Urtheil über irgend ein schriftstellerisches Produkt gehört zu haben, war es mir gerade auch darum so interessant, weil Ihr Blik immer das Ganze umfaßt, und nie unterläßt, so­ wohl dieß, als jedes seiner einzelnen Theile mit dem Ideal zu vergleichen. Mag die­ ser Maaßstab auch, selbst für mehr als mittelmäßige Stükke, oft demüthigend sein; so ist er doch zugleich der Einzige, welcher der wahren Selbstschäzung zu genügen 3  der Niederkunft meiner Frau. D1  4  mit dem Hervorbringen D1  7 Ode, D2-3  8  zu unser aller D1  11 Niemanden D1 niemanden D2  18 Ideale D1

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vermag, und gewährt wenigstens immer eine so schöne und reiche Belehrung. Aber auch diese Gründe würden mich nicht bewogen haben, Ihnen mit meinen Versu­ chen beschwerlich zu werden, wenn ich mich nicht gerade jezt in einer Stimmung befände, in welcher mir Ihr Urtheil noch mehr, als wichtig, in der That nothwendig ist. Darum nur erlauben Sie mir, Ihre Freundschaft, von der Sie mir schon so man­ chen gütigen Beweis gaben, um eine Gefälligkeit anzusprechen. Ich beschäftigte mich in diesen Tagen mit dem Pindar. Seine wunderbar einfache Größe, die Kühnheit seiner Bilder, die Stärke des Ausdruks, mit Einem Wort das ganze ächte Gepräge des warhaft großen und tiefen Geistes ergriff mich stark. Ich übersezte die ersten anderthalb Strophen der zweiten Ode, und, ohne an eine Ue­ bersezung auch nur dieser ganzen Ode zu denken, schrieb ich sie hin. Ich zeigte sie Karolinen und meiner Frau, sie gefielen ihnen, sie munterten mich auf, fortzufahren, und so entstand nach und nach, was Sie her sehen. Von diesem Fortgange – da mir doch eine Uebersezung, einerlei welche geglükt ist – und von dem Beifall der bei­ den Frauen – den ich aber vielleicht nur der hinreißenden Schönheit des Originals danke – aufgemuntert, habe ich jezt, ich kann es nicht läugnen, eine sehr große Lust, mehrere Versuche zu wagen. Wenn ich nun auch glauben dürfte, mit gehörigem Fleiß, des Griechischen hinlänglich Meister zu sein, wenn ich mir sogar schmeicheln könnte, die so nothwendige Gewandheit des deutschen Ausdruks zu besizen; so sind doch die Schwierigkeiten, die einen Uebersezer des Pindar von allen Seiten umgeben, so groß, so habe ich vorzüglich nie eigentlich poetisches Talent in mir wahrgenommen, und so kenne ich, zwar nicht aus eigner, aber doch fremder Erfah­ rung, wieviel Zeit die Sucht Verse zu machen, ohne von Genie oder wenigstens Ta­ lent unterstüzt zu sein, unnüz versplittert. Darum vorzüglich wage ich es, Sie, theu­ rer Freund, um Ihr völlig ofnes, wahres Urtheil zu bitten. Sie sehen hier eine Probe, und eine wenigstens insofern entscheidende Probe, als die erste Lust sie begünstigte, und als ich ihr allen Fleiß gewidmet habe, dessen ich wenigstens jezt fähig war. Fin­ den Sie [in] mir, nach ihr, keinen Beruf zu Arbeiten dieser Art; so sollen Sie mich ge­ wiß folgsam sehen, und so erwerben Sie Sich ein wichtiges Verdienst um meine Zeit. Meinen Sie, ich könnte bei länger sich übende[m] Fleiß etwas leisten; so können Sie mir vielleicht, besonders in Absicht des bei dieser Gattung so schwierigen Versbaus, irgend eine erleichternde Anweisung geben. Ueber das von mir gewählte Silben­ maaß habe ich hinten ein Paar Worte gesagt. Bei der Uebersezung habe ich übrigens die genaueste Treue zu erreichen gesucht, und nur die entgegengesezte Klippe, das Undeutsche, gemieden. In der 4. Antistr[ophe] werden Sie eine Variante finden. Das Nebengeschriebne gefiel uns mehr, aber es schien mir nicht deutlich genug. 25  Darum nun D1  28 Worte D1  30 zweyten D1  48  in mir D1 mir D2-3  50 übenden H D3 übendem D1-2 

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Brief 214–216

Karoline meint, Sie würden der Ode einen Plaz in Ihrer Thalia vergönnen. Wie schmeichelhaft mir dieß sein würde, kann ich Ihnen nicht sagen. Indeß bitt’ ich Sie recht herzlich, es nicht anders zu thun, als wenn sie in jedem Verstande mit Ehren erscheinen kann. Ich kann darüber nicht Richter sein. Es hat Momente gegeben, wo ich sie sehr schön hielt; und jezt, versichre ich Sie, scheint sie mir wieder kaum mittelmäßig. Doch endlich genug von der Ode. Ich wollte Ihnen noch mancherlei sagen. Aber der Pindar hat mir das ganze Blatt gefüllt. Ich eile also zum Schluß. Karoline und meine Frau umarmen Sie und Lottchen herzlich. Karoline hätte selbst geschrieben, aber sie ist nicht ganz wohl. Sie hat wieder einmal einen Anfall von Zukken gehabt, und hat Kopfschmerz davon behalten. Mit nächstem Posttag wird sie selbst schreiben. Der Koadjutor erinnert sich Ihrer unendlich oft, und freut sich sehr, Sie vielleicht bald einmal hier zu sehn. Dieß Vergnügen, sei es nun hier, oder in Rudolstadt, oder in Jena, auch jezt bald zu genießen, ist auch uns eine über­ aus frohe Aussicht. Versichern Sie Ihre liebe Frau meiner innigsten Freundschaft, und leben Sie recht wohl! Ewig der Ihrige, Humboldt.

215.  An Sophie Fränkel in Berlin

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Erfurt, 26. Mai 1792

Geburt der Tochter Karoline. Hoffen auf eine Fortsetzung des Briefwechsels; dringende Bitte um Nachrichten über Stieglitz und seine Frau.

Erfurt, 26. Mai, 92. So viele und warlich langweilige Briefe ich auch heute geschrieben habe, und noch schreiben muß; so kann ich mir doch das Vergnügen nicht versagen, liebe Freundin, Ihnen selbst Nachricht von der Niederkunft meiner Frau zu geben. Durch Gentz oder meinen Bruder werden Sie schon wissen, daß ich Vater eines starken ge­ sunden Mädchens geworden bin, aber lieb ist es Ihnen doch vielleicht von mir selbst zu hören, wie über jeden Ausdruk erfreut ich über die Ankunft dieses kleinen Ge­ schöpfs bin. Wenigstens berechtigt mich der liebevolle Antheil, den Sie sonst an al­ lem, was mich betraf, so gütig nahmen, zu dieser schmeichelhaften Erwartung. Mut­ ter und Kind befinden sich vollkommen wohl, und meine Freude wird also durch 68  freuet sich D1  71  Ihrer lieben Frau meine innigste D1

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gar nichts gestört. Ich wünsche nur bald von hier aufs Land zurükkehren zu können, das mir und meiner Frau so angenehm ist, und auch dem Kinde so nüzlich sein wird. Sehr lange, liebe Frau, habe ich gar nichts von Ihnen gehört, wie sehr ich auch auf eine Antwort auf meinen lezten Brief, den Sie durch Gentz, kurz nach seiner Rük­ reise von mir erhielten, wartete. Lassen Sie das aber keinen Vorwurf sein, nur eine herzliche Freude werden Sie mir machen, wenn Sie mir recht bald einige Nachricht von Sich geben. Von J[eannette] u. St[ieglitz] höre ich so sonderbare Dinge, daß ich äußerst wünschte, etwas Ausführliches darüber zu wissen. Ich soll angelegentlicher darin verwikkelt sein, als ich je wußte, und als ich mir jezt hätte träumen lassen. Ein wahres Verdienst könnten Sie Sich um mich erwerben, wenn Sie mir die ganze Geschichte im Zusammenhange recht wahr und ausführlich erzählten. Ich bitte Sie inständigst darum. Damit ich aber den Brief schneller bekomme, schikken Sie ihn mir geradezu auf der Post. Meine Adresse ist bloß H. v. H. in Erfurt. Leben Sie nun recht wohl, grüßen Sie die arme J. sagen Sie ihr die frohe Begeben­ heit, die mir neue Freuden giebt, und vergessen Sie nicht Ihren Humboldt.

216.  An Henriette Herz und Brendel Veit in Berlin

Erfurt, 26. Mai 1792

Geburt der Tochter Karoline; Anwesenheit Karoline v. Beulwitz’. Reisepläne. Heirat La Roches sowie Stieglitz’. Besinnliche und innige Einsamkeit auf dem Lande.

Erfurt, 26. Mai, 92.

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Gewiß habt Ihr schon von Alexander gehört, daß meine Frau am 16. d. Abends mit einer Tochter niedergekommen ist. Herzlich leid thut es mir, Euch nicht die Nachricht zuerst gegeben zu haben. Allein ein ausgenommener Zahn verursachte mir einen so geschwollenen Bakken, daß ich bloß mit großer Mühe die nothwen­ digsten Briefe an meine Mutter und Alexander schreiben konnte. Mutter und Kind sind jezt, indem ich dieß schreibe, vollkommen wohl. Das Kind hat dunkelblaue Augen, wie die Mutter, mit der Stirn soll es mir gleichen, u. alles übrige wird sich wohl in der Zukunft deutlicher zur Gleichheit oder Ungleichheit entfalten. Aber auch jezt ist die Kleine schon sehr hübsch und stärker und größer, als ich sonst leicht ein Kind von so wenig Tagen gesehen habe. Ihr seht nun, daß mein Wunsch mit der Tochter erfüllt ist, u. der Himmel muß also wohl eingesehn haben, daß er gerechter 24  auf die Post. D  26 Freude D  ||  12 eingesehen D  daß er gerathen ist. D

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Brief 216–217

ist. Meine Frau ist jezt auch sehr wohl damit zufrieden. Ihr glaubt nicht wie unend­ lich glüklich und froh uns der Anblik des kleinen Geschöpfs macht, wir behaben uns den ganzen Tag damit, und sehnen uns recht, nur erst wieder auf dem Lande zu sein, wo wir noch weniger Störungen, als hier erfahren können. Auch pflegt die Landluft den Kindern mehr wohlzuthun. Karoline, die große nemlich, denn die Kleine heißt auch so, grüßt Euch tausendmal, und wir freuen uns im Voraus des Ver­ gnügens, das Euch diese Nachricht machen wird. Gewiß hattet Ihr sie schon sehr lange erwartet, und die immer dauernde Verzögerung war auch Ursach, warum ich Euch solang nicht schrieb, und Deinen Brief, liebe Brendel, den ich endlich empfan­ gen, so lange unbeantwortet ließ. Ich wollte Euch doch so gern das Wichtigste, was wir von Tage zu Tage erwarteten, zugleich mit sagen. Die Beulwitz ist die ganze Zeit unsres Hierseins bei uns gewesen, und wir haben eine sehr schöne Zeit mit einander verlebt. Izt will sie uns aber in ein Paar Wochen verlassen. Wir selbst werden etwa noch bis gegen Ende Julius hier bleiben, wenn wir nicht noch eine kleine Reise in­ deß nach Rudolstadt machen, und von hier werden wir nach Dessau reisen, wohin meine Mutter uns entgegenkommt. Von dort gehen wir nach Burgörner zurük, um wieder den Winter ruhig dort zuzubringen. Erst im künftigen Sommer also können wir hoffen, nach Berlin zu kommen. Wie sehr werden wir uns dann freuen, Euch die kleine Karoline schon größer und verständiger zu zeigen. Karls Heirath mit einer Fräulein Stein wird Euch keine Neuigkeit mehr sein. Ich kenne das Mädchen nicht, aber er hat mir seitdem er in dem Hause Bekanntschaft gemacht hat, welches gleich nachher war, als wir zusammen in Weimar waren, mehre­remale von ihr erzählt, und ich hoffe gewiß, er soll nun recht glüklich sein. Wir bedauern nur innig ihn nun wieder nach Schoenebek gehen zu sehen, und ihn aus der Nachbarschaft in Halle zu verlieren. Stieglitzens Heirath ist ja, wie ich höre, nun auch geschehen. Schreibt mir doch etwas Näheres davon. Wie er nach Berlin hinreiste hatte ich einen Brief von ihm. Er wollte mich in Burgörner besuchen, oder sich ein Rendezvous mit mir geben. Es that mir leid nicht mehr da zu sein. Seit seiner Ankunft in Berlin habe ich noch keine Zeile von ihm erhalten, ob ich ihm doch gleich auf der Stelle geantwortet habe. Er ist außerordentlich nachlässig im Schreiben. So vergnügt und froh wir auch hier den Winter zugebracht haben, so sehr sehnen wir uns doch wieder allein auf dem Lande zu sein. Wir haben im vorigen Herbst bis zum Februar dort einen einzigen Aufenthalt gehabt. Es vergiengen sehr oft 14 Tage, 3 Wochen, ohne daß wir auch nur einen einzigen Menschen sahen, und ich konnte so ruhig und ungestört mich beschäftigen, und so ganz mit meiner Frau des Glük­ kes genießen, das man sich allein durch sich verschaft. Wie sehr wünschte ich Euch 24  unsers Hierseins D  35  glücklich sein. [/] Stieglitzens D 

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einmal, nur auf einige Monate, eine ähnliche Empfindung. Brinkmann hatte aber wohl Recht, wenn er oft behauptete, ich hätte ein impertinentes Glük. Denn soviele Menschen ich gesehen habe, und sovieler Lage ich mit der meinigen vergleiche; so finde ich sie doch immer so bei weitem durch die Vorzüge meines Schiksals übertrof­ fen. Izt wird es nun bald ein Jahr, daß ich ununterbrochen diese Freuden genossen, und je weiter ich in die Zukunft hinausblikke, je fester sehe ich mich im Besiz dessen, was mich jezt beglükt, und je mehr in der Lage, den Reichthum meiner Freuden noch zu vermehren. Diese freudige glükliche Stimmung zugleich auf die zu über­ tragen, die mich näher und ferner umgeben, kann in dieser Lage beinah mein einzig Geschäft sein, und ich darf es wohl sagen, daß es auch mein einziges ist. Wie sehr es mir bei meiner Frau gelingt, vermag ich Euch nicht auszudrükken, und ich hoffe, mein Kind, oder Kinder, wenn ich je mehrere haben sollte, sollen unser gemein­ schaftliches Glük noch mehr als theilen. Es ist immer eine meiner Lieblingsideen ge­ wesen, den Kindern eine frohere Kindheit zu verschaffen, als sie gewöhnlich haben, und ich hoffe, in meiner Lage, diese Idee völlig realisiren zu können. Ueberhaupt ist es mir so über alle Beschreibung lieb, daß die völlige Geschäftslosigkeit meiner Lage mir erlaubt, mich ganz den Beschäftigungen mit meinem Kinde zu widmen, und ich bin doch überhaupt überzeugt, daß schon die ungetrennte Gegenwart der Kinder bei den Eltern in den ersteren Jahren, der richtigern und schnelleren Entwikklung sehr viel hilft. Ich habe Euch hier soviel von mir und den Meinigen gesagt, aber ich kenne den liebevollen Antheil, den Ihr daran nehmt. Lebt nun wohl, liebe Freundinnen, meine Frau bittet Euch herzlich um die Fort­ dauer Eures Andenkens, und versichert Euch des ihrigen. Sagt uns bald ein Wort von Euch.

217.  An Rudolf Zacharias Becker (?) in Gotha

Erfurt, 1. Juni 1792

Anzeige der Geburt der Tochter Karoline.

In der That können wir Ihnen nicht beschreiben, welch

einen reichen Zuwachs von Freuden unsere schon so glückliche und heitere Lage […] genommen hat.

68  in den ersten Jahren, der richtigen D  72  Sehe uns bald D

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218.  An Forster in Mainz

Erfurt, 1. Juni 1792

Bekanntgabe der Geburt der Tochter Karoline. Umgang mit Dalberg; dessen Anteil an der Entstehung von Staatswirksamkeit; Zusammenfassung der Thesen der Schrift. Charakteristik Dalbergs.

Erfurth, den 1. Junius 1792. Was müssen Sie von mir denken, theurer Freund, daß ich einen so lieben gütigen Brief, als Ihr lezter war, so lange unbeantwortet ließ, und Ihnen in nun mehr als 4 Monaten kein Wort von mir sagte? Ich bin allen Entschuldigungen ein abgesagter Feind, ohne alle also lassen Sie mich Sie herzlich bitten, mir wegen dieses überlangen Stillschweigens nicht zu zürnen, und zu glauben, daß ich mich unendlich oft indeß mit Ihnen im Geiste beschäf­ tigte, und nur der so oft gefaßte Vorsaz, Ihnen zu schreiben, immer durch tausend kleine Hindernisse vereitelt wurde. Zuerst, mein Lieber, muß ich Ihnen eine Nachricht geben, die Ihrem freundschaftlich theilnehmenden Herzen gewiß Freude gewährt. Meine Frau ist vor noch nicht 14 Tagen mit einem Mädchen glüklich niedergekommen. Mutter und Kind sind vollkommen ge­ sund. Das kleine Mädchen ist ein allerliebstes Geschöpf, so groß und stark, wie selten ein Kind von so wenig Tagen, so voll Leben und Munterkeit, und mit wundergroßen, blauen Augen, die sie unaufhörlich im Kopfe herumrollt. Meine Frau stillt das Kind selbst; ich, bei meiner gänzlichen Geschäftslosigkeit, bin so gut als den ganzen Tag bei ihr, und so kommt das Kind kaum eine Minute in andre Hände, als die unsrigen. Nur Sie, lieber Freund, dessen eignes Herz so überaus empfänglich für diese Freuden ist, und der Sie mich ge­ nauer kennen, vermögen ganz mit mir zu empfinden, wie unendlich süß mir diese kleinen Beschäftigungen sind, und welche reiche Fülle neuer Freuden mir jezt wiederum in mei­ ner schon beneidenswerth glüklichen Lage geworden ist. Warlich empfinde ich dieß auch doppelt, indem ich Ihnen es sage, und ich möchte Ihnen im Voraus für das Vergnügen so herzlich danken, das mir Ihre Theilnahme gewährt. Grüßen Sie Ihre liebe Frau herzlich von mir, und sagen Sie ihr die häusliche Begebenheit, die mich und meine Frau so froh macht. Sobald ich mehr Ruhe und Muße habe, schreib ich ihr selbst. Die ganze Zeit, seit welcher Sie ohne Nachricht von mir sind, habe ich hier ununterbro­ chen zugebracht. Sogar Gotha und Weimar, so nah sie auch sind, habe ich nicht besucht. Indeß ist mein Aufenthalt hier auch von meinem vorigen ländlichen nicht sonderlich ver­ schieden gewesen. Der Gesellschaften sind hier wenige, und so bin ich die meiste Zeit auf meinem Zimmer, im Kreise meiner gewöhnlichen Beschäftigungen gewesen. Der Ko‑­ adjutor ist hier der einzige Mensch, den man interessant nennen kann, und den habe ich, soviel es überhaupt seinen Geschäften und seiner Lebensart nach möglich ist, genossen. 20 Wahrlich D1-3  24  So bald D1  Muße gewinne, D1

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Sein Umgang ist mir um so angenehmer gewesen, als unsre Gespräche meist wissenschaft­ lich, aus dem Fache der praktischen, vorzüglich politischen Philosophie, worin er unstreitig am meisten bewandert ist, hergenommen sind, und als reine auch bloß theoretische Prin­ zipien doch noch mehr reizen, wo ihre Anwendung so nah liegt. Ich weiß nicht, lieber Freund, ob Ihnen ein kleiner Aufsaz von mir in der Berlinischen Monatsschrift, Januar: Ideen über Staatsverfassung u. s. f. zu Gesicht gekommen ist. Es war ein wirklicher, ohne alle Hinsicht auf den Druk geschriebner Brief, der hernach zufällig, und zum Theil dieser Zufälligkeit wegen, mit schändlichen, allen Sinn entstellenden Drukfehlern ans Licht ge­ kommen ist. Aus diesem Aufsaz hatte Dalberg gesehen, daß ich mich mit Ideen dieser Art beschäftige, und wenig Tage nach meiner Ankunft hier, bat er mich, meine Ideen über die eigentlichen Grenzen der Wirksamkeit des Staats aufzusezen. Ich fühlte wohl, daß der Gegenstand zu wichtig war, um so schnell bearbeitet zu werden, als ein solcher Auftrag, wenn die Idee nicht wieder alt werden sollte, forderte. Indeß hatte ich einiges vorgearbei­ tet, noch mehr Materialien hatte ich im Kopf, und so fieng ich an. Unter den Händen wuchs das Werkchen, und es ist iezt, da es seit mehreren Wochen fertig ist, ein mäßiges Bändchen geworden. Sie stimmten sonst, als wir noch von Göttingen aus über diese Ge­ genstände korrespondirten, mit meinen Ideen überein. Ich habe seitdem, so viel ich auch nachzudenken und zu forschen gesucht habe, fast keine Veranlassung gefunden, sie ei­ gentlich abzuändern, aber ich darf behaupten, ihnen bei weitem mehr Vollständigkeit, Ordnung und Präcision gegeben zu haben. Noch jezt also, schmeichle ich mir, würden Sie im Ganzen mit meinen Behauptungen einverstanden sein. Ich habe nemlich – und ich hielt dieß der nächsten Veranlassung wegen, die mich zum Schreiben bewog, für um so nöthi­ ger – der Sucht zu regieren entgegenzuarbeiten versucht, und überall die Grenzen der Wirksamkeit enger geschlossen. Ja ich bin soweit gegangen, sie allein auf die Beförderung der Sicherheit einzuschränken. Ich hatte die Frage, die ich beantworten sollte, völlig rein theoretisch in ihrem ganzen Umfange abgeschnitten. Ich glaubte also auch kein andres Prinzip zum Grunde meines ganzen Raisonnements legen zu dürfen, als das, welches al­ lein auf den Menschen – auf den doch am Ende alles hinauskommt – Bezug nimmt, und zwar auf das an dem Menschen, was eigentlich seiner Natur den wahren Adel gewährt. Die höchste und proportionirlichste Ausbildung aller menschlichen Kräfte zu einem Ganzen ist daher das Ziel gewesen, das ich überall vor Augen gehabt, und der einzige Gesichts­ punkt, aus dem ich die ganze Materie behandelt habe. Immer bleibt es doch wahr, daß ei­ gentlich diese innre Kraft des Menschen es allein ist, um die es sich zu leben verlohnt, daß sie nicht nur das Prinzip, wie der Zwek aller Thätigkeit, sondern auch der einzige Stof[f] alles wahren Genusses ist, und daß daher alle Resultate ihr allemal untergeordnet bleiben müssen. Auf der andren Seite ist es aber auch eben so wahr, daß in der Wirklichkeit und fast überall, wo auf den Menschen gewirkt wird, bei der Erziehung, bei der Gesezgebung, 36 Berliner D1  39  mit allen Sinn D1  41 beschäftigte, D3  49  versucht habe, D1  65 Stof D2-3

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Brief 218

im Umgange, fast nur die Resultate beachtet werden, wovon sich viele Gründe aufzählen ließen, die ich nur hier, um Sie nicht zu ermüden, übergehe, und unläugbar freilich macht auch die Erhaltung der Kraft selbst große Sorgfalt auf die Resultate, als das Mittel dazu, oft nothwendig. Desto mehr also muß, dünkt mich, die Theorie das, was in der Ausübung so leicht das lezte Ziel scheint, wieder an seine rechte Stelle sezen, und das wahre lezte Ziel, die innre Kraft des Menschen, in ein helles Licht zu stellen versuchen. Wenn also die Staatskunst sich meistens dahin beschränkt, volkreiche, wohlhabende, wie man zu sagen pflegt, blühende Länder hervorzubringen; so muß ihr die reine Theorie laut zurufen, daß freilich diese Dinge sehr schön und wünschenswerth sind, daß sie aber von selbst entstehn, wenn man die Kraft und Energie der Menschen, und zwar durch Freiheit, erhöht, da hinge­ gen, wenn man sie unmittelbar hervorbringen will, gerade das leiden kann, um dessentwil­ len sie selbst nur wünschenswerth sind, indem wenigstens in vielen Fällen ein Land freilich schneller bevölkert, wohlhabend, ja sogar in gewissem Grade aufgeklärt werden kann, wenn die Regierung alles selbst thut, den Bürgern das von ihr anerkannte Gute aufdringt, als wenn sie dieselben den freilich langsamern aber auch sichrern Weg der eignen Ausbil­ dung gehen läßt. Wenn die Statistik aufzählt, wieviel Menschen, welche Produkte, welche Mittel sie zu verarbeiten, welche Wege sie auszuführen u. s. f. ein Land hat; so muß die reine Theorie sie anweisen, daß man darum nun den Menschen und seinen eigentlichen Zustand fast um noch nichts besser kennt, und daß sie also das Verhältniß aller dieser Dinge, als Mittel zu dem wahren Endzwek anzugeben hat. Gieng ich einmal von diesem Gesichtspunkte aus, so konnte ich nicht leicht auf etwas anders als auf die Nothwendig­ keit der Begünstigung der höchsten Freiheit und der Entstehung der mannigfaltigsten Si­ tuationen für den Menschen kommen, und so schien mir die vortheilhafteste Lage für den Bürger im Staat die, in welcher er zwar durch so viele Bande als möglich mit seinen Mitbür­ gern verschlungen, aber durch so wenige als möglich von der Regierung gefesselt wäre. Denn der isolirte Mensch vermag sich eben so wenig zu bilden, als der in seiner Freiheit gewaltsam gehemmte. Dieß führte mich nun unmittelbar auf das Prinzip, daß die Wirk­ samkeit des Staats nie anders an die Stelle der Wirksamkeit der Bürger treten darf, als da, wo es auf die Verschaffung solcher nothwendigen Dinge ankommt, welche diese allein und durch sich sich nicht zu erwerben vermag, und als ein solches zeichnet sich, meines Bedünkens, allein die Sicherheit aus. Alles übrige schaft sich der Mensch allein, jedes Gut erwirbt er allein, jedes Uebel wehrt er ab, entweder einzeln, oder in freiwilliger Gesell­ schaft vereint. Nur die Erhaltung der Sicherheit, da hier aus jedem Kampf immer neue entstehn würden, fordert eine lezte widerspruchlose Macht, und da dieß der eigentliche Charakter eines Staats ist, nur diese eine Staatseinrichtung. Dehnt man die Wirksamkeit des Staats weiter aus; so schränkt man die Selbstthätigheit auf eine nachtheilige Weise ein,

79  um dessen willen D1  82  anerkannt Gute D1  86  darum nur D1  102 widerspruchslose D3

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bringt Einförmigkeit hervor, und schadet mit Einem Wort der innren Ausbildung des Men­ schen. Dieß ist ohngefähr der Gang der Ideen, den ich gewählt habe, obgleich ich in dem Vortrage selbst einer völlig verschiednen Ordnung gefolgt bin. Dann bin ich aber auch in ein größeres Detail eingegangen, und habe die Nachtheile einzeln zu schildern versucht, welche nothwendig entstehn müssen, oder wenigstens nicht leicht vermieden werden können, wenn der Staat, statt sich auf die Sicherheit zu beschränken, auch für das physi­ sche, oder gar moralische Wohl sorgen will. Bei der Sicherheit selbst habe ich mich noch auf die Mittel, sie zu befördern, ausgebreitet, alle die zu entfernen versucht, welche zu sehr auf den Charakter wirken, wie öffentliche Erziehung, Religion (wobei ich den Aufsaz, den Sie kennen, umgearbeitet gebraucht habe), Sittengeseze, und endlich die angegeben, de­ ren Gebrauch mir unschädlich und nothwendig zugleich scheint, wobei ich denn, jedoch kurz und immer allein in Rüksicht auf den gewählten Gesichtspunkt, Polizei, Civil und Cri­ minalgeseze durchgegangen bin. Am Schluß habe ich einiges über die Anwendung hinzu­ gefügt und vorzüglich die Schädlichkeit nicht genug vorbereiteter Anwendungen auch richtiger Theorien zu zeigen versucht. Verzeihen Sie, mein Theurer, diese ausführliche, und dennoch so unvollständig und flüchtig hingeworfne Auseinandersezung meiner eignen Ideen. Allein der Antheil, den Sie immer an diesen Gegenständen, und an meiner Beschäf­ tigung damit nahmen, verführte mich von Periode zu Periode. Diesen Aufsaz nun ist Dalberg, nachdem er ihn für sich gelesen hatte, Abschnitt für Ab­ schnitt mit mir durchgegangen, und wir haben Gründe und Gegengründe durchgespro­ chen. Seine Ideen stimmen nicht gerade mit den meinigen überein, er berechtigt vielmehr den Staat zu einer weit ausgebreitetern Wirksamkeit. Indeß will er doch, wo es nicht auf Erhaltung der Sicherheit ankommt, eigentlichen Zwang entfernen, und um auf irgend ei­ nen Gegenstand die Sorgfalt des Staats auszudehnen, den Wunsch der Nation abwarten. So schwankend auch, vorzüglich in der Ausübung, diese leztere Bestimmung werden muß, so werden Sie doch gewiß mit mir gestehn, daß diese Achtung für die wahre Souverainität in dem Munde eines künftigen Regenten in hohem Grade ehrwürdig ist, und daß die ers­ tere Einschränkung einen großen Theil des Schadens entfernt, welchen das zu viele Regie­ ren sonst unausbleiblich bringt. Je länger ich überhaupt Gelegenheit habe, mit dem Koadjutor umzugehn, desto mehr überzeuge ich mich von der Reinheit seiner Absichten, und der Vortreflichkeit seines mo­ ralischen Charakters. In der That ist die ununterbrochne Aufmerksamkeit, die er auf diesen wendet, so charakteristisch an ihm, daß sie unter so manchen hervorstechenden Seiten, welche auch beim ersten Anblik auffallen müssen, dennoch keinem entgehn kann. Von Ihnen, lieber Freund, spricht er mir sehr oft, und immer mit einer Wärme, die mir innige Freude gewährt. Er fühlt nicht nur in ihrem ganzen Umfange die Achtung, welche Sie 119  die ausführliche, D1  120  flüchtig und unvollständig D1  122 nehmen, D1  134  ich Gelegenheit D1  137 hervorstehenden D1

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Brief 218–222

jedem einflößen müssen, der auch nur überhaupt mit Deutscher Literatur vertraut ist, son­ dern er schäzt und liebt Sie auch so sehr von den Seiten, die nur Ihren Freunden erschei­ nen können, und die er, glaube ich, durch Müller und Sömmerring kennt. Was haben Sie denn in dieser Zeit gemacht, theurer Freund, was Ihre liebe Frau, was Ihre Kinder? Wie sehr sehnte ich mich das recht bald von Ihnen zu hören. Zu bit­ ten wage ich freilich nicht darum. Sehr schön wäre es aber doch, wenn Sie nicht Gleiches mit Gleichem vergälten. Leben Sie jezt recht wohl, theurer lieber Freund, erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, und sein Sie meiner herzlichsten, wärmsten, unwandelbarsten Liebe versichert! Ewig Ihr Humboldt.

219.  An Charlotte Schiller in Jena

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Erfurt, 28. Juni 1792

Aufschiebung eines geplanten Besuchs in Jena wegen einer Erkrankung Karolines.

Es thut mir sehr leid, liebe Lolo, daß ich Dir heute nur zwei Worte sagen kann. Aber der leidige Durchmarsch raubt mir, da ich kaum von der Stadthalterei weg­ komme, alle Zeit. Wir wollten künftigen Mittwoch, nach Eurer gütigen Erlaubniß zu Euch kommen, und freuten uns innig darauf. Allein wir müssen jezt unsere Plane um einige Tage verschieben. Karoline hat sich neulich verkältet, und hat überdieß ei­ nen verdorbenen Magen. Beides hat ihr ein kleines Flußfieber zugezogen, das zwar an sich nichts zu bedeuten hat, aber doch sie sobald zu reisen verhindert. Sobald wir wissen, wann wir die Freude genießen können, Euch zu sehen, schreibe ich wieder, und gebe Euch auch indeß Nachricht. Karoline umarmt Euch beide. Thue Schillern ein gleiches in meiner Seele, und lebt herzlich wohl, und vergnügt. Ewig Euer Humboldt. Erfurt, 28. Jun. 92.

220.  An Carl Gustaf v. Brinkman in Berlin

Rudolstadt, 9. Juli 1792

Ankündigung seiner baldigen Ankunft in Berlin.

Rudolstadt, 9 Jul. 92. Ihr Brief, lieber Brinkmann, hat mich herzlich gefreut. Indeß antworte ich Ihnen heute nicht darauf. Denn den 16t reise ich hier (aber ohne meine Frau, die Sie grüßt)

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1. Juni – 17. Juli 1792

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ab, und bin den 20 od. 21st in Berlin. Verbreiten Sie die Ankunft des Antichrists und leben Sie wohl! Ihr Humboldt.

221.  An Karoline v. Humboldt in Rudolstadt

Kahla, 16. (?) Juli 1792

Die Wehmut der Trennung; Erinnerungen an Szenen aus der Brautzeit; Dankbarkeit für Karolines Liebe.

Kahla

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Daß ich nicht mehr bei Dir bin, meine Li, und beim Wickelnarrn! Wie ist’s mir so öde und leer ohne Euch! Ich habe die schöne Gegend wiedergesehen, aber ich sah sie ja nicht mehr mit Dir, wie neulich. Ich habe mich vieler Stellen erinnert, wo Du dies und jenes sag­ test, wo Fräulein trank oder schlief. Erinnerst Du Dich noch, wo wir ausstiegen und zu Fuß gingen? Es war bei einer Mühle. Das Tal ist so grün und freundlich, die Berge, die es umschließen, so romantisch, und hinten ragt so feierlich die Leuchtenburg hervor. Da bin ich wieder zu Fuß gegangen, und immer war’s mir noch, als wärest Du bei mir, als hätt ich die holde kleine Li auf dem Arm. O! teures, einziges Wesen, wie so namenlos, wie so unendlich glücklich hast Du mich gemacht, wie hast Du mir gegeben, was ich selbst, da ich Dich kannte, da Dein Besitz mir gewiß war, ach! nimmer, nimmer gehofft hätte. Wie vermag auch selbst die kühnste Phan­ tasie zu erreichen, was Du so ewig still in das Leben verwebst, die Ruhe, diesen einfachen und so unnennbar füllenden Genuß. […]

222.  An Karoline in Rudolstadt

Merseburg, 17. Juli 1792

Der Sternenhimmel als Verbindungsmedium zur Geliebten; Erinnerungen an die Zeit der gegenseitigen Annäherung und seiner zunächst selbstlosen Liebe zu ihr; Dankbarkeit für das Geschenk ihrer Liebe.

Merseburg, Dienstag nach 6 Uhr Wie so ununterbrochen habe ich an Dich gedacht, liebe Li. Die Nacht war so himmlisch. Die Gegend erschien so still und schauerlich. Alle Gestirne, die ich sonst mit Dir so oft sah,

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Brief 222–223

hefteten jetzt meine sehnenden Blicke. Du sahst wohl auch nach dem Jupiter, vielleicht begegneten sich an ihm unsere Augen. Mir ist sehr wohl, und ich wäre innig froh und heiter, wenn ich Dich nicht so unendlich vermißte. Was machst Du, mein holdes, teures, einziges Wesen? Wie hast du geschlafen? Hat die kleine Li Dich oft im Schlafe gestört? Unaufhörlich habe ich mich das gefragt, so viel hätte ich gegeben, wenn ich nur einen Augenblick Dich hätte sehen können und die Kleine. Bald, bald werd ich Euch ja wieder sehen, wieder all das Glück genießen, das Du mir so ununterbrochen gabst, seitdem ein freundliches Schicksal uns vereinte. Alle Szenen der Vergangenheit waren mir diese Nacht so lebhaft; vorzüglich umschwebte mich wunderbar Dein Bild, wie ich zuerst in Burgörner Dich sah. So anders schienest Du mir da, und so anders scheinst Du mir jetzt, und dann ist doch so eine wunderbare Einheit in dem Anders und Anderssein. Ehe ich Dich so ganz, so ausschließend besaß und Dich doch schon so heftig, so einzig liebte, war mein Gefühl so unruhvoll, ich vermochte nicht ohne die tiefste Wehmut an Dich zu denken, Dir zu schrei­ ben, Dich zu sehen. Ich war weh – –! nicht um mich, süße, teure Liebe, wie sehr ich auch oft litt, aber um Dich. Dein Schicksal war so wunderbar verschlungen, ich ahndete schon damals Eine glückliche Zukunft und zitterte vor jeder andern, und doch war jede andre so wahrscheinlicher als diese. Nach und nach löste es sich klarer, und es wurde ruhiger in uns. Jetzt ist die Liebe, die unser ganzes Wesen beseelt, mit jedem Tage unseres Zusam­ menseins namenlos gewachsen, und mit dieser Liebe hat sich so eine himmlische Ruhe, so ein froher Genuß gegattet. Keinen Moment unseres Zusammenseins hat mich, keinen – o, ich darf es mit Gewißheit sagen, – Dich – dies Gefühl verlassen, und das alles ist Dein, einzig Dein Werk. Deine einfach stille Größe, Deine himmlische Güte schafft unaufhör­ lich dies einzig schöne Dasein. Meine Seele schmilzt in Dank zu Dir hin, wenn ich dies so überschwenglich empfinde, und dann fühle ich doch wieder, daß kein Dank, selbst der Dank dieses liebenden, sehnenden Herzens, der Gabe zu genügen vermöchte. Ich muß so abgebrochen schreiben, weil ich so gestört werde, aber ich muß Dir doch sagen, was mein Herz unaufhörlich füllt, was mich hält fern von Dir, was mir auch so selige Momente gewährt. Ja, ich kann’s nicht, nicht einen Augenblick untergehen lassen, das Glück, das Du in mir geschaffen hast. Es sind ja nur wenige Tage, die uns trennen, dann sind wir wieder beisammen und genießen fast ein ganzes gar nicht gestörtes Jahr des stillsten Beisammen­ seins. […]

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223.  An Karoline in Rudolstadt

Coswig, 18. Juli 1792

Liebesgrüße aus der Postkutsche: Dankbarkeit für das, was ihre Liebe in ihm bewirke, auch an das Schicksal, das ihnen die stille Zweisamkeit ermögliche; Karoline sei das Band, das ihn an das ersehnte Innere von Mensch und Natur knüpfe, wodurch er zu sich selbst gefunden habe.

Coswig, 18. Juli, ½11 Uhr

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Ich kann Dir wieder schreiben, liebe Li, ich begegne noch einer Post. Es ist mir so süß, Dir ein Wort sagen zu können, fühle im voraus, wie wohl es Dir tun wird. Dein armes Herz ist doch gewiß weh, ach! aber nicht zu weh sein, mein Liebes! Komme bald, so bald wieder. Mit jedem Tage rückt der süße Moment näher heran. Diese Nacht im Wagen träumt ich von Dir und Fräulein, Du wolltest Fräulein den Hals waschen, und ich hielt kleine Händ­ chen. Fräulein war so still und schön. Wie ich aufwachte, glaubte ich’s noch auf meinem Schoß zu sehen und griff zu, damit es nicht falle, war aber nichts da. Das Herz ist oft so weh und doch immer so glücklich. Es sehnt sich unaufhörlich nach Dir und fühlt auch gleich unaufhörlich Deine nie erreichte Schönheit. Ich kann mir Dein Wesen so ganz den­ ken, wie jeder Augenblick unseres Beisammenseins es mir zeigt, in der Größe, der Fülle, der Einheit, die so unnennbar jede einzelne Schönheit in Dir verknüpft. Aber es ist mir, als dächte ich Dich noch lebendiger, noch schöner, wenn ich auf mich blicke. Was Du in mir geschaffen, wozu Du mich erhoben hast, fühle ich so klar, weil ich mich jeder Periode der Vergangenheit so deutlich erinnere, so genau weiß, wie ich in jeder und jeder war. Aber wie oft ich bei dem einen und dem anderen Bilde verweile, so steigt das Gefühl doch erst dann zur höchsten Höhe empor, wenn ich unsere Vereinigung, das We­ sen denke, das diese einzige Liebe, uns beide so innig ineinander schmelzend, gebildet hat. Jedem einzelnen von uns wäre diese Größe ewig unerreichbar gewesen. Selbst die Liebe, wie fest sie uns auch aneinander geknüpft, hätte nicht allein diese Schönheit geschaffen, hätte nicht auch das Schicksal uns so freundlich gegönnt, ewig und ungetrennt in stiller Einsamkeit miteinander zu leben. Dies Leben – ich fühle es so klar in mir – ist es allein, das wenigstens alle die Gefühle entwickelt, mit welchen jeden die Empfindung des andern erfüllt. Schon früh heftete ich meinen Blick mehr auf das innere Wesen der Menschen und der Natur, aber solange mein Dasein so allein dastand, fühlte ich immer jede meiner Ansich­ ten so mangelhaft, empfand ich wenigstens nicht den Einklang der äußeren Gegenstände und der innern Empfindung, welcher der Wahrheit alleiniges Gepräge ist. Es fehlte mir da eigentlich das, was die ganze Natur beseelt. Ihr selbst in meinem Wesen nicht gleich, ver­ mocht ich nicht das Ungleiche wahr aufzufassen, denn überall ist sie ja ein wundervolles

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Brief 223–224

Ganze, überall eine entzückende Harmonie, überall hallt sie von Tönen, deren keiner des ihm entsprechenden ermangelt. Und in mir fühlte ich, wenn ich’s auch nicht mir zu entwi­ ckeln vermochte, alles abgerissen und halb. Manchmal, in diesem Zustand sehnsuchtsvol­ len Vermissens, war es wohl, als würde ich mir klarer, als empfänd ich, welches Band es sein müßte, das mich freundlich an das All der übrigen Wesen knüpfte. Aber völlig klar wurde es mir nie, bis ich Dich sah, bis ich sah, wie keinem Tone in mir, nicht auch ein anderer in Dir antwortet, wie nur vereint mit Dir und wie nie sonst ich mich, selbst ein Ganzes, an das Ganze der Natur anzuschließen vermöchte. Du wirst mich verstehen, Li, wenn ich auch hier nicht weiter zu reden vermag, wenn ich es nicht auszusprechen wage, wie nur Deine Liebe aus mir und dem All der übrigen Wesen ein harmonisches Ganze geschaffen hat! Wenn ich Deine Liebe, wenn ich mein Glück denke, kann ich freilich nur Dich denken, nur empfinden, daß Du so bist, und daß Du mein bist, aber es liegt doch ewig in dem einen Gefühl alles, was ich hier in allein Dir verständlichen Lauten zu stammeln wagte. Ja, daß ich Eins bin in mir, daß ich bin, wozu ich Anlage hatte zu sein, daß ich Wahrheit sehe, daß ich harmonische Schönheit empfinde, das ist Dein, einzig Dein Werk; und mein, einzig mein Werk ist es, daß auch Du bist, was Du sein solltest, daß auch Du Wahrheit siehst und Schönheit und Harmonie empfindest. Keiner hat eigentlich dem andern etwas gegeben, o! die Liebe hängt zu süß an dem Geliebten, um von sich in ihn übertragen zu wollen, und das Wesen, das zu lieben vermag, ist zu groß und selbständig, um aus dem andern für sich zu nehmen. Daß wir beide das fühlen, darum ersticken wir mit besorglichen Küssen immer die Worte des andern, wenn er Dank stammelt für das, was er empfing. Aber daß jeder dem andern sich hingab, das machte erst, was jedem eigen in sich war, vom Schattenbilde zur Wahrheit. Wie die Natur so hehr und schön in sich ist, und der Mensch so reich und harmonisch in sich, und doch der Mensch sich nicht zu empfinden vermöchte als in der Natur, die ihm sich darstellt, und die Natur nicht beglücken könnte ohne den Menschen, der sie auffaßt, ohne daß der eine dem andern gäbe oder von ihm empfänge, ebenso ist es auch mit uns und mit jeden, die wahre Liebe beseelt. Wie wir nun uns enger und inniger verknüpfen, so wird wahrer und wahrer unsere Ansicht, schöner und harmonischer unser Einklang mit der Natur. O Li, meine Li, erhalte Dich der schönen, süßen, unendlichen Zukunft! Ewig wirst Du lieben, und ewig wirst du geliebt sein, und mit der Liebe und Gegenliebe werden beide und mit beiden unser Wesen, unser Geist und unsre Schönheit wachsen! So werden wir ewig jeder alles dem andern danken und keiner doch je weniger vom andern empfangen, als er zurückgibt. Ach, laß mich aufhören, laß mich schließen, wo mich die Worte verlassen, laß mich die brennenden Küsse aufs Papier heften, – und sei glück­ lich und liebe mich! Ach, und Fräulein, bitte, bitte, daß ich sie nicht verwob in den Ein­ klang unserer Wesen. Aber bei jedem Wort, das ich niederschrieb, empfand ich sie mit, ich fühlte auch darum nur halb, was ich stammelte, weil sie fehlte, und doch konnte ich sie

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nicht nennen. Dies Gefühl ist noch zu wunderbar, noch und vielleicht lang noch vermag ich’s nicht in Worte zu kleiden. O! nimm noch die Küsse und lebe wohl, so wohl. Noch eins. Du wirst wissen wollen, wo ich bin. Ich bin gestern abend um 11 Uhr aus Halle gefahren, habe aber fast ganze Nacht im Wagen geschlafen und habe nur noch 13 Meilen bis Berlin. Morgen vormittag bin ich da. Lebe wohl, küsse Fräulein. Grüße gute Li.

224.  An Brinkman in Berlin

Falkenberg, 20. Juli 1792

Ankündigung eines Besuchs mit Bitte um entsprechende Vorkehrungen zur Geselligkeit sowie Weiterleitung der etwa in Druck erschienenen Pindarübersetzung an Karoline.

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Ich bin Sonnabend Nacht, oder spätestens Sonntag früh in Berlin bei Ihnen, u. bleibe bis Montag früh. Sie bleiben (wenn der Befehl des unbekannten Obern noch irgend gilt) zu Hause, richten es aber dergestalt ein, daß ich auch um u. nach Mitter­ nacht zu Ihnen kann. Ich poche ans Fenster. Für Sonntag Mittag, oder Abend arran­ giren Sie doch eine vernünftige wo möglich Christen- wenn nicht anders Judenpar­ thie. Am schönsten wäre Mittags Sie, Bernstorf, Spalding der sich entvatern muß, u. Genz. Abends od. Nachts Gentz u. Sie. Ferner suchen Sie von Spalding zu erfahren, ob meine Ode schon gedrukt ist. In diesem Fall lassen Sie [S]ich ein Exemplar ge­ ben u. schikken es bloß couvertirt [( ]wenigstens ist nichts weiter nöthig [ )] unter folgender Adresse Sonnabend auf die Post. An Frau von Humboldt, geb. von Dacheröden in bei dem H. Vice Kanzler von Beulwitz. Rudolstadt. Meine Frau hat ihre Kinderei damit. Um mir auf diesen Zettel zu antworten müssen Sie Ihr Billet morgen oder übermorgen vor 12 Uhr Mittags in mein Haus schikken. Adieu. Ihr H.

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225.  An Karoline in Rudolstadt

Falkenberg, 23. Juli 1792

Worte einer immer stärker werdenden Sehnsucht nach einer Woche Trennung: Bewunderung ihrer Fähigkeit, Gegensätzliches in eins zu fassen; das Gefühl, ihre Liebe nicht zu verdienen, dass sie ein höheres Wesen sei, von dem er lernen wolle. Ein Homer-Zitat für Karoline.

Falkenberg, Montag, 23. Julius abends So innig sehnt ich mich alle diese Tage, Dir zu schreiben, meine Li, und immer wurd ich auf so lästige Weise daran gestört. Heute stieg die Sehnsucht aufs höchste, Dir ein Wort der Liebe zu sagen, und heute spart ich es nun auf bis zu den stillen Stunden, wo ich allein mit Dir sein könnte und mir. Dein Bild liegt neben mir, ach, so viele herzliche Küsse be­ decken es täglich. Es ist mir so trüb und düster in der Seele, Du bist nicht bei mir, und mit jeder langsam hinschleichenden Stunde ist mir’s, als vermißt ich Dich schmerzlicher. Du bist’s doch allein, die mir Leben gibt! O! Du gutes Liebes! Schon so oft hat mich die Reise gereut, so oft – ach! – verzeih Deinem armen Bill – hab ich mir Vorwürfe gemacht, daß ich Dir, mir, diesen Kummer verursacht. Dann sag ich mir wohl, daß es notwendig war, daß es schön ist, alles Gute zu erhalten, daß es nicht zu unserem einzigen Dasein passen würde, wenn wir auch nur Ein Wesen minder froh sein ließen, als wir es zu machen vermöchten. Dann ruf ich mir Dich zurück, und wie Du selbst, wieviel Du auch littest, die Reise wolltest, wie Du mir sagtest, daß [wir] uns wiedersehn, wieder umarmen würden. Aber das arme entbehrende Herz hört nicht auf zu murren, und nur des Wiedersehens süße Gewißheit vermag es ein wenig zur Ruhe zu wiegen. Acht Tage sind nun vorbei, daß ich Dich verließ, Gott, wie lange acht Tage! Wenn ich bei Dir bin, wie schnell eilen die Stunden! O! Li, Li, ich beschwöre Dich, empfinde es ganz, wie du mich beglückst, fühle ganz, was Du bist. Wenn ich es nur zu sagen vermöchte, was es ist, was ich so allbeseligend empfinde, was in jedem Moment mein Dasein so bereichert und erhöht. Wie ich Dich liebte und fern von Dir war, da war ich glücklich, weil Du mir angehörtest, wie ich in Deiner Nähe lebte, da war ich trunken von Seligkeit, aber jetzt, jetzt, wie find ich ein Wort, wie mir jetzt ist, da Du mein Weib, die Mutter meines Kindes bist. So unendlich lange ring ich schon, das Gefühl in Worte zu kleiden, aber ewig mißlingt der Versuch. Daß Du mein Weib bist, darin, darin weiß ich, liegt es allein, aber wie wag ich’s, das zu entwickeln, mir selbst zu enthüllen? Aber wie bist Du auch so wunderbar einzig, Du Große, Hehre. Wie hast Du unser Leben so ewig mit neuen Freuden umkränzt. Nichts habe ich verloren, nichts vermisse ich von allem, was ich jemals in Dir besaß, aber mit jedem Tage entdeckt meine trunkene Seele, was mir vorher noch verborgen war. Was miteinander zu streiten, sich wechselweis auszuschließen scheint, das knüpfst Du freundlich in Eins, und so gattet sich wundervoll in Dir die kühnste erhabenste Größe mit jeder schlichten einfachen Tugend, so bist Du ewig mein süßes

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liebendes Mädchen und mein Weib, der Kleinen holde sorgsame Mutter. Wenn ich die Seligkeit denke, die Du mir schenkst, dann weiß ich nicht, woran meine trunkene Phantasie sich halten soll, ob an der Erinnerung der Vergangenheit, oder den Szenen der Gegenwart und den Aussichten in die nahe und fernere Zukunft. Alles drängt sich in Eine Empfindung zusammen, Tränen der Wonne und Rührung quillen zu Deinem Dank hervor, und meine Lippen drücken sich fest an Dein Bild. Auch Du bist glücklich gewesen, meine Li, auch Du bist es jetzt und wirst es immer sein, so oft Bill bei Dir ist, und Bill will ja ewig, ewig bleiben. Wahrlich, ich könnte ja nicht glücklich sein, wenn ich das nicht zuerst, das am heiligsten empfände, aber ich vermag auch nicht mein Glück und das Deine als zwiefach zu denken. Wenn ich sage, daß mein Dasein die Fülle jedes Genusses schmeckt, dann fühl ich es auch in gleicher Lebhaftigkeit, daß auch Du nichts, nichts vermissest. Aber, wie glücklich Du auch bist, wie ich es sehe, und wie mich so ununterbrochen dieser Anblick beseligt, so fühle ich es doch, so ist es mir doch immer, als schwänge sich mein Glück höher empor, als vermöchte ich nicht zu geben, was ich in diesem Maße empfange. Weine mir nicht, mein gutes Kind, werde mir auch nicht weh, aber Bill meint es so wahr und so ehrlich, möchte so herzlich bitten, ihm zu verzeihen, wenn er Dich, Dich nie zu verdienen vermag. Will gewiß auch noch besser werden, ist ja ewig mit Dir und fühlt schon, wie er immer besser geworden ist. Wie ich mir das Leben mit Dir dachte, meine Li, ehe ich noch es zu stammeln wagte, daß ich Dich liebte, so fühl ich doch jetzt, nun freilich in nie geahndeten Graden, die Er­ wartung vollendet. Ewig würde ich, dachte ich mir immer, von Dir so kindlich empfangen, ewig Dein holdes großes Wesen tiefer aufzufassen versuchen, ewig streben, mich seiner und seiner Liebe würdig zu bilden. Wie das höhere Wesen standest Du ewig vor mir da, ich kam zu Dir – o, es ist so herzlich und innig wahr – nicht Dein Geliebter, nicht Dein Hel­ fer, Dein Ratgeber, nein, der, der von Dir zu lernen, nach Dir sich zu höherm Dasein empor zu schwingen versuchen wollte. Wie ich anfing, Dich zu lieben, da modifizierten sich zwar anders und anders diese Gefühle, aber ewig blieb ihre eigentliche Natur und keine Zukunft wird sie wandeln, wie keine Vergangenheit vermocht hat. O! noch jetzt häng ich gleich kindlich an Deinen Lippen, noch jetzt such ich in Deinen Augen – dem wundervollen Bilde Deines einzigen Wesens – was mich schöner und reicher machen, mich höher emporhe­ ben kann, noch jetzt, wenn so oft ein Moment mich gerade diesem Gefühl allein überläßt, möcht ich Dich eine liebende, wohltätige Mutter nennen. So vereinst Du alle süßesten Namen in Dir. Noch neulich wurde mir das so klar, als mir der Homer und die Stelle in die Hände fiel, wo Andromache dem Hektor sagt: „σὺ μοί ἐσσι πατὴρ καὶ πότνια μήτηρ“ usw. So oft ich ehemals den Vers las, verstand ich ihn nicht recht; diese Empfindungen schie­ nen mir so geschieden voneinander, und jetzt faßt er mich mit einer Wahrheit, die ich nicht auszudenken vermag. So ist mir’s, vor allem mit Homer, oft gegangen. Ich habe erst fortle­ ben, mich selbst mit neuen Wahrnehmungen, neuen Gefühlen bereichern müssen, ehe ich den tiefen Sinn völlig auffaßte.

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Brief 225–227

Es ist jetzt ungefähr Mitternacht, nun denk ich mir, daß die kleine Li schreit, daß Du sie aufnimmst und wäschest. Ach, was macht der liebe, holde Narr? Ich dachte erst, ich würde heute Briefe von Dir haben können, nun ist mir aber eingefallen, daß erst acht Tage verstrichen sind, und gar, wie ich glaube, der Tag meiner Abreise Posttag war. Muß nun wohl bis zum Freitag warten, will ruhig sein, liebes Herz, wenn Du nur meine Briefe recht regelmäßig bekommst. Greife Dich auch ja nicht zu sehr an, mir zu schreiben, bleib nicht länger auf drum, schone Dich ja recht sehr, will mit so wenigen Zeilen so glücklich sein. Mußt auch ja nicht denken, daß mich ängstige. Ich weiß, daß Kind nichts begegnen kann, Lili schrieb es mir sonst gleich. Das war sonst nicht, und darum ängstigte ich mich auch sonst wohl manchmal. Nun schlafe wohl, mein süßes, liebes Kind. Nimm die innigen herzlichen Küsse, gib kleinem Wickelnarrn auch und lebe wohl, o so wohl! Grüße Lili.

226.  An Brinkman in Berlin

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Falkenberg, 25. Juli 1792

Vergebliches Warten auf Brinkman in Falkenberg; Verabredungsvorschläge für die nächsten Tage in Berlin.

Mittwoch Abend. Es ist sehr falsch von Ihnen, lieber theurer B. daß Sie mich heute u. gestern Abend vergebens warten ließen. Kommen Sie doch wenigstens morgen, so früh Sie können, oder so spät Sie müssen. Bis 6 Uhr Abends bin ich gewiß hier. Dann reit ich nach Berlin. Können Sie auch morgen nicht kommen; so sein Sie doch Morgen Abend von 8 Uhr an zu Hause. Ewig Ihr Humboldt

227.  An Karoline in Rudolstadt

Falkenberg, 26. Juli 1792

Freude über einen Brief von Karoline; Umgang in Berlin: Brinkman, Bernstorff, Gentz, dessen Heiratspläne skeptisch beurteilt und unvorteilhaft mit der eigenen Ehe verglichen werden.

Falkenberg, Donnerstag, 26. Julius Ich bekam gestern Deinen Brief, meine Li, Gott! wie ich mich freute, von Dir, vom Wi­ ckelnarrn zu hören. Wenn ich Dir zu danken vermöchte für die Liebe, die jede Zeile, jeder

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Ausdruck atmet. Du bist ein einzig wunderbares Wesen, meine Li. In alles, was von Dir ausgeht, strömt Dein ganzes Wesen so unendlich über, daß man in allem so ganz und ein­ zig Dich empfindet. Ich erwartete noch eigentlich keinen Brief. Ich hatte mir gedacht, sie wären acht Tage unterwegs, und nun ist dieser nur fünf gegangen. Ich war eben am Abend spazieren gegangen mit Mama, die Sonne ging dicht unter einem schweren, dunkeln Ge­ wölk unter, so ein furchtbares Gelbrot verbreitete sich über den Himmel. So oft blickte ich schweigend zurück auf das wundervolle Schauspiel, so glühend gedachte ich Deiner, denn auch Dein Auge, ahndete ich, hing an dem Untergang. Wie ich mich sehnte! Als wir ins Dorf kamen, sagte mir die Tante König, es sei ein Bote an mich da. Ich eilte hin, und nun fand ich, wonach ich mich so lang, so innig gesehnt hatte. Nun las ich, bedeckt ich mit Küssen und Freudentränen die lieben, lieben Züge Deiner Hand. So bist Du denn wohl, meine Liebe, gute. O! erhalte Dich ja, schone Dich ja, holder Engel; zürne auch nie mit Dir, wenn Du zum Schreiben zu müde bist. Wenn [ich] nur Einen Zug Deiner Hand sehe, nur einen Strich, wo Dein Kuß das Blatt berührte, ach! es ist ja alles so bis zum Bezaubern entzückend, was von Dir kommt. Ich habe seit meinem letzten Briefe sehr einfach gelebt. Gleich – denn ich erinnere mich, daß Du trotz meiner Briefe noch nichts von meinem Hiersein weißt – als ich nach Berlin kam, traf ich Brinkmann bei seinem Hause, wo ich vorbei mußte. Er ging mit mir zu Bernstorff, der den folgenden Tag abreiste, und ein paar Minuten darauf zu Kunth. Da blieb ich eine viertel Stunde und ritt darauf nach Falkenberg. Du kannst denken, wie müde ich war nach der heißen Reise. Mama freute sich in der Tat sehr, und dies lindert die ganze Zeit meines Hierseins die Langeweile. Den Abend wäre ich gern zu Bett gegangen, aber ein Gewitter und meiner Mutter Furchtsamkeit machte, daß ich erst um 12 Uhr zu Bett kam. Den folgenden Tag war ich hier und den Abend – recht als sollt ich keine Nacht ruhen – Brinkmann. Natürlich wurde die Nacht wirklich bis 3 Uhr durchplappert. Indes kann ich nicht leugnen, bin ich Brinkmann doch herzlich gut. Es ist doch eine so natürliche Güte, eine so wahre Anhänglichkeit an mich, vor allem aber eine so große Stärke und auch eine Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit in ihm, die mir freilich um so lieber werden, je mehr ich beide in Gentz vermisse. Mit der Nacht verließ er mich. Am Abend ritt ich nach Berlin und war bis Montag früh dort. Seit Montag bin ich bis jetzt und noch heute abend ununterbrochen und allein hier. Heute abend gehe ich nach Berlin und Sonnabend nach Tegel, wohin meine Mutter auch kommt. Da bleibe ich bis Mittwoch gegen Abend und komme bloß zum Wegreisen wieder nach Berlin. In Berlin ist mir nichts Interessantes auf­ gestoßen als Gentz. Er war nicht in Berlin, sondern bei seiner Braut auf dem Lande, von wo er nur eine Nacht zu mir hereinkam. Geändert finde ich nichts an ihm, das was Kies und Brinkmann erzählten, sind Kindereien. Seine Heirat stellte er mir erst von sonderba­ rer Seite vor. Das Verhältnis mit der Aktrice habe nicht gut anders gelöst werden können, sein Vater sei in ihn gedrungen, er müsse Ruhe haben, seinen herumschweifenden Geist auf wenige Gegenstände heften. Den einzigen triftigen Grund sagte er nicht, aber ich las

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Brief 227–228

ihn unverkennbar in ihm, und er gestand ihn bald ein – er ist sterblich verliebt. Verzeih den Ausdruck, aber einen für Gentzen passenden andern kenne ich bis jetzt aus Erfah­ rung noch nicht. Natürlich wollte er meine Meinung wissen. Ich habe ihm gesagt, daß ich glaubte, die Neigung allein herrsche in dem Schritt, den er tue, die Neigung – und das hoffe ich wirklich – werde dauernd sein, und so zweifelte ich nicht an seinem und ihrem Glück. Die übrigen Argumente habe ich mit aller Stärke zu bestreiten gesucht. Ich kann es nicht leiden, daß man mit offenen Augen die Wahrheit nicht sehe, und sie liegt doch hier zu sehr am Tage. Gewiß empfindest du das nicht anders als ich, es gibt für einen empfin­ denden Menschen nur Ein Glück, eine Heirat, wenn das ganze Wesen beider ewig in sie verwebt ist; es gibt aber auch für eben diesen Menschen nur Ein Unglück, eine Heirat, wo dies nicht der Fall ist. Wie man Ruhe in Sorgen und Glück in Fesseln suchen kann, dafür habe ich keinen Sinn. Ach, Li, ich rede so ungern selbst mit Gentz von diesem Verhältnis, es kann mich auch eigentlich niemand verstehen, es hat ja niemand Dich besessen, und es vermag ja niemand nur von fern zu begreifen, was das ist, Dich zu besitzen. Ich muß mich dann herabstimmen, ach! und dann ist’s mir, als entweiht ich, was Du mich gelehrt hast! – Über das Äußere, sein Auskommen usw. sprach ich noch gar nicht. Ich mußte schon über meine Geldangelegenheiten mit ihm sprechen, und er hat zu viel Konfusionen darin gemacht, als daß ihm nicht auch schon mein bloßes Sprechen hätte unangenehm genug sein sollen. Gegen das Ende unserer Unterredung klagte er mich an. Ich hätte ihn nie mit der Schonung behandelt, die seine Weichheit forderte, hätte ihm immer die Wahrheit zu nackt gezeigt. Du kannst meine Antworten denken. Auch fühle ich mich wahrlich darin unschuldig. Einmal überzeugt, daß ohne Ansicht der innern Wahrheit das Glück nur leeren Genuß und wirklichen Nachteil bringt und das Unglück selbst auch der heilsamen Folgen ermangelt, die doch sonst für das Entbehren des Genusses entschädigen, habe ich nie dem, den ich irgend liebte, anders als im strengsten Verstande wahr sein können. Mein höchstes und einziges Glück, das Glück Deiner Liebe, danke ich der reinsten lautersten Wahrheit, und ich würde diese Wahrheit, dies Glück und diese Liebe zu entweihen glau­ ben, wenn ich je die Gestalt der Dinge, wie sie mir erschienen, zu verstecken […].

228.  An Friedrich Leopold v. Kircheisen in Berlin

Berlin, 1. August 1792

Bewunderung der Unparteilichkeit Kircheisens und des Kammergerichts in einem Amtsenthebungsverfahren gegen Prediger Schulz.

[…] Es war in der That schlechterdings keine Neugier irgend einer Art, welche in mir das Verlangen erregte, von diesem Vorgange näher unterrichtet zu sein; es war vielmehr allein

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der Wunsch zu sehen, wie sich Männer, deren philosophisch aufgeklärte Denkungsart und edle Freimüthigkeit ich so oft bewundert hatte, in dieser, auch meinem Urtheile nach äu­ ßerst kritischen Sache benommen hatten, und aus diesem Anblick die Belehrung zu schöp­ fen, die man nur aus einer reinen Quelle empfängt. Dieser Wunsch wurde noch dringender in mir, da ich hier und da, und gerade da, wo ich es am wenigsten vermuthete, die mein ganzes Gefühl empörende Behauptung hörte, daß die Urtheilsfasser wirklich die Gränzen des richterlichen Amts überschritten hätten. Ich fühlte es zwar sehr wohl, daß wenn irgend eine Art der Bestrafung nur edle Männer treffen kann, es gerade die Bestrafung der guten Sache und der Philosophie ist, und daß man daher gerade aus den trefflichsten Absichten ein Edikt zu umgehen streben kann, das mit Recht so viele Einwürfe gegen sich dulden muß. Allein dennoch konnte ich mich schlechterdings nicht überzeugen, daß vorzüglich Ew. Wohlgeb., dessen festen, sichern und immer gleichmäßigen Geschäftsgang ich aus Erfahrung kannte, auch einer solchen Versuchung unterlegen hätten, und die Durchlesung der Acten hat in der That nichts, als diese meine Voraussetzung im höchsten Grade bestä­ tigt. Denn außerdem, daß ich meiner reifsten Ueberlegung nach nie einer andern Meinung, als der Meinung des Urtheils sein würde; so zeigt auch jedes Blatt, das von Ew. Wohlgeb. Hand in diesen Acten ist, mit welcher weisen Vorsicht Sie überall Mäßigung empfehlen, zurückhalten, wo ein zu großer Eifer das Collegium zu weit zu führen schien, und immer gerade den Weg einschlagen, auf welchem allein man der Wahrheit nichts vergiebt, und auch dem absichtlichsten Angriff keine Blöße zeigt. Daß auch ein so klug gewählter und so standhaft verfolgter Weg zu solchen Folgen führt, kann nur ein herzliches Bedauern der guten Sache und der irregeleiteten Absichten des Königs hervorbringen. Ew. Wohlgeb. verzeihen die ausführliche Aeußerung meiner Empfindungen bei Gele­ genheit dieses Vorfalls. Allein die wahre, tiefe und ungeheuchelte Hochachtung, von der ich mich immer für Sie durchdrungen fühlte, und die Dankbarkeit für so viele Beweise der gütigsten Freundschaft, welche nie in mir erlöschen wird, erlaubten mir nicht Gefühle zu unterdrücken, die so laut in mir sprachen. Ich trete noch heute Abend meine Rückreise an. In künftigem Sommer hoffe ich das Vergnügen zu genießen, Sie wieder und länger zu sehen. Möchte ich mir bis dahin so ge­ wiß mit der Hoffnung der Fortdauer Ihrer gewogenen und freundschaftlichen Gesinnun­ gen gegen mich schmeicheln dürfen, als ich gewiß nie aufhören werde, mit der aufrichtig­ sten Verehrung zu sein […].

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229.  An Löffler in Gotha

Erfurt, 15. August 1792

Dank für Büchersendung (Plutarch). Übersendung der Übersetzung der 2. olympischen Ode Pindars.

Erfurt, 15. Aug. 92. Verzeihen Sie, theuerster Freund, daß ich Ihnen in so langer Zeit nicht geschrie­ ben habe. Aber eine sehr zerstreuende und plözliche Reise nach Jena, Rudolstadt, und endlich gar nach Berlin hat mir alle Muße in den leztvergangnen Wochen ge­ raubt. Selbst heute bin ich verhindert, Ihnen mehr als ein Paar flüchtige Worte zu sagen, indem ich in drei Tagen auch von hier wieder abreise, um nun meinen regel­ mäßigen Aufenthalt auf dem Lande anzufangen. Gewiß aber weile ich dann nicht länger, Ihnen recht ausführlich zu schreiben. Für heute erlauben Sie mir nur, lieb­ ster Freund, Ihnen für Ihren, mir so gütig mitgetheilten Plutarch aufs herzlichste zu danken, und Ihnen eine Kleinigkeit zu übersenden, die ich diesen Winter gearbeitet habe, und die mein Bruder aus Scherz drukken lassen. Meine Frau, die mit Ihrem Kinde vollkommen wohl ist, empfiehlt sich Ihrem freundschaftlichen Andenken, und ich bitte Sie innigst mir die Liebe und Freund­ schaft zu erhalten, der ich soviel süße Stunden danke. Ewig der Ihrige, In Eil. H.

230.  An Brinkman in Berlin

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Auleben, 24. August 1792

Beteuerung der Bedeutung der Freundschaft Brinkmans; Fortleben der Freundschaften in der Erinnerung. Bitte, auf entsprechende Fragen die Auskunft zu geben, Humboldt halte sich im Hohensteinischen auf.

Auleben, 24. Aug. 1792. Rechnen Sie es mir nicht an, theurer Brinkmann, daß ich Ihnen so lange nicht schrieb. Ich war wirklich so zerstreut durch Hin und Herreisen und Anordnen von tausend Kleinigkeiten, daß ich nicht ans Schreiben kommen konnte. Auch heute nur zwei Worte. Erstlich und vor allem, mein theurer lieber Freund, meinen innigsten herzlich­ sten Dank für die Liebe, die Sie mir bewiesen. Ich kann es Ihnen warlich nicht sagen,

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15. August – 3. September 1792

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welch ein erhebendes Gefühl es mir war, Sie gerade so, und auch gerade gegen mich so wiederzufinden, als ich Sie verließ. Es ist mir dieß Gefühl in der That nicht oft geworden. Ich habe immer nur Freunde verloren, und bin in mir – das kann ich mit Wahrheit bezeugen – gegen sie immer derselbe geblieben. Wir haben oft über Stieg­ litz gescherzt und gespottet, aber läugnen kann ich es nicht, daß jede Erinnerung an ihn mich tief verwundet. Sie sind mir geblieben und werden mir bleiben, und ich darf die frohe Aussicht des Zuwachses von Wahrem und Gutem in mir durch den fortgesezten Umgang mit Ihnen nähren. Meine Erinnerungen an meine Freunde ge­ hen meist im eigentlichsten Verstande von mir aus. Diese oder jene Seite in mir, diese od: jene Empfindung oft ist mir ein Andenken dieses oder jenes Umgangs. Und wie vieles erinnert mich so an Sie, wie vieles wird mich noch ferner erinnern! Von jezt an schreibe ich Ihnen sicher in der Regel alle 8 und wenigstens alle 14 Tage. Lassen Sie mich wenigstens alle 14 Tage auch einen Brief von Ihnen haben. Meine Adresse ist: in Auleben, p. Nordhausen, abzugeben beim H. Bürgermeister Rudolph. Frankiren kann ich von hier nicht gut. Also schreiben wir uns unfrankirt. Da ich aber oft, auch wegen des Buchs, mit dikken Briefen in meinen Angelegenhei­ ten ankommen kann, so thäten Sie mir einen Gefallen, wenn Sie dieß Porto anmerk­ ten, und Sich von mir erstatten ließen. Ich wüßte nicht, wie Sie dazu kämen, es mir zu schenken. Wenn jemand Sie fragt, wo ich mich aufhalte, so antworten Sie: im Hohensteini­ schen aus 3 Gründen: 1., weil es eine Lüge ist. 2., weil es eine wahrscheinliche Lüge ist, da das H. hier nah liegt. 3., weil das H. Preußisch ist, und ich eigentlich im Preu­ ßischen wohnen sollte. Gentzen vertrösten Sie nächstens auf einen Brief, und [S]ich selbst auf einen sehr ausführlichen mit nächster Post. Nun leben Sie herzlich wohl. Meine Frau grüßt Sie herzlich, und bittet den Plan zum Frühjahrsbesuch nicht zu vergessen. Adieu. Ewig Ihr H.

231.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 3. September 1792

Häusliches Glück in ländlicher Zurückgezogenheit; Ideal des Wirkens: Steigerung der inneren Energie durch Aufnahme und innerer Verarbeitung möglichst vielfältiger Gegenstände. Griechischstudien; Plan zu Altertumsstudium; Pindar-Übersetzung. Teildruck der Staatswirksamkeit. Kurzaufenthalt in Halle: Wolf, Garve, Klein; Entrüstung Letzterer über Gentz’ Lebenswandel.

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Brief 231

Auleben, 3. September, 1792. Seit 14. Tagen nun, lieber Brinkmann, lebe ich hier in beneidenswürdiger Ruhe und Einsamkeit. Noch in dieser ganzen Zeit habe ich keinen fremden Menschen ge­ sehen, und nichts stört mich also an dem Genuß jeder häuslichen Freude, und jeder selbstgewählten Beschäftigung. Diese Ruhe ist mir um so süßer gewesen, als ich sie länger als ein halbes Jahr, das ich in einer unangenehmen Stadt, unter langweiligen oder halb interessanten Menschen verschleudern mußte, entbehrt habe, und so mit doppelter Sehnsucht zu ihr zurükkehrte. Wäre ich allein, unverheirathet, würde ich mir ein solches einsames Leben nicht erlauben; ich hätte dann andre Zwekke, andre Bestimmung; die Ausbildung, die ich mir, die Wirksamkeit, die ich andren schul­ dig wäre, forderten einen mehr wechselnden, ausgebreiteteren Schauplaz. Jezt habe ich mich auf meine Familie zurükgezogen, wie eng der Kreis sein mag, er giebt mir – das fühle ich täglich – sogar einen reicheren Stoff zur Bearbeitung als meine Kräfte umfassen. Ich sehe daß ich Glük schaffe und Glük genieße, und ich möchte wissen, ob es viele Lagen gäbe, in welchen man so gerade das bewirkt, was nur unmittelbar, und gewiß, und jedem Zweifel unzugänglich gut und heilsam ist. Wenn ich auch in dem spätesten Alter stürbe, werde ich, das weiß ich voraus, kein Werk hinterlassen, das mein Andenken dauernd erhielte, ich werde nicht einmal mir selbst sagen kön­ nen: dieß oder jenes hab’ ich gethan und geschaffen. Selbst wenn ich etwas gethan hätte, würde ich dieß mir mit Wahrheit nicht sagen können. Denn ich thue nie etwas um des Werkes willen, das unmittelbar und außer mir, immer nur um der Energie willen, die mittelbar und in mir bleibt. Aber ich werde mir sagen können, ich habe gelebt, und dahin allein geht auch das ganze Streben meiner Existenz, jeden Gegen­ stand, den mir das Leben beut, aufzunehmen wie er ist, zu bewahren, bis ich ihn in mein Inneres verwandelt habe, und mich jedem Gegenstande wieder so zurük zu geben, wie die Bedingung der höchsten, mir möglichen Ausbildung, modificirt nach der Natur dieses Gegenstandes[,] es fordert. Daher bemühe ich mich auch nicht ängstlich darum, mir diese oder jene Lage zu verschaffen, ruhig erwart’ ich, was der ewige Wechsel mir bringt, und wende meine Grundsäze darauf an. Ist es mir gelungen, mich deutlich zu machen, so kann ich mich Ihnen hier nicht anders ge­ schildert haben, als Sie mich längst kannten. Denn alle Dinge, die mich von andren unterscheiden, müssen, ohne diesen Schlüssel, unerklärlich sein, und sind mit die­ sem sogar nothwendig. Aber ich bin weit abgeschweift. Ich wollte von meiner Lage mit Ihnen reden, und fieng an, sie zu rechtfertigen, dessen sie bei Ihnen so gewiß nicht bedarf.

17  stürbe, würde ich D2  18  einmal von mir D2  25 Innres D3 

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Was meine Studien betrift, bin ich, seit meinem Hiersein allein mit Griechischen, und zwar mit Pindar, Aeschylus, und, meiner Frau wegen, nebenher mit Homer be­ schäftigt. Lange dürfte ich mich zu nichts anderem wenden. Ich gehe damit um, ein­ mal mir in einem eignen Aufsaze die Gründe deutlich zu machen, warum das Stu­ dium der Alten, bloß als solcher, und ohne besonders lebhaftes Interesse für irgend ein besondres Fach, das sie bearbeiten, einen Menschen allein würdig zu beschäf­ tigen vermag. Man hat, dünkt mich, diese Gründe bisher richtig gefühlt, denn das natürliche Gefühl täuscht selten, und ohne dieß hätte man dem sonst nichtsnuzigen Plunder nicht Lebenszeiten geopfert, aber minder klar auseinandergesezt. Was mir bis jezt darüber eingefallen ist, besteht bloß in den Paar Gedanken: die Alten sind alle Schriftsteller bloß 2. Nationen, und wenn man es genau nimmt nur Einer, der Griechen, da die Römischen Schriftsteller, als solche, im Grunde Griechen heißen müssen. Indem man sie studirt, studirt man also eine Nation, nicht Bücher, sondern Menschen. Aehnlichen Nuzen müßte es gewähren, alle Französischen, oder Eng­ lischen Schriftsteller zusammen zu studiren, aber der Unterschied würde immer ebenso beträchtlich sein, als die Alten origineller waren, als die Neueren, und als sich in dem Schriftsteller bei ihnen mehr der Mensch, als der Schriftsteller zeigte. Dann kommt nun auch noch dazu, daß diese Menschen an sich so viel, so weit we­ niger durch Kunst und Kultur geformt, und so viel mehr der Natur näher waren, als wir. – Die Wasserode des Pindar ist jezt fertig und ich schikke sie Ihnen nächstens. Meine Abhandlung hat Schiller noch. Als ich ihn bei meiner Durchreise sah war er bis zum Abschnitte über die Religion gekommen, er sagte, daß ihn die Ideen inte­ ressirten, und versprach mir die seinigen, wenn er Zeit hätte, mitzutheilen. Er rieth mir, vor dem Druk, irgend einen einzelnen Abschnitt in der Monatsschrift drukken zu lassen. Sollte dieß der Buchhändler, der Allbeherrscher, billigen, so bäten Sie ja wohl Biester, irgend einen einzurükken, welches aber freilich bald geschehen müßte. Ich würde den über den Krieg, oder über die Nationalerziehung oder über die Lu­ xusgeseze vorschlagen. Der über die Religion könnte anstößig scheinen. Sonst sind jene noch am meisten Ganze für sich. Das, was noch dazu gehört, um sie dazu zu machen, änderten Sie wohl, wozu ich Ihnen uneingeschränkte Freiheit gebe. Am Ende müßte gesagt werden, daß die Frage, welche hier in Absicht Eines Gegenstands be­ antwortet sei, in Absicht aller Gegenstände der inneren Politik untersucht in einer eignen Abhandlung dem Publikum vorgelegt werden sollte. Sobald, oder wenn Sie einen Verleger haben; sagen Sies mir. Ich schreibe dann gleich die Vorrede, zu der ich mancherlei Materialien habe. In Halle habe ich Klein und Eberhard gesprochen, und mit Wolf mich genauer verbunden. Auch Garve traf ich zufällig dort an. Er und Klein sprachen mit mir über 54  sich soviel, D3  57 Abschnitt D1 D3  67 innren D3

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Brief 231–232

G[entz] und die, deren Zimmer Sie bewohnen. Beide mit Tadel, der sich vorzüglich auf einen heftigen Brief der Me. Merian gründete. Ich habe vertheidigt, oder viel­ mehr Stillschweigen und Suspension des Urtheils über eine Sache empfohlen, die niemand beurtheilen kann. Sagen Sie G. nichts, es bringt ihn bloß auf. Leben Sie herzlich wohl, lieben Sie mich, und schreiben Sie mir ja recht bald und recht viel! Ihr H.

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Auleben, 14. September 1792

Erwiderung auf die Charakteristik Humboldts durch Brinkman und Gentz: Wichtigkeit der Freunde für die eigene Entwicklung. Staatswirksamkeit: bei aller Selbstkritik wertvoll für das eigene Selbstverständnis; Verlegeranfragen. Ausführlich zu Gentz’ Auffassung der Liebe; eigener Definitionsversuch. Fränkels Sanierungsplan für Gentz. Eine erotische Begegnung in Humboldts jüngerer Vergangenheit. Meyer und Therese Forster. Zu empfehlende Griechischgrammatiken. Pindarstudien; Projekt einer Gesamtübersetzung.

nr. 2. Auleben, 14. Sept. 1792. nr. 1. empf. Sie sehn schon aus der Ueberschrift dieses Briefes, lieber Freund, daß es mein völliger Ernst ist, eine recht regelmäßige, ordentlich depeschenartige Korrespon­ denz mit Ihnen zu führen, und wenn Sie – wie ich zuverlässig hoffe – die schöne Reihe nicht unterbrechen, so sollen Sie gewiß alle 8 Tage ein Blatt von mir haben. Was Sie mir über mich und unser Verhältniß schreiben, hat mir eine herzliche Freude gemacht, wenn ich auch darin das volle Gefühl dessen, was Sie mir sind, vermißt habe. Allein ich weiß nicht, woher es kommt, daß Gentz und Sie so einen übermenschlichen Maaßstab brauchen, um mich zu messen. Eine natürlichere Er­ klärung würde der Wahrheit offenbar näher bleiben, und darum, wenn ich auch über die Leute lache, die meine Schulstudien loben, oder mich, wie weiland H. v. Ramdohr in Zelle, einen unterrichteten Menschen nennen; so erkenne ich doch im Innern die Wahrheit, die auch in diesen dictis liegt. Mich wahr und völlig natürlich

8  Gefühl, dessen H  9  Gentz und Sie einen D1  10  Maßstab versuchen, D1  14 Innren D2

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beurtheilt würden Sie dann auch es nicht für Satire halten, wenn ich von dem rede, was ich durch Freunde gewinne. Denn warlich kann ich wohl sagen, daß das meiste in mir zwar nicht durch andre in mich gekommen, aber durch andre zur eignen Ent­ wikklung in mir veranlaßt worden ist, und – Sie mögen nun machen, was Sie wol­ len – so wiederhole ich Ihnen nochmals, daß ich wenn Sie auch nur in diesem Sinne es zugeben wollen, gerade durch Sie sehr viel gewonnen habe. Gentz hat Ihnen ein Niedertreten bei Gelegenheit des grünen Buches prophe­ zeiht, aber lassen Sie Sich nicht bange sein, es hat keine Noth damit. Aendern Sie nur immerzu, das, was Sie beträchtlich ändern, sagen Sie mir doch vorher, und so hängt es ja immer von mir ab. Gentz findet dieß unglükliche Buch völlig unverständlich. Sie urtheilten das nicht, allein für die meisten Menschen, die jedes Raisonnement – und vielleicht mit Recht – allgemein, und ohne alle Rüksicht auf die Individua­ lität des Raisonnirenden betrachten, mag es wohl auch wirklich so unverständlich sein. Denn das fühle ich selbst, daß jedes Wort aus meiner tiefsten Individualität ge­ schrieben ist, und gerade darum läugne ich nicht, daß die ganze Abhandlung, die ich als Schrift nur in der That für mittelmäßig halte, einen großen Werth für mich hat. Was Biester Ihnen sagt, erzählen Sie mir so ausführlich, als möglich, und wenn er schreibt, schikken Sie mir das Document selbst. Unter 2 Frd’or verheirathe ich mich weder mit der Mylius, noch treibe ich mit Viehweg Sodomie. Was Sie von G[entz’] Liebe sagen, ist nun freilich von dem Ideal eines verliebten Umgangs weit entfernt. Indeß mag jedermann darin seine eigne Ansicht haben, und ich mag also nicht urtheilen. So viel ist indeß gewiß, daß für den Dritten der Anblik nie angenehm, sondern allemal aufs mindeste langweilig ist. Ueberhaupt, gestehe ich, ist mir die Art, wie G. eigentlich liebt – sobald ich eben nicht daran denke, daß die G[illy] reizend und jung sein mag – auf keine Weise klar. Ich kann mir Liebe nicht anders denken, als das Gefühl einer großen und schönen Individualität, die der eignen nicht gerade gleich oder ähnlich, aber so ist, daß sie mit der eignen die mannigfaltigsten Verbindungen möglich macht, und die schönsten Gestalten – als die Früchte dieser Verbindungen fühlen läßt. Daher verlange ich in beiden Subjek­ ten einen solchen Grad der Vollendung (neml. mit ihren Augen einer den andern betrachtet) daß keiner dem andern mehr zu geben hofft, als er selbst zurük emp­ fängt; und daß jeden für das Wesen des andren eine tiefe und innige Achtung durch­ dringt. Ueberhaupt liegt gerade aller Reiz der Liebe in der höchsten Eigenheit jedes beider Wesen, und dann in der höchst engen Verbindung des in sich Eignen, und die Liebe verliert nicht weniger, wenn die Verbindung eine solche Gestalt annimmt, daß sie die Eigenheiten hinwegnimmt, als wenn die Eigenheit eines jeden sich so 15  leicht für Satire D2  20  zugeben sollen, D2  27  des Raisonierenden urteilten, D1  44 f.  den andren […] dem andren D2

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Brief 232

gegen die des andren verhält, daß keine so enge Verbindung möglich ist. Daher be­ ruht für mich in der Liebe auch alles auf Wahrheit, und insofern ich noch zweiflen könnte, daß der Gegenstand meiner Liebe mich nicht ganz oder einzig liebte, wäre mir jeder Versuch eines Dritten, das Verhältniß zu stören, erwünscht. In dieser Rük­ sicht halte ich es auch für verdienstlich, sich alle ersinnliche Mühe zu geben, jeman­ dem sein Mädchen oder seine Frau abspenstig zu machen, so bald nur der, dem man das thut ein Mensch ist, wie er sein soll, ein Mensch dem nichts theurer ist, als das vollkommen Wahre, und der auch mit einem ganzen Leben von Elend die Wahr­ heit zu erkaufen nicht ansteht. In G. nun sind zwei Dinge, die diesem meinem Sys­ tem von Liebe diametrisch widersprechen. 1., sucht er, wie er selbst sagt, die G. zu bilden, welches also immer wenig Achtung für das voraussezt, was sie schon ist. 2., fürchtet er sich, daß jemand sein Verhältniß zu stören nur versuchen könnte, ja er mag sich wohl gar vor sich selbst fürchten. Darum wünsche auch ich ihm viel Glük, aber mit mehr Hofnung, wie Sie. G. hängt sehr an Gewohnheit und ist weich und gut. Ist das Mädchen das auch, und haben sie Brod, so fürchte ich nicht viel. Was die S[chwinck] betrift, so, gesteh ich, wüßt ich selbst gern das Genau Wahre, das aber G. selbst nicht weiß. Hätte ich nichts zu thun, so reiste ich den Augenblik der soge­ nannten Verstoßenen nach. Fr[änkels] Finanzplane mögen für G. wohl gut sein. Aber für Fr. selbst? Ich glaube, die Sachen stehn schlimm, und bin – unter uns – jeden Augenblik, sobald Fr. darauf dringt, wegen meiner Kleinigkeit zu bezahlen gewärtig. Die Anekdote ist göttlich! Das Mädchen muß entweder Jeannette Philipp wirk­ lich heißen, [o]der sich haben unter diesem Namen wollen taufen lassen. Die Ge­ schichte ist folgende. Ich begegne einem kleinen, gelblichen, aber niedlich und hübsch gebauten Mädchen eines Morgens in der Jägerstraße, die ich bald für eine Jüdin erkenne. Sie wissen, daß nicht viel dazu gehörte, mich zum folgen zu brin­ gen, und ich folgte also auch dieser. Zwar hatte sie nichts, was sie irgend als eine Edle karakterisirte, aber der Blik, den sie mir, als ich sie ansah, zurükgab, sagte doch mancherlei. Auf dem Gendarmenmarkt, an der Kirchekke accostirt ich sie, und nach einigem Gespräch versprach sie mir, drei Tage darauf zu mir zu kommen. Der Tag erschien, ich machte das Haus leer, und harrte. Zur bestimmten Stunde schlich sie in die Thür herein. Ich hatte sie zwei Stunden bei mir, und – das schwöre ich Ihnen – sie blieb was sie war. Denn kaum hatte ich einige Anstalten gemacht, so sah ich, daß wenn mir der Gott Israel nicht beistände, ich wie Pharao und sein Heer, Sie wissen in welchem Meere umkommen müßte. Ich scherzte also, sprach, koste mit ihr und ließ sie wieder gehen. Ein Schnupftuch von mir forderte sie zum Andenken, und das gab ich ihr. Sie bat mich, sie wieder kommen zu lassen, aber ich thats nicht. Einige Tage darauf erhielt ich einen Brief unterzeichnet S. (Sanette) mit der rührenden Ver­ sicherung, daß, wenn ich nicht sie bald wiedersähe, sie vor Zärtlichkeit vergehen

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müßte. Da ich aber nichts hierauf erfolgen ließ, und wirklich glaubte, sie wäre ver­ gangen, fühle ich einmal, als ich einen Abend zu Herzens gehe, dicht an der Treppe mich etwas am Rok ziehn. Siehe da es ist Sanette. Sie bat wiederholt, aber ich blieb felsenfest. Seitdem wußte ich nichts von ihr. Ob es nun gleich freilich sonderbar bleibt, daß dieser einzige Besuch bei mir, sie in den Ruf brachte, eine Edle zu sein, und obgleich ihre Tugend zu purpurfarben war, um sich zu entschließen, sie zu be­ flekken; so werde ich doch wahrscheinlich, da die Geschichte gewiß herumkommt, der Verführer der Judentugend heißen, und mir eine neue Blume in den Kranz mei­ ner Ruchlosigkeit flechten. Der L[evi?] meinen herzlichsten Gruß! Meyer ist und bleibt doch ein großer Mensch! Ich bin nie sein Rival gewesen, obgleich er der F[orster] Geliebter gewesen sein soll, und man auch mich dafür aus­ gab. Allein das war zu ganz verschiedenen Zeiten. Etwa 4 Wochen, nachdem ich in Gött[ingen] ankam, ging M. nach England, und 1 Jahr darauf lernte ich die F. ken­ nen, die übrigens nie mit mir von ihm gesprochen hat. Eichmanns recitiren möchte ich gern mit einer Stunde Conversation mit ihm so­ gar erkaufen. Wegen der Gr[iechischen] Grammatik. Am besten ist es, Sie nehmen zwei, zum Nachschlagen die sogenannte Märkische, und zu einer mehr philosophischen An­ sicht Trendelenburgs Grammatik, d. neueste Ausgabe. Nur müssen Sie diesem in dem, was er von der Bedeutung des medii sagt nicht glauben. Wollen Sie etwas Tie­ feres über die Formation der temporum, und sind Sie schon weiter, so schaffen Sie Sich Valckenaerii Obseruationes academicae & Joh. Dan. a Lennep Praelectiones Academicae de analogia linguae Graecae ed. Everardus Scheidius. 1 Band. 8. Traiecti ad Rhenum 1790. (3 rtllr) an. Wollen Sie mich sonst in Graecis zu Rathe ziehn, so bin ich zu Ihren Diensten. Ich beschäftige mich jezt allein damit, jezt mit Pindar und Aeschylus. Der Pindar ist wunderschön. Ich wäre doch sehr tentirt, ihn ganz zu übersezen. Aber, wie ich mirs denke ists eine Arbeit von 10 bis 15 Jahren. Behalten Sie mich lieb, u. antworten Sie bald. Ewig Ihr   H. Auf Verschwiegenheit können Sie bauen. Sie glauben ja an meine Recht­ schaffenheit. Meine Frau grüßt Sie herzlich. Die S. hat aber viel Verstand. Sie mocquirte sich göttlich über den πρεσιδεντ ἁγεν, ihren Prediger, und den χριστ selbst. Mir sagte sie mit viel Naivetät: ich dachte bei

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Brief 232–234

mir, was mußt Du denn wohl an Dir haben, daß er Dir nachgieng. Du siehst doch sonst so nicht aus. Sie erinnern [S]ich einer ähnlichen Stelle in Göthens Faust. Ich ra­ the Ihnen, sie Sich aufzusuchen. Da Sie Edle lieben u. doch unberührt lassen, kenne ich keine so trefliche.

233.  An Brinkman in Berlin

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Auleben, 21. September 1792

Gemeinsame Griechischstudien mit dem Hausgast Spalding. Die Reaktion der Berliner Zensur auf Staatswirksamkeit; Erwägung, die Publikation zu unterlassen.

Spalding ist bei mir, lieber Brinkmann, und wir sind tief in Graecis. Also nur zwei Worte. Tausend Dank für Ihren Brief. Die Censurnachricht ist mir sehr unangenehm. Muß auswärts gedrukt werden, so muß ich noch eine Abschrift machen, od: ein ge­ wöhnlicher Korrektor macht tausend Fehler. Dann hasse ich auch alle Ungelegen­ heiten, die das Drukken hervorbringen kann, ob ich gleich wohl durch Anonymität gedekt wäre, da das Drukkenlassen an sich eine insipide Sache ist. Ich bin also bei­ nah dafür das ganze Ding zu unterdrükken. Sagen Sie mir Ihre Meinung, und wenn Sie können, auch Biesters darüber. Lassen Sie mich doch auch wissen, was denn ei­ gentlich choquirt! Wenn in der Monatsschrift etwas abgedrukt wird, geschiehts auf alle Fälle anonym. Adieu! theurer Freund. Ihr 21. 7�r. H.

234.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 26. September 1792

Durch intensive gemeinsame Griechischstudien mit Spalding verfremdender Effekt auf eigenes Räsonieren und eigenständige Arbeiten; entsprechende Distanzierung von Staatswirksamkeit und deren weiteres Schicksal bei der Zensur. Tiefgreifende Selbstcharakteristik als Erwiderung auf Brinkmans Analyse. R ­ eminiszenz eines neulich unternommenen frivolen gemeinsamen Bordellbesuchs.

1 Brinckmann, D

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Ich danke Ihnen herzlich, theurer Freund, für Ihre regelmäßig erscheinenden Briefe. Es ist mir ein überaus froher Genuß, den Sie mir dadurch verschaffen, und den ich, während Ihrer Abwesenheit in Schweden ganz entbehren mußte. Spalding ist vier Tage lang bei mir gewesen, und hat mir sehr viel Freude gemacht. Sonntag hat er mich verlassen, und ich habe ihn ein drei Meilen weit begleitet. Wir haben meistentheils, wenn nicht immer bloß von Griechischem mit einander ge­ sprochen, und auch sehr viel mit einander in den wenigen Tagen gelesen, z. B. ein ganzes Stük des Aeschylus, das uns beiden noch völlig unbekannt war. Wenn er gleich für sein Alter, seine Muße, und den beschränkten Umfang der Gegenstände seines Studiums bei weitem mehr wissen könnte; so weiß er doch immer sehr viel Griechisch und Lateinisch, und besizt vorzüglich eine Gründlichkeit auch in Gram­ matikalischen Dingen, welche man sonst oft vermißt. Niemals hätte er mir nur mit diesen Kenntnissen erwünschter kommen können, als jezt, da ich gerade bloß mit solchen Dingen beschäftigt bin. Dieß bin ich denn in der That so sehr, lieber Brink­ mann, daß ich über diesem Wissen alles Raisonniren, und über dem Lernen alles eigne Arbeiten nicht bloß hasse, sondern tief verachte. Wenn diese Stimmung in mir bleibt, können Sie gewiß vor einem zweiten grünen Buche lange sicher sein. Denn dann studire ich nun hintereinander, alle klassischen Schriftsteller durch, und da ich dieß immer mit einer, auch den geringsten Accent nicht vernachlässigenden Ge­ nauigkeit und immer mit eignen Auszügen thue, so geht diese Arbeit sehr langsam von Statten. Für alles andre bin ich jezt im eigentlichsten Verstande todt, und dauert dieß lange, so möchte auch alles andre für mich todt sein. Ehe aber diese schrek­ liche Periode kommt, hoffe ich, soll sich meine Stimmung ändern, wozu so oft nur wenige Tage gehören. Den guten Spalding hab’ ich indeß in dieser Stimmung da­ hin gebracht, daß er mir ehrlich gestand, daß er doch kein Raisonnement, noch ir­ gend eine Philosophie eigentlich schäze, und wenigstens nie im Vergleich mit dem eigentlich gelehrten Wissen. Darin habe ich ihn denn sehr bestärkt, und mich bei mir gefreut, daß doch jeder so eine, seinem Wesen und seinen Kräften angemessene Ansicht der Dinge hat. Das grüne Buch betrachte ich, wie Sie leicht aus dem eben Gesagten selbst schlie­ ßen werden, denn jezt nur als eine Sage der Vorzeit. Indeß insofern interessirt es mich doch sehr, und ich bin äußerst begierig auf den Ausgang, den die Censur und Drukgeschichte nehmen dürfte. Ich selbst kann nicht eher einen Entschluß fassen, bis ich weiß, ob der andre Censor sein imprimatur geben will, oder nicht. Indeß fragt es sich, ob es auch alsdann nicht besser wäre, dennoch auswärts, auch bei einem auswärtigen Verleger drukken zu lassen, wenn denn diese grüne Frucht im Preußischen einmal so unverdaulich sein sollte. Nur ist die Schwierigkeit, daß ich

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Brief 234–235

alsdann wohl eine neue Abschrift machen müßte, und daß, wenn es dahin kommt, ich schon im Voraus weiß, daß aus dem Druk nichts wird, weil ich keine Antriebe kenne, die stark genug wären, mich zu solcher Arbeit zu bewegen. Indeß habe ich mein eignes, bei weitem besser, und ziemlich korrekt geschriebnes Brouillon, das sich allenfalls gebrauchen ließe. Schreiben Sie mir bald, was Sie von der Sache er­ fahren, schließen Sie nun aber, ehe ich nicht noch einmal es genehmige, mit keinem Buchhändler einen, auf irgend eine Art der Unzucht gerichteten Kontrakt. Wegen des Abdruks eines einzelnen Stüks lege ich Ihnen hier selbst ein ofnes Bil­ let an Biester (der Höflichkeit wegen) bei, das ich Sie bitte, versiegelt abzugeben. Die Antwort soll er an Sie schikken. Ich will ihn zugleich veranlassen, seine Meinung über die Frucht zu sagen. Es ist doch immer interessant, die Menschen zu hören. Oefnen Sie nur seine Antwort, und schikken Sie sie mir offen. Den Aufsatz über Re­ ligion hätte ich minder gern gedrukt. Es ist so eine verrufene bannale Materie, die ich gewiß ganz übergangen hätte, wenn ich es hätte vermeiden können, die ich aber, wenn ich sie einmal berührte, auch, dünkt mich, ausführlich und nach Würden ab­ handeln mußte. Was Ihr Brief über mich enthält, hat mir viel Freude gemacht. Es ist sonderbar, daß ich das Interesse, mit dem ich selbst mich betrachte und beschaue, auch mei­ nen Freunden einzuflößen gewußt habe, und daß Sie mit mir übereinstimmen, daß meine Individualität dazu gemacht ist, sehr vielartige Raisonnements daran zu knüp­ fen. Vielleicht kommt es daher, daß ich selbst immer so gestrebt habe, alle mögliche Erscheinungen in mich überzutragen. Ich kann es, oder ich muß es vielmehr mit Wahrheit gestehn, daß ich nie nach dieser od: jener Höhe gestrebt habe. Ich habe ei­ gentlich nur nach dem Auffassen der möglichst größten Menge von Gegenständen der Erkenntniß und der Empfindung getrachtet, und auch dieß ist kaum absichtlich gewesen. Aber wenn ich in glüklichen Lagen war, hat mir mein lebhaftes und war­ mes Gefühl gesagt, daß man der Lage nicht werth ist, wenn man sie nicht ganz genießt, u. in entgegengesezten habe ich von der Nothwendigkeit gelernt, daß man sich, aber nicht die Umstände abändern kann. Durch beides ist ein Bilden meines Innern zu allem mir begegnenden Aeußern entstanden, und wenn ich was bin – wie ich denn nicht läugnen werde, wirklich in meinem Handlen fester, u. in meiner Gleichmü­ thigkeit sichrer als alle andre, die ich bis jezt sah, zu sein – so bin ichs allein dadurch. Mein wahres Studium ist Studium des Lebens gewesen, und (wenn nicht die Latini­ tät dem Ausdruk eine andre Bedeutung gäbe) wäre meine wahrste Grabschrift vixit. A propos! daß Sie mich neulich von Spalding absolut zu einer Edlen führten, thaten Sie um mich zu versuchen. Das war doch sehr heimlich von Ihnen. Ich war auch gutmüthig genug zu glauben, Ihre Lust käme von Ihrem Schw– (vorausgesezt 44  nur aber, D3

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nemlich, daß Sie einen haben, wie denn dieß allein die weiland polnische Fräulein bezeugen kann, mit der Sie die Nacht im Zungenküssen verbrachten) her, und erst ein Paar Tage nach meiner Abreise sah ich die Wahrheit klar ein. Indeß will ich Ihnen verzeihn, Ihnen nochmals für Ihre Liebe danken, um Briefe bitten, und schließen. Leben Sie wohl! H.

235.  An Friedrich August Wolf in Halle Auleben, August / September 1792 Eröffungsbrief der Korrespondenz: Dankbarkeit, auf diese Weise an philologischen Unternehmungen teilnehmen zu können; Übersendung von Pindar-Übersetzungen; Aischylos-Lektüre.

In der That vermag ich es Ihnen nicht auszudruk­

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ken, welch eine neue Epoche in meinem Leben Ihre Bekanntschaft und Ihr gütiges Versprechen, mir, in nähere Verbindung mit Ihnen zu treten, zu erlauben, gemacht hat. Ich gestehe es gern, daß neben dem Wunsche eines stilleren, häuslicheren, und mehr unabhängigen Lebens allein die Sehnsucht nach einer mehr vollendeten wis­ senschaftlichen Ausbildung mich bestimmt hat, die GeschäftsLaufbahn zu verlassen, auf der ich nicht ohne Glük fortzukommen […]. [Möc]hte es nur auch mir gelingen, zu machen, daß nicht aller Gewinn unsrer Verbindung allein auf meiner Seite wäre; allein freilich kann ich Ihnen nichts, als die herzlichste Theilnahme an allem, was Ihnen werth ist, und ei­ nen gewiß unermüdeten Eifer vorzüglich für die Studien, die Sie am meisten be­ schäftigen, versprechen. Aber wenigstens um des willen erlauben Sie mir, theuerster Freund, Ihnen manchmal zu schreiben, Ihnen Nachricht von den Fortschritten, oder, welches freilich bei weitem öfter der Fall sein wird, von den Hindernissen meiner Studien zu geben, und mir Rath bei Ihnen zu erholen. Sehn Sie mich als einen ab­ wesenden Schüler an, der, da er Ihres mündlichen Unterrichts entbehren muß, sich schriftlich dafür zu entschädigen sucht. Nur erlauben Sie mir dieser Bitte eine andre zugleich beizufügen, die Bitte nemlich, daß Sie mir nie auch nur den geringsten Theil Ihrer Zeit aufopfern, den Sie lieber andren Beschäftigungen widmeten, und 11  auch mir gelänge, h  14  Eifer für h  20  eine andre gleich h  22  lieber andern D3

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Brief 235–236

auch – wenn ich es vielleicht wagte, Sie um diese oder jene Erläuterung zu bitten – mir nicht eher antworten, als bis Sie selbst einmal vielleicht gelegentlich auf dieselbe Materie geführt würden. Ich lege diesem Briefe wieder zwei Pindarsche Olympische Oden, die 1. und 12. bei. Ich darf nicht hoffen, daß meine Uebersezung Sie mit der 1. dem Lob des Wassers, und d[er] Widerlegung der Gierigkeit der Götter aussöhne. Allein ein­ zelne Stel[l]en, müssen Sie doch gestehen, haben eine hohe Schönheit, vorzüglich das Ende von der 3[.] Epode an. Ich habe in dieser Ode das Silbenmaaß dadurch hörbarer zu machen gesucht, daß ich dieselbe Versart in der Strophe öfter wieder­ kehren lasse. Die Gleichförmigkeit der Strophen und Antistrophen, und damit die größte Wirkung des Silbenmaaßes entgeht sonst dem Leser zu leicht. Daher kommt es, glaub’ ich, daß Schütz, und schon andre mir riethen, diese Gleichförmigkeit auf­ zugeben. Allein ich kann mich dazu nicht entschließen. Denn sonst, dünkt mich, macht allein der Sezer – wie Sie neulich sehr treffend bemerkten – den Unterschied zwischen der prosaischen und metrischen Uebersezung. Von der 3[.] Epode der 1. Ode an, und in der 12. Ode werden Sie auch keine am Ende der Zeilen abgebroch­ nen Worte mehr finden. Der Anfang der 1. Ode war schon fertig, ehe ich durch Sie hierüber besser belehrt wurde, und um zu ändern, warte ich immer lieber erst ab, daß mir die Arbeit wieder mehr fremd werde. Das Studium der Chöre beschäftigt mich jezt sehr. Ich habe bei Aeschylus ange­ fangen, den ich so noch nie ganz las. Ihre Idee, einen deutschen Brumoy zu liefern, ist mir dabei oft wieder eingefallen. Es wäre in der That vortreflich. Wollten Sie selbst einiges übersezen, und vor allem die ganze Einleitung und die Revision des Ganzen übernehmen[,] so sollte Ihnen meine geringe Arbeit nicht entstehn. Sobald ich im Aeschylus weiter bin, schikke ich Ihnen einmal eine Probe aus dem Prometheus. Nur muß ich mich [n]och in der Prosa üben. Denn ich gestehe Ihnen, daß ich eine voll­ tönende, rhytmische Prosa bei weitem schwere[r] halte, als mittelmäßige Jamben – deren Mittelmäßigkeit schon dam[it] entschuldigt wird, daß es doch Jamben sind. Ich ende jezt diesen schon überlangen Brief. Verzeihen Sie meine Geschwäzig­ keit, erhalten Sie mir Ihre liebevolle Gesinnungen, und lassen Sie mich, wo möglich, bald ein Wort von Sich hören. Meine Frau empfiehlt sich herzlich der Fortdauer Ihres und Ihrer Frau Gemah­ lin Andenken, und freut sich im Voraus auf das Vergnügen, Sie künftigen Sommer in Halle zu sehn. Versichern Sie auch von mir Ihre Frau Gemahlin meiner innigsten Hochachtung. 25  geführt werden. h  26  diesem Brief h D1 D3 Pindarische D1  Oden, 1. und 12., D1  27  mit der dem Lobe D1  31  dieselben Versarten D1  37  metrischen Uebersetzung h D1  50  daß es Jamben sind. D1  52  Ihre liebevollen h

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Ich bin ewig mit der herzlichsten Verehrung und Freundschaft ganz der Ihrige, Humboldt. Meine Adresse ist Auleben p. Nordhausen. Noch eine Bitte, die Sie mir aber auch recht offenherzig abschlagen müssen, wenn sie nicht Ihre Konvenienz ist. Ich hätte jezt gern die griechischen Scholien zum Aeschylus, und schafte mir doch nicht gern eine eigne Ausgabe dazu an, da Schütz, dessen Ausgabe ich besize, sie noch liefern muß. Könnten Sie wohl irgend eine Ausgabe mit denselben auf einige Monate entbehren?

236.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 8. (?) Oktober 1792

Bestätigung, einen Brief in Sachen Brinkmans an Hertzberg geschrieben zu haben. Übermittlung einer Pindar-Übersetzung.

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Weil ich seit meinem lezten Brief noch keinen von Ihnen habe, lieber Brinkmann, und ich also lieber, was ich Ihnen etwa zu sagen hätte, auf die Beantwortung Ihres nächsten aufspare, und weil mein Schwiegervater heute herkommt, wodurch mir allerlei kleine Geschäfte entstehn, sage ich Ihnen heute nur Ein Wort über Ihre Com­ mission in Ansehung Hertzbergs. Ich habe ihm heute geschrieben: Sie wünschten ihn kennen zu lernen, Sie be­ säßen vastes connaissances, in allen Fächern, vorzüglich der ganzen littérature mo­ derne, bewunderten ihn, wären in Schweden in interessanten Verhältnissen u. sehr gut beim König gewesen. Diesen Brief schikke ich an Spalding. Erkundigen Sie Sich nun, wann dieser ihn abgiebt, und gehn Sie 2, od: 3 Tage darauf Vormittags zu ihm u. lassen Sich melden. Hier erhalten Sie meine Wasserode. Bemerkungen über diese u. die vorige wür­ den mir äußerst willkommen sein. Bald mehr. Ewig Ihr  H.

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237.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 11. Oktober 1792

Spöttisches über Jenisch; Brinkmans Verse auf ihn. Selbstcharakteristik anlässlich der Stanzen Brinkmans auf Humboldt. Zu Brinkmans Vermittlung bei der Verlegersuche für Staatswirksamkeit. Lästiger Familienbesuch; naive Aussprüche einer halbgebildeten Kusine Karolines. Pindar-Übersetzungen.

nr. 6. Auleben, 11. Sept. 1792. Ich hatte meine vorigen Briefe nicht numerirt, weil Sie es auch einmal unterlas­ sen. Jezt aber werde ich es regelmäßig thun. Indeß werden Sie doch meine Beschei­ denheit loben, daß ich nur nr. 6. seze, und Sie schon nr. 7. sind, ob ich gleich nicht glaube, daß Sie einen Brief voraus haben. Was Sie über Jenisch schreiben ist vortreflich. Der Mensch wird doch nun Ber­ lins immer mehr und mehr würdig. Bestärken Sie ihn nur in allem, und sobald seine Borussiade heraus ist, und es nur möglich ist, daß ich sie gelesen haben kann, oder auch eher, sagen Sie ihm in meinem Namen, ich hielte sie für das erste Gedicht der Welt, so wie überhaupt ihn für den ersten Menschen. Je mehr ich von Jenisch und Consorten höre, desto inniger freue ich mich, daß mein Bruder nach Anspach ver­ sezt ist; nicht sowohl um seinetwillen, als damit Berlin nun in jedem Verstande eine MörderJudenundJenischGrube werde. Sie werden, hoffe ich, lieber Freund, auch schadenfroh genug sein, um auch mit dem schreklichsten Leben diesen Anblik zu erkaufen. Aber Ihre Jenischiade schikken Sie mir und lassen Sie überhaupt von dem Lästergedicht nicht ab. Der Stoff ist zu himmlisch. Ihre Stanzen haben meinen völ­ ligsten Beifall, und ich danke Ihnen herzlich dafür. Nur war der Lästerschluß offen­ bar besser, als der jezige. Ueberhaupt, dächte ich, ließen Sie es bei dem ersten Plan. Eine Epistel über Menschenkenntniß kann, meinen Ideen nach, nicht sonderlich interessant sein. Allein welches Opfers Geruch konnte mir wohlgefälliger sein, als der eines Spottgedichts auf alles, was den Menschen in und über der Erde heilig ist. Uebrigens ist es mir bei Ihren Stanzen aufs neue aufgefallen, mit welcher Kaltblü­ tigkeit ich mich ebensogut ein Riesenphänomen, und ein Räthsel der Natur, als einen mit guten Schulstudien wohl Versehenen nennen lasse. In der That wundre ich mich manchmal, daß fremde Urtheile über mich, auch von meinen vertrautes­ ten Freunden gefällt, und bis ins Unendliche wiederholt, meine eigne Meinung von mir so gar nicht verrükken. Aber ich kann mit Wahrheit sagen, daß ich – verzeihen Sie die ungeheure Vergleichung – das Unrichtige in Genz und Ihrem Urtheil eben so gut, als das in Brokhausens einsehe. Nur die Wahrheit, die nun hier nicht einmal 20  könnte mir D  28 ebensogut, D  29 Barkhausens D

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in der Mitte liegt, ist mir nie ganz klar. Einiges in Ihren Stanzen ist unendlich wahr und tief gesehn. Aber meist zeigt es mich doch auf eine nicht ganz richtige Weise. Die erste Stanze ist unnachahmlich gut, wenn gleich sehr unwahr. Sind die Musen die Wissenschaften selbst, so ist es nur wahr daß ich sie verachte, insofern man jede einzeln und allein schäzt. Sind es aber die beMuseten Menschen, so ist die Verach­ tung kaum der Mühe werth. In der zweiten Strophe habe ich die meiste Wahrheit gefunden. In der ersten Hälfte danke ich Ihnen für die schönen Schatten. Die leeren waren warlich etwas ungerecht. Die lezte ist meisterhaft. Nur schließe ich aus Ihrer Abänderung τοῦ: aus Grösse in mit Grösse daß Sie dem Ausdruk einen andern Sinn gaben, und gerade das aus schien mir unübertreflich. Denn das Kennen aller For­ men, das keiner getreu bleiben, und das aus Größe entspringende Verlezen jeder Einzelnen, wünschte ich mir am meisten zueignen zu können. Sehr lange habe ich nichts gleich schmeichelhaftes für mich gehört, als diese zwei Zeilen. Die beiden lezten sind wiederum unwahr. Die Extreme qua talia schäze ich schlechterdings nicht. Gleiche Wahrheit mit jenen 2 Zeilen wünschte ich der 3 Strophe, die mein Streben im Moralischen und Intellektuellen treflich darstellt. Die Aenderung „und ruhig Stürme schaft[“] ist göttlich. Das weil in der 4t habe ich gleich richtig verstan­ den. Allein die Idee ist nicht richtig ausgedrukt. Falsch ist, daß ich schenke, falsch daß ich die Wollust verhöhne. Nur daß ich ohne Mitgenuß bleibe, nur das ist wahr. Das wahrhaft Wahre, insofern es nicht hieraus verständlich ist, mögen Sie gelegent­ lich einmal selbst wieder beobachten. In der lezten Strophe bin ich mit v. 4. u. 5. nicht einig. Anfangs las ich flüchtig: den lezten Bindestein des tragenden Gewölbs auf ewig einzuschmettern. Hernach sah ich wohl, daß es des trügenden Gewölks heißen sollte. Allein zum Gewölk paßt der Bindestein nicht. Verzeihen Sie diese Kritteleien. Ihre Stanzen sind prächtig und haben mir unendliche Freude gemacht. Ganz wahrhaft werden Sie mich so nicht haben zu schildern versuchen wollen, und wie ich oft und vielen erscheinen muß schildert es mich prächtig. Aber eben darum paßt es sich auch besser zu einem Spottgedicht. Sonst fordert der Ernst auch grö­ ßere Wahrheit. Das grüne Buch betreffend, so ist die Mylius ein Nikkel. 5 Thaler, das ist himmel­ schreiend u. fordert Rache. Soviel ist gewiß, dafür wirds nicht gegeben, und sollte es ewig in meinem Pult liegen. Sie, lieber Brinkmann, sein Sie nun so gut, [S]ich das grüne Buch wenigstens auf einige Tage von Biester schikken zu lassen, und Vieweg, oder la Garde, oder Voss, oder wer sonst am besten bezahlen möchte zu agaciren. 38  andren Sinn D  64  nur so gut, D  65  von Biestern […] um Vieweg, D

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Brief 237–238

Ich überlasse es Ihnen, ob Sie eigentlich fordern wollen. Wenigstens aber äußern Sie, daß man es nicht für ein Spottgeld hingeben wolle. Ich dächte 2  Fr. d’or be­ käme man wohl. Fordern Sie aber bald Antwort, und schreiben Sie mir dann so­ gleich. Schließen Sie aber noch nicht eher ab, als bis Sie Antwort von mir haben. Ich will mich indeß durch Schiller an Göschen wenden, und möchte also nirgends eher abschließen, als bis ich von beiden Seiten Antwort hätte. Sollte der, an den Sie Sich zuerst wendeten, nicht genug bieten, so gehn Sie an einen zweiten. Weil indeß dieß Herumfragen der Sache keinen guten Namen macht, so gehn Sie gleich zu dem, der wahrscheinlich am meisten bietet, und dieß, glaube ich, ist Vieweg, den Sie übrigens von mir freundlich grüßen, und ihm den Verlag aller meiner künftigen Werke versprechen können. Ich erwarte aber von Ihrer Freundschaft, lieber Brink­ mann, daß Sie diese Versuche unverzüglich machen, und mir in höchstens 14 Tagen von Zeit des Empfangs dieses Briefs Antwort schaffen. Biestern geben Sie übrigens die Inlage versiegelt. Bin ich nicht schreklich höflich gegen den Rakker gewesen? Die Stükke d. MS., worin nun von mir etwas abgedrukt ist, schikken Sie mir. Geben Sie nur Biester zu verstehn, daß er sie mir schenken müßte. Er wird es schon thun. Ich lebe seit 8 Tagen und noch 8 Tage ein schändliches Leben. Mein Schwieger­ vater, der Ihnen übrigens gar nicht gewogen ist, und eine Tante mit 3 Töchtern sind bei uns, und rauben mir alle Zeit. Die älteste Tochter macht fait von lecture, und da ich ihr in meiner penuria librorum Voss Odyssee gab, fragte sie mich ob Voß oder Homer dieß geschrieben? wer denn dieser Homer gewesen? und ob er mit Abraham in einem Welttheil gelebt? Heute hat sie sich gegen meine Frau sehr gewundert, als diese auf die Frage, ob sie lieber eine Jüdin oder Griechin habe sein wollen? sich für das leztere erklärt, weil es doch viel besser sei den alleinigen Gott im Hebräischen Schmuz, als die Pallas Athene in der Griechischen Eleganz anzubeten. A propos bei meiner Frau. Nennen Sie sie nicht mehr Lina. Mir ist das Vornamen nennen in den Tod verhaßt. Es ist so Herzisch. – Adieu! Schreiben Sie mir bald wieder! Ihr H. Ich habe wieder 2 Oden aus dem Pindar, warlich wie Friedrich Wilhelm 1. in do­ loribus übersezt. Sie sehn sie einmal gelegentlich.

83  Ich habe D  90  im Hebräischen Schwung, D

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238.  An Schiller in Jena

Auleben, 12. Oktober 1792

Schwierigkeiten, Staatswirksamkeit bei der Berliner Zensur durchzusetzen. Bitte um Vermittlung bei Göschen, um einen Druck außerhalb Preußens zu ermöglichen.

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Sie verzeihen es mir wohl, theuerster Freund, wenn ich Ihnen mit einem kleinen Auftrag beschwerlich zu fallen wage, der mir aber jezt gerade sehr wichtig ist, und wegen dessen ich mich an sonst niemand zu wenden weiß. Ich wollte meine Abhandlung, die Sie im Manuskript bei [S]ich haben, in Berlin drukken lassen, und würde auch ohne Anstand einen Verleger unter annehmlichen Bedingungen gefunden haben. Allein mehr Schwierigkeit erregte mir die Censur. Der eine Censor verweigerte sein imprimatur ganz, der andre hat es zwar ertheilt[,] allein nicht ohne Besorgniß, daß er deshalb noch künftig in Anspruch genommen werden könne. Da ich nun alle Weitläuftigkeiten dieser Art in den Tod hasse; so bin ich entschlossen, die Schrift außerhalb drukken zu lassen. Da nun aber kenne ich niemanden, an den ich mich etwa wenden könnte, als Göschen. Da die Abhand­ lung politischen Inhalts ist, woran das Publikum jezt vorzüglich Interesse zu finden scheint, und die Bogenzahl so gering ist, daß die Auslagen dabei nur unbeträchtlich sein können; so zweifle ich nicht, daß Göschen den Verlag übernähme. Ich würde ihm nun geradezu selbst geschrieben haben, allein ich fürchte, daß, im Fall er mir eine abschlägige Antwort geben möchte, dieß ihn geradezu gegen mich genirte, und vielleicht um so mehr, als er meine Frau persönlich kennt. Meine ganze Bitte an Sie, theuerster Freund, bestände also allein darin, daß Sie bloß Göschen die Sache schrieben (doch so, daß der Censuranstand in Berlin nicht weiter bekannt würde) ihm, wenn Sie es für nöthig hielten, das Manuskript mitschik­ ten, und ihn ersuchten, sich bestimmt zu erklären, ob er den Verlag zur OsterMesse 1793. übernehmen wolle, und unter welchen Bedingungen? Diese Bedingungen, se­ hen Sie wohl, beträfen vor allem das Honorar. Denn ob uns gleich Karoline schreibt, daß Sie ein Projekt zu einer Zeitung mit mir hätten, wobei 6000r. jährlich zu gewin­ nen ständen; so möchte ich doch indeß den kleinen Gewinnst nicht verschmähen. Da Sie gewiß, Ihrer eignen Angelegenheiten wegen, oft an Göschen schreiben; so denke ich, macht Ihnen die Besorgung dieses kleinen Auftrags keine Mühe, und mir erwiesen Sie in der That eine überaus große Gefälligkeit dadurch. Nur muß ich 5  Abhandlung über die Gränzen der Wirksamkeit des Staats, D1  bei sich H D1-3  6 Verleger gefunden D1  7  Allein manche Schwierigkeit D1  15  den Verlag übernehme. D1  29 erweisen D1

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Brief 238–240

Sie bitten, wenn es Ihnen möglich ist, bald an Göschen zu schreiben, und mich auch seine Antwort sobald Sie können, wissen zu lassen. Denn ich kann mich nicht eher bestimmt in Berlin erklären, welches doch nothwendig ist. Die Korrektur könnte ich, wenn Göschen in Leipzig oder Erfurt drukken ließe, durch Bekannte, und am leztern Ort, auch zum Theil selbst besorgen. Karoline schreibt uns noch, daß einige Ideen meiner Abhandlung Sie nicht ohne Interesse gelassen haben, und daß Sie selbst Sich jezt mehr mit diesen Gegenstän­ den beschäftigen. Sie selbst versprachen mir schon einmal halb und halb die Mit­ theilung einiger Ihrer Ideen. Welch ein angenehmes Geschenk würden Sie mir damit machen! Wie wäre es aber, wenn Sie sie in Gestalt einer Vorrede, oder eines Anhangs, oder wie Sie sonst wollten, mit oder ohne Ihren Namen, meiner Abhand­ lung beifügten. Es versteht sich, daß dieß nur ein hingeworfener Einfall ist. Aber es scheint mir nur zu interessant, wenn ein Mann von Ihrem Geiste, ohne vorher­ gehendes eigentliches Studium dieser Materien, und also von ganz andern, neuen, und originellen Gesichtspunkten ausgehend, diese Gegenstände behandelte; und der Kreis Ihrer schriftstellerischen Arbeiten bietet Ihnen sonst nicht leicht, wenn Sie nicht Lust hätten, Ihre Ideen zu einer eignen Schrift auszuspinnen, eine bequeme Gelegenheit dar, sie gelegentlich einzuweben. Meine Frau und mein Kind, das täglich hübscher wird, sind wohl, und wir leben ein einsames, aber unendlich glükliches Leben. Wir umarmen Sie und Lottchen aufs herzlichste. Leben Sie recht wohl, und sagen Sie mir bald ein Wort. Ewig Ihr Humboldt Meine adresse ist in Auleben p. Nordhausen.

239.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 20. (?) Oktober 1792

Neues zum Verlag von Staatswirksamkeit: Verzicht auf Mindestforderung; durch Schillers Vermittlung Möglichkeit einer Übernahme durch Göschen; Bitte um weitere Anfragen in Berlin.

Sie sehen aus der Inlage, die Sie sogleich abgeben lassen, was sich ereignet hat. Dort rede ich mehr auf der Scene. Hier die Coulissen. 34  an letzterem Ort, D1  42  mir zu D1  44  originelleren […] diesem Gegenstand D1 46 bequemere D1

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Von Schillern bekomme ich 1 Louis d’or in der Thalia, von Biester nichts. Indeß ist die GeschichtsErzählung im Briefe doch übrigens wahr. Schiller will auch für den Verlag sorgen, will wirklich Aenderungen, vielleicht eine Vorrede machen, und Aufsicht auf die Correctur haben. Nur rathet er mir den Bogen für 1 Carolin hinzugeben und redet von 2 Bänden des Buchs. Der Carolin, ob ich gleich an der Thalia wieder gewinne, ist himmelschreiend. Daß so etwas nicht 2 Fr. d’or werth sein soll. Allein die andren Vortheile wenn ich für 1 Car. bei Göschen drukken lasse, die mir Schillers Durchsicht verschaft sind auch groß, die Thalia bringt auch etwas ein, und ich schaffe mir an Göschen einen guten Verleger für die Folge. Also, wie Sie und Gentz mich auch auslachen werden, gebe ichs dafür hin. Nur noch Eins versuch ich. Bieten Sie nemlich das opus Vieweg, od: la Garde, aber doch nicht mehreren an, und schreiben Sie mir, wieviel sie geben wollen. Sagen Sie nur ich hätte schon halb u. halb einen andern Verleger, so geben sie mehr. Bieten sie wirklich mehr, so habe ich ein compelle bei Göschen, und will er nicht, lasse ich doch in Berlin drukken. Dieß muß nun aber schnell geschehen. Was Sie thun ist also Folgendes: Sie geben Biestern den Brief ab, schaffen [S]ich Antwort auf das darin Angefragte, bieten das Buch einem der genannten, am besten Vieweg an, u. schikken mir, sobald Biester u. Sie zu dem Zwek das grüne Buch nicht mehr brauchen, solches sogleich mit der Post hieher. Adieu theurer Freund! Vergessen Sie nicht Ihren golddürstigen Freund! Der Car. bleibt natürl. vor Biester ein undurchdringliches Geheimniß. Es versteht sich daß Sie von einer Schillerschen Vorrede bei Vieweg gar nichts reden. Denn das ist höchst ungewiß, u. noch mehr, wenn nicht Göschen Verleger ist.

240.  An Wolf in Halle

Auleben, 22. Oktober 1792

Übermittlung einer von Wolf erbetenen Ausarbeitung zu Platons Phädrus. Gemeinsame Aischylos-Lektüre mit Spalding. Karolines Griechischstudien.

Auleben, 22. 8�r. 1792. Sie erinnern Sich wohl noch, verehrungswürdigster Freund, daß Sie mir in Halle auftrugen, Ihnen, zum Behuf Ihrer neuen Ausgabe einiger Platonischen Dialogen,

14  oder La Garde, […] nicht mehrern D  16  einen andren D  18 geschehn. D

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Brief 240–241

die Stellen im Phädrus aufzuzeichnen, bei welchen ich Schwierigkeiten fände. Ich glaubte hernach nicht, daß Ihnen gerade an der Ausführung viel gelegen sei, und da eine wiederholte Lesung des Phädrus nicht eben auf meinem Wege war; so gab ich es schon ganz auf. Neuerlich aber hat mich Spalding, der mich hier besuchte, in Ihrem Namen daran erinnert, und Sie erhalten also nun hier, was ich zu liefern versprach. In der That aber, theuerster Freund, bringe ich Ihnen damit ein saures und großes Opfer, und für den kleinen Nuzen, den Sie daraus werden ziehen können, gewiß ein zu großes. Nicht der Mühe der Arbeit wegen, welche unbeträchtlich war; aber da ich doch, wenn ich Ihrer Absicht genügen wollte, nicht die Stellen nakt anzeigen durfte, sondern meine Zweifel einzeln auseinandersezen mußte, so öfnet sich hier ein so großes Feld, meine Unwissenheit an den Tag zu legen, daß es mich noch jezt eine große Ueberwindung kostet, die fertige Arbeit abzuschikken. Indeß nehme ich meine Zuflucht zu Ihrer Nachsicht, und zu der Hofnung, daß Sie nicht vergessen werden, daß ich nie eines methodischen Unterrichts im Griechischen genoß, und meine meiste und beste Zeit andren Studien widmen mußte. In Absicht der Arbeit selbst habe ich nicht bloß diejenigen Stellen angemerkt, die ich gar nicht verstand, sondern auch die, bei welchen ich bloß zweifelte. Nur bin ich die übergangen, die schon in den, der Zweibrükkischen Ausgabe beigefügten variis lectionibus berührt sind, da Sie dieser gewiß von selbst erwähnen, und ich mir den Zwek der ganzen Ar­ beit nur so dachte, daß Ihre Aufmerksamkeit bloß auf Stellen geleitet würde, die Ihnen sonst nicht schwierig geschienen haben würden. Bei Anführung der Stellen bin ich der Seitenzahl der Zweibrükker Ausgabe gefolgt, habe aber, des bequemeren Nachschlagens wegen, die Linienzahl nach den am Rande beigeschriebenen Buch­ staben bemerkt. Mit Spalding, der Sie gleich innig mit mir verehrt und liebt, habe ich unendlich viel von Ihnen gesprochen. Wir haben mit einander Aeschylus Perser gelesen, und wie oft haben wir Sie auch da zu uns gewünscht, um uns bald diese Stelle zu erläu­ tern, bald bei einer andren über unsre eigne Erklärung zu entscheiden. Herzlich freue ich mich im Voraus darauf, meine Platonischen Zweifel in Ihrer Ausgabe gelöst zu finden. Alsdann haben Sie auch wohl die Güte mir beiliegende Blätter zurükzuschikken. Ich hebe dergleichen gern auf, um nach einiger Zeit meine Fortschritte selbst zu beurtheilen. Meine Frau, mit der ich jezt die ganze Odyssee durchgelesen und nun die Iliade angefangen habe, empfiehlt sich Ihrer fortdauernden Freundschaft.

7 Neulich D1  19  andern Studien h D1  24  geleitet werde, D1  26 bequemern h D1  32  bei einer andern D1

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Leben Sie recht wohl, und lassen Sie mich nicht ganz aus Ihrem Andenken ver­ schwinden. Ewig mit der herzlichsten Freund[schaft Ihr Humboldt.]

241.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 23. Oktober 1792

Scherzhaftes über die ,grassierende Heiratkrankheit‘ und Gentz’ erotische Verstrickungen. Griechischstudien; Plan einer Thukydides-Übersetzung. Trotz des tiefen Genusses der selbst gewählten Muße, ohne an eigenes Wirken zu denken, Möglichkeit einer Umkehr bei sich bietender lohnender Anstellung bzw. Veränderung der Lage. Bitte um Vermittlung bei Bücherbesorgungen. Gipsmedaillons von Humboldt und Tochter.

Antwort auf nr. 8.

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Auleben, 23. 8�r. 1792.

Mit Ihrem Briefe, lieber Brinkmann, erhielt ich zugleich einen Spaldingischen, der folgendermaaßen begann: „Ich bin Bräutigam.“ Meiner gewöhnlichen Nachläs­ sigkeit nach [h]atte ich weder auf die Adresse noch Hand gesehn, und da Sie der einzige Mensch sind, der mir eigentlich schreibt, glaubte ich gewiß, es sei die Rede von Ihnen. Zugleich schwur ich denn einen Hohen Eid, Ihnen nun nicht bloß nie wieder eine Zeile zu schreiben, sondern auch diesen Brief unbeantwortet zu lassen. Indeß so war es denn nur Spalding. Indeß wiederhole ich Ihnen hier meine Dro­ hung. Ergreift auch Sie einmal der thörigte Schwindelgeist des Heirathens, der jezt, wie eine wahre Krankheit grassirt, so ist unsre Freundschaft am Ende. An Gentz sehe ich jezt recht ein wie weise Pabst Hildebrand den Coelibat einführte, und finde ihn in nichts tadelnswerth, als daß er nicht die Castration hinzufügte. Ueberhaupt trage ich mich seit einigen Wochen mit einem proiect, das Sie ausführen sollen, und das Sie gewiß leichter, als die Correctur des grünen Buchs übernehmen werden, da es in nichts größerem besteht als Gentzen, wie weiland Abälard, seiner Tugend und Stärke zu berauben. Vorläufig können Sie es ihm immer ankündigen. Denn nichts Geringeres wird wohl nöthig sein, um ihm einen Brief zu extorquiren. Bei Spalding halte ich eine gleiche Vorsicht nicht für nöthig. Denn nach dem alten Scholastischen Ausspruch: non entis nullae sunt affectiones.

6  hohen Eid D2  15  nichts größerm D2 

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Brief 241

Ich bin seit einigen Tagen wieder allein, und freue mich herzlich meiner Ruhe. Ich arbeite, soviel mir meine Beschäftigungen mit dem Kinde, Spazierengehn, ei­ nige nothwendige Briefe u. s. w. Zeit vergönnt. Sie wissen schon, daß ich jezt ganz aufs Griechische isolirt bin, und ich denke nun so, wenn ich dieß einige Jahre fort­ seze, endlich zu einer etwas gründlicheren Kenntniß zu gelangen, nach der ich so lang schmachte. Sie werden aus Biesters Brief gesehn haben, daß ich die Idee, den Thucydides zu übersezen, noch nicht aufgegeben habe, und in der That ist dieß auch mein Ernst, wenn gleich nicht für jezt, sondern erst in einigen Jahren. Indeß, weiß ich, daß eine Uebersezung im Anzuge ist, und so, möchte ich [meine] wenigstens mit einer Probe ankündigen. Ich brauche ja, meinen bekannten Grundsäzen nach, nicht Wort zu halten. Auch die Probe kann sich leicht bis zum Frühjahr verzögern. Denn meine eigentlichen Studien sind jezt die Dichter, und da widme ich dieser Arbeit nur abgerissene Stunden. So lebe ich unendlich nach meinem Sinn, theurer Brinkmann. Versenkt in mich selbst, die die ich liebe, und meine Studien, habe ich mein Glük u. meine Ruhe so ziemlich von äußren Schiksalen unabhängig gemacht. Sie können mir nichts zerstören, denn ich habe keine Plane für die Zukunft, selbst nicht in meinen Arbeiten. Nothwendig müssen im Arbeiten Ideen zu eignen Werken u. Werklein entstehen, aber sie sind mir nie viel an sich, ob sie zu Stande kommen, ob sie gelingen? ist mir beinah gleich. In welchem Moment mein Leben oder mein Glük (wenn das Leztere möglich wäre) aufhörte? ich wäre bis zu dem Moment mit der Vergangenheit zufrieden, und ihre Erinnerung würde mich auch in der Folge, wo und wie ich existirte, beglükken. Ich habe mir nun einmal jezt vorgenommen, allein mir zu leben, wie impertinent die Leute das auch finden mögen. Allein ich bin überzeugt alles Unglük u. Ungemach der Welt kommt davon her, daß die Leute (und doch warlich nicht um andrer, sondern um ihrer selbst willen) sich weniger um sich als andre bekümmern. Mögten sie nur einmal anfangen, alle bloß sich leben zu wollen! Solange ich dieser Weisheit getreu bleibe, wird mir auch das Glük treu bleiben. Wenn ich sie verlasse, dann stehe ich nicht mehr für was es auch sei. Sollte es je geschehen, Brinkmann, so erinnern Sie mich an diese Weissagung. Und doch könnten Sie einmal mich zu erinnern haben. Sollten mir – und wer will die Unmög­ lichkeit beweisen? – Gelegenheiten dargeboten werden, vielleicht gar sogenannte u. von gewissen Seiten vortheilhafte, ich könnte mich verleiten lassen. Wundern Sie Sich darüber nicht. Die äußeren Vorzüge, selbst das Geld, das ich doch im Geist und in der Wahrheit anbete, würden mich nicht blenden, allein eine neue Lage, neue mannigfaltige Gelegenheiten zu schauen und zu thun, sich selbst durch Handlen und Leiden neue Seiten zu geben, das könnte mich unwiderstehlich hinziehn. Auch ist es eigentlich meinem System gemäß, und mehr als das, sogar wesentlich, keine 36  in meinem Arbeiten. D2  52  Die äußern D2

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Lage, wenn sie nur irgend annehmbar sei, auszuschlagen, die sich darbietet. Nur das Herumwerfen in den heterogensten Lagen, und das Formen nach jeder, bildet den wahren Menschen. Doch dieß ϑεῶν ἐν γούνασι κεῖται! Spaldingen habe ich wegen einer Ausgabe des Homer in meinem Briefe an ihn um Rath gefragt, und noch möchte ich von ihm den Titel des Hebräischen Lexicons wissen, das er mir hier zu kaufen gerathen hat. Auf Beides muß ich (ich bitte Sie ernst­ lich herzlich u. dringend darum) mit umgehender Post Antwort haben. Spalding soll Ihnen diese nur auf einen bloßen Zettel geschrieben, schikken und Sie überma­ chen sie mir sogleich. Erinnern Sie aber Spaldingen alle Tage daran (ich will Ihrem Bedienten eine eigne Belohnung geben) es liegt mir alles daran. Auch können Sie Spalding sagen: er könne in Graecis bloße Zettel an mich Ihnen schikken. Ich ant­ wortete dann ebenso. So erspart man sich die Prologen u. Epilogen der Briefe. Mich und Kind kriegen Sie unter der Adresse: An Herrn Cotta in Rudolstadt. 16 g. das Stük. Doch schreiben Sie H. Cotta 1., daß er die Abdrükke gut polire. 2., daß er sie gut einpakke. Sagen Sie ihm nur, meine wären zerbrochen, er solle sie lieber nicht in Stroh, sondern eher in Heusamen einpakken. Schmeicheln Sie ihm nur mit der Hofnung, mehr loszuwerden, wenn sie gut wären, u. gut ankämen. Sie brauchen ja nicht Wort zu halten. Mit dem Verschenken wirds von selbst keine Noth haben. Indeß können Sie mich sogar Jenisch u. Fischern geben, aber das Kind – bei meiner Ungnade – an niemand, als etwa Gentz. Auch verschreiben Sie es für nie­ mand, sagen Sie nur, die Form sei zerschlagen, Cotta lebe nicht mehr, es sei kein Gyps mehr in der Welt u. s. f. Wenn Sie Medaillons kommen lassen; so lassen Sie zugleich auf meine Rechnung 1., ein Exemplar ich und Kind für den verfaulenden Oncle u. 2., gleichfalls ein Exemplar ich und Kind für Kunth, u. 3., ein Exemplar ich für Fränkels mitkommen. Das leztere geben Sie ihm; sie wird wohl verstehen, daß es ihr ist. Indeß geschieht es auch nicht eigentlich ihres holden Geruchs wegen, son­ dern um par contrecoup alle übrige Juden, vorzügl. aber Herzens zu ärgern. Nun, lieber Brinkmann, leben Sie wohl, u. lassen Sie mich bald Nachricht, u. ver­ steht sich gute, vom grünen Buch hören! Adieu! Ihr Humboldt Die Doubletten der Bibliothek werden ja diesen Winter verauctionnirt. Verges­ sen Sie nicht mir bei Zeiten einen Catalog zu schikken.

73  Stük bekommen. H  84  wird wohl verstehn, D2  86  nur par contrecoup D2

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242.  An Schiller in Jena

Auleben, 26. Oktober 1792

Freude über den Erhalt des ersten Korrekturbogens zum ,Thalia-Beitrag‘ aus Staatswirksamkeit; zur Frage eines Abdrucks weiterer Abschnitte; Beiträge in der Berlinischen Monatsschrift. Verlags- und Honorarfragen für die Buchveröffent­ lichung.

Auleben, 26. 8�r. So eben erhalte ich, theuerster Freund, Ihren freundschaftlichen, liebevollen Brief, und eile ihn noch heute zu beantworten, ob mir gleich nur wenig Zeit bis zu Abgang des Boten übrigbleibt. Der mitgetheilte Bogen der Thalia ist mir in jeder Rüksicht ein angenehmes Ge­ schenk gewesen, wofür ich Ihnen von ganzem Herzen danke. Ich habe noch nicht einmal Zeit gehabt, das Ganze genau durchzulesen, und noch weniger kann ich es mit meinem Original vergleichen, da ich gar keine Abschrift bei der Hand habe. In­ deß wird mir jede Aenderung, die Sie machen werden, willkommen sein, und ge­ rade diese Aenderungen veranlassen mich außer den Absichten des Eigennuzes und völlig unabhängig von denselben, zu der Bitte, daß Sie doch noch einem oder dem andren Stükke einen Plaz in der Thalia widmen möchten. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Abschnitt über Luxusgeseze. Allenfalls könnten Sie ja auch davon bloß das allgemeine Raisonnement über die sinnlichen Empfindungen und Neigungen wäh­ len, das der Thalia noch näher liegt. Vielleicht reizte Sie da manche Idee zu einer be­ richtigenden Anmerkung, ein Weg, bei dem der Leser noch mehr gewinnen würde? Sollten Sie indeß auch in diesem Wunsche mit mir übereinstimmen, so ereignet sich hier noch ein anderer Umstand. Ich ersuchte nemlich Biester einige Abschnitte mei­ ner Abhandlung in der Monatsschrift abdrukken zu lassen. Den über den Krieg hat er wirklich schon abdrukken lassen, und er schrieb mir, daß er noch einige nehmen würde. Wir müssen also nun verhüten, daß nicht dasselbe zweimal erscheine. In die­ ser Absicht habe ich gleich heute Biestern in einem Briefe ersucht, jezt nichts mehr abzudrukken, und mir zu schreiben, was er einmal bestellt habe? Sobald ich dieß erfahre, schreibe ichs Ihnen. Bis dahin könnten Sie es vielleicht auch in Jena selbst, wo ja jezt die Monatsschrift gedrukt wird, erfahren. Indeß werden Sie ja auf alle Fälle nicht sogleich etwas Andres abdrukken, und in dem jezigen Stük, hoffe ich, entsteht noch keine Kollision. Anonym lassen Sie mich doch in der Thalia erscheinen? Ich möchte es, mancher Verhältnisse wegen, auch bei dem Buche selbst.

4  übrig bleibt. D2  12  andern Stükke D1-2  23  Sobald ich dies D1  24 erfahren, D2

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Was nun den Verlag von diesem betrift; so muß ich freilich mit einem Karolin zufrieden sein, wenn Sie über einen halben triumphirt haben. In Erfurth verstie­ gen sich auch meine Gedanken nie höher. Nur hernach bemächtigte sich unsrer ein Schwindelgeist von 2 Louisd’or, und wenn Sie mich nicht verrathen wollen (denn ich soll es eigentlich nicht schreiben) so ist Li mit diesem Punkte allein nicht zufrie­ den. Indeß scheinen es nach Ihrer Berechnung von 2 Bänden auch viel mehr Bogen zu werden. Ich hatte nur etwa 10 erwartet. Glauben Sie also, daß ein Buchhändler nicht mehr als ein Carolin ehrlicherweise geben kann, so mag es Göschen dafür ha­ ben. Nur Eine Antwort aus Berlin muß ich noch abwarten. Ich habe nemlich bei Vieweg anfragen lassen. Sobald ich da Antwort bekomme schreibe ich Ihnen meine entscheidende Entschließung. Daß Sie die Idee einer Vorrede nur nicht ganz von [S]ich werfen, ist mir schon ein tröstlicher Gedanke, so wie überhaupt Ihr Interesse an den Ideen des Aufsazes mich über jede Beschreibung freut. Wie unendlich gern wünschten auch wir an Ei­ nem Ort mit Ihnen zu leben. Vielleicht kommt einmal die schöne Zeit. Für uns gieng es diesen Winter doch nicht füglich an. Aendern will ich an dem Buch, soviel ich vermag. Allein freilich erfordert es, wenn ich erträglich schreiben soll, immer die Wärme des ersten Hinwerfens, und darum verderbe ich oft, wenn ich bessern will. Die heilige Familie ist sehr wohl, und die kleine Li macht uns unendliche Freude. Möchten Sie uns einmal mit Lottchen in unsrer Einsamkeit sehn. Wir umarmen Sie beide herzlich! Ihr Humboldt. Sie schikken mir ja wohl die übrigen Bogen meines Aufsazes, sobald sie abge­ drukt sind.

243.  An Forster in Mainz

Auleben, 1. November 1792

Lob der französischen Revolution; Bedenken über die Lage in Mainz (nach der Eroberung durch Custine). Besorgnis auch in Erfurt; Flucht des Adels.

35  auch vielmehr H D1  39  die Antwort D1-2  41  nun nicht D2  43  an einem Orte D2  46  so viel ich D1

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Brief 243–244

Auleben, 1. Nov. 1792. Ich eile, lieber Forster, Ihren freundschaftlichen Brief zu beantworten, wenn mir gleich nur sehr wenig Zeit bis zum Abgange des Botens übrigbleibt, der diesen Brief mitnimmt. Ja wohl hat sich das Glük sehr gewendet, und ich freue mich, daß einmal wieder Menschen zeigen, daß angestrengter Wille und rüstige Kraft auch einer seit langer Zeit befestigten, und mit tausend Bollwerken umgebenen Macht die Spize zu bie­ ten vermögen. Die Sache der Freiheit, oder vielmehr der eignen Energie muß die Sache jedes kultivirten Menschen sein, und ich fühle mich aus diesen Gründen für jeden neuen Fortschritt der kaum erschaffenen Republik aufs wärmste interessirt. Indeß kann ich nicht umhin Deutschland zu beklagen, das, wenn auch hie und da nicht ohne seine Schuld darunter blutet, und vor allen Ihre Stadt, wäre es auch nur um den Koadjutor. Welche Aussichten. Denn nach allem, was ich höre muß das Land auf mehrere Regierungen hin erschöpft sein. Ich hatte lang keinen Brief von ihm, und habe ihm erst vor kurzem geschrieben. Ich würde ihm noch einmal schreiben, wenn ich hoffen dürfte, etwas Wichtigeres von ihm zu erfahren. Aber so muß er in gleicher Ungewißheit mit Ihnen selbst sein. Sobald ich indeß etwas erfahre, theile ichs Ihnen sogleich mit. Auch in Erfurth, höre ich, ist man schon besorgt, wegen eines französischen Be­ suchs. Einige Personen sind sogar schon geflohen, d. h. Adel. Denn nur dieser wird sich wohl vor diesen sonderbar großmüthigen Siegern zurükziehn. Aber dieser nicht mit Unrecht, und ich selbst zöge zuerst. Denn der Unschuldige muß mit dem Schuldigen leiden. Sie verbänden mich sehr, theurer Freund, wenn Sie mir, solange die Dinge bei Ih­ nen so kritisch stehen, so oft als möglich, wenn auch nur in wenig Zeilen Nachricht geben. Ich lebe äußerst abgeschnitten auch von politischen Neuigkeiten, und die Ihrigen interessiren mich in jeder Rüksicht so lebhaft. Leben Sie wohl, grüßen Sie Ihre Familie, und sorgen Sie nicht für die Zukunft. Diese Lage kann nicht bleiben, und in jeder andern werden Sie nicht schwer einen Plaz finden. Auch hier bin ich wieder so beneidenswürdig glüklich, daß mich keiner der Stürme leicht treffen kann, die sich jezt so oft und schreklich erheben. Wie innig wünschte ich, daß auch Sie dieß Glük theilten. Ich schreibe Ihnen nicht mehr heute, theils aus Mangel an Zeit, theils, weil ich nicht sicher bin, daß Sie allein den Brief lesen. Bei diesen Umständen kann

29  in jeder andren D  34  daß Sie allein D

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die Vorsicht manches nothwendig machen, und es ist doch widrig auch die unbedeutend­sten häuslichen Angelegenheiten von Fremden gelesen zu sehn. Ewig Ihr H.

244.  An Schiller in Jena

Auleben, 9. November 1792

Bedingungen für den Verlag von Staatswirksamkeit durch Göschen. Teilabdruck mit Namensnennung in der Berlinischen Monatsschrift; mögliche bedenkliche Folgen für Humboldt.

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So eben, theuerster Freund, erhalte ich Antwort von Vieweg. Er hat meine Ab­ handlung zum Verlag nicht angenommen, weil er, wie er mir sagt, schon viel zur Ostermesse zu thun hat. Ich überlasse sie also jezt recht gern Göschen, wenn Sie die Güte haben wollen, sie ihm anzutragen, und er die, mir neulich von Ihnen geschrie­ benen Bedingungen eingehen will, neml. 1 Car[olin] für den Bogen der Schrift, und 1 L[ouis]d’or für den Bogen des, was Sie in der Thalia abdrukken lassen. Nur ver­ steht sich dann doch wohl, daß er alsdann auch die Kosten der Korrektur trägt, und könnte ich außerdem noch 15 bis 20 Freiexemplare erhalten; so wäre es mir auch lieb, da ich mit mehreren Menschen, die mir ihre Bücher schenken, so stehe, daß ich nicht umhin kann, Gleiches mit Gleichem zu erwiedern. Format, Papier und Druk überlasse ich zwar Göschen, weil es seine Sache ist, das Buch so erscheinen zu lassen, daß auch das Aeußere reizt. Indeß hat mir der Bogen in der Thalia sehr gefallen, und wenn es von mir abhienge, und Sie das Format nicht zu klein halten, so wäre mir gerade derselbe Druk der liebste. Einen genauen Korrektor wollten Sie die Güte haben, mir nachzuweisen. Ich will ihm alsdann außer dem Original, was Sie haben, noch eine Abschrift von einer deut­ licheren Hand, die schon fertig ist, schikken. Aus beiden wird er sich am besten hel­ fen können. Gienge es aber an, so hätte ich gern selbst die lezte Korrektur. In dem mir neulich überschikten Bogen der Thalia waren einige sehr arge Drukfehler. Wollen Sie nun die Güte haben, theuerster Freund, Göschen zu schreiben, und mir seinen Entschluß zu sagen, so ist alles in Richtigkeit. Ich lasse mir indeß die Ab­ schrift, die noch in Berlin ist, kommen, und bessere, soviel ich vermag. Vielleicht 2  theurester Freund, D2  8  sich denn doch D1-3 alsdenn D2-3  12  Herrn Göschen, D1  17  sodann außer D1 alsdenn außer D2-3  deutlichen Hand, D1  22 Alles D2 

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Brief 244–245

sagen Sie mir selbst auch noch eins und das andre über einige Stellen. Auch erfahre ich wohl durch Sie, wann der Druk anfangen muß? Biester hat den Abschnitt über den Krieg mit meinem Namen u. einer förmlichen Ankündigung in einer Note im Oktober seiner Monatsschrift drukken lassen. Beides zwar nach meinem Auftrag, aber zu einer Zeit, als ich noch glaubte, das Buch werde in Berlin gedrukt werden, wo ich es nüzlich hielt, mich zu nennen. Izt wünschte ich weit mehr, anonym bleiben zu können. Sollte in der Monatsschrift, zufolge meines lezten Briefs an Biestern, nichts mehr erscheinen; so wäre ich gesonnen, den Titel des Buchs zu ändern u. das Stük des Krieges, das so mehr Episode ist, herauszulas­ sen. Auf jeden Fall brauche ich mich ja darüber noch jezt nicht zu entscheiden. Ich habe heute noch mehr zu schreiben, theurer Schiller, und breche also hier ab. Verzeihen Sie meine Bitten, und behalten Sie mich in liebevollem Andenken. Meine Frau schreibt selbst an Lottchen, der ich mich herzlich empfehle. Mit der innigsten Achtung und Liebe ewig Ihr Humboldt.

245.  An Brinkman in Berlin

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Auleben, 9. November 1792

Infolge der Vermittlung Schillers Änderung der Einstellung zur Publikation von Staatswirksamkeit: Verzicht auf Mindesthonorarforderung; Göschen sei durch Schillers Freundschaft mit ihm als Verleger zu bevorzugen. Bedenken zu Gentz’ Bearbeitung der Schrift Burkes über die französische Revolution; Bedauern über dessen ,Entfernung‘ von Humboldt. Zu einem geplanten Besuch Brinkmans in Auleben.

Antwort auf nr. 9. u. 10.

Auleben, 9. Nov. 1792.

Sehr vielen Dank für Ihre Briefe, liebster Brinkmann, Ihre Copien u. Original­ acten. Ich könnte jezt, wie mein Schwiegervater pflegt: Acta priuata in p[un]cto des grünen Buchs anfertigen, eine solche Sammlung Papiere haben sich gehäuft. Zuerst also vom grünen Buch. In Absicht meiner Geldforderung, lieber Freund, ist es nothwendig Ernst von Scherz zu sondern. Scherz waren die unwiderruflichen 2 Frd’or. Ich hätte ja sonst 28 Auftrage, D1  das Buch würde D1  29  Jezt wünschte ich D2-3  31  an Biester, D1-2  33  darüber nicht D1

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sogleich 4 oder 8 sagen können. Ernst soviel zu bekommen, als ein Buchhändler nun einmal etwa für so ein grünes Buch giebt. Schiller hat mir jezt gesagt, daß 1 Ca­ rol. ganz honnet für ein Buch ohne Namen des Verfassers sei, die Mylius hat 5 r. ge­ boten, Vieweg 2 Frd’or ausgeschlagen. Aus dem allem sehe ich daß 2 Frd’or zu viel sind, wenn gleich vielleicht mehr als ein Carol. zu erhalten sein möchte. Um aber dieß zu erhalten, müßte ich mich entweder an Göschen in Person wenden, u. das mag ich wegen Schiller nicht. (Denn Sie müssen wissen, daß Schiller als Göschens Freund, zu verhüten sucht, daß er sich nicht schadet, da Göschen selbst gewiß mehr gäbe. Dieß sehn Sie daraus, daß Schiller wenn ich nicht mit einem Carol. zufrieden sein will, Göschen gar keinen Antrag machen will. Und diese Freundschaft Schillers für Göschen ehre ich mehr als ein Paar lumpige Thaler) oder ich müßte mit Vieweg handeln, wozu ich noch weniger Beruf fühle. Zwar weiß ich daß meine renommée dabei nicht verlöre. Denn ob ich gleich warlich nicht jüdisch gehandelt habe, da ich bloß 5 lausige Thaler ausgeschlagen, und Vieweg einen simpeln Antrag gemacht habe, so haben mich doch meine eignen scherzhaften, u. ernsthaften Reden schon ehe ich den Sommer Berlin verließ um alle reputation in diesem Stük gebracht. Daran nun ist auch nichts verloren. Verloren wäre, wenn ich so wäre, als die Leute denken. Und damit das nicht sei, gebe ich Göschen ganz ruhig für 1 Car. das Buch hin, u. habe eben Schiller deshalb geschrieben. Ihnen, theurer Brinkmann, meinen innigsten Dank für alle gütige Bemühungen. Ich bin aufrichtig im höchsten Grade damit zufrieden, und tadle bloß die edlen Absichten, die Sie vorgeschoben. Biester ist zu plauderhaft, u. Vieweg zu klug, um die Wahrheit nicht zu merken, u. Sie blieben mir, wenn Sie einmal meine Rolle spielten, getreuer, wenn Sie nakt die Forderung ohne Grund sagten. Indeß hat dieß nichts auf sich. Jezt, mein Theuerster, bitte ich Sie bloß mir das grüne Buch, sobald Sie es von Biestern, den Sie aber nicht drängen müssen, erhalten, zu schikken, u. wenn vielleicht noch etwas in der Monatsschrift erscheinen sollte. Wenn Biester schon piquirt war, so wird ers erst seit meinem lezten Brief recht arg sein. Darum beiliegendes Versüßungsmittel. Biesters Antworten erbrechen Sie allemal ganz sicher, u. seine merkwürdigen Apophthegmen sagen Sie mir auch. Man lernt doch das Menschengeschlecht immer näher kennen. Den armen Gentz bedaure ich. Ich mag die Sache schief ansehn, u. nicht kennen. Aber mir kommt es so vor. Burke mag ein meisterhaftes Buch sein, aber es bleibt ge­ wiß immer ein schwärmerisch einseitiges, u. noch dazu einseitig für eine Parthei, zu der einen kein schönes, kein wohlwollendes, kein großes, sondern allein, wenn ichs recht gut nehme, ein durch gegenseitige Extreme hervorgebrachtes erbittertes Ge­ fühl führt. Ich las ihn nie. Aber wenn ich auch bloß die Stellen nehme, die Gentz mir 11  dem allen D3

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Brief 245–246

vorlas, das Lob der alten Kirchenverfassung, der Jurisprudenz in England noch dazu, der Königin von Frankreich so reicht das hin. Ich kann gewiß so ein Buch bewun­ dern, aber meinem moralischen Gefühl zuwider wäre es, es zu übersezen, ja nur als Buchdrukkerknecht abzudrukken. Denn die Wahrheiten der frzschen Revolution bleiben ewig Wahrheiten, wenn auch 1200Narren sie entweihen. Gentzen hat an­ fangs sein Enthusiasmus für das Englische, dann für Burke hingerissen. Dazu ist die Abscheulichkeit einer Menge Szenen in Frankreich u. die Absurdität der Gesezgeber gekommen. Endlich wenn ich mich nicht irre noch etwas. Gentz ist von einem frei­ eren Leben zu einem gewöhnlicheren zurükgekehrt. Er hat die Koch fortgeschikt u. die Gilly genommen. Er hat sich dadurch den Leuten (ohne etwas wie Sie leicht denken können, gegen sein jeziges Mädchen zu sagen) mehr genähert, welche Bur­ ken mehr lieben, als die Wahrheit, die ihn gewiß keiner Widerlegung würdigt. In Gentz geschieht alles mit Heftigkeit. Alles trügt mich, oder seinem zerstörten, von der Vergangenheit verwundeten, von tausend wahren u. falschen Schrekbildern ver­ folgten Herzen hat die Uebereinstimmung mit der Menge, das Gefühl, nicht mehr anzustoßen wohlgethan, u. ohne daß er sich selbst dessen bewußt war, hat ihn das mit zum Burke getrieben. Nun das Feuer, das die Arbeit, das mancher Widerspruch giebt u. s. f. Indeß muß Gentz Arbeit immer in hohem Grade interessant sein, u. ich werde mich halten müssen, nicht gegen ihn zu schreiben. Aber ich werde es nicht thun. Denn wenn ich auch noch so weit unter ihm stände, weiter noch als Payne unter Burke, so kenne ich seine Weichheit. Er würde es immer für besser halten, u. es würde ihn kränken. Ich bin erwärmt worden, lieber theurer Brinkmann. Lassen Sie mich hinzusezen, was mich lang drükt. Gentz thut mir unglaublich leid. Das Herz blutet mir, wenn ich sehe daß er sich von mir entfernt, daß er mich flieht, mir nicht schreibt. Ich fühle, wie es ihm sein muß, um das zu thun, u. fühle das so tief, daß ich kaum empfinde, wieviel ich auch für mich verliere, u. doch ist dieß bei Gott entsezlich viel. Wenn Sie wollen mag er diese Stelle über ihn lesen. Ich habe kein Hehl vor ihm. Was den Jemand betrift, der sagt und heilig versichert, so lassen Sie es dahin ge­ stellt sein. Machen Sie es mit Carisien ab, u. Sie sollen uns willkommen sein. Ich hoffe Sie fühlen, was Sie mir sind, hoffe, unsre Tage u. Nächte sind Ihnen gegen­ wärtig, u. sollten Sie auch einen Augenblik nicht bedenken, wieviel über mich ge­ schwazt wird, so werden Sie solchem Geschwäz nicht glauben. Adieu, schreiben Sie ja noch mit jeder Post.   Ewig Ihr H.

47  Es widerstreitet meinem moralischen Gefühl, D2  49  1200 Narrheiten D1  52  freiern Leben D3 53  zu einem gewöhnlichern D3

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246.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 30. November 1792

Unterbrechung der Korrespondenz durch Pindar-Übersetzung; abermalige nachdrückliche Bitte um Nachrichten über Gentz. Biesters freundliche Reaktion auf Humboldts Absagebrief und die Folgen; Spaldings Vermittlung. Plan zu „Hellas“; hohe Zufriedenheit mit den Studien in der Zurückgezogenheit, die ihn gleichgültig über das Schicksal seiner Schriften mache. Positive Beurteilung der Zustände in Frankreich.

Antwort auf nr. 11.

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Sehr lange, lieber Brinkmann, habe ich Ihnen nicht geschrieben, aber verzeihen Sie mir. Ich hatte eine unglükliche Periode der Produktion (ich habe eine 500Verse lange Pindarsche Ode übersezt) und da wollte ich mich nicht stören. Indeß wenn ich mein Stillschweigen unfreundschaftlich nennen möchte, so ist das Ihrige warlich grausam. Sie beschließen Ihren lezten Brief mit dem Anfang der interessantesten Er­ zählung, die Sie mir leicht jezt schreiben konnten, und seit diesem Anfang, seit dem 9. Nov. höre ich nun kein Sterbenswort. Ueberhaupt lassen Sie mich Ihnen mit der Minerva in Aeschylus Eumeniden sagen:

ἀμείβου – εὐμαϑές τι μοί, Μάϑοιμ’ ἄν εἰ λέγοι τις ἐμφανῆ λόγον.

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Auleben, 30. Nov. 1792.

Sie haben mir, was Sie mir neulich sagten, so kurz, rasch, unerwartet u. in Anfangs­ buchstaben verhüllt gesagt, daß ich halb habe rathen müssen. Also die Κοχ ist mit ihrem Vater in σχαρλοττενβουργ und der Vater ist zu Ihnen gekommen, u. Sie sind bei ihm und der Tochter gewesen? Aber wie kennt Sie der Mann? wie kam er zu Ihnen? wollte er den kleinen Tisch u. den alten König haben, den Kunth so bewun­ dert wegen des Landreuters und der Kartoffeln? Alles das läßt mich, wie im Traum. Wie nimmt sich Gentz? Unternimmt man etwas gegen ihn? Ich beschwöre Sie, lie­ ber Brinkmann, klären Sie mir alles das auf und so bald, u. so deutlich Sie können. Meine Neugierde ist entsezlich gespannt. Biesters Brief hat mich gewundert. Ich dachte ihn zürnend, allein tout le contraire. Nun thut mir mein lezter Brief unendlich leid, wenn ich nur mein Versprechen zurük hätte. Aber ich habe auch einen hohen Eid gethan nie wieder gewissenhaft zu sein. Weil ich mein Wort zurükgenommen hatte, dachte ich, ich müßte entschädigen, als wenn nicht das Zurüknehmen des Worts zu den gewöhnlichen Handlungsweisen gehörte. Jezt kann ich nichts als mich bittend und drohend an Spalding wenden, u. ihn beschwören von mir nichts zu verlangen. Praeludiren Sie nun auch, da Biester 11  ἂν D2  13  ΚΟΧ D2

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Brief 246–247

vom grünen Buch soviel abdrukken lasse, sei mein Versprechen, das ich nur in der entgegengesezten Voraussezung gethan so null. Dann arbeitete ich auch gar nichts, u. mit dem, was ich machte, hätte ich andre Plane, u. sondiren Sie Spalding, ob ich bald zu befürchten habe. Muß ich daran, so kriegt er die schon gedrukte Ode des Pindar u. 3 die Sie noch nicht kennen, die aber klein sind, und einen neulich über­ sezten Eumeniden Chor, der sehr schön, aber kurz ist. Die Wasserode kriegt er nicht u. noch minder die oben erwähnte lange, von der ich Ihnen auch streng verbiete, ihm das mindeste zu sagen. Denn beide sind für etwas andres bestimmt. Ich werde nemlich jezt höchst wahrscheinlich auf Michaelis anfangen, eine fort­ laufende heftweise erscheinende Schrift, jedoch kein Journal, Hellas, bloß für grie­ chische Litteratur bestimmt herauszugeben. Für die ersten Hefte bestimme ich jene Oden u. folgendes noch zu machende: 1., eine EinleitungsAbhandlung über das Studium der Griechen. 2., Stükke aus d. Thucydides. 3., Das bekannte Lehnssystem. 4., Ueber die Kampfspiele zum Behuf des Pindar. A propos haben Sie oder Genz nicht Wests od: Cowleys PindarUebersezung. Hätten Sie es, so thäten Sie mir einen großen Gefallen es mir zu schikken. Ich brauche West wegen seiner Abhandlung über eben den Gegenstand nothwendig. Bei dieser Idee von der Hellas sehn Sie, daß Biester nur Schofel bekommen kann. Mit diesen Arbeiten, lieber Freund, beschäftigt lebe ich jezt einzig, ich kanns Ih­ nen nicht genug wiederholen, ein äußerst glükliches u. ich darf hinzusezen beglük­ kendes Leben. Ich nähre mich den ganzen Tag mit den schönsten Ideen, sehe frohe u. heitre Gesichter um mich, wenn der Himmel offen ist, eine schöne Gegend, u. habe im Herzen eine durch alles dieß hervorgebrachte Zufriedenheit mit meinem Schiksal u. – warum sollt’ ichs nicht sagen? – auch mit mir, die mich allein hinrei­ chend füllen könnte. Wenn ich etwas arbeite beseelt es mich ganz, mag es gerathen wie es will. Darum bin ich auch über das Schiksal meiner Produkte ruhig u. kann mich in Gentz Unruhe nicht hineindenken. Wenn man schreibt, was man glaubt u. fühlt, mag dann die Welt sich umkehren. Auch hat Gentz doch Unrecht, schon jezt zu fürchten. Die Französischen Angelegenheiten stehn gut, weil die Nation voll En­ thusiasmus ist, und die Arméen wenigstens Einen guten General haben. Aber das Constitutionelle, davon sehe ich noch keine Wunder, u. Ruhe u. Friede halte ich im­ mer für die gefährlichsten Feinde dieses Volkes, das so edel es sich jezt auch zeigt u. auch ist, sich bemüht einen Schatten aus der Vorwelt hervorzurufen, der keinem Bannspruch gehorcht. Spalding, lieber Brinkmann, muß auf das Hebräische Lexicon antworten, u. schikken Sie nur den Königsmörder hin. Es dient ja zur Ehre Gottes u. des punctir­ ten Heil. Geistes. 41 Gentz D2  44  von dem Hellas D2

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Apropos! Spalding hat mir vertraut, es sei ihm lieb eine Wittwe zu heirathen. Wahrscheinlich denkt er, daß für Alexandriner eine Jungferschaft zu fest ist. Sehn Sie doch sein Alberthel u. schreiben Sie mir. Mich u. Kind lassen Sie für den Verfaulenden, u. mich bloß (da er Kind, wie ich nicht bedachte, schon hat) für Kunth kommen. Ich will das Zerbrochne tragen. Ich habe es einmal versprochen. Adieu. In 8 Tagen schreibe ich wieder! Ihr Humboldt.

247.  An Wolf in Halle

Auleben, 1. Dezember 1792

Dank für Aufklärung über eine schwierige Homer-Stelle; Bitte um weitere Sendungen dieser Art, sofern dies Wolfs Zeit erlaubt. Aischylos-Studien; Übersetzung eines Chors aus dessen Eumeniden. Ausführlich zum Plan einer Schriftenreihe „Hellas“ über griechische Literatur. Wolfs Anteil an Reizens Herodot-Ausgabe.

Auleben, 1. Dec. 1792.

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Entschuldigen Sie Sich künftig nicht, theuerster Freund, über verspätete Antwor­ ten. Es wäre die größeste Unbescheidenheit von einem Manne von Ihren nothwen­ digen und selbstgewählten Beschäftigungen zu erwarten, daß Sie auch die Briefe selbst derer, denen Sie, wie ich mir schmeicheln darf, einen Theil Ihrer Freundschaft schenken, mit dem nächsten Posttag beantworten sollten. Ich wiederhole es Ihnen noch einmal, und gerade darum recht dringend, weil ich eine recht feste, ununter­ brochne Verbindung – wenn Ihre Güte es mir erlaubte [–] mit Ihnen zu schließen wünschte, lassen Sie meine Briefe und ihre Beantwortung Ihnen nie beschwerlich werden, aber wenn Sie einen Moment Muße haben, so schenken Sie ihn mir, und glauben Sie sicherlich, daß Sie mir damit auf viele Wochen hin ein angenehmes Ge­ schenk machen. Die wenigen Stunden, die es mir nur vergönnt war, Sie, theurer Freund, in Halle zu sehn, haben Sie meinem Herzen so theuer gemacht, daß die Aussicht von Zeit zu Zeit Ihres mündlichen und schriftlichen Umgangs zu genießen zu den süßesten Hofnungen meines Lebens gehört. Für die Blätter, die Ihren Brief begleiteten, meinen innigsten Dank. Die Erklä­ rung der Homerischen Stelle hat mich nicht bloß darum gefreut, weil [s]ie mich den Sinn einer mir bisher ganz dunkeln Stelle in dem hellsten Lichte sehn ließ, sondern 69  das zerbrochne D2  ||  7 ununterbrochene h D2  8 erlaubte, H

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Brief 247

auch darum ganz vorzüglich, weil sie zu den seltenen gehört, in welchen ein hoher Grad des Scharfsinns so gerade das Natürlichste entdekt. Außerdem hat sie mir über die Verschiedenheit der griechischen und lateinischen Konstruktion eine Belehrung verschaft, die ich sonst überall vergebens gesucht hätte. Ich schikke Ihnen Ihre Blät­ ter (die ich mir integraliter, auch das prächtige Scholion nicht ausgeschlossen, ab­ geschrieben habe) hiebei zurük. Sollten Sie sie auch zu sonst nichts gebrauchen; so können Sie doch, ohne ein neues Aufschreiben, einem andern eben die Freude, als mir, damit machen. Ich werde es künftig ebenso machen, und dürfte ich ohne Un­ bescheidenheit eine neue Bitte wagen, so wäre es die, daß Sie mir manchmal, u. je öfter je lieber ein Blatt Ihrer Concepte über diese od: jene Stelle zuschikken wollten, damit es Ihnen gar keine Zeit kostete, ohne Brief und alles. Sie könnten sicher rechnen, es mit nächstem Posttag zurükzuerhalten, und vor andrem Gebrauch sind Sie ja ohnedieß bei mir sicher. Am meisten interessiren mich jezt Homer, Pindar, Herodot, Thucydides und Plato. Den Aeschylus, der wohlbehalten hier angekommen ist, sollen Sie zur bestimm­ ten Zeit gewiß zurükerhalten. Da ich nur die von Schütz noch nicht bearbeiteten Stükke darin lesen will, a[b]soluire ich ihn sehr bequem. Auch versteht sichs von selbst, daß Sie ihn auf den ersten Wink früher und zu jeder Zeit bekommen, und so künftig immer. Um Ihnen doch einige Beweise zu geben, daß Ihre Güte nicht unbenuzt bleibt, lege ich Ihnen einen übersezten Eumenidenchor bei. Die Interpre­ tation desselben ist voller Schwierigkeiten. Ich habe meist, aus Mangel des Besseren, Pauw folgen müssen. An ein Paar Stellen bin ich einem eignen Weg gefolgt. Aber Sie müßten zur Beurtheilung, wenn Sie auch Sich die Mühe geben wollten, den Pauw (den Beck in seinem Pindar – ich weiß nicht, ob es sonst auch üblich ist – gar präch­ tig pauo nennt) selbst vor Augen haben, und ich verspare es also auf ein andermal. Außerdem habe ich einige Pindarische Oden, unter andern die 4. Pyth. 500Verse lange übersezt, womit ich Sie aber dießmal verschone. Jezt lassen Sie mich mit einem Projekte diesen Brief beschließen. Es ist mir sehr wahrscheinlich, daß ich die Weisheit haben werde, meine jezige Lage nicht zu verän­ dern, und wenn dieß geschieht, daß das Alterthum, und vorzüglich das Griechische meine ausschließende Beschäftigung sein wird. Als Philologe von Metier kann ich nicht studiren, das hindert meine einmalige Erziehung und Bildung, und wenn ich gleich jezt nach allen meinen Kräften und Hülfsmitteln nach Gründlichkeit, auch in grammatischen Kleinigkeiten, Metrum, Accenten u. s. w. strebe, so bringt man es doch, wenn man so spät anfängt, nicht weit genug. Hingegen, dünkt mich, hat mich meine Individualität auf einen Gesichtspunkt des Studiums der Alten geführt, 30  von anderm D2  vor anderm h D3  33  sollen sie D2  39  des Bessern, h D2  40  einen eignen Weg h D2  52  Kleinigkeiten, strebe, D1 

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der minder gemein ist. Es wird mir schwer werden, mich kurz darüber zu erklären, indeß ist doch das Resultat ohngefähr folgendes: es giebt, außer allen einzelnen Studien und Ausbildungen des Menschen, noch eine ganz eigne, welche gleichsam den ganzen Menschen zusammenknüpft, ihn nicht nur fähiger, stärker, besser von dieser und jener Seite, sondern überhaupt zum größeren und edleren Menschen macht, wozu zugleich Stärke der intellektuellen, Güte der moralischen und Reiz­ barkeit und Empfänglichkeit der ästhetischen Fähigkeiten gehört. Diese Ausbildung nimmt nach und nach mehr ab, und war in sehr hohem Grade unter den Griechen. Sie nun kann dünkt mich nicht besser befördert werden, als durch das Studium großer und gerade in dieser Rüksicht bewundernswürdiger Menschen, oder um es mit Einem Worte zu sagen durch das Studium der Griechen. Denn ich glaube durch viele Gründe, die ich der Kürze wegen hier übergehen muß, wovon aber ei­ ner der vorzüglichsten der ist, daß kein andres Volk zugleich soviel Einfachheit und Natur mit soviel Kultur verband, und keins zugleich soviel ausharrende Energie und Reizbarkeit für jeden Eindruk besaß, ich glaube, sage ich, beweisen zu können, daß nicht bloß vor allen modernen Völkern, sondern auch vor den Römern die Grie­ chen zu diesem Studium taugen. Das Studium der Griechen in dieser Rüksicht also, und die Darstellung ihrer politischen, religiösen und häuslichen Lage in ihrer höchs­ ten Wahrheit wird mich für mich so lange beschäftigen, bis meine Aufmerksamkeit gewaltsam auf etwas andres gelenkt wird, oder ich damit ins Reine gekommen bin, wozu aber, meinen Foderungen an mich nach, schwerlich ein Leben hinreicht. Da man doch nun auch manchmal Lust bekommt, seine Ideen andren mitzutheilen, und diese Behandlungsart der Alten mir überhaupt nicht unwichtig und selbst nicht gewöhnlich scheint – da alle Bücher, die ich in dieser Art kenne, wovon ich nur den Anacharsis nennen will, schlechterdings kein Genüge thun; so denke ich eine Schrif[t,] die ohne ein Journal zu sein, fortliefe, anzufangen, etwa unter dem Titel Hellas, welche allein der griechischen Litteratur gewidmet wäre, und theils Ueber­ sezungen aus allen Arten der Schriftsteller, theils eigne Aufsäze enthielte, die vor­ züglich auf die Beförderung jenes erst erwähnten Zweks hinarbeiteten. Eigentliche Gelehrsamkeit würde, wie Sie schon aus der Person des Verfassers schließen werden, nicht zu dem Zwekke gehören, aber eine zwekmäßige Bearbeitung der vorhand­ nen Materialien, und vorzüglich reine und treue Darstellung der Quellen, die doch nicht bloß dem Nichtkenner, sondern auch dem Halbkenner willkommen ist, und die der Kenner selbst wohl einmal vergleicht. Im ersten Heft würde ich dann vorzüg­ lich den Gesichtspunkt ausführlich zu schildern versuchen, von dem mein Studium 56  und ist doch D1  es giebt allen Studien D1  58  besser, stärker D1  62  ab, während sie in sehr hohem Grade unter den Griechen war. D1  64 bewunderungswürdiger D1  66  Gründe, wovon einer der vorzüglichsten D1  74 anders D3  auf ’s Reine D1  75 Forderungen D1-2  76 Ideen andern D3  82  theils eigene Aufsäze D3  88 Hefte D2 

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Brief 247–248

der Alten allein ausgeht. ’Αλλὰ ταῦτα ἐν παρασκευαῖς ἐστι. Doch sagen Sie mir wohl gelegentlich Ihre Meinung. Noch Eins muß ich Ihnen erzählen! Neulich schrieb ich an Hemmerde und forderte den in dieser Ostermesse angekündigten 2. Th. des Reizischen Herodots, den ich, wie Sie wohl am besten wissen werden, nicht erhielt. Bei der Gelegenheit schrieb mir Hemmerde mit großen Lobeserhebungen für Sie auch große Klagen über Sie und versicherte, er sei in Angst u. Sorgen wegen des Mureti variae lectiones. Doch den Herodot, Lieber, geben Sie doch bald. Ich will ihn jezt mit meiner Frau lesen, da ich ihn nach dem Homer für die beste Einführung in die Prose halte, und mich schaudert vor dem bloßen Text ohne alle, auch die geringsten Hülfsmittel. Meine Frau grüßt Sie und ihre Frau Gemahlin herzlich und verspricht gewiß den Homer zu lesen den ganzen Tag, wenn Sie es verlangen, wenn Sie nur herkommen wollen. Können Sie nicht in den Osterferien. Ewig mit der herzlichsten Freundschaft und Achtung Ihr Humboldt.

248.  An Brinkman in Berlin

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Auleben, 7. Dezember 1792

Unmut über den Teildruck von Staatswirksamkeit im Novemberheft der Berlinischen Monatsschrift; zur Frage der Anonymität. Therese Forsters angeblicher Anteil an Dramen Hubers; Georg Forster in der Mainzer Revolutionsregierung; dessen Vergleich Hertzbergs mit Pitt. Launige Bitte um Süßigkeiten aus Berlin.

Antwort auf nr. 12.

Auleben, 7. Dec. 1792.

Das grüne Buch ist angekommen, lieber Freund, und ich wiederhole Ihnen mei­ nen herzlichsten Dank. Ueberhaupt kann ich es Ihnen nicht sagen, wieviel Freude mir Ihre Briefe machen, und recht innig bitte ich Sie, schreiben Sie mir nicht seltner. Wenn ich irgend etwas in meiner Einsamkeit eigentlich entbehre, so ist es der Um­ gang mit denen, die mir lieb sind, und dafür entschädigen Briefe doch einigermaa­ ßen. Auch ich schreibe gewiß künftig noch fleißiger, als in den lezten Wochen, wo mich der Pindar abhielt, wie ich Ihnen schon neulich sagte. Von Göschen habe ich noch keine Antwort. Indeß hats auch zu Ostern noch keine Eil. Im Novemberstük der MS. sehe ich, ist der Aufsaz als ein zweites Bruchstük 98 Prosa D2

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angegeben, und ich werde nun doch wohl dem Buche meinen Namen geben müs­ sen. Dieß ist das Einzige was mich verdrießt, und woran Biester Schuld ist. Denn Er allein wußte zuerst, daß Zweifel in Absicht der Censur obwalteten, und es war also eine Unbesonnenheit, so rasch den Namen hinzusezen. Auch jezt bin ich noch zweifelhaft. Auf der einen Seite muß es affectirt aussehn, wenn ich mich jezt nicht nenne. Auf der andren Seite ist ein Aufsaz in der MS. und ein Name noch leichter vergessen. Warum ich eigentlich den Namen auszulassen wünschte, ist weil ich es hasse, sich so als Vertheidiger dieser od: jener Meinung, vorzüglich einer auffallen­ den, öffentlich hinzustellen. Darum wollte ich auch zuerst anonym bleiben, u. nur, daß ein Berl[iner] Buchhändler vielleicht meinen Namen lieber hätte, bewog mich zu einem andren Entschluß. Indeß ist auch dieser Grund jezt mein Einziger. Ver­ druß glaube ich von dem Buche nicht besorgen zu dürfen. Zwar hat mir Spalding schon einmal vorgeworfen, daß ich bei viel Himmelstroz viel Menschenfurcht hätte, und wahr ist es, daß ich es für sehr platt halte, durch Nennung des Namens seiner Ei­ telkeit zu dienen, u. sich so zum Märtyrer der Wahrheit zu machen. Allein ich sollte auch nicht denken, daß dieß grüne, auswärts gedrukte u. überdieß censirte Buch Aufsehen erregen sollte. – Sagen Sie mir doch Ihre Meinung über das Nennen über­ haupt bei dieser grünen Frucht. Biester hat aber auch mit unverzeihlicher Nachlässigkeit buchstäblich abdrukken lassen. So bezieht sich der allgemeine Grundsaz zu dem lezten Stük nicht bloß auf den abgedrukten, sondern auch auf die beiden vorhergehenden, nicht mit abge­ drukten Abschnitte. Dennoch ist er ganz so abgedrukt, u. verbietet also dem Staat z.  B. Bekümmern um Religionssachen, wovon kein Wort im Aufsaz selbst steht. Ueber­haupt hat es einen sonderbaren Eindruk auf mich gemacht, alles, auch was ich ändern wollte, so schaamlos abgedrukt zu sehn. – Die etwannigen Urtheile sagen Sie mir doch. Auch die der Schriftgelehrten. Hertzberg schreibt mir diese Woche, unter andern von Ihnen: Vous aurez bien appris par Mr. d. B. même, que nous avons lié connaissance, et qu’il a été avec moi à Britz. Je souhaite qu’il en soit content. Es freut mich, daß ich wenigstens meinen Fehler, Ihre Empfehlung an Hertzberg in Berlin vergessen zu haben, wieder gut ge­ macht habe. Wegen G[entz] sezt mich Ihr Brief in noch größere Neugier, ohne Befriedigung. Da schon mein lezter Sie um ausführliche, und deutliche Auseinandersezung bittet; so wiederhole ich die Bitte nicht. Den Brief an die F[ränkel] haben Sie doch ihr al­ lein gegeben. Ich hatte es vergessen, Ihnen zu sagen, aber es verstand sich wohl von selbst.

19  Drum wollte D2  26  über dieß H D2  37  Vous avez D2 

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Brief 248–249

Sie haben mich einmal gefragt, ob die Forstern Antheil am heimlichen Gericht gehabt? wie ich gestern fand, als ich Ihre alten Briefe noch einmal las. An dieser fros­ tigen, und mittelmäßigen Geburt hat sie gar keinen Theil. Das weiß ich gewiß. Gentz irrt sich. Entweder hat es ihm Alexander gesagt, dessen Manie es ist, alles, was in Mainz erscheint, der Forstern zuzuschreiben, oder ich habe von einem angefange­ nen Stük Hubers Julie, von dem Scenen in der Thalia standen, gesprochen. An die­ sem hat sie auch nichts gemacht, aber die Idee zu einem Charakter gegeben. Daß Forster in der neu etablirten französischen Regierung in Mainz Mitglied ist, wissen Sie wohl schon. Mir ists unbegreiflich. A propos! Herzberg nennt mir ein Ding von Forster: Erinnerungen aus dem Jahr 1790. wo er!!! mit Pitt!!! verglichen ist. Ich muß bald darauf antworten. Schreiben Sie mir in Ihrem nächsten Briefe, ob er gelobt od: getadelt ist u. wie. Ich bitte Sie sehr. Nun lieber Brinkmann noch etwas u. ganz Neues, dem Sie Sich aber nicht wider­ sezen dürfen. Gentz hat mir voriges Jahr einen Tribut an Meyerschem Pfefferkuchen, Bonbons, u. Marcipan schikken müssen. Von ihm ist dieß Jahr nichts zu erwarten. Die Minna hat eine Revolution gemacht, und ich bin kaum noch entflohn, daß ich nicht auch im Temple size. Dagegen aber habe ich Sie neu acquirirt, und Sie müssen mir also spätestens um Neujahr den verlangten Tribut übersenden. Worin er im Gan­ zen besteht, wissen Sie nun schon. Aber nun noch das Nähere. Den Marcipan, be­ sonders den kleinen, der allerlei Figuren hat (alles bei Meyer in der breiten Straße) dann Pfefferkuchen, von dem runden überzukkerten, dann die Bonbons mit rothen Aufschriften, wovon wir oft bei Fränkels aßen, und endlich gewisse Stangen von allerlei, Vanille, Chocolade u. s. w. Am besten erhalten Sie Auskunft über alles bei Gentz. Kommt aber nach Neujahr ein Brief, ohne Schachtel von Ihnen, so erhalten Sie ihn unerbrochen zurük. Im Ernst, lieber Brinckmann, vergessen Sies nicht. Und nun leben Sie wohl, und behalten Sie mich lieb. Meine Frau grüßt Sie. Ihr Humboldt. Damit Sie auch sehen, daß Ihr Tribut kein don gratuit ist, so will ich Ihnen hier­ mit auch verkündigen, daß ich Ihnen den ganzen Rollin, hist. ancienne und Ro­ maine gratis und geschenkt überlasse, wozu ich mich auf Vorwort meiner Frau quae labantem conpulit schon vor einigen Wochen entschlossen habe. Kunth wird [i]hn auf Ihr Wort schon verabfolgen lassen.

50 Manier D2  51 angefangnen D2  60  an Meyerschen D2  72 Brinkmann, D2  76  auch sehn, D2 79  wird Ihn H

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249.  An Schiller in Jena

Auleben, 7. Dezember 1792

Der Berliner Vorabdruck von Staatswirksamkeit sei umfangreicher als erwartet ausgefallen. Das revolutionäre Mainz. Humboldts widerstreitende Gefühle dabei; Verurteilung der Rolle Forsters. Vorschlag einer gemeinsamen Reise nach Paris.

Auleben, 7. Dec. 1792.

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Endlich, theurer Freund, habe ich Antwort von Biester und die Abschrift meines Manuskripts zurük erhalten. Er sagt mir, daß er außer dem 5. Abschnitt über den Krieg noch den 8. über Sittenverbesserung, und den 6. über öffentliche Erziehung abdrukken lassen. Es thut mir leid daß es soviel geworden ist, allein ich erfuhr zu spät, daß Sie mir einen Plaz in Ihrer Thalia vergönnen wollten, und er versichert, er habe es nicht mehr abändern können. Da ich nun das Manuskript wieder zurük habe; so bin ich bereit, die neue Durchsicht, und die Aenderungen, die mir noch nothwendig scheinen, nun anzufangen, ob ich gleich noch selbst nicht bestimmen kann, ob ich viel abändern werde. Indeß mache ich mich doch an die Arbeit, sobald ich nur von Ihnen, liebster Freund, Antwort erhalten habe. Um diese ersuche ich Sie aber jezt recht herzlich, und sollten Sie selbst nicht Zeit haben; so ersuchen Sie ja wohl Lottchen, mir sie mit ein Paar Zeilen zu schreiben. Verzeihen Sie meine zu­ dringliche Bitte. Aber Sie haben Sich einmal so gütig für die Abhandlung interessirt. Was sagen Sie zu den Vorfällen am Rhein? Der Koadjutor berührt sie in seinem lezten Briefe an mich nur kurz. „Sie haben mich gerührt“ schreibt er mir, „aber nicht erschüttert.“ Mein eignes Interesse, d. h. das ich als Zuschauer an dem Ausgange nehme, weiß kaum recht, wohin es sich schlagen soll. Mehrere Gründe, worunter jedoch der Antheil an dem Koadjutor, und die Betrachtung, daß die Mainzer mir gar nicht auch nur eines Antheils an einer freien Konstitution fähig scheinen, las­ sen mich die Wiedergewinnung des Landes wünschen. Auf der andern Seite sähe ich indeß auch sehr ungern die Franzosen geschlagen. Ein edler Enthusiasmus hat sich doch jezt offenbar der ganzen Nation bemächtigt, es sind doch endlich einmal andre Dinge, als die Neigungen und eingeschränkten Gesichtspunkte einiger Ein­ zelnen, welche eine ganze Nation beschäftigen, und die Energie überhaupt muß dadurch unendlich gewinnen. Und doch gerade ist es der Mangel dieser Energie, der, dünkt mich, in den leztverflossenen Jahrhunderten am meisten sichtbar war. An sich scheinen mir freie Konstitutionen, und ihre Vortheile ganz und gar nicht so wichtig und wohlthätig. Eine gemäßigte Monarchie legt vielmehr der Ausbildung 7  wieder zurück D4  12  so bitten Sie D1  13  mit einigen Zeilen D1  16  Brief an mich D1  24  einiger Einzelner, D4  25  Energie muß D2 

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Brief 249–250

des Einzelnen meist weniger einengende Fesseln an. Aber sie spannen die Kräfte zu einem so hohen Grade, und erheben den ganzen Menschen, und wirken doch so im eigentlichsten Verstande das Einzige wahre Gute. Ungeachtet dieser meiner Anhänglichkeit an die französische Revolution, kann ich es dennoch Forstern nicht verzeihen, daß er in dem jezigen Zeitpunkt auf einmal ganz öffentlich zur französischen Parthei übergangen ist, und Dienste genommen hat. Ich sage nicht, daß es unpolitisch ist, denn Forsters zerrüttete Finanzumstände mochten vielleicht einen verzweifelten Schritt nothwendig machen; aber unmora­ lisch und unedel scheint es mir doch in hohem Grade, dem Kurfürsten, dem er war­ lich nichts als Wohlthaten zu danken hat, in einer Periode untreu zu werden, wo er offenbar der schwächere Theil ist. Ich kann nicht begreifen, wie seine Freunde ihn nicht zurükgehalten haben, vorzüglich Huber, dem es doch überdieß jezt selbst schädlich sein kann, viel im Hause zu sein. Vielleicht wissen Sie, lieber Freund, etwas Genaueres davon, und dann verbänden Sie mich unendlich, wenn Sie es mir sagten. Karoline schreibt uns, daß Sie Lust zu einer Reise nach Paris haben. Wenn es Friede ist, und Sie uns mitnehmen wollen; so sind wir augenbliklich von der Parthie. Ich wünschte auch sehr Paris wiederzusehen, um zu bemerken, wie sich die Nation seit dem Anfange der Revolution verändert hat, und die Reisekosten verminderten sich für uns beide, wenn wir gemeinschaftlich reisten. Mein Wagen wäre auch recht bequem dazu. Ich habe vor wenigen Tagen Ihren Kalender dieses Jahrs erhalten, und zum Theil gelesen. Die Schilderung der Schlacht bei Lützen hat mich hingerissen. Sie ist un­ nachahmlich dargestellt. Lina umarmt Sie und Lottchen herzlich. Unsre Kleine ist wohl, und verspricht, sich auf der Pariser Reise recht artig und still aufzuführen. Leben Sie recht wohl, theurer Freund, und vergessen Sie nicht Ihren Humboldt.

32  eigentlichen Verstande D2  34  es doch Forster D2  es dennoch Forster D3-4  35 Parthie D3-4 38  im hohen Grade, D2  er nemlich nichts D2  50  vor einigen Tagen D1

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250.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 27. Dezember 1792

Wolfs Besuch in Auleben. Bedenken zu Gentz’ Erbschaftsvertrag; Verteidigung Gentz’ gegen Brinkmans Kritik; Gentz’ Ablehnung von Staatswirksamkeit; die eigene Einschätzung: objektive Selbstwertgefühle und weltabgewandte Gleichgültigkeit über mögliche Ablehnung des Publikums.

Auleben, 27. Dec. 1792.

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Verzeihen Sie, lieber Freund, mein langes Schweigen und die heutigen zwei Zei­ len. Wolf aus Halle ist seit 5 Tagen bei mir, und bleibt etwa noch 8 und da ist es ein Griechischtreiben den ganzen Tag, daß ich zu nichts anderem komme. Für Ihre Briefe, die ich mit der lezten Monatsschrift erhielt, herzlichen Dank. Daß Sie der Rollin freut ist mir lieb, aber daß Sie einen Fund an ihm haben müssen Sie ja nicht denken. Ich habe ihn sonst oft genug gebraucht um es zu wissen. Von al­ lem, was Sie mir schreiben, hat mich am meisten Gentz interessirt. Die ganze Sache u. sein Benehmen ist unverzeihlich, u. der neue Kontrakt in Verbindung aller Um­ stände absurd. Er 200 r. jährlich. Denn von der Bibliothek wird der Junge wohl nicht viel bekommen. Wenigstens ist dieß der Punkt, der mich allein darin freut, weil er jezt unstreitig faciler ist, Bücher wegzugeben. Was mich betrift u. ihn, lieber Brinkmann, so läßt Ihre Liebe für mich Sie ihm unrecht thun. Kaum kann ich mir einen so albernen Neid denken, u. ich halte sein Urtheil über das grüne Buch für wahr in ihm, ob für wahr überhaupt darüber rede ich nicht mehr. Mein Bekenntniß darüber ist kurz u. unerschüttert: meiner würdig ist das grüne Buch. Denn ich lebe u. webe auf jeder Seite, aber ein gutes Buch ist es nicht, u. das werde ich nie schreiben. Gedrukt soll es werden, warlich nicht des Geldes wegen, aber weil der Gesichtspunkt wichtig ist und weil es Menschen geben kann, die ohne mich persönlich zu kennen, doch Gefallen haben einen Menschen im Bilde zu sehn, der so ist u. denkt, wie ich nun bin u. denke. Aus diesen Grün­ den bin ich jezt gegen jedes Schiksal des Buchs ehern. Man mag es loben u. tadeln, mein Urtheil wird sich nicht ändern. Ueberhaupt, lieber Brinkmann, bin ich schon lang, wenigstens seit Jahren auf dem Punkt, wo nichts Aeußeres mehr in Wahrheit auf mich wirkt. Ich lebe in mir u. für mich und mit jedem Tage nimmt diese Einsam­ keit zu, die Gentz fürchterlich nennt. Ob sie mich verderbt, zerstört, das weiß ich nicht, u. das mögen andere beurtheilen. Ich bin nicht anders u. werde es nicht sein, obgleich Gentz gegen den ich wenigstens nie anders sein werde, mir weh thut.

4  nichts andrem D2  12  Briefe wegzugeben. D2  24 Aeußres D2  27  mögen andre D2 

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Brief 250–252

Noch einmal, lieber Brinkmann, verzeihen Sie den Brief. Ich hätte thun sol­ len was ich anfing u. nichts schreiben. Ich wollte gern mit Ihnen reden, aber Wolf schwazt soviel dazwischen, daß ich nicht kann. Er grüßt Sie, und dankt für die honorifica mentio seiner im Gedicht an Spalding. Beiliegendes geben Sie der Herzen offenbar, oder der Veit allein.

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Humboldt. Wenn Wolf weg ist, kriegen Sie mehr. Aber solange er hier ist, muß ich ihn, da er mir warlich sehr lieb ist, benuzen.

251.  An Schiller in Jena

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Auleben, 14. Januar 1793

Nach Göschens Ablehnung des Verlages von Staatswirksamkeit Entschluss, die Publikation für jetzt aufzuschieben. Der Thalia-Vorabdruck.

Auleben, 14. Jan. 1793. Verzeihen Sie, mein theuerster Freund, daß ich Ihnen auf Ihr leztes Briefchen noch nicht antwortete. Aber Wolf aus Halle, der mich auf einige Tage besuchte, ver­ hinderte mich daran. Es thut mir leid, daß Göschen meine Abhandlung nicht in Verlag nehmen kann. Ich hätte sie vorzüglich damit sie unter Ihren Augen gedrukt werden könnte, bei weitem lieber ihm, als einem anderen gegeben; und außerdem ist es mir unange­ nehm, daß Sie, lieber Freund, jezt noch mehr Schreiberei darum haben. Indeß ist mir ein anderer Weg eingefallen, über den ich mir Ihre Meinung erbitte. Wenn, wie ich glaube, Göschen die wahre Ursach angegeben hat; so nähme er vielleicht das Werkchen in 1 oder 2 Jahren, und wie wäre es, wenn man solange damit wartete. Ich habe schlechterdings keine Eil damit, und gewänne vielmehr dadurch Zeit zu einer Umarbeitung einzelner Abschnitte, die ich zum Theil für nothwendig halte, an die ich aber jezt, da ich mir einmal für die nächsten Monate ganz andre Beschäftigungen gewählt habe, nicht kommen würde. Der Gegenstand selbst ist von allem Bezug auf momentane Zeitumstände frei, und so, dächte ich, gewännen sowohl die Leser, als die Ideen selbst, für die Sie Sich zu interessiren schienen. 30  Wolf scherzt D2  35  solange der hier D2 

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Für den Abdruk in der Thalia und das übersandte Exemplar sage ich Ihnen mei­ nen herzlichsten Dank. Karoline forderte in Ihrem Namen andres Manuscript von mir. Aber es muß wohl ein Misverständniß sein. Sie haben ja das Ganze. Aus dem jezt Abgedrukten kann ich nicht recht sehen, theurer Freund, wie weit Sie noch drukken wollen. Lassen Sie es mich doch wissen, und haben Sie die Güte bei Ihrer Bestimmung auch darauf Rüksicht zu nehmen, ob nicht, wenn noch viel mehr abge­ drukt würde, dieß dem künftigen Verkauf des Ganzen nachtheilig sein könnte? Wenn Sie meinem Plan, den Druk aufzuschieben, Beifall geben und das in der Thalia Angefangne vollendet haben, schikken Sie mir wohl mein Manuscript zurük. Einige Aenderungen habe ich in der Thalia mit innigem Vergnügen bemerkt, und werde gewiß diesen Winken zu mehreren künftig folgen. Sollte es Ihnen an Zeit mangeln, mir selbst hierauf zu antworten; so haben Sie wohl die Freundschaft, Karolinen darum zu bitten. Karoline und ich umarmen Sie drei herzlich! Ewig Ihr Humboldt.

252.  An Schiller in Jena

Auleben, 18. Januar 1793

Trotz einer inzwischen gefundenen Publikationsmöglichkeit Beharren beim Entschluss, die Veröffentlichung von Staatswirksamkeit aufzuschieben.

Auleben, 18. Jan. 1793.

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Ganz unerwartet, theuerster Freund, schreibt mir Karoline, daß Sie einen Ver­ leger für meine Schrift haben, und ein deutlicher geschriebenes Manuskript wün­ schen, um es ihm zu schikken. Sie werden aus meinem lezten Briefe ersehn haben, daß ich jezt vielmehr einen Aufschub des Druks wünschte, und, als ich neulich die Abhandlung noch einmal durchgieng, fand ich in der That nicht bloß viele Stellen, die einer Aenderung, son­ dern auch einige, die einer gänzlichen Umarbeitung bedürfen. Sie selbst, lieber Freund, waren zuerst dieser Meinung, und werden darum umsomehr mit mir hierin übereinstimmen. Jemehr mich auch die vorgetragnen Ideen interessiren, und je günstiger ich sogar von meiner Arbeit urtheile, desto weniger könnte ich mir die 19  anderes Manuscript D2  28  zu mehrerem D2 || 9  um somehr H (?) D3  mit mir darüber D1 10  Je mehr D2  11  um so weniger D1 

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Brief 252–253

Nachlässigkeit verzeihen, ihr nicht diese lezte Sorgfalt geweiht zu haben. Für jezt aber und die nächsten Monate habe ich nicht allein ganz heterogene Beschäftigun­ gen, sondern es fehlt mir auch theils an Stimmung, theils sogar an einigen Büchern, um an diese Revision zu gehen. Über Einiges möchte ich sogar durch Gespräch meine Ideen erst klärer machen können. Alles dieß hat mich nun zu dem festen Entschluß gebracht, die Herausgabe, wenn es noch möglich ist aufzuschieben, und zwar auf unbestimmte Zeit, da, wie lang oder kurz eine bestimmte sein möchte, alles Gebundensein in dergleichen Dingen so unangenehm ist. Ich kann aus der guten Karoline Brief nicht sehen, in wiefern Sie, mein Theurer, schon sichre Abrede getroffen haben. Haben Sie aber mit dem Buchhändler noch nicht abgeschlossen, und können Sie noch zurükgehn; so bitte ich Sie, ihm zu schrei­ben, daß der Entschluß über die Zeit der Herausgabe der Schrift geändert sei, daß also jezt keine weitre sichre Abrede genommen werden könne, daß ich aber, wenn ich mit den noch vorzunehmenden Aenderungen fertig wäre, mich an ihn abermals wenden, und bei ihm anfragen würde. Wahrscheinlich würde er doch bei einer zweiten Anfrage gleich geneigt sein, und wäre ers nicht, so ist vielleicht dann Göschen frei, oder ich finde einen andren. Haben Sie aber schon mit ihm abgeschlossen, und wäre es nicht zu ändern, wel­ ches mir freilich sehr unlieb wäre, so müßte ich Sie doch bitten, mit ihm die Ab­ rede zu treffen, daß das Buch erst Ostern 94. oder frühstens Michaelis d. J. erschiene. Dieß wäre mein kürzester Termin und er gewänne ja auch durch die auf seinen Ver­ lagsartikel gewandte Zeit. Indeß wäre mir das Erste immer bei weitem das Liebste. Das deutlicher geschriebne Manuskript, Lieber, habe ich gerade verliehen. Indeß ist es ja auch nun, nach meinem jezigen Entschluß, nicht nöthig. Denn zum Druk wäre es ja noch viel zu früh; und sollte er es nur sehen, um sich erst fest zu entschlie­ ßen, so können Sie ja noch zurükgehn, und thun es nun ja auf alle Fälle. Auch kann es sein, daß nach der Umarbeitung nicht einmal die Bogenzahl gleich bleibt. Werden Sie mir nicht böse, theurer Freund, über die vielen Bemühungen, die meine Angelegenheit Ihnen verursacht. Schon oft hat es mir leid gethan, Sie über­ haupt damit beschwert zu haben, und gewiß hätte ich es nicht gethan, wenn ich geglaubt hätte, es koste Sie mehr, als eine flüchtige Erwähnung in einem Briefe an Göschen. Leben Sie innigst wohl, mein theurer unvergeßlicher Freund! Wie unendlich oft sehnen wir uns zu Ihnen Dreien hin! Ewig Ihr Humboldt.

12  Sorgfalt gewidmet D1  22 zurükgehn: D3  28  einen andern. D1-3  31 frühestens D3  33  bei Weitem immer D1  36  ja auch viel D1  42  koste Ihnen D1  45  zu Ihnen hin! D1

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Sie haben wohl die Güte, lieber Freund, mir, sobald Sie können, nur mit 3 Wor­ ten, den endlichen Ausgang der Sache zu melden, und mir dann das Manuskript zurükzuschikken.

253.  An Wolf in Halle

Auleben, 23. Januar 1793

Entstehung und Erläuterung des beigelegten Aufsatzes Altertumsstudium. Stand der Griechischstudien: Autoren, Lektüre möglichst ohne Hilfsmittel, Zusammenstellungen der Problemstellen für Wolf. Sinn und Rolle der Übersetzung; Projekt der Übersetzung des ,platonischen‘ Menexenus. Philologisches: Aischylos, Herodot, Homer. Schneiders Pindarbuch. Dank für Wolfs neulichen Besuch. Wolfs geplante Ausgabe des platonischen Dialogs Meno.

Auleben, den 23. Jan. 1793.

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Es ist nicht meine Schuld, theuerster Freund, daß ich Ihren lieben freundschaft­ lichen Brief vom 6. d. M. der mir eine so herzliche Freude gemacht hat, so spät be­ antworte. Erst am 18. bekam ich ihn von Rosla, so daß er also wieder 12 Tage unter freiem Himmel herumgeirrt hat, und daß ich seitdem nicht eher schrieb, wird we­ nigstens die Weitläuftigkeit der Beilage, die ich meiner Antwort mitgebe, entschul­ digen. Erschrekken Sie in der That nicht, lieber Freund, über das weitläuftige opus, es ist wider meinen Willen weitläuftiger geworden, als ich selbst anfangs dachte, wie Ihnen die Geschichte desselben gleich sagen soll. Sie wissen, daß ich mich schon lange damit trug, die Ideen niederzuschreiben, die mir das griechische Studium vor­ züglich interessant machen. Am größesten wurde diese Lust in mir, als in den glük­ lichen Tagen, die Sie uns hier schenkten, wir einigemale über die Materie sprachen, Sie mit mir zum Theil übereinstimmten, zum Theil meine Ideen berichtigten, und ich mich vor allem freute, die Wichtigkeit einer ähnlichen Entwikkelung von Ihnen anerkannt zu sehen. Zwar sprachen wir wirklich weniger darüber als anfangs Ihre Absicht schien, und als auch ich wünschte, es rührte aber vorzüglich davon her, daß meine Ideen noch nicht genug entwikkelt in mir waren, um, da wir im Allgemeinen übereinstimmten, die Verschiedenheiten der feineren Nüancen gehörig auseinan­ derzusezen. Nach Ihrer Abreise habe ich oft wieder an den alten Plan gedacht, indeß war ich zu sehr im Zuge des Aeschylus, um mich zu unterbrechen. Ihr lieber theurer Brief wekte indeß meine Lust aufs neue, und es kam die Betrachtung hinzu, daß Sie Ihrem Briefe so viele mir interessante u. lehrreiche Bemerkungen mitgegeben 2 theurester h  18  feinern Nüancen h D1

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Brief 253

hatten, daß ich es unmöglich über das Herz bringen konnte meine Antwort ohne alles gehen zu lassen, das wenigstens irgend Ihre Aufmerksamkeit reizen könnte. Ich versuchte also, meine Gedanken so kurz, aber doch zugleich so deutlich aufzuzeich­ nen, als mir möglich war, und diesen Versuch, die Arbeit zweier Tage, schikke ich Ihnen hier, mein Theurer in der festen Zuversicht auf Ihre nachsichtsvolle Güte, so roh u. unvollständig er ist. Damit er nur nicht auch seinem Aeußern nach gleich roh sei, habe ich ihn abgeschrieben, weil, wenn man sich auch einen schlecht geschrie­ benen Brief, wie e. g. diesen, hineinquält, es doch sehr verdrießlich ist, sich durch einen längern unleserlichen Aufsaz durchzuarbeiten. Dieß sage ich Ihnen bloß, da­ mit Sie nicht aus dem reinlicheren Aeußern des opusculi schließen, ich hielt es auch nur für gleich gehobelt in Absicht seines Inhalts. Um nun noch von diesem ein Paar Worte hinzuzufügen, so ist es, wie Sie sehen ein bloßes Gerippe, woraus allenfalls künftig eine wirkliche Abhandlung entstehen könnte. Es fehlen daher nicht allein sehr oft die ausführenden, und eigentlich beweisenden Säze, sondern auch in den Schlüssen manchmal nicht ganz leichte Mittelsäze. Es ist dieß freilich um so schlim­ mer, da der Gegenstand gar nicht von der Art ist, um bequem in Aphorismen vor­ getragen zu werden, sondern vielmehr gar sehr der Ausführung, vorzüglich auch durch historische Beweise bedarf, wenn er die gehörige Wirkung thun soll. Aber ich konnte einmal jezt nicht anders. Denn außerdem daß aus diesen Bogen bei ei­ nem andern Zuschnitt ein wirkliches Buch hätte werden müssen; so besize ich auch jezt gar noch nicht die zu einer wahren Ausführung erforderlichen Kenntnisse. Es ist mir schon mehrmalen so gegangen, daß ich, wenn ich in ein neues Fach trete, u. allenfalls die Außenlinien übersehe, mich dieser Anblik dergestalt begeistert, daß ich mit zu reden anfange, als wäre ich längst darin gewesen. Nur Schade daß der Zuhörer des Irrthums bald gewahr wird. Hier nun z. B. bin ich erstlich moralisch im Voraus gewiß viele historische Data zu übersehen, fürchte ich zweitens manche aus einem falschen Gesichtspunkte anzusehen, und fühle ich drittens, daß ich Meh­ reres, was ich auch für völlig wahr halte, nur aus einem gewissen noch dunkleren Gefühl habe, und daß mir die wahren beweisenden Data noch fehlen. Vorzüglich habe ich gerade fast bloß Dichter, einzelne Stükke aus Historikern und den Plato ge­ lesen, also lauter Schriftsteller die sehr zu einer idealischen Vorstellung führen. Die welche davon das Gegentheil thäten, z. B. Aristophanes fehlen mir noch ganz. Es ist daher auch ganz und gar meine Absicht nicht, jezt, oder bald, od: nur in d. nächsten Jahren diese Aphorismen ordentlich auszuarbeiten. Sie sollen mir nur dazu dienen, mir bestimmt u. vollständig meine jezigen Ideen darzustellen, damit ich meine zu­ nehmenden Kenntnisse damit vergleichen, u. sie nach u. nach berichtigen kann. Es 28  Damit er nun h D1  31 längeren D2  32 reinlichern h D1  34  wie Sie sehn h D1  46  längst drin h  50  noch dunklen h D1 

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kann dieß, meiner Art zu schreiben nach, um so eher geschehen, als ich gerade nur solange recht von Ideen überzeugt bin, als ich sie im Kopfe trage, hingegen gleich zweifelhaft werde, sobald sie nur auf dem Papier stehen. Wollten Sie mir nun, lieb­ ster Freund, bei dieser Prüfung und Sichtung behülflich sein, so erzeigten Sie mir dadurch einen in der That überaus großen und wichtigen Dienst. Bis zum 17[.] §. glaube ich, werden Sie mit mir einstimmiger sein. Diese Säze enthalten mehr die eigentlich philosophischen Prämissen, die ich nicht so weitläuftig ausgeführt haben würde, wenn ich nicht bei größerer Kürze für die Klarheit gefürchtet hätte. Zwar kann es leicht sein, daß Sie den Gang nicht billigen, den ich genommen, aber das ist an sich unwesentlicher. Daß der Endzwek des Studiums des Alterthums Kenntniß der Menschheit im Alterthum ist, sind Ihre eignen Worte, u. daß diese Kenntniß, neben anderm Nuzen, den sie stiftet, u. den ich in den ersten §. abgesondert, auch ganz besonders zur Bildung des schönen menschlichen Charakters beiträgt, daran zweifeln Sie gewiß nicht. Von §. 18. an aber bis zu Ende sind es meist historische Säze, oder das Raisonnement ist doch mit solchen gemischt. Um nun da Ihre Zeit so viel als möglich zu schonen – die ich warlich auch aus eigennüzigen Absichten so sehr ehre – wünschte ich, Sie schrieben bloß richtig od: falsch oder perpende dazu, und wollten Sie noch mehr thun so fügten Sie allenfalls ein Geschichtsdatum hinzu, das mich widerlegte, od. einen Autor, der mich auf einen andern Gesichtspunkt füh­ ren würde. Da der ganze Aufsaz allein dazu dienen soll, die Ideen bei künftigem fortwährenden Studium nur zu prüfen, so ist mir in der That auch die Belehrung am liebsten, die mir bloß zu zweifeln, u. weiter nachzuforschen befiehlt. Was ich von Uebersezungen sage (§. 42.) werden Sie keine Trostgründe für einen angehenden Uebersezer nennen, und in der That ists eine undankbare, u. doch so saure Arbeit. Allein bei mir entsteht alle Lust zu übersezen aus wahrhaft enthusiastischer Liebe für das Original, u. so wie mir es der unerträglichste Gedanke wäre so zu übersezen, daß man das Original darum weniger läse, so ist mir in Wahrheit der der liebste, daß man meine Uebersezung wegwerfe um jenes in die Hand zu nehmen. Der Ueber­ sezer ist allemal in der Gruppe nur die Nebenfigur und er hat das Höchste gethan, wenn die Hauptfigur durch ihn mehr hervorspringt. Diese Einfälle denke ich in der Vorrede zum Menexenus noch mehr auszuführen. Doch genug von meiner Beilage. Für die Aeschyleischen Emendationen meinen herzlichsten Dank. Sie scheinen mir alle richtig und nur etwa die von Scaliger Suppl. 886. zweifelhaft, ob ich gleich nichts Besseres vorzuschlagen wüßte. Am wichtigsten dünkt mich die Choeph. 938. von Matthiae und die erste Valkenaerische Choeph. 530. Nur hat Pauw schon, wie ich eben sehe gerade so emendirt u. interpretirt. 70  in dem ersten D1-2  72  Vom §. 18. D1  73  an Ihrer Zeit h D1  79 fortwährendem h D1  neu zu prüfen h  92 Bessres h D1 

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Brief 253

Noch herzlicher aber danke ich Ihnen für die Herodoteischen. Ich finde meine Zweifel alle vollkommen befriedigend aufgelöst, und die Offenherzigkeit Ihres Ge­ ständnisses Ihrer Unwissenheit in der Ziegeldekkerei hat mich sehr belustigt. Das Papier über d. Herodot schikke ich Ihnen nicht zurük, da es mir nicht Ihre Mei­ nung scheint. Was Sie mir von Ihren Papieren gesagt haben, muß es auch leicht bei mir gleich sicher aufgehoben sein. p. 5. oben haben Sie wohl bei Ihrer Emend. ἐπὶ πεντεκαίδεκα γενεάς hist. Gründe, die ich einmal aus Larcher oder sonst wo einsehe. c. 41. l. 10. wo Sie πρὸς δὲ, ἐς τοῦτο καὶ σέ in πρὸς δὲ τούτῳ καὶ σέ ändern hätte ich keinen Fehler vermuthet, da mir ἐς τοῦτο und ἔνϑα einander zu respondiren schie­ nen. Indeß submittire ich natürlich, wenn Sie die vulg[ata] für gar nicht od: minder griechisch halten. Weil Sie es verlangten schikke ich Ihnen wieder eine Anzahl mir dunkler Stellen. Um Ihre Zeit zu sparen habe ich nur die wichtigsten ausgewählt und bloß die Worte, die mir dunkel sind aufgemerkt. Sollten Sie irgendwo über die Schwierigkeit zweifelhaft sein die ich gefunden hätte; so bitte ich Sie mir bloß eine Uebersezung beizufügen. Diese Bitte, mein Theurer, thue ich unsrer neulichen Ver­ abredung zufolge. Sonst aber hätte ich Ihnen einen andern Vorschlag zu machen, den Sie, denke ich, wohl annehmen. Sie beschäftigen Sich doch jezt nicht ex pro­ fesso mit dem Herodotus, und es kostet Ihnen daher wirklich verlorene Zeit, wenn Sie ihn auch mir zu Liebe nur durchblättern. Auch ist es natürlich, daß entblößt von allen Hülfsmitteln, wie ich bin, mir Schwierigkeiten aufstoßen, die ich durch den Larcher oder Portus leicht selbst heben könnte, und entsezlich wäre es doch, wenn Sie Armer meinen Büchermangel entgelten sollten. Meine Absicht beim Herodotus ist jezt zwiefach. Einmal ihn mit meiner Frau zu lesen. Dieß kann ich immer mit Nu­ zen, wenn ich gleich manchmal sagen muß: dieß verstehe ich nicht. Denn da ich sehr behutsam bin, wird es nur äußerst selten sein, daß ich sie etwas falsches lehre. Ich lasse lieber mein οὐκ οἶδα erschallen. Dann ihn vorläufig für mich zu lesen. Dieß halte ich von Nuzen. Man wird mit der Manier, den Wendungen, Redensarten des Autors bekannt, und braucht dem Interpreten nicht soviel aufs Wort zu glauben, wie doch sonst in den ersten Büchern nicht fehlen kann. Endlich prüft und übt das Le­ sen ohne Kommentar, wie Sie auch in Ihrer Vorrede ad Odysseam sagen. Aus die­ sen Gründen ist es mir nicht so peinlich auch über mehrere Stellen ungewiß zu sein. Ich zeichne sie auf, sehe sie von Zeit zu Zeit an, streiche aus, die ich dann verstehe, und erwarte für die übrigen eine andre Zeit. Sobald ich nun jezt mit dem Aeschy­ lus, Ueber­sezen des Menexenus und der Rede des Thucydides, und dem Pindar (i. e. dem Durchlesen der mir noch übrigen Hälfte) fertig bin, also etwa diesen Herbst kaufe ich mir den Larcher (was ich jezt bloß darum nicht thue, weil ich jezt nicht

108  nur bloß D1-2  122  den Interpreten h D1

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soviel Zeit auf den Herodotus wenden mag, und weil jene oben gesagten Gründe mir wichtig sind)[.] Ich lese ihn dann von neuem, vergleiche den ganzen Larcher genau, und schreibe gleich genau auf, wo mir Larcher noch Zweifel gelassen hat, wo ich ihn unrichtig glaube u. s. w. und dehne meine Aufmerksamkeit dann vorzüglich auch auf die Chronologie aus, wozu ich jezt die data sammle. Auf diese Weise hielte ich es daher nun am gerathensten, ich beschwerte Sie jezt nicht mit Fragen, theilte Ihnen aber alsdann alle meine Resultate dieser vollständigen Lektüre mit. Genehmi­ gen Sie diesen Plan: so erwarte ich also auch keine Antwort auf den hier beigelegten Zettel und bitte Sie um diese nur auf die Eine angestrichene Stelle c. 86. weil dort etwas ist, das vielleicht einer Pindarischen Licht gäbe. Auf alle Fälle aber bitte ich Sie, wo Larcher Licht giebt, ihn nur trokken weg mit einem L. zu citiren. Sie müssen in der That Ihre Zeit schonen, theurer Freund, und Sich Ihre Freundschaft nicht ver­ führen lassen. Auf die Lehre der temporum habe ich nicht versäumt Acht zu geben. Herodotus I. 80. l. 24. 25. kommt ein paullo post fut. vor. Die Stelle heißt τῷ (scil. ἱππικῷ) δή τι καὶ επεῖχε ἐλλάμψεσϑαι ὁ Λυδός. Dieß verstehe ich: „wodurch der Lydier glaubte od. vertraute, daß er glänzen werde.“ So wäre es also, dächte ich die zukünftige Zeit der noch anzufangenden Handlung und zwar in significat. media. Sagten Sie mir aber nicht, daß Sie das p. p. fut. für das passiuum der zukünftigen Zeit der vollendeten Handlung hielten? Sie verbänden mich sehr, wenn Sie mir hierauf antworteten. Viel­ leicht ist dieß tempus auch im Herodotus noch ebensowenig in der nachherigen be­ stimmten Bedeutung, als im Homer. Her. I. 112. l. 15. kommt ein Beispiel des fut. der vollendeten Handlung βεβουλευμένα ἔσται vor. Hätte ich Sie recht verstanden (aber ich habe Sie vielleicht sehr misverstanden) so müßte da auch ebensogut ein p. p. f. (wenn es nemlich gebräuchlich ist) βεβουλεύσεται stehen können. Her. I. 120. l. 7. accentuirt Reitz ἔστί τε. Dieß ist ja, dächte ich, nach derselben Regel nach der einige ἄνδρά μοι u. s. w. schreiben. Ich merke es an, weil Sie, wenn ich mich recht erinnere, zweifelten, was Reitz in solchen Fällen für einer Meinung folge. Nun, lieber Freund, damit Sie sehen, daß ich Ihre Zeit auch nicht zu sehr schone, sobald es nur Schriftsteller betrift, die Ihnen gerade nahe liegen, noch ein Paar Ho­ merische Stellen. Il. XII . v. 399. πολέεσσι δὲ ϑῆκε κέλευϑον. Aus Köppen sehe ich, daß Sie τεῦχε lesen. Ich vermuthe aus dem Grunde warum auch Il. I. 2. das ἔϑηκε anstößig ist. Aber v.  411. u. 418. steht ϑέσϑαι. Ist da nicht dieselbe Schwierigkeit, oder macht es einen Unterschied, daß hier das med. steht? Il. X III . v. 119. περὶ κῆρι wohl πέρι κῆρι wie Sie mir auch, dünkt mich, schon sagten. Il. X III . 237. sagt Köp­ pen daß ἀρετὴ ergänzt werden soll, und freilich weiß ich nichts andres. Aber bleibts nicht immer hart? Il. XIII . 585. ist απὸ νευρῃφιν mit dem Dat. doch gar zu sonder­ bar. φιν wird aber auch zu gen. gesezt v[erbi] gr[atia] Ερέβευσφιν. Könnte man nicht

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Brief 253

νευρησ’φιν lesen oder nicht νευρηφιν mit ausgelassenem σ der gen. sein. Freilich sind

das aber wohl monstra verborum, die nirgend vorkommen. Zum Schluß noch der Poseidon γαιήοχος. Dieß übersezt Voß immer Erdumgürter. Köppen aber erklärt es nach Art des πολισσοῦχος und führt an, daß beim Sophocles der Artemis dieß Epi­ theton gegeben wird, und ich selbst fand es neulich vom Jupiter im Aeschylus. Was ist denn hier richtig? Schneiders Versuch über Pindar habe ich durch Keyser in Erfurt bekommen. Ich habe Ihnen noch ein Exemplar verschrieben, und kriegte ich es nicht, so gehört Ihnen so auf alle Fälle das meinige. Es ist in einem geschrobenen affektirten Style geschrieben, aber übrigens ein wahrhaft trefliches Produkt. Noch hat mir kein Aus­ leger des Pindar so Genüge gethan, als Schneider, und die wenigen Stellen, die er erklärt, sind in einer äußerst schönen Manier. Es sind gar nicht eben die schwersten. Aber seltsame Wendungen, Tropen, die er durch mehr Belesenheit, als die andern Herren dazu bringen, äußerst schön erklärt. Aber über den Versbau macht er mich aufs neue ganz verwirrt. Hören Sie nur! Nachdem er ein Fragment aus dem Diony­ sius citirt hat fährt er fort: „ich habe den Gr. Text nach seinen natürl. Gliedern ge­ ordnet, nicht nach der künstl. Form, in welche Aristoph. od. ein andrer Silbenmesser die pind. Oden mit Gewalt gezwängt hat. Diese Abtheilungen halte ich für eine pe­ dantische Grille, welche den Wohlklang und Rhythmus der Komposition zernich­ tet, und den Begriffen eines gesunden Menschenverstandes zuwiderläuft. Sollte auch, was ich mir aber keineswegs einbilden kann diese Abmessung der Silben u. Verstümmelung der Glieder mehr zum Behufe des Gesanges erdacht worden sein, als um die müssige Zeit eines hirnlosen Kopfs zu beschäftigen, wozu behält man sie noch jezo bei, da wir Pindars Poesie nicht mehr singen u. s. f.“ Wie hirnlos muß nun der sein, lieber Freund, der diese Silbenmaaße, die Schn. weiterhin mit dem ei­ sernen Bette des Procrustes vergleicht, ins Deutsche übertragen will. Ich freue mich ordentlich, daß ich in so glüklicher Unwissenheit die ersten Oden übersezt habe; sonst hätten mich die Schwierigkeiten gewiß zurükgeschrekt. Indeß bin ich doch jezt fest entschlossen, mit eignen Augen zu sehen, soviel sich jezt noch über Pindars Musik und Versbau sehen läßt, u. danach meine Uebersezung soviel ich kann, zu formen. Bis ich das weiß, will ich nicht übersezen, und fällt mich die Wuth zu rasend an, so sollens die Chöre entgelten, und zu Vorübungen dienen. Gegen Schn. Rai­ sonnement aber habe ich manche Zweifel. Ein bestimmter Silbenfall ist offenbar im Pindar. Dieser muß nothwendig seine Cola haben, und nun soll er mir zeigen, wie diese herauszubringen sind, ohne auch sehr nah verbundne Redetheile, oder gar Wörter zu theilen. Dazu kommt nun, daß nicht bloß nach Grillen der Grammatiker, 169  νευρησφιν h D1  νευρη᾿σφιν D2  170  noch den h D1  173  von Jupiter D1  177  Ihnen auf D1 193  eisernen Bett h D1-2 

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sondern nach dem Gefühl des feiner gebildeten Ohres gewisse Füße unverträglich mit einander sind, und man sie also nicht zusammenbringen darf. Man versuche nur im Deutschen völlig freie Verse, wie einige Klopstokkische Oden und die Vossische Uebers. d. 1. Pyth. zu machen. Man wird sich oft gedrungen fühlen, ohne Rüksicht auf den Sinn ein Colon zu schließen. Ueberdieß müßte ja dann dieselbe Verwirrung in den Chören herrschen. Uebrigens aber nimmt Schn. so sehr an, daß auch unsre jezigen Pindarschen Oden gesungen wurden, daß er nicht einmal eine besondre Be­ weisstelle dafür anführt. Nun, mein Theurer, werden Sie des Geplauders wohl genug haben. Ich soll nicht Ihres Hierseins erwähnen. Ich darf Ihnen also nicht für die glüklichen Tage danken, die Sie uns machten, Ihnen nicht sagen, wie wir Sie vermissen, Sie nicht bitten, noch einmal Auleben wiederzusehn, ehe wir es verlassen? Meine Frau dankt Ihnen sehr für das niedliche Geschenk, und noch mehr für Ih­ ren freundschaftlichen Brief. Sie schriebe Ihnen schon selbst heute, wenn nicht die Kleine ihr so wenig Zeit ließe. Sie trägt mir auf, Sie herzlich zu grüßen, Ihnen noch einmal recht innig für die Freude zu danken, die Ihre Anwesenheit auch ihr machte, und Sie um Verzeihung zu bitten, wenn sie ihre Antwort noch aufschieben muß. Die Bücher erwarte ich noch diese Woche, nach dem, was Sie mir schreiben. Wenn dieser Brief spät ankommt, so wundern Sie Sich nicht. Ich muß ihn, da ich die Posttage nicht weiß, auf gut Glük nach Rosla schikken. Jezt aber werde ich mich danach erkundigen. Empfehlen Sie uns herzlich Ihrer Frau Gemahlin und bitten Sie sie in unserm Na­ men, Ihnen bald wieder eine Kur anzurathen. Nun leben Sie wohl, theurer unvergeßlicher Freund, und behalten Sie lieb Ihren Ihnen ganz eignen, Humboldt. Wie steht es mit dem Menon? Ich bitte sehr für ihn. Ich habe mir schon ein Mit­ tel ausgedacht, wenn ich Ihr Mscrt. bekomme. Ehe es geschieht, oder sobald ich es habe, lese ich den Menon bloß für mich, ohne dasselbe anzusehn durch u. mache meine Zeichen zu den Stellen. So erreichen Sie, dächte ich, am ersten 3 Ihrer 4 Ab­ sichten. Denn die des Bemerkens einer Unrichtigkeit in Ihren Noten lasse ich nicht gelten. Es bleibt also nur für mich auf das zu sehen übrig, was zu viel oder zu wenig oder undeutlich in meinen Augen ist. Meinen Aufsaz, Lieber, hätte ich gern in einigen Wochen zurük. Ich habe nichts als ein brouillon in halben Hieroglyphen davon. 205  des feinen h D1  211 Pindarischen D1  230  ganz eigenen, h

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254.  An Wolf in Halle

Auleben, 24. Januar 1793

Zusätzliches Blatt bei Absendung von Br. 252, da inzwischen ein Brief Wolfs unerwartet angekommen ist. Freude über fortgesetzten regen Austausch, der durch einen mehr zufällig getätigten Besuch eingeleitet wurde. Einladung zu einem Besuch in Auleben.

24sten. In dem Augenblik, da ich meinen Brief durch eine Gelegenheit, die gerade hier ist, nach [Rosla] schikken will, erhalte ich Ihren Brief vom 13. durch Hemmerde über Nordhausen, der also nicht so lange unterwegs gewesen, als der neuliche über [Rosla]. Um diese Ge­ legenheit nicht zu versäumen kann ich Ihnen nur noch 2 Worte hinzufügen. Wie soll ich Ihnen für die neuen Beweise Ihrer Liebe danken? In der That, mein Theurer, Sie beschämen mich, und ich wünschte nur daß mein angelegentliches Studium unsern Briefwechsel, auch von meiner Seite interessanter zu machen besser gelänge. Welch ein glüklicher Einfall war es, daß ich im vergangenen Sommer den Tag in Halle verweilte. Wenn ich bedenke, wie Dinge, die Einem hernach so über alles theuer werden, so an bloßen Zufällen hängen, so erregt es mir oft sehr sonderbare schmerzliche und frohe Empfindungen. Warum konnte ich nur nicht, gleich als ich nach Burgörner kam, Sie um Ihre Freundschaft bitten, warum mußte ich albernen Besorgnissen nachgeben? Diesen Vorwurf mache ich mir jezt oft, aber er spornt mich nur noch mehr [an,] jezt um so inniger das Geschenk zu genießen, das Sie mir durch Ihre Freundschaft machen. – Aber der Bote eilt. Ich übergebe also Herodot, Homer und sogar den Verwittweten Spalding. Seine Art der Kälte muß Sie nicht irren. Es ist Deferenz, Bescheidenheit und Charakter. Er ist ein braver Mensch. Aber in der iustitia distributiua ist er offenbar zurükgekommen. In Ihrem Kalender soll kein pascha stehen. Aber dürfen wir nicht hoffen, daß nur immer die entfernten Feste fehlen, und die nahen groß angeschrieben sind? Verzeihen Sie der Freundschaft, wenn sie zudringlich wird. Meine Frau schreibt eben in Ihrem schönen σκεπάστρῳ und dankt herzlich. Die Kleine auch für die Küsse. Leider ist noch kein Zahn da. Das Maaß erfolgt. Tausend Empfehlun­ gen von uns beiden an Ihre Frau Gemahlin. Ewig Ihr H. Der Wood soll zur gehörigen Zeit erfolgen. Ich könnte ihn in 8 Tagen Ihnen wieder­ senden. Aber meine Frau bittet um Aufschub. Vielleicht erfolgt dann auch der Aeschylus.

3 f. Rossel h  14  mehr jezt h D

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255.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 25. Januar 1793

Entschuldigung für Unterbrechung der Korrespondenz, die durch Gentz’ Buch verursacht wurde.

Verdammen Sie mich nur, schimpfen Sie, alles was Sie wollen. Ich verdiene im­ mer noch mehr. Aber ich schreibe mit nächstem Posttag. Gentz Buch hat mich mit so aufgehalten. Ich habe Ihnen viel darüber zu sagen. Schreiben Sie mir doch auch Ihr Urtheil, daß sich diese sententiae auf der Post begegnen. 5

25 Jan. 1793.    H. Die Inlag[e] geben Sie eigenhändig an meinen Bruder.

256.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 27. Januar 1793

Begeisterte Würdigung der Burke-Bearbeitung durch Gentz, insbesondre dessen eigenständiger Beiträge. Durch Wolfs Besuch veränderte Einschätzung seines Intellekts; eigene Griechischstudien.

Auleben, 27. Jan. 1793.

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Viele Ursachen kamen zusammen, lieber Brinckmann, mein langes Stillschwei­ gen hervorzubringen. Keine kann eigentlich eine wahre Entschuldigung genannt werden, da ich freilich immer Zeit gehabt hätte, Ihnen zu schreiben, und ich führe Ihnen also keine an; indeß waren sie doch alle zusammengenommen in der That die einzige Veranlassung. Das Wichtigste, was in dieser Zeit vorgieng, ist unstreitig ein Brief von Gentz mit seinem langerwarteten Buche. Sie kennen meine Vorurtheile gegen diese ganze Ar­ beit aus meinen vorigen Briefen, und mit diesen gieng ich an das volumineuse opus. Aber ich vermag Ihnen nicht zu beschreiben, wie ich mich überrascht fand. Jedes neue Blatt zog mich stärker an, als das vorhergehende, ich las und las wieder, las bis spät in die Nacht hinein, und studirte es 3 Tage so ununterbrochen und mit so ­angestrengtem Eifer, daß ich in wenig Büchern jezt so bewandert bin, als in die­ sem. Allein sehr lange ist mir auch kein so eigentlich klassisches Buch zu Gesicht 6  Die Inlag H || 2 Brinkmann, D3  5 indessen D3 

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Brief 256

gekommen. Ich rede jezt nicht vom Burke eigentlich, so sehr auch der ein Meister­ stük von Politik und Beredsamkeit ist. Aber ich meine eigentlich Gentz Arbeit, die Ueber­sezung, Erläuterung, feine Berichtigung und die treflichen Abhandlungen. Es ist wahr, wie Sie schreiben, daß Gentz viel und sehr viel von andern fordert. Aber wie dieß Buch, wenn Sie oder ich es geschrieben hätten, wie es da ist, noch eine sei­ ner höchsten Forderungen unbefriedigt lassen könnte, begreife ich nicht. Sie werden sagen, daß ich stark lobe, weil ich selten lobe. Aber es ist mein innigstes Gefühl, ich bin in der That von einer tiefen Achtung für ein solches Geistesprodukt durchdrun­ gen, und ich bedarf der energischsten Ausdrükke um es in seinem ganzen Umfange darzustellen. Was gerade diesen wirklich großen Eindruk auf mich gemacht hat, ist der Rükblik, den das ganze Buch, und jede Seite ohne Ausnahme, auf den Kopf er­ laubt, der es schrieb. Man kann eine aus tiefem und anhaltendem Nachdenken ge­ schöpfte Politik, die überall sich so bestimmt und klar zeigt, unmöglich verkennen; aber es ist noch weit mehr als das, soviel auch dieß schon an sich ist, diese Politik ist überall auf die Geschichte angewandt, durch sie berichtigt, und so im höchsten Grade pragmatisch gemacht, und hier leuchtet besonders nicht bloß ausgebreitete Belesenheit, sondern tiefes Studium der Verfassung der wichtigsten Völker durch; sie ist aber ferner in dem Grade lebendig, daß sie in die ganze Denkart und Hand­ lungsweise übergegangen scheint, und daher mit einer Energie hervortritt, die un­ terstüzt von dieser Gabe des Styls, und dieser Vertrautheit mit jedem Vortheil, den die Sprache erlaubt, nothwendig selbst jeden Zweifel unterdrükken muß. Dieß sieht man, meinem Gefühl nach, offenbar in dem Buche, und wenn ich gleich dieß alles einzeln in Gentz kannte, so hielt ich es dennoch nicht für möglich, es so darzustel­ len, daß es jeder, der nicht irgend verschlossenen Sinns ist, fühlen muß. Vorzüglich schön sind die lezten Abhandlungen, und meisterhaft und unübertreflich in jedem Sinne die Stelle über Krieg und stehende Armeen. Was auch besonders schön ge­ gen Burke kontrastirt, ist, daß wo man in Burke den einseitigen Politiker, den Staats­ mann sieht, dem es nur daran liegt, dem Staate Festigkeit zu geben, und der wenig andre Rüksichten nimmt, in Gentz immer zugleich alle Gesichtspunkte vereint sind, daß in ihm der Politik noch ein milderes Licht einer menschenfreundlichen Philoso­ phie leuchtet, daß er nie bloß den Bürger, sondern immer den Menschen, der aber freilich nur als Bürger gedeihen kann, vor Augen hat. Der Stil in den philosophi­ schen Abhandlungen verräth unendlich oft den Schüler und Leser Kants, an einigen Stellen möchte ich behaupten, Kant hätte so schreiben müssen, wenn er gleichviel Geschmak und Sprachkenntniß, als Gentz besessen hätte. In den historischen und politischen weht der Geist der Engl. Schriftsteller, und vorzüglich durchaus eine 15 Meisterstück D3  Meisterstück der Politik und der D2  18  von andren D3  40 stehnde Armeen D3 

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ernste, würdige, wenn gleich manchmal heftige Männlichkeit, gegen die man aufzu­ treten erröthet. Dann aber sind vorzüglich in der Uebersezung (die nun überhaupt schlechterdings die Einzige ist, die noch existirt) Stellen von wahrhaft poe­tischer Feinheit und Zartheit. Kurz Gentz zeigt in diesem Buche eine Vollendetheit der Kul­ tur, die nur die Frucht eines solchen Kopfes, so warmen und heftigen Gefühls, und so anhaltenden Studium[s] sein konnte. – Mit dem innigsten Vergnügen habe ich Ihnen dieß Urtheil geschrieben, und ich werde mich freuen, wenn, wie ich Ihnen neulich sagte, unsre Urtheile einander auf der Post begegnen. Ich weiß, Sie theilen meinen Enthusiasmus. Doch genug davon. Wie sich dieß mein Lob und die wirkliche Anerkennung der Grundsäze mit meinen eignen verträgt, werden Sie leicht selbst sehn, sobald Sie auf die Verschiedenheit der Gesichtspunkte achten, u. so seze ich hierüber nichts hinzu. Wolf ist beinah 14 Tage bei mir gewesen, und ich habe ihn unendlich lieb gewon­ nen. Ich bin jezt in regelmäßigem Briefwechsel mit ihm, und er erweist mir sehr viel Liebe. Ich glaube ich sagte Ihnen einmal als Sie mich nach Potsdamm begleiteten, daß ich seine Gelehrsamkeit doch mehr schäzte, als seinen Kopf. Aber ich muß es heute zurüknehmen. Er hat überaus viel eigentliches Genie, und nicht bloß Scharf­ sinn, sondern überhaupt eine philosophische Anlage. So hat er über seine Studien allgemeine Blikke, die er bald zum Theil in seiner neuen Encyklopädie entwikkeln wird, und die vortreflich sind. Er interessirt mich auch jezt um so mehr, als ich mit je­ dem Tage den humanistischen Studien treuer, und allem Andern abgesagter werde. Wenn es so bleibt, und ich habe in der Angemessenheit dieses Studiums zu den An­ lagen meines Kopfs, meinem Gefühl u. Charakter, sehr viele Kennzeichen, daß es nicht leicht anders sein wird; so möchte ich wohl mein ganzes Leben hindurch mich nicht mehr aus Hellas entfernen. Auch fange ich jezt an, nach und nach Griechisch zu wissen, und arbeite ich so fort, so hoffe ich bald über die Mühseligkeiten hinweg zu sein, die dieß Studium freilich mehr, wie ein andres aufhalten. Uebrigens lebe ich wohl, vergnügt, und mit tausend frohen Erinnerungen an Sie, mein Theurer. Wie können Sie fragen, ob ich im Sommer mit Frau und Kind nach Berlin, oder vielmehr nach Tegel komme? Ich sagte es Ihnen ja schon mündlich. Es ist völlig gewiß. Im Julius spätestens. Wie herzlich freue ich mich dann auf Sie. Alexander ist jezt bei Ihnen. Ich möchte ihn Ihnen beneiden. Ich liebe ihn erstaunlich. Schreiben Sie mir doch, was Sie mir von Hagens zu erzählen haben. Ihre Königsmörder haben mich sehr interessirt. Die Darstellung der Charaktere ist Ihnen vortreflich gelungen. 51  man aufzustehen D2  56  Studium sein H  68  über sein Studium D3  71 Andren abgesagter D3  75 griechisch D3 

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Brief 256–257

Leben Sie wohl, verdammen Sie nicht ganz Ihren alten Freund, und schreiben Sie ihm einmal wieder. Ewig Ihr H.

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Erinnern Sie doch Spaldingen das Hebräische Lexicon, und [S]ich den Catalo­ gus der Bibliothek.

257.  An Wolf in Halle

Auleben, 6. Februar 1793

Verwirrung bei der Postzustellung und Maßnahmen zu ihrer Behebung. Lektüre: Aischylos, Wood, Lechevalier. Philologica: schwierige Stellen bei Thukydides und Homer. Gemeinsame Herodotlektüre mit Karoline; deren Wunsch, ihn eines Tages zu übersetzen. Gentz’ Bearbeitung von Burkes Schrift gegen die französische Revolu­tion; die Hinrichtung Ludwigs XVI.

Auleben, [6]. Februar, 1793. Wie angenehm, theurer Freund, war heute mein Erwachen, als das Erste, was mir gebracht wurde ein Brief von Ihnen war. Ich riß ihn mit großer Begierde auf, und wenn gleich meine Freude dadurch wieder vermindert wurde, daß ich sah, daß Sie so lange ohne Brief von mir geblieben waren, so gewährte mir doch auch auf der andern Seite die Ungeduld, mit welcher Sie diesem Briefe entgegensehen eine herz­ liche und innige Freude. Wie soll ich Ihnen für diese Wärme Ihrer Freundschaft, für diese liebevollen Erinnerungen an die Tage, die wir hier mit einander verlebten, dan­ ken? wie Ihnen nur mit der Innigkeit, mit der ichs empfinde sagen, wie unendlich und unbeschreiblich theuer mir jedes Andenken an jene Tage, und jezt jede Zeile Ih­ rer Hand ist? Wir sehen uns ja, hoffe ich, bald wieder und Ein Augenblik der Gegen­ wart ist dann mehr, als alle Briefe. Lassen Sie mich also von diesen Empfindungen in Briefen ganz schweigen, so schwer es auch ist, da man so ewig auf sie zurükgeführt wird. An Ihrem langen unbefriedigten Aussehen nach Briefen von mir bin ich nicht Schuld, theurer Freund, sondern die Verdammniß trift allein die Post. Mein Brief, den Sie nun doch Gottlob haben werden, wird Ihnen gesagt haben, daß ich die Ant­ wort auf Ihren ersten Brief höchstens um 2 oder 3 Tage aufschob. Ehe ich ihn noch abschikte erhielt ich Ihren zweiten mit dem Wood und heute Ihren dritten vom 28. Jan. der also wieder wenigstens 9 Tage unterwegs war. Alle Schuld, die auf mich 91  und sich H  ||  6  diesem Brief h D1 entgegensahen D2 

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fallen könnte, wäre also, Ihnen nicht schon vor Ihrem ersten Briefe geschrieben zu haben, und da erwartete ich täglich den Ihrigen, der aber auch so lange herum­irren mußte. Da ich neulich den Wood über Nordhausen geschwinder erhielt, so mache ich es heute so. Diesen Brief schikke ich übermorgen (d. 8tn, denn die Post geht erst den 9tn, und ich schreibe nur heute schon, weil ich morgen und übermorgen nicht füglich Zeit habe) nach Rosla und an demselben Tage lasse ich auch ein Paar Zeilen an Sie nach Nordhausen gehen. Sie werden mir dann sagen, was Sie zuerst erhal­ ten. Mein lezter Brief war, damit Sie auch da die Zeit genau berechnen können am 25. Jan. von hier und am 27.stn Jan. von Rosla abgegangen. Zugleich werde ich mich jezt in Rosla erkundigen lassen, ob nicht die Briefe auch dort liegen bleiben? Ich bin seit Ihrer Abreise in meiner TafelBibliothek (ein Ausdruk, der zu schön ist, um ihn untergehen zu lassen) fortgefahren und habe die Supplices, den Aga­ memnon und die halben Perser außer dem gewöhnlichen Lesen mit meiner Frau im Homer und Herodotus geendigt. Der Agamemnon hat mich sehr stark angezogen, er ist wohl unstreitig Aeschylus schönstes Stük, und wenn mir die Musen zusagten, übersezte ich die Chöre gern. Der Schwierigkeiten sind freilich unglaubliche, aber eben sie reizen auch wieder, und troz seiner Weitläuftigkeit hat doch auch Schütz viel gethan, so oft er mir auch Gelegenheit zu zweiflen gelassen hat. Denn mir be­ gegnet in dem Schützischen Kommentar sehr häufig, daß ich die Beweise bald für die Bedeutung eines Worts, bald für die Richtigkeit einer Construction vermisse, daß ich also anstehe, und doch weder ihn einer Unrichtigkeit zu überführen, noch etwas Besseres anzugeben weiß. Dann ist auch statt der Interpretation so oft Ueber­ sezung und bei dieser scheint es ihm oft mehr auf eigne gute diction, als auf prae­ cision angekommen zu sein. Daher bin ich fast noch von keinem Commentator so oft mit schwankenden Begriffen weggegangen. Ende dieses Monats hoffe ich den Aeschylus ganz und gar zu absoluiren, und gehe dann an den Thucydides. Den Wood und Chevalier habe ich gleich in 2 Tagen gelesen, der Wood hat mir bei manchen chimärischen und manchen unbefriedigenden Raisonnements den­ noch viel Freude gemacht, und der Chevalier unendliche. Was Sie auch sagen, lie­ ber Freund, es ist doch gewiß ein großer Genuß selbst in Troas herumzuwandern, und die Sonne hinter dem Athos untergehen zu sehen. Auf der Spize des Ida sol­ len Sie selbst mir Recht geben. Im Chevalier sind mir 2 Heyniana aufgestoßen, die ich Ihrer Prüfung unterwerfen muß. Im Register las ich: Thucydides I. 11. berichtigt. Da mir die Stelle lang schwierig gewesen war, können Sie denken, wie begierig ich nachschlug. Die Stelle heißt nemlich ἐπειδὴ δὲ ἀφικόμενοι μάχῃ ἐκράτησαν, δῆλον

δέ. τὸ γὰρ ἔρυμα τῷ στρατοπέδῳ οὐκ ἂν ἐτειχίσαντο. φαίνονται δ᾿οὐδ᾿ ἐνταῦϑα πάσῃ τῇ δυνάμει χρησάμενοι, ἀλλὰ πρὸς γεωργίαν τραπόμενοι. oder nach Heilmanns 55  δ᾿ὀυδ᾿ D2 

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Brief 257

Interpunction, welcher Heyne folgt ᾿Ε. δ. ἀ. μ. ἐκρατησαν, (δῆλον δέ· τὸ γὰρ ἐ. τ. στρ. οὐκ ἂν ετειχίσαντο) φαίνονται u. s. w. In dieser angeblichen Berichtigung nun will Heyne οὐκ ausstreichen, oder vielmehr er sagt nur, „man sollte dieß denken“ und läßt den Leser in der Ungewißheit. Ich gestehe, daß ich das nicht denke. Mir sind bei der Stelle 2 Fragen schwierig: 1., welchen Saz soll die Parenthese beweisen: den vordern od: den nachfolgenden, und wie thut sie dieß dem Sinn nach? 2., von welcher Mauer ist die Rede? der Homerischen oder einer früheren? ad 1., erfordert der Sprachgebrauch nothwendig die Parenthese auf den vorhergehenden Saz, den Sieg zu ziehen. Auch sehe ich hier nicht die von Heyne erregte Schwierigkeit. Wenn ein Heer in einem fremden Lande sein Lager befestigt, muß es freilich Besorgnisse haben (wie die Griechen wegen Achills Entfernung) aber es muß auch wenigstens soviel Vortheile gewonnen haben, um soviel festen Fuß fassen zu können (wie denn die Griechen auch nach der ersten Schlacht und dem unentschiedenen Zweikampf Ajax und Hektors wenigstens nicht besiegt waren[)]. ad 2., aber ist die Schwierigkeit größer. Spricht Thucydides von Homers Mauer, wie hängt da das erste Jahr mit dem zehnten zusammen? Hier also scheint Heynes Emendation zu passen. Allein streiche ich das οὐκ weg; so scheint mir die Periode mangelhaft. Ein so genauer Schriftsteller wenigstens, als Thucydides, hätte bestimmter geredet. „Sie siegten, denn sonst hät­ ten sie eine Mauer gebaut.“ Jedem muß hier einfallen, aber sie bauten ja eine? und Thucydides hätte, um genau zu reden, nothwendig sagen müssen „sonst hätten sie gleich, im ersten Jahr die Mauer gebaut[“]. Dem wüßte ich nicht abzuhelfen, als in­ dem ich ἀ[φ]ικόμενοι in Gedanken wiederholte „ankommend hätten sie u. s. w.[“] welches immer hart ist. Lasse ich also οὐκ, was ich, wenn Sie mich nicht eines Besse­ ren belehren, zu thun entschieden bin; so komme ich auf eine frühere Mauer zurük. Eine solche nennt auch der Scholiast zu dieser Stelle. Woher? entscheidet meine Ta­ felBibliothek nicht. Aber seine andre gleich folgende Nachricht, daß Acamas und Antimachos den Akkerbau in Troia dirigirt, könnte vielleicht auf eine Spur führen. Sonderbar ist es nun, daß Köppen, ohne wenigstens den Thucydides anzuführen, in dem Homer selbst eine frühere Mauer findet, und dabei gar keinen Zweifel hat. Die Stelle ist Il. X I V. 31. 32.

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τὰς γὰρ πρώτας πεδίονδε Εἴρυσαν, αὐτὰρ τεῖχος ἐπὶ πρύμνῃσιν ἔδειμαν.

und in der That scheint das Ziehen und Bauen hier zu Einer Zeit geschehen zu sein. Indeß schlägt Nestor den Bau einer Mauer so feierlich vor, und Neptun hat ein so großes Wunder darüber, daß ich mich nicht enthalten kann zu glauben, nach Ho­ mer wenigstens sei diese Mauer die erste aller ihm und den Griechen bekannten, und eine ganz neue unerhörte Sache gewesen. Ja, ohne den Grabhügel, mit dem 61  beweisen den h D1-2  62 Sinne D1  78  ἀπικόμενοι H  ἀφικόμενοι h D1-2  92  bekannten und D2

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schon quasi aliud agendo ein großer Theil der Arbeit gethan war, scheint es selbst, daß Nestor nicht auf den Einfall gekommen sein würde. Sagen Sie mir doch Ihre Meinung. Aber daß Heyne, selbst wenn das Weglassen des οὐκ richtig ist, etwas so Vorgetragenes eine Berichtigung nennt, ist stark. Das Zweite ist die Stelle Il. X V I . 397.

μεσηγὺ Νηῶν καὶ ποταμοῦ καὶ τείχεος ὑψηλοῖο

Hier soll Patroclus nach Heyne (p. 257. nt. x.) die Troer erst zwischen Strom und La­ ger und dann zwischen Strom und Stadt verfolgen. Allein so, glaube ich, drükt sich Homer nie aus, und es ist nicht vom ersten Verfolgen des Patroclus hier die Rede, sondern davon, daß er sie nicht zur Stadt zurükläßt, und nun μεσηγὺ u. s. w. an­ greift und tödtet. Auf der zerstreuten Flucht waren, dünkt mich, sehr natürlich die vordersten Troer schon über den Fluß gegangen, die hintersten noch diesseits des­ selben, und Patroclus mit seinen Myrmidonen griff sie nun auf der ganzen Ebne an. So ist wenigstens Homers Ausdruk völlig genau und wahr. Jezt lassen Sie mich Ihnen ein Paar Worte über Ihr neuliches Blatt sagen, auf das ich lezthin nicht mehr antworten konnte. Il. ξ. v. 249. habe ich Ihre Lesart aus Köp­ pen, meiner Quelle für Ihre Edition, nicht sehen können, bin aber, wie ich Ihnen offenherzig gestehe, ganz allein für die vulgata. Die Gründe lassen sich zwar, dünkt mich, schwer deutlich entwikkeln, sie scheinen mir indeß folgende: 1., und vorzüg­ lich, wenn man die Stelle im Zusammenhange liest, ist alles aptius und concinnius, wenn die Rede bis v. 256. allein von der Juno ist, und man fühlt sich durch etwas angestoßen, wenn des Jupiters ἐφετμῇ dazwischen kommt. 2., fällt bei der vulgata der Gegensaz v. 249. ἤδη γάρ με καὶ ἄλλο τεὴ ἐπίνυσσεν ἐφετμὴ und v. 262. νῦν αὖ τοῦτό μ᾿ἄνωγας ἀμήχανον ἄλλο τελέσσαι bei weitem besser in die Augen [(]Sie müs­ sen mich hier nicht misverstehn, als glaubte ich der Gegensaz verlöre durch ἄλλοϑ᾿ nein! aber durch die zwiefache Person Jupiters und Junos[)]. 3., ist wohl für das, was Jupiter gesagt haben könnte ἐφετμὴ nicht das ganz eigentliche Wort, was auch der Scholiast zu fühlen scheint, indem er es durch ἀπειλῇ erklärt. 4., endlich ver­ kroch sich ja der kleine Schlafgötze gleich unter den Mantel der Nacht und Jupiter scheint nicht mit ihm gesprochen zu haben. Das ἅπαξ λεγόμενον ποτὶ ἕσπερα wofür ich Ihnen, als etwas mir ganz Neues, herzlich danke, macht Ihnen meine κουριδίη nicht streitig, aber die schöne Schirminschrift haben wir für ein οὐδαμοῦ λεγόμενον im Homer gehalten. Od. X V III . 277. läse ich sehr gern ἀνάγουσι, aber Π. 370. hat mir ἀπήγαγεν (von uns und dem Ort seiner Abfahrt weg und nach Hause hin) ge­ fallen. Doch ist wohl der Sprachgebrauch nicht dafür? und ich submittire gern Ihrer Critic. 107 Ebene D1-2  111  Edition nicht, D1 

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Brief 257

Nun erlauben Sie mir wohl noch einige Homerische Stellen hinzuzufügen, über die ich gern gelegentlich von Ihnen Licht erhielte. Il. ο. v. 459. 460. Wäre hier nicht μάχην besser. Μάχης wie jezt steht, kann ich nicht anders construiren als ἔπαυσέ (scil. μιν) μάχης εἴ μιν u. s. w. Allein 1., ist dann der Saz ganz tautologisch, und dann scheint auch 2., ἀριστεύοντα darauf zu führen, er hätte der ganzen Schlacht ein Ende gemacht. Müßte, wenn dieß richtig wäre, nicht auch v.  460. (aber verzeihen Sie meine sonderbaren Fragen!) μὶν wegen des Nachdruks selbst einen accent erhalten und ihn nicht auf εἰ zurükwerfen? Il. π. v. 99. νῶϊν δ᾿εκδῦμεν ὄλεϑρον. Diesen Dativ und Infinitiv verstehe ich nicht anders als durch eine Ellipse von δῴη oder derglei­ chen. Aber da außer dem Anruf an die 3 Götter v. 97. gar kein Subiect da ist, und die ganz verschiedne Construction v. 98. kurz vorhergeht, so ist es doch sehr hart hier auch ϑεὸς oder so etwas noch ergänzen zu müssen. Auch weiß ich nicht, ob ἐκδῦμεν nothwendig der Inf. sein muß, und nicht ein auf ähnliche Art wie τιϑεῖμεν verkürz­ ter optativ sein könnte. In der Grammatik finde ich, daß die verba in υμι bei den Ioniern und Poeten Optative haben, ich gestehe Ihnen aber offenherzig meine Un­ wissenheit, daß ich ihre formation nicht kenne. Nur der Inf. zwischen allen Optati­ ven fällt mir auf. So eben, als ich alles dieß Zeug hingeschrieben habe, sehe ich, daß Didymus γένοιτο supplirt und weiter keine Schwierigkeit findet. Wenn dieß richtig ist, so bitte ich Sie diese Stelle nun auf sich beruhen zu lassen. Il. π. v. 500. νεῶν ἐν ἀγῶνι. Ich merke diese Stelle bloß an, weil ich mich erinnere, daß Sie mir über ἀγὼν hier etwas gesagt, das mir neu war, das ich aber vergessen. Il. π. v. 667. 668. Die beiden Arten der Konstruktion, die Köppen ad v. 667. u. 678. hier angiebt, scheinen mir ungriechisch. Ich würde construiren: κάϑ. Σαρπ. κελ. αἷμα, ἐλϑὼν (nemlich auf dem Schlachtfelde und mit ihm, ihn tragend) ἐκ βελέων. Noch fiel mir [(]was ich aber wieder verwarf[)] ein ἔρχεσϑαι hier für gehen machen i. e. tragen zu nehmen (wie βαίνειν im Homer sonst steht) und unmittelbar mit Σαρπ. zu verbinden, oder zu construiren ἐλϑὼν (neml. vom Ida aufs Schlachtfeld) κ. Σ. κ. αἷμ. εκ. (für ἔξω) βελέων so wie Il. η. v. 436. ἐκ πεδίου genommen wird. Doch bin ich auch wegen die­ ser lezten Stelle ungewiß und sie ist noch unter denen, die Sie hier aufzeichneten. So ungewiß, lieber Freund, irrt unser eins noch im Reiche möglicher Konstruktionen herum. Wenn ich das manchmal bedenke, so brauche ich in der That viel, um nicht ganz muthlos zu werden. Doch ich will Ihnen nicht vorklagen. Endlich wünschte ich, Sie sähen Il. ο. v. 556. und π. v. 350. und Köppens Erklärung beider Stellen an, und sagten mir, ob er Recht hat? Daß alle diese Bitten nur bedingungsweise, wenn nemlich Sie einmal in diese Gesänge der Iliade zufällig verschlagen werden, gesche­ hen, wiederhole ich nicht mehr. 132  wäre hier D2  142  so etwas ergänzen h D1  152  ad. v. 667. D2  154 [(w]as h D1  157  αἶμ. H h D1-2 

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Vom Herodot schweige ich, meinem lezten Brief zufolge. Unter den Stellen, die ich neulich anmerkte, habe ich mir ein Paar schon selbst durch das Fortlesen, wo ähnliche vorkamen, erklärt. Auch weiß ich nicht, wie ich über νευρῆφι im Homer so zweifelhaft sein konnte, da εὐνῆφι mehrmals vorkommt. Hätte ich endlich den Aufsaz noch einige Tage länger behalten, so hätten Sie ihn nicht bekommen. Ich that neulich einen Blik in mein Brouillon und schämte mich in der That. So flüchtig ist er hingeworfen. Sehn Sie nur auf den guten Willen und verzeihen Sie das Mislingen. Im Herodot sind wir bei der Nitocris und den immensen Wällen, womit sie den Leuten Wege und Aussicht versperrt. Meiner Frau gefällt er so gut, daß wir schon den Plan gemacht haben, daß sie ihn, wenn Ihre Ausgabe erscheint (Sie sehn, daß sie Zeit genug zum Zulernen hat) übersezen soll. In der That, glaube ich, sollte die Nachahmung dieser Naivetät wenigen so gut gelingen, und Sie selbst werden nicht zweiflen, wenn Sie Sich erinnern, wie sehr sich unsre Sprache verhomerisirt hat. Giebt es keinen simpeln, wenn auch schlechten Abdruk, des Aeschylischen Tex­ tes, oder der 3 lezten Stükke? Schütz säumt solange und erscheint vielleicht gar nicht, und ich hätte doch gern den ganzen Text. Nun noch ein Wort aus der modernen Welt, und dann schließe ich den wieder ellenlangen Brief. Suchen Sie doch Burkes Betrachtungen üb. d. Französische Revol. übers. und mit pol. Abhandlungen begleitet von Gentz zu sehen, und durchzublät­ tern. Die Uebersezung ist gewiß meisterhaft, und in den Abhandlungen viel Schö­ nes und wie es mir scheint tief Gedachtes und fein Bemerktes. Empfehlen Sie es der Jungfrau, als einen Prüfstein ihrer Geduld. A propos was sagt sie von der Hinrich­ tung des Königs? – Sehn Sie, Lieber, meine Unglüksprophezeihung ist eingetroffen, diese Hinrichtung und dieser abscheuliche Proceß sind doch ein nie auszulöschen­ der Flekken. Meine Frau grüßt Sie herzlich und liest jezt, so oft sie Zeit hat, in Ihrem Wood. Wenn Sie wüßten wie oft wir von Ihnen reden. Sie glauben in der That nicht wie unendlich viel Freude uns Ihr Besuch gemacht hat. Leben Sie recht wohl, theuerster, innigstgeliebter Freund, und behalten Sie uns in freundschaftlichem Andenken. Ihrer Frau Gemahlin empfehlen wir uns beide er­ gebenst. Ewig der Ihrige, Humboldt. Die Kleine ist wohl und meint, Sie möchten wiederkommen, und sie springen las­ sen. – Sie vergessen doch nicht die Subscription auf Voss Homer?

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258.  An Hemmerde & Schwetschke in Halle

Auleben, 7. Februar 1793

Bücherbestellung; Frage nach der Subskription auf Bayle; Zahlungsmodalitäten.

Auleben, 7. Februar, 1793. Ew. Wohlgeb: danke ich recht sehr für die neulich richtig erhaltenen Bücher und erbitte mir wiederum 1., Potters Archäologie, die deutsche Uebersezung, mit den Rambachischen Zusäzen, 2., Schlözers Allg. Weltgeschichte. Die neueste Auflage[,] gleichfalls in blau Pa­ pier geheftet. Auch wünschte ich zu wissen, wie es mit der Subskription auf den Bayle steht, um die ich Sie im vergangenen Jahre ersuchte. Was endlich die Bezahlung meiner Rechnung betrift, so wünschte ich sie bis zum Sommer aufzuschieben, wo ich selbst nach Halle komme. Sollte Ihnen indeß daran gelegen sein, sie noch vor der Messe zu erhalten; so bitte ich Ew. Wohlgeb: mir die Rechnung mit nächstem zu schikken. Ich habe die Ehre, mit der vollkommensten Hochachtung zu sein Ew. Wohlgeb. ergebenster, Humboldt.

259.  An Brinkman in Berlin

Auleben, 8. Februar 1793

Ausführliche Begründung – auch Alexander gegenüber – des Entschlusses, den Druck von Staatswirksamkeit vorerst aufzuschieben: die Notwendigkeit einer Umarbeitung; das Fehlen einer Berücksichtigung der bisherigen staatstheoretischen Literatur. Verteidigung Gentz’; Lob seiner Burke-Bearbeitung. Brinkmans Umgang mit Alexander.

Antwort auf nr. 1.

Auleben, 8. Febr. 1793.

Ich habe Alex: neulich versprochen, mich in einem Briefe an Sie über das grüne Buch und das Lob des Gentzischen zu erklären, und ich thue dieß heute. Dieser 6 Auflage. H

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Brief ist also auch Alex. geschrieben, und ich bitte Sie, ihn ihm ausdrüklich in ex­ tenso mitzutheilen. Ueber das grüne Buch zuerst die Geschichtsfakta. Kurz nach Weihnachten schrieb mir Schiller, daß Göschen weil er mit Wielands neuer Ausgabe beschäftigt sei, das Buch nicht nehmen könne, daß er aber einen an­ dern Buchhändler suche. Als ich noch damit umgieng mich wegen einer Antwort zu entschließen, schrieb er mir wieder er habe einen für dasselbe Honorar. Auf diese Nachricht bat ich ihn, weil ich das Buch noch umändern wollte, die Unterhandlung deshalb abzubrechen. Er billigte dieß und es ist nun geschehen. Nun meinen Entschluß: es ist nie mein Wille gewesen, und wird es schwerlich je sein, das grüne Buch gar nicht drukken zu lassen; aber es ist meine ernstliche Mei­ nung es in mehreren Stellen umzuarbeiten, vorzüglich vorn die Gesichtspunkte mehr auseinanderzusezen, und darum den Druk bis ich dieß ganz fertig gethan habe, aufzuschieben. Dieß zu thun aber kann ich mich unmöglich zu jeder Zeit zwingen, und um darin ganz frei zu sein, habe ich die Buchhändlertractaten abge­ brochen. Ihr und Alex. Urtheil über das grüne Buch ist mir nicht allein lieb und an­ genehm, sondern auch – ohne Schmeichelei – wichtig und entscheidend. Zu Ihrem kommt Schillers und si magna licet componere paruis Biester. Wäre mir es also nur um den gewöhnlichen Beifall eines Buchs zu thun, so ließe ich in Gottes Namen drukken. Aber die Ideen sind mir zu wichtig um sie auf eine nicht ganz vortheil­ hafte Art in die Welt zu schikken, und der Gedanke, eine Arbeit, die ich selbst als unvollkommen erkenne, ohne Noth, eben so unvollkommen bekannt zu machen, ist mir unausstehlich. Als Sie mich in Berlin sahen, war ich im ersten Taumel des Schreibens. Ich habe jezt Muße zum Nachdenken gehabt und bin kälter geworden. Die Unvollkommenheiten nun, od: mit einem Wort mein ganzes Urtheil ist dieß. Ich halte das Buch nicht allein für gut, sondern – warum sollte ich mich zieren – auch seinen HauptGesichtspunkten nach, für neu und tief, und so, daß gerade meine Wendung des Kopfes und Charakters dazu gehörte, um gewisse Dinge zu finden u. darzustellen, eine Wendung, die, sie möchte an sich sein, wie sie wollte, doch viel­ leicht nicht sobald wiederkommt. Ich sehe daher auch das grüne Buch warlich gar nicht, wie ein andres Buch an, vergleiche es mit keinem andren, am wenigsten mit einem so horrend diversen als dem Burke, und die ganze Welt, nicht Gentz allein, möchte schreien, daß es schlecht wäre, so würde das meine Ruhe nicht stören. Was ich hier von dem Buche sage, trift den Gesichtspunkt auf die Bildung des Menschen bei politischen Einrichtungen, und die Art dieser Bildung. Darin weiß ich wenig oder nichts an dem Buche zu tadeln. Vielleicht könnte manchmal die Darstellung kürzer, manchmal mit gleicher Kürze deutlicher sein, aber das sind Kleinigkeiten.

5 Geschäftsfakta. D4  7  einen andren D4  30  dazu gehörten, D3  34  und alle Welt, D3 

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Brief 259

Nun aber habe ich dieß allgemeine im Grunde rein anthropologische Raisonnement auf Staaten angewendet, und denen eine Norm, wenn gleich nur als Ideal vorschrei­ ben wollen. Hier kommen nun ganz andre Fragen, vorzüglich 1., können Staaten so bestehen? 2., würden nicht, wenn sie so wären, andre nothwendige Bedingungen zur Bildung hinwegfallen? Ich sage gar nicht, daß das so ist, aber, ich sage nur, daß ich daran während des Schreibens gezweifelt, und noch nicht gewiß bin. Dieß ist Ein Hauptpunkt. Ferner ist doch von einem litterarischen Produkt zu erwarten, daß der Verf. es mit den vorhandnen politischen Büchern verglichen habe, daß er weiß, was neu, was alt ist. Auch das fehlt mir und darum sammle ich vorzüglich gern Ur­ theile. Endlich wären auch beide Gründe nichtig, so sind doch noch alle überein­ gekommen, Biester, Schiller, Sie, Alex. daß einzelnen Abschnitten Umänderungen wohlthätig sein würden, und besonders vermisse ich gehörige Auseinandersezung der Gesichtspunkte. Warum in aller Welt sollte ich nun so schnell u. ohne diese Aen­ derungen drukken? Was gewinne ich im Grunde überhaupt durch den Druk, und was nun gar durch so schnellen? Lassen Sie mich also immer warten, das Buch er­ scheint gewiß, und ist es von der Art, daß es Eindruk macht, so macht es ihn tie­ fer, je schärfer der Stahl gewezt ist. Der Inhalt ist an gar keinen Moment gebunden, vielmehr ist es besser, es erschiene später in einem Zeitpunkt wo eine ruhigere Pra­ xis der Theorie mehr Gehör verschaffe. Auch sind die schönsten Stükke daraus ge­ drukt, vorzüglich in der Thalia. Die können vorbereiten und die Begierde – wenn es eine erregt – vermehren. Sehn Sie, so denke ich, und ich hoffe, Sie billigen mein Verfahren. Ich verspreche Ihnen gewiß: das Buch oder wenn ich auch das äußerste annehme ein neues daraus entstandenes erscheint, und erscheint sobald, als sich Muße, die ich jezt habe, mit Stimmung, die mir für polit. Gegenstände auf einem einsamen Dorfe mangelt, vereint. Ruhm suche ich nie, aber er kann nie durch War­ ten verlieren. Das Geschrei und Geldgerede werde ich doch nicht auch achten, und von Bibliothecaren des Lenthischen Clubbs abhängen sollen? Nehmen Sie nun das Schlimmste sogar an. Ich kriegte die Lust dieses Umarbeitens nie. Nun so ist auch dann noch ebensogut, als jezt zum Drukke des jezigen Manuskripts Zeit. Ich weiß nicht, aber es mag vom Lesen der Alten herrühren, ich habe jezt ein großes Streben nach einer gewissen Vollendung, und wenn dieß mich vom vielen Drukkenlassen abhalten wird, so wird es doch das Publikum vor schlechtem bewahren. Mein künf­ tiger Pindar und Thucydides sollen, denke ich, wenn sie nicht unter dem Streben ersterben, dadurch mächtig glänzen. Was Gentzen betrift, so kann ich mich nicht enthalten, zu glauben, daß Sie ihm Unrecht thun. Was Sie auch sagen mögen, ich weiß, was ich Gentzen sein muß, und 40  ein ganz allgemeines, im Grunde ganz D3  41  wenn auch nur D3  48  was neu und was alt D3 das fehlte mir D3  49  überein gekommen, D4  58  Gehör verschafte. D4  70  von vielem D4

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ich weiß, daß er mich nicht mit sich, und wenn ers gelesen hat, und nicht jezt ihn der Autorkizel verleitet, den Burke nicht mit dem grünen Buche vermengt. Ich will darum nicht sagen, daß ich mehr od: das grüne Buch besser sei. Noch einmal: ich vergleiche nicht gern das Heterogene. Mir haben viele zusammenkommende Um­ stände vieles gegeben, das mich ewig von allen andern Menschen unterscheiden wird. Dieß ist eigentlich bei allen Menschen der Fall, da jeder originell in sich ist. Aber das Individuelle meiner Individualität ist, daß sie so am Tage liegt. Gentz hat mich lange und offen, und ich weiß es gewiß tief gesehn, was jezt Umstände haben verwischen können, wird schon wieder hervorkommen, und das weiß ich gewiß, wenn ich einen Eindruk mache, so ist es ein bleibender. Was ich hier sage, muß und wird [S]ie nicht abhalten, in Ihrer Art ihn anzusehn zu bleiben und mir davon zu schreiben. Wir wären auf ewig geschieden, sobald ich merkte, Sie wären, meines Urtheils wegen zurükhaltend, u. Sie können das nie sein. Aber ich sage Ihnen meine Ansicht u. sage Sie Ihnen warm, weil ich Gentzen in der That äußerst liebe. Dieß hat mich auch verhindert, ihm od: Ihnen über die Dedication zu schreiben. Sie ist mir so verhaßt, u. seine Schwäche selbst kann nur durch so mannigfaltige unangenehme Eindrükke dahin gebracht worden sein, daß ich nicht gern daran denke. Aber das Buch selbst. Die Uebersezung geben Sie mir zu, lieber Freund. Und die Abhandlungen? Ich sehe schon, Sie werden mein Urtheil in meinem lezten Brief nicht ehrlich nennen, denn das ehrlich war so dik in Ihrem Brief unterstrichen. Aber ich kann nicht helfen, es ist einmal geschrieben, und die lezten Abhandlungen vor­ züglich sind warlich gut, und einzelne Stellen vortreflich. Doch wozu überhaupt meine Meinung rechtfertigen. Mehr als das wird es Sie amüsiren, wenn ich Ihnen erzähle, daß mein Schwiegervater mir darüber schreibt:

das Buch ist mir, wie aus der Seele geschrieben, und mit diesem loco classico lassen Sie mich denn diese beiden Punkte schließen, und nur noch hinzusezen, daß Sie nun wohl selbst sehn, wie ich G. um seinen Rath wegen des grünen Buchs gefragt habe, und wie ich ihn aufnehmen würde. Wie konnten Sie, Liebster, glauben, daß ich soviel Gewicht darauf legen würde? Sahn Sie mich denn je so auf Autoritäten bauen. Was Ihre Briefe, theurer Freund, mir immer für ein inniges Vergnügen gewähren, lassen Sie mich Ihnen nur wiederholen, um Sie zu bitten, nie wieder so lange zu schweigen. Jezt besonders, da Sie mit Alex. zusammen sind, lassen Sie mich ja recht oft wissen, welche Abentheuer Ihnen gemeinschaftlich bei Juden und Christen auf­ stoßen, vorzüglich auch lassen Sie mich von Gentz und seiner Jungfrau u. Spalding u. seiner Wittib, die mir Gentz lobt, hören. Ich werde dann glauben, manchmal un­ ter Ihnen zu sein, oder was mir lieber wäre, Sie hier zu haben, und so werden Sie das 80  was mich ewig D3  andren Menschen D4  81  Das ist eigentlich D3  85  mache, ist es D3

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Brief 259–261

nicht leere Maaß meiner Freuden durch die einzigen vermehren, die mir allenfalls abgehn, die Gegenwart der Wenigen, die ich außer meiner eignen Familie liebe. Jezt danke ich Ihnen nochmals herzlich für den warmen Antheil, den Sie an mir u. meiner grünen Frucht nehmen, empfehle sie zur gerechten Vertheidigung gegen alle Gentzische Spöttereien u. bin ewig der Ihrige, Hum. Umarmen Sie Alex. herzlich. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen.

260.  An Wolf in Halle

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Auleben, etwa 1. März 1793

Wegen Anstalten, nach Erfurt zu gehen, um den Blattern auszuweichen, könne hier nur eine kurze Antwort auf Wolfs Brief erfolgen.

Meinen herzlichsten Dank, mein theuerster, innigstgeliebter Freund, für Ihren lezten lieben Brief und die Beilagen. So gern beantwortete ich ihn ausführlich. Aber die Blattern die in dieser Gegend sind, nöthigen uns übermorgen nach Erfurt zu gehen, und diese plözliche Abreise macht mir soviel Beschäftigung, daß ich nur we­ nig Momente übrig behalte. Diese Abreise ist mir im höchsten Grade fatal. Indeß ist unsre Kleine im Zahnen, (Ein Zahn ist schon völlig gut da) und der […]. Meine Frau grüßt Sie herzlich, u[…] aufs herzlichste. – Das Maaß […] Hüfte.

261.  An Brinkman in Berlin

Erfurt, 18. März 1793

Verärgerung über öffentliche Äußerungen über Gentz’ Lebenswandel. Weiter gegen einen Vergleich der Staatswirksamkeit mit Gentz’ Burke-Bearbeitung, da diese eine politische, jene aber eine philosophische Abhandlung sei. Ausführliche Charakterisierung von Alexanders ungewöhnlicher geistiger Veranlagung und Aussicht auf dessen nachhaltige Wirkung; Vergleich mit Bacon; Naturwissenschaft als anthropologische Aufgabe: Studium der Einwirkung der Natur auf den Menschen.

5  in höchstem Grade D

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8. Februar – 18. März 1793

Antwort auf nr. 2. u. 3.

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Erfurt, 18. März, 1793.

Eine Reihe kleiner, aber verdrießlicher und unangenehmer Vorfälle, mit deren Herzählung ich weder Sie noch mich ennuyiren will, verursachte mein langes Still­ schweigen. Ein Mitgrund war indeß doch, daß ich Ihr Urtheil über das Gentzische Buch nicht übergehen konnte, u. die gänzliche Disharmonie Ihres ersten und zwei­ ten Briefes darüber mich, ohne weitere Erklärung, nichts sagen ließ. Diese habe ich jezt erhalten, und ohne mich weiter dabei aufzuhalten, wie während der Zeit dieser drei Briefe Ihre Ideen sich modificirt haben, od: wie ich die beiden ersten vielleicht misverstanden haben mag, halte ich mich allein an den lezten, u. sehe mit Vergnü­ gen ihn als den Ausdruk Ihrer eigentlichen Meinung an. In dieser, sehe ich denn, stimmen Sie fast ganz mit mir überein, und vielleicht noch mehr, als Sie denken, da ich mich neulich zu kurz faßte, um einzeln anzuführen, was auch mir mangelhaft scheint und solche Mängel auch meinem an sich freilich unbedingten Lobe unbe­ schadet, von mir selbst anerkannt werden können. Ehe ich aber etwas andres sage, kann ich mich der Wuth nicht erwehren in die mich der Spott elender Menschen über Gentz Benehmen versezt hat. Vor allem hat mich Z. sein sollender schöner Einfall empört. Wenn Sie dabei zugegen waren, wie ich aus dem Gebrauch des imperf. („Z. sagte“) schließe, so thut es mir warlich leid, daß Ihnen nicht ein wahrhaft guter Einfall zu Gebote stand, den so schalen Wiz ei­ nes so armen Sünders, als der über jeden Ausdruk erbärmliche Z. ist, auf eine un­ erhörte Weise niederzuschlagen. Ich hoffe, diese Herren werden Discretion genug haben, ihre bons mots vor mir zu verschweigen, sonst hoffe ich mit Agamemnon sagen zu können:

ὁ δέ κεν κεχολώσεται, ὅν κεν ἵκωμαι.

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Mit erleichtertem Herzen lassen Sie mich nun fortfahren, und Sie bitten und wie­ derholt bitten, das grüne Buch weder mit dem Burke (zwei en[t]sezlich heterogene Dinge) zu vergleichen, noch die Stimmung, in die Sie eins oder das andre versezen kann, auf das andre überzutragen. Sie scheinen noch immer in dem Wahne zu ste­ hen, daß ich über das grüne Buch jezt anders urtheile als sonst, daß ich manches da­ rin vielleicht gar désavouire, und, was das Sonderbarste von allem ist, daß dazu der Burke beigetragen habe. Von allem diesem ist schlechterdings gar nicht[s] wirklich der Fall. Es würde sonderbar und lächerlich scheinen, wenn ich meine eigne Arbeit noch einmal loben, vielleicht gar über fremde erheben wollte, allein versichern muß ich Ihnen, daß die Grundsäze, die das grüne Buch enthält schlechterdings noch un­ erschütterlich die meinigen sind, und daß ich allein auf Erweiterungen derselben, und neue Beweise bedacht bin. Ich kann aber auch nicht finden, daß irgend eine 8  die bei den H  15  etwas anders D3  20 Ausdruck D3  26 ensezlich H  31  gar nicht wirklich H

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Brief 261

Behauptung weder im Burke noch in Gentz damit streite, und ich seze hiezu um so lieber einige Worte hinzu, als Sie selbst, theurer Freund, mich aufforderten, Ihnen dieß zu erklären. Der ganze Gesichtspunkt, aus dem Burke und daher natürlich auch Gentz aus­ geht, ist schlechterdings u. einzig politisch im engsten Verstande, in dem Verstande nemlich, in welchem Politik die Kunst ist, Staaten zu gründen und ihnen Haltung u. Dauer zu verschaffen. Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet halte ich allen Tadel auch der ersten NationalVersammlung, auch der treflichsten Mitglieder derselben, auch ihrer am meisten bewunderten, und in der That philosophischsten Anordnun­ gen für vollkommen gegründet. Ich habe dieß selbst auch schon in dem ersten Brief in der Monatsschrift zu einer Zeit gesagt, wo fast alle [d]enkende Köpfe auf der Seite der Revolution waren. Burke u. Gentz haben aber um so mehr Recht, als sie beide das Verfahren der Französischen Gesezgeber zu beurtheilen hatten, u. also dieser von ihnen gewählte Gesichtspunkt nicht ein beliebiger und nur an sich interessan­ ter, sondern auch der erste war, den die Gesezgeber selbst nehmen mußten. Denn wenn man ein Haus bauen wollte, wäre es doch wohl lächerlich zu fragen, wie kann ein Haus allgemein am besten u. bequemsten eingerichtet werden, u. zu vergessen, ob es nur so auch überhaupt u. an der Stelle stehen kann. Zuerst muß man thun, was man nicht lassen kann, dann erst was man wünscht, u. das, dünkt mich, ist der große Unterschied zwischen Staatsmännern u. Philosophen, daß die ersteren durch den Zwang der Umstände ihre Ideen beherrschen lassen, die lezteren mit ihren Ideen die Umstände zu beherrschen versuchen. Aus diesem Gesichtspunkt habe ich die Schrift angesehn, als eine Art Lehrbuch der Politik, aus diesem hat sie mich belehrt u. unterhalten. Aus einem völlig verschiedenen ist das grüne Buch geschrieben. Es geht bloß da­ rauf aus, zu zeigen, welche Lage im Staat dem Bürger am heilsamsten wäre, und be­ rührt jene Untersuchungen nur insofern, als es freilich die Pflicht desselben ist, keine Lage zu empfehlen, die ganz und absolut unmöglich wäre. So können daher leicht im grünen Buche Grundsäze vorkommen, gegen die das Burkische Raisonnement wütet, u. ich kann sehr füglich beides annehmen, da in dem grünen Buche eigent­ lich nur von absoluter Möglichkeit, im Burke von relativer Ausführbarkeit die Rede ist. Aber es ist noch ein größerer Unterschied. Das grüne Buch ist allein theoretisch u. stellt Ideale auf. Wäre also auch Einiges ganz unausführbar in der Reinheit, in der es dort vorgetragen ist, so kann es immer dazu dienen, wenigstens den Gebrauch darin getadelter, wenn gleich vielleicht nothwendiger Mittel, einzuschränken, oder soviel, als möglich unschädlich zu machen. Burke aber hat einen praktischen u. noch dazu lokalen Zwek. 47  Denkende Köpfe H  53  Haus im allgemeinen und am besten D2  58  beherrschen wünschen. D2

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Soviel, lieber Freund, mich vor einem Widerspruch zu retten, u. so werden wir also über das Gentzische Buch nicht mehr weit aus einander sein. Ich lebe jezt hier und ein gestörtes unangenehmes Leben. Ich bleibe hier bis zum Mai, dann komme ich mit meiner Familie nach Tegel. Herzlich freue ich mich dieser nahen Hofnung, Sie zu sehen, u. innigst danke ich Ihnen für Ihr Versprechen, mir oft die Gelegenheit dazu zu verschaffen. Die wenigen Wochen aber, die uns noch trennen, bitte ich Sie herzlich mir noch fleißig zu schreiben. Ich kann u. mag Ihnen keine Vorwürfe über die Vergangenheit machen, ich begreife, daß Sie nicht konnten, aber jezt, da Sie freier sein werden, lassen Sie mich nicht mehr Ihre Briefe verge­ bens erwarten. Ist Gentz verheirathet? Ueber meinen Bruder bin ich neugierig Sie zu hören. Ich halte ihn unbedingt u. ohne alle Ausnahme für den größesten Kopf, der mir je aufgestoßen ist. Er ist gemacht Ideen zu verbinden, Ketten von Dingen zu erblikken, die Menschenalter hindurch, ohne ihn, unentdekt geblieben wären. Ungeheure Tiefe des Denkens, unerreichbarer Scharfblik, u. die seltenste Schnellig­ keit der Kombination, welches alles sich in ihm mit eisernem Fleiß, ausgebreiteter Gelehrsamkeit, u. unbegränztem Forschungsgeist verbindet, müssen Dinge hervor­ bringen, die jeder andre Sterbliche sonst unversucht lassen müßte. In dem, was er bis jezt geleistet hat, weiß ich nichts anzuführen, was soviel bewiese, als ich hier avan­ cire, aber abgerechnet daß ich mit seinen bisherigen Entdekkungen zum Theil dem Namen, u. ganz u. gar ihrem innern Werth nach, unbekannt bin; so weiß ich, daß an dem, was ich sagte, kein Titelchen falsch ist, und ich bin fest überzeugt, daß die Nachwelt (denn sein Name geht gewiß auf eine sehr späte über) mein jeziges Urtheil buchstäblich wiederholen wird. Es ist nicht meine Sache zu loben u. zu bewundern, aber ich habe mich, so oft ich meinen Bruder von seinen eigentlichsten Ideen reden hörte, nie inniger Bewunderung erwehren können, ich glaube sein Genie tief stu­ dirt zu haben, u. dieß Studium hat mir in dem Studium des Menschen überhaupt völlig neue Aussichten verschaft. Eine völlige Restauration der Wissenschaften u. mehr als dieß alles menschlichen Bemühns ist seit Jahrhunderten nothwendig, u. die Nothwendigkeit wächst mit jedem Jahre. Diese Nothwendigkeit fühlte schon Baco, aber er hätte ein größerer Kopf u. ein vielseitigerer Mensch sein müssen, wenn er nur den Umriß hätte richtig zeichnen sollen. Er hat unläugbar einen sehr schar­ fen u. oft einen tiefen Blik, daher so viele unnachahmlich schöne Ideen. Aber wo er das Ganze zeichnen will, wo er das Einzelne in Eins zu versammlen versucht, da mangelt es ihm an Genie. Bei wahrem Genie hätte er auch nicht soviel Spielerei u. Wust in seinem Plane geduldet. (A propos der Pred. Koch in Berlin ist neulich in d. A. L. Z. gleichsam der kleine Baco genannt. Das heißt doch zu arg mit dem armen 78  Sie zu sehn, D3  84  ohne jede Ausnahme D2  87  Scharfblick, die seltenste D2 100  Restauration aller Wissenschaft D2 

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Brief 261–262

Verulamio umgehn.) Zu dieser Restauration ist der wichtigste Schritt Einheit in al­ les menschliche Streben zu bringen, zu zeigen, daß diese Einheit der Mensch ist, u. zwar der innere Mensch, u. den Menschen zu schildern, wie er auf alles außer ihm, u. wie alles außer ihm auf ihn wirkt, daraus den Zustand des Menschengeschlechts zu zeichnen, seine möglichen Revolutionen zu entwerfen, u. die wirklichen, soviel möglich, zu erklären. Von allem, was auf den Menschen einwirkt, ist das Haupt­ sächlichste eigentlich die physische Natur u. diese Wirkung ist um so stärker, als ihre [Ursachen] uns unbekannt sind. Ueberhaupt ist die physische Natur eigentlich die wichtigere, da was man sonst studiren mag, man eigentlich es mit Menschenwerk zu thun hat, bei dem Studium jener aber eigentlich der Gang des Schiksals, des Schik­ sals, dem auch der Mensch selbst unterthan ist, offenbar wird. So aber ist dieses Stu­ dium noch gar nicht behandelt, die Art des Einwirkens auf den Menschen, die ich hier meine, ist nicht einmal der Gattung nach ungefähr bekannt. Das Studium der physischen Natur nun mit der moralischen zu verknüpfen, und in das Universum, wie wir es erkennen, eigentlich erst die wahre Harmonie zu bringen, od: wenn dieß die Kräfte Eines Menschen übersteigen sollte, das Studium der physischen Natur so vorzubereiten, daß dieser zweite Schritt leicht werde, dazu, sage ich, hat mir unter allen Köpfen, die ich historisch u. aus eigner Erfahrung in allen Zeiten kenne, nur mein Bruder fähig geschienen. Ja, was noch mehr ist, so ist es beinah einerlei, wie er seine Studien treibt, u. worauf er sie richtet. Was er behandelt, führt ihn, das habe ich oft bemerkt, von selbst auf den eben angegebnen Gesichtspunkt, wenn er ihn selbst auch nie gerade so gedacht haben sollte. Ich hoffe u. weiß gewiß, er wird sein Leben allein diesem Studium weihen, er wird keine Verhältnisse eingehn, die, wie schön sie an sich sein mögen, immer hindern die Kräfte ungetheilt Einem Zwek zu geben, und da er zugleich in die äußre Lage gesezt ist, die es ihm möglich macht seine Absichten ganz dem Bedürfniß der Beschäftigungen gemäß unter allen Him­ melsstrichen zu verfolgen, so erwarte ich mit der festesten Gewißheit etwas Großes von ihm. Ich habe mich gern hierüber ausgebreitet, weil Sie meinen Bruder, wie ich, lieben, u. weil Sie an diesem Raisonnement selbst die ruhige Kälte nicht verkennen können, in der nicht Zuneigung, Liebe, oder wie Sie es sonst nennen mögen, den Gesichtspunkt verrükt. Denn so herzlich Alex. Charakter auch mein Herz fesselt, so unabhängig ist doch jenes Urtheil davon, das ich nie, wenn ich ihn auch sonst gar nicht kennte, anders fällen würde. Ich muß abbrechen, lieber Brinkmann, leben Sie wohl, u. behalten Sie mich lieb. Die Ankunft der Meyers denke ich Ihnen schon mit dem Dank, den so etwas Schönes verdient, gemeldet zu haben.

115  auf den Menschen wirkt, D1  116  ihre Wirkungen uns H D1  123  mit dem der moralischen D3

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262.  An Wolf in Halle

Erfurt, 31. März 1793

Ein nicht ungefährlicher Reiseunfall; Ausweichen nach Erfurt wegen Blattern­ gefahr. Störungen der Studien durch Familienrücksichten und ,Courmachen‘ beim Mainzer Erzbischof. Studien der Pindarschen Metrik. Freude an Wolfs ,quodlibetarischen Briefen‘. Bei Gelegenheit der Stellungnahme Wolfs zu Altertumsstudium Überschwängliches zur Bedeutung seiner Freundschaft für Humboldt. Spalding. Ausführliche Stellungnahmen Schillers und Dalbergs zu Altertumsstudium. Aischylos-, Thukydides- und Platostudien.

Erfurt, 31. März, 1793.

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Ich sollte meinen Brief, theurer Freund, mit Entschuldigungen anfangen, und Ihnen die Klagen über mein langes Stillschweigen überlassen, aber ich kann mir nicht helfen, ich selbst habe durch dieses Schweigen mehr gelitten, als Sie, wie begierig nach meinen Briefen ich mir auch Ihre herzliche Freundschaft denken mag, und ich kann nicht eher zu etwas andrem kommen, ehe ich nicht meinem Herzen durch Klagen Luft gemacht habe. Selten treffen soviele Fatalitäten zusammen, als uns seit unsrer Abreise aus Auleben zuge­ stoßen sind. Nach gut griechischer Erklärungsweise war es der Neid der Gottheit über den ruhigen Winter, und vorzüglich die glüklichen 14 Tage mit Ihnen. Einen oder zwei Tage nach meinem lezten Briefchen an Sie reisten wir aus Auleben in abscheulichem Wetter ab. Unsre Reise aber gieng nicht weit. Eine halbe Stunde vor dem Ort auf dem Wege nach Sondershausen, auf einem sehr schlimmen Berge warfen wir um. Keiner von uns allen hatte Schaden genommen. Indeß können Sie Sich doch den Schrekken u. die Besorgniß meiner Frau für das Kind denken. Glüklicherweise hatte meine Frau, die es im Schooße hatte, es so gut und fest gehalten, daß, ob wir andern gleich alle leichte Stöße hatten, das Kind allein ganz unversehrt war. Bei dem Fall hatte der Wagen gelitten, u. wir muß­ ten unsre Reise auf 2 Tage aufschieben. Da wir dadurch Zeit gewannen entschlossen wir uns, wenn es möglich wäre, nach Burgörner und nicht nach Erfurt zu gehen. Die Ruhe auf dem Lande und die göttliche Nähe von Halle luden uns so freundlich ein. Aber der Him­ mel hatte es einmal anders beschlossen. Wir erfuhren, daß auch dort die Blattern, u. sehr bösartige, herumgehn, und so blieb uns nichts, als Erfurt übrig, wo wir nun seit beinah 4 Wochen sind. Von unsrer hiesigen Lage, im Vergleich mit der Aulebenschen haben Sie keinen Begriff. Zwar wohnen wir abgesondert in einem eignen Quartier, aber, da wir, wie Sie Sich erinnern, keine eigne Köchin haben, so essen wir alle Mittag bei meinem Schwie­ gervater. Außer dieser täglichen Störung ist fast seit unsrer Ankunft der Kurfürst hier, und außer den Tagen, an welchen man gebeten wird, muß ich Unglüklicher noch 3 Vormittage 2  Ich sollte, D2  6  etwas anderm h1 D2 Klage h1 D2  17  Zeit gewonnen D2  21 herumziehn, h1 D2 22  Wochen sind, und in vielen unseligen Zerstreuungen leben. h1 D2 

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Brief 262

mit Kourmachen verbringen. Wie wenig Zeit da den Griechen übrigbleibt, berechnen Sie wohl selbst, liebster Freund. Indeß möchte dieser Zeitverlust noch immer hingehn. Wenn nur das Angaffen der leeren Gesichter und die platten Gesellschaften nicht auch die Stim­ mung wenigstens bei so verwöhnten Menschen, als wir sind, verdärben. Das aber ist in ei­ nem unglaublichen Grade mein Fall. Gegen meine liebsten Beschäftigungen habe ich eine Art Ekel und in der Verzweiflung habe ich mich an die Pindarschen Silbenmaaße gemacht, und skandire Vers für Vers durch. Diese mechanische Arbeit und der rudis sermo des Pavo fesseln mich unglaublich und Sie könnten mich bis 12 Uhr Mitternacht Silben zählend fin­ den. Schließen Sie daraus, wie gut ich aufgelegt sein muß. In dieser Stimmung sollte ich Ihnen, theurer Freund, wohl eigentlich gar nicht schrei­ ben. Aber Ihre lezten Briefe haben mir wieder eine so unglaubliche Freude gemacht, daß ich mich täglich mit dem Gedanken gequält, sie noch unbeantwortet gelassen zu haben, und mir nun auch sicher vornehme, nicht nur zu antworten, sondern auch nicht eher zu ruhen, als bis ich über alles das geschrieben, was ich mir auf einem eignen Zettel notirt habe. Fahren Sie ja fort, liebster Freund, mir so quodlibetarische Briefe zu schreiben. Es ist eine gar hübsche Art, die ich nur freilich seltner nachahmen kann, da meine Beschäftigun­ gen einfach, und eben so langsam- als die Ihrigen schnellwechselnd sind. Wollen Sie aber fortfahren, mir auch abwesend recht frohe Stunden zu geben; so legen Sie nur ein weißes Blatt auf Ihren Arbeitstisch u. was Ihnen in einzelnen Minuten einfällt, schreiben Sie darauf, es betreffe was es sei, sobald es Sie nur interessirt. Nach 14 Tagen, 3 Wochen lassen Sie es dann abgehn. Ueberhaupt muß ich Sie bitten, ja nicht zu denken, daß mich bloß die Schriftsteller interessiren, die ich so eben unter den Händen habe. Wollen Sie mir hie u. da aus Ihrem Tacitus etwas mittheilen, so müsse Sie das nicht hindern, daß die Röm. Litteratur jezt bei mir schlummert. Es wird ja kein Todtenschlaf sein, und innig bin ich überzeugt, daß die Griechen dem Tacitus nichts entgegenstellen können. Auch darum freut mich Ihr Interesse für den Tacitus weil er Ihnen den Cicero aus den Händen windet, vorzüglich den Philosophen, der gar nicht mein Mann ist. Was Ihre lezten Briefe von eigentlich Philolo­ gischem enthalten, habe ich abgeschrieben, und Sie erhalten nächstens die Zettel, wenn Sie sie mit andern auslösen. Ueber Eins und das andre denke ich Ihnen noch ein Wort zu sagen. Vor allen Dingen hat es mich gefreut, daß meine Skize über die Griechen mehreren Ih­ rer eignen Ideen begegnete. Sie hätten mir nichts Befriedigenderes sagen können. Ueber­ haupt ist es gewiß innig wahr, wenn ich Ihnen versichre, daß Ihr Urtheil schlechterdings entscheidend bei mir ist, – Sie verstehen mich gewiß recht – nicht eigentlich entscheidend in Absicht der Sache, denn Sie selbst würden mich am wenigsten einen Nachbeter sein 37  unendliche Freude D2  42  nun freilich h1 D2   43 schnellabwechselnd h1 D2  47 abgehen. h1 D2 49 Römer-Litteratur h1 D2  53  vom eigentlich Philosophen h1  eigentlich Philologisches D2 54  den Zettel, h1 D2  55  Sie ihn D2 

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lassen wollen, aber entscheidend als das Resultat des Eindruks, den meine Arbeiten auf Sie machen, weil ich fest überzeugt bin, daß Sie mir schlechterdings nichts als die nakte und simple Wahrheit sagen. Auf gleiche Aufrichtigkeit können Sie ganz sicher auch auf meiner Seite rechnen, und wenn Sie mir neulich den Vorwurf machten, daß ich gesagt hätte, alle Ihre Auflösungen der Herodoteischen Stellen hätten mich vollkommen befrie­ digt, da es doch eine (ich weiß nicht mehr welche) schwerlich gekonnt hätte; so bin ich in der That unschuldig, da ich die nicht mitgerechnet hatte, wo Sie selbst Ihre Erklärung nur für ein pis-aller ausgaben. Sonst ehre ich gewiß nicht nur die Freundschaft, sondern auch den Gewinn zu sehr, den wirklich die Wissenschaft aus gemeinschaftlicher Bearbeitung, wenn gleich mit sehr ungleichen Kräften, ziehen kann, um nicht immer in den Schranken der genauesten Wahrheit zu bleiben. Sie, liebster Freund, sind der Einzige, der mich diese Freude eines mit unter wissenschaftlichen Briefwechsels genießen läßt, und es ist keiner Beschreibung fähig, was Sie mir dadurch geben. Mehrere meiner Freunde habe ich sonst flehentlich darum gebeten; aber viele vergebliche Versuche haben mich von diesem eitlen Bestreben zurükgeführt. So wenige interessirt die Wissenschaft um der Wissenschaft wil­ len, und es ekelt einen an, die meisten so immer auf sich, auf das Scherflein Ruhm oder Gewinn, den sie ihnen bringt, zurükkommen zu sehn. Bei Ihnen dieß so total anders zu fin­ den ist mir schon allein eine seltne, und Ihnen so nahe zu kommen, Ihrer werth zu werden, eine so über alles erquikkende Erscheinung gewesen, daß ich Ihnen nie werde den Eindruk schildern können, den sie auf mich gemacht hat, und immerfort noch macht. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. An dieses alte und einfache Sprichwort erinnern Sie Sich jedesmal, lieber Freund, so oft ich, gegen meinen Willen, auf den Ausdruk von Empfin­ dungen zurükkomme, die man besser gar nicht auszudrükken versucht. – Spaldingen (die Materie ist verwandt) beurtheilen Sie, dünkt mich, sehr richtig. Auch ich erwarte nichts Wichtiges je von ihm. Die Verse und cetera ludicra, die Frau, die ihn in ein sehr gemäch­ liches, diner- und soupergebendes (sit venia verbo) mit Einem Worte Berlinisches Leben geführt haben soll, und vor allem seine ewigen Rüksichten auf das was er thun und nicht thun wird, müssen alles irgend Größere erstikken. Jezt hat er, wie mir mein Bruder schreibt, den Demosthenes bei Seite gelegt, um, wie er sagt, auf Ihren Rath, den Quinctilian zu be­ arbeiten. Ich dächte er hätte das nicht thun sollen. Vom Demosthenes hatte er doch nun schon manches wenigstens gelesen. Den Quinctilian höchst wahrscheinlich noch nie ganz, und ehe dieß auch in seiner Lage und von ihm geschieht, darüber geht manche schöne Zeit ins Land. Ich denke ihn bei meiner Ankunft in Berlin wieder ein wenig zu wekken. Er hat mich schon im Herbst gleichsam auf einen Kampf im Sommer herausgefordert, um mir zu zeigen, was er im Winter zugelernt habe. Was nun das Zulernen anbetrift, das immer in dem Verhältniß sichtbarer ist, in dem man weniger wußte, so bin ich ganz getrost, und ich denke wir versuchen uns an einem Aristophanischen Stükke. 66 Herodotischen h1 D2  69  pis-aller ausgeben. h1 D2  77  Ruhm und h1 D2  84 auszudrukken D3

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Brief 262

Aber ich bin ganz von meinem neulichen Aufsaz abgekommen. Der hat noch närrische fata gehabt. Ich schikte ihn Schillern, dem ich bald darauf schrieb, und da Sie die schönen Ränder so weiß gelassen hatten, bat ich ihn, sich ihrer anzunehmen. Dieß hat er denn auch gethan, und allerlei zugeschrieben. Es sind sehr hübsche Sachen darunter, obgleich Sie denken können, daß er in das Ganze der Idee, da ihm die alte Litteratur doch nicht geläufig ist, wenig eingegangen ist. Ich schreibe Ihnen hier Eine Anmerkung ab, die, dünkt mich, eine genievolle Idee enthält, ob auch eine wahre? mögen Sie selbst entscheiden. „Sollte nicht von dem Fortschritt der menschlichen Kultur ebendas gelten, was wir „bei jeder Erfahrung zu bemerken Gelegenheit haben? Hier aber bemerkt man 3 „Momente.“ „1. der Gegenstand steht ganz vor uns, aber verworren und in einander fließend.“ „2. wir trennen einzelne Merkmale, und unterscheiden. Unsre Erkenntniß ist deutlich, „aber vereinzelt und bornirt.“ „3. wir verbinden das Getrennte, u. das Ganze steht abermals vor uns; aber jezt nicht „mehr verworren, sondern von allen Seiten beleuchtet.“ „In der 1. Periode waren die Griechen.“ „In der 2ten stehen wir.“ „Die 3te ist also noch zu hoffen, u. dann wird man die Griechen auch nicht mehr „zurükwünschen.“ Von Schiller bekam ich den Aufsaz hier zurük. Ich theilte ihn dem Koadjutor mit, der von meinen Winterarbeiten zu sehen wünschte, und aufgemuntert durch Schillers Noten, hat er noch weit mehr die Ränder mit Glossen beschrieben. Es wird Sie sehr unterhalten, einmal dieß Werk cum notis variorum wiederzusehen. Vorzüglich sind Dalbergs Anmer­ kungen originell u. ordentlich komisch ist das durchgängige Bemühen zu zeigen, daß die Griechische Litteratur ein Studium für Wenige sein u. bleiben müsse, zu welchen ich, wie er zu verstehn giebt, nun eben nicht gehören möchte. Er selbst hat viel mit mir darüber gelacht, u. die Anpreisungen der Griechen in meinem Aufsaz scheinen ihn am meisten zum Widerspruch zu reizen. Wieder gesehn habe ich aber bei dieser Gelegenheit, daß die Gesichtspunkte, die entweder an sich nicht gewöhnlich, oder nur dem einzelnen jedes­ maligen Leser fremd sind, hell u. klar zu machen eine unglaubliche Schwierigkeit hat, und daß sie bei dem Koadjutor, der immer – möchte ich sagen – mehr mit dem Geiste seine eignen, als mit den Augen des andern Ideen liest, fast bis zur Unmöglichkeit wächst. Bei diesem Aufsaz hat er meine eigentliche Meinung – wie jede Zeile seiner Anmerkungen 101  sich Ihrer h1 D2  110  Unsere Erkenntniß h1 D2  121  das Werk D1  124  zu verstehen giebt, h1 D2  126  aber habe ich D1  128  Lesen fremd h1  129  Geiste seiner h1 D2  130  des Andern, Ideen D2 

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beweist – abermals ganz misverstanden. Abstrahirt habe ich mir wenigstens hieraus, daß, hätte ich je die Absicht, durch eine Schrift eigentlich zur Ausbreitung des Studiums der Griechen beizutragen, ich mich einer viel andern Methode bedienen müßte. Indeß soll auch der Himmel mich davor in Gnaden bewahren. Habe ich mir einmal eine Idee entwik­ kelt, so ekelt es mich an, sie nun auch einem andern auszuknäueln, und solange mich nicht äußere Umstände zwingen, überwinde ich diesen Ekel nicht. Mir selbst aber ist über die Griechen noch sehr Vieles dunkel, und mit jedem Tage fesselt mich ihr Studium mehr. Ich kann es mit Wahrheit sagen, daß unter manchen Studien, die ich durch­ wandert bin, mir keins diese Befriedigung gegeben hat, und ich muß hinzusezen, daß auch der Schatten von Lust, ein thätiges Leben in Geschäften zu führen, nie so sehr in mir erstorben ist, als seitdem ich mit dem Alterthume irgend vertrauter bin. Um Ihnen von meinen Arbeiten Rechenschaft zu geben, was ich freilich dießmal ungern thue, da ich nur so wenig sagen kann, so habe ich seit 14 Tagen den Aeschy­ lus glüklich beendigt. Ich habe alle Stükke, auch sogar die Fragmente, die doch ei­ nige schöne Verse und artige Notizen enthalten, die Scholien und das Meiste von dem Notenwuste gelesen, und denke mit dem Vater der Tragödie nun so ziemlich bekannt zu sein. Für den Pindar hat mir diese Lektüre unstreitig genüzt, und auch aus diesem Gesichtspunkt ist es mir lieb, hiermit eine Vorarbeit zum Pindar abge­ macht zu haben. Am Thucydides habe ich noch nichts übersezt, aber die ersten 3 Bücher nun vollständig, wenn gleich nur kursorisch gelesen. Die Schwierigkeiten sind sehr groß, aber zum Glük kommen doch auch lange sehr leichte Stükke vor. Vorzüglich schwierig sind nur die Reden, die aber auch durch den Genuß ihrer hohen Schön­ heiten entschädigen. Den Menexenus habe ich auch gelesen. Gegen die simple Er­ habenheit und den tiefen Sinn des Thucydides kann er freilich nicht aufkommen, aber er hat doch sehr glükliche Stellen eines feinen und warhaft attischen Wizes. Die Behandlung des Ganzen wird schwierig genug werden, da man, dünkt mich, nur mit Mühe aus dem halb ironischen, halb ernsten Sokrates klug wird. Die Stelle im Menon habe ich wiederholt gelesen, und auch nicht bloß einige Sei­ ten sondern mehrere Blätter vor und nachher. Aber ich gestehe Ihnen, daß ich nicht herauskommen kann. ᾿Ολίγους und φαυλοτάτους muß, dünkt mich, nothwendig auf die genannten Männer, Themistokles, Aristides und Perikles gehen. Wie es aber von ihnen gesagt werden kann, begreife ich nicht. Es kommt nun nemlich alles auf die Bedeutung an, in welcher Plato φαῦλος nimmt, und eben hierin stokke ich, da ich keine finden kann, die auf jene Männer paßte. Kurz nach jener Stelle: ἀλλὰ γὰρ ἴσως ὁ Θουκυδίδης φαῦλος ἢν, fügt Plato selbst eine Erklärung hinzu, in der es aber gleichfalls nicht auf Männer, wie jene anwendbar ist. Auf diese Weise sehe ich keinen 140  keine die D1 

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Brief 262–263

Ausgang, und bin unendlich begierig auf Ihre Auflösung, um die ich Sie recht bald bitte. Gedikens Emendation ist schreklich, und kaum begreife ich wie man ein οὐκ οἶδα mit solcher Erfindung – selbst wenn sie aus eignem Hirn entsprungen ist – ver­ tauschen kann. Vorzüglich Platonisch ist die schöne Wortstellung μὴ τοὺς μὴ ὀλ. In­ deß will ich nicht spotten, da ich nur nicht gleich temerair, im Grunde aber gleich unwissend, als er, bin. In der Il[ias] bin ich noch mit meiner Frau in φ und im Herodot in β was vorn­ herein schrekliche geographische u. physikalische Dornen hat. Wie gestört meine arme Frau ist, davon haben Sie keine Idee, sie grüßt Sie herzlich und bittet um Ihr Bedauern. Schon hieraus sehn Sie, daß ich sobald noch nicht an den Hesiodus komme, in­ deß geschiehts gewiß, und dann hören Sie, gütiger Freund, alle meine Zweifel. Was ich über Homer und Herodot, über die Stellen, die Sie mir jezt erklärt, und über andre, die ich indeß gefunden, sagen wollte, verspare ich auf den nächsten Posttag. Ich reise morgen auf ein Paar Tage nach Jena, um Schiller zu besuchen, und mag doch diesen Brief nicht wieder aufhalten. Leben Sie also recht herzlich wohl, und lieben Sie Ihren H. Ihrer Frau Gemahlin tausend Empfehlungen. Meine Adresse ist gerade hieher. Meine Wohnung ist bekannt. Bis zum Mai bleibe ich hier. Verzeihen Sie, daß Sie noch nicht den Aeschylus und Wood erhalten. Beide erfol­ gen gewiß in wenig Wochen. Noch Eins. Die Gräfin Pfürdt (pronuncia Ferret) die ἕταιρα des Kurfürsten wollte mei­ nen Pindarilus haben, theils für sich, theils für den Kurfürsten. Der Koadjutor hatte ihnen davon gesagt. Was sie für Augen über den Heracles und den Kronion gemacht haben würden! Und das Deutsche! Sie hätten keine Zeile verstanden! Ich habe deprecirt, fürchte aber noch immer.

171 vortäuschen D3  178 Bedauren. h2  179  sehen Sie, h2 D2-3

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263.  An Charlotte Schiller in Jena

Erfurt, 24. April 1793

Leben am Erfurter Hof. Die Tochter Karoline entwöhnt. Bevorstehende Abreise; Vorkehrungen wegen Domestiken.

Erfurt, 24. April, 1793.

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Eben, liebe Lolo, komme ich von der Kour, und bald muß ich wieder zur Tafel gehn, und dann ins Koncert, und so vergehn die Tage jezt hier in ewig ennuyantem Ringgang. Fast ebenso gestört, als ich, ist Li, da wir keine eigne Wirthschaft haben, und sie täglich zum Essen zu Papa gehn, und dann Krankenbesuche machen muß. Darum verzeihe uns, Liebe, wenn wir immer nur so kurze Briefe schreiben und Dich immer nur mit Bitten behe[l]ligen. Aber es geh[t] mir fast kein vernünftiger Ge­ danke durch den Kopf, und ich habe zu nichts in der Welt Lust. Liebchen ist jezt seit 8 Tagen entwöhnt, und alles recht gut gegangen. Li ist nur wenig krank gewesen, und bis jezt ist kein Anschein zu besorglichen Folgen. Auch geht sie schon seit vorgestern wieder aus. Das Kind hat sich sehr artig aufgeführt, sehr wenig geschrieen, und die Brust fast schon wieder vergessen. Unsre Abreise ist noch nicht gewiß bestimmt. Ebensowenig, ob wir Euch noch in Jena sehen? Wenn es aber irgend möglich ist, thun wirs ganz gewiß. Sobald wir entschieden sind, schreiben wirs Dir gleich. Vom 1.  Mai an wünschten wir nun auch den Günther /:  versteht sich sans sa belle :/ zu haben. Willst Du so gut sein, und ihm sagen, daß er künftige Woche mit dem gelben Wagen abgehe, so daß er Mittwoch, den 1st Mai, hier wäre. Mit eben der Gelegenheit habe ich heute durch die Seegner das Mädchen bestellt, und so kommt alsdann unsre ganze valétaille auf Einmal. Die Reisekosten werde ich Günthern hier erstatten. Sollte er nicht so viel haben, sie auszulegen, so thust Dus wohl in uns­ rem Namen. Der Graf Coudenhoven geht übermorgen von hier nach Jena zurük. Ich werde Dir durch ihn den Euripides, Forkels Geschichte der Musik (die Du wohl bei Schütz abgeben lässest) und die 2 ConventionsThaler, die mir Schiller neulich lieh, schikken. Lebe jezt recht w[ohl], liebe Lolo, und verzeih diese Schmiererei. Li umarmt Dich und Schiller. Grüße ihn auch von mir herzlich. Adieu! Humboldt.

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Unsre Wohnung, da uns Günther nicht finden möchte, ist im Hause der Hof­ KammerRäthin Kerl auf der Neustadt.

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264.  An Wolf in Halle

Erfurt, 27. April 1793

Musikunterricht zur Vertiefung der metrischen Studien: Generalbass-Spiel und Musiktheorie; Vortrag der eigenen Pindar-Übersetzungen vor dem Mainzer Kurfürst-Erzbischof. Reisepläne. Bitte um Rücksendung von Staatswirksamkeit.

Erfurt, 27. April, 1793. Ich weiß nicht, theurer lieber Freund ob Sie wieder in Halle sind, und theils da­ rum, theils weil ich selbst in der leersten Stimmung der Welt bin, schreibe ich Ihnen heute nur so wenige Zeilen, bloß zur Begleitung des Aeschylus und Wood. Wohl ha­ ben Sie Recht, daß der hohe Besuch mich wenig zu den Griechen kommen ließ, und außerdem habe ich auch in meiner Familie hier so mannigfaltige Störungen, daß ich im Grund gesagt nichts thue. Ein gestörtes Leben erzeugt allemal Faulheit bei mir, und so führt eins das andre zum großen Resultat – des Nichtsthuns. Indeß bin ich doch nicht überhaupt für die Griechen müssig gewesen, sondern nur gerade im Le­ sen. Ich habe, stellen Sie Sich vor, hier ein ganz einzelnes Studium getrieben, in dem ich ganz fremd war – griechische Musik. Sie wissen, daß ichs bei der Bearbeitung des Pindar nicht übergehen durfte, und überhaupt lassen sich die musikalischen Griechen ohne Idee von Griechischer Musik nicht ganz begreifen, oder um – we­ nigstens meiner Erfahrung nach – mich richtiger auszudrukken, ohne diese Kennt­ niß glaubt man immer noch an unbekannte Ungeheuer, denen man zuschreibt, was sich sonst nicht wohl erklären lassen will. Um aber in diesem Studium nur einige Fortschritte zu machen, mußte ich höher anfangen; ich wußte kein Wort von Musik überhaupt und habe also ordentlichen Unterricht in der musikalischen Theorie bei dem hiesigen Organisten Kittel, einem äußerst guten Theoretiker, genommen, der mich dann noch mit dem Generalbaß weidlich quält. Was die Griechische Musik betrift, so habe ich mich für jezt von den Quellen eigentlich noch entfernt gehalten, und mich nur aus Forkel und Marpurg unterrichtet. Indeß habe ich doch, glaube ich, die richtigen Gesichtspunkte gefaßt, und weiß, wo ich weiter nachspüren kann. Klein bleibt aber die Ernte allemal, und besonders in Rüksicht auf die eigentliche Komposition u. den Inhalt der alten Musik, woraus sich doch vorzüglich müßten die Wirkungen erklären lassen. Die Fr. v. Ferrette hat mir keine Ruhe gelassen, bis sie und der Kurfürst meinen Pindarilus gelesen. Der Kurfürst hat mir gesagt, daß sein Ohr sich nur nicht an den Versbau dieser Art gewöhnen könne. Die Ferrette ist eine närrische Frau von allerlei zusammengestoppeltem Kunstwissen, und einer schreklichen sogenannten 14 auszudrükken, D1  20  niedlich quält. D1

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Wißbegierde. Sie kennen wohl die Paar alten Kompositionen, die uns noch von den Griechen übrig sind, besonders die auf den Eingang der 1[.] Pyth. Pind. Ode. Die Ferrette ruhte nicht eher, bis Kittel ihn ihr auf der Orgel vorspielte und sang. Mit hinzugeseztem Bass (der freilich eben nicht griechisch ist) klang die Melodie doch recht schön. Ich hätte gewünscht, Sie wären zum Scherz zugegen gewesen. Den 5tn Mai, lieber Freund, gehe ich von hier nach Berlin, aber – verdammen Sie mich nur nicht ungehört – nicht über Halle, sondern Leipzig. Meine Gründe sind 1., weil ich nicht gewiß bin, Sie zu finden, und ich mich dann doch wegen Kleins aufhalten müßte. 2., weil ich meinem Bruder ein rendez vous in Berlin versprochen, wohin er von Schönebeck kommt, was ich schlechterdings nicht versäumen kann, und um das ich mich nirgends auch nur Einen Tag aufhalten darf. So entgehe ich aller Versuchung. Aber auf der Rükreise von Berlin, Lieber, besuchen wir Sie u. ge­ nießen wieder froher und glüklicher Tage! Meine Frau empfiehlt sich Ihnen herzlich, und wir beide Ihrer Frau Gemahlin. Leben Sie innigst wohl! Der Ihrige, Humboldt. A propos! Mein Manuskript, das Sie von Auleben mitnahmen, haben Sie die Güte, mit erster Post nach Berlin unter einem doppelten Couvert, das innere an mich, das äußere An H. Assessor Kunth auf der Jägerbrükke in im Humboldtschen Hause Berlin zu schikken. Aber vergessen Sie es ja nicht. Ich hatte einen Buchhändler gefunden aber ich habe den Druk aus mancherlei Gründen aufgeschoben. Ich habe einen Tisch, der von Berlin über Halle nach Burgörner gehn soll, an Sie adressirt. Sie verzeihen wohl diese Freiheit, nehmen ihn an sich, bezahlen für mich die Fracht, u. behalten ihn bis auf meine weiteren Bitten bei sich im Hause. Im Wood liegen noch Goth[aer] Zeitungen. Sie waren durch ein Versehen, an dem ich unschuldig bin, noch in Auleben abgegeben. Sie erhalten doch jezt die an­ dern durch Ihren H. Bruder. Unser Mädchen ist sehr wohl, hat 4 Zähne und ist seit nun mehr als 8 Tagen ent­ wöhnt, scheint aber dadurch an ihrer Corpulenz gar nicht verlieren zu wollen. – Den Schneider über den Pindar lege ich Ihnen bei um mir auch ein Verdienst um Ihre Bibliothek zu erwerben. 38  denn doch h2 D1  43  frohe und glü(c)kliche h2 D1

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265.  An Friedrich Wilhelm Gotter in Gotha

Erfurt, 3. Mai 1793

Übersendung eines durch den Empfänger weiterzuleitenden Briefs.

Erfurt, 3. May, 1793. Sie empfangen hiebei, hochgeehrtester Herr Rath, die Antwort auf den neulich mir gütigst mitgetheilten Brief. Ich habe dieselbe aus Gründen, die Sie leicht erra­ then werden, unversiegelt gelassen, und ersuche Sie ausdrüklich, sie, da Sie sie doch wahrscheinlich durch Einschluß besorgen, auf gleiche Weise weitergehen zu lassen. Ich empfehle mich Ihrem schäzbaren Andenken auf das angelegentlichste, und habe die Ehre mit der innigsten Hochachtung zu sein Ihr gehorsamster, Humboldt.

266.  An Brinkman in Berlin

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Tegel, 13. Mai 1793

Vergebliche Versuche, Brinkman und Gentz in Berlin zu besuchen; dringende Bitte um Bücherbeschaffung.



Tegel, Montag, 1793.

Ich war ganz unvermuthet gestern in Berlin, theurer Freund, und hätte Sie gern gesprochen. Ich war auch schon auf dem Wege einen Versuch dazu zu machen, aber Kunth sagte mir, Sie wären in Machenow. Ebensowenig als Sie, sah ich Gentz. Er war nicht zu Hause, und wie es hieß, auch Madame nicht. Bernstorf allein wurde ich habhaft. Heute verzeihen Sie mir wohl, wenn ich Ihnen wieder eine Bitte auflade, die mir aber in der That wichtig ist, u. die ich nirgends als bei Ihnen in guten Händen weiß. Ich brauche sehr nothwendig: 1.,  die Oxfordsche Ed. des Pindar. 2.,  die Wesselingsche Ed. des Herodot. 3.,  die Larchersche Uebersezung desselben. 4.,  Le Chevaliers Beschr. d. Ebne von Troja in der Heyn[ischen] Uebers. 13  welche Sie mir H

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Auf welche [Weise] Sie mir diese Werke auf ein Paar Wochen schaffen, überlasse ich ganz Ihnen. Aber daß Sie mir sie schaften, wünschte ich sehnlich, u. wenn Sie sie aufgetrieben haben ists wohl am besten mir einen eignen Boten damit zu schikken. Verzeihen Sie, Lieber, theurer Freund, meine Zudringlichkeit, u. machen Sie, daß ich Sie recht bald hier wiedersehe. Die Zeit, wo wir uns hier am ruhigsten sehn können ist der Vormittag. Doch können Sie natürlich zu jeder kommen. Adieu! Ihr Humboldt. Sie denken doch recht bald an die Erfüllung meiner Bitte?

267.  An Brinkman in Berlin

Tegel, 17. Mai 1793

Dank für Bücherbesorgung; weitere Bücherwünsche. Einladung nach Tegel; Ankündigung eines nächtlichen Besuchs mit Alexander.

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Meinen herzlichsten Dank, lieber Brinkmann, für die unflätigen Bücher, die ich kaum so früh erwartete. Ich lege einen Schein von Alex. bei, u. bitte Sie, Bies­ tern in meinem Namen herzlich zu danken, u. ihm zu sagen, daß ich dieß nächstens selbst persönlich thun würde. Was Sie aber vergessen haben, Lieber, sind die Bücher, die Sie selbst mir übermachen wollten, vor allem den Ernestischen Homer, den lez­ ten Theil der Ilias. Wann kommen Sie denn her? Sie wissen ja, daß Sie mir immer willkommen sind. Nur Sonntag kommen Sie nicht, weil ich dann vielleicht selbst bei Ihnen in Berlin bin. Ihr H. Freitag. So eben erhalte ich den le Chevalier u. Ihren Brief. Tausend Dank. In größter Eil. Hören Sie: Sonntag Abend um 10 Uhr sind wir beide Brüder bei Ihnen, u. blei­ ben bis Alex. wegreist, d. i. bis zum Morgen. Bestellen Sie um 11. Uhr Nachts Maras­ quino Gefrornes für 3 Personen et quidem reichlich auf meine Rechnung zu [S]ich. Sehr gutes ist bei dem Conditor Lang an der Spitalbrükke zu haben.

2  einen Scherz von D

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268.  An August Wilhelm Schlegel in Amsterdam

Berlin, 25. Mai 1793

Wenig Aussicht, für Caroline Böhmer eine Befreiung aus der Gefangenschaft des Kurfürsten von Mainz zu erwirken.

Berlin, 25. Mai, 1793. Ihr Brief, theurer Schlegel, war mir um so erfreulicher, als er mir völlig unerwartet kam, indem ich mich schon, da Sie einen Brief, den ich gleich nach meiner Verhei­ rathung an Sie nach Göttingen schrieb, ganz unbeantwortet ließen, von Ihnen ver­ gessen glaubte. Desto trauriger aber fand ich den Inhalt, und noch trauriger, als der selbst, ist es, daß ich Ihnen erst so spät eine Antwort geben kann und diese dennoch so unbefriedigend ausfallen muß. An demselben Abend, an dem ich Ihren Brief er­ hielt, bekam ich einen andren von Ihrer Freundin selbst, in dem sie mir den unglük­ lichen Vorfall erzählte, und ohngefähr die nemliche Bitte als Sie, an mich that. Den­ ken Sie Sich, liebster Freund, wie sehr mich diese Briefe erschütterten, und wie eifrig ich auf die Mittel dachte, die mir etwa zu Gebote ständen. Leider aber waren dieß nur sehr wenige. Das erste war Dalberg. Dalberg aber sagte mir, daß er schon durch Gotter ein Memoire für sie erhalten, und dem Kurfürsten übergeben habe, und daß er, wie ich auch freilich nur zu genau weiß, mehr zu thun außer Stande sei. Da dieß fehlschlug, schrieb ich an Frau von Pfürdt, die Sie vielleicht unter ihrem französi­ schen Namen Ferrette besser kennen, und mit der ich in Erfurt bekannt geworden war. Von dieser habe ich vor einigen Tagen Antwort erhalten. Sie schreibt mir, daß sie meinen Brief dem Kurfürsten übergeben habe, daß sie sich aber weiter in Jus­ tizsachen nicht mengen könne. Indeß sei sie gewiß, daß nach der Uebergabe von Mainz alle Untersuchungen beschleunigt werden würden; wenn gleich vorher nicht leicht eine angefangen werden dürfte. – Sie sehen, mein Bester, wie wenig tröstliche Nachrichten ich Ihnen zu geben im Stande bin. Indeß ist die ganze Lage der Sachen jezt sehr ungünstig. Die Gefahr, der Abfall von Personen, auf die man sicher rechnete und so manches andre hat ein unüberwindliches Mistrauen erwekt, das Unglük, das die Mainzer durch die Klubisten erduldet; die Erbitterung, die dadurch bei ihnen entstanden ist, erfordert eine sehr genaue, allen Formen gemäße Untersuchung der Sache auch der bloß im Mindesten Verdächtigen. Wenigstens sind dieß die Gründe, die man anführt. Privatempfehlungen, auch die besten, helfen gewiß nichts, und ich habe daher Mad. Böhmer gerathen, sich von der Hannöverschen Regierung aus Fürsprache zu verschaffen. Sollten Sie vielleicht durch den jungen Arenswald etwas ausrichten können? 9  und ohnegefähr die D2  13  eine Memoire D2  22  Lage der Sache D1-2

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Das endliche Schiksal der Gefangenen der Art, wie Mad. Böhmer ist nicht zu fürchten. Ich habe nichts gehört, wodurch sie sich im Mindesten schuldig gemacht hätte, und ich habe viel Grund zu vermuthen, daß man selbst gegen die Schuldigen nachsichtig sein wird. Aber dieß ist und bleibt immer ein leidiger Trost. Ihre jezige Gefangenschaft muß [i]hre Gesundheit untergraben, sezt sie dem Urtheile aller Ue­ belgesinnten oder Schlechtunterrichteten aus, und beraubt sie noch überdieß der Freude, ihre Mutterpflichten gegen ihre Tochter zu erfüllen. Das Herz blutet mir, wenn ich daran denke; aber leider ist es nur zu wahr, daß ich nun kein Mittel mehr in Händen habe, einen neuen Versuch zu machen. Die Gefangenschaft soll dennoch übrigens von der Art sein, daß die Gefangenen sich jede Bequemlichkeit verschaffen können. Mancherlei Geschäfte erlauben mir nicht, Ihnen heute mehr zu sagen, theurer Freund. Erhalten Sie mir Ihr Andenken, und lassen Sie mich bald wieder von Ihnen hören. Ewig mit der herzlichsten Achtung und Freundschaft der Ihrige, Humboldt. Meine sichre Adresse ist immer, wo ich auch sein mag: H. Legationsrath v. H. auf der Jägerbrükke in im Humboldtschen Berlin. Hause. od: abzugeben beim in H. Präsidenten von Dacheröden. Erfurt.

269.  An Brinkman in Berlin

Tegel, 30. Mai 1793

Begleitschreiben zur Buchrückgabe; Abschreibenlassen von Pindar-Übersetzungen. Einladung nach Tegel.

Tegel, Donnerstag Abend. Hier, theurer Freund, erhalten Sie Ihren Cowley mit dem herzlichsten Danke zurük. Ich denke mein Jüngling soll ihn nicht beschädigt haben, wie sehr er ihn 40  um neuen Versuch D1-2

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Brief 269–270

auch vielleicht verflucht hat. Denn freilich zwei englische Oden abzuschreiben u. orthographisch richtig abzuschreiben, ohne ein Wort zu verstehen mag eine arge Arbeit sein. Sobald ich eins Ihrer übrigen Bücher nicht mehr brauche, erhalten Sie es gleichfalls zurük. Warum aber sieht man Sie gar nicht hier? Mein nach Berlin kommen hat, wie Sie selbst wissen mehr Schwierigkeiten, als das Ihrige hieher. Ich dächte also, Sie ließen Sich einmal bereden. Sie können geradezu, ohne etwas sagen zu lassen den Vormit­ tag, jedoch nur vor 1 kommen, und den Tag hier zubringen. Auch meine Mutter sieht Sie sehr gern. In der Erwartung also Sie bald hier zu sehn schließe ich diese scheuslich geschrie­ benen Zeilen. H.

270.  An Wolf in Halle

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Tegel, 22./31. Mai 1793

Abraten, die Mainzer Bibliothekarstelle anzustreben. Entschluss, Staatswirksamkeit doch nicht zu veröffentlichen. Aufgabe des Planes einer Thukydides-Übersetzung; Zurückstellen des Pindar-Übersetzens, um dessen Metrik zu studieren. Ausführlich zu schwierigen Homer-Stellen.

Tegel, den 22. Mai, 1793. Endlich, lieber theurer Freund, bin ich ruhig genug, Ihnen wieder einen ausführlichen Brief schreiben zu können. Nur daß ich es bis jezt nicht war, verursachte mein Stillschwei­ gen, und ich wollte lieber nichts, als etwas Halbes thun. Ich lebe hier 2 Stunden von Ber­ lin in einer für den Berlinischen Sand immer angenehmen Gegend, und ungestört genug: Wenigstens kann ich den Vormittag bis 2 Uhr den Graeculis und ein Paar Nachmittags­ stunden meiner Korrespondenz weihen. Dennoch sehne ich mich sehr wieder nach voller Muße, die mir aber freilich unter 2, 3 Monaten schwerlich werden wird. Für Ihre liebevollen Briefe sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank. Sie sind mir eine unglaubliche Erquikkung während des unseligen Erfurther Aufenthalts gewesen. Fahren Sie ja fein fleißig damit fort, und schreiben Sie eben so quodlibetarisch als Ihre Geschäfte und Zerstreuungen sind. Sie glauben nicht, oder vielmehr Sie fühlen es ja selbst, welche innige Freude Sie mir dadurch geben. Ihres Plans nach Mainz habe ich nicht erwähnt, Sie hatten das Erwähnen in mein Gutachten gestellt, und da konnte ich nicht anders. Die 5  verstehn, mag eine Arbeit D  13 geschriebnen D

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Stelle, wie sie Forster hatte, war unerhört gut[:] 2200 fl: (denn die übrigen 400 die Forster hatte, hatte er als Prof. der Botanik) Gehalt und gar nichts zu thun, was auf der Welt kann als Universitätsleben wünschenswerther sein, und nun außerdem in einer paradiesischen Gegend, besserem Klima, der Nähe interessanterer Länder als das Heil. Röm. Reich an sich ist. Aber so, wie sie war, bleibt sie ganz sicher nicht. Außerdem daß der Kurfürst, wie ich ihn selbst sich nennen hörte, „ein ruinirter Kurfürst“ ist, so hat auch die Mainzer Universi­ tät, deren HauptEinkünfte in Zehnten in nun fast ganz verwüsteten Gegenden bestanden, sehr beträchtlich gelitten. Eingesehen hat man wohl auch, daß man einen Bibliothekar, der etwas thun soll, nicht so gut bezahlen muß, und so trift man sicherlich eine Aende­ rung. Welche aber? und dieß war nun die zweite wichtige Schwierigkeit weiß bis jezt so wenig irgend jemand, daß man sogar noch unschlüssig ist, ob überhaupt nur künftig eine Mainzer Universität existiren soll, oder ob es gerathener sei, Mainz und Erfurth in Eins zu schmelzen. Zu diesen Gründen kommt des Kurfürsten schrankenloses Mistrauen gegen fremde Gelehrte, ja gegen alle Gelehrte überhaupt, durch das es sehr schwer wird, irgend einem Zutritt zu verschaffen. Was aber endlich allem die Krone aufsezt, ist, daß, statt wie Sie glauben, Ein Wort des Koadjutors so etwas ins Werk richten könnte, vielmehr dieß Wort sehr viel verderben würde. Denn (unter uns) beide sind mehr wie je mit einander über den Fuß gespannt. Dieser Kanal ist also gar keiner, und da ich dieß im Voraus wußte, so hielt ich es für besser zu schweigen. Was nun andre Kanäle betrift, so giebt es nur ei­ gentlich Einen, den Kanzler Albini. Dieß ist aber ein so steifer, alberner Jurist, daß sich niemand leicht wird an ihn machen wollen, und ich kenne ihn überdieß nur sehr wenig. Ein allenfalsiger Kanal ist noch der D. Pauli, der Arzt des Kurfürsten, der gern den Maecenas spielt, und so der Lesebengel des Hofes ist. Doch ist das ein insipider unangenehmer Prinz. Verzeihen Sie die vielen Worte. Aber ich dachte, es wäre Ihnen gemüthlich, etwas Nähe­ res von diesem sonderbaren Hofe zu wissen. Um Verschwiegenheit brauche ich Sie wohl nicht zu ersuchen. Für mein zurükgeschiktes Msct. meinen herzlichen Dank. Sobald möchten Sie es nun wohl nicht gedrukt sehen. Ich hatte schon Buchhändler und alles, aber ein neues Durch­ lesen hat mich zum Warten bewogen. Bringt dieß Warten ein Aendern vieler Stellen her­ vor, so erreicht es seinen eigentlichen Endzwek, und selbst ohnedas erscheint es besser später, als jezt. Fast nie sind alle Gesichtspunkte über Politik so verrükt gewesen, als jezt. Der ruhige Schriftsteller, und vor allem der so bloß theoretische, als ich, darf jezt auf alles rechnen, nur nicht darauf, verstanden zu werden. Ob ich aber je zur Politik zurükkehre, ist eine andre Frage, die ich nicht bejahen möchte. Die Griechen absorbiren mich ganz, zum mindesten die Alten, damit Sie mich nicht den Römern und dem Tacitus unhold glauben. Aber auch in Absicht der Griechen werden meine schriftstellerischen Plane immer eingeschränkter. Ich habe noch jezt von neuem einen aufgegeben, und rechne selbst auf 27  schreckliches Mistrauen h2 D1  44 ohnedies D1

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Brief 270

Ihren Beifall dabei, wenn Sie meine Gründe hören. Ich meine die Uebersezung des Thucy­ dides. Das Uebersezen kostet ungeheure Zeit, wenigstens mich, und wenn ich auch selbst glauben wollte, mein Thucydides würde klassisch, so belohnt auch das mir die Zeit nicht hinlänglich, die es den eigentlichsten Planen meines Studirens raubt. Diese bestehn nem­ lich jezt ganz fest darin, wenigstens die Hauptschriftsteller der Alten gelesen, und mehr als das, in succum et sanguinem vertirt zu haben. Ehe ich nicht damit fertig bin, fühle ich eine Lükke in meinem Kopfe, die ich nicht auszufüllen weiß, und die mich quält, und bin ich damit fertig, so habe ich auch soviel Material vor mir, daß, denke ich an Schriftstellerei, ich manche noch schönere Plane bilden kann, als Uebersezungen sind. Denken Sie nur selbst nach, wieviel Lükken noch unausgefüllt sind. Nirgend ist noch die alte Philosophie gehörig erläutert, nirgend auf eine für den Menschenkenner befriedigende Weise ein Gemählde der Sitten, Denkart u. s. f. aufgestellt, wie auch Garve in seinen Briefen erwähnt, u. s. f. Doch liegt mir auch überhaupt wenig an eignen Arbeiten, das meiste nur am Studiren, und darin würde mich eine so schwierige u. weitläuftige Arbeit sehr hindern. Sezen Sie mir also nicht ungeheure Gründe entgegen, so mag meines Gefallens sogar Borhek den armen Thucydides schänden. Ich brauche ihn ja Gottlob! nicht im Stande dieser Erniedrigung zu sehn. Nur dem Pindarübersezen bleibe ich treu. Ich beschäftige mich auch jezt viel mit dem Pindar, aber alles Uebersezen habe ich mir, bis nach völlig geendigtem Durchstudiren, und vorzüglich bis nach genauerer Bekanntschaft mit seinen metris gänzlich untersagt. Mit diesen habe ich jezt viel zu schaffen, und soviel sehe ich doch schon jezt, daß ich meine Deutschen Silbenmaaße hätte bei weitem Pindarischer machen können, als ich bei mei­ ner Ignoranz gethan habe. Aber die Schwierigkeiten, u. die Dornen dieses Studiums sind schändlich, und erfordern in der That eine so mannigfaltig geprüfte Geduld, als es die meinige von ehemals her durch juristische Arbeiten ist. Jezt, Lieber, einige philologica. Aber zur Vorrede die Bitte ja nicht zu glauben, daß mich bloß die Paar Schriftsteller interessiren, die ich jezt lese, oder auch nicht einmal bloß die Griechischen. Wollen Sie es recht schön mit mir machen, so folgen Sie bloß Ihrer Neigung und Ihrem Interesse. Ich lerne ebenso gern von Ihnen aus dem Tacitus als dem Homer. Beim Homer muß ich Ihnen etwas von meinem Mädchen erzählen, das Sie aber Nie­ meyern nicht wiedersagen müssen. Sie erinnern Sich noch daß sie seinen Homer sehr haßte u. ihm oft nachstellte. Endlich ist sie denn dahin gekommen ihn dergestalt zu zerfleischen, daß er nun ganz unbrauchbar war, u. dieß hat für mich die gute Folge gehabt, daß Ihre Edition an die Stelle getreten ist, wo ich eben durch die Vorrede wieder viel Neues gelernt habe. Sie fragen mich, ob ich in Il. ν. 257. κατεάξαμεν eine Idee vom Plural hineinbringen kann? Aber das scheint mir ganz unmöglich. Freilich 67  die Menschenkenner h2 D1  78  Deutsche Silbenmaaße h2  83  bloß ein Paar h2 D1  89  u. dies h1 

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hatte jeder Held, auch allenfalls ein subalternerer, wie Meriones war, sein Gefolge, das gleichsam seine Thaten theilte. Aber die Lanze hatte er doch allein, warf er allein, und zerbrach er allein. Dazu aber choquirt mich in der Stelle der schnelle Wechsel des numeri in derselben Zeile ὃ πρὶν ἔχεσκον u. in der folgenden βαλών. Erlauben sich das selbst die so gern pluralisirenden Lateiner? Ich kann mir nicht einbilden, da[ß] Homer so geschrieben habe. Mir ist schon eingefallen, ob κατεάξαμεν viel­ leicht für κατεαξάμην stände, wie δὲ für δὴ, μὲν für μὴν, aber einmal existirt im gan­ zen übrigen Homer kein Fall der Art, und dann braucht Homer auch ἀγνύω und ἄγνυμι immer im actiuo (Il. ζ. 40. ρ. 63. et passim) nie soviel ich weiß im medio des­ sen Bedeutung auch kaum hier schiklich wäre. Sagen Sie mir doch, ob Sie die Lesart für ungezweifelt gewiß halten? Bei Il. ν. 237. bin ich jezt völlig befriedigt. Il. ν. 585. hat ἀπὸ νευρῆφιν auch in Ihrer Ed. ein iota subscriptum. Aber nicht wahr, das bleibt künftig weg? Bei Il. ο. 459. war meine Idee als ich μαχὴν vorzog die, daß es heißen sollte: und er hätte mit Hektors Erlegung der Schlacht ein Ende gemacht, eine frei­ lich größere, aber, wie ich jezt glaube minder Homerische Idee. Jezt scheint es mir richtiger, daß Homer nur sagen wollte: und er hätte seinem (Hektors) Kämpfen ein Ende gemacht, wenn er ihn getödtet hätte, so tautologisch auch es ist. Daher scheint mir auch die vulg. besser. Soviel über die alten Stellen; nun nur ein Paar Neue, da ich sehr unfleißig gelesen habe. 1., Ist denn der Unterschied zwischen μύριον und μυρίον bloß Grille, oder warum steht Il. σ. 88. in Ihrer Ed. μύριον? 2., Il. σ. 509–540. will ich nur im Vorbeigehen anführen, da die Schwierigkeit nicht in der Sprache, sondern im Zusammenhange liegt. Aber wenn Sie einmal gelegentlich diese Stelle lesen, so sagen Sie mir doch, ob es nicht wunderbar ist, daß der sonst so klare Homer hier so undeutlich ist, und ob Sie auch unter den Meinungen, die Porphyrius in quaest. Hom. recensirt diejenige vorziehen, nach welcher zwei feindliche Heere sind, u. die Städter den Ausfall thun? 3., Il. σ. 576. haben Sie das (,) der Clarkischen Ausgabe hinter ῥοδανὸν weggelassen, und nehmen also ῥοδανὸν wahrscheinlich substantiue. Aber sonderbar ist doch πὰρ ποταμὸν – περὶ ῥοδανὸν. Wäre nicht πέρὶ ῥοδανὸν, „sehr reißend“ als adiectiuum besser? 4., Wollten Sie nicht Il. σ. 589. das comma hinter κατηρεφέας sezen u. dieß epitheton zu κλισίας ziehn, wie auch Villoison ad Apollon. Lex. (Ed. Tollii) p. 387. nt. 1. thut? 4., Il. τ. 222. lesen Sie mit Heraclides Ponticus ὡς ὅτε. Allein wenn ich die ganze Stelle im Zusammenhange lese, so scheint mir mit dieser solemnen Vergleichungspartikel das folgende ἐπὴν nicht übereinzustimmen. „schnell wird man des Kampfes überdrüssig, wie wann das Erz sehr viele Halme zur Erde giesst, aber die Ernte dürftig ist, wenn Zeus u. s. w.?“ Mich dünkt die Stelle ge­ hört zu denen, wo zwar der Ausdruk dem Sinn nach metaphorisch und vergleichend

98  das Homer so H  113 Vorbeigehn h3 D1  122 ziehen, D2  125 solennen D1

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Brief 270–271

ist, die Vergleichung aber nicht durch die Konstruktion angedeutet wird. „s. w. m. d. K. überdrüssig, wo d. E. v. H. z. E. giesst, a. d. E. d. ist, wenn Zeus u. s. w.“ und diesen Sinn herauszubringen scheint mir ἧστε, oder wenn Sie ein eignes Commen­ tum verlangen ᾗτε schiklicher. Ἧστε hat allerdings etwas Gezwungnes, indeß läßt es sich vertheidigen. Cuius plurimam stipulam steht für in qua plur. stip. und stip. wird figürlich gebraucht. 5., Il. τ. 402. lerne ich aus Ihrer Vorrede daß ἕω soviel als ἐκληρόω ist. Aber wie läßt sich diese Bedeutung etymologisch erweisen, oder recht­ fertigt man sie durch andre ähnliche Stellen. Die Phrase ἔρον ἐξεῖναι habe ich mir immer durch cupiditatem emittere, dimittere und daher satiari erklärt. 6., Il. φ. 111. begreife ich den nom. ἠὼς nicht recht, da auf die Frage wann? der acc[usativus] steht, und ich auch μέσον ἦμαρ für den acc. halte. Hieße es vielleicht besser ἢ ἠοῦς, ἢ δείλης, (mit zu beidem ergänztem καιρὸν, wie es Eustathius nur zu δείλης allein ergänzen will) ἢ μέσον ἦμαρ? Es ist so bequem zu emendiren, wo man die übliche Lesart nicht versteht. 7., Ist nicht Il. χ.  286. das Comma statt eines Colons hinter χάλκεον ein Drukfehler, so wie 394. ϑεῷ ὡς für ϑεῷ ὣς? 8., Il. χ. 474. macht mir das ἀτυζομένην ἀπολέσϑαι Schwierigkeit. Die lat. Ueb[ersezung] sagt prae dolore – cu­ pidam inter­itus, Scapula v[oce] ἀτύζομαι, metuentem interire. Das Erste liegt ganz und gar nicht in den Worten, das Leztere ist dem Sinn nicht angemessen. Heißt es nicht mit ausgelassenem ὥστε, „die bis zum Tode bestürzt war“. 9., Il. ψ. 71. schlägt Ernesti vor abzutheilen με, ὅττι τάχιστα πύλας Ἀ. π. Ist das aber Griechisch? Mich dünkt ὅτι würde auf diese Weise statt ἵνα od: ὄφρα nicht gebraucht. – d. 31. May, 1793. Heute erst kann ich wieder hier fortfahren, lieber Freund. Alle Nachmittage leidige Besuche, wie bei Ihnen im Garten. Ich schikke also diesen Brief ab und fange gleich morgen einen zweiten an, der unter anderm einen weitläuftigen excessus von mei­ nen Ideen über νὺξ ϑοὴ enthalten soll. Für heute leben Sie herzlich wohl! Meine Frau legt eine Antwort auf das niedliche Briefchen bei. Ewig und innigst Ihr Humboldt. Meine Adresse ist: Berlin, auf der Jägerbrükke, im Humboldtschen Hause.

131  eigenes Commentum D2  144 prae-[/]dolore H  151  Ich schikte D1

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271.  An Gentz in Berlin

Tegel, 5. Juli 1793

Eine unterhaltsame Probe aus eigener Hesiod-Übersetzung.

Da ich weiß, lieber Freund, wie sehr Sie schöne Griechische Stellen lieben, so schikke ich Ihnen hier die besten aus Hesiods Tagewerken, mit denen ich mich seit 8 Tagen herumschlage, und die ich also als die Belohnung für manchen mühseligen Augenblik ansehn muß, in einer Uebersezung, die gerade nur treu ist. 5

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Pisse nicht aufrecht stehend entgegen der Sonne gekehret, auch wenn sie untergegangen, gedenke, weder zum Aufgang, noch auf dem Weg’, noch außer dem Weg im Gehen zu pissen, noch enthüllt; denn geweiht ist die Nacht den seligen Göttern. Wer ein göttlicher Mann und kundig verständiger Werke, Der pisst sizend, oder der Mauer des Hofes sich nahend. # # # Zeige nicht im Hause mit Saamen besudelt das Schaamglied, wenn Du Deinem Heerde Dich nahest, sondern vermeid’ es. Auch vom unglükverheissenden Leichenmahl rükkehrend säe nicht Kinder dem Weib’, nur von der Unsterblichen Mahle. # # # Niemals, wo sich des Stromes Flut in das heilige Meer stürzt, noch in reine Quellen pisse, sondern vermeid’ es; scheisse auch nicht hinein, denn also handelst Du besser, willst Du sorgsam der Sterblichen bösem Gerede entweichen. Hes. op. & dies. v. 727–736. 757–760. # # # Das Kind ist leidlich. Grüßen Sie Ihre Frau von uns beiden. Ich besuche Sie näch­ stens. Ihr Humboldt. 5. Jul. 93.

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272.  An Christian Gottlob Heyne in Göttingen

Berlin, 8. Juli 1793

Ratschläge, wie eine Beschlagnahme des Forsterschen Vermögens durch den Kurfürsten von Mainz verhindert werden könnte. Humboldts Übersetzung eines Eumeniden-Chors. Projekt einer Übersetzung des ganzen Pindar. Metrikstudien.

Berlin, 8. Jul. 1793. Nichts hätte mir schmeichelhafter sein können, als der gütige und freundschaftli­ che Brief, mit welchem Sie, verehrungswürdigster Herr Hofrath, mich beschenkt ha­ ben. Ein so überzeugender Beweis, nicht gänzlich in Ihrem Andenken erloschen zu sein, mußte nicht allein die lebhafteste Freude in mir erwekken, sondern er mußte auch die herzlichste Dankbarkeit, und den innigsten Wunsch in mir rege machen, Ihnen diese Dankbarkeit, wo möglich, auf eine thätige Weise an den Tag zu legen. Sehr glüklich böte mir nun hierzu Ihr eigner Brief die Gelegenheit an, wenn ich nicht leider befürchten müßte, daß ich gerade in der Angelegenheit, die Ihnen und gewiß auch mir jezt äußerst am Herzen liegt, weniger selbst vermöchte, und daß die Kenntniß der Lage der Sachen, und ein daraus hergenommener Rath vielleicht das Einzige wären, was ich zu leisten im Stande wäre. Der Antheil, den ich seit meiner ersten Bekanntschaft mit Forsters, an allen ih­ ren Schiksalen nahm, und die Freundschaft, welche beide mir schenkten, waren zu groß, als daß ich sie nicht in ihren jezigen Unglüksfällen mit dem lebhaftesten Interesse hätte begleiten sollen. Ich erstaunte, als ich zuerst die politische Parthei hörte, die Forster genommen hatte, ich erstaunte noch mehr, als ich die Veränderung seiner häuslichen Lage erfuhr, ich klagte weder sie noch ihn an, weil ich das, ohne die genaueste und detaillirteste Kenntniß der ganzen Lage, allemal ungerecht halte; aber die gänzliche Zerstörung einer Familie, in der ich so viele glükliche Tage verlebt hatte, verwundete mich auf das schmerzhafteste. Als der Kurfürst im leztvergange­ nen Frühjahr nach Erfurt kam, suchte ich seine Gesinnungen gegen Forster näher zu prüfen. Er sprach mehreremale mit mir von ihm, und ich fand, daß er ihn unter al­ len, welche die Parthie der Franzosen ergriffen hatten, am ausgezeichnetesten, und mehr, als andre, die sich wahre Invektiven gegen seine Person erlaubt hatten, haßte. Von der Frau sagte er mir nichts. Allein – Sie verzeihen mir dieß Geständniß, das ich nur thue, weil es hier auf die nakte Wahrheit der Thatsachen ankommt – bei den Personen, die ihn zunächst umgeben, und deren Echo er ist, oder die auch wechsels­ weise das seinige sind, fand ich noch größeren Widerwillen gegen Ihre Tochter, als 11  der Sache, D1-2  12  Einzige wäre, D1-2  24  Parthei der Franzosen […] ausgezeichnetsten D1-2 25  als andere, D1-2  nahe Invektiven D1-2  26  dieses Geständniss D2  28 umgaben, D1-2

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gegen Forster. Man schrieb ihr, ich weiß nicht welche Zerrüttung seiner häuslichen Lage, und dieser einen beträchtlichen Einfluß auf sein öffentliches Benehmen zu. Wenn daher jezt mit Wirkung etwas für die Rettung des noch übrigen Vermögens für die Kinder geschehen soll; so glaube ich, darf es nicht im Namen, oder auch nur mit Bezug auf die Mutter geschehen, ungeachtet Sie ganz richtig bemerken, daß sie schlechterdings in diesen politischen Angelegenheiten keine Schuld auf sich geladen hat. Daß aber nicht die gerechte Vorstellung, daß die unglüklichen Kinder schlechterdings keinerlei Schuld theilen können, und daß fremde Ansprüche auf das Vermögen, wie die Ihrigen, nicht durch eine Confiscation geschmälert werden können, durchdringen sollte, kann ich mir nicht denken, da der Kurfürst – wie ihm niemand absprechen kann – eine in der That strenge Gerechtigkeitsliebe besizt, und diese sogar vorzüglich da äußert, wo persönliche Abneigung ihn zum Gegentheile verleiten könnte, wovon es mehr als Ein Beispiel giebt. Nun würde es freilich auf die Art ankommen, wie man eine Vorstellung deshalb an ihn gelangen ließe, und hier gerade bedaure ich, Ihnen in der That nur einen Rath ertheilen zu können. Der Einzige Mann, von dessen Entscheidung unstreitig das ganze Schiksal der Klubbisten, und also auch das Schiksal dieses Forsterschen Vermögens abhängt ist der Kanzler des Kurfürsten, der kaiserl. GeheimeRath, Freiherr von Albini. Denn er ist der Einzige, welchen der Kurfürst in diesen Angelegenheiten zu Rathe zieht, und das Vertrauen des Kurfürsten auf ihn ist so groß, daß schwerlich jemand, außer ihm, in wichtigen, vorzüglich Justizsachen unmittelbar auf den Kurfürsten Einfluß hat. Der Koadjutor mischt sich in Angelegenheiten dieser Art schlechterdings nicht, und wenn er es thun wollte, wäre es gewiß fruchtlos, wie ich aus mehreren Beispie­ len der Art weiß. Mit Albini selbst, den ich nur ein Paarmal bloß beim Kurfürsten gesehen, stehe ich in gar keiner Verbindung. Die aller einzige Person, durch welche ich allenfalls etwas thun könnte, wäre die Frau von Pfürdt (gewöhnl. Ferrette ausge­ sprochen) die Nichte des Kurfürsten. Allein dieß kann nur wenig helfen. Da diese Sache schlechterdings eine Justizsache ist, so wird sie meinen Brief bloß dem Kur­ fürsten mittheilen, und bei der endlichen Entscheidung schwerlich Rüksicht darauf genommen werden. Mein Rath wäre also der. Sie, theuerster Herr Hofrath, sezten selbst eine Vorstellung an den Kurfürsten auf, in der Sie bäten, bei dem Process, den man wahrscheinlich gegen Forster verhängen würde, nicht durch eine Confiscation Ihren Enkeln noch den Rest des Vermögens zu entziehn, der allenfalls aus den Trüm­ mern von Mainz gerettet würde. Sind Ihre Vorschüsse und die daraus entstehenden Ansprüche von der Art, daß Sie sie kurz bescheinigen könnten, so daß es nicht das

39  durchdringen sollten, H D1-2  41  zum Gegentheil D1-2  43  desshalb an ihn D1-2  48  in dieser Angelegenheit D1-2  59  der, Sie D1-2  62 entziehen, D1-2  63  daraus entstandenen D1-2 

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Brief 272

Ansehn eines bloßen Vorwands hätte, und sind dieselben so beträchtlich, daß sie dem Ueberreste von Sachen gleichgeschäzt werden könnten; so riethe ich Ihnen lie­ ber bloß gleichsam als Gläubiger aufzutreten. Sie haben dann ein wirkliches Recht, und brauchen weniger zu bitten. Doch beurtheilen Sie selbst gewiß am richtigsten, welcher Weg der bessere ist? Diese Vorstellung könnten Sie alsdann mit einem Briefe an Albini begleiten. Ihr Name ist zu bekannt, als daß er nicht allein mehr, als jede fremde Empfehlung wirken sollte. Wäre es Ihnen indeß möglich zu bewirken, daß diese Vorstellung von der Hannöverschen Regierung unterstüzt würde, so wäre dieß ohne Zweifel das wirksamste Mittel. Auch erinnere ich mich, daß die beiden Grafen Stadion, bei [i]hrem ehemaligen Göttingischen Aufenthalte, viel Freundschaft in Ih­ rem Hause genossen. Vielleicht ließen sich auch diese auf eine vortheilhafte Weise benuzen. Was mich nun betrift, so will ich zugleich mit nächster Post an Frau von Pfürdt schreiben, ihr sagen, daß Sie mir jenen Wunsch geäußert, daß sie, wenn sie etwas dazu beitrüge, nicht allein einer zerrütteten Familie eine Wohlthat erzeigen, sondern sich auch durch die Rettung mehrerer wichtigen und einzigen Sachen um die Wissenschaften verdient machen würde. In Verbindung mit dem Schritte, den Sie thäten, wäre es doch vielleicht von Wirkung. Allein das Wichtigste, wie ich gewiß überzeugt bin, wäre immer, daß Sie jenen Schritt ganz geradezu, und völlig unab­ hängig von andern Versuchen, unternähmen. Sollten Sie indeß dennoch besondre Gründe haben, diesen Schritt nicht zu thun, so kann mein Brief immer nicht scha­ den, und Sie sind insofern nicht dadurch genirt. Dieß ist leider alles, was ich Ihnen über diese gewiß auch mir äußerst wichtige Angelegenheit sagen kann. Indeß habe ich Sie doch vielleicht näher von der Lage der Sachen unterrichtet, als Sie vorher waren. Das Unglüklichste hiebei ist, daß vielleicht, indem ich dieß schreibe, nichts mehr von allen den Sachen existirt, welche Sie zu retten wünschten. Die Gegend des Thiermarkts ist, den Zeitungen nach, dem Deutschen Geschüz am meisten aus­ gesezt, und gerade da war ja des armen Forsters Wohnung. Für die Nachsicht, mit welcher Sie, theuerster Herr Hofrath, meinen Chor beur­ theilen, bin ich Ihnen meinen herzlichsten Dank schuldig. Ich werde ihn jezt in der Berl. Monatsschrift abdrukken lassen. Er wird aber alsdann noch mehrere Verbes­ serungen erhalten, unter welchen auch die von Ihnen angeführte Stelle sein wird, über die ich jedoch, wie ich offenherzig gestehen muß, noch gar nicht ins Reine bin. Eine Sammlung und Uebersezung aller Chöre wäre allerdings eine sehr wünschens­ werthe Sache, und ich wäre gewiß nicht abgeneigt, sie zu unternehmen. Allein das Ueber­sezen von Dichtern hängt, wenigstens bei mir, so sehr von Laune und Stim­ mung ab, daß ich darüber nur sehr wenig Herr bin. Für jezt habe ich auch vorzüg­ 65 Ansehen D1-2   74 ehemaligem D1 Aufenthalt, D1-2  83  von anderen Versuchen, D1-2 besondere D1-2  88  in dem ich H 

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lich nur zum Pindar Lust, und wenn diese Neigung bleibt, so hoffe ich einst eine vollständige Uebersezung desselben zu liefern. Ich beschränke mich nun fürs erste allein auf die nöthigen Vorarbeiten, und suche mich in den Geist und die Diktion des Originals so weit hineinzudenken, als es nur immer möglich ist. Da ich mir vor­ genommen habe, den Silbenmaaßen des Originals so treu als möglich zu bleiben, und dieß mir auch in der That nicht unwichtig scheint, da eine solche Uebersezung doch nicht sowohl zum bloßen Vergnügen des Laien, der sie kaum verstehn kann, bestimmt ist, sondern mehr die Absicht hat, seine Kräfte, an einem schweren Kunst­ werk zu versuchen, und auf die Sprache, in die man übersezt, gut zurükzuwirken; so habe ich es nicht vermeiden können, mich in die Metrik des Pindar so tief einzu­ lassen, als es mir meine Kräfte erlauben. Die Schwierigkeiten, die einem dort aufsto­ ßen, sind freilich sehr groß, und ich darf nicht hoffen sie, mit meinen, noch immer sehr mangelhaften Kenntnissen zu lösen. Indeß erlaubt mir auch mein Zwek, über mehrere hinwegzugehn, da ich mich z. B. nicht dabei aufzuhalten brauche das me­ trum, wo es corrupt ist, wiederherzustellen (die Sache des Kritischen Herausgebers) oder es ängstlich den Benennungen der Grammatiker nach zu constituiren (die Sa­ che des gelehrten Philologen) sondern es mir nur darauf ankommt, zu wissen, wel­ che Silbenmaaße und mit wie strengen Regeln Pindar gebraucht hat? Ich habe daher angefangen, den ganzen Pindar durchzuscandiren, und die einzelnen Cola nach Be­ schaffenheit ihrer Silben zu classificiren. Diese Arbeit, die meines Wissens noch nie gehörig geschehen ist, muß doch wenigstens dazu dienen bestimmt zu zeigen, wel­ che Silbenmaaße Pindar braucht? u. welche Freiheiten er sich dabei erlaubt, die man bei andern Dichtern nicht findet? und aufs allermindeste muß sie vor der Inkonse­ quenz bewahren, deren sich der Metricus und Pauw so oft schuldig machen, völlig aus denselben Silben bestehende Verse das eine mal so, das andre mal anders zu be­ nennen, und besonders in Fällen (denn oft ist freilich die eine Benennung so gut, als die andre möglich) wo gerade die Vergleichung Licht geben würde. Bin ich mit den einzelnen colis in Richtigkeit; so werde ich die ganzen Strophen untersuchen, und prüfen, ob Pindar in der Verbindung der einzelnen Verse zu einer Strophe gewisse Regeln beobachtet, oder nicht, eine Sache, die ich noch gar nicht untersucht ge­ funden habe, da ich doch zu bemerken glaube, daß in jeder Strophe Eine Gattung der Füße herrscht, und daß sich darnach vielleicht verschiedene genera con­stituiren ließen. Außerdem gebe ich noch auf Nebenpunkte Acht, z.  B. Cäsur, Endsilben, ob es in der That richtig ist, was Dawes behauptet, daß sie nicht gleichgültig sind, u. s. w. Etwas Wichtiges und vollständiges selbst über die metrik des Pindar zu lie­ fern, kann mir fürs erste bei einem beträchtlichen Mangel an eigner Gelehrsamkeit 107  eines Laien, D1-2  114  mehrerem hinwegzugehn, D1-2  119  durch zu scandiren D2  136  eigener Gelehrsamkeit D1-2 

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und fremden Subsidien nicht einfallen. Aber immer können vielleicht jene gleich­ sam mechanischen Arbeiten – deren ich zu meinem Zwek des Uebersezens doch nicht entbehren kann – einem wirklichen Gelehrten zur Bearbeitung nüzlich sein. Ein großes Verdienst könnten Sie, theuerster Herr Hofrath, Sich um diese meine Studien erwerben, wenn Sie mir gelegentlich nur mit wenigen Worten sagen woll­ ten, ob Sie glauben, daß auf dem hier beschriebenen Wege wirklich etwas geleistet werden könnte, oder nicht? Bringe ich die Uebersezung ganz und nach Wunsche zu Stande, so denke ich den Pindar mit abdrukken zu lassen, und ihn mit einem vollständigen SachKommentar, das Ganze aber mit einer Einleitung über Pindars Leben und Schriften, den Geist der lezteren, die verschiedenen Gattungen seiner Gedichte nach den noch vorhandnen Nachrichten und Fragmenten, und endlich ihre Form, Silbenmaaß u. s. w. zu begleiten. In dieser Einleitung wird sich nebenher auch manches nicht Uninteressante über griechische Musik – die ich zu dem Ende eigends zu studiren versucht habe – und ihre Wirkung auf den Nationalcharakter anbringen lassen. Sollte dann etwas ganz Vollständiges geliefert werden; so müßten dem Pindar freilich die Chöre und die Fragmente der übrigen Lyriker – insofern sie beträchtlich sind – folgen, um die ganze Lyrische Poesie der Griechen zu übersehen. – Aber verzeihen Sie, daß ich Sie mit meinen Chimären, denn das sind es mehr wie Plane, unterhalte. Es ist indeß nicht übel, seinem Studiren einen bestimmten Zwek zu geben, und nur dafür sehe ich die meisten solcher Plane an. Wenigstens liegt mir eigentlich nur am Studiren, und ehe ich dem Publikum etwas Größeres übergebe, erwarte ich gewiß durch mehrere Jahre gereifte Gelehrsamkeit und Beurtheilung. Nur das Vertrauen, das mir Ihr freundschaftlicher Brief einflößte, konnte mich verleiten, meinem Briefe diese Ausdehnung zu geben. Verzeihn Sie mir um dieser Ursache willen. Die Hofnung in einiger Zeit, die ich indeß freilich nicht bestim­ men kann, mit meiner Frau, die im Voraus sehr begierig auf Ihre und Ihrer Familie Bekanntschaft ist, selbst nach Göttingen zu kommen, nähre ich gar sehr, und Ihre freundschaftliche Einladung nähert gewiß, soviel es immer möglich ist, den Zeit­ punkt dieser kleinen Reise. Empfehlen Sie mich auf das angelegentlichste Ihrer Frau Gemahlin, und sein Sie versichert, daß ich ewig mit der herzlichsten und innigsten Verehrung sein werde Meine Adresse ist: der Ihrige, auf der Jägerbrükke, im Berlin Humboldt. Humboldtschen Hause.

147  noch vohandenen D1-2  150  versuchte habe D1-2  154  sind sie mehr D1-2  155  seinen Studien einen D1-2  161  Ursachen willen. D2  162  Ihrer und Ihrer H 

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Ich brauche wohl nicht erst die Versicherung hinzuzufügen, daß ich in dem Briefe an Frau von Pfürdt gewiß nichts sagen werde, was Sie auch nur im mindesten compro­ mittiren könnte.

273.  An Brinkman in Berlin

Tegel, 14. Juli 1793

Bitte um Vermittlung beim Wunsch des Halbbruders Holwede, an einer Jagd teilzunehmen.

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In Machenow soll übermorgen, d. 16.  huj. eine große HirschJagd sein. Mein Bruder, der Rittmeister, trägt mir auf, Sie zu fragen, ob Sie auf eine gute Art machen könnten, daß er mit von der Parthie wäre? Ich entledige mich bloß hierdurch eines Auftrags, u. erbitte mir noch heute eine zeigbare Antwort, in der Sie mir sagen können, was Sie historice von dieser fête wissen. Ich sah Sie ja seit so langer Zeit nicht. Ihr H.

274.  An Wolf in Halle

Tegel, 5. August 1793

Pockenimpfung der Tochter Karoline. Zweifel an der alleinigen Autorschaft (und das Alter) von Hesiods ,Erga‘. Ausführliche Deutung der homerischen Wendung νὺξ ϑοὴ. Bitte um ein Empfehlungsschreiben an Adelung in Dresden.

Tegel, bei Berlin, 5. Aug. 1793.

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Sie hätten wohl Recht, theurer Freund, ernstlich auf mich zu zürnen, da ich so lange geschwiegen habe, und Ihnen doch so bald einen Brief versprach. Aber so geht es mir sehr oft. Gerade bei den Menschen, die meinem Herzen die nächsten sind, schieben sich die Briefe am längsten auf, weil ich bald ausführlicher schreiben und mehr Zeit dazu haben, bald eine andre Stimmung abwarten will. Beides war in dieser Zwischenzeit seit meinem lezten Briefe, ein Paarmal der Fall, und wenn ich Ihnen sage, wie nichtige Dinge für mich grade diese Zwischenzeit ausfüllten, so werden Sie Sich nicht wundern. Etwa eine Woche, nachdem ich Ihnen geschrieben

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Brief 274

hatte, zeigten sich die Blattern hier auf dem Lande, wo ich wohne. Zugleich waren sie auch sehr stark in Berlin, obgleich an beiden Orten gutartig. Da meine Frau und ich einmal gerade jezt die Blattern für unser Kind scheuten; so giengen wir auf ein andres Gut meiner Mutter. In eben diesen Tagen sprachen wir Herz, der seit vielen Jahren mein vertrauter Freund ist, und er rieth uns gerade im Gegentheil, dem Kinde die Blattern zu inokuliren. Die Furcht vor Zähnen, die während der Blattern eintre­ ten könnten, die Hize, und die Ihnen wohlbekannte Dikke des Kindes machten uns zwar sehr bange, indeß auf Herz Zureden faßten wir dennoch den Entschluß, gien­ gen nach Berlin zurük und die Einimpfung geschah. Die ersten 9 Tage gieng alles sehr gut. Die Kleine war an beiden Armen inoculirt. Einer hatte gleich gefaßt, und hatte am 5t od: 6st Tag schon Blattern. Der andre faßte später. Herz selbst glaubte kaum, daß das Kind noch Blattern, außer jenen wenigen bekommen würde. Am 9t Tage aber stellte sich ein sehr heftiges mit 2 starken Anfällen von Konvulsionen begleitetes Fieber ein, und am folgenden Tage waren die Blattern sehr gut heraus­ gekommen, aber wir sahen auch nun, daß das kleine Geschöpf ihrer ganz erstaun­ lich viel hatte. Der Rest der Krankheit gieng nun recht gut, außer daß das Kind sehr viel litt, und der armen Mutter viel Mühe machte. Gefahr war indeß nur den Einzi­ gen Tag. Jezt ist die Kleine sehr wohl, und bekommt mit Macht Zähne, die aber sich so leicht einfinden, daß wir es nicht sehr gewahr werden. Sogar während der Pok­ ken hat sie einen Augenzahn bekommen. Als die Blattern vorüber waren, blieb ich noch 14 Tage in Berlin, und einige Tage in Potsdamm, um das, was hie u. da vorzüg­ lich von Kunstsachen Merkwürdiges ist, zu besehen, und unter diesen, und andern gesellschaftlichen Zerstreuungen vergiengen mir die Tage, wenn nicht so angenehm, aber doch so schnell, daß mir zu nichts Vernünftigem rechte Zeit übrigblieb. Von jezt aber an, denke ich, Lieber, theurer Freund, sollen Sie nicht wieder klagen, und für jezt bitte ich Sie herzlichst, und beschwöre ich Sie, mich ja zu entschuldigen. Sie müßten es warlich, so wie ich fühlen, wie innig ich Sie liebe, und schäze, um ganz zu wissen, wie unendlich oft ich Ihrer gedenke, u. daß nur äußere Umstände, oder – ein Fehler, der mir auch eigen genug ist – Faulheit daran Schuld ist, wenn ich selt­ ner schriftlich mit Ihnen rede. Schon die Geschichte meines Lebenslaufs, wie ich sie Ihnen hier geliefert habe, zeigt Ihnen hinlänglich, daß aus den Studien in dieser Zeit nicht viel geworden ist. Indeß ist doch alles immer so langsam fortgerükt, und ganz müssig bin ich keinen Tag gewesen. Meine Studien des Pindar, und vorzüglich meine Arbeiten über die metra sind am meisten fortgerükt. Außerdem habe ich Hesiodus ἔργα und das scu­tum ge­ lesen. Die ἔργα sind ein sonderbares Produkt, und ich stimme ganz Ihrer Mei­nung 12  so gingen wir h D1 (desgl. Z. 17, 18, 25)  30  das was h D1  32 vergingen D1  33  übrig blieb. D1 38  dran Schuld h 

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bei, daß sie unmöglich von Einem Dichter herrühren können, w ­ enigstens nie, als Ein Gedicht ausmachend. Ich habe genau zu bemerken gesucht, wo neue Stükke angehen, und die HauptGeschiklichkeit, glaube ich, würde darin bestehen, manche Stükke an andern Orten einzuschalten. Denn daß dieß hie und da angeht, glaube ich beobachtet zu haben, obgleich meistentheils die fremdartigen Stellen ganz zu einem andern Plan zu gehören scheinen. Uebrigens aber ist es doch ein merkwürdi­ ges Ueberbleibsel, und reichhaltig an Materialien für die Sitten jenes Zeitalters. Daß einzelne Stükke in allen Werken Hesiods älter, als Homer, sind, kann ich mir nicht ganz wegdisputiren lassen. An die Theogonie komme ich nun nächstens. Ich hatte Ihnen ein Paar Worte über die νὺξ ϑοὴ versprochen, u. um Wort zu hal­ ten, verweile ich noch dabei. Daß ich Ihnen hier nicht zu viel sage, dafür hat meine Nachlässigkeit und der Zufall gesorgt. Ich hatte nemlich alle Stellen im Homer, wo der Ausdruk vorkommt, gesammelt, dazu eigends den ganzen Homer durchgele­ sen, und auf der Bibliothek auch noch mehrere parallelStellen aliunde zusammen­ getragen – aber alle diese Schäze habe ich verloren, so daß ich nun allein meinem Gedächtniß trauen kann. Meines Erachtens kann der Ausdruk nur Eine von beiden Bedeutungen haben, die Schnelligkeit muß 1., entweder vom Einbrechen, od: 2., von der Dauer verstanden werden. Ueberhaupt hat der Begriff Schnelligkeit, dünkt mich, zwei Nüancen. Es ist entweder eine Schnelligkeit, die, um mich so auszudruk­ ken, bloß vom Flek zu kommen sucht, oder eine, die zugleich mit Stärke, Gewalt verbunden ist, und dadurch furchtbar wird, die Schnelligkeit des fliehenden Hasen, oder des angreifenden Tigers. Es fragt sich nun, welche Bedeutung ϑοὸϚ allein od: wenigstens hauptsächlich hat. Sieht man auf die Etymologie so ist das nicht mehr existirende ϑόω mit ϑύω verwandt, und so neigt es sich mehr zu der stürmenden Schnelligkeit hin. Allein auf der andern Seite ists auch mit ϑέω verwandt, und so kommt dabei nicht viel heraus. Also der Gebrauch. Dieser nun aber scheint mir nach den Zeiten verschieden. Ursprünglich glaube ich deutet ϑοὸϚ eine stürmende Schnelligkeit an. Wenigstens bestätigt dieß der Homerische Gebrauch. Er sagt ϑοὸϚ Ἄρης, πολεμιστὴς, braucht das Wort von Löwen, Pardeln u. s. f. Vorzüglich beweisend ist Eine Stelle. Ein Anführer schilt seine weichenden Krieger. Jezt, sagt er, gilts, jezt seid tapfer, νῦν ϑοοί ἔστε. In keinem dieser Fälle würde er ταχυς gebrauchen. Dagegen braucht er niemals (auch nicht in den Hymnen u. s. f.) ϑοὸϚ von Pferden, od: Hun­ den. Nur ein Paarmal von Wagen, und hier läßt sich sagen, daß die Homerischen Wagen, nach seiner eignen Beschreibung, eine hüpfende[,] jener von mir eben be­ schriebenen Schnelligkeit ähnliche Bewegung hatten. Sehr wichtig sind auch die ϑοαὶ νῆσοι in der Odyssee, die die Schol. durch spizige erklären, u. daß ebenso der

48 angehn, h D1  49  an anderen Orten D1  56  Ihnen zwar nicht h D1 

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Brief 274–276

Schol. des Pindar ϑοαῖϚ μάχαις durch ὀξείαις μάχαις paraphrasirt. Die Ideen der Spize und der Schnelligkeit sind nur verwandt, wenn von einer plözlichen Schnellig­ keit die Rede ist, die eben so überrascht, als eine auf einmal hervorspringende Spize. Dann aber wird auch ϑοὸϚ schlechtweg für schnell gebraucht. So erinnere ich selbst mich, es im Pindar, Aristophanes u. s. w. von Pferden, und promiscue, allen schnellen Ge­ genständen gelesen zu haben. Nennen Sie diese Distinction selbst ϑοὴν (i.  e. spi­ zig od: flüchtig) und wenden Sie mir Homers ewig wiederkehrende ϑοὰϚ Schiffe ein, so müssen Sie mir doch wenigstens soviel eingestehen, daß ϑοὸϚ auch diese Nebenidee haben kann u. oft hat, die den andern Ausdrükken für schnell fehlt. Um nun auf νὺξ ϑοὴ zurükzukommen, so würde in jener ersten Bedeutung von ϑοὸϚ es eine schnell, plözlich hereinbrechende, überraschende Nacht heißen, in der zwei­ ten eine kurze, schnellfliehende. Die erste Bedeutung begünstigt die astronomische Beobachtung, daß in Griechenland die Dämmerung kürzer, als bei uns sein muß. Indeß ist dieß unbeträchtlich, u. es kommt auf Vergleichung der Stellen an. In der Iliade nun kommt νὺξ ϑοὴ nur 5mal und in der Odyssee höchstens dreimal vor. Von den 5malen der Il. 2mal im X. Buch bei Gelegenheit der nächtlichen expedition des Diomed u. Odysseus, zweimal im X XI V. bei der ähnlichen des Priamos, und einmal im X I V. da der Schlafgötze sagt, Zeus habe sich gescheut, die schnelle Nacht zu beleidigen. Die Stellen der Odyssee sind jenen 4 im X. u. X XI V. ähnlich. In diesen nun paßt unstreitig allein die Bedeutung der Kürze, aber die Stelle im XI V. Gesang wird viel schöner, wenn das plözliche Einbrechen die Furchtbarkeit der, selbst Zeus schrekkenden Nacht vermehrt. Noch hat Sophokles αἴολα νὺξ und zwar an einer Stelle, wo von der kurzen Dauer aller Dinge die Rede ist. Soll also νὺξ ϑοὴ immer dasselbe heißen, so überseze ich es: kurze, schnell entweichende Nacht. Kann es aber in der Bedeutung variiren, so verstehe ich die Stelle im XI V. Buche, wie ich eben sagte. So eben sehe ich daß Voss Il. XI V. schnelle Nacht u. X XI V. schnellfliehende übersezt. (A propos, Lieber, Sie vergessen doch unser bei Ihnen subscribirtes Exemplar des Voss nicht[.]) Hier haben Sie denn meine Ideen. Ich habe wenigstens den Ausdruk in Wahrheit auf die Spiz[e] gestellt, aber ich fürchte, auf eine Spize, für die der alte Homer zu breit ist. Nun noch Eins, theuerster Freund. Ich will meinen Rükweg über Dresden neh­ men, und reise spätestens den 26. 27st d. M. von hier ab. Wollten Sie mir eine Emp­ fehlung an Adelung oder sonst jemand geben? Ich bitte Sie recht herzlich darum, und daß Sie sie mir fein bald schikken, damit sie mich nicht verfehlt. Den Winter u. Herbst schon bringe ich höchst wahrscheinlich in Ihrer Nähe, in Burgörner zu.

98  in XXIV. D1 (desgl. 100)  115 schikten, D1

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Nun leben Sie herzlich wohl, und behalten Sie ihren griechischen Freund lieb. Er stirbt gewiß Ihnen noch weniger, als den Griechen ab. Empfehlen Sie mich vielmals Ihrer Frau Gemahlin. Adieu! Humboldt. Es muß ein Tisch bei Ihnen angekommen sein. Seien Sie so gütig, ihn noch zu behal­ ten; d[ie] Auslage erstatte ich, sobald wir uns sehen.

275.  An Brinkman in Berlin

Tegel, 14. August 1793

Einladung nach Tegel.

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Spalding u. Buttmann, lieber Brinkmann, kommen diese Woche nicht, u. ich bin Freitag abwesend. Jeden andern Tag also werden Sie uns herzlich willkommen sein. Je früher Sie kommen, desto länger kann ich Sie allein genießen, u. ich bitte Sie sehr Sich so einzurichten, daß wir einen langen Vormittag haben. Sie finden mich schon früh auf. In der sichren Erwartung Sie in wenig Tagen hier zu sehen, wünsche ich Ihnen recht wohl zu leben. Adieu! Humboldt. Mittwoch.

276.  An Brinkman in Berlin

Berlin, 2. September 1793

Terminliche Präzisierungen für einen erhofften letzten Besuch Brinkmans in Tegel.

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Wir hoffen Sie gewiß noch zu sehn, lieber Freund, u. darum avertire ich Sie, daß Sie uns heute Nachmittag am besten zwischen 5 (½ 6) u. 7 Uhr finden. Vor 5 sind wir schwerlich zu Hause, u. nach 7 Uhr wegen Einpakken u. frühem zu Bett gehn nicht füglich sprechbar. Adieu! Vormittag noch finden Sie uns zu jeder Minute. Ihr H.

122  a[lle] Auslagen D2 || || 1  u. drum D  3  früher zu Bett D

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277.  An Wolf in Halle

Dresden, ca. 25./28. September 1793

Wolfs vermittelnde Unterstützung bei Humboldts Suche nach einer Köchin. Der Aufenthalt in Dresden; Körner; Adelung. Übersetzung des Danae-Gedichts des Simonide­s; Abdruck von Eumeniden-Chor.

Werden Sie mir auch böse werden, liebster Freund, wenn ich meine Küchencorrespon­ denz mit Ihnen fortseze. Aber Sie kennen schon mein großes Palladium. Der Hunger ist ein schlimm Ding, und der mag denn auch mich jezt entschuldigen. Ich wollte Sie nemlich heute bitten, mir mit nächster Post bestimmt nach Auleben üb. Rosla (mit Bitte um schleunige Besorgung durch einen Boten) zu schreiben, ob Ihre Frau Gemahlin eine Köchin für uns gefunden oder nicht? Sie werden Sich über die neue Adresse wundern. Indeß ist in unsern Planen darum nur sehr wenig geändert. Wir bleiben auf alle Fälle den Winter in BurgOerner, aber da mein Schwiegervater jezt in Auleben ist, und wir ihn nothwendig auf einige Tage sehn müssen, so machen wir diesen nicht beträchtlichen Umweg. Wollten Sie zugleich auf meine Rechnung 2 Schok recht fette Lerchen wohl eingepakt mitschikken, so wäre uns das sehr willkommen. Hier reise ich Dienstag ab, u. halte mich Donnerstag in Leipzig auf, so daß ich erst Sonnabend in Auleben eintreffe. Hier bin ich entsezlich zerstreut, aber im Ganzen ziemlich angenehm gewesen. Die Gallerie, der Antikensaal, die Gypsabgüsse, die Bibliothek haben uns in der Stadt, und die unendlich schönen Gegenden außer derselben unterhalten. Die lezteren haben wir recht vollständig kennen gelernt, und vorzüglich haben wir beide Ufer der Elbe, nach dem Gebirge zu wiederholt besucht. Sie klagten über die Gesellschaft hier u. mit Recht. Aber Sie haben Ein Haus nicht gesehn, das mir wenigstens das angenehmste ist. Dieß ist der AppellationsRath Körner. Er ist ein überaus geistvoller Mann u. von vie­ lerlei Kenntnissen, außer der Jurisprudenz. Auch Graeca treibt er hie u. da. Und seine Frau u. Schwägerin sind unterhaltend. Sonst hat mich von Dresdnern nur noch Adelung inte­ ressirt, der ein biedrer, gerader und doch grundgelehrter Mann scheint. Schade nur daß der Herr ihm so elende Beschäftigungen giebt. Denn jezt z. B. läßt er ihn einen Atlas für sich sammlen, mit dem der arme Mann schon den ganzen Sommer beschäftigt ist. Ich wollte diesem Briefe eine Beilage geben, eine Uebersezung des kleinen Fragments von Simonides: Danae an Perseus. Aber ich muß noch allerlei daran ändern u. hier kommt man zu nichts. Ich habe es mit unglaublicher Mühe ganz in Griechische Silbenmaaße übersezt, und nun – denken Sie Sich meinen Schrekken – sagt Dionysius von Halik[arnass] das Ding habe gar kein Metrum, sei abgetheilte Prose. Brunk indeß scheint dieß auch nicht

13  im ganzen D2  18  nicht gesehen, h1 D1  21 Adelung] von Humboldt korrigierend eingefügt h1 25  diesem Brief h1 D1  27 Sylbenmaße h1 D1  29 Prosa. D1

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geglaubt zu haben. Den Dionysius muß ich mir bald von Ihnen erbitten. Denn ich muß die Theorie des gr[iechischen] Rhythmus vollständig studiren. Haben Sie meinen EumenidenChor in der M S. abgedrukt gefunden. Biester hatte mir Bücher der Bibliothek aufs Land geliehen, da mußte ich sein Gewissen durch diese Eu[…]. Hätte Ihre Frau Gemahlin eine Köchin gefunden, so bliebe sie natürlich, bis wir nach Burg Oerner kämen, in Halle, und wir vergütigten ihr etwas für das spätere Anziehn. Hät­ ten Sie keine, so machten wir den lezten Versuch in Auleben eine zu finden.

278.  An Wolf in Halle

Querfurt, 4. Oktober 1793

Familienrücksichten verhindern die Rückreise über Halle. Dringende Bitte, die nunmehr gefundene Köchin nicht etwa wegen Humboldts Ausbleiben wieder abreisen zu lassen.

Querfurt, 4. 8�r. 1793. Abends.

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Ich habe Ihren Brief, theurer lieber Freund, in Leipzig richtig erhalten, und danke Ihnen herzlich für die gütige Besorgung meines lästigen Auftrags. Wohl weiß ichs nur zu gut, wie nah Leipzig an Halle ist, und das Herz schlug mir laut in Merse­ burg von dort zu Ihnen herüber zu kommen, aber mein Schwiegervater droht jeden Tag mit seiner Abreise, und wir müssen ihn nothwendig vorher sehen. Wir eilen also nach Auleben, um desto früher wieder in Burgörner in Ihrer und der Griechen Nähe zu sein. Wie glüklich ich mir schon den Tag denke, wo Sie mich einmal in Burgörner mit Ihrer Gegenwart erfreuen. Denn läugnen kann ich es nicht, ein recht frohes Wie­ dersehen denke ich mir nur da, nicht in Halle[,] so ungestört, wenn es gleich nicht unmöglich wäre, daß mich meine Sehnsucht früher zu Ihnen triebe. Ich liebe Sie so herzlich und innig, daß mir jeder Augenblik unleidlich ist, den ich einem andern geben muß, wenn ich Sie darin genießen könnte, u. in Halle müßte ich nothwendig mehr als einen außer Ihnen besuchen, und genösse auch Sie minder allein. Allein die Zeit wird ja entscheiden, wo wir uns sehen, und wo es auch sei, so wird mir und ich kann ebenso wahr sagen uns dieß Wiedersehn unendlich beglükken. Möch­ ten auch Sie, liebster Freund, ihm mit gleicher Freude entgegensehn, und ich darf es ja von Ihrer Liebe erwarten.

4  wie nahe D1  von Halle h D2  5 herüberzukommen h  hinüber zu kommen D1  9 erfreuen! h D1  16  dies Wiedersehn D1  dieß Wiedersehen D2 

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Brief 278–279

Mit der Köchin ist nun freilich ein Misverständniß vorgegangen. Indeß habe ich sogleich dem Amtmann geschrieben, für ihr Unterkommen bis zu unsrer Ankunft Sorge zu tragen. Sollte sie aber ungeduldig geworden, und wieder nach Halle zu­ rükgekehrt sein, so erzeigen Sie uns wohl die Liebe, sie wenigstens zu vermögen, den Dienst nicht aufzugeben, sondern ruhig in Halle zu bleiben, bis wir ihr den Tag unserer Ankunft in Burgörner bestimmen, was gewiß zwischen hier und 14 Tagen geschieht. Die Unkosten, die ihr dieß macht, ersezen wir natürlich. Lassen Sie sie nur um des Himmels willen nicht ganz gehen, sonst sind wir wieder im Bloßen. Noch wünschte meine Frau zu wissen, wieviel Ihre Frau Gemahlin ihr zum Lohn, Weihnachten u. s. f. ausgemacht, ob sie ihr Miethsgeld gegeben, oder ob sie noch u. wieviel erhalten muß? Wollten Sie uns über dieß alles nach Auleben mit nächster Post Nachricht geben, so wären Sie warlich sehr gütig und so gütig, als ich Sie kaum zu bitten wage, zu sein. Verzeihen Sie schließlich dieß unbeschnittne Papier. Die Litteratur liegt in Quer­ furt danieder, und dieß elende Geschmiere. Ich bin entsezlich müde nach einer mühsamen Tagereise in bösem Wetter. Danken Sie Ihrer Frau Gemahlin tausendmal in unserm Namen, u. leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt Sie herzlich. Adieu. Humboldt.

279.  An Löffler in Gotha

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Auleben, 7. Oktober 1793

Löfflers geplantes Rezensionsorgan: Pro und Kontra des Nennens der Rezensenten. Durch Selbstzweifel genährte Bedenken bezüglich einer Verpflichtung zur Mitarbeit.

Auleben, 7. Oktober, 1793. Ich kam vorgestern, hochgeehrtester Freund, von einer vierwöchentlichen Reise nach Dresden zurük, und erhielt durch meinen Schwiegervater Ihren gütigen, mir so schmeichelhaften Brief. Nur dieser Umstand konnte die spätere Beantwortung desselben veranlassen, und ich rechne daher mit Gewißheit auf Ihre freundschaft­ liche Verzeihung.

24  unsrer Ankunft h  32  Sie dieß h D1  Papier, denn die D1  33 darnieder, h Geschmier. h D1

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Mit überaus großem Vergnügen habe ich aus Ihrem Briefe gesehen, zu welchem litterärischen Unternehmen Sie den Entschluß gefaßt haben, und nachdem ich den Plan reiflich erwogen, kann ich nicht zweifeln, daß nicht dadurch die Verbesserung des Recensentenwesens bewirkt werden sollte, welche Sie beabsichten. Vorzüglich hoffe ich dieß von der Vertheilung der ganzen Gesellschaft in mehrere Klassen, von dem Vorsaze, nur erhebliche Schriften anzuzeigen, und vor allem von den Mitarbei­ tern, die Sie mir am Ende Ihres Briefes nennen. Ob auch das Nennen der Recensen­ ten den guten Erfolg haben wird, der sich freilich von Einer Seite erwarten läßt, da­ ran gestehe ich, zweifle ich noch einigermaaßen. Der bescheidene Recensent wird, wenn er gleich ohne Namen recensirt, nie etwas sagen, vor dem er, wenn er sich nennen müßte, zu erröthen hätte. Aber so wie man in der Gesellschaft oft jeman­ dem etwas lieber durch einen Dritten, als gerade ins Gesicht sagt, so dünkt mich, ist es auch hier. Ich will nicht von den Rüksichten reden, die einer oder der andre der Mitarbeiter (da man doch unmöglich für den Charakter aller so einstehn kann) gegen diesen oder jenen Verfasser nehmen könnte, aber überhaupt herrscht in uns­ rem gesellschaftlichen Leben ein gewisses Raffinement der Höflichkeit, das sich na­ türlich auch in das schriftstellerische überträgt, und man befindet sich in einer ge­ wissen Verlegenheit, wenn man einem Manne ins Gesicht sagen soll, sein Werk sei gut oder schlecht. Und doch addressirt man gleichsam dem Schriftsteller das Wort, sobald man sich nennt, da hingegen dieß weniger der Fall ist, wenn man auch an je­ dem Federzuge kenntlich wäre, sich aber nur selbst nicht ankündigte. Indeß hat das Nennen auch auf der andren Seite wiederum soviele Vorzüge, daß ich selbst nicht darüber abzusprechen wagen möchte. Diesen einzigen Punkt aber ausgenommen, wüßte ich nicht das Mindeste in Ihrem Plane, was mich irgend zweifelhaft gelassen hätte. Vielmehr freue ich mich im Voraus auf die Reform, die durch die Ausführung Ihres Plans in den Beurtheilungen unsrer litterarischen Produkte nothwendig ent­ stehen muß, und da das Nennen der Recensenten diese Reform noch auffallender macht, so gestehe ich wiederum, daß mir auch dieß außerst zwekmäßig und über­ dacht scheint. Was mich nun betrift, so sehen Sie aus dem eben Gesagten, daß ich mit unend­ lichem Vergnügen mich mit Ihnen und den übrigen vortreflichen Männern, die Sie mir nennen, sogleich vereinigen würde, wenn nicht Eine Bedenklichkeit, und die freilich wichtig genug ist, mich noch jezt zurükhielte. Ich verspreche nie, wenn ich nicht gewiß bin, halten zu können, was ich zusagte, und um der Sicherheit willen, mit der Sie überzeugt sein können, daß ich, wenn ich es verspreche, meine Pflicht im vollesten und genauesten Verstande erfülle, verzeihen Sie mir wohl mein jezi­ ges Zögern. Was mich nemlich ungewiß macht, Ihnen bei dieser Unternehmung behülf­lich sein zu können, ist zweierlei. 1. habe ich nie nur eine einzige Recension gemacht. Ja ich weiß im Voraus, daß mir gewisse Seiten an mir zur Ausarbeitung

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Brief 279

guter Beur­theilungen nicht wenig hinderlich sein könnten. Ich bin nemlich auf der einen Seite äußerst ängstlich meine Meinung der Meinung eines andren entgegen­ zusezen, und nicht ängstlich dieß laut, aber ängstlich es in mir zu thun, da (in der That ohne alle affektirte Bescheidenheit) gewöhnlich die Meinung des andern mich wenigstens eine Zeitlang so beschäftigt, daß meine eigne fast darüber verschwindet. Mein Urtheil würde also sehr oft ein bloßes Zweifeln, ein Einschränken, vielleicht gar ein Schwanken sein. Auf der andren Seite bin ich in meinen Studien durch zufäl­ lige Umstände in eine üble Lage versezt. Sie wissen selbst daß ich eigentlich Jurispru­ denz studirt habe. Diese hat mich genöthigt früher vieles zu versäumen, andres nur halb zu treiben. Jezt da sie mir unnüz geworden ist, habe ich sie ganz aufgegeben, und mag mich im eigentlichsten Verstande nicht um sie bekümmern. Jezt studire ich bloß Philosophie und griechische Litteratur, aber in beiden habe ich die meisten Fortschritte erst noch zu machen. Die Fächer, auf die ich mich einlassen könnte, wä­ ren also einzig: Philosophie vorzüglich empirische (obgleich ich auch die eigentli­ che Metaphysik nicht scheue) Psychologie, Menschenkenntniß, Menschenbildung, Erziehung, Politik (insofern es nicht positive, auf ein einzelnes Land bezogen ist) Gesezgebung, Aesthetik, und von der Philologie (d. h. bloß der griechischen) Ue­ bersezungen, Darstellung der Sitten, Gebräuche des Alterthums, Raisonnements darüber u. s. f. Auf eigentlich kritische und hermeneutische könnte ich mich nicht gut einlassen, da es mir schon in meiner Lage an der gehörigen Kenntniß der Littera­ tur hierin fehlt. Der erste Zweifel ist also der: ob mir Recensionen gelingen werden? 2. Der zweite endlich ist der, daß ich noch nicht beurtheilen kann, wieviel Zeit mich Recensionen kosten, und wieviel Gewinn sie mir dagegen für mein eignes Studium schaffen werden? und da ich gerade jezt wichtige und weitläuftige Plane des Studi­ ums und des Nachdenkens habe, so ist mir freilich meine Zeit äußerst wichtig. Sie sehen, liebster Freund, die Offenherzigkeit, mit der ich Ihnen meine Lage, und die Möglichkeit, Ihre schmeichelhaften Vorschläge anzunehmen oder nicht vorstelle. Erlauben Sie mir nun auch zwei Bitten. Einmal muß ich Sie ersuchen, mir einige Wochen, etwa bis Neujahr Bedenkzeit zu lassen. In dieser Zeit will ich für mich irgend ein Buch, das ich neuerlich gelesen, recensiren, und sobald ich nach diesem Versuch richtig zu urtheilen im Stande bin, sage ich Ihnen freimüthig, ob ich mich fähig fühle, Ihr Mitarbeiter zu sein oder nicht. Erlaubten indeß Ihre Plane eine solche Bedenkzeit nicht, so bitte ich Sie, es mir zu sagen, weil ich sonst den Versuch vergeblich machen könnte. Die zweite Bitte wäre, daß Sie mir wo möglich Ihre je­ zigen Mitarbeiter, oder vielmehr die, welche sich bis jezt dazu anheischig gemacht, bekannt machten. Da Sie Ihrem Plan nach die Recensenten sich sogar einzeln dem Publikum nennen, so denke ich, werden Sie hierbei keine Schwierigkeit finden, und bei mir wird die Frage nicht durch eine bloße Neugierde erregt. Aber es ist mir, ehe ich irgend einen Versuch machen kann, unumgänglich nothwendig zu wissen, ob

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nicht gerade für die Fächer, die ich bearbeiten könnte, schon Männer vorhanden sind, die meine Arbeit noch mehr als überflüssig machen. Denn nur, wenn ich mit Nuzen und Fortgang zu arbeiten hoffen könnte, könnte ich mich dazu entschließen. Wenn daher die jezt geäußerten Bedenklichkeiten Sie nicht abschrekken, theu­ erster Freund, so muß ich Sie ersuchen, mir wo möglich, recht bald (da hiervon denn auch meine frühere oder spätere Entschließung abhängt) auf diese beiden Punkte zu antworten. Sie können alsdann versichert sein, daß ich alles Mögliche thun werde, um Ihren mir so schmeichelhaften Wünschen ein Genüge zu leisten. Sie fragten mich noch über den Prof. Herel. Er ist gewiß ein Mann von gründ­ lichen Kenntnissen. Allein zum philologischen Beurtheiler schadet ihm die Entfer­ nung, in der er in Erfurth von litterarischen Hülfsmitteln lebt. Auch ist er wohl nur für die römische Philologie brauchbar. Was die Griechische betrift, so weiß ich ge­ nau, daß selbst seine Sprachkenntniß sich schlechterdings nicht über das Mittelmä­ ßige erhebt. Wenn Sie mir, wie ich hoffe bald, d. h. in 14 Tagen etwa antworten, so ist meine Adresse: Auleben, bei Sondershausen. Auch können Sie die Briefe nur auf die ZeitungsExpedition in Gotha schikken, da von dieser wöchentlich ein Bote hier durch das Dorf selbst geht. Später ist meine Adresse BurgOerner p. Eisleben. Noch muß ich schließlich bemerken, daß wenn ich geglaubt hätte, Mitarbeiter an Ihrem Journale sein hieße nur, wie bei andren, wenn man gelegentlich einen Aufsaz hätte, ihn einschikken, so versteht es sich von selbst, daß ich gar keine Bedenklich­ keit gehabt hätte, da alsdann nichts Bestimmtes versprochen würde. Diese Bedenk­ lichkeiten entstehen bloß aus der Idee, daß der Beitritt zu Ihrem Unternehmen auch dann, wenn man nicht gelegentlich darauf geführt wird, zu einer thätigen Beihülfe verpflichtet. Leben Sie recht wohl, und erhalten Sie mir Ihr liebevolles Andenken. Humboldt.

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280.  An Brinkman in Berlin

Burgörner, 22. Oktober 1793

Dresdner Eindrücke; Bekanntschaft mit Körner und Gessler. Frau Manteuffels Martyrium mit schwerkrankem Ehemann. Eine gehässige Rezension des ThaliaTeilabdrucks aus Staatswirksamkeit. Ein bei Darbes in Auftrag gegebenes Bild. Bevorstehender Besuch Holwedes.

BurgOerner, 22. 8�r. 1793. Es ist nicht Nachlässigkeit, noch weniger Vergessenheit, lieber Brinkmann, daß Sie so lange nichts von mir hörten. Ich habe die ganze Zeit meiner Reise über keine Zeile an niemand geschrieben, weil eine Reise gerade eine Epoche ist, in der ein Briefwechsel nun recht systematisch unordentlich wird, und ich, wie die Erfahrung Ihnen voriges Jahr gezeigt hat, gar sehr einen regelmäßigen liebe. Darum also ver­ zeihen Sie mir immer mein langes Stillschweigen, und rächen Sie Sich nicht durch Repressalien. Ich bin in Dresden volle 4 Wochen gewesen, wenn ich die Tage dazu rechne, die wir in Freiberg zugebracht haben, und habe sehr viel Vergnügen von sehr mannig­ faltiger Art genossen. Am meisten hat mich die Natur beschäftigt, und ich bin sehr viel in der Gegend herumgestreift, nach der Natur die Kunst, für die doch fast in keiner andren Stadt Deutschlands gleich viel gethan ist. Daß ich nicht die Men­ schen wenigstens als das Dritte hinzusetzen kann, ist freilich traurig, indeß ists doch, wenn man aufrichtig seyn will, baar unmöglich, einen einzigen Mann ausgenom­ men, der aber freilich auch sehr interessant ist, den AppellationsRath Körner, den Sie vielleicht, da Sie lang in Dresden waren, auch kennen. Die übrigen alle, die mir zu Gesicht gekommen sind, (und ich war doch leider oft in Gesellschaft) sind fast eben so schlimm, als in Berlin. Körner aber hat mich sehr angezogen. Er vereint fast alles, was den Umgang angenehm, und interessant machen kann, Kenntnisse, Kopf, gute Laune – aber unstreitig kennen Sie ihn selbst, wenn ich mich nicht irre, sprach er mir sogar von [I]hnen. Ein andrer Mensch, den ich viel sah, u. der mancherlei Kenntnisse hat, den ich überhaupt ganz gegen meine Erwartung unendlich viel besser fand, als er mir immer geschildert worden war, ist der ehemalige Preußische Gesandte Graf Geßler. Ich habe sehr viel mit ihm gelebt, und danke ihm einen gro­ ßen Theil des Vergnügens auf unsrer Reise. Denn er hat uns nach Freiberg u. Leipzig begleitet. Sie hatten mir, liebster Freund, zuviel von einer Dem[oiselle] Wagner ge­ sagt, als daß ich nicht hätte den Versuch machen sollen, ihr bekannt zu werden. Aber

5  nur recht D  15  sein will, D  22  so gar von ihnen H 

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leider war der Versuch vergeblich. Ihr Mann der Hofrath Manteufel, war die ganze Zeit über, die wir in Dresden zubrachten, so krank, und litt so sehr an epileptischen Zufällen, die auf einige Tage ordentliche Zerrüttung des Verstandes hervorbrachten, daß die arme Frau den ganzen Tag bei seinem Bette zubringen mußte. Ueberhaupt sagten mir einige ihrer Freundinnen, daß sie seit ihrer Ehe ein sehr unglükliches Le­ ben führe; wie denn das so der Fall der Ehen nicht selten zu seyn pflegt. Jezt bin ich seit vorgestern wieder hier, und denke nun einen Theil des Winters, wenn nicht den ganzen hier in stiller ruhiger Einsamkeit zuzubringen. Nichts thut mir so wohl, als die unmittelbare Folge einer solchen Ruhe auf eine zerstreuende Reise. Ueberhaupt pflege ich nicht selten Reisen mehr nachher, als solange sie wäh­ ren, zu genießen. Auch die angenehmsten haben doch immer viel leere Stunden, Langeweile, Müssiggang. Ist das überstanden, so ists vergessen, u. nur das Interes­ sante erhält sich im Andenken. Mein Schwiegervater trägt mir auf, ihn Ihnen vielmals zu empfehlen, u. Ihnen recht sehr für die Ueberschikkung des Stücks der Schlesischen Provinzialblätter zu danken. Es hat mich in der That überrascht, liebster Freund, daß Sie meine Bitte da­ rum so schnell erfüllt haben, u. ich bin Ihnen herzlich dafür verbunden. Sie haben ihm das gedruckte Stück selbst geschickt, u. ich weiß nicht, wie Sie so zu einem ein­ zelnen Stücke gekommen sind. Was Sie etwa dafür ausgelegt haben sollten, wird er Ihnen, wenn Sie es mir nur schreiben wollen, mit Vergnügen erstatten. Eben dieser mein Schwiegervater erzählt mir auch, daß mein in der Thalia abge­ druckter Aufsatz in der Nürnberger Zeitung recensirt, u. entsetzlich mitgenommen sey. Es soll darin ausdrücklich gesagt seyn, daß Rec. viel lieber unter den Huronen, als in einem solchen Staate, als dort geschildert ist, wohnen möchte. So vernünftig ich nun dieß auch schon darum allein finde, weil Rec. noch nicht zum Wohnen in diesem Staate eingeladen worden ist; so wünschte ich doch gar sehr die ganze Re­ cension zu sehen. Sollten [s]ie nicht diese Zeitung auf dem Klub halten. Seyn Sie doch so gütig, lieber Brinkmann, u. suchen Sie sie zu bekommen, u. mir entweder das ganze Blatt in originali (das Sie mit umgehender Post zurückerhalten können) od. diese Recension in Abschrift mitzutheilen. Sehn Sie nicht auch gelegentlich Darbes. Alsdann bitte ich doch ihn nach dem Bilde u. ob wirs bald bekommen, zu fragen. Sagen Sie ihm zugleich, daß ehe er es mit dem Fuhrmann abschickt, er mit meinem Bruder (dem Verständigen, dem Ritt­ meister) reden soll, ob der vielleicht zu eben der Zeit, oder nur ein Paar Wochen später zu mir reist. Denn er wird mich besuchen. Diese Gelegenheit wäre alsdann sichrer u. besser. 33 unglückliches D  40 Müßiggang. D  55  Sollten Sie […] haben. D  57 ungehender D 59 Alsdenn D (desgl. 63) 

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Brief 280–281

Nun leben Sie recht wohl, lieber theurer Freund, u. schreiben Sie mir bald wieder. Meine Frau trägt mir sehr viele Empfehlungen an Sie auf. Grüßen Sie Gentz. Adieu! Humboldt. Empfehlen Sie uns Göckingken, u. danken Sie ihm sehr in unsrem Namen für die gegebenen Adressen, die uns viel Freude verschaft haben. Besonder[s] ist der Hof­ rath Parthey ein interessanter Mann, u. auch – wie natürlich – kein Dresdner. Meine Adresse ist BurgOerner, bei Mansfeld.

281.  An Chr. G. Körner in Dresden

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Burgörner, 27. Oktober 1793

Dankbarer Rückblick auf den häufigen Umgang in Dresden. Nach neuerlicher Kant-Lektüre kritische Betrachtung der Möglichkeit ästhetischer Urteile a priori.

Burg Oerner, 27. Oktober, 1793. Als wir den letzten Abend unsres Aufenthalts in Dresden bei Graf Geßler zusammen waren, erlaubten Sie mir Ihnen zu schreiben, und wenn wir gleich damals unser Schreiben auf die Bedingung irgend etwas Wichtigen, was wir einander zu sagen hätten, beschränk­ ten; so verzeihen Sie mir ja wohl, wenn ich, auch ohne eine solche bestimmte Veranlassung, gern eine Gelegenheit suche, Ihnen zu sagen, welche innige Freude mir Ihre Bekanntschaft gewährt hat, und wie herzlich ich Ihnen für alle die unverdiente, gütige Freundschaft danke, die Sie mir während der wenigen Wochen erwiesen, die ich das Glück Ihres Umgangs ge­ noß. Gewiß hat Sie eigne Erfahrung selbst belehrt, welch ein seltner Reisegenuß es ist, auf ausgezeichnet interessante Menschen zu stoßen, und ich brauche Ihnen wohl nicht zu versichern, welch eine wohlthätige Erscheinung mir Ihr Haus war. Ich bin vielmehr gern zufrieden, wenn Ihnen nur mein wiederholtes, vertrauliches Kommen nicht zu häufige Be­ weise davon gegeben hat. Allein das Interesse, das mich an Sie und die Ihrigen band, war zu vielfach, als daß ich es mir selbst hätte verzeihen können, wenn ich mir nicht einen so schönen Genuß ganz so oft gegönnt hätte, als Ihre Güte es nur immer verstattete. Die Ideen, welche den gewöhnlichen Gegenstand unsres Gesprächs ausmachten, und über die mir Ihr Raisonnement so oft mehr Licht, und immer eine trefliche Richtung zum eignen 69  gegebene Adresse […] habe. D Besonder H || 2  unseres Aufenthalts D1  9 eigene Erfahrung D1  ein seltener D1  16  unseres Gesprächs D1  17  eine treffliche D1 

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weiteren Nachdenken gab, – ich meyne, die ästhetischen – haben mich seitdem unauf­ hörlich beschäftigt, und dürften es freilich noch sehr lange, da es wohl nicht leicht möglich ist, sie unausgemacht zu verlassen. Ich habe seit meiner Rückkunft alle Kantische kritische Schriften von neuem von einem Ende zum andren durchgelesen (weil diese Schriften doch einmal der Codex sind, den man nie in philosophischen Angelegenheiten, so wenig als das Corpus iuris in juristischen, aus der Hand legen darf) und ich danke diesem neuen Durchlesen wiederum sehr viel. Alle Zweifel, die ich sonst wohl gegen die Kritik der reinen Vernunft, selbst gegen die beiden moralischen Werke hatte, sind mir jetzt rein verschwun­ den, allein an der Kritik der Urtheilskraft glaube ich von neuem eine gewisse, ich möchte sagen, Flüchtigkeit bemerkt zu haben, die nicht bloß Berichtigungen einzelner Sätze, son­ dern, was das Wichtigste seyn würde, Erweiterungen des ganzen Systems erlaubt. Die Hauptfrage bei aller Untersuchung über die ersten Gründe unsrer ästhetischen Urtheile bleibt nemlich immer die: ob das Schöne sich durch Begriffe objektiv bestimmen lasse? oder nicht? Im letzten Fall, den Kant annimmt, ist aller Versuch zu einer durch Regeln ge­ setzgebenden Aesthetik vergeblich, und dieß macht freilich schon an sich für das Erstere geneigt. In Absicht dessen aber scheint es wieder ganz offenbar, daß das Wohlgefallen an Schönheit weder durch einen Begriff erregt werde, noch auch seinen Gegenstand, als einen schönen, durch bestimmte Begriffe zu schildern im Stande sey. Indeß bliebe es doch vielleicht möglich, diejenigen Begriffe oder Ideen (im Kantischen Sinne des Worts) zu be­ stimmen, welche in der Seele zugleich mit dem Wohlgefallen an Schönheit rege werden, Begriffe, die der Gegenstand nicht (wie logische) hervorbrächte, sondern deren Regewer­ dung (wenn ich so sagen darf) er nur veranlaßte. Nun giebt es eine Stelle in der Kritik der Urtheilskraft, welche sehr hierhin zu führen scheint. Kant sagt nemlich dort (S. 144) „der Geschmack enthält ein Princip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermögens der Anschauungen (der Einbildungskraft) unter das Vermögen der Begriffe (den Verstand) u. s. f.“ Sobald aber der Verstand thätig wird, wird er es durch seine Begriffe, die Kategorien. Ich kann mir daher das freie Spiel der Einbildungskraft und des Verstandes in ihrer Uebereinstimmung (ein Ausdruck, den Kant oft braucht) nicht anders als dergestalt denken, daß einerseits die Einbildungskraft die sinnliche Form des Gegen­ standes darstellt, und andrerseits der Verstand mit seinen Kategorien auftritt und nun zwi­ schen beiden eine Uebereinstimmung antrift, von der er sich keine Rechenschaft durch Be­ griffe geben kann, indem sich wohl erklären läßt, wie das Mannigfaltige einer Anschauung in einen Begriff verbunden werden kann, nicht aber wie ein reiner Verstandesbegriff sich in der Anschauung gleichsam darzustellen vermag, und indem diese Uebereinstimmung auf das übersinnliche Substrat hindeutet, das allem Schönen zum Grunde liegt. Insofern nun der schöne Gegenstand die den Kategorien zum Grunde liegenden Begriffe rege macht, 21  bis zum andern D1  28 erlaubte. D1  29 Hauptfage D2  34  durch Begriffe D1  40  hierher zu führen D1  44 Kategorieen. D1 (desgl. 47, 53) 

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Brief 281–282

insofern kann man sie ihm selbst als Eigenschaften beilegen und so z. B. in der Bildhauerei die Regel aufstellen, eine schöne Vase muß Einheit haben. Allein im Grunde heißt diese Regel bloß: eine schöne Vase muß von der Art seyn, daß auf ihre Darstellung in der Einbil­ dungskraft der Begriff der Einheit im Verstande rege werde. Wie dieß zu machen sey, läßt sich nicht weiter vorschreiben, noch, daß es sey oder nicht sey, mit Worten beweisen. Ich überlasse es Ihnen die Richtigkeit dieses Raisonnements zu prüfen. Erlauben Sie mir nur noch, einige empfehlende Gründe (um deren willen ich – wenn man sich in philosophi­ schen Untersuchungen so ausdrükken dürfte – wünschte, daß es mehr seyn möchten) hin­ zuzusetzen. Schönheit ist, wenn nicht das Höchste, so doch das menschlichste Gefühl des Menschen. Nun aber ist das Höchste, was der intellektuelle Mensch denken kann: die vier reinen Verstandesbegriffe mit untergelegtem Stoffe, und das, dessen der sinnliche Mensch nie entbehren kann, die sinnliche Anschauung. Beides aber ist in keiner mir bekannten Er­ klärung der Schönheit so eng verknüpft, als in der eben vorgetragenen. Nach ihr wird auch das Gefühl der Schönheit weder eine Wirkung der theoretischen noch der praktischen Vernunft, sondern vielmehr der gesammten Vernunftvermögen überhaupt, und ist nun ei­ gentlich das, was alle menschliche Kräfte erst in Eins verknüpft. Dieß ist nun eigentlich der Gesichtspunkt, von dem für mich diese Untersuchungen das meiste Interesse erhalten, da ich so sehr wünschte, endlich einmal die Kenntniß des Menschen und die Principien seiner Bildung in ihrem ganzen Zusammenhange behandelt zu sehen. Denn solange es an einer solchen Zusammenstellung fehlt, muß es auch allem Raisonnement über praktische, sich auf die Bildung des Menschen beziehende Dinge an einem sichren und festen Grunde mangeln. – Aber Sie werden an diesem Vorschmack von Aesthetik genug haben, lieber Freund, und ich vergesse darüber, Ihnen noch ein Wort von unsrer Rückreise zu sagen. Wir hatten noch zwei sehr angenehme Tage in Leipzig, wo wir in Geßlers Gesellschaft sehr vergnügt waren. Wir haben dort auch Ihren Freund, Herrn Kunze kennen gelernt, und einen Abend mit ihm und dem Declamator Schocher zugebracht. Desto trauriger aber war unsre Rückreise von Leipzig, und in völlig gemüthlicher Ruhe sind wir jezt erst seit 8 Tagen hier auf einem ziemlich einsamen Landgut. Für die Einsamkeit entschädigt es uns durch die Ruhe, welche es unsrem häuslichen Leben, und den Studien verschaft, und so werden wir, hoffe ich, einige Wintermonate hier recht vergnügt zubringen. Von Schillers haben wir noch gar keine Nachrichten hier gehabt. Hörten Sie seitdem von ihnen? Empfehlen Sie uns auf das angelegentlichste dem freundschaftlichen Andenken Ih­ rer Frau Gemahlin und Demoiselle Schwägerin und danken Sie ihnen in unsrem Namen recht innig für alle Güte und Gefälligkeit, die sie uns in Dresden erwiesen haben, und wenn 61  Dingen so ausdrücken D1  63  die vielen reinen D1  68  des […] Vernunftvermögens D1 72  so lange D1  74  einem sichern D1  75  der Aesthetik D1  79 Deklamator D1  80 unsere Rückreise D1 jetzt D1  Tagen auf D1  82 verschafft, D1  85  von Ihnen? D1  87  danken Sie Ihnen D1  88  die Sie uns D1 

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Ihnen eine halbe Stunde übrigbleibt; so bitte ich Sie recht sehr, uns ein Wort von Ihnen und Ihrem Befinden zu sagen. Bis dahin leben Sie recht wohl, und erhalten Sie mir Ihr güti­ ges Andenken! Meine Frau trägt mir tausend Empfehlungen an Sie alle auf. Humboldt. Noch muß ich eine Bitte, oder vielmehr eine Erinnerung an eine alte Bitte hinzufügen. Der Hofkorbmacher! Ich gestehe die Körbe scheinen mir jezt das unausstehlichste an ei­ nem Hofe. Aber er muß ja nunmehr wieder in Dresden seyn, und ich bitte Sie also recht sehr, Ihre Demoiselle Schwägerin zu ersuchen, die Besorgung des Korbs zu beschleunigen. Unsre Kleine harrt mit Sehnsucht darauf. Die Adresse hierher ist: Burg Oerner p. Eisleben.

282.  An Wolf in Halle

Burgörner, 28. Oktober 1793

Vergebliches Hoffen auf einen Besuch Wolfs; Ermahnungen, sich nicht zu überarbeiten. Das Für und Wider zum Ruf Wolfs nach Kiel. Dessen neue Ilias-Ausgabe. Bitte um Vermittlung bei Bücherbeschaffung. Stand der gemeinsamen Lektüre mit Karoline.

BurgOerner, 28. 8�r. 1793.

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Seit Mittwoch waren wir jeden Tag in Erwartung, Sie bei uns zu sehn, liebster Freund, und gestern auf einmal stürzt Ihr Brief alle unsre Hofnungen. Wir sehn Sie also jezt nicht, Sie müssen in einem Wirrwarr von Arbeiten ausdauern, und dürfen nicht eine Veränderung genießen, die vereint mit der Bewegung Ihnen gewiß heilsam wäre. Ich bin sehr mismuthig über dieses unangenehme Zusammentreffen von Umständen, und das doch nicht bloß, liebster Freund, aus Eigennutz, so gern ich auch Eigennutz dieser Art gestehe, aber vor­ züglich darum, daß ich schon voraussehe, daß dieß heftige und überladene Arbeiten Ihre Gesundheit wieder, und noch dazu am Anfang eines halben Jahrs und nach einer Messe zurücksetzen wird. Sagen Sie mir aber doch mit ein Paar Worten, was Sie eigentlich jetzt so treibt. Ihr Homer soll ja erst um Ostern erscheinen, und die Encyklopädie wollten Sie zwar diese Messe ans Licht treten lassen, aber die Messe ist ja vorüber; Tacitus droht erst in 5 Jahren; und der Herodot wird Sie doch nicht gar begeistert haben? Was es aber auch seyn mag, und so herzlich ich bei jeder Ihrer Arbeiten interessirt bin, so bin ich es doch noch immer unvergleichliche male mehr bei Ihrer Gesundheit, und ich beschwöre Sie da­ her, arbeiten Sie nicht zu viel, halten Sie gegebene Versprechungen nicht zu religiös, und versäumen Sie wenigstens nicht, Sich Ruhe und Erholung zu gönnen, und ist Ihnen eine 89  übrig bleibt: D1  90  leben Sie wohl, D1 || 1  Burg Oerner, D 

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Brief 282

Reise hieher eine solche Erholung, nun so bitten wir Sie beide recht herzlich, kommen Sie hieher. Sie wissen ja mit wie offenen Armen wir Sie immer empfangen. Lassen Sie Sich auch vor dem Nicht wieder fort können nicht bange seyn. Wenn Sie sagen daß Sie fort­ müssen, so wollen wir eingedenk des Homerischen χρὴ ξεῖνον παρεόντα φιλεῖν, εϑέλοντα δὲ πέμπειν gewiß kein Wort dazu sagen. Wenigstens schreiben Sie mir in Ihrem nächsten Briefe, daß wir noch sichre Hofnung haben, Sie im nächstfolgenden Monat hier zu sehen, sollte es auch nur auf ein Paar Tage seyn. Mit unsrer Abreise hats freilich vor der Hand noch Zeit. Indeß ist die Länge unsres Aufenthalts hier aus manchen Gründen ungewiß. Bis Neujahr sind wir gewiß hier, wahrscheinlich auch noch länger, vielleicht noch um Monate bis in den März hinein. Indeß ist das doch ungewiß. Und was genossen ist von dieser Art des Genusses das ist doch reiner Gewinn. Die Griechen ermahnen uns ja täglich, nicht der trügerischen Zukunft zu trauen. Wegen Kiel soll ich Ihnen schreiben. Es freut mich innigst, mein Theurer Freund, daß Sie meiner Meynung Gewicht beilegen. Aber freilich hätte ich Sie gern gesprochen. Zu schreiben habe ich eigentlich wenig darüber. Aber mehrere Momente der Ueberlegung hätte ich erst von Ihnen erfragen mögen, und dann bespricht sich auch so etwas so unend­ lich besser. Fürs erste streitet meine ganze Neigung, mein ganzes Interesse für Ihr Bleiben in Halle. Denn wenn ich selbst auch schwerlich gerade auch nur in den nächsten Jahren hier eigentlich wohnen werde; so liegt doch Kiel in einer solchen Entfernung und so ge­ rade nach Norden, den Hyperboräern schon soviel näher, daß wir doch da immer mehr getrennt seyn würden. 4 Meilen gegen Süden mehr ist nicht so arg als 1 gegen Norden. Außer diesem ganz individuellen habe ich ein allgemeineres. So wenig ich auch eigent­ lich mit dem zusammenhänge, was man den Preußischen Staat nennt, und so wenig ich mit Odysseus diese κραναὴν Ιϑάκην allen andern Ländern vorziehe, so würde ich doch mit Schmerz so alle Griechische Musen mit Ihnen auswandern sehen. Denn wen, außer etwa Schneider giebt es noch in den gesammten Preußischen Staaten, der irgend ein aus­ gezeichnet gelehrter Sprachforscher wäre, und der einzige Schneider ist wenigstens nun auch solange ganz unnütz bis in irgend einem Otternbauch eine Universität errichtet wird, die denn freilich sein Interesse erwecken möchte. Allein es sind nicht bloß die Preußischen Staaten, es ist die Ausbreitung der Kenntnisse überhaupt. Halle ist schlechterdings eine der größesten Universitäten in Deutschland, und der nutzbare Mann wirkt da viel, Kiel stelle ich mir (denn Wissen ist vorzüglich in solchen Dingen selten meine Sache) klein [vor], etwa wie Frankfurt, Gießen, höchstens Marburg von 200–400 Studentchen. Alle diese Rücksichten sind indeß nur untergeordnete, untergeordnet, nicht bloß, in den Augen Ihrer Freunde, sondern in den Augen eines jeden Unpartheiischen, unter das, was Ihr eigner wahrer Vortheil ist. Denn ohne den sind Sie nicht einmal in der Möglich­ keit nützlich zu seyn. Ihr Vortheil nun kann sich nur auf zwei Dinge beziehn 1. Ihre innere 49  klein, etwa H  klein [vor], etwa h 

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Zufriedenheit. 2. Ihre äußern Umstände. Die erste setze ich einerseits in einer Ruhe, bei der Sie nicht zu Arbeiten genöthigt sind, die Ihre Gesundheit untergraben, andererseits in dem aus der Beförderung der Wissenschaft, die Sie lieben, entspringenden Selbstbewußtseyn. Kollidirte Ihre innere Zufriedenheit mit den äußern Vortheilen, beförderte der eine Ort ganz vorzüglich die eine, der andre die andern; so wäre es eine schlimme Sache. Jene ist freilich der eigentliche Zweck, aber diese sind eine üble conditio sine qua non, und in Ihrer Lage, mit einer Familie, und noch dazu, wenn wirklich Ihr eignes Vermögen Gefahr läuft, so gut als ganz daraufzugehen, von der äußersten Wichtigkeit. Es würde daher wohl alles da­ rauf hinauslaufen, ob Ihre Einkünfte an dem einen Orte so beträchtlich größer wären, oder ob Sie Sich entschließen könnten, Sich an dem andern auf soviel einzuschränken. Was ich nun aber eben gern mit Ihnen besprochen hätte, wäre eben das, ob Sie wirk­ lich für Ihre Zufriedenheit viel in Kiel verlören, und an Einkünften so beträchtlich gewän­ nen. Sie sagten mir mehrmals, daß Sie zu Ihren guten Arbeiten, gleichsam ein Arbeiten vor Mehrern, überhaupt einen Anstoß von außen, wenigstens gerade dieß oder das zu ma­ chen brauchten. Dieß wäre nun sehr wichtig. Aber wer weiß, ob sich das nicht auch mit der Lage änderte, und wer weiß denn, ob Kiel bei solchen Anstalten, so guten Besoldungen[,] nicht in kurzem, sobald nur Ein merkwürdiger Mann da ist, steigt? Auf der andern Seite sind 1500 r. freilich recht ansehnlich. Aber es fragt sich auch 1., wieviel Sie in Halle haben? (ich weiß es nicht) 2., wieviel Sie in Halle und wieviel in Kiel mit Kollegien (die Ihnen, wie Sie mir oft sagten, wenig Mühe kosten) verdienen? und endlich ob es nicht in Kiel auch beträchtlich theurer ist, als in Halle? Durch diese Nebenbetrachtungen sinken die 1500 r. vielleicht zur Hallischen Mediokrität herab. Dazu müssen Sie doch auch rechnen, daß Sie, selbst ohne einen Buchstaben zu schreiben, gewiß eine Zulage von Berlin aus angeboten erhielten. Daß man Sie höchst ungern verlöre, können Sie denken. Aber freilich eine wie große? mag ich nicht bestimmen. Sie haben nicht den König gesprochen. Hier, lieber Freund, haben Sie meine aufrichtige Meynung, und das, was ich für die Momente der Untersuchung halte. Mehr als die angeben, kann der andre nie. Sie abwä­ gen muß jeder selbst. Glauben Sie das innere Gefühl der Nützlichkeit wenn auch nicht für Studirende, doch für die Wissenschaft zu verlieren, so müssen und dürfen Sie nicht gehn. Das muß immer die Hauptüberlegung bleiben. Mein herzlicher Wunsch wäre, Sie blieben in Halle aber freilich auch mit 1500 r. Gehalt. Ich habe mich eben nie in Wöllners Haut gewünscht, indeß dieß wäre eine Versuchung. – Verzeihen Sie meine Weitläuftigkeit und sagen Sie mir bald Ihr Urtheil über meine Gründe. Von Ihrem Homer hätten Sie schon längst etwas gehört. Ich habe beinah alles aufs sorgfältigste verglichen, so daß mir kein andres Komma fehlt. Auch habe ich einiges ge­ funden, das mich freute, andres, das mich wunderte, auch glaube ich einige Druckfeh­ ler. Doch ist nichts bedeutend. Ich bin nicht gelehrt genug, und habe nicht einmal die 72 u. ö.  1500 Thaler h  79 Konig H (nach einer Anm. Leitzmanns, h)  88  hätten sie D

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Brief 282–284

nöthigen Hülfsmittel, um auch nur bei der Hälfte den Grund der Aenderung genau ein­ zusehn. Gewiß wird es auch mehrern so gehn, die doch übrigens wohl eine Variante inter­ essirt. Ich dächte also immer, Sie erklärten Sich künftig über die vornehmsten, und da Sie diese Manier lieben, könnten Sies in einer epistola dedicatoria (wenn auch nicht an Ihren ocellus ) thun. Scheuen Sie das Aufsuchen der Aenderungen, so übernimmt das ja gern einer Ihrer Schüler. Auch wäre ich sehr bereit dazu. Das Aeußre ist prächtig und die Kor­ rektheit in den Bogen äußerst groß. Ich verschreibe mir mit heutiger Post von Hemmerde den Larcher und Bruncks Sopho­ cles. Ich lege Ihnen den Brief offen bei, weil ich die verschiednen Ausgaben des letztern nicht kenne. Ich bitte Sie nun dazu zu schreiben, welche er mir schicken soll, und ihm den Zettel hinzuschicken. Ich wünsche eine Ausgabe mit allem Wesentlichen, Schol. Not. u. s. w. zu haben. Aber aus der Pracht des Drucks, Formats u. s. w. mache ich mir nichts, und gebe darum keinen Heller mehr. Von Larcher giebts doch nur Eine Ausgabe. Sonst bitte ich Sie um die gleiche Gefälligkeit. Ich fürchte Hemmerde hat den Larcher nicht vorräthig, und ich brauche ihn wie das liebe Brod. Könnten Sie mir von Ihrem Exemplar oder der Bibliothek nur auf solange den Band schicken, in dem die Euterpe ist? Auch möchte ich gern die Homerischen Hymnen für mich, und mit meiner Frau cursorisch lesen, damit sie alles Homerische gelesen hätte. Könnten Sie mir nicht Ruhnkens e[d]. crit. den Mitscherlich aut alios zu dem Behuf auf 14 Tage leihn. Doch das Homerische brauchen Sie […] selbst. Und alle meine Bitten sind ganz bedingt. Geben Sie mir doch auch einen Rath […] lesen soll? d. h. Poesie. Denn für […] noch lange. Ich pflege immer zweierlei mit ihr zu lesen etwas leichteres das ich kursorisch mit ihr lese, und etwas Schwereres, das sie für sich übersetzt. Für das Letztere hatte ich den Prometheus beschieden. Aber unglücklicherweise ist mein Aeschylus in Erfurth vergessen worden. Ich dächte jetzt die Phoenissen? oder den Orest des Euripides? oder einiges aus den Analecten? Aber was cursorisch? das muß länger vorhalten? Nun, Liebster, schließe ich den langen Brief mit vielen herzlichen Wünschen für Ihre Gesundheit bei den vielen Arbeiten, und vielen Bitten, daß Sie bald Sich bei uns erholen mögen. Wir wollen Sie gewiß μείζονα καὶ πάσσονα zurückschicken. Meine Frau grüßt Sie herzlich. Zur Bequemlichkeit Ihrer Antwort streiche ich die Stellen, auf die ich gern Antwort hätte, an. Sie haben ja wohl mit nächster Post zu ein Paar Zeilen nur Zeit. Ihr H. Wie steht es, Lieber, mit dem Vossischen Homer? Sie wollten für uns subscribiren. Er muß ja nun heraus seyn.

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283.  An David Veit in Göttingen

Burgörner, Oktober (?) 1793

Veits Aufenthalt in Göttingen; die dortigen Professoren.

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[…] Humboldt hat mir Empfehlungen mitgegeben, die mir hier sehr nützlich waren, hat sich mit einer Art gegen mich betragen, deren gewiß nur ein höchst feiner Mensch fähig ist, und mich schriftlich gebeten, ihm baldmöglichst von hier aus ausführlich zu schreiben, damit er für künftige Fälle wisse, wie er sich gegen die hiesigen Professoren zu nehmen hat, und meine Antwort ist noch immer ausgeblieben!

284.  An Wolf in Halle

Burgörner, 4. (?) November 1793

Kursorische Zwischennachricht: Bitte um Bücherbesorgungen bzw. -leihgaben. Karolines Griechisch- und nunmehr auch Lateinlektüre. Gemeinsame Bitte um Wolfs Besuch.

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Ihr inhaltreicher Brief, lieber theurer Freund, erhält gewiß noch in dieser Woche eine ausführliche Antwort. Heute ist mirs nicht möglich. Dann auch über Ihre Ed. Hom. soviel ich vermag. Allein das ist blut, blutwenig. Für heute nur 2 Worte. Ueber Ihre Arbeiten bin ich erschrokken. Aber der Plato ist göttlich. Lassen Sie ihn nur nicht so lange liegen. Die Tuscul. freuen mich am wenigsten. Der Text ist so wenig werth. Doch auch über das alles künftig d. h. noch in dieser Woche mehr. Mit der Euterpe muß ich mich verschrieben oder Sie verlesen haben. Ich wünsche die Thalia allein oder mit der Melpomene. Die Euterpe haben wir schon geendigt. Sie kommt also bittend zurük, sie mit ihrer Schwester zu vertauschen. Da Hemmerde mir Bücher zu schicken hat, bitte ich nur ihm den Theil zuzustellen. Aber wo möglich sogleich. Denn ich seufze nach einem Hülfsmittel. Ueber das Bücherleihen, liebster Freund, lassen Sie uns ein allgemeines Gesetz ma­ chen: Erlauben Sie mir schlechterdings, ohne alle Umwege der Unverschämtheit zu bitten, und versprechen Sie mir, mir nichts zu schicken, als was Sie schlechterdings entbehren können, und wenn dieß gar nichts ist, auch gar nichts. Unter dem Schutz dieses Gesetzes bitte ich denn heute um 1., Pindarum Oxoniensem, wegen der Schol. 2., Hephaestion, ed. Pavo nur zum Nachschlagen. Die fatalen Metra verdrießen mich entsetzlich. Aber ich bin zu tief und muß durch. Auch habe ich jetzt ziemliche Kenntniß erlangt, habe den Morell von Spalding mitgebracht, und denke doch die

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Brief 284–286

so ungewissen Pindarischen metra zu fixiren. Die incuria der Editoren hierüber ist schrecklich. 3., Larcher: Thalia und Melpomene. 4., einen Apollonius cum Scholiis. Die Bruncksche Ed. habe ich selbst. Meine Frau hat sich doch entschlossen ihn mit mir zu lesen. Für sich seufzt sie beim Philoctet, da sie schlechterdings zu nichts anderm rechte Lust hat und man dem ϑυμῳ folgen muß. Wissen Sie, daß meine Frau nun auch lateinisch an zu lesen fängt, und womit, mit Ouids Metamorphosen! Sie werden schrein wie auch ich, aber es ist so eine Sache um die Lust, und ich denke, man muß mit einem Erwachsenen, und einer Frau es nicht wie mit einem Schulknaben machen. Platonische Texte habe ich stündlich hier, und stehe für alle Consultationen und Beleh­ rungen, die Sie mir darin ertheilen wollen. Sie wissen wenigstens, daß ich im Plato noch am meisten belesen bin, und daß Sie mich also nicht zu sehr von meinen andern Arbeiten abziehen. Nun leben Sie wohl, theurer lieber Freund! Wann sehe ich Sie einmal? Ich sehne mich so herzlich danach. Denn ich kann Ihnen nicht sagen, wie herzlich und innig ich Sie liebe. Wieviel Freude mir Ihr, trotz Ihren Arbeiten so langer Brief macht glauben Sie nicht, und wie dankbar ich Ihnen dafür bin. Hiebei erhalten Sie auch Papiere von Sich zurük. Ich habe ein eignes Buch: Wolfiana betitelt, worin alles Philologische, was Ihre Briefe enthalten, eingetragen wird. Nächstens schicke ich Ihnen einen Index davon. Meine Frau grüßt herzlich.  Ihr Humboldt. Was sagen Sie denn zur νὺξ ϑοή?

285.  An Körner in Dresden

Burgörner, 8. November 1793

Humboldt mitten im Abfassen eines Briefs philosophischen Inhalts an Körner durch unangenehmen Besuch unterbrochen; statt dessen Bitte um Besorgung von Zwieback.

Ich hatte, lieber Freund, einen Brief an Sie angefangen, und war im besten Schreiben, als unerwartet zwei Menschen ins Zimmer traten, die ich den Abend behalten mußte. Beim Anfang des Gesprächs war ich noch immer in Gedanken bei dem Brief, in Ideen von Schönheit und Kunst, und machte Plane, den Herren eine Viertelstunde abzustehlen, mein 3  Im Anfang D1  4 Pläne, D1

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Blatt zu endigen. Als ich so fortträumte, und Ja und Nein antwortete, weckte mich mit einemmale der eine durch die förmliche Erklärung, „daß seine Hauptneigung aufs Rind­ vieh gerichtet sey“. Seit dieser Phrase sehe ich nun die Unmöglichkeit, meinen Brief zu en­ digen, und hielt es auch für Unrecht eine solche passion nicht genauer zu untersuchen. Sie erhielten also heute gar nichts von mir, wenn ich Sie nicht bitten sollte, uns für fünf Reichs­ thaler (!!) Torgauer Zwiebak wohl eingepakt wo möglich mit nächster Post zu schicken. Sie verzeihen die Bitte, aber ich verlasse mich auf Ihre freundschaftliche Güte. Sobald mein sonderbarer Liebhaber wieder fort ist, schreibe ich weiter und Sie erhalten es mit nächster Post. So lange leben Sie recht wohl. Adieu! 8 9�r. 1793.

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Da Sie um das Einpacken der Zwiebäcke verlegen seyn möchten, so kann ich Ihnen sagen, daß der Bäcker sie selbst einpackt, und auch die Schachtel dazu anschaft.

286.  An Joh. Leopold Neumann in Dresden Burgörner, 9. November 1793 Dankesschreiben für alle in Dresden erwiesenen Gefälligkeiten; Schilderung der Rückreise; Aufenthalt in Leipzig. Die Tochter Karoline benutzt einen von Körner besorgten Laufkorb.

Burg Oerner, 9. Nov. 1793.

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Verzeihen Sie, hochgeehrtester Freund, daß ich mein Versprechen, Ihnen von mir und den meinigen Nachricht zu geben, so spät erfülle, und Ihnen erst so spät meinen herzlichsten Dank für die vielen Beweise freundschaftlicher Gefälligkeit ab­ statte, die Sie mir, während unsres Dresdner Aufenthalts, erwiesen haben. Ich bin aber nicht gleich von Dresden hieher, sondern erst zu meinem Schwiegervater auf ein andres Landgut gegangen, und die Zerstreuungen meines dortigen vierzehn­ tägigen Aufenthalts, und die Beschäftigungen, welche mir meine abermalige Ein­ richtung hier gab, sind allein Ursachen meines Stillschweigens gewesen. In der Einsamkeit hier, in die wir aufs neue versetzt sind, und die diesen Wochen einen sonderbaren Kontrast gegen die letztvergangenen giebt, erinnern wir uns sehr oft der angenehmen Tage in Dresden, die wir so ganz vorzüglich Ihrer und der Ihri­ gen Freundschaft schuldig sind. Es verdoppelte in der That unsren Genuß, so viele 7  sah ich D1

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Brief 286–287

tref liche Gegenstände der Kunst in einer solchen Gesellschaft zu sehen, und ich kann es mit Recht als einen vorzüglichen Beweis der Liebe meines Bruders ansehen, daß er mir hat bei Ihnen eine gütige Aufnahme verschaffen wollen. Unsre Rückreise war bis Leipzig, so weit uns Graf Geßler begleitete, sehr ange­ nehm, so kurz auch unser Aufenthalt dort war. Denn wir blieben bloß, außer dem Tag unsrer Ankunft, noch einen. Desto übler aber gieng es uns die beiden Tage von Leipzig aus, wo wir mit schlimmen Wegen, schlechten Gasthöfen, und fast allen möglichen Reiseungemächlichkeiten zugleich zu kämpfen hatten. Neue Bekannt­ schaften habe ich in Leipzig fast gar nicht gemacht, bloß einige nicht sehr bedeu­ tende, den Professor Beck, und den Magister Schocher. Platner war an dem Tage nicht zu sprechen. Der Landgraf von Hessen-Kassel wurde gerade in Leipzig erwar­ tet, und da war er natürlich zu beschäftigt. Jetzt sind wir seit 14 Tagen wieder hier, und alle recht wohl und vergnügt. Unsre kleine Karoline, an der Ihre liebevolle Freundschaft einen so gütigen Antheil nahm, und der Sie so manche Stunde vertreiben halfen, fängt nun an zu laufen, und kriecht den halben Tag in der Stube herum. Seit einigen Tagen haben wir durch Körners Bestellung einen Lauf korb aus Dresden erhalten, und seit diesen Tagen hat sie auch sehr große Fortschritte gemacht. Sie wissen aus eigner Erfahrung, welch eine ange­ nehme Beschäftigung solch ein kleines Geschöpf gewährt, und Sie fühlen gewiß, welchen Antheil unsre Kleine an unsrem stillen und frohen Leben hier hat. Wenn Sie gelegentlich einen unsrer gemeinschaftlichen Dresdner Bekannten se­ hen; so haben Sie die Güte, mein Andenken bei ihm zu erneuern. Vorzüglich bitte ich Sie, dieß bei Adelung und Parthey zu thun. Meine Frau trägt mir auf, Ihnen, Ihrer Frau Gemahlinn, Dem. Schwägerin, und Korachen viel Freundschaftliches von ihr zu sagen, und Ihnen allen auch in ihrem Namen unsre herzlichsten Danksagungen zu wiederholen. Empfehlen Sie auch mich allen den Ihrigen, theuerster Freund, und seyn Sie versichert, daß ich nie auf­ hören werde, mit der aufrichtigsten Hochachtung und Freundschaft zu seyn Ihr Meine Adresse ist Burg Oerner p. Eisleben.

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287.  An Wolf in Halle

Burgörner, 11. (?) November 1793

Philologica: zu Ilias-Stellen, die Wolf brieflich zur Diskussion gestellt hatte, sowie über Göttersterben und eine Tacitus-Stelle; zu Stellen in Wolfs neuer Ilias-Ausgabe. Kant-Studien.

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Ich versprach Ihnen in meinem neulichen Briefe, liebster Freund, Ihren letzten zu beantworten, und ich setze mich jetzt hin Wort zu halten. Ich nehme die Stellen, wie Ihr Brief sie mir an die Hand giebt. Bin ich damit fertig, so will ich sehn, was ich Sie hie und da noch zu fragen habe. 1. Brunck, über Hom. ζ.  523. Hier bin ich doch seiner Meynung. Der Sinn er­ fordert offenbar dort u. in den andern ad Oed. Tyr. v. 628. angeführten Stellen das praes[ens]. Mit Eustathius eine enallage temporis anzunehmen scheint mir (der ich aber freilich den Eustathius nicht nachschlagen kann) ein sonderbares commentum. Es fragt sich also nur, ob man μεϑίης od. μεϑιεις schreiben soll, u. da scheint doch die Uebereinstimmung von den mehreren von Brunck citirten Stellen gegen die Eine Od. δ. für das Letztere zu reden. Dann ist aber auch μεϑιεῖς unvermeidlich, u. ich würde hiernach alle diese Stellen, auch die Od. δ. corrigiren. 2. Ueber die αναστροφὴ sagen Sie mir doch, bester Freund, den Grund, den Sie für den wahren halten, daß man auch med. orat. κτίλος ὣς schreiben soll. Ueber γλαφυρὰ επι νῆας wäre ich für γ. ἐπὶ νῆας. Das Oxytoniren der praepositionen scheint den Grund zu haben, die Aufmerksamkeit auf das nachfolgende Wort zu richten. Daher das Zurücklegen des Accents, wenn das Wort vorausgeht. Geht nun das Substantiuum voraus, so ist die Phrase vollendet, es mögen soviel Adj. folgen, als wollen. Geht aber das Adj. voran, so ists umgekehrt. Indeß hasse ich bei dergleichen Dingen solche vernünftelnden Gründe. Am sichersten wäre die Entscheidung, wenn sich ausfinden ließe, ob irgend eine dieser Sekten historische Gründe hatte, daß die Alten so sprachen? Ist das nicht, so würde ich der angesehensten Sekte folgen, sollte sie auch die unvernünftigste Meinung haben. Denn in dergleichen Dingen beruht doch alles auf dem Gebrauch, u. können wir nicht die wahre Aussprache der Alten noch darstellen, so müssen wir doch schreiben, wie die Graeculi in Alexandrien. 3. η. 107. würde ich bei Ἀχαιῶν ein comma machen, und bis ὀνόμαζ. fortlesen. Dieß scheint mir am meisten Homerisch. Distinguiert man hinter Ἀχαιῶν, so würde, wie Sie sagen, δὲ stehn, und ein Punkt hinter Ἀγαμέμνων giebt ein asyndeton, wie ich kaum dächte, daß Eins im Homer wäre, der, wie es mir vorkommt, ὁ oder dergl. wiederholt haben würde. 1  das letztere zu h D1  13  ἀναστροφὴ D2  15  γλαφυρὰϚ h D1  16  nach folgende H noch folgende D1  20 vernünftelnde D1  25 Alexandria. D1

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4. V II . 64. ändern Sie doch ja nicht. Die Schwierigkeit von μελάνει zu heben weiß ich nicht. Aber πόντον scheint mir ganz unhomerisch. Und was nun ergänzen. φρὶξ. Aber dieß schwarz werden, ist der zweite Grad des Sturms, u. φρὶξ der erste. Dieß wäre also ganz gegen den Sinn. Und Zephyrus. Aber der steht nicht im Nom[inativ] vorher u. dann steht νέον ορνυμένοιο dabei. Hier aber ist er nicht mehr νέον ὀρν. Wo bleibt also hier die Homerische Deutlichkeit. Lieber wollte ich bei μελάνει κύματα /. ὕδωρ /. damit Sie recht lachen ἑαυτὸν ergänzen. 5. V II . 195. scheint mir γε zu Homerisch, um es wegzuwerfen. 6. Bei V II . 151. wünschte ich sehr Ihre Gründe zu hören. Ich bin übrigens ganz Ihrer Meynung. Ich habe mir sonst immer das ἔτλη so erklärt, daß es sich auf das Vorige, und zwar nicht auf ein wirklich ausgesagtes, aber ein bei προκαλίζετο ge­ dachtes Wort bezöge. Dieß scheint mir sehr Homerisch. „niemand wagte“ neml. der Ausforderung zu folgen. Bei προκαλίζετο halte ich nemlich μαχέσασϑαι ausgelassen, wie es Il. V II . 39. 40. wirklich steht. 7. I.  265. würde allerdings zu den Stellen gehört haben, die mich wunderten. Aber ich besitze α. nur von 470. an. Indeß bemitleide ich weiter den Theseus nicht, und schon oft habe ich mich gewundert, daß man im Homer mit manchen Versen so mild, und im Hesiodus so barbarisch umgeht. 8. Il. V.  886. 887. muß ich Ihnen zu meiner Schande gestehen, daß ich keine andre Schwierigkeit einsehe, als die der Sinn giebt (das Sterben der Götter) und die meynten Sie wohl jetzt nicht. Da 887. ausdrücklich ζὼς steht, so muß man wohl 886. wenn nicht von eigentlichem Sterben (dem widerspricht so δηρὸν πήματ’ ἔπασχον) doch von dem ähnlichen Liegen unter den Todten verstehen. Der Gegensatz ist dann: zwar nicht fallen, und liegen, aber schwach sein, wanken. Ueber das Götter­ sterben bliebe ich bei Ihrer Meynung. Ein wirkliches Beispiel, daß einer in der That ganz gestorben sey, hat man nicht; aber sehr hart daran kommen sie, und das τυτϑὸν, das sie übrig behalten ist manchmal nur noch so ein Götter point d’honneur. 9. Il. V. 903. hätte ich gedacht περιτρέφεται wäre besser. Es ist sehr malerisch, und ich habe nicht gewußt, daß die Milch noch besonders umgerührt werden müßte. Freilich ist aber auch περιτρ. für Homer beinah zu gesucht. Aber ἐπειγόμενον gefällt mir außerordentlich. Der ὀπὸς hat genug an seinem συνέπηξεν und ἐπ – ον macht die Schilderung viel lebendiger. 10. Il. V I . 148. bin ich auf Ihre beiden Lesarten sehr begierig. Ἐπιγίγνεται habe ich mir nicht anders, als durch eine veränderte Construction: ἄλλα ἐπιγ. erklärt. Wahrscheinlich lesen Sie ὥρη mit irgend einem verbo act. Gegen ἡ μὲν und ἡ δὲ hätte ich keinen Zweifel gehabt. Lesen Sie vielleicht ἠμεν – ἠδε? 11. Il. III . 7. scheint auch mir schlechterdings einer interpolation sehr ähnlich. 42 homerisch D2 (desgl. Z. 92, 117)  52  vom eigentlichen h D1  55  bleibe ich h D1 

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12. Il. V. 394. gehört zu den Stellen, wo mich die Aenderung sehr gefreut hat. Κέν μιν war mir immer unverständlich gewesen. Denn nicht wahr, es hätte nur dann

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recht gestanden, wenn es conj. geheißen hätte: Dann hätte sie ein et cet. 13. Die Stelle im Agricola ist sehr schlimm. Meines Erachtens will Tacitus sagen: wenn ein Mann eine schlechte Frau hat, so ist er zu tadeln, denn er ist gleichsam an ihren Fehlern schuld, aber wenn er eine gute hat, ist er um so mehr zu loben. Denn er ist vorzüglich die Ursache ihres Gutseyns. Auf gut Röm. werden also die potiores partes dem Mann eingeräumt. Nun wundert mich am meisten nur die Verbindung beider Sätze: nisi quod. Diese weiß ich mir nur auf Eine Art einigermaaßen zu er­ klären. Er hat zuerst gesagt: per mutuam caritatem, invicem se anteponendo und so das Lob zwischen ihm u. ihr gleich getheilt[.] Daraus sollte man nun schließen, das Verdienst beider sey gleich, und diesen ausgelassenen Satz zu beschränken setzt er nisi quod hinzu. Ergänze ich bei laus und culpa vxoris, so scheint mir alles noch gezwungener, auch würde dann nicht in bona vxore stehen, sondern Tacitus hätte das Ganze anders gewandt. Nehme ich die andre Lesart minor an, so bekomme ich noch weniger einen guten Sinn, und eine andre Aenderung fällt mir nicht bey. Sa­ gen Sie mir doch die Ihrige? Soviel Materialien gab Ihr Brief her, liebster Freund. Die Blätter erfolgen zurück. Jetzt Einiges über die Bogen Ihrer neuen Ausgabe, die Sie mir nach Berlin schick­ ten. Aber noch einmal. Nur sehr wenig. Denn Ihre Gründe, diese oder jene Lesart aufzunehmen, müssen natürlich meist historisch seyn, und da mir nun die Quellen mangeln, so kann ich nicht einmal viel darüber harioliren. 1. Ueber die Stellen, wo wirklich der Sinn verändert ist. Unter diesen haben mir folgende vorzüglich gefallen. α. 573. Das bisherige οὐδ’ ἔτ’ wollte mir immer nicht recht passen. β. 283. u. ε. 538. der praepos. als demonstrat. ist hier unstreitig Home­ rischer, als das relat. Eben so sehr hat die Aenderung γ. 215. meinen Beifall. Das Vo­ rige εἰ καὶ wie gewöhnlich quamuis übersetzt gab einen ganz widrigen Sinn. Gerade jüngere Leute reden weniger u. heftiger. Auf gleiche Weise empfiehlt der Sinn schon das ἐπ[ι]βήσομαι ε. 227. Denn jetzt war von Hinaufsteigen die Rede, und er konnte ja ebensogut auf die Pferde steigen, um hernach herabzuspringen u. zu kämpfen. Völlig ebenso einig bin ich mit dem Einklammern der Verse, die Sie für interpolirt erklärt haben. β. 206. ist die Interpolation offenbar, und verderbt die ganze Stelle. Denn es ist außerordentlich Homerisch zu schließen ᾧ ἔδωκε Κρ. π. ἀ. nemlich κοίρανος εἶναι. Ebensosehr verrathen sich die Verse β. 254–256. die den ganzen Zu­ sammenhang stören, u. an denen ich immer angestoßen bin. Auch mit ε. 342. habe ich kein Mitleid. Er verräth gar sehr die Glosse. Aber was meynen Sie, sollte nicht 341. gleiches Schicksal verdienen. Wenigstens steht er jetzt, ohne seinen Nachfolger, 91  vorzüglich folgende D1  96  επβήσομαι H  99 verdirbt D1

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sehr abrupte da. Nur für β. 168. hätte ich mich verwenden mögen. Er scheint mir nicht unhomerisch, und verbindet, dächte ich, gar nicht unschicklich 167. mit 169. β. 558. hätte mir keinen Verdacht erregt, aber Sie ahndeten wohl dort eine Lust, das Eulennest erscheinen zu lassen. Denn sonst giebt doch Homer auch bei den Phocä­ ern v. 526. die Stellung an, so daß das nicht so ungewöhnlich scheint. Mistrauischer wäre ich gegen β. 670. gewesen, aber da eine Stelle im Pindar auf diesen Vers od: umgekehrt Bezug hat, so wüßte ich gern, was Ihre Bücher darüber sagen, ob viel­ leicht etwas darunter ist, was die Zeit bestimmte, wo diese Sage vom goldnen Regen in Rhodos entstanden sey? So eben sehe ich, daß schon der Scholiast zum Pindar diesen Vers ἀϑετούμενον nennt. Eigentlich gewundert haben mich nur 3 Stellen. α. 423. ἐς statt ἐπ. Ich hätte mir bei εἰς mehr hinein, in die Tiefe, zu den Meergöttern gedacht. Aber wohl ohne Grund, es läuft wohl auf Eins hinaus. β. 26. kam mir εἶμι Homerischer vor, als εἴμι. Ich dächte auch, es gäbe ähnliche Stellen, die es bewiesen. Indeß beifallen thun sie mir im Augenblick nicht, u. mit Hülfsmitteln des Suchens bin ich gar nicht versehen. β. 293. σὺν. Da davon die Rede ist, daß der Sturm am Auslaufen hindert (so verstehe ich wenigstens die Stelle) so dachte ich stände παρὰ besser. Indeß konnte παρὰ auch leicht aus 297. hieher gekommen seyn. Noch V. 160. muß ich hinzusetzen. Εχε μονα. Wie wird das ε hier lang. Die Regel, daß wenn mehrere kurze Silben zusammenkom­ men, eine lang gebraucht werden könnte habe ich immer für einen Nothbehelf der Grammatiker gehalten. Wenigstens gedacht, man müßte ihre Anwendung vermei­ den, wie man könnte. Da ich einmal bei der Metrik bin, lassen Sie denn auch die Caesur bei einsilbigen Wörtern gelten, daß Sie β. 196. δη mit δε vertauscht haben, und, um noch Eine Frage hinzuzufügen, nicht wahr? β.  109. haben Sie geändert, weil Homer προσηύδα nicht absolut, ohne die angeredete Person, zu setzen pflegt? 2. Ueber die Interpunction. Hierüber weiß ich nur wenig zu sagen. Gefreut hat mich Ihre Interpunction: α. 434. 435. ἰ. ἰ. πελασαν, π. ὑφέντες. καρπ. 607. 608. Ἀμφιγυήεις, Ἣφαιστος, π. β. 157. Δ. τεκος, Ατρυτώνη. Bei folgenden Stellen hin­ gegen hätte ich gewünscht, Sie wären bei der alten Art geblieben, neml. so zu in­ terpungiren: β. 142. ὄρινε, πᾶσι. 380. ἔσσεται, οὐδ᾿ ἠβαιόν. 409. ἀδελφεὸν, ὡς ἐπον. 455. ὕλην, οὔρεος. Es kommen nemlich unzählige Stellen im Homer vor, und alle hier zuletzt genannte sind, meines Erachtens, der Art, wo erst ein Satz geradehin avancirt wird, u. dann die Einschränkung, Bestimmung od. dergl. hinterher folgt. Dieß ist natürlich der alten Sprache, so wie bei uns, den gemeinen Leuten, eigen. Der Spre­ chende hält alsdann vor der Bestimmung inne, u. setzt sie dann mit verändertem Redeton hinzu. Dieß nun, glaube ich, muß ein comma anzeigen. Ich nehme z. B. 105 abrupter H abrupte? h abrupt D1  115  α. 424. D1  118  beweisen. Indeß fallen solche mir im Augenblick nicht bei, D1  121 dächte D2  135  in Homer D2  136  zuletzt genannten h D1

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vorzüglich den Graecismus ᾔδεε ἀδελφεὸν ὡς ἐπονεῖτο welcher mir ganz u. gar die­ ser incorrectheit seinen Ursprung zu danken zu haben scheint. Man sagte erst ᾔδεε ἀδελφεὸν – er wußte von seinem Bruder. Nun sah man ein, daß dieß zu unbestimmt sey, u. setzte hinzu ὡς ἐπονεῖτο. Nachher freilich ward das Sprachgebrauch u. man dachte sich nichts mehr dabei. Aber auch schon zu Homers Zeit? Nach Homer, im Pindar, u. s. f. würde ich auch kein Unterscheidungszeichen mehr machen. Aber ver­ zeihen Sie mein Geschwätz. Ich thue überhaupt, als verstände ich etwas vom Ediren. Wozu Ihre Güte nicht verleitet? – Auffallend hingegen war mir das comma hinter ἄστυ γ. 245. doch glaube ich Ihre Meynung zu errathen. Die Herolde drinnen in der Stadt, die u. s. w. Eine Ungleichheit glaubte ich in Folgendem zu bemerken. Meh­ reremale z. B. β. 224. ε. 6. haben Sie das part. vom verbo (βοῶν – νείκεε) durch ein comma getrennt. War das aber nicht auch in andern Stellen, wo Sie es nicht gethan haben, z. B. β. 263. ἀφήσω, πεπληγὼς der gleiche Fall? Für die Parenthese haben Sie ja ein ganz neues Zeichen (β. 333. 334.) eingeführt. 3. Ueber die Orthographie. Hier ist mir vieles dunkel gewesen. Ich setze nur, was mir vorzüglich ein ϑαῦμα ἴδεσϑαι war. So α. 459. αὐέρυσαν. 541. ἀπονόσφιν. u. vor allem ε. 87. ἂμ πεδίον. 4. Endlich was ich für Druckfehler halte. Ob ich darin Recht habe, überlasse ich Ihrer Beurtheilung: β. 150. νῆας ἐπ᾿ ἐσσεύοντο für νῆας ἔπ᾿ ἐσσ. δ. 375. περὶ δ᾿ἄλλων für πέρι. 392. ἂψ ἀνερχομένῳ für ἂψ οἱ ἀν. da ich sonst für den Vers fürchte. ε. 416. ἰχῶ für ἰχῶρ. Soviel über das Einzelne. Die Beschreibung, die Sie mir vom Ganzen der Arbeit machen, ist schaudervoll. Aber sie hat mich auch innigst gefreut. Wer außer Ihnen unter allen Philologen arbeitet noch mit dieser Genauigkeit, warlich Sie erwerben Sich ein unsterbliches Verdienst um den Homer, u. eine solche Ausgabe muß Epo­ che in der Geschichte nicht bloß der Homerischen, sondern der griechischen Litte­ ratur überhaupt machen. Damit Sie mehr Zeit gewinnen, billige ich sehr die inte­ rims Ed. der Od. u. wünschte selbst eine der Ilias. Denn für Ihre Gesundheit fürchte ich doch ernstlich bei einer so ungeheuren Arbeit. Wenn Sie irgend können, liebster Freund, so schicken Sie mir doch die nun fertigen Bogen. Ich habe bis jetzt: α. von v. 410. an. β. γ. bis v. 319. δ. von 320 an. ε. bis 709. ζ. 200 –259. Nun, theurer Freund, schließe ich den langen Brief, danke noch tausendmal für alle Belehrung, und wünsche Ihnen von Herzen wohl zu leben. Meine Frau grüßt Sie herzlich. Adieu! Ihr Humboldt. Noch muß ich Ihnen doch sagen, daß ich, seit ich hier bin auch alle neuern Werke 149 darinnen h D1  169 ungeheuern h D1  171 320. D2

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Brief 287–290

Kants von der Kritik d. reinen Vern. an, die mit eingerechnet, noch einmal durchstu­ dirt habe, u. daß ich mich mit philosophischen Ideen trage, die mein Arbeiten über die Griechen erst einleiten sollen.

288.  An Brinkman in Berlin

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Burgörner, 15. November 1793

Bitte um Lebenszeichen; Übersendung eines Gedichts Brinkmans.

Burg Oerner, 15. 9�r. 1793. Ich habe Ihnen, liebster Freund, vor 3 Wochen von hier aus geschrieben, u. bis jetzt vergeblich auf Antwort gewartet. Wahrscheinlich haben Sie gerade viel Ge­ schäfte, und ich verlange daher gar nicht, daß Sie mit mir, der ich nichts zu thun habe, im Briefwechsel gleichen Schritt halten sollen. Indeß wünschte ich doch herz­ lich einmal wieder von Ihnen zu hören, und darum lassen Sie mich Sie heute nur in diesen wenigen Zeilen (zu mehr habe ich gerade heute nicht Zeit) um eine baldige Antwort bitten. Zugleich, liebster Freund, lege ich Ihnen ein Gedicht bei, das Sie mir, ich glaube noch vor Ihrer Reise nach Schweden schickten, u. das bestimmt war, in Ihren Phantasien einen Platz statt eines andren einzunehmen. Ich ließ, als ich Berlin verließ, die Phantasien an Gentz zurück, durch den Sie sie unstreitig erhalten haben, nur dieß Stück war bei Ihren Briefen, die ich neulich durchsuchte, liegen geblieben. Verzei­ hen Sie die Nachlässigkeit. Leben Sie recht wohl! Meine Frau grüßt Sie vielmals aufs freundschaftlichste. Adieu! Ihr Humboldt.

289.  An Hemmerde & Schwetschke in Halle Burgörner, 15. November 1793 Zu einer neulichen Büchersendung.

179  meine Arbeiten h D1 || 10  uns schickten, H  aus . . . schickten, D  13  Verzeihn Sie D

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Ew. Wohlgeb. sage ich für die mir überschickten Bücher den ergebensten Dank, und vermelde auf Ihr Schreiben vom 8. huj. Folgendes in Antwort. 1.)  Ovids Metamorphosen von Meinecke erfolgen zurück; alles übrige be­ halte ich. 2.)  erbitte ich mir a.,  Adelungs Wörterbuch, die neue Auflage 1. B., nicht den Auszug und ersuche Sie, ihn mir halb Eng[lisch] in gelbes Leder mit rothem Schnitt und Titel binden zu lassen. b.,  die ausgewählten Horazischen Oden nebst dem Bande Anmerkun­ gen von der Braunschweiger Schulencyklopädie, ungebunden zum Ansehen. 3.)  haben Ew. Wohlgeb. die Güte, für mich auf die Ausg[a]be des Wieland bei Göschen, und zwar auf die wohlfeile, 5 Alphabet à 2 r. zu praenumeriren. Ich habe die Ehre mit der vollkommensten Hochachtung zu seyn Ew. Wohlgeb. ergebenster, Humboldt. Nachdem ich diesen Brief schon zugemacht hatte, sehe ich, daß in Herders zer­ streuten Blättern S. 4. in der Vorr. S. V–VIII. fehlt. Wahrscheinlich ist es ein Versehen des Buchbinders, und ich ersuche Ew. Wohlgeb. daher, dem Mangel in dem Buche das ich beilege abzuhelfen.

290.  An A. W. Schlegel in Amsterdam

Burgörner, 16. November 1793

Glücklicher Ausgang der Gefangenschaft Caroline Böhmers. Unmöglichkeit, das Schönste und Höchste darzustellen. Die Einheit der Reflexion als oberstes Ideal.

Burg Oerner, 16. Nov. 1793.

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Ihr zweiter Brief, theurer Schlegel, hat mir eine herzliche Freude gemacht, und ich antworte mit desto leichterem Herzen darauf, als die nächste Veranlassung, die er betraf, wenn gleich ohne alles mein Verdienst, eine so glückliche Wendung ge­ nommen hat. Ihre Freundinn genießt ihre Freiheit wieder, und auf eine Art, die ihr

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Brief 290–291

zugleich die ehrenvollste ist. Gern hätte auch ich dazu mitgewirkt. Aber am Maynzi­ schen Hofe war schlechterdings nichts fürs Erste zu thun, und der Weg, den der Bru­ der eingeschlagen hat, schien, ob er gleich am Ende geglückt ist, (da alle Gefangene allein vom Kurfürsten abhiengen) so wenig zu versprechen, daß man ohne genaue Localkenntnisse ihn kaum zu versuchen wagen konnte. Ich selbst habe nie das Glück gehabt, Me. Böhmer selbst zu sehen, so sehr ich es auch nach allem, was ich durch Sie, die Forster, und andre von ihr hörte, gewünscht hätte. Aber die drei Briefe, die ich bei dieser Gelegenheit von ihr erhalten habe, kön­ nen mir gewissermaaßen statt einer Bekanntschaft dienen. Gerade der hohe Geist, den Sie so schön schildern, drükt sich in ihnen, vorzüglich in dem ersten (da die durch das ungewisse Schicksal eines Briefs nach einer Festung veranlaßte Kälte mei­ ner Antwort, die mich gewiß nicht hinderte, mit aller Wärme thätig zu seyn, sie zu­ rückhaltend und vielleicht gar mistrauisch gemacht hatte) auf eine äußerst charakte­ ristische Art aus. Ueberaus treffend ist alles, was Sie, liebster Freund, über die Schilderung des Schönsten und Höchsten sagen. Die innigste Ehrfurcht dafür führt unstreitig da­ hin, dieselbe nie zu versuchen. Die Mittel des Ausdrucks sind und bleiben ewig zu schwach, und reichten sie auch hin, jedes Einzelne richtig und wahr darzustellen, so vermögen sie nie ein lebendiges Bild des Ganzen zu geben. Und doch ist es gerade diese Einheit alles einzeln Schönen und Großen, welche den Stempel der wahren GeistesErhabenheit aufdrükt, und vor allem ist sie dieß in den weiblichen Charak­ teren, da sie den männlichen fast immer und in unsrem Zeitalter und bei unsrer Er­ ziehung im Grunde immer, ohne Einschränkung, fehlt. Der Grund, auf dem diese Einheit beruht liegt gewiß unendlich tief, und verbirgt sich dem Blick auch des glücklichsten Spähers. Sehr viel liegt unstreitig in der größeren Reizbarkeit und der anhaltenderen Beschäftigung der sinnlichen Kräfte. Denn sowie der Begriff verein­ zelt, u. die Anschauung verbindet, so auch die Kräfte, welche beide hervorbringen. Diese Einheit findet sich z. B. in allen Völkern, die erst auf den frühern Stufen der Kultur stehen, und bei denen die ästhetische Bildung die überwiegende ist. Sie er­ rathen leicht, daß ich hier vorzüglich an die Griechen denke. Dieß könnte man die Einheit der Phantasie nennen, vor der aber noch eine andre minder edle bei den Völ­ kern vorhergeht, deren sinnlicher Genuß noch bloß im körperlichen Gefühle nicht in der ästhetischen Anschauung besteht, und die nicht unrichtig Einheit der Sinnlichkeit (Rohheit) genannt würde. Von d. Sinnlichkeit und der Phantasie geht die Bil­ dung zum Verstande über. Die Ausbildung des Verstandes aber befördert die Einheit des Charakters niemals, wenigstens nicht unmittelbar, und daher sind alle Nationen, 12  andere von ihr D  15  drückt sich D  18 misstrauisch D  26 aufdrückt, D  27  bei unserer Erziehung D  33  den früheren Stufen D  36 nennen; H 

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wo diese überwiegend ist, einseitig, trocken und kalt. Ein Beispiel ist unser Zeitalter. Die Vernunft, um stufenweis zu den höchsten Kräften überzugehen führt wiederum Einheit mit sich, da ihr Geschäft nach Aristoteles, wie nach Kant, recht eigentlich das ἓν ποιεῖν ist. Aber die Vernunft (die speculative) nemlich hat das Eigne, daß ihre Bil­ dung, vorzüglich die, die auf den Charakter Einfluß hat, vor der des Verstandes vo­ rausgeht. Denn da der Verstand zeigt, daß sie nur regulative nicht konstitutive Prin­ cipien an die Hand geben kann, so sinkt damit in unsren Augen ihr Werth. Daher ist Einheit der Phantasie in spekulativen Köpfen immer mit Einheit der Vernunft ver­ bunden. Ein Beispiel sei Plato. Soll nun nach der Ausbildung des Verstandes noch Einheit erreicht werden, so muß man sich an die praktische Vernunft wenden. Die praktische Vernunft nemlich macht die Erhöhung aller Kräfte in gleichem Maaße zur moralischen d. i. zur kategorisch gebotenen Angelegenheit, und so schreibt sie die Einheit als Zweck vor. Allein sie allein kann diesen Zweck, da sie nicht theoretisch entscheiden kann, wie der Zweck zu erreichen sey? nicht erfüllen. An wen soll sie sich also wenden? An eine einzelne Seelenkraft? Jede entschiede für sich. Sie wendet sich also an die Reflexion, d. i. an die gemeinschaftliche und freie Berathschlagung al­ ler Kräfte, und so ist die höchste Einheit – die aber noch keine Nation, kein Zeitalter, vielleicht kein Individuum erreicht hat – Einheit der Reflexion. Verzeihen Sie, lieber Freund, diese philosophische Rhapsodie, oder besser diese rhapsodische Philosophie, die Ihnen, so kurz hingeworfen, kaum meine Ideen deutlich machen kann. Aber das Interesse, das alle Untersuchungen der Art für mich haben, riß mich hin. – Lassen Sie, liebster Schlegel, unsren Briefwechsel nicht mit seiner traurigen Veranlassung auf hören, darum bitte ich Sie herzlich und leben Sie recht wohl indeß! Adieu! Ihr Humboldt. Meine adresse ist, wo ich wäre, sicher Erfurt bei H. Praesidenten v. Dacheroeden od: Berlin, auf d. Jägerbrücke im Humboldtschen Hause.

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Burgörner, 18. November 1793

Zwischenmeldung über Karolines langsame Genesung; ihre Krankheit und die Schlechtwetterlage wenig förderlich für die Korrespondenz; Bitte um Wolfs längeren Besuch. Spaldings Dissertation. 53 kategorisch-gebotenen D  61  meine Idee D  68 Adresse D Dacheroeder D

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Brief 291–292

BOerner, 18. 9�r. 1793. Verzeihen Sie, theurer Freund, daß Sie jetzt soviele kleine Briefe von mir erhal­ ten, aber ich denke, es interessirt Sie, recht oft Nachricht zu haben, und zu länge­ rem Schreiben fehlt es mir bei dem Kränkeln meiner Frau und diesem abscheulichen Wetter an Stimmung und Lust. Mit meiner Frau gehts indeß jetzt so, daß Sie der wiederholten Nachrichten ohne alle Besorgniß entbehren können. Sie ist gestern von Mittag an außer dem Bett gewesen, und hat sich recht leidlich befunden, wenn gleich den Abend der Schmerz sich etwas stärker einfand. Nur daß Wüstheit (wenn Sie das Wort erlauben) und Leere im Kopf, Mattigkeit, u. Unlust zu allem natürlich nach einer so ärgerlichen Unpäßlichkeit nicht fehlen können, das fühlen Sie selbst, u. wohl leider aus eigner Erfahrung am beßten. Ich sage nach der Unpäßlichkeit. Denn diese halte ich, insofern nemlich meine Frau noch ferner die verordneten Arzeneien braucht, und kein Recidiv hinzukommt in der That für so gut, als gehoben. Recht sehr sehne ich mich, wieder ein Wort von Ihnen zu hören. Denn so oft und – gewiß auf Kosten Ihrer theuren Zeit – so viel Sie mir schreiben, so dünkt es mich doch immer so lang, daß ich nichts von Ihnen hörte. Die Hofnung, Sie hier zu sehen, gebe ich noch nicht ganz auf. Aber Anstalten machen müssen Sie doch, lieber Freund. Denn jetzt kann ich Ihnen mit großer Gewißheit sagen, daß wir hier nicht länger, als Ende Januars bleiben werden. Mehrere Umstände, die wir nicht gut abändern können, determiniren uns dazu. Wie schön wären die Weihnachtsferien! und (sehen Sie wie bescheiden, wie unaulebisch wir geworden sind) wie schön sogar die Weihnachtsfeiertage, versteht sich drei, nicht wie in den gottvergessenen Preu­ ßischen Staaten nur zwei. Aber ich bitte nicht. Ich kenne Ihre Liebe zu sehr, als daß ich nicht wissen sollte, daß Sie kommen, wenn es irgend thunlich ist, u. dann ist Bitten und dringendes Bitten nur schmerzhaft. Machen Sie es also wie Sie können, aber rechnen Sie darauf, daß Sie uns außerordentlich, warlich mehr, als wirs Ihnen sagen können, glücklich machen würden. Sie sollen auch recht gesund bei uns wer­ den, sollen keinen griechischen Buchstaben ansehn. Weder mit Pindar, noch Ho­ mer, noch Plato, noch selbst mit Gedicke will ich Sie plagen. Aber ich falle ins Bitten zurück. Ich lese eben Spaldings Commentar – doch den Titel kann ich mir bei dieser Ein­ zigen Frucht seines Geistes (wenigstens seines prosaischen) ersparen. Die vindiciae Megaricorum haben mir sehr gefallen. Es ist nirgend tief u. mit ächter Philosophie eingegangen, aber es ist historisch hübsch zusammengestellt, u. mitunter scharf­ sinnig darüber raisonnirt. An dem kritischen Theil bin ich eben. Sie sagten mir viel 3  zu längerm h D1  7  vom Mittag an D2  11  am besten. D1  12 Arzneien h D1  15 theuern h D1 schrieben, D2  33  mit rechter h

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Gutes davon. Ob ich es finden werde, soll mich wundern. Ich glaube es kaum. Ich bin mit der Materie, selbst mit der Art Schriftstellern (Aristoteles, Sextus u. s. f.) ganz unbekannt. Nun leben Sie wohl, theurer, lieber Freund. Ende dieser Woche schreibe ich Ih­ nen wieder u. hoffentlich aus ganz gesundem Hause. Tausend Grüße von meiner Frau! Humboldt.

292.  An Körner in Dresden

Burgörner, 19. November 1793

Karolines Unpässlichkeit, unfreundliche Witterung als Hindernisse der Fertigstellung des versprochenen ästhetischen Briefes. Angesichts eines festgestellten Kontrastes der Fortschritte der Einzelwissenschaften und der Philosophie und des Mangels einer vollendeten individuellen Bildung Vortrag der Grundsätze einer empirisch-philosophischen Theorie zu ihrer Verwirklichung; Vorbild: die griechische Antike.

Burg Oerner, 19. Nov. 93.

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Sie werden mit der letzten Post einen Brief von mir erwartet haben, theurer Freund, aber es war nicht ganz meine Schuld, daß ich Ihre Erwartung täuschte. Gleich den Tag nach dem sonderbaren Besuch, der mich im Schreiben an Sie störte, fieng meine Frau an, an Zahnweh und Flüssen in der einen Seite des Kopfes zu kranken, und diese Unpäßlich­ keit, die mit unter sehr schmerzhaft wurde und die Patientin das Bett zu hüten nöthigte, hat bald stärker bald schwächer bis jetzt fortgedauert. Selbst jetzt hat sie noch nicht ganz aufgehört; indeß ist es doch schon ziemlich stark in der Besserung. Dieß und die Wirkung des fatalen Wetters auf meine eigne Stimmung hinderte mich an allen Beschäftigungen, denen man gern eine glückliche Stunde auswählt. Heute den abgerissenen Faden des an­ gefangenen Briefes wieder aufzunehmen, ist mir unmöglich und ich kann Sie also nur da­ mit trösten, daß Sie an dem Fragment nichts verlieren. Ihr Brief hat mir eine herzliche und warlich unbeschreibliche Freude gemacht. Der Um­ gang in Ideen und noch dazu in der Ferne ist ein so seltener Genuß, und vielleicht ver­ stattet gerade Ihnen Ihre Lage mehr Muße dazu, als sie Ihnen dieselbe leider zu größeren Werken versagt. An mir soll es sicherlich nicht liegen, und Sie dürfen nicht fürchten, daß ich sparsam im Briefschreiben seyn könnte. 5 Flusse D1  6 mitunter D1  9  eigene Stimmung D1  10  Heute die Feder des abgerissenen D1 14  vielleicht gestaltet D1

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Brief 292

Wohl haben Sie Recht, eine neue Schöpfung muß aus dem Chaos gesammelter Ma­ terialien hervorgehen, und es wolle der gute Genius unsres Zeitalters, daß sie ihre Gestalt aus den Händen der Kunst empfange. Ordnen und Benutzen des Vielfachgesammleten ist das große Bedürfniß unsrer Zeit – jeder der mannigfaltigen Arten der Thätigkeit, wel­ che der Mensch zu üben gelernt hat, ihren wahren Werth bestimmen, und überhaupt das Verhältniß des Menschen zu den Gegenständen, die ihn umgeben, vollständig und präcis festsetzen. Denn es muß einem jeden eine auffallende Erscheinung seyn, daß so große Aufklärung in der philosophischen Einsicht, so große Erweiterung der historischen Kenntniß, so feine Ausbildung des Geschmacks endlich in einigen Fächern der Kunst doch immer so todt und unfruchtbar bleibt, so wenig nur in die Denkungs- und fast gar nicht in die Handlungsweise übergeht, und daß, ungeachtet dieser Schätze, unser Jahrhundert sich dennoch immer mehr durch das, was die Menschen wissen und bewirken, als durch das, was sie in sich selbst sind, auszeichnen wird. Erklärbar scheint mir diese Erscheinung allein durch die theils nicht hinlänglich beachtete, theils gemisleitete Bildung des Men­ schen, und von dieser Seite glaube ich daher auch, muß dem Uebel das Heilmittel gesucht werden. Es ist das fruchtbarste und schlechterdings das reizendste Feld des Nachden­ kens, den Menschen, in dem ganzen Umfang seiner genießenden und wirkenden Kräfte, erst empirisch-philosophisch betrachten, untersuchen, was eigentlich (welcher Grad der Kräfte in welchem Verhältniß?) Ideal der Menschheit genannt zu werden verdient? und welche Uebung der Kräfte diesem Ideale nähert? dann hiermit historisch den Menschen in verschiedenen Zeitaltern und Nationen vergleichen und den Zusammenhang der Weltbe­ gebenheiten mit kritischem Auge verfolgen, um vielleicht daran die Gesetze auszuspähen, nach welchen das ewige Schicksal (doch wohl nur die eigenen, den Wesen inwohnenden und durch entgegengesetztes Kämpfen Vereinigung erstrebenden Kräfte der Dinge) die Menschen entweder in ewig in sich zurückkehrenden Kreisen, oder Einem großen unend­ lichen Ziele zu (denn welcher Philosoph oder Geschichtsforscher hat dieß je, nur mit ir­ gend einem Grade der Wahrscheinlichkeit, entschieden?) führt. Zugleich ist unsre Zeit zu der Bearbeitung dieses Feldes, wie nie eine andre vorbereitet. Wir besitzen eine feste, auf streng bewiesenen Grundsätzen mit kritischer Genauigkeit aufgeführte Philosophie (denn wer kann diese Kriterien in der Kantischen verkennen) und verbinden damit auf der an­ dern Seite die reichste Erfahrung über den Menschen, theils todte in geographischer, his­ torischer, physischer Gelehrsamkeit, theils lebendige in den auf tausendfach verschiedene Art modificirten Verhältnissen der Menschenverbindung in unsern Zeiten. Dennoch ist dieß ganze Feld noch, einem systematischen Plane nach, gar nicht, und selbst theilweise 19  es wollte D1  20 Vielfachgesammelten D1  21  unsrer Zeiten, jeder D1 Tätigkeit D2  24 sein, daß D1  25  Erweiterung in der D1  26 Geschmackes D1  31  Bildung der Menschen D1 33  schlechterdings reizendste D1  35  [zu] betrachten, [zu] untersuchen, D1  37  die Menschen D1 38  Nationen [zu] vergleichen D1  39  Auge zu verfolgen, D1  42  Menschen in ewig D1  44 unsere Zeit D1  45  nie eine andere D1 

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nur wenig bearbeitet. Von der Theorie der Bildung des Menschen existirt höchstens eine Theorie der Erziehung und Gesetzgebung, aber keine der Religion (da es doch wohl auch der Mühe werth wäre zu untersuchen, was man wohl durch Religion bewirken könne und müsse?), keine (was doch das wichtigste von allen wäre) der Bildung durch Leben und Umgang, endlich, was das Schlimmste ist und selbst das, was wir besitzen, schwankend macht, keine der allgemeinen Grundsätze, von denen Erziehung und Gesetzgebung selbst nur einzelne Anwendungen an die Hand giebt. Endlich fehlt, freilich nicht dem Titel, aber wohl dem Geiste nach, eine philosophische Geschichte der Menschheit. Ich glaube gern, daß, wenn auch diese Mängel anerkannt, wenn ihnen sogar (theoretisch) abgeholfen wäre, darum auch die moralische Reform nicht gleich unmittelbar erfolgen würde; aber es wäre doch immer eine große Lücke in der Encyklopädie unsrer Wissenschaften ausgefüllt, und wenn gleich die praktische Verbesserung immer, durch Zufall und Gefühl geleitet, ihren Weg fortgeht, so kann man doch kaum absichtlich an derselben arbeiten, ohne auf einer festen Theorie zu fußen. Mir wenigstens würde der Mangel einer solchen festen Theorie in mir selbst, wenn ich praktische Wirksamkeit hätte, alles Alte unantastbar heilig machen. Die leichtere Art, diesen Früchten der Erkenntniß beizukommen, ist das Studium der Ge­ schichte, und darum habe ich mir jetzt so vorzüglich das der Griechen gewählt. Insofern dieser Gesichtspunkt auch Ihnen wichtig scheint, mögen Ihre gütigen Erwartungen von diesem Studium gerecht seyn, aber weiter nicht. Die Kunst, aus Faktis Philosophie zu zie­ hen, ist unendlichen Schwierigkeiten unterworfen, und Schwierigkeiten, die einen skepti­ schen Kopf, wie ich in hohem Grade bin, beinah zur Verzweiflung zu bringen vermögen. Daß ich gerade das Studium der Griechen wählte, davon erlauben Sie mir nur noch, Ihnen einige Gründe hinzuzufügen. Meiner und gewiß auch Ihrer Ueberzeugung nach, fehlt un­ serm Zeitalter gerade Bildung des Geschmacks, oder noch richtiger, Einfluß eines gebil­ deten Geschmacks auf die raisonnirenden und handelnden Kräfte. Welche Nation aber verdiente da angestrengteres Studium, als die, welcher gerade diese Herrschaft des ästhe­ tischen Sinnes eine so bewundernswürdige CharakterEinheit gab? Zwar glaube ich nicht, daß man streben sollte, diese Einheit gerade wieder hervorzubringen. Wir stehn wieder auf einer andren, und unstreitig einer höhern Stufe, wenigstens auf einer, die uns höher führen kann. Denn offenbar sind wir im Werden. Die so nothwendige Einheit des Charak­ ters nemlich hat, glaube ich, mehrere Stufen von höherer und niederer Würde. Ich möchte die Klassen so abtheilen. 1. Einheit durch Herrschaft körperlicher Sinnlichkeit – Einheit der Rohheit – bei allen barbarischen Völkern. 2. Einheit der ästhetischen Kräfte – bei den Griechen. Mit dieser verbindet sich in spekulativen Köpfen eine Einheit durch Vernunft – bei Platon. 3. Mangel an Einheit durch große Ausbildung des Verstandes. 4. die höchste 53  (die es doch D1  54  was man durch Religion D1  60  wenn ihnen schon D1  61  erfolgen wird; D1 62  große Brücke in der Encyklopädie unserer D1  64 fortgehet, D1  73  nun noch D1 75  Bildung des Geschmackes, D1 (desgl. Z. 76)  77  das angestrengte Studium D1  79  Wir stehen wieder auf einer andern D1  83  Einheit durch Rohheit D1

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Brief 292–294

Einheit, hervorgehend aus jenem Mangel. Die Ausbildung des Verstandes bringt Ausbil­ dung der praktischen Vernunft hervor. Diese fordert Vollkommenheit, gleichsam als den Inhalt des formalen Gesetzes. Die Vollkommenheit Einheit der Kräfte, aber nicht Einheit durch Alleinherrschaft Einer, sondern durch gleichen Regierungsantheil jeder. Diese zu er­ reichen wendet sich die praktische Vernunft an die Richterin aller menschlichen Kräfte, die Reflexion. So entsteht Einheit der Reflexion, als das Unerreichte, dem wir nachstreben müssen. – Doch so viel für heute. Ich bin in mein Lieblingsfach gerathen. Ich habe Ihnen den ganzen Umfang der Ideen vorgezeichnet, die mir die theuersten sind. Sind sie Ihnen auch lieb, so warten meiner große Genüsse. – So eben meldet man uns von der Post in Eisleben eine 23 Pfund schwere Kiste aus Dresden. Unstreitig ist das der Zwieback. Tausend Dank für die schnelle gütige Besorgung. Graf Geßler grüßen Sie doch vielmals von mir und fragen ihn, ob er meinen Brief aus Auleben empfangen? Meine Frau und ich empfehlen uns Ihnen und den Ihrigen. Leben Sie recht wohl. Ihr Humboldt.

293.  An Wolf in Halle

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Burgörner, 28. November 1793

Von beiden Ehegatten geschriebenes Begleitbriefchen zu einer Bitte um Besorgung von Medikamenten: herzliche Bitte um Wolfs Besuch in Burgörner.

BOerner, 28. Nov. 1793. Die Arzneiboten hören, wie Sie sehen noch nicht auf, lieber Freund, aber darum ist weder unsre Gesundheit, noch viel weniger unsre Laune schlimm. Der gegen­ wärtige Bote betrift 1., das Kind wegen des unbedeutenden, aber fortdauernden Ausschlags; 2., meine Frau nicht sowohl wegen einer einzelnen Krankheit, als wegen ihrer Gesundheit überhaupt; u. 3., nun auch mich wegen Halsweh u. einem bischen Flußfieber, das mir nun schon den 3tn Tag verdirbt, u. mich den Griechen entreißt. Ich fahre in H[umboldts] Brief fort, bester Wolf, weil das Kind ihm keine Ruh ließ und er es nehmen mußte, um Sie zu bitten sich nicht vor dem Hos­ pital zu scheuen, das Sie hier etablirt glauben werden, um uns bald zu besuchen. Von Leipzig aus räth Ihnen Humboldt nicht zu uns zu kommen. Die Zahl der Meilen wird ohngefähr, eine auf und ab gerechnet, dieselbe sein, aber Sie haben 88 fodert D1  89  des formellen Gesetzes. Die Vollkommenheit [fordert] D1  90  Dieß zu erreichen D1 || 4 fortdaurenden h  7  Tag verekelt, h 

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schlechtern Weg u. wenn Sie Burgoerner, wie es zu fürchten ist, in einem Tage von Leipzig aus nicht erreichen können, sehr schlechtes Nachtquartier. Zögern Sie aber nicht, lieber Freund, denn wenn das Wetter so elend und unsre Kränklichkeit so bleibt so weiß Gott ob wir das Ende Januars hier erleben u. nicht unsren Stab früher fortsezzen. Und wahrlich eine größere Auf heiterung könte uns nichts geben als Ihr Besuch. Das ist ein sehr wahres Wort, liebster Freund, und ich denke, Sie ersparen mir die Versicherung. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich mich Sie zu sehen sehne, u. wäre nicht das Kranken hier so eingerissen, so wäre ich wohl schon bei Ihnen in Halle gewesen. Aber so kommen Sie erst, u. kommen Sie recht bald. Vorauszubestimmen brauchen Sie nichts, das ist eine fatale Sache, u. bei Ihrem Herkommen muß Ihnen alles lieb u. froh seyn. Ueber Homer kann ich Ihnen bei meinem wüsten Kopfe heute nichts sagen. Nur herzlichen Dank für Ihren schönen lieben Brief. Die Homers Bogen lege ich bei. Ver­ zeihen Sie nur die angestrichnen Verse. Ich hielt es für mein Eigenthum, da Sie mir nichts dazu gesagt. Sie können indeß auch die Strichelchen als eine Variantensamm­ lung brauchen. Nun, lieber Wolf, damit der Brief recht bunt sei, der Schluß von mir. Der Schluß ist aber wie der Anfang, bitte um Ihren lieben, lieben Besuch. Tausend Empfehlungen an Ihre Frau und Hannchen. Mit dem Philoctet ist es schlecht, sehr schlecht gegangen u. Sie brauchen nicht besorgt zu sein daß zu viel geschieht. Adieu. Karoline H. Lieber Wolf kaufen Sie mir doch wieder zum Weihnachten für H. ein griechisch Buch und laßen es mir binden. Ich bin aber dießmal nicht so reich u. mögte nicht daß es theurer als 10 bis 12r. wäre.

294.  An Wolf in Halle

Burgörner, 5. Dezember 1793

Gesundheitliche Besserung. Übersetzungsproben aus Simonides und Pindar. Weitere Ermunterungen zu einem Besuch Wolfs in Burgörner.

Ich bin soweit geheilt, liebster Freund, daß ich wieder ausgehe, aber mein Magen ist sehr verdorben, und plagt mich auf mancherlei Weise, vorzüglich mit mal aire u. s. f. Machen Sie, daß Sie zu uns kommen, u. wir sind um mehr als die Hälfte

25  Homer Bogen D1  30  Bitte um h D1 

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Brief 294–295

geheilt. Das ist unser wahrer Ernst. Unsre Uebel sind gerade der Art, daß Zerstreu­ ungen, unvermuthete u. doch lang gewünschte Freude [i]hnen mehr als Arznei ist. Bei so großer Lust zum Sprechen, habe ich wenig zum Schreiben. Damit aber doch mein Brief nicht wieder ganz so ein Wisch wird, schreibe ich Ihnen ein Paar Kleinig­ keiten ab, die Sie noch nicht gesehen haben, eins von Simonides, u. eine Strophe aus Pindar, die so vorzüglich schön ist. (im Original versteht sich) Da nun rauschend der Sturm ringsum den künstlichen Kasten umbrauste, und das tief strudelnde Meer; da sank sie vor Furcht, und mit thränenbethauetem Angesicht schlang sie um Perseus die verlangenden Arme, und sprach: o Kind, wieviel erduld’ ich; Du aber schläfst, schlummerst in Säuglings Träumen so süss hier in der Wohnung des Harms, vom Erze geschmiedet, die Nacht durchleuchtend, hier in dem grausvollen Dunkel. Es kümmert Dich nicht, dass über dem armen lockigen Haar Dir des Meeres Woge hinrollt, nicht des Sturms donnernde Stimme; ins Purpurgewand sorglos gehüllt, ruhst Du so da, schönes Antlitz. Aber wenn diess Furchtbare furchtbar Dir wäre, wenn ein zartes Ohr meinen Worten Du liehest, dann rief ich: schlummre Kind, es schlummre der Ocean, es schlummre das unermessliche Unglück. Des Vaters Willens Vereitlung sey mir von Dir, waltender Zeus, und ist zu kühn nicht Dir das Wort, so erfleh’ ich durch Perseus mir Rache. Das Stück hat so eine schöne Sanftheit. Herzlich will ich mich freuen, wenn Sie die auch nur zum 1000stn Theil in der Uebersetzung wiederfänden. Nun die Strophe: Der beste Arzt durchkämpfter erprüfter Arbeit ist die Freude. Der Musen weise Tochter, des Gesanges Stimme, mischt mit ihr vereint, ihr süssen Zauber bei. So umschmeichelt mit Labung nicht die müden Glieder des 20  des Sturmes D1  22 sorglosgehüllt H h  31 wiederfinden. D2 

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Bades laue Flut, als der Rede Einklang, der Gefährte der Leyer. Länger lebt, als Thaten, das Wort zur späteren Nachwelt, das mit der Charitinnen Gunst die Zunge dem tiefen Sinn entnimmt.

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Die letzten Verse sind eine schöne Schilderung des Pindarischen Geistes. Tiefe u. Grazie. Ueber diesen Text denke ich einen langen Kommentar einmal zu liefern. Es ist der eigentliche, immer verfehlte Gesichtspunkt, aus dem Pindar beurtheilt wer­ den muß. Die Strophe übersetzte ich gestern. So probire ich jetzt alles an. Daraus sehn Sie meine humeur. Die Studien leiden schrecklich. Aber der beste Arzt ist die Freude, u. die schönste Freude – erwarten wir von Halle. Adieu! Erscheint denn wirklich der Diodor? od. ist das nur so in der L. Z. lustig zu lesen? NB. Was dieser Brief enthält, ist das Einzige von mir Uebersetzte, seit Sie in Aule­ ben waren. Das ist doch fleißig. Noch ein andres! Meine Frau bittet die Ihrige ihr doch, nach dem Muster [der] beikommenden Kinderschu[he (] […] -zukommen braucht) ein […] u. Größe ma­ chen zu lassen. Sie bittet he[rzlich] wegen des Ansinnens um Verzeihung. Sie weiß aber hier keinen andern Rath. Uebrigens empfiehlt sie sich Ihnen beiden herzlich. 5. X�r.   H

295.  An Brinkman in Berlin

Burgörner, 19. Dezember 1793

Ausführliche Stellungnahme zu Brinkmans Beschwerde über Eintrübung des gemeinsamen Umgangs im vergangenen Sommer: dessen zunehmende Vorliebe für oberflächliche Gesellschaften, Vernachlässigung eigener geistiger Beschäftigungen, Neigung zur Indiskretion, französische Versemacherei u. dgl. hätten auf Humboldt abstoßend gewirkt. – Kränklichkeit in der eigenen Familie; Unzufriedenheit über Unproduktivität. Freude über Gentz’ weitere Tätigkeit. Zur politischen Lage: das Bewusstsein, in einer bedeutenden Epoche zu leben, löst zugleich geschichtsphilosophische Überlegungen aus; Kritik an Herder.

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Brief 295

Burg Oerner, 19. Dec. 1793. Ihr Brief, liebster Brinckmann, hat mir eine recht herzliche Freude gemacht, und, ich gestehe es offenherzig, eine bei weitem größere, als ich erwartete. Dieß Letz­ tere ist eigentlich aus dem Grunde entstanden, daß Sie mein Betragen im Umgange mit Ihnen in verwichenem Sommer zwischen uns zur Sprache bringen – eine Sache, die ich längst wünschte, die aber nur ich nicht gut anfangen konnte – und daß mir Ihr Brief deutlich sagt, daß Sie es mit Ruhe und Unpartheilichkeit ansehen, wenn ich mich gleich nicht überzeugen kann, daß Sie es richtig beurtheilen. Es ist Pflicht, mich auch von meiner Seite zu erklären; lassen Sie es mich mit wenigen Worten, mit einer Sie und mich gleich wenig schonenden Offenherzigkeit thun, und lassen Sie uns dann nie wieder darauf zurückkommen. Mein Benehmen gegen Sie war von einer Art, die weder einer Rechtfertigung, noch einer Entschuldigung fähig ist. Wer uns beide kannte, und vorzüglich mein Bruder, hat mir häufige Vorwürfe darüber gemacht. Ich räume daher hier mein völ­ liges Unrecht ein. Es war ein Ueberlassen an eine Laune, das schon die gesellschaftli­ che Feinheit verbietet. Aber es war auch nur das. Es war weder Verachtung der Men­ schen – die mir eigentlich gar nicht, und scheinbar nur unter vielen Modificationen eigen ist – noch Aenderung der Gesinnung gegen Sie. Ich liebte Sie, wie sonst; ich schätzte eben so Ihren Charakter, Ihre Talente an [s]ich, wenn ich gleich die Rich­ tung gerade, die ich damals zu bemerken glaubte, nicht billigen konnte; ein sichrer Beweis davon war mein häufiges ZuIhnenKommen. Aber wenn ich Sie sah, so stieß mich etwas an Ihnen an, das ich nicht überwinden konnte, um so minder konnte, als ich Sie in der That schätzte. Sie werden mir Offenheit nicht verargen, und Ihr Brief enthält sogar eine Aufforderung dazu. Ich hatte Sie in länger, als zwei Jahren nicht gesehen, und Sie haben Sich, meiner Empfindung nach, in dieser Zeit, auf eine, Ihnen nicht vortheilhafte Weise geändert. Sie ehrten sonst nicht bloß an andren, Sie liebten selbst ernsthafte und anhaltende Anstrengung fordernde Beschäftigungen, Sie füllten einen großen Theil Ihrer Stun­ den damit aus; Sie sahn auch viel Gesellschaft, aber doch großentheils nur die bes­ sere und es konnte Ihnen weniger nachtheilig werden, da alle Ihre Zeit nur Ihnen gehörte. Jetzt fand ich Sie nicht allein in einem weit größern Cirkel verbreitet, son­ dern auch in einem viel alltäglicheren, dem vornehmern. Doch dieß kann Ihr Posten fordern. Indeß schwerlich in der Ausbreitung. Aber außerdem bemerkte ich auch an dem Interesse, mit dem Sie mir, hier ganz heterogenem, Züge und Geschicht­ chen aus diesen Gesellschaften erzählten, daß diese Gesellschaften Sie anhaltender beschäftigten. Dieß ist nicht genug. Diese Zirkel raubten Ihnen auch zu Hause Zeit. 32  dem vornehmen. D3  33  Allein außerdem D3 

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Kleine Briefwechsel, Gelegenheits Gedichte u.  s.  w. Zu dem Letztern rechne ich vorzüglich das ganze Französische Versmachen, das ich, ich läugne es nicht, noch über Spaldings Alexandriner hasse. In allem diesem schienen Sie Sich aber dennoch mehr, als in sovielen wichtigern Dingen, wozu Ihnen die Kräfte in vollem Maaße da sind, zu gefallen, und es that mir leid zu sehen, daß Sie diesen, meiner Ueber­ zeugung nach, so geringfügigen Dingen einen so großen Einfluß auf Sich verstatten, und ich kann mir die Besorgniß nicht nehmen, daß es Ihnen, wenn Sie ihm nicht bald steuern, schädlich werden muß. Meine eingezogene, auf wenig Personen beschränkte Lebensart, meine Beschäf­ tigungen selbst, der abstraktere Theil der Philosophie, und in lachendern Feldern der Wissenschaft selbst der troknere Theil, selbst Grammatik, Dialekte und Metrik, können mich Mücken für Kameele ansehn machen. Allein es gehört einmal zur Ge­ schichte unsres Umgangs in diesem Sommer. Denn dieß, und noch außerdem nur zwei geringfügige Umstände, die ich, um reinen Tisch zu machen, auch berühren will, daß Sie theils in meiner Gegenwart, noch mehr aber in meiner Abwesenheit, hie u. da Anspielungen, Kleinigkeiten u.  dgl. von mir [S]ich entfallen ließen, die den andren unverständlich seyn mußten, u. mir, dem gar nichts daran liegt, von sich sprechen zu lassen, nicht angenehm waren, und dann eine vielleicht nicht sorgfäl­ tige Wahl in der Zeit der Besuche u. s. f. brachten mich manchmal in die Laune, in die ich nicht hätte kommen, der ich wenigstens nicht hätte nachgeben sollen. Lassen Sie uns nun zum Schluß kommen. Ich bekenne mein Unrecht, u. bitte Sie um Verzeihung. Sie[,] untersuchen Sie Sich, ob ich mich über Sie ganz od: zum Theil irrte, u. handeln Sie darnach. Reden thun Sie nicht mehr gegen mich darüber. Alle Selbstvertheidigungen sind überflüssig, besonders da, wo der andre warlich nicht gern Ankläger ist. Auch vertheidige ich mich über die Menschenverachtung nicht. Genug ich glaube nicht daran; sagen Sie mir, daß auch ich mich über Sie irre, u. es ist mit diesen 3 Worten genug. ––– Ich habe einen traurigen Aufenthalt hier gehabt, und habe ihn noch, liebster Freund. Seit ich hier bin, ist meine Frau nicht wohl, u. seit einigen Tagen hat sie an Zahnweh, u. Flüssen, mit Fieber verbunden sehr viel gelitten. Doch scheint es besser zu gehen, obgleich das Fieber noch nicht ganz weichen will. Ich selbst bin auch un­ päßlich gewesen, und sogar das Kind hat an Ausschlag gelitten. Auf diese Weise habe ich hier in den drittehalb Monaten beinah noch sehr wenig gethan, u. habe meine Erwartungen sehr getäuscht gefunden. Indeß werden ja bessere Zeiten kommen. Die Klopstockischen Gespräche merke ich mir gewiß. Ich bin sehr begierig auf sie. Schlimm ist es nur hier mit allen Büchern, die man nicht gerade kaufen will. 37  Kleiner Briefwechsel, H  Zu dem Letzteren D3  47 Dialekt D3  52  sich entfallen D3  58 zum Teil D3

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Brief 295–296

Von Gentz, sehe ich aus den Zeitungen, ist wieder ein Buch erschienen. Ich freue mich außerordentlich seiner jetzigen Lage, so sehr ich sie anfangs fürchtete. Er ist glücklich, sorgenlos, und nützlich beschäftigt. Fehlte es ihm nicht so an Muße, u. selbst dabei, erwarte ich noch sehr große Dinge von ihm. Außer allen Talenten, die er besitzt, weiß er den gründlichen ernsten Studien alles übrige aufzuopfern, und an seinem Nichtausgehn haben gewiß diese gleichviel Theil, als die Frau. Daß die jetzige[n] Zeitumstände den, der sich einmal mit Politik beschäftigt ist, u. der überdieß in einer großen Stadt lebt, ganz hinreißen müssen, fühle ich sehr lebhaft. Bei mir wird das Interesse sehr dadurch geschwächt, daß die Menschen meist verfault sind, ehe eine späte Hamburger Zeitung mir von ihrer Anklage spricht. Aller Eindruck, den die gräslichen Scenen auf mich machen, ist eine lugubre Be­ trachtung über die Schicksale des Menschengeschlechts. Ich bin sehr überzeugt, daß etwas Gutes u. Großes aus dem Chaos hervorgehen wird, u. selbst bei meinen trüben Quellen glaube ich hie u. da durchzusehen, wie es kommen könne. Aber daß alles Gute so durch Blut wandern, jeder Uebergang zum Bessern erst wieder das VielSchlechtere mit sich führen muß! Es ist interessant ein Zeitgenosse dieser Be­ gebenheiten zu seyn, allein noch viel interessanter wäre es mir, 50Jahre später zu leben. Was man gut sehen will, dem darf man nicht zu nah stehen. Und daß eine völlig neue Epoche jetzt beginnt ist kein Zweifel, diese ganz zu übersehen, müßte das schönste Schauspiel seyn. Doch kann dieß erst unsren Kindern werden. Es giebt keinen so interessanten Gegenstand, als Philosophie der Geschichte. Aber sie wankt noch ohne Fundament, da man noch nicht gehörig weiß, wonach man sehn soll, und dieß doch bei allem Erfahrungsammlen selbst noch vor dem Aufthun der Au­ gen geschehn muß. Eine traurige Erfahrung davon gaben mir noch neulich Herders Ideen 4. Th. Einige Feinheit bei der Gesch. des Christenthums u. die gut erzählte Gesch. der Araber ausgenommen, ists lauter Salbaderei u. kommt zu keinem Re­ sultat, außer daß man lernt, daß alle Blüthen welken. Mit den Blumen treibt Herder überhaupt großen Spuk. Sie sind aber wirklich sehr gütig, wenn sie ihm gedeihen, da er ihnen den Boden so schlecht mit Gedanken düngt. Eben so sind auch die 4. 5. Samml. zerstreuter Blätter. Lesen Sie wohl Tithonus u. Aurora. Das ist wieder ein Meisterstük von – gemachten Blumen. Nun Adieu, liebster Freund. Wollen Sie mir wieder oft schreiben, so seyn Sie we­ gen der Antworten nicht bange. Ich habe jetzt durch circa 50 vorigen Monat geschrie­ bene Briefe eine solche Ordnung gemacht, daß kein Brief bei mir verschoben wer­ den kann, u. Ihre Briefe werden mich immer herzlich freuen. Ich bin Ihren Zweifeln 84  über das Schicksal D2  86 durchzusehn, D3  87  Gute durch D2  88 Vielschlechtre D3 90  nah stehn. D3  91 übersehn, D3  94 wornach D3  101  der ihnen D1 D3  102 Lasen D3 103 Meisterstück D3 

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an meiner Wahrhaftigkeit nie direkt begegnet. Aber wenn Sie mich noch eine Stre­ cke mit Sich wandern sehn, kommt vielleicht auch dieß ins Gleis. Verübeln Sie mir nur diesen Brief nicht u. leben Sie wohl. Meine Frau grüßt Sie freundschaftlichst. Ihr Humboldt. Wolf ist neulich einige Tage bei mir gewesen.

296.  An Wolf in Halle

Burgörner, ca. 20. Dezember 1793

Vorfreude auf Wolfs neue Homerausgabe; lebhaftes Interesse für die ihr zugrunde gelegten Rhapsodentheorie. Detaillierte Liste von Fragen und Emendationsvorschlägen für eine Neuausgabe von Hesiods ,Erga‘.

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[…] bei jeder Aenderung, die dann solche sich aufdringende Bemerkungen her­ vorbringen, weiß ich im Voraus, daß ich doch nach einiger Zeit wieder die gleiche Klage führen werde, und der einzige leidige Trost ist, daß der unnütze Zeitaufwand, und die Verkehrtheit der Methode doch immer fortschreitend abnimmt. – Hierin nun vor allem, liebster Freund, bin ich Ihnen viel schuldig, und hierin bitte ich Sie herzlich, mir ferner nützlich zu seyn. Denn das Lob, da[s] ich am liebsten von Ihnen höre, ist, daß ich auf gutem Wege bin. Wer es aufrichtig mit Sich meynt, kann schwer­ lich mehr von sich selbst zugeben. Die Idee Ihres Homers (denn Ihre Bearbeitung ist so ein Ideal, daß man davon wohl den Ausdruck Idee platonice brauchen kann, gegen dessen Entweihung Kant so sehr eifert) erfüllt mich ganz. Es ist in jeder Rücksicht ein großes Werk, und muß ein Canon alles Edirens werden. Zugleich wird es dann ein Canon der feineren grammatischen Kenntniß seyn, und es wird endlich einmal einen Autor geben, aus dem man Beweisstellen in solchen Dingen wird citiren können, ohne zu fürchten, falsche Lesarten und Fehler statt Zeugen der Wahrheit zu finden. Der Gedanke über die Urheber der Homerisch genannten Gedichte beschäftigt mich in eben dem Grade mehr, als er dem Horizont meiner Kenntnisse und Beurtheilung näher liegt. Ich werde den ganzen Homer jetzt hintereinander durchlesen, ohne mich zu prae­ occupiren, bloß als hätte ich einen solchen Gedanken gehört, auf meine Empfin­ dungen merken, und Ihnen diese en gros sagen. Das Détail kann ich erst Ihrem künf­ tigen Détail hinzu- oder entgegensetzen. 6  daß ich H  daß ich D3  12 feinern h D2  13 Kenntnisse D1  17 Horizonte D1  20 Ihren [. . .] Détails D1 

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Brief 296

Die Arbeit mit dem Hesiodus fange ich heute an. Ich liefere alle Woche 50Verse, mehr oder weniger. Zu soviel haben Sie ja wohl nebenher Zeit. Sie müßten nun erstlich sich über meine Ideen erklären, nur mit Ja, Nein. Denn da ich mir was ich Ihnen schreibe notire, so ist ein kurzes Beziehen darauf hinlänglich. 2., die Verse selbst, auch die von mir nicht berührten, durchgehn. Wie ich dann [I]hre Briefe be­ komme, notire ich Ihre resultate zum Text u. so hätten Sie am Ende einen schon einmal ganz von Ihnen revidirten Text. Doch ich beginne, und thue bloß, als wäre ich in die Nothwendigkeit versetzt, die ἔργα abdrucken zu lassen. V. 1. 2. werden also so:

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Μ. Πιερίηϑεν, ἀ. κλείουσαι, Δεῦτε, Δί᾿ ἐννέπετε, σφέτερον πατέρ᾿, ὑμνείουσαι·

Die Interpunction V. 2. habe ich darnach gemacht, daß Sie ἐνν. und ὑμν. zu­sam­mennahmen. V. 3. ὅντε statt ὅν τε (in Loesner.) und am Ende ein kleines Punctum. φατοί τε· V. 4. klammere ich ein. 1., wegen der Wiederholung, die mir aber unbedeutend scheint. 2., wegen des Zusammenhangs. Soll der Vers bleiben, so muß, wie Grae­ uius auch will, er für sich heißen: nob. ignob. sunt Iouis m. vol. nicht aber mit ὅντε διὰ zusammengenommen werden, und so ein Zwischensatz stört v. 3. und 5. Aufs mindeste machte ich Parenthese (–  –)[.] V.  5. Sie schreiben ῥέα. Doch geht die Synizesis der langen und kurzen Silbe nicht an? Denn Schol. d. Hephaestion giebt sie ausdrücklich (p. 79.) zu und citirt Il. X X I V. 769. δαερων η cet. und doch ist prima in δαηρ lang Il. III . 180. XI V. 156. (Denn X X I V. 762. kann auch synizesis seyn.) V. 6. hinter ἄδηλον ἀέξει· ([nicht] .)[.] V. 7. hinter κάρφει , wegen der Länge des Satzes, wenn alles unmittelbar von Ζεὺς abhängen soll. V. 11. wird also abgesetzt. –  15. σ. οὕ.τ. φ. βροτός, denn hier muß der Leser inne halten, und da machen Sie doch den acut. V. 15. am Ende ein (,) und ebenso –  16. hinter βουλῃσιν , . –  17. streiche ich das (,) hinter ἑτέρην weg. Es ist von Einer Eris die Rede, und alles gehört zusammen. Muß ἐρεβεννὴ, den acut bekommen? –  19. möchte ich wieder γαίης τ᾿ἐν ρίζησι einführen, damit man es recht eng mit κ. ἀνδρ. zusammennimmt. Aber sonst heißt ja Wurzeln der Erde, unter der Erde?

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45  ([nicht] .)] die Negation wird mit einem durchstrichenen n angedeutet: (n. .) H  hinter […] ein (:). D2  46  κάρφει ein (,) D2  52  βουλῇσιν ein (,). D2 

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–   20. Des Metrums wegen, ἀπάλαμον obgleich Hephaest. p. 5. auch Beispiele von verkürzten Silben vor μν, selbst im Hexameter anführt. –   21. Comma hinter χατίζων. Alium intuens, diuitem scilicet. –   22.Kein Comma hinter φυτεύειν, das mit dem Folgenden genau zusammenhängt. Mit V. 21–23. habe ich jetzt eine andre Meynung. Ich glaube weder an οὗτος noch eine Ellipse hinten, sondern nehme ἰδὼν absolut für „sieht“ mit ausgelassenem ἐστὶ. Der Zusammenhang ist dann sehr gut: „welche zur Arbeit erweckt. (V. 20.) Denn „der Müssige sieht auf den Reichen, welcher et cet.“ Daher möchte ich [(]aber die Hiate? Doch wußten sie ja ein εἴξας im Homer.[ )] V. 23. hinter ϑέσϑαι ein völliges Punkt. Und ζηλοῖ von neuem angehn lassen. V. 24. klammere ich ein. 1., Das τε in V. 23. bezieht sich auf καὶ V. 25. V. 24. stört also. 2., Die Folge des Beneidens wird viel schlagender. 3., der Vers hinkt sehr. Vor­ züglich die gute Eris. V. 28. Muß nicht μὴ δέ getrennt erscheinen? –   30. Zöge ich ὥρη vor. Der Arme hat keine Sorge um andrer Zank, ist nicht so gut, als er hat keine Zeit dazu. V.  31. Muß ᾧτινι nicht Ein Wort seyn. –   32. ὡραῖος – τὸν γ. φ. Δ. ἀκτὴν – in Parenthesen. –   34. Hinter ἀλλοτρίοις ein Colon. Das δεύτερον bleibt mir unverständlich. –   39. τήνδε. Das ἐϑέλουσι δικάσσαι ist höchst sonderbar. Indeß ists doch wohl nicht anders zu erklären, als: ἐϑέλοντες ἐδίκαζον, volentes i. e. (oder vielmehr soll seyn) p[ro] lubitu. V. 40. hinter νήπιοι (,) nicht Colon. –   48. muß es ἀγκυλομήτης oder ἀγκυλόμητις heißen? – 49–53. fällt mir nichts ein. Hier haben Sie mein Nichts. Denn darauf möchte das Wahre hinauskommen. Der Kürze habe ich mich möglichst befleißigt. Daher manchmal der Ton ex cathedra. Meine Frau grüßt Sie herzlich, u. dankt noch innigst für die schönen Tage. Hann­ chen, die wir sehr grüßen, hat ein Etui für die Stricknadeln hier gelassen, das mit nächster Gelegenheit, auch wenn Sie wollen, mit der Post, überkommen soll. Ihrer Frau Gemahlin unsre herzlichste Empfehlung. Den Larcher vergessen Sie doch nicht? Hätten Sie wohl Dorvills vannus critica? Zum Heph. brauchte ich sie wohl. Adieu, liebster Freund! Ewig Ihr Humboldt. Das Hausexemplar?

67 klammre h D2  73  ὧτινι H  78  per lubitu. H, pro lubitu. D3

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297.  An Wolf in Halle

Burgörner, um 21. Dezember 1793

Begleitschreiben für einen Arzneiboten.

Der mit Ihnen neulich gegangene Bote hat Meckeln nicht gefunden, u. Meckel hat auch mit der Post nicht geantwortet. Darum u. weil meine arme Frau, die Sie beide herzlich grüßt, wieder Fluß hat, kommt dieser Bote. Sonst ist nichts. Adieu. Einen langen Brief [an] S[ie] h[a]b[e] i[c]h gestern zur Post geschickt. I[hr H.]

298.  An Wolf in Halle

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Burgörner, 30. Dezember 1793

Dank für gemeinsame Tage in Halle; Ergebnis einer Stellensuche bei Eustathios; Bitte um Bücherzusendung.

30. X�r. 93. Nur mit zwei Worten lassen Sie mich Ihnen, liebster Freund, für die glücklichen Tage danken, die Sie mir in Halle geschenkt haben, und Ihnen von meiner Frau Be­ finden u. meiner Ankunft Nachricht geben. Ich kam so eben am Abend recht glück­ lich und wohl, in vielen schönen Erinnerungen, die mich auf dem Wege freundlich begleitet hatten, hier an. Meine Frau fand ich diesen Tag recht wohl. Indeß hatte sie doch während meiner Abwesenheit ein Paarmal Krampf gehabt, vorzüglich Don­ nerstag. Jetzt ist es besser. Von wissenschaftlichen Dingen heute nur zwei Kleinig­ keiten. Sie trugen mir auf eine Stelle, die Eust[hatius] citirt in den Ol[ympicis] zu suchen. Es sollte das Participium statt des verbi stehen. Ich habe gestern Abend die ganzen Ol. durchgelesen, aber es giebt keine solche Stelle, obgleich manche, wo die Constr[uction] des Participii, weil das verbum entfernter ist, Schwierigkeiten machen kann. Ich wünschte aber das Citat zu besitzen. Es ist möglich, daß eine Va­ riante od. wenigstens Eust. Meinung über eine schwierige Stelle dadurch klar wird, was sich bei einem aufmerksameren Lesen vielleicht findet. Einen Hexameter, der ˘ τε˘˘ ὸν anfängt, giebt es wirklich im Heph[aistion] aber nicht von Homer sich mit ἀλλὰ sondern der Praxilla.



3  kommt, dieser H D || 4 glüklich h  15 aufmerksamen D1

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21. Dezember 1793 – 1. Januar 1794

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Die Vannus habe ich doch vergessen. Wollten Sie mir sie u. den folgenden Theil des Larcher schicken, so wäre es mir herzlich lieb. Denn die Melpomene wird bald zu Ende gehen. Da ich hier außer den Briefen, die ich in Halle nicht schrieb, noch mehrere andre zu schreiben habe, die heute fort müssen, so muß ich hier schließen. Empfehlen Sie uns Ihrer Frau Gemahlin, der ich noch meinen wärmsten Dank für alle gütige Freundschaft wiederhole. Ihre lieben Kinder umarmen Sie von mir.    Ihr Humboldt. Die Schuh haben sich gefunden.

299.  An Wolf in Halle

Burgörner, 1. Januar 1794

Kurzer Zwischenbericht anlässlich eines Botenganges nach Halle: Herodotstudien, gemeinsame Hesiod-Lektüre mit Karoline; Geschenk zweier Hunde für Wolfs Tochter; zur sachlichen Begründung einer These Alexanders über die antike Weberei.

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Da meine Frau, liebster Freund, eben Medicin aus Hettstädt erhält, die so schlecht ist, daß Gott weiß! welche Kräuter darin gemischt seyn mögen; so entschließen wir uns kurz einen Boten nach Halle zu schicken. Diese Schnelligkeit ist schuld, daß ich, da ich gerade nichts für Sie vorräthig habe, nur die Viertelstunde, bis der Bote kommt, mit Ihnen verplau­ dern will. Ich bin sehr fleißig in diesen Tagen gewesen, und gar vorzüglich mit Herodot. Das Geographische Stück im IV. Buch stört mich sehr durch allerhand Nachsuchungen und Vergleichungen. Sie wissen, ich übergehe nicht gern etwas. Larcher verweist oft auf seinen geographischen Index im – letzten Theil. Den entbehren Sie aber wohl nicht gern? Meine Frau, die von ihrer Krankheit, nicht aber ihrer Kränklichkeit geheilt ist, hat den Schild geendigt und wird zum Prometheus übergehen. Sie grüßt Sie und die Ihrigen herzlich. Zu­ gleich bringt Ihnen der Bote lebende und leblose Dinge. Meine Frau schickt nemlich die 2 Hunde, die sie Hannchen versprach. Sie essen und trinken vollkommen allein, und für den übrigen Theil der Erziehung werden Sie wohl sorgen. Drei Kinder und zwei Hunde machen leicht das Haus etwas unruhig. Sollten Sie dadurch über kurz oder lang veranlaßt werden, die Thierchen wieder abzuschaffen, so bitte ich Sie doch, ihnen einen guten Herrn zu ge­ ben. Sie stammen von guter Art ab, und wenn sie einschlagen, werden sie sehr schön. Ich gebe zugleich die Wildschuhe mit. Auch erfolgen die Strickhöschen. Sollte ich Ihnen nie gesagt haben, daß mein Bruder vor Jahren mit einer Abhandlung über die Webereien der Alten schwanger ging? Jetzt hielt ich die Idee für längst vergessen.

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Brief 299–300

Aber neulich schreibt er mir, daß er an die Ausführung geht, und bittet mich, ihm eine oder die andre Stelle anzuzeigen, und zuletzt das Ganze durchzusehen. Sagen Sie mir doch recht offenherzig ob Sie glauben, daß da Etwas Neues zu sagen ist. Die Hauptidee meines Bruders vor Zeiten war das Aufrechtstehen der Stühle. Aber das scheint mir sehr bekannt. Doch bin ich gar nicht weder in moderner noch antiker Weberei bekannt. Mir aber, ge­ stehe ich, arridirt (unter uns) die ganze Idee nicht. Erstlich ist bei solchen Untersuchungen der Gewinn nicht sonderlich. Dann hat mein Bruder kaum die lateinischen Hauptschrift­ steller je ordentlich und verweilend gelesen, geschweige die Griechen. Da ist es denn so ein incidi in locum et cet. (wie Mitscherlich neulich)[.] Ich könnte so nicht arbeiten, ob­ gleich ich freilich auch nie etwas zu Stande bringen werde, bei meiner ὑπερReitzischen Methode; aber ich dächte immer, daß ich in den besten locus nicht incidirte. Da ich in diesen Tagen meinem Bruder antworte, wüßte ich gern recht bald Ihre discretest zu brau­ chende Meynung. Viel Empfehlungen an die Ihrigen. Ihr Humboldt. 1. Januar. Ein glückliches neues Jahr Ihnen und den Homeriden. Viel Materialien müssen ja wohl Hesychius, Pollux, das Etymologicum cet. enthalten. Doch wird die mein Bruder wohl schon in Göttingen durchsucht haben. Denn wissen thut er übrigens Griechisch recht brav, und lateinisch mehr als das.

300.  An Wolf in Halle

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Burgörner, 10./11. Januar 1794

Metrikstudien: Putschens Sammlung lateinischer Grammatiker; Fragen zu einzelnen Stellen und zu einer Stelle in Bentleys Horaz. Übersendung eines offenbar wenig begeisterten Briefs Heynes über Humboldts Pindar-Übersetzungen.

11. Jan. 93 . Ich sitze, im Putschius vertieft, lieber Freund, und bin mit mehr als ¾ bereits fer­ tig. Lieblich ist die Lektüre nicht, vorzüglich, wenn man auf Menschen, wie z. E. der Beda ist, stößt, der nichts als christliche Beispiele anführt, und mehrmals versichert, der Hiob sey im Original in Hexametern geschrieben. Im Ganzen ist ein himmel­ weiter Unterschied zwischen diesen lat. Grammatikern und Hephästion. Die grie­ chische Genauigkeit, den Scharfsinn, die Präcision vermißt man schlechterdings. Zwar zeichnen sich einige vortheilhaft aus, vorzüglich Marius Victorinus, bei dem ich jetzt bin. Keine kleine Schwierigkeit ist es für mich, daß nicht das Mindeste von

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den Zeitumständen dieser Grammatiker angemerkt ist, und auch meine anderwei­ tige Bibliothek mir hierüber keinen Aufschluß giebt. Oft wäre es mir zur kritischen Prüfung der Richtigkeit der aufgestellten Sätze sehr nothwendig. Ueberhaupt ist die Ausbeute in Ansehung der größern Bestimmtheit und Sicherheit der metrischen Ge­ setze nicht groß. Die meisten dieser Grammatiker, selbst die größern z. B. Diome­ des, theilen die Füße fast willkührlich ab. So scandiren sie Maecenas atauis edite regibus   – –| –     ˘˘ – | – ˘˘ –|˘ – da doch wohl nirgends in einem Choriambico ein einzelner Spondeus stehn kann, und der Vers ein Antispasticum  – – – | – – | – –  mit Jambischem Ausgang ist, ˘˘ ˘˘ ˘ dem Horaz nur alle sonst erlaubte Variationen genommen hat. Aber an neuen Vers­ gattungen und vorzüglich an Versnamen sind sie unglaublich reich, u. klären viel auf. Auf den Terentianus freue ich mich, habe ihn aber jetzt zurück gelassen, bis ich Ihre Edition erhalte. Indeß hier kann ich ihn nicht mehr anfangen, und meine Bitte um dieselbe ist also nur bedingt, wenn Sie ihn mir mitzunehmen erlauben. Den Bentley de metr[is] Terent[ianis] lese ich mit den Stücken de versibus comicis im Putschius zugleich. Ορνιϑι Οδυσσευς ist freilich absurd und leicht abzuändern. Aber es giebt doch andre Verse, über die ich Ihr Urtheil wünschte. Zwei citirt Hephästion p. 9. aus Sota­ des in seiner Iliade



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˘˘ ˘|  –˘–   ˘  |–  ˘ ˘ So frei auch das Sotadeum ist, dieser Fuß – – kann nicht stehn. Dann Corinna ˘˘˘ η διανεκως ευδεις ου μαν παρος ησϑα κοριννα   – –   

|–  – 

˘˘

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σειων μελιην πηλιαδα δεξιον κατ᾿ωμον

–  | –    – |  –    – |   –     | –     |–   ˘ ˘˘ ˘˘ ˘ ˘ ˘ Endlich Pindar. Nem. XI . 51.



δενδρεα τ᾿ουκ εϑελει πασαις ἕτεων περιο δοις   –    

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–  |  

˘˘

wo es mit dem Emendiren der virorum doctorum nicht fort will. Sie sagten mir neulich, ich möchte doch über die Art, wie Bentley Hor. III . 12. constituirt nachdenken. Ich habe jetzt alles genau verglichen, und glaube, daß er im Ganzen vollkommen Recht hat. Darin hat er freilich Unrecht, daß Hephaestion wohl 10 solche Ionischen Syzygien könnte in Eine Zeile gesetzt haben. Denn p. 43. 44. heißt es ausdrücklich: δύναται δὲ καὶ μέχρι τοῦ ἑξαμέτρου προκόπτειν τὸ μέτρον. διὰ τὸ τριακοντάσημον μὴ ὑπερβάλλειν. Er gestattet also nur 30 Zeiten da dieses Io­ nicum 60 haben würde. Aber sonst ist es richtig, daß Hephaestion es in Stücke von 10 Ionischen Syzygien abtheilt, wenn er gleich nicht sagt, daß man sie auch überall 32 Sotadium D1 

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Brief 300–301

absetzen soll. Mich aber hat die Stelle sonderbar genekt, da ich wirklich in einem der Lateiner Syzygia von ganzen Versen gebraucht fand, und Heph. gleich, nach der von Bentley angeführten Stelle hinzusetzt διόπερ καὶ τὰ μονοστροφικὰ ᾄσματα, δέκα ὄντα συζυγιῶν, οὕτω πεποιῆσϑαι νομίζομεν, und die Ode gerade 10 Zeilen hat, ich sie also für ein solches ᾄσμα hielt. – Doch ist dieß grundfalsch, und ich schäme mich meiner Temeritaet. Wahr aber ists da[ß] ein ᾄσμα μονοστροφικὸν von 40 Silben nun sehr auffallend ist. Ueber die Bentleysche Emendation des Alcaeischen Verses

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ἐμὲ δειλᾶν ἐμὲ πασᾶν κακοτάτων πόδ᾿ἔχοισαν

in πεδέχοισαν ist mir bei dem Aeschylischen (Prom[etheus] 263.) πημάτων ἔξω πόδα ἔχει ein Zweifel aufgestoßen. Wer weiß, was in den folgenden Versen stand? ob­ gleich der ganze Vers sehr unglücklich klingt. Verzeihen Sie, theurer Freund, daß dieser Brief lauter, und noch dazu nicht be­ deutende Metrica enthält[.] Aber da meine Abreise nicht fern ist (25–30. huj.) muß ich Ihre Bücher benutzen, und es ist so angenehm von dem zu schreiben, was einen zunächst umgiebt, versteht sich an theilnehmende Freunde. Noch eine Frage. Bei Gelegenheit der Regel daß s in metris oft nicht als Consonans behandelt werde, und auch mit einem andern Consonans die vorhergehende Silbe nicht lang mache, citirt Diomedes. p. 424. folgenden angeblich Homerischen Vers:

η μεν δη μαλα πολλας μαχας εις ηλυϑον ανδρων

–    –  |  –    |   –     |  –   –  |–  |–       – ˘˘ ˘  ˘ ˘˘ Wo steht denn wohl der? und wie ists damit. fin[is] in πολλας hat ja ein langes α als acc. 1. decl. Steht vielleicht in bessern Ausgaben, als Diomedes haben mochte πολλα aduerbialiter? Die Becksche Ankündigung und Recension des nicht Vorhandenen ist lustig ge­ nug, und ich hätte dem troknen Menschen sie nicht angesehen. Aufrichtig zu ge­ stehen, wußte ich gar nicht, daß er eine Zeitung schreibt, und so fiel es mir nicht ein, mir die Anzeige zu verbitten. Da er, wie es scheint, in das Innre der Ode nicht eingegangen ist, und ihre Fehler nicht aufgedeckt hat, mag es drum seyn. Denn nur dieß besorgte ich bei diesem übereilt gedruckten Stück. Stellen Sie Sich vor, ich habe einen Brief von Heyne erhalten, den ich Ihnen doch als ein curiosum beylege, mir aber zurückerbitte, um ihn zu beantworten. Unstreitig ist er mit meinem ganzen Pindarwesen unzufrieden. Das sieht man der kurzen Ab­ fertigung und den großen Lobsprüchen der Erwartungen an. Wenn der Tod ihn nur nicht hinwegreißt, ehe meine Früchte reifen! Meine Frau ist leidlich wohl, wirklich besser, als noch die ganze Zeit unsres Hier­ seyns von der Periode an, wo die Kränklichkeit anfieng – um mich vorsichtig auszu­ drücken. Ganz vollkommen gesund aber – läßt sich schwerlich vor der Niederkunft 49, 51, 52  ἀσμα(τα) H  52  ists das ein H  62, 63 Consonant D1 

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erwarten. Meckel war hier, und hat uns einen unterhaltenden Abend gemacht. Auch sonst viel störender Besuch. Ueberhaupt hatten Sie sehr Recht in allem, was Sie von den Störungen meines Studirens sagten. Mein Streiten selbst bewies ein heimliches Anerkennen. Darum lache ich oft selbst über die Werke, von denen Sie mir die Titel mit Didotschen Lettern drucken lassen. Indeß bin ich so fleißig, als ich kann, und ich wenigstens erweitere doch meine Kenntnisse. Lassen Sie mich immer hierin egois­ tisch seyn, worin so viele andre so aufdringend werden. Die 8 Fr. d’or lege ich Ihnen mit tausend herzlichem Danke bei. Meiner Frau geht es ganz gut im Prometheus. Sie empfiehlt sich mit mir Ihrer Frau Gemahlin und Ihnen auf das freundschaftlichste. Leben Sie recht wohl! Ewig ganz der            Ihri[ge,] Humboldt.

301.  An Wolf in Halle

Burgörner, 16./17. Januar 1794

Begleitbrief zur Botenzustellung ausgeborgter Bücher. Hoffen auf unvermindert lebhafte Korrespondenz auch nach der Übersiedlung nach Jena. Metrica: Bent­ ley; Frage nach den allen metrischen Regeln zugrundeliegenden Grundsätzen des Rhythmus; detaillierte Belege zu dieser Fragestellung; aus der weiteren Frage nach dem Ursprung des Gefühls für Rhythmus überhaupt Entwurf von dessen Entwicklungsstufen. Ilgen über Homer.

BOerner, 16. Jan. 94.

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Sie fordern mich noch zu vielen Briefen von BurgOerner auf, liebster Freund, und Ihr eigner ausführlicher Brief, der mir wieder so manches erläutert hat, ist ein so lieber Reitz dazu. Indeß wird meine Zeit hier in BurgOerner immer kürzer, und wenn gleich eine Menge recht wesentlicher Dinge mich einen andren Aufenthalt, als in diesem Ascra, wünschen lassen; so betrübt mich doch die Entfernung von Halle sehr. Denn wenn wir uns auch sehr wenig sahen, so war doch immer die Möglich­ keit leichter, und auf einem so kurzen Weg ist auch der Briefwechsel lebhafter. Vor­ züglich scheint mir eine größere Entfernung auf Sie, mein Liebster, einen mächtige­ ren Einfluß auszuüben. Und Sie haben Recht. Man wird unlustig, wenn Brief und Antwort nicht Schlag auf Schlag einander folgen. Indeß soll es an mir gewiß nicht 94  Leben Sie wohl! D1 || 5  andern Aufenthalt, h D1-2 

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Brief 301

liegen, und soviel weiter ist ja Jena nicht. Lassen Sie also ja meine Besorgniß, dort seltner, als hier Briefe von Ihnen zu empfangen, vergeblich seyn. Unsre Abreise ist übrigens jetzt auf den 25st. huj. angesetzt, und nur Wetter, das die Wege sehr ver­ schlimmert od: – was die Götter geben möchten! – wenn Sie uns gerade um diese Tage einen Besuch sicher versprächen, kann uns bewegen, sie um einige Tage aufzu­ schieben. Daß wir nicht noch zu Ihnen nach Halle kommen, müssen Sie uns schon verzeihen. Aber allein mag ich meine Frau nicht gern noch einmal lassen, da es hier warlich nichts Kleines ist; und zusammen ist es in der That kaum nur möglich. Ich will nicht einmal eine Wäsche, und vieles Andre, das noch zu besorgen ist, anführen. Aber wenn meine Frau jetzt gleich ist, was man so gesund nennt, so muß sie sich erstaunlich vor aller Erkältung, beinah vor allem aus dem ganz gewöhnlichen Gleise Kommen hüten. Und ein Recidiv wäre jetzt, da wir fort wollen, doch doppelt fatal. Aber könnten Sie nicht noch ein Paar Tage dem Homer entziehen? Sie sollten, was Sie an Zeit verlieren, an Stimmung und Lust mehr als ersetzt erhalten. Nennen Sie das nicht stolz von mir gesprochen. Es ist nur das Vertrauen auf Ihre gütige Liebe, die es mich so zuversichtlich verheißen läßt. Fürchten Sie auch einen unlustigen Pos­ tillon, so sagen Sie es mir nur durch diesen Boten, und ich schicke Ihnen Pferde von hier, und meinen gewiß völlig bequemen Wagen. Mit Ihren Büchern, liebster Freund, bin ich jetzt gänzlich fertig und Sie erhalten hier 1., 2., Larcher. T. III. (wir haben die Terpsichore angefangen) VII. 3., Centim. 4., Heerkens Icones. 5., Putschius. 6., Vannus. 7., de verb. med. 8., Ilgen. 9., Bentleys Terenz. 10., Hephaest. so daß ich jetzt nichts mehr, als Ihre Tusculanen von Ihnen habe, die ich mitnehme. Gern hätte ich freilich noch den Terentianus Maurus und Larcher IV. da ich noch nicht weiß, ob ich den meinigen schon finden werde. Doch wie Sie können. Die Metriker habe ich alle gehörig excerpirt und bin doch sehr mit dem Studium zufrieden. Ganz vorzüglich aber hat mir Bentley Freude gemacht. Die Sachen sind bei ihm so gewiß, die Bemerkungen so fein, und die Darstellung so klar und leicht. Vorzüglich fein und schön ist, was er über Arsis und Thesis, und über das Zusam­ mentreffen, oder den Streit der Accentuation mit dem Versbau sagt, wenn gleich dieß letztere nur auf die Lateiner anwendbar ist. Wenn man auch mit allem Einzel­ nen in der Metrik ganz fertig wäre, so bleiben mir immer noch zwei Dinge dunkel, und ich wünschte wohl von Ihnen zu hören, ob ich mich irrte, wenn ich eben diese Dinge auch noch überhaupt unausgemacht halte. Sehr aber befürchte ich, mein Irr­ thum besteht vielmehr darin, daß ich sie nicht geradezu für unausmachbar erkläre. Nemlich die Untersuchung über das, was eigentlich allen metrischen Regeln zum Grunde liegt, und daher die völlige Auseinandersetzung des Rhythmus und seiner 31  3., Antim. D1

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bei weitem minder bestimmten und auch minder bestimmbaren Gesetze. Denn in der Metrik mußte es natürlich umgekehrt, als in andern Dingen gehen, man mußte bei strengen (wenn gleich wenigen) Gesetzen anfangen, und bei laxeren (und meh­ reren) aufhören. Denn nur auf das geübte Ohr konnte man sich verlassen, und nur von dem geübten Ohre konnte man verstanden zu werden hoffen, wenn man lange rhythmische Perioden in weiten Schranken der Freiheit wagte. Wenn ich oben von Rhythmus sprach, so meynte ich nicht eigentlich, was die Grammatiker darunter verstehen, nemlich die freiere, nur musikalisch geordnete Periode im Gegensatz des gewissen Regeln unterworfenen metrums (in welchem Sinn sie z. B. den Päonischen Vers, wohin auch das Galliambicum und die ἀνακλώμενα gehören, da sie nicht ge­ wisse Füße, sondern nur eine gleiche Summe von Zeiten im ganzen Vers, in Catulls Galliambicum z. B. von 21. od: 22. erfordern, für kein metrum anerkennen, sondern es einen rhythmum nennen) welche nothwendig später entstehen mußte, sondern das, was umgekehrt früher da war, und den Grund von beiden enthält. Was mir dunkel ist, enthält folglich eigentlich eine doppelte Frage: 1., was liegt allen metri­ schen Gesetzen zum Grunde, und woraus lassen sie sich wenn nicht alle, doch größ­ tentheils entwickeln? Ich werde mich bei einzelnen Beispielen deutlicher machen können. Warum erlaubt z. B. der Senarius mehr Freiheit in den anfangenden, der Trochaeische in den schließenden Füßen der Dipodia? Unter allen Metrikern, die ich jetzt verglichen habe, sucht nur Ein Einziger in Einer Stelle hievon einen Grund anzugeben. Causa sagt Asmonius beim Priscianus de versibus comicis. p. 1322. ob-

scura multis est, sed aperiatur a nobis. Nam quoniam ter feritur hic versus, necesse est, vbicunque ab ictu percussionis vacat, moram temporis adiecti non reformidet. In 1 autem pede, & 3 incipit et in 5; feritur in 2 & 4 & 6. Diese Stelle ist mir sehr merkwürdig, aber nicht deutlich gewesen. Der Senarius würde also nur dreimal geschlagen, der Ton nur dreimal vorzüglich gehoben. So wäre also das scandiren per dipodiam u. monopodiam viel wichtiger in der recitation, als man gewöhnlich annimmt. Und zwar geschähe dieß im Jamb. V[ers] in den gleichen, und, so muß man weiter schlie­ ßen, in dem Troch. V. in den ungleichen Stellen. Warum? Weil überhaupt im Jam­ bus die zweite, im Trochäus die erste Silbe die Hebung hat? jener zum Ende eilt, dieser beim Anfang verweilt? Allein Bentley widerspricht dem Asmonius (ohne ihn, noch auch einen andern zu citiren) geradezu. Verum quia, heißt es p. 2. in paribus locis 2, 4, 6 minus plerumque (also nicht immer? wann denn?) eleuantur et feriuntur, quam in imparibus 1, 3, 5 idcirco eos (scil. accentus) more Graecorum hic placuit omittere. Hielte mich Bentleys Autorität nicht auf, so würde ich dem Asmonius folgen und den Grund so bestimmen. Da im Jambus die letzte Silbe die Hebung hat, so ist die Aufmerksamkeit vorzüglich auf das Ende jedes Abschnitts gerichtet, und da 54  vom Rhythmus h D1  57  welchem Sinne h D1  68 hiervon h D1 

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Brief 301

der Jamb. Vers in 3 getheilt wird auf die Füße, welche jeden dieser schließen. Für den Troch. V. gälte dieß umgekehrt. Allein in diesem Grund liegt nichts Allgemeines. Wie bei andren Füßen? Ich habe daher auch schon auf mehr musikalische Gründe, allenfalls aus der Natur der Hebung gedacht. Z. E. Im reinen Jambus ist die Hebung erst auf der letz[t]en Silbe, folglich die Thesis erst auf der 1st Silbe des folgenden Jamben, und die erste Silbe des ersten ist gleichsam ein Vorschlag, so daß der Jam­ bus immer überschreitet ars. thes[.] ars. – – cet[.] ˘ ˘ Componirt muß auch allemal im ¾ Takt die erste Silbe vorschlagen, und die zweite im Auftakt erscheinen. Daraus nun ließe sich die Regel beweisen, daß der 2, 4, 6 Fuß von einer kurzen Silbe anfangen muß. Denn wäre dieß nicht, sondern wäre eine lange da, und stände doch ein Jambus im 1st Fuß (welches doch immer möglich seyn muß) so könnte auf die arsis in der 2t Silbe des 1st Jamben keine thesis folgen, ars. ars. sondern die lange Anfangssilbe des 2t Fußes erforderte wieder eine ars. – . – – ˘ ˘ Auch paßte dieser Beweis auf den Troch. V. Denn wenn gleich ars. u. thes. des ersten Fußes den Jambus im 2t nicht hinderten, so würde doch ein Jambus im 2t Fuß, einen Trochaeus im 3t unmöglich machen ars.  thes[.]   ars.  ars. – – – ˘ ˘ ˘ Aber ein spondeus könnte dann doch im 1. sede stehen. Also, wie immer der Pavo sagt, apage, apage, nugae, nugae. Auch will ich ja nur Schwierigkeiten anzeigen. Dergl. u. derbe sind noch folgende: warum wird bei den Paeonischen u. noch eini­ gen Versen so auf das Ersetzen der Zeiten gesehen, daß auf einen Paeon, statt eines 6– 1 6 +1 ? Ionicus, nothwendig ein Epitrit statt eines Ditrochaeen folgen muß – – –– 7˘ ˘˘6 ˘ vor? beim Jamb. u. Troch. hingegen gar nicht? Wie oft kommt da – – –– – ˘ ˘˘ Endlich: Warum giebt es Bacchische Verse, und warum soll der Palimbacchius, nach dem einstimmigen Zeugniß aller Grammatiker, nur für die Prosa taugen? Aber ich eile (und mit Recht, werden Sie sagen) zur zweiten Frage 2., Worin bestand ei­ gentlich das, was die Griechen im strengen Verstande Rhythmus nannten? wie ent­ sprang nach und nach das Gefühl dafür? und nicht welchen Gesetzen (denn hier ist Freiheit) aber welchen Grundsätzen folgte es? Hier ist die Schwierigkeit nicht klein, man hat es bloß mit Dithyramben (die nicht mehr existiren) und Reden, die man liest und nicht hört, zu thun. Aber das Interesse dieser Frage ist auch so groß,

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88  andern Füßen? h D1-2  90  folgenden Jambus, D1  99  Jambus keine h D1  102  doch, ein h D1 109 Ditrochaeus h D1

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groß selbst für unsre Prosa. Dieser Frage denke ich doch in der That wenigstens bis zu der Unwissenheit, die sich mit deutlichen Gründen rechtfertigen läßt, nachzu­ gehn. Denn diese Feinheit des Sinnes ist tief in dem Griechischen Charakter ver­ webt, und hat wieder mächtigen Einfluß darauf. Und wie heterogen von uns. Daß man meist mit Paeonen schließen muß, daß ein Redner sich von der Flöte begleiten läßt, klingt uns Fabel. Wer Ihrer Studenten weiß, mit welchem Fuß Sie schließen? Eine sehr hübsche Stelle des Cicero finde ich hierüber am Ende im Putschius p. 2718.

Etenim, sicut Theophrastus suspicatur, post anapaestos procerior quidem numerus effloruit, inde ille licentior et diuitior fluxit Dithyrambus, cuius membra et pedes, vt ait idem, sunt in omni locupleti oratione diffusa. Hiernach könnte man recht hübsche 130

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Perioden in einer Geschichte des griechischen Rhythmus machen. 1., Bloß Poesie, Verse in bestimmten Füßen. Hexam. Trim. Jamb. die ältesten. 2., Neben der Poesie zugleich Prosa, die sich aber um keinen numerus, als den zufälligen, bekümmert, aber noch nicht selten dem Hexam. nachhallt. So glaube ich im Herodot nicht sel­ ten Stücke Hexameter zu finden. Daneben größere Varietät der Silbenmaaße, aber immer allein in einer Verbindung[,] der Quantität und Qualität nach[,] bestimmter Füße in Einer Zeile. 3., Anapästische Stücke, wo mehrere Zeilen Anapästen durch einen schließenden Paroemiacus zu Einem Ganzen verbunden werden. In der That ist dieß eine neue Gattung, verschieden vom Silbenmaaß in einzelnen Versen, und vom Silbenmaaß in der Strophe, da es nicht wiederkehrt, und dadurch dem Ohre hilft. Indeß ist diese anapästische musikalische Periode da derselbe Fuß immer mit weniger Verschiedenheit wiederkehrt, sehr leicht. 4., Schwerere u. längere musikali­ sche Perioden mit mehr wechselnden Füßen in den Dithyramben, und durch diese od: mit diesen 5., die rhythmische Prosa, als die reifste Frucht des gleich gebildeten Geschmacks und Verstandes. Aber wohin gerathe ich? Verz[ei]hen Sie, liebster Freund, ich bin bei Dithyram­ ben. Das sehen Sie[.] Aber diese Dinge sind mir jetzt beständig durch den Kopf gelaufen, u. ich wollte Ihnen doch so das schreiben, was die Grammatiker Lektüre auch an Ideen in mir rege gemacht hatte. Glauben Sie ja nicht, daß ich Antwort auf das détail dieses Briefs verlange. Aber so im Ganzen, ob die Untersuchung Ihnen wichtig, möglich scheint, ob mein Gang richtig, mein Kopf nicht schon eingenom­ men? Was ich noch lesen muß? Vorgenommen hab ich mir (wenn auch nicht vna serie, doch ehe ich etwas zu entscheiden wage) Dionysius Hal.[,] die Musiker (inso­ fern sie den Rhythmus betreffen, ganz genau, das Uebrige raptim), Aristot. Rhet. u. Poet. Ciceros orat. Bücher u. von Quinctilian wieviel? kann ich selbst noch nicht sa­ gen, da ich ihn nur wenig kenne. Damit od: darnach einige der sonorsten Reden im 120 nachzugehen. D2  126 anapaestus D1  132  den Hexam. h D1  134  bestimmten Füßen h D1 144 Verzeihn h D1  148 Briefes D1-2  154 danach D2

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Brief 301–302

Dem[osthenes] u. Cic[ero,] die Sie mir wohl nennen. Noch hätte ich Eine Bitte: R. Bentley soll, (so citirt die Vannus crit. p. 470.) in Epistola ad Milium p. 26. richtig bestimmen, wann der Anapästische Vers, anders als mit einem wahren Anapaesten schließen darf? Es sind gewiß nur wenig Worte, auch wissen Sie v[iellei]cht selbst die wahren Regeln auswendig. Gelegentlich hätte ich diese Regeln, od: jene Stelle gern. Was ist denn das für eine Epistola? Ilgen über Homer ist freilich ordentlich sonderbar. Ich kann den Vers Τρωων | αυτους | δε ˘ ἑ|λωρια nicht scandiren. Ueber die Idee mag ich nichts sagen. Aber die εἰρεσιώνη hat mir Freude gemacht. Es ist doch viel Belesenheit darin, wenn gleich mir keine einzige palmerische Emendation aufgestoßen ist, auch unbestimmte Grundsätze über die metra. Der Vers, den er fast selbst hinzumacht πορσαι|νων τγουγ’ | Απολ|λωνα α|γυιεα | δεινον ist doch der hinkendste, den ich lange gehört. Ueber ἐπ᾿ ηλεκτρῳ βεβαυια sind Sie wohl auch nicht seiner Meynung? Wo steht επιβαινειν so. Aber viel Weberstellen habe ich gefunden, u. excerpirt. Und nun genug mit dem 3. Bogen, liebster Freund. Wie gern sähen wir Sie noch einmal! Meine Frau grüßt Sie herzlich u. die Ihrigen. Adieu!  Ihr  Humboldt. Die Hunde, wenn die race ächt ist, sind Windspiele vom Stamm der in Sanssouci begrabnen, wie unsre. – Wenn Sie Meckeln sehn, sagen Sie ihm doch, meine Frau wäre viel besser, als neulich, als er hier gewesen, u. würde ihm, vor unsrer Abreise, noch einmal selbst schreiben. Wenigstens noch Einen Brief erhalten Sie gewiß von mir von hier aus. Ich lege einen Brief von Schneider bei, den ich mir zurück erbitte. Er ist sehr höf­ lich, wofür ich Ihnen danke. Seine emend[ationen] scheinen mir gewagt. Soll ich um seine Randglossen bitten? Die Ode miserarum cet. theilen die lat. Grammat. in Strophen von 3 Versen 1ste 3 Ionici 2te 3 – 3te 4 – obgleich ex – anim. getheilt wird. Marius Victorinus. p. 2567. 2568. u. 2618. Plotius. p. 2660. Fortunatianus. p. 2704. Hephaest. citirt von Alcaeus nur Einen Vers von 4 Ionicis. Hat nun Bentley Recht od: muß er den Lat. folgen?

166  er sonst selbst h  171  den 3 Bogen, D1  174 begrabenen, h D1-2  175  neulich, während er D1

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302.  An Körner in Dresden

Burgörner, 17./18. Januar 1794

Skepsis zur Möglichkeit einer objektiven Bestimmung des Schönen: Berufung auf Subjektivität des Geschmacksurteils; kritisch zu Körners Objektbegriff; Darlegung des eigenen Schönheitsbegriffs als Zwischenbereich zwischen Vorstellung und Empfindung.

Burg Oerner, 18. Jan. 94.

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Nicht Sie, liebster Freund, bedürfen einer Entschuldigung, wohl aber ich. Wie Sie Ihre Arbeiten von selbst rechtfertigen; so klagt mich meine Muße an. Indeß bin ich dießmal doch unschuldig. Ich verreiste, wenige Tage nach Empfang Ihres Briefes, nach Halle, wo ich mit Wolf vielerlei, das meine philologischen Beschäftigungen betraf, abzumachen hatte, und dieß, verbunden mit andern zufälligen Umständen, verspätete meine Antwort, so daß Sie nicht von diesemmale auf andre schließen dürfen. Ihr inhaltvoller Brief hat mein Nachdenken lang und anhaltend beschäftigt. Ich habe dazu unsre Gespräche in Dresden zurückgerufen, und Ihre Meynung so vollständig und klar, als möglich zu fassen gesucht. Daß es mir ganz gelungen ist, kann ich nicht sagen, wo­ ran vielleicht einestheils Kürze des Ausdrucks in Ihrem Briefe, anderntheils meine bisherige, von der Ihrigen freilich sehr abweichende Vorstellungsart Schuld ist. In der Hauptsache hoffe ich indeß doch nicht zu irren. Ihr Bestreben, die Schönheit völlig objektiv zu bestim­ men, die Eigenschaften zu entwickeln, durch welche der schöne Gegenstand gleichsam aus der Reihe aller übrigen Dinge hervorspringt, und dadurch der Schönheit eine Unab­ hängigkeit zu sichern, auf welche sie bei keinem andren Systeme Anspruch machen kann, indem sie bei keinem andren so ganz dem schönen Gegenstande geeignet wird, ist mir immer überaus interessant gewesen. Es entspringt so offenbar aus einer noch höheren Achtung der Schönheit, und führt ebenso wieder auf dieselbe zurück, und die leblose Na­ tur sogar scheint sich – verfolgt man diese Idee – freier und selbstständiger dem Ideale zu nähern, dessen Aehnlichkeit ihr eigentlich den Stempel der Schönheit aufdrückt. So sehr mich aber Ihre Theorie von dieser Seite reizt, so vergeblich habe ich doch bisher gesucht, mich von ihr zu überzeugen. Lassen Sie mich Ihren Sätzen einzeln folgen. Das Erfahrungsurtheil, von dem Kant S. 145. redet, und das Geschmacksurtheil schei­ nen mir doch wesentlich verschieden. Bei dem ersteren ist schlechterdings kein Gefühl nothwendig und unausbleiblich im Spiele, es sind bloße Wahrnehmungen und nur unsre Vorstellungskraft ist thätig. Sobald ich aber Schönheit ausspreche scheint mir auch die Vorstellung des Wohlgefallens unzertrennlich. Wo dieß Wohlgefallen fehlt, kann ich auch keine Schönheit entdecken, und wenn man, bei der Uebereinstimmung eines Kunstwerks 1  18.] 15. D1  5 philosophischen D1  7  diesem male D1  11 abdrentheils D1  13 abjektiv D2  15  aus dem Reiche D1  16  bei keinem andern D1 (desgl. Z. 69, 71)

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Brief 302

mit allen bekannten Schönheitsregeln und mit dem Geschmack der Kenner, ein Kunstwerk dennoch ohne Lust ansieht, sagt man es ist schön, aber ich finde es nicht so, womit man genau genommen nichts weiter thut, als dem Urtheile andrer nachzusprechen. Auch ist der Fall doch wohl nicht gleich mit dem Gefühl der Moralität, des Rechts. Fände jemand auch bloß an der Unmoralität und der Ungerechtigkeit Wohlgefallen, er muß dennoch eingestehen, daß eine tugendhafte Handlung tugendhaft, und eine lasterhafte lasterhaft ist. Aber wie wollen Sie den geschmacklosen zwingen, das Schöne schön, das Häßliche häßlich zu nennen? Gewiß nie anders, als nur durch allmähliche Verbesserung seines Ge­ schmacks. So ist es also niemals hier, wie in jenen Fällen, möglich, daß das Gefühl ver­ stimmt seyn und der Verstand richtig urtheilen kann. Allein dieß scheint mir nicht genug. Aus dem Wesen der Schönheit selbst möchte ich es zu beweisen wagen, daß das Wohl­ gefallen am Schönen nie (auch in den schnellsten und geheimsten Operationen der Seele) Begriffen folgt, welches doch immer (sobald wir uns genau Rechenschaft geben wollen) nothwendig wäre, wenn es ganz in Begriffe auflösbar seyn sollte. Alles Eigenthümliche des Schönheitsgefühls entspringt aus der Verknüpfung der denkenden und empfinden­ den Kräfte, und dieß würde gänzlich verschwinden, sobald es eine bloße Würkung einer Operation unsres Vorstellungsvermögens auf unser Gefühl ist. Und müßte es nicht dazu werden, wenn die Schönheit ganz in objectiven Eigenschaften der Dinge besteht, und die Wahrnehmung dieser das Gefühl jener hervorbringt? Die Kategorie, sagen Sie ferner, welche auf die Anschauung angewendet wird, ist die der Qualität. Aber sollte wohl die der Quantität, da doch das Schöne Eins und ein Ganzes ist, die der Relation, da es von äußerm und innerm Zwange gleich frei seyn muß, dabei unthätig bleiben? Der Unterschied, den Sie zwischen Objecten machen, die geordnet, und solchen, die geschätzt seyn wollen, ist unstreitig sehr wichtig, und was Sie nachher vom Ideale sagen, vortreflich. Allein alles dieß, sollte ich meynen, könnte auch, wenn gleich nicht ganz bei der Kantischen Vorstellungsart, doch wenigstens bei der meinigen (von der ich gleich mehr sage) Statt finden. Ihre eigne Definition, daß die Objecte, wenn sie geschätzt werden, „aus zerstreut gegebenem Stoffe durch die Einbildungskraft zusammengesetzt werden“, scheint mir mehr Subjectives in den Begriff der Schönheit zu bringen, als Ihre Theorie sonst zu erlauben scheint. Allein hier, gestehe ich, fand ich gerade die Dunkelheit, deren ich oben erwähnte, und ich muß Sie also um gütige Nachsicht bitten, wenn ich auch im Vorigen Sie misverstand. Damit Sie doch aber ganz im Stande seyn mögen, meine Vor­ stellungsart nach der Ihrigen zu prüfen, so erlauben Sie mir über diese noch einige Worte. 30 Geschmacke D1  32  Urtheile anderer D1  42 genaue D1  45 Wirkung D1  46 unseres D1 47 objektiven D1  50  die Schönheit Eins D1  51  äußerem und innerem D1  fern seyn D1  53 Objekten D1 (desgl. Z. 57)  55  vortrefflich. Allein Alles dieß, D1  59 Subjektives D1  61 oben erwähnt, D1

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Bei allen Untersuchungen über Schönheit, stelle ich mir dieselbe gern als ein Mittel­ wesen zwischen den vorstellenden und thierisch empfindenen Kräften vor. Sollte diese Manier auch sonst nichts Vorzügliches haben; so empfiehlt sie sich doch durch die Frucht­ barkeit ihrer Folgen. Wende ich sie auch hier an, so ist das bloß sinnliche Gefühl auf der einen Seite ein solches, das weder aus Begriffen entspringt, noch sich auch (wenn wir nem­ lich alles Schöne absondern) auf Begriffe zurückbringen läßt; auf der andren Seite das moralische ein solches, welches sich nicht bloß auf Begriffe zurückführen läßt, sondern auch aus solchen entspringt. Mit dem einen, wie mit dem andren verwandt, wird also das Schönheitsgefühl zwar nicht aus Begriffen entspringen, aber dennoch eine Entwickelung in Begriffen erlauben, und hierin zweifle ich gerade an dem Kantischen System, das auch dieß nicht verstattet. Alles Schöne, dünkt mich nemlich, ist allein subjectiv, die Schönheit bloß in uns, und das Wesentliche derselben, eine moralische d. i. unsinnliche Idee sinnlich dargestellt. Diese Darstellung kann keine eigentlich abbildliche, und darf keine conven­ tionelle noch allegorische seyn. Sie kann also in nichts Anderem bestehen, als darin, das es gewisse Formen (im weitläuftigsten Sinne des Wortes) gebe, bei welchen in der Seele die Vorstellung jener unsinnlichen Idee, als hier sinnlich dargestellt, entstehe. Wie dieß zugehe? dieß eigentlich halte ich für das Unbegreifliche, das hinwegfallen würde, wenn die Schönheit sich als etwas ganz Objectives definiren ließe, dessen Verschwinden aber unmöglich ist. Indeß läßt sich dem Geheimniß auf eine doppelte Weise wenigstens nä­ her kommen, und dieß gerade so weit, als die Bedürfnisse der Aesthetik es nothwendig machen. Es läßt sich nemlich 1., ganz genau und völlig befriedigend entwickeln, welche unsinnliche Idee wir sinnlich dargestellt suchen? (Dieß muß die Hauptuntersuchung bei dem Definiren der Schönheit und die Quelle aller ästhetischen Gesetze seyn). 2., angeben, wie die sinnliche Form beschaffen seyn muß, um jene Idee hervorzurufen, allein dieß nur im Ganzen, mehr durch aufgestellte Ideale, als bestimmte Regeln, und nie anders als durch das Gefühl und für dasselbe, so daß, ohne dieses, die Regel nicht bloß unanwendbar, son­ dern (für dieß Subject nemlich) auch ungültig wird. (Hier finden nun die einzelnen ästheti­ schen Regeln ihren Platz.) Nehme ich daher alles zusammen, so ist mehr nur die Stimmung der Seele bestimmbar, welche das Schöne empfindet, als die Beschaffenheit des Gegen­ standes, welcher diese Empfindung hervorbringt, und wenn auch diese betrachtet wird, so geschieht es doch immer mehr nach der Art, wie sie uns schon selbst ästhetisch erscheint, als wie sie physisch ist. (So reden wir von freiem Schwung der Linien, leichten Wendungen u. s. w.) So habe ich mir meine Zweifel gegen diesen Theil des Kantischen Systems zu lösen versucht. Wie gern hörte ich hierüber recht bald Ihre Meynung, wie gern vorzüglich würde ich tiefer in Ihre Vorstellungsart, die mir, wenn ich sie mir gleich bis jetzt nicht eigen ma­ chen konnte, so interessant war, eingeweiht. – 67  das bloße D1  74 subjektiv, D1  81 Objektives D1  90 Subjekt D1  97  habe ich nun D1

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Brief 302–303

Ich verlasse, wenn das jetzt eingefallene Thauwetter mir nicht die Wege zu schlimm macht, Ende künftiger Woche das Land und gehe erst auf 14 Tage nach Erfurt, dann nach Jena, wo wir bis zum Sommer bleiben. Wie schön wäre es, wenn Sie Ihrem alten Projecte folgten, und im Frühjahr auch dorthin kämen! Meine Adresse ist für die nächsten 3 Wo­ chen: in Erfurt, bei dem Präsident v. Dacheröden, nachher in Jena, im Hause des HofCommissarius Voigt. Unsre Kleine ist sehr munter und läuft nun, schon mit weniger Hülfe, recht gut, was sie aber gewiß dem Korbe verdankt, der ihr sehr gute Dienste geleistet hat. Empfehlen Sie uns beide allen den Ihrigen. Meine Frau sagt Ihnen viel Freundschaftliches. Leben Sie wohl! Humboldt.

303.  An Wolf in Halle

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Burgörner, 19./21. Januar 1794

Metrica: zu Wolfs Bemerkungen; widersprüchliche Aussagen de Pauws und Hephaistions. Zur Lage von Mauer und Graben in Ilias VIII. Das Problem der Skansion der Endsilben.

BOerner, 21. Jan. 94. Herzlichen Dank, liebster Freund, für Ihren lieben Brief, der mir, abgerechnet, daß Sie ihn in einer trüben Stunde geschrieben zu haben schienen, herzliche Freude gemacht hat. Wohl sind Collationiren und Thauwetter zwei Dinge, die einem die Stimmung sehr verderben können, aber erwehren Sie Sich dennoch dieser schlim­ men Einflüsse. Freilich ist es hier leichter Rath zu geben, als zu befolgen, um so mehr, da ich Ihnen in Halle kaum einen Menschen anzugeben weiß, dessen Gesell­ schaft Sie mehr als zerstreuen könnte. Warum leben wir nicht in Einer Stadt, liebster Freund? Dann wollte ich suchen, Ihnen solche Stunden zu verplaudern, und wenn es mir gelänge, so wäre der Gewinnst doppelt für uns beide. Sie wünschen noch die Blätter beantwortet, die Sie Ihrem vorletzten Briefe beigelegt hatten, und ich hatte es mir auch so auf alle Fälle schon vorgenommen. Da es nicht viel ist, was ich darauf zu sagen habe, da alles mir sehr deutlich, und mehr als das, befriedigend war, so will ich es diesem Briefe beifügen. Vorzüglich danke ich Ihnen für die metrica. Der Unterschied, den Sie zwischen dem Homer, und den Tragikern festsetzen, leuchtet mir erstaunlich ein, wenn ich gleich nicht selbst ihn mir so deutlich gedacht hatte. Am meisten hat mich das be­ friedigt, was Sie von der Position, und den Gründen des Unterschiedes der Röm. 103 Projekte D 1

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u. Griechischen Grammatik in diesem Punkt sagen. Was aber von βλοσυρωπι˘ς, ηνι˘ν, zu halten ist, wüßte ich lieber von Ihnen. In der vannus muß über den ersteren Fall etwas vorkommen, bei Gelegenheit, daß Pauw auch am Ende der Füße, wie hier, Silben durch Caesur lang werden läßt. Eine unerhörte Meynung, da der Grund der Caesur doch wohl darin liegt, daß eine Endsilbe, die mit keiner folgenden verknüpft wird, ihre wahre Quantitaet minder hören läßt, und der Ton allemal im Aufschritt des Fußes (wie Sie vom ganzen Verse sehr richtig bemerken, und wie bei Hephäs­ tion ein oder zweimal, jedoch nur nebenher, die Anfangssilbe jedes Verses als com­ munis vorgestellt wird) gehoben wird, so wie er am Ende desselben natürlich sinkt. Was ich also wissen möchte, wäre nun, ob Sie jene Stellen den Versen, wo Trochaeen vorkommen, beizählen? Daß Sie sagen „1ma in φιλος ist allerdings lang“ hat mich gewundert. Ich habe sie für anceps und öfter kurz gehalten. Cf. – οι φιλος ηεν. Il[ias] α. 381. Ουδε φιλος – Il. ω. 775. Φιλε κασιγνητε – Il. δ. 155. Ihr Urtheil über die Aeneide hat mich sehr aufmerksam gemacht, und wenn ich, nach mehr Lectüre, sichrere Kenntniß über Gr. Sitten habe, will ich dieß einmal zum Probirstein meiner Kenntniß machen. Ueber Il. V III . 213. bin ich ganz gegen Voss u. Köppen, Ihrer Meynung. Es ist ganz offenbar, daß zwischen Mauer und Graben ein, wenn gleich kleiner Platz war. Nur halte ich ἐκ νεῶν nicht bloß, wie Sie sagen auf Homerische Weise, sondern wirk­ lich nothwendig hinzugesetzt. Ohne diesen Zusatz war die respekt[ive] Lage des Grabens und Walls nicht bestimmt. Nun weiß man, daß auf die Schiffe der Wall, u. dann der Graben folgte. Mehr weiß ich jetzt nicht, und auch mit Fleiß will ich heute nur noch Eine Kleinigkeit hinzusetzen, damit ich Sie nicht überlade, da ich noch sehr auf eine Antwort auf meinen letzten Brief hoffe. Diese Kleinigkeit betrift die Endsilben. Sie wissen selbst Dawes Meynung über die Pindarischen. Ich habe nunmehr genau verglichen, und es ist richtig, daß, nimmt man alle Regeln an, die in Einer Zeile gelten (Position – folgende Aspirata – Vocal der einer langen Silbe folgt –) im Ganzen nur sehr wenig Abweichungen von einer durchgängigen Gleichheit vorkommen [(]denen auch wohl noch abzuhelfen ist[)]. Nimmt man sie nun aber als gültig an, und beachtet man sie als wichtig bei Festsetzung des metri, so muß man eine Menge (wenn nicht alle) Verse anders con­ stituiren, als der Metricus, Hephästion u. alle viri docti; und zugleich widerspricht man der Meynung des gesammten Alterthums. Da auch in den noch übrigen Stü­ cken griech. Musik, immer, wo eine kurze Endsilbe ist, eine Pause den Takt schließt, so scheint dieß der Gleichgültigkeit der Endsilben die Krone aufzusetzen. Dennoch ist die Bemerkung im Pindar sonderbar, und kann nicht Zufall seyn. Auch kann man 31  α. 361. D1  33 Lektüre, h D1  34 Probierstein h D1  37  Nun halte D1  νηῶν D1  47 dem auch wohl D1

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Brief 303

nicht sagen, die Abtheilung der Verse ist durchgängig falsch, und die scheinbaren Endsilben sind wahre Mittelsilben. Denn es müßten doch nun in der Mitte gleich­ gültige Silben vorkommen, welche die wahren Endsilben wären. Ich bin daher auf eine Mittelmeynung gekommen. Beim Declamiren blieb die Stimme allemal auf dem Ende des Verses schweben. Die Endsilbe wurde also immer, wie sie auch an sich seyn, oder dem metrum nach, erfordert werden mochte, lang ausgesprochen. Daher war sie für den Dichter gleichgültig und der Leser verschafte ihm hierin eine Freiheit, die er sonst nicht hatte. Allein der aufmerksame Dichter kam doch dem Le­ ser zu Hülfe, und setzte öfter eine lange Silbe ans Ende. Zur Unterstützung dieser bloßen Hypothese dienen vielleicht folgende Gründe: 1., der Natur der Sache nach verweilt man am Ende des Verses. 2., Pindar hat soviel mehr lange als kurze End­ silben, daß nach einer zwar bloßen, aber gar nicht ohngefähren Schätzung unter 4 Versen 3 lange und nur 1 eine kurze Endsilbe hat. 3., Marius Victorinus sagt aus­ drücklich: quia omnis depositio recipit moram. p. 2569. 4., Dawes behauptet daß alle Endsilben der ganzen Strophe, wegen der dort nöthigen Pause als lang angesehen werden müssen, und es ist richtig, daß Pindar bei diesen Endsilben mehr variirt, als bei den andern, woraus ich schließen möchte, daß er, da hier an sich eine größere Pause ist, es weniger nöthig hielt, zu Hülfe zu kommen. Sehr dawider aber ist: 1., das Wörtertheilen, das kaum ein Einhalten erlaubte. 2., daß Pindar ebensogenau auch die kurzen Endsilben beobachtet. Sind hier nun alle diese Verse falsch abge­ theilt? od: hielt ers für nöthig, wenn er nicht überall sich den Zwang langer Endsilb. auferlegen wollte, doch Gleichförmigkeit zu beobachten, um den Leser gleich in der 1. Str. zu avertiren, wo er Schwebung hinzuthun müsse, oder wie sonst? 3., sagt auch Mar. Victorinus. p. 2505. 2506. daß die Musiker die kurzen Endsilben lieben. Aber ist sein Zeugniß über Musik geradehin gültig? Sie schienen mir neulich über die Eintheilung und Benennung der Silbenmaaße ein wenig cavalierement, verzei­ hen Sie den Ausdruck der verletzten Silbenmajestät, zu reden, als wenn sie entwe­ der so leicht, oder nicht so wichtig wäre. Aber Bentleys Abhandlung hat mich doch noch mehr in der Meynung bestätigt, daß derselbe Vers, anders abgetheilt ganz anders gelesen werden muß[.] Z. B. – ˘˘˘– –˘˘˘– ist so –˘˘|˘– | –˘˘|˘– ein –|– | – ein Troch[aeus]. Im 1stn Fall muß ich mit Bentley Jamb[us,] so – | ˘ ˘˘ ˘ ˘˘ –´ | – –´ im andern –´ so – ˘˘˘ ˘˘˘ ˘˘˘– –´˘˘˘– accentuiren u. lesen. Um nun Verse zu bestimmen, die, bloß auf die Silben gesehen, 2 Abtheilungen erlauben, glaube ich, muß man mehr Dinge, im Pindar namentlich das metrum der übrigen Verse der Strophe hinzunehmen. So fand ich neulich – | – | | – – [.] Dieß kann ein Anti­ ˘ ˘˘ ˘ spasticum Glyconium oder ein Troch. dim. brachycat. seyn. Ich fand es in 2 Oden, in

83  derselbe Vers anders D2  86  in andern h D1  90 Glyconicum D1

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einer wo sehr viel Antispasten vorkamen, in der andren, wo sehr viel Trochaeen. In der erstern würde ich –´ – | –| ˘ ˘ ˘ ´ ˘–´ in der letztern –´˘| –´˘˘| –´ ˘| –´ lesen. Aber was sagen Sie, daß ich Sie nun auch mit bloßen Muthmaßungen u. Einfäl­ len plage. Doch brauchen Sie ja nur ein C[orrecte] od. N[on] L[icet] dazu zu ma­ chen, um mich ganz ab- od: zur weiteren Nachforschung zu verweisen. Ihre letzten Papiere erfolgen hier. Mehr habe ich jetzt nicht. Sie haben ja immer alle mit meinen Briefen zurückempfangen. Aber wie es mit den Papieren über Hesio­ dus ist, die ich noch habe u. behalte, weiß ich nicht. Auf meine Sachen über die 1stn 50Verse der ἔργα schickten Sie mir Papiere, die ich auch noch in guter Verwahrung habe, aber bloß lateinische u. offenbar ältere. Gleich darauf kam ich nach Halle. Dort sagten Sie mir, es hätten auch neue über mein scriptum dabei gelegen, u. ich glaubte, ich hätte es übersehn. Ich fand aber gleich bei meiner Rückkunft, daß nichts als jene älteren, angekommen war. Wie ist es denn nun? Schrieben Sie wirklich zu jenem Brief etwas? u. blieb es vielleicht bei Ihnen liegen? Die Hesiod. Papiere, die ich nun habe, erhalten Sie auch bald. Ihr Exemplar hat mir viel Freude gemacht. Schicken Sie es jetzt lieber so in 3 Hef­ ten. Ich danke herzlich u. meine Frau auch. Den Larcher brauchte ich freilich täglich. Denn seitdem Reitz den Borheck ver­ lassen hat, ist er toll mit Druckfehlern. Ich bin bei keinem Capitel sicher. Die accente weiß er gar nicht mehr zu setzen, u. wirklich nicht Einmal sondern oft kommen Fälle, wie folgender δύναμαὶ μιν z. B. vor. Indeß warte ich natürlich gern, bis Sie ihn ent­ behren können. Dann aber bitte ich Sie, mir ihn u. nur noch hieher zu schicken, so wie ich Sie recht sehr bitte, mir noch hieher zu schreiben. Denn da das Wetter sich so geändert hat, sind nun unsre Beschlüsse folgende. 25. reisen wir nicht, allein sobald wieder Frost einfällt, benutzen wir ihn gleich, u. geschieht dieß in den nächsten 14 Tagen u. drüber nicht, so reisen wir auf alle Fälle zwischen dem 8 u. 16tn Febr. wo wieder guter Mondschein ist. Denn entweder guten Weg oder Mondschein müssen wir haben. Sagen Sie mir doch ob ich mir Schneiders Marginalien ausbitten soll. Beck hab’ ich nicht gelobt, man darf […] in der Regel nie. Meine Frau grüßt Sie herzlich u. wir beide alle die Ihrigen. Adieu! Ihr Hum Meine Abreise erfahren Sie auf alle Fälle sogleich, als [s]ie gewiß festgesetzt ist. 91  in der andern, h D1-2  92  ersten […] letzten h D1  94 plagen. H  dazu machen, h D1 98 behalten, D1  99  ἐργα h D1-2  102 übersehen. D2  jene ältere, D1  104 Briefe D2  116 darüber D2

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304.  An Brinkman in Berlin

Burgörner, 26. Januar 1794

Bitte um ein Lebenszeichen; morgige Abreise; neue Adressen.

Ich kann schlechterdings nicht begreifen, lieber Freund, warum ich noch keine Antwort von Ihnen habe, u. ich gestehe offenherzig, daß die Natur meines letzten (doch so gut gemeinten) Briefes an Sie mich darüber noch mehr in Verlegenheit setzt. Doch will ich keine Hypothesen machen, sondern ruhig Ihre Antwort abwar­ ten. Ich reise morgen von hier ab, u. meine adresse ist für die nächsten 14 Tage Er­ furt bei Präs. Dacheröden, nachher Jena im Hause des H. HofCommissarius Voigt. Sagen Sie dieß auch Gentz, dem indeß zum Schreiben an mich wohl mehr als die adresse fehlt. Adieu! Meine Frau grüßt Sie freundschaftlichst. Ihr Humboldt. 26. Jan. 1794.

305.  An Wolf in Halle

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Erfurt, 2./3. Februar 1794

Benachrichtigung über Ankunft in Erfurt. Umgang mit Dalberg; dessen botanische Studien.

Erfurt, 2. Februar 1794. Wir sind den 28sten vorigen Monats hier glücklich angekommen, liebster Freund, und wenn ich auch unter einer noch größeren Menge gesellschaftlicher Zerstreuungen, als uns je sonst hier empfiengen, weder Zeit noch Stimmung habe, einen eigentlichen Brief an Sie zu schreiben, so wollte ich Ihnen doch von unsrer glücklichen Ankunft mit ein Paar Worten Nachricht geben. Die größre Störung dießmal hier rührt von unsrer dießmaligen Art zu wohnen her. Es war bei meinem Schwiegervater für uns beide zu eng, da jetzt seine Schwester mit ihren 2 Töchtern bei ihm ist. Meine Frau wohnt also nur allein bei ihm, und mich hat der Koadjutor zu sich ins Haus genommen. Sie können leicht denken, wie viel, oder vielmehr wie alle Zeit da durch Hin und Herlaufen u. s. w. verloren geht. Aber auf der andern Seite ists mir doch auch angenehm. Mein Zimmer ist von dem gewöhnlichen Wohnzimmer des Koadjutors bloß durch einen schmalen Gang getrennt, und so kommt er sehr oft des Tages, vorzüglich des Abends zu mir, und dieß so häufige Zusammenseyn, da ich auch alle Mittag mit ihm esse, und außerdem das öftre Alleinseyn ist in der That,

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vorzüglich wenn nicht eben vom wilden [Thymian] die Rede ist, sehr interessant. Bei man­ chen Schwächen ist er doch immer ein sehr edler, und ganz origineller Charakter, und bei mancher Unbestimmtheit seiner Ideen, und mancher Verwirrung in Kenntnissen, doch ein sehr genievoller, und fast mit allen Fächern der Wissenschaft bekannter, mit vielen vertrau­ ter Kopf. Meine arme Frau, die in Burg Oerner die letzte Zeit, und auch auf der Reise noch sehr gesund, wenigstens für ihre Umstände war, leidet schon seit den paar Tagen hier sehr am Magen, woran das viele Schwärmen und Essen wohl Schuld sein mag. Sie weiß nicht daß ich Ihnen jetzt schreibe. Aber ich grüße Sie und die Ihrigen recht herzlich von ihr in ihrer Seele. Leben Sie nun recht wohl. 12. dieses bin ich unstreitig in Jena. Meine adresse beim Hof­ Commissarius Voigt schrieb ich Ihnen doch schon! Adieu tausendmal! Ihr Humboldt. Stellen Sie Sich vor. Der Coadjutor will absolut genaue Nachrichten über das Silphium haben, und ich suche daher schon seit ein Paar Tagen den Dioscorides, Plinius, Strabo, Galenus cet. durch.

306.  An Karoline v. Beulwitz in Rudolstadt

Erfurt, 15. Februar 1794

Ein Zahnabzess der Karoline verzögert die Übersiedlung nach Jena. Humboldt bei Dalberg untergebracht; täglicher Umgang mit ihm. Schillers ,Ästhetische Briefe‘; Humboldts geringe Produktivität. Karolines Griechischstudien.

Erfurt, 15. Febr. 94.

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Karoline hat Dir, seit wir hier sind, nicht geschrieben, und auch jetzt verhindert sie ein unangenehmes Zahngeschwür, und (da dieß beinah besser ist) noch mehr als diese Unpäßlichkeit, in Papas Hause, bei der Tante u. den Cousinen, Mangel an Zeit daran. Nimm also heute, liebe Karoline, einmal mit einem Paar Zeilen von mir vor­ lieb, die Dich wenigstens nicht ohne alle Nachricht von uns lassen werden. Wir sind jetzt, ganz gegen unsre Plane, schon in der 3t Woche hier. Wir wollten anfangs nicht einmal 14 Tage bleiben, aber letztverwichenen Montag, gerade zwei Tage vor dem zu unsrer Abreise bestimmten Tag bekam die arme Li das fatale Zahngeschwür, auf 15 Tynian h  ||  4  Zeit. Nimm D  5  mit ein paar D  8 letztverwichnen D  9  zu unserer D

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Brief 306

das schon die Zahnschmerzen im Herbst gedeutet hatten, u. das sich wahrschein­ lich langsam nach und nach zusammengezogen hatte. Sie hat viel Schmerzen davon ausgestanden, die ihr einige schlaf lose Nächte gemacht, indeß gestern ist es aufge­ gangen, und nun wird es gewiß in zwei, drei Tagen ganz vorbei seyn. Schon heute sind die Schmerzen nur gering, und sie hat auch diese Nacht schon geschlafen. In spätestens 8 Tagen, da ich doch Li gern erst einige Ruhe gönnen möchte, beziehen wir nun das Quartier in Jena. Du dürftest wohl nicht rathen, liebe gute Li, wo ich dieß schreibe, und wo ich wohne? In der Bilderstube, die die Spottgeburt bewohnte, dicht neben des Sch[atz] Arbeitsstube. Das Haus bei Papan ist so voll, daß mir keine Stube, kaum eine Bucht übrigblieb. Der Sch. hatte das erfahren, und bot mir an, bei ihm zu wohnen. Er ver­ band soviel freundschaftliche Herzlichkeit mit dem Anerbieten, daß ichs noch lieber annahm, so unangenehm es mir freilich auch ist, von Li getrennt zu seyn. Er meynte nur, ein Kind u. ein Erzbischof paßten nicht recht zusammen, sonst hätte Li auch hier wohnen können. Des Mittags esse ich regelmäßig beim Sch.[,] des Abends, nur wenn Gesellschaft da ist. Allein auch sonst seh ich ihn oft noch, und am hübsches­ ten sind die Abende. Ich pflege nach 9 Uhr zu Hause zu kommen: Dann kommt er zu mir herüber, u. wir plaudern oft bis gegen 11. Die Mittage wären noch hübscher, wenn wir allein wären. Du weißt, denk ich, daß Dominikus, Benzel, u. Barozi be­ ständig mit ihm essen. Der Sch. wird mir, so lieb er mir auch immer war, doch täg­ lich lieber. Er ist immer so herzlich, so wahr, so bei sich und andren aufs Gute gerich­ tet, wenn gleich beim ersteren manchmal zu ängstlich, beim letzteren manchmal zu heftig. Seine Familie hat viel gelitten, wie Du aus den Zeitungen wissen wirst, und seine eignen Aussichten, wenn gleich jetzt sich nicht bestimmt etwas besorgen läßt, können doch ganz oder zum Theil fehlschlagen. Wer auf der Welt kann seine Lage ganz sicher halten. Er fühlt das alles, u. fühlt es oft stark, aber er weiß ihm bald mit Standhaftigkeit, bald mit einem auf die Gegenwart, und die eigne frei gelassene Thä­ tigkeit gerichteten Blick, bald mit einem wirklich unerschöpflichen Schatz natürli­ cher froher Laune entgegenzugehen, daß Du selbst seine Stimmung nicht verändert finden würdest. Was mich aber am meisten an ihm freut, ist daß er keine der Leiden­ schaften, welche die politischen Dinge jetzt so bunt hin u. her ziehen, theilt, daß er alle Schritte aller Partheien immer partheilos beurtheilt, alle Seiten gleich kalt über­ legt, und daß das große Interesse, daß er nothwendig bei jedem Ausgang haben muß, ihn so gar nicht an der ruhigen Betrachtung stört. Von Schiller u. Dir spricht er oft mit viel Wärme, und er wünschte sehr für ihn bald etwas thun zu können. Er

15  doch ihr gern D  17  dies geschrieben und D  24  bei Sch., D  28 Vanozi D  31  beim letztern D 35  fühlt es alles, D  42 Ausgange D  43  in der ruhigen D  44  er wünscht D

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hat auch neulich geäußert, daß er bei dem Herzog Einfluß zu haben glaubte, wenn Schiller gern dort bliebe. Sehr begierig bin ich auf Schillers ästhetische Briefe. Seit vorigem Jahre, wo ich in Jena war, habe auch ich, obgleich in andrer Rücksicht diesen Gegenstand verfolgt. Ich habe dem nachgedacht, was Schiller mir damals über seinen Begriff von Schön­ heit sagte. Ich habe Zweifel nicht gegen die Richtigkeit, aber gegen das Erschöp­ fende desselben gefunden. Wie gern spräche ich mit ihm über das alles. Aber ein sonderbares Schicksal führt uns aus einander. Da er mir anbot in Jena den Winter zu bleiben, konnte ich gerade nicht, oder glaubte vielleicht auch nur nicht zu können. Jetzt da ich da seyn werde, ist er fern. Und das Schreiben ist eine mühselige Sache, wenn man noch nicht mit den Dingen fertig ist. Womit beschäftigst denn Du Dich, liebe Li, u. wie gehts mit dem Verdienst? Ich habe bis auf die Idee dazu sogar verloren. Ueberhaupt bin ich nicht produktiv jetzt, u. außer dem Pindar, den ich mir vielleicht früher abdränge, sind alle meine Plane von der Art, daß ich froh bin, wenn meine Lebenszeit sie zu vollenden hinreicht. In­ deß aber vergeht doch das Leben schön und leicht, und mir wars nie um die Werke sonderlich zu thun. Die arme Karoline kann außer der Beschäftigung mit dem Kinde, das aber nun läuft, und ein unendlich liebes, sanftes u. heftiges Wesen ist, nicht viel thun. Das Wenige an Zeit, die ihr ganz frei bleibt, giebt sie dem Griechischen. Aber darin ist sie weit. Sie liest jetzt den Prometheus. Es ist freilich, u. so gründlich, als sie es treibt, ein Studium, das zuviel Zeit kostet, um große Ausbreitung zu erlauben, und wem thäte es nicht immer leid, schöne Felder unbesucht zurückzulassen. Aber sie treibt es so gern, so ganz aus eigner Wahl, ja ich möchte sagen aus natürlicher Bestimmung, mit so großem u. wahrem Geschmack u. Genie, u. es ist ihr so eigen, in allem, was sie denkt u. empfindet, Eins in alle seine Tiefen zu verfolgen, u. ganz zu erschöp­ fen; und wenn dieß Eine die ursprüngliche Natur des Menschen mit griechischem Sinne bald dichterisch gemahlt, bald historisch naiv geschildert, bald philosophisch betrachtet ist, so ist doch dieß Eine nichts Kleines. – Lebe wohl, liebe Li, u. verzeih mein Geschwätz.

47 Jahr, D  48  in anderer D  54  da ich dort sein D  56  Du denn Dich, D  57 productiv D  58  und alle meine Plane sind von der Art, D  62  das eben nun D  69  und wahren Geschmack D

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Abb. 1.  Brief 235, S. 1 der Handschrift (H: Berlin, StB PKB , Ms. germ. qu. 655, fol. 38r): das obere rechte Viertel des Blattes, wo das Datum gestanden haben wird, fehlt. – Der ungewöhnlich große ,Devotionsabstand‘ zwischen Datum und Textbeginn ist ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Brief die Korrespondenz mit F. A. Wolf eingeleitet hat. (Mit Dank – auch für die weiteren Abbildungen dieses Bandes – an die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz für die freundliche Abdruckgenehmigung.)

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Abb. 2.  Brief 307, h1: Reinschrift, von der Hand des Sekretärs Pahl, des Briefbeginns, der nach Humboldts redaktionellen Anweisungen unsere Zeilen 12–25 in der Druckfassung nicht enthalten sollte (vgl. zu Brief 307, H1-2, h1-2).

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Fortsetzung des Briefs 307, Bl. 2 der Originalhandschrift (H2, fol. 68r+v).

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Brief 307, S. 4 (H2, fol. 69r): Der Einschub Alexander von Humboldts (unsere Z. 67–80) beginnt in der linken Marge und wird am Blattkopf, verkehrt stehend, fortgesetzt; in der ersten Zeile dieser Fortsetzung setzte Wilhelm (von Humboldt) ein Hinweiszeichen ein und merkte am unteren Blattrand das in unseren Z. 81–84 Wiedergegebene dazu an.

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Brief 307, S. 5 (H2, fol. 69v), mit der zu H2 beschriebenen radikal umgebauten Textstelle (unsere Z. 94–105).

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Brief 307, S. 6 (H2, fol. 70r): In der 2. Zeile des Blattes wird die Stelle vermerkt („S. nun Eingeklammertes ☉“), wohin der eingekreiste Textteil des vorigen Blattes zu verlegen ist.

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Brief 307, Schluss (H2, fol. 70v).

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307.  An Wolf in Halle

Jena, 8./10. März 1794

Verspätete Antwort durch verzögerte Ankunft in Jena und den Besuch Alexan­ders verursacht. Krankheiten von Frau und Kind, Sorge um Wolfs Gesundheit. Das Einleben in Jena; Umgang. Abschluss der Studien der Pindarschen Metrik; Philosophie; Pindar-Übersetzung; Sophokleslektüre. Wolfs Anzeige der Ilias-Ausgabe. Detaillierte Darlegung von Problemen der Pindarschen Metrik. – Alexander über die antike Webtechnik.

Jena, 8. März, 1794. Schon längst, liebster theuerster Freund, hätten Sie einen Brief von mir erhalten, aber die Umstände fügten sich so sonderbar, daß ein schnelleres Antworten mir zur wahren Unmöglichkeit wurde. Ein mit mancher andern Kränklichkeit verbundnes Zahngeschwür meiner Frau nöthigte mich, meinen Aufenthalt in Erfurt um ganze 14 Tage zu verlängern, und so kam ich erst den 25. pr. hier an. Zwei Tage darauf erhielt ich Ihren lieben Brief, und seitdem ist meine Antwort theils durch die Zerstreuung der ersten Tage an einem neuen Orte, theils durch einen Besuch meines Bruders, der noch bei mir ist, theils endlich auch durch das Zögern des Fiedler, da ich doch den Plato mitschicken wollte, verspätet wor­ den. Meine Frau war bei unsrer Ankunft hier recht wohl für ihren jetzigen Zustand u. ihre Kräfte überhaupt, die [sie] denn freilich ganz frei von Beschwerden kaum Einen Tag seyn lassen. Aber gerade diese vergangene Nacht hatte sie einen großen Schrecken, von dem ich fast fürchte, daß er sie einige Tage krank macht. Stellen Sie Sich nur vor, liebster Freund, unser gesundes starkes Mädchen, das noch gestern Abend, bis auf ein wenig Katharr ganz munter u. wohl war, bekam auf einmal diese Nacht, als meine Frau noch dazu sie bei sich im Bette hatte den Jammer, u. obgleich er nicht lang anhielt, auch Stark, den wir augen­ blicklich rufen ließen, versicherte, daß die Sache nichts auf sich habe, und das Kind, den nunmehr stärker ausgebrochnen Husten u. Katharr abgerechnet, munter u. wohl ist; so können Sie Sich doch den Schrekken meiner armen Frau denken, der sich nicht sowohl in dem Augenblick selbst, wo sie sehr gefaßt schien, als nachher durch Fieber u. Mattigkeit äußerte. Indeß hoffe ich sollen diese üblen Folgen bald vorübergehen, u. ich bitte Sie also recht sehr nicht besorgt zu seyn. Stark giebt übrigens für die Gesundheit im Ganzen, u. die Niederkunft, die sie Anfang May’s od: Ende April erwartet, recht sehr gute Hofnung. Jetzt indem ich dieß schreibe liegt meine Frau auf dem Bett, um den verlornen Schlaf der Nacht wieder einigermaaßen einzubringen. Aber Ihr Kränkeln, lieber Freund, wird mir immer bedenklicher, u. nun gar Lähmungen od: doch etwas Aehnliches. Ich bitte Sie recht herzlich u. dringend, entreißen Sie Sich gleich nach Ostern dem Homer, u. machen Sie den Sommer über eine Reise, aber eine 6 25, p. h1 D1  9  durch Zögern h1 D1 

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weitere u. zerstreuendere, als eine nach Karlsbad od: Dresden ist. Thun Sie das nicht – u. beinah fürchte ich es, da ich von dem Ruf nach Kiel nichts mehr höre, Sie in Halle ein neues Quartier nehmen, u. auch das Jubilaeum, das Sie sonst eher wegge­ trieben hätte, wie mir Schütz sagt, unterbleibt – thun Sie, sage ich, das nicht, so lau­ fen Sie wirklich Gefahr, Sich durch noch schlimmeres, vielleicht auch gefährlicheres Krankseyn Sich Ihren Beschäftigungen, Ihren Freunden, und der Wissenschaft zu entziehen. Ist einmal die Iliade fertig, so können Sie ja auf Ihren Lorbeern fürs erste ruhen, u. über die übrigen Verhältnisse, die Sie etwa hindern könnten, wird es Ih­ nen ja möglich seyn, Sich hinwegzusetzen. Jena gefällt uns bis jetzt sehr gut, wenn nicht, weil wir viel finden, doch weil wir wenig fordern. Wir wohnen still u. ländlich in einem Gartenhause. Unser Quartier ist so klein, daß wir nur gerade Platz u. auch kein Kämmerchen übrig haben, aber bequem genug u. durch Lage u. Garten angenehm. Umgang wird meine Frau außer einigen wenigen, die zu uns kommen können (u. wovon ich mir bis jetzt nur zwei wünsche, einen M[agister] Grosse u. einen Sohn des Pempelforther Jacobi) nicht haben. Ich außerdem auch nur wenig, von Zeit zu Zeit Schütz, der überaus freund­ schaftlich ist, Hufeland, Paulus & cet. Aber Sie wissen es am besten; am Umgang liegt uns sehr wenig, u. wenn, wie es so gut als gewiß ist, Schiller Ostern kommt, so ist auch diesem Mangel, wenn es einer ist, ganz abgeholfen. Nur Büchercommuni­ cation ist hier klein. Indeß hat doch die Universitaetsbibliotheck Einiges, einiges Schütz u. andre, u. so geht es auch hierin wenigstens so mittelmäßig. Gethan habe ich seit BOerner so gut als – nichts. Das Repertorium über die Pin­ darischen Silbenmaaße habe ich vollendet u. damit eine so mühselige, so silbenste­ chende u. mir sonst so wenig angemessene (aber nun zur Uebersetzung u. Bearbei­ tung des Pindar einmal unentbehrliche) Sache, daß ich schwerlich je wieder eine ähnliche unternehme. Seit ich aber hier bin arbeite ich viel. Ich habe mir vorgenom­ men, hier, wo ich mannigfaltigern Umgang u. Bücher aus mehr Fächern habe, einige ältere Studien mehr wieder aufzunehmen, einige Ideen, die ich lange habe, auszu­ arbeiten. So komme ich auf Philosophie, Politik, Aesthetik ernsthafter zurück. Daß die Griechen darüber nicht vernachlässigt werden, versteht sich von selbst. In die­ sen beschäftige ich mich zunächst mit der Ausgabe der Uebers. der IV. Pyth.[,] den Untersuchungen über die Rhythmik u. dem Lesen des Sophocles. Aber in der Ma­ nier mache ich, nach Ihrem Rath, mehrere Aenderungen, arbeite schneller, schneide einige unnütze u. weitläuftige Arbeiten ab, kurz bekämpfe mit mehr Liberalität den Hang zur Pedanterie, ohne doch an der Klippe der Ungründlichkeit zu scheitern.

33  Gefahr, durch D1  35 Lorbeeren h2 D1  55 mannigfaltigeren D2  57 zurük. D2 

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Brief 307

Mein Bruder empfiehlt sich Ihnen unbekannterweise auf das hochachtungs­ vollste, u. freut sich im Voraus, wenn Sie seine Arbeit über die Webereien im Mscr. durchlesen wollen. Das meiste Neue glaubt er über den radius sagen zu können.

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< Alexander:> Es ist freilich viel gewagt, Ihnen Durchsicht solch einer jugendlichen Ar­

beit zuzumuthen. Was ich nur wünschte hat Wilhelm gleich als Bitte ausgedrükt. Das mag er verantworten. Auch glaub’ ich nicht so wohl den radius (κερκις) als vielmehr den pecten ξ[α]νιον (das bisweilen sogar mit plectrum verglichen wird u. was die neueren Kommentatoren bald mit radius verwechseln, bald gar durch Lade! über­ ausgesehen sezen) deutlich erklären zu können. Der pecten scheint so zu haben. Wenn die Weberinnen bei ihren stehenden ιστοις besondern beim χιτων αρραφης um den Stuhl herumgingen u. den radius (ein bloßer Stab mit umwikkelten Fäden) sakkartig einflochten, so ergriffen sie den pecten u. schlugen den Einschlag damit zusammen. Da s[ich] historisch erweisen läßt, daß die haute lisse Weberei (welche unter Karl Martell durch d[ie] Sarazenen nach Spanien kam) ein Vaterland mit der altgriech. hat, da der pecten noch jezt im Orient so aussieht u. sich alles was Pollux vom Weben sagt nach dieser Hypothese faßlich u. klar ist, so ist sie wenig­ stens wahrscheinlich. < Wilhelm:> Zum Herumgehn gehört im Pindar Pyth. IX. 33. 34. ἱστῶν παλιμβάμους ὁδοὺς et Schol. ad h[unc] l[ocum]. Da aber der Schol. sagt: αἱ γὰρ ὀρϑαὶ ὑφαίνουσαι so scheinen andre auch sitzend gewebt zu haben, wovon mein Bruder auch Spuren hat, u. worauf sich, wie er mir dictiret „die insubula od: insilia (Lucrez) beziehen“[.] Ueber Ihre Anzeige, für die ich herzlich danke, urtheile ich nicht, wie Sie. Sie ist sehr gut u. schön geschrieben. Bescheiden ist sie, aber ich gestehe, ich liebe die Bescheidenheit auch in dem, der mit der größesten Gewißheit reden kann, wo sie nur nicht der Sache schadet, und das glaube ich hier nicht. Aber geseufzt habe ich bei dem Bogen Ihres Homers u. möchte seufzen so oft ich ihn ansehe. Ich kann mir den Gedanken nicht nehmen, daß Sie ihm einen Theil Ihrer Gesundheit aufgeopfert haben, und so lieb mir der göttliche Sänger ist, so sind doch Sie mir so unendlich lieber! Jetzt ein Paar Worte auf Ihren Zettel, der hiebei erfolgt: ad 1., Unter 5 Malen, als wie oft Ατρευς u. seine deriuata im Pindar vorkommt ist prima 3mal ungezweifelt lang: Ol. XIII . 81. Isthm. V. 48. V III . 111. u. zweimal kurz Pyth. X I . 47. Ol. IX . 107. Ueber Ατρεϊδης belehren Sie mich aber doch nun. In Bruncks Note (ad Apoll. Rhod. I. 58.[ )] schrekt mich der Eustathius. Im Pindar 70  ξηνιον H  72  so [Zeichnung] so H D2  73  besonders beim D1  79  faßlich erklären h2 faßlich erklärt D1  84 dictirt h2 D1  89  bei den h2  Ihres Homer D1

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kommt die Form zweimal vor. Pyth. Xl. 47. u. Isthm. V III . 111. In Pyth. XI . 47. ist nemlich das Silbenmaaß eigentlich: – – –– ––– ˘ ˘ ˘ ˘˘˘ Dieß nennt der Metr[icusl u. Pauw ein Periodicum ex Jambis & Trochaeis, u. wenn gleich die Conversion, die zum Periodicum nothwendig ist, hier nicht geht, so ists doch ein Asynartetum ex Jambico dim. brachycat. et Trochaico dim. brachycat. –| – | – || – | – |–– ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ ϑανε μεν αυ[-]τος ἡ[-]ρως α[-]τρειδας Hiezu hatte ich vorigen Sommer zum Pauw die Worte geschrieben: „Ατρεϊδας ist nicht nöthig indem dort ebensogut (in loco impari in Trochaico) ein Spondeus stehn kann u. mir diese Diaeresis nie vorgekommen ist.“ Der ersten Meynung bleibe ich noch. Aber wegen der letztern Eustathius! Doch ha­ ben Sie ihn ja niedergeworfen, nur um die Gründe bitte ich, da Ihr so grundvoller Homer so gründelos erscheint. In Isthm. VIII. 111. ist das Sylbenmaaß das herrliche Pindaricum, was wir nur zweimal in seinen Oden haben – – | – – | – ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ γεφυρωσε τ᾿ατρεαδαι[-]σι νοστον Dem Metr[icus] nach kann hier statt des Choriamben ein Molossus stehen. Dann gienge ατρειδαισι auch hier an, u. wirklich ist in derselben Ode 67. – των ηκου – noch ein molossus der aber durch – των εσακου – od: – των ακοη – emendirt wird. Und freilich findet sich der Molossus in Choriambischen Versen gewiß nur selten u. ich erinnere es mich nur in den freiern Lateinern, Terenz, Ihren Tusculanen. Hephae­ stion berührt den Fall nicht. Marius Victorinus p. 2533. sagt: raro recipit Molossum. Was halten Sie aber von ατρεα δαις? Was übrigens die Vocale ante mutam cum liquida betrift, so werde ich noch künf­ tig eigends untersuchen, ob Pindar in ihrer Quantitaet gewisse Regeln [befolgt], wie die Tragiker u. Aristophanes (wie ich aus Morell sehe) thun sollen. ad 2., erwarte ich eine Antwort von [I]hnen. In dem Heynischen (incl. Oxford­ schen) Pindar sind die Fälle, wo solche Silbe ohne ν ἐφελκ[υστικόν] lang seyn muß, noch ziemlich häufig. Aber auf der andern Seite haben Schmid u. hernach die Ox­ forder schon viele ν appingirt. Pauw thut dieß allemal, wo die Silbe nicht auch kurz seyn darf, u. selbst da hie und dort. Glauben Sie, daß es gut wäre, einmal alle Fälle im Pindar zusammenzusuchen, u. aus den Varianten zu sehen, ob die besten Codices das ν oft fehlen lassen, wie ich glaube? Oder ist die Sache schon sonst entschieden? ad 3., ob Pauw wegen πηνεϊον Recht od: Unrecht hat, glaube ich, können nur die besten Codices beweisen. Haben alle[,] wie er sagt πηνειον u. hat Schmid die Diaeresis gemacht (wovon Heyne u. die Oxforder kein Wort sagen) so möchte ich



114  ατρειδαισι h2 D1  123  Regeln, wie H  Regeln [befolgt], wie D1-2 

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Brief 307–309

glauben, er hätte Recht. Denn daß Pindar Versfüße auf erlaubte Weise verwechselt, ist mir gewiß u. diese Aenderung ist ganz gewöhnlich. Sonst aber ist die vollkom­ mene Gleichheit immer im Pindar häufiger, u. diese diaeresis ja wohl gewöhnlich? Adieu Liebster, bester Freund. Verzeihen Sie meinem Kopfschmerz u. meiner Zerstreuung diese Flüchtigkeit. Sagen Sie mir bald nur was Sie machten! Adieu! H.

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Am Abend: Meine Frau ist jetzt besser u. das Kind, außer dem Husten, der es incom­ modirt, recht wohl. Noch hat mein Bruder Mumienleinwand untersucht, die er auch beschreiben wird.

308.  An Wolf in Halle

Jena, 23./24. März 1794

Übersendung der Übersetzung von Pindars 1. pythischer Ode; Bitte um Rat, ob sie zur Veröffentlichung als ‚Probeode‘ geeignet sei.

Jena, 23. März, 1794. „Besser wenig, als nichts“ denk’ ich, liebster Freund, u. da mir durch mancherlei Dinge Zeit zu Vielem abgeht; so will ich Ihnen doch in zwei Worten sagen, daß wir jetzt sämmtlich wohler sind, als bei meinem letzten Briefe, daß uns Jena noch recht gut, u. noch besser der schön beginnende Frühling behagt. Möchte doch es bei Ih­ nen auch so seyn u. möchten vorzüglich erst alle Homerische Sorgen Sie verlassen haben. Sagen Sie mir bald ein Wort davon. Die eigentliche Veranlassung dieser Zeilen, theurer Freund, war, Ihnen mein neuestes Machwerk, die 1. Pyth. mitzutheilen. Ich habe sie schnell vollendet; ich hoffe, es soll einzelnen Stellen nicht geschadet haben; u. das Ganze hat sicher da­ durch an Einheit gewonnen. In den vielen schwierigen Stellen der Ode werden Sie mich fast immer auf dem alten (VorVossischen) hie u. da auf dem Vossischen, selt­ ner auf einem eignen Wege finden. Sie wissen, daß ich eine ProbeOde drucken las­ sen wollte. Ich bestimme diese dazu. Sie thäten mir eine große Liebe, wenn Sie mir Ihr flüchtiges Urtheil über die Uebersetzung, u. Ihre Meynung über jene Bestim­ mung zur ProbeOde sagten, mir aber diese Abschrift, da ich sie brauche, in 14 Tagen zurückschickten.

139 machen! h2 D1-2  141 Abend. h2 D1-2

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Meine Frau grüßt Sie u. die Ihrigen mit mir auf das freundschaftlichste. Adieu.   Ewig Ihr Humboldt.

309.  An Dalberg in Erfurt

Jena, 28./29. März 1794

Über Dalbergs Anmerkungen zu einem Aufsatz Goethes zur Farbenlehre.

Hochwürdigster Erzbischof, Gnädiger Herr

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Mit dem innigsten Vergnügen habe ich, G[nädiger] H[err], Ihre schönen u. lichtvollen Anmerkungen zu dem Goethischen Aufsatz gelesen. Je zarter, tiefliegender, die Gedanken u. Sinnen entschlüpfender die in denselben behandelten Gegenstände sind – um mich Goethes eigner Ausdrücke zu bedienen – desto interessanter ist es auch, darüber das raisonne­ ment zweier Männer zu hören, welche beide dazu geschaffen scheinen, solche Materien zu behandeln, u. Dinge, die man bisher oft nur für Spiele der Sinne u. der Phantasie hielt, in das Gebiet der durch den Verstand geordneten u. bearbeiteten Begriffe zurückzuru­ fen. Ich bedaure, nicht vertraut genug mit Mathematick, Optick u. Chemie zu seyn, um über den Grund der Streitfrage selbst, ein anders als völlig unbedeutendes Urtheil fällen zu können. Aber schon die Methode in Ihren Anmerkungen, das Zurückführen auf die einfachsten Elementar-Begriffe, die genaue Bestimmung dieser, die reiche Fruchtbarkeit in der Anwendung derselben, u. endlich das Umfassen aller so verschiedenen Anwendun­ gen mit einem großen philosophischen Blick, hat mich wieder das reine u. hohe Vergnü­ gen genießen lassen, das mich noch so oft u. so lebhaft an so viele Gespräche mit Ihnen, G. H., bey meinem letzten Aufenthalt in Erfurt erinnert. Die ganz allgemeinen Ideen in der letzten Anmerkung, di[e] ich noch von eben dieser Zeit her …, hab ich nun genauer u. bestimmter gefaßt, u. mich über den Blick unendlich gefreut, d[er] den Menschen unmit­ telbar durch seine Natur in Verbindung mit dem ganzen Weltall sieht. Vorzüglich schön u. genievoll schien mir I[h]re Charackteristick der Farben. Kant (Kritick der Urtheilskr. S. 170.) versucht einmahl, wie Sie Sich vielleicht erinnern, eine ähnliche. Allein schon Ihre Manier dünkt mir bey weite[m] philosophischer. Er vergleicht die Re­ genbogenfarben unmittelbar mit unsinnlichen Eigenschaften, z. B. Kühnheit, u. s. w. Sie nur mit andren physischen Beschaffenheiten, welche wahre Mittelbegriffe zwischen d[en] 3  den Gedanken h2 D  10  ein anderes als h2 D  13  das Anfassen aller h2 D  17  dich ich noch h1 18  die den Menschen h1-2 D  21 einmal h2 D  22  bey weiten h1  24  mit andern h2 D zwischen die h1 

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Brief 309–310

Farben u. jene[n] Eigenschaften sind, wie z.  B. die Vorstellung de[s] reinen Daseyns  … natürlich die Vorstellung des Weißen mit d[er] der Unschuld verknüpft. Daß Sie Purpur – Farbe des Schönen nennen, führt auf die erhabene Idee der Schönheit, als eine Vereinigung zweyer verschiedene[r] Naturen; u. daß Sie das Grüne, das auch eine Vereinigung zweyer Extreme ist, als Farbe der Harmonie bezeichnen, sondert das Schöne von dem bloß reizenden, oder, wenn Sie wollen, die hohe, inhaltvolle Schönheit von dem bloß Gefallenden, auf eine überraschend sinnreiche Art ab. Jene überall u. immer wiederkehrend würde uns zu sehr anstrengen, um ihr immer die forschende Aufmerksamkeit zu schencken, die sie gleichsam von uns erzwingt, u. dieß Erliegen unsrer Kraft würde uns nicht mit ihr, aber mit uns selbst unzufrieden machen, indeß auf bloß gefallenden Gestalten unser Auge mit ewig neuer Genugthuung ruhet. Ebenso freut uns die hohe u. ergreifende Farbe des Purpurs, aber für überall begegnende Farbe der Natur, würden wir das anspruchlose gefällige Grün gegen keine andre vertauschen. Wenn mir noch ein Wunsch übrig geblieben, so wäre es d[er] gewesen, daß Sie, G. H., alle Hauptfarben wenigstens vollständig durchgegangen wären (mir fiel es auf, daß Roth fehlte)[,] sie nach den Graden ihrer Zusammensetzung geordnet, u. den Charackter der Zusammengesetzten, genau, durch Verbindung der Characktere der Einfachen bestimmt hätten. Aber es ist unbescheiden, ich fühle es, noch mehr zu fordern, wo schon so viel geleistet ist. ———— Mit der innigsten Verehrung u. der hochachtungsvollsten Freundschaft verharre ich Ew. Erzbischöfl. Gnaden unterthänigster Jena Humbold. den 29. März 1794.

310.  An Körner in Dresden

Jena, 28./31. März 1794

Fortsetzung der Ästhetikdiskussion: Priorität der Vorstellung der Schönheit vor der Feststellung des schönen Gegenstandes; Ziel: durch Bestimmung der Schönheit anhand subjektiver Merkmale zu deren objektiven Bestimmung zu gelangen; bei Berufung auf Kant Definition des Schönen als Form des Verstandes in der Erschei-

25  jene Eigenschaften h1-2 D  der reinen h1  26  mit die h1-2 D  29 Extremen h1-2 D  33 dies Erliegen unserer h2 D  34  indes auf bloß gefallende h2 D  36 anspruchslose h2 D  37 keine andere h2 D  38  wäre es die h1  39 Rot h2 D

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nung; hierbei die Schwierigkeit, Sinnliches mit Unsinnlichem zu verbinden; das Schöne drücke also die Formen aus, aus denen die Begriffe bzw. Ideen entstehen; zur Materie des Schönen gehöre auch das ästhetische Urteil selbst. Gegen Körners Vorgehensweise, an dem Gegenstand den Schönheitsbegriff entwickeln zu wollen; Beifall für seine Herleitung der Kategorien, bedingte Zustimmung zur Gleichsetzung des Schönheitsprinzips mit einem Gleichgewichtszustand.

Jena, 28. März, 1794.

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Wenn es Ihnen angenehm seyn mag, mir Ihre Ideen in ihrer rohen Gestalt, wie Sie Sich ausdrucken, mitzutheilen, so fühlen Sie, wie wohlthätig es auf mich wirken muß, diesen die meinigen an die Seite zu stellen. Es ist in der That unglaublich, wie viel ich an Klar­ heit und Bestimmtheit meiner Begriffe über diese ersten Gründe aller Aesthetik, seitdem ich bei Ihnen in Dresden war, gewonnen habe, und ich fühle es lebhaft, daß ich es allein diesem Briefwechsel mit Ihnen verdanke. Daß unsre beiderseitige Vorstellungsweise so schnurstracks einander entgegengesetzt ist, und daß Sie mich mit systematischer Strenge in dem Wege erhalten, auf welchem die Untersuchung allein zu sichren Resultaten gelan­ gen kann, zwingt mich, mir von den ersten Gründen meiner Ideen genaue Rechenschaft zu geben, und ich meyne, es ist keine täuschende Hofnung, daß diese gemeinschaftliche Untersuchung uns am Ende ans Ziel führen wird. Ihr letzter Brief aber leistete noch mehr, als seine Vorgänger. Er stellt – außer den Berichtigungen meiner Meynung – ein eignes System auf, dessen Scharfsinn mich zugleich überrascht und entzückt hat, und es ist mir eine beruhigende Vorstellung für die Richtigkeit meiner eignen Ideen, daß sie mich nicht veranlassen werden, dieß System eigentlich anzugreifen, sondern nur Sie zu fragen, ob Sie nicht dem Gange Ihrer Ideen bloß eine andre Richtung geben wollen, eine Sache, die in der gegenwärtigen Materie, wo die Verschiedenheit der Meynungen nicht sowohl in den letzten Resultaten, als in der Art ihrer Deduction liegt, gewiß nicht unwichtig ist. – Aber ich gehe zu Ihren einzelnen Sätzen über. Mit völliger Beistimmung nehme ich alles an, was Sie über den Punkt sagen, von dem die Untersuchung ausgehen muß. Das Urtheil, daß gewisse Dinge schön genannt werden (denn so muß man doch den Ausdruck: schön sind wohl übersetzen), ist nicht fruchtbar, am wenigsten aber sicher genug, um auf demselben fortzubauen. Dazu kommt nun noch der Verdacht einer partheiischen Auswahl der Beispiele, und daß auf diesem Wege über­ haupt nur immer Inductionsschlüsse entstehen, welche hier nicht befriedigen können. Wenn Sie aber meynen, ich gienge von hier aus, so muß ich mich in meinen vorigen Briefen 3 ausdrücken, D1  9  Wege erhielten, D1  zu sicheren D1  10  Ideen Rechenschaft D1  11 Hoffnung, D1  15  eigenen Ideen, D1  19  nicht unrichtig D1  21  Alles an, D1  26 Induktionsschlüsse D1  27  in meinem […] Briefe D1

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unrichtig ausgedruckt haben. Ich gehe schlechterdings hierin den Kantischen Weg, und fange daher nicht von den Gegenständen an, die man schön nennt, sondern von der Vor­ stellung der Schönheit, welche durch diese hervorgebracht wird. Von hier aber, glaube ich auch, muß nothwendig immer ausgegangen werden. Denn wenn die Schönheit ent­ wickelt, in ihre Bestandtheile aufgelöst werden soll, muß man doch sie zuerst aufsuchen. Nun finden wir sie im Objecte und im Subjecte, in dem was schön ist, und in dem, worauf das Schöne wirkt. Von dem ersteren auszugehn, verwerfen Sie selbst, ich sehe daher nicht was übrigbliebe. Nur in dieser Rücksicht halte auch ich das Merkmal des Wohlgefallens für ein wichtiges Merkmal. Es kann nie etwas schön gefunden werden, ohne zu gefallen, und schon insofern ist es ein wesentlicher Charakter des Schönen, aber es ist noch mehr. Da dieß Wohlgefallen immer mit Nothwendigkeit und Allgemeinheit verbunden ist, und doch nicht durch einen Begriff entsteht, so bildet es, als Ein Bestandtheil, die Zwitternatur, wenn ich so sagen darf, durch welche eigentlich das Schöne zu einer so merkwürdigen Erscheinung wird. Eine andre Frage aber ist es nun, ob dieß Wohlgefallen auch für die Technik ein so wichtiges Merkmal ist? und diese glaube ich allerdings verneinen zu müssen. Das Schöne nemlich – und hier komme ich nun auf den Punkt, der uns hoffentlich näher führen soll – läßt sich von zwei Seiten betrachten, einmal subjektiv, als etwas das empfunden wird, dann objektiv, als etwas, das der Grund dieser Empfindung ist. Die erste fesselt mehr den Blick des Psychologen im weitesten Sinne des Wortes, die zweite des Technikers. Denn indem er die Empfindung des Schönen hervorbringen, das Schöne dar­ stellen soll, muß er nicht sowohl diese Empfindung selbst, als die Beschaffenheit der sie erregenden Gegenstände studiren. Fehlten vielleicht auch wir beide hierin, Sie, daß Sie zu sehr für die Technik, ich, daß ich zu sehr für die Kenntniß des Menschen besorgt war? fehlten wir vielleicht auf eine tief aus unsrer Individualität entspringende Weise? Denn es ist wunderbar und Sie bemerken es sehr richtig, wie mächtig die individuellsten Eigen­ thümlichkeiten auf Untersuchungen dieser Art, selbst wider unsren Willen, einwirken. We­ nigstens wäre es kein Wunder, wenn wir so beide demjenigen geschadet hätten, wofür wir zu ängstlich besorgt waren. Es muß, meiner Ueberzeugung nach, nothwendig einen Weg geben, von der Bestim­ mung der Schönheit durch subjective Merkmale zur Bestimmung derselben durch objec­ tive. Es gienge sonst alle Kunsttheorie und alle Kritik verloren. Aber diesen Weg sicher zu finden, oder vielmehr zu bahnen, halte ich eigentlich für die höchste Schwierigkeit in der Aesthetik. Kant versucht es nicht einmal, er schneidet beinah die Möglichkeit ab, doch auf eine Art, die mir seinem System nicht nothwendig anzuhängen scheint. Auf Schiller bin ich begierig. Auf dem Wege, auf dem ich ihn sonst kannte, und der dem Ihrigen nahe kommt, 33  Objekte und im Subjekte, D1  34  auszugehen, verwarfen D1  35  übrig bliebe. D1  39 als ein D1 46  des Worts, D1  51  tiefe aus D1  53  wider unsern D1  57 subjektive D1 (desgl. Z. 69) objektive. D1  58  Weg zu finden, D1 

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müßte er die Kantische Theorie, jene Entwickelung des Begriffes der Schönheit in den 4, nach den Kategorien geordneten Grundsätzen widerlegen, und dieß, gestehe ich frei, halte ich für unmöglich. Lassen Sie mich Ihnen kurz den Versuch sagen, den ich gemacht habe. Ich folge nemlich in dem, was ich eben nannte, dem Kantischen Ideengange Schritt vor Schritt, ich folge ihm bis zu dem Satz (Kr. d. Urth. S. 144.) „der Geschmack, als subjective Urtheilskraft enthält ein Princip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermögens der Anschau­ ungen (d. i. der Einbildungskraft) unter das Vermögen der Begriffe (d. i. den Ver­ stand), sofern das erstere in seiner Freiheit zum letzteren in seiner Gesetzmäßigkeit zusammenstimmt.“ Hier, glaube ich, muß nun die Frage einfallen, die eigentlich alle übrige ästhetische, als Thei­le von ihr unter sich begreift: Wie muß der Gegenstand beschaffen seyn, bei welchem der Geschmack den Ausspruch thun soll, daß jene Uebereinstimmung vorhanden ist? Dieser Gegenstand muß von der Einbildungskraft aufgefaßt und dargestellt werden kön­ nen. Er muß also sinnlich, durch Zeit oder Raum, oder beide, construirbar seyn. Die Einbil­ dungskraft soll an ihm ihre Zusammenstimmung mit dem Verstande in seiner Gesetzmä­ ßigkeit wahrnehmen. Er muß daher durch seine Gestalt (im weitesten Sinne, besser durch die Art seines sinnlichen Erscheinens) den Verstand reizen, sich mit der Einbildungskraft zu verbinden. Dieß aber kann er nur dadurch, daß er selbst die Form des Verstandes sinnlich gleichsam an sich trage. Und so wären demnach dieß die beiden nothwendigen, aber auch einzigen Charaktere alles Schönen; und so definire ich nun das Schöne lieber, als: die Form des Verstandes in der Erscheinung als durch jeden andren Ausdruck, den ich sonst wählte. Diese Definition enthält drei wesentliche Stücke: 1., die Erscheinung. 2., die Form des Verstandes. 3., die Verbindung von beidem. Das Erste bedarf keiner Erläuterung; mehr das zweite; am meisten aber das Dritte. Ich fange bei diesem an. Die Form des Verstandes ist etwas unsinnliches; Erscheinung sinnlich. Wie soll man sie sich verbunden denken? Ein sinnlicher Gegenstand kann eine Gestalt haben, die durch mehr oder minder particulaire und zufällige, oder allgemeine und nothwendige Ideen­ verbindungen an etwas Unsinnliches erinnert. Alsdann ist er charakteristisch. Wir denken uns die Idee und die sinnliche Gestalt, jede besonders, betrachten aber die letztere als das Bild der ersteren, gleichsam als den Körper, den jene, als Seele belebt. Hier ist Sinnliches 63  des Begriffs D1  67  was ich oben D1  Schritt für D1  68  dem Satze D1  75  Theile unter sich D1  78  konstruirbar D1  85  jeden andern D1 (desgl. Z. 213)  86  Diese Form enthält die wesentlichen D1  89  von beiden. D1  90  Das Erstere D1  Dritte, ich D1  94 partikulaire D1

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und Unsinnliches verbunden; aber diese Verbindung ist nicht die einzig mögliche, es giebt noch eine andre. Der sinnliche Gegenstand kann nemlich so beschaffen seyn, daß die Art der Theile, aus welchen er besteht, ihre Verbindung untereinander, das Verhältniß des Ma­ teriellen an ihnen zur Form des Ganzen, daß, sage ich, dieß alles in eben solchen Verhält­ nissen zu einander steht, als bei denjenigen Dingen, denen wir (unsinnliche) Vollkommen­ heit zuschreiben, und daß es eben die Ideen, als diese erweckt. Alsdann nennen wir ihn schön. Wir denken uns nun nicht mehr das Sinnliche und Unsinnliche jedes für sich, der in der Sinnenwelt erscheinende Gegenstand hat die unsinnliche Form angenommen. Beide sind im genauesten Verstande Eins. Bei dem, was charakteristisch ist, hüllt sich gleichsam die unsinnliche Idee in die, den Sinnen erscheinende Gestalt; bei dem was schön ist, verwandelt sie sich selbst in dieselbe. Ich fürchte, diese Unterscheidung wird Ihnen willkühr­ lich scheinen, wenigstens dunkel seyn, vielleicht sogar darum, weil ich sie mir selbst noch nicht deutlich genug gemacht habe. Ich will aber versuchen, ob folgende unterscheidende Merkmale sie vielleicht in ein helleres Licht setzen. 1., Das Urtheil über das Charakteristische eines Gegenstandes beschreibt denselben nur, und zwar nicht sowohl wie er ist, sondern, wie er auf unsre Empfindung einwirkt; das Urtheil über das Schöne würdigt ihn, bestimmt, ob er ist, was wir fordern, daß er sey. Es vergleicht seine Form mit den Ideen des Vollendeten, die wir in uns tragen. 2., Das Charakteristische kann Ausdruck einzelner unsinnlicher Beschaffenheiten, und bald dieser, bald jener seyn; das Schöne nur gewisser mit einander systematisch verbundner und immer derselben. Es führt also in seiner Form Vollständigkeit und Unveränderlichkeit un­ mittelbar mit sich. Denn die Verstandesform, welche es, indem sie in die Form der Erschei­ nung (wenn ich so sagen darf) übergeht, eigentlich zum Schönen macht, ist ein Ganzes und unveränderlich. 3., Daher ist es genau genommen schon sehr uneigentlich gesprochen, wenn ich sage: das Schöne druckt Ideen aus. Es druckt nicht aus, und thäte es auch das, so druckt es nicht einzelne Ideen aus. Es besteht bloß in der freien Zusammenstimmung seiner sinnlichen Form mit der unsinnlichen Form des Verstandes, d. h. jene ist von der Art, daß das Ge­ müth darin eine Uebereinstimmung mit dieser zu bemerken meynt. Es ist also hier nicht Ausdruck, der absichtliches Streben etwas, das früher da ist, nachzubilden voraussetzt, es ist ein Zusammentreffen zweier von einander unabhängiger, einander nicht suchender son­ dern freiwillig begegnender Naturen. Es ist nicht Ausdruck von Begriffen oder Ideen, es ist Ausdruck der Formen selbst, von welchen erst alle Begriffe und Ideen selbst ihr Daseyn erhalten. So müßte man es streng fassen und hiebei stehen bleiben. Nur um der Tech­ nik zu Hülfe zu kommen, nur um doch Anleitung (wenn Vorschrift unmöglich seyn sollte) 114  was wir finden, D1  117 verbundener D1  118  Er führt D1  123 drückt D1 (3×)  125 den unsinnlichen Formen D1  126  mit diesen D1  128  unabhängigen, einander nicht suchenden, son­ dern freiwillig sich begegnenden D1  129  Begriffen und D1  130  in welchen D1  131 hierbei D1

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zu geben, wie wohl der Wahn (denn solange wir nicht die gemeinschaftliche dem Sinnli­ chen und Unsinnlichen, wie wir es uns denken, zum Grunde liegende Natur kennen, ist es nicht mehr, als Wahn, für uns) jenes Zusammentreffens hervorgebracht werden kann? ist es nothwendig die Begriffe von Einheit, Freiheit u. s. w., die in den Kunsttheorien doch nur immer metaphorischen Gebrauch erlauben, aus der Welt der Ideen in die Welt der Erscheinungen überzutragen. Das Charakteristische hingegen ist im eigentlichsten Ver­ stande des Wortes Ausdruck, und kann Ausdruck von Ideen, Begriffen, Empfindungen u. s. f. seyn. 4., Wenn das, woraus ein Ding besteht, was es überhaupt zu einem Etwas macht, die Materie desselben, die Verbindung dieser Bestandtheile aber, das, was es von einem blo­ ßen Aggregat zu einem Ganzen bildet, die Form desselben heißt, so könnte man das Cha­ rakteristische Ausdruck des Unsinnlichen durch die Materie, das Schöne durch die Form des sinnlichen Gegenstandes nennen. Dieß Merkmal (wie ich es mir denke) scheint mir vorzüglich in die Augen springend. Allein es kann seyn, daß ich eine leere Subtilität hinein lege. Denn die Gestalt z. B. muß, meiner Vorstellungsweise nach, hier oft auch mit zur Materie gerechnet werden. Vielleicht macht ein Beispiel die Sache klarer. Ich nehme ein charaktervolles und ein schönes Gesicht. In dem ersteren bestimmt offenbar die Gestalt, die Größe, Lage, der Schnitt der einzelnen Theile, ja nicht allein das, sondern auch ihr Ver­ hältniß gegen einander den Charakter. Aber alles das ist hier Materie, oder wirkt wenig­ stens so. Die Wirkung nemlich, meyne ich, wird durch die Theile die dieß Verhältniß haben, nicht durch dieß Verhältniß, das gleichsam nur auf den Theilen ruht, hervorgebracht. Ueber diesem allem schwebt noch, wenn mir diese Metapher erlaubt ist, die reine Form, die reine Einförmigkeit oder Mannigfaltigkeit, Proportion oder Disproportion, u. s. f. und nur diese bestimmt das Urtheil über die Schönheit. Daher ist ja auch das Charakteristische so sel­ ten schön, und daher hat ja die Schönheit ihren eignen Charakter. Dieser Charakter aber ist (um dieß beiläufig zu sagen) sehr einfach, das ebenmäßigste Gleichgewicht und die höchste Ruhe – daher entweder Mangel an aller Kraft (wie in so vielen neueren Kunstwer­ ken, und in der menschlichen Schönheit, da dem Menschen nur theilweise groß zu seyn er­ laubt ist) oder eine so große und gleichmäßig vertheilte Kraft, daß sie sich selbst bändigt, und durch gegenseitige Achtung in die Schranken der Ruhe verweist, der Charakter der Gottheit in den Werken der Alten. Der redendste Beweis, daß wir so gut als keine Kunst mehr besitzen, ist eben das, daß unsre Künstler soviel mehr dem Charakteristischen, als dem Schönen nachstreben. Das Element der Kunst ist allein die reinsinnliche Form. Aber verzeihen Sie die Abschweifung. Je weitläuftiger ich bei diesem Stück, der Verbindung der Form des Verstandes mit der Erscheinung, in dem Begriffe der Schönheit gewesen bin, desto kürzer kann ich bei dem 134  zu Grunde D1  138  Verstand des Worts D1  140 u. s. w. D1  149  In dem ersten D1  151  Aber das Alles D1  157  ihren eigenen D1  166  diese Abschweifung. D1  167 weitläufiger D1

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zweiten Stück, der Verstandesform selbst seyn. Es ist diese keine andre, als welche Kant durch die Kategorien darlegt. Ihre Anwendung auf die Gegenstände, die wir schön nen­ nen, scheint mir nicht schwierig, und meine vorigen Briefe reden zum Theil davon. Auch war es nicht dieser Theil meiner Vorstellungsweise, gegen den Sie Ihre Angriffe richteten, sondern vielmehr jenes erstere Stück. Sie hielten meinen Weg nemlich für gefährlich, Sie glaubten, ich könnte theils dahin kommen, Vollkommenheit und Schönheit mit einander zu verwechslen; theils dahin durch individuelle Ideenassociationen einen willkührlichen Sinn in die Erscheinungen der Sinnenwelt, die wir schön nennen, zu legen. Hätte die bishe­ rige Auseinandersetzung ihren Endzweck erreicht und entspräche sie, was sie bei weitem nicht thut, ganz meinen Wünschen; so müßten, glaube ich, diese Besorgnisse nun ver­ schwinden. Denn es kommt, nach meiner Vorstellungsweise, gar nicht einmal hauptsäch­ lich, wie Sie mich bisher verstanden hatten, auf die unsinnliche Idee an, deren Darstellung der Grund der Schönheit seyn soll, sondern ganz eigentlich nur auf die Art, wie diese un­ sinnliche Idee in die Sinnlichkeit verwebt ist. Ja es ist nicht einmal eine Idee. Zugleich aber werden Sie nun noch deutlicher sehen, daß ich allein den Kantischen, nur erweiterten Weg gehe, und daß es keine eigne Theorie zu nennen ist. Verzeihen Sie aber jetzt, daß ich mich allein damit beschäftigt habe, meine eigne Mey­ nung aufzustellen. Ich that es nicht ohne Absicht. Theils sehe ich, daß ich mich in meinen vorigen Briefen nicht bestimmt genug ausgedruckt hatte; theils, denke ich, kommen wir nun leichter zum Ziel. Ich kann nemlich nun erst kurz und bestimmt angeben, wieweit ich eigentlich Ihrer Meynung beitrete. 1., Sie wollen, um den Merkmalen des Schönen auf die Spur zu kommen, die allge­ meinsten Eigenschaften aller Dinge (als Objecte) aufzählen, und jene Merkmale in densel­ ben aufsuchen. 2., Sie enumeriren diese Eigenschaften. 3., Sie bestimmen in denselben das Princip der Schönheit. 1., Die Wahl des Weges überraschte mich zuerst durch ihre Neuheit und ihren Scharf­ sinn. Aber bei genauerer Ueberlegung entstand der Zweifel in mir, ob die Schwierigkeit nicht mehr aufgeschoben, als aus dem Wege geräumt sey? Denn wenn Sie nun das Princip der Schönheit bestimmt haben, kommen Sie noch immer in die Nothwendigkeit es zu beweisen, und müssen Sie dieß nicht wieder entweder durch Vergleichung mit den Ge­ genständen thun, die schön sind, oder mit der Empfindung der Schönheit selbst? 2., Die Herleitung der Kategorien hat mir durch ihre Originalität, Präcision und Faßlich­ keit ein unendliches Vergnügen gewährt. Ich wüßte keine Silbe dagegen zu erinnern. Sie erläutert den Gang, den wir nehmen müssen, um dahin zu gelangen, ein Object zu bilden,

170 Kategorieen D1 (desgl. Z. 213)  173  jenes erste D1  188 Ziele. D1  wie weit D1  191 Objekte) D1 (desgl. Z. 217)  202  Vergnügen gemacht. D1 

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auf eine wahrhaft genievolle Art und ich erinnere mich nur weniger Raisonnements, die in so wenigen Zügen ein so vollendetes Ganze darstellen. 3., Daß das Princip der Schönheit ein Zustand des Gleichgewichts ist, ist nicht nur selbst ein sehr schöner, sondern auch ein sehr wahrer Gedanke. Ich ziehe ihn sogar der Schillerschen Bestimmung: Freiheit weit vor, da Freiheit (in diesem Sinn: Herrschaft der Form) die Unterdrückung und den erzwungenen Gehorsam der Materie nicht ausschließt, hingegen Gleichgewicht ein freiwilliges Uebereinkommen, oder wenigstens eine gleiche Kraft anzeigt. Auch dagegen, daß Sie die Schönheit in Einer Kategorie, ich in allen suche, würde ich wenig einwenden. Denn bei der näheren Bestimmung würden auch Sie, glaube ich, Merkmale aus den andren Kategorien, nur in einer andern Unterordnung, nemlich als nur mittelbar und nur zur Existenz dieses Gleichgewichts nothwendig entlehnen müssen. Meine Zweifel sind nur folgende: a., Sie sagen Gleichgewicht zwischen der innern Kraft und dem äußeren Widerstande. Raubt dieß nicht dem schönen Objecte an Selbstständigkeit? b., Ist der Zustand des Gleichgewichts bloß Princip der Schönheit? Nicht auch der Voll­ kommenheit? und worin liegt nun der unterscheidende Charakter der ersteren? – Aber vielleicht meynten Sie nur: diesen Zustand in der Erscheinung. – Soviel für heute. Verzeihen Sie nur dieß erste Hinwerfen der Ideen, das bei mir keine Geschäfte entschuldigen, die Nachlässigkeiten des Stils, die Unleserlichkeit des Schrei­ bens, und antworten Sie mir bald. Wie werde ich mich freuen, wenn bald ein neuer Brief mir meine Zweifel über Ihre Theorie löst, und meine Gedanken berichtigt. Von Neuigkeiten, im Fall Sie sie noch nicht wüßten, nur soviel: Fichte, Woltmann und Ilgen kommen Ostern hieher; Hufeland der Jurist besucht Sie um die Zeit der Messe in Dresden; Schiller hat schon ein Quartier und man erwartet ihn noch immer im Frühjahr. Wie gern wäre ich an Hufelands Stelle oder mit ihm! Schlegel vergesse ich gewiß nicht. Auch habe ich dem Koadjutor in Erfurt, dem solche Gelegenheiten wohl vorkommen, davon geschrieben. Leben Sie recht herzlich wohl. Meine Frau und ich grüßen Sie und die Ihrigen tausend­ mal! Ihr Humboldt.

208  diesem Sinne D1  212  bei näherer Bestimmung D1  214  nur mittelbare D1  216 der inneren D1  220  Erscheinung. Soviel D1  224  Theorie löste, D1  225  im Falle D1  226 hierher; D1  Hufeland (der Jurist) D1  227  Dresden. [/] Schiller D1

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311.  An Christian Wilhelm v. Dohm in Aachen

Jena, 4. April 1794

,Rechenschaftsbericht‘ an den einstigen Lehrer über die Entschlüsse, die Humboldts gegenwärtige Lage ermöglicht haben: der Rückzug vom Staatsdienst; Verzicht auf geplante Reisen wegen der Schwangerschaft Karolinens; Übersiedlung nach Jena. Plan einer mehrjährigen Auslandsreise zwecks Erweiterung der Menschenkenntnis. Zusammenleben mit Dalberg; ausführliche Würdigung seines Charakters. Wichtigkeit liberaler Grundsätze in der Kindererziehung. Dohms Wunsch, ein Landgut zu erwerben.

Jena 4. April 1794. Welch eine herzliche, tief eingehende und dauernde Freude mir alle Ihre Briefe, und Ihr letzter in so vorzüglichem Maaße gab, vermag ich Ihnen in der That nicht zu schildern. Sie erlauben mir, Ihnen immer über meine Lage, die Art und die Gründe meines Handelns so offen zu schreiben, mir gleichsam vor Ihnen, selbst Rechenschaft von beiden – in so fern beides mein freies Werk ist [–] zu geben, und von allen meinen älteren Bekannten, vorzüglich von allen Männern, die mich, wie Sie, seit dem ersten Anfang einiger Bildung beobachteten, und denen – ich komme so gern darauf zurück – ich einen so großen Theil der Fortschritte darin danke, sind Sie der Einzige, zu dem ich eigentlich mit Vertrauen über jene Dinge zu reden im Stande bin. Bei Ihnen allein – ich werde mich ewig an Ihre letzte Anwesenheit in Berlin erinnern, wo ich gerade auf dem Punkt war, die Laufbahn der Geschäfte zu verlassen, und darüber die misbilligende Unzufriedenheit so vieler Männer, die ich sonst innig achte, einerntete – bei Ihnen allein, sage ich, fand ich wahre Würdigung und Billigung der Wahl meiner Lebensart, und ich leugne es nicht, daß die tiefe Achtung, die ich schon längst für Verbreitung häusli­ chen Glücks und einer selbstgewählten Thätigkeit fühlte, erst durch Ihren Beifall wahre Fes­ tigkeit gewann. Eben diese Gesinnungen, die Schilderung Ihrer Lage und Ihres Lebens, und die freundschaftliche Vertraulichkeit welche diese Schilderung begleitet, dieß alles giebt mir einen warlich unaussprechlichen Genuß, und die Sehnsucht, Sie einmal auf einige Zeit selbst mit den Meinigen zu besuchen ist durch Ihren letzten Brief wieder aufs Höchste ge­ stiegen. Dazu kam, daß ich bald darauf auch einen sehr herzlichen Brief von unserm Jacobi erhielt, den ersten nach Jahren, und das Glück, Sie beide und beide zugleich zu genießen schwebt meiner Seele in tausend süßen Gestalten vor. Für das erste Jahr, selbst für die bei­ den ersten kann ich nur diese Hoffnung nicht nähren. Ich kann auch nicht einmal ein leider! hinzusetzen. Denn freilich ist auch das Hinderniß freudig und süß. Ich schrieb Ihnen, denk’ ich, daß meine Frau schwanger ist. Sie erwartet jetzt ihre Niederkunft in einigen Wochen, und einem Kinde unter zwei Jahren ist, vorzüglich wenn die Mutter sich selbst viel damit beschäftigen will, wie Sie selbst gewiß wissen, das Reisen nicht zuträglich. Dann ist auch unglücklicher Weise Ihre Gegend jetzt nicht gemacht, weder Besuch zu empfangen, noch

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zu geben. Vorzüglich Ihret- und Jacobis wegen schmerzt es mich, daß der Schauplatz des Krieges sich nun ganz in Ihre Nachbarschaft zu ziehen scheint. Ich habe das Land verlassen, wie Ihnen die Ueberschrift dieses Briefes sagt, und bin auf einige Monate hierher gezogen. Die nächste Veranlassung war meine Frau, die hier an Stark sicherer Hülfe findet. Allein die gesellschaftlose Stille des Orts, die schöne Gegend, die Anwesenheit einiger doch interessanter Männer, und die Nachbarschaft von Weimar, Erfurt u. s. w. kann vielleicht machen, daß ich länger hier bleibe, als jene Absicht erfordern würde. Auch bin ich in einiger Verlegenheit über die Wahl eines Aufenthaltes. Denn so lieb mir das Land ist, so mag ich mit Kindern, und einer doch manchmal länger kränklichen Frau keinen solchen Aufenthalt mehr. Dieser Winter hat mir hierin manche äußerst unan­ genehme Erfahrung gegeben. Also eine Stadt und welche? Im Preußischen sind mir zwei Umstände verhaßt. Einmal schlechte, oder doch nicht vorzügliche Gegenden, oder wo dieß besser ist, z. B. in Schlesien, Entfernung von den interessantesten Gegenden Deutsch­ lands, Mangel an litterarische Kommunikation. Nur das Baireuthische und Anspachische allenfalls reitzt mich. Außerhalb? Da schrecken mich zum Theil die Edicte gegen den Auf­ enthalt außerhalb Landes. Hierüber, nemlich ob Sie es für rathsam hielten um Erlaubniß anzusuchen, oder, weil es noch schlimmer ist, wenn diese abgeschlagen wird, für gefähr­ lich es so zu thun? wünscht’ ich wohl gelegentlich Ihre Meinung zu erfahren. Nur müssen Sie nicht denken, daß es auf ein förmliches Etablissement, ein Herausziehn des Vermögens abgesehn wäre. An ein solches Fixiren denkt meine Frau und ich noch nicht. Es wäre nur ein Interimsaufenthalt auf höchstens 4 bis 5 Jahre. Indeß wachsen unsre Kinder heran, und es ändert sich auch vielleicht allerlei in unsrer äußern Lage; kurz wir kommen dann unserm eigentlichen Plane, einer größeren Reise, die uns mehrere Jahre außerhalb Deutschland hält, näher. Diesen Plan kann ich nicht aufgeben. Er hängt zu innig mit allen meinen Ideen und allen Gegenständen meines Nachdenkens und Studiums zusammen. Nach dem, was mein voriger Brief von diesen enthält, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen, wie nothwen­ dig es wäre, die Menschheit in vielerlei Gestalten zu sehen, und da so wenige im Stande sind, dieß zu thun, und es mir nicht fehlen kann, wenigstens in eine noch bequemere Lage dazu zu kommen, so halte ich es sogar für Pflicht, dieß nicht zu versäumen. – Doch das liegt in der Ferne, und ich lebe so gern in der Gegenwart. Diesen Sommer bleibe ich hier, nächsten Winter vielleicht auch und dann werde ich ja weiter sehen. Ihr Brief fand mich gerade in Erfurt, wo ich dießmal vier Wochen im Hause des Koad­ jutors selbst lebte. Dieß nahe Zusammenwohnen mit ihm – es trennte unsre Zimmer nur ein schmaler Gang – veranlaßte ein häufiges Sehen und Alleinsprechen. Alle Mittag aß ich mit ihm. Des Abends pflegte er noch eine Stunde wenigstens mit mir zu verplaudern und so hatte ich nun die vollste Gelegenheit mein Urtheil über ihn zu berichtigen. Und ich freue mich sehr dieser Berichtigungen. Im Ganzen zwar habe ich wenig daran zu ändern. Aber die Meynung von allen seinen guten Seiten hat sich unendlich in mir befestiget und auf mannigfaltig neue Art bewährt, und was die minder vortheilhaften betrifft, so habe

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Brief 311–312

ich jetzt doch gefunden, daß selbst diese auch in ihren Folgen nicht so nachtheilig sind. Denn daß sie alle in ihren Quellen gut sind, ist unverkennbar. Sein Charakter ist durchaus rein, und sein höchstes Bestreben ist darauf gerichtet. Das ist sicherlich der Hauptzug in dem Gemählde. Aller Irrthum, alle Fehler rühren gewiß aus dem Verstande bei ihm her, und selbst seine Leidenschaften siegen nur auf diesem Wege, und nicht wie gewöhnlich im Menschen, sondern auf eine wunderbare Weise. Wir haben mehreremale von Ihnen gesprochen, und er hat mir ausdrücklich aufgetragen, sein Andenken bei Ihnen zu erneuen. Er fühlt ganz die Achtung für Sie, die es einen Mann von wahrem Gehalte freuen kann, von vorzüglicheren Menschen zu genießen. Die Schilderung Ihres häuslichen Lebens, und was Sie mir von Ihren Kleinen sagen, hat mich unendlich gefreut. Sagen Sie Ihrer vortrefflichen Gattin recht viel Freundschaftliches und Herzliches von uns beiden. Der Anblick der Entwicklung der geistigen Kräfte bei Kin­ dern ist einer der interessantesten überhaupt, und bei eignen der beglückendste den ich kenne, wenn er mich gleich in höherem Maaße erst noch erwartet. Unsre Kleine, die nun noch nicht 2 Jahre alt ist, macht uns schon unglaubliche Freude, und es ist mir sehr lieb, nicht das an ihr zu sehen, was man sonst an den klugen Kindern rühmt, wohl aber die kin­ dische Verständigkeit, Neugierde, Aufmerksamkeit, leichtes Begreifen. Selbst ihre Heftig­ keit, oft ihr Eigensinn macht mich nicht fürchten. Kraft ist überall gut, auch in der Begierde, und mein Prinzip in der Erziehung würde kein anderes seyn, als: keine Kraft unterdrücken, nicht einmal einschränken (auch heißt das wirklich nur sie erhöhen) aber die intellektuel­ len Kräfte so viel stärken als möglich ist, immer für das Vermögen deutlicher Begriffe und fester Grundsätze zu arbeiten, und die Sinnlichkeit ihren Gang gehen zu lassen. Gelingt das erstere Bemühen, und das kann nicht mislingen, so wird die letztere im Kampf doch unterliegen wo sie unterliegen soll, und es kann doch nur der Kampf heilsam seyn, der durch sich selbst errungen wird. – Aber verzeihen Sie diese pädagogische Abschweifung. Sollte mir ein Landgut vorkommen, so vergesse ich Ihren Auftrag gewiß nicht. Allein freilich wird dieß jetzt nicht leicht geschehen. Auch gestehe ich offenherzig, glaube ich nicht, daß die Lage für Sie wäre, das Gut müßte denn so nah liegen, wie z. B. Pempelfort. Allein dann heißt’s auch nur auf dem Lande leben. Ist das nicht, so habe ich Eine Unbe­ quemlichkeit schon oben erwähnt, die leider bei Ihnen auch für Ihre Person zu besorgen ist. Wichtiger vielleicht noch ist eine andere. Es fehlt doch immer auf dem Lande an inte­ ressantem Umgang, selbst an litterarischer Mittheilung. Für einen jungen Menschen, wie ich, der noch vieles erst zu lernen hat, für den es ganze, selbst nur wenige Bücher erfor­ dernde Studien giebt, denen er allein große Perioden widmen muß, ist das minder schäd­ lich. Aber für einen Mann wie Sie, der auf dem Punkte steht, nun mit den Fortschritten des Zeitalters fortzugehen, (nicht erst sie nun einzuholen,) sie selbst zu befördern, über den Stoff, den er lange gesammelt hat, nachzudenken, und durch die Resultate seines Nach­ denkens nützlich zu werden, ist der Fall bei weitem anders. Und ich selbst empfand in jener Hinsicht schon einige Unbequemlichkeiten.

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Doch endlich genug für heute. In welchem Wirrwarr der Geschäfte mag dieser Brief Sie finden, zu welchem vollen Tische von meinem leeren gehen, und ich schwatze so mü­ ßig fort. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren. Möchten Sie auch eine Muße, wie z. B. die meinige ist, genießen! Wieviel besser würden Sie sie benutzen! Dieß sage ich mit voller Zustimmung meines Herzens und ohne Unzufriedenheit mit mir selbst. Aber end­ lich genug. Leben Sie wohl, und erhalten Sie mir Ihre liebevolle Freundschaft, wie Sie der meinigen und meiner innigsten Achtung auf ewig so gewiß sind. Ihr Humboldt. Ich sagte Ihnen nichts vom Befinden meiner Frau, für das eine Stelle meines Briefes Ihre Freundschaft besorgt machen könnte. Sie war sehr kränklich in der That diesen Winter, al­ lein seit einigen Wochen ist sie recht leidlich, und wenigstens ist für ihre Niederkunft u. die Wochen nichts eben zu besorgen. Sie empfiehlt sich Ihnen herzlichst, und hat sich Ihres Briefes mit mir unendlich erfreut.

312.  An Wolf in Halle

Jena, 28. April 1794

Energische Verteidigung der jüngsten Pindar-Übersetzung gegen Wolfs Kritik, aber auch Aufschub des geplanten Druckes; Detailfragen: Harfe spielende Musen, Typhon als schlangenartiges Ungeheuer. Zufriedenheit mit der Gegend um und Gesellschaft in Jena; Mitarbeit an der ‚Allgemeinen Literaturzeitung‘.

Jena, 28. April, 94.

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Verzeihen Sie mir ja, liebster Freund, daß ich Ihren mir so angenehmen Brief erst so spät beantworte. Allein in Jena hier giebt es doch hie und da eine Störung mehr, als in BurgOerner, und da ich Sie selbst mit Homericis so beschäftigt weiß, so ists mir immer, als störte ich Sie mit Episteln. Ihre Anmerkungen zu der Ode, von denen ich einige gewiß benutze, haben mir viel Freude gemacht, vorzüglich auch darum, weil es mir lieb war einige Stellen, wo ich von den V V. DD. abgegangen bin, durch Ihr Urtheil bestätigt zu sehen. In Ihr Urtheil im Ganzen, gestehe ich offenherzig, kann ich nicht einstimmen. Ich halte die Uebersetzung wenigstens für meine beste, und der Gedanke, damit vor dem Pu­ blicum zu erscheinen, ist mir noch nicht ganz vergangen. Ich sage Ihnen das ebenso offenherzig, als ich Ihnen, mein Inniglieber, für Ihre Offenheit danke. Was Ihre ein­ zelnen Anmerkungen betrift, so fürchte ich sie nicht. Eben weil es nur einzelne sind,

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Brief 312–313

läßt sich das, was Sie tadeln ausmerzen und verbessern. Das thue ich auch gewiß an mehr als Einer Stelle. Mit einigen aber kann ich nicht übereinstimmen, und hof­ fentlich sehn wir uns ja bald einmal wieder, um Gründe gegen Gründe zu wechseln. Muthloser macht es mich, daß ich aus Ihrem Briefe schließe, daß auch das Ganze Ih­ nen nicht gefallen hat. Flecken lassen sich auswischen; aber solche radicalGebrechen sind und bleiben radical. Und mir selbst waren matte Uebergänge und holprichte Stellen hie u. da an der Ode fatal, u. sind es zum Theil noch. Deswegen, aber eigent­ lich durch Ihr Urtheil bewogen, habe ich den Druck der Probe, den ich sonst gleich besorgt hätte, wenigstens bis Michaelis hinausgeschoben. Theils wird bis dahin mir das Ding zur besseren Beurtheilung fremder; theils ists ja möglich, ich übersetze bis dahin eine, die besser geräth. Nur über zwei Dinge noch eine Bemerkung und dann genug davon! Sie fragen: wird den Musen irgendwo die Harfe so beigelegt, daß sie spielen? Aber, wenn Sie nicht die Schwierigkeit in der Gattung des Instruments su­ chen (Harfe) kommen nicht Musen, mit Saiteninstrumenten in der Hand auf Gem­ men unzählichemale vor, und soll das nicht eignen Gebrauch anzeigen. Ist das aber nicht, sollte nicht begleitender Schmuck ebenso vage als σύνδικον κτέανον seyn? Daß ich den Typhoeus freilich sonderbar ein kriechendes Ungeheuer nenne, haben Sie aus seiner Lage auf dem Bauch unter dem Aetna hergeleitet. Allein ich bin durch eine Stelle im Strabo l[iber] 16. wo es heißt, daß einige glaubten, er sey eine Schlange gewesen, und vorzüglich durch eine Gemme in den pierres gravées du Cabinet du Duc d’Orléans darauf gekommen, in der er wirklich statt der Füße Schlangenge­ winde hat. Sie wünschen etwas über meinen hiesigen Aufenthalt zu hören, und ich kann Ih­ nen mit Wahrheit sagen, daß ich noch mit keiner Stadt so zufrieden gewesen bin. Die Gegend ist so sehr schön, und Gesellschaft brauche ich so gut, als gar nicht zu sehen, ohne darum mit den Leuten auf üblem Fuß zu stehen. Dabei sind mir doch einige Männer hier wirklich interessant, Schütz, Hufeland, Paulus, und diese kann ich gerade alle ohne alle gêne genießen. An Büchern ist auch wenigstens nicht eben Mangel u. überdieß brauche ich jetzt wieder nicht sonderlich viele. Denn ich muß Ihnen nun offenherzig gestehn, daß Philosophie u. Politik der Philologie wieder viel Raum abgenommen haben. Indeß geschieht doch etwas Griechisches täglich. Stel­ len Sie Sich vor schon im Herbst haben mir S[chütz] u. H[ufeland] angeboten, mit an der A LZ . zu recensiren. Allein der nach Auleben addressirt gewesene Brief hat sich verloren. Jetzt habe ichs angenommen, jedoch mir vorbehalten nur äußerst we­ nige, u. bloß mir selbst interessante Bücher zu nehmen. Nur um nicht gleich anfangs so ekel zu scheinen, habe ich unbedeutende übernommen, und werde in wenigen Tagen ein halb Dutzend Rec. vom Stapel gehen lassen. 16  sehen wir h, D1  28 unzähligemale D1  43 gestehen, D2  50  von Stapel D1

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Meine Frau, die Sie herzlich grüßt, erwartet ihre Niederkunft jetzt täglich. Ihr Be­ finden ist doch meist leidlich. Gut kann man freilich eigentlich nicht sagen. Desto muntrer ist unsre Kleine. Die Entbindung melde ich Ihnen so schnell, als möglich. Empfehlen Sie uns Ihrer Frau Gemahlin u. grüßen Sie innigst Ihre lieben Mäd­ chen. Leben Sie wohl, theurer lieber Freund, u. schicken Sie mir bald den Rest der Ilias der mir dadurch doppelt willkommen seyn soll, daß ich Sie davon frei u. unge­ bunden weiß. Ewig Ihr  H. Der Larcher erfolgt anbei. Wir sind aber schon in 2 Tagen noch mit dem ganzen Vater der Geschichte fertig u. ich danke also für die Folge. Schütz hat den Larcher auch u. hat ihn mir geliehen. Sie haben noch Reinholds Vorstellungsvermögen von mir. Könnte ichs wohl zurückerhalten? Auf den Herodot denke ich lasse ich für meine Frau die anabasis u. dann – wenn der Thucydides noch zu schwer ist – Xen: Griech. Gesch. folgen.

313.  An Johann Gottlob Schneider in Frankfurt/O.

Jena, 16. Mai 1794

Dank für die Übersendung des Handexemplars der Pindar-Ausgabe des Adressaten. Bereitwilligkeit, für ihn naturhistorische Auskünfte einzuholen. Schütz’ Aischylos-Ausgabe. Bedauern, Schneider während der Studienzeit in Frankfurt/O. nicht aufgesucht zu haben.

Jena, 16. May, 1794.

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Der gütige und freundschaftliche Beweis, den Sie mir, hochgeehrtester Herr Professor, von Ihrem Antheile an meinen an sich so unbedeutenden litterarischen Beschäftigungen durch die Ueberschickung Ihres Pindar gegeben haben, hat mich innigst gerührt, und ich statte Ihnen meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank dafür ab. Gewiß hätte ich auch nicht versäumt, dieß früher zu thun, und Ihnen von dem richtigen Eingange des Buchs Nachricht zu geben, wenn ich nicht Ihre gütige Zuschrift vom 19. M[ärz] erst am 30t emp­ fangen, und gleich darauf durch einige häusliche Umstände, zu welchen ich vorzüglich die Niederkunft meiner Frau rechne, die indeß recht glücklich mit einem Sohne erfolgt ist, eine nicht unbeträchtliche Störung in meinen Arbeiten gehabt hätte. Eben diese Ver­ anlassungen sind Ursache, daß ich Ihr Exemplar bis jetzt nur habe ansehen, und flüchtig durchblättern können. Ihre gütige Erlaubniß, mich dabei nicht zu übereilen, nehme ich 53  munterer ist unsere D1

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Brief 313–314

um so mehr mit Dank an, als mich gerade jetzt auch einige in Philosophie und Politik ein­ schlagende Gegenstände beschäftigen, und dem Pindar einen Theil meiner Muße entzie­ hen. Daß ich den Rändern Ihres Exemplars eine große Ausbeute danken werde, ist keinem Zweifel unterworfen. Selbst wenn, da vielleicht die meisten Bemerkungen mehr auf die Kritik als Interpretation übergehen, Wenigeres beim Uebersetzen unmittelbar brauchbar seyn sollte, so wird das Uebrige doch mich belehren, und so auf mein Product mittelbar Einfluß ausüben. Ich wiederhole Ihnen daher von ganzem Herzen meinen verbindlichsten Dank, und wünschte nur, ihn Ihnen auf eine thätige Weise dadurch, daß ich auch Ihnen auf einige Art nützlich würde, erweisen zu können. In dieser Rücksicht thut es mir sehr leid, daß ich von dem Harz jetzt entfernt lebe, und auch dort keine Connexionen habe, u. das Gut, von dem ich Ihnen das erstemal zu schrei­ ben die Ehre hatte, vom eigentlichen Harz noch beträchtlich entfernt liegt. Wenn Ihnen aber in der hiesigen Gegend oder auf dem Fichtelgebirge irgend etwas von Amphibien interessant, so könnte ich es höchst wahrscheinlich gut verschaffen. Am Fichtelgebirge durch meinen Bruder, der als OberBergMeister den Bergbau in den beiden Fränkischen Fürstenthümern dirigirt, und Ihnen vielleicht, als mineralogischer und botanischer Schrift­ steller bekannt ist; hier durch meinen Freund, den Hrn. Prof. Batsch, der hier neuerlich eine naturforschende Gesellschaft gestiftet hat, und viel Eifer für seine Wissenschaft mit viel Gefälligkeit für seine Freunde verbindet. Ich ersuche Sie daher recht dringend, verehrungs­ würdigster Freund, mir, wenn Sie aus diesen Gegenden etwas zu besitzen wünschten, Ihre Aufträge deshalb zu geben, da ich Sie nur bitten müßte, etwas detaillirt einzurichten, da es mir leider an aller Sachkenntniß hierin fehlt. Hrn. Hofrath Schütz, den ich oft sehe, und wegen seiner mannigfaltig schätzbaren Sei­ ten innigst hochschätze, habe ich Ihr Compliment bestellt, ihm auch Ihren Wunsch, den Aeschylus beendigt zu sehen, geäußert. In Ihr Urtheil über seinen Commentar stimme ich völlig ein. Neben vielen Vorzügen möchte ich zu große Weitläuftigkeit und hie und da Uebergehung einiger in kritischer Hinsicht wichtigen Stellen tadeln. Wenigstens habe ich dieß bei meinem genauen Studium des ganzen Aeschylus vor anderthalb Jahren zu be­ merken geglaubt. Er hat mir versprochen selbst einen Brief an Sie nebst dem letzten Pro­ gramme über den Aeschylus, außer dem kein anderes existirt, diesem Briefe beizulegen, und ich erwarte beides noch vor Abgang der Post. Ist Ihnen vielleicht eine Uebersetzung eines Chors aus den Eumeniden von mir im August d. v. J. in der Berl. MSchrift zu Gesichte gekommen? Ich habe selbst gar kein Exemplar davon, sonst wäre ich so frei es beizulegen. Ich bin allerdings derselbe, der mit meinem Bruder in Frankfurt ein ½ Jahr studirte. Nur Ueberladung mit juristischen Studien, nicht gänzliche Freiheit meiner Lage, und eine auf das Bewußtseyn der Mängel meiner Kenntnisse gegründete Blödigkeit, konnte mich ab­ halten, mit einem Manne, den ich schon damals so innig verehrte, als Sie, verehrungswür­ digster Freund, nicht in persönliche Bekanntschaft zu kommen. Wie herzlich ich es jetzt bedaure, bedarf gewiß keiner Versicherung.

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Von Herzen wünsche ich, daß das Rectorat die so wichtige Ausgabe der script[ores] rei rust[icae] nicht verzögern möge; aber zu spät erinnere ich mich, daß ich selbst durch so lange Briefe als dieser ist, Ihre Zeit auf eine wenigstens eigennützige Weise verkürze. Verzeihen Sie mir, hochgeehrtester Herr Professor, diesen Fehler wegen des Grundes, aus dem er herfließt, und erlauben Sie mir, mich mit der aufrichtigsten und unwandelbarsten Verehrung und Ergebenheit zu nennen Ihren gehorsamsten Diener und Freund, Humboldt. Der Hr. HR . Schütz hat nicht Zeit zum Schreiben gehabt, mir aber die Inlage geschickt und verspricht, den Brief bald nachzusenden.

314.  An Hans Friedrich Vieweg in Berlin

Jena, 23. Mai 1794

Anfrage wegen Verlages einer Übersetzung des ihm persönlich noch unbekannten Friedrich Schlegel.

Jena, 23. May, 94.

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Aufgemuntert durch die gütige Gefälligkeit, von der Ew. Wohlgeb: mir mehrere Proben gegeben haben, bin ich so frei, mich in einem vor wenigen Tagen erhaltenen Auftrag an Sie zu wenden. Ein junger Mann in Dresden wünscht einen Verleger für die Uebersetzung fol­ genden Buches: The history of Greece by Will. Mitford Esq. Lond. 4° Vol. 1. 1784. S. 495. Vol. 2. 1791. S. 700. und Additions and Corrections to the first Volume of the hist. of Greece by Will. Mitford Esq. Lond. 4° 36. S. zu finden. Er ist bereit, das Original nicht nur, wenn es nöthig seyn sollte, abzukür­ zen, sondern auch mit eignen Anmerkungen, Berichtigungen, und Beilagen zu ver­ sehen, und läßt, da er jetzt von allen Geschäften frei ist, die Zeit ganz von der Wahl des H. Verlegers abhängen. 10  hist. of. H

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Brief 314–315

Da es vielleicht möglich wäre, daß Ew. Wohlgeb. zu dem Verlage Lust hätten, und ich wenigstens dem jungen Manne einen Verleger, wie Sie, wünschte, so ver­ anlaßt mich dieß zu der gegenwärtigen Anfrage bei Ihnen. Um aber auch Sie in den Stand zu setzen, die Sache völlig zu beurtheilen, so erlauben Sie mir ein Paar Worte über das Buch und den Uebersetzer hinzuzufügen. Das Original ist mir selbst nur dem Titel, und einer vortheilhaften Recension in den Gött. gel. Anz. nach bekannt. Ew. Wohlgeb. würden aber leicht in dem Allgem. Repert. nähere Auskunft finden. Uebersetzt ist es, soviel ich weiß, noch nicht. Ebensowenig kenne ich den Uebersetzer von Person. Allein er wird mir von ei­ nem meiner speciellsten Freunde, der ein überaus sachkundiger Mann, und selbst Schriftsteller ist, sehr dringend empfohlen. Wie mir dieser schreibt, so lebt er jetzt allein in dem griechischen Alterthum, und ist mit einer Geschichte der griechischen Dichtkunst beschäftigt, so daß der Gegenstand des Mitfordischen Werks sein Stu­ dium und sein Nachdenken lange und anhaltend beschäftigt hat. Etwas Genaueres bin ich selbst Ew. Wohlgeb. nicht zu sagen im Stande. Ich wünschte jetzt nur, daß Sie die Güte hätten, mir so bald als möglich zu schrei­ ben, ob Sie zur Uebernehmung des Verlags Lust hätten? und wieviel Honorarium Sie zu geben gedächten? FreiExemplare verlangt er nicht, solche ausgenommen, die er namhaft machen wird, für Gelehrte, die zugleich Recensionen besorgen. Allein ein Exemplar des Englischen Werks und der kleinen Schrift müßte er sich ausbitten. Sobald ich Ew. Wohlgeb. Erklärung erhalte, theile ich sie, im Falle sie bejahend ausfällt, dem jungen Manne durch meinen Freund mit, und überlasse es alsdann ihm, mit Ihnen das Weitere selbst zu verabreden. Da ich bei Ew. Wohlgeb. noch mit 1 Ex. von Voß Homer in Rückstand bin, so ersuche ich Sie, die Rechnung an H. Assessor Kunth in Berlin zu senden, worauf sogleich die Bezahlung erfolgen wird. Ich freue mich durch die Besorgung dieses Auftrags eine Gelegenheit gefunden zu haben, mein Andenken bei Ihnen zu erneuern, und habe die Ehre, mit wahrer Hochachtung u. Ergebenheit zu seyn Ew. Wohlgeb. ergebenster, Humboldt. Meine Adresse ist: Jena im Hause des H. HofCommissarius Voigt.

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315.  An Wolf in Halle

Jena, 30. Mai 1794

Karolines gute Verfassung nach der Geburt Wilhelms. Ungeduldiges Erwarten des Abschlusses der Ilias-Ausgabe; Wolfs ‚Prolegomena‘. Morgensterns Schrift über die Platonische Republik. Die geplante Rezensententätigkeit. Ilgens eigenwillige me­ trische Theorien.

Jena, 30. May, 94.

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Schon längst, liebster Freund, hätte ich Ihren herzlichen, uns so willkommenen Brief beantwortet, wenn nicht mein Schwiegervater u. Schwager die ganze vergan­ gene Woche bei mir zugebracht hätten, und ich dadurch gänzlich in der Ordnung meiner gewöhnlichen Beschäftigungen gestört worden wäre. Verzeihen Sie also, daß Sie erst jetzt unseren innigsten Dank für Ihre liebevolle Theilnahme empfangen; gewiß ist er aber darum nicht minder lebhaft und aufrichtig. Ganz unsern und Ihren freundschaftlichen Wünschen gemäß, geht es mit meiner Frau recht gut, und sie ist sehr wohl und munter, auch wenigstens bei weitem nicht so entkräftet, als wir es fürchteten. Der kleine Junge gedeiht auch. Wir nennen ihn Wilhelm, und es fehlt Ihnen also kein Datum mehr zur Dedication. Die Schwester wundert sich höchlich über ihn, und weist oft mit Fingern auf ihn. Das Mädchen wird jetzt täglich lieber u. unterhaltender. Nur mit dem Sprechen will es gar noch nicht fort. Sie sagt kaum mehr, als im Winter in BOerner. – Mit Ihrer Lage, theurer Freund, bin ich gar nicht zufrieden. Ihnen dieß gerade zu zu sagen, müssen Sie schon meiner Freundschaft erlauben. Sie verließen Ihr Haus ja, weil es zu eng war, u. nun haben Sie ein noch en­ geres. Ich sehe Sie also in Gedanken im Herbst wieder ausziehn, u. wieder neue Stö­ rung u. Mühseligkeit erdulden. Wenn Sie nur indeß erst mit dem Homer fertig sind. Aus dem Bogen, der in Ihrem letzten Brief lag sehe ich doch daß damals χ schon an­ gefangen war. Sie vergessen doch nicht mir, sobald der Druck fertig ist, alle mir noch fehlende Bogen zu schicken, u. meine Frau wartet auch ungeduldig auf ihr schönes Exemplar. Ich habe jetzt 1 B[ogen] Prol[egomena] u. vom Text B. A –Q. incl. u. vom 2tn Th. B. O. Die Prol. haben mir große Freude gemacht, u. mit ungeduldiger Sehn­ sucht sehe ich der Folge entgegen. Sie sind vortreflich geschrieben, u. setzen die höchsten Grundsätze der Krit. nicht nur sehr klar, sondern auch so bestimmt, als bisher noch nirgends geschehen war, aus einander. Vom Text habe ich neulich etwa 10 Bücher in Ihrer neuen Ausgabe gelesen. Ich bin auf zwei Kleinigkeiten im Druck gestoßen, die Sie aber gewiß schon bemerkt haben. V II . 385. Ατρείοη u. 403. υιες ohne Spiritus u. Accent. – Der Morgenstern erfolgt anbei zurück. Ich habe ihn ganz 20  noch fehlenden h2 D1  28  haben VII. D2

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Brief 315–316

u. mit allen beweisenden Noten, die mir manchmal zu gehäuft scheinen, gelesen, u. er hat mir viel Vergnügen gemacht. Auch bin ich nicht Ihrer minder lobenden Meynung. Das Plat. System scheint mir von den Seiten, welche die Schrift behan­ delt, nicht bloß richtig, sondern auch in Platos Geist dargestellt. In der Hauptidee, dem Zweck der Republik, war ich – wir sprachen ja auch schon davon – schon vor­ her der Meinung des Vfs. Im zweiten Theil, glaube ich, hätte er das Verhältniß der Plat. Vorstellungsart zur heutigen krit. Phil. genauer darlegen sollen, u. ich gestehe, daß es mir vorkommt, als würde, wenn er dieß gethan hätte, einige Unrichtigkeit zum Vorschein ge­ kommen seyn, die jetzt verborgen ist. Ich schließe dieß aus einigen Aeußerungen über die (meiner Meynung nach offenbar nicht ganz lautre) Reinheit des Plat. Moralsystems. Indeß ist dieß nicht wichtig. Denn ich will nicht sagen, daß er das Plat. System nicht richtig dar­ gestellt hätte, sondern bloß, daß er das Verhältniß desselben zur wahren Phil. nicht genug erwogen hat. Was die Darstellung betrift, so wünschte ich einige Mängel weg, welche die Arbeit so ganz, als eine jugendliche charakterisiren. Dahin rechne ich vorzüglich die ganze u. an so ungleiche Männer gerichtete Dedikation, im Text selbst aber Weitschweifigkeit, Herbeiziehung zu weit entfernt liegender Gegenstände, u. zu große Ausführlichkeit in den Beweisstellen. Hier haben Sie mein vollständiges Urtheil. Um dieß in eine förmliche Recension zu verwandeln müßte ich einen großen Theil des Plat. neu, u. einen andern wiederholt lesen. Dieß liegt jetzt zu sehr außer meinem Gesichtskreise. Sie verzeihen also mein Ablehnen. Ich befolge dabei das Gesetz, das ich mir überhaupt bei der ALZ. ausbe­ dungen habe. Ich habe gleich erklärt, daß ich kein Buch recensiren würde, als solche, die mich u. gerade zu der Zeit sehr interessirten, u. die ich auch ohne Mitarbeiter zu seyn, sehr aufmerksam gelesen haben würde, daß ich also ein fleißiger Rec. schwerlich seyn dürfte. Die lange pol. Rec. habe ich Gottlob nicht auf dem Gewissen. Sie hat Sie getäuscht, da Sie wahrscheinlich das Buch nicht gelesen haben, u. sie passabel geschrieben war. Sonst ist sie elend, u. gereicht der ALZ. zur Schande. Denn das Buch ist ein sehr merkwürdiges Buch. Die Schriften über Aristo[t]. Rhet. u. den Aristoph. Byz. hatte ich schon, wie den Morgenstern im Meßkatalogus angestrichen, u. werde sie also mit großem Vergnügen durch Sie erhalten. Ilgen ist jetzt hier, u. war neulich lange bei mir. Unglücklicher Weise können wir nicht ohne Streit leben. Er hat nur 2 Lieblingsideen: die actio principalis im Homer, u. eine son­ derbare Theorie über die metra. In beide kann ich mich nicht finden, vorzüglich in die letz­ tere nicht. Bei der Letzteren ist mir am meisten empörend, daß er die alten Grammatiker u. Musiker ganz ἐν καρὸς αἰσῆ hält, u. schlechterdings sie nicht ansehn will, auch kein Zeugniß aus ihnen gelten läßt. Sonst besteht die Hauptsache darin, daß er weil in der Mu­ sik alle anfangende kurze Silben in Auftakt kommen, sie auch im metrum so ansieht, 32  von der Seite, D1  35 Meynung h2 D1  36  Krit. Phil. h1 D1  39 lautere) h1 D1  41 wahren] von Humboldt korrigiert aus ersten h1  49 All.L.Z. h1  56 Aristol. h1-2 D1  wie der h1 

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Jamben Trochaeen daher – | – | – als | – | – | – mit Vorschlag behandelt[,] ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ Antispasten Ionicos a maj.   – – | – – ganz verwirft u. für | – – die doch u­nstreitig ˘ ˘˘ ˘ ˘ ˘˘| – –˘ nimmt, richtigere Scansion des pentameters – | – | – – | –| – verwirft, die ˘ ˘ ˘˘ ˘˘ Chor­ia­mbischen Verse – ˘˘– – ˘˘– – ˘˘– als [Asynarteta] aus 1½ Dactylen – |–|– |–|– | – | u. s. w. ansieht. Dennoch hätte ich ihn recht gern, wenn er ˘˘ ˘˘ ˘˘ nur nicht so von aller Grazie entblößt wäre. Doch Adieu. Grüßen Sie freundschaftlichst von uns beiden Ihre Frau Gemahlin u. Ihre lieben Mädchen, u. bleiben Sie hübsch wohl u. gesund, oder besser werden Sie es.   Ihr H. Der Engl. Phädrus ist mit einem langen Briefe von mir, der auch Bemerkungen von mei­ nem Bruder enthielt am 10tn März hier abgegangen. Ich habe veranstaltet, daß ein Laufzet­ tel nachgeschickt worden ist. – Schreiben Sie mir ja recht bald wieder.

316.  An Schiller in Jena

Jena, Juni/Juli 1794

Ein „in Fieberfrost“ entstandenes Gedicht wird „Schillers RichterOhren“ unterbreitet.

Canzone. An Schiller.

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Wenn einst an des Lebens schmalem Rande Wir in zweifelhafte Zukunft blicken, Wenn der Tod die blasse Lipp’ umschwebt, Und in diesen letzten Augenblicken Nur ein dunkles Ahnden noch zum Unterpfande Dessen, was das Schicksal fürder webt In dem sorgenvollen Geiste lebt; O! dann mögen alle liebliche Gestalten Längst verschwundener Vergangenheit Mit der Gegenwart lebendger Innigkeit 71 Asynastela h2 (mit Fragezeichen über den beiden letzten Vokalen)  74  von uns beide h1 77  Der engl. h1 D1  ||  8  webt, D2  10 lieblichen D1

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Brief 316–317

Sanft zurück den Scheidenden noch halten! Holder Kindheit liebliche Gefühle, Du der Auserwählten Erstlingskuß, Schnell verflogner Jugend Schwärmereien, Schwebt herbei die Seele gaukelnd zu erfreuen, Daß noch einmal dann des Lebens Vollgenuß In der schönsten Bilder reizendem Gewühle Um die sanfterhellten Sinne spiele. Denn allein des vollen Lebens rege Kraft Ists, die wieder aus sich neues Leben schaft.

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__________ Schweb’, o Lied, zu Schillers RichterOhren, Sag’ ihm, daß Petrarcas Liederbau Besser doch mit Worten, als mit leeren, Todten Zeichen inhaltlos ihm zu erklären, Du, so wie Du bist, gedankenarm und rauh, Weder für den Almanach, noch für die Horen, Gestern seyst in Fieberfrost geboren. Mit dem Tode meyne man’s so ernstlich nicht; Sinn und Inhalt sey nicht mehr, als – ein Gedicht.

317.  An Wolf in Halle

Jena, 25. Juli 1794

Bedauern, dass der Jenaer Aufenthalt mit einem Erlahmen des Briefverkehrs mit Wolf einhergehe. Humboldts Malariaerkrankung. Voraussichtliche Verlängerung des Aufenthalts in Jena; Umgang mit Schiller; Einladung zu einem Besuch in Jena. Bedauern, Voss versäumt zu haben; dessen ,Mythologische Briefe‘. Schneider. Die Pindar-Übersetzungen durch andere Beschäftigungen ins Hintertreffen geraten. Lektüre: Apollonios Rhodios. Wolfs Odyssee-Ausgabe und deren Vorrede.

25  Sag ihm, D1  28  du bist, D1 

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Wie leid thut es mir, liebster Freund, wenn ich unsre Korrespondenz jetzt an­ sehe, u. sie mit dem vergleiche, was sie in Burg Oerner war. Das Andenken an diese langen und fast wöchentlichen Episteln macht mir den sonst nicht sehr angeneh­ men Winteraufenthalt noch oft reizend und ich möchte Jena, so sehr es mir auch hier gefällt, gram werden, daß es hierin eine Aenderung gemacht hat. Allein immer denke ich, wenn Sie einmal mit dem Homer fertig u. im Reinen sind, so sind Sie mehr Herr Ihrer Zeit, u. dann überwinden Sie vielleicht Ihre Abneigung, dem Pa­ piere viel anzuvertrauen. An mir solls dann sicherlich auch nicht liegen. Zwar wer­ den Sie es wunderbar finden, daß ich das mit so vieler Zuversicht in einem Briefe zu sagen wage, der selbst über volle 14 Tage nach dem, den er beantworten soll, folgt. Allein dießmal verdiene ich reines Mitleid, nicht Tadel, und das werden Sie, güti­ ger nachsichtsvoller Freund, mir nicht versagen. Schon seit 4 Wochen bin ich nun im eigentlichsten Verstande u. sogar mehr als bloß kränklich. Damit Sie aber nicht erschrecken, so setze ich gleich hinzu, daß ich auch jetzt in der Besserung bin, und daß sich nun hoffen läßt, daß diese einmal total seyn wird. Aber vier Wochen sinds wirklich nun, daß ich das dreitägige kalte Fieber bekam, und dieser liebliche Gast hat mich mit Verweilen, und Gehen u. Wiederkommen so hingehalten, daß ich an keine Arbeit, ja keine Beschäftigung nur, die ich mit Freude thun wollte, denken konnte. Jetzt bin ich fieberfrei, u. leide nur noch an kleinen Nachwehen, worunter große körperliche u. geistige Abspannung die unangenehmste ist. Von Störungen im Studiren kann ich überhaupt seit dem Winter ein Liedchen singen. Vor dem Fie­ ber schon zog mir die Krankheitsmaterie im Körper herum, u. brachte mich manche schöne Woche um alle Stimmung, u. damit haben (meist Familien-)Besuche abge­ wechselt, so daß ich nicht zu gar viel gekommen bin. Von Jena aus werden Sie noch manchen Brief hoffentlich bekommen. Denn (aber unter uns) ich werde den künfti­ gen Winter noch hier zubringen. Es gefällt mir ausnehmend gut hier, u. eine Stadt zu nennen, in der ich durch die Stadt selbst zugleich so ungestört u. so angenehm ge­ lebt hätte, sollte mir schwer werden. Von der eigentlichen Gesellschaft lebe ich ganz getrennt, ob ich gleich alle ihre einzelnen Mitglieder kenne, u. viele einzeln von Zeit zu Zeit sehe. Selbst das Schützische Haus, das doch immer noch das sociableste hier ist, besuche ich nicht viel, so lieb ich auch Schützen selbst habe. Die Frau u. so Manches andre behagt mir nicht darin. Dafür aber habe ich einen täglichen Umgang an Schiller, meinem alten Freunde, von dem ich nun schon ein Paar Jahre getrennt lebte, u. dessen Wiedersehen ich nun um so mehr genieße. Wir sind alle Abende zusammen, u. leben äußerst glücklich mit einander. So, bester Freund, stehts mit 25  zu gar vielem D1

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Brief 317–318

mir. Meine Frau u. Kinder sind gesund, die letztern gedeihen u. wachsen, u. Sie wür­ den Sich freuen, das Mädchen jetzt wiederzusehen. Aber wollen Sie dieß im Ernst nicht einmal wieder thun? Nach dem Homer werden Sie einer Erholung bedürfen, u. Sie fanden sie ja sonst gern bei uns. Ich sehne mich sehr, Sie einmal wieder recht zu genießen. Wir haben über so viele Dinge mit einander zu reden, u. auch unabhängig von dem, ist auch das Sehen so viel bei Leuten, die man herzlich lieb hat. Ich dächte also, Sie kämen. Kommen Sie nach dem 1. 8�r. [–] denn eher fürchte ich, läßt Ihnen auch der Homer keine Muße – so können Sie bei uns wohnen. Wir ziehen aus u. haben dann ein geräumiges Haus. Was meynen Sie? Voß hätte ich unendlich gern gesehn, u. hätte ich nur gewußt, welche Tage er gerade in Weimar war, so wäre ich geradezu hingereist. Was Sie mir von ihm sagen, vermehrt noch meine Begierde. Gerade aber, wie Sie ihn mir schildern, so höre ich ihn auch von andern beschreiben, die ihn auf dieser Reise kennen gelernt haben. Sein Urtheil über meine Oden ist mir sehr wichtig gewesen, u. ich danke Ihnen sehr für die Mittheilung. Haben Sie viel­ leicht daran gedacht, dafür zu sorgen, daß er sie nicht in dem MusenAlmanach abdrucken läßt? Ich bin verlegen darüber. Ich mag ihm nicht gern schreiben, es sähe wie ein Vorwurf über sein langes Stillschweigen aus. Die mythol. Briefe (1. Th.) habe ich selbst u. habe sie schon gelesen. Sie haben mir außerordentlich viel Freude gemacht. Nur besser, natürlicher geschrieben wünschte ich sie. Die Stelle über Heyne? – je nun, da wissen Sie schon mein Urtheil. Ich habe es sehr gern, daß man Diebe öffentlich geißelt, od. gar hängt, das Land säubert sich. Aber ich bin nicht gern bei der Execution zugegen. Wirklich hat mir die wie­ derkehrende Erinnerung an das stinkende Göttingen, wenn ich im Olymp zu seyn glaubte, oft Langeweile gemacht. Schneider hat mir vor ein Paar Monaten seinen Pindar, d. h. seine mit vieljährigen mar­ ginalien beschriebene Handausgabe geschickt. Es ist sehr mühsam etwas herauszuklau­ ben. Ich will indeß doch sehn, was sich thun läßt. Uebrigens denke ich ungern an den Pindar. Er macht mich immer erröthen, wenn ich bedenke, daß die Probeode schon gedruckt, u. so viele andre schon übersetzt seyn sollten. Ueberhaupt kann ichs nicht läugnen muß die Philologie jetzt der Philosophie, Politik, Aes­ thetik u. s. f. ein wenig bei mir nachstehn. Indeß ist doch kein Tag sine linea. Ich lese jetzt mit meiner Frau, nachdem wir die Homerischen hymnen absoluirt haben, den Apollon. u. die anabasis. Der Apollon. macht mir mit seiner Gelehrsamkeit oft viel zu schaffen. Glück­ licherweise habe ich hier auf der Bibliothek eine Stephan. ed. mit den Schol. erwischt u. die Brunckische besitze ich selbst. Im Sophocles habe ich nur erst 4 Stücke gelesen. Ihre Odyssee hat mir eine herzliche Freude gemacht, wie so alles, was mir von Ihnen kommt, u. 37  letzteren gedeihn D1  38 wiederzusehn. D1  46  er grade in h2  47 gradezu h2  48 Grade aber, wie Sie mir von ihm sagen, D1  55 Stelle] Alternativlesung Leitzmanns: Stellen h4  62 doch sehen, D1  63  Es macht D1  67 Hymnen D1

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dann weckte die Vorr. so viele reminiscenzen in mir wieder auf. Diese Vorrede ist äußerst hübsch, sie wird nicht bloß die Wirkung thun, die Sie erwarten, den Grammatikern u. der edlen Kunst selbst mehr Diener zu erwerben, wenigstens schaamrothe Gesichter zu ma­ chen, sondern sie ist auch so schön u. frei geschrieben, daß ich sie mit innigem Vergnügen gelesen habe. Zu erwiedern wüßte ich nichts auf den Gehalt der Vorr. Es wird schwerlich eine einzige bedeutende Stelle seyn, über die wir nicht schon mit einander conferirt hät­ ten. Aber wann erscheint denn nun die herrliche Ilias. Meine Frau kann die Zeit nicht er­ warten, ihr schönes Exemplar auf Schweizerpapier zu erhalten, u. noch mehr sehnt sie sich so wie ich die Zeit zu wissen, wo Sie nun ruhiger u. mit mehr Muße Ihre arme Gesundheit pflegen können. Leben Sie recht herzlich u. innig wohl! Das wünschen wir beide Ihnen u. Ihrer Familie u. lassen Sie ja wieder bald von Sich hören. Wir lieben Sie so herzlich. Ihr Humboldt. Niemeyer (eheu!!) kam neulich ganz unvermuthet zu uns. Zum Glück verweilte er nicht lang. Wegen der Geburtstage lassen Sie Sich keine grauen Haare wachsen, liebster Freund. Ich hätte jetzt selbst nichts gewußt. Ich danke nur für Ihre gütige Bemühung.

318.  An Brinkman in Berlin

Jena, 14./15. September 1794

Fortsetzung der Diskussion über das Zerwürfnis des Sommers 1793: die Ausein­ andersetzung um Gentz’ Burke-Bearbeitung; Brinkmans Indiskretionen; Humboldts Bekenntnis zur ihm selbst unterstellten Härte. Begeisterung über den täglichen Umgang mit Schiller. Rez. Woldemar. Plädoyer, Brinkman möge sich einem Spezialfach zuwenden. Herr und Frau Stieglitz.

Jena, 14. 7�r. 94.

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Sie machen keine französischen Verse mehr, lieber Brinkmann, Spalding hat sich von den Alexandrinern getrennt (wahrscheinlich weil er jetzt etwas noch Längeres im Hause hat) und ich matte mich nicht mehr bei den metris ab. Das sehen Sie nun wohl vltima Cumaei venit iam carminis aetas: Magnus ab integro saeclorum nascitur ordo u. wir haben jetzt nur noch die Jungfrau zu erwarten, auf die wir nun wohl aber noch lang warten möchten. In der That, lieber Freund, wo die Natur so feste Gränz­ steine gesetzt hat, da muß der Mensch es nicht unternehmen hinüberzuschreiten. Ich nehme es also als ausgemacht an, daß eine neue Epoche begonnen hat, u. um 75 frei] Alternativlesung Leitzmanns: fein h3  79 sehnet D1

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Brief 318

dieselbe noch fühlbarer zu machen, habe ich auch ein größeres Intervall zwischen Ihren Brief u. meine Antwort gesetzt, worin ich Sie doch aber mich nicht nachzuah­ men bitten muß. Erwarten Sie daher auch ja nicht eine ausführliche Beantwortung Ihres ausführ­ lichen, mir in mehreren Stellen recht interessanten Briefes. Was käme bei diesen Re­ pliken u. Dupliken heraus? Nichts auf der Welt ist so ohnmächtig als Worte. Ich habe gethan was ich gethan habe, u. Sie haben gesagt, was Sie gesagt haben. Wer Unrecht hat greife in seinen Busen. Das Zürnen u. Böse seyn ist mir eben so fremd, als das um Verzeihung bitten. Sie sagen, daß das Meiste, vielleicht eigentlich nichts an dem richtig sey, was ich über Sie schrieb, u. daß ich Sie in keiner günstigen Zeit das letz­ temal sahe. Ich glaube das gern, und will mich herzlich freuen, wenn Ihre Briefe u. Ihr Wiedersehn mich selbst durch die That eines andren belehrt. Sie können auch, wenn Ihnen an meiner Meinung etwas liegt, gewiß sehr ruhig seyn. Sollte auf meine Zuneigung nicht viel zu rechnen seyn, wie einige Leute verlauten wollen, so ist auch gewiß meine Abneigung nie zu besorgen. Ich überlasse mich dem Eindruck, den ein Gegenstand macht, und kann ihn so ziemlich wahr halten, da ich meistentheils frei gestimmt bin. Das Mittelmäßige mit dem Schlechten zu verwechslen, begegnet mir freilich sehr oft, weil ich das nun einmal noch zu unterscheiden für unwichtig halte. Aber das Gute setze ich gewiß nicht leicht zu dem Mittelmäßigen herab; das kann immer nur temporelle Verblendung seyn. Auch ist die Sünde größer. Nur ein Paar Dinge muß ich noch aus Ihrem Briefe erwähnen. 1., Der Zeitpunkt der Aenderung meiner Meynung über Ihre jetzige Art zu seyn, ist nicht, wie Sie meynen, meine Ankunft in Berlin, sondern recht eigentlich unsre Korrespondenz über Genzens Burke. Die Art, wie Sie damals dieß Buch, u. selbst sein Verhalten, vorzüglich in Rücksicht auf seine Heirathsgeschichte, (ich weiß kei­ nen milderen Ausdruck, ob ichs gleich nicht so hart meyne, als das Wort lautet) her­ absetzten, machte mich zuerst stutzig. Noch mehr aber Ihre so plötzliche Aende­ rung, als ich Ihnen meine sehr vortheilhafte Meynung über das Buch schrieb. Die Sache ist nicht der Weitläuftigkeit werth, aber wenn wir unsre Briefe noch hätten, wollte ich sie sämmtlich einem Dritten vorlegen, u. ich glaube gewiß, es machte denselben Eindruck auf ihn. 2., Wenn ich von Dingen redete, die Sie in meiner Abwesenheit gesprochen, so meynte ich schlechterdings nichts Unvortheilhaftes. Aber Sie haben in meiner Ge­ genwart u. Abwesenheit Dinge aus unsrem Zusammenseyn erzählt, die ganz gleich­ gültig waren, aber den Hörern ganz unverständlich seyn, od: eitel Thorheit scheinen mußten. Selbst häufiges Lob in meiner Abwesenheit liebte ich nicht. Die Vergötte­ rung eines Menschen, der nichts that u. schrieb, dessen hohe Eigenschaften (gegen 21  eines andern D2  26  begegnet mit D2

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die übrigens gewiß die meisten excipirt haben würden) sich nur so im Gespräch of­ fenbaren sollten, mußte aufs mindeste Ueberdruß erregen. In Rücksicht auf Sie ver­ mißte ich nun darin den in Gesellschaft so nöthigen Takt, das stille Gefühl, seinen Freund für sich (wenn man ihn dessen würdigt) zu achten, nicht aber ihn, am we­ nigsten Ungeweihten anzupreisen. Mir aber war es unlieb, Possen, Aussprüche u. s. f. (ohne alle Klatscherei, da hier kein Geheimniß war) in andrer Munde zu hören, weil so leicht der Verdacht entstehen konnte, daß ich es gern sähe, als ein Sonderling ver­ schrieen zu seyn, wie man mir manchmal nicht undeutlich zu verstehn gegeben. Ich halte mich hiebei länger auf, nicht um Ihnen Vorwürfe zu machen. Gerade die An­ hänglichkeit an mich (für die ich Ihnen gewiß recht aufrichtig danke) brachte mich öfter in Ihr Andenken, und Ihre Lebhaftigkeit führt Ihre Gedanken leichter auf Ihre Zunge. Aber da dieß etwas ist, das Sie auch jetzt in der besten Absicht noch begehen könnten; so wünschte ich, Sie wüßten meine Meynung bestimmt darüber. 3., Endlich soll ich, wie Ihnen gesagt oder gezeigt worden ist, unvortheilhaft von Ihnen geschrieben haben. Das, gestehe ich, hat mir leid gethan, daß Sie Relationen aus nicht an Sie geschriebenen Briefen einen Raum in Ihrem Gedächtniß verstatten. Es thut mir dieß auch von Ihnen mehr leid, als von denen, die hierin eine scheinbare Indiscretion begangen haben. Denn die Leute, denen ich solche Dinge schreibe, be­ gehen dergleichen Indiscretionen gewiß nicht ohne gute Absicht und reifliche Ue­ berlegung. Ich habe also allerdings von Ihnen geschrieben, so viel ich weiß, dreimal, und das, was ich in dem Augenblick denken zu müssen glaubte. Allein nur an Leute, die mich u. Sie genau kennen, Sie vielleicht genauer, als Sie es selbst denken, u. die ich sehr achte; und dann auch nicht ohne Aufforderung. So, lieber Freund, wären wir denn mit allen Erklärungen fertig, und ich denke, wenn unsre Freundschaft, wie Sie sagen, einen Stoß erlitten hat, so soll er ihr nicht ohne Nutzen gewesen seyn, und sie soll ihn verwinden können. Außerdem was Ihr Brief über Sie enthält, liebster Freund, hat mich auch noch das sehr interessirt, was Sie über mich schreiben, und allerlei Nachdenken bei mir erregt. Daß ich manchmal u. vielleicht sogar oft hart erscheinen muß, sehe ich, kann wohl nicht unwahr seyn, da mehrere Stimmen darin übereinkommen. Allein ich dächte, man könnte sich über diese Härte leicht trösten, da ich, wenn man mich zur Rechen­ schaft fordert, Stand halte, nichts verheele u. nichts verhöre, weil es so oder anders wirkt, u. am Ende gewiß meiner Ueberzeugung, ohne alle Rücksicht auf Neigung oder Laune folge. Auch sehe ich in aller Welt nicht ab, wozu diese Schonungen seyn und wohin sie führen sollen? Haben wir es denn mit lauter Verwundeten zu thun? Waren und sind wir nicht alle junge Leute, die einer dem andren forthelfen sollen? Es scheint freilich sonderbar, wenn ich mich einer Härte annehme, die ich nicht er­ fahre. Allein das ist weder meine Schuld noch mein Verdienst, u. was ich mehrmals an dessen Stelle erfahren habe, ist schon darum weit schlimmer, weil es nicht einmal

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Brief 318–320

zu etwas führt. Gewiß, lieber Freund, es ist nichts so schlimm, als die Weichlichkeit, u. das erste Mittel nie glücklich zu seyn, ist die Scheu vor der Härte. Ich bin jetzt, u. schon seit Monaten, ob mich gleich Kränklichkeit u. Störungen sehr gehindert haben, mehr u. interessanter, als seit langer Zeit, beschäftigt. Einen großen Theil dieses Stoßes danke ich Schillers Umgang, den ich täglich sehe, und der vielleicht der ideenfruchtbarste Kopf ist, der überhaupt existirt u. wenigstens, den ich kenne. Was vorzüglich merkwürdig an ihm ist, ist die bestimmte Genauig­ keit des philosophischen Raisonnements, die unerbittliche Strenge der moralischen Gesinnung u. die Liberalität u. Grazie des ästhetischen Gefühls, die in ihm alle auf eine wunderbare Weise vereinigt sind. Sie werden wahrscheinlich bald einiges von ihm lesen, u. vielleicht hat Ihnen Gentz, dem ich neulich schrieb, schon gesagt, daß die Rec. der Matthissonschen Gedichte in der LZ . von ihm ist. Von meinen Werken werde ich Ihnen noch so bald nichts sagen können. Sie kennen meine Unfruchtbar­ keit. Nur eine Recension von Jacobi’s Woldemar, die mir Mühe gemacht hat, und über die ich auf Ihr Urtheil begierig wäre, werden Sie in diesen nächsten Wochen in der LZ . lesen. Von Ihnen u. Ihren Beschäftigungen hörte ich gern etwas. Denn was Sie mir von meiner Scheu mit Ihnen über solide Gegenstände zu reden, sagen, ist doch wahrlich nicht gegründet. Aber läugnen kann ich nicht, daß ich wünschte, Sie mögen in der Zeit, da ich fast nichts von Ihnen weiß, Sich nicht bloß mehr mit litterärischen Ge­ genständen beschäftigt, sondern auch mehr auf ein gewisses Fach beschränkt haben. Ohne Einheit in dem Bemühen nach Ideen ist eigentlich kein Fortkommen in ihnen zu hoffen, u. es ist das beste Mittel, ein Problem vorzunehmen, selbst wenn es einem nicht gerade um die Lösung dieses Einzigen zu thun wäre. Noch ein Wort an Jeannetten, falls sie noch in Berlin ist. Versichern Sie sie meines fortdauernden Andenkens, und danken Sie ihr für das ihrige. Gegen Stieglitz bin ich in keiner Art der Schuld. Er hat sogar von mir den letzten Brief. Auch knüpfte ich gleich gern mit ihm wieder an. Aber aus dem Stegereif wieder an ihn zu schreiben, habe ich keine Veranlassung, er eher eine, mir zu antworten. Vielleicht aber kommt einmal eine Gelegenheit, ihm etwas zu schicken, oder ihn über etwas zu fragen, u. dann schrieb’ ich ihm ohne Schwierigkeit. Uebrigens ist alles, was Sie Jeannetten über mich gesagt haben, sehr gut, und in meiner Meynung. Leben Sie recht wohl. Meine Frau dankt für Ihr gütiges Andenken. Meinem jüngsten Sohn hatte ich die Blattern inoculiren lassen. Aber es hat nicht gefaßt, u. ich habe die Inoculation vor zwei Tagen wiederholen lassen müssen. Adieu! Ihr Humboldt. 88  ob ich mich gleich der H  105 litterarischen D2  111 fortdaurenden D2  116  schreib’ ich D2

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319.  An Schiller in Weimar

Jena, 15. September 1794

Schiller berichtet seiner Frau über den Stand der Blatternimpfung des kleinen Wilhelm von Humboldt.

[…] Beßer […], Du bleibst noch 14 oder 18 Tage in R[udolstadt] biß die Blattern vorbey sind. Es ist überhaupt möglich, daß sie gar nicht ausbrechen, denn Bill schreibt mir, daß die zweyte Wunde auch schon wieder heile. Auf den Sonnabend muß es sich entscheiden.

320.  An Schiller in Weimar

Jena, 21./22. September 1794

Die Pockenimpfung des Sohnes Wilhelm offenbar erfolglos. Mehrfacher Besuch Rehbergs: dessen eitle Selbstdarstellung und erste Begegnung mit Fichte. Humboldt bei Woltmann und Fichte: Aussichten, Woltmann als ‚Horen‘-Mitarbeiter zu gewinnen; Fichte über Schiller und Goethe. Madame Schütz.

Jena, 22. Sept. 94.

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Verzeihen Sie, lieber Freund, daß Sie erst heute einen Brief von mir erhalten. Für den Inhalt werden Sie indeß dabei gewinnen. Wenigstens habe ich gestern allerlei Neuigkeiten eingesammelt. Die schlimmste von allen ist nun zwar die, daß unser kleine[r] Junge nun wohl gewiß die Blattern nicht bekommt. Stark und Hufeland, die ihn beide gestern gesehen, kamen darin überein, daß so gut als gar keine Hof­ nung vorhanden sey, obgleich die absolute Unmöglichkeit erst mit Mittwoch etwa eintritt. Auf alle Fälle aber, glaube ich, könnte die arme Lolo sicher mit Ende die­ ser, oder dem Anfang künftiger Woche wieder herkommen; denn jene Möglichkeit ist, wie gesagt, äußerst klein. Dennoch sollen Sie noch bis Donnerstag mündliche oder schriftliche Nachricht durch mich erhalten. – Freitag, als den Tag meiner An­ kunft von W[eimar,] habe ich mich ganz ruhig zu Hause verhalten, u. da ich Reh­ berg nicht dort gesehn, so, hoffte ich, würde er ruhig seine Straße vorüberziehn. Al­ lein Sonnabend Mittag ließ er sich bei mir melden, u. kam gleich den Nachmittag. Sie haben ihn selbst gesehen, u. können am besten urtheilen, wie er mir behagen konnte. Allerlei lustige Dinge hat er mir indeß doch gesagt, z. B. wie er, trotz seiner vielen und wichtigen Geschäfte dennoch viel recensirt, weil er gewisse Sachen nicht gern hätte in andren Händen sehen mögen. Denn wie gut auch die Beurtheilung dh. 5  kleine Junge H  10  Sie bis D1  18  in andern Händen sehn D2-3

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Brief 320–321

einen andren hätte ausfallen mögen, so würde es doch immer Kleinigkeiten gege­ ben haben, mit denen er nicht zufrieden gewesen seyn würde. Jetzt sey indeß die Sache anders. Er habe nun sein System gehörig dargelegt, die öffentliche Meynung geleitet, und überdieß könne er um so eher nun selbst ruhen, da sein Nachfolger in der LZ . Gentz, so ganz zu seiner Zufriedenheit arbeite, nur daß er ein wenig hefti­ ger seyn sollte. Ueber Fichte hat er sich wenig ausgelassen, indeß desto mehr nach ihm erkundigt. Das Programm hatte er noch nicht gesehen, über die „Wissenschafts­ lehre“ stutzte er sehr. Als er aber sah, daß es nur das sey, was man sonst Philosophie nenne, schien er sich zu beruhigen, u. ließ es mit dem Ausdruck „eines curiosen Ein­ falls“ durchgehen. Von mir besuchte er Schütz u. Hufeland u. kam darauf mit seiner Schwester zu uns zum Thee zurück. Die Schwester ist sehr artig u. hat auch der Li recht wohl gefallen. Ich hatte sie auf gestern Mittag eingeladen. Allein er schlug es aus, u. ohne daß ich in ihn drang, besann er sich mit einemmale, wie durch Inspira­ tion, daß er es sich doch gefallen lassen wolle. So habe ich ihn nun auch noch Sonn­ tag Mittag genossen, aber die beiden Hufelands die Mühe des Entretiens theilen las­ sen. Ich habe meist mit der Schwester gesprochen, indeß der Bruder den Hufe­lands von dem Jacobinismus der Preuß. Armee u. dem ganzen Kriege Wunder erzählt hat, von denen ich aber keine Rechenschaft zu geben weiß. Gleich nach Tische ist er weggereist. Fichten hat er, stellen Sie Sich vor, auch gesprochen. Die Schütz, die All­ vereinerin, hat ihn Sonnabend Abend auf den Clubb mitgenommen, u. ihm Fichte vorgestellt. Dabei ist er, wie mir F. selbst erzählte, sehr kalt geblieben, aber nach Ti­ sche ist er zu ihm gekommen, u. hat ein Gespräch angeknüpft, das indeß äußerst gleichgültig gewesen ist. Sonderbar ist es, daß der alte Rahn mit Rehbergs Eltern in genauen Verbindungen gestanden hat, u. seine Freude der Schwester auf eine sol­ che Art bezeugt hat, daß sie uns im Ernst fragte, ob es ganz richtig mit ihm sey? – Sonntag früh besuchte ich Woltmann u. Fichten. Bei dem ersten fand ich eine reiche Ernte, von der ich nur wenige Aehren lesen will. Zuerst versichert er, mich u. Sie oft fruchtlos besucht zu haben, u. thut wenigstens, als wüßte er nichts von Ihrem Mu­ senalmanach. Dagegen hat er mir gesagt, daß nicht Reinhard, sondern Gotter mit Dietrich wegen Fortsetzung des Bürgerschen contrahirt habe, u. findet darin den Grund von seinem Stillschweigen auf den Antrag der Horen. Die Staufer erhalten Sie nicht. Althof in Göttingen hat für gut befunden, sie mit mehreren andren Sachen zum Besten des hinterlassenen Bürgerschen Sohnes drucken zu lassen. W. sagte frei­ lich, daß das Geschenk ein wenig groß sey, indeß hatte er nichts mehr machen kön­ nen. Dafür arbeitet er jetzt die Geschichte der Grachen aus, u. denkt sie im Lauf des 19  andern hätte D2  44  und Fichte. D2-3  Bei dem Ersteren D1  45  nur wenig D1  versicherte D1 48  und finde D1  49  Staufen D1  50  anderen D1 andern D2-3  51  W. sagt D1  52  indeß hätte D1 53  im Laufe D1

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Oktobers gewiß zu vollenden. Sie werden etwa 4 Bogen betragen. Wenn er diesen Gegenstand mit viel Politik umgiebt, kann er interessant werden, indeß ist dieß, bei dem Grundgesetz der Horen nur mit Feinheit u. Behutsamkeit thunlich. Gelegent­ lich hörte ich auch, daß Bürger noch Gedichte von ihm gehabt hat. Diese läßt er sich jetzt aber zurückschicken, u. ich zweifle nicht, daß er Sie gern damit bereichern wird. Auf Me. Schütz ist er sehr spitzig, u. mocquirt sich weidlich über Gros, der ihr posttäglich u. (er will Briefe gelesen haben) äußerst zärtlich schreiben soll. Ramdohr – das ist doch gar zu prächtig – hat der Schütz Mskpt. vorgelesen, unter andrem eine gänzliche Umarbeitung der nun gewiß ganz entblätterten Emilie Galotti. – Mit Fichte habe ich ganz interessant gesprochen, sehr viel auch über Sie. Er erwartet von Ihnen sehr viel für die Philosophie. Sie hätten, sagte er, jetzt ihr speculatives Nachdenken fast nach allen Seiten hin gerichtet. Das Einzige, was noch mangle, sey Einheit. Diese Einheit sey zwar in Ihrem Gefühl, aber noch nicht in Ihrem System. Kämen Sie da­ hin – und dieß hienge allein von Ihnen ab – so wäre von keinem andren Kopf so viel u. schlechterdings eine neue Epoche zu erwarten. Auch Göthe wünschte er für die Speculation zu gewinnen. Sein Gefühl leite ihn so richtig. „Neulich, fuhr er fort, hat er mir mein System so bündig und klar dargelegt, daß ichs selbst nicht hätte klarer darstellen können.“ Sie kennen diese Manier. Ihre Matthissonsche Rec. hat er gele­ sen, aber in den Ferien wird er sie studiren. (Dieser Strich bedeutet den Ton, mit dem ers sagte.) Der D. Weißhuhn aus Schönewerd[a], stellen Sie Sich vor, ist schon seit 4 Wochen hier u. wir wissens nicht. Er soll, wie mir Fichte sagte, erst etwas schreiben, das Ihnen vorgelegt werden, u. ihn zu einer Hore legitimiren soll. Mir hat er einen Band Sinngedichte von ihm mitgegeben, denen ich den Geschmack nicht abgewin­ nen kann, d. h. den besten, denn der ganz scheuslichen erwähne ich nicht. Für jetzt, […].

321.  An Brinkman in Berlin

Jena, 3. November 1794

Begeisterte Äußerungen zu Aufsätzen Schillers: ,Matthisson-Rezension‘; ,Über den Gartenkalender‘; ,Vom Erhabenen‘; ,Zerstreute Betrachtungen‘. Rez. Woldemar. Fichtes ,Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten‘ und ,Wissenschaftslehre‘; Weißhuhns mutmaßlich geplante Widerlegung der letztgenannten Schrift. Gentz’ Mounier-Bearbeitung; Spaldings ,Midiana‘. Rahel, Engel. 58  gerne D1  61  Mskprt. H Manuskript D2 Mskrpt. D3  unter andern D2  63  ich interessant D1 67  hinge D1 hänge D2-3  70  zu bündig D1  klarer hätte D1  73  er es sagte.) D1  Schönewerder H Schönrode, D1 (Neurode Muncker)  74  wir wissen es D1  75  zu einem Mitarbeiter der Horen D1 77  denn die D2-3

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Brief 321

Jena, 3. Nov. 94. Ohne den längeren Brief, den Sie mir, liebster Brinckmann, in Ihrem kurzen, den ich dh. den Veit empfangen, verhießen, abzuwarten, beantworte ich heute jenen wenigstens mit einigen Worten, damit Sie sehen, daß es nicht an mir liegt, wenn unsre Correspondenz nicht so rasch, als sonst, fortgeht. So wenig Zeilen mir der Jude auch von Ihnen gebracht hat, so viel Vergnügen haben sie mir doch gemacht, u. ich bitte Sie, ja im Schreiben hübsch fortzufahren. Dem Beifall, den Sie der Matthis­ sonschen Rec. geben, stimme ich von ganzer Seele bei. Aber völlig unbegreiflich ist mirs wie Sie u. zumal (verzeihen Sie, aber ich erinnere mich jetzt warlich nicht deut­ lich, ob Ihnen die Kantischen Ideen, auf die sie freilich fußt, gleich geläufig sind) Gentz auch nur Eine Stelle nur eine Viertelstunde lang nicht verstehen konnten. Wenn etwas so gut u. klar Geschriebnes noch bei solchen Lesern Anstoß findet, so möchte ich doch warlich überhaupt an allem Schreiben verzweiflen. Wie mag es da dem armen Woldemar bei Ihnen beiden ergangen seyn, der (ich meyne die Rec.) in der That nicht ganz gut, sondern mit einer gewissen Schwerfälligkeit der Diktion ge­ schrieben ist, von der ich immer Mühe haben werde, mich loszumachen, u. die viel­ leicht bei einer so fatalen Arbeit, als die Rec. eines solchen Buches ist, noch am ver­ zeihlichsten seyn mag. Schreiben Sie mir doch aber Ihre offenherzige Meynung über dieß kleine Produkt. Ich bin sehr begierig darauf. Ist Ihnen nicht die Rec. eines Gar­ tenKalenders aufgefallen, der bei Cotta in Tübingen herausgekommen ist, u. eine Beschreibung von Hohenheim enthält? Sie ist auch von Schiller u. wunderschön. Es verdient gewiß, daß Sie die LZ . darum dhblättern. Sie ist nach meiner Woldemar­ schen abgedruckt, u. so haben Sie nur wenig Wochen nachzuschlagen. Noch ein Paar Abhandlungen von Schiller können Sie in dem jetzt erst herausgekommenen 4. u. 5. Heft d. Thalia, 1793. lesen. Um auf die Matthissonsche Rec. zurück zu kommen, so ist die Idee von dem Zurückkehren zur Natur gewiß nicht bloß überhaupt groß, sondern dort auch vortref lich gebraucht. Wenig Ideen nur verstatten eine so frucht­ bare Anwendung, u. ich habe schon seit langer Zeit sehr viel auf dieselbe gebaut, wie ich auch wahrscheinlich nächstens eine Anwendung davon zu geben denke, die bisher nicht sehr erkannt worden ist. In jener Rec. aber scheint es mir hebt sie sich doch schon darum weniger aus, weil sie nur nebenher vorkommt, u. an sich nicht neu ist. Aber was haben Sie zu der ganzen Theorie von der Landschaftsdichtung u. der Definition der Dichtkunst gesagt? Vorzüglich in der letztern liegen völlig neue u. unendlich große Blicke. Ueberhaupt steht dem Gebiet der Aesthetik eine völlige Revolution bevor, u. ich freue mich, daß Schiller darin so thätig ist. Ein Kopf, wie der seinige, wenn man diese über alle intellectuelle Vermögen gleich ver­theilte Kraft 2  Brinkmann, D3  17  Buchs ist, D3  31  vorkömmt, D3

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erwägt, ist soviel ich weiß, noch nie aufgestanden, u. wenn er nur noch einige Jahre fortarbeiten kann, gründet er sich gewiß ein wissenschaftliches Reich, mit welchem kein andres sich vergleichen kann. Fichte, den ich zwar, seines ungeheuren Arbeitens wegen, wenig sehe, aber um seines großen speculativen Kopfs willen, außerordentlich bewundre, hat diese Messe einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten herausgegeben, die Sie nothwendig lesen müssen. Wenn man abrechnet, daß sie nicht dhaus gut ge­ schrieben sind (sie sind ebenso abgedruckt, wie sie gehalten worden sind), u. daß einige jugendliche Declamationen den Leser stören, so wird man außerordentlich gute Ideen, u. viel neue Ansichten finden. Von seiner Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre ist nunmehr auch der theoretische Theil gedruckt. Etwas Scharf­ sinnigeres, vielleicht auch Spitzfindigeres hat es vielleicht noch nie gegeben. Auch möchte ich nicht entscheiden, ob das System, das er aufstellt, sich als richtig wird er­ halten können. Es scheint nemlich sich nach einem absoluten Idealismus hinzunei­ gen, u. ein gewisser D. Weishuhn allhier, der sonst Fichtes vertrauter Freund gewe­ sen ist, u. ein sehr tiefer Kopf seyn soll, den ich aber, ob wir gleich in Einem Hause wohnen, noch nicht gesehn habe, soll, wie es heißt, schon dagegen schreiben. Aber wenn selbst dieser Gegner Recht hätte, so wäre es immer ein hoher Genuß, einen solchen Geist in einem so scharfsinnigen u. dhaus konsequenten System zu betrach­ ten, u. gewiß werden auch – die Sache stehe noch so schlimm – einzelne Seiten der Philosophie gar sehr dadurch gewinnen. Soviel von litterarischen Dingen hier. Gentz, sehe ich aus dem Meßkatalogus, übersetzt den Mounier mit sehr vielen Anmerkungen. Diesem Mounier will ich denn sein Stillschweigen zurechnen, so leid es mir auch thut. Sagen Sie ihm doch, daß wenn es anständig wäre, Verdienst in Rechnung zu bringen, mein letzter lan­ ger Brief, wohl auf eine Antwort Anspruch machen könnte. – Spalding bin ich seit Ostern Antwort auf seine Midiana schuldig. Entschuldigen Sie mich doch bei ihm. Ich will doch den Midas erst lesen, u. kann gar nicht dazu kommen. – Veit ist ein sehr guter Kopf, u. ich thue für ihn, was ich kann. Grüßen Sie die Levy u. was sonst beschnitten od: unbeschnitten an mich denkt. Jene aber ganz vorzüglich. Wo ist die Koch jetzt? Ist der Vater todt? Was machen denn überhaupt alle Dreitausend, die wir sonst beliefen? Engel ist ja auch nun von Berlin fort. Können Sie mir nicht genau sagen, warum? wer seine Stelle erhalten? oder ob sie vielleicht noch unbesetzt ist? Adieu, leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen. Ihr Humboldt.

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322.  An Johann Wolfgang v. Goethe in Weimar

Jena, 7. November 1794

Absage eines Besuchs bei Goethe.

Freitag Morgen. So sehr ich mich freute, den heutigen Mittag in Ihrer Gesellschaft zuzubringen, so leid thut es mir jetzt, auf dieß Vergnügen Verzicht thun zu müssen. Aber eine Unpäßlichkeit, die zwar nicht bedeutend ist, aber doch leicht zunehmen könnte, wenn ich sie nicht ein wenig abwartete, nöthigt mich, meine Reise nach Erfurt noch aufzuschieben. Wann ich sie nun werde vornehmen können? weiß ich zwar selbst nicht. Aber auf alle Fälle werde ich alsdann nicht versäumen, bei meiner Durchreise durch Weimar von Ihrer gütigen Erlaubniß, Sie zu besuchen, Gebrauch zu machen. Meine Frau empfiehlt sich Ihrem gütigen Andenken. Schiller habe ich heute noch nicht gesehen. Haben Sie die Güte viele Empfehlungen an Herrn Prof. Meyer von mir zu machen. Ich habe die Ehre mit der innigsten Verehrung zu verharren Ew. Hochwohlgeb: gehorsamster, Humboldt

323.  An Friedrich Schlegel in Dresden

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Jena, 10. November 1794

Schlegel berichtet, Humboldt habe sich über seine Einteilung der griechischen Poesie in Schulen ablehnend zu Wort gemeldet; er wolle sich mit August Wilhelm wegen Mitarbeit an Schillers Musenalmanach in Verbindung setzen.

[…] Humbold hat mir über das Jonische und Dorische u. s. w. viel Gutes geschrieben; er scheint die Griechen sehr gut zu kennen. Er verwirft meine ganze Eintheilung; hier sind jedoch seine Gründe nicht bedeutend. […] […] Humb[oldt] wird wohl an Dich deshalb [Mitarbeit am Musenalmanach] schreiben. Er meldet mir, daß er im Begriff gewesen sey, an Dich zu schreiben, er verlangt Deine Addreße […]. […] Humbold meynt die Dorier hätten viel Aehnlichkeit mit den Hebräern!!

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324.  An Dohm in Hagen

Jena, 12. November 1794

Erleichterung bei der Nachricht, dass Dohm sich vor drohenden Kriegseinwirkungen in Sicherheit bringt; ausführliche Überlegungen über die Wahl eines für ihn geeigneten Wohnorts; Familiennachrichten, Zusammenleben mit Schiller in Jena.

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So eben, theuerster Freund, komme ich von einer kleinen Reise nach Erfurt zu­ rück, und finde ihren gütigen Brief, für den ich Ihnen um so herzlicher danke, als er mich einer in der That sehr großen Sorge entreißt. So oft ich in den letztvergan­ genen Monaten an die schon geschehenen und noch möglichen Fortschritte des Feindes dachte, beunruhigte mich Ihre Lage auf das lebhafteste. Mit so großem und reinem Sinn für Ruhe und selbstgewählte Thätigkeit, mit so warmer Anhänglichkeit an Ihre Familie, mußten Sie, außer den zerstreuenden Arbeiten Ihres Amts, noch in einer Gegend wohnen, in welcher Ihrer Sicherheit jeden Tag so augenscheinliche Gefahr drohte. Gottlob daß Sie es jetzt überstanden haben, und nun einem sichren und ruhigen Wohnorte zueilen. Sehr richtig und treffend sagen Sie am Ende Ihres Briefes, daß oft wunderbare Fügungen dieser Art wohlthätiger wirken, als was wir planmäßig mit Absicht wählen, und wie innig würde ich mich freuen, wenn eine andre, Ihrer eigentlichen Neigung mehr entsprechende Existenz die Folge dieser Unfälle wäre. Ihren Auftrag in Absicht der Wahl eines Wohnorts habe ich so gut ich konnte überlegt. Aber leider besitze ich nicht Localkenntniß genug, um Ihnen eine nur irgend sichre Auskunft zu geben, und kenne auch niemand in jenen Gegenden genau genug, um Ihnen eine solche verschaffen zu können. Die drei Winter, von denen ich einen großen Theil im Hohensteinischen und Mannsfeldischen verlebt habe, habe ich so einsam zugebracht, daß ich nicht aus meinem Dorfe gekommen bin, und da jetzt Gökingk nicht mehr dort, sondern ich weiß nicht einmal ob in Berlin, oder Breslau, oder auf dem Wege dahin ist, so fehlt es mir auch an aller Be­ kanntschaft dort. Der Einzige, von dem ich allenfalls Auskunft hoffen könnte, ist der Geh. Rath Barkhausen in Halle. An diesen aber trage ich darum Bedenken zu schreiben, weil ich ihn nur wenig kenne, und ohne Sie zu nennen, keine äußerst sorgfältige Erfüllung meines Wunsches erwarten dürfte. Ueberdieß aber ist dieser, wie er mir wenigstens einmal sagte, seit sehr langer Zeit in freundschaftlichen Ver­ hältnissen mit Ihnen, und so hielte ich es für besser, daß Sie Sich geradezu an ihn wendeten. Darf ich Ihnen indeß meine eigne Ueberzeugung nach allem, was ich 8 Amtes, D  10 Gottlob, D sichern D  17  neue irgend D  23 allnfalls D  27  Zeit selbst in D 29  nach allen, D

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Brief 324–325

von der Gegend, die Sie mir nennen, kenne, sagen; so kann ich mir nicht vorstellen, daß ein an­drer Ort als Halberstadt, außer Magdeburg und Halle, die Sie ausdrück­ lich ausnehmen, nur irgend Ihren Wünschen entsprechen könnte. Auf Landsitze kann ich, da ich keinen einzelnen, der nicht bewohnt oder sonst angenehm wäre, kenne, nicht rechnen. Städte blieben nur etwa Ellrich, Wernigerode, Quedlinburg, Mannsfeld, Rothenburg u. andre ganz kleine Nester dieser Art. Die letzteren sind durchaus nicht zu wählen. Quedlinburg kenne ich gar nicht. Im Grunde bleiben also nur Ellrich u. Wernigerode. Beide haben eine schöne Lage, Wernigerode auch gewiß schon durch den Grafen, der aber freilich, wenn ich nicht irre, einen Theil des Winters in Halberstadt zubringt, einigen Umgang. Nur weiß ich nicht, ob Sie Wernigerode, da es doch nicht eigentlich Preußisch ist, wählen dürften. Sonst muß in Wernigerode, ob ich gleich nie selbst dort war, wenigstens Ein ganz bewohnba­ res Haus, das auch einen Garten hat, existiren, das Gökingksche. Weil es doch seyn könnte, daß Sie hierauf reflectirten, so will ich, um allen Zeitverlust zu vermeiden, mit der nächsten Berliner Post an Gökingk schreiben, und ihn, ohne Sie zu nennen, fragen, ob er dieß Haus noch besitzt, oder ob es sonst zu erhalten, und wie es be­ schaffen ist. Vielleicht kann er mir doch auch einige Nachrichten über andre Oerter geben. Seine Antwort theile ich Ihnen alsdann sogleich mit. Im Ganzen aber zweifle ich fast, daß Ihnen ein Aufenthalt in diesen Provinzen wird angenehm seyn können. Mir wenigstens, gestehe ich offenherzig, ist vorzüglich die flache, fast durchgängig einförmige Gegend verhaßt, und ich werde mich schwerlich entschließen, wieder dahin zurückzukehren. Das Leben auf dem Lande ist mit einer Familie, die nur ir­ gend Kränklichkeiten ausgesetzt ist, im Winter kaum ausführbar. In den Städten sind gewiß einzelne sehr schätzbare Männer, aber der Umgang im Ganzen ist wenigs­ tens in Magdeburg und Halle (und wie sollte Halberstadt leicht besser seyn?) ganz und gar nicht nach meinem Geschmack. Meine Plane sind jetzt sehr ungewiß, und können es, da mein Vermögen nicht ganz unabhängig von der öffentlichen Ruhe ist, noch mehr werden. Ich habe mich, da es mir hier sehr gefällt, fürs erste hier so eingerichtet, daß ich, wenn ich nicht sonst Hindernisse fände, hier einige Jahre blei­ ben könnte. Auf alle Fälle warte ich auch hier erst eine festere Lage der Dinge ab, ob ich gleich gegen jedermann meinen hiesigen Aufenthalt nur als völlig temporär und zufällig veranlaßt vorstelle, damit es nicht Aufsehn erregt, daß ich nicht im Preußi­ schen wohne. Muß ich aber, ehe ich eine größere Reise unternehmen kann, noch einmal einen andren Wohnort wählen, so ziehe ich ins Baireuthische. Wenigstens ist dort die Gegend schöner, u. die Verhältnisse mannigfaltiger. Sollten auch Sie, theu­ erster Freund, nicht um so mehr, da [I]hr jetziger Wohnplatz doch nur temporär 35  Die letztern D  36  kenn ich D  blieben also D  39  Nun weiß ich D  42 existirn, D 46 Orte D  51  zurück zu kehren. D  63 andern D  65  nicht, um so mehr, da ihr D

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seyn wird, Anspach z. B. wählen? Dort hätten Sie an Schlossers einen interessanten, und an Hardenberg und der Gesellschaft, die mit ihm zusammenhängt, einen zer­ streuenden Umgang. Sie wünschen etwas von mir und den Meinigen zu wissen, und ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß wir jetzt sämmtlich recht wohl und vergnügt sind. Meine Frau, die sich Ihnen und Ihrer vortref lichen Gattin mit mir auf das freund­ schaftlichste empfiehlt, hat mir im May einen außerordentlich starken und gesun­ den Sohn gebohren, und die Kinder wachsen zu unsrer Freude recht gedeihlich he­ ran. Nur ich bin diesen ganzen Sommer in der That ziemlich kränklich gewesen, und dadurch in meinen Arbeiten sehr zurück gesetzt worden. Jetzt geht es indeß wieder besser. Ich hoffe den Winter über recht fleißig zu seyn, und im Sommer besuche ich wahrscheinlich meinen Schwiegervater auf seinem Landgut. Wenigstens thue ich es gewiß, wenn ich Sie in der Gegend weiß. Denn ich könnte mir nicht die so lang und sehnlich erwünschte Freude versagen, Sie und die Ihrigen wiederzusehen. Wie ich Ihnen zuletzt schrieb, glaube ich war Schiller noch nicht hier. Er ist es eigentlich, der mich an Jena, das ich sonst nicht für besser, als andre Städte ausgeben will, so fesselt. Wir wohnen nur wenige Schritte aus einander und ich sehe ihn täglich und sonst fast niemand. Leben Sie recht wohl, theuerster, liebster Freund, und erhalten Sie uns Ihr uns so unendlich theures Andenken. Sobald ich Antwort von Gökingk erhalte, schreibe ich Ihnen wieder. Ganz Ihr Humboldt. Wie sind Sie mit meiner Rec. des Woldemar in der A LZ . zufrieden? Ich wünschte doch Sie läsen sie. Wohin soll ich meinen nächsten Brief adressiren? Ich denke nach Lemgo.

325.  An Brinkman in Berlin

Jena, 14. November 1794

Bitte um Besorgung eines beigeschlossenen Briefes an Goeckingk.

Jena, 14. 9�r. 94. In den Hamburger Zeitungen, welche für mich die Quelle aller politischen Neu­ igkeiten, und auch, dank sey es dem Fleiße meiner Berl. Correspondenten, für alle 73 gebohrn, D

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Brief 325–326

Berlin. Nachrichten sind, in diesem wunderbar schönen u. reichhaltigen Blatte, das ich mir überall, wo ich bin, selbst halte (obgleich alles sehr spät darin zu stehen pflegt) u. für das Schiller mir schon vorgeworfen hat, eine ganz eigne Schwachheit zu besitzen – in diesem nun habe ich gelesen, daß Gökingk nach Breslau versetzt ist. Da ich ihm nun eben schreiben mußte, u. nicht weiß, ob er noch in Berlin ist, so lege ich den Brief bei Ihnen ein, u. bitte Sie ihn in sein Haus oder auf die Post zu befördern. Auf den letzten Fall habe ich die Adresse so gemacht, daß Sie bloß den Ort hinzuzusetzen haben. Grüßen Sie Gentz recht herzlich von mir. Sie haben doch meinen letzten (so wie Gentz einen sehr langen Brief von mir schon vor vielen, vie­ len Wochen) erhalten? H.

326.  An Körner in Dresden

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Jena, 10. Dezember 1794

Ausführliche Selbstkritik in Beantwortung der stilkritischen Äußerungen Körners; Rez. Woldemar. Friedrich Schlegel.

Jena, den 10. Dec. 1794. Lange hat mir nichts so eine innige Freude gemacht, als Ihr letzter gütiger Brief, und es war mir doppelt verdrießlich, gerade auf diesen die Antwort so lange verschieben zu müs­ sen. Aber schon Schiller wird Ihnen von der Störung geschrieben haben, die eine Reise nach Erfurt zum Koadjutor in meinen Arbeiten gemacht hat, und ich rechne darum um so eher auf Ihre freundschaftliche Nachsicht. Sie können es selbst kaum ahnden, liebster Freund, welch eine große Freude Sie mir durch Ihr ausführliches Urtheil über den Styl meiner bisherigen Arbeiten gemacht haben. Ich habe alles, was Sie mir darüber sagen, sorgfältig geprüft, und wenn mein Vorsatz ge­ lingt, so sollen Sie bei meinem nächsten Aufsatz wenigstens nicht alle Wirkung dieser Prü­ fung vermissen. Ich glaube, Sie haben, was mir fehlt, sehr richtig getroffen; wenigstens ist mir durch Ihre Critik dasjenige, was ich vorher theils selbst, theils durch andre, vorzüglich Schiller, veranlaßt, bloß dunkel ahndete, ungemein klar geworden. Vertheilung des Einzel­ nen nach einem zweckmäßigen Plan, und daraus entspringende Haltung des Ganzen ist das, wonach ich fürs erste vor allem streben muß. Bei mir gerade trift der Fall, von dem Sie reden, in hohem Maaße ein. Aus Begeisterung über den Stoff – die, wenn gleich subjectiv wahr, doch nicht selten objectiv schlecht gegründet ist – versäume ich, an der Form mit 12 Kritik D1  16 subjektiv (desgl. Z. 30, 41)  17 objektiv D1 (desgl. Z. 41)

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Sorgfalt zu arbeiten. Bei dem Meisten, was ich bisher schrieb, war sie auch fast nur zufällig. Bei der ersten Ausarbeitung machte mir der Stoff sehr viel zu schaffen, und besaß mich ganz, und an eine zweite Umarbeitung konnte ich nie recht kommen. Allein selbst in mei­ ner Manier, den Stoff zu behandlen, liegt etwas, das nothwendig auf die Form nachtheilig wirken muß. Schon im Gespräch ist es mir eigen, zu schnelle Uebergänge zu machen, und nicht lange genug bei Einem Gedanken zu verweilen; und selten werden Sie finden, daß ich ihn genau genug zergliedre, um entweder seine Richtigkeit von allen Seiten zu prüfen, oder auch nur allen Nutzen daraus zu ziehen, den er gewähren kann. Dadurch werden nun meine Uebergänge so oft holprich, und das Ganze unförmlich. Entwickelte ich jedes Ein­ zelne genauer, so daß eins wie von selbst aus dem andren entspränge, so wäre der Leser mitten in der Sache, und würde nicht durch die Schwierigkeit, die er empfindet, an den Schriftsteller erinnert. Nun aber steht das Einzelne sehr häufig bloß in dem Zusammen­ hang, den es gerade in meinem Kopf hat, dieser ist immer mehr oder minder subjectiv, und wäre er es auch noch so wenig, so ist dem Leser nicht hinlängliche Rechenschaft davon ge­ geben. Läge dieser Fehler weniger tief in mir, so würde es leichter seyn ihm abzuhelfen; so aber werde ich durch einen fortgesetzten Kampf wohl hie und da einen Sieg, nie aber eine gänzliche Niederlage des Gegners gewinnen. Gerade die Gedanken oder Bemerkungen, denen ich am meisten Werth beilege, sind selten die Frucht eines mühsamen Nachden­ kens bei mir, ich verdanke sie mehr einem glücklichen Zufall, oder wenn Sie wollen, einem gewissen Tact, der sich durch mancherlei zusammentreffende Umstände vollkommner in mir ausgebildet hat, der mir oft sehr wohl thut, aber noch viel öfter schadet, indem er sich in einem Gebiete die Entscheidung anmaßt, das seine Sphäre nicht seyn kann. Sobald aber etwas dem Tact, also einem Gefühl in die Hände gegeben wird, so ist die Gefahr, daß, wie richtig, zusammenhängend und deutlich es subjectiv seyn möchte, es objectiv dem An­ dren wenigstens unverständlich oder schwierig seyn möchte, allemal unvermeidlich. Da­ rum habe ich mir mehrmals die Frage aufgeworfen, ob das Schreiben eigentlich zu meiner Bestimmung gerechnet werden könne? und wenn die Entscheidung nach der Hofnung eines irgend vorzüglichen Gelingens des Erfolgs gefällt werden soll, so verneine ich sie geradezu. Dagegen wird indeß ein Gelingen in einigem Grade immer möglich seyn, und mir ist es schlechterdings nothwendig, etwas zu haben, das mich zwingt, mich nicht bloß mit der Wahrheit der Materie meiner Ideen zu begnügen, sondern auch nach vollkomm­ ner Deutlichkeit und Bestimmtheit ihrer Form zu streben. Aber verzeihen Sie, theuerster Freund, daß ich Sie so lange mit mir unterhalte, indeß ist es mir zu wichtig, es grade mit Ihnen zu thun. Denn kaum weiß ich noch einen Einzigen, dem die Beurtheilung von Werken des Geistes und noch mehr die der Köpfe mit so vielem Recht angehörte, als Ihnen. Nie, 18  bis jetzt schrieb, D1  20  kommen. [/] Allein D1  24  ihn lange genug D1  25 Dadurch wurden D1  27  aus dem andern D1  33  hier und da D1  37 Takt, D1 (desgl. Z. 40)  41 dem Andern D1  50  gerade mit Ihnen D1

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Brief 326–328

das ist mein aufrichtigstes Geständniß, vereinigt sich vielleicht wieder eine so kalte Par­ theilosigkeit und eine so große Vielseitigkeit, die jeder Eigenthümlichkeit ihr volles Recht läßt, mit den übrigen zu diesem Geschäft erforderlichen Eigenschaften. Vorzüglich ist mir immer, besonders bei Schillers Arbeiten, Ihre Strenge ehrwürdig gewesen, da sie so rein und unmittelbar aus den höchsten Forderungen des Ideals entspringt. Diese Strenge, um darüber noch ein Wort zu sagen, konnte meine Milde bei Beurtheilung des Woldemar nicht billigen. Aber bedenken Sie nur, ich sage jetzt nicht, daß ich das Werk eines empfind­ lichen Freundes zu beurtheilen hatte, sondern daß ich dieß vor dem Publicum thun sollte, das so wenig verdient, etwas nach Forderungen zu würdigen, die es meist nicht einmal versteht, geschweige denn macht. Dennoch glaube ich, was die Materie der Schrift betrift nichts verschwiegen, und wo die Farben geschont sind, denke ich, haben Sie mich gewiß verstanden. Ueber die Form, eigentlich den Styl wollte ich nichts sagen. Das Ganze ist ein Flug mit gelähmten Schwingen, misglückte Göthische Nachahmung. Das Einzige, was man, meiner Ueberzeugung nach, hier sagen konnte, war zu stark, um gesagt zu werden. Ich hielt mich daher an den Inhalt und die Charaktere, und entschuldigte das Uebrige, wo ichs berühren mußte, gern damit, daß es ein Zwitterproduct sey. Schlegel hat mir zwei sehr lange und interessante Briefe geschrieben. Danken Sie ihm herzlich in meinem Namen dafür, und sagen Sie ihm, daß ich noch in diesen Tagen Zeit zu finden hofte, ausführlich darauf zu antworten. Freilich aber ist meine Muße jetzt be­ schränkter, als sie im vorigen halben Jahre war. Ich glaubte, liebster Freund, diesem Brief, den ich heut Morgen schrieb, heute Abend noch etwas zusetzen zu können, aber ich habe einen hindernden Besuch gehabt, und nun liefe ich Gefahr die Post zu versäumen. Also leben Sie recht wohl, und empfehlen Sie uns dem Andenken der Ihrigen. Humboldt.

327.  An Goethe in Weimar

Jena, 14. Dezember 1794

Einladung nach Jena, um Alexander kennen zu lernen.

Da mein Bruder aus Baireuth so eben angekommen ist, so folge ich Ihrer güti­ gen Erlaubniß, Ihnen davon Nachricht zu geben. Ihr Wunsch, ihn zu sehen, ist ihm unendlich schmeichelhaft gewesen, und er bittet Sie recht sehr ihm die Freude zu verschaffen, Sie hier zu sehen. Schiller, meine Frau und ich vereinen unsere innigsten 53  ein aufrichtigstes D1  55 erfoderlichen D1  57 Foderungen D1  60  daß ich das D1 68 Zwitterprodukt D1 || 1 Beireuth D1

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Bitten mit ihm, und lassen Sie uns hoffen, daß sie nicht vergeblich seyn werden. Er bleibt bis Freitag Abend hier. Sehr gern würde er auch selbst Ihnen seinen Besuch in Weimar abstatten. Aber wenn es irgend möglich wäre, so bäten wir Sie doch recht sehr, hieher zu kommen. Da ich Schillern unmöglich rathen kann, selbst wenn er wollte, mitzufahren, so wären wir einen Tag getrennt, und mein Bruder selbst ist von mehrern Reisen, die er seit kurzem [hat] unternehmen müssen, so ermüdet, und wirklich kränklich, daß er ein Paar Tage lang der Ruhe bedarf. Vorzüglich bittet Sie auch meine Frau, ihr die Freude, Sie zu sehn, nicht zu rauben. Schillern sah ich heute noch nicht. Er hat wieder nicht geschlafen. Prof. Meyer dürfen wir doch wohl bitten, Sie zu begleiten. Leben Sie recht wohl, und sagen Sie mir, daß wir nicht ver­ geblich hoffen! Ihr Humboldt.

328.  An Brinkman in Berlin

Jena, 22. Dezember 1794

Übersendung der ,Horen‘-Ankündigung mit Bitte um Weitergabe im Bekanntenkreis. Carisiens Tod. Beschwerde über verzögerte Zustellung seines Briefes an Goeckingk.

Jena, 22. Dec. 94.

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Ich bin so frei, lieber Brinkmann, Ihnen hier 6 Exemplare der Ankündigung der Horen zu übersenden. Ich bitte Sie, sie gelegentlich Ihren Bekannten auszutheilen. Ich erwarte zu viel von dieser Schrift, u. nehme auch zu viel Theil an Schillers Un­ ternehmung, als daß es mir nicht daran gelegen seyn sollte, daß sie recht bekannt wird. – Carisiens Tod wird Ihnen viel zu thun machen. Daher erkläre ich mir Ihr Stillschweigen. Doch bitte ich Sie recht sehr bald um einige Zeilen. Daß Sie mei­ nen Brief an Goeckingk, der hier den 17. Nov. abging, erst den 11. Dec. wie er mir schreibt, an ihn, der doch in Berlin ist, abgegeben haben, damit haben Sie mir kei­ nen Gefallen gethan. Es betraf die Angelegenheit eines Freundes, dessen Plane nun durch die späte Antwort so gut als vereitelt sind. Aber vermuthlich hatten Sie viel zu thun. Auch sage ichs nur für künftige Fälle. Adieu. Ich habe heute nicht mehr Zeit. Ihr Humboldt. 8 hierher D1  10  kurzem unternehmen mußte, D1 || 5  dran gelegen D  7  Sie einen Brief D

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Brief 328–329

Wäre wohl für die Horen in Schweden Absatz? Ich kann Ihnen noch mehr aver­ tissements schicken.

329.  An Wolf in Halle

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Jena, 22. Dezember 1794

Bedauern über Wolfs Schweigen. Anatomische Studien bei Loder; Mitarbeit an Schillers ,Horen‘. Euripides- und Xenophon-Lektüre mit Karoline. Vermittlung eines Verlegers für Ilgens Ausgabe der homerischen Hymnen.

Jena, 22. Dec. 94. Fast möchte ich verzweiflen, mein theuerster Freund, noch ferner ein Wort von Ihnen zu hören, so lang ist es schon, daß ich von Ihnen und dem Homer, der doch wohl einen Theil der Schuld trägt nichts höre. Wenn Sie mir aber auch in dieser Zeit nicht schrieben, so kann ich mir doch den wohlthätigen Glauben unmöglich neh­ men, daß Sie manchmal meiner u. der Meinigen gedachten, u. daß die herzliche Freundschaft, durch die Sie mir so manche glückliche Stunde schenkten, trotz uns­ rer längeren Entfernung, gewiß noch immer dieselbe ist. Schön wäre es aber, wenn Sie mir selbst einmal doch Ein Wörtchen sagten, wenn ich einmal wieder erführe, wie es mit Ihrer Gesundheit, Ihren Unternehmungen, Ihrer Laune steht. Gewiß, ich sehne mich recht innig darnach, und bitte Sie inständigst wenigstens um irgend ein Zeichen des Lebens und fortdauernden Andenkens. Mir geht es ganz wohl u. ebenso auch den Meinigen, die recht wohl sind. Die Kinder wachsen heran, u. Sie sollten Sich freuen, das älteste Mädchen nun so hübsch laufen u. sprechen zu sehn. Es macht uns tausend Freude . Uebrigens habe ich jetzt entsetzlich viel zu thun. Ich habe angefangen hier Anatomie bei Loder zu hören, und das raubt mir den ganzen Vormittag von 9 Uhr an. So leid es mir indeß auch manchmal um diese Stunden thut, so sehr interessirt mich doch das Studium, u. auf dem Wege, den ich einmal eingeschlagen hatte, war es mir unentbehrlich. Auch ist es im Grunde ja nur dieß eine halbe Jahr. Hernach kann ich es mit Gemächlich­ keit treiben, um nicht zu vergessen, oder es sogar für mich selbst weiterzubringen. Meine zweite Hauptbeschäftigung sind meine eignen Ausarbeitungen u. die wissen­ schaftlichen Untersuchungen – jetzt meist philosophischer Art – die sie fordern. Von diesen, denke ich, sollen Sie, liebster Freund, bald etwas in der neuen Monatsschrift sehen, die Schiller herausgiebt, u. deren Ankündigung Sie vielleicht schon in der 12 fortdaurenden h2  25  sehn, die h2 D1

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A LZ . lasen. Ich lege Ihnen demungeachtet noch einige mit hier bei. Es wäre mir angenehm, wenn Sie dieselben Ihren Freunden gelegentlich mittheilen wollten. Ich erwarte sehr viel von diesem neuen Werk, u. der Kreis der Materien, dem es sich ver­ schreibt, ist meinem eignen Geschmack so gemäß, daß ich schon darum ihm gern einen Theil meiner Muße widme. Daß indeß die griechischen Musen ganz vergessen wären, müssen Sie nicht denken. Es vergeht kein Tag sine Graecis. Ich bin jetzt beim Euripides, den ich mit meiner Frau lese, u. dessen matte Weitschweifigkeit uns nicht selten ermüdet. Indeß muß man doch auch dadurch, und nach dem Plane, den ich mir für meine griechische Lectüre gemacht habe, liegt er mir jetzt grade auf dem Wege. Neben ihm lese ich noch die Cyropaedie, die trotz der Sau- u. Rinderhirten, u. mancher langweiligen Tiraden meiner Frau doch recht gut gefällt. Durch sie und die ana­ basis denke ich soll sie nun in die Atticismen eingeweiht genug seyn, um mit ziemlichem Fortgang sich an den Thucydides zu wagen, wenn ich nicht vorher noch etwas Platoni­ sches versuche. Soviel, theurer Freund, von meiner Art zu leben, die wie Sie sehen nicht unbeschäf­ tigt und im Uebrigen sehr einfach ist. Nun ein Paar Worte über die Angelegenheit eines Mannes, dem ich wohl will, und den auch Sie, soviel ich weiß, schätzen. Ilgen aus Naum­ burg, der jetzt hier Professor ist, u. mit mir in Einem Hause wohnt, will die Homerischen Hymnen nebst der Batrachomyomachia herausgeben. Es soll eine durchaus neue Recen­ sion des Textes mit kritischen u. philologischen Anmerkungen nach Art der Brunckischen (d. h. wohl eben so mit Wegschneidung alles Ueberflüssigen) werden, u. ihm, u. sonst dem der etwa Lust haben möchte, zu Vorlesungen auf Schulen u. Universitäten dienen. Wenn ich mich recht erinnere, so urtheilten Sie vortheilhaft über den Mann, u. ich kann nicht anders sagen, als daß ich glaube, daß er manche Schwierigkeit überwunden haben wird. Gesehn habe ich nichts, u. gewiß scheint es mir auch, daß er manche unnütze Lesart hineingebracht haben wird. Denn der pruritus zu conjecturen scheint mir groß in ihm. Wie dem aber auch sey, so kann ich nicht läugnen, daß, da Ihre Hand doch wahrscheinlich erst später von neuem an die Hymnen kommt, mir mit einer solchen Arbeit gedient wäre, u. so geht es vielleicht manchen. Nun kommt aber noch dazu, daß der arme Mann hier ziemlich schlecht steht, u. gern damit verdiente. Deshalb hat er mich gebeten, ihm, wo möglich, ei­ nen Buchhändler zu verschaffen. Mir ist Hemmerde eingefallen, u. ich habe es ihm in dem Briefe vorgeschlagen, den ich hier an Sie beilege. Ich überlasse es nun Ihnen, ob Sie die Sa­ che Hemmerde empfehlen wollen oder nicht. Könnten Sie es aber mit gutem Gewissen, so wäre es mir lieb. Daß Sie für Sich keine Rücksicht dagegen haben, davon bin ich überzeugt. Es muß Ihnen vielmehr Spaß machen, so eine Ilgensche Arbeit vor sich zu haben. Wollten Sie mir aber überhaupt Ihre Gedanken über das ganze Unternehmen bald eröfnen, so thä­ ten Sie mir einen großen Gefallen. 34  jetzt gerade D2

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Brief 329–331

Und nun leben Sie recht wohl, mein herzlichgeliebter theurer Freund. Grüßen Sie alle die Ihrigen von mir und den meinigen herzlich, und sagen Sie mir doch bald ein Wort. Ich hänge gewiß immer mit so herzlicher Freundschaft an Ihnen und an allem, was Ihnen nah ist. Adieu! Ihr Humboldt.

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Jena, 28./29. Dezember 1794

Wolfs glückliche Vermittlung in Ilgens Editionsangelegenheit. Bitte um vertrauliche Überlassung der Druckfahnen der neuen Homerausgabe sowie um Vermittlung bei der Auszahlung von Unterhaltsgeld an die ehemalige Köchin.

29. X�r. Selbst beschäftigt, liebster Freund, verzeihen Sie gewiß dem Beschäftigten Kürze. Tau­ send Dank für Ihre lieben Zeilen. Hätten sie nicht die Nachricht der so bösen Kränklichkeit enthalten, so wäre die Freude ganz rein gewesen. Auch wir kränkeln seit meinem letzten Briefe, doch unbedeutend. Wahrscheinlich ists die Schuld des Wetters. Ilgen habe ich die Stelle Ihres Briefes wörtlich gelesen. Er schreibt Ihnen und Schwetschke heute selbst. Ich glaube er will 8 r. fordern, wird Ihnen wohl aber sagen, daß er mit einem Louisd’or zufrieden ist. Sie werden ja sehn. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Verwendung, und bitte um fernere. Es ist ein grundguter Mann, und braucht es. Die Einrichtung mit dem Homer entzückt mich, und veranlaßt eine Bitte, die Sie mir verzeihen müssen. Ich habe unendliche Lust, die jetzt fertigen Bogen zu sehn, und nicht 4–5 sondern 8–14 Tage darauf zu verwenden. Allein freilich ists wahr, daß ich Ihnen keine ausführliche Antwort zu gewisser Zeit versprechen kann. Ich habe eine Arbeit versprochen, von der ich nicht weiß, wieviel Zeit sie mich kosten wird, und die erst fertig seyn muß. Aber es verschlüge Ihnen ja nichts, wenn ich die Bogen hier hätte. Ich verspreche Ihnen bei meiner Ehre, daß niemand wissen sollte, daß ich sie habe, und mich machen Sie sehr glück­ lich. Auch, wenn es nur irgend thunlich ist, erhielten Sie vielleicht recht bald umständliche Nachricht über den Eindruck, den die Lesung auf mich gemacht. Endlich noch eine Bitte an Ihre Frau Gemahlin, der wir uns herzlichst empfehlen. Die Köchin, die sie uns empfohlen, und die Dorothea Christiana Lehmannin hieß, ist von mei­ nem Bedienten in Halle niedergekommen, und erhält von ihm 10 r. jährlich, die durch mich 65  hange gewiß h1 D1 || 21  10 Thaler h

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gezahlt werden. Diese Person wohnte im Sommer in Glaucha, in Rabenschützens Hause, eine Treppe hoch. Jetzt hat sie sich vermiethet als Amme, und ich habe unglücklicherweise den Namen der Herrschaft vergessen. Meine Frau glaubt aber, daß es ein gewisser Fochtel beim Paedagogium sey. Nun bäte ich Ihre Frau Gemahlin um die Gewogenheit, diese Per­ son, die auf alle Fälle im ersten Quartier aufzufinden seyn wird, kommen zu lassen, und ihr 2 r. 12 gr. Cour. in der bewußten Sache für das Quartal pro 1. Januar 1795 ad 1. April. aus­ zuzahlen. Nur müßte ich bitten, dieß sobald als möglich zu thun, weil die Person dürftig ist. Verzeihn Sie ja die Bitte, aber ich weiß der Sache sonst keinen Rath. Wäre sie nicht zu finden, so meldeten Sie es mir wohl. Sie rathen meiner Frau Reden. Ich kann aber die Abbreuiatur nicht lesen. Meynen Sie den Demosthenes und welche Rede wohl? Ich bin sehr unbekannt in diesen regionen. Adieu! mein theurer lieber Freund, und tausend innige Wünsche von mir und der Grie­ chin für Ihr herzliches Wohlergehn im neuen Jahr, das endlich den Homer ans Licht führen wird. Ihr Humboldt.

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Jena, 8. Januar 1795

Rücksendung der ausgeborgten Pindar-Ausgabe; der Nutzen der Schneiderschen Marginalien für die eigenen Pindar-Studien und die – z. Zt. ruhende – Übersetzerarbeit. Die geringe Bedeutung, die die Jenaer Naturforschende Gesellschaft für Schneiders Forschungen haben kann. Ein Euripides-Zitat in Platons Symposion? Schütz’ vielfältige Tätigkeit. Übersendung der ,Horen‘-Ankündigung.

Jena, 8. Jänner, 1795.

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Endlich ist es mir möglich, Ihnen, verehrungswürdigster Freund, Ihren Pindar nach davon gemachtem Gebrauch, wieder zurückzusenden. Ich würde in der That beschämt seyn, dieß nach einer so langen Zeit zu thun, wenn nicht Ihre nachsichtsvolle Gewogenheit mir noch in Ihrem letzten gütigen Briefe die Freiheit eines so langen Gebrauchs gütigst verstattet hätte. Ich habe Ihre marginalien mit vielem Vergnügen, und gleich großer Be­ lehrung durchgesehen, und habe mich gefreut, vorzüglich in den Olympischen und Py­ thischen Oden auf so manche eigene Bemerkung zu stoßen. Unendlich gern hätte ich ge­ wünscht, mich über manche Stellen mit Ihnen selbst zu unterhalten. Allein das Schreiben 22 Glancha h  27  2 Thaler 12 Groschen Courant h

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Brief 331–332

in einer so großen Entfernung ist zu weitläuftig, und ich besitze eine zu große Achtung für Ihre, Ihnen so kostbare Zeit, als daß ich auch nur einen einzigen [Augenblick] hiervon nehmen sollte. Was meine Uebersetzung betrift, so glaube ich zwar nicht, da es nicht meine Absicht ist, sie mit einem irgend kritischen Apparat zu begleiten, daß ich von Ihren Bemerkungen, deren Einsicht Sie mir mit so großmüthiger Gewogenheit, verstattet haben, werde einen directen Gebrauch machen können. Zum besseren und tieferen Verständniß des Pindars aber, haben sie mir sehr wichtige Dienste geleistet, und ich fühle mich daher Ihnen zur innigsten Dankbarkeit verpflichtet, und werde Sie, verehrungswürdigster Herr Professor, auch um die Erlaubniß bitten, diese, wenn einmal meine Arbeit ganz oder zum Theil erscheint, öffentlich zu gestehen. Leider aber habe ich schon lange die, in der That eigne Stimmung vermißt, in der ein Uebersetzer poetischer Stücke sich befinden muß, und der Pindar hat seitdem keine beträchtlichen Fortschritte gemacht. Was die hiesige naturf[orschende] Gesellschaft betrift, so thut es mir leid, daß Sie die Sache zu ernsthaft genommen haben. Die Gesellschaft ist zu bescheiden, als daß sie ir­ gend auf Ihre Zeit oder gar auf andre Beiträge Anspruch machen sollte. Ihr Zweck ist im Ganzen doch mehr auf das hiesige Local beschränkt, und bei Ehrenmitgliedern rechnet sie nicht sowohl auf Beiträge, es müßten denn ganz zufällig welche einlaufen, als vielmehr darauf, von berühmten Namen unterstützt, mit mehrerem Anstand auftreten zu können, was einer Gesellschaft auch für die solidesten Zwecke nicht gleichgültig seyn kann. Of­ fenherzig zu reden, würde ich Ihnen nicht einmal rathen, ihr irgend eine Ihrer gelehrten Arbeiten zuzueignen, wenigstens ist dieß schlechterdings nicht nöthig. Meine Absicht war allein die, daß die Gesellschaft Ihnen nützlich seyn sollte. Nur war ich zu gut mit Ihren Ge­ sinnungen bekannt, um zu glauben, daß Ihnen an einem Titel etwas liegen könnte. Allein da Sie einmal die Gewogenheit hatten, mir zu schreiben, daß Sie Naturalien vom Harz zu haben wünschten, so dachte ich, Sie könnten ähnliche Bedürfnisse auch einmal für die hie­ sige Gegend haben, und hielt darum diese Verbindung für desto bequemer, als ich wußte, daß sie Ihnen nicht die mindeste Last auflegte, und Sie, außer dem ersten Danksagungs­ schreiben, um keine Minute Zeit brächte. Insofern Sie aber dieß doch auch nur gefürchtet haben, muß ich Sie recht sehr wegen meines zwar gut gemeinten, aber übel verstandenen Eifers um Entschuldigung bitten, und Sie ersuchen, ihn allein meinem Wunsch zuzuschrei­ ben, Ihnen meine innigste Dankbarkeit für Ihre große und zuvorkommende Gefälligkeit gegen mich an den Tag zu legen. Die Stelle des Schol[iasten] des Eurip[ides] die Sie mit so vielem Glück auf das Sympos[ion] angewendet, hat mir eine große Freude gemacht. Die Platonische Verglei­ chung ist ohne sie ganz dunkel. Ich hatte kurz vorher eben diese Stelle des Schol. gelesen und angemerkt, nur an eben diese Anwendung nicht gedacht.

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Mit HEn. HRath Schütz habe ich zwar oft über den Pindar conferiren wollen, bin aber noch nicht dazu gekommen. Der gute Mann zerstreut sich so entsetzlich mit Collegienle­ sen, Ediren, Uebersetzen, (vd. Marmontel) Recensiren, u. Redigiren fremder Recensionen daß es schwer ist, zu etwas mit ihm zu kommen. Es thut mir um so mehr leid, da er ein so braver Mann ist, und soviel leisten könnte. Wie viel schöner und den Musen günstiger sind die Gesinnungen, wie die Ihrigen, sich in einen engern Kreis einzuschließen und diesen mit ungetheilten Kräften zu bearbeiten. Die ganze Stelle Ihres Briefes hat mir unendliche Freude gemacht, und mich innigst gerührt. Wie sehr wünschte ich, Sie einmal nur einige Stunden lang in Ihrem Weinberg besuchen zu können. Ich verharre mit der unwandelbars­ ten Hochachtung und Freundschaft Ihr ergebenster Humboldt. Da ich doch einmal ein Paket abgehen lasse, so lege ich die Ankündigung eines neuen Journals, das Schiller heraus giebt, bei. Ich lege einige Exemplare bei, da Sie vielleicht sie gern einigen Freunden mittheilen. Ich bin weit entfernt Sie überhaupt nur um eigentliche und am wenigsten um baldige Antwort auf diesen Brief zu bitten, da ich Ihre Geschäfte kenne. Wollten Sie mir aber doch die Ueberkunft des Pindar in zwei Zeilen melden, so entrissen Sie mich der Sorge, daß er nicht gut angekommen seyn möchte.

332.  An Goethe in Weimar

Jena, 30. (?) Januar 1795

Übersendung eines von Humboldt skelettierten Pfaus. Freude an den eigenen anatomischen Studien.

Freitag.

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Da unser Freund Jacobi gerade zu Ihnen fährt, so benutze ich diese Gelegenheit, Ihnen einen skelettirten Pfau zu schicken, der Sie vielleicht gerade jetzt interessirt, weil Sie wahrscheinlich Sich nun bald mit dem osteologischen Schema für die Vö­ gel beschäftigen. Es sind die Erstlinge meines Skelettirens, und ich muß Sie daher bitten, zu verzeihen, daß er, trotz der Hülfe des Meisters, die ich noch in etwas mit hinzugenommen habe, nicht besser und reinlicher ausgefallen ist.

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Brief 332–333

An die Beschreibung des Bocks habe ich mich noch nicht gemacht, weil ich es für nothwendig halte, vorher durch [I]hre hier zurückgelassenen Abhandlungen mit dem Geist Ihrer Untersuchungen vertraut zu werden. In künftiger Woche wird das Abschreiben geendigt seyn, und dann gehe ich unverzüglich an eine mehr thätige Theilnahme. Indeß sammle ich allerlei, vorzüglich Schädel, da ich gern eine mono­ graphie des Keilbeins zu Stande brächte, und auch vielleicht der Vergleichung eines zwar einzelnen, aber doch so wichtigen Theils, als der Schädel ist, nicht unwichtig wäre. Anfangs werden die Fortschritte in diesem für mich so fremden Felde freilich langsamer seyn, aber ich rechne auf fortdauernden Fleiß, und ich kann es Ihnen nicht beschreiben, welche Freude Sie mir durch die Erlaubniß gemacht haben, Ih­ nen auf Ihrem Gange folgen zu dürfen. Meine Frau erinnert sich mit lebhaftem Vergnügen der Tage, die Sie hier zubrach­ ten, und bittet Sie um die Fortdauer Ihres freundschaftlichen Andenkens. Unser Kleiner scheint die Blattern recht gut zu bestehen. Wenigstens ist er nicht kränker, als die Umstände es von selbst mit sich bringen. Tausend herzliche Empfehlungen an H. Prof. Meyer. Humboldt.

333.  An Wolf in Halle

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Jena, 30. Januar/2. Februar 1795

Die neuerliche Blatternimpfung für den kleinen Wilhelm. Wolfs ,Prolegomena ad Homerum‘: begeisterte Zustimmung zum Ganzen, als Totalwirkung aller Argumente zusammengenommen; Hervorhebung der Bedeutung der Frage der Schriftlichkeit bei Homer, der Rolle der Rhapsoden und der Verknüpfung der einzelnen Gesänge zu einem Ganzen; Anregung, diese Thesen in anderer Form einem größeren Publikum zu präsentieren.

Jena, 30. Jan. 94. Sie sehen, mein theurer Freund, daß ich gerade nur die Hälfte Ihrer mir zuge­ standnen 3 Wochen gebraucht habe. Gleich nach Ankunft Ihres Briefs habe ich mich an Ihr Werk gemacht, ihm 3–4 Tage gewidmet, u. es so sorgfältig geprüft, als mir möglich war. Auch hätten Sie schon am vergangenen Posttag diese Antwort erhalten, wenn nicht die Gesundheit meines kleinen Jungen mich da am Schreiben verhindert hätte. Wir haben ihm nemlich am 15.  huj. die Blattern abermals (ich glaube Sie 9 zurückgelassnen D1  11  an eine nahe thätige D1  13  auch vielleicht die D1 auch die D1 (Geiger) 22  es selbst D1

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wissen, daß es schon im Herbst zweimal vergeblich geschah) einimpfen lassen, und da fiel gerade der Ausbruch in den Anfang dieser Woche. Um diese Zeit der Erwar­ tung pflegt man wohl nicht recht rein gestimmt zu seyn für ruhige Untersuchung, u. auch ich war es nicht, so gut alles übrigens gieng. Das Kind hat etwa ein 30 Blattern, und befindet sich gesund u. munter. Was aber Ihre Bogen betrift, so habe ich mir, um meiner Sache gewißer zu seyn, alle Begriffe u. Gefühle zurückgerufen, die das Lesen Homers u. das Zurückgehn in dieß heroische Zeitalter sonst in mir weckte. So habe ich Ihre Arbeit erst einmal im Zusammenhang gelesen, u. alles, was Sie sagen, ruhig auf mich einwirken lassen. Dann habe ich sie noch einmal vorgenommen, ein­ zelne Argumente geprüft, u. bei dieser Gelegenheit hie u. da nachgeschlagen, u. ganze Homerische Stücke wiedergelesen. Das Resultat dieser Prüfung ist nach allem diesem denn doch das, wenn Sie es einmal so kurz ausgedrückt verlangen, daß ich überzeugt bin. Indeß hat bei mir dieß keins Ihrer Argumente einzeln bewirkt, gegen jedes, glaube ich, ließen sich mancherlei Einwendungen machen; aber ich halte es nicht für möglich, daß jemand, der jene Zeiten nur ohne Vorurtheil kennen gelernt hat, sich der vereinten Stärke aller widersetze. Ebendarum aber wird es, um über­ zeugt zu werden, immer nöthig seyn, sein gesundes Gefühl zu Hülfe zu nehmen, den Tact, d. h. hier, die Stimmung, die der Geist durch ein richtiges Studium der Homerischen Zeit erhält, mitrichten zu lassen. Gegen einen trocknen Streiter, der nicht eher nachgiebt, bis er per reductionem ad absurdum aus jedem Schlupfwinkel vertrieben ist, werden Sie schwerlich viel ausrichten. Ich sage dieß nicht, als würde Ihnen an der Ueberzeugung eines solchen auch nur überhaupt viel gelegen seyn, sondern bloß, um Ihnen die Totalwirkung zu zeigen, die Ihre Schrift, meines Erach­ tens, machen wird. Die Disposition Ihrer Argumente, glaube ich, ist Ihnen vortref­ lich gelungen. Vorzüglich haben Sie wohl gethan, alles auf illud posse (S. CX II .) zu­ sammenzudrängen. Diese Gründe sind, diejenigen, welche am meisten eines stren­ gen Beweises fähig sind, u. haben Sie diese festgesetzt, so ist es nun an Ihren Geg­ nern, nicht an Ihnen, mit den Schwierigkeiten der Meynung fertig zu werden. Den Beweis, daß die Schreibkunst nicht früher, als in den von Ihnen bestimmten Perio­ den in Griechenland gebräuchlich gewesen ist, halte ich für mathematisch hinrei­ chend. Gegen diese Gründe läßt sich nichts auf bringen, u. ich habe den Scharfsinn bewundert, mit dem Sie die einzelnen Momente gefunden, u. vor allem auch ge­ stellt haben. Was Sie von den Rhapsoden sagen, wird weniger Anfechtung finden, aber dennoch ist die Sache bis jetzt nie in ein solches Licht gesetzt worden, u. es ist Ihnen außerordentlich gut gelungen, ein Gemählde zu entwerfen, das den Leser ge­ rade in den rechten Standpunkt für die folgenden Untersuchungen versetzt. Auf bei­ den zusammengenommen ruht nun die Hauptstärke Ihrer Beweise. Gegen diese ist 11  nur 30 D1  12  Ihren Bogen D1

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Brief 333

mir eine einzige Einwendung eingefallen, die ich hier berühre, nicht als schiene sie auch mir wichtig, sondern weil sie Ihnen möglicherweise u. nicht ohne Schein ge­ macht werden könnte. Ich nehme an, wie es gewiß ist, die Rhapsoden sangen nur bei einzelnen festlichen oder andren Gelegenheiten, nur kürzere, leicht zu umfas­ sende Stücke. Aber, da die Rhapsoden allen Stoff aus der Tradition entlehnten, so konnten sie kein Stück wählen, das nicht mit andern, vorhergehenden u. nachfol­ genden Begebenheiten, zusammengehangen hätte, u. da sie sich mit jedem Stück, weil sie es in sich auf bewahren mußten, anhaltend zu beschäftigen gezwungen wa­ ren, so mußte ihnen der Kreis, aus dem sie es genommen, vorzüglich lebhaft vor­ schweben, u. die Arbeit ihnen in diesem leichter werden. Hatten [s]ie nun etwas getroffen, das gerade gefiel, so war die Idee leicht, an dieß etwas andres zu knüpfen, das auch in der Geschichte damit zusammenhing. Sie hatten dabei wenigstens schon den Vortheil, daß der Leser mit dem Süjet bekannter, u. aus der Erinnerung des vori­ gen Stücks sein Interesse dafür gewonnen war. Homer mochte also zuerst nur den Zank zwischen Achill u. Agamemnon gesungen haben, bis zur Entschließung des erstern nicht mehr zu fechten. Nehmen Sie an, die Neugier zu wissen, was jetzt aus den Griechen geworden sey, habe ihn bewogen, die Geschichte ein andresmal weiter­fortzusetzen, so machte dieß mit dem Vorigen schon ein größeres Ganze aus. Die Art zu detailliren, wie sich dieß habe weiter fortspinnen können, erlassen Sie mir gewiß, u. werfen mir wohl nur die Frage auf, warum es bei Hectors Bestattung schon aufhöre? Dieß ist freilich kitzlich genug u. wird nicht mehr als Vermuthungen zulas­ sen, etwa daß mit Hectors Tod Iliums Schiksal schon vollkommen entschieden war u. s. f. Dieß wäre der erste Schritt. Lassen Sie uns jetzt auch den zweiten thun. Ho­ mer konnte mit der Zeit darauf kommen, die Aufmerksamkeit der Zuhörer schon bei einem Gesang auf den folgenden zu spannen, u. so war es möglich, daß nach u. nach schon ein gewisses Ganze hervorkam. Allein ich fühle sehr wohl alle die Un­ wahrscheinlichkeiten, welche dieser Einfall hat, u. werde durch ihn nur auf etwas andres geleitet, daß mir wichtig u. wahrscheinlich zugleich dünkt, womit Sie aber gewiß auch selbst einig seyn werden. Homer kann nemlich in der That Verfasser der meisten einzelnen in der Il[ias] u. Od[yssee] enthaltenen Stücke seyn, nur daß er sie einzeln u. abgesondert dichtete. Schon die frühern Homeriden können sich einen gewissen Cyclus beim Vortrag seiner Gedichte angewöhnt haben, so daß dadurch bald längere, bald kürzere Ganze entstanden sind. Aus mehreren von diesen kann Pisistratus, oder wer es gewesen seyn mag das Ganze, wie wir es besitzen, zusam­ mengefügt haben. Hiebei würde ich nun vorzüglich darauf Gewicht legen, daß schon Homer den Zusammenhang mehr vorbereitet haben kann, als man vielleicht annimmt. Denn ich halte es für unmöglich, daß ein Genie, wie das seinige, wenn es 48  oder andern D2  58  Homer möchte D2  60 ersteren D2  64  nun die h (Alternativlesung)

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mehrere Stücke desselben Süjets behandelt, diese nicht, ohne es sogar zu wollen, fester in einander verschmelzen sollte. Hier wäre nun der Versuch wichtig, zu be­ stimmen, was nach andern Gründen der Kritik, als der Zusammenhang an die Hand giebt, nicht für Homerisch angesehen werden kann, um zu finden, wieviel unge­ zweifelt Homerisches übrig bliebe. In diesem Theil, gestehe ich, hätte ich mehr Aus­ führlichkeit gewünscht, ob ich gleich nicht entscheiden mag, ob es, wenn man doch sicher auftreten, nicht harioliren will, möglich war, viel mehr zu leisten. Nur habe ich einiges vermißt, was ich mich aus Ihren Gesprächen erinnere. Z. E. vom verän­ derten Gebrauch des Artikels, dem plötzlichen Wechsel der Beinamen z. B. des Jupi­ ter, u. was Sie mir einmal von dem guten Zusammenhange, u. dem gleichen Ton in den ersten 7–8 Büchern der Ilias sagten. Endlich dürfte Ihr Argument gegen die 6 letzten Bücher der Il. manchen Widerspruch finden. Mir selbst scheint Hectors Tod (denn die Bestattung überlasse ich Ihnen eher) dem Zorn so unpassend nicht anzu­ gehören. Patroklos Tod war schlechterdings eine Folge dieses Zwists, u. daß Achill seinen Freund ungerochen lassen sollte, war einem Homerischen Griechen ebenso unerträglich, als einem Musiker die fehlende Schlußquinte bei einem angeschlag­ nen Accord ist. Soviel vom Inhalt. Die Diction habe ich nicht genug bewundern können. Es herrscht nicht nur durch das Ganze eine so große Leichtigkeit u. Grazie, sondern auch die höheren Foderungen des Styls einer geschmackvollen Behand­ lung, u. einer geistreichen Verarbeitung der großen Masse gelehrter Kenntnisse, die darin sichtbar ist, sind in hohem Grade erfüllt. Der Gelehrsamkeit u. dem Scharf­ sinn geht ein gewisser leitender u. sichtbarlich durch das Studium der Alten genähr­ ter Geist zur Seite. Ich weiß keine philologische Schrift, die diesen Untersuchungen gleich käme, nur mit den Lessingischen glaube ich hie u. da Aehnlichkeit der Manier bemerkt zu haben. Sie sehn, daß ich zu einer Wärme hingerissen worden bin, der ich mich um so sichrer überlasse, als ich weiß, daß ich bei Ihnen von jedem Verdacht auch der kleinsten Uebertreibung bei Aeußerung eines solchen Urtheils frei bin. Auch bin ich überzeugt, wird das Publicum nicht anders urtheilen. Ueber dieß aber noch ein Wort. Der Ort, wo diese Untersuchungen stehen, Prolegomena zu einer kritischen Ausgabe, ist ihnen nicht recht günstig. Die meisten philologen von profes­ sion haben keinen Sinn dafür, u. die Leute von Geschmack u. Geist, die jenes nicht sind, werden durch die Idee, viel von Dingen zu hören, die sie nicht verstehn, abge­ schrekt. Ich hielte es für sehr gut, wenn ein deutscher Auszug aus der Geschichte des Homerischen Textes in irgend einem beliebten Journal besorgt würde. Die Ideen sind zu wichtig, um nicht völlig allgemein bekannt zu werden. Die A LZ . könnte hiezu beitragen. Aber Schütz wirds recensiren wollen, u. darüber wirds nie recensirt werden. – Mit meiner Arbeit war ich wirklich an einen Abschnitt gekommen. Sie 87  wiewohl ich nicht entscheiden D1  wenn man auch D1  95 Zwistes, D1  113 abgeschreckt. D2

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Brief 333–335

werden im 2tn Stük der Horen eine Abhandlung finden: Ueber den Geschlechts­ unterschied, u. dessen Einfluß auf die organische Natur, die mich[,] so kurz sie ist, sehr viel Vorarbeit gekostet hat. Ihr werden noch einige andre nachfolgen. – Ich habe diesen Brief noch einen Posttag länger müssen liegen lassen. Der kleine Junge ist recht wohl, u. die Blattern fangen an abzutrocknen. Meine Frau, die das Lateini­ sche der Kinder wegen wieder hat aufgeben müssen, die ich aber mit Ihren Ideen bekannt gemacht, dankt Ihnen sehr dafür, u. grüßt freundschaftlichst. Tausend Empfehlungen an die Ihrigen.   H. 2. F[ebruar] 95. Ich darf doch die Folge der Bogen erwarten? Es hat sie niemand auch nur gesehen. Göthe allein, der bei mir war, als sie ankamen, hat, da ich sie um den Brief zu lesen aus der Hand legte, den Titel zufällig gelesen, um Ihnen alles recht gewissenhaft zu sagen.

334.  An Goethe in Weimar

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Jena, 23. März 1795

Jens Baggesen. Goethes ,Procurator‘. Übersendung zweier Fäßchen Kaviar.

Montag. Ich habe mich gestern in Absicht auf Baggesen geirrt. Sch[iller]’s Absicht ist nicht gewesen, mit ihm sondern mit der Frau zu reden, die ohnedieß den ganzen Sommer in Weimar bleibt, und da er B. nicht zu einem Geschäft braucht, und ihn sonst, wie wohl zu denken ist, nicht liebt; so ist er mit seinem Entschluß nicht herzukommen äußerst zufrieden. Dieß erfuhr ich gestern gelegentlich von Sch. und muß Sie jetzt nur bitten, das Gesagte für ungesagt anzusehn, und die Verwirrung zu verzeihen, die ich in guter Meynung für unsern Freund angerichtet. Den Procurator habe ich mit großer Freude gelesen. Es ist eine gar zierliche Ge­ schichte und die Darstellung ist Ihnen in hohem Grade gelungen. Nebenher habe ich mich auch gefreut, daß sie den Nutzen des Wassertrinkens so ins Licht stellt. Als ich gestern nach Hause kam, fand ich zwei Fässer Caviar, die für mich ange­ kommen waren. Mir ists, als hätte ich einmal gehört, daß Sie ihn liebten, und ich bin so frei, ihn Ihnen anzubieten. Ich wünsche daß er recht frisch und gut seyn möge.

4  ihn selbst, wie D1  5  herzukommen zufrieden. D1 (Geiger)  11  daß Sie […] stellen. D1

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Meine Frau und ich freuen uns unendlich Ihres Herkommens, und ich danke Ih­ nen noch herzlich für die gestrige freundliche Aufnahme. Viele Empfehlungen an Herrn Prof. Meyer. Ihr Humboldt.

335.  An Wolf in Halle

Jena, 23. März 1795

Zwischenbescheid auf eine Anfrage Wolfs. Freude über den unerwartet frühen Erhalt des Ilias-Textes. Böttiger über Wolfs ,Prolegomena‘; Ratschlag, bei Schütz wegen einer Rezension zu urgieren. Arbeit an Männliche/weibliche Form.

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Nie habe ich geglaubt, liebster Freund, daß ich dem Bischof Nelis es danken würde, Ihren Homer früher, als sonst wohl geschehen wäre zu sehen. Dafür will ich ihm aber jetzt doppelt verbunden seyn. Ich habe wegen Ihres Auftrags sogleich an meinen Schwiegervater geschrieben u. die Inlage erhalten, die wohl um so authenti­ scher ist, als jezt viele Brabantische emigrirte in Erfurt sind, von denen er sie bekom­ men hat. Der Coadjutor ist jetzt nicht da. — Ich war gestern bei Böttiger in Weimar. Er fing von Ihren prolegomena zu reden an, u. sagte mir, daß Sie sie ihm geschikt hätten. Er ist unglaublich voll davon. Er sprach mit mir über die recension dersel­ ben in der A LZ . u. wünschte sie möchte in gute Hände kommen. Er hielt für das Critische den Mart[yni-]Laguna allein für competent. Was die prolegomena betrift, so glaube ich, würde Botticher selbst sie recht zweckmäßig anzeigen. Da es nicht für Sie aber für die Sache doch wichtig wäre, so wollte ich Sie doch erinnern, ob Sie nicht etwas bei Schütz veranlassen wollten. Bei Sch. Nachlässigkeit wäre es, glaube ich, nöthig. Ihre Bogen habe ich noch nicht lesen können. Eine Abhandlung fürs 3t u. 4t Horenstück: ueber männliche und weibliche Form hat mich bis heute sehr beschäftigt. Doch hören Sie bald etwas von mir. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen, u. freut [s]ich unglaublich, nun bald das Exemplar Ihres Homers zu bekommen. Tau­ sendmal lebewohl! Ihr Humboldt.

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Brief 335–337

Klein ist mir einen Carolin schuldig, den ich an Sie zu bezahlen anweisen werde. Wir stehen ja so noch in Ihrer Schuld.

336.  An Carl August Böttiger in Weimar

Jena, 1. Mai 1795

Übersendung von Wolfs ,Prolegomena ad Homerum‘.

Jena, 1. May, 1795. Unser Freund Wolf trägt mir auf, Ihnen, hochgeehrtester Herr OberConsistori­ alRath, das inliegende Exemplar seiner Prolegomenen zum Homer zu übermachen, und ich entledige mich um so lieber dieses Auftrags, als er mir Gelegenheit giebt, mich in Ihr Andenken zurückzurufen. Sie werden Sich gewiß mit mir über das Wol­ fische Geschenk freuen, u. ich bin im Voraus begierig, mich recht bald mit Ihnen jetzt, da wir es beide ganz kennen werden, darüber zu besprechen. Wie angenehm würde es mir seyn, wenn dieß recht bald einmal hier bei mir seyn könnte. Vereiteln Sie mir diese angenehme Hofnung nicht, u. seyn Sie versichert, daß ich immer mit der unausgesetztesten Hochachtung verharre Ew. Hochwürd. gehorsamster, Humboldt.

337.  An Körner in Dresden

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Jena, 7. Mai 1795

Ausführlich zu Körners ‚Horen‘-Aufsatz über Charakterdarstellung in der Musik. Die Rezeption des eigenen ‚Horen‘-Aufsatzes Geschlechtsunterschied. Friedrich Schlegel; Wolfs ,Prolegomena‘.

Jena, 7. May, 1795. Ich schäme mich recht herzlich, lieber Freund, Ihnen in so undenklicher Zeit nicht ge­ schrieben zu haben, und mag es gar nicht wagen, die Entschuldigungsgründe alle her­ zuzählen. Gewiß ist es indeß, daß es an guten Vorsätzen, das Stillschweigen zu brechen, nicht fehlte, nur daß mich bis gegen Ostern hin meine anatomischen Studien und meine 3 Prolegomena D

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23. März – 7. Mai 1795

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Arbeiten für die Horen, und seitdem ein längerer Besuch meines Bruders, und nachher Mangel an Stimmung und Kränklichkeit störten, an der ich in der That noch jetzt leide. – Sehr leid that es mir vorzüglich, Ihnen nicht über Ihren Aufsatz schreiben zu können, aber gerade dazu hätte ich eine größere Muße gebraucht, als ich damals hatte. Im Ganzen wird Ihnen Schiller meine Meinung geschrieben haben, aber gerade nur das, glaube ich, was ich daran noch vermißte, da doch so viel mehr darin war, dessen Wahrheit und Neuheit mich überrascht, und das andere damit verwandte Ideen in mir geweckt hat. Ich hatte Ihre Abhandlung zu kurze Zeit bei mir, und es ist zu lange her seitdem, als daß mir die Folge der Sätze noch lebhaft genug vorschweben sollte. Allein das, was mir die Hauptidee zu seyn schien, daß nemlich die Musik durch den Rhythmus vorzüglich Darstellung des Charakters und zwar eines IdealCharakters werden soll, ist, wie mich dünkt, nicht bloß ein so überaus treffender, sondern auch an Folgen äußerst fruchtbarer Satz. Daß die Musik mehr zum Ausdruck als zum Mahlen bestimmt ist, fällt zu sehr in die Augen, als daß es verkannt wer­ den könnte, aber daß die Charakterdarstellung nicht bloß das Einzige ist, was eigentlich allein mit entschiedenem Glück der Gegenstand der Tonkunst seyn kann, sondern daß sie auch von der letzteren in der That am besten und fast nur allein geleistet werden könne, ist weniger anerkannt, und doch scheint es mir ganz unläugbar. Ueberall aber, wo man von Charakter liest oder hört, wird darunter fast bloß gleichsam die Materie desselben verstanden, das, worauf die Empfindungen und Neigungen (deren Summe doch hier der Charakter genannt wird) als auf ihre Gegenstände gerichtet sind. Auf die Art hingegen wie die Seele von den Empfindungen bewegt wird, den Rhythmus, in welchem sie fortfließen, mit Einem Wort auf die Form wird wenig geachtet, und allenfalls nur in der Lehre von den Temperamenten und dergleichen findet man dieß noch einigermaaßen berührt. Ge­ rade hierauf aber beruht eigentlich das Wesen des Charakters, und gerade dadurch lassen sich verschiedene Charaktere am bestimmtesten unterscheidend bezeichnen. Es würde mich zu weit führen, auch nur alles nennen zu wollen, was zu dieser Form gehört, da ich, meinen Ideen nach, dahin nicht bloß die Langsamkeit oder Geschwindigkeit, Heftigkeit oder Sanftmuth des Empfindungsganges rechne, sondern auch die Gleichmäßigkeit und Ungleichmäßigkeit und vorzüglich die so sehr verschiedene Manier in dem Uebergange von einer Empfindung zur andren, die gewiß eben so gut ihre eignen Gesetze hat, als die Association der Ideen. Ich erinnere Sie aber nur an das Eine, an die Weile zwischen dem Empfindungswechsel, deren Verschiedenheiten auch schon im alltäglichen Leben einen so großen Einfluß ausüben. Denn gewiß lassen sich eine Menge von Sympathieen und Anti­ pathien zwischen Menschen aus dieser Quelle allein herleiten, wie ich denn überhaupt auf Zuneigung und Liebe der Form des Charakters einen weit größern Einfluß zuschreiben 12  das andre damit D1  16  und gar eines D1  18 Malen D1  23  von Charakteren D1 28 einigermaßen D1  35  zur andern D1  ihre eigenen D1  36 Associationen D1  40 weit größeren D1

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Brief 337–339

möchte, als dem, was ich erst die Materie desselben nannte. Diese Form nun zu schildern ist die Musik allein hinreichend im Stande, und von dem Ideal einer Charakterschilderung kann ich mir eigentlich sie nicht entfernt denken. Dann aber diente sie nur als Mittel, an sich, als Kunst, müßte sie, wie Sie so schön ausgeführt haben, diese Form ganz rein, und in ihrem Ideal darstellen, und hier treten nun die schwierigen Fragen ein, theils in wiefern die Form, ohne die Materie, einer deutlichen und bestimmten Darstellung fähig, theils von welcher Beschaffenheit das Ideal dieser Form selbst ist? Denn freilich hat die Musik darin vielleicht unter allen Künsten den schwersten Stand, daß die Natur, die sie nachahmen soll, so schwer aufzufassen ist, und nirgends rein erscheint, obgleich auch wiederum darin ein Erleichterungsmittel liegt, daß der Künstler diese Natur selbst in sich trägt, und daß dieselbe durch die Ausübung seiner Kunst selbst reiner gestimmt wird. In seiner umgeän­ derten Gestalt hat mir Schiller Ihren Aufsatz nicht mittheilen können, weil der Druck sehr drängte. Ich bin daher doppelt auf das 5te Stück begierig. Einige Dunkelheiten abgerech­ net, von denen Ihnen Schiller geschrieben haben wird, hat mir der Styl im Ganzen sehr gefallen, und einzelne Stellen machten einen tiefen und ergreifenden Eindruck. Für Ihr Urtheil über meinen ersten Aufsatz, das ich aus Ihrem Brief an Schiller sah, danke ich Ihnen sehr. Er hat sonst viel Unglück gehabt, vorzüglich scheint man ihn mys­ tisch zu halten. Ein Urtheil von Kant (das ich mir aber zurück erbitte) aus einem Brief an Schiller lege ich bei, und Erhard soll sich noch stärker ausgedrückt haben. Man scheint zu glauben, daß ich die Sache transcendent genommen habe. Leid thut es mir, daß man die Charakterschilderung und vorzüglich die Methode, die Charakterseiten in systematischer Vollständigkeit aufzuzählen, sie aus Einem Begriff abzuleiten und auf Einen zurückzufüh­ ren, so übersieht. Gewiß ist es, daß er im Vortrag große Fehler haben muß. Kants Urtheil geht mir sehr durch den Kopf. Zwar sucht mich Schiller zu trösten, aber besser ists immer keinen Trost zu bedürfen. Was sagen Sie zu dem Aufsatz über männliche und weibliche Form? vorzüglich zum Ende? Mit dem Styl werden Sie zufriedener seyn. Er dankt Schillers Bemerkungen und seiner in der That unaussprechlich geduldigen Güte sehr viel. Leben Sie recht wohl, und strafen Sie mich nicht mit Wiedervergeltung. Meine Frau und ich empfeh­ len uns herzlich Ihnen und allen den Ihrigen. Adieu! Ihr H. Schlegel wird an einer Antwort verzweifeln. Er muß aber auch selbst gestehen, daß seine beiden Briefe eine eigne Abhandlung erfodern. Nicht eben diese, aber doch eine ausführliche Antwort liefre ich gewiß nächstens. Bitten Sie ihn ja, mich zu entschuldigen. Die Prolegomena zu Wolfs neuem Homer lesen Sie ja so bald als möglich und schrei­ ben Sie mir Ihr Urtheil. Ich bin unglaublich neugierig darauf. 66  zufriedener sein. D1  73  eigene Abhandlung D1  eben dieß, D1  74 liefere D1

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338.  An Christoph Heinrich Krüger in Jena

Jena, 10. Mai 1795

Freiwilliger Beitrag zur Revenuensteuer zwecks Ausgleichs der Kriegskosten.

Wohlgebohrner Herr, Hochgeehrtester Herr Hof- und ConsistorialRath,

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Ew. Wohlgeb: sage ich für das an mich unterm 4. huj. erlassene geehrteste Schrei­ ben, und die demselben beigeschlossenen anbei zurückerfolgenden Anlagen den gehorsamsten Dank, und bitte die durch eine kleine Unpäßlichkeit veranlaßte Ver­ zögerung meiner Antwort gütigst zu verzeihen. Obgleich ich nicht sagen kann, mei­ nen ordentlichen Wohnort in hiesiger Stadt genommen zu haben, sondern mein Aufenthalt vielmehr völlig vorübergehender Natur ist; so verstehe ich mich doch sehr gern zu dem verlangten freiwilligen Beitrage zu der zum Behuf der Kriegskos­ ten ausgeschriebenen Revenuensteuer, und habe ich mich entschlossen, solchen überhaupt auf fünf Ducaten zu bestimmen. Da ich indeß im Herbst hier nicht an­ wesend seyn werde; so wünschte ich diesen Beitrag auf Einmal und nicht in zwei Terminen zu entrichten, und ersuche daher Ew. Wohlgeb: um gefällige Nachricht, wohin ich das Geld zu bezahlen habe? Der ich übrigens mit der vollkommensten Hochachtung zu verharren die Ehre habe Ew. Wohlgeb: Jena, den 10. May, gehorsamster Diener, 1795. Wilhelm Freiherr von Humboldt.

339.  An Böttiger in Weimar

Jena, 12. Mai 1795

Übersendung der Schlusslieferung der Wolfschen Homer-Edition. Dank für dessen Abhandlung.



Jena, 12. May, 1795.

Ich freue mich sehr, Ihnen, hochgeehrtester Herr OberConsistorialRath, den Rest des Homers sobald schicken zu können. Sie werden gewiß, wie auch ich, der ||  2  Oberkonsistorial Rath, D

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Brief 339–341

Nettheit u. Eleganz des Aeußern Ihren Beifall nicht versagen. Von den innern Vorzü­ gen habe ich noch nicht Zeit gehabt, selbst Beweise zu sammeln. Die angenehme Hofnung, die Sie mir machen, Sie in der nächsten Woche zu se­ hen, eröfnet mir eine überaus erfreuliche Aussicht, und ich bitte Sie recht sehr, es so einzurichten, daß ich Ihren gütigen Besuch länger genießen kann, als es mir selbst, bei meinem neulichen kurzen Aufenthalte in Weimar möglich war. Ich freue mich im Voraus, Ihnen alsdann mündlich meinen herzlichen Dank für das belehrende Geschenk abstatten zu können, das Sie mir mit Ihrer interessanten Abhandlung ge­ macht haben. Wie sehr wünsche ich, daß Ihre Geschäfte Ihnen bald die ausführliche Bearbeitung dieses schwierigen und dunkeln Gegenstandes erlauben mögen, da nur selten mit den Schätzen der Gelehrsamkeit eine so ausgebreitete Kenntniß der antiken und modernen Kunst verbunden ist. Ich habe die Ehre mit der innigsten Hochachtung zu seyn Ew. Hochwürd. gehorsamster, Humboldt.

340.  An Johann Carl Freiesleben in Leipzig

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Jena, 12. Mai 1795

Bitte um Besorgung von Ludwigs ,Naturgeschichte der Menschenspecies‘. Erinnerung an Freieslebens Besuch mit Alexander in Jena.

Jena, 12. May, 1795. Die freundschaftliche Güte, mit welcher Sie, theuerster Freund, mir anboten, mich in einem oder dem andern litterarischen Bedürfniß, zu unterstützen, macht mich so frei, mich an Sie mit einer Bitte zu wenden. Als Alexander noch hier war, wa­ ren Sie so gütig, ihm zu schreiben, daß Sie mir Ludwigs so eben herauskommende Naturgeschichte des Menschen bogenweis aus der Druckerei überschicken könnten. Damals glaubte ich dieß Buch weniger unmittelbar als jetzt zu brauchen; da ich aber mit einer Arbeit beschäftigt bin, bei welcher mir mehrere Notizen nothwendig sind, die ich in jenem Buche zu finden erwarte, so gerathe ich in Versuchung, von Ihrem freundschaftlichen Anerbieten Gebrauch zu machen. Ich bin daher so frei, Sie zu ersuchen, mir die bisher erschienenen Bogen wo möglich mit nächster Post zu über­ machen, u. die folgenden, je nachdem sie schnell oder langsam erscheinen, zu zwei oder drei nachfolgen zu lassen. Ihre Auslage bitte ich Sie mir zu schreiben, so soll sie

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mit umgehender Post erfolgen. Doch setze ich bei dieser ganzen Bitte voraus, daß sie Ihnen keine weitere Unbequemlichkeit verursacht. Wir haben nach Ihrer Abreise noch einige sehr glückliche Tage mit Alexander ver­ lebt, und nur herzlich bedauert, daß Sie, liebster Freund, nicht mehr unsere gemein­ schaftliche Freude theilten. Von Alexander habe ich seitdem er fort ist, nur Einmal ein sehr kurzes Briefchen gehabt, aus dem ich indeß soviel sehe, daß er recht wohl ist. Wir, unsere Kinder mit eingeschlossen, sind vollkommen wohl und gesund, u. freuen uns Sie Ende künftigen Monats in Leipzig wiederzusehen. Ich richte es sicher so ein, daß ich einen vollen Tag mit Ihnen zubringen kann. Ich hoffe alsdann auch Herrn Fischers Bekanntschaft zu machen, dem ich Sie mich sehr zu empfehlen bitte. Meine Frau trägt mir viele Empfehlungen an Sie auf. Ich bin ewig mit der herzlichsten Achtung und Freundschaft Ihr Humboldt.

341.  An Goethe in Weimar

Jena, 21. Mai 1795

Ankündigung eines Besuchs zusammen mit F. A. Wolf.

Donnerstag Mittag.

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Wolf ist hier, liebster Freund, und Ihrer gütigen Erlaubniß zufolge, wollen wir morgen zu Ihnen kommen. Sie verzeihen aber wohl, wenn wir erst gegen Abend um 6 Uhr bei Ihnen eintreffen. Den Mittag möchte meine Frau ihn noch gern hier behal­ ten. Wolf bleibt einige Tage in Weimar. Ich muß leider übermorgen wieder hier seyn, da mein Schwiegervater diesen Tag herkommt. Es wird Wolf auch recht angenehm seyn, Ihre Freitagsgesellschaft zu sehen, und bei dieser Gelegenheit zugleich Herder u. Wieland zu sprechen. Vorzüglich aber hat es ihn gefreut, daß ich ihm gesagt habe, daß Sie Antheil an seinen Homerischen Ideen nehmen. Noch tausend Dank für die neuliche freundliche Aufnahme, u. viel Grüße an Meyer. Leben Sie recht wohl! Humboldt.

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342.  An Wolf in Halle

Jena, 3. Juni 1795

Bedauern, Wolf vor der Abreise nicht mehr angetroffen zu haben. Goethe und die ,Prolegomena‘; Böttiger über die Einführung des Papyrus. Rez. Odyssee: Bitte um Durchsicht und Kritik.

J. 3. J. 95. Wie geht es, lieber bester Freund, u. wie ist es Ihnen die letzte bedenkliche Nacht hindurch gegangen? Ich wollte noch den Morgen zu Ihnen kommen, aber leider verschlief ich es um eine Viertelstunde u. Sie waren schon fort. Gegen Mittag kam Göthe zu mir, u. bedauerte sehr, Sie nicht mehr zu finden. Er ist Ihnen äußerst gut geworden, u. trägt mir viele herzliche Empfehlungen an Sie auf. Die Prolegomena beschäftigen ihn sehr ernstlich, u. ich kann Ihnen nicht sagen, wie zufrieden er damit ist. Zwar ist er noch weit entfernt, sich überhaupt für eine Meynung entschieden zu haben; Sie kennen seine weise Bedachtsamkeit. Allein die Methode, u. der Gang der Untersuchung machen ihm vorzügliche Freude, u. er hat mir namentlich gesagt, daß in dieser Rücksicht schon jede Seite lehrreich sey. Bötticher hat übrigens letzten Frei­ tag eine Abhandlung bei Göthe gelesen, wo er beweist, daß eine von Psammetichus berufene Ionische Colonie zuerst auf Papyrus geschrieben habe u. die ein wahres Bötticherisches Meisterstück seyn soll, eine wahre Carricatur u. Parodie Ihrer Prole­ gomena, voller Blumen u. Schnörkel. Gestern u. heute blieb Göthe hier u. morgen gehe ich mit ihm auf 2–3 Tage nach Weimar. Außer Einigem an meinen me­tris ist seit Ihrer Abwesenheit nicht viel bei mir geschehen. Indeß ist doch die Anzeige Ihrer Odyssee fertig, u. Sie müssen nicht schelten, wenn ich sie beilege. 1., Kennen Sie meine Schüchternheit in graecis et latinis. 2., habe ich mich emancipirt, über die Ungenauigkeit unserer Philologen zu spötteln, u. ob ich gleich von der Wahrheit der Sache überzeugt bin, so ist so etwas bei einem jungen Rec. immer bedenklich. 3., ist mir etwas im Schol. Eur. ad Or. 279. äußerst schwierig, nemlich die Worte: Ἡγέλοχον – ἐπῶν λέγειν. Ich verstehe es: „da er den Heg[elochos] gedungen hatte, die erste Rolle zu spielen.“ Allein sollte er dieß wirklich gethan haben? Heg. war ein τραγικὸς u. Strattis wollte ihn verspotten. Ich meine also, Strattis fingirt dieß in seinem Stück, spielt Komödie in der Komödie u. macht den Heg. zu einer handelnden Person. Fer­ ner, ohne Rücksicht auf meine Anzeige, muß es ἀνϑρωποραίστης od: ‑ρέστης heißen, u. was bedeutet beides? Daß ich übrigens das Schol. so breit extrahirt, that ich, weil man in der A.L.Z. das Vergnügliche liebt, u. damit dh. die versähnlich gedruckten 3 ergangen? D1  4  Sie waren fort. D1  5  ist ihnen D4  11  Bötticher hat letzten D2  12 bewies, D1 D3  14 Karrikatur D3  21  ist etwas D1  27  ἀνϑρωρτοραίστης D1  29 daß Vergnügliche D1

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Zeilen angelockt, auch bloße Dilettanten die Anzeige lesen möchten, da sie doch nur für diese calculirt ist; die Kenner wissen selbst woran sie sind. Der letzte Grund, warum ich schicke ist, daß es doch, wie Göthe immer sagt, hübsch ist, auch Kleinig­ keiten, gemeinschaftlich zu machen. Länger, als wir dachten, ist die Anz. freilich ge­ worden, ich schätze sie ein Blatt. Allein ich sehe doch nichts geradezu überflüssiges, u. wenn Predigten u. Romane so weitläuftig recensirt werden, weiß ich nicht, wozu man so wortkarg bei wichtigen Dingen seyn soll. Ich bitte Sie indeß, das Ganze an­ zusehen, u. mir mit unsrer hergebrachten Offenheit, was [S]ie anders wünschten, zu sagen. Es soll dann nach Möglichkeit geschehen. Mit nächster Post erhalte ich es wohl zurück. Der Abdruck hält manchmal auf, weil sie nicht selten 14 Tage vor­ aus sind. – Unendlich begierig bin ich auf Nachricht von Ihnen, die ich doch noch eher, als Antwort auf diesen Brief, zu erhalten hoffe. Welch eine innige Freude haben Sie uns wieder mit Ihrem göttlichen Besuche gemacht! In meinem nächsten Briefe sage ich Ihnen etwas Näheres über die Zeit, wo ich nach Halle kommen könnte. Ich muß Sie recht bald wiedersehen, lieber, theurer Mann. Hier der Anacharsis u. filius dei, die Sie vergessen. Ein zurückgelassenes Schnupftuch wird nur erst gewaschen. Meine Frau dankt u. grüßt herzlich. Tausend E ­ mpfehlungen allen den Ihrigen, u. viele Küsse insbesondre dem lieben Hannchen. Ihr Humboldt. Ich habe G. ermuntert, die Ilias in Rücksicht auf Ihre Proleg. dhzulesen, u. ich hoffe, er wird es thun.

343.  An Karoline in Jena

Weimar, 4. Juni 1795

Vorkehrungen zu Besuchen am Weimarer Hof und bei Goethe und J. H. Meyer, zu denen Karoline mit den Kindern nachreisen möge.

Donnerstag Wir sind recht wohl angekommen, mein liebes Kind, und ich bin leidlich wohl, obgleich meine Unpäßlichkeit noch nicht ganz vorüber ist. Gestern abend waren wir mit Meyer al­ lein und ebenso heute mittag. Der Herzog nämlich war auf der Jagd, und so wäre ich heute 31  wissen woran D1  37  sie anders D4 wünschen, D1  39  hält merklich D1  41  als die Antwort D1  42  gütigen Besuche D2  44  Hier den D1

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Brief 343–344

vergebens am Hofe gewesen. Goethe hat das so arrangiert, obgleich die Herzogin schon hatte die Tafel auf meine Anmeldung ansagen lassen. Diese Jagd hat nun unsere Pläne ein wenig derangiert. Es wird nämlich nicht angehen, daß ich Sonnabend zurückkomme; da ich doch einen Mittag beim Herzog und einen anderen bei der Herzogin-Mutter sein muß, und Du schlechterdings auch einen Mittag bei Goethe zubringen mußt, so ist der Plan nun so gemacht. Ich bleibe bis Sonntag abend hier, und Du kommst Sonntag morgen bei guter Zeit, spätestens um 10 Uhr, mit den lieben Kinderchen her, issest bei Goethe, und wir fahren in der Kühle zurück. Goethe hat dies so vorgeschlagen und läßt Dich recht freund­ lich bitten, uns keinen Strich durch die Rechnung zu machen. In der Tat, liebe Li, mußt Du uns folgen. Es wird Dich nicht reuen. Außer so vielem, was Du bei Goethe schon sehen kannst, hat auch Meyer prächtige Sachen für des Herzogs Gartenhaus fertig, die nicht bei ihm bleiben, aber jetzt noch hier sind, und schon Goethe in seinem Hause zu sehen, ist interessant. Auch sieht liebes Kind, wo Bill gewohnt hat, das tut’s ja auch gern. Goethe inkommodiert’s gar nicht, und um es noch besser zu machen, können wir ja die Kinder den Mittag mit Emilie und Günther im Erbprinzen essen lassen, und vor- und nachmittag ist in Goethes Garten hinterm Hause recht hübsche Gelegenheit für sie. Meyer rechnet mit Ge­ wißheit, Dich den Morgen in seiner Stube zu unterhalten und freut sich schon im voraus. Goethe hat mich gefragt, ob er jemand für Dich dazu bitten sollte. Ich hab’s aber abge­ sagt. Wir sind hübscher allein. Dies mußte ich Dir erst von Herzen sagen; nun, liebe, beste Li, was machst Du und die schönen Kinder? Ist die Li recht artig und Jüngelchen hübsch gesund? Ihr seid mir beständig vor den Augen, Ihr holden, lieben Seelen, ich kann’s Dir nicht beschreiben wie. Als wir gestern ankamen, kam der August Goethen entgegenge­ sprungen, und du hättest nur sehen sollen, wie der Junge so lieb tat mit seiner heftigen Zärtlichkeit, und der alte Goethe so herzlich froh dabei war. Ich wollte noch mehr schreiben, aber Meyer holte mich ab, zur verwitweten Herzogin zu gehen. Eben komme ich daher zurück. Die Wittib hat mir nicht sonderlich gefallen. Jetzt eben soll der Herzog herkommen und wird mit uns spazieren gehen. Um die Post nicht zu versäumen, muß ich schließen. Lebe innig wohl, küß die Kinder tausendmal. Bill schickt Dir viele Küsse. Du kommst doch also?

344.  An Goethe in Weimar

Jena, 15. Juni 1795

„Wilhelm Meisters Lehrjahre“. Voss’ „Luise“; Studien zur Idylle. Zu Fichtes Autorschaft eines Beitrags im ‚Neuen Teutschen Merkur‘.

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Ich freue mich herzlich, liebster Freund, zu hören, daß Sie auf dem Wege der Wie­ derherstellung sind, und wünsche Ihnen den besten Fortgang dabei. Wie ich von Schiller höre, sind Sie noch nach Carlsbad zu gehen entschlossen, und auf alle Fälle sehe ich Sie noch vor meiner Abreise, da ich, wenn Sie erlauben, wenn es irgend möglich ist, Sie noch einmal in Weimar auf einige Stunden besuche. Bei uns sind die bösen Masern endlich doch eingekehrt. Mein Mädchen hat sie gehabt, ist aber wieder in der Genesung; der kleine Bruder und ich sind noch ganz frei, u. vielleicht wird daher unsre Reise nicht gestört. Ihr Meister hat uns gestern einen sehr glücklichen Abend gemacht. Er ist Ihnen unglaublich gelungen. Die Begebenheiten sind so schön motivirt, u. nehmen doch einen so raschen u. unerwarteten Gang für den Leser; die Charaktere souteniren sich wunderbar, u. das Raisonnement über Hamlet ist voll tiefer Ideen, u. treflicher Be­ merkungen. Der Unterschied zwischen Drama u. Roman, den Sie angeben ist aus dem Innersten der Kunsttheorie geschöpft u. verdiente wohl noch eine ausführli­ chere Erörterung, als Ihnen die Stelle im Roman erlaubte. M[eisters] Uebergang zum Theater haben Sie mit überaus großer Kunst vorbereitet, und Werners u. sein Brief stellen sich vortref lich gegen einander. Der letztere erhält auch sehr nützliche Winke über Ihren Roman selbst u. die Gründe, warum Sie sich alles um das Theater herumdrehen lassen. Von meiner Frau soll ich Ihnen sagen, daß es sie sehr intriguire zu wissen, wessen Arm den M. in dem Augenblick umschlingt, als das Manuscript uns verläßt? In der That sind wir alle sehr neugierig darauf u. haben uns was rechts zerrathen, um es herauszubringen. Die meisten Stimmen unter uns u. Schillers sind für Marianne; indeß auch Mignon, u. Philine sind auf unsrer Liste gewesen. Ich denke die Erscheinung, mit der das Kapitel schließt, rührt von derselben Per­ son her, die den Geist übernahm, oder täuscht auch diese Vermuthung u. war der Geist ein Mann, vielleicht Werner? Daß Aurelie eine so hübsche Rolle spielt, dafür danke ich Ihnen besonders. Sie stört einen gar nicht, auch wenn man sie nicht liebt, und macht durch den ungeheuern Kontrast noch Philinen piquanter, die durch das Klipp! Klapp! u. das schöne Lied noch höher wenigstens bei uns allen steigt. Was meint aber wohl Philine für eine Stelle im Hamlet? Voß Luise hat mich so interessirt, daß ich mich anhaltender mit ihr beschäftige. Dieß hat mich auf die Idylle überhaupt u. auf die Vergleichung anderer Idyllendich­ ter geführt. Unter den Ital. Dichtern dieser Art bin ich am wenigsten bekannt. Giebt es wohl außer Sannazaro noch andere sehr merkwürdige, und könnten Sie mir nicht 9 unsere D1-2  13 trefflicher D3  15  einer ausführlichern D1  24  auf unserer Liste D1-2 29 ungeheuren D2  33  moderner Idyllendichter D1  35  können Sie D2

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Brief 344–345

wenigstens den ersteren u. den pastor fido auf einige Tage, aber, wenn ich bitten dürfte, recht bald, schicken. Verzeihen Sie mein Geschmiere, u. mein Geschwätz u. empfangen Sie nur noch meinen innigsten u. herzlichsten Dank für die frohen Tage, die ich bei Ihnen genoß, und die nur die Besorgniß um Ihre Gesundheit störte. Tausend Empfehlungen an Ihren Freund Meyer von mir, und an Sie beide von meiner Frau! Humboldt. Schiller streitet, daß der Aufsatz im D. Merkur: über den Stil in den bildenden Künsten, wovon im Maystück eine Fortsetzung steht, von Fichte sey. Aber haben Sie es mir nicht gesagt, u. über dies Werklein gesprochen?

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Jena, 15. Juni 1795

Angenehmer Nachklang der gemeinsamen Tage in Jena und Weimar; die Masernerkrankung der Tochter Karoline stelle jedoch ein Treffen in Halle in Frage. Freude über das von Wolf vermittelte Geburtstagsgeschenk eines Aristoteles-Kommentars. Korrekturen zu Rez. Odyssee. Aristoteles’ Poetik als für einen Griechen untypisches Werk einzustufen; analoge Rückschlüsse auf Aristoteles überhaupt. Spalding über Voss’ „Luise“; eigene Beschäftigung mit diesem Werk und in diesem Zusammenhang mit den antiken Mimen.

Jena, 15. Jun. 1795. Ich hatte mir fest vorgenommen, Ihnen schon vergangenen Posttag zu schreiben, innigstgeliebter Freund, aber ein Besuch von ein Paar Bekannten aus Dresden, u. ein sehr langer Brief an meinen Bruder über wissenschaftliche Gegenstände aus der Physik u. Anatomie hielten mich ab. Also erst heute meinen herzlichsten Dank für die so schön u. freundschaftlich wiedereröfnete Correspondenz. Es soll nun in ei­ nem ordentlichen Zuge fortgehen, u. ich freue mich schon im Voraus auf diese so lang unterbrochen gewesenen Unterhaltungen. Ich fange nun von neuem die alte Einrichtung an, u. sammle Ihre Briefe so, daß ich sie Ihnen zurückschicken kann. So kann Ihnen doch das, was Sie mir sagen, auch nachher, ohne neuen Zeitverlust brauchbar seyn. – Es hat mich frappirt, daß Sie in Ihrem Briefe bemerken, daß wir eigentlich wenig Gespräch mit einander gepflogen in den frohen glücklichen Tagen, die wir hier mit einander verlebten. Auch ich hatte schon vorher bei mir dieselbe 36  den erstern D2  Tage, wenn D1  43  im Merkur D1 || 4  von meinem Bruder D1

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Bemerkung gemacht, u. es hat mich von neuem darin bestätigt, daß die Freund­ schaft so unglaublich mehr auf den Empfindungen, Gesinnungen, Charakter, der ganzen Art zu seyn, als auf einzelnen, wenn gleich noch so wichtigen Ideen u. Mey­ nungen beruht, u. so viel mehr daher aus dem Anschauen, Umgehen, bloßen Bei­ einanderseyn, als aus eigentlichen Gesprächen, den gerade ihr eigenthümlichen Ge­ nuß zieht. Bei mir fühle ich es auch lebhaft, daß die Länge der Zeit, in der wir uns nicht gesehn, gar sehr auf meine Art zu seyn gewirkt hatte. So innig u. anhaltend ich mich auch mit Ihnen in Gedanken beschäftigt hatte, so war mir die Nähe, das unmit­ telbare Anschauen so neu, daß es schon allein mich ganz erfüllte, u. mir einen un­ beschreiblichen Genuß gab. Dieser Genuß, liebster Freund, u. Ihre liebevolle Güte mögen Ihnen Bürge dafür seyn, daß ich, sobald ich kann, wieder in Ihre Arme eile, u. Ihnen, insofern es irgend thunlich ist, auch die Meinigen mitbringe. Ich könnte Ihnen mit Gewißheit versprechen, Sie in etwa 10–14 Tagen zu sehen, wenn es noch in unserm Hause, als bei Ihrer Anwesenheit wäre, allein leider ist es sehr anders, ob­ gleich nicht schlimm. Unser Mädchen hat seit 6 Tagen die Masern; u. da sie wohl u. munter dabei ist, u. auch nicht die mindeste Gefahr nur geahndet werden kann, so ist es uns von dieser Seite zwar sehr lieb. Aber unsere Reiseplane kann es sehr dérangiren. Sie wissen, daß sowohl der Kleine Junge, als ich selbst der Ansteckung ausgesetzt sind, u. es bleibt uns nun nichts übrig, als das Schicksal walten zu lassen. Meine Berliner Reise war auf den 1[.] Jul. festgesetzt, u. ich dachte einige Tage früher bei Ihnen zu seyn. Bekommen wir nun gleichfalls die Masern, so ist alles geändert, u. so kann ich noch jetzt nichts bestimmen. Bekommen wir sie aber auch nicht, so sieht es doch – ich rede völlig offenherzig – um die Hallische Reise mißlich aus. Wenn es irgend möglich ist, muß ich den 4–6tn Jul. in Berlin seyn. Anderer Gründe nicht zu gedenken, habe ich in diesen Tagen dort ein Geldgeschäft zu arrangiren, das zwar dh. einen andern, aber nur mit Kosten u. Weitläuftigkeiten verrichtet werden kann. Früher aber als den 1. Jul. wegzureisen, wird darum nicht gut angehn, weil die Ma­ sern gewöhnlich später anstecken, so daß in demselben Hause mehrere Personen sie in Intervallen von 14 Tagen bekommen. Kaum werde ich also früher als zur Zeit der Abreise selbst sicher seyn, nun nicht dh. mein Kind angesteckt zu seyn. Indeß sind dieß alles nur Möglichkeiten u. Wahrscheinlichkeiten. Gewiß ist dabei bloß, daß wir nichts vorher bestimmen können, sondern Sie auf jeden Fall überraschen müssen. Herzlich lieb ist es mir daher, daß Sie nicht schon, aus gütiger Rücksicht auf uns, Anstalten in Trotha gemacht zu haben scheinen. Daß wir (ich meine uns beide) aber Sie im Herbste besuchen auf unserer Rückreise, das glaube ich, nicht bloß in Rück­ sicht auf unsern Willen, sondern auch auf die Umstände, mit Sicherheit versprechen 16  so richtigen h D1  20  nicht gesehen, D2  28 Masern, D2  31  Junge als D2  40 angehen, D2 49  auf unseren D1

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zu können. Wir gehen alsdann so von Berlin nach Burgörner u. folglich sogar über Halle. Da in dieser Zeit Kl[ein] nicht dort ist, ist es so keine üble Periode. Indeß will ich damit einen frühern Besuch nicht abgesagt haben. Nur Gewisses können wir jetzt nicht bestimmen. Wer hätte wohl gedacht, liebster Freund, daß, nachdem wir soviel vom Schol. Arist. gesprochen, ich ihn so wenige Tage später selbst im Hause haben würde. Sie werden [S]ich zwar wundern, wie meine Frau ihn mir vor dem Geburtstag gegeben. Allein das gieng durch eine Uebereilung von ihr, u. durch die sie sich verrieth, u. nun habe ich die Freude u. das Buch um soviel früher. Für Ihre Bemühungen u. schnelle Besorgung meinen innigsten Dank; ich will sehen, ob ich Ihnen den Gebrauch, den ich von dem großen Folianten mache, durch einige Bemerkungen über eine oder die andere Stelle zeigen kann. Die Anzeige habe ich an den notirten Stellen verändert, auch habe ich die Emendat[ionen,] die Sie mir mitgetheilt, gebraucht. Da ich sie bloß anzuzeigen hatte, so nahmen sie wenig Platz ein, u. ich habe meist alle angeführt. Aber was meynten Sie mit λ. 596. Ich finde dort schlechterdings keine Aenderung als, daß Sie den gravis am Ende in einen acutus verwandelt haben. Glaubten Sie κραταῖ᾿ ἴς ge­ schrieben zu haben? Es thut mir leid, daß Sie soviel Mühe mit dem Dinge gehabt; desto mehr aber bin ich Ihnen für die Uebernehmung derselben verbunden. Ein Paar Nachlässigkeiten, die mir entwischt waren, waren unverzeihlich. Mit dem Vater haben Sie mir recht viel Freude gemacht. Indeß war der Aristote­ les nicht vergessen. Ich habe wirklich die ganze Poetik vorläufig durchgelesen, u. in meinem nächsten Briefe denke ich Ihnen Zweifel genug zu schicken. Diese Poetik ist ein höchst sonderbares Produkt, u. in Rücksicht auf die Ideen hat vorzüglich das Problem: inwiefern ein Grieche, in dieser Zeit, dieß Werk schreiben konnte? mein Nachdenken am meisten gespannt. Es ist in der That ein gar sonderbares Gemisch von Individualitäten, die darin vereinigt sind, u. schon aus diesem einzigen Werk halte ich es für eine wichtige Untersuchung, den Aristoteles in seiner Eigenthüm­ lichkeit zu charakterisiren, zu zeigen, wie er in Griechenland aufstehen konnte u. zu dieser Zeit aufstehen mußte, u. wie er auf Griechenland wirkte? Sie wundern [S] ich vielleicht, u. vielleicht mit Recht, daß ich den Stagiriten gleichsam ungriechisch finde. Aber läugnen kann ich es nicht. Seit ich ihn kannte fielen mir zwei Dinge an ihm auf: 1., seine eigentliche Individualität, sein reiner philosophischer Charakter scheint mir nicht griechisch, scheint mir auf der einen Seite tiefer, mehr auf wesent­ liche u. nüchterne Wahrheit gerichtet, auf der andern weniger schön, mit minder Phantasie, Gefühl u. geistvoller Liberalität der Behandlung, der sein Systematisiren 51  Kl— nicht H D1  52  einen früheren h D1  57  ihr, durch D1  78 charakterisiren, und zu zeigen h D1

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wenigstens hie u. da entgegensteht. 2., in gewissen Zufälligkeiten ist er so ganz Grie­ che u. Athenienser, klebt so an griechischer Sitte u. Geschmack, daß es einen für die­ sen Kopf wundert. Von beiden Sätzen fand ich Beweise in der Poetik, oder vielmehr ich glaubte sie zu finden. Die Poetik scheint mir übrigens weniger ein großes Werk, als das Werk eines großen Mannes. Dieser blickt hie u. da, indeß nicht häufig heraus, u. gegen den Kunstrichter wäre nach allgemeinen Ideen allerlei einzuwenden. So wenig bedeutend ich aber die Poetik in philosophischer Rücksicht halte, so sehr ist sie es gewiß in historischer, u. von dieser Seite hat sie mich unendlich interessirt. Bedenken muß man nun wohl auch, daß das Büchelchen, soviel ich weiß, nur Frag­ ment eines größern ist. Was sagen Sie zu unsres Spaldingii Rec. über Voß Luise in der A LZ . Viel ist frei­ lich nicht daran, aber bis dat, qui cito dat. Ich beschäftige mich, für jetzt bloß aus eignem Interesse, sehr viel mit der Luise. Ihre Idee der Aehnlichkeit mit den Mimen hat mich aufmerksam gemacht. Wo steht wohl noch etwas über diese? Ich habe zur Hand: Vossius de instit. poet. Valckenaers ad Adon. Ziegler, u. Becher de Laberio. Ist Menagius ad Diog. Laert. hierüber sehr wichtig? Soviel ich jetzt sehe, waren die mimen Schilderungen einzelner Scenen des Lebens, u. ihr Verlust ist unendlich zu bedauern. Die Luise ist ihnen freilich in dieser Bestimmung ähnlich, aber ihre wesentliche Eigenthümlichkeit scheint mir sehr verschieden. Luise hat mich auch zum Theo­ krit, den ich noch wenig kannte, geführt. Ich habe ein Paar Idyllen gelesen. Es ist eine eigne Gattung u. ein eigner Geschmack, doch unbeschreibliche Anmuth selbst in Niedrigkeiten u. Zoten. Aber genug des Geschwätzes für heute. Leben Sie herzlich wohl, u. grüßen Sie alle die Ihrigen. Meine Frau will selbst schreiben. Ich lege das Schnupftuch u. die Ili­ ade, die Sie zurückwünschten, bei. Mein Gothaer Homer ist gekommen u. ist präch­ tig, obgleich einige Seiten gelitten haben. Doch ist es nicht viel, u. der Druck gleicht, wo es ist, einem Druck auf Pergament. Göthen thäten Sie gut ein Exemplar zu schi­ cken. Es würde ihn sehr freuen zu sehn, daß Sie [S]ich seiner so lebhaft erinnern. Ich dächte aber bloß ein geheftetes, es geht sonst so langsam. Er ist noch diesen Monat durch in Weimar, dann geht er nach Karlsbad, da er an Flüssen ein wenig leidet. Ihr H.

98 eigenem D2  100 Valckenaer h D1  109  lege beifolgendem Pakete die Iliade, D1 113  zu sehen, h D1

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346.  An Böttiger in Weimar

Jena, 22. Juni 1795

Böttigers Probe einer Terenz-Ausgabe. Terenz’ Bedeutung für die Übertragung der griechischen Komödie auf römische Verhältnisse. Böttigers Vermittlung bei der Anstellung eines neuen Bedienten.

Jena, 22. Jun. 95. Warum mußten Sie, hochgeehrtester Herr OberConsistorialRath, mir in demsel­ ben Briefe, in dem Sie mir ein so angenehmes Geschenk mit der Probe Ihres Terenz machen, die Hofnung rauben, Sie noch vor meiner Abreise hier bei mir zu sehen? Denn kaum wage ich es, der ungewissen Aussicht zu vertrauen, die Sie die Güte haben, mir zu eröfnen. Wäre es Ihnen indeß noch möglich, auch nur dieses Ihr Ver­ sprechen zu erfüllen, so kann ich Ihnen nicht sagen, wie sehr Sie mich und meine Frau, die gar sehr Ihre Bekanntschaft zu machen wünschte, verbinden würden. Ihr Terenz hat mir eine recht große Freude gemacht, und mit ungeduldiger Be­ gierde sehe ich der Ausgabe entgegen. Die Idee der Behandlung, von der Sie in der Einleitung reden, ist vortref lich, und läßt unendlich viel für die Aufklärung der wichtigsten und dunkelsten Theile der Alterthumskunde erwarten. Vorzüglich schön scheint mir der Gedanke, den aber auch nur eine Belesenheit, die der Ihrigen gleicht, zu realisiren im Stande ist, den Terenz mit den Ueberresten des ganzen Grie­ chischen Theaters zu vergleichen. Ein Mann wie Terenz bildete gewiß nicht bloß einzelne Verse u. Sentenzen nach, sondern machte sich den ganzen griechischen Geist zu eigen, und wie interessant muß es nun nicht seyn, zu sehen, wie er diese Griechischen Schätze für Römischen Geschmack u. Denkungsart umschuf. Betrach­ tungen wie diese, müssen in den Charakter der Alten weit tiefere Blicke gewähren, als man bisher zu thun gewohnt ist, u. vor allem wird dieser Zweck durch die genaue Erörterung der verschiedenen Personen erreicht werden, welcher sich die Komiker gleichsam als allgemein geltender Formen bedienten. Auf die Art, wie dergleichen Formen sich bildeten, ist überhaupt noch zu wenig gesehen worden, und auf den großen Einfluß, den sie auf das Komische Theater haben. Dem Deutschen Theater fehlen sie fast gänzlich, u. es ist die Frage, ob es nicht großentheils hieran liegt, daß unsere Komödie noch immer gegen andre Nationen weit zurück ist. Von dem Menschen, der sich zum Bedienten gemeldet, habe ich noch keine Nachricht erhalten, obgleich mir sehr daran läge, Gewißheit zu haben. Ich wünschte sehr, daß er sich entschlösse zu mir zu ziehen, und ich bin so frei Sie, theurer Freund, noch einmal zu ersuchen mit ihm zu reden, und zu sehen, wie es steht. Wenn er mit 2  Oberkonsistorial Rath D  20 gewöhnt D  21 verschiednen D  23 gesehn D

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den Bedingungen unzufrieden ist, will ich gern sehr beträchtlich zulegen, und wäre es mir nur lieb, wenn er sich selbst erklärte. Recht sehr aber muß ich Sie mit nächster Post um bestimmte Nachricht bitten, indem der 1ste Jul. mächtig herannaht. Leben Sie recht herzlich wohl, und erhalten Sie mir Ihr freundschaftliches Andenken. Humboldt.

347.  An Goethe in Weimar

Jena, 22. Juni 1795

Dank für eine Ausgabe italienischer Idyllendichter. Jacobi. Ein Aufsatz Alexanders.

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Meinen freundschaftlichsten Dank für Ihre gütige Bemühung in Ansehung der Italiänischen Idyllendichter. Mit nächster Post sollen sie sämmtlich zurückerfolgen. Es sind auch unter denen, die ich noch nicht kannte, einige närrische Geburten. Bei uns ist noch alles wohl, u. unsere Reise wirklich auf Mittwoch über 8 Tage festgesetzt. Könnten Sie mir nicht, liebster Freund, mit Einem Wort sagen, ob wir Sie bis dahin noch Einen Tag hier sehen? oder erlaubten Sie mir, im Fall dieß nicht seyn sollte, noch einmal auf einige Stunden zu Ihnen zu kommen? Ich gestehe Ihnen offenher­ zig, daß ich mich nicht gern, ohne Sie noch einmal gesehen zu haben, auf 3 Monate von Ihnen trennen möchte. Jacobi hat geschrieben u. verspricht den Horenbeitrag zum Ende des Monats. Wie ist denn seine Adresse in Hamburg? Sie waren so gütig mir zu versprechen, mir eine Abschrift des Aufsatzes meines Bruders, oder das Ori­ ginal selbst zu schicken. Dürfte ich Sie bitten, dieß doch noch vor meiner Abreise zu thun. Ich möchte ihn gern mitnehmen, weil ich einige Versuche nachmachen wollte. Meine Frau empfiehlt sich mit mir Ihrem und Herrn Meyers gütigem Andenken! Ihr Humboldt.

11  zu Ende D1

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348.  An Wolf in Halle

Jena, 26. Juni 1795

Humboldts Kränklichkeit führt eine Verzögerung in der Auseinandersetzung mit Aristoteles’ Poetik herbei, die in Berlin nachzuholen sei. Wiederaufnahme der metrischen Studien; Hermanns diesbezügliches Vorhaben. Paulus’ Polemik gegen Voss. Eine Prachtausgabe des Kallimachos als Geburtstagsgeschenk.

Jena, 26. Jun. 95. Die Masern, lieber theurer Freund, sind zwar nicht gekommen, aber es ist darum kein Haarbreit besser mit der Gesundheit gegangen. Ich habe den Pyrmonter ge­ trunken, wie ich auch noch thue, u. der hat mich sehr stark angegriffen. Vormittags machte er mir Beschwerden im Magen, Nachmittags war ich einige Stunden regel­ mäßig wie betrunken, u. Abends schon nach 8 Uhr so müde, daß ich wohl oder übel zu Bett mußte. Vorgestern war der erste Tag, an dem dieß anders war u. an dem ich mich wirklich recht wohl befand. Aber gerade vorgestern überfiel mich beim Spazierengehen plötzlich ein solcher Regen u. Wind, daß ich mich erkältete, u. ges­ tern u. heute an Kolik litt. Indeß versichert Stark, daß es, wenn dieser kleine Zufall vorüber wäre, besser gehen würde, u. unsre Reise ist noch auf Mittwoch festgesetzt. Bei so bewandten Umständen werden Sie es mir, hoffe ich, schon verzeihen, wenn mein Brief noch heute ohne Fragen über den Aristoteles erscheint. So etwas gehört doch immer zu den Beschäftigungen, die Stimmung u. Heiterkeit fodern, u. beides hat mir mein Befinden nur in sehr geringem Grade gelassen. Aber der Aris­ toteles begleitet mich nach Berlin, u. wird gewiß nicht weiter hinausgesetzt. Auf [I] hre Abhandlung über Aristoteles ästhetische Ideen bin ich äußerst begierig, da ich aber noch gar nichts geleistet, so ist es nicht an mir zu fodern, auch ist es mir in der That lieber, wenn Sie mich erst die Poetik grammatisch dhgehen lassen, wozu denke ich nun 3–4 fragende Briefe gehören werden. Dann bin ich besser mit dem Ganzen bekannt u. kann besser Rede u. Antwort geben. Wie gern will ich Ihnen dann alle meine Gedanken, über u. zu den Ihrigen recht ausführlich mittheilen, u. wie herzlich würde ich mich freuen, wenn ich mir dann schmeicheln könnte, daß wir gemeinschaftlich gearbeitet hätten. Sie sehn also daß es mit dem Aristoteles mein völligster Ernst ist, u. um alles noch fester zu machen, will ich Ihnen ein be­ stimmtes Versprechen thun. Nach diesem Brief schreibe ich Ihnen nun zunächst erst wieder den 7. Jul., aus Berlin, da nur ein Zeichen des Lebens u. der Ankunft, dann aber zuverlässig den 14. Jul. über mehrere Kapitel der Poetik. Es ist das Erste, woran ich mich in Berlin mache. 24  Sie sehen also D2

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Jetzt in diesen Tagen der Schwachheit u. zugleich, wegen der bevorstehenden Reise, der Zerstreuung habe ich wieder, wie seitdem schon einigemale die Silben­ maaße vorgenommen. Ich habe mich jetzt fest entschlossen, meine Resultate über Pindars Metrik, wie sie jetzt sind, vollständig zu ziehen. Ich bin weit entfernt, diese jetzt schon für das ganz Vollendete zu halten, was man doch über einen so be­ schränkten u. eigentlich winzigen Gegenstand muß liefern können. Aber ich fühle die Nothwendigkeit mich zu fixiren, u. bestimmt zu wissen, wo ich stehe. Es ist dieß schon nöthig, um die metra der Dramatiker mit festerem Blick zu dhsuchen. Denn ich war immer und bin noch fest entschlossen, diese schlechterdings zu Hülfe zu neh­ men. Nur bin ich auch aus einem äußern Grunde noch nicht mit Fleiß schon jetzt hieran gegangen. Der bewußte Herrmann, der de metris schreiben zu wollen angekündigt hat, wird, wie mir Ilgen sagt, so sehr ins Détail gehn, daß er alle metra der Chöre ganz einzeln durchgehen wird. Nun erweckt es zwar ein übles Vorurtheil gegen den Menschen, daß er Ilgens Schüler ist, daß er seine Theorie (die nur die Bentleysche, soviel ich weiß, schon ausdrücklich wiederlegte , daß nemlich alle Jambischen Verse nur Trochaeische mit dem Vorschlag sind, u. s. w. zu seyn scheint) überall anwenden, und alle Stellen, wo seine Ge­ setze nicht passen, ohne Gnade emendiren wird. „Denn,“ das sind Ilgens ipsissima verba, „er ist aus meiner Schule.“ Indeß hoffe ich, wird er genaue Indices der vorkommenden Versarten liefern, und gerade dieß ists, was ich brauche, und was mich, da ich auch in solchen mechanischen Arbeiten eine unausstehliche, aber unüberwindliche Langsamkeit habe, eine schreckliche Zeit kostet, die ich bei weitem besser anwenden kann. Was nun den Pindar betrift, so macht er doch schon eine hinlänglich große Masse aus, um daß man die meisten seiner Versarten aus ihm selbst erklären kann. Nur zu einzelnen wird man gewiß zu den übrigen Lyrikern seine Zuflucht nehmen müssen. Ich will daher jetzt vollständig aber so kurz, als möglich, meine Grundsätze über Pindars Metrik, und über die Art, wie er in dieser Rücksicht emendirt werden muß, aufstellen, u. wenn ich finde, daß ich schon mit dem jetzt Gesammelten Gewißheit u. Bestimmtheit genug erlangen kann, so will ich eine Parthie Oden, wenn nicht das Ganze durchgehn, u. die Stellen an­ geben 1., wo bisher ohne Noth emendirt worden ist[;] 2., wo noch emendirt werden muß. Nebenher im Arbeiten komme ich jetzt, da ich mehr das Ganze vornehme, auf ganz neue Ansichten. So glaube ich schon jetzt den Bau der Strophen wieder, seit Ihrem Hierseyn besser einzusehn, u. neuerlich habe ich auch über die Caesur im Ganzen u. in einzelnen Versarten allerlei, soviel ich weiß, noch Unbemerktes, aufgefunden. Wenn ich fertig bin, etwa im Herbst, da ich nur einzeln arbeite, theile ich Ihnen das Ganze mit. Daß Sie mit der Anzeige so zufrieden sind, ist mir herzlich lieb, u. mein Zweck ist ganz erfüllt, wenn Ihr Abdruck dadurch früher verkauft wird. Von den Prolegomenis hat mir 51  Doch macht Pindar schon eine hinlänglich große Masse aus, daß h1 D1  52  bei einzelnem wird D1  57 durchgehen, h1 D1  60  seit ihrem Hierseyn besser einzusehen, und h1 D1

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Brief 348–349

Hufeland nichts gesagt, u. vorschlagen mag ich mich nicht. Ich vermuthe, daß es einem andern übertragen ist. Haben Sie schon Paulus, des hiesigen, Erklärung gegen Voß im IB . der L Z . gesehn. Er ist nemlich der Recensent der Hanleyschen Observ. Mich interessirt der ganze Streit nicht sonderlich, ich bin nur auf Voß Antwort begierig. Ein etwas schlimmes Spiel kann Voß dadurch haben, daß er dem Rec. Absichten beigemessen zu haben scheint, was nun freilich sich nie streng erweisen läßt. Paulus Ding ist schlecht genug geschrieben. Aber nicht unwahr ists, daß Voß seinem bloß philologischen Streit eine zu große u. allgemeine Wichtigkeit beilegt. Im Ganzen ist mir aber das Ding ärgerlich, weil die Anti-Vossianer es für sich brauchen werden, u. ich dieser Parthei immer gramer bin. Leben Sie wohl, lieber, theurer Freund! Tausend Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin u. viel Grüße an Hannchen.   Ihr  Humboldt. Wohin Sie auf 3 Monate reisen sollen? – Ich dächte zu Voß u. in die Gegend. Außer Deutschland ist die Zeit zu kurz. In Deutschland scheint mir jene Gegend die ruhigste u. interessanteste. Sie müßten denn nach Wien der Bibliothek wegen wollen. Mein Schwiegervater hat mir zu meinem Geburtstag die Graeuische Edition des Callimachus von 1697. geschenkt. Ich hätte lieber die Ernestische gehabt. Doch ist das Exemplar prächtig. Die Einlage empfehle ich gütiger Beförderung. Meine adresse in Berlin ist: auf der Jägerbrücke im Humboldtschen Hause.

349.  An Böttiger (?) in Weimar

Jena, 26. Juni 1795

Private und literarische Nachrichten.

„Was sagen Sie von Paulus contra Voss.“

69 Harleyschen h1 Henleyschen D1  72  läßt. In Paulus Erklärung ist es nicht unwahr, daß Voß h1 D1 75  immer gram h1 D1

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Kommentar

Zu Brief 199  an Sophie Fränkel, 1. VIII. 1791 H (alt) Berlin, PrStB; derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Autographa, Kst. 87: 3¾ S. (1 Bogen) 8°, eigh., mit normalem Rand, größeren Initialen (auch beim Datum), zwischen Datum und Textbeginn 1, zwischen Textende und Unterschrift 2 Leerzeile(n); mit relativer Sorgfalt recht deutlich beschrieben. D Leitzmann 1939, 239 f.

Z.  7  vor meiner Abreise  Humboldt war Mitte Juni nach Erfurt zur Hochzeit (am 29. VI.) gereist und lebte seitdem mit seiner Frau Karoline, geb. v. Dacheröden, auf dem Familiengut Burgörner bzw. beim Schwiegervater in Erfurt. 16  in einer Lage […], in der Sie […] alles entbehren  Gemeint ist ihre Ehe mit dem Berliner Juwelenhändler M. J. Fränkel; vgl. Br. 144 (Bd. 1). 26  Sie erhalten diesen Brief durch Gentz  D.  h., der Brief war einem nicht erhaltenen Brief Humboldts an Gentz beigeschlossen. 28  zu Ihrer beider […] Bekanntschaft  „Die gute Fanny ist nicht glüklich. […]. Es spinnt sich etwas zwischen ihr u. Gentz an, den ich eingeführt habe ins Haus.“ (175/81: 1. II. 1791) – Diese Aussage, zusammen mit dem anstehenden Lemma, liefert den endgültigen Beweis, dass die „Fanny“ von Bd. 1 (vgl. 141/82, 143/37) tatsächlich Sophie Fränkel ist. Die aus philologischer Vorsicht dort hinzugefügten Fragezeichen hinter diesem Kosenamen sind damit hinfällig. 33  St. ist mir sehr teuer  Stieglitz und Humboldt waren in der Göttinger Studienzeit eng befreundet; im Br. 32 (Bd. 1) berichtet Humboldt von einem fast tödlichen Badevorfall, bei dem es nach seiner Überzeugung allein Stieglitz zu verdanken war, dass er überlebte. 37 Minetten  Wilhelmine v. Holwede.

Zu Brief 200  an Girtanner, 2. VIII. 1791 H

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Berlin, StB PKB, Autogr. I/1530: 4 S. (1 Bogen) gr.-4°, eigh., mit breitem Rand (der Schluss füllt das Blatt unten aus), zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen, ohne Initiale; anfangs recht deutlich, zunehmend undeutlich beschrieben. – Vermerk am Kopf links, S. 1: „2.“; unten links ebd.: „Humboldt, W. v., ber. Gelehrter u. Staatsm.“ Fa. J. A. Stargardt (Marburg), Kat. 626 (1982), Nr. 411 (Z. 5–12, 46–60 + Abb. von S. 1; mit Empfängerangabe: Georg Forster).

Empfänger: Fa. Stargardt hat die falsche Empfängerangabe von Vorgängern übernommen (List & Francke [Leipzig], Verst.kat. 55 [1880], Nr.  323, mit Verkaufsvermerk

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Zu Brief 200–201

„Schultz“; O. A. Schulz [ebd.], Lagerkat. 14 [1882], Nr. 718), obwohl manches dagegen spricht (die zeitliche Nähe zu Br. 202, in dem ebenfalls von der durch die Heirat bedingte Veränderung in seinem Leben die Rede ist; außerdem die Anspielung auf die Stunden „in Ihrem kleinen Stübchen“, die mit dem Haushalt des bestallten Professors Forster nicht in Einklang zu bringen ist, usw.). – Der Empfänger wurde zuerst durch Klaus-Georg Popp von der Georg-Forster-Ausgabe der (seinerzeitigen) Akademie der Wissenschaften der DDR erschlossen. Erst dadurch konnte Girtanner als mutmaßlicher Empfänger der Briefe 76 und 191 (Bd. 1) nachgewiesen werden. Brief 191 wäre dann die entsprechende Nr. 1 zum Vermerk „2.“ dieses Briefes (vgl. zu H). Z. 6  in Göttingen  Vgl. das Tb. (GS XIV 67) sowie 41/41, 79/20 (Bd. 1). 10  während Ihres Aufenthalts in England  Vor allem in Edinburg, wo Girtanner Chemie studiert hatte und sich 1789/90 (nicht 1788) neuerlich aufhielt. „Dr. Girtanner ist nun bey uns; sein Reisegefährte Dr. Jachmann [vgl. zu Z. 68] hat viel Beyfall gefunden.“ (Heyne an Forster, Göttingen, 6. X. 1790; Forsters WW XVIII 430); vgl. auch 191/33 (Bd. 1). 14 Periode  Gemeint ist die Tätigkeit als Referendar beim Berliner Kammergericht 1790/91. 17  antwortete ich  Wohl Brief 191 (Bd. 1). 61  Stieglitz heirathet  Vielleicht wegen der auch hier angedeuteten Entfremdung zu seinem Göttinger Studienfreund war es Humboldt noch nicht bekannt geworden, dass Stieglitz bereits am 18. IV. 1790 in Berlin geheiratet hatte. 61  seine Braut  Jeannette Ephraim, Tochter des Münzdirektors Benjamin Veitel Ephraim (vgl. Jacob Jacobson: Jüdische Trauungen in Berlin 1759–1813. Berlin: W. de Gruyter 1968, S. 349 f.). 64 Seyffer  Vgl. auch hier das Tb.: GS XIV 69 f. 68  Jachmanns Hosen  Jachmann kannte Girtanner von Edinburg her, wo er mit ihm in einem Haus wohnte (Jachmann an Kant, Edinburg, 9. X. 1789; Briefe von und an Kant, hg. von Ernst Cassirer. T. 1, Berlin: Br. Cassirer 1918, S. 441). 68  a potiori fit denominatio  Da der Zusammenhang dieser Anspielung und erst recht das, was deren „trefliche Schilderung“ (Z. 69) beschreibt, unbekannt ist, ist hier nicht auszumachen, ob Jachmann oder dessen Hosen das hier apostrophierte Auffallendste sei, aus dem die Bezeichnung abgeleitet ist. 71 Petisci  Vermutlich ist J. S. W. Petiscus gemeint.

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August 1791

Zu Brief 201  an Friedländer, 7. VIII. 1791 H Weimar, GSA, 96/1370: 3¾ S. (1 Bogen) gr.-4°, eigh., mit breitem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen, ohne Initiale; zwischen Schluss und Empfehlungsformel 3 Leerzeilen, Nachschrift links neben Empfehlungsformel und Unterschrift; säuberliche Reinschrift. – Siegelreste ober- und unterhalb der Schlusszeilen. D D1  [Wilhelm Dorow (Hg.)]: Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der Welt und Litteratur. Bd. 4, Berlin: A. Duncker 1840, S. 42 ff. (mod.; danach die übrigen Abdrucke: J[ulius] Loewenberg: Wilhelm und Alexander v. Humboldt im Verkehr mit ihren ältesten jüdischen Freunden, in: Jb. f. Israeliten, 5625. Begr. v. Josef Wertheimer u. Leopold Kompert, Folge 2, Jg. 1, hg. von S. Szántó (1866), S. 49 f.; Adolph Kohut: Alexander von Humboldt und das Judenthum. Ein Beitrag zur Culturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Leipzig: Pardubitz 1871. S. 75 f. [nach Loewenberg]; Wilhelm Grau: Wilhelm von Humboldt und das Problem des Juden. Hamburg: Hanseat. Verl.anst. 1935, S. 104 f.). Alle Nachdrucke wiederholen die Lesefehler in D1 (diese werden in den Varianten mit D angegeben; die sonstigen Abweichungen, die durch Abschreibfehler u. dgl. zu erklären sind, durch L, K bzw. G). – D2  Eberhard Kessel: Wilhelm v. Humboldt. Idee und Wirklichkeit. Stuttgart: K. F. Koehler 1967, nach S. 246 (vollständige Abb. von H, ohne Textabdruck).

Z.  11  Beschäftigung […] erschöpft  Diese Stelle führt Kessel (vgl. D2) als Beleg für Humboldts lebenslangen Hang zur Vita contemplativa an: „Die Kontemplation war ganz einfach eine Notwendigkeit für ihn“ (S. 44 f.). 36  Wie nah ist jezt alles […] dem Untergang  Die Flucht des Königs Ludwig XVI. (die sog. ,Flucht nach Varennes‘) hatte gerade sechs Wochen zuvor, am 22.  Juni (Humboldts 24. Geburtstag) durch Gefangennahme und Rückführung des Königs nach Paris ein Ende gefunden. Die Nationalversammlung, noch nicht gewillt, die Republik auszurufen, sah sich durch diesen Verrat, der später zum Hauptanklagepunkt im Prozess gegen den Monarchen werden sollte, in größte Verlegenheit versetzt und suchte nach Wegen, den König noch als kooperativen Regierungspartner zu behalten. Die Debatten hierüber (Robespierre, Danton, La Fayette u. a.) lassen zudem die bereits im Gang befindliche Entwicklung zur Schreckensherrschaft hin erahnen. An all dies mag Humboldt hier haben anspielen wollen (vgl. Michelet III 6–8 [Bd. 1, S. 496–538]). 36  Wieviel von der Aufklärung, die auf Friedrichs Zeitalter folgen würde?  Deutliche Anspielung auf die bedrückte Stimmung infolge des Woellnerschen ‚Toleranzedikts‘ 1788 (vgl. Bd. 1, S. 5 und 35/10).

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Zu Brief 202  an Forster, 16. VIII. 1791 H (alt) Wernigerode, NL Therese Forster (Fragment) Pr. Mainz, 25. VIII. 1791. – Rsp.  17. I. 1792 (n. e.). D D1  Forster’s Brw. II 820 ff. (dat. 1792), danach GW I 291 ff. (dat. 1791). – D2  Leitzmann 1936, 73 ff. (Vorlage). – D3  Forsters WW, XVIII 454 f.

Z. 8  Ich besorge […] nicht die Misbilligung des Schritts  Dies war nicht ganz begründet, denn gerade in diesen Tagen hatte Forster verzweifelt an Jacobi geschrieben, „Alexander Humboldt ist in Freiberg und fängt an mir abzusterben. Wilhelm ist längst todt für mich; er heirathet in Erfurt ein Fräulein von Dacheröden und will in seiner Stimmung aller öffentlichen Wirksamkeit entsagen, welches bei seinen Talenten zu bedauern ist.“ (Mainz, 6. VIII. 1791; Forsters WW XVI 326) 17  bilde Dich selbst  Vgl. Br. 106 u. ö. (Bd. 1). 30  mein Stillschweigen  Nach Humboldts Verzeichnis des Briefwechsels mit Forster hatte er diesem zuletzt am 29. XI. 1790 geschrieben (n. e.; Leitzmann 1936, 144). 36  Durch Sie habe ich einen […] Theil meiner Bildung erhalten  Im ,Rechtfertigungsbrief ‘, den Humboldt anlässlich der Verlobung mit Karoline an Forster schrieb, steht diese Passage, die durchaus auf sein Verhältnis zu Forster bezogen werden kann: „Alles Glük, was mir je ward, genoß ich durch das Gefühl des Werths der Menschen, die mich umgaben. Ich war glüklich genug, großen Charakteren nahe zu treten, ich studirte sie. So schuf ich mir nach und nach Ideale, zu denen ich die Züge einzeln zusammenlas.“ (99/23 – Bd. 1)

Zu Brief 203  an Löffler, 19. VIII. 1791 H Weimar, GSA, 21/382,3: 4 S. (1 Bogen) gr.-4°, eigh., mit sehr breitem Rand, mittlerer Initiale, Datum links ausgerückt, Nachschrift zwischen Datum und Empfehlungsformel; recht deutliche Reinschrift.

Z. 12  Herr Rath Bekker  Rudolf Zacharias Becker, seinerzeit Erzieher Karolines, nunmehr – wie Löffler – in Gotha wohnhaft. 26  Probst Teller  Teller war gleichsam synonym für die aufklärerische Opposition zur reaktionären Religionspolitik unter Friedrich Wilhelm II., die 1788 im Woellnerschen Edikt gipfelte. Laut Aussage P. Tschackerts (ADB XXXVII 556 f.) gelang es ihm, auch in den Jahren nach dem Edikt seine Stellung trotz allem zu behaupten.

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August 1791

Zu Brief 204  an Jacobi, 22. VIII. 1791 H (alt) Berlin, AST Pr. 28. VIII. 1791. – Rsp.  19. I. 1794 (D, 112). D Briefe von Wilhelm von Humboldt an Friedrich Heinrich Jacobi. Hg. u. erl. von Albert Leitzmann. Halle/S.: M. Niemeyer 1892, S. 35 ff. (krit.). GB II  Pempelfort, 31.  I. 1794 (vgl. hingegen Rsp.!) – d  Friedrich Heinrich Jacobi’s auserlesener Briefwechsel. In zwei Bänden. [Hg. von F. Roth]. Bd. 2, Leipzig: G. Fleischer 1827, S. 137–141 (mod.).

Z. 14  eine hübsche Stelle über das Geschäftsleben  Noch bevor von einem Rückzug aus der Staatslaufbahn die Rede war, hatte Jacobi bei der bloßen Erwähnung anderweitiger Geschäfte (133/145 – Bd. 1) mit folgenden Worten reagiert: „Was ich unaussprechlich bedaure, ist, daß bürgerliche und politische Geschäfte Sie allmählig ganz verschlingen werden. Werden Sie, ich bitte Sie flehentlich darum, der Philosophie doch nicht ganz ungetreu. Die Bemühungen eines freien und markigen Denkers, sey es auch blos in Nebenstunden, sind fruchtbarer als die Schweißströme der Leute vom Handwerk. Ja wohl Handwerk! Mir ist bei diesen Leuten, als sähe ich einen Lyoner Modell-Punctirer oder Zugwerk-Knüpfer mit Verachtung auf die ungefähren Pinseleien eines Le Sueur oder Poußin herabsehen. Freilich kann man mit den Händen die Baumwolle nicht so fein spinnen, als sie die Spinnmaschine liefert; mit dem bloßen Auge nicht so weit sehen, als mit Herschel’s Seh-Rohr; aber ich denke, wir behalten dennoch unsere Hände, unsere Augen – unsere Spontaneität.“ (Pempelfort, 9. IX. 1790; d, 43 f.) 21  schrieb Ihnen […] Alexander  „Die Trennung von Wilhelm fühl’ ich […] am tiefsten. Dieser gute Mensch, dem ich gerade die Stimmung verdanke, welche mich des edleren Lebensgenußes empfänglich macht, bleibt mir vielleicht noch lange entzogen. Sein Plan ist bis jetzt noch unbestimmt, doch ist es mir höchst wahrscheinlich, daß er Berlin verlassen wird. Sie kennen seine Verbindungen in Erfurth. Das Mädchen […] ist seiner werth, ein so guter Mensch muß ein glücklicher Gatte, ein glücklicher Vater sein“ (Alexander an Jacobi, Hamburg, 6. IV. 1791; Jugendbriefe 134).

Zu Brief 205  an Fischer, 26. VIII. 1791 H verschollen D Leitzmann 1939, 248 ff.

Z. 21 Lorenz  Die Elemente der Mathematik in sechs Büchern von Johann Friedrich Lorenz. Th. 1–2, Leipzig: J. G. Müller 1785/86 (21793/97).

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Zu Brief 205–208

24 Astronomie  Das 6. Buch bei Lorenz behandelt die „Elemente der astronomischen Wissenschaften“ (II 361–492). 27  Bode[s] kleines Handbuch  Gemeint ist wohl Johann Elert Bode […] Kurzgefaßte Erläuterung der Sternkunde und den dazu gehörigen Wissenschaften. Th. 1, Berlin: Chr. Fr. Himburg 1778.

Zu Brief 206  an Gentz, August 1791 H (alt) Berlin, AST D D1  [anon.]: Ideen über Staatsverfassung, durch die neue Französische Konstituzion veranlaßt. Aus einem Brief an einen Freund, vom August 1791, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 19, 1. St. (Januar 1792), S. 84–98 (danach in GW I 301–311). – D2  GS I 77–85. – D3  Leitzmann 1935, 49 (Textabweichungen in H).

Der hier gebotene Text stellt die ursprüngliche Briefform von H wieder her, indem die in D3 verzeichneten Abweichungen an die entsprechenden Stellen in D2 eingesetzt werden. Der Variantenapparat berücksichtigt die, wie Leitzmann bemerkt, in H „zwischen die Zeilen geschriebene[n]Veränderungen“ (D2, 77, Anm.) und registriert zudem sinnstörende Varianten in D1, nicht aber die zahlreichen Änderungen, die lediglich den orthographischen (und Interpunktions-)Präferenzen des Redakteurs Biester Rechnung tragen („Nazion“, „Consequenz“, „kömmt“, „darzu“, „mögte“, „mannichfaltige“, „ward“ usw.), noch die gelegentlichen offensichtlichen Druckfehler („Berfassung“, „ein schöne […] Blüthe“ usw.), die Humboldt übrigens nicht entgangen sind: vgl. 218/39. Z. 22  ein völlig neues Staatsgebäude  Nach der Flucht Ludwigs XVI. nach Varennes (vgl. zu 201/36) und seinem Verhör vor der Nationalversammlung und der anschließenden Debatte, ob an der Spitze der zu beschließenden Regierungsform ein Monarch überhaupt noch stehen solle, war eine durch Kompromisse in beiden Richtungen gekennzeichnete erste Verfassung, die ,Verfassung von 1791‘, unlängst zustande gekommen, die der König am 13.  IX. 1791 unterschrieb (vgl. zum Gesamtzusammenhang Michelet III–IV; Bd. 1, S.  496–624). – Humboldts Aufsatz gilt nicht dem Buchstaben dieses Dokuments, und nur insofern dessen Geist, als er schlicht der Frage nachgeht, ob eine ausformulierte Verfassung – damals ein absolutes Novum: war ja die amerikanische Verfassung erst seit zwei Jahren in Kraft – überhaupt, und insbesondere in der gegenwärtigen Situation in Frankreich, gelingen könne. 40  qu’il ne faut pas […]  Daß Humboldt hier auf einmal französisch schreibt, deutet darauf hin, dass er einen Ausspruch zitiert, den Gentz ihm vermutlich aus seiner viel-

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August – November 1791

seitigen Lektüre französischer Schriftsteller mitgeteilt hat. Die Stelle war bisher nicht zu ermitteln.   49  die bisherige  D. i. die absolutistische Monarchie. 126  derselbe Römer  Falls Humboldt hier überhaupt an eine bestimmte Stelle im römischen Schrifttum dachte (oder spricht er nicht vielmehr ganz allgemein?), war diese – jedenfalls von diesem Editor – nicht zu ermitteln. 142  Der Adel verband […] überflüssiges geworden ist.  Dieser Satz ist wohl Biesters Skrupel vor der Zensur zum Opfer gefallen (so auch Leitzmann, D2, 82, Anm.). 173  konnte kein andres System folgen  Schon Leitzmann (D2, 84 f., Anm.) hat an der Diktion der Variante zu dieser Stelle aus D1 erkannt, dass sie aus Biesters Feder geflossen sein muss.

Zu Brief 207  an Dalberg, 18. X. 1791 H verschollen h Berlin, AST, Smlg. Letsch, IN. L-2.1.13: Karoline v. Humboldt an Ernst v. Dacheröden, Burg­ örner, 21. X. 1791 (Reg.).

Datierung: Posttag. Z.  1  das neue Gesezbuch  Gemeint ist zweifellos: Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten. Th. 1, Berlin: Kgl. Hofbuchdruckerey 1791 (BV – A-b/c). Es war dies die erste Lieferung zur Realisierung des friderizianischen Projekts einer gemeinverständlichen Kodifizierung der Gesetze des Königreichs, die später unter dem geänderten Titel „Allgemeines Landrecht der preußischen Staaten“ als musterhafte Gesetzessammlung Epoche machen sollte. Humboldt wird auf das Erscheinen dieses Bandes durch seinen einstigen Lehrer Klein aufmerksam gemacht worden sein, der an dessen Ausformulierung beteiligt war.

Zu Brief 208  an Sophie Fränkel, 7. XI. 1791 H (alt) Berlin, PrStB; derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Autographa, Kst. 87: 2 S. 8°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 1 Leerzeile; recht sorgfältig und deutlich beschrieben. – Der Brief ist nur fragmentarisch erhalten und bricht mitten im Satz am Ende des Versos ab. D Leitzmann 1939, 241.

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Zu Brief 208–210

Z. 12  Gentz ist […] bei uns gewesen  Hauptgesprächsthema des Besuchs war natürlich die im Entstehen begriffene Abhandlung Staatswirksamkeit. – Karolines Angaben zufolge hat Humboldt diesen Brief vordatiert (Posttag); er schrieb ihn tatsächlich am 5. XI.: „Wir haben seit vorigem Sontag [30. X.] einen Besuch aus Berlin, einen Geheimensekretair Gentz, der viel mit Humboldt vorigen Winter umgegangen ist und ein Mensch von vielem Kopf und erstaunender Wißenschaft ist.“ Weiter heißt es, dass er „uns morgen wieder verläßt“ (Karoline an Ernst v. Dacheröden, Burgörner, 3. XI. 1791; H Berlin, AST, Smlg. Letsch, IN. L-2.1.15). 20 Rothenburg  Dort besuchte Gentz einen „alten Freund“, den Rendanten Mesch­ ker (Karoline, ebd.; vgl. auch Wittichen I 53, 88).

Zu Brief 209  an Gentz, Dezember 1791 H (alt) Berlin, AST (Fragment) D Leitzmann 1935, 49–52.

Datierung: wohl kurz vor Br. 210. Vermutlich nicht abgeschickt: Das Fragment „bricht mitten auf der Seite ab“ (D, 52) und gehört zweifellos in die Nähe des ebenfalls unvollendeten Aufsatzes, dem Leitzmann den Titel „Über die Gesetze der Entwicklung der menschlichen Kräfte“ gab (GS I 86–96) und aufgrund des Wasserzeichens der – heute nicht mehr erhaltenen – Handschrift in die „ersten burgörnerschen Monate“ ansetzte (GS I 431). Unmittelbare textliche Übereinstimmungen finden sich zwar nicht. Die Erklärung dafür liegt aber wohl in der viel mehr ins Allgemeine und Abstrakte gehende Darstellungsweise jenes Aufsatzes, der als Einführung in eine größere Abhandlung konzipiert war. Z. 1  in meinem […] politischen Briefe  206/180.   7  Aufsaz über metaphysische Moral  Die Schrift, die Gentz bei seinem neulichen Besuch in Burgörner mitgebracht hatte, ist wohl nicht erhalten; vgl. D, 49, Anm. 1. 11  die Kräfte der Menschen Vgl. 206/213. 12  meines Tadels der Französischen Nationalversammlung Vgl. 206/22. 25  die Zahl der Saiten der Leier […] Staatsangelegenheit  Möglicherweise spielt Humboldt hier auf den Bericht Pausanias’ (III 10, 12) an, wonach die Spartaner in einem Pavillon, wo Versammlungen abgehalten wurden, die Leier des Timotheos von Milet aufgehängt hatten, um ihr Missfallen über dessen Erweiterung der Zahl der Saiten von sieben auf zwölf zum Ausdruck zu bringen. Dies wurde auch im pseudo-plutarchischen Dialog Περὶ Μουσικής (1141 f–1142 a) gerügt. (Mit Dank für den Hinweis

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November 1791 – Januar 1792

auf Pausanias an Johannes Hahn, Münster, sowie dem vermittelnden Freund, Folker Reichert, Heidelberg.) Vgl. auch Paul Maas, RE, II/6, 1331–1334, bes. 1333. 28  Wir rühmen uns mehr der menschlichen Erfindungen, als der menschlichen Kräfte Dieser Gedanke und die folgenden Ausführungen sind wohl als Fortwirkung der Bemerkung Jacobis (vgl. 204/14 u. Anm.) anzusehen, die Humboldt offenbar tief beeindruckt hatte. 48  Zusammengebundene Pfeile  Dass die Skythen den Pfeil zum Inhalt dieses Symbols wählten, lag nahe, denn sie waren, wie Herodot berichtet (IV 46), allesamt berittene Bogenschützen.

Zu Brief 210  an Gentz, 9. I. 1792 H (alt) Berlin, AST D Leitzmann 1935, 52–89 (Abdruck des ganzen Textes mit zusätzlichem Paginierungsverweis auf jene Stellen, die in Staatswirksamkeit Eingang gefunden haben; Emendationen und Lesarten nach Leitzmanns Angaben).

Der Brief erweist sich in seinen späteren Partien (ab Z. 199) als bereits weit gediehener Vorentwurf zur Staatswirksamkeit: Ganze Passagen finden sich dort fast wörtlich wieder (mitunter freilich durch zusätzliche Gedankengänge, Erläuterungen usw. ergänzt, die bei einer weiteren Bearbeitung einer Schrift zu erwarten sind). Diese Stellen werden im Kommentar kenntlich gemacht und im Text nicht wiedergegeben. Eine genaue Feststellung der textlichen Varianten ist durch Gegenüberstellung von D und Staatswirksamkeit möglich. Z. 1  die Französische Konstitution  Vgl. zu 206/22.   6  mein voriger Brief Br. 206. 58  Montesquieus principes Vgl. De l’Esprit des Loix Ou du rapport que les Loix doivent avoir avec la Constitution de chaque Gouvernement, les Moeurs, le Climat, la Religion, le Commerce, &c. à quoi l’Auteur a ajouté Des recherches nouvelles sur les Loix Françoises, & sur les Loix Féodales. (Zuerst t. 1–2, Genève: Barrillot & fils [1748]); 3me livre: „Des principes des trois gouveremens“; diese sind: Demokratie (III 3), Aristokratie (III 4) und Monarchie (III 7). 70 Ehre  Das 5. Kapitel trägt die Überschrift „Daß Tugend nicht das Prinzip der monarchischen Regierung ist“. Im 6. Kap. erläutert Montesquieu „Für die Triebkraft, die ihr [der monarchischen Regierung] fehlt, hat sie eine andere: die Ehre.“ (Montesquieu, Vom Geist der Gesetze. Auswahl, Übersetzung und Einleitung von Kurt Weigand. Stuttgart: Ph. Reclam jun. 1994, S. 124 ff.)

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Zu Brief 210

  79 vertu  Vgl. zu Z. 70.   92  Platos Weibergemeinschaft  Vgl. ,Staat‘, 5. Buch (457 d).   93  Aristoteles […] Vorschlag  Vgl. Politik, 7, 16 (1335 b) (A. L.).   98 Bayle  Vgl. Montesquieu, Esprit XXIV 6: „Erst beleidigt Bayle alle Religionen [vgl. XXIV 2], dann beschimpft er die christliche. Er geht so weit zu behaupten, echte Christen könnten keinen Staat von Dauer gründen.“ (zit. zu Z. 70, S. 370) 124 Livius  Auch mit Hilfe einer ausführlichen Konkordanz (David W. Packard: A Concordance to Livy. Vol. 1–5, Cambridge/MA: Harvard U. Pr. 1968) war diese Stelle nicht zu ermitteln. 129  einen Kurulischen Stuhl Die sella curulis war ein Klappstuhl mit geschweiften Beinen, der schon an sich ein Kennzeichen staatlicher Autorität war und somit buchstäblich als ,Amts-Sitz‘ des jeweiligen Inhabers fungierte: wo immer dieser auf ihm sitzend agierte, geschah staatlich Verbindliches (Gerichtsverhandlung, Leitung einer Volksversammlung, Aushebung usw.). Ein Plebejer auf einer sella curulis war allerdings eine Seltenheit. Was Humboldt hier sagen will, ist, dass auch Konkurrenzfragen zwischen Patriziern und Plebejern im alten Rom geregelt waren (und zwar durch den cursus honorum, der genaue Vorschriften für die Laufbahn, Ämterfolge usw., aber auch das Verhalten angehender Politiker zueinander enthielt); vgl. zur sella Kübler, RE, 2. R., Bd. II/2, Sp. 1310–1315 bzw. zum cursus Christian Gizewski, Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. von Hubert Cancik u. Helmuth Schneider. Bd. 3, Stuttgart/ Weimar: J. B. Metzler 1997, S. 243 f. 139  das veto der Tribunen Die tribuni plebis, als Gegengewicht gegen die Patrizier im römischen Staatswesen auftretend, hatten trotz ihrer Minderzahl weitreichende Kompetenzen, darunter eine Art Vetorecht: „Gewichtig wurde ihr Einspruch gegen Gesetzesanträge (rogationes) und Senatsbeschlüsse“ (Hans Volkmann, KlPauly V 948 f.); auch die Tribunen hatten übrigens kein Recht auf eine sella curulis (Kübler, a.a.O., 1314). 159  daß alle Energie mit der Ausbreitung hinschwindet  Hier wendet Humboldt das 3. thermodynamische Gesetz auf einen sozialen Kontext wörtlich an. 160  auf meinen vorigen Brief Vgl. 206/102. 161  das Geschrei über die Freierklärung der Negersklaven  Die weißen Siedler der französischen Kolonie Saint-Domingue (auf der ursprünglich „Hispaniola“ benannten Insel, wo Kolumbus zuerst in der Neuen Welt an Land gegangen war) teilten – als Sklavenhalter – die Gesinnungen der Revolutionäre, die 1789 die Bastille erstürmten, natürlich nicht. So ignorierte ihre Provinzialversammlung alle Proklamationen von Gleichheit u. dgl. und setzten auch den Beschluss der französischen Nationalversammlung vom 8. III. 1790 nicht um, der wenigstens den freien Mulatten (,gens de couleur‘) das Bürgerrecht zusprach, wobei die Sklaven ausdrücklich ausgenommen wurden. Bei diesen, welche die Losung „liberté, égalité, fraternité“ natürlich auch für sich geltend machen wollten, löste die neuerliche Ablehnung des Beschlusses, die am 15. V. 1791 von der Na-

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Januar 1792

tionalversammlung noch einmal bestätigt worden war, Unruhe aus, und am 22. VIII. 1791 kam es schließlich zum Ausbruch der blutigen Rebellion, die den Hintergrund zu Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ bildet. Um dieser die Spitze zu nehmen, erklärte der Provinzialkommissar Léger-Felicité Sonthonax wenige Tage später die Sklaverei in der Kolonie kurzerhand für beendet. (Darüber hatte sich wohl das Geschrei erhoben, von dem Humboldt hier spricht.) Die Maßnahme kam zu spät, die Rebellion war am Ende siegreich: es ist die Geburtsstunde der Republik Haiti (z. T. nach http://www.latinamericanstudies.org/haiti/slave-rebellion.htm). 171 Pisistratiden  D. i. die Nachfolger des athenischen Tyrannen Peisistratos. 181  Platos Allegorie  „Wenn [die Götter] aber zum Fest und zum Mahle gehen und gegen die äußerste unterhimmlische Wölbung schon ganz steil aufsteigen, dann gehen zwar der Götter Wagen mit gleichem wohlgezügeltem Gespann immer leicht, die anderen aber nur mit Mühe. Denn das vom Schlechten etwas an sich habende Roß, wenn es nicht sehr gut erzogen ist von seinem Führer, beugt sich zum Boden hinunter und drückt mit seiner ganzen Schwere, woraus viel Beschwerde und der äußerste Kampf der Seele entsteht.“ (,Phaidros‘, 247 a–b; Platon, WW, V 75 ff. [vgl. auch 253 c]) 195 Polizeiwissenschaft  Die damals gängige Bezeichnung für die öffentliche Verwaltung im weiteren Sinn. 197 Rousseau Vgl. Émile, ou De l’Education. Par Jean-Jacques Rousseau, citoyen de Genève. Amsterdam: J. Néaulme 1762. 199–212  Die Alten sorgten […] einer nähern Prüfung. Vgl. Staatswirksamkeit, I (GS I 103–106). 202 Tiedemann Vgl. Dialogorum Platonis argumenta, exposita et illustrata a Diet. Tiedemann […]. Biponti: Soc. bip. 1786, S. 179; die Stelle zitiert Humboldt in Staatswirksamkeit, I (GS I 104  f., Anm.); die gemeinte Plato-Stelle ist wohl ,Staat‘ II 5 (361 d–362 a). 208  Stelle aus Aristoteles  Nikomachische Ethik, 10, 7 (1178 a). In Humboldts eigener Übersetzung: „Was einem Jeden, seiner Natur nach, eigenthümlich ist, ist ihm das Beste und Süßeste. Daher auch den Menschen das Leben nach der Vernunft, wenn nemlich darin am meisten der Mensch besteht, am meisten beseligt.“ (Staatswirksamkeit, ebd.; GS I 105). – Da es nicht möglich ist, durch Einblick in H festzustellen, ob die textlichen Abweichungen in D auf Humboldt oder Leitzmann zurückzuführen sind, wird der Text hier nach dem heute gültigen Text korrigiert und die Abweichungen im Variantenapparat festgehalten. 212–218  Der wahre Zwek […] von einander zu trennen. Vgl. Staatswirksamkeit, II (GS I 106) bzw. D, 59 f. – Das hier ausgesprochene Bildungsideal bleibt bis ins hohe Alter zentral in Humboldts Denken; vgl. schon 106/5 u. ö. (Bd. 1) sowie 218/60. 219–229  Alles reduzirt sich […] zum Grunde liegen. Vgl. Staatswirksamkeit, II (GS I 108–111) bzw. D, 60 ff.

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Zu Brief 210–211

254–258  Der Geist der Regierung […] muß in ihm gesäet werden. Vgl. Staatswirksamkeit, III, 1–2 (GS I 113 f.) bzw. D, 63 f. 263  nach Platos Vorschlage  Vgl. ,Staat‘ V (459 d – A. L.), wo bei der Eheschließung den Prinzipien der Viehzucht mit dem Argument das Wort geredet wird, dass „jeder Trefflichste der Trefflichen am meisten beiwohnen [sollte], die Schlechtesten aber den ebensolchen umgekehrt; und die Sprößlinge jener sollten aufgezogen werden, dieser aber nicht, wenn uns die Herde recht edel bleiben soll“ (Platon, WW, IV 399). 301–304  Die Menschen werden […] Urtheil sie prüfe. Vgl. Staatswirksamkeit, III, 7 (GS I 126 ff.) bzw. D, 65–68. 309–314  daß der Landesherr selbst […] oder bekämpfen sich. Vgl. Staatswirksamkeit, III, 7 – V (GS I 129–140) bzw. D, 68–74. 342–349  Die sinnlichen Empfindungen […] um physisches zu vernichten Vgl. Staatswirksamkeit, VIII (GS I 165–176) bzw. D, 75–83. 354  in dem alten Aufsaz  Über Religion (GS I 45–76; hier: 70 ff.). 376  der zweiten Frage  Vgl. Z. 185. 388–391  1., Der Mensch ist […] hinreichend versucht worden. Vgl. Staatswirksamkeit, VIII (GS I 176 f.) bzw. D, 85 f. 407–413  Nur des Zusammenhanges willen […] versichert sein kann. Vgl. Staatswirksamkeit, XV (GS I 232 f.) bzw. D, 86 f. 426  jene […] Liebe zur Konstitution  Vgl. Z. 78. 437–442  Ueberhaupt habe ich versucht […] Absichten dieser Blätter gewesen. Vgl. Staatswirksamkeit, XV (GS I 235 f.) bzw. D, 88 f.

Zu Brief 211  an Forster, Ende Januar 1792 H verschollen h (alt) Wernigerode, NL Therese Forster: Abschr., vermutlich von Pahls Hand, wohl ohne Datum. Pr. Mainz, 3. II. 1792 (?) (D2, 78). D D1  Forster’s Brw. II 818 f., danach GW I 290 f. (beide datiert „1792?“). – D2  Leitzmann 1936, 79 f. (dat. Berlin, Ende Jan. 1792; Vorlage) – D3  Forsters WW, XVIII 491 f. (desgl.)

Z. 1  Ihre Ansichten  Theil 1 der Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790. Von George Forster war 1791 in der Vossischen Buchhandlung in Berlin erschienen (Th. 2 [1792]; Th. 3, hg. von Huber, 1794). Forster hatte Humboldt ein Freiexemplar zukommen lassen (an Christian Friedrich Voss, Mainz, 29. I. oder 1. II. 1791; Forsters WW, XVIII 238).

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Januar 1792

  3  Das Raisonnement über Kunst  Im ersten Teil der ,Ansichten‘ (Kap.  1–14) befasst sich Forster u. a. ausführlich mit einer Beschreibung der Kunstwerke in Köln, Düsseldorf und Brüssel.   5  Die Dedikation  Die von Forster nach eigenem Geständnis (vgl. zu Z. 6) bewusst dunkel gehaltene Widmung lautet: „In des Wanderers Busen wirktest Du seiner Empfindungen schöneres Gesetz. Ihre Schöpfung sei Dir geweiht! Laß die Weihe den Werth erhöhen, damit etwas an der Gabe dem Geber eigen sei. [/] Ist der Priester nur kühn, der seinem guten Genius vor allem Volk die Opferschale leert? oder wer ahndet in Einem lohnenden Blick die große, reine, stille Wonne seiner Vollendung?“ (nach dem Faks., Forsters WW, IX, S. IV)   6 Erläuterung  Auch Forsters Verleger hatte darum gebeten, und so legte dieser eine längere Erläuterung seinem Antwortbrief bei: „Der Verfaßer dedizirt sein Werk einer ihm sehr werthen Person, die er seinen guten Genius nennt, und vermuthlich auch durch das darüberstehende Bild einer Psyche allegorisch vorstellt. Ihr verdankt er, wie er sagt, die vollkommnere Richtschnur seiner Empfindungen. Die Schöpfung dieser Empfindungen, nämlich sein Werk, reicht er also derjenigen, der er es gewissermassen […] schuldig zu seyn glaubt; es ist ihr Eigenthum und erhält nur dadurch einen neuen Werth für sie, daß es ihr zugeeignet und gewidmet wird. Er entschuldigt die Kühnheit dieses Opfers, welches so öffentlich dargebracht wird, damit, daß er ahnden läßt, Ein Blick werde ihn belohnen und vollkommen glücklich machen. Daraus ließe sich allenfalls schließen, der gute Genius müße jemand seyn der ihn sehr nahe angeht, ihn stets umschwebt und beglückt. Wahrscheinlich ist es dieselbe Person, an welche die Anrede in den Ansichten selbst, an mehreren Stellen gerichtet ist. [… Der Stoff des Werks sei aus Briefen an die Gattin geschöpft]. Bei der Menge von Zueignungen, die man sich heutiges Tages erlaubt, mochte es ihm bedenklich und unfein scheinen, näher als diese leise Anspielung es thut, das von ihm verehrte Wesen […] zu designiren.“ (an Voss, Mainz, 18. XII. 1790; Forsters WW, XVI 218)   7 Sakontala  Sakontala oder der entscheidende Ring[,] ein indisches Schauspiel von Kalidas. Aus den Ursprachen Sanksrit und Prakrit ins Englische und aus diesem ins Deutsche übersezt von Georg Forster. Mainz/Leipzig: J. P. Fischer 1791 (Forsters WW, VII 277–433). 10  Sie fordern […] meinen alten Aufsaz  Über Religion; zu Forsters Anfrage vgl. GS I 431. 10  Ihre kleine Schriften Vgl. Kleine Schriften. Ein Beytrag zur Völker- und Länderkunde, Naturgeschichte und Philosophie des Lebens, von Georg Forster. Th. 1, Leipzig: Kummer 1789 (vgl. Forsters WW, V passim). Forster plante bei einem weiteren Band auch Arbeiten von anderen Verfassern abzudrucken, doch kam dieses Vorhaben nicht zur Ausführung.

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Zu Brief 211-214

11  ihn umzuarbeiten  Ob die Umarbeitung, von der Leitzmann den Beginn noch in Tegel vorfand (GS I 45, Anm.), bereits bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt war, oder im Zuge der späteren Abfassung von Staatswirksamkeit entstanden war, ist nicht bekannt. 16  Der erste Aufsaz  Dies war wohl eine tröstliche Ausrede, um die Absage zu versüßen; wenig spricht für die Auslegung, Staatswirksamkeit selbst sei „möglicherweise“ gemeint (Forsters WW, XVIII, 775). 19  Eine sonderbare Schriftstellerarbeit  „Einer von […] Unger verlegten Schrift eines Anonymus, in welcher gegen die beabsichtigte Einführung eines Landeskatechismus und damit indirekt gegen die religionspolitischen Maximen des Ministers Wöllner polemisiert wurde, war trotz der vom Zensor Zöllner erteilten Druckerlaubnis der Vertrieb versagt worden. Unger, wegen Schadenersatzes an Verfasser und Zensor verwiesen, klagte gegen den letzteren: das freisprechende Urteil entschied für den Zensor.“ (D2, 83 f.) Daraufhin veranstaltete Unger einen Dokumentarabdruck der Sache: Prozeß des Buchdrucker Unger gegen den Oberkonsistorialrath Zöllner in Censurangelegenheiten wegen eines verbotenen Buchs. Aus den bei einem Hochpreißl. Kammergericht verhandelten Akten vollständig abgedruckt. Berlin 1791. 20  Die Protokolle  Vgl. Unger, ,Prozess‘ 14–28, 31–38, 41–59; sie wurden nicht in die Paralipomena der GS aufgenommen. 23  Das Urtheil  Vgl. ebd., 109–135. Im Kontrast zu den in der Tat durchweg sachlichen Protokollen Humboldts ließ sich Klein stellenweise zu über das Ziel hinausschießenden Vergleichen hinreißen; vgl. z. B.: Wenn man Meinungsäußerungen zu Staats- und Religionsfragen nicht zuließe, so würden „alle Compendien der Staatswissenschaft unter die verbotenen Bücher, und Plato, Montesquieu und Thomasius, unter die Staatsverbrecher gehören“ usw. (ebd., 132 f.).

Zu Brief 212  an Ebel, 21. II. 1792 H Zürich, ZB, Ms. Z II 521: 4 S. (1 Bogen) gr.-4°, eigh., fast ohne Rand, mit größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; offenbar hastig, aber noch deutlich beschriebene Antwort auf Ebels Hilferuf. Die Nachschrift als Randschrift, S. 1. – Links neben dem Datum Bleistiftvermerk von Ebels (?) Hand: „W. v. Humboldt kann finanz. [nicht?] helfen u. giebt Ratschläge.“ Bleistiftunterstreichungen Z. 9–16, 29.

Z. 85  Zu Mehrerem  Diese recht eigenartige Form, gleichsam ein Komparativ zum Komparativbegriff mehr, verwendet Humboldt in diesen Jahren recht häufig; vgl. Grimm, s. v. mehr, 25, vor allem Abschn. b: ,der mehrere Teil‘.

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Januar – Mai 1792

Zu Brief 213  an Dominikus (?), 14. IV. 1792 h h1 (alt)  Berlin, AST. – h2  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 531: Abschr., 1 S. 4°, von Leitz­manns Hand, ohne Provenienzangabe; nach Leitzmanns Angabe (GS VIII 3, Anm.) stand ein Entwurf der Übersetzung der 2. olympischen Ode Pindars auf dem Verso; mithin wird Leitzmanns Vorlage wohl das Konzept des Briefes gewesen sein.

Empfänger: Dominikus war ao. Prof. der Geschichte in Erfurt und ein alter Freund (und Bewunderer) Karolines.

Zu Brief 214  an Schiller, 8. V. 1792 H

D

Marbach a. N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit sehr breitem Rand, schöner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 8 Leerzeilen, Unterschrift ohne besonderen Abstand am unteren Rand; sehr säuberliche, besonders deutliche Reinschrift. – Oberhalb des Textbeginns redaktioneller Bleistiftvermerk: „I“. D1  Humboldt 1830, 87–92 (dat. 3. V. 1792; ohne Z. 66 f.). – D2  Leitzmann 1900, 41–44 (danach Seidel I 43–46). – D3  NA XXXIV/1, 151 ff.

Z. 5  wir drei  Die dritte: Karoline v. Beulwitz; vgl. Z. 32.   7  eines Aufsazes  Staatswirksamkeit.   9  ein poetisches Machwerk  Die Übersetzung der 2. olympischen Ode Pindars (gedruckt: GS VIII 3–10). 57  einen Plaz in Ihrer Thalia  Schiller hat, vielleicht aufgrund seines ,Unbehagens‘ am Phänomen Pindar (an Körner, Jena, 25.  X. 1794; NA XXVII 71), die Übersetzung nicht in seine Zeitschrift ,Neue Thalia‘ aufgenommen. Sie erschien als Privatdruck: Pindars zweite olympische Ode, metrisch übersetzt von Wilhelm von Humboldt. Berlin: J. F. Unger 1792 (Ein Abdruck für Freunde) (BV – D-f). 67 Zukken Vgl. Höfler, s. v. Zucht, spez. zucken, zücken: „schnell ziehen, entreissen, zücken bei Konvulsionen, Epilepsie etc.“ 68  wird sie selbst schreiben  Am 22. V., nach der nun endlich am 16. V. erfolgten Geburt der kleinen Karoline, schrieb sie an Charlotte: „Die Li. läßt ihn [Schiller] gar schön zur Taufe einladen […]. Er kann auch im Hause bei uns logieren“ (Briefwechsel zwischen Schiller und Lotte. 1788–1805. Hg. u. erl. von Wilhelm Fielitz. 4.–5. Aufl. Bd. 3, Stuttgart: J. G. Cotta 1905, S. 55). 69  Sie […] bald einmal hier zu sehn  Schiller kam zwar nicht zur Taufe, aber am 4. VI. trafen sich Schillers mit Humboldts, Dalberg und Karoline v. Beulwitz in Erfurt (Schiller-Chronik 156).

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Zu Brief 215  an Sophie Fränkel, 26. V. 1792 H (alt) Berlin, PrStB; derzeitiger Standort Krakau, BJ, Smlg. Autographa, Kst. 87: 2 S. 8°, eigh., mit normalem Rand, größeren Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 1 Leerzeile, Schlussformel und Unterschrift am unteren Blattrand; recht sorgfältig und deutlich beschrieben. D Leitzmann 1939, 241 f.

Z. 14  auf meinen lezten Brief Br. 208. 18  sonderbare Dinge  Die Informanten waren sicher Brinkman und Gentz.

Zu Brief 216  an Henriette Herz und Brendel Veit, 26. V. 1792 H (alt) Berlin, PrStB; derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Varnhagen, Kst. 89: 4 S. (1 Bogen) 8°, eigh., ohne Rand, Initiale nur in Z. 1, zwischen Datum und Textbeginn 1 Leerzeile; mit eher stumpfer Feder sehr säuberlich beschrieben. D [Ludmilla Assing (Hg.)]: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense: Briefe von Chamisso, Gneisenau, Haugwitz, W. von Humboldt, Prinz Louis Ferdinand, Rahel, Rückert, L. Tieck u. a. Nebst Briefen, Anmerkungen und Notizen von Varnhagen von Ense. Band 1 [von 2], Leipzig: F. A. Brockhaus 1867, S. 128–132.

Z. 14  wir behaben uns  Grimm (s. v., 2) führt unter Berufung auf Goethe die Reflexivform „im sinne von sich gehaben, sich benehmen, sich halten, se gerere“ an, doch hier scheint die in Dialekten belegte Bedeutung sich abgeben gemeint zu sein. 23  Die Beulwitz  Humboldt nennt sie hier wohl deshalb so, um den in seiner unmittelbaren Umgebung nunmehr dreifach belegten Namen Karoline zu vermeiden. 27  nach Dessau  Vgl. zu 100/52 (Bd. 1). 38  Stieglitzens Heirath  Vgl. zu 200/61. 51  ein impertinentes Glük Vgl. 156/3 u. 159/20 (Bd. 1).

Zu Brief 217  an Becker (?), 1. VI. 1792 H verschollen D Fa. Meyer & Ernst, Versteigerungskat. o. Nr. (Smlg. Planer, Berlin 1932), Nr. 377 (,an Unbekannt‘).

Empfänger: nach dem Eintrag im Kat. 79 der Fa. K. E. Henrici (Berlin 1922), Nr. 330.

338

Mai –Juni 1792

Zu Brief 218  an Forster, 1. VI. 1792 H verschollen h (alt) Wernigerode, NL Therese Huber (Abschr., vermutlich von Pahls Hand). Pr. Mainz, 4. VI. 1792. – Rsp. 31. VII. 1792 (D2, 78: n. e.). D D1  Forster’s Brw. II 822–830, danach GW I 293–300 (beide ohne Z.  129–133). – D2  Leitz­m ann 1936, 85–93 (Vorlage). – D3  Forsters WW, XVIII 532–537.

Z. 29  Der Koadjutor  Forster gegenüber konnte Humboldt Dalberg schlicht mit seinem Titel benennen, da ihm dieser von Mainz her bekannt war. 36  ein kleiner Aufsaz von mir  Staatsverfassung. 38 Brief Br. 206. 39  mit […] Drukfehlern  Vgl. Vorbemerkung zu Br. 206. 44  Indeß hatte ich einiges vorgearbeitet  Leitzmann (GS I 432) führt aus, dass bis zur ,Anregung‘ Dalbergs die Schrift, die – wie Z. 41 nahe legt – bereits jetzt die Überschrift „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ getragen haben mag, im Zuge der seit Herbst 1791 geführten intensiven staatspolitischen Debatte mit Gentz weit gediehen war. 47  als wir noch von Göttingen aus über diese Gegenstände korrespondirten  Im Bestandsverzeichnis der Briefe an Forster, das Humboldt seinem Briefe vom 25. II. 1828 an dessen Witwe, Therese Huber, beilegte (vgl. Leitzmann 1936, 142 f.), sind sieben Briefe Humboldts aus seiner Göttinger Studienzeit registriert. Davon sind nur vier gedruckt worden (Br. 41, 64, 78, 79 – Bd. 1) und dies freilich erst, nachdem sie Humboldts strenger Redaktion unterzogen worden waren: infolgedessen sind die Texte, die auf uns gekommen sind, bar jedes politischen Inhalts. Wie anders müsste das politische Denken des jungen Humboldt zu dokumentieren sein, wenn er just diese Briefe im Alter nicht in die Hände bekommen hätte! Vgl. allenfalls Br.  83 und die Vorbemerkung dazu (Bd. 1) sowie Leitzmanns wertvolle Zusammenstellung möglicher Übereinstimmungsbelege aus mehreren Schriften Forsters (Leitzmann 1936, 95 f.). 54  der Sucht zu regieren entgegenzuarbeiten  Vgl. das von Mirabeau stammende Motto zu dieser Schrift, in dem von der Notwendigkeit von „se mettre en garde contre la fureur de gouverner, la plus funeste maladie des gouvernemens modernes“ die Rede ist (GS I 97). 60  Die höchste und proportionirlichste Ausbildung aller […] Kräfte Vgl. Staatswirksamkeit, II (GS I 106; vgl. auch 210/214 und schon 106/3). Auch hier wieder, in einem Brief an Forster, und vielleicht gerade deshalb dessen Ideen noch einmal aufgreifend und weiter entwickelnd, werden Kernsätze der Bildungsauffassung Humboldts vorgetragen. 113  den Aufsaz  Über Religion; in umgearbeiteter Form fand er in der Schrift im 7. Kapitel Eingang: GS I 147–164. 123  Abschnitt für Abschnitt  Karoline von Beulwitz schildert diese täglichen Auseinandersetzungen: „Mit dem Humboldt und dem S[chatz, Dalbergs Spitzname,] gibt es

339

Zu Brief 218–223

jetzt alle Tage philosophische Bataillen, und nächstens wird eine bei uns sein; es macht mir Spaß zu hören.“ Sie berichtet, dass Dalberg mit der Hauptthese, dass der Staat sich möglichst nicht in das Privatleben der Bürger einmischen soll, zwar übereinstimme, „aber bei aller Anwendung auf einzelne Fälle wandelt ihn doch die Lust zu regieren und mehr zu wirken an. […]. Der Streit würde Sch[iller] Spaß machen, und Beide wünschen ihn oft dazu.“ (an Fr. u. Ch. Schiller, 25. IV. 1792; NA XXXIV/1, 151) 125  Seine Ideen  Dalberg ließ sie unter dem Titel Von den wahren Grenzen der Wirksamkeit des Staates in Beziehung auf seine Mitglieder anonym drucken (Leipzig: Sommer 1793; BV – A-b/c; wied. abgedr.: Robert Leroux: La théorie du despotisme éclairé chez Karl Theodor Dalberg. Paris: Les belles lettres 1932, Appendix, pp. 45–54. 129  So schwankend auch […] unausbleiblich bringt  Es ist interessant, dass es offenbar Therese Huber war, die bei diesem noch von Humboldt freigegebenen Passus über den „künftigen Regenten“, der bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (in Forster’s Brw.) seit geraumer Zeit tot war, wohl aus Delikatesse unterdrückte.

Zu Brief 219  an Charlotte Schiller, 28. VI. 1792 H Weimar, GSA, 83/1767: 1 S. gr.-4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, ohne Initiale, recht hastig, noch deutlich beschrieben. Adr. Frau Hofräthin Schiller, geb. von Lengefeld, in Jena. – Poststempel: erfurt.

Z. 2  der leidige Durchmarsch  Am 20. IV. 1792 hatte Frankreich Österreich den Krieg erklärt: es war der Beginn des 1. Koalitionskriegs (vgl. Michelet IV 10 [Bd. 1, S. 744]). – In den Tagen unseres Briefes meldet Goethe: „Bey uns ists unruhig, Preußen marschiren ein und aus“ (an Körner, Weimar, 17. VI. 1792; WA IV/9, 310). 3  künftigen Mittwoch  4. Juli. 6 Flußfieber Vgl. Höfler s. v. Fieber, spez. Fluss-Fieber, 1. (1725) „epidemischer Katarrh oder Schnupfen […] und Brustkatarrh (Influenza) […]. – (1788) das neue Fluss-Fieber […] oder Influenza […]. – 2. (1754) rheumatisches Fieber, Febricula, Rheuma […]. – 3. Sumpfieber […] Malaria.“

Zu Brief 220  an Brinkman, 9. VII. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1  S. 4°, eigh., mit breitem Rand, mäßiger Initiale; offenbar recht hastig, doch noch deutlich beschrieben. Datum am oberen Rand, Text in Blattmitte, nach 3 Leerzeilen Empfehlungsformel und Unterschrift. D Leitzmann 1939, 17.

340

Juni – Juli 1792

Z. 1 Rudolstadt  Humboldts waren mit der noch nicht 2-monatigen Tochter Karoline zu Besuch bei Karoline v. Beulwitz. 4 Ankunft  Humboldt kam wohl schon am 19. dort an (vgl. 223/73).

Zu Brief 221  an Karoline v. Humboldt, 16. (?) VII. 1792 H (alt) Berlin, Anna v. Sydow D Sydow II 1 f. (datiert „wohl 16. Juli 1792“).

Datierung: vgl. 220/3, 222/1. Z. 2  Daß ich nicht mehr bei Dir bin  Humboldt war zu einem kurzen Besuch in Berlin aufgebrochen, während Frau und Kind bei Karoline v. Beulwitz in Rudolstadt zurückblieben. 2 Wickelnarrn  Die Tochter Karoline. 7 Leuchtenburg  Diese große Burganlage in Seitenroda bei Kahla überragt mit ihren 395 m Seehöhe, weithin sichtbar, das Saaletal.

Zu Brief 222  an Karoline, 17. VII. 1792 H (alt) Berlin, Anna v. Sydow D Sydow II 2 f.

Datierung: Wochentag; vgl. 220/3.

Zu Brief 223  an Karoline, 18. VII. 1792 H (alt) Berlin, Anna v. Sydow Pr. Rudolstadt, 20.  VII. 1792 (Karoline an Ernst v.  Dacheröden, Rudolstadt, 22.  VII. 1792; H Berlin, AST, Smlg. Letsch, IN. L-2.1.22). D Sydow II 3–6.

Z. 58  mit jeden  Zu dieser Pluralform vgl. Grimm, s v., II 8, mit Belegen aus Lessing und Goethe. 73  gute Li  Dies muss Karoline v. Beulwitz sein.

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Zu Brief 224  an Brinkman, 20. VII. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, eigh., mit breitem Rand, größerer Initiale; eher hastig und fahrig beschrieben. – Eingeklammerter Text Z. 9 als Randschrift in H, Z. 10 „Sonnabend“ interlinear hinzugefügt. Pr. „Empfangen den 20. Juli 1792“ (H, am Kopf rechts, von Brinkmans Hand). D D1  Leitzmann 1900, 353 (Z. 8–16 [Reg.]). – D2  Leitzmann 1939, 18.

Datierung: Der Brief wird am selben Tag ausgetragen worden sein. Z. 1  Sonnabend […] in Berlin  21. Juli; Humboldt war auf dem Familiengut Falkenberg, heute Stadtteil Berlins nördlich von Marzahn. 2  Befehl des unbekannten Obern  Eine der zahlreichen unverständlichen Anspielungen, deren Erfindung und Fortspinnung Brinkman geradezu mit Besessenheit pflegte; vgl. 125/1 (Bd. 1). 6 entvatern  Spalding wohnte noch bei seinem Vater, Oberkonsistorialrat Johann Joachim Spalding, Propst an der Nikolaikirche. 8  meine Ode  Die Übersetzung von Pindars 2. olympischer Ode (vgl. zu 214/57). 17  in mein Haus  Humboldts Elternhaus befand sich auf der sog. ,Jägerbrücke‘, einer Verlängerung der Jägerstraße über dem Stadtgraben, 1782 neu gebaut. „Auf beiden Seiten [der Jägerbrücke] sind steinerne Arkaden, nach bäurischer Art; hinter denselben Kramläden; und darüber Ein Geschoß zu Wohnungen“ (Friedrich Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten, und der umliegenden Gegend. Bd. 1, 3., völlig umgearb. Aufl., Berlin: Fr. Nicolai 1786, S. 159).

Zu Brief 225  an Karoline, 23. VII. 1792 H (alt) Berlin, Anna v. Sydow D Sydow II 7–10. GB (?) II  [Rudolstadt,] 24./26. VII. [1792] (d  Sydow II 10–13).

Das Datum von GB macht es fast unwahrscheinlich, dass er auf diesen Brief antwortet; andererseits können hier kaum Briefe fehlen. Karolines Antwort ist es jedenfalls wert, in dieser Briefreihe wenigstens teilweise ausgewertet zu werden. Z. 1 Falkenberg  Möglicherweise ist folgende Stelle in GB auf die Datumszeile bezogen: „Es schmerzt mich sehr, Dich nicht in Tegel zu wissen, wo ich Deinem Herzen

342

Juli 1792

schon so nah war.“ (d, 12) – Humboldts Mutter hatte im Jahr zuvor das Gut Falkenberg gekauft (vgl. zu 177/30 – Bd. 1).   9 Bill  Humboldts Kosenamen seit dem Sommer 1790; vgl. Bd. 1, S. 10. 21  da war ich trunken von Seligkeit  „Teurer, geliebter Mann, wenn in begeisterten, in den schönsten Momenten meines Daseins ich Dich ganz empfinde, allbelebend das Gefühl Deiner Schönheit sich über mich ergießt, neigt sich meine Seele vor Dir in heiliger Anbetung – so empfange ich Dich in meine Arme, aber Du ziehst mich hin­ über zu Dir mit der Glut Deiner Seele – es strömt mein innerstes, geheimstes Leben Dir zu –, mein Wesen wagt es, Eins zu werden mit dem Deinen – Eins mit dem Urbild aller Schönheit und Größe, die ich so ewig in Dir empfinde –. O Du Einziger, was soll ich Dir sagen, Du hast diese Momente trunkener Seligkeit mit mir empfunden, Du hast so oft die Tränen der Wonne mit brennenden Küssen von meinen Wangen aufgetrocknet – komm zurück, daß ich sie wieder weine, und Du den höchsten Genuß gebest, den Menschen Menschen zu geben vermögen – mir, die ich’s nicht verdiene, die ich’s in der höchsten Vollendung meines Wesens nie verdienen könnte, mir gib diesen Genuß, Du bist ja mein, und für mich ist ja nirgend mehr ein Dasein als allein das, das ich aus Dir schöpfe.“ (d, 11 f.) 65 „σὺ “ Ilias VI 429: „du bist mir Vater und hehre Mutter“ (Schadewaldt). Dies sagt Andromache im Hinblick darauf, dass die eigenen Eltern durch Achilles’ Hand erschlagen wurden; der Sinn ist also zunächst, ,Du bist alles, was ich noch habe‘. Die Worte spricht sie aber aus, um Hektor davon abzubringen, sich Achilles im Kampf zu stellen. – Die Stelle möge auch als Beleg für Karolines Fortschritte im Griechisch-Studium dienen, mit dem erst etwa ein Jahr zuvor begonnen worden war. Einen Einblick in diese Studien gewährt eine Stelle aus einem weiteren sonst nicht einzuordnenden Gegenbrief Karolines: „Wenn Du [F. A.] Wolf noch nichts von dem Plutarch sagtest, so tue es doch nicht. Ich schäme mich eigentlich, und ich möchte erst sehen, ob mir eine Übersetzung gelänge.“ (an Humboldt, [Rudolstadt,] 30. VII. 1792; Sydow II 17) 72  Ich dachte […], ich würde heute Briefe von Dir haben Karoline scheint auf diesen Passus in GB zu antworten: „Was mich schmerzt ist, daß Du so wenig von mir bekommst, aber Du weißt, wie es ist mit dem süßen Liebchen, wie es einen beschäftigen kann den ganzen Tag. […]. Guter Bill, Du zürnst süß Liebchen nicht, daß Mutter wenig schreiben kann und abends müde ist – so war es gestern, das Herz war mir so voll, ach, so voll Freude und Dank über Deinen Brief, konnte aber nichts sagen, nur küssen die Züge der lieben wohltätigen Hand konnt ich und weinen – da wurde mir so wohl.“ (d, 11)

343

Zu Brief 226  an Brinkman, 25. VII. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1  S. 4°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale; recht deutlich, wenn auch hastig, beschrieben; Unterschrift nur angedeutet. D Leitzmann 1939, 18.

Datierung: Datum Z. 1 rechts von Brinkman hinzugefügt: „25 Juli [/] 792.“

Zu Brief 227  an Karoline, 26. VII. 1792 H (alt) Berlin, Anna v. Sydow (Fragment) D Sydow II 13–16.

Z. 2  Deinen Brief  Dieser Brief, wohl vom 21. VII. (vgl. Z. 7), wurde in die gedruckte Korrespondenz nicht aufgenommen und ist inzwischen verschollen. 33 Montag 23. Juli. 34 Sonnabend 28. Juli. 35 Mittwoch 1. August. 37  bei seiner Braut  Minna Gilly. 38 Kies  Spitzname für den Bruder Alexander. 40 Aktrice  Cölestine Koch; vgl. zu 231/73.

Zu Brief 228  an Kircheisen, 1. VIII. 1792 H (alt) Berlin, Justizmin., Kircheisens Akten, 2, fol. 150–151 (nach Vermerk in h). h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 188: Abschr., 1 S. gr.-4°, von Leitzmanns Hand (Vorlage). – Da h mit D textlich genau übereinstimmt (lediglich ist die Orthographie rücknormalisiert und die Abkürzung „Wohlgeb.“ ausgeschrieben) und auch die fehlenden Teile des Briefes nicht enthält, ist anzunehmen, dass h nach D genommen wurde. D Adolf Stölzel: Carl Gottlieb Svarez. Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Berlin: Vahlen 1885, S. 350 f. (mod.).

Datierung: vgl. Z. 31. Z.  3  von diesem Vorgange  Die Predigten des Erzrationalisten Johann Heinrich Schulz waren eine mächtige Gegenstimme zum Woellnerschen Edikt und sowohl dem König als Teilen seines Kabinetts ein Dorn im Auge. So wurde 1791 gegen ihn ein

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Juli – August 1792

Prozess angestrengt mit dem Ziel seiner Amtsenthebung („ob er als Prediger geduldet werden könne“ – Stölzel 311). Humboldt hatte die Akten von Kircheisen ausgebeten (Stölzel 350). – Vgl. die Zusammenstellung zeitgenössischer Stimmen zu diesem Prozeß in: Dirk Kemper (Hg.): Mißbrauchte Aufklärung? Schriften zum preußischen Religionsedikt vom 9.  Juli 1788. 118 Schriften auf 202 Mikrofiches. Hildesheim [etc.]: G. Olms 1996, T[ext] 92–101 (1792–1800).   9  daß die Urtheilsfasser […] die Gränzen […] überschritten  „Die Sentenz des Kammergerichts lautete: daß S[chulz] zwar für keinen lutherischen Prediger zu achten, dennoch aber als ein christlicher Prediger mit seinen christlichen Gemeinden zu dulden sei. Der König confirmirte den ersten Theil der Sentenz. S. wurde abgesetzt (1793)“ (G. Frank, ADB XXXII 747). 13  ein Edikt  Das Woellnersche (vgl. zu Z. 3).

Zu Brief 229  an Löffler, 15. VIII. 1792 H Weimar, GSA, 21/382,3: 1 S. gr.-4°, eigh., mit breitem Rand links, ohne Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; recht deutlich geschriebene Reinschrift.

Z. 9  für Ihren […] Plutarch  Das heißt ,[…] für den Plutarch, den Sie mir leihweise geschickt haben‘, denn es gibt keine von Löffler besorgte Plutarch-Ausgabe. 10  eine Kleinigkeit  D. i. der Privatdruck der Übersetzung von Pindars Ol. 2; vgl. zu 214/57.

Zu Brief 230  an Brinkman, 24. VIII. 1792 H D

Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 2 S. 4°, eigh., mit schmalem Rand, ohne merkliche Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; noch deutlich beschrieben. Leitzmann 1939, 19 f.

Z. 1 Auleben  Gut des Schwiegervaters in der Goldenen Aue nahe Sondershausen. 12  daß jede Erinnerung an ihn mich tief verwundet  Wodurch diese seinerzeit so innige Freundschaft (vgl. Bd.  1, insbes. Br.  32) zu Bruch kam, wird wohl ewig unbekannt bleiben. Die zu 283/4 mitgeteilte Nachricht hätte Humboldt jedenfalls kaum getröstet – sollte er sie doch bekommen haben. 22 unfrankirt  Vor Einführung der Briefmarke (Großbritannien 1840) konnte man nur in solchen Poststationen Briefe frankieren, die eine entsprechende Kasse führten.

345

Zu Brief 230–232

So war es sonst auch möglich, einen Brief unfrankiert aufzugeben und das Porto beim Empfänger einheben zu lassen. 23  wegen des Buchs  Staatswirksamkeit.

Zu Brief 231  an Brinkman, 3. IX. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand, ohne nennenswerte Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; recht deutlich beschrieben. D D1  Leitzmann 1900, 353 f. (Z. 56–59 + Reg. der Z. 60–65). – D2  Spranger 1909, 53, 93, 457 (Z. 42 [Reg.]; 15–19, 20 ff.; 38–44). – D3  Leitzmann 1939, 20 ff.

Z. 6  in einer unangenehmen Stadt Erfurt. 37  meiner Frau wegen  Über Karolines Griechischstudien vgl. zu 240/37. 39  in einem eignen Aufsaze  Altertumsstudium. 55  Die Wasserode  Ol. 1, die Humboldt in diesen Tagen übersetzt hatte; die Übersetzung blieb zu Lebzeiten unveröffentlicht (GS VIII 17–23; Anmerkungen ebd. 23–26). 56  Meine Abhandlung  Staatswirksamkeit. 62  den über den Krieg  „Ueber die Sorgfalt des Staats für die Sicherheit gegen auswärtige Feinde“, in: Berl. Ms. XX (Okt. 1792), 346–364: Staatswirksamkeit, Abschn. V. 62  über die Nationalerziehung  „Ueber öffentliche Staatserziehung“; ebd., Dez. 1792, 597–606; Staatswirksamkeit, Schluss von Abschn. VI. 62  über die Luxusgeseze  Dieser Abschnitt scheint fallengelassen worden zu sein; statt dessen gelangte Abschn. VIII zum Abdruck: „Ueber die Sittenverbesserung durch Anstalten des Staats“; ebd., Nov. 1792, 419–443. 65  Am Ende müßte gesagt werden  Der Wortlaut des hier folgenden Satzes wurde in Biesters entsprechenden Hinweis übernommen (Berl. Ms. XX 436), den er dann mit genauer Nennung des Titels beendet, den die Schrift auch tatsächlich erhalten hat. 71  Klein […] Eberhard […] Wolf  Der Zweitgenannte war Brinkmans Lehrer in Halle (Hilma Borelius: Carl Gustaf von Brinkman[,] en ungdomsbiografi från vänskapssentimentalitetens tidevarv. Stockholm: A. Bonnier 1916, S. 117; Hw. A. L.); auch die übrigen wird er gekannt bzw. gehört haben. 72 Garve  Dieser, mit dem sich Gentz’ Vater in Breslau befreundet hatte und der dadurch Lehrer und Freund seines Sohnes werden konnte – Gentz’ Briefe an Garve nehmen einen beträchtlichen Teil des 1. Bandes von Wittichen ein –, hatte im Sommer 1792 eine Reise u.  a. nach Altenburg und Halle unternommen; vgl. Briefe von Christian Garve an Christian Felix Weiße und einige andere Freunde. Th. 2, Breslau: W. G. Korn 1803, S. 67–84.

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August – September 1792

73  die, deren Zimmer Sie bewohnen  Gentz’ Geliebte, die Cölestine Koch. Wittichen (I 12) bezeichnet sie, bezugnehmend auf eine frühe Verlobung (1786), die aber bald aufgelöst wurde (I 10), als Gentz’ Braut. Allerdings sei sie Tochter einer vornehmen Familie (Schwinck); dass sie Schauspielerin gewesen sei, wie in diesen Briefen öfter angedeutet wird (z. B. 227/40), wird dort nicht gesagt. – Dass Brinkman in ihrer Wohnung untergebracht war, erklärt sich wohl aus ihrer Ehe mit dem schwedischen Konsul Koch.

Zu Brief 232  an Brinkman, 14. IX. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 5½ S. (1 Bogen + 1 Bl.) 4°, eigh., mit schmalem Rand, kleiner Initiale und überaus großer Paraphe; links davon die Nachschrift; Z. 123–128 als Marginale auf S. 4; mitteldeutlich beschrieben. D D1  Kaehler 147 (Z. 25 ff. – dat. 24. IX.), 445 f. (Z. 28 ff. – desgl.), 451 (Z. 9 f. – dat. 24. XI.), 463 (Z. 17 f. – dat. 24. IX.) – D2  Leitzmann 1939, 23–27.

Z. 12  die Leute […], die meine Schulstudien loben Vgl. 237/24. 21  des grünen Buches  Das Manuskript von Staatswirksamkeit. 34  G[entz’] Liebe  Obwohl Gentz sich zwischenzeitlich mit Minna Gilly verlobt hatte, stand er noch immer im Banne der ,Aktrice‘, Cölestine Koch (geb. Schwinck). 69  Fr[änkels] Finanzplane  Darauf spielt Gentz wohl mit einer giftigen Anspielung auf „die stinkende Atmosphäre, worin F… und die 5000 atmen“ an (an Brinkman, 15. VII. 1792; Wittichen II 18). 78 Edle  Das Schlüsselwort der beiden Korrespondenten für – Hure. 88 Sanette  Diese Verballhornung des Namens Jeannette ist ein nicht unwitziger Beleg für einen Sprachfehler Humboldts, über den nur Varnhagen berichtet hat: Er konnte den sch-Laut [š] nicht aussprechen, sagte statt dessen [s] („Wilhelm von Humboldt“; Karl August Varnhagen von Ense: Werke in fünf Bänden. Hg. von Konrad Feilchenfeldt, Bd. 4, Frankfurt/M.: Dt. Klassiker Verlag 1990, S. 188). Und wer [š] nicht sprechen kann, kann auch dessen stimmhafte Variante [ž] nicht aussprechen (für die es auch in der deutschen Orthographie keine Entsprechung gibt). Hier hat also die Jeannette, der Humboldt (Z. 123) „viel Verstand“ bescheinigt, ihn wegen seines ,Gebrechens‘ geneckt, indem sie sich mit S. statt J. unterschreibt, und Humboldt ergänzt den Namen zur Belustigung des Freundes, dem die Anspielung sofort verständlich gewesen sein wird. 103  ging M. nach England  Meyer „reiset, […] übermorgen, nach England ab“ (Forster an Sömmering, Göttingen, 20. VI. 1788; WW XV 161). Da Humboldt nachweislich am

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Zu Brief 232–234

23. IV. 1788 in Göttingen immatrikulierte (GS XIV 62), erfolgte Meyers Abreise erst etwa zwei Monate danach. 104  nie mit mir von ihm gesprochen  Das ist so nicht ganz zutreffend. Als Humboldt Therese Forster im Oktober 1788 in Mainz kennen lernte, „schimmerte“ im Gespräch der Forsters mit ihm „durch[,] daß sie ihre eigne Geschichte“ erzähle: „Nur einen Freund habe sie gehabt, der sie getröstet hätte. Der hätte nicht mit ihr geweint, aber er habe ihr ruhig gesagt: es ist nicht zu ändern.“ Dies deutete Humboldt auf Meyer (Tb.; 7. X. 1788; GS XIV 41; vgl. auch S. 49). Vgl. noch Ludwig Geiger: Aus Therese Hubers Herzensleben. II: Therese und F. L. W. Meyer, in: ders.: Dichter und Frauen. Neue Sammlung. Berlin: Gebr. Paetel 1899, S. 26–82, vor allem 43 f., 53. 105  Eichmanns recitiren  Ist dies etwa der „recitirende Professor“ von 175/78 (Bd. 1)? 108  die sogenannte Märkische  Vollständige griechische Grammatica marchica nach Lehrordnung der lateinischen Märkischen Grammatik. Berlin: Nicolai 1730 (BV – S-d; 21807). – Müller-Vollmer gibt als Verfasser einen Gottlieb Christoph an, der sich bis dato nicht hat nachweisen lassen (Kurt Mueller-Vollmer: Wilhelm von Humboldts Sprachwissenschaft. Ein kommentiertes Verzeichnis des sprachwissenschaftlichen Nachlasses. Paderborn [etc.]: F. Schöningh 1993, S. 425). 109  Trendelenburgs Grammatik  Anfangsgründ der griechischen Sprache entworfen von Johann Georg Trendelenburg […]. 3. Aufl. Leipzig: J. A. Barth 1790 (BV – A-b/c). 110  was er von der Bedeutung des medii sagt  Trendelenburg spricht dem griechischen Medium den Rang eines eigenständigen Genus (neben Aktiv/Passiv) regelrecht ab: „Sollte man eine eigene Form fürs Medium annehmen, so müßte diese sich auch durch eigenthümliche Personalendungen von den beiden übrigen Vocibus unterscheiden“ etc. Daher sei das Medium im Grunde ein Passiv (,Anfangsgründ‘, 4XV; vgl. auch § 49 f. (S. 81). 112  Valckenaerii Obseruationes  L. C. Valckenaerii Observationes academicae, quibus via munitur ad origines Graecas investigandas, lexicorumque defectus resarciendos: et Io. Dan. a Lennep praelectiones academicae, De analogia linguae Graecae, sive rationum analogicarum linguae Graecae expositio. Ad exempla mss. recensuit, suasque animadversiones adiecit, Everardus Scheidius. Traiecti ad Rhenum: G. T. a Paddenburg et filium 1790. 123  πρεσιδεντ ῾αγεν  ,President Hagen‘. 124  χριστ ,Christ‘. 126  Stelle in Göthens Faust  In der Szene in Marthes Garten spricht Gretchen: „Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen [/] Was Freches, Unanständiges gesehn? [/] Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, [/] Mit dieser Dirne g’rade hin zu handeln.“ (Faust  I, v.  3171–3174; WA I/14, 158). Humboldt konnte die Stelle natürlich nur aus „Faust. Ein Fragment“ kennen (Goethe’s Schriften. Bd. 7, Leipzig: G. J. Göschen 1790); sie wurde unverändert in die endgültige Fassung übernommen; vgl. Ernst Grumach/ Inge Jensen (Bearb.): Goethe[.] Urfaust – Faust. Ein Fragment – Faust, der Tragödie

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September 1792

erster Theil. (Paralleldruck). Berlin: Akademie-Verlag 1958 (Werke Goethes. Hg. von der Deutschen Akad. d. Wiss. zu Berlin, Erg.bd. 3), S. 166. 127  doch unberührt lassen Vgl. 234/76.

Zu Brief 233  an Brinkman, 21. IX. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, eigh., oben/unten mit breitem, links mit schmalem Rand, mäßiger Initiale, offenbar hastig und mitteldeutlich beschrieben. – Das Jahr des Datums von Brinkman ergänzt. D Leitzmann 1939, 27 f.

Z. 1  Spalding ist bei mir  Es war wohl anlässlich dieses Besuchs, dass Spalding vom Plan F. A. Wolfs erfuhr, eine Reihe griechischer Tragödien in deutscher Übersetzung zu veranstalten; vgl. zu 235/43. 9  in der Monatsschrift […] abgedrukt  Vgl. zu 231/62.

Zu Brief 234  an Brinkman, 26. IX. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. 4°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 4 Leerzeilen; mit gelegentlichen Korrekturen bzw. Tilgungen auf dünnem Papier mit durchschlagender Tinte zum Schluss hin recht undeutlich beschrieben. D D1  Spranger 1909, 103 (Z.  61–70). – D2  Kaehler 451, Anm.  3 zu S.  54 (Z.  68  ff.). – D3  Leitzmann 1939, 28–31.

Z. 6 Sonntag 23. IX.   6  ein drei Meilen  Vgl. zu 333/11.   8  ein ganzes Stük des Aeschylus  ,Die Perser‘; vgl. 240/30. 31  Das grüne Buch  Staatswirksamkeit. 45 Unzucht Vgl. 232/33. 46  Wegen des Abdruks eines […] Stüks  Vgl. zu 231/62. 50  über Religion  Vgl. zu 218/113. 74 heimlich  In der Bedeutung heimtückisch, boshaft; vgl. Grimm, s. v., 10. 75 Schw–  Als Auflösung bietet sich Schweinehund an.

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Zu Brief 235  an Wolf, August/September 1792 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu.  655, fol.  38–39: 4  S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit spitzer Feder in außerordentlich sorgfältiger Schönschrift beschrieben (mit großzügigem Rand; Nachschrift Z. 61 [Adressenangabe] links neben der Empfehlungsformel; Z. 62–66 randschriftlich fol. 39v). – Fol. 38r unten links eine nicht hierher gehörige Notiz von Wolfs Hand, wohl die italienische Orthographie der Gaumenlaute betreffend: „Spagna [/] egli“. Fol. 39r (Z. 36: „der Sezer“) und 39v (Z.  42: „Chöre“) „Verdeutlichungen“ Wilhelm Körtes (Überschreibungen undeutlich geschriebener Stellen, Tinte). Laut Tintenvermerk Körtes (fol. 38r, unten Mitte) wurde der Brief „später aufgefunden“, und er hat ihn wohl auch als den ersten Brief der Korrespondenz erkannt. Das würde die Eintragung „l.“ an der entsprechenden Stelle (fol. 39r, oben rechts) erklären, die sonst, in der Reihenfolge der gebundenen Briefmasse, keinen Sinn ergibt. In seiner Umgebung muss der Brief als unnummeriert gelten, denn der vorige (Br.  12 der Korrespondenz) und der darauffolgende (19) sind auch nicht nummeriert; alle drei stehen zwischen Nr. IX und X der Reihenfolge von Ms. germ. qu. 655. – H ist stark beschädigt: am waagerechten Falz ist der ganze Bogen, desgleichen die obere Hälfte des senkrechten Falzes durchtrennt und später unfachmännisch restauriert worden (kleine Risse an den Faltstellen sind noch vorhanden). Fol. 38r fehlt das obere rechte Viertel, wo auch das Datum gestanden haben wird. H ist außerdem zerknittert. (Vgl. Abb. 1, S. 236.) h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll.: Bleistiftkorrekturen und Abschrr. in den Margen von D1). D D1  GW V 61  f. (Z.  42–50), 67  f. (Z.  26–41), jeweils ohne Nummer und Datum. – D2 W. v. Humboldt: Sechs ungedruckte Aufsätze über das klassische Altertum, hg. von Albert Leitz­ mann. Leipzig: Göschen 1896, S.  X (Dt. Litt.denkmale, Bd.  58–62): Reg. der Z.  2  ff., 18  f.; wiederholt in Leitzmann 1939, 199 (dat. Sept./Okt. 1792). – D3  Mattson 1990, 21 f.

Datierung: Humboldt hatte Wolf wohl um den 3.  August mehrere Stunden lang in Halle besucht (vgl. 231/71). Dieses ungefähre Datum ergibt sich aus dem Termin seiner Abreise aus Berlin am Abend des 1. VIII. (227/35) und der Tatsache, dass Karoline ihn in Rudolstadt am 4.  VIII. erwartete (Karoline an Humboldt, [Rudolstadt], 30.  VII. 1792; Sydow II 17); vgl. auch 254/8). – Nach Auleben, von wo aus der Brief geschrieben wurde, kam er erst um den 18. VIII. wieder (229/6), nach einem zweiten Besuch bei Wolf, diesmal zusammen mit Karoline (vgl. Z. 54), wohl auf der Rückreise von Rudolstadt. Ob Humboldt bis zur Äußerung über seine ,genauere Verbindung‘ mit Wolf (231/71) diesen Brief bereits geschrieben hatte, ist aus der Quellenlage nicht eindeutig zu schließen. Das Datum wird also im ungefähren Zeitraum 20. VIII. bis 15. IX. 1792 anzusetzen sein. Z. 1    Der Text der ersten 7 Zeilen ist nur in der linken Zeilenhälfte erhalten (vgl. zu H und die Abb.). Er lautet: „Schon früher, vere[…] [/] geschrieben, um Ihnen meine […] [/] wiederholt, das Sie mir mi[…] [/] in Halle verbracht habe, mit […] [/] und liebevollen Gesinnungen […] [/] jezt in mein Leben verwebt […] [/] fältige,

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August/September 1792

durch die Veränderung meines Auf[…] [/] Zerstreuungen daran verhindert hätten. In der That vermag ich “.   2 auszudrukken Nach Grimm (s. v. ausdrücken) war diese unumgelautete Form zur Zeit des Briefes noch vereinzelt vertreten.   8    Vgl. zu Z. 1 (H, fol. 38v): hier sind 12 Zeilen betroffen, deren rechte Hälfte erhalten ist: „[…]ttel zu dieser Ausbildung sah ich immer [/] […] alten Litteratur an, dem ich, seitdem ich [/] […]n Moment gab, den ich andern Beschäfti- [/] […] nd jezt empfinde ich von Tage zu Tage mehr, [/] […]auf beschränken werde. Mich nur mit einem [/] […] der nicht nur diesen Theil der Wissenschaf- [/] […]ge so tief kennt, sondern auf den auch der [/] […] seiner ganzen Aechtheit übergegangen ist, [/] […] nendlich großen Reiz für mich haben, wenn [/] […]baren Vorzüge vergessen könnte, welche ich ge- [/] […]aft – wenn Sie mir sie gütig erhalten – die-[/] […]hte es nur auch mir gelingen “. 18 erholen  I. S. von einholen; vgl. Grimm s. v., 3. 26  zwei Pindarsche Olympische Oden  In Halle hatte Humboldt offenbar seine erste Pindar-Übersetzung (Olymp. 2, entstanden wohl April/Mai 1792: vgl. 214/9) Wolf gezeigt. Mit diesem Brief übersandte er die wahrscheinlich erst seitdem entstandenen bzw. vollendeten (vgl. 231/55) Übersetzungen der 1. und 12. Olymp. Oden (vgl. Leitzmann, GS VIII 108; Text: ebd., 17–23 [Anm. 23–26] bzw. 15 f. [Anm. 16]. 27  Lob des Wassers […] Gierigkeit der Götter  Die 1. Olymp. Ode beginnt in Humboldts Übersetzung mit den Worten, „Das edelste ist das Wasser“ (GS VIII 17; ῎Αριστον μέν ὕδωρ, […]). V. 83 f. (Snell v. 52) lautet: „Aber ich mag wütenden Hungers [/] keinen der Seeligen zeihen“ (GS VIII 19; ἐμοὶ δ᾿ἄπορα γαστρίμαρ-/γον μακάρων τιν᾿ εἰπεῖν ἀφίσταμαι·). 30 Epode  Das dritte, von den beiden anderen (Strophe und Antistrophe; vgl. zu Z. 32) formal abweichende, abschließende Glied in der dreiteiligen Auf bauform der altgriechischen Chorlieder. 30  das Silbenmaaß  Pindar hatte zwar auf die vorangegangene Generation des Sturm und Drang besonders stark gewirkt (Herder nennt ihn bezeichnenderweise ,den edlen Freund meiner Jugend‘: „Kritische Wälder“ III (Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke. Hg. von Bernhard Suphan. Bd.  3, Berlin: Weidmann 1878, S.  446 [Neudruck Hildesheim: G. Olms 1967]); seine Metrik galt jedoch noch immer als ein Buch mit sieben Siegeln. Lessing zitierte 1759 aus der anonym erschienenen Prosa­ übersetzung von Ol. 1 durch J. J. Steinbrüchel („Briefe, die neueste Litteratur betreffend“, II, Nr. XIV [Nr. 31 der gesamten Reihe] vom 5. IV. 1759; das Zitat entnahm er: Electra. Ein Trauer­spiel des Sophokles: Nebst Pindars erster Ode. Aus dem Griechischen. Zürich: Geßner 1759). Die Übersetzung in Prosa verteidigte er mit den Worten des englischen Pindar-Übersetzers Cowley: „Wenn jemand den Pindar von Wort zu Wort übersetzen wollte, so würde man glauben, ein Rasender habe den andern übersetzt“ (Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Hg. von Karl Lachmann. Bd. 8, Stutt-

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Zu Brief 235–236

gart: G.  J. Göschen 1892, S.  65–70). Auch die Versuche Damms (Versuch einer prosaischen Uebersetzung der griechischen Lieder des Pindar. Abth. 1–4, Berlin/Leipzig: Chr. U. Ringmacher 1770/71), Gedikes (Pindars Olympische Siegshymnen. Verdeutscht von Friedrich Gedike. Berlin/Leipzig: G. J. Decker 1772), Gurlitts (in: Der teutsche Merkur, 1785, St. 7–10, 12 [u. ö.]), Toblers (Pyth. 9 in: Schweitzerisches Museum, Jg. 4 [1788], 388–394) waren in Prosa. Bis zu diesem Zeitpunkt waren also nur ganz wenige Versübersetzungen aus dem Pindar veröffentlicht worden: J.  F. Schönborn verdeutschte Pyth. 9 in Versen im Anhang zu Gerstenbergs ,Briefen über Merkwürdigkeiten der Litteratur, Fortsetzung‘, 1. St., Hamburg/Bremen: J. H. Cramer 1770, S. 137–152 (wiede­r abgedr. in Dt. Litt.denkmale, Bd. 29/30, Heilbronn: Gebr. Henninger 1888/90, S. 345– 354; Neudr. Hildesheim/New York: G. Olms 1971); Grillo übertrug Ol.  11 in freien Rhythmen im ,Göttingischen Musenalmanach‘ 1772, 203  f.; Voss’ Pyth.  1 kam 1777 heraus (vgl. zu 253/207); Starkes Gedanken über die Verdeutschung griechischer und römischer Dichter (Halle: Schwetschke 1790) enthält eine Versübersetzung von Ol. 4 (nach A. Rosenbaum in Karl Goedeke: Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung. Bd. 7, 2. Aufl., Dresden: L. Ehlermann 1900, S. 599; weitere Übersetzungen in S[amuel] F[ridericus] G[ulielmus] Hoffmann: Lexicon bibliographicum sive Index editionum et interpretationum scriptorum graecorum tum sacrorum tum profanorum. t. 3, Lipsiae: J. A. G. Weigel 1836, p. 265–268). – Herders Übersetzungen von insgesamt 10 Liedern erschienen erst später (ab 1795; SW XXVI 188–210) und waren ebenfalls noch in freien Rhythmen; Goethes Verdeutschung von Ol. 5 erschien erst aus seinem Nachlass (WA I/4, 315 ff.); Hölderlins Übersetzungen sind nicht vor 1798 entstanden (Beißner in Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. Große Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe. Hg. von Friedrich Beißner und Adolf Beck. Bd. 5, Stuttgart: Cottas Nachf. [Kohlhammer] 1952, S. 366, 376). – In einer Zeit, in der die philologische Grundlage für eine metrisch getreue Wiedergabe der Verse Pindars überhaupt noch ausstand – sie wurde 1798 vorläufig durch Gottfried Hermann (in seinem Beitrag zu Heynes Pindarausgabe: Pindari Carmina cvm lectionis varietate et adnotionibvs itervm cvravit Chr. Gottl. Heyne. Vol. 1–3 [in 5] Gottingae: I. Chr. Dieterich 1798; in der Praefatio wird Hermann als der für die Metrik zuständige Mitarbeiter genannt) und dann 1808 durch Böckh endgültig erbracht („Ueber die Versmaße des Pindaros“, in: Museum der Alterthumswiss. 2 [1808], 167–362; selbstständig: Berlin: Realschulbuchhdlg. 1809) –, muss somit Humboldt bescheinigt werden, dass er, lange vor der etablierten Gräzistik, zumindest ahnte, dass Pindars Lyrik auf einem strengen, noch unerschlossenen metrischen Strophenbau basierte, und sein Versuch, wenigstens die Gleichförmigkeit einzelner Strophen beizubehalten, der, wie diese Stelle anzudeuten scheint, von ihm selbst ausgegangen ist und nicht etwa auf eine Anregung Wolfs zurückzuführen ist (wie Leitzmann – GS VIII 108 – diese Stelle interpretiert), als außerordentlich kühn bewertet werden. Noch 1804 ringt Humboldt um eine adäquate Nachbildung dieser ihm rätselhaften Strophenformen (an Wolf, Marino, 29. IX. 1804; Mattson 1990, 253).

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September – Oktober 1792

32  Strophen und Antistrophen  Die ersten beiden Glieder der dreiteiligen Aufbauform der altgriechischen Chorlieder, die durch ihren einander entsprechenden Bau mit der abschließenden Epode (vgl. zu Z. 30) kontrastieren. Vgl. Snell, Metrik 46 f. 34 Schütz  Humboldt muss im Sommer 1792, wohl auf dem Weg nach Rudolstadt Anfang Juli, Schütz in Jena aufgesucht und sich mit ihm über die Problematik einer metrisch getreuen Pindar-Übersetzung beraten haben. 43 Brumoy  Pierre Brumoys berühmtes Kompendium aller griechischen Dramen in französischer Übersetzung: Le Théatre des Grecs. Par le R. P. Brumoy. Nouvelle édition, revue, corrigée & augmentée. t. 1–6, Paris: Libraires associés 1763 (BV – A-b/c; zuerst 1730, mehrere Neuaufll., zuletzt 16 Bde., Paris: Brissot-Thivars 1826). – Zur Mitarbeit an diesem Vorhaben meldete sich auch Spalding eifrigst an: „Herrlich aber wäre es doch, wenn man ein Théatre de Brumoy, von welcher Idee Sie einmal in Halle redeten, gemeinschaftlich zu Stande brächte. Möchte er [Humboldt] doch die adlichen Chöre dollmetschen und möchten Sie mit der Würde des Hausvaters, der allein recht im Hause Bescheid weiß, die pensa vertheilen! Ich wollte wahrhaftig ehrlich abspinnen, was mir aufgelegt würde. Wie viel würde man nicht dabey lernen, u. wie begeisternd wäre es, so zusammen zu arbeiten zu einem Werke, das gewiß Sensation machte. Mit dem meist noch unangerührten Euripides müßte man anfangen. Sagen Sie mir Ihr u. Humboldts Ja u. notiren mir den Vers, von wo bis wo, in welchem Stück des Eur. ich übersetzen soll – so fange ich den andern Tag an zu arbeiten.“ (an Wolf, undat. [wohl Jan. 1793]; H [alt]  Berlin, PrStB, derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Autographa, Kst. 166) 46 entstehn  I. S. von mangeln, abgehen (Grimm, s. v., 2). 47 Prometheus  Aischylos’ Gefesselter Prometheus. 49  schwere[r] halte  Halten im Sinne von einschätzen ohne die ergänzende Präposition für; vgl. Grimm, s. v. halten, B, 11, e. 63  Scholien zum Aeschylus  Vgl. zu 247/33. 65  Schütz, dessen Ausgabe  Von Schütz’ Aischylos-Ausgabe (Aeschyli tragoediae qvae svpersvnt ac deperditarvm fragmenta. Recensvit varietate lectionis et commentario perpetvo illvstravit scholia Graeca apparatvm historicvm et lexicon aeschylevm adiecit Christianus Godofr. Schütz. […].Vol. 1–5, Halae Saxonum: I. I. Gebaveri 1782–1821 [BV – K-a; D-f]) waren erst zwei Bände erschienen.

Zu Brief 236  an Brinkman, 8. (?) X. 1792 H Pr. D

Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1¼  S. 8°, eigh., mit schmalem Rand, kleinerer Initiale, mit stumpfer Feder eher hastig und mitteldeutlich beschrieben. „empf. den 12. Oct. [/] 1792“ (H, am Kopf rechts). Leitzmann 1939, 31 (dat. ,vor 12. X. 92‘).

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Zu Brief 236–237

Z. 9 König  D. i. mit dem am 29. März 1792 ermordeten Gustav III. von Schweden. 12  meine Wasserode  Die Übersetzung von Pindars 1. olympischer Ode (vgl. zu 231/55).

Zu Brief 237  an Brinkman, 11. X. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand, kleiner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen, gegen Schluss wenig deutlich beschrieben. D Leitzmann 1939, 31–35. GB Ia  Berlin, 28. IX. 1792 (d1  Leitzmann 1939, 243–246). – Ib  ebd., 1.–2. X. 1792 (d2  Leitzmann 1939, 246 ff.).

Datierung: Dass Humboldt den falschen Monat beim Datum geschrieben hat, ergibt sich aus den Gegenbriefen. Z. 6  Was Sie über Jenisch schreiben  „Sie wissen […] aus meiner lezten Depesche den Plan Jenisch zum Gegenstand eines heroischen Gedichts zu machen, der denn zum Theil auch, ganz als Parodie der Messiade vollendet ist“ (d1, 243). Wenige Tage zuvor übersandte Brinkman eine längere Probe daraus an Gentz (Berlin, 20. IX. 1792; Wittichen II 23 ff.).   7 seine Borussiade  Jenischs episches Gedicht zu Ehren Friedrichs des Großen, „Borussias in zwölf Gesängen“, erschien als selbstständige Publikation erst 1794 (Bd. 1–2, Berlin – anonym). 11  mein Bruder nach Anspach versezt  Alexander wurde am 6. IX. 1792 zum Oberbergmeister in den fränkischen Fürstentümern befördert (A.-v.-Humboldt-Chronologie 18). 15  lassen Sie [. . .] von dem Lästergedicht nicht ab  Brinkman schreibt, die Jenischiade „war G[entz] noch nicht genug, sondern er schlug mir vor noch ein romantisches Gedicht in Stanzen zu machen, das zugleich alle Juden, den pr. Staat, Gott und ganz Berlin verlästern sollte. Dieses leztere hatte nun viel Reiz für mich“ (d1, 243). Gentz’ Antwortbrief, inkl. Alternativversen, ist vom 21. IX. (Wittichen II 25 f.). 16  Ihre Stanzen  „Ein solches Lästergedicht nun, wem könnte es wol würdiger zugeeignet werden als Ihnen, und so haben Sie denn hier die Weihung desselben an Sie, von der G. behauptet, ich hätte noch nie was bessers gemacht, und man sähe, nur ein solcher Gegenstand hätte mir gefehlt, um mich recht eigentlich zu begeistern. Machen Sie sich also gefaßt alles was Bosheit und Lästerzungen gegen Sie vorbringen können hier vereinigt zu lesen, denn nichts gelinders würde zu dem Stof dieses Gedichts passen.“ (d1, 243)

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Oktober 1792

19  Eine Epistel über Menschenkenntniß  In seiner „Apostille“ deutet Brinkman an, dass er vom satirischen Gedicht über Jenisch lieber absehen wolle: „Der Schluß nun ist ganz verändert, da G. mir das Ding zu lieb gemacht hat, als daß ich es gerade mit dem eckelhaften Projekt einer Jenischiade vertilgen möchte. Wir haben also beide gefunden, daß eine philosophisch poetische Epistel über Kentniß des Menschen sehr wol mit dieser Anrede an Sie geschlossen werden könnte.“ (d2, 247) 23 Riesenphänomen  Die 5. und abschließende Widmungsstanze lautet: „Du, käm’ ein Gott in heil’gen Donnerwettern [/] sein Wesen kund zu thun, und Tempel sich zu weihn, [/] werth ewig sein Profet zu sein! [/] Doch würdiger vielleicht den lezten Bindestein [/] des trügenden Gewölbs auf ewig einzuschmettern! [/] Du Riesenphänomen im Jungen Musenhain, [/] und von Apolls verliebten Schwestern [/] beschenkt mit Scherz und Witz und nieversiegtem Spott, – [/] o Humboldt! horche du den Liedern, welche Gott, [/] Vernunft und Sittlichkeit, und dich und Jenisch lästern.“ (d1, 245) 23  Räthsel der Natur  Die 2. Stanze lautet: „Wie nennt sie dich, o Räthsel der Natur! [/] den selten der Verstand, und nie das Herz begreifet, [/] das halb dein Zauberwesen nur [/] zu ahnden sich erkühnt, der Täuschung Blütenspur [/] vertraulich folgt, und dann – nach leeren Schatten greifet. [/] Der allen Formen ungetreu [/] mit Feinheit sie studirt, aus Größe sie verlezet, [/] und jedes Aeußerste nur schäzet, [/] obs Tugend oder Frevel sei.“ (d1, 244) 24 Schulstudien  Bezieht sich wohl auf die 1. Stanze (vgl. nächste Anm. und 232/12). 32  Die erste Stanze  „Du aber, Freund! mit welchem Namen nennt [/] der Musen Stimme den, für den sie alle schmachten? [/] der jede schon geliebt, von keiner sich getrennt, [/] doch zu vertraut auch jede kennt, [/] um sie nicht alle zu verachten. [/] Der jeden Lorberzweig vom fernsten Ziel ergreift, [/] nicht um sein Haupt damit zu schmücken, [/] nur um die Frucht, die sonst für Götter reift, aus seltner’m Stolz mit Füßen zu zerdrücken.“ (d1, 244) In der revidierten Fassung blieb sie unverändert: „Die 1. Stanze bleibt wie sie war, indem ich immer mehr überzeugt bin, daß Sie auch in den Wissenschaften blos den höchsten Gipfel erreichen wollen, um so besser alle die zu verachten, die sich etwas darauf einbilden.“ (d2, 246) 36 die schönen Schatten  Brinkman schreibt in seiner „Apostille“, dass die 2. Stanze „manche Veränderungen erlitten [habe]. In Ihrem Exemplar ist weder die Idee deutlich noch gut ausgedrückt. Man wird geneigt zu glauben, daß sittliche Güte Ihnen so leicht alle Herzen unterwirft, und darin leicht getäuscht; allein die leeren Schatten war sehr unwahr. Die Schönheit der Erscheinung vergütet gemeiniglich die betrogne Erwartung. Nun heißt es von der 3. Zeile an: ,das Deine Zauberallmacht nur [/] durch Güte möglich wähnt, der Ahndung Blumenspur [/] vertraulich folgt, und dann – nach schönen Schatten greifet. [/] Der allen Formen ungetreu [/] Mit Feinheit sie erforscht, mit Größe sie verlezet‘ pp.“ (d2, 246) 37  Die lezte  D. h. ,die letzte Zeile dieser Stanze‘.

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Zu Brief 237–238

42  Die beiden lezten  „und jedes Aeußerste nur schäzet, [/] obs Tugend oder Frevel sei.“ (d1, 244) 44  3 Strophe  „Daß in dem weiten Kreis erhabener Ideen [/] nichts heilig ist, als – selbstbeherschte Kraft, [/] und jene Stürme, die sie schaft, [/] um von des Ungefühls beeisten, sicher’n Höhen [/] in jeder zarten Brust die Glut der Leidenschaft [/] zu fächeln, doch von ihm die Flammen wegzuwehen.“ (d1, 244) 45  Die Aenderung  „In der 3. Stanze hat G[entz] die Konstruktion ,nichts heilig als jene Stürme‘ falsch und das Ganze sehr undeutlich gefunden. Ich habe es also geändert, zumal die beeisten Höhen selbst im Munde Ihrer Lästerer übertrieben, und auch das Ungefühl wenigstens nicht deutsch ist. Es heißt nun: [/] – als selbstbeherschte Kraft, [/] die unaufhaltsam wirkt, und ruhig Stürme schaft, [/] um von des Selbstgefühls erhabnen Wolkenhöhen‘ pp. [/] Gerade das Selbstgefühl ist es, was höher getrieben als bei andern Menschen Sie gegen diese gleichgültiger macht und Ihre Philosophie in erhabenere Regionen verlegt.“ (d2, 246 f.) 46 Das weil in der 4t  „Du, dessen Geist, so oft sein Serafsflügel tönt, [/] die Ströme des Gefühls nach Edens Auen lenket, [/] weil deine Sinnlichkeit, durch diesen Geist verschönt, [/] der schnellbesiegten Lais fröhnt, [/] und Wollust überschwenglich schenket, [/] die ohne Mitgenuß dein kalter Stolz verhöhnt.“ (d1, 244) In der „Apostille“ bemerkt Brinkman: „Das ,weil deine Sinnlichkeit‘ in der 4. Stanze muß wol in wenn verwandelt werden, weil selbst G[entz] dumm genug gewesen es als quia zu verstehen, da der Sinn doch offenbar fordert, es als indeß zu erklären.“ (d2, 247) 50  v. 4. u. 5.  Vgl. zu Z. 23. 62  Das grüne Buch Vgl. 232/21. In seiner „Apostille vom 2ten [Oktober]“ hatte Brinkman geschrieben: „Das vorgehende schrieb ich gestern Abend und erhalte Gottlob diesen Augenblick noch B[iesters] Antwort, erbreche also wieder mein Packet, um Ihnen alles zu schicken. B. ist schrecklich bang in seinem Billet an mich, daß Sie ganz vom Druck absehn möchten, allein seine Entschuldigung gegen Sie mit meinem Nicht zu ihm kommen ist possirlich – da er neulich – freilich ungefehr 14 Tage – nichts wußte, und mir es sogleich melden wolte. Indeß behauptete er freilich immer, es habe keine Eil, weil doch Ostern abgewartet werden müßte.“ (d2, 247 f.) 62  die Mylius  Brinkman fährt fort: „Aber ganz wüthend scheint es mir von Mad. Mylius nur 5 Thaler zu bieten, da ich doch so ganz ausdrücklich B. gesagt, daß Sie unter 2 Louisd’or gar nicht dran dächten sich zu verheirathen.“ (d2, 248) 62 Nikkel Vgl. Grimm, s. v. Nickel, 2 b: Schimpfwort „besonders gegen eine gemeine weibsperson, eine liederliche dirne oder vettel angewendet“. 66 agaciren Frz. agacer: aufreizen, belästigen. 71  durch Schiller Vgl. 238/11. 80 Rakker  Dieses ursprl. nd. Wort für Schinder, Abdecker, Henkersknecht war zu dieser Zeit ein recht verbreitetes Schimpfwort; vgl. Grimm, s. v. Racker, 1–2. 81  Die Stükke der MS.  Vgl. zu 231/62.

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Oktober 1792

84  eine Tante mit 3 Töchtern  Diese Tante muss der Familie von Karolines Mutter zuzuordnen sein. Die Mutter hieß Ernestine Friederike v. Hopf(f)garten, aus dem Hause Mülverstedt (Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel [Uradel]. Jg. 1921, Gotha: J. Perthes 1920, s. v. Dachröden, S. 228). Im Falle der Hopf(f)gartenschen Stammtafel führt der ,Gotha‘ ausschließlich die männlichen Nachkommen an; mithin ist es nicht möglich, Karolines Mutter einem der 3 Äste dieser 2. Linie der Familie Hopfgarten eindeutig zuzuordnen. Jedoch spricht einiges dafür, sie im 1. Ast unterzubringen: 1) wegen der Ähnlichkeit ihrer Vornamen mit denen der mutmaßlichen Mutter, Ernestine Luise, geb. Freiin v. Knigge und 2) wegen ihres Heiratsjahrs 1734 (Karolines Mutter wurde 1736 geboren). Aus dieser Ehe ist nur der Sohn Georg Wilhelm (geb. 1740) verzeichnet, der später in den Grafenstand erhoben wurde (,Gotha‘, Uradel, 1900, s. v. Hopffgarten, 433). Lässt man diese Mutmaßungen gelten, so war die ,Tante‘ die Gemahlin des Grafen v. Hopfgarten und somit eine Schwägerin von Karolines Mutter. Dieser Graf v. Hopfgarten war durch die Standeserhebung der Stammvater der gräflichen Linie der Familie und wurde in einem der ersten Jahrgänge der betreffenden Reihe des ,Gotha‘ zwar als solcher erwähnt, aber es sind dessen Kinder, die den Reigen der genealogischen Aufzeichnungen dieser Linie eröffnen. Den Namen der Gattin erfahren wir nicht! (Genealogisches Taschenbuch der deutschen gräflichen Häuser auf das Jahr 1829[ ff.]. Gotha: J. Perthes 1828, s. v. Hopfgarten). Von den dort verzeichneten insges. 8 Geschwistern passen auf die hiesige Charakterisierung am ehesten: Charlotte, die damit die eifrige Leserin wäre, Caroline und Friederike. – Die Tante ist übrigens nicht mit jener von 305/8 identisch, die als einzige der Schwestern C. Fr. v. Dacherödens überhaupt Kinder zur Welt gebracht zu haben scheint. 86  Voss Odyssee  Homers Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg: auf Kosten des Verf. 1781 (BV – D-f/A-b/c). 92  Nennen Sie sie nicht mehr Lina  „Noch ein prächtiges Urtheil über Sie und Lina muß ich Ihnen mittheilen. Sie haben in Erfurt bei irgend einer Person logirt, die eine Schwester in einem Kloster hat, und wo die junge Passenat sich alleweile aufhält, diese hat sich nun sehr nach Ihnen erkundigt, weil Sie beide, wie die Nonne meint, äußerst artige und gutmütige !!! Leute sein sollen.“ (d1, 245) 97  2 Oden aus dem Pindar  Ol. 3 und 4 (GS VIII 27–32 bzw. 33–36; vgl. Leitzmann ebd., 108).

Zu Brief 238  an Schiller, 12. X. 1792 H

Marbach a. N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 3 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit sehr breitem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; sehr säuberliche, besonders

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Zu Brief 238–240 deutliche Reinschrift. Z.  33  f. als Randschrift auf S.  2; Nachschrift als Randschrift auf S.  1. Z. 35 Absatzbeginn nicht eingerückt. – Oberhalb des Textbeginns redaktioneller Bleistiftvermerk: „II“. D D1  Humboldt 1830, 93–96 (dat. 12. IX. 1792). – D2  Leitzmann 1900, 44 ff. (danach Seidel I 46 ff.). – D3  NA XXXIV/1, 188 f.

Z. 1 Okt.  Auch hier wollte Humboldt zuerst „Sept.“ schreiben (das O ist aus einem S korrigiert; vgl. 237/1).   5  meine Abhandlung  Staatswirksamkeit. 15  daß Göschen den Verlag übernähme  Mit Hinweis auf Überlastung durch die Herausgabe von Wielands Werken winkte Göschen doch ab (vgl. 259/6). 18  persönlich kennt  „Die Bekanntschaft zwischen Göschen und Humboldts Frau war vermutlich durch […] Zacharias Becker vermittelt worden, der Hofmeister im Hause Dacheröden gewesen war. Göschen, der [dessen] ,Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute‘ (1788) veröffentlicht hatte, war eng mit Becker […] befreundet.“ (Ursula Neumann, NA XXXIV/2, 322) 19  daß Sie […] Göschen […] schrieben  Vgl. zu 244/21. 24 Honorar  Zu Humboldts recht illusorischen Vorstellungen diesbezüglich vgl. 239/8. 25  ein Projekt zu einer Zeitung mit mir  An Göschen schreibt Schiller am 14.  X. 1792 von seiner „alten Idee, ein großes vierzehntägiges Journal, an dem dreißig oder vierzig der beßten Schriftsteller Deutschlands arbeiteten, herauszugeben“ (NA XXVI 159); vgl. auch an Körner, Jena, 15. X. 1792 (ebd., 160). 37  Mittheilung einiger Ihrer Ideen  Es sind keine derartigen Mitteilungen überliefert.

Zu Brief 239  an Brinkman, 20. (?) X. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1½ S. 4°, eigh., mit normalem Rand (4 Leerzeilen am Kopf des Recto) und kleiner Initiale; klein, mit spitzer Feder noch deutlich beschrieben; Nachschrift (Z. 25 f.) als Marginalie auf dem Recto. Pr. „26 8�r. 1792.“ (H, Blattkopf, Mitte) D Leitzmann 1939, 38 f. (dat. ,vor 26. X. 92‘, ohne Z. 25 f.).

Z. 1 Inlage  Humboldts Z. 19 erwähnter (nicht überlieferter) Brief an Biester, in dem er ihm offenbar über weitere Teilabdrucke aus Staatswirksamkeit eine Absage erteilte. 3  Von Schillern  Humboldt referiert hier aus dessen nicht überliefertem Antwortbrief auf Br. 238.

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Oktober 1792

  4 GeschichtsErzählung  Die Darstellung des tatsächlichen Hergangs. 14 mehreren Vgl. 212/85. 17 compelle  D. h.: ,So kann ich Göschen nötigen, mehr zu bieten‘. Leitzmann bezieht die Stelle, m. E. wenig überzeugend, auf Lukas 14, 23.

Zu Brief 240  an Wolf, 22. X. 1792 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 1–2 bzw. Nr. 1: 2½ S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 9 Leerzeilen; schöne Reinschrift. Fol. 2 fehlen die unteren zwei Drittel: die Worte „[…]schaft Ihr Humboldt“ ergänzt (Bleistift) von der Hand des Herausgebers von D1, Karl Brandes. Sonst leicht zerknittert, überklebt fol. 1v Mitte rechts. Fol. 1v (Z. 22) die Worte „variis lectionibus“ mit Bleistift unterstrichen. Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). h D D1  GW V 1 ff . – D2  Mattson 1990, 23 f.

Z. 3  Ihrer […] Ausgabe einiger Platonischen Dialogen  Neben dem Homer war es vor allem Platon, der Wolf zeitlebens beschäftigte. (Am 16. X. 1800 wird ihm Humboldt aus Paris zurufen: „Ich wünschte am meisten, Sie entschlössen Sich, am Plato zu werden, was Sie dem Homer geworden sind“ [Mattson 1990, 219]). Um die Zeit unseres Briefes plante er eine „Ausgabe von einer Suite Platonischer Dialogen mit Noten, die auch jungen Leuten lesbar seyn sollen in etlichen kleinen Bändchen“ (an G. R. Herzberg, Halle, 10. I. 1792; Reiter I 121; der Plan war im Oktober noch aktuell: an Fr. Franke, Halle, 2. X. 1792; ebd., 134). Schon 1790 meldete er Herder, 6–8 Dialoge seien fertig, darunter Meno und die beiden Alkibiades (Halle, 24.  VI. 1790; ebd., 91). Der Plan wurde jedoch in diesem Umfang nicht verwirklicht. 3 Dialogen  Diese Pluralform ist auch bei Wolf (vgl. vorige Anm.) und Körte (passim) belegt. 7 Spalding  Spaldings Besuch in Auleben lag einen Monat zurück (vgl. 233/1). – Während Reiter keine Briefe Wolfs an Spalding ermitteln konnte, enthält Wolfs Nachlass 46 Briefe Spaldings an ihn (1788–1809), die weitgehend ungedruckt geblieben sind und deren heutiger Standort die Biblioteka Jagiellońska in Krakau ist. 8  Sie erhalten […] hier  Diese Ausarbeitung hat sich in Wolfs Nachlass gefunden; gedruckt im Anhang zu Mattson 1990, S. 352–358. 18  daß ich nie eines methodischen Unterrichts im Griechischen genoß  Vgl. zu 247/49. 22  der Zweibrükkischen Ausgabe  Πλάτων. Platonis philosophi quae exstant graece ad editionem Henrici Stephani accurate expressa cum Marsilii Ficini interpretatione; prae­ mittitur l[ibri] III Laertii de vita et dogm[ate] Plat[onis] cum notitia literaria. Accedit varietas lectionis. Studiis Societatis Bipontinae. Vol. 1–2, Biponti ,

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Zu Brief 240–241

ex typographia Societatis 1781/87 (BV – D-f/K-a). – Über die 1779 gegründete, bis zum Anfang des 19. Jh. sehr verbreitete Reihe der Editiones Bipontinae vgl. Bursian I 504–507. 37  mit der ich […] die […] Odyssee durchgelesen  Zu Karolines Griechisch-Studien vgl. zunächst zu 225/65. Wolf nahm großen Anteil daran und führte Karoline beispielsweise bei Voss ein als Humboldts „vortrefliche griechisch gelehrte Frau“ (an Voss, Halle, 9. VIII. 1796; Reiter I 211). – Dieses Studium war für eine Frau zwar ungewöhnlich – auch wenn es bis dahin sogar einige als ,professionell‘ zu bezeichnende Gräzistinnen gegeben hatte, z. B. Olympia Fulvia Morata, Mme Dacier oder die im Briefwechsel Humboldts mit Wolf mehrfach erwähnte Clotilde Tambroni; auch muss Königin Christina von Schweden erwähnt werden – aber nicht unmöglich. Schon Ernestine Reiske hatte auf eigenes Verlangen einen so gründlichen Unterricht von ihrem Mann genossen, „daß sie ihm nicht allein bey dem Kollationiren der Handschriften und beym Abschreiben derselben, wie auch bey dem Korrigiren der Druckbogen wichtige Dienste leisten konnte, sondern daß sie auch oft die ganze Arbeit des Mannes zum Druck fertig machte; ja, daß sie selbst mit Glück aus dem Griechischen ins Teutsche übersetzte“ (Johann Georg Meusel: Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. Bd. 11, Leipzig: G. Fleischer jun. 1811, S. 190; vgl. auch R. Förster in ADB XXVIII, 140  f.), und die Sachsen-Weimarische Herzogin Anna Amalia hatte es 1782, mit Hilfe Villoisons und Wielands, zur Lektüre Anakreons und der Frösche des Aristophanes gebracht (Wilhelm Bode: Amalie Herzogin von Weimar. Bd. 2, Berlin: E. S. Mittler & Sohn, 1908, S. 54). Vgl. hingegen Johanna Schopenhauer: „Ein Mädchen und Englisch lernen! Wozu in aller Welt sollte das ihr nützen? Die Frage wurde täglich von Freunden und Verwandten wiederholt, denn die Sache war damals in Danzig etwas Unerhörtes. Ich fing am Ende an, mich meiner Kenntnis der englischen Sprache zu schämen, und schlug deshalb einige Jahre später es standhaft aus, auch Griechisch zu lernen, so sehr ich es innerlich wünschte“ (J. Schopenhauer 81). Auch klagte Karoline von Wolzogen: „Griechisch kann ich noch nicht, und möchte mich tod darüber ärgern“ (an Leo v. Seckendorff, Weimar, 5. VI. [1804]; Karl Obser: Aus dem Briefwechsel des Freiherrn Leo von Seckendorff, in: NHeidJbb. XVIII [1914], 47). – Die kleine Sensation, die Karolines Studien und Fortschritte machten, möge ein Wort Friedrich Schlegels belegen: „Nun hast Du es sogar auch nach Dresden ausposaunt, daß Du vielleicht einmahl Griechisch können wirst? Wenn Du es nun nicht lernst, so kannst Du allenthalben Trauerbriefe hinschreiben, es hätte nicht gehn wollen. Wenn Du recht fleißig bist, so wirst Du vielleicht in 8–10 Jahren so viel Griechisch verstehn, als die Fr. v. Humbold. Die hat es aber noch niemand ausposaunt, vielmehr ein Geheimniß draus gemacht. Daran hat sie sehr Recht gethan, weil die Leute, die in allen Stücken so handeln und denken, wie alle andern, alles Ungewöhnliche lächerlich finden.“ (an Auguste Böhmer, Berlin, 25. VII. 1797; KrA XXIV 3) Da verhielt sich Lea Mendelssohn, die Mutter Felix Mendelssohn‑Bartholdys, vorsichtiger; über sie

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Oktober 1792

berichtet G. Merkel: „[…] sie sprach und las Französisch, Englisch, Italienisch und – heimlich Homer im Original. Heimlich! wie hätten andere mit diesem Können geprunkt!“ (Die Familie Mendelssohn 1729–1847. Nach Briefen und Tagebüchern hg. von Sebastian Hensel, 18. Aufl., Bd. 1, Leipzig: Insel 1924, S. 90 – durch frdl. Hinweis von Rolf Sudbrack †, Hamburg, und Cécile Lowenthal-Hensel †, Berlin).

Zu Brief 241  an Brinkman, 23. X. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 3⅔ S. (1 Bogen) 4°, eigh., ohne Rand und Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 2 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben; die Nachschrift steht links neben der Unterschrift. D D1  Kaehler 1927, 31, 43, 100 (Z. 43–47 + Reg.). – D2  Leitzmann 1939, 35–38.

Z. 3  Ich bin Bräutigam  Spaldings Verlobung und Heirat sind ein häufig wiederkehrender Gegenstand Humboldtschen Spottes: vgl. 246/65, 262/86 etc. 11  Pabst Hildebrand Gregor VII., dessen energisches Vorgehen gegen die Priesterehe das Gebot des Priesterzölibats festigte, das allerdings erst am Tridentinum endgültig beschlossen wurde. 14  des grünen Buchs  Das Ms. von Staatswirksamkeit. 15  wie weiland Abälard  Wegen seiner Liebesbeziehung zu Héloise, der Nichte des Kanonikers Fulbert, wurde der Scholastiker Petrus Abaelardus entmannt. 19  non […] affectiones  Internet-Recherchen ergaben, dass dieser Spruch eher im Rationalismus als in der Scholastik beheimatet ist (Belege bei Descartes und John Gill): Affekte (oder auch Attribute etc.) können dem Nichtexistenten nicht beigemessen werden. Im gegenwärtigen Zusammenhang ist der Spruch so auszulegen: In Ermangelung eines entsprechenden Vermögens beim Subjekt ginge im Falle Spaldings die Androhung einer Entmannung ins Leere. 28 [meine]  Emendation Leitzmanns. 59  ϑεῶν   ,Liegt im Schoß der Götter‘ (häufige homerische Wendung). 61  Titel des Hebräischen Lexicons Möglicherweise: Vocabvlarivm Hebraicvm in Genesin secvndvm capitvm ordinem digestvm et in vsvm ivventvtis tam scholasticae qvam academicae editvm a Georg. David Kypke […]. Regiomonti: G. L. Hartung 1780 (BV – S-a/c/d). 69  Mich und Kind  Es handelt sich offenbar um nicht erhaltene Gipsmedaillons, auf denen jeweils Humboldt und die Tochter Karoline abgebildet sind. 82  für den verfaulenden Oncle  Einer der zahlreichen undeutbaren Spitznamen, die zwischen diesen beiden Korrespondenten hin- und hergeworfen wurden.

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Zu Brief 242  an Schiller, 26. X. 1792 H (alt) Berlin, PrStB; derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Autographa, Kst. 87: 3 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, kleinerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 8 Leerzeilen; mit spitzer Feder recht deutlich beschrieben. – Nachschrift Karolines am unteren Rand von S. 3; Nachschrift Humboldts als Marginalie ebenda. – Am Kopf Bleistiftvermerke von fremder Hand bezüglich der Datierung. D D1  A. Leitzmann: Briefe Wilhelm von Humboldts an Schiller, in: PrJbb CCXXXIX (1935), 204 ff. (danach Seidel I 48–51). – D2  NA XXXIV/1, 193 ff.

Datierung: Das Jahr ergibt sich aus den Ausführungen zu Staatswirksamkeit. Z. 5  Der […] Bogen der Thalia  Unter dem Titel „Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staates um das Wohl seiner Bürger erstrecken?“ ließ Schiller den Abschnitt II und die erste Hälfte von Abschn. III von Staatswirksamkeit in seiner ,Neuen Thalia‘ abdrucken (1792, 5. St., S. 131–169 – am Schluss gez. „W. v. Humbold. [/] [Die Fortsetzung folgt.]“); seinem Brief lag der erste Bogen zur Korrektur bei.   8 Abschrift  Das ,grüne Buch‘, das sich noch bei Brinkman in Berlin zwecks Verlagsverhandlungen befand; vgl. 239/14. 13  Abschnitt über Luxusgeseze  VIII.; vgl. über den Vorabdruck dieses und der beiden nächsten genannten Abschnitte zu 231/62. 24  in Jena  „Ab 1792 hatte Biester die BM außerhalb Preußens drucken lassen, um die verschärfte Berliner Vorzensur zu umgehen“ (Peter Weber: „Die ,Berlinische Monatsschrift‘ als Organ der Aufklärung“, in: ders. [Hg.]: Berlinische Monatsschrift [1783– 1796]. Hg. von Friedrich Gedike und Johann Erich Biester. Auswahl. Leipzig: Ph. Reclam jun. 1986, S. 434). „Mit Beginn des Jahres 1792 wird die Monatsschrift nicht mehr in Berlin, sondern ,bei Mauke in Jena‘ […] gedruckt“ (Was ist Aufklärung? Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift. In Zusammenarbeit mit Michael Albrecht ausgewählt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Norbert Hinske. 2. Aufl., Darmstadt: Wiss. Buchges. 1977, S. XXXIV). 28 Anonym  Diesem Wunsch wurde doch nicht entsprochen: Humboldts Name steht wohl deshalb am Schluss des ,Thalia‘-Vorabdrucks, weil er ohnehin von den Beiträgen in der ,Berl. Ms.‘ her als Verfasser der Schrift bekannt war. 34  ist Li mit diesem Punkte […] nicht zufrieden  Hierauf bezieht sich Karolines Nachschrift: „Li ist nicht böse, mein lieber S. u. Sie können es nie mit ihr verderben. Aber freilich wenn es wahr wäre was Sie einmal sagten, ich könte wohl den Teufel beschwäzzen, wenn ich mich dran gäbe, so beschwäzte ich jezt die Buchhändler für alle unsre Werke zu unendlichen Summen. Lottgen umarme ich.“ 39  schreibe ich Ihnen Vgl. 244/2. 41 Vorrede Vgl. 239/5; hierzu kam es nicht. 50  Möchten Sie uns […] in unsrer Einsamkeit sehn  Ein solcher Besuch fand nicht statt.

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Oktober – November 1792

Zu Brief 243  an Forster, 1. XI. 1792 H

D

Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 17: 2 S. gr.-4°, eigh., mit breitem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; recht deutlich geschriebene Reinschrift, mit wenigen unerheblichen Korrekturen. Leitzmann 1936, 99 ff. (danach Forsters WW XVIII 570 f.).

Man darf bezweifeln, dass dieser Brief den Adressaten erreicht hat, wie bereits zu Br. 119 (Bd. 1, S. 526) dargelegt wurde. Auch in diesem Fall hätte Humboldts Rotstift zumindest die Stelle über die positive Auswirkung der Mainzer Republik nicht verschont und er womöglich den ganzen Brief unterdrückt. Z. 2  Ihren […] Brief  Vom 22. X. (laut Forsters Postbuch; n. e.).   5  hat sich das Glük […] gewendet  Im ersten Koalitionskrieg belagerte General Custine Mainz, das am 21. X. 1792 kapitulierte; zwei Tage danach trat der republikanischjakobinische ,Klub‘ („Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“) zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, „in Übereinstimmung mit Custines [am Tag der Eroberung ergangenen] ,Aufruf an das gedrückte Volk deutscher Nation‘“ und funktio­nierte zunächst als provisorische Regierung (Scheel 19).   8  Die Sache […] der eignen Energie  Die Mainzer Ereignisse werden für Humboldt zu einem Brennpunkt dieses Zentralbegriffes seiner schon hier sich ankündigenden Anthropologie: vgl. 249/25. 10  der kaum erschaffenen Republik  Am 21. September 1792, einen Tag nach der Kanonade von Valmy, setzte der französische Nationalkonvent König Ludwig XVI. ab und rief die Republik aus. Der 22. IX. wurde denn auch zum Tag 1 der französischen Republik erklärt und war folglich der Neujahrstag des am 24. XI. 1793 eingeführten Revolutionskalenders. – Die französische Republik war mithin zur Zeit des Briefes erst etwa 5 Wochen alt. 19  wegen eines französischen Besuchs  D. h. wohl, man befürchte, die Mainzer Repu­ blik könnte auch auf Erfurt, das ja mainzisch war, Anspruch erheben und Regierungsvertreter dorthin schicken. 21  vor diesen sonderbar großmüthigen Siegern  Am Tag vor seinem Brief an Humboldt meldete Forster an Heyne: „Die Capitulation ist gestern geschlossen worden, und heute Morgens werden die französischen Truppen einziehen. Den Einwohnern ist für Person und Eigenthum vollkommene Sicherheit verheißen“ (Mainz, 21. X. 1792; For­ sters WW XVII 207).

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Zu Brief 244  an Schiller, 9. XI. 1792 H

Marbach a.  N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 2⅓  S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, ohne nennenswerte Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; recht deutliche Reinschrift. – Bleistiftvermerk oberhalb des Textbeginns: „III.“ D D1 Karl Goedeke (Hg.): Geschäftsbriefe Schiller’s. Leipzig: Veit 1875, S.  85  ff. (mod.). – D2  Leitzmann 1900, 46 ff. (danach Seidel I 51 f.). – D3  NA XXXIV/1, 197 f.

Z.  2  Vieweg […] hat meine Abhandlung […] nicht angenommen  Der Mittelsmann war hier Brinkman: vgl. Br. 239 und zu 245/11.   5  die […] Bedingungen  In Br. 245 berichtet Humboldt darüber an Brinkman.   7  was Sie in der Thalia abdrukken lassen  Vgl. zu 242/5. 20 Drukfehler  Der Korrektor war Niethammer, dessen Leistungen auch Schiller enttäuschten; bald zog er auch, u.  a. aufgrund von Humboldts Beschwerde, die Konsequenzen: „Niethammern werde ich abdanken. Wenn er sich etwa an Sie, wegen Fortdauer seines Amts wenden sollte, so erklären Sie ihm nur gerade heraus, daß es Sie zu hoch käme, besonders, da im 5ten Stück der Thalia erhebliche Druckfehler durch seine Nachläßigkeit stehen geblieben sind.“ (an Göschen, Jena, 16. XII. 1792; NA XXVI 166 f.) 21  Wollen Sie […] Göschen […] schreiben  Schiller fragte dann bei Göschen an, ob er die Abhandlung verlegen wolle, und fügte hinzu: „Die Schrift enthält allerdings sehr fruchtbare politische Winke, und ist auf ein gutes philosophisches Fundament gebaut. Sie ist mit Freiheit gedacht und geschrieben, aber da der Verfaßer immer im Allgemeinen bleibt, so ist von den Aristokraten nichts zu besorgen. Schriften dieses Inhalts und in diesem Geiste geschrieben sind ein Bedürfniß für unsre Zeit, und ich sollte denken auch ein Artikel für die Verleger.“ (Jena, 16. XII. 1792; NA XXVI 166). 26  Biester hat den Abschnitt über den Krieg […] im Oktober seiner Monatsschrift drukken lassen  Vgl. zu 231/62; am Schluss wird der Verfasser genannt: „W. von Humbold.“ Biesters Fußnote lautet: „Der Herausgeber merkt hierbei an: daß die Frage, welche hier in Absicht Eines Gegenstandes beantwortet ist, in Absicht aller Gegenstände der innern Politik untersucht, in einer eigenen Abhandlung dem Publikum vorgelegt werden soll. Der obige Aufsatz ist nehmlich ein Bruchstück eines Werkes, welches den Titel führen wird: ,Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen‘“ (S. 346). 30  Sollte in der Monatsschrift […] nichts mehr erscheinen  Im Dezemberheft 1792 erschien noch ,Über öffentliche Staatserziehung‘; vgl. zu 231/62. 30  zufolge meines lezten Briefs an Biestern Vgl. 245/35.

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November 1792

Zu Brief 245  an Brinkman, 9. XI. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 4 Leerzeilen; mit spitzer Feder mitteldeutlich beschrieben. D D1  Spranger 1909, 51 f. (Z. 48 f. + Reg.). – D2  Kaehler 487, Anm. 3 zu S. 147 (Z. 44, 47 f.). – D3  Leitzmann 1939, 39–42.

Z. 3  des grünen Buchs  Im Ms. von Staatswirksamkeit.   9 Schiller  Hier referiert Humboldt aus dessen nicht überliefertem Antwortbrief auf Br. 242. 11  Vieweg 2 Frd’or ausgeschlagen  Unter den Beilagen des Briefs Brinkmans (vgl. Z. 2 f.) war die Abschrift eines Briefs Viewegs an ihn: „Es thut mir aufrichtig sehr leid daß ich Ew. Hg. gütiges Erbieten das Werk des H. vH. zu verlegen nicht nuzen kan. Ich empfinde den Werth des Vertrauens das Sie, u. H. vH. mir so schmeichelhaft zu bezeugen die Güte gehabt, ehre den edlen Zweck Ihres Freundes, u. möchte mir so gern d. Gelegenht. zu einer Verbindung erhalten, welche mir in mancher Rücksicht sehr schäzbar. Aber ich finde mich um so weniger im Stande d. Honorarbedingung zu erfüllen, da ich für die nächste OsterMesse unter mehreren auch einige grosse Werke übernommen, die meine ganze Thätigkeit erfodern u. meine Kräfte zum Theil schon erschöpft. [/] Könte H. vH. mir die Mitwürkung zu Erreichung seines Zwecks erleichtern, so würde ich mit Vergnügen Alles anwenden, seinen Wunsch in Rücksicht des Verlags, der auch so sehr der Meinige ist, zu erfüllen. [/] Fried. Vieweg [/] der Ältere [/] am 29. Oct. 1792.“ (h Trolle-Ljungby/Schweden, BA) 33  wenn […] etwas in der Monatsschrift erscheinen sollte Vgl. 242/20. 35  seit meinem lezten Brief Vgl. 239/1. 40 Burke  Vgl. Edmund Burke: Reflections on the Revolution in France. London: J. Dodsley 1790. 45  das Lob der alten Kirchenverfassung  Scil. der britischen Kirchenverfassung: vgl. Burke/Gentz (zit. zu Z. 62) I 144 f. 45 Jurisprudenz  „Es ist nicht zu verwundern, daß sie [die Revolutionäre] bey solchen Ideen von ihrer vaterländischen Constitution, bey dieser Geneigtheit, ihre ganze Staats- und Kirchenverfassung als unrechtmäßig und usupirt […] zu betrachten, […] nach jeder auswärtigen Neuerung haschen. So lange diese Begriffe bey ihnen herrschend sind, ist es auch umsonst, von den Maximen ihrer Vorfahren, von den Funda­mentalgesetzen ihres Vaterlandes, von den Vorzügen einer Constitution, die die einzig-gültige Probe einer langen Erfahrung bestanden, […] mit ihnen zu sprechen. Erfahrung verachten sie als die Weisheit ungelehrter Menschen: alle übrigen Einwendungen bedeuten nichts.“ (Burke/Gentz I 84 f.) 46  Königin von Frankreich  Burke spricht seine Bewunderung für die Gefasstheit der in den ersten Tagen der Revolution in Todesgefahr schwebenden Marie-Antoinette

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Zu Brief 245–246

aus: „Ich hätte geglaubt, zehntausend Schwerdter müßten aus ihren Scheiden fahren, um einen Blick zu bestrafen, der sie zu beschimpfen drohte. – Aber die Zeiten der Rittersitte sind dahin. Das Jahrhundert der Sophisten, der Oekonomisten und der Rechenmeister ist an ihre Stelle getreten, und der Glanz von Europa ist ausgelöscht auf ewig.“ (Burke/Gentz I 114) 50  sein Enthusiasmus für das Englische  Vgl. z.  B. seine häufigen Bücherwünsche an Brinkman im September/Oktober 1792: Hume, Swift, Sheridan, Paine, Johnson, Dryden (Wittichen II 19–22, 27). 62  Gentz Arbeit  Betrachtungen über die französische Revolution. Nach dem Englischen des Herrn Burke neu-bearbeitet mit einer Einleitung, Anmerkungen, politischen Abhandlungen und einem critischen Verzeichniß der in England über diese Revolution erschienenen Schriften von Friedrich Gentz. Th. 1–2, Berlin: Fr. Vieweg 1793. 64  Payne unter Burke  Rights of Man: Being an Answer to Mr. Burke’s Attack on the French Revolution. By Thomas Paine […]. London: J. Johnson 1791. – An der zu Z. 45 zitierten Stelle fährt Burke fort: „Sie haben unter ihrem Boden eine Mine gegraben, die in Einem furchtbaren Ausbruch alle Beyspiele des Alterthums, alle Observanz, alle Statute, alle Parlamentsakten, in die Luft sprengen soll. Sie haben ,die Rechte des Menschen.‘ Gegen diese findet keine Verjährung Statt, gegen diese kann kein Vertrag verbinden.“ (Burke/Gentz I 85) 65  Er würde es […] für besser halten  Gentz’ frühe Eindrücke von Humboldt haben wohl lange Bestand gehabt: „Er ist einer der scharfsinnigsten und besten Köpfe, die mir je vorgekommen sind. Er hat sowohl Witz, als Tiefsinn. Er ist besonders ein furchtbarer Dialektiker: nichts ist schwerer aber auch belehrender als einen langen Streit mit ihm auszuhalten. Ich nenne ihn gewöhnlich den Wetzstein des Verstandes. Wenn ich eine Materie so durchdacht habe, daß ich glaube, nun könnte mich wohl kein Einwurf mehr erschüttern, so erstaune ich zuweilen über seine Kunst, Einwürfe gleichsam zu erschaffen.“ (an Garve, Berlin, 5. XII. 1790; Wittichen I 183) 74 Carisien  Schwedischer Gesandter in Berlin, Brinkmans Vorgesetzter.

Zu Brief 246  an Brinkman, 30. XI. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 2 Leerzeilen, von mittlerer Deutlichkeit. D D1  Kaehler 446 (Anm. 5 zu S. 31: Z. 52–55, dat. 23. XI.); 483 f. (Anm. 1 zu S. 133: Z. 56–61). – D2  Leitzmann 1939, 42–45.

Z.  3  eine 500Verse lange Pindarsche Ode  Pyth.  4, die mit Abstand längste aller pindarschen Oden; vgl. GS VIII 43–59. An mehreren Stellen der Handschrift notierte

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November 1792

Humboldt „am Rande die Daten des 19.–25., womit nur der November 1792 gemeint sein kann“ (Anm. Leitzmanns ebd., 37). – Hier liegt, wie schon 245/49, ein weiterer Beleg für Humboldts orthographische Eigenheit vor, Substantiv gleich an die vorausgehende Zahl anzuhängen.   8  mit der Minerva in Aeschylus Eumeniden  Athene (röm. Minerva) spricht: „Gib mir Antwort – erkläre es deutlich mir [/] So laß mich hören und erklär es deutlich mir“ (v. 442 bzw. 420, nach Droysens Übertragung). 13 die Κοχ  Die ,Aktrice‘ Cölestine Koch (vgl. zu 231/73). 14  σχαρλοττενβουργ  Charlottenburg. 14  der Vater  Karl Konrad Schwinck. 14  Sie sind bei ihm und der Tochter gewesen  Dieser gewiss nicht sehr geschickte Vermittlungsversuch Brinkmans hat zu einem schweren, wenn auch vorübergehenden Zerwürfnis zwischen ihm und Gentz geführt; vgl. die Briefe der beiden (je 2!) vom 2. XI. 1792: Wittichen II 28–33. 15  wie kennt Sie der Mann?  Vgl. zu 231/73. 17  Landreuters […] Kartoffeln  Die Anspielung gilt wohl Bildern (zeitgenössischen Stichen?) mit Szenen aus dem Wirken Friedrichs II. Die ,Landreuter‘ waren die damaligen Gerichtsvollzieher: sie zogen durch die Lande und trieben im Namen der Justiz Schulden ein, gelegentlich – worüber mehrfach Klage geführt wurde – unter Einsatz von Methoden der Selbstjustiz (Einsperrungen, Verprügelungen u. dgl.). Friedrichs „Land-Reuter-Ordnung für die Land-Reuter in der Mittel-Marck, Ucker-Marck und Prignitz“ vom 25. VIII. 1755 sollte dieses Treiben in geordnete Bahnen lenken und den Exzessen einen Riegel vorschieben (gedruckt in: Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchicarum, Oder Neue Sammlung Königl. Preußl. und Churfürstl. Brandenburgischer, sonderlich in der Chur- und Marck-Brandenburg, Wie auch andern Provintzien, publicirten und ergangenen Ordnungen, Edicten, Mandaten, Rescripten &c. &c. Vom Anfang des Jahrs 1751, und folgenden Zeiten, Mit Königlicher Allergnädigsten Bewilligung, und Dero Academie der Wissenschaften, darüber ertheilten Privilegio, Nebst einer Einleitung in die mannigfaltigen Gesetze eines Staats, und besonders in die Königl. Preußl. und Chur-Brandenburgische Geistliche und Weltliche, Justitz-Militair-Cameral-Policey- und übrigen Landes-Gesetze. Bd. 1, Berlin: Akad. d. Wiss. [1756], Sp. 854–872). Eine zweite Verordnung, vom 8. VII. 1760, diesmal für das Herzogtum Magdeburg, wiederholte und präzisierte diese Bestimmungen (ebd., II 439–454). (Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass hieraus ein geeignetes Sujet für eine bildliche Darstellung zu gewinnen wäre.) – Die „Kartoffeln“ gelten natürlich dem legendenumrankten ,Kartoffelbefehl‘ Friedrichs, womit er für deren Anbau eintreten und sie als geeignete Nahrungsmittel einem skeptischen Volke empfehlen wollte, und dies nicht nur einmal: zwischen 1746 und 1768 gab er „mindestens 15 Verordnungen zum Kartoffelanbau heraus“; am bekanntesten ist jene vom 24. III. 1756 an die neu eroberte Provinz Schlesien. (Antonia Humm [u. a.]: König & Kartoffel. Friedrich der

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Zu Brief 246–247

Große und die preußischen „Tartuffoli“. Berlin: vbb [verlag für berlin-brandenburg] 2012, S. 53 f.) Hierüber ist eine reiche Ikonographie überliefert, die auch vielfach im Buch von A. Humm abgebildet ist, darunter allerdings kaum Zeitgenössisches. (Für Hinweise zum Stichwort ,Landreuter‘ und auf das hier zitierte Buch sei Frau Anke Klare, Geh. StA Berlin, verbindlichst gedankt.) 31  die schon gedrukte Ode  Ol. 2; vgl. zu 214/57. 32  3 die Sie noch nicht kennen  Ol. 3 und 4 (vgl. 237/97) sowie vermutlich Ol. 12 (GS VIII 15 f.). 32  einen […] Eumeniden Chor  V. 399–499 aus Aischylos’ Eumeniden; vgl. GS VIII 239–242 (zuerst erschienen in Biesters ,Berlinischer Monatsschrift‘ XXII [Aug. 1793], 149–156). 33  Die Wasserode Ol. 1. 39 EinleitungsAbhandlung  Altertumsstudium. 40 Thucydides Vgl. 241/25. 40  Lehnssystem […] Kampfspiele  Diese Aufsätze sind nicht ausgearbeitet worden. 42  Wests od: Cowleys PindarUebersezung  Odes of Pindar, With several other Pieces in Prose and Verse, Translated from the Greek. To which is added A Dissertation on the Olympick Games; together with Original Poems on Several Occasions. By Gilbert West […]. Vol.  1–3, London: J. Dodsley 1766. – The second Olympique and first Nemean Ode of Pindar paraphrased, and Pindarique Odes, written in imitation of the style and manner of the Odes of Pindar, with notes, by Abraham Cowley. London: H. Mosely 1656. – Wests Pindarübersetzungen (im 1. Bd., während Bd.  2 Stücke aus Lukian, Apollonios Rhodios u. a., auch Originaldichtungen Wests enthält) sind nicht metrisch getreu und – gereimt! 43  Abhandlung über eben den Gegenstand  Die in der vorigen Anm. genannte „Dissertation“ nimmt den ganzen 3. Bd. des Werks ein. 57  Einen guten General  Dumouriez, der im September die siegreiche Kanonade gegen die Preußen in Valmy mit befehligt hatte. 63 Königsmörder  Dieses Gedicht Brinkmans, das gewiss die Ermordung Gustavs III. im März 1792 durch Jacob Anckarström zum Gegenstand hatte, ist unveröffentlicht geblieben. 67 Alberthel  Ein Gedicht Spaldings, das unbekannt geblieben ist.

Zu Brief 247  an Wolf, 1. XII. 1792 H

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Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 3–5: 5 S. (1 Bogen + 1 BI.) 4°, eigh., mit normalem Rand, ohne Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen, Unterschrift am unteren Rand; recht säuberlich beschrieben. – Gelegentliche redaktionelle Bleistiftmarginalien

November – Dezember 1792 und Unterstreichungen von Brandes’ Hand. Fol. 4r, zum Lemma übersezt (Z. 45) ein Sternchen, wohl von Körte (Tinte), die auf die Anm. (D2, 5) verweist; fol. 5v eine irrelevante Notiz (Tinte) von Körtes Hand. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D2). D D1  Körte I 181 f. (Z. 46–75, dat. „1792“). – D2  GW V 3–7. – D3  Mattson 1990, 24–27.

Z. 16  Die Erklärung der Homerischen Stelle  Der Brief an Wolf, der diese Frage Humboldts enthielt, ist nicht überliefert. 33 Aeschylus Wohl: Aeschylus: Tragoediae superstites, Graeca in eas scholia, et deperditarum fragmenta, cum versione Latina et commentario T. Stanleii et notis E Robortelli, A. Turnebi, H. Stephani et G. Canteri, curante Joanne Cornelio de Pauw, cujus notae accedunt. Vol. 1–2, Hagae Comitum: P. Gosse 1745. 34  die von Schütz noch nicht bearbeiteten Stükke  Vgl. zu 235/65. Es fehlten noch die Choephoren, Eumeniden und Supplices sowie Scholien und Fragmente. 38  einen übersezten Eumenidenchor  Vgl. zu 246/33. Humboldt hat offenbar auch Heyne eine Abschrift dieser Übersetzung zur Begutachtung zukommen lassen (vgl. 272/92). 40 Pauw  Vgl. zu Z. 33. 42  Beck in seinem Pindar  Pindari carmina et fragmenta Graece. Cum Scholiis integris emendatius edidit, varietatem lectionis, adnotationem criticam et indices adiecit C. D. Beckius. Vol. 1, Lipsiae, apud I. E. Beerium 1792 (BV – K-a); die Stelle steht: Praefatio, p. VII. 43 pauo  Vielleicht war die auch bei W. Pökel (Philologisches Schriftsteller-Lexikon. Leipzig: A. Krüger 1882, S. 203) belegte Nebenform Pavo (d. i. Pfau) zum gebräuchlichen Spitznamen für den wegen seiner Arroganz bekannten de Pauw (vgl. 262/33) geworden. (E. A.) 44  4. Pyth.  Vgl. zu 246/3. 49  Als Philologe von Metier  Humboldt meinte später, anlässlich des Todes seines Griechischlehrers Löffler, er habe es dem Zufall, dass Löffler bei ihm Hofmeister wurde, zu verdanken, dass er überhaupt Griechisch gelernt hatte (an Karoline, London, 10. III. 1818; Sydow VI 146); dieser Unterrichtsgegenstand war demnach wenigstens im ursprünglichen Plan der Privaterziehung der Brüder Humboldt nicht vorgesehen. Als der Griechisch-Unterricht begann, kann Humboldt bereits 15 Jahre alt gewesen sein (vgl. Alexander von Humboldt, eine wissenschaftliche Biographie. Im Verein mit R. Avé-Lallemant [u. v. a.] bearb. u. hg. von Karl Bruhns. Bd. 1, Leipzig: F. A. Brockhaus 1877, S. 126 f.), und nur fünf Jahre später war er stud. jur. in Frankfurt/O. Er berichtet an die Braut wenig später allerdings, dass man ihn ob seines übermäßigen Eifers bisweilen schalt (121/122 – Bd. 1). – Dass Humboldt nicht Mitglied von Heynes philologischem Seminar wurde (vgl. Menze, Heyne 17), ist unerheblich, denn das konnten nur wenige Auserwählte werden – es waren jeweils selten mehr als zehn – und

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Zu Brief 247–248

kam für den als Jurastudent immatrikulierten Humboldt ohnehin nicht in Betracht. Selbst Wolf war seinerzeit nicht Mitglied geworden, wenn auch aus anderen Gründen. Der im besten Sinne des Wortes dilettierende Humboldt legt dieses Bekenntnis beim Philo­logen von Metier sui generis ab, gleichsam als Bitte um Nachsicht: Er ist zwar kein Brotphilologe, aber seine weitere Entwicklung zeigt, wie sehr er auch auf ,grammatische Kleinigkeiten‘ einzugehen imstande war. 68 Energie  Die Energie, dieser Kernbegriff der frühen Anthropologie Humboldts, „die erste und einzige Tugend des Menschen“ (Staatswirksamkeit, VIII; GS  I 166), wird hier auch zu einem Grundkriterium der Völkercharakterologie; vgl. auch 243/8, 249/25. – In der Fortentwicklung von Humboldts anthropologischem Denken, auf dem Gebiet der Sprachphilosophie, behielt diese Kategorie in der These von der Sprache als Energeia ihre zentrale Rolle. 79 Anacharsis  Voyage du jeune Anacharsis en Grèce, dans le milieu du quatrième siècle avant l’ère vulgaire. Vol. 1–7, Paris: De Bure l’ainé 1788. Dieser auf den Berichten des jungen Skythen Anacharsis (vgl. über ihn Lesky 187) basierende, anonym erschienene Roman des Jean-Jacques Barthélémy war damals ungeheuer populär und erlebte zahlreiche Neuauflagen und Übersetzungen (vgl. zu 79/45 – Bd. 1). Er „hat nicht nur den Franzosen geschmeichelt, indem er die großen Männer des Tages unter griechischer Maske reden ließ, zahllosen Lesern hat er ein buntes Phantasiebild gerade des großen Athen vorgeführt“ (Wilamowitz 46). Nach Zeugnis Klödens schätzte Wolf den Roman hoch (Karl Friedrich von Klödens Jugenderinnerungen. Nach der ersten von Max Jähns besorgten Ausgabe neu bearb. von Karl Koetschau. Leipzig: Insel 1911, S. 397). 81 Hellas  Das Projekt kam zwar nicht zur Ausführung, das in Aussicht genommene Vorwort (Z. 88) ging aber in den Aufsatz Altertumsstudium auf; vgl. zu 253/7 und für weitere Details des Planes 246/36. Anlässlich der Vorbereitungen zur Herausgabe seines ,Museums der Alterthumswissenschaft‘ schrieb Wolf, er habe ebenfalls in der Zeit dieses Briefes den Plan gehabt, „ein allgemeines philologisches und archäologisches oder antiquarisches Journal herauszugeben“ (an Villers, Berlin, 25. XI. 1807; Reiter II 20). 90  ᾿Αλλὰ   Wörtlich: ,Aber das steckt in den Vorbereitungen‘. 93  2. Th. des Reizischen Herodots  Ἡροδότου Ἁλικαρνασσήος Ἱστοριῶν λόγοι ϑ΄, ἐπιγραφόμενοι Μοῦσαι. Herodoti Halicarnassei Historiarum libri IX, Musarum nominibus inscripti. Textus Wesselingianus passim refictus, argumentorum ac temporum notatio, tabulae chronographicae et geographicae additae. Accedunt volumine altero nova interpretatio latina et index rerum, volumine tertio anim­adversiones et lexicon Herodoteum. Opera Friderici Volfgangi Reizii. Vol. 1, Lipsiae, sumtu E. B. Svikerti, 1778. Der Herodot betreffende Teil des Reiz-Nachlasses sollte ursprünglich an den HerodotÜbersetzer J. Fr. Degen (Herodots Geschichte. Aus dem Griechischen übersetzt von Johann Friedrich Degen […]. Bd. 1–6, Frankfurt/M.: J. Chr. Hermann 1783/91) verkauft werden (vgl. Reiter I 90), aber Wolf hat sich dann verpflichtet, den 2. Band der Aus-

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Dezember 1792

gabe des verstorbenen Freundes „genau zu berichtigen und zum Druck vorzubereiten“ (an Bertuch, Weimar, 9. V. 1791; Reiter I 105; vgl. auch Körte I 133–139); noch vor Ende des Jahres 1791 wollte Wolf den Anfang liefern (an Schütz, Halle, 11.  VI. 1791; ebd., 109). Danach schweigen Wolfs Briefe über den Fortgang des Projekts. Reiz hat Wolf seine Manuskripte testamentarisch vermacht (Körte I 139), und so haben sich in Wolfs Nachlass – neben vielen anderen Manuskripten von Reiz – seine Vorarbeiten zu Herodot erhalten (Berlin, StB PKB, Wolfiana, VI 1–5: Scholien, Anmerkungen, Untersuchungen zur Chronologie etc.). Der 2. Bd. der Ausgabe wurde schließlich 1808 durch G.  H. Schäfer geliefert (gleichzeitig Neuausgabe der ganzen Edition Oxford 1808). 96  Mureti variae lectiones  M. Antonii Mureti Variarum Lectionum libri XVIIII. Cum observationum iuris libro singulari. Editio nova superioribus accuratior et auctior. Vol. 1, Halis Saxonum, e libraria Hemmerdeana 1791. – Der 2. und 3.Teil, durch J. U. Faesi bearbeitet, erschien erst 1828. Vgl. Wolf an Schütz, Halle, 21. II. 1792: „Worum ich Sie aber ganz vorzüglich ersuchen muß, ist um eine recht baldige Anzeige von Mureti Var. Lectt. wegen der bevorstehenden Meße. Sie allein haben sonst die Schuld, wenn der 2te Teil nicht heraus kommt.“ (Reiter I 126) Dies ist auch geschehen: vgl. ALZ Nr. 104, vom 23. IV. 1792 (Bd. 2, Sp. 152). – Über Murets Variae Lectiones (1559–1585) vgl. Sandys II 150 f.

Zu Brief 248  an Brinkman, 7. XII. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand, kleiner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben. Z. 37 (Hertzberg) wurde beim Seitenwechsel der Zeileneinzug (neuer Absatz) vergessen; Nachschrift randschriftlich und neben der Unterschrift, S. 4. D D1  Leitzmann 1900, 355 (Z. 54 f., ohne Datum). – D2  Leitzmann 1939, 45 ff.

Z. 2  Das grüne Buch  Das Manuskript von Staatswirksamkeit.   9 Göschen  Vgl. zu 238/15. 10  zweites Bruchstük  „Ueber die Sittenverbesserung durch Anstalten des Staats“; vgl. zu 231/62. Der erläuternde Untertitel des Aufsatzes lautet: „Zweites Bruchstück aus dem ungedruckten Werke“. 30  der allgemeine Grundsaz  Der den Abschnitt VIII abschließende Grundsatz lautet: „daß der Staat sich schlechterdings alles Bestrebens, […] auf die Sitten und den Charakter der Nation anders zu wirken, als insofern dieß als eine natürliche, von selbst entstehende Folge seiner übrigen […] nothwendigen Maaßregeln unvermeidlich ist, gänzlich enthalten müsse […].“ (GS I 177)

371

Zu Brief 248–249

31  auf die beiden vorhergehenden Abschn. VI (über Nationalerziehung) erschien erst im Dezemberheft der Berl. Ms. (vgl. zu 231/62), Abschn. VII (zur Religion) erst posthum (vgl. GS I 147–164). 47  am heimlichen Gericht  L. F. Hubers anonym erschienenes Drama: Das heimliche Gericht. Ein Trauerspiel. Leipzig [o. Verlag] 1790 (Mf. 7925). 52 Julie Vielmehr Juliane. Ein Lustspiel in drei Aufzügen. Von dem Verfasser des heimlichen Gerichts. Berlin: Voss 1794. 52  Scenen in der Thalia  Vgl. Schillers Thalia, H. 9 (Bd. 3, 110–142 – 1790) bzw. 12 (III 78–97 – 1791). 54  Forster in der […] Regierung in Mainz Mitglied  Nach anfänglichem Zögern war For­ ster am 5. XI. 1792 dem Jakobinerklub in Mainz beigetreten (Scheel 20). Vgl. seine Antrittsrede im Klub vom 15. XI. 1792: „Ueber das Verhältniß der Mainzer gegen die Franken“ (Forsters WW X/1, 11–38). Am 19.  XI. 1792 setzte General Custine per Dekret eine Provisorische Allgemeine Regierung ein. Im Dekret wird Forster als einer von acht Administratoren genannt (Scheel 256). Er führte auch im Januar 1793 den turnusmäßigen Vorsitz im Jakobinerklub. – Forster begründete seinen Schritt in einem französisch geschriebenen Brief an Johannes v.  Müller (Mainz, 16.  XI. 1792; Forsters WW XVII 245 ff.), den Huber in seinen Friedens-Präliminarien. Herausgegeben vom Verfasser des heimlichen Gerichts in deutscher Übersetzung veröffentlichte (Bd. 9, Berlin: Voss 1796, S. 246–250; Forsters WW XVII 653 ff.). 56  ein Ding von Forster  Erinnerungen aus dem Jahr 1790 in historischen Gemälden und Bildnissen von D. Chodowiecki, D. Berger, Cl. Kohl, J. F. Bolt und J. S. Ringck. Von Georg Forster. Berlin: Voss 1793. 57  wo er!!! mit Pitt!!! verglichen ist  Die Bezeichnung dieser Schrift Forsters als „Ding“ war nicht unberechtigt, denn ihr Gelegenheitscharakter (als Geldverdienstmöglichkeit) ist nicht zu übersehen. Forster schrieb einen laufenden Kommentar zu den darin wiedergegebenen Kupfern, zunächst von Szenen der Zeitgeschichte, dann von je zwei einander gegenübergestellten Bildnissen, deren letztes Paar in einer bewusst starken Kontrastierung Hertzbergs mit dem jüngeren Pitt besteht, ohne dass sie ausdrücklich miteinander verglichen würden. Im Begleittext über Hertzberg wird Preußen als kleines Land dargestellt, das „durch innere Consistenz, Mobilität und zweckmäßige Anwendung ihrer Kräfte dergestalt emporgestiegen [sei], daß sie mit den ersten Mächten in Europa […] in gleichem Range steht“. Hertzbergs politische Laufbahn könne man „einen wohlgerathenen praktischen Versuch nennen, aus einem kleinen Reich ein sehr mächtiges zu bilden.“ (Forsters WW VIII 346, 348) 62 Minna  M. Gilly, Gentz’ Braut. 77  Rollin, hist. ancienne  Histoire ancienne des Egyptiens, des Carthaginois, des Assyriens, des Babyloniens, des Medes et des Perses, des Macedoniens, des Grecs. Par M. Rollin […]. t.  1–13, Paris: Veuve Estienne 1730/38. – „Den Rollin habe ich als sehr junger Mensch [vgl. 2/53 – Bd. 1] sehr geliebt. Er ist ein leichtgläubiger, Alles ohne

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Dezember 1792

Kritik aufnehmender Schriftsteller, man findet aber alles nur irgend Vorkommende bei ihm, und er erzählt mit einer so naiven Treuherzigkeit.“ (Humboldt an Charlotte Diede, Tegel, 4. XII. 1830; Wilhelm von Humboldts Briefe an eine Freundin. Zum ersten Male nach den Originalen hg. von Albert Leitzmann. Bd. 2, Leipzig: Insel 1909, S. 159) 77  hist. […] Romaine  Histoire Romaine par Rollin. t.  1–6, Halle: Gebauer 1753/55 (BV – K-c/D-f). 78 Vorwort Vgl. Grimm, s. v., 3 a: Fürsprache, Empfehlung. 78  quae labantem conpulit  Abwandlung eines Verses Vergils (Aeneis IV 22 : Solus hic inflexit sensus animumque labantem impulit – Hw.: A. L.), wohl in der Bedeutung: ,Karoline, wankend geworden, veranlasst es‘.

Zu Brief 249  an Schiller, 7. XII. 1792 H

Marbach a. N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 3 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; recht deutlich beschrieben. – Bleistiftvermerk oberhalb des Textbeginns: „IV.“ D D1  Humboldt 1830, 97 ff. (ohne Z. 17–43) – D2  Goedeke 1875 – zit. zu 244/D – 89 f. (Z. 15– 41). – D3  Leitzmann 1900, 48 ff. (danach Seidel I 52 ff.). – D4 NA XXXIV/1, 203 f.

Z. 2  die Abschrift meines Manuskripts  Staatswirksamkeit.   3  Er sagt mir, daß er […] den 8. […] und den 6.  Vgl. zu 231/62.   6  einen Plaz in Ihrer Thalia  Vgl. zu 242/5. 15  zu den Vorfällen am Rhein  Die Eroberung von Mainz durch Custine und die Ausrufung der Mainzer Republik; vgl. 243/5 und zu 247/54. 20  an einer freien Konstitution  „In wenig Wochen wird Mainz sich ganz mit der umliegenden Gegend zur Frankenverfassung bekennen“ (Forster an Heyne, Mainz, 10. XI. 1792; Forsters WW XVII 237). 21  die Wiedergewinnung des Landes  Dies ist auch im Juli 1793 erfolgt; vgl. u. a. Goethe, ,Belagerung von Mainz‘; WA I/33, 305 ff. 25  die Energie Vgl. 243/8. 29  Eine gemäßigte Monarchie  Spätestens ab diesem Zeitpunkt stellte für den Rest seines Lebens diese Regierungsform Humboldts Ideal dar. 29  der Ausbildung des Einzelnen  Das für Humboldt entscheidende Kriterium für eine freiheitliche Staatsordnung: vgl. Staatswirksamkeit, II (GS I 106) und bereits 106/6 (Bd. 1). 34  daß er […] Dienste genommen hat  Vgl. zu 248/54. 36 unpolitisch  I. S. von unklug, unvorsichtig (Dr. Friedrich Erdmann Petri’s Handbuch der Fremdwörter in der deutschen Schrift- und Umgangssprache. 24. Aufl. der

373

Zu Brief 249–251

von Dr. Emanuel Samostz neu bearbeiteten und vielfältig vermehrten 13. Aufl. Leipzig: C. Grumbach o. J.; vgl. auch Grimm, s. v. politisch, 2): „staats-, weltklug, im gemeinen leben auch schlau, verschlagen, listig, pfiffig“. – „Weise! rief er, sehr weise! hat vielleicht Albert diese Anmerkung gemacht? Politisch! sehr politisch!“ (Goethe, ,Werther‘, II; WA I/19, 157) 36  Forsters […] Finanzumstände  Nach der Eroberung von Mainz wurden alle Zahlungen aus erzbischöflicher Schatulle an in der Stadt Verbliebene eingefroren (bestätigt durch einen Brief der Caroline Böhmer an Fr. L. W. Meyer, Mainz, 17. XII. 1792; Waitz 113): Forster stand ohne Einkünfte da. Vgl. seinen Brief an seinen Verleger Voss, Mainz, 1. XI. 1792: Die Universität werde insolvent und es wohl bleiben; er bittet den Freund, für ihn ein Darlehen von 1500 Talern aufzunehmen (Forsters WW XVII 228). 38  dem Kurfürsten  Friedrich Carl Joseph von und zu Erthal. 42  Vielleicht wissen Sie […] Genaueres  Zu dieser Zeit stand Huber Schiller näher als Humboldt. Zu seiner Lage in Mainz nach der Eroberung vgl. NA XXXIV/2, 349. 44  Reise nach Paris  Karoline v. Beulwitz (die hier gemeint ist) schrieb auch Schiller hierüber: „Ich gehe auch gern nach Frankreich, aber ich habe doch noch keinen Glauben an die Dauer bei dem leichten, windigen Volke.“ (Rudolstadt, 1. od. 2. XII. 1792; NA XXXIV/1, 202). – Der Reiseplan „stand vermutlich im Zusammenhang mit dem ihm [Schiller vom Nationalkonvent am 26. VIII. 1792] verliehenen französischen [Ehren-]Bürgerrecht.“ (U. Neumann, NA XXXIV/2, 345; Schiller-Chronik 157) 46  Paris wiederzusehen  Humboldt war ja noch vor der Erstürmung der Bastille mit dem einstigen Lehrer Campe nach Paris aufgebrochen, um – so das erklärte Reiseziel Campes – dem Untergang der Despotie beizuwohnen; vgl. Bd. 1, S. 8, Briefe 81–85 und Humboldts Tb. (GS XIV 103–135). 50 Kalender  Historischer Calender für Damen für das Jahr 1793 von Friedrich Schiller. Leipzig: G. J. Göschen 1792, in dem der Schluss (ab dem Schluss des 3. Buches) von Schillers „Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs“ vorabgedruckt wurde (S. 473–860). 51  Schilderung der Schlacht bei Lützen  Am Schluss des 3. Buchs; NA XVIII 266–275.

Zu Brief 250  an Brinkman, 27. XII. 1792 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 2 S. 4°, eigh., mit schmalem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen, offenbar hastig beschrieben, von geringer Deutlichkeit. Nachschrift als Randschrift auf Verso. – Z. 23 gründliche Tilgung von insges. ¾ Zeile – unleserlich. D D1 Kaehler 147 (Z. 16 f.), 446 (Anm. 5 zu S. 31: Z. 16–21, dat. 27. IX.), 448 (Anm. 4 zu S. 44: Z. 24 f.), 451 (Anm. 3 zu S. 54: Z. 23–26). – D2  Leitzmann 1939, 48 f.

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Dezember 1792 – Januar 1793

Z. 3  Wolf […] ist […] bei mir  Wolf war in den Weihnachtsferien spontan zu Humboldts gefahren. Vgl. zu 253/11.   5  mit der lezten Monatsschrift  Scil. das Dezemberheft der ,Berlinischen Monatsschrift‘, in der ein weiterer Abschnitt von Staatswirksamkeit abgedruckt war (vgl. zu 231/62).   6 Rollin Vgl. 248/77. 14 Neid  Gentz’ Kritik wird hier als Neid des einen Staatsphilosophen auf die Arbeit eines anderen ausgelegt. 26  Ob sie mich verderbt, zerstört  Offenbar Zitate aus Gentz’ Stellungnahme Brinkman gegenüber. 32  Er grüßt Sie  Als Student hatte Brinkman Wolf in Halle gehört. 32  Gedicht an Spalding  Die ,ehrende Erwähnung‘ erklärt sich aus der Tatsache, dass Wolf Spaldings Lehrer war.

Zu Brief 251  an Schiller, 14. I. 1793 H

Adr. D

Marbach a. N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 1¾ S. + Adr. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben. Z. 18 ist der Absatzbeginn (wegen Seitenwechsels) nicht eingerückt. – Über dem Textbeginn Bleistiftvermerk: „V.“ Herrn Hofrath Schiller, Wohlgeb: in Jena. D1  Humboldt 1830, 99–102. – D2  Leitzmann 1900, 50  ff. (danach Seidel I 55  f.). – D3  NA XXXIV/1, 215 f.

Z. 3 Wolf  Zu seinem Besuch vgl. zu 253/11. 10  die wahre Ursach Vgl. 259/6. 14  ganz andre Beschäftigungen  Nämlich Griechischstudien; vor allem wurde Altertumsstudium in diesen Wochen ausgearbeitet. 15  von allem Bezug auf momentane Zeitumstände  D. h. die Schrift sei rein theoretisch formuliert. 18  Abdruk in der Thalia  Vgl. zu 242/5. 19 Karoline  D. i. Karoline v. Beulwitz, die seit dem 28. XII. 1792 bei Schillers auf rund zwei Monate weilte (Gero v. Wilpert: Schiller-Chronik. Sein Leben und Schaffen. Stuttgart: A. Kröner 1958, S. 158) und in Schillers Namen Br. 249 beantwortet hatte (n. e.); vgl. auch Z. 29. 21  wie weit Sie noch drukken wollen  Schiller nahm trotz der seinerzeit angekündigten Fortsetzung (vgl. zu 242/5) keinen weiteren Abschnitt von Staatswirksamkeit in die ,Neue Thalia‘ auf. 28 mehreren  Vgl. zu 212/85.

375

Zu Brief 252  an Schiller, 18. I. 1793 H

Marbach a. N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 2¾ S. (1 Bogen) 4° + Adr., mit breitem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 8, zwischen Textende und Unterschrift 3 Leerzeilen, Nachschrift nach weiteren 2 Leerzeilen; recht deutlich beschrieben. – Bleistiftvermerk über Textbeginn: „VI.“ Adr. Herrn Hofrath Schiller. D D1  Humboldt 1830, 102–106. – D2  Leitzmann 1900, 51  ff. (danach Seidel I 56  ff.) – D3  NA XXXIV/1, 216 ff.

Z. 2  schreibt mir Karoline  Vgl. zu 251/19. Auch dieser Brief ist nicht erhalten. – Die knappe Form der Adresse lässt vermuten, dass der Brief Humboldts Antwortschreiben an Karoline v. Beulwitz beilag. 34  Das […] Manuskript […] habe ich […] verliehen  Und zwar an F. A. Wolf; vgl. 264/49.

Zu Brief 253  an Wolf, 23. I. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 13–16: 8 S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit schmalerem Rand als bisher in dieser Korrespondenz, zwischen Datum und Textbeginn ca. 8 Leerzeilen, anfangs mit hoher Deutlichkeitsstufe (und nur angedeuteter Initiale), die dann aber rapide abnimmt; Nachschrift fol. 16v eine Zeile vor der Empfehlungsformel auf der linken Blatthälfte beginnend, randschriftlicher Zusatz fol. 14r (Z. 239 f.). – Fol. 15v (Z. 160 f.) mehrere Worte von Wolf durchgestrichen, wohl um dem dort Gesagten zu widersprechen. – Fol. 14v (Z. 81) von Körte am Rande (Tinte): „40“ (statt 42). – Fol. 13r überklebte Einrisse am rechten und unteren Rand. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). Exp. 25. I. 1793 (vgl. 257/27). D D1  GW V 15–26. – D2  Mattson 1990, 27–34.

Z.  3  Brief vom 6. d. M.  Der Brief, kurz nach der Rückkunft in Halle geschrieben, wird u. a. Worte des Dankes für genossene Gastfreundschaft enthalten haben (vgl. zu Z. 11). 4 Rosla  Poststation etwa auf halbem Weg zwischen Nordhausen und Sangershausen. – „Wir sind vorigen Sonnabend [29. XII.] mit Prof. Wolf in Nordhausen gewesen. Er wollte dort seinen Vater besuchen“ (Karoline an Ernst v. Dacheröden, Auleben, 4. I. 1793; H: Berlin, AST, Smlg. Letsch, IN. L-2.1.35.). 7 opus  Altertumsstudium. Vgl. den Kommentar in StA V 372–377 sowie Menze, Heyne 38 ff., mit einem interessanten Vergleich mit Heynes „Einleitung in das Studium der Antike“.

376

Januar 1793

  9  daß ich mich schon lange damit trug Vgl. 231/38. 11  in den glüklichen Tagen, die Sie uns hier schenkten  Wolf war kurz vor Weihnachten 1792 überraschend in Auleben erschienen: „Wir hatten seit Sontag vor 8 Tagen [23. XII.] den Besuch des Prof. Wolf. Gestern hat er uns verlaßen.“ (Karoline an Ernst v. Dacheröden – wie zu Z. 4) – Wolf hat sich Spalding gegenüber offenbar begeistert über diesen Aufenthalt geäußert, denn dieser antwortete (undat.; H: wie zu 235/43): „Ihr Genuß in Auleben ist mir begreiflich; aber artig ist es genug von Humboldt, von Spalding sich vor-gräcisiren zu lassen [vgl. 240/7] und Wolf fest ἀσυμβολον zu entlassen. Aber auch Ihre Gespräche mögen wohl oft genug in Hellas gewesen seyn. Wo Muße und Eifer und Talent so sich vereinigen, wie bey Humboldt, da kann ein Mensch wie ich nicht anders als mit ahndendem Neide seinem Werk zusehen.“ 26  die Arbeit zweier Tage  Dies kann sich nur auf die Ausformulierung beziehen, denn die Vorbereitungen dazu lagen schon längere Zeit zurück; vgl. 247/88 und oben zu Z. 9. 29  habe ich ihn abgeschrieben  Die in Wolfs Nachlass befindliche Abschrift (Berlin, StB PKB, Wolfiana, XVIII 1), die Leitzmann beim Druck verglichen hat (vgl. GS I 255, Anm.), ist nicht von Humboldts Hand und besitzt keinerlei textliche Authentizität. 44  wenn ich in ein neues Fach trete  Die Biographien Humboldts und Wolfs sind gleichermaßen je eine Kette von schnell gefassten Plänen und dann meist unvollendeten Arbeiten: Humboldt verschaffte sich in der Tat sehr rasch einen Überblick über ein ,neues Fach‘, verfasste auch fallweise eine grundsätzliche Einleitung (z. B. den „Plan einer vergleichenden Anthropologie“ oder „Das achtzehnte Jahrhundert“ – GS I 377– 410 bzw. II 1–112) und unterließ dann die stoffliche Bearbeitung; vgl. auch Humboldt selbst: an Wolf, Berlin, 16.  VII. 1796 (Mattson 1990, 157). Schließlich verstand er seine – Torso gebliebene – sprachphilosophische Hauptschrift, „Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ als „Einleitung“ in die (unvollendete) Abhandlung „Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java“. 61  Wollten Sie mir […] behülflich sein  Wolfs Anmerkungen hat Leitzmann im Abdruck in GS verwertet. 68  Daß der Endzwek  Vgl. § 3 (GS I 256). 80  Was ich von Uebersezungen sage  Humboldt sieht (§  42) den wichtigsten Nutzen der Übersetzung in der Vorbereitung zur Lektüre des Originals, da sie „den Geist des Lesers gleichsam zum Geist des Schriftstellers stimmt […]. Die Erreichung dieses […] Nuzens muß allein auf die Schäzung des Originals führen, und so ist der höchste Nuzen einer Uebersezung derjenige, welcher sie selbst zerstört“ (GS I 280). Goethe vertrat – anders als Humboldt – zeitlebens die Auffassung, dass dieses Ziel nur unter Verzicht auf metrische Treue, Reim usw. zu erreichen sei: „Ich ehre den Rhythmus wie den Reim, wodurch Poesie erst zur Poesie wird, aber das eigentlich tief und gründlich Wirksame, das wahrhaft Ausbildende und Fördernde ist dasjenige was vom Dichter

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Zu Brief 253

übrig bleibt, wenn er in Prose übersetzt wird. Dann bleibt der reine vollkommene Gehalt, den uns ein blendendes Äußere oft, wenn er fehlt, vorzuspiegeln weiß, und wenn er gegenwärtig ist, verdeckt“ (,Dichtung und Wahrheit‘ III 11; WA I/28, 73); so auch in der Rez. von Simrocks Nibelungenlied (WA I/422, 474) und in folgender Maxime: „Übersetzer sind als geschäftige Kuppler anzusehen, die uns eine halbverschleierte Schöne als höchst liebenswürdig anpreisen: sie erregen eine unwiderstehliche Neigung nach dem Original“ (Maximen und Reflexionen. Hg. von Max Hecker – Schrr. d. Goethe-Ges., Bd. 21 – Weimar: Goethe-Ges. 1907, Nr. 299). Auf dieses Prinzip beruft sich Schadewaldt anlässlich seiner Prosaübersetzung der Odyssee (Schadewaldt, Odyssee 321; vgl. auch S. 323 ff.). 88  in der Vorrede zum Menexenus  Humboldts Übersetzung dieses heute in seiner Echtheit ,hart umstrittenen‘ Platonischen Dialogs (Walther Kraus in KlPauly) ist, falls überhaupt je ausgeführt, nicht erhalten; vgl. Z.  128  f. Im Zusammenhang mit diesem Vorhaben hatte er sich offenbar Köppens Kommentar besorgt: Platons Menexenus im Grundriß, nebst Untersuchungen über den Zweck und die Zeit des Dialogs, erklärenden und kritischen Anmerkungen von J. H. Just. Köppen. Berlin: Nicolai 1790 (BV –A-b/c). 91  Scaliger Suppl. 886.  Diese Emendation war nicht zu ermitteln. 92  Choeph. 938. von Matthiae Vgl. Avg. Matthiae Observationes criticae in tragicos, Homervm, Apollonivm, Pindarvm &c. Goettingae, apud Vandenhoeck et Rvprecht 1789, p. 4 f.: er will πυϑόχρηστος (bei ihm und Schütz – zit. zu 235/65, 2III – steht die überlieferte Lesart πυϑοχρήστας) nicht mit φυγὰς verbinden, sondern konstruiert: „ὁ Πυϑοχρήσας est ipse Apollo, is, qui Delphis vaticinatur, […]. Junge: ὁ Πυϑοχρήσας ἔλακε φυγὰς […] Apollo vaticinatus est (i. e. oraculo imperavit) fugam (i. e. abitum); Orestem abire jussit.“ 93  Valkenaerische Choeph. 530. In Lvd. Casp. Valckenari Diatribe in Euripidis perditorvm dramatvm reliqvias. Lvgdvni Batavorvm, apvd Ioann. Lvzac, & Ioann. Le Mair 1767, p. 286, schlägt Valckenaer die Lesung οὖϑαρ ἦν statt der bis dahin gültigen Lesung οὑκ ἀρ᾿ ἦν (aus der verderbten Lesung der handschriftlichen Überlieferung οὖχαρην) vor. Die Emendation, die auch bei de Pauw (zit. zu 247/33) steht, gilt noch heute (v. 532). 101 Larcher  Histoire d’Hérodote, traduite du grec. Avec des Remarques Historiques & Critiques, un Essai sur la Chronologie d’Hérodote, & une Table Géographique, par M. Larcher. Vol. 1–7, Paris: Musier bzw. Nyons 1786. 104  die vulg[ata]  D. i. ,die bisher tradierte, gängige Lesung‘. 105  eine Anzahl mir dunkler Stellen  Diese kleine Liste solcher Stellen hat sich in Wolfs Nachlass gefunden (vgl. zu Z. 29: VI 9); vgl. Z. 138. Sie ist im Anhang zu Mattson 1990 abgedruckt (Nr. 3; S. 358 f.). 115 Portus  Aemilius Portus: Λεξικόν ἰωνικόν ἑλληνοῤῥωμαικόν, hoc est, Dictionarivm ionicvm graecolatinvm, qvod indicem in omnes Herodoti libros continet, cum

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Januar 1793

verborum & locutionum in bis obseruatu dignarum accurata descriptione, quae varias ionicae linguae proprietates, regulasque diligentissime notatus, & Herodoteis exemplis illustratas demonstrat […]. A M. Aemylio Porto, Francisci Porti Cretensis f. […] nunc primum in lucem emissum. Francofvrti, ex officina Paltheniana, sumtibus heredum Petri Fischeri 1603. – Humboldt benutzte wahrscheinlich die Neuausgabe Oxonii: J. Parker/London: J. Mawman 1715; das BV nennt die Ausgabe Oxonii 1818 (S-a/c/d). 117  ihn mit meiner Frau zu lesen  Über Karolines Griechisch-Studien vgl. zu 240/37. 124  in Ihrer Vorrede ad Odysseam  „Iuvabit potius e pluribus unam in praesenti causam posuisse, cur iis qui magistro e cathedra interpretante in legendo aliquo scriptore utantur, nuda textus descriptione melius consuli putem, quam his editionibus, quae commentarios adiectos habent. […]. Primum hoc labore praevio dici vix potest quantum cupidi adolescentis ingenium excitetur, studium alatur, iudicandi denique vis acuatur et maturetur“ (Homeri Odyssea cum Batrachomyomachia, Hymnis ceterisque poematiis Homero vulgo tributis, etiam nuper reperto Hymno in Cererem ad exemplar maxime Glasguense in usum scholarum diligentissime expressa. Pars 1–2, Halae Saxon., in Orphanotropheo 1784; zit. nach Wolf, Kl. Schrr. I 171). 128  Rede des Thucydides  Gemeint ist der sog. Epitaphios, Perikles’ Rede auf die ersten Gefallenen des Peloponnesischen Krieges (II 35–47), in der das Idealbild der athenischen Staatsgesinnung gezeichnet wird. Der Übersetzungsplan ist nicht verwirklicht worden (vgl. auch die Einleitung, S. 5). 130  kaufe ich mir den Larcher  In den BV ist das Werk nicht verzeichnet. 155  Her. I. 120. l. 7  Heute (I 120, 2): „῎Εστι τε (Herodoti Historiae. Recognovit, breviqve adnotatione critica instrvxit Carolus Hude […]. Ed. tertia, t. 1–2, Oxonii, e typographeo Clarendoniano 1954/55). 161 Köppen J. H. J. Köppen: Erklärende Anmerkungen zum Homer. Bd. 1–5, Hannover: Schmidt (ab Bd. 3: Ritscher) 1787/92 (BV – A-a; D-d/f: Bd. 2–5; 21794–1804, bearb. von K. F. Heinrich; Bd. 6 – zu beiden Aufll. – von J. Chr. H. Krause 1810). – Alexander von Humboldt nennt Köppens Anmerkungen „nichts als ein gestohlenes Heft von Heyne“ (an J. G. Wegener, Göttingen, 16./17. VIII. 1789; Jugendbriefe 68; vgl. auch Menze, Heyne 12 f.). 164  v. 119 […] wohl πέρι κῆρι So Wolf 1794; heute: περὶ (Monro/Allen). 165  Il. XIII. 237. […] ἀρετὴ ergänzt  συμφερτὴ δ᾿ἀρετὴ πέλει ἀνδρῶν καὶ μάλα λυγρῶν (Monro/Allen); „Vereint entsteht Tüchtigkeit auch bei sehr schwachen Männern“ (Schadewaldt). 165 Köppen  II 53. 167  Il. XIII. 585 […] απὸ νευρῃφιν  So in Wolfs 1. Ilias-Ausgabe (Wolf 1785), später korrigiert: νευρῆφιν (so auch Monro/Allen). 171  Köppen […] erklärt es  „der Herr, der Beschüzzer des Landes“ (Köppen IV 14, zu Il. XIII 43). Πολισσοῦχος (πολιοῦχος): ,eine Stadt innehabend‘ (von einer Schutzgottheit gesagt). – Die von Köppen (IV 15) angeführte Sophokles-Stelle: Oed. tyr. 140.

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Zu Brief 253–254

173  vom Jupiter im Aeschylus  Supplices 816. 175  Schneiders Versuch über Pindar  Versuch über Pindars Leben und Schriften, von Johann Gottlob Schneider. Strasburg: J. Fr. Stein 1774 (BV – A-b/c). 183 Dionysius  D. i. Dionysius aus Halikarnassos. 184  „ich habe […]  Schneider, Pindar 27. 185 Aristoph.  Aristophanes von Byzanz; über dessen Verdienste um Pindar vgl. Pfeiffer I 214 ff. 193  mit dem […] Bette des Procrustes vergleicht  Schneider, Pindar 28. 202 Cola  Als Begriff der Metrik muss das Kolon im Zusammenhang mit dem Begriff Metrum gesehen und davon unterschieden werden. Dabei kann jedes größere metrische Gebilde (etwa ein Halbvers oder Vers) zunächst als Kolon angesehen werden. Lässt sich das ,Kolon‘ in regelmäßig wiederkehrende kleinere Gebilde (Metra) aufteilen, so erhält es den Namen Hexameter, Trimeter usw. „The name cola is applied also to those groups of metra in lyric which as a whole respond internally with other similar wholes“ (Maas §  52). Zur Bedeutung der Kola für den pindarischen Strophenbau vgl. Pfeiffer I 231 f. – Die Schwierigkeit, dieses metrische Phänomen zu definieren, spiegelt sich in den einschlägigen Lexika wider; vgl. dieses Stichwort bei Sn[ell] in Lexikon der alten Welt (hg. von Carl Andresen u. a.). Zürich/Stuttgart: Artemis 1965: „ein vager Terminus für ein metrisches Gebilde, das größer ist als ein Metron, aber kleiner als eine Periode“; bei Robert Paul Getty in: Alex Preminger [u. a.] (eds.): Encyclopedia of Poetry and Poetics. Princeton: Princeton U. Press 1965: „colometry […] is not always easy to decide“; bei Rainer Kössling in: Lexikon der Antike (hg. von Johannes Irmscher i. Zus.arb. mit Renate Johne). Wiesbaden: Fourier 1977: „strittiger Begriff der Metrik“. 207  die Vossische Uebers. d. 1. Pyth.  J. H. Voß: „Pindaros erster püthischer Chor; nebst einem Briefe an Herrn Hofrath Heyne“, in: Dt. Mus., Jan. 1777, 78–93 (wied. abgedr. in: Abraham Voß [Hg.]: Anmerkungen und Randglossen zu Griechen und Römern von J. H. Voß. Leipzig: I. Müller 1838, 82–94). 232 Menon  Das Projekt einer Ausgabe dieses platonischen Dialogs wurde wohl nicht realisiert, ja in dieser Zeit nicht einmal ausdrücklich erwähnt; vgl. aber zu 240/3.

Zu Brief 254  an Wolf, 24. I. 1793 H (alt) Berlin, AST h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 489: Abschr. von Leitzmanns Hand, ¾ S. gr.-4°, eng beschrieben (lat. Schrift); Vermerk oben rechts: „aus Tegel!“ Exp. 25. I. 1793 (vgl. 257/27). D Mattson 1990, 34 f.

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Januar 1793

Datierung: Der Z. 2 gemeinte Brief ist gewiss Br. 252; erhärtend kommen die Überlegungen über den schnellsten Postweg hinzu (vgl. auch 257/22). Die Orthographie, der erwähnte Besuch „im vergangenen Sommer“ (Z. 9), die Anspielung auf das noch entfernte Osterfest (Z. 19) und die Tatsache, dass die Tochter Karoline noch keinen Zahn hat (Z. 23; vgl. auch 260/6 und 264/63), stützen den Datierungsansatz, der schon in h steht. Z. 15 Herodot  Vgl. zu 247/93. 16  den Verwittweten Spalding  Anspielung auf Spaldings Heirat mit einer Witwe, die in späteren Briefen manchmal spöttisch ,die Wittib‘ genannt wird. Schleiermacher nennt sie hingegen ,eine herrliche Frau‘ (an Henriette v. Willich, Berlin, 28. II. 1809; Heinrich Meisner (Hg.): Friedrich Schleiermachers Briefwechsel mit seiner Braut. Gotha: Fr. A. Perthes 1919, S.  354). – Welche Schrift Spaldings gemeint ist, die dieser offenbar nicht unmittelbar an Wolf geschickt hatte, ist nicht eindeutig zu erkennen. Vgl. allenfalls zu 291/31. 19 pascha  Damit ist wohl das jüdische Osterfest Pássa gemeint, das in den Fremdwörterlexika der Zeit die Nebenform Páscha führt (J. H. Campe: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Bd. 1–2, Braunschweig: Schulbuchhdlg. 1801; E. F. Chr. Oertel: Gemeinnüziges Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der im gemeinen Leben vorkommenden fremden Ausdrükke. Bd. 1–2, 2., verb. Ausg., Ansbach: Gassertische Buchhdlg. 1806). – Offenbar hatte Wolf nicht vor, eine Erholungspause zu Ostern einzulegen. 22  σκεπάστρῳ   Wohl: ,Karoline schreibt, eingehüllt in die ihr von Wolf – vgl. 253/217 – geschenkte Decke (τὸ σκέπαστρον), und dankt‘. 26 Wood  Robert Wood: Versuch über das Originalgenie des Homers. Aus dem Englischen [von J. D. Michaelis]. Frankfurt/M.: Andreä 1773, mit Vorrede von Heyne. Das Werk war 1769 in England als Privatdruck erschienen und Michaelis geschickt worden; erst nach der deutschen Ausgabe kam es im Original in den Handel: An Essay on the Original Genius and Writings of Homer, with a Comparative View of the Ancient and Present State of the Troade. London: T. Payne, P. Elmsly 1775. – „Mit dem Homer in der Hand hat […] Wood die Landstriche der Ilias durchwandert, um später die Beobachtungen seiner Reise und seine Auffassung von Homer […] niederzulegen […]. Es bedurfte des Enthusiasmus als des zündenden Funkens, um die Begeisterung für die Wissenschaft vom Altertum neuerdings zu entflammen. Die Wirkung […] war ganz unmittelbar und sehr weitreichend“ (Max Wegner: Altertumskunde, Freiburg/ München: K. Alber 1971 [= Orbis academicus, I/2], S. 104). „Statt ,Vernunft‘ [wie bei Bentley] lautete jetzt der anfeuernde Ruf ,Natur‘“ (ebd., 103); jetzt schien Homer „die Gesetze seines Schaffens in sich selbst zu tragen“ (Lesky 29). Das Buch dieses Altersgenossen Winckelmanns wirkte auf Goethe, in dessen ein Jahr später erschienenem ,Werther‘ es auch erwähnt wird (WA I/19, 13), wie eine Offenbarung (vgl. Goethes

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Zu Brief 254–256

Werke, hg. von Erich Trunz, Bd. 6. Hamburg: Chr. Wegner 1951, S. 12). In ,Dichtung und Wahrheit‘ resümiert er über die Wetzlarer Zeit: „Was mehrere Reisende zu Aufklärung der heiligen Schriften gethan, leisteten andere für den Homer. Durch [Pierre Augustin] Guys [dessen Voyage littéraire de la Grèce (3me éd. Paris: Veuve Duchesne 1783) er gelesen hatte] ward man eingeleitet, Wood gab der Sache den Schwung. […]. Wir sahen nun nicht mehr in jenen Gedichten ein angespanntes und aufgedunsenes Heldenwesen, sondern die abgespiegelte Wahrheit einer uralten Gegenwart“ (WA I/28, 145); die Stelle schließt sich eng an Heynes Rezension des Privatdrucks an (Göttinger Anzeigen von gelehrten Sachen, 32. St., 15. III. 1770; Bd. 1, S. 257–270), die weitgehend in dessen Vorrede zur deutschen Ausgabe übernommen wurde. (Die Rezension in den Frankfurter gelehrten Anzeigen – wied. abgedr. in WA I/37, 202 ff. – ist wohl nicht von Goethe.) Vgl. noch Pfeiffer II 200 f.; Fuhrmann 214 ff.; Menze, Heyne 68, Anm. 9. 27 Aeschylus  Vgl. zu 247/33.

Zu Brief 255  an Brinkman, 25. I. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: ½ S. 8°, eigh., mit normalem Rand, kleiner Initiale; offenbar hastig beschrieben, von geringer Deutlichkeit. D D1  Spranger 1909, 52 (Reg.). – D2  Leitzmann 1939, 49.

Z. 2  Gentz Buch  Zit. zu 245/62.

Zu Brief 256  an Brinkman, 27. I. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 3¾ S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand, kleiner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen, in denen die Nachschrift im rechten Drittel steht, auf 3 Zeilen verteilt; anfangs recht deutlich, gegen Schluss zunehmend undeutlich beschrieben. – Z.  60 sind die ersten beiden Worte von Brinkman unterstrichen, dazu die Marginalie: „nB.“; außerdem Z. 80 der Satz „Es ist völlig gewiß“ von Brinkman unterstrichen. D D1  Spranger 1909, 52 (Reg.). – D2  Kaehler 148 (Z. 15 f., 28 ff., 49–52). – D3  Leitzmann 1939, 49–52.

Z. 7  Gentz […] Buche  Zit. zu 245/62. 8  meine Vorurtheile Vgl. 245/40.

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Januar 1793

39  die lezten Abhandlungen  Gentz fügt Burkes Schrift vier Abhandlungen hinzu, u. a. „Ueber politische Freyheit […]“ (II 113–143); „Ueber die Moralität in den Staatsrevolutionen“ (144–174); „Ueber die Nationalerziehung in Frankreich“ (301–310). 40  die Stelle über Krieg und stehende Armeen  In der Verleihung der Bürgerrechte an die Soldaten durch Beschluss des Nationalkonvents sah Burke vor allem die zur militärischen Disziplin erforderlichen Subordination gefährdet. Im übrigen sei in einem Staatswesen, das alle überkommenen Institutionen auflöse ein starkes Militär unerlässlich: „In einer solchen Verfassung, wie die neue französische ist, kömmt auf die Armee alles an. […]. Nur durch eine Armee können sie [in unruhigen Zeiten] regieren, und doch haben sie [die Gesetzgeber] […] [der Armee] Grundsätze und Ideen eingeflößt, die allem Regieren über kurz oder lang ein Ende machen müssen.“ (II 68 f.) 46  Der Stil […] verräth […] den Schüler […] Kants  Vgl. z. B. die in der zu Z. 39 zitierten Abh. Ueber die politische Freyheit erörterten Grundsätze: „1. Politische Freyheit ist kein absolutes, sondern ein relatives Gut“; „2. Politische Freyheit kan nicht in jeder Staatsverfassung dieselbe seyn“ (II 119 bzw. 125). Vgl. auch die fünf Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Revolution in der Abh. ,Über die Moralität usw.‘ (II 173). – Gentz hatte in Königsberg studiert und war eifriger Hörer Kants (vgl. Wittichen I 138–141). Er war später sogar Mitkorrektor bei der Erstausgabe von KU: Critik der Urtheilskraft von Immanuel Kant. Berlin/Libau: Lagarde u. Friederich 1790 (BV – Ab/c); vgl. Wittichen I 156. 53 die Einzige  Wohl im Sinne von einzigartig, denn es existierte bereits mindestens eine Übersetzung der Burkeschen Schrift: Bemerkungen über die französische Revoluzion und das Betragen einiger Gesellschaften in London bey diesen Ereignissen. Von Edmund Burke. Aus dem Englischen nach der vierten Ausgabe übersezt. Wien: J. Stahel 1791. 57  wie ich […] sagte Vgl. 255/4. 63 Wolf Vgl. 253/11 u. ö. 65  als Sie mich nach Potsdamm begleiteten  Diese Fahrt muss während des kurzen Aufenthalts in Berlin im Juli d. J. stattgefunden haben. 69  in seiner […] Encyklopädie  Diese Schrift, die Zusammenfassung einer seiner Vorlesungen, erschien erst 1807 unter dem Titel „Darstellung der Altherthums-Wissenschaft“ in dem gemeinsam mit Buttmann herausgegebenen Museum der AlterthumsWissenschaft (I 1–145); vgl. ausführlicher hierüber zu 282/11. 82  Alexander ist jezt bei Ihnen  Alexander war Mitte Januar aus Schlesien nach Berlin zurückgekehrt (A.-v.-Humboldt-Chronologie 19). 85  Ihre Königsmörder Vgl. 246/63. 91  das Hebräische Lexicon Vgl. 241/61.

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Zu Brief 257  an Wolf, 6. II. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 17–20: 6½ S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 5, zwischen Textende und Unterschrift weitere 5 Leerzeilen; hohe Deutlichkeitsstufe am Beginn, Schrift recht klein, mit spitzer Feder, im weiteren Verlauf zunehmend undeutlich; randschriftliche Zusätze fol. 19r + v, im Text durch [(]Text[)] gekennzeichnet; Nachschrift (4 Halbzeilen) links von der Unterschrift stehend. – Zwei Marginalien Wolfs fol. 18r; fol. 18v wohl von ihm ein senkrechter Strich am Rande mit Fragezeichen (vgl. zu Z. 67, 105). h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 26–35. – D2  Mattson 1990, 35–41.

Z. 1  [6.] Februar  Korrigiert aus „8. Februar“ (H), möglicherweise durch Wolf, denn der Graph „6“ ist für Humboldt nicht typisch, und er datierte seine Briefe in der Regel gemäß dem damaligen Brauch mit dem intendierten Absendetag (vgl. Z.  23). Vielleicht hat Wolf das tatsächliche Datum notiert wegen der am Beginn des Briefes geschilderten Undurchsichtigkeit der Postzustellung und der vorgeschlagenen Maßnahmen, hierüber Klarheit zu bekommen. Das korrigierte Datum wird hier beibehalten, weil es dem Datum des Schreibens nun einmal entspricht. 18 Wood  Vgl. zu 254/26. 36 Schütz  Vgl. zu 235/65. 38  in dem Schützischen Kommentar  Christiani Godofr. Schütz in Aeschyli Tragoedias qvae svpersvnt ac deperditarvm fragmenta commentarivs. Vol. 1–3, Halae: I. I. Gebauer 1782–1797 (BV – D-f). 46 Chevalier  Beschreibung der Ebene von Troja, mit einer auf der Stelle aufgenommenen Charte. Der Kön. Societät zu Edinburg im Febr. und März 1791 vorgelegt von ihrem Mitgliede, Herrn Lechevalier […]. Mit Anmerkungen und Erläuterungen von Herrn Andreas Dalzel […]. Aus dem Englischen übersetzt und mit Vorrede, Anmerkungen und Zusätzen des Herrn Hofrath Heyne begleitet. Leipzig: Weidmann 1792 (BV – A-b/c). – Zuerst: Description of the Plain of Troy; with a map of that region, delineated from an actual survey. Read in French before the Royal society of Edinburgh, Feb. 21 and 28. and March 21. 1791. By the author M. Chevalier […]. Tr. from the original not yet published and […] accompanied with notes and illustrations, by Andrew Dalzel […]. Edinburgh: T. Cadell 1791. – Französisch erschien das Werk erst 1799: Voyage dans la Troade, ou Tableau de la plaine de Troie dans son état actuel, par le citoyen Lechevalier. Paris: Larau an VII. 51 Heyniana  Vgl. Lechevalier 268 f., Anm. 1. 54  ἐπειδὴ […] (δῆλον δε· τὸ […] ἐτειχίσαντο) […] γεωργίαν τῆς Χερσονήσο­υ τραπόμενοι […] (Thucydidis Historiae. Recognovit, breviqve adnotatione critica in­ struxit Henricus Stuart Jones. Apparatum criticum correxit et auxit Johannes Enoch Powell. t. 1–2, Oxonii, e typographeo Clarendoniano 1948/49; „Und als sie nach der

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Februar 1793

Ankunft eine Schlacht gewannen – das ist ganz deutlich, denn sonst hätten sie das Lager nicht befestigen können –, haben sie auch dann offenbar nicht die ganze Macht für die Kämpfe verwendet, sondern haben […] Ackerbau getrieben […].“ (Thukydides: Der peloponnesische Krieg. Vollständige Ausgabe. Übertragungen von August Horneffer, durchgesehen von Gisela Strasburger, eingeleitet von Hermann Strasburger. Bremen: C. Schünemann 1957, S. 11). Zum Verständnis der Stelle vgl. Thukydides, erklärt von J[ohann] Classen. 4. Aufl. bearb. von J. Steup, Bd. 1. Berlin: Weidmann 1897, S. 34 f. und A. W. Gomme: A Historical Commentary on Thucydides. Vol. 1, Oxford: Clarendon 1945, p. 114 ff. 56 Heilmann  Thucydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges aus dem griechischen übersetzt und mit kritischen Anmerkungen erläutert von Johan David Heilman . Th. 1–2, Lemgo/Leipzig: B. D. Breitkopf 1760 (21808). Seine Anmerkungen wurden in die hier wohl gemeinte griechische Ausgabe übernommen: Thucydidis de bello Peloponnesio libri octo, graece et latine ad Editionem Ios. Wasse et C. Andr. Dukeri accurate expressi, cum varietate lectionis et adnotationibus. Vol. 1–6, Biponti: Soc. typogr. 1788/89 (BV – K-a/D-f). 67  die Griechen […]  Zu dieser Passage steht in H eine kaum zu deutende Marginalie Wolfs, z. T. überklebt: „[P]role- / hilag?“ 79  Lasse ich also οὖκ  Diese Zeilen von Wolf angestrichen, dazu Vermerk: „M.“ (H). 81  der Scholiast Vgl. Scholia in Thucydidem ad optimos codices collata edidit Carolus Hude (Lipsiae, in aedibus B. G. Teubneri 1927), p. 15, wo die Pariser (Suppl. Gr. 255), Vatikanische (126) und Londoner (mus. Brit. 11.727) Handschriften als Quellen angegeben sind. 82  Acamas und Antimachos  ὧν ἡγεῖτο ᾿Ακάμας καὶ ᾿Αντίμαχος (Hude, Scholia 15, zum Lemma πρὸς γεωργίαν). 84 Köppen  Vgl. zu 253/161. 87  τὰς γὰρ πρώτας […]  „Denn als die vordersten hatten sie sie zur Ebene hin [/] Heraufgezogen, die Mauer aber an den hintersten errichtet.“ (Schadewaldt) 99  μεσηγὺ [/] Νηῶν […]  „[…] inmitten [/] Zwischen den Schiffen und dem Fluß und der hohen Mauer“ (Schadewaldt). 105  Auf der […] Flucht […]  Zu dieser Passage Fragezeichen Wolfs am Rande (H). 110  ξ.  Die Bezeichnung der 24 Gesänge der Ilias bzw. der Odyssee mit den 24 Buchstaben des griechischen Alphabets, die an sich sonst ganz andere Zahlwerte haben (ξ' bedeutet z. B. 60), geht vielleicht auf Zenodotos zurück (vgl. Pfeiffer I 147 ff.); hier ist also Ilias XIV 249–262 gemeint. 111  meiner Quelle für Ihre Edition  D. h.: ,bei Köppen kann ich feststellen, welche Lesart in Ihrer Edition (Wolf 1785) steht, die ich nicht besitze.‘ 112 vulgata  Scil. ,für die gängige Lesung (lectio vulgata)‘. 114  aptius und concinnius  ,Zutreffender und passender‘; vgl. Cicero, De orat. III 203. 116  ἐφετμῇ Heute ἐφετμή (vgl. Z. 121); Lesung Zenodots wie H.

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Zu Brief 257–258

122 Scholiast Vgl. Scholia Graeca in Homeri Iliadem (Scholia vetera), recensvit Hartmvt Erbse. Vol. 3, Berolini, apvd Walter de Grvyter et socios 1974, p. 621. 124  ποτὶ ἕσπερα Od. XVII 190 f.: ,gegen Abend‘; dies ist tatsächlich der einzige Beleg dieser Wendung bei Homer. 126  Schirminschrift […] im Homer  D. h., Humboldt habe angenommen, es gäbe die Schirminschrift bei Homer gar nicht. Die Bedeutung dieser Stelle ist unklar, hängt aber möglicherweise mit 254/22 zusammen, da Schirm i. S. v. Schutz, Bedeckung ἡ σκέπη bzw. τὸ σκέπασμα heißt. 127  Od. XVIII. 277 […] ἀνάγουσι […]  Recte v. 278: ἀπάγουσι (Monro/Allen). 132 Il. ο. v. 459. 460. […] μάχην  μάχης (Wolf 1804; Monro/Allen); vgl. 270/105. – Diese Lesung war allerdings schon bei den Alexandrinern umstritten und ist es bis heute geblieben. Vgl. Anhang zu Homers Ilias. Schulausgabe von K. E Ameis, H. 5, 2., ber. Aufl. bearb. von C. Hentze, Leipzig: B. G. Teubner 1897, S. 137: „Die Lesart der besten Handschriften ist μάχης, nur D hat μάχην, μάχης wird von Didymus als Lesart Zenodots angegeben, μάχην als die des Aristophanes [von Byzanz]“. Vgl. auch The Iliad, edited, with apparatus criticus, prolegomena, notes, and appendices by Walter Leaf. 2nd ed., vol. 2, London: Macmillan 1902, p. 134. (U. P.) 148 Didymus  Vgl. Erbse IV 184. 151 Il. π. v. 667. 668. […] Köppen  Köppen konstruiert: κάϑηρον Σαρπηδόνα αἷμα ἐκ βελέων (IV 315 – ohne diakritische Zeichen). Vgl. Monro/Allen: εἰ δ᾿ἄγε νῦν, φίλε Φοῖβε, κελαινεφὲς αἷμα κάϑηρον [/] ἐλϑὼν ἐκ βελέων Σαρπηδόνα, καί μιν ἔπειτα […]; „Auf jetzt, lieber Phoibos! reinige von dem schwarzwolkigen Blut, [/] Aus den Geschossen gehend, den Sarpedon […]“ (Schadewaldt). 152 678.  Möglicherweise verschrieben für 668, wie die Korrektur in der vorigen Zeile (668 aus 678 – H) vermuten lässt. 163  Köppens Erklärung Köppen IV 228 f., 285. 167  meinem lezten Brief zufolge Vgl. 253/106. 170  den Aufsaz  Altertumsstudium. 174 Nitocris  Das Abdämmen des Euphrats als Schutzmaßnahme vor den drohenden Medern durch die babylonische Königin Nitocris beschreibt Herodot: I 185–187. 176  Ihre Ausgabe  Vgl. zu 247/93. 181  der 3 lezten Stükke  Vgl. zu 247/34. 184  Burkes Betrachtungen  Vgl. Gentz’ Bearbeitung von Burkes ,Betrachtungen‘ (zit. zu 245/62). 187  der Jungfrau  Dies ist dunkel. Vielleicht war Wolfs Frau im Sternzeichen Virgo geboren. 188  Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. war seit dem 11. XII. 1792 auf Grund seiner misslungenen Flucht vom Juni 1791 der Prozess wegen Landesverrats vor dem Natio­ nalkonvent gemacht worden; die Abstimmung am 15. I. 1793 befand ihn mit großer

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Februar 1793

Mehrheit für schuldig, jene vom nächsten Tag sprach sich mit einer Stimme Mehrheit (bei 721 abgegebenen Stimmen) für die Todesstrafe aus; am 21. I. 1793 wurde er guillo­tiniert. – „So ist denn der König von Frankreich todt! – Wir empfiengen gestern Nachmittag diese Nachricht“ (Karoline an Ernst v. Dacheröden, Auleben, 3. II. 1793; H: Berlin, AST, Smlg. Letsch, IN. L-2.1.39). 201  Voss Homer  Gemeint ist Voss’ Übersetzung der Ilias, die zusammen mit der 1781 erschienenen Odyssee-Übersetzung zur Gesamtausgabe vereinigt wurde: Homers Werke von Johann Heinrich Voss. Bd. 1–4, Altona: J. F. Hammerich 1793 (BV – K-c).

Zu Brief 258  an Hemmerde & Schwetschke, 7. II. 1793 H

D

Tübingen, Prof. Dr. Andreas Flitner: 1 S. kl.-fol., eigh., mit breitem Rand, großer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 9, zwischen Textende und Empfehlungsformel 2, zwischen dieser und Briefschluss weitere 4 Leerzeilen (Unterschrift am unteren Rand); mit spitzer Feder recht deutlich geschriebene Reinschrift. – Unterhalb der Empfehlungsformel (Z. 15) Einfügung des 2. gewünschten Titels Z. 6, der, durch ein entsprechendes Zeichen am Ende von Z. 5 angegeben, bei der Reinschrift übersehen wurde. – Ohne Nennung des Adressaten. Auf dem Verso dessen Vermerk: „v Humbold in Auleben d. 7 Febr. 1793 d. 18 dato“. Die genannten Titel sind mit Schrägstrich durchgestrichen (= Erledigungsvermerk). Fa. J. A. Stargardt, Kat. 535 (Marburg 1958), Nr. 100 bzw. Kat. 624 (ebd. 1981), Nr. 385 (Reg. bzw. Z. 4–7, jeweils ohne Empf.).

Empfänger: Beide hier bestellte Titel stammen aus dem Verlag J.  J. Gebauer in Halle, dessen Verlagsprodukte durch die dortige Buchhandlung Hemmerde und Schwetschke vertrieben wurden, zu der enge familiäre Beziehungen bestanden, denn zwei Töchter Gebauers wurden hintereinander die Gemahlinnen K. A. Schwetschkes (vgl. Erich Neuß: Gebauer-Schwetschke. Geschichte eines deutschen Druck- und Verlagshauses. 1733–1933. Halle: Gebauer-Schwetschke [1933], S. 94 ff.). Außerdem wendet sich Humboldt in dieser Zeit bei Buchwünschen immer wieder an [Buchhandlung] ,Hemmerde‘ (vgl. Personenregister). Z.  4  Potters Archäologie  Johann Potters Griechische Archäologie, oder Alterthümer Griechenlandes. Aus dem Engländischen übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrt von Johann Jacob Rambach […]. Th. 1–3, Halle: J. J. Gebauer 1775–1778 (BV – K-c/D-f). 6  Schlözers Allg. Weltgeschichte  Gemeint ist dessen ‚Allgemeine Nordische Geschichte‘, die im Band enthalten ist: Fortsetzung der Algemeinen Welthistorie durch eine Geselschaft von Gelehrten in Teutschland und Engeland ausgefertiget. Ein und dreyßigster Theil. Verfasset von August Ludwig Schlözer. Halle: J. J. Gebauer 1771, S. 209–708

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Zu Brief 258–261

(Historie der neuern Zeiten XIII. Theil). Humboldt hatte in Göttingen die Vorlesung gehört, die auf dieser Schrift basierte (GS VI/1, 135 f.). 8 Bayle  Da hier von einer Subskription die Rede ist, muss der gemeinte Titel entweder eine Neuerscheinung oder eine erst angekündigte, geplante Publikation sein. Hierzu kommt nur folgender Titel in Frage, der zwar nicht bei Hemmerde & Schwetschke, aber immerhin in Halle erschien: Peter Baylens Philosophisches Wörterbuch oder Die Philosophischen Artikel avs Baylens historisch-kritischem Wörterbuche in deutscher Sprache abgekürzt und herausgegeben zur Beförderung des Studiums der Geschichte der Philosophie vnd des menschlichen Geistes. von Ludwig Heinrich Jakob, […]. Bd. 1–2, Halle/Leipzig: J. G. Ruff 1797. (Der Titel fehlt in den BV.)

Zu Brief 259  an Brinkman, 8. II. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 5½ S. (1 Bogen + 1 Bl.) 4°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen; mitteldeutlich, zum Schluss hin fahrig beschrieben. D D1  Leitzmann 1900, 356 (Z. 6–11). – D2  Spranger 1909, 52, 250 (Anm. 2): Z. 42 ff., 79 ff. + Reg. – D3  Kaehler 49, 147, 149, 446 (Anm. 5 zu S. 31), 451 (Anm. 3 zu S. 54); 487 (Anm. 1 zu S. 148): Z. 25 f., 28–35, 40 f., 46 ff., 79–82, 84 f. + Reg.– D4  Leitzmann 1939, 53–57.

Z. 2  das grüne Buch  Das Ms. zu Staatswirksamkeit.   6  schrieb mir Schiller Vgl. 251/5, 252/2.   6  mit Wielands neuer Ausgabe  C. M. Wielands Sämmtliche Werke. Bd. 1–25, Leipzig: G. J. Göschen 1794/96 (BV – A-b/c). – Es war dies die erste Gesamtausgabe Wielands überhaupt. 20  si magna   Humboldt dreht Vergils Wortlaut (Georgica IV 176: si parva licet componere magnis – Hw.: A. L.) bewusst um, da der ,kleine‘ Biester der Aufzählung hinzugefügt wird. 59  vorzüglich in der Thalia  Vgl. zu 242/5. 66  von Bibliothecaren des Lenthischen Clubbs  Möglicherweise liegt hier wieder eine der zahlreichen undeutbaren Anspielungen dieser Korrespondenz vor. (Archivanfragen zum Thema ,Lenthischer Klub‘ haben jedenfalls nichts ergeben.) Gemeint ist: Humboldt will den Erfolg des Buches nicht am Anschaffungseifer kleiner Lesezirkel messen müssen. 90  die Dedication  An König Friedrich Wilhelm II., wobei übertrieben schmeichelhafte Formulierungen nicht fehlen (zit. Leitzmann 1939, 203), die die besagte Wirkung bei Humboldt ausgelöst haben werden.

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Februar – März 1793

Zu Brief 260  an Wolf, um 1. III. 1793 H

D

Berlin, StB PKB, Wolfiana, II 13: ½ S. 4°, eigh., mit normalem Rand, kleiner Initiale, recht deutlich beschrieben; Randschrift (Z. 7). – Fragment, in der Mitte abgerissen, von Wolf als Makulatur verwendet: irrelevante Notizen von seiner Hand auf dem Verso. Mattson 1990, 41.

Datierung: Am 27. IV. hat die Tochter Karoline vier Zähne (264/63), am 24. I. noch gar keinen (254/23). 262/9 berichtet Humboldt, „Einen oder zwei Tage nach meinem lezten Briefchen an Sie“ (dem vorliegenden) abgereist zu sein, jedoch auch in Burgörner die ,Blattern‘ vorgefunden zu haben und deshalb nach Erfurt ausgewichen zu sein (wobei eine ca. zweitägige Verzögerung wegen eines Missgeschicks mit dem Wagen zu veranschlagen ist: 262/11–17). Am 31. III. ist er seit „beinah 4 Wochen“ in Erfurt (262/21). Seine Ankunft dort erfolgte damit etwa am 5. III. und die Abreise aus Auleben mithin um den 2./3. III. Z. 7 Maaß Vgl. 254/23.

Zu Brief 261  an Brinkman, 18. III. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 6 S. (1 Bogen + 1 Bl.) 4°, eigh., mit normalem Rand, kleinerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen, ohne Unterschrift, Z.  144  f. randschriftlich auf Schlussblatt; mit spitzer Feder klein und mitteldeutlich beschrieben. D D1  Spranger 1909, 52, 150 (Z. 115–126 + Reg. – dat. 10. III.). – D2  Kaehler 39, 40 f. (dat. – S. 447, Anm. 2 zu S. 39 f. – wie D1), 149 (Z. 41 f., 52 f., 55–58, 84–90, 95). – D3  Leitzmann 1939, 57–62.

Z. 17 Z.  Möglicherweise Zöllner, wie schon Leitzmann (1939, 204) gemutmaßt hat. 24  ὁ δέ κεν   Ilias I 139: „der mag dann zürnen, zu dem ich komme!“ (Schadewaldt) 46  in dem ersten Brief in der Monatsschrift  Scil. ,Brief an Gentz‘. Gemeint ist Staatsverfassung. 82  jezt, da Sie freier sein werden  Über die Identität des zusätzlichen Mitarbeiters an der schwedischen Gesandtschaft ist nichts bekannt. 83  Ist Gentz verheirathet?  Er heiratete Minna Gilly im März 1793. Brinkmans Sonett zu diesem Anlass, das auch von beiden Brüdern Humboldt unterzeichnet ist, ist im Brinkman-Archiv erhalten und bei Leitzmann 1939, 255 abgedruckt.

389

Zu Brief 261–262

100, 102  Restauration der Wissenschaften […]. Diese Nothwendigkeit fühlte schon Baco Bacon fasste das Gesamtschema seiner Schriften zur Wissenschaft unter dem Titel „In­ stauratio magna“ zusammen. 109  der kleine Baco  In einer Besprechung von E. J. Kochs ,Literarischem Magazin für Buchhändler und Schriftsteller oder Sammlung von Vorschlägen und Entwürfen zu Büchern, die bisher noch nicht geschrieben und verlegt worden sind‘ (Bd. 1, Berlin: Franke Sen. 1792), wundert sich der Rezensent, „daß ein so junger Mann dem Baco de Verulamio gewissermaßen so glücklich nacheifert und noch unangebaute Regionen im Reiche der Wissenschaften zu entdecken und Vorschläge zu ihrer Cultur zu thun vermag.“ (ALZ, Nr. 49 [20. II. 1793]; I 388) 144  Ankunft der Meyers  Bestätigung des Erhalts des 248/59 geforderten ,Tributs‘ an Leckereien aus der Berliner Konditorei Meyer.

Zu Brief 262  an Wolf, 31. III. 1793 H

H1 (alt)  Berlin, AST. – H2  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 24: 2 S. 4°, eigh. (Schlussblatt des ursprünglich 2 Bogen starken Briefes, der von Humboldt 1826 für Körtes geplante Publikation radikal gekürzt wurde): normaler Rand, von mittlerer Deutlichkeit, etwas verblasste Tinte. – fol. 24v Randschrift links (Z. 190 f.), unten zwei kurze Nachschriften (Z. 187 ff.) von Brandes (?) gestrichen. (H2 ist die Vorlage für das in Jannon Gedruckte). h h1  (wie H2), fol. 21–23: Abschr. von Pahls Hand (vgl. zu H2). – h2  Jena, ThULB, NL Leitz­ mann, V, 1, Nr.  488 (D-Koll. in D2) (Vorlage für Z.  1–21, 36–84, 99–136). – h3  desgl., Abschriften von Leitzmanns Hand der von Humboldt unterdrückten Stellen auf dem Vorsatzblatt bzw. am Blattrand von D2 (Vorlage für Z. 22–35, 85–98, 192–196). D D1  K. A. Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 4, Mannheim: H. Hoff 1838, S. 304–307 (2. Aufl., Bd. 5, Leipzig: F. A. Brockhaus 1843, S. 142 ff.) bzw. Ausgewählte Schriften von K. A. Varnhagen von Ense. Bd. 18, ebd., 1875, S. 232 ff.: Z. 99–142 (Vorlage unklar). – D2  GW V 35–42: Z. 1–21, 36–84, 99–136, 190 f. (nach H2, h1) – D3  Mattson 1990, 41–47 (nach H2, h2-3).

Z. 25 Kurfürst  Friedrich Carl Joseph v. Erthal. 33  rudis sermo des Pavo  Joannis Cornelii de Pauw Notae in Pindari Olympia, Pythia, Nemea, Isthmia. Trajecti ad Rhenum: N. Muntendam 1747 (BV – A-b/c). – Auch Sandys nennt de Pauw „arrogant“ (II 454). Vgl. zu 247/43. 49  aus Ihrem Tacitus  Wolf hatte seit 1792 an einer Umarbeitung der Tacitus-Ausgabe von J.  A. Ernesti gearbeitet (Opera itervm recensvit, notas integras Ivsti Lipsii, I. E. Gronovii, Nic. Heinsii et svas addidit Io. Avgvstvs Ernesti. Vol. 1–2, Lipsiae, apvd Weidmannis haered. et Reichivm 1772), plante auch darüber hinaus eine eigene Neuausgabe. Der Verleger Gräff (Weidmannsche Buchhandlung, Leipzig) hatte aber die

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März 1793

Geduld verloren, und der Vertrag war im Oktober 1796 annulliert worden, obwohl die ersten zehn Bogen bereits gedruckt waren (vgl. Reiter I 223, 225 f.). Diese wird Wolf Humboldt geschickt haben. Die Ernesti-Bearbeitung wurde von J. J. Oberlin fertiggestellt (C. Cornelii Taciti opera ex recensione Ioh. Avgvsti Ernesti denvo cvravit Ier. Iac. Oberlinvs […]. Vol. 1–2, Lipsiae, in libreria Weidmannia 1801) und später zusammen mit Wolfs Anmerkungen von Bekker verwertet: Cornelius Tacitus ab ILipsio, IFGronovio, NHeinsio, IAErnestio, FAWolfio emendatus et illustratus ab Immanuele Bekkero ad codices antiquissimos recognitus […]. Lipsiae, apud Weidmannos 1831. Vgl. Siegfried Reiter: Friedrich August Wolf und David Ruhnkenius (Nebst ungedruckten Briefen), in: NJbb. f. d. klass. Altertum, Gesch. u. dt. Lit. u. f. Päd. XVIII (1906) (NJbb. f. Päd., Jg. 9), S. 87 f., Anm. 4 und Reiter III 59; Körte I 320 f. 52  Cicero aus den Händen windet  Wolfs jüngste Veröffentlichung war: M. Tulli Ciceronis Tusculanarum Disputationum libri quinque ex recensione Frid. Aug. Wolfii. Accedit diversitas lectionis Ernestianae. Lipsiae, Impensis S. L. Crusii 1792 (21807). 57  meine Skize über die Griechen  Altertumsstudium. 59  daß Ihr Urtheil […] entscheidend […] ist  Aus diesem Passus muss man schließen, dass Wolf Humboldts ,Griechenskizze‘ bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung in dieser Form abgelehnt hat (später wird Humboldt an Karoline schreiben: „Wolf […] brachte mich eigentlich davon ab“ – London, 21. IV. 1818; Sydow VI 181). – Trotzdem übernahm Wolf deren Kernthesen z. T. wörtlich in seine spätere „Darstellung der Alterthumswissenschaft“ (vgl. zu 282/11). 74  Mehrere meiner Freunde  Humboldts bereits beendeter Briefwechsel mit Forster und der intensive Teil jenes mit Jacobi mögen für ihn inzwischen rückblickend enttäuschend und der Briefverkehr mit Brinkman und Gentz ihm zu dieser Zeit mitunter zu plauderhaft und oberflächlich erschienen sein. Der philosophisch sehr ergiebige Briefwechsel mit Körner begann erst im Oktober 1793; der mit Schiller kam erst 1795 in Schwung. Die nicht erhaltene Korrespondenz mit Spalding war sicher, die mit Dalberg wahrscheinlich und die mit Ith (vgl. Sweet I 64) möglicherweise unbefriedigend. 90 Demosthenes  Demosthenis Oratio in Midiam. In usum praelectionum edidit, notis criticis et exegeticis instruxit Ge. Lud. Spalding […]. Berolini, sumtibus A. Mylii 1794 (BV – D-f/K-a; Neuaufl. durch Buttmann 1823). 90  den Quinctilian zu bearbeiten  Das Vorhaben wurde denn auch Spaldings Lebenswerk: M. Fabii Quintiliani De institutione oratoria libri XII. Ad codicum veterum fidem recensuit et annotatione explanavit Georg Ludovicus Spalding. Vol. 1–4 (vol. 4 von Buttmann), Lipsiae, sumtibus Siegfried Lebrecht Crusii (vol. 4: Vogel) 1798/1816 (vol. 5–6 – Apparat bzw. Lexikon – von K. G. Zumpt bzw. E. Bonnell, Leipzig: Vogel 1829/34); die Edition gehört noch heute zu den maßgeblichen Ausgaben. 94 wekken  I. S. von ,einem zusetzen, ihn reizen‘, etwa bei der Jagd (Grimm, s. v., II b, a 1). – Denkbar ist allerdings auch ein Lesefehler Leitzmanns: Hieß es vielleicht nekken?

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Zu Brief 262–264

  95  im Herbst  Sicher bei seinem Besuch in Auleben im September 1792 (vgl. 233/1). 101  Dieß hat er […] gethan  Schillers Anmerkungen hat Leitzmann beim Abdruck in GS I verwertet. Die Stelle ab Z. 106 steht dort S. 261, Anm. 1. 118  dem Koadjutor  Auch Dalbergs Anmerkungen zu Altertumsstudium hat Leitzmann in GS I mit abgedruckt. 121  cum notis variorum  Gewöhnlich im Titel von Ausgaben antiker Autoren, die Kommentare von verschiedener Hand vereinigen, hier natürlich mit ironischer Färbung. – Dieser Aufsatz gehört auf Grund seiner gezielten, wenn auch privaten Verbreitung (immerhin haben sich Wolf, Schiller, Dalberg und – später – Körner [vgl. zu 277/19] mit ihm auseinandergesetzt) zu den „wichtigen Dokumenten, die, in der Zeit ihres Entstehens der Allgemeinheit unzugänglich, gleichsam die ideologische Sub­ struktion des deutschen Klassizismus bilden“ (Fuhrmann 204, Anm. 68). 134  einer viel andern Methode  Diese wohl durch die Kritik der Freunde motivierte Selbstablehnung kehrte Humboldt rückblickend 25 Jahre später ins Positive um; vgl. den zu Z. 59 zitierten Brief an Karoline: er hätte den Aufsatz „weiter, d. h. ausführlicher, denn er ist in sich vollendet, umarbeiten sollen. Er ist mit das Beste und Gedachteste, was ich je gemacht habe“ (ebd.). 155 Menexenus  Vgl. zu 253/88. 160  Die Stelle im Menon  Menon 94b: „[…] damit du nicht etwa glaubst, nur wenige und etwa die Schlechtesten unter den Athenern wären unvermögend gewesen hierzu […]“ (Platon, WW II 581; Hervorhebungen: Ph. M.). 166  ἀλλὰ […] φαῦλος ἢν  Menon, 94d. Es handelt sich um die Bedeutung vermögend (reich); heute gültige Lesung: ἦν (Platonis Opera. Recognovit breviqve adnotatione critica instrvxit loannes Burnet […]. t. 3, Oxonii, e typographeo Clarendoniano 1903. 170  Gedikens Emendation Vgl. Platonis dialogi IV, Meno, Crito, Alcibiades uterque. (Graece). Cum animadversionibus virorum clarissimorum Gedike, Gottleber, Schneider, priorumque editorum. Curavit [I.  E.] Biester. Berolini, sumtibus Augusti Mylii 1780 (BV – K-a), S. 52, Anm. 4, wo Gedike die Lesart πιστοί statt πλεῖστοι (Menon 94d) vorschlägt und dies schlicht mit der Häufigkeit begründet, mit der dieses und weitere äußerlich ähnliche griechische Wortpaare verwechselt werden. 172  μὴ τοὺς μὴ ολ.  Menon 94b; vgl. zu Z. 160. 175 vornherein  Das Wort wird bei Grimm (s. v. vorn, II 6, l) im Sinne von vorneweg, am Beginn, ohne Beiziehung des Wortes von bei Goethe belegt. 180  dann hören Sie […] meine Zweifel  Eine Liste von Humboldt unverständlichen Stellen in den Ἔργα hat sich in Wolfs Nachlass gefunden (Berlin, StB PKB, Wolfiana VII 4); ihre Orthographie verrät, dass sie noch im Laufe des Jahres 1793 angelegt worden sein muss: abgedruckt Mattson 1990, Anhang, Nr. 4 (S. 359 f.). 192  meinen Pindarilus  Die Übersetzung von Ol. 3, wie aus Z. 194 hervorgeht: vgl. GS VIII 27 ff.

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März – April 1793

Zu Brief 263  an Charlotte Schiller, 24. IV. 1793 H Weimar, GSA, 83/1767: 1⅔ S. (1 Bogen) 4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 8 Leerzeilen; eher hastig und mitteldeutlich beschrieben. – Der hier als Nachschrift gedruckte Zusatz steht am Rand des Recto. – Z. 7 (bzw. 26) 2 Löcher, mit leicht zu supplierendem Textverlust. Adr. An die Frau Hofräthin Schiller, geb: von Lengefeld, in Jena. frei.

Z. 2 Kour  Beim Kurfürsten von Mainz, Fr. C. J. v. Erthal, der in Erfurt weilte. 13  Unsre Abreise  Nach Berlin. 16 Günther  „Bill trägt mir auf dir vielmals für […] deine Bemühung zu danken. Den Bedienten will er nehmen, mit der expreßen Kondition daß er nicht verheirathet sei, widrigen Fals er ihn augenbliklich zurükschicken würde und bittet er dich ihm zu sagen daß es nur von seinem Betragen abhängen würde ob er länger bei uns bliebe. Vors erste miethet er ihn auf ein halb Jahr und wird mit ihm über eine Entschädigung wegen seiner Kleidung übereinkommen, fals er ihn nicht behielte.“ (Karoline an Charlotte Schiller, [Erfurt,] 15. IV. 1793; H: Marbach a. N., DLA [CA], Cotta Manuskripte B 6) – Wenig später berichtet sie: „Mit Günter sind wir außerordentlich zufrieden. Er führt sich gut auf, ist ordentlich, fleißig u. folgsam.“ (an dies., Falkenberg, 14. VI. [1793]; H: ebd.) 19  durch die Seegner  Sophia Friederike Marianna v. Segner vermietete gelegentlich Zimmer ihrer in der Nähe von Schillers Gartenhaus gelegenen Wohnung an Fremde; vgl. NA XXV 769. 24  Forkels Geschichte  Vgl. zu 264/22.

Zu Brief 264  an Wolf, 27. IV. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu.  655, fol.  25–26: 3 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit großzügigem Rand, zwischen Datum und Textbeginn etwa 6 Leerzeilen, Initiale; anfangs große Deutlichkeit, die dann rapide abnimmt; fol.  26r Nachschrift links von der Empfehlungsformel beginnend, dann sich auf die ganze Blattbreite ausdehnend, weitere ebd. am linken Rand und verkehrt am Blattkopf (alle von Brandes mit Bleistift durchgestrichen), außerdem fol.  25r randschriftliche Nachschrift. – Fol. 25v (Z. 29 f.) redaktionelle Streichung Humboldts, nach h1 ergänzt. h h1  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 41: eigh. Abschr. der Z. 29 f. gestrichenen Stelle in Humboldts Bestandsverzeichnis des redigierten Briefwechsels (genaue Beschreibung: Mattson 1990, 376 f.). – h2  ebd., Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 42 ff. (Z. 1–29, 31–48, 63–66). – D2  Mattson 1990, 47 ff.

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Zu Brief 264–266

Z. 4 Wood  Zit. zu 254/26.   5  der hohe Besuch  Scil. des Kurfürsten von Mainz. 18  ordentlichen Unterricht  Humboldt war nicht nur musikalisch völlig ungebildet, sondern ihm blieb Zeit seines Lebens jeder musikalische Genuss versagt. Um so erstaunlicher ist es, dass sein Bemühen, die Geheimnisse der Pindarschen Metrik zu ergründen, sogar die allerdings hierzu kaum dienliche (so auch Z. 34) und dazu noch für den nicht klavierspielenden Laien schwer zu erlernende Praxis des Generalbassspiels einschloss. 22 Forkel  Allgemeine Geschichte der Musik von Johann Nicolaus Forkel […]. Bd. 1, Leipzig: Schwickert 1788 (BV – A-b/c; Bd. 2 erschien ebd. erst 1801). „F. war ,der Begründer der M[usik]w[issenschaft] als einer modernen Hochschuldisziplin‘ (Edelhoff), 125 Jahre, bevor die erste ordentliche Professur für Mw. an einer deutschen Univ. geschaffen wurde“ (Franz Peters-Marquardt/Alfred Durr in Die Musik in Geschichte und Gegenwart […]. Hg. von Friedrich Blume, Bd.  1–15, Kassel/Basel: Bärenreiter 1949/73, s. v. 22 Marpurg  Marpurg war „wohl der bedeutendste Musikgelehrte seiner Zeit“ (J. Sittard in ADB XX 407  f.). Gemeint ist wohl dessen Kritische Einleitung in die Geschichte und Lehrsätze der alten und neuen Musik. Berlin: G.  A. Lange 1759. Vgl. Laurenz Lütteken, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik begründet von Friedrich Blume. 2., neu bearb. Ausg. hg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 11, Kassel [etc.]: Bärenreiter/Stuttgart [etc.]: Metzler 2004, S. 1125–1131. 27  Fr. v. Ferrette Vgl. 262/192. 27  meinen Pindarilus  Die Übersetzung von Ol. 3. 29  Die Ferrette ist […] Wißbegierde  Dies ist der von Humboldt gestrichene Satz, der mit Hilfe des Bestandsverzeichnisses rekonstruiert werden konnte (vgl. zu h1). 31  Kompositionen […] besonders die auf […] 1[.] Pyth.  Nach Walther Vetter (MGG 1V 851) ist die Musik zu Pindars Oden zwar nicht überliefert, gleichwohl erlaubten seine Gedichte „mittelbar einen Einblick auch in die mus. Struktur,“ wodurch Eigenheiten der Sprache aus zugrundegelegter Melodie zu erklären seien [so übrigens schon Thiersch 1820: vgl. dagegen Humboldt an diesen, Bad Gastein, 18. VIII. 1828; StA V 271 f. u. Anm.]. „Von dieser Melodik wissen wir, daß sie […] altertümlich-diatonisch war. Vom ersten pythischen Gedicht ist eine Weise überliefert (A. Kircher, Musurgia universalis [1650], I 541 f.), welche vielleicht nicht von Pindar selbst herrührt, wahrscheinlich aber der Antike entstammt.“ Die Echtheit dieser Melodie ist in der Tat umstritten; vgl. R. P. Winnington-Ingram: Ancient Greek Musik 1932–1957, in: Lustrum III (1958) 11 f., aber auch P. Friedländer in Hermes LXXXVII (1959), 385–389 sowie Pfeiffer II 87, Anm. 119. 35  Sie wären […] zugegen  Wolfs Vater, der Organist in Hainrode war, wollte beide Söhne zu Berufsmusikern ausbilden. So genoss Wolf noch im Knabenalter Unter-

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April – Mai 1793

richt im Gesang und lernte Klavier und „etliche Saiten- und Blasinstrumente“ spielen (Körte I 9), von denen Harfe und Flöte genannt werden (ebd., S. 23). In späteren Jahren pflegte Wolf, „homerische Rhapsodieen laut absingend unter Clavier-Begleitung“ vorzutragen (ebd., S. 98). 38  wegen Kleins  Ernst Ferdinand Klein gehörte zu den von Kunth hinzugezogenen Privatlehrern Humboldts und figurierte auch als Mentor während seiner Referendarzeit in Berlin; vgl. Bd. 1, S. 3 u. 567. – Aus dieser und anderen Briefstellen jedoch gewinnt man den Eindruck, dass ein Besuch Humboldts bei ihm eher aus Pflicht denn aus Neigung geschah. 40  von Schönebeck  Alexander war um den 25.  April „für einige Tage in Schönebeck, um Bauten für das dortige Salinenwesen anzuordnen“ (A.-v.-HumboldtChronologie 19). 42  auf der Rükreise von Berlin  Im September 1793. 49  Mein Manuskript  Staatswirksamkeit. 53  auf der Jägerbrükke  Vgl. zu 224/17. 55  Ich hatte einen Buchhändler gefunden Vgl. 252/2. 65 Schneider  Zit. zu 253/175.

Zu Brief 265  an Gotter, 3. V. 1793 H

Gotha, Forschungsbibl., Chart. B 1915 II, fol. 69–70: ⅔ S. (1 Bogen) 8°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale beim Datum und einer kleineren beim Textbeginn, dazwischen 4 Leerzeilen, Empfehlungsformel etc. mit größerem Abstand am unteren Blattrand, mitteldeutlich beschrieben.

Z. 2  die Antwort  Zweifellos Humboldts Antwort auf eine Zuschrift der von preußischen Truppen gefangen genommenen Caroline Böhmer; vgl. zu 268/8.

Zu Brief 266  an Brinkman, 13. V. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 9 Leerzeilen; Nachschrift als Marginalie; offenbar hastig (vgl. den Flüchtigkeitsfehler Z. 13) und eher wenig deutlich beschrieben. – Datum durch Brinkman ergänzt. D Leitzmann 1939, 62 f.

395

Zu Brief 266–269

Z. 4 Machenow  D. i. – auch zur Zeit des Briefes – Klein-Machenow, Dorf am West­ ufer des Teltow-Kanals, Teltow gegenüber (heute: Klein-Machnow).   9  die Oxfordsche Ed. des Pindar  Ὀλύμπια, Νεμέα, Πύϑια, Ἴσϑμια. Olympia, Nemea, Pythia, Isthmia, una cum Latina omnium versione carmine lyrico per Nicolaum Sudorium [d. i. Nicolas Le Sueur]. Quid praeterea huic accessit editioni, praefatio indicabit. [Hg. von Richard West und Robert Welsted], Oxonii: Sheldon 1697. 10  die Wesselingsche Ed. des Herodot  Herodoti Halicarnassensis et Ctesiae Cnidii quae extant opera et fragmenta graece ex recensione Petri Wesselingii curavit Augustus Christianus Borheck […]. Vol. 1–2, Lemgoviae: Meyer 1781 (BV – K-a). 11  die Larchersche Uebersezung  Zit. zu 253/101. 12  Le Chevaliers Beschr.  Zit. zu 257/46.

Zu Brief 267  an Brinkman, 17. V. 1793 H

D

Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, mit breitem Rand, kleinerer Initiale, Textbeginn nach etwa 7 Leerzeilen; eher hastig und fahrig beschrieben; Nachschrift Z. 12. links von der Paraphe, Z. 13–16 in linker Marge. – Datum von Brinkman neben dem Wochentag (Z. 11) ergänzt. Leitzmann 1939, 63 f.

Z. 1 Bücher  Darunter Cowleys Pindar-Übersetzung: vgl. 269/2 und zu 246/42.   5  den Ernestischen Homer  Zit. zu 270/147. 12  le Chevalier  Zit. zu 257/46. 13 Sonntag 19. Mai. 14  bis Alex. wegreist  Demnach sollte Alexander am 20. V. 1793 nach Bayreuth abreisen, „um seinen Dienst als Oberbergmeister in Franken anzutreten“ (A.-v.-Humboldt-Chronologie 19; dort ist das Abreisedatum allerdings mit 24.  V. angegeben).

Zu Brief 268  an A. W. Schlegel, 25. V. 1793 H Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. e.90, XIX, Bd. 11, Nr. 55: 4 S. (1 Bogen) 8°, eigh., mit schmalem Rand, kleiner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen, recht deutlich beschrieben. D D1  Waitz 378 f. (ohne die Nachschrift; mod.). – D2  Caroline: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. von Erich Schmidt. Bd. 1, Leipzig: Insel 1913, S. 652 ff. (desgl.).

Z. 8  bekam ich einen andren von Ihrer Freundin  Schlegel hatte Caroline, die Tochter des Göttinger Orientalisten Michaelis und schon damals Witwe des Arztes Böhmer, wäh-

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Mai 1793

rend seiner Studienzeit kennengelernt (Waitz, S. IV). Wegen der Verbindung Humboldts mit dem Koadjutor Dalberg hatte sie sich an ihn mit der Bitte um Verwendung in der Sache ihrer Verhaftung (vgl. nächste Anm.): „Wenn Hr. von Humbold, an den von hieraus ein Bericht von unsrer Verhaftnehmung abgegangen ist, sich nicht in Erfurt befinden sollte, sondern vielleicht auf seinen Gütern bey Berlin, also nicht gleich dem Herrn Coadjutor dasjenige mittheilen könte, was uns helfen kan, so bitte ich Sie inständig, nuzen Sie diesen meinen Aufsaz bey dem Hrn. Coadjutor, solte es auch persönlich seyn müßen – er wird um so weniger Gottern zurückweisen – ergänzen Sie, was ich nur angedeutet habe, und Sie sicher ergänzen können.“ (Caroline an Gotter, [Königstein], 28. IV. 1793; Waitz 117)   9 Vorfall  Caroline Böhmer war im Frühjahr 1792 nach Mainz übersiedelt, um ihrer Jugendfreundin Therese Forster nahe zu sein. Inwieweit sie die Begeisterung For­ sters für die Sache der Revolution mehr als nur oberflächlich teilte, ist nicht klar. Als sie Ende März 1793 beschloss, die Stadt zu verlassen, wurde sie jedenfalls gefangen genommen und zunächst „nach Königstein[/Ts.], dann in mildere Haft nach Kronberg gebracht“ (Waitz, S. III; vgl. auch Caroline an Fr. L. W. Meyer, Kronenberg, 15. VI. 1793; ebd., 125). 12  daß er schon durch Gotter ein Memoire für sie erhalten  „Ich danke Ihnen, lieber Gotter, für die Maasregel, sich an den Hrn. Coadjutor zu wenden“ (Caroline an Gotter, Königstein, 19. IV. 1793; Waitz 115). 19  nach der Uebergabe von Mainz  Hierzu waren die militärischen Vorkehrungen längst eingeleitet worden; Goethes Bericht von den Geschehnissen beginnt mit dem Tag nach unserem Brief: „Montag den 26. Mai 1793 von Frankfurt nach Höchst und Flörsheim; hier stand viel Belagerungsgeschütz.“ (,Belagerung von Mainz‘; WA I/33, 272) Die Belagerung (und Beschießung) der Stadt zog sich etliche Wochen hin (vgl. zu 272/90); noch kurz vor der Kapitulation kam Caroline Böhmer frei: vgl. zu 290/7. 30  den jungen Arenswald  D. i. Karl v. Arnswaldt, Sohn des Christian Ludwig August v. Arnswaldt, 1. Kurator der Universität Göttingen. Beide Briefpartner werden den „jungen“ Arnswaldt von der Studienzeit her gekannt haben (er war stud. jur. dort 1786/88).

Zu Brief 269  an Brinkman, 30. V. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, eigh., mit breitem Rand, ohne nennenswerte Initia­le, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen, mitteldeutlich beschrieben. – Datum von Brinkman ergänzt: „31. Maj 1793.“ D Leitzmann 1939, 64 (dat. nach Brinkmans Vermerk: 31. V. 1793).

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Zu Brief 269–270

Datierung: Der 31. V. 1793 – Brinkmans Vermerk – war ein Freitag. Z. 2 Cowley  Zit. zu 246/42.

Zu Brief 270  an Wolf, 22./31. V. 1793 H H1 (alt) Berlin, AST. – H2  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 29–30: 2⅓ S. (1 Bogen) 4°, eigh. (Schluss eines ursprünglich 6⅓-seitigen Briefes, der von Humboldt 1826 für Körtes geplante Publikation radikal gekürzt wurde): normaler Rand, von mittlerer Deutlichkeit, mit spitzer Feder, Nachschrift in der linken Blatthälfte, neben der Empfehlungsformel beginnend (Vorlage ab Z.  91). Fol.  29r (Z.  117) die Worte zwei feindliche von Wolf unterstrichen und mit der Marginalie „M.“ versehen (Rötel), fol. 29v Anstreichungen bzw. Fragezeichen Wolfs (Z. 142–146). – Fol. 30 in Blattmitte wohl ohne Textverlust (Nachschrift?) abgerissen, dabei wurde fol. 29 angerissen; die Stelle ist ohne Textverlust überklebt. Am Beginn von fol. 29r (Z. 89 ff.) redaktionelle Streichung Humboldts, nach h1 ergänzt. h h1  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 41: eigh. Abschr. der Z. 89 ff. durchgestrichenen Stelle in Humboldts Bestandsverzeichnis der redigierten Briefe an Wolf (genaue Beschreibung: Mattson 1990, 376  f.). – h2  Berlin (wie H2), fol.  27–28: Abschr. von Pahls Hand gemäß den Redaktionsanweisungen Humboldts, 3½ S. 4°. – h3  Jena, UB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D‑Koll. in D1: Vorlage für Z. 1–33, 38, 39–70, 74–85). – h4  desgl., Abschriften von Leitz­manns Hand der von Humboldt unterdrückten Stellen am Blattrand von D1 (Vorlage für Z. 33–37, 38 f., 71 ff., 86–91). D D1  GW V 44–51: Z. 1–33, 38, 39–70, 74–85, 91–157 (nach H2, h2) – D2  Mattson 1990, 49– 54 (nach H2, h1, h3-4).

Z. 13  Ihres Plans nach Mainz  Wolf hatte offenbar darauf spekuliert, Forsters Bibliothekarstelle in Mainz zu bekommen, worüber sonst nichts bekannt ist. 20  die Mainzer Universität  „Die Revolutionstruppen hatten bei ihrem ersten Einfall [in Mainz] 1792 die Lehrtätigkeit der Mainzer Professoren zum Erliegen gebracht, und von diesem Schlag hat die alte Universität Mainz sich nie mehr ganz erholt. Die zweite Besetzung von 1797 fand nur mehr einen Teil der alten Lehrkräfte vor“ (Leo Just: Die alte Universität Mainz von 1477 bis 1798. Wiesbaden: Fr. Steiner 1957 [Beitrr. z. Gesch. d. Univ. Mainz, 4], S. 20). Die bisherigen Vermögensverhältnisse schildert ein Brief von J. A. I. Hutter (1792): „Nebst dem ansehnlichen Vermögen von drei aufgehobenen Klöstern, wovon die jährlichen Zinsen an die 40 000 rhein. Gulden betragen, vereinigte derselbe mit der hohen Schule noch 17 Canonikate, welche bei ihrer Erledigung jederzeit einem geistlichen Professor erteilt werden“ (ebd., 64). 26  Mainz und Erfurth in Eins zu schmelzen  Im Zuge der von Dalberg betriebenen Reformbestrebungen war 1782/83 auch die Frage erörtert worden, ob „zwei Universitäten, Mainz und Erfurt, für das wenig umfangreiche Staatsgebiet überflüssig wären“

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Mai 1793

(Wilhelm Stieda: Erfurter Universitätsreformpläne im 18. Jahrhundert [Sonderschrr. d. Akad. gemeinnütziger Wiss. zu Erfurt, H.  5], Erfurt: C. Villaret 1934, S.  89, mit Hinweis auf Dalbergs Schriftwechsel mit dem kurmainzischen Hofkanzler BentzelSternau im damaligen Preuß. Staatsarchiv Magdeburg, Rep. S. 37b I, Nr. 88). Vgl. auch Georg Liebe: Die Universität Erfurt und Dalberg (Neujahrsbll., hg. v. d. Hist. Komm. d. Provinz Sachsen, H. 22), Halle: O. Hendel 1898, S. 13 u. ö. – Die Universität Mainz wurde denn auch nach der zweiten Besetzung der Stadt 1798 aufgehoben, während die Erfurter bis 1816 fortbestand. 34  Kanzler Albini  Albini „vereinigte seit 1792 […] sämmtliche Mainzer Ministerien in seiner Person“ (Mejer in ADB I 220). 38 gemüthlich Vgl. Grimm „genehm, lieb, willkommen, dem wunsch und sinn entsprechend“ (s. v., 3). 57  in succum et sanguinem vertirt  ,Bis sie mir in Fleisch und Blut übergegangen sind‘; vgl. Cicero, Ad Att. IV 18, 2 (M. Tvlli Ciceronis Epistvlae, vol. II: Epistvlae ad Atticvm, pars prior, libri 1–VIII, recognovit, breviqve adnotatione critica instrvxit W.  S. Watt […]. Oxonii: Clarendon 1965). „Der Gedanke und der Ausdruck selbst sich anderer Gedanken recht eigen [zu] machen ist schon sehr alt. Man spricht in gemeinen Stadtschulen von in succum et sanguinem konvertieren“ (Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe, hg. von Wolfgang Promies. Bd. 1, München: C. Hanser 1968, S. 119 – Nr. B 284). (U. P.) 67 Menschenkenner  Hier: ,für den Anthropologen‘. 68  Garve in seinen Briefen  „Die Griechen und Römer sind gewiß die beiden Nationen, die wir aus dem Alterthume am besten kennen. Und doch, wie weit ist der Begriff, den wir von der Verfassung und der Lebensart der Einwohner zu Rom und zu Athen haben, von einem sinnlichen Anschauen unterschieden? Wie viele Lücken sind nicht in den vollständigsten Nachrichten, wie viel Umstände, die kaum unsre Vernunft mit einander vereinigen kann, und aus denen noch weniger unsre Einbildungskraft ein Ganzes zu machen weiß?“ (Christian Garve: Einige Gedanken über das Interessirende, in: ders.: Sammlung einiger Abhandlungen. Aus der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. Leipzig: Dyk 1779, S.  286) – Eine selbstständige Schrift Garves mit dem Wort Brief(e) im Titel ist bis inkl. 1793 nicht nachweisbar. 71 Borhek  Von Borheck sind mehrere Arbeiten zu Herodot bekannt, aber keine über Thukydides; vgl. zu 266/10. Vielleicht handelt es sich um ein nicht ausgeführtes Vorhaben – oder um eine Verwechslung Humboldts. 86  Niemeyern […] seinen Homer  Homeri Ilias, ex recensione Clarkii; in usum academicum edidit, notas adspersit, clavem adjecit A. H. Niemeyer. Vol. 1–2, Halae Sax.: Gebauer 1778/81 (21784/90). – Wolf, der am Beginn seiner Hallenser Zeit gegen Niemeyers oberflächliche Popularität und Intrigen anzukämpfen gehabt hatte (Wolf an Heyne, Halle, 12. VI. bzw. 30. X. 1784; Reiter I 27 f., 32), wird diese Nachricht amüsiert haben.

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Zu Brief 270   89  ganz unbrauchbar […] gelernt habe  Dies ist die von Humboldt gestrichene Passage, die mithilfe des Redaktionsbestandverzeichnisses (h1) restauriert werden konnte.   90  Ihre Edition  Wolf 1785. – Es ist freilich seltsam, dass Humboldt erst jetzt und gleichsam per Zufall dazukommt, die Edition des Freundes an Stelle jener des als oberflächlich berüchtigten Niemeyer zu benutzen.   91  κατεάξαμεν  Es spricht Meriones: „Ich komme, ob dir [Idomeneus] eine Lanze in den Hütten geblieben ist, [/] Um sie zu holen. Denn die zerbrach ich [κατεάξαμεν – Plural statt Singular], die ich vorher hatte [ὁ πρὶν ἔχεσκον, Singular], [/] Als ich den Schild des Deïphobos traf [βαλών, Singular]“ (Schadewaldt). Vgl. Homers Ilias für den Schulgebrauch erklärt von Karl Friedrich Ameis, bearb. von C[arl] Hentze. Bd. 2, 4., ber. Aufl., Leipzig/Berlin: B. G. Teubner 1905 (Neudr. Amsterdam: A. M. Hakkert 1965), S. 19. Weitere Beispiele für diese dem Griechischen nicht fremde Inkongruenz bei Raphael Kühner/Bernhard Gerth: Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache. T. 2: Satzlehre, Bd. 1, Hannover/Leipzig: Hahn 31898 (Neudr. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1966), S. 83 f. (U. P.) 103 Il. ν. 237  XIII 237; vgl. 253/165. 103 Il. ν. 585. […] ἀπὸ νευρῆφιν  Vgl. zu 253/167. 104  das bleibt künftig weg?  Dies war tatsächlich ein Versehen (Druckfehler?). 105 Il. ο. 459 Vgl. 257/132. 112 Il. σ. 88. […] μύριον  Dieser Fehler wurde in Wolfs späteren Ilias-Ausgaben korrigiert. 112 Il. σ. 509–540.  Dass es die belagerten Städter sind, die den Ausfall machen, ist auch die Erklärung von Ameis/Hentze (zit. zu Z. 91) zu dieser Stelle: „Die Vorstellung von zwei belagernden Heeren scheint auf Bildwerke zurückzugehen, auf denen das Belagerungsheer zu beiden Seiten der belagerten Stadt gruppiert war“. (U. P.) 116  Porphyrius in quaest. Hom.  „Wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum hin hatte Aristoteles für seine Vorlesungen eine Liste von ,Schwierigkeiten‘ der Homerinterpretation mit ihren jeweiligen ,Lösungen‘ aufgestellt; diese Gewohnheit des ζητήματα προβάλλειν war möglicherweise bei den Symposien intellektueller Zirkel üblich geworden. Aristoteles’ Sammlung wurde später, wie es scheint, in sechs Büchern unter dem Titel Ἀπορήματα Ὁμηρικά oder τά Ὁμήρου προβλήματα veröffentlicht, woraus achtunddreißig Zitate, größtenteils in Porphyrios’ Homerischen Fragen, erhalten sind. […]. Wenn auch gewisse Kreise im alexandrinischen Museum diese ,Methode‘ der ζητήματα übernahmen, […] so mißbilligten doch die großen und ernsthaften Grammatiker sie als mehr oder weniger frivoles Spiel. Sie wurde hauptsächlich von den Philosophenschulen, Peripatetikern, Stoikern, Neuplatonikern, und von Amateuren weiterhin geübt, bis Porphyrios […] seine abschließende Sammlung der Ὁμηρικὰ ζητήματα im großen Stil zusammenstellte, wobei er sehr wahrscheinlich noch Aristoteles im Original benutzte“ (Pfeiffer I 95 ff.).

400

Mai 1793

118 Il. σ. 576 […] ῥοδανὸν  Wolf korrigierte 1794 diese Lesung, die bis heute so lautet: παρὰ ῥοδανὸν δονακῆα (,längs des schwankenden Schilfs‘). 118  der Clarkischen Ausgabe  Ilias Graece et Latine. Annotationes in usum serenissimi principis Gulielmi Augusti, Ducis de Cumberland, &c. Regio jussu scripsit atque edidit Samuel Clarke […]. Vol. 1–2, Londini: G. Botham; J. & J. Knapton 1729/32 (11Londini: J. F. & C. Rivington 1790). 121 Il. σ. 589 […] κατηρεφέας  Heute ohne Komma, das Schadewaldt auch nicht braucht, um κατηρεφέας auf κλισίας (Hütten) zu beziehen: „[…] und überdachte Hütten und Pferche“ (Hervorhebung: Ph. M.). 122  Villoison ad Apoll. Lex. (Ed. Tollii)  Apollonii Sophistae Lexicon Graecum Iliadis et Odysseae. Ex editione parisiensi repetiit, recensuit & illustravit, Hermannus Tollius. Lugduni Batavorum: S. & J. Luchtmans 1788. 123 Il. τ. 222. […] ὡς ὅτε  Wolf änderte dies später – wie von Humboldt Z. 131 vorgeschlagen – zu: ἧστε; heute: ἧς τε (Monro/Allen). 123  Heraclides Ponticus  Herakleides Pontikos, ein Lieblingsschüler Platons, schrieb zwei Bücher ,Homerischer Lösungen‘ (Λύσεων Ὁμηρικῶν); vgl. Pfeiffer I 96. 126  „schnell wird […]  „Schnell kommt an der Schlacht Sattheit die Menschen an, [/] Wo die meisten Halme das Erz zu Boden schüttet, [/] Doch am geringsten die Ernte ist, sobald die Waagschalen senkt [/] Zeus“ (Schadewaldt). 134 Il. τ. 402. […] aus Ihrer Vorrede  Wolf 1785, XXV: „Est ibi notum illud ἔρον ἐξεῖναι, cuius verbi thema ἕω h. ἐκπληρόω occurrit t. 402.“ 137 Il. φ. 111. […] ἠὼς  Schadewaldt: „Sein wird ein Morgen […]“. 140 Eustathius  Vgl. Erbse (zit. zu 257/122) V 146. – Il. XXI 111 lautet heute: […] ἢ ἠὼς ἢ δείλη […] (Monro/Allen). 142 Il. χ. 286. […] χάλκεον  Die Interpunktion macht die volle Entwicklung durch: Wolf 1794: Ausrufezeichen; Wolf 1804: Fragezeichen; Monro/Allen: Semikolon. 143 Drukfehler  Das Fragezeichen Wolfs am Rande von H bezieht sich wohl auf dieses Wort. 143 394. ϑεῷ ὡς […] ϑεῷ ὣς  Auch dies hat Wolf später korrigiert: ϑεῷ ὣς (so auch Monro/Allen). 144  prae […] angemessen  Von Wolf doppelt angestrichen, H. 145 Scapula  Johann Scapula: Lexicon denuo ultra præcedentes editiones, innumeris dictionibus. Avreliae Allobrogum: G. Carter 1609 (BV – A-a; zuerst Basel 1580). Es handelt sich um eine Art ,Raubbearbeitung‘ des berühmten ,Thesaurus linguae graecae‘ des Henricus Stephanus. Scapula war Stephanus’ Adlatus bei diesem Unternehmen und stellte einige Jahre nach dessen Erscheinen im Jahre 1572 diese einbän-

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Zu Brief 270–272

dige gekürzte Fassung zusammen (Pökel – zit. zu 247/43 – und Sandys geben das Jahr der Erstausgabe mit 1579 an), was dem Absatz der großen Ausgabe abträglich war (so Sandys II 176). Das Werk Scapulas erlebte zahlreiche Neuauflagen; erst 1593 wird es ausdrücklich als Bearbeitung des Stephanus-Thesaurus im Titelblatt genannt, doch auch viel später wird dies meist verschwiegen. 147  die […] bestürzt war  Schadewaldt: „[…] die zum Tod Erschrockene.“ 147 Il. ψ. 71.  Monro/Allen: Komma nach τάχιστα. „Begrabe mich aufs schnellste, daß ich die Tore des Hades durchschreite!“ (Schadewaldt). Ernestis Interpunktion verändert den Sinn: ,Begrabe mich, daß ich aufs schnellste die Tore des Hades durchschreite!‘ (Ὁμήρου Ἅπαντα h. e. Opera omnia ex recensione et cvm notis Samvelis Clarkii, […]. Accessit varietas lectionvm Ms. Lips. et edd. vetervm cvra Io. Avgvsti Ernesti qvi et svas notas adspersit. Vol. 1–5, Lipsiae: G. Th. Georgius; V. C. Saalbach 1759/64). 152  excessus […] über νὺξ ϑοὴ Vgl. 274/55–111. – Excessus: Abschweifung, Exkurs, Digression.

Zu Brief 271  an Gentz, 5. VII. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1½ S. 4°, eigh., mit breitem Rand, ohne nennenswerte Initiale; große Initiale bei der Unterschrift, die 5 Zeilen unterhalb des Schlusses steht; mitteldeutlich beschrieben. – Unterstreichungen Z.  2 („die besten“), 13, 18 („sondern vermeid’ es“) wohl vom Empfänger.

Empfänger: Gentz, der, anders als Brinkman, nunmehr verheiratet war (Z. 23), muss dieses Blatt an Brinkman weitergereicht haben, wohl wegen der darin enthaltenen Unflätigkeiten und möglicherweise als Anspielung auf eine neuliche (?) Szene (vgl. zu Z.  18). Brinkman reihte es ohne entsprechenden Hinweis an der chronologisch passenden Stelle der Briefe Humboldts an ihn ein. – Hierher passt eine briefliche Äußerung von Gentz aus dem Vorjahr, der sich für eine überschickte Übersetzung bei Brinkman bedankt: „Dies schicken Sie ja (en chiffres) an Humb., denn – solche Sachen aufs Sch… liebt er entsetzlich.“ (Wittichen II 33) Z.  13, 18  sondern vermeid’ es  Sollen die wohl von Gentz stammenden Unterstreichungen gar an einen plötzlich aufgetretenen „Verdauungsnotfall“ Brinkmans erinnern, etwa am Spreeufer bei einer ihrer nächtlichen Wanderungen, der auf die im Text als nicht schicklich genannte Weise behoben wurde? – Die Wendung ist jedenfalls sicher der Grund, weshalb Gentz das Blatt an Brinkman schickte.

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Mai – Juli 1793

21  Hes. op. & dies.  Diese Verse stammen aus Humboldts Übersetzungsfragment aus Hesiods Ἔργα καὶ ἡμέραι, das sich in Wolfs Nachlass gefunden hat (gedruckt Mattson 1990, 360 f.). Die dort vermutete Datierung (ebd., 594) wird durch diesen Fund präzisiert. – Bei der Abschrift, wohl nach jenem Entwurf, korrigierte Humboldt Z. 20 das von ihm übersehene stehen gebliebene falsche Form „böses“, die sich aus dem ursprünglichen Wortlaut (vermeiden statt entweichen) erklärt. Sonst ist der Text bis auf eine etwas verfeinerte Interpunktion unverändert.

Zu Brief 272  an Heyne, 8. VII. 1793 H

D

Göttingen, StUB, 4 Cod. Ms. Philos. 160e, fol. 104–107: 7½ S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale (auch beim Datum), zwischen Datum und Textbeginn 10 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben. – Fol. 105v eine Randschrift, die hier als Nachschrift abgedruckt wird. – Mehrere Unterstreichungen (Z. 33, 36, 47, 69 [Vorstellung], 72) von Heyne. D1  Vilelmi de Humboldt epistula a Carolo Diltheyo edita et inlustrata, in: Index Scholarum in Academia Georgia Augusta per sem. aest. (1881), p. 3–17 (krit.). – D2  Menze, Heyne 55– 60.

Z. 16  die politische Parthei […], die Forster genommen  Vgl. zu 243/5, 248/54 u. 249/34. 17  die Veränderung seiner häuslichen Lage  Heynes Tochter Therese Forster war Anfang Dezember 1792 mit den Kindern nach Straßburg gegangen und hatte damit das eheliche Zusammenleben endgültig beendet. 52  wäre es […] fruchtlos  Wegen der Spannungen zwischen dem Kurfürsten und seinem Erfurter Statthalter Dalberg; vgl. 270/31. 72  von der Hannöverschen Regierung unterstüzt  D. h. ,von der Regierung Ihres Landes‘. 73  die beiden Grafen Stadion  Als außerordentlicher österreichischer Gesandter in England (1790/93) wird J. Ph. K. Graf v. Stadion Göttingen besucht haben, offenbar begleitet von seinem Bruder Friedrich Lothar, dem er sehr nahestand und der kurmainzischer Regierungsbeamter war. 89  Die Gegend des Thiermarkts  Heute Schillerplatz; das neu restaurierte Wohnhaus Forsters (Neue Universitätsstr. 5) befindet sich in unmittelbarer Nähe, neben dem Proviantamt. 90  dem Deutschen Geschüz […] ausgesezt  Das Beschießen der Stadt hatte in der Tat gerade in diesen Tagen einen letzten Höhepunkt erreicht: „Den 2. Juli. Bombardement der Citadelle und Karlsschanze. [/] Den 3.  Juli. Neuer Brand in der St. Sebastians­ capelle; benachbarte Häuser und Paläste gehen in Flammen auf. […]. Den 13.  Juli Nachts. Das Rathhaus und mehrere öffentliche Gebäude brennen ab.“ (Goethe, ,Belagerung von Mainz‘; WA I/33, 299 f.) 92 Chor  Eumeniden-Chor; vgl. zu 246/33.

403

Zu Brief 272–274

124  der Metricus  Vgl. zu 303/50. 145  Einleitung über Pindars Leben und Schaffen  Eine fragmentarisch überlieferte Arbeit hierüber hat Leitzmann ins Jahr 1795 datiert: „Pindar“ (GS I 411–429).

Zu Brief 273  an Brinkman, 14. VII. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: ½ S. 4°, eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale und überaus großer Paraphe; Text in Blattmitte mitteldeutlich beschrieben. – Datum von Brinkman am Kopf ergänzt. D Leitzmann 1939, 64.

Z. 1 Machenow  Vgl. zu 266/4.

Zu Brief 274  an Wolf, 5. VIII. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 33–36: 5 S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, ohne nennenswerte Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; mit spitzer Feder klein, aber recht deutlich beschrieben; randschriftlicher Zusatz fol. 35r, durch abgerissenes Blattende von etwa 3 Z. Umfang unter der Unterschrift wohl ein Wort verloren (Z. 122); auch der waagerechte Falz in der linken Hälfte angerissen, mit leichtem Textverlust (Z. 110). Z. 59 aliunde wohl von Wolf mit Bleistift unterstrichen. Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). h D D1  GW V 56–61. – D2  Mattson 1990, 54–58.

Z. 12  ein andres Gut meiner Mutter  Falkenberg (vgl. zu 225/1). 15  die Blattern zu inokuliren  Dies geschah zu dieser Zeit noch mittels eines aus Menschen gewonnenen Impfstoffs und war u.  U. lebensgefährlich. Heyne hat z.  B. ein Kind dadurch verloren (vgl. Christian Gottlob Heyne. Biographisch dargestellt von Arn. Herm. Lud. Heeren. Göttingen: J. Fr. Röwer 1813, S. 167). Die weit weniger gefährliche, durch Edward Jenner entwickelte Kuhpockeninokulation setzte sich erst nach 1800 durch. Eine eindringliche Schilderung der hier angewandte Methode gibt J. Schopenhauer (99–105). 44 scutum  Das heute zu den Pseudo-Hesiodea gerechnete, schon von Aristophanes von Byzanz in seiner Echtheit bezweifelte (Pfeiffer I 220 f.) Gedicht Ἀσπίς (lat. scutum), dessen Hauptteil eine ausführliche Beschreibung des Schildes des Herakles enthält. – Für Wolf stellte sich die Echtheitsfrage schon deshalb nicht, weil er statt dessen, analog seiner Ansicht der homerischen Frage, die Identität Hesiods überhaupt anzweifelte; vgl. nächste Anmerkung.

404

Juli–August 1793

45  Ihrer Meinung  Analog der in seinen ,Prolegomena ad Homerum‘ (1795 – zit. zu 333/4) behandelten ,homerischen Frage‘ war Wolf überzeugt, dass auch die Werke Hesiods nicht von diesem selbst niedergeschrieben wurden, sondern eine spätere Redaktion rhapsodisch überlieferter Einzelgesänge darstellen; vgl. ,Prolegomena‘, §§ 29, 35 (S. CXXVII f, CLVII) und schon die Vorrede zur Ausgabe der Theogonie (Theogonia Hesiodea, Textv svbinde reficto in usvm praelectionvm seorsvm edita a Frid. Aug. Wolf […]. Halae Saxon., apvd Ioh. Iac. Gebaver 1783), z. B. p. 6 und die Einleitung zu den Anmerkungen, p. 55 f. – Die Echtheit des Proömions der ,Erga‘ hatte schon die antike Philologie angezweifelt: vgl. Pfeiffer I 294. 52  Materialien für die Sitten  Hierzu gehört auch Humboldts kleine Übersetzung in Hexametern aus den Ἔργα, die er in Abschrift Gentz geschickt hat (Br. 271). 55  νὺξ ϑοὴ  „Homers Wendung ϑοὴ νὺξ, die schnelle Nacht, weil sie mit Rossen daherfahrend gedacht ward, od. nach der physischen Erscheinung: schnell hereinbrechend, von der in manchen Gegenden schnell eintretenden Dunkelheit, Od. 12, 284. Il. u. h. Ap. öft. Hes. th. 481.; nach Buttm[ann] Lexil[ogus] 2. p. 65 die jähe Nacht, nicht bloss den schnellen Einbruch bezeichnend, sondern auch das Schreckliche, Gefährliche“ (Franz Passow: Handwörterbuch der griechischen Sprache, 5. Aufl. von V. Chr. F. Rost, Fr. Palm und O. Kreußler, Bd. 1, Th. 2, Leipzig: E. Chr. W. Vogel 1847, Sp. 1421). 69  ϑόω mit ϑύω verwandt  Eine etymologische Verwandtschaft des von ϑέω abgeleiteten ϑοός mit ϑύω besteht nicht. Vgl. Hjalmar Frisk: Griechisches etymologisches Wörterbuch, Bd. 1, Heidelberg: C. Winter 1960, s. v. ϑέω bzw. ϑύω. (U. P.) 73  ϑοὸς Ἄρης, πολεμιστὴς  Vgl. Ilias V 571, XV 585. 76  νῦν ϑοοὶ ἔστε Il. XVI 422. 81  ϑοαὶ νῆσοι  Vgl. Od. XV 299: „die schnellen Inseln“ (Schadewaldt). 82  Schol. des Pindar  Zum Lemma Pyth. VIII 26: vgl. Scholia vetera in Pindari carmina recensuit A. B. Drachmann. Vol. 2, Lipsiae, in aedibus B. G. Teubneri 1910, p. 209. 96  Von den 5malen  Il. X 394, 468; XIV 261; XXIV 366, 653. 100  Die Stellen der Odyssee Od. XII 284, 291 f. 103 Sophokles  Trachiniae 94. 107 Voss Il. XIV 260 (Hypnos widerstrebt Heras Plan, Zeus von den Kämpfen vor Troia abzulenken, um den Griechen den ungestörten Beistand Poseidons zu sichern): „[…] Da ruhete, wie er auch tobte, [/] Zeus und scheuete sich, die schnelle Nacht zu betrüben.“ – Il. XXIV 653 (Achilles spricht zu Priamos, mit dem er sich versöhnt hat): „Sähe dich einer davon in der Nacht schnellfliehendem Dunkel, [/] [so würden sie dich gefangennehmen].“ – Woher Humboldt diese Kenntnis hat, wenn er 282/125 bestätigt, diese Übersetzung noch nicht gesehen zu haben, ist rätselhaft. Die bei Goedeke (zit. zu 235/30 – 2IV/l, 1069) angeführten Vorabdrucke sind aus anderen Gesängen. Humboldt hat wohl mit Voss über diese Frage korrespondiert. 114 Adelung Vgl. 277/21.

405

Zu Brief 275  an Brinkman, 14. VIII. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: ½  S. 4°, eigh., mit breitem Rand, sehr kleiner Initiale, zwischen dem in Blattmitte stehenden Brieftext und Unterschrift 5 Leerzeilen; offenbar hastig und wenig deutlich beschrieben. – Datum neben dem angegebenen Wochentag von Brinkman ergänzt. D Leitzmann 1939, 65.

Zu Brief 276  an Brinkman, 2. IX. 1793 H

D

Trolle-Ljungby/Schweden, BA: ½ S. 4°, eigh., mit breitem Rand, ohne nennenswerte Initiale; mit stumpfer Feder wohl hastig und recht fahrig beschrieben. – Datum von Brinkman in der Kopfzeile ergänzt. Leitzmann 1939, 65.

Z. 3 Einpakken  Familie Humboldt stand vor der Abreise nach Dresden.

Zu Brief 277  an Wolf, ca. 25./28. IX. 1793 H (alt) Berlin, AST h h1  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 37: Abschr. von Pahls Hand (1½ S. 4°) nach Humboldts redaktioneller Anweisung (vgl. zu 262/H). – h2  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). – h3  ebd., Abschr. Leitzmanns auf Nachsatzblatt von D1 (Vorlage für Z. 1–13). – Vgl. Humboldts eigh. Vermerk am Textende: „(NB. das Ende war zerrissen)“ (h1, fol. 37v; vgl. die Anm. zu Z. 33). Der Schlussabsatz muss entweder eine Nachschrift auf dem Verso oder eine Randschrift, wohl auf der ersten Seite, gewesen sein. D D1  GW V 62 f. (Z. 13–31, nach h1). – D2  Mattson 1990, 58 f. (nach h2-3).

Datierung: Vgl. Z. 12 f. und 279/2. Z. 10  2 Schok  D. i. 120 Stück. Halle muss für diese Delikatesse bekannt gewesen sein, denn Wolf belieferte auch Schütz damit: vgl. an diesen, Halle, 29. X. 1795 (Reiter I 182). – Auch Zelter bezog sie von dort (vgl. diesen an Goethe, Berlin, 25.  X. 1816; Der Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter. Im Auftrag des Goethe- und SchillerArchivs nach den Handschriften hg. von Max Hecker. Bd. 1, Leipzig: Insel 1913, S. 520). 14  der Antikensaal  Zur Zeit des Briefes stellte diese Sammlung von rund 800 Gipsabgüssen aus dem Nachlass des Anton Raphael Mengs eine neue Attraktion für Dresden-Besucher dar: sie war erst 1783 in kurfürstlichen Besitz gekommen.

406

August – September 1793

14  die Bibliothek  Die Sammlungen der kurfürstlichen Bibliothek bildeten später den Grundstock der heutigen Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. 19 Körner  „Humboldts haben uns viele frohe Stunden gemacht; vorzüglich er, denn sie genießt man weniger, weil sie nur für ihre Kinder existirt. Ihn finde ich sehr liebenswürdig; er hat viel frohe Laune und einen so angenehmen Verstand, der Andere nicht drückt und incommodirt, sondern nur Freude macht“ (Dora Stock an Charlotte Schiller, Dresden, 23. IX. 1793; Ludwig Urlichs [Hg.]: Charlotte von Schiller und ihre Freunde. Bd. 3, Stuttgart: J. G. Cotta 1865, S. 16). – Humboldt nahm diesen Besuch zum Anlass, Körner seine ,Griechenskizze‘ (Altertumsstudium) mitzuteilen (Körner an Schiller, Dresden, 22. IX. 1793; NA XXXIV/1, 316). 20  seine Frau u. Schwägerin  Minna Körner und Dora Stock. 23 der Herr  Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen. 23 Atlas  Einen Atlas im engeren Sinn einer Karten- bzw. Bildersammlung zu einem bestimmten Wissensgebiet hat Adelung nicht herausgegeben. Im Sinne einer systematischen Darstellung der Herrschaftsverhältnisse und Verwaltungsorgane (anhand von Karten) aus den Quellen könnte man sein Directorium, d. i. Chronologisches Verzeichniß der Quellen der süd-sächsischen Geschichte, sofern selbige aus Geschichtschreibern aller Art und Denkmählern bestehen. Meißen: K.  F.  W. Erbstein 1802, als ,Atlas‘ bezeichnen. – „Da bestimmten ihn in Dresden, wer weiß welche Rücksichten, sich auf sächsische Geschichte zu werfen und riesenhafte Materialien für ein Unternehmen aufzuhäufen, von welchem dann doch nur einzelne Bruchstücke zu Tage kamen“ (Wilhelm Scherer in ADB I 82). 25  eine Uebersezung […] Danae an Perseus Vgl. 294/10. 28  Dionysius von Halik[arnass]  In seiner Schrift Περὶ συνϑέσεως ὀνομάτων (De compositione verborum), Kap. XXVI. 29 Brunk  Analecta veterum poetarum Graecorum. Editore Rich. Fr. Phil. Brunck. Tom. III, Argentorati, apud bibliopolas socios Bauer & Treuttel [21785]: Lectiones et emendationes in volumen I, p. 17 f. (BV – K-a; D-f). 32  meinen EumenidenChor in der MS.  Vgl. zu 246/32. – „Eine Ode aus dem Pindar, welche mir Car[oline Böhmer] zeigte, und einige Chöre des Aeschylus in der Berliner Monatsschrift; beydes von dem ältsten Humbold gefiel mir beym flüchtigen Lesen ganz vortreflich.“ (F. an A. W. Schlegel, Dresden, 27. II. 1794; KrA XXIII 185) Die Pindar-Ode wird wohl der Privatdruck von Ol. 2 gewesen sein (vgl. zu 214/57). 33  Eu […]  H hier abgerissen; der Anfang der nächsten Zeile lautet: „Ich habe einiges nach Spalding und Bu[ttmann?] […]“ Danach ist nur ein Zipfel vom Anfang der letzten 5 Zeilen zu sehen gewesen: „S […] [/] Sie, ha […] [/] keit ist […] [/] Sie […] [/] und […]“.

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Zu Brief 278  an Wolf, 4. X. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu.  655, fol.  42–43: 2½  S. (1 Bogen unbeschnittenen, groben Brief büttens) 4°, eigh., mit normalem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen, anfangs noch deutlich, zum Schluss recht fahrig beschrieben (vgl. Z. 33). – Fol. 43r sind die rechten zwei Drittel des unteren Blattdrittels abgerissen, daher ist die Adresse (fol. 43v) unvollständig. Adr. Herrn Professor W[olf,] Wohlge[bohrnen,] in H[alle]. frei. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. + Abschr. der Z. 19–31 in D1). D D1  GW V 68 f. (Z. 1–18, 32–37). – D2  Mattson 1990, 59 f.

Z. 3  Besorgung meines […] Auftrags Vgl. 277/4. 28 Miethsgeld  Nämlich für Logis, während sie auf das Eintreffen Humboldts in Burgörner wartet.

Zu Brief 279  an Löffler, 7. X. 1793 H Weimar, GSA, 21/382,3: 6 S. (1 Bogen + 1 Bl.) gr.-4°, eigh., mit breitem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; mit eher stumpfer Feder mitteldeutlich beschrieben. – Links vom Datum, von Löfflers Hand: „Humbold Wilh v.“

Z. 8 Unternehmen  Das hier beschriebene Projekt, das ohnehin nicht anders denn als Konkurrenzblatt zur ,Allgemeinen Literaturzeitung‘ rezipiert worden wäre, kam nicht zustande.

Zu Brief 280  an Brinkman, 22. X. 1793 H

D

Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen, die z. T. durch die 2. Nachschrift – kopfstehend – ausgefüllt werden; mitteldeutlich beschrieben; 1. Nachschrift in der Marge von S. 4. Leitzmann 1939, 65–68.

In diesem Brief findet der Übergang zur ,neuen‘ Orthographie statt (vgl. die Einleitung, S.  10): es heißt zwar noch unglüklich (Z.  33), aber dann wieder das gedruckte Stück […] geschickt (46); Jezt (35), aber entsetzlich (50); und statt sein/sei nunmehr seyn/sey (15, 51). Bis ca. 10. November gehört die alte Orthographie der Vergangenheit an, mit nur ganz gelegentlichen ,Rückfällen‘ (290/15, 26; 295/47, 103), die aber immer seltener werden.

408

Oktober 1793

Z. 10  in Freiberg  Von diesem Aufenthalt ist sonst nichts bekannt; der Bruder Alexander kann nicht den Grund dazu abgegeben haben, da dieser bereits im Ansbachischen Oberbergmeister war. 17  da Sie lang in Dresden waren  Im Winter 1789/90 hielt sich Brinkman u. a. in Dresden auf, „um literarische verbindungen anzuknüpfen“ (Leitzmann 1939, VIII). 43  des Stücks der Schlesischen Provinzialblätter  Möglicherweise war dies das 10. Stück (Oktober) des laufenden Jahrgangs des von K. K. Streit und Fr. A. Zimmer redigierten Organs dieses Titels, das mit dem Gedicht eines Anonymus, „An Preussens Krieger am Rhein, am Geburtstage des Königs den 25. September 1793“ eingeleitet wird (S. 277 ff.). 44  meine Bitte  Der Brief, in dem diese Bitte enthalten war, ist – für Brinkman höchst uncharakteristisch – nicht erhalten. Gab es etwa einen Grund, ihn an Gentz weiterzuschicken? 51  unter den Huronen Vgl. Neue Nürnbergische gelehrte Zeitung auf das Jahr 1793. Nürnberg: Verlag der Grattenauerischen Buchhandlung, 49. St. (18. VI. 1793), wo auf S. 385–389 das 4. bis 6. St. der ,Neuen Thalia‘ rezensiert werden. Der anonyme Rezensent wendet sich mit relativer Ausführlichkeit der „ziemlich überspannten Meinung des Verf.“ (S. 386) des Vorabdrucks aus Staatswirksamkeit zu und fasst nach wörtlichem Zitat des Grundsatzes der Schrift (II; GS I 111) die weiteren Ausführungen so zusammen: „Das Bemühen des Staats, den positiven Wohlstand der Nation zu erhöhen, die Sorgfalt für die Bevölkerung des Landes, den Unterhalt der Einwohner, theils geradezu durch Armenanstalten, theils mittelbar durch Beförderung des Ackerbaus, der Industrie und des Handels, alle Finanz- und Münzoperationen, Ein- und Ausfuhr-Verbote u. s. f., endlich alle Veranstaltungen zur Verhütung und Herstellung von Beschädigungen durch die Natur, kurz, jede Einrichtung des Staates, welche das physische Wohl (denn von dem moralischen will er in Zukunft reden) der Nation zu erhalten und zu befördern die Absicht hat, haben, wie der Verf. behauptet, nach­ theilige Folgen, und sind einer wahren, von den höchsten, aber immer menschlichen Gesichtspunkten ausgehenden Politik unangemessen.“ (S. 387) Der Rezensent folgert: „Hier ist noch mehr als Rousseau! Wir sollten also, wenn es möglich wäre, wieder in die Zeiten der Barbarei zurückekehren, oder das Glück der Huronen und Hottentotten beneiden. – Auch von der Ehe, meint er [III; GS I 119], sollte der Staat seine ganze Wirksamkeit entfernen, und dieselbe der freien Willkühr der Individuen, und der von ihnen errichteten mannichfaltigen Verträge, sowohl überhaupt, als in ihren Modifikationen, gänzlich überlassen.“ (S. 387) 59  Darbes […] Bilde  Hierüber ist nichts bekannt. 61 dem Verständigen  Sicher eine von Brinkman herrührende Namensverschlüsselung.

409

Zu Brief 281  an Körner, 27. X. 1793 H (alt) Berlin, AST D D1  Jonas 1880, 1–6 (ohne Z. 93–96). – D2  Leitzmann 1940, 1–4 (Vorlage).

Z. 23  Corpus iuris  Eine Anspielung unter Juristen. 25  die beiden moralischen Werke  Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von Immanuel Kant. Riga: J. Fr. Hartknoch 1785 (BV – A-b/c; 21786); Critik der practischen Vernunft. Ebd. 1788 (BV ebd.). 40  Kant sagt  KU, § 35 (B 146); das Zitat ist um einige erläuternde Zusätze gekürzt, aber dem Sinne nach korrekt. 63  die vier reinen Verstandesbegriffe  Die Kategorien: Quantität, Qualität, Relation und Modalität (KrV, B 106). 79  dem Declamator Schocher  Dieser war Körners Lehrer an der Leipziger Universität gewesen, und in einem Aufsatz für Schillers ,Neue Thalia‘, „Ideen über Deklamation“ (1793, 4. St., S. 101–112; wieder abgedruckt in: Christian Gottfried Körner: Ästhetische Ansichten. Ausgewählte Aufsätze. Hg. von Joseph P. Bauke, Marbach a. N.: Schiller-Nationalmuseum 1964, S. 15–23) beruft er sich ausdrücklich auf ihn (Bauke S. 16, Anm.; vgl. auch S. 132). Jonas teilt zu diesem Lemma folgende Briefstelle Körners an seinen Sohn Theodor vom 16. XI. 1810 mit: „Ich lese, daß Schochers Theorie des Deklamirens aus seinem Nachlasse erscheinen soll. […]. Schocher hatte in Ansehung der Skala und der logischen Deutlichkeit viel Gutes.“ (Jonas 1880, 171 f.) Ebd. der Verweis auf Schochers Schrift Soll die Rede auf immer ein dunkler Gesang bleiben, und können ihre Arten, Gänge und Beugungen nicht anschaulich gemacht, und nach Art der Tonkunst gezeichnet werden? Aufgegeben und beantwortet von Christian Gotthold Schocher. Leipzig: A. L. Reinicke 1791. – Die Publikation aus dem Nachlass ist wohl nicht zustande gekommen. 84  Von Schillers […] keine Nachrichten  Schillers waren Anfang August nach Schwaben abgereist (Schiller-Chronik 168); Körner hatte hingegen schon dreimal Briefe vom Freund bekommen: vgl. NA XXVI 278–290 passim. 87  Demoiselle Schwägerin  Dora Stock. 96  die Besorgung eines Korbs  D.  h., ,eines Lauf korbs für die kleine Karoline‘; vgl. 286/29.

Zu Brief 282  an Wolf, 28. X. 1793 H (alt) Berlin, AST h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 490: Abschr. von Leitzmanns Hand, 3½ auf 5 S. gr.-4°,

410

Oktober 1793

D

eigh. In H fehlte die rechte Hälfte der letzten 3 Zeilen (recto – unsere Z. 111 ff.), nach einer Zeichnung Leitzmanns in h. Mattson 1990, 60–64.

Z. 9  Anfang eines halben Jahrs  Gemeint ist das nun angehende Wintersemester. 11  Ihr Homer  Wolf 1794 (BV – K-a). 11  die Encyklopädie  Wolf hielt regelmäßig (18mal zwischen 1785 und 1823, nach Michael Bernays [Hg.]: Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, Berlin: G. Reimer 1868, S. 59, Anm. 2) Vorlesungen zur Einführung in die Altertumswissenschaft, die er wie folgt ankündigte: „Encyclopaedia philologica, in qua, orbe universo earum rerum, quibus litterae antiquitatis continentur, peragrato, singularum doctrinarum ambitus, argumenta, coniunctiones, utilitates, subsidia, denique recte et cum fructu tractandae cuiusque rationes illustrabantur“. Die spätestens seit Anfang 1791 geplante Veröffentlichung dieser Vorlesung (Wolf an K.  Fr. Conradi, Halle, 7.  II. 1791; Reiter I 93) kam erst später in komprimierter Form in Wolfs „Darstellung der Alterthums‑Wissenschaft“ zustande (in: Museum der Alterthums-Wissenschaft, hg. von F. A. Wolf und Ph. Buttmann, Bd. 1, Berlin: Realschulbuchhdlg. 1807, 1–145 (Wolf, Kl. Schrr. II 808–895); vgl. S. 3–6 und Pfeiffer II 217). 12 Tacitus  Vgl. zu 262/49. 13 Herodot  Vgl. zu 247/93. 21  χρὴ ξεῖνον […] πέμπειν Odyssee XV 74: „Man soll dem Gast, wenn er da ist, Freundlichkeit erweisen, wenn er aber will, ihn fortlassen“ (Schadewaldt). 30 Kiel  Über Wolfs Ruf nach Kiel schweigt die unmittelbare Überlieferung (vgl. allenfalls Wolf an Voss, Trotha, 23. IX. 1794; Reiter I 153, dazu III 47), aber Wolf war zu dieser Zeit auf ein solches Angebot durchaus ansprechbar; vgl. seinen Brief an J. A. Ebert, Halle, 28 IX. 1793: „wie wäre es, wenn Sie mir die Stelle des seel. Wernsdorf in H[elm]städt verschafften? Um 1000 Rthlr haben Sie mich auf den ersten Wink“ (Reiter I 147). – Später berichtete Voss, dass man Wolf als Wüstling und „grimmigen Demokraten“ dort verschrien habe und dass zu den Verleumdern Schneider gehörte (Voss an Wolf, Eutin, 2. X. 1796; Abraham Voss (Hg.): Briefe an Johann Heinrich Voß, nebst erläuternden Beilagen, Bd. 2, Halberstadt: C. Brüggemann 1830, S. 236). 37 Hyperboräern  „Die Hyperboreer, von denen zwar vielerlei Fabeln erzählt werden [vgl. z. B. Pindar, Pyth. X 30–43, Hesiod, fr. 150 (Merkelbach/West [zit. zu 296/31] = Rzach – zit. zu 296/71 – 209)], sind doch als ein historischer Volksstamm anzusehen, der tatsächlich in historischer Zeit auf einem Weg, der größtenteils durch bekanntes Land führte, Gaben nach Delos sandte, wie Herodot [IV 33] es beschreibt“ (Rose 130). Die Fabeln – wohl basierend auf die Etymologie des Namens: ,hinter dem Nordwind wohnend‘ – beschrieben sie als seliges Volk im äußersten Norden. Das Wort ist in dieser Zeit bei Wolf häufig belegt; vermutlich greift es Humboldt aus Wolfs Brief an ihn auf.

411

Zu Brief 282–283

41  κραναὴν Ιϑάκην  ,Felsiges Ithaka‘ (vgl. Il. III 201; Od. I 247, XV 510, XVI 124, XXI 346). 45 Otternbauch  Schneiders Œuvre weist auch eine Vielfalt von Schriften zur antiken Naturgeschichte auf, u. a. Νικάνδρου Ἀλεξιφάρμακα. Nicandri Alexipharmaca; seu, De venenis in potu cibove homini datis eorumque remediis carmen, cum scholiis graecis et Eutecnii sophistae paraphrasi graeca. Ex libris scriptis emendavit animadversionibusque et paraphrasi latina illustravit Jo. Gottlob Schneider […]. Halae, Impensis Orphanotrophei 1792, wo u. a. vom Otternbiss die Rede ist; vgl. Wolf an Heyne, Halle, 9. VI. 1791 (Reiter I 107; III 31). Auch bestand Schneiders Anteil an der Korrespondenz mit Humboldt offenbar hauptsächlich in Anfragen auf naturhistorischem Gebiet; vgl. 313/22, 331/22. 50  Frankfurt, Gießen […] Marburg  Genaue Zahlen der zu dieser Zeit an den Universitäten Frankfurt/O., Gießen und Marburg immatrikulierten Studenten liegen nicht vor. Friedrich Paulsens Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart (3. Aufl., hg. von Rudolf Lehmann, Bd. 2, Berlin/Leipzig: W. de Gruyter 1921, S. 129) gibt den Mittelwert für Frankfurt/O. um 1800 mit 236 an. In Gießen studierten zu dieser Zeit schätzungsweise 150 Studenten (nach frdl. Auskunft von Bibliotheksdirektor Dr. Schüling, Universitätsbibliothek Gießen), in Kiel waren es ca. 130 Studenten (vgl. Lieselotte Korscheya: „300 Jahre Universität Kiel“, in: Statistische Monatshefte Schleswig-Holstein, Jg.  17 (1965), S. 99; nach frdl. Auskunft von Oberamtsrat a. D. O. F. Wiegand), in Marburg dürften es immerhin um die 450 gewesen sein (nach frdl. Auskunft von Archivoberrätin Dr. Inge Auerbach). Halle hatte hingegen 844 Studierende im Jahre 1793 (Johann Christoph Hoffbauer: Geschichte der Universität zu Halle bis zum Jahre 1805. Halle: Schimmelpfennig 1805, S. 417), und 1790 hatte Wolf 90 bzw. 130 Hörer (Reiter 1906 – zit. zu 262/49 – S. 84, Anm. 4). – Eine wenig schmeichelhafte Schilderung des Marburger Universitätsbetriebes des Jahres 1788 ist in Humboldts Tagebuch enthalten (GS XIV 20). 72  1500 r.  In seiner Selbstbiographie schreibt Wolf, daß er in Osterode [1783] drei Rufe erhielt. „Darunter wurde, nach alter Neigung zum akademischen Leben, die an Gehalt bei weitem schlechteste zu Halle erwählt“ (Reiter II 345). Noch 1796 hatte Wolf in Halle nur 500 Taler Gehalt (an Friedrich Wilhelm II., Halle, 23. X. 1796; Reiter I 227), und 1798 schätzte er seine gesamten Einkünfte auf 1400 Taler (an E. Platner, Halle, 6. II. 1798; Reiter I 247). 77  von Berlin aus  Halle war seit dem Tode des Administrators von Magdeburg August von Sachsen‑Weißenfels 1680 in preußischen Besitz übergegangen (vgl. Gustav Frd. Hertzberg: Geschichte der Stadt Halle an der Saale von den Anfängen bis zur Neuzeit. Bd. 2, Halle: Waisenhaus 1891, S. 551).

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Oktober 1793   85  in Wöllners Haut  Woellner, der Urheber des berüchtigten Religions-Edikts vom 9. VII. 1788, gegen das Humboldt seinerzeit polemisiert hatte (vgl. 35/13, 58/97 – Bd. 1), war der für die Universitäten zuständige Minister.   88  von Ihrem Homer  Wolf 1794; Humboldt hatte offenbar die Aushängebogen zur Mitkorrektur bekommen (Z. 98).   96 ocellus  Dies ist die Alternativlesung Leitzmanns, wohl in der Nebenbedeutung ,Liebling‘ ironisch auf Heyne gemünzt. Leitzmanns Primärlesung „callus“ (Schwiele, Schwarte) ist noch dunkler.   99 Larcher  Vgl. zu 253/101. Dieser Titel fehlt in den Bücherverzeichnissen.   99  Bruncks Sophocles  Zit. zu 287/5. Bruncks Ausgaben des Sophokles und Aristophanes (Aristophanis Comoediae in Latinum sermonem conversae. t. 1–3, Argentorati, sumtibus Joh. Georgii Treuttel 1781) „bezeichnen den Beginn einer neuen Epoche in der Kritik dieser Dichter durch den entschiedenen Bruch mit der sog. Vulgata“ (Bursian I 502; vgl. auch Sandys II 395 f.). 104  nur Eine Ausgabe  Die Übersetzung Larchers war 1786 in je einer Oktav- und Quartausgabe erschienen. 107  den Band […] in dem die Euterpe ist  Larcher, Bd. 2; vgl. 284/7. Die neun Bücher von Herodots Historien tragen je einen der Namen der neun Musen als Überschrift. 110  Ruhnkens e[d]. crit.  Homeri Hymnus in Cererem, nunc primum editus a Davide Ruhnkenio. Lugduni Batavorum: S. & J. Luctmans 1780 (31782). Vgl. Bursian I 551 f. 110 Mitscherlich  Homeri Hymnvs in Cererem. Ad cod. moscov. denvo coll. Recensvit et animadversionibvs illvstravit Chr. Gvl. Mitscherlich […]. Lipsiae: Weidmann 1787. 117 Phoenissen  Die Phoinissen des Euripides. 118 Analecten  Vgl. zu 277/29. 121  μείζονα καὶ πάσσονα  ,Größer und dicker‘. 125  Er muß ja […] heraus seyn Vgl. 257/201 und 274/107 (und Anm.).

Zu Brief 283  an Veit, Oktober (?) 1793 H verschollen h (alt) Berlin, PrStB, derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Varnhagen, Kst. 270: Abschr. im Brief Veits an Rahel Levin, Göttingen, 27. XI. 1793. D Assing I 64 (mod. – Vorlage). GB II  Göttingen, 9. II. 1794 (d  ebd., 160–163; ursprünglich wohl abschriftlich am Schluss des Briefes – eod. – an Rahel). – Anscheinend wurde GB doch nicht abgeschickt; das Tb. enthält jedenfalls keinen Vermerk über den Empfang (vgl. GS XIV 240 f.); vgl. die Bemerkung am Schluss der Rahel mitgeteilten Abschrift: „Wollen Sie glauben, daß mir dieser Brief sehr viel Mühe gemacht hat?“ (d, 163)

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Zu Brief 283–284

Z.  1 Empfehlungen  „Hochwohlgebohrner Herr, [/] Hochzuverehrender Herr Legationsrath. [/] Die wiederholten Versicherungen des Herrn Hofrath Heyne, mir eine Einlage an Sie zu geben, und, wenn ich sie abfordern wollte, sie mir zu schicken, haben mich vor den Ferien vom Schreiben abgehalten; während der Ferien war ich in Hannover, und nun ich zurückkomme, mag ich nicht länger unhöflich sein, und undankbar scheinen. [/] Ich befinde mich durch Ihre gütigen Empfehlungsschreiben hier in einer so vortheilhaften Lage, als sich nur ein Studirender in Göttingen zu versprechen hat, und wenn Sie mir anders zutrauen, Herr von Humboldt, daß ich bei einem jeden Vergnügen gern an den Urheber und an die Veranlassung desselben denke, vorzüglich, wenn ich es der Güte eines Menschen zu verdanken habe, so darf ich Ihnen nicht deutlicher sagen, wie sehr ich Ihre Gefälligkeit anerkenne.“ (d, 160 f.) 4  die hiesigen Professoren  „Ich bin von den Professoren allgemein und auf eine in Göttingen seltne Art gut aufgenommen worden. Blumenbach und Lichtenberg haben mir sogleich ihre Kollegia frei angeboten, und besonders der letztere mit einer sehr feinen Art. Seit einiger Zeit sieht mich auch Blumenbach sehr liebreich an, da ich ihm den Abguß eines in Breslau befindlichen Mumienschädels verschaffte. Vorzüglich hat sich Heyne nach Ihnen erkundigt, und mich, noch ehe er Ihren Brief ausgelesen hatte, von Ihren Lieblingsbeschäftigungen unterhalten. Sie kennen ohne Zweifel seine DenkungsArt über die Originalität der Alten, und über die Unmöglichkeit einen des Originals Unkundigen durch eine Uebersetzung zu entschädigen. Von einer andern Seite ist er sehr für Uebersetzungen, da sie, nach seiner Ueberzeugung, ihren Verfasser sicherer bilden, als manche eigne Arbeit, und dem Kenner des Originals zu einem beständigen Kommentar dienen. Ich würde Ihnen diese Aeußerungen nicht geschrieben haben, da ich voraussetzen sollte, daß sie Ihnen bekannt sind, wenn er sie nicht mit einem so wichtigen Ton, und vorzüglich da er von Ihnen sprach, vorgebracht hätte. […]. [/] Richter hat mich in Ansehung Ihrer gefragt: wie lange Sie verheirathet sind? und wo Sie sich den größten Theil des Jahres über aufhalten? Nach einer Pause bot er mir seine Kollegia, halb im Scherz, für die Hälfte an; ich nahm das Anerbieten ganz scherzhaft auf, und er war zufrieden. [/] Außer dieser Immunität habe ich durch den Geheimen Hofrath Girtanner reelle Einnahme. Daß ich für ihn arbeite, wird von uns beiden als ein Geheimniß behandelt. [/] In Hannover habe ich den Dr. Stieglitz einigemal besucht, und ihn mit seiner Lage recht zufrieden gefunden. Er sagte mir, daß er seit geraumer Zeit nicht mit Ihnen korrespondirt, und darum schreibe ich es Ihnen. Sollten Sie auch von seinen Umständen genau unterrichtet sein, so hören Sie doch die Versicherung gern. [/] Sie sehen nun selbst, Herr von Humboldt, daß ich hier wirklich recht angenehm lebe“ (d, 161 f.).

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Oktober – November 1793

Zu Brief 284  an Wolf, 4. (?) XI. 1793 H (alt) Berlin, AST; H lag auch Leitzmann nicht vor (vgl. Mattson 1990, 376 f.). D D1  GW V 63 ff. (datiert 1793). – D2  Mattson 1990, 64 ff.

Datierung: Z. 7 bezieht sich auf 282/108, während 287/1 f. auf Z. 1 dieses Briefes Bezug nimmt. Dieser Brief liegt also zwischen jenen beiden. Das mutmaßliche Datum ergibt sich aus dem Posttag. Z. 2  Ihre Ed. Hom.  Wolf 1794.   4  der Plato  Vgl. zu 240/3.   4  Die Tuscul  Wollte Wolf seine Edition der Tusculanischen Gespräche (vgl. zu 262/52) neu bearbeiten?   7  die Thalia allein oder […] Melpomene  Buch  3 bzw. 4 (Larcher – zit. zu 253/101 – Bd. 3). 17  Pindarum Oxoniense  Zit. zu 266/9. 18  Hephaestion, ed. Pavo  Ἡφαιστίωνος Ἀλεξανδρέως Ἐγχειρίδιον περὶ μέτρον καὶ ποιήματος. Εἰς τὸ αὐτὸ σχόλια. Hephaestionis Alexandrini Enchiridion de metris et poemate. Cum scholiis antiquis et animadversionibus Joannis Cornelii de Pauw. Trajecti ad Rhenum: M. L. Charlois 1726. Hephaistions Schrift war die bedeutendste Zusammenfassung der Alexandrinischen Metrik; vgl. Lesky 992 f. 20  den Morell  Thesaurus graecae poeseωs; sive, Lexicon graeco-prosodiacum; versus, et synonyma (tam ad explicationem vocabulorum, quam ad compositionem poeticam pertinentia) epitheta, phrases, descriptiones, &c. (ad modum Latini Gradûs ad Parnassum) complectens: Opus, in studiosae juventutis gratiam et utilitatem, ex optimis quibusque poetarum graecorum monumentis, quae adhuc prodierunt, nunc primum constructum. Cui praefigitur, de poesi, seu prosodia graecorum tractatus autore T. Morell […]. Pars 1–2, Etonae: J. Pote 1762 (Neuaufl. bearb. von E. Maltby u. d. T. Lexicon graeco-prosodiacum 1815, 1824). 24  Die Bruncksche Ed.  Apollonii Rhodii Argonautica e scriptis octo veteribus libris quorum plerique nondum collati fuerant, nunc primum emendate edidit Rich. Fr. Phil. Brunck […]. Argentorati: Bauer & Treuttel 1780 (BV – K-a; D-f). 25 Philoctet  Von Sophokles. 40 Wolfiana  Im Archiv Schloss Tegel nicht erhalten. 44  νὺξ ϑοή Vgl. 274/55. 44  Es folgt eine Nachschrift von Karoline: „Bester Herr Professor, Ihre Briefe geben uns so wenig Hofnung Sie bald bei uns zu sehen daß ich eine Bitte mehr um Ihren Besuch nicht für unnüz halte. Wir schikken Sie wahrlich heitrer und froher und arbeitslustiger nach H. zurük und bringen Sie sich nur recht viel zu thun mit her. Sie wissen Humboldt läßt’s nicht an Ermunterung zum Arbeiten fehlen und ich will Stel-

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Zu Brief 284–287

len wie Sie’s nur wollen in dem nun auch gelesenen Homer für Sie suchen. [/] Ich sagte Ihnen gern mehr, aber meine Kleine läßt mir keine Ruhe. Tausend Empfehlungen an die Ihrigen.“

Zu Brief 285  an Körner, 8. XI. 1793 H (alt) Berlin, AST Adr. Herrn Oberappellationsrath Körner Wohlgeb. in Dresden. frei (D1, 7). D D1  Jonas 1880, 6 f. (ohne Z. 9 ff.; 15 f.) – D2  Leitzmann 1940, 4 f. (Vorlage).

Z. 1  einen Brief an Sie angefangen Br. 292.

Zu Brief 286  an Neumann, 9. XI. 1793 H

Pr.

Marbach a. N., DLA, A: Humboldt, Wilhelm von, Zugangsnr. I 564: 3¾ S. (1 Bogen) 8°, eigh., mit schmalem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen, Nachschrift links von der Unterschrift; sehr deutlich beschrieben. – Unterhalb der Unterschrift – kopfstehend – Sammlervermerk in großer Zierschrift. Dresden, 13. XI. 1793 (Vermerk am Kopf links, H).

Empfänger: Im Leerraum zwischen Datum und Textbeginn (H) steht folgender Vermerk von fremder Hand: „Wahrscheinlich an Kriegssekretär Neumann in Dresden“. Z. 14  Gegenstände der Kunst [. . .] zu sehen  Vor allem die berühmte Gemäldegalerie, die Karoline sich gewiss nicht entgehen ließ, aber auch die Antikensammlung (vgl. zu 277/14). 15  Beweis der Liebe meines Bruders  Alexander hatte einen Brief an Neumann zur Empfehlung seines Bruders geschrieben, „eines Bruders, der mich an Geist und Kenntniß weit übertrift, mit dem ich aber Wärme des Charakters und Innigkeit des Herzens theile[.] Dieser Bruder, dem ich meine ganze Erziehung verdanke, lebt jezt bloß den Wissenschaften. […]. Ein Schüler von Heyne, gebildet durch den Umgang mit Forster, Jakobi, Schlosser und Schiller, ist er seinen großen Urbildern (darf ich es sagen?) nicht ferne. So […] sollte man nicht von einem Bruder reden. Aber so ein Bruder verdient es. Sie werden ihn kennen, mich zwar nicht vergessen, aber mein Urtheil unterschreiben.“ (Bayreuth, 18. VIII. 1793; Jugendbriefe 274) 24  Der Landgraf von Hessen-Kassel Wilhelm IX., seit 1785 Landgraf.

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November 1793

Zu Brief 287  an Wolf, 11. (?) XI. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 54–57: 7 S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit großem oberem Rand und schöner Initiale am Beginn, normalem Rand auf weiteren Blättern, Nachschrift links von Empfehlungsformel u. Unterschrift; kleine Schrift, von mittlerer bis geringer Deutlichkeit. – Fol. 57v, 58r + v Randstriche bzw. Ausrufezeichen Wolfs. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 81–89 (ohne Datum). – D2  Mattson 1990, 66–71.

Datierung: Nach Br. 284 (vgl. Z. 1). Der kurze Brief 291 beginnt mit der Entschuldigung für „soviele kleine Briefe“ von Humboldt; der vorliegende kann also nicht der letzte dieser Korrespondenz vor Br. 291 sein, sondern die Anspielung gilt wohl kurzen Billets, die mit (Arznei-?)Boten (vgl. 293/2) zugestellt wurden wie z.  B. Br.  297. So muss als ungefähres Datum der Posttag zwischen Br. 284 und 291 angesetzt werden. Z. 5  Brunck, über Hom. ζ. 523.  Im Kommentar zu Oedipus Rex, v. 628, tritt Brunck für die Lesung μεϑιεῖς statt μεϑίης (Il. VI 523) ein und beruft sich dabei auf Odyssee IV 372: Sophoclis quae exstant omnia cum veterum grammaticorum scholiis. Superstites tragoedias VII. Ad optimorum exemplarium fidem recensuit, versione et notis illustravit, deperditarum fragmenta collegit Rich. Franc. Phil. Brunck […]. Vol. 1, pars 2, Argentorati, apud Joannem Georgium Treuttel 1786, p.  189. (Diese Lesung steht auch bei Monro/Allen.)   7  enallage temporis  Tempusvertauschung (Futur statt Präsens usw.). 13  ἀναστροφὴ  Die Anastrophe ist eine aus rhythmischen, poetischen oder rhetorischen Gründen vorgenommene „Umkehrung der normalen Abfolge zweier unmittelbar aufeinander folgenden Wörter“ (Heinrich Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. München: M. Hueber 1960, §§ 713–715). 14  κτίλος ὣς  Vielleicht Ilias III 196 (E. A.). 15  γλαφυρὰ επι νῆας  Recte: γλαφυράς; häufige homerische Wendung: ,zu den hohlen Schiffen‘. 15 Oxytoniren  Das Betonen auf der letzten Silbe. 25  wie die Graeculi in Alexandrien Nach Pfeiffer (I 126 f.) pflegte man in der Antike die alexandrinischen Philologen als kleinkrämerische Pedanten abzutun, und Karl Ernst Georges (Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8. verb. u. verm. Aufl. [1913/19] von Heinrich Georges. Bd. 1–2, Hannover: Hahn 1976, s. v. Graeculus) weist ausdrücklich auf diese Benennung der griechischen Philosophen und Rhetoren in Rom hin, die in den Häusern der Großen als Schmarotzer sich zu den niedrigsten Diensten gebrauchen ließen. – In einem früheren Brief an Wolf (vgl. 270/6) benutzt Humboldt das Wort scherzhaft für die griechischen Hauptschriftsteller. 26  η. 107 […] Ἀχαιῶν  So auch heute (Monro/Allen). Dazwischen setzte Wolf (1794 bzw. 1804) noch Kommata nach Ἀτρεΐδης, Ἀγαμέμνων, χειρός und ἔφατ᾿.

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Zu Brief 287

28 asyndeton  „Eine Reihe gleichgeordneter Wörter, Satzteile oder Sätze ohne verbindende Konjunktionen“ (Wilpert). Vgl. Lausberg (zit. zu Z. 13) § 709–711. 31  VII. 64 […] μελάνει […] πόντον Il. VII 63–64: οἵη δὲ Ζεφύροιο ἐχεύατο πόντον ἔπι φρὶξ [/] ὀρνυμένοιο νέον, μελάνει δέ τε πόντος ὑπ᾿ αὐτῆς; „Und wie der Westwind über das Meer einen Schauer hinwirft, [/] Wenn er sich eben erhebt, und es schwärzt sich das Meer darunter“ (Monro/Allen bzw. Schadewaldt – Hervorhebungen: Ph. M.). 36  μελάνει κύματα /. ὕδωρ /. […] ἑαυτὸν  Vgl. vorige Anm. Humboldt will ergänzen: ,[…] es schwärzen die Wellen (das Wasser) sich selbst‘. 38  γε So Wolf 1794, Monro/Allen. 39  VII. 151. […] ἔτλη […] οὐδέ τις ἔτλη: „[…] und keiner wagte es“. – προκαλίζετο (v. 150): ,er forderte heraus‘. – μαχέσασϑαι: kämpfen. V. 39 f.: „Ob er wohl einen der Danaer herausfordert, er allein, [/] Mann gegen Mann mit ihm zu kämpfen im furchtbaren Kampf “ (Monro/Allen bzw. Schadewaldt; Hervorhebungen: Ph. M.). 43  halte ich […] ausgelassen  Vgl. zu 235/49. 46  nur von 470. an  D. h.: ,Der erste Bogen fehlt mir‘ (vgl. zu Z. 170 und zu 282/88). 52  δηρὸν […]  ,Ich hätte lange Schmerzen ertragen‘. 56  τυτϑὸν  ,Ein wenig‘; hier: ,das bißchen, was übrigbleibt‘. 58  Il. V. 903 […] περιτρέφεται […] επειγόμενον  Wolf liest (1794, 1804) περιστρέφεται (,wird umgerührt‘), während der heutige Text (seit Bekker) Humboldt hier recht gibt (,wird fest‘). Hingegen heißt es v. 902 ἐπειγόμενος (,ausgedrückt‘). Wolf wollte dieses Wort offenbar auf γάλα λευκὸν (weiße Milch) anstatt auf ὀπὸς (Feigenlab) beziehen: „Und wie wenn Feigenlab weiße Milch in Eile läßt fest werden [συνέπηξεν]“ (Schade­ waldt). – Diese Stelle strich Wolf am Rande an und setzte zwei Ausrufezeichen hinzu (H). 60 gesucht  Darüber ein Fragezeichen Wolfs (H). 63  Il. VI. 148. […] Ἐπιγίγνεται  So auch Monro/Allen: „[…] und es kommt die Zeit des Frühlings“ (Schadewaldt). 65  ἡ μὲν […] ἡ δὲ Il. VI 149: ἠμὲν […] ἠδ᾿ (Wolf 1794); ἠ μέν […]ἠ δ᾿ (Monro/ Allen). 67  Il. III. 7. […] interpolation  „Und in der Frühe tragen sie voran den bösen Streit“ (Schadewaldt). Die Stelle ist in Wolf 1794 bzw. 1804 nicht eingeklammert. 68  Il. V. 394 […] Κέν μιν  Wolf 1794: καί μιν. Wolf 1804, Monro/Allen: καὶ μιν. „Damals hatte auch sie [Hera] […]“ (Schadewaldt; Hervorhebung: Ph. M.). 71  Die Stelle im Agricola  Tacitus, Agricola, 6: Vixeruntque [Agricola und seine Frau] mira concordia, per mutuam caritatem et in vicem se anteponendo, nisi quod in bona uxore tanto maior laus, quanto in mala plus culpae est (Cornelii Taciti Opera minora. Recognovervnt breviqve adnotatione critica instrvxervnt M. Winterbottom […] et R. M. Ogilvie […]. Oxonii, e typographeo Clarendoniano 1975, p. 6).

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November 1793   89 harioliren  ,Weissagen‘, ,grundlos vermuten‘; vgl. haruspex, röm. (urspr. etrusk.) Wahrsage-Priester (Vogelschau-Deuter). (U. P.)   91  α. 573. […] οὐδ᾿ ἔτ᾿  Wolf korrigierte seine Lesung von 1794 (οὐδέ τ᾿ […] ἀνεκτα […]) 1804 in: οὐδ᾿ ἔτ᾿ ἀνεκτά (so auch Monro/Allen; „und nicht mehr erträglich“: Schadewaldt).   92  β. 283 und ε. 538.  Es stehen bei Wolf 1794 bzw. 1804 sowie Monro/Allen die Relativa ὅ bzw. ἥ.   93  die Aenderung γ. 215.  οὐδ᾿ ἀφαμαρτοεπής, ἢ καὶ γένει ὕστερος ἦεν. Monro/ Allen: […] -πὴς· ὴ […].   96  ἐπ[ι]βήσομαι ε. 227.  Monro/Allen: ἀποβήσομαι, mit der hier von Humboldt zitierten Lesart des Zenodot von Ephesos.   99  β. 206 […] Interpolation  Die Stelle ist bei Monro/Allen nicht eingeklammert (v. 205 heißt es ᾧ δῶκε, statt wie bei Wolf ἔδωκε). Mit Auslassung von v. 206 würde die Stelle übersetzt lauten (nach Schadewaldt): ,[…] einer soll Herr sein [κοίρανος ἔστω], [/] Einer König, dem des krummgesonnenen Kronos Sohn dies gab‘, anstatt: „[…] dem der Sohn des krummgesonnenen Kronos [/] Stab und Satzungen gab, daß er König sei unter ihnen“ (Schadewaldt). 101  β. 254–256.  Odysseus unterbricht seine Schelte des Thersites: „Deshalb sitzt du jetzt hier und beschimpfst den Atreus-Sohn Agamemnon […]“ (Schadewaldt). Monro/Allen athetieren hier nicht. (Zum Terminus athetieren vgl. zu Z. 114.) 102  ε. 342. […] Glosse […] 341.  Il. V 341 f: „Denn sie [die Götter] essen nicht Brot, nicht trinken sie funkelnden Wein, [/] Daher sind sie blutlos und werden unsterblich genannt“ (Schadewaldt). Auch hier keine Athetese bei Monro/Allen. 105  β. 168. Il. II 167 ff.: „Und sie [Athene] schritt hin und schwang sich von den Häuptern des Olympos [/] Und gelangte eilends zu den schnellen Schiffen der Achaier, [/] Da fand sie den Odysseus“ (Schadewaldt). 107  β. 558. […] Verdacht Il. II 557 f.: „Aias aber führte aus Salamis zwölf Schiffe, [/] Und er führte und stellte sie auf, wo die Reihen der Athener standen“ (Schadewaldt). Monro/Allen: keine Athetese. 108 Eulennest  Wohl eine Anspielung auf die der Göttin Athene beigegebene Eule, da an dieser Stelle des Schiffskatalogs vom Schiff der Athener die Rede ist. 109  v. 526. Il. II 525 f.: „Und diese waren dabei, die Reihen der Phoker aufzustellen, [/] Und den Boiotern zunächst rüsteten sie sich nach links hin“ (Schadewaldt). 110  β. 670. […] Stelle im Pindar  Die Beschreibung der Schiffe der Rhodier im Schiffskatalog schließt mit dem alleinstehenden Satz: „Und ihnen schüttete unsäglichen Reichtum herab Kronion“ (Schadewaldt). – Die Stelle im Pindar (Ol. 7, 18 f.) bezieht sich auf Il. II 668, wo von den drei Siedlungen auf Rhodos die Rede ist. 112  Sage vom goldnen Regen in Rhodos  Älteste Erwähnungen Il. XIV 319; Hesiod, Aspis 216; Pindar, Pyth. 12, 11 ff. (vgl. Hyginus, Fabulae 63): Zeus besucht in Gestalt eines goldenen Regens die in einer bronzenen unterirdischen Höhle eingeschlossene Danaë,

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Zu Brief 287–289

die als Ururenkelin des Danaos Herrin von Rhodos war; Danaë gebärt dann Perseus (vgl. Rose 277). 114  ἀϑετούμενον  Ein zu Athetierendes (zu Verwerfendes); Athetese: philologischer Terminus für die Kenntlichmachung von Textpartien oder Versen, die man für unecht hält. 115  α. 423.  So bis heute. 117  εἴμι  Wolf 1794, Monro/Allen: εἰμι. 120  β. 293.  Wolf 1794, Monro/Allen: σὺν. 122  V. 160. […] Εχεμονα  Wolf änderte 1804: Ἐχέμμονά τε (so auch Monro/ Allen). 127  β. 196  Wolf 1794, Monro/Allen: δὲ. 129  προσηύδα Heute: μετηύδα (Monro/Allen); die Lesart προσηύδα stammt aus einer Handschrift im Trinity College, Cambridge. 131  α. 434. 435. […] 607. 608.  Heute stehen diese Kommata nicht. 132  β. 157.  So auch Monro/Allen. 134  β. 142.  Wolf hat diesen Vorschlag vor Drucklegung 1794 angenommen; 1804 heißt es: ὄρινεν, [/] πᾶσι; Monro/Allen: ὄρινε πᾶσι. 134 [β.] 380.  Wolf korrigierte dies im Sinne Humboldts (1804; so auch Monro/ Allen). 134  409. […] 455.  Heute ohne Komma. 141  ᾔδεε […] ἐπονεῖτο  Il. II 409: ὡς ἐποῖνετο – ,wie (er) sich mühte‘. 149  ἄστυ γ. 245.  Wolf 1804 mit, Monro/Allen ohne Komma. 151  β. 224. ε. 6. […] β. 263.  Keine Kommata bei Monro/Allen. Il. V 6 (Wolf 1794, 1804): λαμπρὸν παμφαίνεσι, λελουμένος. Die anderen Stellen hat Wolf vor der Drucklegung korrigiert. 154  neues Zeichen  Zur Kennzeichnung der Parenthese verwendet Wolf hier (1794, 1804) Gedankenstriche (Monro/Allen: Kommata). Dieses Zeichen war aber weder zu jener Zeit gänzlich unüblich (vgl. z. B. Mattson 1990, 587, zu Z. 366 der Nachschrift von Heynes Ilias-Vorlesung – Nr. 1 des Anhangs), noch ist es heute verpönt (vgl. z. B. ebd., 592, zu Z. 208 von Nr. 2 des Anhangs). Hingegen scheint Wolfs Verwendung des Ausrufezeichens für Imperative (vgl. zu 270/142) eine – allerdings kurzlebige – „Neuerung“ gewesen zu sein, die Humboldt jedoch nicht erwähnt. 156  ϑαῦμα ἴδεσϑαι  Recte: ἰδέσϑαι: ,ein Wunder zu schauen‘ (häufige griechische Wendung). (U. P.) 156  α. 459. […] 541. […] ε. 87.  Alle Stellen auch so bei Monro/Allen. 158 Druckfehler  Wolf hat keinen dieser Vorschläge (nur der erste entspricht Monro/Allen) übernommen; IV 392 heißt heute: ἂψ ἄρ᾿ἀνερχομένῳ (die Supplierung des ἄρ᾿ geht auf Bentley zurück).

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November 1793

167  interims Ed. der Od.  Homeri Odyssea et Batrachomyomachia. In usum scholarum et praelectionum. Editio altera priore emendatior. Halis Sax., in Orphanotropheo 1794. (Erst aus dem Vorwort an den Leser geht Wolfs Herausgeberschaft hervor.) 177  alle neuern Werke Kants  Es war dies Humboldts dritte und wohl gründlichste Auseinandersetzung mit Kants Kritizismus; vgl. zu den ersten beiden Kantstudien zu 31/24 bzw. 58/27 (Bd. 1). Diesmal war die neue Bekanntschaft mit Körner das auslösende Ereignis; vgl. Br. 281.

Zu Brief 288  an Brinkman, 15. XI. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, eigh., mit normalem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; mit stumpfer Feder hastig und wenig deutlich beschrieben. D Leitzmann 1939, 68.

Z. 10  vor Ihrer Reise nach Schweden  Im November 1790; vgl. Br. 159 (Bd. 1). 10  in Ihren Phantasien  Diese Gedichtsammlung ist wohl nicht überliefert.

Zu Brief 289  an Hemmerde & Schwetschke, 15. XI. 1793 H

Rsp. D

Berlin, Volker Hesse: 1¾ S. 4°, von Schreiberhand, ab Z. 17 eigh.; mit großem Rand, ohne nennenswerte Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 10 Leerzeilen, weitere 3 zwischen Textende und Z. 16, links davon die eigh. Nachschrift, weitere 6 Leerzeilen bis Z. 17; auf dem Verso diverse Notate des Empfängers – von derselben Hand wie Br. 258! 7. Dez. (H, Verso). Fa. J. A. Stargardt, Kat. 539 (Marburg 1958), Nr. 1793 (Reg. – Empf.: Buchhändler).

Was in Humboldts Dienstjahren eine häufige Erscheinung war und im Alter zur Regel wurde, liegt hier als rätselhaftes Unikum vor: eine Ausfertigung von Schreiberhand. Der nicht identifizierbare Schreiber erlaubte sich sogar stilistische Freiheiten wie die Formulierung in Z. 3 („[…] vermelde […] Folgendes in Antwort“), die niemals aus Humboldts Feder geflossen wäre. Z.  4  Ovids Metamorphosen  Als Theil  3 der Encyclopädie der lateinischen Classiker, hg. von J. H. A. Schulze u. a., Th. 1–25, Braunschweig: Schulbuchhdlg. 1790–1801, war

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Zu Brief 289–291

eine von Köppen und Meinecke besorgte Auswahl aus Ovids Metamorphosen 1791 erschienen.   7 Adelungs Wörterbuch  Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, von Johann Christoph Adelung […]. Th.  1, 2., verm. u. verb. Ausg., Leipzig: J.  G.  I. Breitkopf u. Comp. 1793. Der Titel ist in den Bücherverzeichnissen nicht enthalten.   8  halb Eng[lisch]  D.  i. Halbpergament. Zu Buchbindezwecken wurde entweder sog. englisches oder römisches Pergament verwendet. Jenes war dünner, weißer und glatter als dieses und daher auch leichter zu verarbeiten; vgl. L. Brade’s Illustriertes Buchbinderbuch. Ein Lehr- und Handbuch der gesammten Buchbinderei unter besonderer Berücksichtigung aller in das Buchbinderfach einschlagenden Kunsttechniken. 4., vollst. neu bearb. Aufl. von Hans Bauer […]. Halle a. S.: W. Knapp 1904, S. 186. 10  die […] Horazischen Oden  Th.  4 der zu Z.  4 angeführte ,Encyclopädie‘, hg. von Köppen. 13 Wieland  Vgl. zu 259/6. 19  in Herders zerstreuten Blättern  Zerstreute Blätter von J. G. Herder. Erste Sammlung. Gotha: C. W. Ettinger 1785 (BV – A-b/c).

Zu Brief 290  an A. W. Schlegel, 16. XI. 1793 H Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. e.90, XIX, Bd. 11, Nr. 56: 4 S. (1 Bogen) 8°, mit schmalem Rand, größerer Initiale; mitteldeutlich beschrieben. D Anton Klette: Verzeichniss der von A. W. v. Schlegel nachgelassenen Briefsammlung. Nebst Mit­ theilung ausgewählter Proben des Briefwechsels mit den Gebrüdern von Humboldt, F. Schleiermacher, B. G. Niebuhr und J. Grimm. Bonn: M. Cohen & Sohn 1868, S. IV f. – krit.

Z.  4  eine so glückliche Wendung  Die Entlassung Caroline Böhmers aus der Gefangenschaft (vgl. zu Z. 7). 6  die ehrenvollste  Nicht nur die Gefangenschaft, sondern auch die Ungewissheit über die Langzeitwirkung ihrer Lage auf ihren gesellschaftlichen Ruf erhöhten den qualvollen Zustand der Haft: „Schuldig bin […] ich gewiß nicht – ich theile den ausgezeichnet bittern Haß, den man auf F[orster] geworfen hat.“ (Caroline an Gotter, [Königstein], 1.  V. [1793]; Waitz 118) – Zum Schluss wurde sie lediglich als Geisel bezeichnet, und das Reskript des Königs Friedrich Wilhelm II. hebt hervor: „Es ist ganz und gar nicht Mein Wille, daß schuldlose Personen das verdiente Schicksal der Verbrecher theilen sollen“ (an Philipp Michaelis, Im Lager bei Marienborn, 4.  VII. 1793; ebd., 129, Anm. 2).

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November 1793   7  der Weg, den der Bruder eingeschlagen hat  „Mein jüngster Bruder [Dr. med. Philipp Michaelis] eilte auf die Nachricht meiner unglücklichen Lage aus Italien herbey, um mir beyzustehn. Er ist in Frankf[urt] sehr thätig.“ (Caroline an Gotter, [Kronenberg], 30.  VI. 1793; Waitz 128) „Phil[ipp] schickte dem König eine gut unterstüzte Bittschrift“, und diese war erfolgreich: „[I]ch bin frey durch die unabläßigen und edlen Bemühungen meines jüngsten Bruders“ (desgl., [Frankfurt], 13. VII. 1793; ebd. 128 f., mit Abdruck der entsprechenden Reskripte Anm. 2). 13  die drei Briefe  „Ich sandte Ihnen einen Brief für Humbold [vgl. zu 268/8] – einen zweyten öffentlichen – einen dritten, das nur ein paar Zeilen seyn mochten.“ (Caroline an Gotter, [Königstein], 12. V. 1793; Waitz 118 f.) 15  die […] Kälte meiner Antwort  „Vorgestern kam Ihr Brief und die Einlage von Humbold [vgl. zu 265/2] – der sich doch des hofmännischen Tons nicht enthalten kan – vielleicht weil er glaubte, sein Schreiben käme nicht ungesehn zu mir.“ (Caroline an Gotter, [Königstein], 16. V. [1793]; Waitz 120) 51  Die praktische Vernunft […]  Diese Ausführungen sind zwar dem Anschein nach kantisch (vgl. allenfalls KpV 162, KU 292 f. [§ 65]), aber hier spricht Humboldt neuerlich den eigenen Bildungsgrundsatz aus: vgl. Staatswirksamkeit, II (GS I 106).

Zu Brief 291  an Wolf, 18. XI. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 44–45: 3 S. (1 Bogen) 8°, eigh., mit engem Rand, Ini­ tiale, zwischen Datum u. Textbeginn 3 Leerzeilen; klein, offenbar hastig und wenig deutlich beschrieben. – Fol. 44v am Rande minimal textverlustig verklebt, fol. 45r in der waagerechten Faltstelle geringfügiges, leicht zu supplierendes Loch im Text (Z. 34). h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 69 ff. – D2  Mattson 1990, 71 f.

Z. 29 Gedicke Vgl. 262/170. 31  Spaldings Commentar  Seine Hallenser Dissertation: Vindiciae philosophorum Megaricorum tentantur, subjicitur commentarius in priorem partem libelli de Xenophane, Zenone et Gorgis […]. Halae 1792. 37 Aristoteles  Diese – der Autorität Wolfs gegenüber eher vorgeschützte – ,Unkenntnis‘ hinderte Humboldt früher nicht, sich gelegentlich auf den Stagiriten sogar durch wörtliches Zitat zu berufen: vgl. 210/208.

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Zu Brief 292  an Körner, 19. XI. 1793 H (alt) Berlin, AST D D1  Jonas 1880, 7–12 (ohne Z. 96 f.). – D2  Leitzmann 1940, 5–8 (Vorlage).

Z. 4  nach dem sonderbaren Besuch Vgl. 285/2 (vom 8. Nov.).   5  an […] Flüssen  Vgl. zu 293/7. 52  Theorie der Bildung des Menschen  Auf Grund dieser Briefstelle hat Leitzmann das unbetitelte Aufsatzfragment, den er seinerzeit im Tegeler Archiv vorfand und dessen Niederschrift er sicher mit Recht in diesen Wochen vermutet, mit dieser Überschrift versehen: GS I 282–287, dazu S. 434. 59  eine philosophische Geschichte der Menschheit  Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von Johann Gottfried Herder. Th. 1–4, Riga/Leipzig: J. Fr. Hartknoch 1784–1791 (BV – A-b/c: Th. 3–4 der Quartausgabe). 70  aus Faktis Philosophie zu ziehen  Rückblickend kann man diese Forderung zum Leitsatz von Humboldts ganzem wissenschaftlichem Œuvre erklären. Selbst die weniger geglückten Arbeiten darunter, etwa jene zum Nationalcharakter, waren beispielsweise auf eingehender Analyse mittelalterlicher Plastik begründet („Musée des petits Augustins“; GS II 345–376), die aber nur sehr fragwürdige Schlüsse erlaubten. Hingegen ragt Humboldts Sprachphilosophie weit über die der Zeitgenossen hinaus, weil sie von einer Fülle empirischen Materials untermauert war. 83 Klassen  Hier, wie übrigens im ganzen Brieftext, werden Ideen und Gedankengänge wieder aufgegriffen, die im Brief an A. W. Schlegel von nur wenigen Tagen zuvor (290/35 u. ö.) bereits formuliert wurden. 97 Zwieback Vgl. 285/10.

Zu Brief 293  an Wolf, 28. XI. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 46: 2 S. 4°, eigh., abwechselnd von Wilhelm und Karoline beschrieben; Recto mit normalem Rand, 5 Leerzeilen zwischen Datum und Textbeginn, Verso mit geringem Rand; Humboldts Schrift zunehmend fahrig und undeutlich, Karolines hingegen recht deutlich. Kleine Risse an der senkrechten Faltstelle. – Auf dem Recto redaktionelle Bleistiftnotiz Brandes’ (gedruckt als Anm., D1, 71). h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 71 f. – D2  Mattson 1990, 73 f.

Z. 7 Flußfieber  Gemeint ist wohl nicht das ,rheumatische Fieber‘, sondern die seinerzeit als Febris catarrhalis (Grimm s. v. Flußfieber) oder Katarrhfieber bzw. Blitz­

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November – Dezember 1793

katarrh bezeichnete Influenza (Erwin H[einz] Ackerknecht: Geschichte und Geographie der wichtigsten Krankheiten, Stuttgart: F. Enke 1963, S. 66 f.; vgl. auch Höfler 140). 31 Hannchen  Wolfs älteste Tochter Johanna. 31 Philoctet  Von Sophokles; vgl. 284/25. 34  ein griechisch Buch  Die anschließenden Briefe schweigen darüber, welches Buch Wolf für Karoline besorgt hat.

Zu Brief 294  an Wolf, 5. XII. 1793 H

h D

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 40–41: 3 S. (1 Bogen), 4°, eigh., mit großem Rand (vor allem fol. 40r oben), kleiner Initiale; flüchtig, wenig deutlich beschrieben, die Versstellen in säuberlicher, lateinischer Schönschrift. Die Nachschriften, die noch vor der Unterschriftleistung geschehen zu sein scheinen, stehen nebeneinander: zunächst kam wohl die Frage nach dem Diodor (Z. 52, in der linken Blatthälfte), danach dürfte die „NB.“ (Z. 53) geschrieben worden sein (unten links ausgerückt) und erst zum Schluss die in der rechten Blatthälfte stehende Bitte um die Besorgung von Kinderschuhen (Z. 55–59; Brandes hat diese mit Bleistift durchgestrichen). Alle drei Nachschriften sind durch einen zuerst senkrechten, dann schräg nach links und nach unten verlaufenden Strich voneinander getrennt. – Fol. 41r (unsere Z. 55 ff.) wurde beim Erbrechen des Siegels am rechten Rand textverlustig eingerissen. – Fol. 40r, oben Mitte, von Körtes Hand (Tinte): „1793“, außerdem redaktionelle Bleistiftvermerke Brandes’ passim. Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D1  GW V 65 ff. (ohne Datum; ohne Z. 55–59). – D2  Mattson 1990, 74 f.

Datierung: Das Jahr ergibt sich aus der Anspielung auf die Anzeige der geplanten Diodor-Ausgabe (vgl. zu Z. 52). Z.  10–29  Da nun rauschend […]  Das sogenannte Danaë-Fraginent des Simonides aus Keos (fr. 13 D): Danaë, die Mutter (durch Zeus, vgl. zu 287/112) des Perseus, ist mit dem Sohne von ihrem Vater Akrisios in einer Kiste ins Meer geworfen worden. In GS (VIII 248 f.) ist eine revidierte Fassung der Übersetzung abgedruckt (nach dem Erstdruck in Flora. Teutschlands Töchtern geweiht […], [Hg. von Ludwig Ferdinand Huber]. Tübingen: Cotta 1796, 1. St., S. 183). – Heute liegt eine weitere Fassung vor, die Leitzmann offenbar unbekannt war (H [1976]: Berlin, Herbert Adam), deren Orthographie sie in die Zeit vor unserem Brief weist. Sie stimmt im Wesentlichen mit der Fassung im Brief an Wolf überein, enthält aber einige Alternativlösungen, die wohl nicht alle späteren Datums sind und z. T. im Druck 1796 (hier: d) berücksichtigt wurden: v. 1 f.: „[… ] Sturm den künstlichen Kasten [/] rings umbrauste“ (d); v. 4 f.

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Zu Brief 294–295

„[…] Perseus [/] den verlangenden Arm“ (d); v. 7 f., statt „[…] Harms, vom [/] Erze geschmiedet […] durchleuchtend“: „Harms, – der erzgeschmiedeten, nächtlich leuch­ tenden –“; v. 18–20, vor der Fassung des Briefes, dann durch diese ersetzt: „Des Vaters Rathschluss Vertilgung gewähre mir, [/] waltender Zeus, und wenn zu kühn ich zu Dir sprach, [/] o! so fleh’ ich, um Perseus vergieb mir!“; die anschließende Fassung (jene des vorliegenden Briefs) wurde dann auch gestrichen und v. 18 durch folgende Version ersetzt: „Des Vaters Rathschluß sinke vereitelt von Dir“ (= d); die ursprüngliche Fassung von v. 19–20 wurde dann, leicht abgeändert, in d übernommen. – Die mehrfache Umänderung des Schlussgedankens ist ein Indiz für die textliche Unsicherheit des Gedichts. Vgl. die Prosaübersetzung Hermann Fränkels: „Eine Wendung möge erscheinen, Vater Zeus, von dir gesandt. Wenn ich dreist bete und zu anspruchsvoll, vergib mir“ (Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts. München: C. H. Beck 1962, S. 360). 32–44  Der beste Arzt […]  Der Anfang der 4. Nemeischen Ode (GS VIII 104). 46  einen […] Kommentar  Scil. über den Gedanken: ,Länger lebt, als Taten, das Wort […]‘. Vgl. an Karoline, Heidelberg, 14. XII. 1813, anlässlich eines Besuchs bei Familie Voss, wo viel vom Übersetzen die Rede gewesen war: „Ich bleibe immer dabei, […] ein guter Vers lebt ewig, wenn Kriege und Friedenschlüsse vergehen“ (Sydow IV 197). – Die Anekdote, nach der Humboldt wenige Wochen davor zu Gottfried Hermann bei der Besichtigung des Leipziger Schlachtfelds bemerkt haben soll, „Ja sehen Sie, Liebster! Reiche gehen zugrunde, wie wir hier sehen, aber ein guter Vers besteht ewig“, wurde durch Treitschke verbreitet (Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1, Leipzig: F. W. Hendel 1928, S. 326), der sich auf eine Notiz Welckers beruft (die sich in seinem Handexemplar von Hayms Humboldt-Monographie – R[udolf] Haym: Wilhelm von Humboldt. Lebensbild und Charakteristik. Berlin: R. Gaertner 1856 – gefunden hat); Treitschkes Quelle war sicher Haym selbst, in dessen Besitz Welckers Handexemplar nach seinem Tod überging (Albert Leitzmann: Zu Rudolf Hayms Biographie, in: Archiv f. d. Stud. d. neueren Sprachen und Literaturen, Bd. CXXXIII [1915], S. 403). Welcker seinerseits muss die Anekdote auf eine bisher nicht zu ermittelnde Weise von seinem Erzrivalen Hermann erfahren haben. 52 Diodor  Wolf hatte seit 1790 eine Neuausgabe des Diodorus Siculus geplant (Reiter III 122), die Teil einer als Konkurrenz zu den Editiones Bipontinae (vgl. zu 240/22) gedachten „Bibliotheca Graeca“ sein sollte. 1791 wollte er sie bis 1793 herausbringen (an Bertuch, [Weimar], 9. V. 1791; Reiter I 105). Schütz, der an der Planung dieser Reihe beteiligt war (ebd., I 109), rückte eine Anzeige ins Intelligenzblatt seiner ALZ (Nr. 121 vom 13. XI. 1793) ein, wonach „mit nächsten der erste Band erscheinen“ sollte (Sp. 698). Unter den 7 (!) erhaltenen Briefen Wolfs aus diesem Jahr ist keiner an Schütz; eine Erklärung für das Unterbleiben der Ausgabe dürfte aber in der inzwischen ausschließlichen Beschäftigung mit der Homerausgabe zu vermuten sein.

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Dezember 1793

Zu Brief 295  an Brinkman, 19. XII. 1793 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 6¾ S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; offenbar hastig und wenig deutlich beschrieben. – Nachschrift links neben der den Seitenrest ausfüllenden Empfehlungsformel/Unterschrift. D D1  Spranger 1909, 52 (Reg.), 246 (Z. 93–101). – D2  Kaehler 1927, 484, Anm. 3 zu S. 133 (Z. 83 f., 86 ff.). – D3  Leitzmann 1939, 69–73.

Z. 61 Menschenverachtung Vgl. 237/20, 250/23. 71  die Klopstockischen Gespräche  Grammatische Gespräche von Klopstock. Altona: J. H. Kaven 1794. 73  ein Buch  Wohl Gentz’ Bearbeitung: Mallet du Pan über die französische Revolution und die Ursachen ihrer Dauer. Uibersetzt mit einer Vorrede und Anmerkungen von Friedrich Gentz. o. O. 1794. 77  weiß er den […] Studien alles übrige aufzuopfern  Im Anbetracht des vorher Ausgeführten (vgl. z. B. Z. 39 ff.) wäre hier wohl zu ergänzen: ,im Gegensatz zu Ihnen, lieber Freund‘. 83  die gräslichen Scenen  Die Hinrichtungen der Schreckensherrschaft in Paris. 96  Herders Ideen 4. Th.  Zit. zu 292/59. 97  Gesch. des Christenthums  ,Ideen‘, Buch 17 (SW – zit. zu 235/31 – XIV 292–341). 98  Gesch. der Araber  ,Ideen‘, Buch 19, Kap. 4–5 (ebd., 424–444). 99  daß alle Blüthen welken  Gemeint ist wohl die Stelle VII 1, die allerdings im 2. Teil der ,Ideen‘ steht: „Der ganze Lebenslauf eines Menschen ist Verwandlung; […] so ist das ganze Geschlecht in einer fortgehenden Metamorphose. Blüthen fallen ab und welken; andre sprießen hervor und knospen: der ungeheure Baum trägt auf einmal alle Jahrszeiten auf seinem Haupte.“ (SW XIII 253 f.) 101  die 4. 5. Samml. zerstreuter Blätter  Zerstreute Blätter von J. G. Herder. Vierte [Fünfte] Sammlung. Gotha: C. W. Ettinger 1792 [1793]. Die 4. Sammlung wird von einer Reihe Gedichte mit der Sammelüberschrift „Blumen, aus morgenländischen Dichtern gesammlet“ eingeleitet (SW XXVI 370–405). 102  Tithonus u. Aurora  Der Aufsatz „Tithon und Aurora“ schließt die 4. Sammlung der ,Zerstreuten Blätter‘ ab (SW XVI 109–128). 103  von – gemachten Blumen  Thema des Aufsatzes ist der unterschiedliche und sich über die Jahrhunderte verändernde Entwicklungsgang der Völker, wobei immer wieder von Blüte bzw. Auflösung die Rede ist (z. B. S. 125). 105  durch [. . .] 50 [. . .] Briefe  Hiervon sind höchstens 10 überliefert. 113 Wolf  F. A. Wolf war Humboldts Einladung zu einem Besuch (vgl. 294/3, 51) gefolgt und fuhr mit der 9-jährigen Tochter Johanna (vgl. 296/84, 298/26, 299/12) Mitte Dezember in Burgörner vor.

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Zu Brief 296  an Wolf, ca. 20. XII. 1793 H

h D

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 10–12: Fragment, 5¾ S. (1 Bl. + 1 Bogen) 4°, eigh., mit recht breitem Rand; anfangs deutlich, auch später noch deutlich beschrieben; Nachschrift links zwischen Empfehlungsformel und Unterschrift, randschriftlicher Zusatz fol.  12r, im Text durch [(]Text[)] gekennzeichnet). – Fol. 11v und 12r knappe Marginalien Wolfs. – Brandes hat mit Bleistift den ersten, unvollständigen Absatz fol.  10r durchgestrichen und die Nachschrift fol. 12v eingekreist. – Die entsprechende Eintragung in Humboldts Verzeichnis dieser Korrespondenz (vgl. zu 270/H, h) beweist, daß der Brief auch Humboldt (und Körte) in dieser fragmentarischen Form vorlag. h1  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488: D-Koll. in D2. – h2  ebd.: Abschr. des fragmentarischen Beginns auf hinterem Vorsatzblatt von D2. D1  Körte I 276  f: Z.  9–21, datiert Jan. 1793. – D2  GW V 12–15: Z.  9–91, ohne Datum. – D3  Mattson 1990, 75–78.

Datierung: Vgl. 297/4. Z. 9  Die Idee Ihres Homers  Wolf muss während seines kurzen Besuchs Mitte Dezember (vgl. 295/113) seine Ideen über die Entstehung der homerischen Epen im Zusammenhang mit der neuen Homerausgabe (Wolf 1794) erläutert haben. 10 Kant  Vgl. KrV, B 371. 12  ein Canon alles Edirens  Eine Frucht der von Wolfs bereits hier sich ankündigenden ,Prolegomena‘ neu angefachten – oder durch sie erst richtig ins Rollen gebrachten – und danach lang anhaltenden Diskussion der ,homerischen Frage‘ war die Erkenntnis, dass die textkritischen Schlüsse, die Wolf aus dieser Frage zog, den wesentlichen Beitrag dieser Schrift darstellte: „Der Hauptwert der Prolegomena liegt gar nicht in der Homerischen Frage, die längst aufgeworfen war, sondern in der Erschließung der Scholien, also der Geschichte des Textes“ (Wilamowitz 48). Die ,Prolegomena‘ enthielten „den ersten methodischen und sicher gegründeten Versuch der Geschichte eines antiken Textes […]. Er [Wolf] kam zu dem Schluß, daß es unmöglich wäre, den Text, wie er aus der Hand des Autors kam, zu rekonstruieren, daß man aber versuchen könnte, den ,Alexandrinischen‘ Text wiederherzustellen“ (Pfeiffer II 215). 15  Der Gedanke über die Urheber der Homerisch genannten Gedichte  Die Hauptthese von Wolfs 1795 erschienenen ,Prolegomena ad Homerum‘ (vgl. zu 333/4) ist, dass die homerischen Epen aus zusammengetragenen Einzelgesängen verschiedener Rhapsoden bestehen. 22  Die Arbeit mit dem Hesiodus  Anlässlich des Besuchs Wolfs ist offenbar vereinbart worden, dass Humboldt einen von Wolf vorbereiteten Text von Hesiods Ἔργα καὶ Ἡμέραι (oder vielleicht nur einen emendierten Text Loesners? – vgl. zu Z. 35) mit anderen Ausgaben vergleichen und mit eigenen kritischen Bemerkungen versehen sollte.

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Dezember 1793

31  Μ. Πιερίηϑεν,   Diese Interpunktion stimmt mit dem heute gültigen Text überein: Hesiodi Theogonia, Opera et Dies, Scvtvm edidit Friedrich Solmsen; Fragmenta selecta edidervnt R. Merkelbach et M. C. West. Oxonii, e typographeo Clarendoniano 1970. 35  ὅντε […] φατοί τε· Solmsen: ὅν τε […] φατοί τε, 35 Loesner  Hesiodi Ascraei qvae exstant ex recensione Thomae Robinsoni cvm eivsdem Ios. Scaligeri, Dan. Heinsii, Francisci Gvieti et Iohannis Clerici notis, Ioh. Georgii Graevii lectionibvs Hesiodeis et Danielis Heinsii introdvctione in doctrinam Opervm et diervm. Accesservnt varietates lectionis mss. et edd. vett. scholiaqve inedita itemqve Dav. Rvhnkenii animadversiones cvm aliorvm selectis cvrante Chr. Frid. Loesnero. Lipsiae, svmtv Gotth. Theophili Georgi 1778 (2Regiomontani: Unzer 1787), S.  241 (BV – Ac/D-f/K-a). 36  V. 4.  Heute schließt dieser Vers die erste Satzperiode ab (Solmsen). 37 Graeuius  Vgl. Loesner 506. Die Übersetzung (S.  241) lautet: „Nobiles ignobilesque, Jouis magni voluntate.“ 38  ὅντε διὰ  V. 3; vgl. zu Z. 35. 41  ῥέα Loesner: ῥεῖα; Solmsen: ῥέα. 41 Synizesis  Die Synizese ist die Verschmelzung zweier aufeinanderfolgender, doch verschiedenen Silben angehöriger Vokale zu einer diphthongischen Silbe (Wilpert); vgl. Lausberg (zit. zu 287/13), § 492. 42  Schol. d. Hephaestion  Vgl. zu 284/18. 45  V. 6.  Loesner: Punkt; Solmsen: Komma. 46  V. 7.  Loesner, Solmsen ohne Komma. 49  οὕ  οὔ (Solmsen). 49  βροτός  Loesner: […] βροτὸς; Solmsen wie hier. 51  V. 15. […] 16.  Loesner, Solmsen an beiden Stellen ohne Komma. 53  – 17.  Loesner mit, Solmsen ohne Komma. 54  ἐρεβεννὴ  Loesner: Gravis; Solmsen: Akut. 55  – 19. Solmsen: γαίης [τ᾿]ἐν ῥίζῃσι; Loesner: γαίης ἐν […]. 57  – 20. Loesner: ἀπάλαμνόν περ; Solmsen: ἀπάλαμόν περ. 57  Hephaest. p. 5.  Enchiridion, [12]. (Hephaistionis Enchiridion cum commentariis veteribus edidit Maximilianus Consbruch. Accedunt variae metricorum Graecorum reliquiae. Lipsiae, in aedibus B. G. Teubneri 1906, p. 5.) 59  – 21.  Loesner, Solmsen ohne Komma. 59  Alium intuens, diuitem scilicet  Loesners Übersetzung dieser Stelle lautet: „Alium enim quispiam intuens opere vacans [/] Diuitem, […]“ (p. 246). 60  – 22.  Marginalie Wolfs: „ja doch“ (H); Loesner mit, Solmsen ohne Komma. 61  V. 21–23  Οὗτος ist als vorgeschlagene Emendation Humboldts zu verstehen und steht in keinem Text an dieser Stelle; Solmsen: ἴδεν.

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Zu Brief 296–299

65 Hiate  Ein Hiatus ist ein – in der griechischen Prosodie verpöntes – Aufeinandertreffen zweier Vokale am Ende des einen und am Anfang des nächsten Wortes, hier: ἐπὶ ἔργον, v. 20. 65  εἴξας  Marginalie Wolfs: „Il. ω. 43.“ (H). – Der ,Hiatus‘ kommt hier allerdings nur über den Zeilenbruch hinweg zustande: ϑυμῷ [/] εἴξας. Dies ist jedoch nicht weiter ungewöhnlich; allein in den ersten 100 Versen dieses Gesangs sind weitere fünf Fälle zu registrieren: v. 1 f., 25 f., 37 f., 51 f., 81 f. 66  V. 23.  Loesner, Solmsen: Semikolon. 66  völliges Punkt  Vgl. Z. 35. Das Wort Punkt als Neutrum, in Bedachtnahme auf den lateinischen Ursprung (punctum), ist bei Grimm (s. v.) belegt. 67  V. 24.  Bei Loesner, Solmsen nicht eingeklammert. 70  V. 28  Loesner, Solmsen: Μηδέ. 71  – 30.  Die Lesart ὥρη geht auf den Codex Laurentianus Mediceus (12. Jh.) zurück, in dem sie durch eine spätere Hand (14./15. Jh.) zu ὤρη korrigiert worden ist (Esiodo: Le Opere e i giorni, recognovit, brevi adnotatione critica instruxit, italice reddidit Aristides Colonna, Milano: Ist. ed. ital. o. J. [Classici greci e latini, sezione testi e commenti, (vol.) 4], p. 18 f.; vgl. auch Hesiodi Carmina, accedit Homeri et Hesiodi certamen recensuit Aloisius Rzach. Lipsiae: B. G. Teubneri 1902). Keine modernere Ausgabe (inkl. Loesner) übernimmt diese Lesart. 73  V. 31. Loesner: Ωἷ τινι; Solmsen: ᾧτινι. 74  – 32.  Bei Loesner, Solmsen nicht eingeklammert. Hier bedient sich Humboldt des ,neuen Zeichens‘ Wolfs; vgl. zu 287/154. 75  – 34.  Loesner: Komma; Solmsen: Punkt. – δεύτερον übersetzt Loesner mit amplius. 76  – 39. Loesner: τὴν δε; Solmsen wie hier. 76  ἐϑέλουσι δικάσσαι  Loesners Übersetzung dieses Versteils lautet: „qui hanc litem volunt iudicasse“ (p. 250). 79  V. 40  Loesner: Semikolon; Solmsen: Komma. 80  – 48.  ἀγκυλομήτης (Loesner, Solmsen). 88  Dorvills vannus critica  Critica Vannus in inanes Joannis Cornelii Pavonis paleas [,Kritische Getreideschwinge gegen De Pauws hohle Spreu‘]. In qua Plurimi Scriptores cum veteres, tum recentiores explicantur, emendantur, vindicantur. Cum Epilogo & indicibus necessariis. Amstelaedami, apud Janssonio-Waesbergios 1737. (D’Orvilles Name steht nicht auf dem Titelblatt.) 92 Hausexemplar?  Wohl des Larcher.

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Dezember 1793 – Januar 1794

Zu Brief 297  an Wolf, um 21. XII. 1793 H

Adr. D

Berlin, StB PKB, Wolfiana XXXI, 20: oberer Teil eines abgerissenen Quartbogens, den Wolf als Makulatur für eigene Notizen verwendet hat; 6 Z. Text + Adr., mit breitem Rand, ohne nennenswerte Initiale, mitteldeutlich beschrieben. Herrn Professor Wolf, Wohlgeb. Mattson 1990, 78.

Datierung: einen Tag nach Br. 296.

Zu Brief 298  an Wolf, 30. XII. 1793 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 47: 1¾ S. 4°, eigh., mit größerem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 7 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben; Nachschrift – von Brandes mit Bleistift durchgestrichen – links von der Unterschrift. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 72 f. (ohne Z. 26). – D2  Mattson 1990, 78 f.

Z.  3  in Halle  Humboldt hatte offenbar um Weihnachten Wolf in Halle besucht. Der Donnerstag, von dem Z. 7 die Rede ist, kann nur der 26. Dez. sein.   9 Eust.  Von Eustathios gab es auch einen Pindar-Kommentar, von dem allerdings nur die Einleitung erhalten ist: Eustathii Opuscula. Accedunt Trapezuntinae historiae Panaretus et Eugenicus. E codicibus mss. basileensi, parisinis, veneto nunc primum edidit Theophil. Lucas Frider. Tafel […]. Francofurti ad Moenum, sumptibus S. Schmerber 1832, p. 53–61. 16 Heph.  Hephaistion, Enchiridion [21] (Consbruch – zit. zu 296/57 – 9). 18  den folgenden Theil des Larcher  Wohl das 5. Buch (Terpsichore; Larcher, Bd. 4).

Zu Brief 299  an Wolf, 1. I. 1794 H (alt) Berlin, AST h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 493: Abschr. von Leitzmanns Hand, 1 S. + 3 Z. gr.-4°. D Mattson 1990, 79 f.

Datierung: Das Jahr ergibt sich aus dem Neujahrsgruß Z.  35; vgl. das Tb. (GS XIV 237), wo auch der Bote (Z. 3) und die Hunde (Z. 12) erwähnt werden.

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Zu Brief 299–300

Z. 6  das Geographische Stück  Herodot schickt seiner Darstellung des Feldzugs gegen die Skythen eine Beschreibung der nördlich der Skythen lebenden Völker, der Gestalt der Erde sowie der Flüsse Skythiens voraus (IV 16–58).   8  seinen geographischen Index  Vgl. zu 253/101; Wolf hat Humboldt den betreffenden Band (VII) überlassen: vgl. 301/31.   9  den Schild  ,Scutum Herculis‘; vgl. zu 274/44. – Im Laufe dieser gemeinsamen Lektüre entstand wohl eine kleine Liste schwieriger Stellen, die sich in Wolfs Nachlass gefunden hat; vgl. Mattson 1990, 361 f. 10 Prometheus  Aischylos’ Gefesselter Prometheus. 18  Abhandlung über die Webereien der Alten  Durch Heynes Vermittlung war schon 1789 eine Veröffentlichung dieser Arbeit geplant, in der bewiesen werden sollte, „daß der Weberstuhl der Alten gerade der Hautelissestuhl sei, den die Sarazenen nach Frankreich gebracht haben“ (A. v. Humboldt an W.  G. Wegener, 17.  VIII. 1789; Jugendbriefe 70). Die Arbeit, über die Alexander schon bei Erscheinen von GW V keine Rechenschaft mehr zu geben wusste (A. v. Humboldt an Varnhagen, Potsdam, 14. XI. 1846; [Ludmilla Assing (Hg.)]: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense: Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhagen von Ense aus den Jahren 1827 bis 1858. Nebst Auszügen aus Varnhagen’s Tagebüchern, und Briefen von Varnhagen und Andern an Humboldt. 2. Aufl., Leipzig: F. A. Brockhaus 1860, S. 223), ist nie erschienen, die Handschrift anscheinend verloren (vgl. Menze, Heyne 80, Anm. 34). 25 arridirt  ,Mich lacht die Idee nicht an‘ (scheint mir wenig glücklich). Fragezeichen Leitzmanns über dem letzten i (h). 28  incidi in locum  Hier: ,zufällig auf etwas stoßen‘; abschätzig: ,ein blindes Huhn findet auch ein Korn‘ (U. P.); also: Alexander soll sich wegen dieser ,Entdeckung‘ nicht einbilden, Philologe zu sein! 28  wie Mitscherlich neulich  Diese Anspielung muss auf ein Gespräch der beiden Freunde oder eine Bemerkung in einem Brief Wolfs Bezug nehmen. 29  bei meiner ὑπερReitzischen Methode  Anspielung auf die metrischen Studien (vgl. vor allem 262/32), mit denen er – scherzhaft – die Genauigkeit (bzw. Bedächtigkeit) des wohl bedeutendsten Metrikers seit Bentley und vor Hermann, Friedrich Wolfgang Rei(t)z, zu übertreffen behauptet. Als Reiz hörte, Wolf erklärte „an achtzig Verse“ aus Od. XX in einer Vorlesung, meinte er, „da er alles langsam und bedächtiglich that, er möchte kaum in so viel Zeit so viele Verse ablesen können“ (Körte I 136). Näheres über Reiz – der übrigens Gottfried Hermanns Lehrer war – bei Bursian (I 419–422). 35  den Homeriden  D. h. ,der Arbeit am neuen, auf die Rhapsoden und Redaktoren bedachten (vgl. 296/15) Homer-Text.‘ 36 Materialien  Nämlich über die Weberei. 36 Hesychius  Hesychios, Verfasser des umfangreichsten erhaltenen antiken Lexikons, Συναγωγὴ πασῶν λέξεων κατὰ στοιχεῖον.

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Januar 1794

36 Pollux  Sein umfangreiches Onomastikon ist eine Fundgrube von Zitaten griechischer Schriftsteller und Realien zum Alltagsleben der Griechen sowie vor allem für die Theater- und Musikgeschichte der älteren attischen Zeit. 36  das Etymologicum  Wohl das Etymologicum Gudianum (ca. 1100 angelegt); möglicherweise ist aber das Etymologicum magnum (12. Jh.) gemeint. Vgl. Richard Reitzenstein: Geschichte der griechischen Etymologika. Ein Beitrag zur Geschichte der Philologie in Alexandria und Byzanz. Leipzig: B. G. Teubner 1897, S. 70–155.

Zu Brief 300  an Wolf, 10./11. I. 1794 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 6–9: 6¾ S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit großem Rand und schöner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; recht deutlich beschrieben. – Fol. 6v (Z. 16) atauis von Brandes zwischen der Zeile nochmals mit Bleistift geschrieben. – Fol. 9r rechts unten durch Siegelriss Empfehlungsformel leicht textverlustig. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 8–12 (mit Jahr 1793). – D2  Mattson 1990, 81 ff.

Datierung: Das Jahr – in H irrtümlich „[17]93“ geschrieben – ergibt sich u. a. aus Karolines bevorstehender Niederkunft und ihrer ,Prometheus‘-Lektüre (Z. 83 bzw. 92), außerdem aus der Anspielung auf die Becksche Ankündigung (Z. 70). Nach dem Tb. begann Humboldt den Brief bereits am 10. I. (GS XIV 238). Z. 2 Putschius  Grammaticæ latinæ avctores antiqvi. Charitis . Quorum aliquot nunquam antehac editi, reliqui ex manuscriptis codicibus ita augentur & emendantur, vt nunc primum prodire videantur, Opera et studio Heliæ Putschii. Cum Indicibus locupletissimis. Hanoviae: Typis Wechelianis, apud Claudium Marnium, & haeredes Ioannis Aubrii 1605. – Dieses „für das Studium der lateinischen Sprache und ihrer Geschichte Epoche“ machende Werk hat Putschen „für alle Zeiten einen Ehrenplatz in der Geschichte unserer Wissenschaft gesichert“ (Bursian I 278). Es wurde erst durch Keil ersetzt: Grammatici latini ex recensione Henrici Keil. Vol. 1–7, Lipsiae: B. G. Teubner 1857–1880.   4 Beda  Bedas Schriften ,De orthographia‘ und ,De metrica ratione‘ sind in Put­ schens Kompendium abgedruckt (Sp. 2327–2382; Keil VII 217–299).   8  Marius Victorinus  ,Ars grammatica Marii Victorini de orthographia ratione metro­rum‘, in: Putschius, Sp. 2450–2622; Keil VI 1–205. 14 Diomedes  ,Diomedis De oratione & partibus orationis & vario genere metrorum libri III‘, in: Putschius, Sp. 269–528; Keil I 300–529. 16  Maecenas […]  Horaz, Carm. I 1, v. 1.

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Zu Brief 300–301

18  Choriambico […] Spondeus […] Antispasticum  Ein Choriambus ist die Zusammenstellung eines Trochäus (– ) und eines Jambus ( –): – –. Der Spondeus besteht ˘ ˘ ˘˘ aus zwei aufeinanderfolgenden Längen: – –. Der Antispasticus: – – . ˘ ˘ 22 Terentianus  ,Terentiani Mavri De literis, syllabis, pedibus & metris‘, in: Putschius, Sp. 2383–2449; Keil VI 313–413. 22  Ihre Edition  Eine Edition der zu dieser Zeile genannten Schrift des Terentianus Maurus durch Wolf, die nicht einmal als Plan bekannt ist, kann nicht gemeint sein; bis dahin gab es aber nur Ausgaben des 16. Jh. Vermutlich meint Humboldt ,Ihr Exemplar‘ einer dieser älteren Ausgaben. 24 mitzunehmen  Scil. nach Erfurt. 24  Bentley de metr. Terent.  Bentleys Abhandlung ,De metris Terentianis Σχεδίασμα‘ ist der von Reiz besorgten Ausgabe von Plautus’ ,Rudens‘ beigegeben (M. Accii Plauti Rudens: ad editionvm antiqvarum fidem tvm ad criticorvm emendationes et ad metricae legis normam passim reficta; metro in singvlis versibvs notato appositione apicvm, in jambicis et trochaicis per dipodias, in anapaesticis et creticis et bacchiacis per monopodias. Accedit R. Bentleji de Metris Terentianis Schediasma, item Gabr. Faerni de versibvs comicis liber imperfectvm. Edidit Frid. Volfg. Reizius. Lipsiae, apud Svikertvm, 1789). – Mit dieser Abhandlung war Bentley „der erste, der […] ein klares Licht auf das metrische System nicht nur des Terenz, sondern der lateinischen Dramatiker überhaupt warf. Seine Entdeckung hatte umwälzende Folgen für die Gestalt des Textes […]. Im ,Schediasma‘ stieß Bentley auch unvermeidlich auf das peinigende Problem des Iktus im lateinischen und sogar im griechischen Vers. Trotz der Bemühungen moderner Philologen, eine plausible Lösung zu finden, scheinen die Verwirrungen und die Irrtümer sich eher vermehrt zu haben […]. Es bleibt ein Zeugnis seiner Fähigkeit, eine klare und befriedigende Darstellung der schwierigsten Gegenstände zu geben.“ (Pfeiffer II 193) 25  de versibus comicis  Putschius, Sp. 1319–1330: ,Prisciani Grammatici Caesariensis De Versibvs Comicis Liber‘. 27  Ορνιϑι Οδυσσευς  Il. X 277: ὄρνιϑ᾿ Ὀδυσσεύς. 28 Hephästion  Vgl. zu 284/18. 28 Sotades  Seine Gedichte, darunter eine Ilias-Paraphrase, sind in einem eigenen, nach ihm benannten Versmaß (Sotadeum) verfasst, einem katalektischen Tetrameter des Ionikus a maiore: – – – – | – – – ˘ ˘˘ ˘˘ ˘˘ – (nach Wilpert). 30  σειων […]  Sotades 4 (Anthologia lyrica Graeca, edidit Ernestvs Diehl. Vol. 2III, Lipsiae, in aedibus B. G. Teubner 1942, p. 186). 33  η διανεκως […]  Korinna 1 (Anth. lyr.; Diehl I 475). 36  δενδρεα τ᾿ουκ […]  Nem. 11, v. 40: […] περόδοις (Snell; die Verseinteilung der Oden Pindars war zwischenzeitlich verändert worden). 39  Bentley Hor. III. 12.  Miserarum est […] (vgl. zu 301/181). Q. Horatius Flaccus. Ex recensione & cum notis atque emendationibus Richardi Bentleii. Editio tertia. Amstelae-



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dami, apud Rod. & Jacob. Wetstenios & Guil. Smith 1728, p. 190–194. Dort, p. 191 f., zitiert Bentley Hephaistions Περὶ ποιημάτον (III 5; Consbruch – zit. zu 296/57 – S. 65). 42  Ionischen Syzygien Die συζυγία ist die Zusammenfügung zweier Versfüße zu einer Dipodie. Hier ist die systematische Verwendung des sog. lonicus a minore ( – –) ˘˘ durch Horaz gemeint. 43  δύναται […]  Enchiridion [81]; Consbruch 42: […] μέτρον διὰ τὸ τὸ τρια­ κοντάσημον […] (,das Metrum kann sich bis zum Hexameter ohne das Übersteigen der Dreißig dehnen‘). 44 Zeiten  Kleinste metrische Einheit (= Kürze). Vgl. z. B. 301/107. 49  διόπερ […]  Περὶ ποιημάτον III 5 (Consbruch 65): ,weshalb wir auch einstrophige Lieder mit 10 Syzygien machen‘. 51  ᾆσμα  Lied, Gesang; ᾆσμα μονοστροφικὸν: einstrophiges Lied. 54  ἐμὲ δειλᾶν  Alkaios 67; Diehl (Anth. lyr. I 416) übernimmt Bentleys Lesung:

Ἔμε δείλαν, ἔμε παίσαν κακοτάτων πεδέχοισαν. 65  η μεν δη […]  Im Abschnitt ,De Syllaba‘ des 2. Buches seines ,De oratione et

partibus orationis et vario genere metrorum libri III‘ (Putschius, Sp. 424). Der Vers steht nicht bei Homer, und Putschens Vorlage muss hier fehlerhaft gewesen sein; bei Keil (1430) steht an dieser Stelle statt dessen Od. V 237: δῶκεν ἔπειτα σκέπαρνον. 70  Becksche Ankündigung und Recension  In den von Chr. D. Beck redigierten ,Litterarischen Denkwürdigkeiten‘ (NF der ,Neuen Leipziger gelehrten Anzeigen‘) vom 11. XI. 1793, S. 716. 75  bei diesem übereilt gedruckten Stück  Humboldts Übersetzung von Pindars Ol.  2, die Alexander hatte drucken lassen; vgl. zu 214/57. 76  Brief von Heyne  Wohl die Antwort auf Br. 272, in dem er seiner Hoffnung Ausdruck gegeben hatte, „eine vollständige Uebersezung“ Pindars zu liefern, und nach Darlegung seiner metrischen Grundsätze und Schilderung seiner Vorstudien Heyne um seine Meinung hierüber gebeten hatte (272/92–158). Heynes Skepsis geht aus einem wenig später geschriebenen Brief David Veits an Humboldt hervor: vgl. zu 283/4. 83 Niederkunft  Vgl. zu 313/9. 88  mit Didotschen Lettern  Gemeint sind die wegen ihrer bemerkenswerten Zierlichkeit gerühmten Lettern des Verlegers François-Ambroise Didot. Vgl. Wolf an Goethe, Halle, 24. V. 1799 (Reiter I 286).

Zu Brief 301  an Wolf, 16./17. I. 1794 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 48–53: 12 S. (3 Bogen) kl.-4°, eigh., mit breitem Rand, kleiner Initiale; zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen; zunächst säuberlich, dann zunehmend fahrig beschrieben; Nachschriften am Rande der ersten (Z. 178 ff.) und letzten Seite

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Zu Brief 301

h D

(Z. 173–176) und verkehrt am Kopf dieser Seiten (Z. 181–187 bzw. 177). – Fol. 53v (Z. 161–170) eine noch lesbare redaktionelle Streichung Humboldts. – Fol. 53v im oberen linken Viertel kleineres Loch durch Siegelriss, mit geringfügigem Textverlust (Z. 144, 158). Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. + Abschr. d. Stelle Z. 161–170 in D1). D1  GW V 74–81 (ohne Z. 161–170). – D2  Mattson 1990, 83–89.

Datierung: Nach dem Tb. schrieb Humboldt den Brief am 17. I. zu Ende (GS XIV 238). Z.  6 Ascra  Der ländliche Heimatort Hesiods, dessen entlegene Lage Humboldt mit Burgörner vergleicht. Vgl. ,Erga‘, v. 639 f.: νάσσατο δ᾿ἄγχ᾿ Ἑλικῶνος ὀιζυρῇ ἐνὶ κώμη, [/] Ἄσκρῃ, χεῖμα κακῇ, ϑέρει ἀγαλέῃ, οὐδέ ποτ᾿ ἐσϑλῇ (Solmsen – zit. zu 296/31); „[er l]ieß sich im traurigsten Dorf am Helikon nieder, in Askra, [/] Übel im Winter, im Sommer verwünscht, und angenehm niemals“ (Hesiod: Sämtliche Gedichte […], übers. u. erl. von Walter Marg, Zürich/Stuttgart: Artemis 1970, S. 336). 31 Centim.  Diese Schrift ließ sich nicht identifizieren. 32  Heerkens Icones  Ger. Nicolai Heerkens Groningani […] Icones. Parisiis: B. Dusaulchoi 1788. 32 Putschius  Vgl. zu 300/2. 32 Vannus  Vgl. zu 296/88. 32  de verb. med.  Auch diese Schrift ließ sich nicht identifizieren. 32 Ilgen  Vgl. zu Z. 161. 32  Bentleys Terenz  Publii Terentii Afri Comoediae, Phaedri Fabulae Aesopiae, Publii Syri et aliorum veterum Sententiae, ex recensione et cum notis Richardi Bentleii. Cantabrigiae, apud Cornelium Crownfield 1726 (51791), wo (p. I–XIX) die Abhandlung „De metris Terentianis“ (vgl. zu 300/24) abgedruckt ist. Vgl. Pfeiffer II 193. 33 Hephaest.  Vgl. zu 284/18. 33  Ihre Tusculanen  Vgl. zu 262/52. 34  Terentianus Maurus  Vgl. zu 300/22. 40  Arsis und Thesis  Hebung und Senkung in der Metrik; Bentley – zit. zu Z. 32 – p. I. 41  Streit der Accentuation mit dem Versbau  ,De metris Terentianis‘, p.  XVII. An sich war Bentley gerade für die gegenteilige These berühmt geworden (die Hermann später übernahm), nämlich dass der Wortakzent mit dem metrischen Iktus normalerweise übereinstimme (Jacob Maehly: Richard Bentley, eine Biographie, Leipzig: B. G. Teubner 1868, S. 88). (E. A.): Vgl. Eduard Fraenkel: Ictus und Akzent im lateinischen Sprechvers. Berlin: Weidmann 1928 und Philip Whaley Harsh: Early Latin Meter and Prosody 1935–1955, [Abschnitt] C: Ictus and Accent, in: Lustrum 3 (1958), 226–233. 57  Päonischen Vers  Sonderform des Creticus (– –) mit aufgelöster End- und An˘ und –); vgl. Snell, Metrik 28 f. fangslänge (– ˘˘˘ ˘˘˘ 58 Galliambicum  Ein katalektischer ionischer (vgl. zu Z. 109) Trimeter: ––| – – || ––| –.

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58  ἀνακλώμενα  Auch Anaklasis: Wechsel der Quantität zwischen zwei benachbarten Silben (z.  B. – – zu – –) und damit Wechsel des Versfußes innerhalb ˘˘ ˘˘ desselben Metrums; vgl. Maas § 33, 4. 59  Catulls Galliambicum  Bei Catull (Carm. 63) wird der Galliambicus durch Vertauschung der Länge am Ende des ersten Metrums und der Kürze am Beginn des zweiten sowie durch den Ersatz der zweiten Länge des dritten durch zwei Kürzen variiert: ˘pe˘r a lta˘ vectu ˘s Atti s | ce˘le˘ri ra ˘te˘ ma ˘ri˘a . Vgl. C. Valerius Catullus, hg. u. erkl. von Su Wilhelm Kroll. 3. Aufl., Stuttgart: B. G. Teubner 1959, S. 129 f. 66 Senarius  Ein sechsfüßiger (meist – wie hier – jambischer) Vers; Senar. 67 Dipodla  Vgl. zu 300/42. 69 Asmonius  Asmonius’ Schriften lagen Priscian vor und sind inzwischen verloren. 69  Priscianus de versibus comicis  Im Putschius: ,Vielen ist der Grund unerklärlich, aber wir werden ihn aufdecken. Denn da dieser Vers ja dreihebig ist, folgt daraus, daß, wo immer ein Schlag der Hebung fehlt, er ein Verweilen durch hinzugefügte Zeit nicht scheut. Im ersten, dritten und fünften Fuß beginnt er aber, betont wird er im zweiten, vierten und sechsten.‘ 80  Verum quia  ,Weil in Wirklichkeit an den geraden Stellen (2, 4 und 6) vielmehr meistens gehoben und betont wird, als an den ungeraden (1, 3 und 5), gefiel es daher, sie (die Akzente) nach griechischer Art hier auszulassen.‘ 105 sede  Hier: Stelle (im Vers). 106  apage […] nugae  ,Weg! Unnützes Zeug!‘ (von de Pauw offenbar als metrischer Merkspruch verwendet). 108 Paeon  Vgl. zu Z. 57. 109 Ionicus  Metrum aus 2 Längen und 2 Kürzen (ionicus a maiore) oder 2 Kürzen und 2 Längen (i. a minore); vgl. Snell, Metrik, 26 f. 109 Epitrit  Ein Versglied aus einer kurzen und 3 langen Silben, wobei die kurze Silbe an allen vier Stellen stehen kann; vgl. Snell, Metrik, 41 ff. 111  Bacchische Verse  Ein Baccheus (Bacchius, Bacchiacus) ist eine Kürze gefolgt von 2 Längen: – – ; vgl. Snell, Metrik, 26, Maas § 53. ˘ 111 Palimbacchius  Auch Antibaccheus (Antibacchius): – . ˘˘ 117 Dithyramben  Eine ursprünglich zu Ehren des Dionysos entwickelte, sich durch metrische Kühnheit auszeichnende Gattung der Chorlyrik. Pindar, Bakchylides und Lasos von Hermione sind die Hauptvertreter. 125  Putschius p. 2718.  „Und ferner ist nach seiner [Theophrasts] Vermutung aus den Rhythmen[, aus denen unser gewöhnlicher Vers besteht,] in der Folge der Anapäst, ein schlanker Rhythmus, hervorgegangen, und aus diesem ist jener freiere und reichere Dithyrambus geflossen, dessen Glieder und Füße, wie derselbe sagt, in jeder reichhaltigen Rede zerstreut sind“ (Cicero, De oratore III 185; nach der Übersetzung Raphael Kühners: M. T. Cicero, Vom Redner. München: Goldmann o.  J., S.  318; die

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Zu Brief 301

Stelle bei Putschen stammt aus der Schrift ,De metris comicis‘ des Rufinus aus Antiocheia; dort fehlt der eingeklammerte Nebensatz). 136 Paroemiacus  Der katalektische anapästische Dimeter, der die anapästischen Systeme beschließt und, wenn sie länger sind, hier und da unterbricht: – – – – – – – – – – ; vgl. Snell, Metrik, 23. ˘˘151  ˘˘Dionysius ˘˘ ˘Hal.  Gemeint ist wohl des Dionysios von Halikarnassos Abhandlung zur Stilkunde Περὶ συνϑἐσεως ὀνομάτων oder vielleicht Περὶ μιμήσεως (beide in: Dionysii Halicarnasei opuscula ediderunt Hermannus Usener et Ludovicus Radermacher. Vol. II, 1, Lipsiae: B. G. Teubner 1904/29, S. 1–143). 152 raptim  Wörtlich: ,hastig‘, hier: ,kursorisch, überfliegend‘. 156  Epistola ad Milium  Das Sendschreiben an John Mill über die Chronik des Malalas, das Bentleys Ruhm gründete: „Epistola ad CL. V. Joannem Millium S. T P., index rerum memorabilium, et scriptorum qui in ea emendantur“, zuerst in: Joannis Antiocheni cognomento Malalae Historia chronica. E Mso cod. Bibliothecae Bodleianae nunc primum edita. Cum interpret. & notis Edm. Chilmeadi. Praemittitur dissertatio de auctore, per Humfredum Hodium. Accedit Epistola Richardi Bentleii ad cl. v. Jo. Millivm. Oxonii: Scheldon 1691. Die von Humboldt benutzte Ausgabe war wohl: Richardi Bentleii Opvscvla philologica, Dissertationem in Phalaridis Epistolas et Epistolam ad Ioannem Millivm complectentia. Lipsiae, svmtv E. B. Schwickerti 1781. Die Stelle lautet: „[…] quibus [scil. seinen Gewährsmännern] solenne est anapaestos suos passim, ubi nulla clausula est neque interpunctum, tribrachi vel trochaeo vel cretico terminare; vel etiam vocali, aut litera M. finire, versu proximo ab alia vocali vel H. incipiente“ (,bei ihnen ist es üblich, daß ihre Anapäste überall, wo keine Klausel ist und keine Satzzeichen sind, mit einem Tribrachys oder einem Trochäus oder einem Creticus schließen, oder sogar mit einem Vokal oder dem Buchstaben M aufhören, wenn der nächste Vers mit einem anderen Vokal oder mit H beginnt‘ – Bentley 1781, 474). Vgl. Sandys II 402; Pfeiffer II 186 f. 161  Ilgen über Homer  Disquisitio actionis principis in Iliade Homeri. Pars 1–3, Lipsiae, ex officina Sommeria 1791/92 (Programm Naumburg). 162  Τρωων […]  Im 2. Teil dieser Schrift (1791), der die Tradition der Anrufung der Musen am Beginn des Epos nachzeichnet, vertritt Ilgen die These, die Heroen, denen Achilles’ Zorn zum Verhängnis wird (Il. I 4), seien die Troer und meint sogar, man könnte selbst das Wort Τρώων statt ἡρώων emendieren, ohne gegen die Gesetze der Metrik zu verstoßen (Ilgen II 18, Anm. 1). Diese letzte Behauptung will Humboldt hier widerlegen. 163 die εἰρεσιώνη  Ειρεσιωνη Homeri et alia poeseos mendicorum Graecorum specimina cum nonnullis carminibus ex hoc genere comparata. Lipsiae, ex officina Sommeria 1792 (wieder abgedruckt in: Caroli Davidis Ilgenii […] Opuscula varia philologica. t. 1, Erfordiae, apud Guil. Hennings 1797, p. 129–184). Der Z. 167 zitierte Vers steht in

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Januar 1794

den Opuscula auf S. 160; er schließt dort allerdings nicht mit δεινόν, sondern mit δός

τι.

165 palmerische  Wohl in: Jacobi Palmerii a Grentemesnil Exercitationes in optimos fere auctores graecos. Velut Herodotum, Thucydidem, Xenophontem, Polybium, Diodorum Siculum, Appianum, Memnonis fragmentum, Plutarchum, Arrianum &c. ut et in antiqvos poetas Aristophanem, Theocritum, Moschi Idyllia […]. Lvgduni Batavorvm, ex officina D., A. & A. à Gaasbeeck 1668 (21687). Humboldt benutzte möglicherweise die von Gronovius besorgte Ausgabe Trajecti ad Rhenum: G. Broedelet 1694. 167  ἐπ᾿ ηλεκτρῳ βεβαυια  Aus den sog. homerischen Epigrammen (15, 10): αὐτὴ δ᾿ ἱστὸν ὑφαίνοι ἐπ᾿ ἠλέκτρῳ βεβαυῖα (Hymni Homerici, accedentibus epigrammatis et Batrachomyomachia Homero vulgo attributis ex recensione Augusti Baumeister. Leipzig: B. G. Teubner 1910). (U. P.) 169  Weberstellen […] excerpirt  Für Alexander; vgl. 299/18, 307/67 ff. u. Anmm. 173  vom Stamm der in Sanssouci begrabnen  „Unfern dem Schlosse [Sanssouci] in einer von hohen Bäumen und düsterm Gebüsch umschatteten Ecke des Gartens erblickte ich mehrere kleine Leichensteine, mit Bello, Diana, Bijou und ähnlichen Hundenamen bezeichnet. Es waren die Gräber der zierlichen Windspiele, einst die vierfüßigen Lieblinge des gewaltigen Herrschers über Millionen [Friedrich II.], die er im bittern Unmut für seine ,einzig getreuen Freunde‘ oft erklärt hatte. Wie schwarz und schwer, wie so ganz trostlos muß in jener Stunde Menschenverachtung seinen hohen Sinn gebeugt haben, in der er den Wunsch äußern konnte, hier in ihrer Mitte einst begraben zu werden.“ (J. Schopenhauer 210) 178 Schneider Vgl. 317/60 und Anm. 181  miserarum cet.  „Miserarum est neque amori dare ludum“ (Horaz, Carm. III 12; vgl. 300/39 und Anm.). In den heutigen Ausgaben wird bei diesem Gedicht auf eine strenge Einteilung der 4 ,Strophen‘ in einzelne Verse verzichtet: vgl. Q. Horatius Flaccus erklärt von Adolf Kiessling. T. 1: Oden und Epoden, 9. Aufl. besorgt von Richard Heinze. Mit einem Nachwort und bibliographischen Nachträgen von Erich Burck. Berlin: Weidmann 1958, S. 314; Q. Horati Flacci Opera, tertivm recognovit Fridericvs Klingner. Lipsiae: B. G. Teubner 1959 (Neudr. 1982). 185 Plotius  ,Marii Plotii Ad Maximum Simplicium CL. VV. de metris liber‘, in: Putschius, Sp. 2623–2662; Keil VI 496–546. 186 Fortunatianus  ,Atilii Fortvnatiani Ars‘, in: Putschius, Sp.  2671–2705; Keil VI 278–304.

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Zu Brief 302  an Körner, 17./18. I. 1794 H (alt) Berlin, AST D D1  Jonas 1880, 13–19 (dat. 15. I.; ohne Z. 107 f.). – D2  Leitzmann 1940, 8–12 (Vorlage).

Datierung: Humboldts Tagebuch gibt den Tag dieses Briefes mit 17. I. an (GS XIV 238). Z.  24  Das Erfahrungsurtheil  Der „Das Princip des Geschmacks ist das subjective Princip der Urtheilskraft überhaupt“ überschriebene § 35 der Kritik der Urteilskraft beginnt mit dem Satz: „Das Geschmacksurtheil unterscheidet sich darin von dem logischen: daß das letztere eine Vorstellung unter Begriffe vom Object, das erstere aber gar nicht unter einen Begriff subsumirt, weil sonst der nothwendige allgemeine Beifall durch Beweise würde erzwungen werden können.“ (145; Kant’s gesammelte Schriften, hg. von der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Abth. 1, Bd. 5, Berlin: G. Reimer 1913, S. 286)

Zu Brief 303  an Wolf, 19./21. I. 1794 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 58–62: 9 S. (2 Bogen + 1 Bl.) 4°, eigh., am Anfang mit großem, danach normalem Rand, und großer Initiale – auch beim 2. Wort –, zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen; anfangs säuberlich, später zunehmend fahrig beschrieben; randschriftlicher Zusatz fol. 59v, im Text durch [(]Text[)] gekennzeichnet; randschriftliche Nachschrift fol. 62r. – Fol. 62r (Z. 119 f.) redaktionelle Streichung Humboldts, nicht im Verzeichnis des Leitzmann-NL (vgl. zu 264/H, h1). Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). h D D1  GW V 89–95 (ohne Z. 119 f.). – D2  Mattson 1990, 89–93. GB I  [Halle, 17.  I. 1794] (G – Berlin, StB PKB, Wolfiana, VIII 3: 1 Oktavblatt, undatiert, von einem Bogen unsauber abgerissen und dann beidseitig beschrieben; durch unser Lemma (Z. 35) bestätigt sich Körtes Vermerk, „an Wilh. v. Humboldt.“ Es handelt sich um eine Beilage zum eigentlichen – nicht erhaltenen – Brief; d  Mattson 1990, 431 f.). – Vgl. Abb. 3.

Datierung: Nach dem Tb. begann Humboldt den Brief bereits am 19. Januar (GS XIV 239). Z. 2 Brief  GB, am 18. I. erhalten (Tb.; GS XIV 238); er ist zwar im Hauptteil verloren, vgl. jedoch zu Z. 35. 19  βλοσυρωπι˘ς, ηνι˘ν Il. XI 36 bzw. X 292. Beide Wörter bilden (bukolische) Diärese (Wortende fällt mit Ende des Metrums zusammen) nach dem 4. Metrum und

440

Abb. 3. Handschrift des Gegenbriefs zu Brief 303 (G: Berlin, StB PKB, Wolfiana VIII [Bd. 2], 3).

Januar 1794

müssen in der letzten (kurzen) Silbe wegen folgenden Vokals lang gelesen werden. (U. P.) 26 communis  In der Prosodie gleichbedeutend wie anceps (vgl. nächste Anm.). 30 anceps  Eine Silbe, die im metrischen Schema lang oder kurz sein kann: ˘ –. 35  Il. VIII. 213 […] gegen Voß und Köppen  „Was denken Sie, Liebster, zu Voss Uebers. in Θ. 213. Iliad. – Was die Schol. Venn. haben, haben Sie im Hause; doch mehr wird Ihnen Ihr itziges schnelleres Lesen der Il. an Hand geben. Was Eust. hat, ist: το μεταξυ του τειχους (denn daß πυργος auch singul. oft το τειχος ist, ist sicher) και της ταφρου sei das ὁσον – εεργ. – Izt, hör ich, soll es Leute geben, die ταφρου πυργ. zusammen, und keinen Zwischenraum zwischen Maur und Graben annehmen. Wie müßen die das vorkommende στεῖνος erklären? Doch eben, merk ich, Köppen ist der auctor noviss. explicationis. αποεργ. dachte er also zusammen. Weiters als obiges hat Eust. nicht. Ists auch nicht genug? und εκ νεων scheint mir nur ein Beisatz Ὁμηρικως. Jenes στεῖνος komt vor μ, 66. dann ο, 426. aber nicht, wie dort. Cf. auch ϑ. 476. – Die Stelle des Pind. die ich neul. in Gedanken hatte, war schol. Ven. ad Il. κ. 435. Dieß ist das 1ste mal, wo in jenen Schol. ein Fragm. d. Pind. Nicht wahr, Sie haben auch nicht gefunden, daß Hom. in Darstellung der Personen (nach ihrem Charakter) der ist, für den man ihn hält? Ich habe auch grössere Fehler wider die probabilität bemerkt. – Was denken Sie aber zu dem im Pelzbuch, wo man 447. 478. den Namen Dolons weiß. Wo hat er ihn gesagt?“ (d) Anmerkungen: Il. VIII 213 lautet: τῶν δ᾿, ὅσον ἐκ νηῶν ἀπὸ πύργου τάφρος ἔεργε (Monro/Allen, Wolf 1794). Dies übersetzt Voss: „Dort, so weit von den Schiffen zum Wall und Graben sich hinstreckt“. Es geht Wolf hier darum, daß zwischen Wall (πύργος, sonst τεῖχος) und Graben (τάφρος) ein Zwischenraum (διάστημα) gewesen sein muss, wenn auch ein enger (στεῖνος; vgl. auch Humboldt, Z.  37), und beruft sich auf folgendes Schol. Venet.: ἔνιοι δὲ τὰ δύο διαστήματα πεπληρῶσϑαί φασι τῶν Ἑλλήνων, τό τε ἀπὸ τῶν νηῶν ἕως τοῦ τείχους καὶ ἀπὸ τοῦ τείχους ἕως τῆς τάφρου, ὅ δὴ στεῖνος προσαγορεύει (Erbse – zit. zu 257/122 – II 343). Eustathius’ hier zitierter Kommentar spricht von etwas zwischen Mauer und Graben Befindlichem (τὸ μεταξὺ); Marchius van der Valk [Hg.]: Eustathii archiepiscopi Thessalonicensis commentarii ad Homeri Iliadem pertinentes. Vol. 2, Lugduni Batavorum: E. J. Brill 1976, p. 566). Die Stelle bei Köppen (zit. zu 253/161) gilt Il. VII 440: „[…] an dem unter der Mauer befindlichen innern Rande des Grabens“ (II 278). Schadewaldts Übersetzung von VIII 213 lautet: „[…] soviel Raum von den Schiffen [ἐκ νεῶν] der Graben einschloß bis zur Mauer“. Vgl. 257/52 und zu 257/54: die Diskussion dieser Frage begann also fast ein Jahr zuvor. Die „Schol. Venn.“, die Humboldt „im Hause“ hatte, waren natürlich:



443

Zu Brief 303–305

Ὁμήρου Ἰλιὰς σὺν τοῖς σχολίοις. Homeri Ilias ad veteris codicis Veneti fidem recensita.

Scholia in eam antiquissima ex eodem codice aliisque nunc primum edidit cum asteriscis, obeliscis, aliisque signis criticis, Joh. Baptista Caspar d’Ansse de Villoison […]. Venetiis, typis et sumptibus Fratrum Coleti superiorum venia 1788, die die ,homerische Frage‘ neu aktualisiert hatten. – Die Pindarstelle (Erbse III 93) ist das Fragment 262 (Snell). – Die Stelle im ,Pelzbuch‘: Il. X 447, wo Diomedes den soeben gefangen genommenen Dolon mit Namen anredet, ohne ihn wissen zu können. Allerdings gilt dieser Gesang (die sog. ,Dolonie‘) als nicht von Homer (vgl. Lesky, RE 791; Schadewaldt 158). 43 Dawes  „Oxoniensium Pindari Editorum desideratae ακριβειας specimen“, in: ders.: Miscellanea critica in sectiones quinque dispertita. Cantabrigiae: J. Bentham (G. Thurlborn); London: J. Beecroft 1745, p. 33–68 (21781, p. 37–70). 50  der Metricus  „Hoc nomine Pauwius in editione sua Pindari metrorum notationem illam significat, quae est in scholiis Pindari recentioribus“ (Dilthey – vgl. 272/ D1 – p. 7, n. 2; nach Menze, Heyne 83, Anm. 5). 67  Marius Victorinus  Vgl. zu 300/8: ,da ja jeder Abschluss eine Pause erhält.‘ 68  Dawes behauptet  „Vides jam per singulas strophas et antistrophas versus secundum, tertium, et quartum in syllabam brevem; reliquos vero omnes in longam exire“ (op. cit. – zu Z. 43 – 37). 78  Mar. Victorinus p. 2505.  ,Ars grammatica‘, 1. Buch. Gewährsmann: Aristoxenos. 82  Bentleys Abhandlung  ,De metris Terentianis‘ (vgl. zu 300/24). 89  Antispasticum Glyconium […] Troch. dim. brachycat.  Der Glyconeus hat die Grundform × × | – – | ˘ – (vgl. Maas § 54). Um zur Bezeichnung „Antispasticum Glyco˘˘ ˘ nicum“ zu gelangen, hat Humboldt vermutlich den Antispast ( – – ) als anaklasti˘ ˘ schen Choriambus (– –) aufgefasst. Der trochäische Dimeter (– – |– – ) wird ˘˘ ˘˘ ˘˘ in der Brachykatalexe um zwei Silben verkürzt. 98  meine Sachen über die […] ἐργα Vgl. 296/30–81. 100  kam ich nach Halle Vgl. 298/3 u. Anm. 106  Ihr Exemplar  Wohl eine Sendung Aushängebogen der ,Odyssee und Batrachomyomachia‘ (vgl. zu 317/70). 108  Reitz den Borheck verlassen  Vielmehr: ,seitdem Borheck den Reiz [als Textgrundlage] verlassen hat‘: zit. zu 247/93; Borheck: vgl. zu 266/10. – Wolf nennt Borhecks ,Herodotus illustratus‘ (d. i. wohl dessen Apparatus ad Herodotum intelligendum et interpretandum. t. 1–5, Lemgoviae, in Officina libraria Meyeriana 1795/98) „scheußlich“ (an Schütz, Halle, 14. XI. 1797; Reiter I 243, III 90). 111  δύναμαὶ μιν Anstatt δύναμαί μιν. 119  Schneiders Marginalien Vgl. 313/15 u. 317/60 und Anmm. 119 Beck  Bezieht sich wohl auf 300/70.

444

Januar – Februar 1794

Zu Brief 304  an Brinkman, 26. I. 1794 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 4°, eigh., mit normalem Rand, mittlerer Initiale, Text in Blattmitte; Empfehlungsformel, Unterschrift und Datum füllen den Rest der Seite aus; mitteldeutlich beschrieben. D Leitzmann 1939, 73.

Z. 2  die Natur meines letzten […] Briefes an Sie Vgl. 295/12–63.

Zu Brief 305  an Wolf, 2./3. II. 1794 H (alt) Berlin, AST h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 494: Abschr. von Leitzmanns Hand, ¾ S. (auf 2 Bl.) gr.-4°. D Mattson 1990, 93 f.

Datierung: Nach dem Tb. wurde der Brief erst am 3. II. beendet bzw. abgeschickt (GS XIV 240). Z. 7  seine Schwester mit ihren 2 Töchtern  Über die weiblichen Nachkommen der drei Schwestern des Carl Friedrich von Dacheröden schweigt der ,Gotha‘, aber der Tagebucheintrag vom 20. V. 1794 gibt Daten an die Hand, die eine Identifizierung ermöglichen. Dort werden unter den Gevattern bei der Taufe des Sohnes Wilhelm jene drei Schwestern genannt: „Tante [Helene Ludmilla von] Borch“, „Tante [Sophie Auguste von der] Goltz“ und „Tante [Charlotte Elisabeth von] Haacke“ sowie „Cousine Lottchen“ und „Cousine Gustchen“ (GS XIV 245). Karoline korrespondierte häufig mit „Lotte Borch“ in diesem Jahr (vgl. ebd., 238–256 passim); allerdings gab es mit ihr während des Erfurter Aufenthalts keinen Briefverkehr, was zusätzlich dafür spricht, dass sie zu den hier Gemeinten gehört. Da zudem weitere Kusinen als Gevatterinnen nicht genannt werden, darf vermutet werden, dass es zumindest väterlicherseits keine weiteren Nachkommen gab und dass die hier erwähnten Besucherinnen Helene Ludmilla von Borch mit ihren Töchtern Charlotte und Auguste waren. – Diese Tante ist übrigens nicht identisch mit jener mit drei Töchtern, die Humboldt im Oktober 1792 erwähnt (237/84) und die vermutlich von der mütterlichen Seite der Familie Dache­ röden kam (Hopfgarten). 15 [Thymian] In h steht „Tynian“; vermutlich (vgl. Z.  29) ist Thymian gemeint; Friedrich Kluge (Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 21. unveränd.

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Zu Brief 305–307

Aufl., Berlin [etc.]: W. de Gruyter 1975) und Grimm (jeweils s. v.) geben eine Schreibung ohne h (aber natürlich mit m) nur für das Mittelhochdeutsche an. 29 Silphium  Diese Pflanze, deren harziger Milchsaft eine hochgeschätzte Droge war, die die Grundlage des Reichtums von Kyrene bildete, wurde später wohl ausgerottet. „Trotz erhaltener Beschreibungen […] und Abbildungen […] und vieler Bemühungen von Historikern und Botanikern (eine ganze Literatur!) ist die sichere Bestimmung des Silphion nicht gelungen“ (Konrat Ziegler im KlPauly). Liddell/Scott (A Greek-English Lexicon, compiled by Henry George Liddell […] and Robert Scott […]. A New Edition Revised and Augmented Throughout by Sir Henry Stuart Jones […] with the Assistance of Roderick McKenzie […] and with the Co-operation of Many Scholars, Oxford: Clarendon Press 1940 [u. ö.]) übersetzen das Wort mit „laser-wort“, was dem deutschen Laserkraut (Grimm) entspricht. 30 Dioscorides  Dioskurides Pedanius, „berühmtester Pharmakologe des Altertums“ (KlPauly), schrieb Περὶ ὕλης ἰατρικῆς; vgl. Lesky 999. 30 Plinius  Plinius behandelt das Silphion (nach Theophrast) in Buch 19 seiner ,Naturalis historia‘ (38–46).

Zu Brief 306  an Karoline v. Beulwitz, 15. II. 1794 H Weimar, GSA, 83/2565: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit schmalem Rand und mittlerer Initiale, auch in der Datumszeile, zwischen dieser und Textbeginn 3 Leerzeilen, mit stumpfer Feder mitteldeutlich beschrieben. – Auf S. 1 (Z. 8–12) und 4 (Z. 63 ff.) zerronnene Tinte durch eine offenbar verschüttete Flüssigkeit, außerdem S. 4 (Z. 56 f., 71 f.) verschmierte Tinte bzw. Tintenklekse; unter der 1. Silbe des Wortes heftiges Z. 63 eine dicke Tintenunterstreichung, wohl von der Empfängerin, die hier Entzifferungsschwierigkeiten andeuten wollte. D Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. (Hg. von K[arl August von] H[ase].) Bd. 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1849, S. 1–5 (2II 3–6 – mod., red.).

Z. 4  bei der Tante u. den Cousinen  Vgl. zu 305/7.    8 Montag 10. II. 18 Spottgeburt  Wohl Beulwitz. 18 Sch[atz] Dalberg. 23  ein Erzbischolf  Dalberg war 1788 zum Titular-Erzbischof von Tarsus ernannt worden. 28 Benzel  D.  i. Graf v. Bentzel-Sternau, Regierungsrat in Erfurt, später Geh. Staatsrat unter Dalberg. 28 Barozi  In einem Brief an den Bruder schreibt Karoline von einem Herrn „Barazzi, der jetzt in Erfurt ist“ (an Ernst v. Dacheröden, Auleben, 15. [II. 1793]; H: Berlin, AST, Smlg. Letsch, IN. L-2.1.40); Humboldt registriert mehrere Zusammenkünfte ge-

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Februar – März 1794

sellschaftlicher Art bzw. Korrespondenz mit „Barozzi“ bzw. „Barozzy“ (Tb.; GS XIV 240, 243, 253 ff.). 32  Seine Familie hat viel gelitten  Durch Enteignungen etc. unter der Mainzer Republik. 45  daß er bei dem Herzog Einfluß zu haben glaubte  Herzog Karl Eugen von Württemberg, in dessen Herrschaftsbereich Schiller seit August 1793 zum ersten Mal seit seiner Flucht im Jahre 1782 weilte. 47  Schillers ästhetische Briefe  Schiller hatte im Herbst 1793 die Briefe an den Herzog Friedrich Christian von Holstein-Augustenburg – in ihrem theoretischen Teil – beendet, die die Grundlage der Schrift „Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen“ bildeten, die erst 1795 in den ,Horen‘ erschienen ist. 52  Da er mir anbot in Jena […] zu bleiben  In der Literatur wird angenommen, dieses Gespräch habe während Humboldts Besuch bei Schiller in den ersten Apriltagen 1793 (vgl. 262/183) stattgefunden (Wilpert, Schiller-Chronik – zit. zu 251/19 – 158; Schiller-Chronik 164; auch Mattson 1990, 399), immer mit ausschließlicher Berufung auf diese Briefstelle. War dies aber der einzige Besuch Humboldts in Jena 1793 (vgl. z. B. 263/13)? Es ist also sehr gut möglich, dass dieses Angebot, das bekanntlich mit Verspätung doch angenommen wurde, zu jenem Termin gemacht wurde; gesichert ist dies aber nicht. 63  heftiges Wesen  Dieses Epitheton benutzt Humboldt gelegentlich, um die Munterkeit seiner Tochter zu betonen (vgl. z. B. 311/85), eben als positive Eigenschaft, etwa i. S. von lebhaft. 65 Prometheus  Den Gefesselten Prometheus des Aischylos.

Zu Brief 307  an Wolf, 8./10. III. 1794 H

H1 (alt)  Berlin, AST (Bl. 1 von H). – H2  Berlin, Ms. germ. qu. 655, fol. 68–70 (ab Z. 28): 6 S. (1 Bl. + 1 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, noch deutlich bis fahrig beschrieben; außerdem gründlicher Umbau auf fol. 69v (Z. 94–105): ursprünglich folgten, nach einem Strich von einer Zeile Länge, Z. 98–105 auf Z. 95, danach wieder 4 gestrichene Zeilen, wonach sich der Satz von Z. 95 fortsetzt „[…] und zweimal kurz […]“), danach ein weiterer Strich von 5½ Z., hiernach Z. 96: „Ueber Ατρεϊδης […]“, wonach die Stelle von fol. 69v durch entsprechende Kennzeichnung („vd. infra ad ☉“) auf fol. 70r herübergezogen wird. Hierzu (fol. 69v) die Marginalie Humboldts: „Verzeihen Sie die Irrthümer der Eile.“ Vgl. Abb. 2, S. 241 f., sowie Mattson 1990, 435, wo auch die gestrichenen Stellen vollständig wiedergegeben werden. – Fol.  69r (unsere Z.  67–80) ein eigenhändiger Zusatz Alexander v. Humboldts am Rande und verkehrt am Blattkopf, am unteren Rand eine Anmerkung hierzu (zu Z. 81–84) von W. v. Humboldt; fol. 70v Nachschriften W. v. Humboldts am Rande (Z. 141 f.) und verkehrt am Blattkopf (Z. 143).

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Zu Brief 307 h

D

h1 (wie H2), fol. 67r: Abschr., ¾ S. 4°, von Pahls Hand (Reinschrift nach der Redaktion Humboldts in H1 – vgl. die Abb. und zu 262/H). – h2  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. + Abschr. Leitzmanns am Blattrand in D1 – nach H1-2; Vorlage für Z. 1–28). D1  GW V 101–106 (nach h1, H2 – ohne Z. 12–25). – D2  Mattson 1990, 94–98 (nach h2, H2).

Datierung: Abgegangen 10. III. (vgl. 315/78 u. Tb., GS XIV 241). Z.  8  durch einen Besuch meines Bruders  Alexander besuchte den Bruder vom 6.–10. März 1794 (A.-v.-Humboldt-Chronologie 20). 16 Jammer  Das „Auffahren d. Kinder im Schlafe, Pavor nocturnus“ (Höfler, s. v.); die zweite Bedeutung (ebd.), Epilepsie, kann nicht gemeint sein. 31  ein neues Quartier  Im Zuge der Verhandlungen mit Kiel gab Wolf seine Wohnung in Halle auf, bezog eine Sommerfrische in Trotha bei Giebichenstein, einem ca. ¾ km nördlich vom Hallenser Stadtkern an der Saale gelegenen Dorf (1900 eingemeindet: vgl. Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden, 17., völlig neubearb. Aufl. des Großen Brockhaus, Bd. 8, Wiesbaden: F. A. Brockhaus 1969, s. v. Halle), und sah sich später genötigt, wegen der Zerschlagung der Kieler Pläne neuerlich eine Wohnung in Halle zu suchen; vgl. Wolf an Voss, Trotha, 23. IX. 1794; Halle, 23. IV. 1795 (Reiter I 153, 155). 31 Jubilaeum  Die 1794 fällige Säkularfeier der Universität Halle wurde wegen eines studentischen Protests gegen die Woellnersche Vorlesungszensur (vgl. zu 282/85) und des daraus erfolgten Rücktritts des Prorektors Niemeyer abgesagt; vgl. Reiter III 43 f. 39  in einem Gartenhause  Humboldts erster Vermieter in Jena war vermutlich der Hof-Bücher-Commissarius J. G. Voigt (nach frdl. Auskunft von Dr. Marko Kreutzmann, Thüring. HauptStA Weimar); das Haus ist heute nicht nachweisbar. 43  M[agister] Grosse  Karl Heinrich von Gros, der um diese Zeit in Humboldts Bekanntenkreis eintrat. 43  einen Sohn des Pempelforther Jacobi  Max Jacobi; Humboldt schreibt hier ,Pempelforter Jacobi‘, um den Vater von dessen Bruder Johann Georg zu unterscheiden. 46  wenn […] Schiller Ostern kommt  Schiller traf erst am 14. Mai wieder in Jena ein. 50  Das Repertorium Vgl. 262/33, 274/43. 55  einige ältere Studien  Zum Beispiel die Diskussion mit Körner über Ästhetik. 59  Ausgabe der Uebers. der IV. Pyth. Vgl. 246/3 und Anm. Veröffentlicht wurde die Übersetzung in Gentz’ ,Neuer deutscher Monatsschrift‘ III (Nov. 1795), 173–208 (GS VIII 37–65). 65  seine Arbeit über die Webereien  Vgl. zu 299/18. 69 radius Weberschiffchen. 70 pecten ξ[α]νιον Weberkamm. 70 plectrum  Stäbchen zum Anschlagen der Saiten der Zither; Griffel; Kiel.

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März 1794

73  ιστοις  ἱστός: Webstuhl. 73  χιτων αρραφης  Ein ungenähtes (aus einem Stück bestehendes) Gewand. 76  haute lisse Weberei  Eins von zwei Verfahren zur Herstellung von Wandteppichen (Gobelins). Die These Alexanders bestätigen Phyllis Ackerman und Dorothy Wright Liebes in Encyclopaedia Britannica (14th ed., vol. 21, Chicago/London/Toronto: Enc. brit. 1960, p. 799). 81  ἱστῶν παλιμβάμους ὁδοὺς  „[…] der Webstühle hin- und wiederkehrende Pfade“ (Pindar. Übersetzt und erläutert von Franz Dornseiff. Leipzig: Insel 1921, S. 106). 82  αἱ γὰρ ὀρϑαὶ ὑφαίνουσαι  ,Sie weben nämlich aufrecht (stehend)‘. 84 insubula  Insubulum (insublum; griech. ἀντίον): Schaft des Geschirres am Webstuhl. 84 insilia Webschemel. 85  Ihre Anzeige  Wolf zeigte seine neue Homerausgabe mit einer in lateinischer Sprache abgefassten Ankündigung in Nr. 18 des Intelligenzblattes der ALZ an (vom 22 II. 1794; Sp. 137 ff.; Kl. Schrr. I 587–590). 86  Bescheiden ist sie  Die Redaktion fügte der Anzeige eine sicher von Schütz verfasste Vorbemerkung hinzu, in der es heißt: „[…] daß sie [die Anzeige] […] sehr bescheiden ist, und daß die Ausgabe weit mehr in recessu hat, als diese Ankündigung verspricht“ (Sp. 137). 97  Bruncks Note (ad Apoll. Rhod. I. 58.[)]  Vgl. zu 284/24. 101  der Metr[icus]  Vgl. zu 303/50. 101 Pauw  Vgl. zu 262/33. 103 Asynartetum  Ein aus zwei heterogenen metrischen Teilen bestehender Vers; vgl. Snell, Metrik 32. 103 brachycat.  Vgl. zu 303/89. 105  ϑανε […]  Snell (Pyth.  11, v. 31): ϑάνεν […] (Humboldts Skandierung stimmt mit jener Snells überein). 107  in loco impari  ,An ungerader Stelle‘. 108 Diaeresis  Diärese: Einschnitt im Vers, bei dem im Gegensatz zur Zäsur Wortund Versfußende zusammenfallen (Wilpert). 111 so gründelos  Wolfs neue Ilias-Ausgabe (Wolf 1794), die die inzwischen vergriffene Schulausgabe (Wolf 1785) ersetzen sollte, enthielt zwar eine neue Rezension des Textes, aber keinen textkritischen Apparat bzw. Kommentar (vgl. Wolf an K. Fr. Conradi, [Halle], 6. XI. 1792; Reiter I 137). Als er kurz zuvor erfahren hatte, dass nur mehr wenige Exemplare der alten Ausgabe vorhanden seien, wollte er statt einer neuen Rezension, die er seinem Wiener Kollegen Fr. K. Alter zu überlassen bereit war, einen Kommentar in der Art Köppens (zit. zu 253/161) liefern (an Franke, H[alle], 2. X. 1792; Reiter I 134). Nun, während der Text bereits gedruckt wurde, arbeitete Wolf an einer Darstellung seiner Editionsprinzipien, die als Einleitung dem Text vorangestellt werden sollte. Die Einleitung wuchs über das übliche Maß hinaus und erschien

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Zu Brief 307–309

schließlich selbstständig. So hat Pattison recht, vom „casual origin“ der ,Prolegomena‘ zu sprechen („F. A. Wolf “, in: Essays by the Late Mark Pattison, sometime Rector of Lincoln College. Collected and Arranged by Henry Nettleship. Vol. 1, Oxford: Clarendon 1889, S. 377; vgl. auch Körte I 263 ff.). 112 Pindaricum  Snell teilt dieses „Pindaricum“ auf zwei Verse auf: – – – – / ˘ ˘ ˘˘ – […]. ˘˘ 114  γεφυρωσε […]  Snell (Isthm. 8, v. 51): […] Ἀτρεΐδαι-/σι (die Skandierung stimmt mit Snell überein). 115 Molossus  Aus drei Längen bestehendes Metrum; d.  h., die beiden mittleren Kürzen des Choriambus müssten zu einer Länge verbunden werden. 115  Dann gienge ατρειδαισι  Scil. ohne Trema-Zeichen, also mit ει als Diphthong: – – – | . (U. P.) ˘ 117 emendirt  Snell (Isthm. 8, v. 31): […] άκουσαν. 118  der Molossus in Choriambischen Versen […] selten  Vgl. zu Z. 115. 120  Marius Victorinus  Diese Stelle aus dem 2. Buch der ,Ars grammatica‘ (Abschnitt: De choriambico metro) steht Sp. 2532 im Putschius (Keil VI 86 f.) – beide zit. zu 300/2. 122  Vocale ante mutam cum liquida  Vokale vor einem Verschlusslaut mit nachfolgendem 1 bzw. r. 124 Morell  Vgl. zu 284/20. 125  Heynischen […] Pindar  Pindari Carmina cvm lectionis varietate cvravit Christian. Gottlob Heyne. Gottingae: I. C. Dieterich 1773 (BV – K-a/D-f). – Oxforder Pindar: vgl. zu 266/9. 126  ν ἐφελκ[υστικὸν]  Beweglicher Endkonsonant ν, der nicht immer gesetzt werden muss. 127 Schmid  Πινδαρου περιοδος hoc est Pindari Lyricorum Principis, plusquam sexcentis in locis emaculati, ut jam legi & intelligi possit, Ὀλυμπιονικαι, Πυϑιονικαι, Νεμεονικαι, Ἰσϑμιονικαι illustrati Versione nova fideli, Rationis metricae indicatione certa, Dispositione textus genuina, Commentario sufficiente. Cum Fragmentis aliqvot diligenter collectis, Indice locuplete Victorum, Auctorum, Rerum & Verborum, Discursu Duplici; uno de Dithyrambis: altero de Insula Atlantica ultra Columnas Herculis, qvae America hodie dicitur. Opera Erasmi Schmidii Delitiani […] . (Witebergae): Z. Schureri 1616. „Für die Erklärung des Dichters ist seine Ausgabe bis auf Heyne und Böckh unübertroffen geblieben“ (Bursian I 239). 128 appingirt  Wörtlich: ,angeheftet‘. 132  Pauw […] πηνεϊον  Das Wort ist belegt Pyth. 9, v. 16 bzw. 10,  v. 56, wozu bei de Pauw (Notae – zit. zu 262/33 – p. 217 bzw. 232) nichts angemerkt ist. 135 verwechselt  I. S. von vertauscht; vgl. Grimm, s. v., II 4 b.

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März 1794

Zu Brief 308  an Wolf, 23./24. III. 1794 H

h D GB

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 71: 1⅓ S. 4°, eigh., mit normalem Rand und großer Ini­tiale, zwischen Datum und Textbeginn 4 Leerzeilen; noch deutlich beschrieben. – Das Papier ist etwas gröber als sonst, daher wohl gelegentlich zerronnene Tinte, ohne Beeinträchtigung der Lesbarkeit. Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D1  GW V 106 f. – D2  Mattson 1990, 98 f. II  [Halle, ca. 7. IV. 1794] – d1 GS VIII 111 (dat. Anf. April – mod.); d2  Reiter I 147 f. (desgl. – krit.).

Datierung: Nach dem Tb. wurde der Brief erst am folgenden Tag beendet bzw. abgeschickt (GS XIV 242). Z. 9  1. Pyth.  Ein Entwurf der Übersetzung von Pindars erster pythischer Ode war vom 16.  III. 1794 datiert (GS VIII 67, Anm.); die Übersetzung blieb zu Lebzeiten Humboldts ungedruckt (GW II 284–290; GS VIII 67–72). 15  Ihr […] Urtheil  Wolfs kurzer Antwortbrief, den Humboldt am 9. April erhielt (Tb.; GS XIV 243), ist zwar erhalten, nicht aber die beigelegten Bemerkungen über Humboldts „herrliche Ode“. Wolf meint aber im Brief, „daß unter Ihren älteren Uebersetzungen vorzüglichere Stücke waren. – Aber das werden Sie besser beurtheilen können als ich alles Beeckelnder.“ (d2, 148)

Zu Brief 309  an Dalberg, 28./29. III. 1794 H verschollen h h1  Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, Hs. 130 F 16/B 13, fol. 14 (Smlg. R. M. van Goens): Abschr., 1¼ S. fol., von Goens’ (?) Hand. – h2 Weimar, GSA, 26/LI, 11, fol. 35–37: Abschr. von G. v. Loepers Hand, nach h1, wobei die orthographischen Eigenheiten zwar modernisiert, die grammatischen Mängel der Vorlage jedoch nur teilweise stillschweigend beseitigt wurden; auch die zahlreichen Unterstreichungen, die nur zum kleinsten Teil von Humboldt stammen dürften, wurden hier übernommen und müssen daher auch im vorliegenden Text stehen; die Ellipsen hingegen stammen aus h1. Die Abweichungen von Humboldts Orthographie (bey, Optick, Humbold etc.) erklären sich vielleicht dadurch, dass Goens’ Vorlage möglicherweise eine Abschrift Dalbergs war. D Goethe. Die Schriften zur Naturwissenschaft. Abt. II, Bd. 3, bearb. von Rupprecht Matthaei und Dorothea Kuhn. Weimar: H. Böhlaus Nachf. 1961, S. 74 f. (nach h2 – ohne Z. 1, 44–50).

Datierung: Humboldt begann den Brief am 28. III. (Tb.; GS XIV 242).

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Zu Brief 309–310

Z. 1 Erzbischof  Vgl. zu 306/23.    2  Ihre […] Anmerkungen zu dem Goethischen Aufsatz  Goethe hatte wohl im Dezember 1793 seinen „Versuch die Elemente der Farbenlehre zu entdecken“ verfasst, in dem er „zum ersten Mal den Gegensatz zu Newton zu scharfem Ausdruck“ brachte (S. Kalischer/B. Suphan in WA II/5, 1, S. 451). Wohl im März 1794 schickte er Dalberg, der im Sommer 1792 „Gedancken über die Optik“ verfasst hatte (Goethe: Schrr. z. Nat. wiss. II/3, 21–27) und an Goethes chromatischen Untersuchungen lebhaften Anteil nahm, eine Abschrift, die dieser mit z. T. ausführlichen Anmerkungen versah und am 11. III. an Goethe mit der Bitte zurückschickte, vom Aufsatz und den eigenen Bemerkungen Abschrift nehmen zu lassen und diese ihm zuzustellen (Brr. an Goethe [Reg.] I 288 f.). Goethes Brief an Dalberg vom 19. III. 1794 (WA IV/10, 146 f.) ist das Begleitschreiben zu dieser Sendung (Dalbergs Anmerkungen sind in Goethe, Schrr. z. Nat.wiss., I/3, S. 464–474 gedruckt). – Dalberg hat daraufhin Goethes Aufsatz sowie seine eigenen Anmerkungen Humboldt zur Stellungnahme zugeschickt; vgl. Tb., 24. III. 1794: „Brief vom Coadjutor“ (GS XIV 242).    4  um mich Goethes eigner Ausdrücke zu bedienen  Diese Stelle wird als Zeugnis eines Gesprächs mit Goethe gedeutet (zuerst von Renate Grumach – zit. zu 317/46 – IV 57). 10 Streitfrage  Goethes Anliegen in diesem Aufsatz war, Newtons These zu widerlegen, das Weiß sei eine Zusammensetzung aus allen prismatischen Farben. 15  so viele Gespräche mit Ihnen Vgl. 306/17. 16 Die […] allgemeinen Ideen in der letzten Anmerkung  Vgl. Dalbergs Anm.  (ii) (S. 473 f.): „Alle Bemerkungen in der Optik führen auf einige allgemeine Wahrheiten“ (es werden ihrer 12 aufgezählt). 18  den Menschen […] mit dem […] Weltall sieht  So z. B. die 4. der in der vorigen Anmerkung erwähnten „Wahrheiten“: „Die äußern Sinnenwerkzeug sind dergestalten eingerichtet, daß der Mensch mit dem ganzen Weltall in Verbindung kommt“ (ebd.). 20  Charakteristick der Farben  Anm. (z) zum Stichwort „Modefarben“ (§ 26; WA II/5, 1, 141; Dalberg, Anmm., S. 470 f.). 20 Kant  Die Stelle steht KU 172 (§ 42): „So scheint die weiße Farbe der Lilie das Gemüth zu Ideen der Unschuld und nach der Ordnung der sieben Farben von der rothen an bis zur violetten 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit, 3) der Freimüthigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der Standhaftigkeit und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen.“ (Kant, WW, Akad. Ausg. – zit. zu 302/24 – I/5, 302). – Diese Farbcharakteristik wird mit ausdrücklicher Farbzuteilung im Kommentar zu D wiedergegeben: Goethe, Schrr. z. Naturwiss. II/3, 412. 25  Vorstellung de[s] reinen Daseyns  Vgl. Dalberg, Anm. (z), „1) Weiß: Farbe des reinen Daseins“ (S. 470). 26 Purpur  Goethe: „Man nehme nun das Gelbrothe und das Blaurothe beides auf seiner höchsten Stufe und Reinheit, man vermische beide, so wird eine Farbe entstehen, welche alle andern an Pracht und zugleich an Lieblichkeit übertrifft; es ist der

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März 1794

Purpur“ (§ 22; WA II/5, 1, 139). Dalberg: „7) Purpur: Farbe des Schönen. Vereinen das anmutige Lila mit dem feuer- und kraftvollen Scharlach; bringt das Mannigfaltige in eins zusammen.“ (S. 471) 29  Farbe der Harmonie  Dalberg, Anm. (z), „8) Grün: Farbe der Harmonie. Verbindet die beiden extremen Blau und Gelb in eins.“ (ebd.) 39 Roth  Allerdings wird Scharlach als „Farbe der Glut“ angeführt (Anm. (z), 5; S. 470). Vielleicht verwendete Dalberg diese Bezeichnung, weil Goethe Rot nicht als Primärfarbe anführt (er nennt diese „ganz reine Farben“, nämlich Blau und Gelb: § 17; WA II/5, 1, 136), sondern als Kombination von den ,ganz reinen Farben‘ erklärt (§ 20; ebd., 138).

Zu Brief 310  an Körner, 28./31. III. 1794 H (alt) Berlin, AST D D1  Jonas 1880, 19–33. – D2  Leitzmann 1940, 12–21 (Vorlage).

Datierung: nach dem Tb. wurde der Brief erst am 31. März beendet (GS XIV 242). Z. 12  Ihr letzter Brief  Erhalten am 1. März (GS XIV 241); n. e. 21  über den Punkt […], von dem die Untersuchung ausgehen muß  Vgl. Körners Brief an den soeben aus Schwaben zurückgekehrten Schiller, Dresden, 25. V. 1794: „Humbold wird Dir ein angenehmer Umgang seyn, wie er es mir war. Sag’ ihm, daß ich mich beschäftige ihm auf seinen letzten Brief zu antworten, der sehr reichhaltig ist. Nur seit etlichen Tagen ist es mir gelungen mir diese Ideen wieder geläufig zu machen, und ich sehe, daß ich noch viel zu thun übrig habe. In allem dem, was Du, Kant, Humbold, und ich selbst über Schönheit herausgebracht haben, finde ich einzelne richtige Merkmale; aber der ganze Begriff ist mir noch nicht erschöpft. Es muß ein Princip der Schönheit geben, aus welchem alle diese verschiednen Merkmale hergeleitet werden können.“ (NA XXXV 3) 68  Kr. d. Urth. S. 144.  Vielmehr S. 146: Das nur unwesentlich verkürzte Zitat ist dem § 35 der KU entnommen, der die Überschrift trägt: „Das Princip des Geschmacks ist das subjective Princip der Urtheilskraft überhaupt“. Die Stelle hat Humboldt Körner gegenüber bereits einmal herangezogen: vgl. 281/40. 95  charakteristisch  „Was Humbold über den Unterschied des Schönen und Charakteristischen in seinem letzten Briefe bemerkt, ist mir besonders wichtig, und hat mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben.“ (Körner an Schiller – zit. zu Z. 21 – ebd.) 171  meine vorigen Briefe reden […] davon Vgl. 281/43, 302/56, 73.

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Zu Brief 310–312

201  Die Herleitung der Kategorien  „Laß Dir doch von Humbold das zeigen, was ich ihm über die Kantischen Kategorien geschrieben habe. Ich bin begierig zu wissen, was Du davon denkst.“ (Körner an Schiller – zit. zu Z. 21 – ebd.) 207  der Schillerschen Bestimmung: Freiheit  Vgl. dessen „Über Anmut und Würde“: „Die Freyheit regiert […] die Schönheit. Die Natur gab die Schönheit des Baues, die Seele giebt die Schönheit des Spiels. Und nun wissen wir auch, was wir unter Anmuth und Grazie zu verstehen haben. Anmuth ist die Schönheit der Gestalt unter dem Einfluß der Freyheit; die Schönheit derjenigen Erscheinungen, die die Person bestimmt. Die architektonische Schönheit macht dem Urheber der Natur, Anmuth und Grazie machen ihrem Besitzer Ehre. Jene ist ein Talent, diese ein persönliches Verdienst.“ (NA  XX 264) Humboldt besaß diese Einleitungsschrift der Reihe der ästhetischen Abhandlungen Schillers in der ersten Buchausgabe: Über Anmuth und Würde. An Carl von Dalberg in Erfurth. Leipzig: G. J. Göschen 1793 (BV – A-b/c). Schillers Name steht nicht auf dem Titelblatt, statt dessen am Ende des Textes (S. 118). 225  Fichte, Woltmann und Ilgen kommen […] hieher  Fichte: Als Nachfolger von Reinhold, der Ostern (20. IV.) einem Ruf nach Kiel folgte, wurde Fichte zum o. Prof. der Philosophie berufen; seine Antrittsvorlesung hielt er am 23. V. 1794 (vgl. Kuno Fischer, ADB VI 762). – Woltmann: Raabe fasst die äußeren Daten der Berufung Woltmanns zum ao. Prof. der Philosophie [nicht Geschichte, obwohl er über historische Themen las] in Jena und der erst daraufhin erfolgten Promotion daselbst im Frühjahr 1794, unter Berufung auf die ALZ zusammen (Raabe 29). – Ilgen war auf den durch Eichhorns Weggang vakanten theologischen Lehrstuhl nach Jena berufen worden und wurde am 17. V. 1794 in den akademischen Senat eingeführt; vgl. G. Lothholz: Das Verhältniss Wolfs und W.  v. Humboldts zu Göthe und Schiller (Fest-Programm […] von dem Lyceum zu Wernigerode am 28. August 1863), Wernigerode: B. Angerstein (Komm. B. G. Teubner, Leipzig) 1863, S. 32, Anm. 229 Schlegel  D. i. Friedrich Schlegel, der zu dieser Zeit in Dresden weilte. Entgegen der Angabe Leitzmanns (D2, 109) kannte ihn Humboldt noch nicht; vgl. 314/24. Die Angelegenheit war die geplante, doch nicht realisierte Übersetzung von Mitfords ,History of Greece‘; vgl. 314/7.

Zu Brief 311  an Dohm, 4. IV. 1794 H (alt) Smlg. Karl v. Holtei D Karl v.  Holtei (Hg.): Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten. Bd.  1, Th.  2, Hannover: K. Rümpler 1872, S. 53–58 (teilweise mod.).

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März – April 1794

Z. 7  von allen Männern […] sind Sie der Einzige  „Einer statistisch-politischen Privatvorlesung, die er [Dohm] auf Veranlassung des Ministers von Schulenburg für einen jungen Grafen Arnim vom Herbst 1785 bis zu seinem Abgange von Berlin nach Köln im Juni 1786 hielt, haben […] beide Brüder [Humboldt] beigewohnt und so durch ihn die Grundlage ihres nationalökonomischen Wissens empfangen.“ (Leitzmann, mit Berufung auf Dohms Biographen Gronau; GS VII/2, 539) 21  Brief von unserm Jacobi  Pempelfort, 31.  I. 1794 (Auserl. Brw. – zit. zu 204/GB – II  137–141). Darin begründet Jacobi sein langes Stillschweigen mit Krankheit usw. und schildert ausführlich die Reisen (und Reisepläne, die teils durch die Kriegswirren durchkreuzt werden), erwähnt auch einen Besuch der Dohms in Pempelfort. Außerdem wird des plötzlichen Besuchs Goethes in Pempelfort gedacht, von dem auch Goethe der Nachwelt berichtete (,Campagne in Frankreich. 1792‘; WA I/33, 182–205 passim). 30  der Schauplatz des Krieges  In den Wochen unmittelbar vor unserem Brief gelingt es Robespierre, die Girondisten und die Bergpartei zu beseitigen (Danton wird am 6.  IV. hingerichtet!). Während also die Schreckensherrschaft ihren Höhepunkt erreicht, tobt in den Niederlanden der Krieg, der seinen vorläufigen Abschluss im Sieg Frankreichs in der Schlacht von Fleurus (26. VI.) findet. 65  mein Urtheil über ihn  Vgl. 305/15, 306/29. 78  Die Schilderung Ihres häuslichen Lebens  Über seinen Besuch bei Dohm in Aachen auf der Reise nach Paris 1789 berichtet Humboldt: „Vorzüglich gefiel mir immer an ihm die neigung zu häuslicher glükseligkeit, das feine, und nicht schwache, sondern wahrhaft starke und reizbare gefühl; an ihr die unbeschreibliche wahrheit, naivetät, und gutmüthigkeit, der gänzliche mangel auch nur der kleinsten verstellung.“ (Tb.; GS XIV 87) 96  wie […] Pempelfort  D. h. ,wie P. (Jacobis Landsitz) nahe bei Düsseldorf liegt‘.

Zu Brief 312  an Wolf, 28. IV. 1794 H

h D GB

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 73–74: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, der auf dem Schlussblatt durch Nachschriften links und unten ausgefüllt wird; zwischen Datum und Textbeginn 5 Leerzeilen; schöne – nicht große – Initiale; anfangs deutlich, danach zunehmend fahrig beschrieben; die erste Nachschrift neben der Empfehlungsformel beginnend, die zweite fol. 74v am linken Rand. Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D1  GW V 107–110. – D2  Mattson 1990, 99 ff. I  [Halle, ca. 7. IV. 1794] – d1  GS VIII 111 (dat. Anf. April – mod.); d2  Reiter I 147 f. (desgl. – krit.).

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Zu Brief 312

Z. 4  mit Homericis so beschäftigt  „Seit etlichen Wochen […] lebe ich nun vollends wie ein Sclav meiner Vorsätze; und erlebe daneben sicher auch noch den Verdruß, daß ich sie doch um die vorgesetzte Zeit nicht ausgeführt haben kann. Die Arbeit am Homer ist alle Wochen etlichemal durch specim[ina] von Studenten unterbrochen worden […]. Für mich entsteht aber daraus ein Mismut, den ich mit meinem bischen Philosophie nicht besiegen kan, und der mich sogar izt stumpf macht.“ (d2, 147 f.)    6  zu der Ode  D. i. zu Humboldts Übersetzung der 1. pythischen Ode Pindars; vgl. zu 308/9.    8  VV. DD.  Viri(s) docti(s): gelehrte(n) Männer(n). 17  daß auch das Ganze Ihnen nicht gefallen hat  Vgl. zu 308/15. 22 Michaelis  Der 29.  September, traditionell als Quartalsanfang in Verwendung (etwa bei Anstellung von Domestiken usw.). 25  wird den Musen […] die Harfe […] beigelegt  Wolf, der sich als „ich alles Beeckelnder“ (d1) bezeichnet hatte, hatte die Frage anhand der Eingangsverse der Ode gestellt, wo von einer ,goldenen Zither oder Laute‘ (Χρυσέα φόρμιγξ) die Rede ist. Möglicherweise änderte Humboldt daraufhin seine Übersetzung, denn die überlieferte Fassung lautet in den ersten drei Versen: „Goldne Leier, Phoebos und der [/] Musen mit wallenden Locken [/] ewig süß begleitender Schmuck“ (GS VIII 67). 25 Harfe  Einen begründeten Einwand gegen die Harfe (statt der Leier oder Kithara) hätte Wolf nicht vorbringen können; vgl. Max Wegner in 1MGG (zit. zu 264/22) V, Sp. 867–871. 29 begleitender Schmuck […] σύνδικον κτέανον  Vgl. vorige Anm. Der Beginn von Pyth.  1 lautet (Snell): […] Χρυσέα φόρμιγξ, Ἀπόλλωνος καὶ ἰοπλοκάμων [/] σύνδικον Μοισᾶν κτέανον („beiden [Apoll und den Musen] gleicherweise zu eigen“; nach Pindar: Die Dichtungen und Fragmente, verdeutscht und erläutert von Ludwig Wolde. Leipzig: Dieterich 1942, S. 59). Die Wendung ist mithin durchaus nicht vage. 30  Typhoeus […] kriechendes Ungeheuer  Humboldt (v. 47 f.): „Diese wilden Ströme Hephästos speit das [/] kriechende Unthier empor.“ (GS VIII 68) – „Auf die Beschreibung dieses abnormen Geschöpfes [auch Typhon genannt] haben die Dichter seit Hesiod viel Scharfsinn verwandt […]. Weil Typhon keine Tempel, keinen Ritus der Verehrung, keine Kultstatuen hatte, war die Phantasie der Dichter und Künstler ganz ungebunden“ (Rose 57, 59). So erklärt sich die Diskrepanz, die Humboldt hier referiert. Vgl. Robert [von Ranke] Graves: The Greek Myths. Vol. 1, Harmondsworth: Penguin 1955, p. 134: „From the thighs downward he was nothing but coiled serpents“. 31  unter dem Aetna  In einer der mythologischen Varianten wirft Zeus den Ätna auf Typhon (Graves ebd.; Rose 58). 32  Strabo l[iber] 16.  Bei Strabo (XVI 2, 7) heißt es, man sage, Typhoeus sei ein δράκων (Drache, große Schlange). 33  pierres gravées […] du Duc d’Orléans Vgl. Description des principales pierres gravées du cabinet de S. A. S. Monseigneur le duc d’Orléans, premier Prince du sang. t. 1–2, Paris:

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April 1794

Abbé de la Chau/Abbé Le Blond/Pissot 1780/84. Die beiden erstgenannten ,Verleger‘ sind gleichzeitig die Autoren des 2. Bds.; der 1. Bd. ist das Werk des Abbés Fr. Arnaud (Nouvelle biographie générale, t. 46 [1852], s. v. Lachau). Das Werk ist in den BV nicht verzeichnet. Humboldt kannte es aus der Bibliothek des Schwiegervaters, der es in der ,Erfurtischen gelehrten Zeitung‘ rezensiert hatte (9. St., 18. II. 1781, S. 65–69 bzw. 15. St., 26. III. 1786, S. 113–116 – nach Maximilian Letsch: Die Mitarbeiter der Erfurtischen Gelehrten Zeitung, in: Zentralbl. f. Bibliothekswesen, Jg. 57 [1940], S. 12). Humboldt referiert hier also aus dem Gedächtnis und irrt sich dabei ein wenig. Denn die gemeinte Abbildung (t. 1, zw. p. 32/33) stellt nicht Typhoeus/Typhon, sondern einen Titan dar, der hier als jugendliche männliche Gestalt auftritt, dessen Beine von der Höhe der Knie abwärts aus ,Schlangengewinden‘ bestehen. Die Verwechslung bzw. der lapsus memoriae ist insofern verzeihlich, als Typhon, Spross von Tartaros und Gaia (Hans v. Gaisau, KlPauly, s. v. Typhoeus), dessen Zeugung eine Art Racheakt der Gaia wegen des Untergangs der Giganten darstellte (Graves – zit. zu Z. 30 – I 133), die ihrerseits aus Rache für das Schicksal der Titanen von Uranos und Gaia gezeugt worden waren (Gaisau, KlPauly, s. v. Gigantes), sein Dasein der Titanomachie verdankt. Es sind aber die Giganten, nicht die Titanen, die schlangenartige Füße hatten (Gaisau, ebd.; Graves I 131); vgl. allenfalls die ,Description‘ selbst, I 33 f., 36. 36  Sie wünschen etwas über meinen hiesigen Aufenthalt zu hören  „Vor allen Dingen sagen Sie mir bald doch ein Wörtchen von dem glücklichen Fortgange Ihrer dortigen Lage und der Gesundheit Ihrer Fr. Gemahlin.“ (d2, 148) 47  jetzt habe ichs angenommen  Humboldt hatte einen Mitarbeitervertrag mit der ALZ am 19. April abgeschlossen (Tb.; GS XIV 243); seine Rezensiertätigkeit ist jedoch in dem hier geschilderten Umfang nicht verwirklicht worden. Die zwei abgedruckten Rezensionen betreffen auch Werke von Mitgliedern seines engsten Freundeskreises: 1) Jacobis ‚Woldemar‘, in: ALZ, Nr. 315–317 (26./27. IX. 1794), Bd. 3, Sp. 801/821 passim); 2) Wolfs Odyssee (vgl. zu 342/17). 47  jedoch mir vorbehalten Vgl. 279/36. 60  Vater der Geschichte  Die Charakterisierung Herodots als ,Pater historiae‘ scheint auf Cicero (Leg. I 1, 5) zurückzugehen. 61  Reinholds Vorstellungsvermögen  Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens von Karl Leonhard Reinhold. Prag/Jena: C. Widtmann und I. M. Mauke 1789 (BV – A-b/c). 63 anabasis  Die bekannteste Schrift des Xenophon. 64  Xen: Griech. Gesch.  Xenophons Hellenika schließen, um 411/410 beginnend, fast fugenlos an Thukydides’ ,Peloponnesischen Krieg‘ an.

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Zu Brief 313  an Schneider, 16. V. 1794 H (alt) Warmbrunn/Schlesien, Gräflich Schaffgotsch’sche Bibliothek D [August Heinrich] Hoffmann von Fallersleben: Findlinge. Zur Geschichte deutscher Sprache und Dichtung. Bd. 1 [m.n.e.], Leipzig: Engelmann, 1860, S. 312 ff.

Z. 4  Ihres Pindar  Carminum Pindaricorum fragmenta. Curavit J. Gottlob Schneider. Argentorati: J. Fr. Stein 1776 (BV – K-a).    9  mit einem Sohne  Der Sohn Wilhelm war am 5. Mai geboren worden. 15 Ausbeute  Humboldt war offenbar bereits bekannt, dass Schneiders Handexemplar zahlreiche ,Marginalien‘ des Herausgebers enthielt; daher hatte er – unabhängig davon, ob er die Ausgabe bereits besaß oder erst später erwarb – dieses ausborgen wollen (vgl. 303/119). 23  das Gut Auleben. 29  eine naturforschende Gesellschaft  „Der kleine Batsch hat eine Societatem physicam errichtet, wovon auch Ihnen ein Diplom gewidmet ist. Er hat allen seinen Apparat dieser Gesellschaft als Fundation zugeeignet. Lips hat die Diplomen, Facius das Siegel stechen müssen. Der Himmel gebe, daß die Arbeiten der Gesellschaft ebenso zierlich ausfallen mögen.“ (Voigt an Goethe, Jena, 17. VII. 1793; Hans Tümmler (Hg.): Goethes Briefwechsel mit Christian Gottlob Voigt. Bd.  1, Weimar: H. Böhlaus Nachf. 1949, S. 105) Diese Stiftung bildete später den Fundus für die naturhistorischen Sammlungen der Universität Jena (Jessen, ADB II 132; zu Batschs Bedeutung als Botaniker vgl. Ilse Jahn: Die anatomischen Studien der Brüder Humboldt unter Justus Christian Loder in Jena, in: Beitrr. z. Gesch. d. Univ. Erfurt (1392–1816), H. 14 [1968/69], S. 91). „Auf dem Heimweg von einer Sitzung dieser Gesellschaft war es, daß Goethe und Schiller, das botanische Thema des Abends fortspinnend, 1794 ihren Freundschaftsbund schlossen.“ (Tümmler; ebd., 441) 37 Aeschylus Vgl. 235/65 u. Anm. 37 Commentar  Vgl. zu 257/38. 41  Programme über den Aeschylus  „In Aeschyli Eumenid. v. 492 seqq. observationes“ vom 3. II. 1794; in: Christiani Godofr. Schützii Opuscula philologica et philosophica ex iis potissimum quae per XXIV annos Ienae programmatibus novi prorectoratus indicen­di causa editis nomine suo haud addito adiecit selecta nunc primum coniunctim edita et aliquot recentioribus aucta. Halae: Bibl. orphanotroph. 1830, p. 22–28. 43  Uebersetzung eines Chors aus den Eumeniden  Eumeniden-Chor (vgl. zu 246/33). 47  nicht gänzliche Freiheit meiner Lage  Anspielung auf die strenge Aufsicht durch den Erzieher Kunth – der einen Besuch bei Schneider sicher nicht untersagt hätte. 52  das Rectorat  Dieses Amt wird Schneider ebenso wenig von seinen philologischen Studien abgelenkt haben wie seine sonstigen akademischen Verpflichtungen; vgl. R. Hoche, ADB XXXII 126.

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Mai 1794

52  script[ores] rei rust[icae]  Scriptorvm rei rvsticae vetervm latinorvm, […]. Ex librorvm scriptorvm atqve editorvm fide et virorvm doctorvm coniectvris correxit, atqve interpretvm omnivm collectis et excerptis commentariis svisqve illvstravit Io. Gottlob Schneider, Saxo. t. 1–4, Lipsiae: C. Fritsch 1794/97 (BV – D-f).

Zu Brief 314  An Vieweg, 23. V. 1794 H

Wolfenbüttel, Herzog August Bibl., Briefsmlg. Vieweg: 3 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, sehr großer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 8 Leerzeilen; hohe Deutlichkeitsstufe. – Die Notate Viewegs auf S. 4 sind wohl von ihm selbst unleserlich gemacht worden.

Z.  5  Ein junger Mann in Dresden  Friedrich Schlegel, der einen Monat zuvor diesen Plan dem Bruder mitteilte (Dresden, 17. IV. 1794; KrA XXIII 190).    7  The history of Greece by […] Mitford  The History of Greece [/] By William Mitford, Esq. London: T. Wright 1784. 10 Additions  History of Greece. Additions and corrections to the first volume by William Mitford. London: T. Cadell 1789. 17  dem jungen Manne  Schlegel war keine fünf Jahre jünger als sein hiesiger Befürworter, der selbst kurz vor dem 27. Geburtstag stand. 21  Recension in den Gött. gel. Anz.  Die Rezension des 2. Teils dieses „gründlichen und in einem edeln ungeschmückten Geschichtsstil geschriebenen Werkes“ (Gött. Anz. für gel. Sachen, 1791/I 868 f.) stammt, nach einem zeitgenössischen handschriftlichen Vermerk im (heute digitalisierten) Exemplar der Niedersächs. St/UB Göttingen, von Heyne. 22  in dem Allgem. Repert.  Allgemeines Repertorium der Literatur. Bd. 1–8, Jena: ALZ 1793–1807, in dem Neuerscheinungen 1785–1800 sowie die hierzu erschienenen Rezensionen nach Fachgebieten verzeichnet wurden. 24  von einem meiner […] Freunde  Körner; vgl. 310/229. Seit jenem Versprechen waren aber acht Wochen verstrichen, bevor es zu dieser ersten Anfrage kam. Vgl. zu Z. 32. 27  Geschichte der griechischen Dichtkunst  Noch vor Jahresende ist Schlegel auch mit zwei Aufsätzen auf diesem Gebiet aufgetreten: „Von den Schulen der Griechischen Poesie“, in: Berl. Ms. XXIV (Nov. 1794), 378–400 (KrA I 3–18) und „Vom ästhetischen Werthe der Griechischen Komödie“, ebd. (Dez. 1794), 485–505 (KrA I 19–33). 32  ob Sie zur Uebernehmung des Verlags Lust hätten  Vieweg lehnte das Angebot zwar ab, aber erst nach einigen Wochen (vgl. Schiller an Körner, Jena, 4. VII. 1794; NA XXVII 20). Nur so ist zu erklären, dass Friedrich in einem wenig späteren Brief von konkre-

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Zu Brief 314–316

ten Honorarvorstellungen spricht, die durch Humboldts Vermittlung erwogen würden. Die Stelle, die überhaupt die erste ernstzunehmende Wahrnehmung der Person Humboldts durch Friedrich Schlegel belegt, sei in extenso zitiert: „Mit der Mittheilung eines Briefes von Humbold wirst Du mir viel Vergnügen machen. Ich habe viele von ihm an Körner gesehn, worin mich vieles intereßirt; vorzüglich habe ich bewundert, wie sehr er gewußt hatte, in K.s eigenste Denkart hineinzugehen. – K. hatte ihm wegen des Mitford geschrieben – er hat sich der Sache mit großem Eifer angenommen, vors erste an Vieweg in Berlin geschrieben; macht Hoffnung zu einem größern Honorar, als ich gefordert (nehmlich 4 Thl. für den Bogen); vielleicht schreibe ich ihm selbst; wenn Du ihm aber schreibst, könntest Du deßen auch wohl erwähnen.“ (undat.; KrA XXIII 198 – der Datierungsansatz, „Mitte Mai 1794“, müsste aufgrund des Datums unseres Briefes eher in den Juni 1794 verlegt werden) – Im Herbst meldet Schlegel dem Bruder, er habe einen Verleger für das Werk „gefunden: Forberg und Gabler in Jena durch Humbold“ (Dresden, 27. X. 1794; KrA XXIII 210); noch im folgenden Sommer plant er, daran zu arbeiten (Dresden, 31. VII. 1795; ebd. 229), aber eine Publikation kam nicht zustande. Eine deutsche Ausgabe des Werks erschien 1802: Geschichte Griechenlands. Eine freye Uebersetzung des englischen Werkes von William Mitford, Esq. durch Heinrich Karl Abr. Eichstädt […]. Bd. 1–2, Leipzig: Weidmann 1802. 39  Voß Homer  Vgl. zu 257/201.

Zu Brief 315  an Wolf, 30. V. 1794 H

H1  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 75: 2 S. 4°, eigh., mit normalem Rand und schöner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; recht deutlich beschrieben. (Vorlage für Z. 1–35). – H2 (alt) Berlin, AST (Rest des Briefes, der nach Humboldts Redaktion durch h1 ersetzt wurde). h h1 (wie H1), fol. 76: Abschr. von Pahls Hand, 1½ S. 4° , die nach Humboldts Streichung der Passage Z. 59–73 erforderlich wurde. – h2  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (DKoll. bzw. Abschr. – nach H2 – in D1: Vorlage ab Z. 35). D D1  GW V 110–113 (nach H1, h1; ohne Z. 59–73). – D2  Mattson 1990, 101 ff. (nach H1, h2).

Z. 16  Sie verließen Ihr Haus  Vgl. zu 307/31. 22 Prol[egomena]  Die ins Uferlose gewachsene Einleitung zum Ilias-Text hatte sich also zwischenzeitlich unter diesem Titel verselbstständigt: vgl. zu 307/111 und 333/4. 28  Ατρείοη […] υιες  Beide Irrtümer wurden noch rechtzeitig korrigiert: Ἀτρεΐδη, υἷες (Wolf 1794). 29 Morgenstern  Caroli Morgenstern […] De Platonis Republica commentationes tres. Halis Saxonum: Hemmerde 1794 (l. Teil: Diss. Halle).

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Mai – Juli 1794

32 Meynung  Das Buch wurde auch von Goethe, Schiller, Wieland, Kant und Heyne gelobt; vgl. F. Sintenis (Hg.): Briefe von Goethe, Schiller, Wieland, Kant, Böttiger, Dyk und Falk an Karl Morgenstern. Dorpat: W. Gläser 1875. 44 Dedikation  Morgensterns Schrift ist seinen Lehrern G. B. Funk, J. A. Eberhard und Wolf gewidmet. 49  das Gesetz  Vgl. die fast wörtliche Übereinstimmung seiner diesbezüglichen Grundsätze mit dem Bedenken zu Löff lers entsprechender Anfrage (279/36). 53  Die lange pol. Rec.  Die Rez. der anonym erschienenen Schrift Fichtes, „Beytrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums über die französische Revolution“, 1. Th.: Zur Beurtheilung ihrer Rechtmäßigkeit, o.  O. 1793, in: ALZ, Nr.  153–154 (7.–8. V. 1794); Bd. 2, Sp. 345–360 (beide Teile gedruckt in: J. G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hg. von Reinhard Lauth [u. a.], Reihe I, Bd. 1, Stuttgart-Bad Cannstatt: Fr. Frommann [G. Holzboog] 1964, S. 193–404). 56  Schriften über Aristo[t]. Rhet. u. den Aristoph. Byz.  Animadversiones et Lectiones ad Aristotelis libros tres Rhetoricorum. Scripsit Joannes Severinus Vater […]. Lipsiae, apud G. A. Grieshammerum 1794 (BV – K-a). – § 44 der ,Prolegomena‘ beschäftigt sich mit Aristophanes von Byzanz; eine Schrift über ihn aus dieser Zeit konnte nicht ermittelt werden. 59 Ilgen  Von dieser Zeit her datiert die lebenslange – wenn auch nicht immer unproblematische – Freundschaft mit dem Ehepaar Ilgen. 60  actio principalis  Vgl. zu 301/161. 63  ἐν καρὸς αἰσῆ  Vielmehr […] αἴσῃ: ,wie nichts‘ (Il. IX 378). 71 [Asynarteta]  Vgl. zu 307/103. 77  Der Engl. Phädrus Wohl: The Phaedrus of Plato; a dialogue concerning beauty and love. Translated from the Greek [by Thomas Taylor]. London: E. Jeffrey 1792.

Zu Brief 316  an Schiller, Juni/Juli 1794 H (alt) Berlin, PrStB; derzeitiger Standort: Krakau, BJ, Smlg. Autographa, Kst. 87: 1¼ S. 4°, eigh.; sehr saubere Reinschrift. h h1 Trolle-Ljungby/Schweden, BA: Abschr. von unbekannter Hand. – h2  „Abgeschrieben für A. Leitzmann 28. 6. [18]94.“ (Vermerk auf H – n. e.). D D1  Albert Leitzmann: Zu Wilhelm von Humboldt, in: Euphorion III (1896), 73 (nach h2 ). – D2  Leitzmann 1900, 56 f. (nach H; danach Seidel I 58 f.).

Datierung: vgl. zu Z.  30. – Das Gedicht, das nur im weniger poetischen Schlussteil überhaupt als Mitteilung an Schiller gelten kann, ist streng genommen kein Brief, würde aber in der hier beabsichtigten Dokumentierung des Zusammenlebens mit

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Zu Brief 316–317

Schiller eine Lücke darstellen, wenn es einem so strengen Auswahlkriterium zum Opfer fiele. Z. 25  Petrarcas Liederbau […] zu erklären  Wenn, nach Leitzmann, eine Beschäftigung Schillers „mit Petrarca und speziell seinem Strophenbau […] nicht direkt“ nachzuweisen sei (1900, 360), so beweist das Gedicht, dass Petrarca und dessen Canzonenform zumindest im Gespräch der beiden Freunde zur Sprache gekommen ist, wobei Humboldt diese durch Reim- und metrische Schemata dem Freund zu erklären gesucht haben wird (seine Petrarca-Lektüre ist ja in den Brautbriefen belegt; vgl. 158/14 – Bd. 1). Das Gedicht sollte mithin Schiller ein anschauliches Beispiel dieser Form bieten, vor allem im Reimschema, das etlichen Canzonen Petrarcas tatsächlich nahe kommt: So stimmt Humboldts Canzone bis zum Vers 17 mit dem Reimschema der Canzone „Nel dolce tempo de la prima etade“ (Nr. 23 des ,Canzoniere‘) überein, auch Nr. 28 stimmt bis v. 14 überein; die Nrn. 72 und 127 bis v. 13; 71, 73, 125 bis v. 12; 53 und 128 bis v. 11. Andererseits bleibt Humboldt im Versmaß durchweg beim auch bei Petrarca (und der italienischen Dichtkunst überhaupt) vorherrschenden ,Endecasillabo‘, während Petrarca in den Canzonen gern kürzere Verse einstreut. – Mit einem Wort: Auch im „Fieberfrost“ ist Humboldt mit wachem Verstand an diese Aufgabe herangegangen. 30 Fieberfrost  Humboldt war zu dieser Zeit an Malaria erkrankt; vgl. zu 317/17.

Zu Brief 317  an Wolf, 25. VII. 1794 H

H1  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 77: 2 S. 4°, eigh., mit breitem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen, mit schöner Initiale; mit spitzer Feder zunächst deutlich, dann zunehmend fahrig beschrieben; die 2. Nachschrift als Marginale fol. 77r; fol. 77v redaktionelle Streichung Humboldts (¾ Z.) . (Vorlage für Z. 1–40, 86 f.) – H2 (alt)  Berlin, AST (durch h2 ersetzter Briefschluss – vgl. zu 262/H). h h1  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 41: eigh. Abschr. der Z. 32 f. gestrichenen Stelle in Humboldts Bestandsverzeichnis der 1826 redigierten Briefe an Wolf (vgl. zu 264/H, h1; genaue Beschreibung: Mattson 1990, 376 f.). – h2 (wie H1), fol. 78: Abschr. von Pahls Hand gemäß den Redaktionsanweisungen Humboldts, 1¾ S. 4°. – h 3  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1: Vorlage für Z. 41–54, 60–83). – h4  ebd., Abschr. Leitzmanns in den Margen von D1 (Vorlage für Z. 55–59, 84 f.). D D1  GW V, 113–117 (nach H1, h2; ohne Z. 32 f., 55–59, 84–87). – D2  Mattson 1990, 104 ff. (nach H1, h1, h3-4).

Z.  8  Ihre Abneigung, dem Papiere viel anzuvertrauen  Diese Eigenheit, die Humboldt (wie Wolf selbst) später auch mit dem Ausdruck ,Briefscheu‘ umschreiben wird, war teilweise aus Wolfs Erziehung zu erklären: Sein Vater pflegte dem Knaben die Federn

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Juli 1794

zu schneiden, und Wolf selbst hat diese Kunst nie ordentlich gelernt. „[…] er blieb desshalb auch sein Leben lang zum Schreiben weniger aufgelegt, und es ist auffallend genug, dass er sich späterhin nicht an’s Dictiren gewöhnt hat“ (Körte I 8). 17  das dreitägige kalte Fieber  „Humbold hatte seit einigen Wochen einen Acceß von einem intermittierenden Fieber, welches aber jetzt anfängt ihn zu verlassen“ (Schiller an Körner, Jena, 4.  VII. 1794; NA XXVII 20). Nach Ackerknecht (zit. zu 293/7 – S.  79) ist dies eine früher übliche Bezeichnung für den wenig später (so Marlene Jantsch: Die Malaria: ein geschichtlicher Überblick, Wien: Fr. Deuticke 1948 [Beitrr. z. Gesch. d. Med., H. 6], S. 19) aus dem Italienischen entlehnten Krankheitsnamen Malaria (d. i. ,schlechte Luft‘, da man die aus Sümpfen herwehende Luft anstatt der dort aus der Larve schlüpfende Anophelesmücke für die Krankheitsüberträgerin hielt). Höfler verweist ebenfalls unter dem Stichwort „Fieber, kaltes“ (S. 141) auf „Febris intermittens (Malaria)“ mit Hinweis auf den hierbei auftretenden Schüttelfrost. Das Stichwort „Fieber, dreitägiges“ wird mit ,Tertianfieber‘ erläutert (d. i. [Tertian-]Malaria „= Malariafieber mit dem genau jeden 3. Tag zyklisch wiederkehrenden Rückfall“ (ebd., S. 139), mit dazwischenliegenden fieberfreien Tagen (Ackerknecht 78). Mit dem Zahlwort drei ist allerdings der Beginn des neuen Rückfalls gemeint, gerechnet vom Beginn des vorigen Anfalls (i.  d.  R. 48 Stunden danach). Vgl. Maxim Zetkin/Herbert Schaldach: Wörterbuch der Medizin, 15. vollst. überarb. Aufl. bearb. von Heinz David u. a. Berlin: Ullstein-Mosby 1992, S. 1303, wo eine Fieberkurve eines Tertianmalariakranken wiedergegeben wird, mit Spitzen am 1., 3., 5. und 7. Krankheitstag. Diese rhythmische Wiederkehr bestätigt Humboldts Tagebuch. Unter dem 19.  VI. 1794 notiert er: „Bekam ich das kalte Fieber“. Die Rückfälle (mit dem Eintrag „Fiebertag“ bezeichnet) sind unter dem 21., 23., 25., 27., 29. VI. und 1. u. 3. VII. registriert (GS XIV 247 f.). Am 14.  VII. notiert er: „bekam ich das Fieber wieder“, und auch hier folgten die ,Fiebertage‘ in zweitägigen Abständen (16., 18., 20.  VII.; ebd. 248), wonach die Krankheit endgültig überstanden zu sein scheint. – Der „Fieberfrost“, in dem Humboldt die „Canzone“ dichtete, die er mit einer gleichsam entschuldigenden, in fieberfreiem Zustand verfassten Epilog an Schiller schickte (Br. 316), ist sicherlich einer dieser Schüttelfrostanfälle gewesen, wodurch das Gedicht als poetische Hervorbringung Humboldts erst plausibel wird (schon Leitzmann wies sie in die Zeit dieses „Fieberzustandes“; Leitzmann 1900, 360). – Zur Frage, ob dieses heute als Tropenkrankheit bekannte Übel Ende des 18. Jhs. in Thüringen zu vermuten wäre, gibt die eingesehene Literatur zwar keine genauere Auskunft, aber Ackerknecht berichtet von einer regelrechten Epidemie in Norddeutschland in den 1740er Jahren sowie von Pandemien „im Zuge der Napoleonischen Kriege“ 1806/07 und in ganz Europa 1826 (S. 81), und Einzelstudien berichten von Malariaerkrankungen in Mitteleuropa bis ins frühe 20. Jh. hinein. Humboldt meldet übrigens eine weitere – allerdings kurze – Erkrankung am ,kalten Fieber‘ 1797: vgl. an Wolf, Jena, 21.  IV. 1797; Mattson 1990, 182), und Wolf erkrankte auch daran 1809: vgl. ebd., S. 266 u. 535. – Leider fehlt hier

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Zu Brief 317–318

und in den sonstigen Briefen Humboldts aus diesen Wochen jeder Hinweis auf die hier vorgenommene medizinische Behandlung, aber anlässlich der Erkrankung seines Sohnes Wilhelm am ,kalten Fieber‘ (April bis Juni 1796 – vgl. Mattson 1990, 152 f.), fällt der entscheidende Hinweis auf eine Behandlung mit Chinarinde: „Unser Junge ist wieder fieberfrei […]: Herz hatte ihm […] China gegeben.“ (an Schiller, Berlin, 25. VI. 1796; NA XXXVI/1, 243) Dieses seit dem 16. Jh. bekannte und zur Bekämpfung der Malaria spezifische, chininhaltige Pharmakon hatte sich bis Mitte des 18. Jhs. auch in Deutschland durchgesetzt (vgl. Jantsch 9 f., 17). 31  das Schützische Haus  In einiger Entfernung vom Ortskern, in der Löbdervorstadt, Engelplatz 8 (wo heute das Hauptpostamt steht – dank Auskunft Rüdiger Glaws, Stadtarchiv Jena), lag „ein großes neues Haus, die ,Literatur‘ genannt, Sitz der Redaktion der [… ALZ]. Seine [Schütz’] Frau, die von vielen umworbene Madame Schütz verstand es, das Haus zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt Jenas zu machen.“ (Raabe 28) 32  Die Frau  Anna Henriette Schütz galt mitunter auch als kokett, wie auch von Schiller bestätigt wird: „Die Profeßor Schützin ist ein triviales sonst sehr lebhaftes Weib das unaussprechlich gern gefallen will und sich durch die auffallendsten übel angebrachte Kleidertrachten lächerlich macht. Sonst aber kommt ihre Eitelkeit den Fremden, vorzüglich denen von einigem Rufe zu gut, die sie mit Aufmerksamkeit belagert.“ (an Körner, Weimar, 29. VIII. 1787 – NA XXIV 147; vgl. auch 320/37 und Reiter III 130) Wolf war ihr allerdings sehr zugetan, und auch Schneider scheint ihr mehr als bloß freundschaftliche Verehrung entgegengebracht zu haben: vgl. seinen Brief an sie, Frankfurt/O., 13. X. 1797 (Christian Gottfried Schütz: Darstellung seines Lebens, Charakters und Verdienstes nebst einer Auswahl aus seinem litterarischen Briefwechsel mit den berühmtesten Gelehrten und Dichtern seiner Zeit. Hg. von seinem Sohne [Friedrich Karl Julius Schütz]. Bd. 1, Halle: C. F. E. Scharre 1834, S. 422 ff.). Auch Woltmann zählte zu ihren Bewunderern; vgl. 320/59. 43  Kommen Sie  Wolf besuchte Jena und Weimar erst zu Pfingsten 1795; vgl. Br. 342. 44  ein geräumiges Haus  Das Hellfeldische Haus (vgl. zu 324/82). 46  Voß […] in Weimar  Voss war Anfang Juni 1794 in Weimar (Besuche bei Goethe am 2. und 6. VI. sind bekannt); vgl. Wilhelm Herbst: Johann Heinrich Voß. Bd. 2, T. 1, Leipzig: B. G. Teubner 1876, S. 160–172; Renate Grumach (Hg.): Goethe: Begegnungen und Gespräche, Bd. 4, Berlin [etc.]: W. de Gruyter 1980, S. 62–70. – Obwohl Humboldt mit Voss schon im Briefwechsel stand (vgl. Z. 52), lernte er ihn erst zwei Jahre später auf der Reise durch Norddeutschland persönlich kennen: vgl. Tb., GS XIV 311–320. 49  Sein Urtheil über meine Oden  Dieses sicher mündliche Urteil muss Wolf aus Weimar (vielleicht von Böttiger?) übermittelt worden sein; Voss’ Musenalmanach fürs Jahr 1795 (Lauenburg/Hamburg: Bohn 1794) enthält keinen Beitrag Humboldts. 53  Die mythol. Briefe  Mythologiscbe Briefe von Johann Heinrich Voss. Bd. 1–2, Königsberg: Fr. Nicolovius 1794 (BV – K-c).

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Juli – September 1794

55  Die Stelle über Heyne?  Die ganze Schrift ist eine gegen Heyne gerichtete Polemik. 60 Schneider  Schneider hatte Humboldt am 19.  III. 1794 sein mit zahlreichen Marginalien versehenes Handexemplar seiner Pindarausgabe übersandt (vgl. 313/7, 15 u. Anm.). 64 Probeode  Pyth. 1; vgl. 308/13. 67 Apollon.  Die ,Argonautika‘ des Apollonius Rhodius. 68 anabasis  Vgl. zu 312/63. 69  eine Stephan. ed.  Ἀπολλωνίου τοῦ Ῥοδίου Ἀργοναυτικῶν βιβλία δ´. Apollonii Rhodii Argonauticwn libri IIII. Scholia vetusta in eosdem libros […] Cvm annota­ tionibvs Henrici Stephani […]. [Paris], apud H. Stephanum 1574. 70  die Brunckische  Vgl. zu 284/24. 70  Ihre Odyssee  Die inzwischen gedruckte Odyssee-Ausgabe (zit. zu 287/167), die er schon früher in Form von Aushängebogen zu Gesicht bekommen und studiert hatte. 72  die Vorr.  In seiner Rezension dieser Vorrede (Rez. Odyssee) hebt Humboldt ihre Bedeutung als Programm für die Textkritik hervor: „Vorzüglich aber hat der Herausgeber den ganzen Text in Absicht auf die Accentuation und Orthographie überhaupt […] durchaus umgeformt, und mit den Grundsätzen des gelehrten Alterthums, vorzüglich der besten Alexandrinischen Grammatiker, übereinstimmend gemacht. Ueber einige dieser Grundsätze selbst […] hat er sich in der Vorrede erklärt, und damit den Freunden der Griechischen Literatur ein neues schätzbares Geschenk gemacht“ (GS I 371). 79 Schweizerpapier  Schon seinerzeit, bei der Edition des Einzelbriefwechsels mit Wolf (Mattson 1990), haben entsprechende Anfragen, auch bei Papierhistorikern, nichts ergeben. Ein besonders feines Velinpapier wird wohl damit gemeint sein.

Zu Brief 318  an Brinkman, 14./15. IX. 1794 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 6¾ S. (2 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, großer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 2 Leerzeilen; außerordentlich deutlich beschrieben. D D1  Leitzmann 1900, 358 (Z. 88–95). – D2  Leitzmann 1939, 73–77.

Datierung: nach dem Tb. wurde der Brief erst am 15. IX. beendet bzw. abgeschickt (GS XIV 251). Z. 2  keine französischen Verse mehr […] Alexandrinern Vgl. 295/37. 5  vltima Cumaei {etc.}  Vergil, 4. Ekloge, v. 4 f.: „Schon erfüllete sich die Zeit cumae­ ischer Sänge [/] Schon von neuem beginnt der Jahrhunderte mächtiger Kreislauf “ (R. A. Schröder).

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Zu Brief 318–320    6  die Jungfrau  Auch hier, wie so oft in den Briefen an Brinkman, eine nicht deutbare Anspielung, die wohl auf eine Bemerkung des Empfängers zurückgeht. Ist etwa die immer mit Spott bedachte ,Wittib‘, Spaldings Frau, gemeint? 13  Ihres […] Briefes  Pr. 13. VIII. 1794 (Tb.; GS XIV 249). 47 excipirt  Hier spricht wieder der Jurist: einwenden, Einspruch erheben. 75  Daß ich […] hart erscheinen muß  Ein Passus in einem Brief Alexanders deutet einige Gründe an für diesen in der Tat immer wieder erhobenen Vorwurf: „Wilhelm ist ein prächtiger Mensch. Wenn man ihn aber wenig kennt, irrt man sich leicht in ihm. Entweder er ist […] beleidigend, zurükstoßend oder etwas gezwungen höflich. Es geht alles in ihm vor, er ist zu esoterisch. Dazu kommt jezt seine Heirath, die jenes Wesen, jene scheinbare Kälte, sie ist nur scheinbar, vermehrt. […] Es ist das merkwürdigste Wesen, das mir je vorgekommen. Daher interessirt mich nichts so innigst.“ (an Freiesleben, Erlangen, 21. X. 1793; Jugendbriefe 280) 81  mit lauter Verwundeten  Wenn die von Leitzmann angeführte Briefstelle (Brinkman an Schleiermacher, Berlin, 14. VIII. 1804; Briefe von Karl Gustav v. Brinckmann an Friedrich Schleiermacher, in: Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin. NF 6, Berlin: Litt.archiv-Ges. 1912, S. 64; zit. Leitzmann 1939, 206) eine Reminiszenz an diese Stelle war, so hat Brinkmans Gedächtnis sie fantasievoll ergänzt. 88 Kränklichkeit  Vor allem seine Malaria-Erkrankung im Juni–Juli; vgl. 317/17. 97  Rec. der Matthissonschen Gedichte  Vgl. zu 320/71. 99  Recension von Jacobi’s Woldemar  Rez. Woldemar, zuerst in: ALZ 1794, Nr. 315 ff. (26./27. IX. 1794); III 801–821 passim; GS I 288–310. 110  an Jeannetten  Jeannette Stieglitz. 111  Gegen Stieglitz  Vgl. zu 230/12. 119  die Blattern inoculiren lassen  Vgl. zu 274/15.

Zu Brief 319  an Schiller, Jena, 15. IX. 1794 H verschollen D NA XXVII 48 (Reg. im Brief Schillers an Charlotte Schiller, Weimar, 16. IX. 1794).

Datierung: Schiller ist seit dem 14. September zu Gast bei Goethe in Weimar (wohin ihn Humboldt begleitet hat, um am nächsten Tag zurückzufahren; vgl. Tb., GS XIV 251). An diesem oder auch am nächsten Tag kann er die aktuelle ,Blattern-Depesche‘ abgeschickt haben.

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September 1794

Z. 1  die Blattern  Charlotte war mit den Kindern nach Rudolstadt gefahren, „um den Blattern auszuweichen, die H. v.  Humboldt seinem Kleinen inoculieren ließ“ (Schiller an Goethe, Jena, 7. IX. 1794; NA XXVII 39). Die Impfung war am 31. VIII. erfolgt (Tb.; GS XIV 250). 3 Sonnabend 20. IX.

Zu Brief 320  an Schiller, 21./22. IX. 1794 H

Marbach a. N., DLA (CA), Cotta Briefe C 3: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh. – Fragment, ohne Rand, mit großer Initiale, auch in der Datumszeile, danach 1 Leerzeile; zunächst recht deutlich, danach allmählich fahriger beschrieben. D D1  Humboldt 1830, 106–109 (Z. 1–11, 44–58, ab Z. 63; danach Seidel I 59–62). – D2  Leitz­ mann 1900, 53–56. – D3  NA XXXV 60 ff.

Datierung: Der Brief wurde am 21. IX. begonnen (Tb.; GS XIV 251). Z. 2  einen Brief von mir  Die im Sommer 1794 eingeleitete Annäherung Schillers und Goethes wurde in der zweiten Septemberhälfte intensiviert, als Schiller Hausgast bei Goethe in Weimar war. Humboldt, den Goethe ebenfalls erstmals zu einem Besuch eingeladen hatte (an Schiller, Weimar, 10. IX. 1794; WA IV/10, 193), hatte den schwerkranken Freund („Ich bitte bloß um die leidige Freyheit, bey Ihnen krank seyn zu dürfen“ – Schiller an Goethe, Jena, 7. IX. 1794; NA XXVII 39), wohl im eigenen Wagen, dorthin begleitet: „fuhr ich mit Schiller nach Weymar. Die Nacht bei Göthe“ (Tb, 14. IX. 1794; GS XIV 251); auch für die Rückreise (am 27. IX.) stand er zur Verfügung (ebd., 252). Der Brief markiert somit einen Wendepunkt sowohl im Leben Schillers als auch Humboldts: die endgültige Verbindung beider mit Goethe.    7 Mittwoch 24. IX. 11 Freitag 19. IX. Humboldt war am Vortag nach Weimar gewandert und blieb auch diesmal bei Goethe über Nacht; am nächsten Tag wanderte er nach Jena zurück (Tb; ebd. 251). 13 dort  In Weimar. 17  viel recensirt  Rehberg war Mitarbeiter der ALZ. 25  Das Programm  Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie, als Einladungsschrift zu seinen Vorlesungen über diese Wissenschaft von Johann Gottlieb Fichte. Weimar: Industrie-Comptoir 1794 (BV – D-a/b; A-c). Diese knappe Darstellung, „Fichtes Einladungs- bzw. Programmschrift in deutscher Spra-

467

Zu Brief 320–321

che für die Jenaer Studenten und Gelehrten“, war im Frühjahr 1794 erschienen (FichteGesamt-Ausgabe – zit. zu 315/53 – Bd. I/2, S. 93; Text: S. 109–154). 35  Jacobinismus der Preuß. Armee  Michelet liefert hierfür eine verblüffende Teil­ erklärung: Französische Bürger hätten den geschlagenen, heimwärts wandernden preußischen Soldaten neben anderen Wohltaten jakobinische Zeitungen zugesteckt, aus denen diese in ihren Briefen nach Hause referiert hätten (I 1028 f.). 38 Clubb  Der sog. Professorenklub in Jena; vgl. Raabe 37. Es ist hierbei nicht an einen eigenen Klubraum oder gar Bau zu denken, sondern die Professoren tagten jeweils bei einem der Mitglieder, wie sie auch vielfach ihre Vorlesungen in den eigenen vier Wänden hielten (vgl. Oehme – zit. zu 324/82 – passim). 41  der alte Rahn  Hartmann Rahn, Fichtes Schwiegervater, wohnte bei ihm in Jena. 47  nicht Reinhard, sondern Gotter  Diese Behauptung war unrichtig, denn Reinhard löste den am 8. VI. 1794 verstorbenen Bürger als Herausgeber des ,Göttinger Musenalmanachs‘ ab (teils nach G. Schulz, NA XXXV 460). Woltmann war Bürger während seiner Studienzeit in Göttingen (1788/92) näher getreten: „Das große Erlebnis in Göttingen […] war für Woltmann die Bekanntschaft mit […] Bürger.“ (Raabe 18) 49 Stillschweigen  Schiller hatte Gotter zur Mitarbeit an den ,Horen‘ eingeladen (an Cotta, Jena, 10. VII. 1794; NA XXVII 21), zu deren Redaktionskomité, neben Schiller, Goethe und Humboldt, auch Woltmann gehörte. 49  Die Staufer  „Geschichte der Hohenstaufen in Italien“, in: Kleine historische Schriften von Karl Ludwig Woltmann. Th. 1–2, Jena: J. G. Voigt 1797; I 3–80, II 3–108. 50 Althof  In dieser Form kam das Projekt nicht zustande (vgl. vorige Anm.); statt dessen verfasste Althof eine Biographie des Dichters: Einige Nachrichten von den vornehmsten Lebensumständen Gottfried August Bürger’s, nebst einem Beitrage zur Charakteristik desselben. Von Ludwig Christoph Althof. […]. Göttingen: J. Chr. Dieterich 1798. 53  Geschichte der Grachen  Die Gracchen, Mitglieder „des alten Plebeiergeschlechts der Sempronii“ (Hans Georg Gundel, KlPauly II 859), hatten zuletzt 133 v. Chr. in der Person des Volkstribuns Titus Sempronius Gracchus, wenn auch vergeblich, versucht, eine umfassende Agrarreform durchzusetzen. 54  Wenn er diesen Gegenstand mit viel Politik umgiebt  Meint Humboldt mit dieser Bemerkung etwa, man könnte die analogen gegenwärtigen Probleme in dieser historischen Verkleidung wirkungsvoll ansprechen? 59  Auf Me. Schütz ist er sehr spitzig  Und nicht nur auf sie, wie die Zeitgenossen übereinstimmend berichten. Woltmann war für seine zahlreichen Liebschaften stadtbekannt und meinte einmal selbst: „Von den drei Jahren, welche ich hier [in Jena] zugebracht, hat die Liebe zwei fast ganz hingenommen“ (zit. bei Raabe 34 f.); vgl. über die Schütz zu 317/32. 62  gänzliche Umarbeitung  Gemeint ist Ramdohrs Bearbeitung des Stoffes der ,Emilia Galotti‘, „Odoardo und seine Tochter“, als abschließender Anhang zu: Moralische

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September – November 1794

Erzählungen von Friedr. Wilh. Basilius von Ramdohr […]. Th.  2, Leipzig: Dyk 1799, S. 295–406 (Mf. 17528 f.). 62  der […] entblätterten Emilie Galotti  Anspielung auf die vorletzte Szene des Lessingschen Trauerspiels, in der Emilia auf die Frage des entsetzten Vaters (der sie soeben erstochen hat): „Gott, was hab’ ich gethan!“ antwortet, „Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert“ (Lessing, SS – zit. zu 235/30 – II 449). 62  Mit Fichte habe ich […] gesprochen  Hier referiert Humboldt über nur eines der häufigen Gespräche mit Fichte in dieser Zeit. Vgl. z. B. Schiller an Charlotte v. Schiller, Jena, 12. IX. 1794: „Heute Mittag hat Bill [F. L. A. v.] Henderichen und Fichten bey mir tractiert.“ (NA XXVII 44) 69  Neulich […] hat er mir mein System […] dargelegt  Dieses Gespräch ist nur durch diese Briefstelle belegt (Flodoard v. Biedermann [Hg.]: Goethes Gespräche. Bd. 1, Leipzig: F. W. v. Biedermann 1909, S. 207 und weitere Sammlungen). Goethe selbst spürte deutlich, wie fremd ihm diese Art der Philosophie war. An Jacobi schrieb er in diesen Tagen: „Fichtens Bogen hat Max [Jacobi] dir gesammelt und bringt sie mit, ich wünschte sehr deine Gedancken gelegentlich über Gehalt und Form dieser sonderbaren Producktion zu hören. Ich bin zu wenig oder vielmehr gar nicht in dieser Denckart geübt und kann also nur mit Mühe und von ferne folgen.“ (Weimar, 8. IX. 1794; WA IV/10, 192) 71  Ihre Matthissonsche Rec.  „Über Matthissons Gedichte“, zuerst in: ALZ Nr. 298 f. (11./12. X. 1794), Sp. 665–680; NA XXII 265–283. – Eine Äußerung Fichtes über diese Schrift ist nicht erhalten. 73 Weißhuhn  Dieser war ein Jugendfreund Fichtes. 74  Er soll […] erst etwas schreiben  So auch Fichte an Weißhuhn, Jena, Juli (?) 1794: Er wolle Weißhuhn zur Mitarbeit an den ,Horen‘ durchsetzen, es aber nicht übereilen. „Machen Sie sich nur erst bekannter, und man soll mich wohl bitten, daß ich Sie überrede.“ (Ges.-Ausg. – zit. zu 315/53 – III/2, 181) 75  einen Band Sinngedichte  Sinngedichte von Friedrich August Weißhuhn. Leipzig: Dyk 1790, darunter „Epigrammatvm libellvs“ (S. 160–207).

Zu Brief 321  an Brinkman, 3. XI. 1794 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 3½ S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit normalem Rand, mäßiger Ini­ tiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; mit ungewöhnlich häufigen (sonst bei Humboldt nicht üblichen) Geminationsstrichen bei m-Schreibungen mitteldeutlich, zum Schluss hin überaus fahrig beschrieben. D D1  Leitzmann 1900, 360 (Z. 32–39). – D2  Spranger 1909, 184 f., 339 (Z. 40–57; 27–30). – D3  Leitzmann 1939, 78 ff.

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Zu Brief 321

Datierung: Der Tag ist in H aus „2.“ korrigiert; im Tagebuch ist der Brief nicht verzeichnet. Z. 3  dh. den Veit empfangen  Vgl. Tb., 15. X. 1794: „Brief von Brinckmann durch Veit.“ (GS XIV 252)    7  der Matthissonschen Rec. Vgl. 318/97 und zu 320/71. 10  die Kantischen Ideen  Vgl. z. B.: „Aus dem Gesagten erhellet, daß das Gebiet der eigentlich schönen Kunst sich nur soweit erstrecken kann, als sich in der Verknüpfung der Erscheinungen Notwendigkeit entdecken läßt. Außerhalb dieses Gebietes, wo die Willkür und der Zufall regieren, ist entweder keine Bestimmtheit oder keine Freiheit; denn sobald der Dichter das Spiel unserer Einbildungskraft durch keine innere Notwendigkeit lenken kann, so muß er es entweder durch eine äußere lenken, und dann ist es nicht mehr unsre Wirkung; oder er wird es gar nicht lenken, und dann ist es nicht mehr seine Wirkung; und doch muß schlechterdings beides beisammen sein, wenn ein Werk poetisch heißen soll.“ (NA XXII 269) Vgl. auch die Terminologie in der zu Z. 32 zitierten Definition. 14  dem armen Woldemar  Rez. Woldemar. 19  Rec. eines GartenKalenders  „Über den Gartenkalender auf das Jahr 1795“, zuerst (ohne diese Überschrift) in: ALZ, Nr.  332 (11.  X. 1794); IV Sp.  99–104 (NA XXII 285–292). 21  Beschreibung von Hohenheim  Nachdem Schiller die Exzesse der französischen und englischen Gartenbaukunst beklagt hat, hebt er die Gartenanlage in Hohenheim (bei Stuttgart) als gelungenen Kompromiss der beiden Stilprinzipien hervor: „Ländliche Simplizität und versunkene städtische Herrlichkeit, die zwei äußersten Zustände der Gesellschaft, grenzen auf eine rührende Art aneinander, und das ernste Gefühl der Vergänglichkeit verliert sich wunderbar schön in dem Gefühl des siegenden Lebens. Diese glückliche Mischung gießt durch die ganze Landschaft einen tiefen elegischen Ton aus, der den empfindenden Betrachter zwischen Ruhe und Bewegung, Nachdenken und Genuß schwankend erhält und noch lange nachhallet, wenn schon alles verschwunden ist.“ (NA XXII 290) Vgl. zu Z. 32. 24  in dem […] 4. u. 5. Heft d. Thalia  „Vom Erhabenen. (Zur weitern Ausführung einiger Kantischen Ideen)“, in: ,Neue Thalia‘, Th. 3, 3. St. (1793), 320–366 (NA XX 171–195; über die Fortsetzung vgl. Wiese/Koopmann, NA XXI 185); „Zerstreute Betrachtungen über verschiedene ästhetische Gegenstände“, ebd., Th. 4, 5. St. (1793), 115–180 (NA XX 222–240). 26  die Idee von dem Zurückkehren zur Natur  „In einem Gedicht muß alles wahre Natur sein, denn die Einbildungskraft gehorcht keinem andern Gesetze und erträgt keinen andern Zwang, als den die Natur der Dinge ihr vorschreibt; in einem Gedicht darf aber nichts wirkliche (historische) Natur sein, denn alle Wirklichkeit ist mehr oder weniger Beschränkung jener allgemeinen Naturwahrheit.“ (NA XXII 269)

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November 1794

29  eine Anwendung davon  Spranger zitiert diese Stelle und folgert: „Unzweifelhaft bezieht sich dies auf seine Griechenauffassung.“ (1909, 339) 32  Theorie von der Landschaftsdichtung  Schillers Aufsatz beginnt mit der Feststellung, dass die Griechen die Landschaftsdichtung, d. h. jene Poesie, in der die Landschaft als poetischer Gegenstand, nicht bloß als Kulisse auftritt, nicht kannten (NA XXII 265 f.). Dennoch sei die Landschaftsdichtung eine legitime Gattung, vorausgesetzt, der Dichter erfülle dabei zwei Bedingungen: „erstlich notwendige Beziehung auf seinen Gegenstand (objektive Wahrheit); zweitens notwendige Beziehung dieses Gegenstandes, oder doch der Schilderung desselben, auf das Empfindungsvermögen (subjektive Allgemeinheit).“ (ebd., 269) In der Folge spricht Schiller dieser Lyrikgattung jede Daseinsberechtigung zu. 33  Definition der Dichtkunst  „Wenn man unter Poesie überhaupt die Kunst versteht, ,uns durch einen freien Effect unsrer produktiven Einbildungskraft in bestimmte Empfindungen zu versetzen‘ […]“ (NA XXII 267, wobei Schillers Anführungsstriche als Hervorhebung der eigenen Worte, nicht als Zitat gemeint sind: vgl. H. Meyer, NA XXII 393.) 42  Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten  Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten von Johann Gottlieb Fichte. Jena/Leipzig: Chr. E. Gabler 1794 (BV – D-a/b). 46  Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre  Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer von Iohann Gottlieb Fichte. Leipzig: Chr. E. Gabler 1794 (BV – A-c/D-f). 51  Weishuhn […] soll […] dagegen schreiben  Weißhuhn meldete zu Fichtes „Plan zu einer anderweitigen Umschaffung […] der Philosophie“ Skepsis an: „Mich […] hat Kant bis jetzt über die Hauptzwecke der Philosophie völlig befriedigt.“ (an Fichte, Schönewerde, 20. VI. 1794; Fichte-GA – zit. zu 315/53 – III/2, 163). Hierüber reagierte Fichte ,befremdet‘ (an Weißhuhn, Jena, Juli 1794; ebd., 180). Sollte eine solche Gegenschrift tatsächlich in Angriff genommen worden sein, wird sie infolge des Todes Weißhuhns am 21. IV. 1795 Torso geblieben sein. 52  ob wir gleich in Einem Hause wohnen  Das ,Hellfeldische Haus‘ (vgl. zu 324/82), das Humboldts am 2. X. bezogen hatten. 58  Gentz […] übersetzt den Mounier  Mounier’s Entwicklung der Ursachen welche Frankreich gehindert haben zur Freiheit zu gelangen. Mit Anmerkungen und Zusätzen von Friedrich Gentz. Th. 1–4, Berlin: Fr. Vieweg d. Ä. 1794/95. 63 Midiana  D. i. seine Ausgabe der ,Oratio in Midiam‘ des Demosthenes (zit. zu 262/90). 64  Midas  Wieder steht man in einem Brief an Brinkman vor einem Rätsel: entweder unterlag Humboldt hier auf kaum vorstellbare Weise einer Verwechslung (der Kontrahent des Demosthenes, Μειδίας war kein Namensvetter des sagenhaften phrygischen Königs Μίδας) oder es liegt wieder einmal eine undeutbare Anspielung vor:

471

Zu Brief 321–324

Hat Brinkman etwa, über die Arbeit des gemeinsamen Freundes spöttelnd, die Namensverwechslung absichtlich in die Welt gesetzt? Humboldt will jedenfalls erst den Text der Rede lesen, bevor er Spaldings Kommentar dazu würdigt. 65  die Levy  Rahel Levin. Auf sie war während des Mittagessens, zu dem Veit am 19. X. geladen war (Tb.; GS XIV 253), das Gespräch gekommen. Humboldt meinte, „Es ist […] die Einzige, mit der ich in Berlin gerne umgegangen bin; ich wüßte sonst niemand; sie ist erstaunend gescheidt und witzig.“ (Veit an Rahel, Jena, 21. X. 1794; Assing I 246) 66  die Koch  D. i. Gentz’ ehemalige Verlobte, Cölestine Koch. 67  der Vater  K. K. Schwinck. 67  alle Dreitausend, die wir […] beliefen  Eine weitere scherzhafte Anspielung auf den gemeinsamen Umgang mit Berliner Juden (und vor allem Jüdinnen), wie sie in den Briefen an Brinkman kaum fehlen durften (vgl. auch die Einleitung, S. 5). Die Zahl 3000 scheint allerdings nicht näher deutbar zu sein (Gentz, in einem eindeutig antisemitischen Wutausbruch, spricht sogar von 5000 – Wittichen II 18 f.). – Ist gar die Bedeutung bespringen (bei Tieren) des hier etwas befremdlichen Verbums belaufen (Grimm, s. v., 2) gemeint, als frivole Reminiszenz aus den gemeinsamen nächtlichen Unternehmungen? Doch waren die Objekte der Begierde der drei Freunde in der Regel – soweit die Überlieferung Anhaltspunkte gibt – Gojim. Man denke aber auch an die Szene mit der ,Sanette‘ (232/72 u. 123). 68  Engel ist […] nun von Berlin fort  Engel zog sich Ende 1794 nach Schwerin zurück und kehrte erst 1798, nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III., in die Stadt zurück (Alberti, ADB VI 114).

Zu Brief 322  an Goethe, 7. XI. 1794 H Weimar, GSA, 28/7, fol. 309, 311: 1 S. 4°+ Adr., eigh., mit breitem Rand, kleiner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 und zwischen Empfehlungsformel und ganz unten stehendem Briefschluss 4 Leerzeilen. – Unter dem Datum Bleistiftnotiz „[21. Nov 1794]“, rechts davon „20“; in der oberen linken Ecke Bleistiftnotiz von anderer Hand: „Anfg XI 94“, rechts davon Tintenvermerk „G. Jb. 8, 61“. Adr. Herrn GeheimenRath von Göthe, Hochwohlgeb: D D1 Goethe-Jb. VIII (1887), 61 f. (danach Geiger 1, beide dat. 21. XI. 1794). – D2  Brr. an Goethe (Reg.) I 341.

Datierung: Tb.: „7. [Nov.] Brief […] an Goethe durch Expressen“ (GS XIV 254). Am von Geiger angesetzten Tag (21.  XI.) fand die aufgeschobene Reise statt, und Humboldt aß zu Mittag bei Goethe in Weimar (Tb.; ebd.).

472

November 1794

Z.  3  eine Unpäßlichkeit  Humboldt schützt hier wohl ein eigenes Unwohlsein vor, um den wahren Grund des Aufschubs der Reise nicht erwähnen zu müssen: „6. [Nov.] wurde meine Frau an der Brust krank.“ (Tb.; GS XIV 253) 7  werde ich […] Sie […] besuchen  Vgl. Datierung.

Zu Brief 323  an Friedrich Schlegel, 10. XI. 1794 H h D

verschollen Reg. in Briefen von Friedrich an A. W. Schlegel, Dresden, 7. XII. 1794 (Z. 1 ff.), 18. XI. 1794 (Z. 4 ff.) bzw. 20. I. 1795 (Z. 7 f.). KrA XXIII 221, 216 bzw. 225.

Datierung: vgl. Tb. (GS XIV 254). Z. 1  über das Jonische und Dorische  Nämlich in Schlegels Aufsatz „Von den Schulen der Griechischen Poesie“ (zit. zu 314/27). – Schlegel hatte kurz zuvor über diese Zuschrift in allgemeinen Worten berichtet: „Ueber den Inhalt habe ich einen weitläuftigen nicht unintereßanten Brief von Humbold vor mir. Ich verspreche mir eine intereßante Korrespondenz mit ihm, weil er sich auch ganz mit dem Studium der Griechen beschäftigt.“ (an A. W. Schlegel, Dresden, 18. XI. 1794; D, 212)

Zu Brief 324  an Dohm, 12. XI. 1794 H

D

Marbach a. N., DLA, A: Humboldt, Wilhelm von, Zugangsnr. 3329: 4 S. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, mittleren Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; mit spitzer Feder recht deutlich beschrieben. Nachschriften in der Marge von S. 4. [Franz Schnorr v. Carolsfeld] (Hg.): Zwei Briefe von Georg Forster und Wilhelm von Humboldt, in: Archiv f. Litt.gesch. XII (1884), 575–578.

Z. 2  von einer […] Reise nach Erfurt  Diese Angabe entspricht wohl nicht der Wahrheit, denn jene Reise nach Erfurt, die Humboldt am 7.  XI. (322/5) aufschob, holte er laut Tb. erst am 21. XI. nach, indem er nach Weimar reiste und wie angekündigt Goethe besuchte, von dort am 22. nach Erfurt weiterreiste und am 26. wieder in Jena war (GS XIV 254 f.). Über eine Reise zwischen dem 7. und dem 21. XI. enthält das Tb. keinen Eintrag, wohl aber einen Vermerk über den vorliegenden Brief unter dem 12. XI. Alles spricht dafür, dass Humboldt hier einen Vorwand gesucht hat, den Brief Dohms, den er am 5. XI. empfing (GS XIV 253), nicht sofort beantwortet zu haben.

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Zu Brief 324–326    5  Fortschritte des Feindes  „Vor den heranrückenden Franzosen mußte er [Dohm] mit seiner Familie unter Gefahren 1792 nach Münster, 1794 nach Hagen entfliehen“ (Falkmann, ADB V 298). 18  Die drei Winter [. . .] im Hohensteinischen und Mannsfeldischen  1791/94 in Burgörner bzw. Auleben. 38  durch den Grafen  Christian Friedrich Graf zu Stolberg-Wernigerode. 40  da es [. . .] nicht eigentlich Preußisch ist  Wernigerode stand seit 1714 zwar unter preußischer Oberhoheit, war aber noch eine eigenständige Grafschaft. 56  mein Vermögen  Anspielung wohl auf Karolines Einkünfte von den Gütern des Vaters. 66 Schlossers  Der verabschiedete Direktor des Hofgerichts in Karlsruhe, Johann Georg Schlosser (Goethes Schwager) lebte seit kurzem als Privatmann in Ansbach. Humboldt hatte ihn auf der Rückreise aus Paris 1789 in Frankfurt kennen gelernt und ihn 1790, von Basel kommend, nochmals in Karlsruhe aufgesucht (vgl. 84/20 und 97/43 – Bd. 1 – und zu 286/15). 79  Wie ich Ihnen zuletzt schrieb  Vgl. Br. 311. 82  Wir wohnen nur wenige Schritte aus einander  Seit Berthold Litzmann (Schiller in Jena. Eine Festgabe zum 26. Mai 1889 aus dem deutschen Seminar. Jena: Fr. Mauke [R. Schenk] 1889, S. 110, Anm. 290) herrscht Ungewissheit darüber, in welches ,Hellfeldische Haus‘ Humboldt zum 1. X. 1794 einzog, denn der Jenenser Medizinprofessor Chr. A. Fr. v. Hellfeld besaß deren mehrere. Zwei lassen sich eindeutig ihm zuschreiben: a) das Haus Neugasse 23, das aber nicht wenige Schritte von Schillers Wohnhaus (Unterm Markt 1), sondern „außerhalb der historischen Stadtmauer, in der Löbdervorstadt (ca. 300–400 m Entfernung)“ lag (nach frdl. Auskunft von Rüdiger Glaw, Stadtarchiv Jena) und das in einer früheren Publikation (Mattson 1990, S. 442) irrtümlich als Humboldts Wohnhaus genannt wurde; b) das Haus Postgasse 4 (heute Ludwig-Weimar-Gasse 1), das „ca. 100 m“ von Schillers Wohnhaus lag (ebd.). Selbst wenn man Humboldts Aussage über die geringe Entfernung als Untertreibung auffasst, ist eine zweite Äußerung hierzu, diesmal aus Schillers Feder, nicht relativierbar: „Humboldt wohnt mir gerade gegenüber“ (an Jacobi, Jena, 25. I. 1795; NA XXVII 128). Litzmann bezieht diese Aussage auf das Haus Unterm Markt 4 (wo auch heute eine entsprechende Gedenktafel angebracht ist), während er gleichzeitig deren Aussagekraft jener der von ihm angeführten Äußerungen des greisen Alexander v. Humboldt unterordnet, er (Alexander) habe seinerzeit den Bruder in der Postgasse 4 wiederholt besucht. Die Angaben Humboldts und Schillers aber, die sich auf gegenwärtige Verhältnisse unmittelbar beziehen und in keiner Weise umdeutbar sind, müssen vor Alexanders Erinnerungsvermögen (das nicht nur hier der Forschung gelegentlich Probleme bereitet – vgl. z. B. zu 299/18) den Vorrang eingeräumt werden. Schiller wird schon gewusst haben, dass Humboldt ihm gegenüber und nicht 100 m weit um die Ecke gewohnt hat. Hinzu kommt eine weitere Aussage, die nicht umgedeutet werden kann: Ilgen

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November – Dezember 1794

wohnte im selben Haus wie Humboldt (vgl. 329/43). Nach Barbara Oehme (Wohnhäuser und Lektionsräume der Professoren, in: Hans Herz: Von Schillers Berufung bis Fichtes Entlassung. Vorlesungen an der philosophischen Fakultät der Universität Jena 1789–1799. Jena: Fr.-Schiller-Universität 1989, S.79 bzw. 92) bewohnte Ilgen das Haus Unterm Markt 4, das ebenfalls, nach ihren Angaben, Hellfeld gehörte: Das von Humboldt bewohnte ,Hellfeldische Haus‘ stand Unterm Markt 4. 90  nach Lemgo  Dohm war aus Lemgo gebürtig und reiste tatsächlich zunächst in seine Vaterstadt, um sich dann doch am Ende in Halberstadt niederzulassen (Falkmann, a.a.O.).

Zu Brief 325  an Brinkman, 14. XI. 1794 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1½  S. 8°, eigh., mit normalem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 2 Leerzeilen, offenbar hastig, doch mitteldeutlich beschrieben. Exp. 17. XI. 1794 (Tb.; GS XIV 254). D Leitzmann 1939, 80 f.

Z. 7  Gökingk nach Breslau versetzt  Goeckingk blieb in Berlin als hoher Finanzbeamter bis 1814. Seine Reise nach Breslau wird privater Natur gewesen sein. 12  vor vielen, vielen Wochen  Brief vom 1. IX. 1794 (Tb.; GS XIV 250; n. e.).

Zu Brief 326  an Körner, 10. XII. 1794 H (alt) Berlin, AST D D1  Jonas 1880, 33–37. – D2  Leitzmann 1940, 21 ff. (Vorlage).

Z. 4  eine Reise nach Erfurt  Vgl. zu 324/2.    8  Ihr […] Urtheil über den Styl meiner […] Arbeiten  „Ein Regierungsrath Körner in Dresden muß ein gescheidter Mensch sein; dieser schreibt ihm [Humboldt]: ,Ihre Schriften machen in einzelnen Stellen großen Eindruck, aber auf die Wirkung des Ganzen, auf die richtige Gruppirung, auf das verschiedene Verhältniß der Stanzen untereinander, verstehen Sie sich noch nicht.‘ (So ohngefähr.)“ (David Veit an Rahel Levin, Jena, 1. XII. 1794; Assing II 22) 12  theils durch andre  Z. B. auch durch Rahel Levin. Veit hatte Humboldt ihr durchaus kritisches Urteil zu Rez. Woldemar vorgelesen (Rahel an Veit, Berlin, 17. XI. 1794;

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Zu Brief 326–327

Assing II 17 f.): „Er hat sich nicht gewundert, aber unendlich gefreut; er hat mir eingestanden, daß er noch kein so richtiges Urtheil, weder über den Woldemar, noch über seine Rezension, gehört habe; er gibt Ihnen in allem Recht.“ (ebd., II 22) 13 Schiller  „Humboldt hat mich Deinen Brief an ihn lesen lassen, der mich sehr freute, weil Du ihm über seinen Styl sehr viel Wahres sagst. Ich fürchte wirklich, er hat zum Schriftsteller kein rechtes Talent, und er wird diesen Mangel durch Kunst nicht viel verbessern.“ (Schiller an Körner, Jena, 7. XI. 1794; NA XXVII 79) Körner antwortet: „Humbold antwortet mir nicht, und fast fürchte ich zu aufrichtig gewesen zu seyn. Aber wer heißt ihn auch fragen? In diesem Falle habe ich zu viel Achtung für ihn, um ihm etwas anders, als meine Ueberzeugung zu antworten. Außer dem, was ich bemerkt habe, scheint noch eine gewisse Weichheit Humbolds Fehler zu seyn. Das Zarte und Feine wird ihm immer besser gelingen, als das Große und Starke.“ (Dresden, 20. XI. 1794; NA XXXV 93) Schiller hat sein Urteil in Bezug auf die späteren ,Horen‘-Aufsätze zwar gemildert: „Humboldts Aufsätze über die Weiber (denn es werden deren mehr) sind kein unbedeutender Beytrag für die Horen [vgl. zu 329/24]. Er behandelt diesen Gegenstand wirklich mit einem großen Sinn, und ich bin überzeugt, daß noch nichts so zusammenhängendes über diesen Gegenstand geschrieben worden ist. Seine Schreibart hat wenigstens Etwas von ihrer Trockenheit und Steifheit verloren, obgleich ihm das alte Uebel noch immer im Wege steht.“ (an Körner, Jena, 29. XII. 1794; NA XXVII 112) Einige Tage später wird aber die Bitte um strenge Kritik neuerlich ausgesprochen: „Du wirst auch Humboldts ersten Aufsatz erhalten. Findest Du Zeit dazu […], so kritisiere ihn etwas scharf: Du wirst Ihm und auch den Horen dadurch sehr nützlich werden.“ (Jena, 5. I. 1795; ebd., 115) Körners Bemerkungen sind im Brief an Schiller vom 16. I. 1795 zusammengefasst (NA XXXV 131). Für das von Körner erkannte Problem der (stilistischen) „Weichheit“ bei Humboldt (vgl. oben in dieser Anm.) fand Friedrich Schlegel eine härtere Formulierung, die bei aller unterschwelligen Boshaftigheit die Sache auf den Punkt bringt: die fehlende Pointiertheit in Humboldts Vortrag. Die Briefstelle, von der in der Einleitung (S. 9) kurz die Rede war, lautet: „Für das mitgetheilte Blatt von Humbold danke ich recht sehr. Es enthält wirklich schöne Gedanken. Wenn er sich nur nicht immer selbst verläugnete. Er ist ein philosophischer Hofmann. Ich kann es nicht leiden, daß er einem jeden gerecht seyn will. Auch wird es ihm theuer zu stehen kommen, eine geistige Echo seyn zu wollen, alle einzelne Persönlichkeiten in sich zu vereinigen. Er wird seine Bestandheit zulezt verliehren, wenn es nicht schon geschehen ist, und entmannt, keinen Ton mehr geben können, als einen fremden. Er wird aus sittlicher Unmäßigkeit Bankrott machen.“ (an A. W. Schlegel, Dresden, 20. I. 1795; KrA XXIII 226) Das „mitgetheilte Blatt“ kann noch nicht Geschlechtsunterschied gewesen sein, über den Schlegel sich nur mokiert hätte (vgl. KrA XXIII 248, 269), sondern war womöglich eine Abschrift der Stelle 290/20–59. – Zum Stichwort ,hofmännisch‘ vgl. noch zu 290/15 und 318/75. Auch ein späteres, recht spöttisches Wort des Novalis gehört hierher. Zu Humboldts Projekt ei-

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Dezember 1794

ner „Carakteristik des Zeitalters“ meint er: „Der schwerfällige Humbold Mimus dieses unendlichen Proteus?“ (an Fr. Schlegel, Siebeneichen, 26. XII. 1797; Novalis: Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs. Hg. von Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel. Bd. 1, Darmstadt: Wiss. Buchges. 1999, S. 653) 69 Schlegel  Friedrich Schlegels Briefwechsel mit Humboldt ist nicht überliefert (vgl. allenfalls Br.  323). Die Briefe erhielt er am 25. und 28. XI. (Tb.; GS XIV 255). 71  ausführlich […] zu antworten  Humboldt schrieb ihm am 28. XII. einen der zehn Briefe, die er in diesen Tagen mit der Aufforderung zur Mitarbeit an den ,Horen‘ verschickte (GS XIV 256).

Zu Brief 327  an Goethe, 14. XII. 1794 H Weimar, GSA, 28/7, fol. 355, 362: 1 S. (1 Bogen) gr.-4° + Adr. (fol. 362v), eigh., mit breitem Rand, großer Initiale; recht deutlich beschrieben. – Oben links Bleistiftvermerk: „Dec. 94“; Tintenvermerk oben, Blattmitte: „G. Jb. 8, 62“, in der rechten Ecke „68“. D D1 Goethe-Jb. VIII (1887), 62 (danach Geiger 1 f.). – D2  Brr. an Goethe (Reg.) I 350.

Datierung: Tb.: „14. [Dez.] […] Bote und Brief an Göthe.“ (GS XIV 255); Alexanders Ankunft. Z. 1  mein Bruder aus Baireuth […] angekommen  Alexander war am 14.  XII. 1794 zu einem Kurzbesuch in Jena eingetroffen (Abreise 19.  XII.); vgl. A.-v.-HumboldtChronologie 21. 8  hieher zu kommen  „17. [Dez.] […] aßen Göthe, Meyer, und Schillers Mittags hier. […]. 18. aßen Göthe und Meyer Mittags hier.“ (Tb.; GS XIV 255) 8  Da ich Schillern unmöglich rathen kann […] mitzufahren  Aus Rücksicht auf seinen geschwächten Gesundheitszustand. 10  von mehrern Reisen  Alexander war im Laufe des Jahres 1794 im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit, aber auch mit Aufträgen in diversen alliierten Hauptquartieren im Zuge des 1. Koalitionskrieges häufig unterwegs. In Jena traf er nach einer Reise über Steben, Kaulsdorf und Lauenstein ein (A.-v.-Humboldt-Chronologie 20 f.).

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Zu Brief 328  an Brinkman, 22. XII. 1794 H Trolle-Ljungby/Schweden, BA: 1 S. 8°, eigh., mit normalem Rand (der unten durch die Nachschrift ausgefüllt ist), mäßiger Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; eher hastig, doch mitteldeutlich beschrieben. – Z. 4 (Schillers) wohl von Brinkman unterstrichen. D Leitzmann 1939, 81.

Z. 2  Ankündigung der Horen  Sie erschien in Nr. 140 des Intelligenzblattes der ALZ (10. XII. 1794), Sp. 1129–1136 (wieder abgedruckt in NA XXII 106–109).    6  Carisiens Tod  Brinkmans Vorgesetzter starb am 21. XI. 1794.    8  wie er mir schreibt  Pr. 17. XII. 1794 (Tb.; GS XIV 255 – n. e.). 10  die Angelegenheit eines Freundes  Dohm; vgl. 324/43.

Zu Brief 329  an Wolf, 22. XII. 1794 H

h

D

H1  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 79: 2 S. 4°, eigh., mit breitem Rand, kleinerer Ini­ tiale; fol. 79r zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; mit spitzer Feder anfangs recht deutlich, danach zunehmend undeutlich beschrieben (Vorlage zu Z. 1–35). – H2 (alt)  Berlin, AST (Fortsetzung von H, durch h1 ersetzt). h1 (wie H1), fol. 80: Abschr. von Pahls Hand, ⅓ S. 4° nach den redaktionellen Anweisungen Humboldts (vgl. zu 262/H). – h2  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1: Vorlage zu Z. 36–39, ab Z. 63). – h3  ebd., Abschr. von Leitzmanns Hand in D1 (Vorlage für Z. 40–62). D1  GW V 117 ff. (nach H1, h1 – ohne Z. 40–62). – D2  Mattson 1990, 106 ff. (nach H1, h2-3).

Z. 3  so lang […] daß ich von Ihnen […] nichts höre  Das Tb. verzeichnet den zuletzt von Wolf erhaltenen Brief unter dem 27. IX. 1794 (GS XIV 252). 16  Anatomie bei Loder  Gewissermaßen als Propädeutik zu seinen anthropologischen Studien, aber auch im Zusammenhang mit der engeren Beziehung zu Goethe und einem besonders intensiven geistigen Austausch mit dem Bruder Alexander hörte Humboldt im Wintersemester 1794/95 Loders Vorlesung zur Anatomie. Vgl. GS XIV 253 ff.; Jahn 1968/69 – zit. zu 313/29 – 91–97; Sweet I 137 f. 19  auf dem Wege, den ich […] eingeschlagen hatte  Scil. durch die zunehmende Beschäftigung mit der philosophischen Anthropologie. 24  in der neuen Monatsschrift  Schillers ,Horen‘, die in wenigen Wochen, im Januar 1795, zu erscheinen beginnen werden. Humboldt war demnach mit der Ausarbeitung der beiden Aufsätze Geschlechtsunterschied bzw. Männliche/weibliche Form bereits beschäftigt (zuerst in den ,Horen‘ Febr. bzw. März/April 1795). 25 Ankündigung  Vgl. zu 328/2.

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Dezember 1794

35 Cyropaedie  ,Kyrupädie‘, Xenophons nach diversen Quellen frei gestaltete Darstellung der Erziehung des großen Perserkönigs Kyros. 42  Ilgen […], der […] mit mir in Einem Hause wohnt  Im ,Hellfeldischen Haus‘ (vgl. zu 324/82). – Ilgen wohnte bereits ebenfalls in diesem Haus, während Humboldts es erst am 2. X. bezogen (Tb.; GS XIV 252). Auch Fichtes Freund Weishuhn zog wohl um diesen Termin dort ein (vgl. 321/52). Mit jenem bestand fast täglich Kontakt, mit diesem anscheinend gar keiner. – Über den Umgang mit Ilgen liefert ein Wort von dessen Frau Johanne ein wenig Alltagskolorit: Humboldt sei sehr „besorgt für seinen Anzug“ gewesen, und wenn bei Ilgen gespeist wurde, ginge dies so weit, dass „er, wenn die Tafel aufgehoben wurde und die Männer sich zum Kaffee in ein anderes Zimmer begaben, regelmässig sich entfernte, den Rock zu wechseln, weil er sein Staatskleid vor Ilgens Tabacksrauch retten wollte, Humboldt habe das Rauchen gehasst. Das Staatskleid selbst sei aber sehr unscheinbar gewesen und er sei zu Ilgens Rauchwolken in einem Kleide zurückgekehrt, ,das ein reputirlicher Barbier unserer Tage verschmäht haben würde‘, so Ilgens Gattin.“ (Lothholz – zit. zu 310/225 – 32) 43  hier Professor  Vgl. zu 310/225. 43  die Homerischen Hymnen  Hymni homerici cum reliquis carminibus minoribus Homero tribui solitis et Batrachomyomachia. Addita est Demetrii Zeni versio Batrachomyomacbiae dialecto vulgari et Theodori Podromi Galeomyomachia. Textum recensuit et animadversionibus criticis illustravit Carolus David Ilgen. Halis Saxonum: Schwetschke et Hemmerde 1796. – Wolf hat in der Tat den Verlag dieser Arbeit vermittelt (an Schütz, Halle 21. X. 1796; Reiter I 224). 51 pruritus  Juckende Geilheit.

Zu Brief 330  an Wolf, 28./29. XII. 1794 H (alt) Berlin, AST h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 492: Abschr. von Leitzmanns Hand, 1 S. gr.-4°, sehr eng und von Rand zu Rand beschrieben. D Mattson 1990, 108 f.

Datierung: Dass der Brief hier einzureihen ist, geht aus Z. 6 und 329/41 ff. hervor; vgl. auch Tb., wonach der Brief bereits am Vortag begonnen wurde (GS XIV 256). Z. 6  Er schreibt Ihnen  Vgl. zu 329/43. 13  eine Arbeit versprochen  Geschlechtsunterschied (vgl. zu 329/24 und 333/119), der in diesen Tagen fertig wurde (GS I 435).

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Zu Brief 330–333

22  Glaucha, in Rabenschützens Haus  Ein südlich von Halle am linken Saale-Ufer gelegenes Städtchen, 1817 mit Halle vereinigt. – Das Rabenschützsche Haus hatte zuletzt die Adresse Steg 18 und steht heute nicht mehr. 25 Paedagogium  „Das Pädagogium war eine der ersten Einrichtungen, die August Hermann Francke […] in Glaucha ins Leben rief und diente der höheren Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern dafür Schulgeld zu entrichten hatten. Als Gründungsjahr ist das Jahr 1696 anzusehen. Es war nicht direkt Bestandteil des von Francke ins Leben gerufenen Waisenhauses, befand sich jedoch unter dem gleichen Direktorat. 1713 wurde ein eigenes Gebäude für das Pädagogium bezogen. Die Zöglinge unterschieden sich von den Bewohnern des Waisenhauses u. a. durch die Tatsache, dass sie z. T. von weit außerhalb stammten (Einzugsbereich bis nach Russland) und neben der Schulbildung (Theologie, alte Sprachen, der gesamte gymnasiale Kanon) auch die Betreuung einer Erziehungsanstalt erfuhren – daher der Name Pädagogium. Die Einrichtung bestand bis Ostern 1873“ (frdl. Auskunft durch Herrn Roland Kuhne, Stadtarchiv Halle, von dem auch die Details der vorigen Anm. stammen).

Zu Brief 331  an Schneider, 8. I. 1795 H (alt) Warmbrunn/Schlesien, Gräflich Schaffgotsch’sche Bibliothek D Hoffmann v. Fallersleben – zit. zu 313/D – 314–317.

Z. 2  Ihren Pindar  Vgl. zu 313/4.    6  Ihre Marginalien Vgl. 317/60. 11 [Augenblick]  Konjektur Hoffmanns. 12  meine Uebersetzung  Es ist nicht zu erkennen, ob hier eine spezifische, etwa noch als Entwurf vorhandene Übersetzung einer Pindarischen Siegeshymne gemeint oder von Humboldts Übersetzerplänen überhaupt die Rede ist. 22  naturf[orschende] Gesellschaft Vgl. 313/29 u. Anm. 27  mit mehrerem Anstand  Vgl. zu 212/85. 42  Stelle des Schol[iasten] des Eurip[ides]  Diese ist wohl nicht die in Rez. Odysee angeführte (GS I 375). 48 Marmontel  Joh. Franz Marmontel’s sämmtliche prosaische Werke übersetzt von Chr. Gottfr. Schütz. Bd. 1–2, Leipzig: Voß u. Comp. 1794/95 (Paralleltitel: Marmontel’s moralische Erzählungen übersetzt von C. G. Schütz). 59 Ankündigung  Vgl. zu 328/2.

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Dezember 1794 – Februar 1795

Zu Brief 332  an Goethe, 30. (?) I. 1795 H Weimar, GSA, 28/8, fol. 33–34: 1½ S. (1 Bogen) gr.-4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6, zwischen Textende und Unterschrift 5 Leerzeilen. – Bleistiftvermerke fol. 33r oben links: „Ende I 95“; Mitte: „G. Jb. 8, 63“; rechts: „52“. Adr. Herrn Geheimerath von Göthe, Hochwohlgeb: in Weimar. frey [über gestrichenem „dh. Gefälligkeit“]. D D1 Goethe-Jb. VIII (1887), 63 (danach Geiger 2 f.). – D2  Brr. an Goethe (Reg.) I 367 (datiert Ende Jan.).

Datierung: Goethe weilte vom 11. bis 23. Januar 1795 in Jena, um zusammen mit den Gebrüdern Humboldt anatomische Studien zu treiben und gemeinsam Loders Vorlesungen zu besuchen (Goethe, ,Tag- und Jahreshefte 1795‘, zusammengefasst bei Steiger/Reimann III 360). Der Brief ist ab dem ersten Freitag nach dem 23.  I. anzusetzen, also frühestens am 30. I.; in Frage kommt noch der 6. II., während ein Brief am Freitag danach (13. II.) wohl den Erhalt des Ms. des Abschnittes der ,Lehrjahre‘ erwähnt hätte, das Goethe an Schiller am 11.  II. schickte („Herrn v. Humbold […] empfehle ich gleichfalls meinen Helden und seine Gesellschaft“; WA IV/10, 234). Z. 2  Da […] Jacobi […] zu Ihnen fährt  Dem Jenenser Medizinstudenten Max Jacobi, Sohn F. H. Jacobis, hatte Goethe gerade in den Wochen vor unserem Brief das Grundschema der Knochenlehre diktiert (an F.  H. Jacobi, Weimar, 2.  II. 1795; WA IV/10, 233). – Ob Jacobi wirklich, wie hier in Aussicht gestellt, an diesem Tag zu Goethe reiste, ist fraglich, wie die Korrektur in der Adresse vermuten lässt. 4  mit dem osteologischen Schema für die Vögel  Eine eigens dieser Thematik gewidmete Schrift Goethes ist nicht bekannt geworden. 6  trotz der Hülfe des Meisters Loders. 8  Beschreibung des Bocks  Hierzu kam es wohl nicht. 9  [I]hre […] Abhandlungen  Diese acht Ausarbeitungen sind unter dem Sammeltitel „Erster Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie, ausgehend von der Osteologie. Jena, im Januar 1795“ später zusammengefasst worden (WA II/8, 5–58; Schrr. z. Naturwiss. – zit. zu 309/D – I/9, 119–151). 19  Tage, die Sie hier zubrachten  Vgl. Datierung.

Zu Brief 333  an Wolf, 30. I. / 2. II. 1795 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 63–66: 8 S. (2 Bogen), 4°, eigh., mit mittelgroßem Rand (fol. 66v bis zum untersten Rand beschrieben) und kleineren Initialen; fol. 66v rand-

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Zu Brief 333

h D

schriftliche Nachschrift; anfangs recht deutlich, später zunehmend flüchtig beschrieben; fol. 65r eine – nichtredaktionelle – Streichung von 3½ Z. Länge (vgl. Anm. zu Z. 72). – Fol. 64r (Z.  37) und 64v (Z. 50) Marginalien Wolfs (vgl. Anmm.). Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D1  GW V 95–101 (mit der falschen Jahreszahl von H, ohne Z. 127). – D2  Mattson 1990, 110–113.

Datierung: Vgl. Z. 127. Z. 4  Ihr Werk  Prolegomena ad Homerum sive de Operum Homericorum prisca et genuina forma variisque mutationibus et probabili ratione emendandi scripsit Frid. Aug. Wolfius. Vol. 1 [m.n.e.], Halis Saxonum, e Libraria Orphanotrophei 1795. Wolf hatte offenbar, Humboldts Bitte (vgl. 330/10) entsprechend, die restlichen Aushängebogen (bzw. einen vollständigen Satz: vgl. schon 315/20) ihm zugeschickt. 11  ein 30  Die Verwendung des unbestimmten Artikels mit einer Zahl zur Bezeichnung einer ungefähren Menge – man denke an die analoge romanische Form, die allerdings mit einem eigenen abgeleiteten Zahlwort verbunden ist: französisch une trentaine, italienisch una trentina – ist auch bei Wolf mehrfach belegt (vgl. Reiter III 274) sowie bei Ernst Moritz Arndt (vgl. Ernst Moritz Arndt. Ein Lebensbild in Briefen. Nach ungedruckten und gedruckten Originalen hg. von Heinrich Meisner und Robert Geerds. Berlin: G. Reimer 1898, S. 25 [1798: „könnten Sie mir noch ein drei bis vier Paar […] Strümpfe machen“], 51 [1804: „um ein 4–5 Wochen sollen Sie wieder was von mir hören“], 100 [1813: „ich bleibe ein 6–8 Wochen hier“] u. ö.); vgl. Grimm, s. v. ein, D, 20 sowie Goethe Wörterbuch. Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, der Akademie der Wissenschaften in Göttingen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bd. 2, Stuttgart [etc.]: W. Kohlhammer 1989, Sp. 1424: 4 Belege bis 1804. – Zur Blatternimpfung vgl. zu 274/15, 319/1. 32 illud posse  Im § 26 beendet Wolf seine Darlegung der Argumente, nach denen Homer seine Epen unmöglich selbst in der uns bekannten Länge und Durchkomponiertheit gedichtet haben könnte, mit einem allgemeinen Hinweis auf eben diese Kategorie des Möglichen, die alle seine Zweifel beherrscht: „Ich wiederhole öfter dasselbe: aber immer aufs neue muß jenes Wort ,können‘ wiederholt werden, dessen Bedeutung auf Grund der Menschennatur selbst so gewaltig ist und den Stützpunkt meines ganzen Beweises bildet“ (Friedrich August Wolfs Prolegomena zu Homer. Ins Deutsche übertragen von […] Hermann Muchau. Mit einem Vorwort über die Homerische Frage und die wissenschaftlichen Ergebnisse der Ausgrabungen in Troja und Leukas-Ithaka. Leipzig: Ph. Reclam jun. [1908], S. 140). 36  daß die Schreibkunst nicht früher […] gebräuchlich  Wolf legt in den §§  12–20 dar, dass die Schreibkunst nicht vor 776 in Griechenland bekannt gewesen sei, und folgert daraus die Unmöglichkeit, dass Homer seine Epen hätte selbst aufschreiben können.

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Februar 1795

Diese These war allerdings nicht neu: vgl. schon I. Casaubon (Diogenis Laertii de vitis, dogmatis & apophthegmatis clarorum philosophorum libri X. Hesychii Ill. de iisdem Philosophis & de aliis scriptoribus liber. Pythagoreorum philosophorum fragmenta. Omnia Graecè et Latinè ex editione postrema. Is. Casauboni Notae ad lib. Diogenis, multo auctiores et emendatiores, [Genevae]: H. Stephanus 1593); den abbé d’Aubignac (Conjectures académiques, ou Dissertation sur l’Iliade; ouvrage posthume, trouvé dans les recherches d’un savant. Paris: Fr. Fournier 1715); Blackwell ([anon.]: An Enquiry into the Life and Writings of Homer. London: [Selbstverl.] 1735, p. 108 f.); Wood (1769 – zit. zu 254/26 – dem Heyne in seiner Rez. dieses Werks in den Gött. gel. Anz. 1770, 32. St. [wieder abgedruckt in Wood 1773 – zit. ebd. – S. 25 f.] sich anschließt); Wiedeburg (An Homerus litteras noverit iisque carmina sua consignaverit? Braunschweig: Schulbuchhdlg. 1786, erweitert: ‚Ob Homer die Schreibkunst gekannt und sich derselben zum Aufzeichnen seiner Gedichte bedient habe‘, im von ihm hg. Humanistischen Magazin zur gemeinnützlichen Unterhaltung und insonderheit in Beziehung auf akademische Studien. Bd. 1, Helmstedt: Fleckeisen 1788, S. 143–173); Köppen (1788; vgl. zu 253/161); und Merian (‚Examen de la question, si Homère a écrit ses poëmes‘, in: Mémoires de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres 1788 et 1789. Berlin: Acad. roy. 1793, S. 513–544). Dabei berief man sich oft auf ein Wort des jüdischen Geschichtsschreibers Iosephos (,Contra Apionem‘ I  2, 12), dem im Gesamtzusammenhang jedoch zuviel Autorität beigemessen wurde (vgl. J. A. Davison in Alan J. B. Wace/Frank H. Stubbings [eds.]: A Companion to Homer. London: Macmillan 1962, p. 216, mit Zitat des Wortlauts p. 230, n. 10 sowie Lesky, RE, 706). Die Vorläufer sind aufgezählt bei Richard Volkmann: Geschichte und Kritik der Wolfschen Prolegomena zu Homer. Ein Beitrag zur Geschichte der homerischen Frage. Leipzig: B. G. Teubner 1874, S. 19–33; Fuhrmann 211–214; Giuseppe Broccia: La Questione omerica, Firenze: Sansoni 1979, p. 7 f., 17–20; Anthony Grafton: Prolegomena to Friedrich August Wolf, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes XLIV (1981), p. 110–114. So gut wie alle diese Vorläufer waren Wolf bekannt. – Im wesentlichen lässt sich die Frage, ob Homer seine Epen selbst aufgeschrieben hat, in zwei weitere Fragen aufspalten: 1) War das griechische Alphabet schon zu dieser Zeit eingeführt? und 2) Gab es für einen so umfangreichen Text wie die Ilias (bzw. Odyssee) einen geeigneten Beschreibstoff, der in diesem Fall nur Papyrus sein konnte? Die Beantwortung beider Fragen hängt noch heute von den Zufälligkeiten der Überlieferung ab: 1) Die Einführung des Alphabets wird heute nach den konservativsten Schätzungen für die Zeit Homers angenommen, die Lesky (RE, 693) „in der 2. Hälfte des 8. Jhdts., wobei auch dessen Mitte noch in Erwägung bleibt“, ansetzt (vgl. auch Lilian H. Jefferey in Wace/Stubbings – a.a.O. – p. 554). Wolf hatte das Jahr 776 als terminus post quem angesehen. Somit ist es möglich, Frage 1) zu bejahen. 2) Der Zeitpunkt der Einführung des Papyrus in Griechenland ist unbekannt (Jefferey 556 f.) und wird wohl wegen der Verderblichkeit des Materials auch nicht durch künftige archäologische Funde erhellt werden können. Demnach ist das

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Zu Brief 333–334

Fehlen solcher Beweisstücke kein Argument für oder gegen die Möglichkeit, dass die homerischen Epen bereits bei ihrer Entstehung hätten aufgeschrieben werden können. Vgl. Lesky, RE, 706  f. – Lässt man hingegen – vielleicht auch gerade wegen der Unwahrscheinlichkeit einer konkreten Bestätigung – diese eher pragmatischen Erwägungen beiseite und betrachtet das Phänomen der ,homerischen‘ Epen als das Gegebene, dessen Entstehung und Durchgeformtheit es zu begreifen gilt, so kann man nur zur Schlussfolgerung Erbses gelangen: „Es steht heute fest, daß die Verfasser von Ilias und Odyssee […] ihre Dichtungen aufschrieben“ (Überlieferungsgeschichte der griechischen klassischen und hellenistischen Literatur, in: Herbert Hunger [u. a.]: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. Bd. 1, Zürich: Atlantis 1961, S. 216). – In der heutigen Forschung steht jedenfalls die Frage der Ergründung der Urgestalt der homerischen Gedichte deutlich im Vordergrund; vgl. Alfred Heubeck: Die homerische Frage. Ein Bericht über die Forschung der letzten Jahrzehnte. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1974 (Erträge der Forschung, Bd. 27), wo die Frage der Schriftlichkeit nur mehr am Rande figuriert (vgl. Register). 37  mathematisch hinreichend  Wohl hierzu setzte Wolf am Rande ein Fragezeichen (H). 38  Gegen diese Gründe läßt sich nichts aufbringen  In der Tat konnte die Autorität Wolfs die wenigen zu seinen Lebzeiten unternommenen Versuche, die These der Schrift­ losigkeit des homerischen Zeitalters zu widerlegen, erfolgreich abwehren. Spätestens seit G. W. Nitzsch’ Meletemata de historia Homeri (Kiliae: Mohr 1829/36) und Welcker (vgl. Volkmann – zit. zu Z. 36 – 178) begann dieser Grundstein des ganzen Gebäudes der ,Prolegomena‘ abzubröckeln: vgl. Volkmanns Darstellung (185–219) und Lesky 54 ff. 40  Was Sie von den Rhapsoden sagen  Nach Wolf tradierten die Rhapsoden die ursprünglich nicht aufgeschriebenen einzelnen homerischen Gedichte (Gesänge) durch mündlichen (gesungenen) Vortrag, wobei es zu Ausschmückungen und Erweiterungen kam; vgl. ,Proleg.‘, §§ 23–25. Auch diese These war von den Vorläufern bereits vertreten worden. Vgl. Karl Borinski: Die Antike in Poetik und Kunsttheorie von Ausgang des klassischen Altertums bis auf Goethe und Wilhelm von Humboldt. Bd. 2, Leipzig: Dieterich 1924, S. 176–186. 43  Auf beiden zusammengenommen  Wolfs Leistung bestand vor allem darin, aus den bereits im Umlauf befindlichen Thesen der Schriftlosigkeit Homers und der Rhapsoden-Überlieferung die wissenschaftlichen – textkritischen – Konsequenzen zu ziehen; vgl. Volkmann 35, Bursian I 526, Wilamowitz 48, Pfeiffer I 263, II 215–217. 50  das nicht mit andern  Marginalie Wolfs: „at tragödia“ (H). 64  Hectors Bestattung Ilias XXIV. 66  Hectors Tod Ilias XXII. 72 dünkt  Humboldt hat die anschließenden Ausführungen ursprünglich wie folgt eingeleitet und dann gestrichen: „Sie haben zwei Punkte (wahrscheinlich mit Fleiß)

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Februar – März 1795

etwas im Dunkeln gelassen: 1. ob Einer oder mehrere Verfasser der einzelnen Stücke sind, welche jetzt zusammen die Iliade und Odyssee ausmachen. 2.“ (H). 75 Homeriden  Rhapsoden von Homers angeblicher Heimatinsel Chios, die sich durch ihre behauptete Abstammung von Homer besonderer Autorität erfreuten. Vgl. Lesky, RE, 831 f. 78 Pisistratus  Vgl. ,Proleg.‘, § 33: „die Stimme des ganzen Altertums und […] auch die übereinstimmende Überlieferung bezeugt, daß Pisistratus die Gesänge Homers zuerst schriftlich aufgezeichnet und in diejenige Ordnung gebracht habe, in welcher wir sie jetzt lesen“ (Muchau – zit. zu Z. 32 – 160 f.). Diese ,Tradition‘ ist aber erst bei Cicero (,De orat.‘ III 137) bezeugt (Davison – zit. zu Z. 36 – 220) und gilt heute als „exceedingly improbable“ (H. D. F. Kitto: The Greeks. Harmondsworth: Penguin 1951, p. 105; vgl. auch Jefferey (zit. zu Z. 36); Lesky, RE, 832; Konrad Kinzl in KlPauly, s. v. Peisistratos; Pfeiffer I 21 ff. 86  In diesem Theil §§ 26–29. 88 harioliren  Vgl. zu 287/89. 89  vom veränderten Gebrauch des Artikels  Hierüber hatte Wolf schon in der Vorrede zur Ilias-Ausgabe 1785 (Wolf 1785) geschrieben; vgl. S. XXXV bis XLII (Kl. Schrr. I 191–194). 95  Patroklos Tod Ilias XVI. 114  ein deutscher Auszug  Hierzu ist es nicht gekommen; vgl. Reiter III 62. 117  Schütz wirds recensiren wollen  Schütz’ Rezension der ,Prolegomena‘ und des IliasTextes erschien in der Tat fast auf den Tag genau ein Jahr später: ALZ, Nr.  33–34 (29.–30. I. 1796), Bd. 1, Sp. 257–272. 119  eine Abhandlung  Vgl. zu 329/24. 129 Göthe  Goethe weilte z. Zt. dieses Briefes in Jena (vgl. zu 332/Datierung); seine Beschäftigung mit den ,Prolegomena‘ begann erst anlässlich des Besuchs Wolfs in Weimar Ende Mai 1795; vgl. 342/6 und Steiger/Reimann III 380–385.

Zu Brief 334  an Goethe, 23. III. 1795 H Weimar, GSA, 28/8, fol. 94, 97: 1½ S. (1 Bogen) gr.-4°+ Adr. (fol. 97v), eigh., mit breitem Rand, mittlerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 5, zwischen Textende und Briefschluss 3 Leerzeilen; recht deutlich beschrieben. – In diesem Brief benutzt Humboldt zum ersten (und in dieser Lebensperiode – nach der Überlieferung – zum einzigen) Mal ,Kustoden‘ (Notierung des Folgeworts [der Folgesilbe] der nächsten Seite in der unteren rechten Ecke des Blatts). – Notate am Blattkopf: links „22t/3 III 95“; Mitte „G. Jb 8, 64“; rechts „113.“ Adr. Herrn Geheimerath von Göthe, Hochwohlgeb: nebst zwei Fäßchen Caviar. D D1 Goethe-Jb. VIII (1887), 64 (danach Geiger 34 f.). – D2  Brr. an Goethe (Reg.) I 378.

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Zu Brief 334–335

Datierung: Goethe verspricht, das revidierte Manuskript des ,Procurator‘ am Abend des 22. III. 1795 „mit der reitenden Post“ an Schiller zu schicken (WA IV/10, 246). Der ,Postbote‘ war wohl der nach Jena zurückkehrende Humboldt. Z.  2 Baggesen  Dieser war mit Frau und Kind, aus Paris und der Schweiz kommend, am 11. III. 1795 in Weimar eingetroffen (an Reinhold, Weimar, 13./16. III. 1795; Aus Jens Baggesen’s Briefwechsel mit Karl Leonhard Reinhold und Friedrich Heinrich Jacobi. Th. 2, Leipzig: F. A. Brockhaus 1831, S. 14). Hauptattraktion dort war für ihn nicht etwa Goethe, sondern Wieland, bei dem sie auch wohnten: „Wieland ist Kant in der Poesie. Er singt reine Vernunft.“ (an dens., Weimar, 22. III. 1795; ebd., II 19) 3  mit der Frau […], die […] den ganzen Sommer in Weimar bleibt  Sophie Baggesen blieb zunächst in Weimar, während Baggesen über Zürich nach Paris allein zurückreiste (B. an Reinhold, Weimar, 22. III. 1795; ebd., II 18); ihr Aufenthalt währte jedoch nicht so lange wie vielleicht ursprünglich geplant, denn bald nach seiner Rückkunft eilte Baggesen mit ihr gen Norden, damit sie in Kopenhagen niederkommen könne; vgl. an Schiller, Belvedere, 9. VI. 1795 (NA XXXV 217), an Reinhold, Hamburg, 23. VI. 95; Aus B.s Brw. II 40). 4  da er B. […] nicht liebt  Aus den Zeugnissen um Schiller sind keine Anzeichen einer solchen Abneigung gegen Baggesen zu finden, der immerhin auch an der Vermittlung der Verbindung zum Prinzen von Augustenburg maßgeblich beteiligt war. Am Vortag unseres Briefs hatte Baggesen allerdings geschrieben: „Schiller fängt nun an, als Schriftsteller bei mir zu fallen. Seine Horenankündigung hat mir im höchsten Grade misfallen. Der Mensch Schiller soll aber liebenswürdiger und liebenswürdiger werden, sagt man.“ (Aus B.s Briefwechsel II 18). – Vgl. allenfalls das mit „B**“ überschriebene Xenion: „Wäre Natur und Genie “ (Xenien 1796. Nach den Handschriften des Goethe- und Schiller-Archivs hg. von Erich Schmidt und Bernhard Suphan. Weimar: Verl. d. Goethe-Ges. 1893, Nr. 817 [275]; [Schrr. d. Goethe-Ges., Bd. 8]), wobei nicht feststeht, ob der in diesem gut anderthalb Jahre später entstandenen Verspaar angegriffene „Phantast“ überhaupt Baggesen sein soll (vgl. Schmidts Kommentar dazu; ebd., S. 208). 5  mit seinem Entschluß nicht herzukommen  Schiller muss angenommen haben, Baggesen werde an einem für Dienstag, den 24. III., angekündigten Besuch bei ihm durch das Ehepaar Baggesen und „Lottchen Wieland“ (Charlotte v. Kalb an Schiller, Weimar, 22. III. 1795; NA XXXV 176) nicht teilnehmen. Baggesen bestätigt jedoch, dass er ihn an diesem Tag allein besuchte: „Gestern fuhr meine Sophie mit Mama (Wieland) […] zurück nach Weimar. Ich […] besuchte nachher Schiller und schlief über Nacht bei Fichte.“ (an Reinhold, „Fichte’s Pult“, 25. III. 1795; Aus B.s Brw. II 19; ebd. bestätigt er, dass er „Schiller’s […] sehr liebenswürdig“ fand).

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März 1795    9  Den Procurator  „Die Geschichte des ehrlichen Procurators“, eine der Erzählungen der „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“, erschien erstmals in den ,Horen‘, 1795, 4. St., S. 41–67; WA I/18, 158–187. 11  Nutzen des Wassertrinkens  Der Wendepunkt in dieser von der Ausgangssituation her durchaus konventionell angelegten Erzählung (ein reicher Alter heiratet eine junge Schöne und verreist auf längere Zeit) kommt durch die Skrupel des jungen Liebhabers (des ,Procurators‘) zustande, der erklärt, er habe anlässlich einer schweren Erkrankung ein Gelübde getan, ein Jahr lang streng zu fasten. Daher könne er erst nach Ablauf dieser Frist eine Verbindung mit der Angebeteten (der jungen Ehefrau) eingehen. Würde sie aber dieses Fasten mit ihm teilen, so würde sich die Wartezeit halbieren. Die Frau ist einverstanden, aber es ergibt sich, dass das strenge Regime, bei Wasser, Brot und Gebet die Wartezeit zu verbringen, die Frau buchstäblich zur Ernüchterung bringt und damit zu sich selbst zurückfinden lässt: „Sie haben mich mir selbst erhalten; Sie haben mich mir selbst gegeben, und ich erkenne, daß ich mein ganzes Dasein von nun an Ihnen schuldig bin.“ (WA I/18, 186) 15  Meine Frau und ich freuen uns […] Ihres Herkommens  Goethe fuhr am 29. III. nach Jena und blieb dort bis zum 2. V. 16  die gestrige freundliche Aufnahme  Diese Briefstelle ist der einzige Beleg für diese Zusammenkunft.

Zu Brief 335  an Wolf, 23. III. 1795 H

D

Marbach a. N., DLA, B: Wolf, Friedrich August, Zugangsnr. I 562: 2 S. 8°, eigh., mit schmalem Rand, mittlerer Initiale; offenbar hastig beschrieben, niedrige Deutlichkeitsstufe. – Am Kopf Tintenvermerk: „1794.“ Mattson 1990, 113 f.

Datierung: Hinweis auf ,Horen‘-Mitarbeit (Z. 15). Z.  6  Brabantische emigrirte in Erfurt  Nélis war 1794 vor den heranrückenden französischen Truppen aus Brüssel zunächst nach Leiden, dann über Deutschland nach Bologna, Rom und zuletzt Florenz geflohen. Wolf hatte offenbar seiner Anfrage in einer unbekannten – wohl philologischen – Angelegenheit den nun fertigen Ilias-Text beigelegt. 8  von Ihren prolegomena  Böttiger hatte als engster Bekannter Wolfs in Weimar die Aushängebogen der ,Prolegomena‘ erhalten (Reiter III 58). 9  die recension  Vgl. zu 333/117.

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Zu Brief 336  an Böttiger, 1. V. 1795 H Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. h. 37, Bd. 93 (4°), 1a: ¾ S. + Adr., 4°, eigh., mit breitem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6, zwischen Schluss und Empfehlungsformel 4 Leerzeilen; recht deutlich geschriebene Reinschrift. Adr. Herrn OberConsistorialRath Bötticher, Hochwürd. in Weimar. Hierbei ein Paket Bücher Sig. H. B. in Weimar. D Leitzmann 1949, 5.

Z. 3 Prolegomenen  Vgl. zu 333/4.

Zu Brief 337  an Körner, 7. V. 1795 H (alt) Berlin, AST D D1  Jonas 1880, 38–42. – D2  Leitzmann 1940, 23–26 (Vorlage).

Z.  5  meine anatomischen Studien Vgl. 329/16 und 332/3–18. Ein wenig später geschriebener Brief Alexanders deutet den Eifer an, mit welchem der Bruder diese Studien betrieb: „Wilhelm lebt und webt in den Cadavern. Er hat sich einen ganzen Bettelmann gekauft und (wie Göthe ihm schreibt) frißt menschliches Hirn.“ (an Markus Herz, Bayreuth, 15. VI. 1795; Jugendbriefe 433) – Der Ausspruch Goethes ist das einzige, was vom erwähnten Brief überliefert ist. 6  Besuch meines Bruders  Alexander weilte vom 16.–20. IV. in Jena und führte dort galvanische Versuche durch, an denen sich der Bruder und Goethe beteiligten (A.-v.Humboldt-Chronologie 21; vgl. auch Steiger/Reimann III 375). 8  über Ihren Aufsatz  „Ueber Charakterdarstellung in der Musik“, in: Die Horen, 5. St. 1795, S. 97–121 (wieder abgedruckt in Bauke 1964 – zit. zu 281/79 – S. 24–47). 9  wird Ihnen Schiller meine Meinung geschrieben haben  „Es würde gar nichts schaden, wenn Du hier und da mehr ins Detail gehen und einige Anschauungen unterlegen könntest. Auch däucht mir und Humboldt, daß Du über gewisse allgemeine Begriffe leichter hinweggehen könntest, da doch weder der Ort noch die Gelegenheit erlaubt, soviel zur Deduction derselben zu sagen, daß sie dem weniger kundigen Leser genug einleuchten“ (Schiller an Körner, Jena, 5. II. 1795; NA XXVII 137). Vgl. auch Schillers Anmerkungen zu Körners Aufsatz: NA XXII 293 ff. 12  Ich hatte Ihre Abhandlung […] bei mir  Humboldt kannte eine frühere Fassung der Arbeit, zu der er Bemerkungen ausarbeitete (GS VII/2, 567 ff.), die Körner bei der Revision berücksichtigte. Wie Z.  53 beweist, referiert Humboldt hier noch anhand dieser ersten Fassung, denn das Maiheft der ,Horen‘ war noch nicht erschienen (Schil-

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Mai 1795

ler schickte „den Rest des Mscrpts zu dem Vten Stücke“ wenige Tage zuvor zum Druck nach Stuttgart: an Zahn, 4. V. 1795; NA XXVII 179). Den ganzen Hergang der Rezeption von Körners Aufsatz bei den beiden Freunden fasst Leitzmann in GS VII/2, 569 f. zusammen. 17  Daß die Musik […] zum Ausdruck […] bestimmt ist  „Dichter und bildende Künstler können ihrer Natur nach den Zustand nie ohne die Person darstellen: aber bei dem Musiker kann der Wahn leicht entstehen, daß es ihm möglich sei, Gemüthsbewegungen als etwas Selbstständiges zu versinnlichen.“ (Körner; Bauke 1964, 26) 19  die Charakterdarstellung  „Wenn es der Musik nicht an deutlichen Zeichen fehlt, um einen bestimmten Zustand zu versinnlichen, so ist ihr dadurch auch die Möglichkeit der Charakterdarstellung gegeben. Was wir Charakter nennen, können wir überhaupt weder in der wirklichen Welt, noch in irgend einem Kunstwerke unmittelbar wahrnehmen, sondern nur aus demjenigen folgern, was in den Merkmalen einzelner Zustände enthalten ist.“ (Körner; Bauke 1964, 41 f.) 56  aus Ihrem Brief an Schiller  „Der Stoff in H. Arbeit scheint mir von vorzüglichem Gehalt zu seyn. Geist und Feinheit ist nicht darin zu verkennen. Aber gegen den Vortrag ließe sich vielleicht einiges einwenden. [/] Es vereinigten sich freylich hier mancherley Schwierigkeiten der Form. Zuviel Deutlichkeit verträgt der Gegenstand nicht. Und je vielumfassender der Gesichtspunkt war, desto weniger ließ sich der häufige Gebrauch allgemeiner Begriffe vermeiden. Das Abstrakte was in dem Aufsatze herrscht ist für den beqvemeren Leser ermüdend. Der schulgerechte Denker aber fodert vielleicht hier und da mehr Bestimmtheit, wo gleichwohl nach der Natur der Sache nur Winke gegeben werden konnten. [/] Für einen solchen Gegenstand würde eine dichterische Einkleidung sehr vortheilhaft seyn; oder wenigstens irgend eine Form wodurch zugleich das Persönliche des Verfassers zur Anschauung gebracht würde. Die Begeisterung muß den Weg zur Untersuchung bahnen. Ich finde den Ton, den ich meyne, S. 10. u. f. S. 13. u. f. S. 31. u. f. p. und am Ende; aber ich wünschte ihn mehr herrschend und besonders im Anfange. [/] Ruhe und Einfachheit sind allerdings die schönste Manier, wenn man über einen Gegenstand vollständige Belehrung geben kann. Aber hier soll das Geheimniß der physischen und moralischen Natur nicht ganz enthüllt werden. Die Absicht ist bloß auf gewisse Uebereinstimmungen aufmerksam zu machen, einen gewissen Zusammenhang ahnden zu lassen, und den Blick des Naturforschers zu erweitern. Es sind weder allgemeine Begriffe, noch Erfahrungen allein, wovon man ausgeht. Nur der feinste Duft der Erfahrungen ist zu brauchen und diesem müssen die Begriffe der höchsten Abstraktion in einer Art von Anschauung begegnen. [/] Sollte der Vortrag bloß didaktisch seyn, so wäre es vielleicht besser gewesen von den moralischen und aesthetischen Analogien des Geschlechtsunterschieds auszugehen, und dann allmählich immer höher zu steigen, bis sich zuletzt die weiteste Aussicht über den Zusammenhang des Natur Ganzen eröffnet hatte. [/] An Ausdruck und Periodenbau wüßte ich nichts zu tadeln. Letzterer könnte vielleicht durch mehr Contrast in der

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Zu Brief 337–340

Länge und Kürze der Perioden gewinnen. An Wohlklang fehlt es ihm nicht.“ (Dresden, 16. I. 1795; NA XXXV 131) – „Dein Urtheil über Humb. Aufsatz unterschreibe ich ganz; nur glaube ich überhaupt in allen Deinen Urtheilen über dergleichen Arbeiten zuviel Rücksicht auf den bequemen Leser, oder doch eine zu gute Meynung von dem Geschmack des jetzigen Publikums zu bemerken, als wohl erlaubt und gegründet seyn möchte. Eins von beyden muß seyn: entweder muß man einen vollendeten Geschmack haben, und ein solcher Geschmack verzeyht dem Gehalt schon einigen Mangel der Form, und wer diesen nicht hat, der muß sich einige Anstrengung gefallen lassen, weil die Form hier immer der Sache nachstehen muß.“ (Schiller an Körner, Jena, 19. I. 1795; NA XXVII 123) – Vgl. auch die früheren brieflichen Zeugnisse der beiden Freunde in dieser Sache: zu 326/13. 58  Ein Urtheil von Kant  „Die […] Abhandlung, über den Geschlechtsunterschied in der Organischen Natur kann ich mir, so ein guter Kopf mir auch der Verfasser zu seyn scheint, doch nicht enträtzeln. […]. So ist mir nämlich die Natureinrichtung: daß alle Besaamung in beyden organischen Reichen zwey Geschlechter bedarf, um ihre Art fortzupflanzen, jederzeit als erstaunlich und wie ein Abgrund des Denkens für die menschliche Vernunft aufgefallen; weil man doch die Vorsehung hiebey nicht, als ob sie diese Ordnung gleichsam spielend, der Abwechselung halber, beliebt habe, annehmen wird, sondern Ursache hat zu glauben, daß sie nicht anders möglich sey; welches eine Aussicht ins Unabsehliche eröfnet, woraus man aber schlechterdings nichts machen kann […].“ (Königsberg, 30. III. 1795; NA XXXV 181 f.) – Vgl. noch die Einleitung, S. 9. 59 Erhard  Diese Äußerung ist nicht überliefert. 72 Schlegel Vgl. 326/69. 75 Prolegomena  Vgl. zu 333/4.

Zu Brief 338  an Krüger, 10. V. 1795 H Berlin, AST, IN. 2039: 2 S. gr.-4°, eigh., mit breitem Rand, größeren Initialen, zwischen Anrede und Textbeginn 6, zwischen Empfehlungsformel und Briefschluss – am unteren Rand – 3 Leerzeilen, Datum links ausgerückt; überaus säuberliche, deutliche Reinschrift. Pr. „pr. d. 10. May. 1795.“ (H, oben rechts) D Fa. L. Liepmannssohn, Lagerkat. 155 (Berlin 1904), Nr. 349 [u. ö.] (Reg.).

Empfänger: vgl. Schiller an Krüger, Jena, 6. V. 1795 (NA XXVII 182 und Erläuterung S. 354). Z. 7  mein Aufenthalt […] vorübergehender Natur ist  Diese in einer amtlichen Angelegenheit getane Äußerung geschah aus Vorsicht auch vor einer nicht-preußischen Be-

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Mai 1795

hörde, da es preußischen Untertanen untersagt war, ohne königliche Erlaubnis einen Wohnsitz außer Landes zu haben; vgl. 311/44, 324/40. 10 Revenuensteuer  „Durch Verordnung vom 6. Februar 1795 ordnete Carl August auch für die Jenaische Landesportion eine Revenuensteuer an, durch die die Mittel für den Reichskrieg gegen Frankreich und für die Stellung eines Reichskontingents aufgebracht werden sollten.“ (G. Schultz [nach Fr. Stier], NA XXVII 354) – Revenüe war zu dieser Zeit der gängige Ausdruck für das heutige Einkommen (Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bd. 11, bearb. von Heinz Speer, Weimar: H. Böhlaus Nachf. 2007, s. v.) Diese Steuer sollte nur einmal erhoben werden und die Steuerpflichtigen nach eigenen Angaben die für ihre ,Revenüenklasse‘ fällige Taxe freiwillig entrichten. Die Zeichnung sollte bis zum 6. V. erfolgen; daher die Entschuldigung in Z. 5.

Zu Brief 339  an Böttiger, 12. V. 1795 H Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. h. 37, Bd. 93 (4°), 1b: 1 S. gr.-4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, kleiner Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben. Adr. Herrn OberConsistorialRath Böttiger, Hochwürd. in Weimar. Hierbei ein Paket Bücher sig. H. O.C.R.B. in Weimar. D Leitzmann 1949, 5 f.

Z. 2  den Rest des Homers  Die Schlusslieferung der Ilias-Edition Wolfs. 11  mit Ihrer […] Abhandlung  „Quid sit docere fabulam, prolusion prior“. Weimar 1795 (BV – K-c); vgl. C. A. Boettigeri Opuscula et carmina latina. Collegit et edidit Julius Sillig. Dresdae: Walther 1837, p. 284–299 (Mf. 8992).

Zu Brief 340  an Freiesleben, 12. V. 1795 H

Bonn, Landes- u. UB, NL Freiesleben, Nr. 89: 1⅔ S. + Adr. (1 Bogen) 4°, eigh., mit breitem Rand, mittleren Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 6, zwischen Textende und Briefschluss 2 Leerzeilen; säuberliche Reinschrift. Adr. Herrn Freiesleben, Wohlgeb: in Leipzig. im Fürstenhause. [/] frei.

Z. 4  Als Alexander noch hier war 16.–20. IV. 1795 (vgl. zu 337/6); Freiesleben hat Alexander von Leipzig aus nach Jena begleitet, kehrte aber schon am nächsten Tag zurück (vgl. Z. 16). „Es wurde von Deinem Weggehen gesprochen und Göthe, den ich noch

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Zu Brief 340–342

nie jemand loben hörte, sagte auf einmal: ,ich möchte ihn mehr sehen, Ihren Freiesleben, er hat so viel angenehmes, Feines, Liebenswürdiges‘ […].“ (A. v. Humboldt an Freiesleben, Jena, 17. IV. 1795; Jugendbriefe 417) 5  Ludwigs […] Naturgeschichte  Grundriß der Naturgeschichte der Menschenspecies, für akademische Vorlesungen entworfen von Christian Friedrich Ludwig […]. Leipzig: Schwickert 1796 (BV – A-b/c). Das Buch ist eine zusammenfassende Darstellung der physischen Anthropologie unter Heranziehung zahlreicher Autoren von der Antike bis zur Gegenwart. Als Nachtrag zum § 186 (am Beginn des 12. Abschnitts „Von dem Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Menschen“) führt Ludwig noch Männliche/weibliche Form (nicht aber Geschlechtsunterschied!) an (S. 303). 8  mit einer Arbeit beschäftigt  Wohl Fortsetzungsstudien zur Geschlechterlehre. 21  Sie […] wiederzusehen  Vgl. Br. 350, der Bd. 3 einleitet.

Zu Brief 341  an Goethe, 21. V. 1795 H Weimar, GSA, 28/9, fol. 173, 177: 1 S. gr.-4°, eigh., + Adr. von Karolines Hand (fol. 177v), mit breitem Rand, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; von mittlerer Deutlichkeit. Adr. An den Herrn Geheimenrath von Goethe Hochwohlg. in Weimar. frei durch einen Bothen. D D1 Goethe-Jb. VIII (1887), 64 f. (datiert 14.? Mai 1795; danach Geiger 4). – D2  Brr. an Goethe (Reg.) I 394 (dat. 21.? Mai 1795).

Datierung: Der Besuch Wolfs und Humboldts bei Goethe am 22. V. 1795 wird zwar durch keine weiteren Belege bestätigt; er ist aber durch die Zeugnisse zu Wolfs Besuch in Weimar (vgl. zu Z. 5) wahrscheinlich. Z. 5  Wolf bleibt einige Tage in Weimar  Wolf war Hausgast bei Böttiger; er besuchte zusammen mit diesem und Wieland Goethe am 28. V. (Steiger/Reimann III 382 f.); vgl. Wolf an Böttiger, Halle, 5. VI. 1795 und an Goethe, ebd., 22. VI. 1795; Reiter I 167 bzw. 172). 7 Freitagsgesellschaft  Wohl anschließend an den ersten Besuch bei Goethe, der am Freitagabend, 22. V., stattfand. 9  daß Sie Antheil an seinen Homerischen Ideen nehmen  Nach Böttigers Zeugnis referierte Goethe, wohl in der Freitagsgesellschaft am 29. V., über Wolfs ,Prolegomena‘ (Steiger/Reimann III 384 f.). Aus dem Bericht geht nicht hervor, ob Herder anwesend war und, wenn ja, mit Wolf ins Gespräch gekommen ist. – Zu Goethes Anteilnahme an den ,Prolegomena‘ vgl. noch 342/6.

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Mai – Juni 1795

Zu Brief 342  an Wolf, 3. VI. 1795 H

h

D

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 81–82: 4 S. (1 Bogen), 4°, eigh., mit normalem Rand und großer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 2 Leerzeilen; eher fahrig beschrieben, fol. 82v eine randschriftliche Nachschrift. – Fol. 81r + v eine redaktionelle Streichung Humboldts (Z. 11 f. und 14 f.), nach h1 und h2 ergänzt. – Fol. 82v eine irrelevante Notiz (Berechnung) Wolfs. – Gelegentliche ,Verdeutlichungen‘ Körtes (vgl. zu 235/H). Fol.  81r + v Bleistiftvermerke Brandes’. Der untere Rand von fol. 81 ist abgeschnitten, wohl ohne Textverlust, vielleicht um die in GW V 120 gedruckte Anmerkung, die hier vermerkt war, wieder zu entfernen. h1  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 41: Humboldts eigh. Abschr. der Z. 14 f. im Bestandsverzeichnis der 1826 redigierten Briefe an Wolf (vgl. zu 264/H, h1; genaue Beschreibung: Mattson 1990, 376 f.). – h2  ebd., Nr. 499 a (D-Koll. in D 1 – AS XVIII). – h3 ebd., Nr. 488 (D-Koll. in D2). D1  Varnhagen, Denkwürdigkeiten – zit. zu 262/D – 1IV 307–310, 2V, 145 ff. bzw. AS XVIII 234 f. (ohne Z. 45–50). – D2  GW V 119 ff. (ohne Z. 14 f., 45 f.). – D3  Leitzmann 1949, 6 (Z. 11–15 – mod.) – D4  Mattson 1990, 114 ff.

Z. 5 Göthe  Wolf war durch Humboldt brieflich (vgl. 341/5) und durch Böttiger, bei dem er logierte (Reiter III 52), persönlich am 22. V. bei Goethe eingeführt worden. Bei dieser Gelegenheit referierte Wolf über seine ,Prolegomena‘, die Goethe in der Vorwoche bereits gelesen hatte (vgl. nächste Anm.). Wolf blieb bis zum 28. Mai in Weimar und muss danach wieder mit Humboldt nach Jena gereist sein, denn Humboldt schreibt Jahre später, er habe bei einer Fahrt von Weimar nach Jena „einen langen Streit“ mit Wolf über Voss’ Dichtertalent gehabt (an Körte, Bad Gastein, 22. VIII. 1828; H Berlin, Berlin-Brandenburg. Akad. d. Wiss., Zentrales Archiv, RestNL A. v. Humboldt, Anhang), und aus dem Anfang unseres Briefes geht hervor, dass Wolf gerade aus Jena abgereist ist (Reiter schreibt allerdings, Wolf und Böttiger seien „von dort“ (Weimar) nach dem 28. V. nach Gotha gereist: III 52).    9 Methode  Hiervon und von dem damit erzielten Resultat war Goethe allerdings eher entsetzt: „Wolfs Vorrede zur Ilias habe ich gelesen, sie ist interessant genug, hat mich aber schlecht erbaut. Die Idee mag gut seyn und die Bemühung ist respecktabel, wenn nur nicht diese Herrn, um ihre schwachen Flancken zu decken, gelegentlich die fruchtbarsten Gärten des ästhetischen Reichs verwüsten und in leidige Verschanzungen verwandeln müsten. Und am Ende ist mehr subjecktives als man denckt in diesem ganzen Krame. Ich freue mich bald mit Ihnen darüber zu sprechen. Eine tüchtige Epistel hab ich diesen Freunden dereinst zugedacht.“ (an Schiller, Weimar, 17. V. 1795; WA IV/10, 260 f.) Zu Goethes Auseinandersetzung mit den ,Prolegomena‘ vgl. Bernays (zit. zu 282/11) 23–35. 11 Bötticher  Böttigers Abhandlung „Ueber die Erfindung des Nilpapyrs und seine Verbreitung in Griechenland“ war auf Wolfs Anregung entstanden: vgl. Wolf an Böt-

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Zu Brief 342–343

tiger, Halle, 2. V. 1795 (Reiter I 157). Wolf wird auch die Vortragsfassung gekannt haben, da er bis zum Vorabend des am 29. Mai in Goethes Freitagsgesellschaft gehaltenen Vortrags in Weimar war. Böttigers Vortrag war also erklärtermaßen als Pendant zu den ,Prolegomena‘ gedacht (Böttiger an Wolf, 24. III. 1796; Reiter III 48). Auch die Druckfassung (in: Neuer Teutscher Merkur, 2.–3. St. [1796], 133–147, 310–328; wieder abgedr. in: Julius Sillig [Hg.]: C. A. Böttiger’s kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts. Bd. 3, 2. Aufl., Leipzig: Arnoldi 1850, S. 365–382) fand Wolfs Zustimmung (Wolf an Böttiger, Halle, 5. IV. 1796; Reiter I 206). 14 Carricatur  Diese Beschreibung von Böttigers Auftreten nimmt die Karikierung in Tiecks wenige Jahre später entstandenem Theaterstück „Der gestiefelte Kater“ (1797) geradezu vorweg. Dort nimmt ein vermeintliches Mitglied des Publikums namens – wie hier – „Bötticher“ immer wieder das Wort, um mit der hier geschilderten selbstherrlichen ,Gelahrtheit‘ und bei ständigem Berufen auf die Autorität ,der Alten‘ das Bühnengeschehen ablehnend zu kommentieren. (Anlass für Tiecks Attacke war Böttigers anonym erschienenes Buch Entwickelung des Iff landischen Spiels in vierzehn Darstellungen auf dem Weimarischen Hoftheater im Aprillmonath 1796. Leipzig: G. J. Göschen 1796; vgl. Eckhard Richter: „Verehrter Herr Hofrath“. Tieck und Böttiger, in: Walter Schmitz [Hg.]: Ludwig Tieck. Literaturprogramm und Lebensinszenierung im Kontext seiner Zeit. Tübingen: M. Niemeyer 1997, S. 169–191, hier 174 ff.; Klaus Gerlach: Der Wortführer der Bürgerkultur. Karl August Böttigers Diskurs über das Theater, in: René Sternke [Hg.]: Böttiger-Lektüren. Die Antike als Schlüssel zur Moderne. Berlin: Akademie-Verl. 2012, S. 29–53, hier 30 ff.) 16  gehe ich mit ihm  Humboldt war vom 4. bis 7. Juni in Weimar; vgl. zu 343/2. 17  die Anzeige Ihrer Odyssee  Rez. Odyssee: Nr.  167 der ALZ (16.  VI. 1795), Bd.  2, Sp. 569–573. 22  Schol. Eur. ad Or. 279.  Der Zusammenhang dieser Stelle ergibt sich aus GS I 375 f. 24  τραγικὸς  Hier: Tragödienschauspieler. 44 Anacharsis  Vgl. zu 247/79. 44  filius dei  Dies ist dunkel. Das Neue Testament kann wohl nicht gemeint sein. 49  G. ermuntert, die Ilias […] dhzulesen  Dies ist wohl in den darauf folgenden Monaten nicht geschehen. Das Tagebuch des Jahres 1795 beginnt zwar erst mit dem 1. Juli (WA III/2, 35), aber die zu Z. 9 zitierte Briefstelle beweist, dass Goethe hierzu wohl wenig Lust verspürte, wenigstens nicht zu einer Lektüre, die die Thesen der ,Prolegomena‘ auf die Probe stellte. Die ,Prolegomena‘ las er am 19./20. VI. 1797 nochmals (Tb.; WA III/2, 65), angeregt vielleicht durch das am 15.  VI. mit Schiller geführte Gespräch über naive und sentimentalische Dichtung (vgl. Goethes Tb., WA III/2, 74). Mit der Ilias selbst setzte sich Goethe, wohl im Zuge der Vorarbeiten zur „Achilleis“, erst im März/April 1798 wieder gründlich auseinander, wobei die Schriften Woods und Lecheva­liers (zit. zu 254/26 bzw. 257/46), nicht aber die ,Prolegomena‘ herangezogen wurden (vgl. Goethes Tb.: WA III/2, 203 f.). Noch später bleibt Goethe bei

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Juni 1795

seiner Ablehnung; er empfiehlt Zelter die Ideen über Homer und sein Zeitalter seines Schützlings K. E. Schubarth (Breslau: J. Max 1821): Die Schrift sei „vermittelnd, einend, versöhnend und heilet die Wunden, die uns von dem Raubgetier [Wolf] geschlagen worden“ (Jena, 19. X. 1821; Hecker – zit. zu 277/10 – II 132). Das Buch schließt mit einer Darstellung der „Einheit des Ursprungs und der Abfassung Homerischer Poesie“ (S. 234–255), in der auch Wolfs Thesen mit Argumenten, die dem Sinn und der Diktion nach von Goethe selbst stammen könnten, abgelehnt werden: „Production mehrfältig Zusammenwirkender bringt allemal nur Fratzenhaftes hervor; oder es gewinnt die Wendung und das Gleichniß von etwas Handwerksmäßigem“ (S. 248). Zu Wolfs Reaktion vgl. Schubarth an Goethe, Berlin, 1.  XI. 1821 (WA IV/35, 357) und Reiter III 247. Vgl. schließlich Goethes Gedicht „Homer wieder Homer“ aus dieser Zeit (WA I/3, 159).

Zu Brief 343  an Karoline, 4. VI. 1795 H (alt) Berlin, Anna v. Sydow D Sydow II 21 f. (dat. „Frühsommer 1795“). GB II  [Jena, 5. VI. 1795] (d  ebd., 23 f. – dat. „Jena 1795“).

Datierung: vgl. Leitzmann in Euphorion XIV (1907), 651. Z. 2 Wir  Goethe war am 31. V. nach Jena gekommen und reiste am 3. VI. nach Weimar zurück (Steiger/Reimann III 386 f.); Humboldt begleitete ihn dorthin und schickte Karoline am nächsten Tag diesen Zwischenbericht. 3 Unpäßlichkeit  „Sehr freue ich mich, daß Du wohl bist bis aufs Kopfweh.“ (d, 23) 8  einen Mittag beim Herzog  Carl August bestätigt, dass Humboldt am nächsten Tag zu Tische erwartet werde (an Goethe, [Weimar, 4. VI. 1795]; Hans Wahl [Hg.]: Briefwechsel des Herzogs-Großherzogs Carl August mit Goethe. Bd. 1, Berlin: E. S. Mittler u. Sohn 1915, S. 198). 8 Herzogin-Mutter  Anna Amalia. 12  Goethe hat dies so vorgeschlagen  „Es war erst meine Meinung, Dir nur die Li mit Emilien und Günthern zu schicken, aber da Du mir versicherst, daß es Goethen gar keine Unbequemlichkeiten macht, mich einige Stunden im Hause zu haben, so will ich kommen.“ (d, 23) 15  prächtige Sachen für des Herzogs Gartenhaus  Carl Augusts ,Gartenhaus‘, das vom klassizistischen Architekten Johann August Arens entworfene „Römische Haus“ im Park an der Ilm, war zur Zeit unseres Briefs noch im Bau (Grundsteinlegung: 28. III. 1792; feierlicher Einzug: 25. VII. 1797). Meyer hatte sich 1794 auf Geheiß des Herzogs

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Zu Brief 343–344

in Dresden aufgehalten, um Studien der dortigen Gemälde mit antiken Sujets, zumal von Renaissancemeistern, vorzunehmen und auch Kopien anzufertigen. Die Resultate dieser Studien wollte er Humboldts zeigen. Vgl. Ines Boettcher: Johann Heinrich Meyer und die künstlerische Ausgestaltung im Römischen Haus, in: Andreas Beyer (Hg.): Das Römische Haus in Weimar. München: Hanser 2001, S. 63–74 [mit Abbildungen von Meyers Studien und Kopien]. (Hw.: Dr. Gabriele Klunkert, GSA Weimar) 18  können wir ja die Kinder […] im Erbprinzen essen lassen  „Ich werde Sonntag [7. VI.] mit den Kindern kommen und Dich abholen. […]. Sicher ist nur, daß ich zwischen 10 und 11 Uhr mit den Kindern komme, diese im Erbprinzen mit den Leuten essen lasse, und übrigens mögen sie ihr Wesen im Garten treiben.“ (d, 23) – Der damals sehr beliebte Gasthof „Zum Erbprinzen“ stand neben dem „Zum Elefanten“ am Weimarer Marktplatz. 22  ob er jemand für Dich dazu bitten sollte  „Mache nur, daß Goethe niemand anders bittet. Wir sind hübscher allein.“ (d, 23) 24  was machst Du und die schönen Kinder?  Karolines Antwort spricht das Thema Entwöhnen an, ohne ahnen zu können, dass der Tod dieses Kindes das traurigste Ereignis dieser Ehe sein wird: „Ich bin leidlich wohl, aber traurig, da mir die schöne Zeit so mächtig zu Ende geht und Brüderchen so ganz der Mutterbrust entwächst. Ach, so tief hat mich kaum je etwas geschmerzt, wenn er schon nun für einen großen Jungen und für keinen Säugling mehr gelten wird. Der große Junge wird nicht mehr so mein sein, wie es der kleine war. Ich werde nichts, nimmer, nimmer nichts mehr haben, was in diesem Sinne mir mehr so gehören wird wie dieser Junge. Es ist mein bestes Kind, ich bin dessen so sicher, und ich vermag nicht, so kindisch ich auch fühle, daß es ist, vermag nicht, mich ohne tausend Tränen von ihm zu trennen. Ach, denn Trennung ist’s doch, man mag auch sagen, was man will, Trennung von etwas mehr, als es beim ersten Blick aussieht. – Vergib mir, daß ich weine.“ (d, 23 f.) 34  Du kommst doch also?  Wahrscheinlich unterblieb Karolines kleine Reise, denn am Tag unseres Briefes wird berichtet, dass Goethe an einer Backengeschwulst leide („Recht sehr bedaure ich den Zustand deiner Backenstücke“: Brief Carl Augusts an ihn – zit. zu Z. 8 – S. 198 f.). Über die hier geplante Zusammenkunft schweigen jedenfalls alle Quellen.

Zu Brief 344  an Goethe, 15. VI. 1795 H Weimar, GSA, 28/439: 3 S. (1 Bogen) gr.-4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, großer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 6 Leerzeilen; Nachschrift am Rande von S. 3; eher hastig und mitteldeutlich beschrieben. – Der erste Absatz von späterer Hand eingeklammert. Adr. Herrn GeheimenRath von Göthe, Hochwohlgeb: in Weimar. fr.

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Juni 1795 D D1  F.  Th. Bratranek (Hg.): Goethe’s Briefwechsel mit den Gebrüdern von Humboldt. (1795– 1832). Leipzig: F. A. Brockhaus 1876, S. 3 ff. (Neue Mitth. aus J. W. v. Goethe’s handschriftlichem Nachlasse, Bd. 3 – mod.). – D2  Geiger 5 f. – D3  Brr. an Goethe (Reg.) I 400.

Z. 2 Wiederherstellung  Bei der Rückkunft aus Jena erlitt Goethe ein Rezidiv einer Backengeschwulst (3.–6. VI. 1795), das „so arg [wurde,] daß ich von Humbold nicht einmal Abschied nehmen konnte. Jetzt ist das Übel im Fallen.“ (Goethe an Schiller, 10. VI. 1795; WA IV/10, 265)    4  nach Carlsbad  Goethe verbrachte den Großteil des Juli 1795 in Karlsbad. 10  Ihr Meister  Wohl bei seinem Besuch in Jena hatte Goethe das 5. Buch von ,Wilhelm Meisters Lehrjahren‘ (bis inkl. Kap. 12) Humboldt in Abschrift überlassen. 16  M[eisters] Uebergang zum Theater  Nach langem Zögern entschließt sich Wilhelm Meister am Beginn des 5. Buches (Kap. 1–3), teils durch äußere Ereignisse (Tod des Vaters), teils durch innere Entwicklungen bewogen, Serlos Theaterkompagnie beizutreten. 17  Werners u. sein Brief  Vgl. ,Lehrjahre‘, V 2 bzw. 3. 18 erhält  Hat sich Humboldt hier verschrieben: enthält? 21  wessen Arm den M. […] umschlingt  Die Identität der Liebespartnerin, die Meister nach der Nachfeier zur Hamlet-Aufführung auf seinem Zimmer überrascht (Abschluss des 12. Kapitels), wird im Roman nie gelüftet. – Der Hinweis unseres Briefes, dass diese Szene das überlassene Manuskript beschließt, wirft die Frage auf, ob dieses Buch mit dieser an die Schlüsse der bisherigen Bücher gemahnenden unerwarteten Wendung beendet werden sollte. In der endgültigen Fassung folgen jedenfalls noch vier Kapitel, die zu den ,Bekenntnissen einer schönen Seele‘ im 6. Buch überleiten. 25  die Erscheinung, mit der das Kapitel schließt  D. h. wohl ,am Ende des zur Rede stehenden Manuskripts‘. Mit der „Erscheinung“ muss der Schleier gemeint sein, den der mysteriöse Geist von Hamlets Vater nach der Aufführung beim Verlassen des Theaters verloren hat und den der „Theatermeister“ der Titelfigur des Romans beim Auf bruch von der Nachfeier überreicht hat. Diesen entdeckt er nach jener seltsamen Liebesnacht auf seinem – sonst leeren – Bett, mit der Inschrift „Flieh! Jüngling, flieh!“ am Beginn des 13. Kapitels (WA I/22, 211 f.). Ob nun das Manuskript erst mit diesem Beginn des nächsten Kapitels schloss oder mit dem Auffinden des Schleiers im vorigen (S. 209), es handelt sich in beiden Fällen um eben jenen Schleier. 30  Klipp! Klapp!  Die Schluss-Szene von V 5, in der Philine die Avancen des amourösen Serlo mit einigen treffsicheren Pantoffelschlägen, die sie mit den zitierten Worten kommentiert, abwehrt. 30  das schöne Lied  V 10: „Singet nicht in Trauertönen“. 31  Stelle im Hamlet  „Bei all eurer Gewissenhaftigkeit, den großen Autor nicht verstümmeln zu wollen, laßt ihr doch den schönsten Gedanken aus dem Stücke“, wirft

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Zu Brief 344–345

Philine Wilhelm und den anderen vor, ohne je zu verraten, welche Stelle sie damit meint (V 10; WA I/22, 192). 32  Voß Luise  Luise. Ein laendliches Gedicht in drei Idyllen von Iohann Heinrich Voss. Königsberg: Fr. Nicolovius 1795. 36  den ersteren  Eine Ausgabe der Gedichte Sannazaros scheint in Goethes Nachlassbibliothek nicht auf; vgl. Hans Ruppert: Goethes Bibliothek. Weimar: Arion 1958. 36  pastor fido  „Il Pastor fido“, ein Pastoraldrama und das bekannteste Werk des italienischen Renaissancedichters Guarini (1595). In Goethes Bibliothek: Delle opere del Cavalier Battista Guarini. t.  1–4, Verona: G.  A. Timermani (2  ff.: Tumermani) 1737/38 (Ruppert [Nr.] 1683). 39  die […] Tage […] bei Ihnen  Goethe hatte am 2. VI. Humboldt in Jena aufgesucht, und die beiden sind am 4. zusammen nach Weimar gefahren; vgl. zu 342/16. 43  der Aufsatz im D. Merkur  „Ueber den Stil in den bildenden Künsten“, in: Neuer Teutscher Merkur, 1795/4.–8. St.; I 404–424, II 3–36, 263–291, 400–444. Der Verdacht auf Fichte kam wohl deshalb auf, weil die Beiträge zunächst nur mit „F.“ unterzeichnet waren; erst am Schluss der letzten Fortsetzung (II 444), die z. Zt. unseres Briefs noch nicht erschienen war, steht der Name des Verfassers: „Fernow“. 44  haben Sie es mir nicht gesagt  Vgl. Goethes Stellungnahme zu diesem Aufsatz: „Das worüber wir alle einig sind ist recht gut und brav gesagt; aber daß doch der Genius, der dem Philosophen vor aller Erfahrung beywohnt, ihn nicht auch zupft und warnt, wenn er sich bey unvollständiger Erfahrung zu prostituiren Anstalt macht.“ (an Schiller, Weimar, 14. V. 1795; WA IV/10, 257) Über die Identität des Verfassers wurde er erst später aufgeklärt: „Auch mir ist durch Mad. Brun die sublime Abhandlung Fernows im Merkur angepriesen und also der Nahme des Autors entdeckt worden. Leider spuckt also dieser Geist anmaßlicher Halbheit auch in Rom.“ (an Schiller, Karlsbad, 19. VII. 1795; WA IV/10, 279 f.)

Zu Brief 345  an Wolf, 15. VI. 1795 H

Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 83–85: 5 S. (1 Bogen + 1 Bl.) 4°, eigh., mit anfangs breitem, dann schmalem Rand, mäßigen Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen; klein, anfangs deutlich, danach zunehmend undeutlich beschrieben. – Fol. 85r unten rechts durch Reparatur eines Risses ein verdunkelter schräg rechts um 10 Z. nach oben verlaufender Streifen, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lesbarkeit. h Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). D D1  GW V 121–126. – D2  Mattson 1990, 116–119.

Z.  3  ein Besuch von ein Paar Bekannten aus Dresden  Die Besucher sind nicht nachzuweisen.

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Juni 1795    47 Trotha  Vgl. zu 307/31.    54  Schol. Arist.  Wolf hatte für Karoline J.  S. Vaters Aristoteles-Kommentar (vgl.

zu 315/56) als Geschenk zu Humboldts Geburtstag (am 22. Juni) besorgt: Wolf an G. Hufeland, Halle, 5 VI. 1795 (Reiter I 167).    62  Die Anzeige  Rez. Odyssee.    70 Vater  Vgl. zu Z. 54.    94  nur Fragment  Das 2. Buch der Poetik, das wahrscheinlich Jambos und Komödie behandelte (vgl. Lesky 640), ist verloren.    96  Spaldingii Rec.  In Nr. 158 der ALZ (6. VI. 1795), Bd. 2, Sp. 500–504.    97  bis dat […]  ,Zweimal gibt, wer schnell gibt‘ (nach Publilius Syrus, Sent. 235: bis dat, qui dat celeriter). (U. P.)    97  Ich beschäftige mich […] mit der Luise  Humboldt hatte im Einvernehmen mit Schiller einen Aufsatz über das Wesen der Idylle am Beispiel von Voss’ „Luise“ den ,Horen‘ beisteuern wollen. Wie das oben (zu 342/5) erwähnte Streitgespräch beweist, teilte Humboldt allerdings Wolfs Meinung nicht, die „Luise“ würde Voss’ Dichtertalent ,beurkunden‘ (so im zur genannten Anm. angeführten Brief). Die Arbeit ist nicht ausgeführt worden. Vgl. auch 344/32. 100  Vossius de instit. poet.  Gerardi Joannis Vossii De artis poeticae natura, ac constitutione liber. Amstelodami, apud L. Elzevirium 1647; „a work of wide influence“ (Sandys II 309). 100  Valckenaers ad Adon.  D. i. Valckenaers Kommentar zu Theokrits Idylle 15 (die Klage über Adonis, in der eine Alltagsszene geschildert wird), in: Theocriti Decem eidyllia, Latinis pleraque numeris a C. A. Wetstenio reddita, in usum auditorum cum notis edidit, eivsdemqve Adoniazvsas uberioribus adnotationibus instruxit L. C. Valckenaer. Lugduni Batavorum, apud Ioannem Le Mair 1773 (BV – K-a). 100 Ziegler  W. K. L. Ziegler: De mimis Romanorum commentatio. Gottingae: J. C. Dieterich 1788. 100  Becher de Laberio  Dec. Laberii Mimi prologus. Praecedit Historia poëseos mimicae apud Romanos. Scripsit Friedrich Liebegott Becher. Lipsiae 1787. 101  Menagius ad Diog. Laert.  Aegidii Menagii [d.i. Gilles Ménage] in Diogenem Observationes auctiores, in: Diogenes Laertius De vitis, dogmatibus et apophthegmatibus clarorum philosophorum libri X, graece et latine. Cum subjunctis integris annotationibus Is. Casauboni, Th. Aldobrandini & Mer. Casauboni […]. Amstelodami, apud H. Wetstenium 1692 (zuerst Paris 1662). 110  Gothaer Homer  Wolf hatte für Freunde einige Exemplare seiner Homer-Ausgabe bei Sachse in Gotha binden lassen (Reiter III 55). 112  Göthen […] ein Exemplar  Wolf schickte Goethe ein ungebundenes Exemplar seiner Homer-Edition am 22. VI. 1795 (Reiter I 172; vgl. auch Siegfried Reiter: Friedrich August Wolfs Briefe an Goethe, in: Goethe-Jb. XXVII [1906], 57 f.).

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Brief 345–348

115  nach Karlsbad  Am 2. VII. reiste Goethe von Jena aus nach Karlsbad und kehrte am 11. VIII. zurück. – Die ,Flüsse‘ waren eine Backengeschwulst infolge einer Erkältung (Goethe an Schiller, Weimar, 10 VI. 1795; an A. v. Humboldt, [18 VI. 1795] (WA IV/10, 265, 270).

Zu Brief 346  an Böttiger, 22. VI. 1795 H Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. h. 37, Bd. 93 (4°), 1c: 2½ S. (1 Bogen) 4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, mittleren Initialen, zwischen Datum und Textbeginn 6, zwischen Textende und Unterschrift weitere 4 Leerzeilen; noch deutliche Reinschrift. Adr. An Herrn OberConstitorialRath Böttiger, Hochwürd. in Weimar. frei. D Leitzmann 1949, 6 f. (ohne Z. 27–33).

Z. 3  Probe Ihres Terenz  P. Terentii Afri Comoediae. Novae editionis specimen propo­ svit Carolvs Avgvstvs Boettiger. Leipzig: S. L. Crusius 1795. 10  in der Einleitung  Humboldt fasst im folgenden die These von Böttigers Praefatio zusammen: dass man Terenz in der Nachfolge Menanders et al. gebührend einordnen müsse (p. IV ff.).

Zu Brief 347  an Goethe, 22. VI. 1795 H Weimar, GSA, 28/439: 1⅓ S. (1 Bogen) gr.-4° + Adr., eigh., mit breitem Rand, ohne Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 5, zwischen Textende und Empfehlungsformel 3 Leerzeilen; mitteldeutlich beschrieben. Adr. Herrn Geheimen Rath von Göthe, Hochwohlgeb. in Weimar. frei. D D1  Bratranek – zit. zu 344/D – 5 (danach Geiger 7). – D2  Brr. an Goethe (Reg.) I 403.

Z.  2  Bemühung in Ansehung der Italiänischen Idyllendichter  In Goethes Nachlassbibliothek befindet sich in der Abteilung „Italienische Literatur“ kein Titel, der hier einschlägig wäre; vgl. Ruppert – zit. zu 344/36 – Nr. 1653–1710. Die von ihm besorgten Bücher stammten wohl aus der Herzoglichen Bibliothek. 5  Mittwoch über 8 Tage 1. Juli. 6  ob wir Sie […] hier sehen  Eine nochmalige Zusammenkunft der beiden vor Humboldts Abreise nach Berlin ist nicht bezeugt. 10 Horenbeitrag  Jacobi hat keinen Beitrag zu den ,Horen‘ geliefert.

500

Juni 1795

12  Abschrift des Aufsatzes meines Bruders  Goethe äußert sich sehr interessiert über Alexanders „neuern Versuche über das galvanische Fluidum, die mir Ihr Herr Bruder [wohl während Goethes Aufenthalt in Jena Anfang Juni] mitgetheilt hat“ (an Alexander, [18. VI. 1795]; WA IV/10, 270). Der Aufsatz war eine Vorarbeit zur späteren Buchveröffentlichung Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser nebst Vermuthungen über den chemischen Process des Lebens in der Thier- und Pflanzenwelt von Friedr. Alexander von Humboldt. Bd. 1–2, Posen: Decker/Berlin: H. A. Rottmann 1797.

Zu Brief 348  an Wolf, 26. VI. 1795 H

h

D

H1  Berlin, StB PKB, Ms. germ. qu. 655, fol. 86: 2 S. 4°, mit schmalem Rand, größerer Initiale, zwischen Datum und Textbeginn 3 Leerzeilen, klein, noch deutlich beschrieben; fol. 86r Nachschriften am Rande (Z. 78 ff.) und verkehrt am Blattkopf (81 ff.), von Brandes mit Bleistift durchgestrichen. – Fol. 86v unten eine ,unechte‘ (bei der späteren Redaktion hinzugefügte) Kustode: „Denn“ (Z. 37) in Humboldts Altersschrift. H1 ist Vorlage für Z. 1–37 u. 84 f. – H2 (alt)  Berlin, AST: Schluss des Briefes, den Humboldt bei der Redaktion durch h1 ersetzen ließ (vgl. zu 262/H). h1 (wie H1), fol. 87: Abschr., 1⅓ S. 4°, von Pahls Hand, mit Beibehaltung der Platzierung der Nachschriften in H1 am Rande und verkehrt am Blattkopf, obwohl reichlich Platz auf dem Blatt vorhanden ist (redaktionell gekürzte Fassung von H2). – h2  Jena, ThULB, NL Leitzmann, V, 1, Nr. 488 (D-Koll. in D1). – h3  ebd.: Abschr. von Leitzmanns Hand in den Margen von D1 der von Humboldt gestrichenen Stelle (Z. 39–50), nach H2. D1  GW V 127–130 (nach H1, h1: ohne Z. 39–50, 76 f., 84 ff.). – D2  Mattson 1990, 119–122 (nach H1, h2-3).

Z. 3  den Pyrmonter  Zu ergänzen: Sprudel, evtl. Brunnen(?). „Die Eisensäuerlinge und kohlensäurereichen Solquellen werden bei Eisenmangelanämien, bei chronischen Entzündungen der inneren Organe und bei Herz-, Blut-, Frauen- und rheumatischen Leiden gebraucht“ (Brockhaus – zit. zu 307/31 – s. v.). 11  auf Mittwoch 1. VII. Es blieb bei diesem Abreisetermin. 17  [I]hre Abhandlung über Aristoteles  Wolf hatte kürzlich im Intelligenzblatt der ALZ (Nr. 53 – 23. V. 1795 – II 422 f.) den Plan angekündigt, in Jahresfrist folgende Edition fertigzustellen: „Aristotelis ars poetica, Graece, ad optimos libros recensita. Accedit Latina translatio F. V. Reizii, animadversiones Th. Tyrwhitti integrae, selectae Castelvetrii, Twiningii, Pyei et aliorum, ineditae F. V. Reizii et F. A. Wolfii, qui recognovit omnia, supplevit et edidit“ (vgl. Körte I 139, II 118). Wie unsere Briefstelle vermuten lässt, schloss das Vorhaben auch eine Abhandlung über Aristoteles’ Ästhetik ein, aber es ist nicht realisiert worden.

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Zu Brief 348–349

26  schreibe ich Ihnen  Die nächsten Briefe an Wolf sind vom 6. und 17.  VII. (vgl. Mattson 1990, 122–125); auch die Liste der Fragen zu Aristoteles’ Poetik wurde in den ersten Wochen in Berlin – wie hier versprochen – ausgearbeitet (vgl. ebd., Anhang, Nr. 7, S. 362–367). 40 Herrmann  Gottfried Hermanns grundlegende Schrift Godofredi Hermanni de metris poetarvm graecorvm et romanorvm libri tres. Lipsiae, apvd Gerhardvm Fleischervm Ivn. 1796 (BV – S-a/b/c/d). Vgl. Sandys III 89–95, Pfeiffer II 219 f. 43  die Bentleysche  In der Schrift ,De metris Terentianis‘ (zit. zu 301/32) vertritt Bentley die These, dass der Jambus als διποδία τροχαϊκή zu verstehen sei (P. Terentii Afri Comoediae recensuit notasque suas et Gabrielis Faerni addidit Richardus Bentleius. Ed. […] Eduardus Vollbehr. Kiliae, sumtibus librariae academicae 1846, p. XXXVII). – Die Widerlegung: „Burmannum de Bentleii doctrina metrorum Terentianorum iudicare non potuisse disputat Frid. Volg. Reizius“, ebd., p. XII f. 62  Wenn ich fertig bin  Diese Arbeit wurde nicht abgeschlossen. 64  mit der Anzeige […] zufrieden  Scil. Rez. Odyssee. 66  einem andern  Schütz: vgl. zu 333/117. 68  Paulus […] Erklärung  D. i. dessen zwei Tage zuvor erschienene „Ernstliche Bitte an Herrn Hofr. Voß, seine grammatische Streitbarkeit in seiner einseitigen Fehde mit Hrn. Hofr. Heyne nicht auf den dritten Mann auszudehnen“, in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 65 (24. VI. 1795), II 519 f. Anlass war Voss’ Vorwurf (Virgils vierte Ekloge, übersetzt und erklärt von Johann Heinrich Voss. Probe einer neuen Ausgabe. Altona: I. F. Hammerich 1795, S. 108 f.), Paulus habe bei der Rezension von Samuel Henleys Observations on the Subject of the Fourth Eclogue, the Allegory in the Third Georgic and the Primary Design of the Aeneid of Virgil. With incidental remarks on some coins of the Jews. London: Johnson 1788 (in: ALZ, Nr. 378 [19. XII. 1790], IV 731–735), Partei für Heyne ergriffen. 79  die ruhigste  Bezogen auf die Kampfhandlungen des 1. Koalitionskrieges. 81  Die Graeuische Edition des Callimachus  Καλλιμάχου Κυρηναίου ὕμνοι καὶ ἐπι­ γράμματα. Callimachi Hymni, Epigrammata et Fragmenta. Ex recensione Theodori J.  G.  F. Graevii, cum ejusdem animadversionibus. Accedunt Nic. Frischlini, Hen. Stephani, Bonav. Vulcanii, Pauli Voetii, Annae T. F. Daceriae, Rich. Bentleii, commentarius et annotationes viri illustrissimi Ezechielis Spanhemii. Nec non praeter fragmenta, quae ante Vulcanius et Daceria publicarant, nova, quae Spanhemius et Bentleius collegerunt et digesserunt. Huius cura et studio quaedam quoque inedita epigrammata Callimachi nunc primum in lucem prodeunt. t. 1–2, Ultraiecti, apud Franciscum Halmam et Guilielmum van de Water, 1697. 82  Die Ernestische  Callimachi Hymni, Epigrammata et Fragmenta cum notis integris H. Stephani, Bonav. Vulcanii, Annae Fabri, Th. Graevii, Rich. Bentleji; quibus accedunt Ezechielis Spanhemii Commentarius, & notae nunc primum editae Tiberii Hemsterhusii

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Juni 1795

& Davidis Ruhnkenii. Textum ad Mss. fidem recensuit, Latine vertit, atque notas suas adjecit Jo. Augustus Ernesti. t. 1–2, Lugduni Batavorum, apud S. et J. Luchtmans 1761. 85  auf der Jägerbrücke  Vgl. zu 224/17.

Zu Brief 349  an Böttiger (?), 26. VI. 1795 H D

Standort unbekannt: 2 S. 8°, eigh. Fa. J. Altmann (Berlin), Kat. 29 (ca. 1924), Nr. 159 (Reg. + Ausz.).

Empfänger: Böttiger kommt deshalb in Frage, weil Humboldt ihm vor kurzem in der Sache der Vermittlung eines Bedienten nochmals geschrieben hatte (vgl. 346/27). Paulus’ ,Ernstliche Bitte‘ war im Intelligenzblatt der ALZ am 24. VI., zwei Tage nach dem letzten Brief an Böttiger (346), erschienen. Z. 2  Paulus contra Voss Vgl. 348/68 u. Anm.

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Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Abh(h). Abhandlung(en) Abk. Abkürzungen Abschr. Abschrift Abth. Abtheilung Adr. Adresse Akad. (Acad.) Akademie (Académie) A. L. (Hinweis von) Albert Leitzmann Anm. Anmerkung ao. außerordentlicher AST Archiv Schloss Tegel att. attisch Aufl. Auflage aufgel. aufgelöst Ausg. Ausgabe BA Brinkman-Archiv (Brinkmanska Arkivet) Bd. Band bearb. bearbeitet ber. berichtigt Berl. Ms. Berlinische Monatsschrift Bibl. Bibliothek BJ Biblioteka Jagiellońska Bl(l). Blatt (Blätter) Br. Brief Brw. Briefwechsel Buchhdlg. Buchhandlung BV Bücherverzeichnisse (Humboldts) CA Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) D Druck d Druck eines GB d. dieses (Monats) dän. dänisch dat. datiert

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Abkürzungsverzeichnis

Dept. Departement dh. durch Dir. Direktor D-Koll. Druckkollation DLA Deutsches Literaturarchiv E. A. ([Teil-]Anmerkung von) Erwin Arnold ebd. ebenda ed. editor/edition eigh. eigenhändig Empf. Empfänger engl. englisch eod. eodem erl. erläutert erw. erweitert f(f.) und die folgende(n 2) Seite(n) (Vers, Zeile); hingegen bei Band- u. Jahreszahlen: ,im Erscheinen begriffen seit [Jahr x].‘ Fa. Firma fl. florierte fol. folio (Blatt) frz. französisch Fts. Fortsetzung G GB-Handschrift GB I Brief, den der vorliegende beantwortet GB II Brief, der den vorliegenden beantwortet Geh. Geheim(er) gel. Anz. gelehrte Anzeigen Gen. General Ges. Gesellschaft Gesch. Geschichte gr.- GroßGSA Goethe- und Schiller-Archiv H Handschrift (Ausfertigung) h Handschrift (Kz., Abschr. etc.) hann. hannoveranisch Hg. Herausgeber hg. herausgegeben hist. historisch Hl. Heilige(r) holl. holländisch Hw. Hinweis

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Abkürzungsverzeichnis

Il. Ilias Inst. Institut IN. Inventarnummer Isthm. isthmisch ital. italienisch Jb. Jahrbuch Jg. Jahrgang Kab. KabinettsKap. Kapitel Kat. Katalog Kgl. königlich klass. klassisch KpV Kritik der praktischen Vernunft krit. kritisch KrV Kritik der reinen Vernunft Kst. Kasten KU Kritik der Urteilskraft kurf. kurfürstlich Lit. Literatur/Literarisch Me. Madame Med. Medizin Mil. Militär Min. Minister / Ministerium m.n.e. mehr nicht erschienen mod. modernisierend nd. niederdeutsch n. e. nicht erhalten Nem. nemeisch Neudr. Neudruck NL Nachlass o. ordentlicher Od. Odyssee o. J. ohne Jahr Ol. olympisch o. Nr. ohne Nummer p per Philol. Philologe Ph. M. (Hervorhebung von) Philip Mattson PKB Preußischer Kulturbesitz Pr. Ankunftsdatum

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Abkürzungsverzeichnis

Präs. Präsident preuß. preußisch PrStB Preußische Staatsbibliothek Pyth. pythisch R. Rat r recto r. Taler red. mit redaktionellen Eingriffen reform. reformierter Reg. Regest Reg.rat Regierungsrat Rsp. Beantwortungsvermerk S. Seite s. siehe Schrr. Schriften Sekr. Sekretär S. J. Societas Iesu SLUB Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Smlg. Sammlung Soc. bip. Societas bipontina Sp. Spalte St StaatsStB Staatsbibliothek stud. studiosus s. v. sub voce (bzw. verbo) t. tome/tomus Tb. Tagebuch T(h). T(h)eil ThULB Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Übs. Übersetzung U. P. ([Teil-]Anmerkung von) Ulrich Proetel U. Pr. University Press ursprl. ursprünglich v verso vd. vid. (siehe) verb. verbesserte Verf. Verfasser Verl. Verlag verm. vermehrte vgl. vergleiche

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Abkürzungsverzeichnis

Vjs. Vierteljahrsschrift vollst. vollständige Vors. Vorsitzender wied. abgedr. wieder abgedruckt Wiss. Wissenschaften / Wissenschaftliche WW Werke X�r. Dezember (decembris) Z. Zeile Zs. Zeitschrift 4o Quartformat 7 �r. September (septembris) Oktavformat 8o 8�r. Oktober (octobris) 9 �r. November (novembris)

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Verzeichnis der im vorliegenden Band häufiger erwähnten Maßeinheiten und Münzen

a)  Maßeinheiten Meile   Die preußische Meile = 24.000 Fuß = 7,42 km b)  Münzen (z. T. ungefähre Werte – die Quellen melden voneinander leicht Abweichendes) Dukaten Friedrichs d’Or Karolin (Carolin) Louis d’Or

1 Taler 18 Groschen 5 Taler 6 Taler (= 10 Gulden) 5 Taler

Der (Reichs-)T(h)aler selbst bestand aus 24 Groschen à 12 Pfennig.

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Siglenverzeichnis der häufiger zitierten Literatur Bei den Briefabdrucken werden die dort befolgten Editionsprinzipien nach dem Titel durch vereinheitlichte Abkürzungen wie folgt kurz angedeutet: krit. mod. red.

textkritisch: der handschriftlichen Vorlage in Orthographie und Interpunktion entsprechend; den orthographischen und Interpunktionsvorschriften der Zeit der Veröffentlichung angepasst; mit gelegentlichen (in der Regel stillschweigenden) redaktionellen Eingriffen.

Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 1–56, Leipzig: Duncker & Humblot 1875–1912 (Neudr. Berlin: Duncker & Humblot 1967/71). Allgemeine Literaturzeitung. Jena 1785–1804; Halle 1804– ALZ 1841. Assing [Ludmilla Assing (Hg.)]: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. Briefwechsel zwischen Rahel und David Veit. Th.  1–2, Leipzig: F. A. Brockhaus 1861. mod. Brr. an Goethe Karl-Heinz Hahn (Hg.): Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in   (Reg.) Regestform. Bd. 1 ff., Weimar: H. Böhlaus Nachf. 1980 ff. krit. Bursian Conrad Bursian: Geschichte der classischen Philologie in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hälfte 1–2, München / Leipzig: R. Oldenbourg 1883 (Gesch. d. Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit, Bd. 19). Forster’s Brw. Th[erese] H[uber], geb. H[eyne] (Hg.): Johann Georg Forster’s Briefwechsel. Nebst einigen Nachrichten aus seinem Leben. Th. 1–2, Leipzig: F. A. Brockhaus, 1829. mod./red. ADB

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Therese Huber edierte die Briefe Humboldts an Forster nach Abschriften, die vermutlich Humboldts Sekretär Pahl nach Abschriften anfertigte, die Humboldt bei der Redaktion der seither verlorenen Ausfertigungen eigenhändig genommen hatte. Forsters WW Georg Forsters Werke: Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe. Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Literaturgeschichte. Bd. 1–18, Berlin: Akad.-Verl., 1968–1982. vor allem: Bd. 18: Briefe an Forster, hg. von Brigitte Leuschner, Siegfried Scheibe, Horst Fiedler, Klaus-Georg Popp, Annerose Schneider. 1982. krit. – Folgt in vielen Fällen Leitzmann 1936. Fuhrmann Manfred Fuhrmann: Friedrich August Wolf. Zur 200. Wiederkehr seines Geburtstages am 15. Februar 1759, in: Dt. Vjs. f. Lit.wiss. u. Geistesgesch. XXXIII (1959), 187–236. Geiger Ludwig Geiger (Hg.): Goethes Briefwechsel mit Wilhelm und Alexander v. Humboldt. Berlin: H. Bondy 1909. mod. Grimm Jacob und Wilhelm Grimm [u.  a.]: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (in 32), Leipzig: S. Hirzel 1854–1954 (Neudr. – 33 Bde. – München: dtv 1984). (Zitiert wird ausschließlich nach der CD-ROM-Edition: Deutsches Wörterbuch. Elektronische Ausgabe der Erstbearbeitung von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Frankfurt/M.: Zweitausendeins 2004.) GS Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 1–17, Berlin: B. Behr (ab XVI: B. Behr / Fr. Feddersen) 1903–1936 (Neudr.: Berlin: W. de Gruyter 1968). krit. hier: I, VII(/2), VIII, XIV (hg. von Albert Leitzmann). GW Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke. [Hg. von Carl Brandes]. Bd. 1–7, Berlin: G. Reimer, 1841–1852. hier: Bd. 5, S. 1–316: Briefe an F. A. Wolf. mod. Höfler M[ax] Höfler: Deutsches Krankheitsnamen-Buch. München: Piloty & Loehle 1899. Humboldt 1830 Briefwechsel zwischen Schiller und Wilhelm v. Humboldt. Mit einer Vorerinnerung über Schiller und den Gang seiner Geistes-

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entwicklung von W. von Humboldt. Stuttgart / Tübingen: J. G. Cotta 1830. mod., red. A.-v.-Humboldt- Alexander von Humboldt. Chronologische Übersicht über  Chronologie wichtige Daten seines Lebens. Bearb. von Kurt-R. Biermann, Ilse Jahn und Fritz G. Lange, 2., verm. u. berichtigte Aufl. bearb. von Kurt-R. Biermann unter Mitwirkung von Margot Faak und Peter Honigmann. Berlin: Akad.-Verl. 1983. Jonas 1880 F[ritz] Jonas (Hg.): Ansichten über Aesthetik und Literatur von Wilhelm von Humboldt. Seine Briefe an Christian Gottfried Körner (1793–1830). Berlin: L. Schleiermacher 1880. krit. (Abkürzungen meist aufgelöst; Interpunktion normalisiert). „Offenbare Schreibfehler habe ich stillschweigend verbessert und Abkürzungen meist ergänzt.“ (S.  X) Häufig wird eine c-Schreibung (Product) stillschweigend zu einer k-Schreibung (Produkt) ,verbessert‘. Jugendbriefe Ilse Jahn / Fritz G[ustav] Lange (Hg.): Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts. 1787–1799. Berlin: Akad.-Verl. 1973. krit. Kaehler S[iegfried] A[ugust] Kaehler: Wilhelm v. Humboldt und der Staat. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Lebensgestaltung um 1800. München / Berlin: R. Oldenbourg 1927 (Neudruck Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1963). mod., stark red. Der kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von KlPauly Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter bearb. u. hg. von Konrat Ziegler u. Walther Sontheimer. Bd. 1–5, München: Dt. Taschenbuch Verl. 1979. Kl. Schrr. Fr[iedrich] Aug[ust] Wolf: Kleine Schriften in lateinischer und deutscher Sprache. Hg. von G. Bernhardy. Bd. 1–2, Halle: Waisenhaus 1869. Körte Leben und Studien Friedr. Aug. Wolf ’s des Philologen von Dr. Wilhelm Körte. Th. 1–2, Essen: G. D. Bädeker 1833. mod., red. KrA Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. Bd. 1 ff., Paderborn [u. a.]: F. Schöningh 1958 ff. – hier:

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Bd. 23, hg. von E. Behler, 1987; Bd. 24, hg. von Raymond Immerwahr, 1985. Leitzmann Allgemeine Bemerkungen zu Leitzmanns an sich kritischen Editionsprinzipien: a)  Interpunktion wird u. U. stillschweigend normalisiert; b)  Abkürzungen werden stillschweigend aufgelöst; c)  wird die Ausgabe in lateinischen Lettern gedruckt, wird die ß-Schreibung meist stillschweigend zu -ss-. Leitzmann 1900 Briefwechsel zwischen Schiller und Wilhelm von Humboldt. Dritte vermehrte Ausgabe mit Anmerkungen von Albert Leitzmann. Stuttgart: J. G. Cottas Nachf. 1900. Leitzmann 1935 A[lbert] Leitzmann: Politische Jugendbriefe Wilhelm von Humboldts an Gentz, in: Hist. Zs. CLII (1935), 48–89. Leitzmann 1936 Albert Leitzmann: Georg und Therese Forster und die Brüder Humboldt. Urkunden und Umrisse. Bonn: L. Röhrscheid, 1936. krit. Leitzmann 1939 Wilhelm von Humboldts Briefe an Karl Gustav von Brinkmann. Hg. u. erl. von Albert Leitzmann. Leipzig: K. W. Hiersemann 1939 (Bibl. d. Lit. Vereines in Stuttgart [Sitz Tübingen], 288). krit. Leitzmann 1940 Albert Leitzmann (Hg.): Wilhelm von Humboldts Briefe an Christian Gottfried Körner. Berlin: E. Ebering 1940 (Hist. Studien, Bd. 367). Leitzmann 1949 A[lbert] Leitzmann: Briefe von Wilhelm von Humboldt. [Teil] I [m.n.e.], Berlin: Akad.-Verl. 1949 (Abhh. d. Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin, Philosophisch-hist. Klasse, Jg. 1948, Nr. 3). Lesky Albin Lesky: Geschichte der griechischen Literatur. 3., neu bearb. u. erw. Aufl., Bern / München: Francke 1971. Lesky, RE Albin Lesky: Homeros, in: RE, Suppl.-Bd. 11 (1968), Sp. 687– 846. Maas Paul Maas: Greek Metre. Translated by Hugh Lloyd Jones, Oxford: Clarendon 1962. Mattson 1990 Wilhelm von Humboldt: Briefe an Friedrich August Wolf[,] textkritisch hg. u. kommentiert von Philip Mattson. (Im Anhang: Humboldts Mitschrift der Ilias-Vorlesung Christian Gottlob Heynes aus dem Sommersemester 1789). Berlin [etc.]: W. de Gruyter 1990. krit., Abk. aufgel.

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Clemens Menze: Wilhelm von Humboldt und Christian Gottlob Heyne. Ratingen: A. Henn 1966. krit. Mf. Bibliothek der deutschen Literatur. Eine Edition der Kulturstiftung der Länder. Mikrofiche-Gesamtausgabe nach den Angaben des Taschengoedeke. München: Saur 1990 ff. Michelet Jules Michelet: Geschichte der Französischen Revolution. Aus dem Französischen von Richard Kühn. Neue, bearb. Ausg., Bd. 1–2, Frankfurt/M.: Zweitausendeins 2009. Monro  / Allen Homeri Opera, recognovervnt breviqve adnotatione critica instrvxervnt David B. Monro […] et Thomas W. Allen […] ([ab t.  3:] recognovit breviqve adnotatione instrvxit Thomas W[illiam] Allen […]). t. 1–5, Oxonii, e typographeo Clarendoniano 1902–1912 u. ö. (Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis). NA Schillers Werke. Nationalausgabe. Bd.  1  ff. Weimar: Böhlau 1943 ff. krit. Die hier einschlägigen Bände: 27: Briefwechsel. Schillers Briefe, 1794–1795. Hg. von Günter Schulz (1958). 34: Briefwechsel. Briefe an Schiller, 1. 3. 1790 – 24. 5. 1794. Hg. von Ursula Neumann. T. 1–2 (1991/97). Pfeiffer Rudolf Pfeiffer: Geschichte der Klassischen Philologie. [Bd. 1:] Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus (ursprünglicher Titel: History of Classical Scholarship, ins Deutsche übersetzt von Marlene Arnold), 2. durchges. Aufl., München: C.  H. Beck 1978; [Bd.  2:] Die Klassische Philologie von Pe­ trarca bis Mommsen. (Deutsch von Marlene und Erwin Arnold), ebd. 1982. Platon, WW Platon. Werke in acht Bänden. Griechisch und deutsch. Hg. von Günther Eigler, deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher. Bd. 1–8 (in 9), Darmstadt: Wiss. Buchges. 42005. Raabe Paul Raabe: Der junge Karl Ludwig Woltmann. Ein Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte, in: Oldenburger Jb. d. Oldenburger Landesvereins für Gesch., Natur- u. Heimatkunde, Bd. 54 (1954), S. 7–82. RE Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen hg. von Georg Wissowa [usw.; weitere leitende Hgg.: Menze, Heyne

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Wilhelm Kroll, Karl Mittelhaus, Konrat Ziegler, Kurt Witte]. Reihe 1–2 (insges. 66 Bde.). Supplementbd. 1–15, Stuttgart [u. a.]: J. B. Metzler [u. a.] 1874–1980. Reiter Friedrich August Wolf: ein Leben in Briefen. Die Sammlung besorgt und erläutert durch Siegfried Reiter. Bd. 1–3, Stuttgart: J. B. Metzler 1935. krit. Rose Herbert Jennings Rose: Griechische Mythologie. Ein Handbuch. (Aus dem Englischen von Anna Elisabeth Berve-Glauning), München: C. H. Beck, 1953. Sandys John Edwin Sandys: A History of Classical Scholarship. Vol. 1–3, Cambridge: U. Pr. 1903/08. Schadewaldt Homer: Ilias. Neue Übertragung von Wolfgang Schadewaldt. Frankfurt/M.: Insel 1975 [u. ö.]. Homer: Die Odyssee. Deutsch von Wolfgang Schadewaldt. Reinbek: Rowohlt 1966. Scheel Heinrich Scheel (Hg.): Die Mainzer Republik I. Protokolle des Jakobinerklubs. Berlin: Akad.-Verl. 1975 (Akad. d. Wiss. der DDR: Schrr des Zentralinst. f. Gesch., 42). Schiller-Chronik Karin Wais [unter Mitwirkung von Rose Unterberger]: Die Schiller Chronik. Frankfurt a. M. / Leipzig: Insel 2005. J. Schopenhauer Johanna Schopenhauer: Ihr glücklichen Augen. Jugenderinnerungen, Tagebücher, Briefe. Hg. von Rolf Weber, Berlin: Verl. d. Nation 1978. Seidel Siegfried Seidel (Hg.): Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt. Bd. 1–2, Berlin: Aufbau 1962. mod. Snell Pindari Carmina cvm fragmentis, edidit Brvno Snell. Lipsiae: B. G. Teubner 1953. Snell, Metrik Bruno Snell: Griechische Metrik. 3., erw. Aufl., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962 (Studienhefte zur Altertumswiss., 1). Spranger 1909 Eduard Spranger: Wilhelm von Humboldt und die Humanitätsidee. Berlin: Reuther & Reichard 1909. mod. StA Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden. Hg. von Andreas Flitner u. Klaus Giel. Darmstadt: Wiss. Buchges. / Stuttgart: Cotta 1960–1981.

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Goethes Leben von Tag zu Tag. Eine dokumentarische Chronik von Robert Steiger (ab Bd. 6: … Steiger und Angelika Reimann). Bd. 1 ff., Zürich/München: Artemis 1984 ff. Sweet Paul R. Sweet: Wilhelm von Humboldt. A Biography. Vol. 1–2, Columbus: Ohio State U. Pr. 1978/80. Sydow Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen. Hg. von Anna von Sydow. Bd. 1–7, Berlin: E. S. Mittler u. Sohn 1906– 1916 (Neudr. Osnabrück: Zeller 1968). mod. hier: Band 2: Von der Vermählung bis zu Humboldts Scheiden aus Rom, 1791–1808. WA Goethes Werke. Hg. i. A. der Großherzogin Sophie von Sachsen. Abth. 1–4 (insges. 143 Bde.), Weimar: H. Böhlau 1887– 1919 (Neudr. Tübingen: M. Niemeyer 1974 bzw. München: dtv 1987). Waitz G[eorg] Waitz (Hg.): Caroline. Briefe an ihre Geschwister, ihre Tochter Auguste, die Familie Gotter, F. L. W. Meyer, A. W. und Fr. Schlegel, J. Schelling u. a. nebst Briefen von A. W. und Fr. Schlegel u. a. Bd. 1, Leipzig: S. Hirzel 1871. krit. Wilamowitz Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorf: Geschichte der Philologie. 3. Aufl., Leipzig / Berlin: B.  G. Teubner 1921 (Einleitung in die Altertumswissenschaft, Bd. 1, H. 1). Wilpert Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. 3., verb. u. erw. Aufl., Stuttgart: A. Kröner 1961 (Kröners Taschenbuchausgabe, Bd. 231). Wittichen Friedrich Carl Wittichen (Hg.): Briefe von und an Friedrich von Gentz. Bd.  1–3/I–II, München / Berlin: R. Oldenbourg 1909. mod. hier: Bd. 1–2. Wolf 1785 Homeri Ilias ad exemplar maxime Glasguense in usum schola­ rum diligentissime expressa. Pars 1, Halae Saxon., in Orphanotropheo 1785. Wolf 1794 Homeri et Homeridarum Opera et Reliquiae. Ex veterum criticorum notationibus optimorumque exemplarium fide recensuit Frid. Aug. Wolfius. Pars I, Ilias. Halis Saxonum, e libraria Orphanotrophei 1794. Steiger / Reimann

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Siglen

Wolf 1804

Ὁμήρου Ἔπη. Homeri et Homeridarum opera et reliquiae.

Ex recensione Frid. Aug. Wolfii. In usum scholarum. Vol. 1–4, Lipsiae, apud bibliopolam G. I. Göschen 1804/07 (hier: vol. 1–2, Ilias, 1804).

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Humboldts Schriften Humboldt versah seine Schriften meist mit Titeln, die sich einer griffigen Zitierweise entziehen. Aus diesem Grund und außerdem, um sie unmittelbar als Schriften Humboldts kenntlich zu machen, werden sie im Kommentar in Form eines Kurztitels in einer eigenen Schrift (Frutiger) angegeben. Hier folgt eine Liste jener Kurztitel, die mehr als einmal im Kommentar angeführt sind, mit dem Humboldtschen Titel rechts davon in vollem Wortlaut. Altertumsstudium

Über das Studium des Alterthums, und des Griechischen insbesondre (GS I 255–281) Eumeniden-Chor Die Eumeniden. Ein Chor aus dem Griechischen des Aeschylos (GS VIII 237–241) Geschlechtsunterschied Ueber den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluß auf die organische Natur (GS I 311–334) Männliche / weibliche Form Ueber die männliche und weibliche Form (GS I 335– 369) Rez. Odyssee [Rezension von Wolfs Ausgabe der Odyssee] (GS I 370– 376 – Titel Leitzmanns) Rez. Woldemar [Rezension von Jacobis Waldemar] (GS I 288–310 – Titel Leitzmanns) Staatsverfassung Ideen über Staatsverfassung, durch die neue französische Constitution veranlaßt (GS I 77–85) Staatswirksamkeit Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen (GS I 97–254) Über Religion Über Religion (GS I 45–76)

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Bücherverzeichnisse Im Archiv Schloss Tegel ist eine Reihe von Verzeichnissen erhalten, die den jeweils momentanen Bestand von Humboldts Bibliothek dokumentieren. Aus den jüngsten Erscheinungsjahren der dort verzeichneten Titel lässt sich die ungefähre Entstehungszeit meist leicht erschließen. Die brauchbarsten wurden bald nach Humboldts Entlassung aus dem Staatsdienst (zum Jahreswechsel 1819/20) angelegt, mithin rund 25 Jahre nach dem Ende der in diesem Band erfassten Lebensperiode. So ist ein Eintrag in einem dieser Verzeichnisse nicht so sehr eine Bestätigung, dass Humboldt das Buch besaß (in vielen Fällen besaß er es zum Zeitpunkt des Anlegens des BV nicht mehr), als eine Aussage über den Wert, den er dem betreffenden Buch noch immer beimaß. Das Fehlen eines Eintrags – bei allen zeitgenössischen Titeln wurde eine entsprechende Kontrolle durchgeführt – ist somit kein Beweis, dass Humboldt das Buch nicht früher einmal besaß. Die Bücherverzeichnisse lassen sich in vier Klassen, teils nach thematischen, teils nach anderen Kriterien, einteilen: S Das Sprachstudium betreffende Bücher K Autoren der klassischen Antike D Diverses A Auswärtig untergebrachte Bücher (in Tegel, Burgörner etc.) Die hier einschlägigen Verzeichnisse sind: A-a A-b A-c D-a D-b

„In Burgörner befindliche Bücher“ (jüngstes Werk: 1816; AST, IN.  1144, eigh.); „Verzeichniß der in Tegel befindlichen Bücher“ (wohl 1820 angelegt; ebd., IN. 1145, eigh.); [Titel wie zuvor] (ebd., IN. 1130, von der Hand des Sekretärs Pahl [= Abschr. d. Vorigen]); „Verzeichniß der in Berlin befindlichen Bücher“ (1820; ebd., IN.  1141, eigh.); Abschr. von D-a, von Schreiberhand, mit eigh. Nachträgen (ebd., IN. 1142);

519

Bücherverzeichnisse

D-d D-f K-a K-b K-c

S-a

S-b S-c

S-d

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„Von Tegel nach Berlin genommene Bücher“ (ebd., IN. 1131/32, von Pahls Hand, Titel eigh.); Ohne Titel: Bücher werden ohne erkennbares Ordnungsprinzip verzeichnet, wohl anlässlich des geplanten Umzugs nach Paris (1814); von unbekannter Hand (ebd., IN. 1129a); „Verzeichniß der in Berlin befindlichen Bücher. Griechische Classiker“ (jüngstes Werk im Hauptverz.: 1820; in den Nachträgen: 1828; ebd., IN. 1138, eigh.); „Verzeichniß der in Berlin befindlichen Bücher. Römische Classiker“ (jüngstes Werk im Hauptverz.: 1818; in den Nachträgen: 1824; ebd., IN.  1139, eigh.); „Verzeichniß der in Berlin befindlichen Bücher. Uebersetzungen alter Schriftsteller, ohne [Original-]Text, u. Schriften, welche das classische Alterthum erläutern“ (jüngstes Werk im Hauptverz.: 1820; in den Nachträgen: 1823; ebd., IN. 1140, eigh.); „Verzeichniß meiner zum vergleichenden Sprachstudium gehörenden Bücher“ (jüngstes Werk im Hauptverz.: 1812; in den Nachträgen: 1819; ebd., IN. 1136, von der Hand eines in Wien angestellten Sekretärs; die Liste diente offenbar als Vorlage für S-b); „Verzeichniß meiner zum allgemeinen Sprach Studium gehörenden Bücher“ (November 1814; ebd., IN. 1129, von Schreiberhand); „Verzeichniß meiner zum vergleichenden Sprachstudium gehörenden Bücher nach den Sprachen und Mundarten alphabetisch geordnet“ (jüngstes Werk im Hauptverz.: 1820; in den Nachträgen: 1821; ebd., IN.  1137, von Pahls Hand); „Verzeichniß der zum Sprachstudium gehörenden Bücher“ (1820, ebd., IN. 1128, von Pahls Hand, mit eigh. Nachträgen; Druck: Mueller-Vollmer – zit. zu 232/108 – S. 410–444).

Personenregister Nicht erfasst werden: 1. Namen von Gottheiten aller Art, mythologischen Gestalten, antiken Helden; 2. Briefempfänger; 3. Autoren der Sekundärliteratur; 4. Namen, die in den Titeln der angeführten Literatur vorkommen (z. B. ,Geschichte Deutschlands seit Karl dem Großen‘); 5. in den Literaturangaben genannte Verleger. Nennungen im Kommentar werden nur dann (mit einem vorstehenden K) angeführt, wenn sie nicht ohnedies beim betreffenden Lemma des Textes stehen. Die Einträge gliedern sich wie folgt (am Beispiel von Brief 264): ,E 264‘ bedeutet: ,Empfänger von Brief 264‘; ,264/22‘ bedeutet: ,Erwähnung in Brief 264, Zeile 22‘; ,K 264/22‘ bedeutet: ,Erwähnung im Kommentar zu Brief 264, Zeile 22‘. ,Einl., S. 7‘ bedeutet: ,Erwähnung auf S. 7 der Einleitung‘.

Abélard, Pierre (Petrus Abaelardus, † 1142),

frz. Scholastiker 241/15 Adelung, Johann Christoph (1732–1806), Lexi­kograph u. Grammatiker, 1787 Oberbibliothekar, Dresden 274/114 277/21 286/36 289/7 Aischylos (Aeschylus) (um 525 – um 455), griech. Tragiker 231/37 232/116 234/9 235/42 47 64 240/30 246/9 247/33 253/20 90 127 173 254/27 257/31 180 262/144 190 264/4 282/116 (299/10) 300/55 (92) (306/65) 313/37 Einl., S. 4 Albini, Franz Joseph Frhr. v. (1748–1816), kurf. Hofkanzler u. Minister, Mainz 270/34 272/47 53 70 Aldobrandini, Tommaso (16. Jh.), Philologe; Bruder d. Papstes Klemens VIII. K 345/101 Alkaios aus Mytilene/Lesbos (7./6. Jh.), griech. Lyriker 300/53 301/186

Alter, Franz Karl (1749–1804), S. J., Prof. f. Diplomatik u. Kustos, Univ.-Bibl., Wien K 307/111 Althof, Ludwig Christian (1758–1832), 1794 Prof. d. Med., Göttingen; Freund Bürgers 320/50 Anacharsis (4. Jh. v. Chr.), Skythe aus fürstl. Geschlecht K 247/79 Anakreon aus Teos (6. Jh. v. Chr.), griech. Lyriker K 240/37 Anckarström, Jacob Johan (1762–1792), Mörder von Gustav III. von Schweden K 246/63 d’Ansse de Villoison, Jean-Baptiste Gaspard (1753–1805 [1806?]), frz. Hellenist, 1772 Mitgl., Acad. des Inscriptions, Paris 270/122 K 240/37 Apollonios Rhodios (3. Jh. v. Chr.), Verf. d. Epos ,Argonautika‘ 284/24 307/97 317/67 K 246/42

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Personenregister Apollonios ,der Sophist‘ (1. Jh. n. Chr.), Grammatiker u. Lexikograph 270/122 Arens, Johann August (1757–1808), Architekt, Hamburg K 343/15 Arenswald – s. Arnswaldt Aristeides (117 – um 187), att. Redner 262/163 Aristophanes (um 445 – um 385), griech. Komödiendichter 253/54 262/98 274/86 307/124 K 240/37 282/99 Aristophanes aus Byzanz (um 257 – um 180), Grammatiker 253/185 315/56 K 257/132 274/44 Aristoteles (384/3–322), griech. Philosoph 210/93 208 290/44 291/37 301/152 315/56 345/55 70–95 passim 348/13–24 passim K 270/116 Aristoxenos aus Tarent (4. Jh. v. Chr.), Schüler d. Aristoteles K 303/78 Arnaud, François (1721–1784), Abbé, Anti­quar, Mitgl. d. Acad. française K 312/33 Arndt, Ernst Moritz (1769–1860), polit. Schriftsteller; 1793 Fichte-Hörer, Jena K 333/11 Arnim zu Boitzenburg, Friedrich Abraham Wilhelm, Graf v. (1767–1812), 1789 preuß. Gesandter, Kopenhagen, 1792 Dresden K 311/7 Arnswaldt, Christian Ludwig August Frhr. v. (1733–1815), 1. Kurator d. Universität Göttingen; Vater d. Folgenden K 268/30 Arnswaldt (nicht Arenswald), Karl Friedrich Alexander Frhr. v. (1768–1845), hann. Staatsmann, später Kurator d. Universität Göttingen 268/30 Asmonius (5. Jh. n. Chr.), lat. Grammatiker 301/69 79 Atilius Fortunatianus (Wende d. 3./4. Jh.), Metriker 301/186 d’Aubignac, François-Hédélin (1604–1676), Abbé, Neffe d. Kardinals Richelieu, Erzieher d. duc de Fronsac K 333/36

Bach, Johann Sebastian (1685–1750), Barockkomponist Einl., S. 4

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Bacon, (1603 Sir) Francis (1561–1626), Advokat; 1618 Lordkanzler (mit Titel Baron Baco v. Verulam), 1621 Viscount v. St. Albans 261/103 Baggesen, Jens Immanuel (1764–1826), dänischer Dichter 334/2 Baggesen, Charlotte Sophie, geb. v. Haller (1767–1797), 1790 Gemahlin d. Vorigen 334/3 K 334/5 Bakchylides (nach 520 – Mitte d. 5. Jh.), Chorlyriker K 301/117 Bar(c)khausen, Heinrich Ludwig Willibald (1742–1813), 1786 Kriegs- u. Domänenrat u. Stadtpräs., Halle; Schriftsteller 324/24 Barozzi [Barazzi?], Erfurt 306/28 Barthélemy, Jean-Jacques (1716–1795), Abbé u. Schriftsteller; 1747 Mitgl. Acad. des inscriptions, 1753 Kurator, Cab. des antiques, 1789 Mitgl., Académie française (247/79) (342/44) Batsch, August Johann Georg Karl (1761–1802), 1786 ao. Prof. d. Naturgesch., 1793 o. Prof. d. Philosophie, Jena 313/29 Bayle, Pierre (1647–1706), aufklärerischer Historiker u. Philosoph 210/98 258/8 Becher, Friedrich Liebegott (1765–1830), Dir., Ritter-Akad., Liegnitz 345/100 Beck, Christian Daniel (1757–1832), 1785 o. Prof. d. klass. Philol., Leipzig 247/42 286/23 300/70 303/119 Becker, Rudolf Zacharias (1752–1822), Schriftsteller u. Pädagoge, Gotha; Erzieher der Karoline v. Dacheröden E 217 (?) 203/12 35 K 238/18 Beda Venerabilis (Hl.) (672/3–735), angelsächs. Theologe u. Historiker 300/4 Bekker, August Immanuel (Emanuel) (1785–1871), 1810 ao., 1811 o. Prof. f. klass. Philol., Berlin K 262/49 287/58 Bentley, Richard (1662–1742), engl. Geistlicher u. Philologe, 1700 Prof., Cambridge 300/24 39 53 301/32 38 79 156 187 303/82 348/43 K 254/26 287/158 299/29 348/81 82 Bentzel-Sternau (nicht Benzel), Christian Ernst Graf v. (1767–1849), 1791 Reg.rat, Erfurt 306/28 K 270/26

Personenregister Bernstorff, Christian Günther Graf v. (1768–1835), dän. Diplomat, 1791 Geschäftsträger, Berlin 224/6 227/22 266/5 Beulwitz, Friedrich Wilhelm Ludwig v. (1755–1829), schwarzburg-rudolstädtischer Staatsmann, Gemahl d. Folgenden 224/15 (306/18) Beulwitz, Karoline v. („Lili“, „Li“), geb. v. Lengefeld (1763–1847), Jugendfreundin Karoline v. Humboldts, 1790 Schwägerin Schillers; heiratet 1794 W. v. Wolzogen E 306 214/32 57 65 216/23 223/73 225/79 238/24 35 249/44 251/19 30 252/2 20 K 214/5 218/125 220/1 221/2 240/37 Biester, Johann Erich (1749–1816), 1784 Bibliothekar, Kgl. Bibl. Berlin; 1783 Mitbegr., 1791 alleiniger Hg. der ,Berlinischen Monatsschrift‘ 231/61 232/31 233/8 234/47 237/65 79 239/3 19 24 241/25 242/18 244/26 245/28 246/21 45 248/12 29 249/2 259/20 50 267/2 277/32 K 206/(H) 142 173 246/32 262/170 Einl., S. 2, 4 Blackwell, Thomas (1701–1757), 1723 Prof. d. Griech., Aberdeen K 333/36 Blumenbach, Johann Friedrich (1752–1840), 1776 Prof. d. Med., Göttingen K 283/4 Böckh, Philipp August (1785–1867), 1807 ao., 1809 o. Prof., Heidelberg, 1810 Prof. d. Beredsamkeit u. klass. Lit., Berlin K 235/30 Bode, Johann Elert (1747–1826), 1777 Astronom, Akad. d. Wiss., Dir. Sternwarte, Berlin 205/27–41 passim Böhmer, Auguste (Philippine Augusta, 1785–1800), Tochter d. Folgenden 268/(38) K 240/37 Böhmer, Caroline, geb. Michaelis (1763–1809), Freundin (1796 Gemahlin) A. W. Schlegels 268/(8) 29 32 290/(5) 11 K 249/36 265/2 277/32 Böhmer, Johann Franz Wilhelm (1754–1788), Arzt, 1784 Gemahl d. Vorigen K 268/8 Bonnell, Karl Eduard (1802–1877), 1837 Dir., Friedrichswerdersches Gymn., Berlin K 262/90

Borch, Auguste v., Tochter d. H. L. v. Borch (305/8) (306/4) K 305/7 Borch, Charlotte v., Tochter d. Folgenden (305/8) (306/4) K 305/7 Borch, Helene Ludmilla v., geb. Freiin v. Dacheröden (geb. 1736), Schwester C. Fr. v. Dacherödens (305/8) (306/4) K 305/7 Borheck, August Christian (1751–1816), 1790 Prof. d. Gesch. u. Beredsamkeit, Duisburg 270/71 303/108 K 266/10 Böttiger (nicht Bötticher), Carl August (1760–1835), Oberkonsistorialrat, 1791 Dir., Gymnasium, Weimar E 336 339 346 349? 335/7 342/11 K 317/49 341/5 9 342/5 Brandes, Karl Julius Heinrich (1811–1859), Dr. phil., 1845 Kustos, 1856 1. Sekr., Kgl. Bibl., Berlin K 240/H 247/H 262/H 264/H 294/H 296/H 298/H 300/H 342/H 348/H Brinkman (Brin[c]kmann), Carl Gustaf v. (1764–1847), schwed. Diplomat u. Dichter; 1794 Geschäftsträger, Berlin E 220 224 226 230 231 232 233 234 236 237 239 241 245 246 248 250 255 259 261 266 267 269 273 275 276 280 288 295 304 318 321 325 328 216/50 227/21 28 38 K 215/18 244/2 262/74 271/Empf. 13 18 Einl., S. 3, 5 f. Brockhausen, Karl Christian v. (1766–1829), preuß. Diplomat, 1791 Gesandter, Stockholm 237/29 Brumoy, Pierre (1688–1742), S. J., Philologe, Prinzenerzieher 235/43 Brunck, Richard-François-Philippe (1729–1803), Kriegskommissarius u. Gräzist, Straßburg 277/29 282/99 284/24 287/5 307/97 317/70   329/45 Bürger, Agathon (1791–1813), Sohn d. Folgenden 320/51 Bürger, Gottfried August (1747–1794), Dichter, Mitgl. d. ,Göttinger Hains‘ 320/48 57 Burke, Edmund (1729–1797), engl. Politiker u. Schriftsteller 245/40 256/15 41 257/184 259/34   261/37 48 67 72 Buttmann, Philipp Karl (1764–1829), Philologe, Berlin 275/1 K 256/69 262/90 274/55 277/33? 282/11

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Personenregister

Campe, Joachim Heinrich (1746–1818),

Pädagoge, Jugendschriftsteller; Humboldts 1. Hofmeister K 249/46 254/19 Canter, Willem (1542–1575), Privatgelehrter, Löwen K 247/33 Carisien, Carl Ehrenfried v. (1749–1794), 1787 schwed. Gesandter, Berlin 245/74 328/6 Casaubonus, Isaac (1558–1614), 1582 Prof. d. Griech., Genf, 1601 Kgl. Bibl., Paris K 333/36 345/101 Casaubonus, Méric (1599–1671), Sohn d. Vorigen; 1634 Vikar, Minster K 345/101 Castelvetro, Ludovico (um 1505–1571), 1532 Lektor d. Jurisprudenz, Modena K 348/17 Catull (Gaius Valerius Catullus, um 84/82–47?), röm. Lyriker 301/59 Charles Martel (ca. 688–741), Merowingerfürst, Großvater Karls d. Großen; bekämpfte die Sarazenen in Südfrankreich 307/77 ?Christoph, Gottlieb, Philologe K 232/108 Cicero, Marcus Tullius (106–43), röm. Politiker, Rhetoriker, Philosoph 262/52 301/(33) 125 153 155 K 257/114 270/57 312/60  333/78 Clarke, Samuel (1675–1729), Philologe u. Theologe, London 270/118 K 270/86 147 Clericus – s. Leclerc Corinna – s. Korinna Cotta, Johann Friedrich (1754–1832), Verlagsbuchhändler, Tübingen 321/20 Cotta – s. auch Kotta Coudenhove, Graf 263/23 Cowley, Abraham (1618–1667), engl. Dichter u. Pindar-Übersetzer 246/42 269/2 K 235/30 267/1 Ctesias Cnidios – s. Ktesias Custine, Adam-Philippe comte de (1740–1793), frz. General, 1792 Mil. gouverneur, Mainz K 243/5 248/54 249/15

Dacheröden, Carl Friedrich Frhr. v.

(1731–1809), 1763 Kammerpräsident, Minden, seit 1774 privatisierend in Erfurt,

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dort 1778 Direktor d. Kurzmainzischen Akad. d. Wiss.; Humboldts Schwiegervater 200/52 203/11 204/22 30 205/13 212/84 236/3 245/3 259/99 262/24 263/5  268/56 277/8 278/5   279/3 280/42 49 286/6 302/105 304/6 305/7 306/4 19 315/3 324/76 335/5 341/6 348/81 K 312/33 Dacheröden, Ernestine Friederike Freifr. v., geb. v. Hopf(f)garten (1736–1774), Mutter Karoline v. Humboldts K 237/84 Dacheröden, Ernst Ludwig Wilhelm Frhr. v. (1765–1806), Sohn d. Vorigen 315/3 Dacier, Anna, geb. Le Fevre (1654–1720), Gräzistin, Paris K 240/37 348/81 82 Dalberg, Carl Theodor Maria, Reichsfrhr. v. (1744–1817), 1772 kurmainz. Statthalter, Erfurt, 1787 Koadjutor d. Erzstifts Mainz E 207 309 200/54 213/1 214/68 218/29 123 134 243/13 249/15 262/118 129 268/12 270/30 272/51 305/9 29 (306/18) 310/229 311/61   326/5 335/7 K 262/74 Einl., S. 6 Dalzel, Andrew (1742–1806), 1772 Prof. d. Griech., Edinburg K 257/46 Damm, Christian Tobias (1699–1778), Rektor, Cöllnisches Gymn., Berlin K 235/30 Danton, Georges-Jacques (1759–1794), frz. Revolutionspolitiker K 201/36 311/30 Darbes (d’Arbes), Joseph Friedrich Anton (1745–1810), Porträtmaler, seit 1785 in Berlin 280/59 Dawes, Richard (1708–1766), engl. Philologe 272/134 303/43 68 de Nélis, Cornelius Franciscus (1736–1798), Bischof von Antwerpen, seit 1794 in Italien 335/2 de Pauw, Jan Cornelis († 1749), Kanonikus und Altphilologe, Utrecht 247/40 253/93 262/33 272/124 284/18 301/105 303/21 307/101 106 128 132 K 303/50 Degen, Johann Friedrich (1752–1836), 1790 Dir. u. Inspektor, Fürstenschule, Neustadt a. d. Aisch; 1811 Rektor, Gymn. Bayreuth K 247/93 Demetrios (Zenos) aus Adramytion (2. Jh. v. Chr.), Grammatiker K 329/42

Personenregister Demosthenes (384–322), att. Redner 252/90 301/155 330/32 Descartes, René (1595–1650), frz. Philosoph K 241/19 Didot, François-Ambroise (1730–1804), frz. Drucker u. Verleger 300/88 Didymos aus Alexandreia (1. Jh. v. Chr.), Grammatiker 257/148 K 257/132 Dieterich (nicht Dietrich), Johann Christian (1722–1800), Verlagsbuchhändler, Göttingen 320/48 Diodoros (Diodoros Siculus) (1. Jh. v. Chr.), hellenist. Geschichtsschreiber 294/52 Diogenes Laertios (vermutl. Ende 3. Jh. n. Chr.), Verf. einer Sammlung von Philosophenviten 345/101 K 333/36 Diomedes (4. Jh. n. Chr.), lat. Grammatiker 300/14 64 Dionysios aus Halikarnass (1. Jh. v. Chr.), Rhetor u. Geschichtsschreiber; lehrte in Rom 30–8 v. Chr. 253/183 277/28 30 301/151 Dioskurides Pedanius (1. Jh. n. Chr.), griech. Pharmakologe 305/30 Dohm, Anna Henriette Elisabet v., geb. Helwing, Gemahlin d. Folgenden 311/79 324/70 Dohm, Christian Wilhelm v. (1751–1820), 1786 preuß. Min. am Kurköln. Hof u. Gesandter b. niederrh.-westf. Kreis Köln–Aachen; Lehrer Humboldts E 311 324 204/46 (328/10) Dohna-Schlobitten, Alexander Burggraf zu (1771–1831 [nicht 1832]), Studienfreund Humboldts, Frankfurt/O. u. Göttingen 212/5 Dominikus, Jakob (1762–1819), 1790 ao., 1802 o. Prof. d. Geschichte, Erfurt E 213 (?) 306/28 Dorvill – s. d’Orville Droysen, Johann Gustav (1808–1884), Historiker K 246/8 Dryden, John (1631–1700), engl. Dichter K 245/50 Duker, Carolus Andreas (1660–1752), holl. Philologe; 1716 Prof. f. Griech. u. Rhetorik, Utrecht K 257/56

Dumouriez, Charles-François (1739–1823), frz. General (246/57)

Ebel, Johann Gottfried (1764–1830), Studien-

freund Humboldts; 1788 Dr. med., Frankfurt/O. E 212 Eberhard, Johann August (1739–1809), 1778 Prof. d. Philosophie, Halle 231/71 K 315/44 Eichhorn, Johann Gottfried (1752–1827), 1788 Prof. d. Philosophie, Göttingen K 310/225 Eichmann, Franz Friedrich, Kriegsrat, Berlin 232/105 Eichstädt, Heinrich Carl Abraham (1772–1848), 1796 Prof. d. Poesie u. Elo­quenz, Jena K 314/32 Eisenberg, Friedrich Philipp (1757–1804), Kammergerichtsrat, 1794 Polizeidir. u. Stadtpräs., Dir. sämtl. Armenanstalten, Berlin 211/20 Emilie, Wirtschafterin bei Humboldts 343/19 Engel, Johann Jakob (1741–1802), rationalist. Schriftsteller, 1776 Prof., Joachimsthalsches Gymn. Berlin, 1786 Mitgl., Akad. d. Wiss., 1787 Oberdir., Nationaltheater, Berlin 321/68 Erhard(t), Johann Benjamin (1766–1827), 1792 Arzt, Nürnberg 337/59 Ernesti, Johann August (1707–1781), 1734 Rektor d. Thomana, 1742 ao., 1756 o. Prof. d. Beredsamkeit, Leipzig 267/5 270/147 348/82 K 262/49 52 Erthal, Friedrich Carl Joseph v. u. zu (1719–1802), 1774 Erzkanzler, KurfürstErzbischof v. Mainz 249/38 262/25 192 264/27 268/13 270/19–37 passim 272/21–60 passim 290/9 Euripides (um 485 – 406), griech. Tragiker 263/24 282/117 329/32 331/42 K 235/43 Eustathios (um 1110–1192), Diakon u. Rhetor, Konstantinopel, 1175 Erzbischof von Thessaloniki; Homer-Kommentator 270/150 287/7 298/9 307/97 109 Euteknios Sophistes, Verf. v. Paraphrasen Nikanders u. a. K 282/45

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Personenregister

Fabrus – s. Dacier

Facius, Friedrich Wilhelm (1764–1843), Steinschneider, Weimar K 313/29 Faerno (Faernus), Gabrielle († 1561), lat. Dichter, Rom K 300/24 348/43 Faesi (Fäsi), Johann Ulrich (1796–1865), 1830 Prof. d. klass. Sprachen, Zürich K 247/96 Fernow, Carl Ludwig (1763–1808), Schriftsteller, Philologe; 1794 in Rom K 344/43 Ferrette – s. Pfürdt Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814), 1794 Prof. d. Philosophie, Jena 310/225 320/24 37 44 62 321/40 344/44 K 315/53 334/5 ,Grundlage der Wissenschaftslehre‘ 321/46 ,Über die Bestimmung des Gelehrten‘ 321/42 Ficinus, Marsilius (Marsilio Ficino, 1433–1499), Arzt u. Philosoph K 240/22 Fiedler, Gotthold Ludwig († 1800), 1792/94 Geschäftsführer, ALZ, Jena 307/9 Fischer, Ernst Gottfried (1754–1831), Mathematiker, 1787 Lehrer, Gymn. zum Grauen Kloster Berlin; Lehrer Humboldts E 205 241/78 Fischer, Johanne Henriette, geb. Stiller (1764–1844), Gemahlin d. Vorigen 205/45 Fischer, Gottfried Emil (1791–1841), Sohn der Vorigen; Patenkind Humboldts; später Schulmann u. Musikwissenschaftler 205/45 Fischer, Gotthelf (1771–1853), Zoologe u. Paläontologe, 1791 stud. med., Wittenberg, 1792 Leipzig; 1797/98 Hofmeister b. Humboldt, später Moskau 340/23 Fochtel, Pädagogium, Halle 330/24 Forberg, Friedrich Carl (1770–1848), 1792 Priv.-Doz. d. Philosophie, Jena K 314/32 Forkel, Johann Nicolaus (1749–1818), Musikhistoriker, 1779 Universitäts­ musikdir., Göttingen 263/24 264/22 Forster, Johann Georg(e) Adam (1754–1794), Naturforscher und Publizist, 1788 Bibliothekar Mainz E 202 211 218 243 248/54 56 249/34 270/15 272/13 30 61 91 K 249/20 262/74 286/15 290/6 Einl., S. 3, 7

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,Ansichten vom Niederrhein‘ 211/1 ,Sakontala‘ 211/7 Forster, Therese – s. Huber Fortunatianus – s. Atilius Fortunatianus Francke, August Hermann (1663–1727), 1692 Pfarrer an St. Georgen, Glaucha b. Halle, gründet 1696 das Hallische Waisenhaus, 1698 Prof. d. Theologie, Halle K 330/25 Fränkel, Michael Joseph (Jechiel) (1746–1813), Juwelenhändler, Berlin 199/3 232/69 241/84 248/68 Fränkel, Friederike Sophie („Fanny“), geb. Freude Meyer (1767–1857), 1787 Gemahlin d. Vorigen E 199 208 215 241/84 248/(44) 68 Einl., S. 5 Frankreich: Ludwig XIV. (1638–1715), 1643 Thronfolger, 1661 König 210/177 Ludwig XVI. (1754–1793), 1774 König 210/137 161 257/189 K 201/36 206/22 243/10 Marie-Antoinette, geb. Erzherzogin v. Österreich (1755–1793), 1770 Gemahlin d. Vorigen (245/46) Freiesleben, Johann Carl (1774–1846), Geognost u. Mineraloge; Bergbaubeamter, Leipzig; Freund Alexander v. Humboldts E 340 Friedländer, Benoni (1773–1858), Sohn d. Folgenden, später Bankier, Berlin (201/29) Friedländer, David (1750–1834), Schriftsteller, 1775 Begründer d. Jüdischen Freischule, Berlin E 201 Friedländer, Moses (1774–1840), Sohn d. Vorigen, später Bankier, Berlin (201/29) Frischlin, Philipp Nikodemus (1547–1590), 1568 Prof. f. Poetik u. Griech., Tübingen K 348/81 Fulbert (12. Jh.), frz. Kanoniker K 241/11 Funk, Gottfried Benedict (1734–1814), 1771 Rektor, Domschule Magdeburg K 315/44

Gabler, Christian Ernst (1770–1821), Verlags-

buchhändler, Jena K 314/32 Galenos aus Pergamon (129–199), griech. Arzt 305/31

Personenregister Garve, Christian (1742–1798), Popularphilosoph 231/72 270/68 Gebauer, J. J. (1772–1818), Verlagsbuchhändler, Halle K 258/Einl. Gedike, Friedrich (1754–1803), Philologe; 1779 Dir., Friedrichswerdersches Gymnasium, Berlin; Mitbegr. d. ,Berl. Monatsschrift‘ 262/170 291/29 K 235/30 Gentz, Friedrich (1764–1832), Kriegsrat, polit. Publizist, seit 1785 im preuß. Staatsdienst, Berlin E 206 209 210 271 199/26 208/12 19 212/49 215/5 14 224/7 227/32 37 230/31 231/73 232/9 21 34 237/28 239/12 241/10 15 79 245/39 246/18 41 54 248/42 49 60 250/8 26 256/7 259/34 74 82–102 passim 110 117 261/16 83 266/4 280/66 288/12 295/73 304/7 318/96 320/23   321/11 325/11 K 218/44 237/15 16 19 45 46 262/74 280/44 307/59 Einl., S. 1 ff. Bearbeitung von Burkes ,Betrachtungen‘ 245/39 255/2 256/8–56 257/184 259/3 77 261/4 26–75 passim 318/33 Bearbeitung Mallet du Pan (295/73) Bearbeitung Mounier 321/58 Gentz, Johann Friedrich (1726–1810), 1779 Gen.münzdir., Berlin; Vater d. Vorigen 227/40 K 231/72 Gentz, Minna, geb. Gilly († 1801?), heiratet 1793 Gentz (227/37) 232/39 60 245/53 248/62 (259/110) (266/5) 271/23 295/78 Gerstenberg, Heinrich Wilhelm v. (1737–1823), Dichter K 235/30 Gessler, Karl Friedrich Graf (1753–1829), 1787/92 preuß. Gesandter, Dresden 280/25 281/2 77 286/17 292/98 Gill, John (1697–1771), Baptistenprediger u. theolog. Schriftsteller K 241/19 Gilly, Minna – s. Gentz Girtanner, Christoph (1760–1800), Arzt u. polit. Schriftsteller, Göttingen E 200 K 283/4 Einl., S. 3 Goeckingk (nicht Göckingk), Leopold Friedrich Günther (1789) v. (1748–1828), 1788 Land- u. Steuerrat, preuß. Ortskommissar, Wernigerode, 1793 Geh.

Oberfinanzrat, Berlin; Rokokodichter 280/68 324/21 42 63 325/7   328/8 Goethe, Julius August v. (1789–1830), Sohn d. Folgenden 343/26 Goethe, Johann Wolfgang v. (1749–1832), Dichter; seit 1775 in Weimar E 322 327 332 334 341 344 347 309/3 320/68 326/65 333/129 342/5 12 15 32 49 343/5–28 passim 345/112 K 216/14 219/2 223/58 235/30 249/21 253/80 254/26 262/175 268/19 272/90 311/21 313/29 315/32 317/46 319/Dat. 320/2 329/10 333/11 337/6 340/4 342/9 Einl., S. 8 f. ,Faust. Ein Fragment‘ 232/126 ,Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten‘ 334/9 ,Wilhelm Meisters Lehrjahre‘ 344/10–31 K 332/Dat. Goltz, Sophie Auguste v. d., geb. Freiin v. Dacheröden (1737–1812), Schwester C. F. v. Dacherödens K 305/7 Göschen, Georg Joachim (1752–1828), Verlagsbuchhändler, Leipzig 237/71 238/12 20 27 239/10 26 242/37 244/4 245/13 248/9 251/5 252/28 43 259/6 289/14 Gotter, Friedrich Wilhelm (1746–1797), Schriftsteller; 1772 Geh. Sekr., Gotha E 265 203/36 268/13 320/47 Gottleber, Johann Christoph (1733–1785), 1771 Rektor, Fürstenschule, Meißen K 262/170 Graevius (Graeve, Greffe), Johann Georg (1632–1703), 1662 Prof. d. Beredsamkeit, Utrecht 296/37 348/81 K 348/82 Gräff, Ernst Martin (1760–1802), 1789 Leiter, Weidmannsche Buchhdlg., Leipzig K 262/49 Gregor VII. (Hildebrand) (um 1021–1085), 1073 Papst (241/11) Grillo, Friedrich (1739–1802), Prof., Adeliges Kadettenkorps, Berlin K 235/30 Gronovius, Johannes Fredericus (1645–1716), 1679 Prof. f. Griech. u. Gesch., Leiden K 262/49 301/165 Gros (nicht Grosse), Karl Heinrich v. (1765–1840), 1793 in Jena, 1796 Prof. d.

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Personenregister Jurisprudenz, Erlangen 307/43 320/59 Guarini, Giovanni Battista (1538–1612), ital. Renaissancedichter (344/36) Günther, Bedienter Humboldts 263/16 29 (330/21) 343/19 Gurlitt, Johannes Gottfried (1754–1827), 1778 Lehrer, Pädagogium, Kloster Bergen b. Magdeburg K 235/30 Guyet, François (Franciscus Guietus, 1575–1655), Prinzenerzieher u. lat. Dichter, Paris K 296/35 Guys, Pierre-Augustin (1720–1799), Handelsmann, Griechenlandreisender K 254/26

Haacke, Charlotte Elisabeth v., geb. Freiin v.

Dacheröden (1734–1806), Schwester C. F. v. Dacherödens K 305/7 Hagen, Reformierter Geistlicher, Berlin 232/123 Hagen(-Möckern), Christoph Friedrich Wilhelm v. (1754–1813), Geh. Oberfinanzrat, Berlin 256/84 Hagen(-Möckern), Friederike v., geb. v. Wilcke, Gemahlin d. Vorigen 256/84 Hanley – s. Henley Hardenberg, Carl August Frhr. v. (1750–1822), 1792 preuß. Kabinettsminister, Verwal­ tungschef d. Markgrafenschaft Ansbach-­Bayreuth 324/67 Haym, Rudolf (1821–1901), 1868 o. Prof. f. Literatur, Halle K 294/46 Heeren, Arnold Hermann Ludwig (1760–1842), 1787 ao., 1799 o. Prof. d. Geschichte, Göttingen; 1796 Schwiegersohn Heynes K 274/15 Heerkens, Gerard Nicolaas (1726–1801), holl. Arzt und Altertumsforscher 301/32 Heilmann, Johann David (1727–1764), 1756 Prof. d. Theol., Göttingen 257/56 Heinrich, Karl Friedrich (1774–1838), 1804 Prof. d. griech. Lit., Kiel; 1818 Bonn K 253/161 Heinsius, Daniel (1580/81–1655), 1599 Prof. f. Griech. u. Latein, Leiden K 296/35

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Heinsius, Nicolaus (1620–1681), holl. Philologe u. Diplomat K 262/49 Hellfeld, Christian August Friedrich v. (1757–1840), 1793 ao. Prof. d. Med., Jena; 1794/97 Humboldts Vermieter K 317/44 324/82 Héloise (12. Jh.), Nichte d. Kanonikers Fulbert; Geliebte d. Abélard K 241/11 Hemmerde (& Schwetschke – Karl August, 1756–1839), Verlagsbuchhdlg., Halle E 258 289 247/92 254/3 282/99 106 284/9 329/56 330/7 Hemsterhuis, Tiberius (1685–1766), Philologe, 1740 Prof., Leiden K 348/82 Hendrich (nicht Henderich), Franz Ludwig Albrecht v. (1754–1828), Major, Stadtkommandant, Jena K 320/62 Henley, Samuel (1740–1815), engl. Schulmann 348/69 Hephaistion (2. Jh. n. Chr.), griech. Metriker 284/18 296/42 57 89 298/16 300/6 28 41 301/33 186 303/25 50 307/119 Herakleides Pontikos (d. Ältere) (um 390–310), Philosoph 270/123 Herder, Johann Gottfried (1744–1803), Philosoph u. Schriftsteller; 1776 Hofprediger, Weimar 341/7 K 235/30 240/3 341/9 ,Ideen […] Gesch. d. Menschheit‘ (292/58) 295/96 ,Zerstreute Blätter‘ 289/19 295/101 Herel, Johann Friedrich (1745–1800), Prof. d. alten Lit., Erfurt 279/93 Hermann (nicht Herrmann), Johann Gottfried Jakob (1772–1848), 1795 Prof. d. klass. Philologie, Leipzig 348/40 K 235/30 294/46 299/29 301/41 Herodot(os) aus Halikarnassos (um 485–424), griech. Historiograph 213/1 247/31 93 253/95 112 144 254/15   257/33 167 174   262/66 175 181 266/10 282/13 (284/7) 299/5   301/132 312/63 K 209/48 282/37 Herschel, (1816 Sir) Friedrich Wilhelm (1738–1822), in England wirkender dt. Astronom K 204/14

Personenregister Hertzberg, Ewald Christian (1788) Graf v. (1725–1795), 1763 2. Staats- u. Kab.min., 1786 Kurator, Akad. d. Wiss. Berlin 236/5 248/37 56 Herz, Henriette, geb. de Lemos (1764–1847), 1779 (?) Gemahlin d. Folgenden; Jugendfreundin Humboldts E 216 232/91 237/93 241/86 250/33 Einl., S. 1, 5 Herz, Markus (1747–1803), Arzt, 1783 Hofrat, 1787 Prof. der Medizin, Berlin 232/91 241/86 274/13 20 K 317/17 Hesiod(os) (um 700 v. Chr.), böotischer Ependichter 262/179 271/2 274/44 53 287/48 296/22 (299/9) 303/97 K 282/37 287/112 301/6 312/30 Hessen-Kassel, Wilhelm (1743–1821), 1785 Landgraf Wilhelm IX. 286/24 Hesychios aus Alexandreia (ca. 5./6. Jh.), Lexikograph 299/36 Hesychios Illustrios (6. Jh. n. Chr.), Geschichtsschreiber K 333/36 Heyne, Christian Gottlob (1729–1812), 1763 Prof. d. Eloquenz u. Dir. d. philolog. Seminars, Göttingen; Lehrer Wolfs u. Humboldts E 272 257/51 57 72 96 101 266/12 300/76 307/125 134 317/55 K 200/10 235/30 247/49 254/26 257/46 274/15 282/96 283/1 4 286/15 299/18 314/21 315/32 333/36 348/68 Heyne, Georgine, geb. Brandes (1752–1834), 1772 2. Gemahlin d. Vorigen 272/166 Hildebrand – s. Gregor VII. Hody (Hodius), Humphrey (1659–1707), 1690 Kaplan, Worcester K 301/156 Holstein-Augustenburg, Friedrich Christian (II.) v. (1765–1814), 1794 Herzog K 306/47 334/4 Holwede, Heinrich Ludwig Friedrich Ferdinand v. (1762–1817), Halbbruder Humboldts; Rittmeister 273/2 280/61 Holwede, Henriette Wilhelmine („Minette“) v. (geb. 1765), Cousine Humboldts (Tochter der Schwester seiner Mutter) 199/37 Homer(os) (8. Jh. v. Chr.), griech. Ependichter 225/64 231/37 237/87 240/37 241/60 247/17 31 98 101 253/152 160 254/16 257/33–169 passim (261/24) 262/175 181

267/5 270/85–149 passim 274/53 57–111 passim 282/11 21 (41) 88 108 287/5–167 passim 291/28 293/24 296/16 298/16 64 301/24 161 303/16 307/28 315/60 317/67 329/43 333/14 58–96 passim 115 342/49 Einl., S. 9 Hopf(f)garten, Ernestine Luise v. geb. Freiin v. Knigge (1705–1768), Großmutter Karoline v. Humboldts (?) K 237/84 Hopf(f)garten, Georg Wilhelm (1790) Reichsgraf v. (geb. 1740), Sächs. Kab.min.; Onkel Karoline v. Humboldts K 237/84 Hopf(f)garten, v. (Tante Karolines und 3 Töchter) (237/84) Horaz (Quintus Horatius Flaccus) (65–8 v. Chr.), röm. Dichter 289/10 300/20 (301/181) K 300/39 42 Huber, Ludwig Ferdinand (1764–1804), Theaterschriftsteller; heiratet 1794 Therese Forster 248/52 249/41 K 211/1 248/47 54 294/10 Huber, Therese (Maria Theresia Wilhelmine), geb. Heyne (1764–1829), 1785 Gemahlin Georg Forsters, 1794 d. Vorigen 211/6 218/22 144 232/101 248/47 272/13 29 290/12 K 218/47 129 268/9 Hufeland, Christoph Wilhelm (1762–1836), 1793 Prof. d. Med., Jena 320/5 33? Hufeland, Gottlieb (1760–1817), Bruder d. Vorigen; 1790 o. Prof. d. Jurisprudenz, Jena; Redakteur der ALZ 307/45 310/226 312/40 45 320/28 33 348/66 Humboldt, Alexander (Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander) Frhr. v. (1769–1859), Bruder W. v. Humboldts; Naturforscher; 1792 Assessor, Preuß. Bergdept., 1793 Oberbergmeister, Franken, 1794 Bergrat, 1795 Oberbergrat 204/21 215/5 216/2 227/38 229/11 237/11 248/50 255/6 256/82 259/2 18 50 108 120 261/83–142 passim 262/89 264/39 267/2 14 286/15 295/14 299/18 37 307/8 64 67 143 313/27 46 315/78 327/1 337/6 340/4 15 345/4 347/12 K 202/8 253/161 280/10 300/75 301/169 318/75 324/82 329/10 (332/Dat.) 337/5 Einl., S. 6

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Personenregister Humboldt, Karoline Freifr. v., geb. Freiin v. Dacheröden (1766–1829), seit 29. VI. 1791 Humboldts Frau E 221 222 223 225 227 343 199/24 200/65 203/11 204/22 214/3 32 215/4 216/2 48 60 71 218/10 219/5 220/3 224/11 229/12 230/33 231/37 232/122 235/54 237/88 238/18 48 242/34 244/36 247/97 248/73 78 249/53 251/31 253/117 217 254/22 27 256/79 257/32 175 192 259/121 260/7 262/14 175 263/4 9 26 264/44 270/154 272/162 274/11 26 278/27 36 280/66 281/91 282/109 (114) 121 284/24 28 42 286/37 287/173 288/15 291/4 41 292/4 100 293/5 8 29 294/55 295/65 110 296/84 297/2 298/3 299/1 9 300/81 92 301/18 172 302/109 303/107 121 304/8 305/8 20 306/2 9 22 62 307/5 141 308/18 310/231 311/26 33 49 117 312/51 313/9 315/8 26 317/36 67 78 318/118   320/29 321/70 324/70 327/4 12 329/32 330/31 332/19 333/123 334/15 335/17   337/68 340/24 341/4 342/46 344/41 345/56 109 346/8 347/15 K 208/12 253/4 257/188 263/16 306/28 Humboldt, Karoline Freiin v. (1792–1837), Humboldts 1. Kind 215/5 216/3 31 61 217/1 218/11 221/2 222/7 223/6 66   225/23 32 71 227/2 229/12 238/48 240/37 241/21 69 242/49 249/53 253/219 254/22 256/79 257/200 259/6 262/14 263/9 264/63 270/86 271/23 274/12 19 25 281/97 286/27 293/4 8 295/68 302/107 306/62 307/14 141 311/82 312/53 315/11 317/38 329/14 343/24 344/7 345/28 Humboldt, Marie Elisabeth Freifr. v., geb. Colomb (1741–1796), Humboldts Mutter 212/5 216/6 28 227/8 24 35 269/11 274/13 Einl., S. 9 Humboldt, Wilhelm Frhr. v. (1794–1803), Humboldts 2. Kind (313/9) 315/10 317/37 318/119 319/3 320/5 324/72 332/21 333/6 122 343/24 344/8 K 317/17 Humboldt, Wilhelm (Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand) Frhr. v. (1767–1835) – Werke, Pläne Dichtungen ,Canzone (an Schiller)‘ 316 Einl., S. 8

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Übersetzungen Aischylos, Eumeniden-Chor 246/33 247/38 272/92 277/32 313/43 Einl., S. 4 Hesiod, Werke u. Tage (Fragment) 271/5 Pindar, allgemein 246/31 247/44 259/72 262/149 270/74 272/101 300/78 306/58 307/52 313/17 317/49 63 331/12 Einl., S. 3 f. Nem. 4 294/32 Ol. 1 231/55 235/26 236/12 246/33 Ol. 2 214/9 224/8 229/10 246/31 300/75 K 213/h Ol. 3 237/97 (246/32) (262/193) (264/28) Ol. 4 237/97 (246/32) Ol. 12 235/27 (246/32?) Pyth. 1 308/9 312/6–35 passim (317/64) Pyth. 4 246/4 247/44 307/59 Simonides, Danae-Fragment 277/25 294/10 Einl., S. 4 Schriften Altertumsstudium 231/39 (246/39) 253/6–89 (257/171) 262/57 99–142 K 277/19 Einl., S. 4 Geschlechtsunterschied (330/13) 333/119 337/56 K 329/24 340/5 Einl., S. 8 f. Männliche/weibliche Form 335/16 337/65 K 329/24 340/5 Einl., S. 8 f. Menschliche Kräfte K 209/Dat. Pindar K 272/145 Rez. Odyssee 342/17 345/62 348/64 Rez. Woldemar 318/99 321/14 324/87 326/58 Staatsverfassung 206 209/1 210/1 160 218/37 261/46 Einl., S. 2 Staatswirksamkeit 210/185–442 (230/23) 231/56 (232/21) 233/2 234/31 237/62 238/5 239 241/14 88 242 244 245/4–38 246/28 248/2 249/2–14 250/15 251/5–28 252 259/2–78 103 116 261/26–73 264/49 270/41 280/50 Einl., S. 2 f. Über Religion (211/10) (218/113) Unger/Zöllner 211/19

Personenregister Pläne Hellas 246/36–45 247/76–90 Einl., S. 4 Kampfspiele der Griechen 246/40 Lehnssystem im Altertum 246/40 Monographie des Keilbeins 332/12 Pindar-Metrik (Gesamtdarstellung) 272/118 348/53 Pindar-Monographie 272/144 Übs. ,Menexenus‘ 253/89 128 Übs. Thukydides 241/26 246/40 253/128 259/72 262/151 270/52 Einl., S. 5 Hume, David (1711–1776), schott. Philosoph K 245/50 Hyginus (2. Jh. n. Chr.), Verf. e. mytholog. Handbuchs K 287/112

Ilgen, Carl David (1763–1834), Theologe,

Philologe; 1794 Prof. d. Theol., Jena, 1802 Rektor, Schulpforte 301/32 161 310/226 315/59 329/42 330/5 348/41 46 K 324/82 Ilgen, Johanne, geb. Gutjahr (1776–1849), Gemahlin d. Vorigen K 329/43 Iosephos (37/38 – nach 100), jüd. Geschichtsschreiber, Rom K 333/36 Ith, Johann Samuel (1747–1813), 1778 Oberbibliothekar, Bern, 1781 Prof. d. Philosophie, Akademie, Bern K 262/74

Jachmann, Johann Benjamin (1765–1832),

Arzt, Königsberg; Schüler Kants 200/68 Jacobi, Anna Catherina Charlotte („Lotte“) (1752–1832), Halbschwester d. Folgenden (204/23 56) Jacobi, Friedrich Heinrich (1743–1819), Philosoph in Pempelfort b. Düsseldorf, ab 1794 abwechselnd in Eutin und Wandsbek E 204 307/43 311/21 30 (326/59) 347/10 K 209/28 286/15 332/2 Jacobi, Susanna Helene („Lene“) (1753–1838), Halbschwester d. Vorigen (204/23 56) Jacobi, Johann Georg (1740–1814), Bruder F. H. Jacobis; Dichter; 1784 Prof. d. schönen Wiss., Freiburg / Br. K 307/43 Jacobi, Karl Wigand Maximilian (1775–1858), Sohn F. H. Jacobis; stud. med., Jena 307/43 332/2 K 320/69

Jakob, Ludwig Heinrich (1816) v. (1759–1827), 1791 o. Prof. d. Philosophie, später auch Staatswiss., Halle K 258/8 Jenisch, Daniel (1762–1804), Prediger u. Schriftsteller, Berlin 237/6 241/78 Jenner, Edward (1749–1823), engl. Arzt, Entdecker d. Kuhpockenimpfstoffes K 274/15 Johnson, Samuel (1709–1784), engl. Schriftsteller K 245/50

Kalb, Charlotte v., geb. Marschalk v. Ostheim

(1761–1843), Freundin Schillers K 334/5 Kalidasa (Ende 4./Anf. 5. Jh. n. Chr.), indischer Epiker K 211/7 Kallimachos (um 310–um 240), alexandrinischer Lyriker 348/82 Kant, Immanuel (1724–1804), Philosoph; 1770 o. Prof. f. Logik u. Metaphysik, Königsberg 204/41 256/47 281/20 31 40 45 287/178 290/44 292/47 296/10 302/56 73 97 310/28 60 169 183 321/10 337/58 63 K 310/21 315/32 321/24 334/2 Einl., S. 6, 9 ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten‘ (281/25) ,Kritik d. praktischen Vernunft‘ (281/25) ,Kritik d. reinen Vernunft‘ 281/24 287/178 ,Kritik der Urteilskraft‘ 281/26 39 302/24 309/20 310/69 K 256/46 Karl Martell s. Charles Martel Kerl, Hofkammerrätin, Erfurt 263/30 Keyser, Georg Adam (1746 [1743?] – 1814), Buchhändler, Erfurt 253/175 Kircheisen, Friedrich Leopold (1798) v. (1749–1825), 1787 Dir., Kammergericht, Berlin E 228 Kircher, Athanasius (1601–1681), 1633 Hofmathematiker Ferdinands II., zuletzt in Italien K 264/31 Kittel, Johann Christian (1732–1809), Schüler J. S. Bachs; 1756 Organist, Predigerkirche, Erfurt 264/19 33 Klein, Ernst Ferdinand (1744 [nicht 1743]–1810), 1791 Geh. Justizrat u. Direktor, Univ. Halle 211/20 231/71 264/38 335/22 345/51 K 207/1

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Personenregister Kleist, Heinrich v. (1777–1810), Dichter K 210/161 Klöden, Karl Friedrich (1853) v. (1786–1856), Geologe u. Pädagoge K 247/79 Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724–1803), Dichter 253/207 ,Grammatische Gespräche‘ 295/71 Koch, Emilie Johanna Coeleste (Cölestine), geb. Schwinck, Schauspielerin (?), Berlin; seit 1785 mit Gentz liiert (227/40) (231/73) 232/65 245/53 246/13 321/67 Koch, Erduin Julius (1764–1834), Theologe u. Literarhistoriker; 1786 Lehrer, Pädagogium d. Realschule, 1793 Prediger, Marienkirche Berlin 261/108 König, Dorothea Christine Luise v., geb. v. Holwede (1721–1797), Tante Humboldts („Tante König“) 227/12 Köppen, Johann Heinrich Justus (1755–1791), klass. Philol.; 1783 Dir., Andraeanum, Hildesheim 253/161 171 257/84 110 152 163 303/35 K 253/88 289/4 10 307/111 333/36 Korinna aus Tanagra, griech. Lyrikerin, vielleicht z. Zt. Pindars 300/32 Körner, Christian Gottfried (1756–1831), 1790 Appellationsgerichtsrat, Dresden; Freund Schillers E 281 285 292 302 310 326 337 277/19 280/16 286/24 (314/25) K 262/74 121 287/177 307/55 Einl., S. 6 f. Körner, Maria (Minna), geb. Stock (1762–1843), 1785 Gemahlin d. Vorigen 277/20 281/87 Körte, Wilhelm (1776–1846), Schriftsteller, Halberstadt; Schwiegersohn F. A. Wolfs K 235/H 240/3  247/H 253/H   262/H 270/H 294/H 296/H 303/GB 341/H Kotta (Cotta), Franz, (1760–1821), Porzellanmodelleur, Maler u. Zeichner, Rudolstadt 241/70 Krause, Johann Christian Friedrich (1757–1828), Philologe; 1792 Rektor, Hannover K 253/161 Krüger, Christoph Heinrich (1745–1826), Konsistorialrat, Amtmann, Jena E 338 Ktesias (wirkte nach 400 v. Chr.),

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Historiograph K 266/10 Kunth, Gottlob Johann Christian (1757–1829), 1789 Assessor, Manufaktur- und Kommerzkollegium, Berlin; Humboldts Erzieher 205/35 227/22 241/83 246/16 69 248/79  264/52 266/4 314/40 K 264/38 313/47 Kunze, Friedrich (1755–1803), Steinguthändler, Leipzig; Freund Körners 281/78 Kypke, Georg David (1724–1779), 1746 ao. Prof. d. oriental. Sprachen, Königsberg K 241/61

La Chau – s. Lachau

La Roche, Carl George v. Franck, gen. v. (1766–1839), Jugendfreund Humboldts; 1788 beim Salzamt, Schönebeck 216/32 Einl., S. 1 La Roche, Friederike v., geb. v. Stein-Mihitz († 1837/38), 1792 Gemahlin d. Vorigen 216/32 Laberius (106–43), röm. Mimograph 345/100 Lachau, Géraud de (geb. um 1750), Abbé, Archäologe; Bibliothekar d. duc d’Orléans K 312/33 Lafayette, Marie-Joseph-Paul-Yves-RochGilbert du Motier, marquis de (1757–1834), frz. Gen. u. Politiker K 201/36 Lagarde, François-Théodore de (1756–1824), Verlagsbuchhändler, Berlin 237/66 239/14 Lang, Konditor, Berlin 267/16 Larcher, Pierre-Henri (1726–1812), frz. Hellenist 253/101 115 130 141 266/11 282/99 106 284/24 296/88 298/19 299/7 301/31 35 303/108 312/59 Lasos aus Hermione (2. Hälfte d. 6. Jh. v. Chr.), griech. Lyriker K 301/117 Le Sueur (Sudorius), Nicolas (um 1545–1594), Philologe u. Jurist, Paris K 266/9 Leblond, Gaspard Michel (1738–1809), Abbé, Antiquar K 312/33 Lechevalier (Le Chevalier), Jean-Baptiste (1752–1836), Abbé u. Reisender; 1784 Botschaftssekr., Konstantinopel 257/46 266/12 267/12 K 342/49

Personenregister Leclerc, Jean (Joannes Clericus, 1657–1736), Prof. f. Philosophie, Philologie u. Hebräisch, Amsterdam K 296/35 Lehmann, Dorothea Christiana, Köchin bei Humboldts 330/20 Lennep, Jan Daniel van (1724–1771), 1752 Prof. d. Philol., Groningen 232/112 Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781), 1767 Dramaturg, Hamburg, 1770 Dir., Herzog-August-Bibl. Wolfenbüttel 333/105 K 223/58 ,Briefe, d. neuesten Lit. betreffend‘ K 235/30 ,Emilia Galotti‘ 320/62 Lesueur, Eustache (1617–1655), frz. Maler K 204/14 Levin, Rahel (1771–1833), geistreiche junge Berlinerin 232/99? 321/65 K 326/12 Einl., S. 5 Lichtenberg, Georg Christoph (1742–1799), Physiker u. Schriftsteller, 1775 o. Prof. d. Philosophie, Göttingen K 270/57 283/4 Lips, Johann Heinrich (1758–1817), Maler u. Kupferstecher, 1789 Prof., Freies Zeicheninst., Weimar K 313/29 Lipsius, Justus (1547–1606), 1678 Prof. f. Gesch. u. Recht, Leiden K 262/49 Livius, Titus (59–17 n. Chr.), röm. Historiograph 210/124 Loder, Justus Christian (1753–1832), 1778 Prof. d. Med., Anatomie u. Chirurgie, Jena, 1803 Halle, 1810 Moskau 329/16 (332/6) Einl., S. 8 Loesner, Christoph Friedrich (1734–1803), 1769 Prof. d. Philologie, Leipzig 296/35 Löffler, Josias Friedrich Christian (1752–1816), 1788 Gen.superintendent, Gotha; Humboldts erster Griechisch-Lehrer E 203 229 279 K 247/49 315/49 Lorenz, Johann Friedrich (1738–1807), Mathematiklehrer, Kloster-Bergsche Schule b. Magdeburg 205/21 Ludwig, Christian Friedrich (1757–1823), 1787 o. Prof. d. Naturgesch., Leipzig 340/5 Lukianos (gegen 120 – nach 180), Sophist u. Satiriker K 246/42

Lukrez (Titus Lucretius Carus) (um 97–55), röm. Dichter 307/84 Lykurgos, sagenhafter Begründer der spartanischen Verfassung 210/91

Malalas, Ioannes (6. Jh. n. Chr.), Verf. einer

Weltchronik K 301/156 Manteuffel, Ernst Friedrich Adam Frhr. v. (1762–1822), Hof- u. Justizrat, Dresden 280/29 Manteuffel, Johanna Frfr. v., geb. v. Wagner (1761–1802), 1792 Gemahlin d. Vorigen 280/27 Marius Victorinus, Gaius (4. Jh. n. Chr.), röm. Grammatiker 300/8 301/185 303/67 78 307/120 Marmontel, Jean-François (1723–1799), frz. Schriftsteller 331/48 Marpurg, Friedrich Wilhelm (1718–1795), Musikgelehrter 264/22 Martyni-Laguna, Johannes Aloysius (d. i. Karl Friedrich Martini, 1755–1824), Theologe u. Philologe, Zwickau 335/11 Matthiae (Matthiä), August Heinrich (1769–1835), klass. Philol. 253/93 Meckel, Philipp Friedrich Theodor (1756–1803), 1777 Prof. d. Med., Halle 297/1 300/84   301/174 Meinecke, Albert Christian (1757–1807), 1789 Dir., Gymn. Seest 289/4 Ménage (Menagius), Gilles (Aegidius) (1613–1692), Advokat u. Philologe, Paris 345/101 Menander (Menandros) (342/1–293/2), griech. Komödiendichter K 346/10 Mendelssohn-Bartholdy, Lea (Lilla), geb. Salomon-(Bartholdy) († 1842), Mutter d. Komponisten Felix M.-B. K 240/37 Mengs, Anton Raphael (1728–1779), klassizist. Maler u. Schriftsteller K 277/14 Merian, Johann Bernhard (1723–1807), 1767 Inspektor, Frz. Kolleg, Berlin, 1770 Dir., Abt. Schöne Wiss., Akad. d. Wiss.; Berater Friedrichs II. K 333/36 Merian, geb. Jordan, Gemahlin d. Vorigen 231/74

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Personenregister Meschker, Rendant, Rothemburg; Freund Gentz’ K 208/20 Meyer, Friedrich Ludwig Wilhelm (1759–1840), Dichter; 1785 Bibliothekar, Göttingen, reiste 1788 nach England; später in Berlin 232/100 Meyer, Johann Heinrich (1760–1832), 1806 Dir., Zeichenschule Weimar 322/10 327/13 332/23 334/17 341/10 343/3 15 20 29 344/41 347/15 Meyer, Konditor, Berlin 248/60 261/144 Michaelis, Johann David (1717–1791), 1745 Prof. d. oriental. Sprachen, Göttingen K 254/26 268/8 310/225 Michaelis, Gottfried Philipp (1768–1811), Dr. med.; Sohn d. Vorigen (290/7) Mill, John (1645–1707), Theologe 301/156 Mirabeau, Honoré-Gabriel de Riqueti, comte de (1749–1791), frz. Schriftsteller u. Politiker K 218/54 Mitford, William (1744–1827), engl. Historiker 314/7 11 28 K 310/229 Mitscherlich, Christoph Wilhelm (1760–1854), klass. Philol.; 1785 ao., 1795 o. Prof., Göttingen; 1809 Heynes Nachfolger 282/110 299/28 Montesquieu, Charles de Secondat, baron de la Brède et de (1689–1755), 1716 Senatspräs., Bordeaux; Schriftsteller u. Rechtsphilosoph K 211/23 ,De l’esprit des loix’ 210/58–112 passim Morata, Olympia Fulvia (1526–1555), Philologin, zuletzt in Heidelberg K 240/37 Morell, Thomas (1703–1784), engl. Geistlicher u. Philologe 284/20 307/124 Morgenstern, Johann Karl Simon (1770–1852), Schüler Wolfs, 1798 Prof., Athenäum, Danzig, 1802 Prof. d. klass. Philol. u. Ästhetik, Dorpat 315/29 57 Mounier, Jean-Joseph (1758–1806), 1789 Vors. d. Generalstände, Paris ; 1789 Emigrant in Genf, 1795 in Weimar 321/59 Müller, Johannes (1793) v. (1752–1809), schweiz. Historiker, 1786 Bibliothekar, danach Geh. Kab.sekr., Mainz 218/143 Muret(us), Marc-Antoine (1526–1585), neulat.

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Dichter u. Philologe, angebl. Lehrer Montaignes 247/96 Mylius, Verlagsbuchhändlerin, Berlin 232/33 237/62 245/10

Nélis – s. de Nélis

Neumann, Johann Leopold (1745–1813), Sekr. d. Geh. Kriegsratskollegiums, Dresden E 286 Neumann, Gemahlin d. Vorigen 286/37 Neumann, Kora, Tochter d. Vorigen 286/38 Newton, Sir Isaac (1643–1727), engl. Physiker u. Mathematiker K 309/2 10 Nicolai, Christoph Friedrich (1730–1811), aufklärerischer Schriftsteller u. Verlagsbuchhändler, Berlin K 224/17 Niemeyer, August Hermann (1754–1828), 1784 Prof. d. Theologie, Halle 270/86 317/84 K 307/31 Niethammer, Friedrich Immanuel (1766–1848), 1793 ao. Prof. d. Philosophie, 1795 d. Theologie, Jena K 244/20 Nikandros (2. od. 1. Jh. v. Chr.), Verf. v. Lehrgedichten K 282/45 Nitokris, babylonische Königin 257/174 Nitzsch, Gregor Wilhelm (1790–1861), 1852 o. Prof. d. klass. Philologie, Leipzig K 333/38 Novalis (d. i. Friedrich Leopold Frhr. v. Hardenberg, 1772–1801), Dichter d. Romantik K 326/13

Oberlin, Jeremias Jakob (1735–1806),

klass. Philol.; 1782 o. Prof. d. Logik u. Metaphysik, Straßburg K 262/49 Oertel, Eucharius Ferdinand Christian (1765–1850), 1795 Lehrer, Gymn., Ansbach K 254/19 d’Orléans, Louis-Philippe, duc (1725–1795) 312/33 d’Orville, Jacques-Philippe (1696–1751), 1730 Prof. d. klass. Philologie, Amsterdam 296/88 (298/18) (301/32 156) (303/20) Ovidius Naso, Publius (43–18 n. Chr.), röm. Dichter 284/29 289/4

Personenregister

Pahl, 1820/30 Sekretär Humboldts K 211/h

218/h 262/h 270/h 307/h 315/h 317/h 329/h 348/h S. 237, 511, 519 f. Paine (Payne), Thomas (1737–1809), amerik. Pamphletist u. Schriftsteller, 1791 in Frankreich 245/64 K 245/50 Palmerius (Le Paulmier de Grentemesnil, Jacques, 1587–1670), frz. Philologe 301/165 Parthey, Friedrich (1745–1825), Leineweber; Hofrat im preuß. Finanzdirektorium 280/70 286/36 Passow, Franz Ludwig Karl Friedrich (1786–1833), 1815 o. Prof. d. Altertumswiss., Breslau K 274/55 Pauli, Leibarzt d. Kurfürst-Erzbischof v. Mainz 270/36 Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (1761–1851), 1789 Prof. d. oriental. Sprachen, Jena 307/45 312/40 348/68 72 349/2 Pausanias (2. Jh. n. Chr.), griech. Schriftsteller K 209/25 Pauw, Pavo – s. de Pauw Payne – s. Paine Peisistratos (um 600–528/7), Tyrann, Athen 333/78 K 210/171 Perikles (um 489–429), athen. Staatsmann 262/163 K 253/128 Petiscus, Johann Samuel Wilhelm (geb. 1763), reform. Prediger u. Musikschriftsteller 200/71 (?) Petrarca, Francesco (1304–1374), ital. Dichter u. Humanist 316/25 Pfürdt (Ferrette), Gräfin, Geliebte F. C. J. v. Erthals 262/192 264/27 268/15 272/55 77 172 Phaedrus (um 15 v. Chr. – um 50 n. Chr.), röm. Fabeldichter K 301/32 Philipp, Jeannette, eine junge Berlinerin 232/72 123 Pindar(os) (um 520–nach 446), griech. Chorlyriker 214/27–64 passim 231/37 55 232/116 235/26 237/97 246/4 32 41 247/31 248/8 253/128 140 175 192 262/32 148 264/12 65 266/9 270/75 272/101–158

passim 274/43 82 86 284/17 287/110 146 291/28 294/9 (298/9) 300/35   303/44 54 65 70 88 306/58 307/50 81 94 123 126 135 313/4 14 317/60 331/2 46 63 348/33 51 K 282/37 301/117 303/35 Einl., S. 3 f. Pisistratus – s. Peisistratos Pitt, William (,der Jüngere‘, 1759–1806), brit. Staatsmann; 1783–1801 Premierminister 248/57 Platner, Ernst (1744–1818), 1780 o. Prof. d. Physiologie, Leipzig 285/23 Plato(n) (428/7–348/7), griech. Philosoph 210/38 92 180 203 263 240/3 247/32 253/52 262/(155) 160–175 passim 284/4 32 290/50 291/29 292/86 307/9 315/33 329/38 331/43 K 211/23 283/88 Plinius (Gaius Plinius Secundus minor, 61/2 – um 113), naturhist. Schriftsteller 305/30 Plotius (Marius Plotius Claudius Sacerdos, 2. Hälfte d. 3. Jh.), lat. Grammatiker 301/185 Plutarch(os) (nach 45– nach 120), popularphilos. Schriftsteller, Biograph 229/9 K 209/25 225/65 Pollux (Iulios Polydeukes, 2./3. Jh.) griech. Philologe u. Rhetor 299/36 307/79 Porphyrios (234–301/305), neuplaton. Philosoph 270/116 Portus, Aemilius (Emilio Porto, 1550 – um 1615), klass. Philol.; Prof. in Lausanne, Heidelberg usw. 253/115 Potter, John (um 1674–1747), 1737 Erzbischof v. Canterbury; Altertumsforscher 258/4 Poussin, Nicolas (1593/4–1665), frz. Maler K 204/14 Praxilla aus Sikyon (5. Jh. v. Chr.), griech. Lyrikerin 298/17 Preußen Friedrich II. (1712–1786), 1740 König 201/37 K 246/17 301/173 Friedrich Wilhelm I. (1688–1740), 1713 König, Vater d. Vorigen 237/97 Friedrich Wilhelm II. (1744–1797), Neffe Friedrichs II., 1786 König 228/25 (282/79?) K 259/90 290/6 Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), Sohn d. Vorigen, 1797 König K 321/68

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Personenregister Priscianus (5./6. Jh.), lat. Grammatiker 301/69 Psammetichos I. (663–609), 1. König d. 26. Dynastie, Saïs 342/12 Publilius Syrus (1. Jh. v. Chr.), röm. Mimendichter K 301/32 345/97 Putschen (Putschius, Putsch, Putz), Helias van (1580–1606), Philologe; zuletzt Lektor in Altdorf 300/2 301/32 125 Pye, Henry James (1745–1813), Dichter, Übersetzer, Philologe; 1790 Poeta laureatus K 348/17

Quintilian(us), Marcus Fabius (um 35 – 100), röm. Rhetoriker 262/90 301/153

Rabenschütz(en?), Hausbesitzer, Glaucha b.

Halle 330/22 Rahn, Hartmann, Fichtes Schwiegervater, Jena 320/41 Rambach, Johann Jacob (1737–1818), 1765 Rektor, Gymn., Quedlinburg 258/4 Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius v. (1752–1822), 1788 Oberappellationsrat, Celle, später Kunstschriftsteller, Rom 232/13 320/60 Rehberg, August Wilhelm (1757–1836), Staatsmann, polit. Schriftsteller; 1783 Sekr. d. Herzogs von York, 1786 in Geh. Regierungskanzlei, Hannover 320/12 ? Rehberg, Schwester d. Vorigen 320/29 Rehberg, Eltern d. Vorigen 320/41 Reinhard, Karl (1769–1840), 1792 Priv.-Doz. d. Ästhetik, Göttingen 320/47 Reinhold, Karl Leonhard (1758–1823), 1787 Prof. d. Philosophie, Jena, 1794 Kiel 312/61 K 310/225 Reiske, Ernestine Christiane, geb. Müller (1735–1798), 1764 Gemahlin d. Folgenden K 240/37 Reiske, Johann Jakob (1716–1774), Gräzist u. Arabist; 1748 ao. Prof. f. Arabisch, Leipzig K (240/37) Reiz (eig. Reitz), Friedrich Wolfgang (1733–1790), 1772 ao. Prof. d. Philos., 1782 o. Prof. d. klass. Philol., Leipzig 247/93

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253/156 299/29 303/108 K 300/24 348/17 Richter, August Gottlieb (1742–1812), 1771 Prof. d. Med., Göttingen K 283/4 Robespierre, Maximilien-FrançoisMarie-Isidore de (1758–1794), frz. Revolutionspolitiker K 201/36 311/30 Robinson, Thomas, Philologe; Fellow, Merton College, Oxford K 296/35 Robortello, Francesco (1516–1567), Philologe; 1552 Prof., Padua K 247/33 Rollin, Charles (1661–1741), Prof. d. lat. Eloquenz u. Rektor, Collège royal, Paris 248/77 250/6 Rousseau, Jean-Jacques (1712–1778), frz. (schweiz.) Philosoph K 280/51 ,Émile‘ 210/197 Rudolph, Bürgermeister, Nordhausen 230/22 Rufinus aus Antiocheia, lat. Grammatiker K 301/125 Ruhnken(ius) (Ruhneken), David (1723–1798), klass. Philol.; 1761 Prof. d. Universalgesch. u. Beredsamkeit sowie Bibliothekar, Leiden 282/110 K 296/35 348/82

Sachse (Saxe), Buchbinder, Gotha K 345/110

Sachsen, Friedrich August III. („der Gerechte“, 1750–1827), 1763 Kurfürst (277/23) Sachsen-Weimar-Eisenach Anna Amalia, geb. Prinzessin v. Braunschweig (1739–1807), Mutter d. Folgenden 343/8 29 K 240/37 Carl August (1757–1828), 1774 Herzog 343/4 15 31 Luise, geb. Prinzessin v. Hessen-Darmstadt (1757–1830), 1775 Gemahlin d. Vorigen 343/5 Sachsen-Weißenfels, August v. (1614–1680), 1648 Administrator, Magdeburg K 282/77 Sannazaro, Jacopo (1456–1530), ital. Renaissancedichter 344/35 Scaliger, Joseph Justus (1540–1609), 1593 Prof. d. klass. Philol., Leiden 253/91 K 296/35 Scapula, Johan (fl. 1580), klass. Philologe 270/145

Personenregister Schäfer, Gottlieb Heinrich (1764–1840), 1808 ao. Prof. d. klass. Philologie, Fürstenkollegium, Leipzig K 247/93 Scheidius, Everardus (1742–1794), Prof. d. Theologie, Leiden  232/113 Schiller, Charlotte, geb. v. Lengefeld (1766–1826), Schwester d. Karoline v. Beulwitz, 1790 Gemahlin d. Folgenden E 219 263 214/65 238/49 242/50 244/26 249/13 53 281/84 320/8 344/23 K 319/1 Schiller, Johann Christoph Friedrich (1759–1805), Dichter; 1789 ao. Prof. der Geschichte, Jena E 214 238 242 244 249 251 252 316 319 320 219/9 231/56 237/71 239/3 25 245/9 14 26 259/6 20 50 262/100 263/25 281/84 306/43 307/46 310/61 208 227 317/34   318/90 321/35 322/9 324/79 325/6 326/13 56 327/4 8 12 328/4 329/25 331/60 334/2 337/10 52 56 64 344/4 23 43 K 248/52 262/74 286/15 310/21 313/29 315/32 317/17 32 332/Dat. 334/Dat. 345/97 Einl., S. 3, 6–9 ,Briefe über die ästhetische Erziehung‘ 306/47 ,Geschichte d. 30-jährigen Krieges‘ 249/51 ,(Die) Horen‘ 316/29 320/49 56 328/3 10 (329/24) (331/60) 333/119 335/16 337/6 347/10 ,Musenalmanach‘ 316/29 320/46 Rez. Gartenkalender 321/19 Rez. Matthissons Gedichte 318/97 320/71 321/7 25 ,(Neue) Thalia‘ 321/25 ,Über Anmut u. Würde‘ K 310/207 Schlegel, August Wilhelm (1767–1846), Dichter; Studienfreund Humboldts in Göttingen; 1791 Hofmeister, Amsterdam E 268 290 (323/4) Schlegel, Friedrich (1772–1829), Dichter, Philologe, Publizist; 1794 in Dresden E 323 310/229 (314/5 24) 326/69 337/72 K 240/37 277/32 326/13 Einl., S. 3, 6, 9 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst (1768–1834), Theologe K 254/16

Schlosser, Johann Georg (1739–1799), Jurist u. Schriftsteller, 1790 Dir., Hofgericht, Karlsruhe, 1794 privatisierend in Ansbach; Goethes Schwager 324/66 K 286/15 Schlosser, Johanna Katharina Sibylle, geb. Fahlmer (1744–1821), 1778 2. Gemahlin des Vorigen 324/66 Schlözer, August Ludwig (1735–1809), Historiker u. Publizist; 1769 Prof. d. Gesch., Göttingen 258/6 Schmid (Schmied), Erasmus (1570–1637), 1597 Prof. d. Griech.,1614 auch d. Mathematik, Wittenberg 307/127 133 Schneider, Johann Gottlob („Saxo“) (1750–1822), 1776 Prof. d. klass. Philologie, Frankfurt/O. E 313 331 253/175–212 passim 264/65 282/43 301/178 303/119 317/60 K 262/170 317/32 Schocher, Christian Gotthold (1736–1810), Mag. phil., Leipzig; Philologe, Musiktheoretiker; Lehrer Körners 281/79 286/23 Schönborn, Johann Friedrich Ernst (1737–1817), 1777 dän. Gesandtschaftssekr., London K 235/30 Schopenhauer, Johanna, geb. Trosiener (1766–1838), Schriftstellerin; Mutter Arthur Schopenhauers K 240/37 274/15 301/173 Schubarth, Karl Ernst (1796–1861), Publizist; Günstling Goethes K 342/49 Schulz, Johann Heinrich (1739–1823), rationalistischer Prediger K 228/3 9 Schulze, Johann Heinrich August (1755–1803), Philologe; Rektor, Blankenburg K 289/4 Schütz, Anna Henriette, geb. Danovius († 1832), Gemahlin d. Folgenden 317/32 320/37 59 K 317/31 Schütz, Christian Gottfried (1747–1832), 1779 Prof. f. Poesie u. Beredsamkeit, Jena; gründet 1785 die Allgemeine LiteraturZeitung 235/34 65 247/34 257/36 181 263/24 307/32 44 49 312/40 45 60 313/35 62 317/31 320/28 331/46 333/117 335/14 K 253/92 277/10 307/86 348/66 Schütz, Friedrich Karl Justus (1779–1844), Sohn d. Vorigen; 1804 ao. Prof. d. Philosophie, Halle K 317/32

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Personenregister Schweden Christina (1626–1689), 1632/54 Königin K 240/37 Gustav III. (1746–1792), 1771 König 236/9 K 246/63 Schwetschke – s. Hemmerde Schwinck, Karl Konrad, Kommerzien- u. Admiralitätsrat; Stadtgerichtsrat, Berlin (246/14) (321/67) Schwinck – s. auch Koch Segner (nicht Seegner), Sophia Friederike Marianna v. (geb. 1735), Logisvermieterin, Jena 263/19 Sempronius Gracchus, Titus (2. Jh. v. Chr.), 133 rom. Volkstribun K 320/53 Sextos Empeirikos (fl. 180–200), skeptischer Philosoph 291/37 Seyffer, Karl Felix v. (1762–1822), 1789 ao. Prof. d. Astronomie, Göttingen 200/64 Sheridan, Richard Brinsley (1751–1816), irischer Dramatiker K 245/50 Simonides aus Keos (um 556–468), griech. Lyriker 277/26 294/8 Einl., S. 4 Simrock, Karl Joseph (1802–1876), Germanist K 253/80 Sömmerring, Samuel Thomas (1755–1830), Mediziner u. Naturforscher; 1779 Prof., Carolinum, Kassel, 1784 Prof. f. Anatomie / Physiologie, Mainz 218/143 Sonthonax, Léger-Felicité (1763–1813), Provinzkommissar, St. Domingue K 210/161 Sophokles (497 – um 405), att. Tragiker 253/172 274/103 282/99 (284/25) (293/31) 307/60 317/70 K 287/5 Sotades aus Maroneia (3. Jh. v. Chr.), griech. Iambendichter 300/28 Spalding, Georg Ludwig (1762–1811), 1787 Prof. d. klass. Philologie u. Hebräisch, Gymn. zum Grauen Kloster, Berlin 224/6 233/1 234/5 25 73 236/9 240/7 29 241/2 17 60 246/26 62 65 248/22 250/32 254/16 256/92 259/110 262/84 275/1 284/20 291/31 295/39 318/2 321/62 345/96 K 235/43 253/11 262/74 277/33 Spalding, geb. Müller (?), Gemahlin d. Vorigen 246/65 259/111 262/86 K 254/16 318/6

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Spalding, Johann Joachim (1714–1804), 1764 Oberkonsistorialrat, Propst, Nikolaikirche, Berlin; Vater G. L. Spaldings K 224/6 Spanheim, Ezechiel Frhr. v. (1629–1710), Diplomat u. Gelehrter, 1656 im Dienste Karl Ludwigs v. d. Pfalz, Heidelberg, 1679 d. Hauses Brandenburg K 348/81 82 Stadion-Warthausen, Friedrich Lothar Graf v. (1761–1811), Zögling Dalbergs; 1791 Domkapitular, Mainz, danach Reg.rat, Vizepräs., dann Präs. d. Statthalterei, Erfurt 272/74 Stadion-Warthausen, Johann Philipp Karl Graf v. (1763–1824), österr. Diplomat; Bruder d. Vorigen 272/74 Stanley, Thomas (1625–1678), engl. Dichter u. Privatgelehrter K 247/33 Stark, Johann Christian (1753–1811), Prof. d. Med. u. Dir. d. Entbindungsanstalt, Jena 307/16 311/34 320/5 348/10 Einl., S. 7 Starke, Gotthelf (nicht Gotthold) Wilhelm Christoph (1762–1830), 1789 Rektor, Bernburg, 1817 Oberhofprediger, Ballenstedt K 235/30 Steinbrüchel (Steinbrychel), Johann Jakob (1729–1796), 1769 Prof. f. alte Sprachen, Zürich K 235/30 Stephanus, Henricus (Henri E[s]tienne, 1528–1598), frz. Philologe u. Buchdrucker 317/69 K 247/33 270/145 348/81 82 Stieglitz, Israel (1767–1840 [1843?]), Studienfreund H.s, Göttingen, 1789 Arzt, Hannover 199/31 200/61 215/18 216/38 230/11 318/111 K 283/4 Einl., S. 7 Stieglitz, Sophie Jeannette, geb. Ephraim (1764–1840), 1790 Gemahlin d. Vorigen 199/31 (200/61) 215/18 318/110 116 Stock, Dorothea (Dora) (1759–1832), Schwester Minna Körners (277/21) (281/87 96) Stolberg-Wernigerode, Christian Friedrich Graf zu (1746–1824), 1778 Herr in Wernigerode (324/38) Strabon aus Amaseia (64/3 – nach 23 n. Chr.), stoischer Geschichtsschreiber u. Geograph 305/30 312/32

Personenregister Strattis (um 410?–375), griech. Komödiendichter 342/25 Streit, Karl Konrad (1751–1826), Mithg. d. ,Schles. Provinzialbll.‘ K 280/43 Stuve, Johann Julius (1752 [nicht 1751]–1793), Mitstreiter J. H. Campes, 1789 o. Prof., Coll. Carolinum, Braunschweig 212/4 95 Swift, Jonathan (1667–1745), engl. Geistlicher u. Satiriker K 245/50

Tacitus, Publius Cornelius (um 55 – um 120),

röm. Geschichtsschreiber 262/51 270/49 85 282/12 287/71 Tafel, Gottlieb Lukas Friedrich (1787–1860), Theologe u. Philologe, 1818 ao., 1827 o. Prof. f. alte Lit., Tübingen K 298/9 Tambroni, Clotilde (1758–1817), 1794 Prof. d. griech. Sprache, Bologna K 240/37 Taylor, Thomas (1758–1835), engl. Gelehrter u. Schriftsteller K 315/77 Teller, Wilhelm Abraham (1734–1804), 1767 Propst u. Oberkonsistorialrat, Berlin 203/26 Terentianus Maurus (2./3. Jh.), lat. Grammatiker aus Nordafrika 300/22 301/34 Terenz (Publius Terentius Afer, um 185–159), röm. Komödiendichter 301/33 307/119 346/3 9 K 300/24 Themistokles (um 524 – um 459), Archon, Athen 262/163 Theodoros Podromos († gegen 1158), byzant. Schriftsteller K 329/42 Theokritos (3. Jh. v. Chr.), griech. Bukoliker 345/104 Theophrastos (372/70–282/6), griech. Philosoph, Schüler d. Aristoteles 301/126 K 305/30 Thiersch, Friederich Wilhelm (1784–1860), 1826 o. Prof. d. klass. Philol., München K 264/31 Thomasius, Christian (1655–1728), Philosoph K 211/23 Thukydides (spätestens 455 – um 400), griech. Historiograph 241/26 246/40 247/32 253/128 257/45 52 71 262/151 270/52 72 312/64 329/38 Einl., S. 5

Tiedemann, Dietrich (1748–1803), 1788 Prof. d. Philosophie, Marburg 210/202 Timotheos aus Miletos (ca. 450–360), griech. Dichter/Musiker K 209/25 Tobler, Georg Christoph (1757–1812), 1784 Pfarrer, Offenbach/Schweiz; Schüler Lavaters K 235/30 Tollius, Herman (1742–1822), 1763 Advokat, Den Haag, 1809 Doz. f. Statistik u. Diplomatik, Leiden 270/123 Treitschke, Heinrich v. (1834–1896), Historiker u. Politiker K 294/46 Trendelenburg, Johann Georg (1757–1825), Prof. f. griech. u. oriental. Sprachen, Senator u. Scholarch, Danzig 232/109 Turnèbe, Adrien (1512–1565), 1547 Prof. f. Griech., Collège royale, Paris K 247/33 Twining, Thomas (1735–1804), 1790 Rektor, Colchester K 348/17 Tyrwhitt, Thomas (1730–1786), Kurator am Brit. Museum, London K 348/17

Unger, Johann Friedrich (1753–1804),

Buchdrucker, Form- u. Stahlschneider, Verleger, Berlin 211/20

Valckenaer, Lodewijk Caspar (1715–1785),

1766 Prof. d. klass. Philol., Leiden 232/112 253/93 345/100 Vater, Johann Severin (1771–1826), Schüler F. A. Wolfs, 1796 Doz, später Prof., Jena, 1799 Prof. d. Theol. u. oriental. Sprachen, Halle 345/70 K 315/56 Veit, Brendel (1792 Dorothea), geb. Mendelssohn (1764–1839), 1783 (?) Gemahlin Simon Veits; Jugendfreundin Humboldts (die spätere Dorothea Schlegel) E 216 250/33 Einl., S. 1, 5 Veit, David (1771–1814), 1793 stud. med., Göttingen; Jugendfreund der Rahel Levin E 283 321/3 64 K 321/65 326/8 12 Vergil (Publius Vergilius Maro, 70–19 v. Chr.), röm. Dichter (303/32) Vieweg, Hans Friedrich (1761–1835), 1786 Verlagsbuchhändler, Berlin E 314 232/33 237/65 75 239/14 21 25 242/39 244/2 245/11 18 29

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Personenregister Villoison – s. Ansse de Villoison Voigt, Christian Gottlob (1770) v. (1743–1819), 1794 sachs.-weim. Geh. Rat K 313/29 Voigt, Johann Gottfried, 1789 Hof-BücherCommissarius, Jena; 1794 Humboldts 1. Vermieter dort 302/106 304/6 305/26 314/50 K 307/39 Vos (Vossius), Gerardus Joannes (1577–1649), 1631 Prof. f. Geschichte, Amsterdam 345/100 Voss, Christian Friedrich (1722–1795), 1748 Verlagsbuchhändler, Berlin 237/66 Voss, Johann Heinrich (1751–1826), Dichter u. Übersetzer; 1782 Rektor, Eutin 237/86 253/171 303/35 317/46 348/68 73 78 349/2 K 240/37 282/30 294/46 ,Luise‘ 344/32   345/96 ,Mythologische Briefe‘ 317/53 Übs. Homer 237/86 257/201 274/107 282/125 314/39 Übs. Pindar 253/207 308/12 K 235/30 Vossius – s. Vos Vulcanius (d. i. de Smet, Smid), Bonaventura (1538–1614), 1578 Prof. d. Lat. u. Griech., Leiden K 348/81 82

Wagner, Dem. – s. Manteuffel Wasse, Joseph (1672–1738), 1711 Rektor, Aynhoe/Northamptonshire K 257/56 Weiß, Studienfreund Humboldts, Frankfurt/O., später Domherr, Wien 212/4 29 86 Weißhuhn (nicht Weishuhn), Friedrich August 320/73 321/51 Welcker, Friedrich Gottlieb (1784–1868), Altertumsforscher; 1806 Hofmeister der Kinder Humboldts in Rom K 294/46 Welsted, Robert (1671–1835), engl. Arzt K 266/9 Wesseling, Peter (1692–1764), klass. Philologe; Prof. Utrecht 266/10 K 247/93 West, Gilbert (1703–1756), engl. Rechtsanwalt u. Dichter 246/42 West, Richard (1671?–1716), engl. Philologe K 266/9 Wet(t)stein (Wetstenius), C. A., Gräzist K 345/100

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Wiedeburg, Friedrich August (1751–1815), 1778 Prof. d. Philosophie, 1779 Dir., Philologisch-Pädagogisches Inst., Univ. Helmstedt K 333/36 Wieland, Anna Dorothea, geb. v. Hillenbrand (1746–1801), Gemahlin Chr. M. Wielands, Mutter d. Folgenden K 334/5 Wieland, Charlotte (1776–1816), Tochter d. Folgenden K 334/5 Wieland, Christoph Martin (1733–1813), Dichter 259/6 289/13 341/8 K 240/37 315/32 334/2 341/5 Winckelmann, Johann Joachim (1717–1768), 1758 Bibliothekar b. Kard. Albani, 1763 Präs. d. Altertümer, Vatikan K 254/26 Woellner, Johann Christoph (1786) v. (1732–1800), Erzieher Fr. Wilh.s II., 1788 Kab.min. u. Chef d. Geistl. Depts., Berlin 282/85 K 201/36 203/26 211/19 228/3 13 307/31 Wolf, Friedrich August (1759–1824), klass. Philol.; 1784 Prof. der Beredsamkeit, Halle E 235 240 247 253 254 257 260 262 264 270 274 277 278 282 284 287 291 293 294 296 297 298 299 300 301 303 305 307 308 312 315 317 329 330 333 335 342 345 348 231/71 250/3 30 35   251/3 256/63 295/113 302/5 336/2 341/2 K 225/65 233/1 271/21 Einl., S. 3 ff., 9 Schriften ,Darstellung der Altertumswiss.‘ (256/69) (282/11) ,Prolegomena ad Homerum‘ 315/22 333/4–117 128 335/7 336/3 337/75 341/9 342/6 14 49 348/65 K 296/12 307/111 Einl., S. 9 Editionen Cicero, Tusculanische Gespräche 262/52 284/4 301/33 307/119 Hesiod, Theogonie K 274/45 Homer 1785 270/90–149 passim Homer 1794 253/124 257/111 282/11 88 284/2 293/25 296/9 299/35 301/24 (303/106?) 307/28 35 89 111 308/6 312/4 56 315/18 317/7 39 70 329/3

Personenregister 330/9 34 335/3 18 337/75 339/3 345/109 K 294/52 Muret, Var. lect. 247/96 Pläne Diodor-Edition 294/52 Herodot (Vollendung d. Edition Reiz) 247/93 257/176 282/13 Plato-Edition 1792 ff. 240/3 33 253/232 284/4 307/9? Tacitus-Edition 262/49 282/12 Wolf, Georg Friedrich Theodor (1761–1814), Musiklehrer u. Kapellmeister, Wernigerode; Bruder d. Vorigen 264/62 Wolf, Johann Gotthold (1726–1808), Lehrer u. Organist, Hainrode u. Nordhausen; Vater F. A. Wolfs K 264/35 Wolf, Johanna (geb. 1784), 1. Tochter F. A. Wolfs 293/31 299/12 (312/54) (315/75) 342/47 348/77 Wolf, Karoline (1790–1866), 3. Tochter d. Folgenden (312/54) (315/75) Wolf, Sophie, geb. Hüpeden († 1813), Gemahlin F. A. Wolfs 235/54 247/100 253/226 254/24 257/196 262/187 264/44 274/119 277/5 34 278/27 35 293/31 294/55 296/87 298/23 300/93 312/54 315/74 330/19 348/76 Wolf, Wilhelmine († 1860), 2. Tochter d. Vorigen (312/54)   (315/75)

Woltmann, Karl Ludwig (1770–1817), 1794 ao. Prof. d. Philosophie, Jena 310/225 320/44 K 317/32 Wood, Robert (1717?–1771), engl. Reisender u. Politiker 254/26 257/18 46 192 262/190 264/4 60 K 333/36 342/49 Württemberg, Karl Eugen v. (1728–1793), 1737 Herzog 306/45

Xenophon aus Athen (430/425–nach 355), att. Geschichtsschreiber u. Sokratiker 312/64 (317/68) (329/35)

Zelter, Carl Friedrich (1758–1832), Baumeister u. Komponist, 1800 Leiter d. Singakademie, Berlin K 277/10 342/49 Zenodotos aus Ephesos (vor 330 – nach 260), alexandrinischer Philologe K 257/110 116 132 287/96 Ziegler, Werner Karl Ludwig (1763–1809), 1792 Prof. d. Theol., Rostock 345/100 Zimmer, Friedrich A. (1745–1815), Mithg. d. ,Schlesischen Provinzialbll.‘ K 280/43 Zöllner, Johann Friedrich (1753–1804), 1788 Propst, St. Nicolai- u. Marienkirche, Berlin; Publizist 211/20 (261/17?) Zumpt, Karl Gottlieb (1792–1849), 1825 Prof., Joachimsth. Gymn., Berlin K 262/90

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Ortsregister Ansbach  237/11 311/43 324/66 Askra  301/6 Athen  209/36 210/14 167 178 Auleben (Familiengut in der Goldenen Aue)  230/1 21 231/1 232/1 235/61 237/1 238/1 53 240/1 241/1 242/1 243/1 244/1 245/1 246/1 247/1 248/1 249/1 250/1 251/1 252/1   253/1 216 256/1 257/1 258/1 259/1 262/7 22 264/49 61 277/4 8 13 36 278/7 29 279/1 101 291/21 292/99 294/53 312/46 Bayreuth  311/43 324/63 327/1 Berlin  200/2 201/5 202/5 205/1 15 207/2 208/14 211/4 30 47 216/30 39 220/4 223/73 224/1 226/5 227/21 32 229/4 237/6 238/5 20 32 239/17 242/38 244/23 29 245/23 248/40 256/79 259/25 261/108 262/87 94 264/36 50 57  266/2 267/8 268/1 51 269/8 270/4 159 272/1 169 274/1 18 30 280/19 282/77 287/86 288/11 290/69 311/11 314/40 318/32 321/68 324/22 325/3 8 328/9 345/32 37 50 348/16 27 85 Braunschweig  211/95 289/11 Breslau  324/22 325/7 Burgörner (Familiengut bei Hettstedt)  199/1 200/1 201/1 202/1 203/38 204/59 205/49 208/1 216/28 40 222/12 254/12 262/18 264/57 274/116 277/8 35 278/7 24 279/106 280/1 72 281/1 97 282/1 286/1 46 288/1 289/1 290/1 291/1 292/1 293/1 13 295/1 301/1 302/1 303/1 305/20 307/50 312/4 317/3 345/50 Celle  232/13 Coswig  223/1 Dessau  203/26 216/27 Dresden  274/112 277/21 279/3 280/9 17 30 70 281/2 88 95 286/5 30 34 292/97 302/9   307/29 310/227 314/5 345/3

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Eisleben  200/50 279/107 281/97 286/46 292/96 Elbe  277/17 Ellrich  324/34 England  200/10 Erfurt  200/53 204/34 211/1 91 214/1 215/1 24 216/1 218/1 219/12 229/1 238/33 242/31 243/19 253/175 260/3 261/1 262/1 18 263/1 264/1 265/1 268/16 56 270/10 26 272/22 279/95 282/116 290/68 302/102 304/5 305/1 306/1 307/5 309/16 310/229 311/36 61 321/5 324/2 326/5 335/6 Falkenberg  225/1 227/1 23 Fichtelgebirge  313/25 Frankfurt/O.  282/50 313/46 Frankreich  210/187 Freiberg  280/10 26 Gießen  282/50 Glaucha  330/22 Gotha  218/26 345/110 Göttingen  200/6 18 204/52 218/47 232/103 268/4 272/74 163 299/37 317/58 Halberstadt  204/61 324/31 39 54 Halle  204/36 205/13 216/37 223/72 231/71 235/56 240/2 246/13 250/3 251/3 254/9 258/11 262/19 264/37 57 277/35 278/4 10 21 282/35 47 72 85 293/21 294/51 298/3 21 299/3 301/6 17 302/4 303/7 100   307/31 324/24 31 54 330/21 342/43 345/36 51 Hamburg  325/2 347/11 Hannover  268/29 Harz  200/50 313/22 Hettstedt  299/1 Hohenstein  230/27 324/19 Ithaka  282/41 Jena  214/70 229/3 242/24 262/183 263/14 23 301/12 302/103 304/6 305/25 306/16

Ortsregister 48 52 307/1 38 308/1 4 309/48 310/1 311/1 312/1 313/1 314/1 49 315/1 317/1 5 25 318/1 320/1 321/1 324/1 325/1 326/1 328/1 329/1 331/1 333/1 336/1 337/1 338/13 339/1 340/1 345/1 346/1  347/1 348/1 Kahla  221/1 Karlsbad  307/29 344/4 345/115 Kiel  282/30 36 48 66 307/30 Königsberg  212/55 Lakedaimon  210/172 Leipzig  238/33 264/37 277/12 278/2 280/26 281/77 286/17 293/11 340/21 Lemgo  324/89 London  212/63 75 Machenow (Klein-)  266/4 273/1 Magdeburg  324/31 54 Mainz  248/51 (249/15) 268/20 270/13–40 passim 272/63 290/6 Mansfeld  200/50 201/47 205/51 280/73 324/19 35 Marburg  282/50 Merseburg  222/1 278/4 Naumburg  329/42 Nordhausen  230/21 235/61 238/53 254/3 257/22 Paris  210/178 212/63 75 249/44

Pempelfort (b. Düsseldorf)  307/43 311/96 Potsdam  256/65 274/30 Quedlinburg  324/34 Querfurt  278/1 32 Rom  209/36 210/14 Rosla  253/4 224 254/3 257/25 277/4 Rothenburg  208/20 324/35 Rudolstadt  214/70 216/27 220/1 229/3 241/72 319/1 Sandersleben  204/61 Sanssouci  301/173 Schönebeck  216/36 264/40 Schönewerda  320/73 Schweden  234/4 236/9 288/10 328/15 Sondershausen  262/12 279/102 Sparta  209/36 210/14 Tegel  205/5 227/34 256/80 261/77 266/1 269/1 270/1 274/1 Torgau  285/10 Trotha  345/47 Tübingen  321/20 Weimar  216/34 218/26 311/35 317/47 320/12   321/8 327/7 334/4 335/7 339/9 341/5 342/16 344/6 345/115 Wernigerode  324/34 Wien  348/80 Zürich  212/35 72

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Sachregister Abgeschiedenheit  16/44 235/5 241/32 246/46 Adel  206/142 210/397 243/20 Anatomie-Studien  329/16 332/3 337/5 345/5 Anthropologie  247/57 259/40 261/99 110 270/67 279/60 310/50 311/55 (329/19) 340/5 Antike  209/48 210/91 Griechenland  206/187 209/17 210/13 231/39 247/56 290/33 292/68 Rom  206/126 209/17 210/(13) 115 Antisemitismus  Einl., S. 5 Ästhetik  247/61 279/62 281/16–76 290/20 34 292/75 84 302 306/47 307/57 310 317/60 321/34 Astronomie  205/24 222/3 274/93 Aufklärung  206/167 186 211/23 228/4 292/24 Ausscheiden aus dem Staatsdienst  201/4 202/5 203/19 204/14 235/7 Bibliothek (Humboldts)  207/1 235/65 240/22 241/61 247/42 253/130 175 270/90 282/99 284/24 348/81 Bildung (s. auch Selbstbildung)  200/6 202/13 203/16 210/351 218/61 241/58 259/36 292/52 Charakter  206/89 Ehe  227/39 280/34 Energie  206/107 209/21 210/159 231/21 243/8 247/68 249/25 256/33 Enthusiasmus  206/106 210/78 165 258 246/56 249/22 Entsagung  199/17 208/8 Erfahrungsvielfalt  241/53 Erotik  232/72 124 234/73 Erziehung  210/352? 401? 216/66 218/113 279/60 311/80 Farben  309/20–40

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Französische Revolution (s. auch Mainzer Republik)  201/35 204/46 206/5–110 passim 170 209/12 210/1 135 (243/5) 245/48 246/56 249/15 33 47 257/184 261/43 295/81 320/34  Einl., S. 2 Freiheit  206/122 174 210/18 121 145 198 307 218/78 90 243/8 Freundschaft  202/33 230/10 232/14 234/56 Gefühlskälte  318/75 Genuss  206/209  218/66 234/65 282/27 Geschichte  292/59 Geschichtsphilosophie  292/58 295/93 Geschlechterlehre  206/203 287/71 290/26 Geschmack  302/24 Glück  227/47 231/14 Grammatik  234/12 Griechisch-Studien  203/22 214/37 231/36 232/107 233/1 234/7 235/9 240/10 241/22 246/36 247 250/3 253 256/70 257/30–182 262/32–182 270/50–149 274/42–111 284/7–27 287 296/22–89 300/2–80 301 303/15–113 307/50–63 93–137 313/40 317/66 329/30 342/16 345/70–107 348/12–63 Hebräisch-Studien  256/92 Ideal der Menschheit  292/36 Idylle  344/32 Innere Empfindung etc.  223/28 55 Kälte (des Urteils etc.)  261/138 Koalitionskrieg (Erster)  324/5 337 Komödie  346/20 Kräfte, menschliche   206/59 87 213 209/11 210/313 218/61 249/30 290/32 292/34 89 311/80 87 316/21 Kunst (bildende)  209/24 274/31 277/14 280/12 286/14 344/43 Liebe  223/48 232/34 Mainzer Republik  243/5 272/13 Mathematik  205/20

Sachregister Medizingeschichtliches  274/15 317/13 318/119 319/1   320/4  Einl., S. 8 Menschengleichheit  210/146 Metrik  214/51 235/30 262/32 270/76 272/105 274/44 277/27 284/18 300/2–69 301/7–160 303/15–95 307/50 93–137 315/61 342/16 348/30–63 Einl., S. 3 f. Monarchie  249/29 Moral (auch praktische Vernunft)  209/55 210/57 292/88 Musik  263/3 24 264/10 272/149 301/56 88 95 123 139 151 303/52 78 315/63 333/97 337/15–51 Naturgeschichte  340/6 Naturrecht  210/57 Naturschönheit  221/6 222/3 223/26 54 227/8 277/15 280/11 311/34 41 312/38 324/49 Naturwissenschaften  261/115 309/9 313/33 331/22 345/4 Pedanterie  307/63 Phantasie  290/36 Philosophie  204/39 279/59 287/177 307/57 312/43 313/13 315/32 317/60 329/23 Politik  201/30 203/25 206/1 209/1 55 210/56 116 185 228 305 256/17 27 41 261/41 56 270/45 279/61 295/79 307/57 312/43 313/13 317/60 Prosodie  316/24

Reflexion  290/57 292/91 Reizbarkeit  247/60 69 290/30 Religion  210/352 218/113 292/53 Rhythmus  301/48 114–155 307/60 337/15 26 Ruf (eigener)  245/19 76 Ruhm  259/64 Schönheit  302/13–100 306/49 309/27 310/21–220 Schrift  342/13 Selbstbildung  210/212 234/60 247/56 249/29  Einl., passim  Selbstgenügen in der Arbeit  234/60 246/52 250/25 259/69 262/139 270/69 306/60 Selbstkritik  259/14 262/133 270/42 279/43 299/29 326/7–68 Selbstverständnis  214/41 223/25 237/22 250/21 259/29 79 85 279/36 Sinnlichkeit  209/47 210/342 290/39 292/83 Tod  316/5 Tugend  209/35 Übersetzen  270/53 74 272/106 Unglück  241/43 Unproduktivität  318/98 Verfassung  206 209/19 210/9 78 118–442 passim 218/27 246/58 249/20 28 256/31 Vernunft  206/23 72 174 209/31 210/5 290/43 Wahrheit  223/28 44 Weisheit  209/73 Wissenschaft(en)  237/33 261/100

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