Wiedersehen im Wirtschaftswunder: Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik 1949–1963 [1 ed.] 9783737007436, 9783847107439


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German Pages [453] Year 2017

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Wiedersehen im Wirtschaftswunder: Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik 1949–1963 [1 ed.]
 9783737007436, 9783847107439

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Cadrage Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft

Band 4

Herausgegeben von Ursula von Keitz

Stefanie Mathilde Frank

Wiedersehen im Wirtschaftswunder Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik 1949–1963

Mit 32 Abbildungen und einer CD

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-5294 ISBN 978-3-7370-0743-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Die Drucklegung ermçglichten Mittel der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen FakultÐt der Humboldt-UniversitÐt zu Berlin, der FAZIT-Stiftung, der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung fþr Geisteswissenschaften und des Nachwuchsfçrderpreises der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte gestiftet von der Ludwig-Delp-Stiftung. Die vorliegende Arbeit wurde von der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen FakultÐt der Humboldt-UniversitÐt zu Berlin im Jahr 2015 als Dissertation angenommen.  2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Screenshot aus AUF WIEDERSEHEN, FRANZISKA (1942, KÐutner) mit freundlicher Genehmigung der Murnau-Stiftung,  Friedrich Wilhelm Murnau-Stiftung.

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verwendete Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Detailaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 »Das Dritte Reich in Farbe«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Keine Experimente? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 »Warum ist es am Rhein so schön?« . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. »Mit den Remakes […] ist es ein weites Feld« . . . . . . . . . . . 3.1 Präzisierungen des Remakebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Deutschsprachige Filme aus der NS-Zeit in den 1950er Jahren 3.3 Die Remakes in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufbau und Methodik der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Historischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Remakes in der deutschen Filmgeschichte . . . . . . . . . 1.1 Überblick: Remakes der 1930er Jahre . . . . . . . . . . 1.1.1 Exemplarisch: Remakes von Stummfilmen . . . . 1.1.2 Sonderfall: Remakes von Tonfilmen in den 1930er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Remakes von 1945 bis 1963 und ihre Vorgängerfilme . 1.3 Ausklang: Remakes nach 1963 . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Exkurs: Zeitliche Nähe – Remakes und Reprisen in den 1950er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik . . . . . . 2.1 Spurensuche: Urteile der konfessionellen Filmkritik . . 2.2 Einwände: Filmkritiker über Remakes . . . . . . . . . 2.3 Anerkennung: Die Sicht der Filmwirtschaft . . . . . .

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Inhalt

2.4 Argumente der Regisseure und Praktiker . . . . . . . . . . . . 2.5 Dunja (A 1955), ein »Renommier-Remake« . . . . . . . . . . 2.6 Das Ende der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Bundespolitik: »der ideologische oder der wirtschaftliche Wert« des Films . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Familienminister Dr. Wuermeling: Diskussionen um Film und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Filmbürgschaften und Filmförderung . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Ufi-Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren . . . 4.1 Theorie: Der Rechteerwerb bei Neuverfilmungen . . . . . . . 4.1.1 Die Stoffrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Die Bearbeiter-Urheberrechte . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Die Musikrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Verkaufspraxis der Ufi i.L. und ihrer Firmen . . . . . . . . . . 4.2.1 Entwicklung der Verkäufe von Remakerechten . . . . . . 4.2.2 Exemplarisch: Die Causa Kästner . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Höhepunkt und Abflauen des Verkaufs von Remakerechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Remakes im Netzwerk der Rechteinhaber . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Produzent zwischen Rechteinhabern: Das Bad auf der Tenne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Autorenrechte: Streitfall Peter Voss . . . . . . . . . . . 5. Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft . . . . . . . . . . . . . 5.1 Akteure: Produzenten und Verleiher . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Remakes innerhalb der Entwicklung des Filmangebots . . . . 5.3 Technik: Schwarzweiß und Farbe . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Publikumserfolg der Remakes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Remakes aus Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systematischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Die Referenzen der Filme in der Literatur und auf den Bühnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Operette, Singspiel, musikalisches Lustspiel . . . . . . . . . . 1.2 Bühnenvorlagen der Sprechtheater . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Komödien, Schwänke, Possen, Lustspiele usw. . . . . . . 1.2.2 Dramatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Literarische Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Populäre Romanvorlagen und Novellen . . . . . . . . . .

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Inhalt

1.3.2 Romane der 1930er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Remakes im Wandel des Jahrzehnts . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Remakes am Beginn der Dekade (1950–53): »Das Thema wäre neu aufzunehmen.« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Personalkontinuitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Genres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Aktualisierungen im frühen Heimatfilm: Inszenierungen der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 (Historische) Verfilmungen ohne Geschichte . . . . . . . 2.1.5 Komödien im Wandel? Ehekonflikte . . . . . . . . . . . 2.1.6 US-Amerikaner und Konsum: Aktualisierungen der frühen Remakes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Remakes in der Mitte des Jahrzehnts (1954–56): »Die Wiederverfilmung erfolgreicher, alter Filmstoffe wird in der deutschen Flimmerindustrie zur lieben Gewohnheit.« . . . 2.2.1 Heimatfilm zwischen ausgestellter Aktualisierung und Zeitlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Heitere Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Zunahme und Spektrum der Gegenwartskomödien . . . 2.2.4 Weltkrieg und Nachkriegszeit zwischen Diskretion, Überzeitlichkeit und Kontinuitätsstiftung . . . . . . . . 2.2.5 Reifende Jugend (BRD 1955) . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Genrekino: Kriminal- und Abenteuerfilm . . . . . . . . 2.2.7 Europäische Monarchien im »Kostümfilm« . . . . . . . . 2.3 Remakes ab 1957: »Zum zweiten, zum dritten Male…« . . . . 2.3.1 Heimatfilm zwischen Tradition und Modernisierungskonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Gegenwartskomödien: Alte und neue Konflikte . . . . . 2.3.3 Gegenwartskomödien: Generationengeschichten . . . . . 2.3.4 Komödien im historischen Gewand . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Familien- und Frauengeschichten der Gegenwart . . . . 2.3.6 Wandel des Genrekinos: Zirkus-, Abenteuer- und Kriminalfilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Anknüpfung und Wandel im Musikfilm . . . . . . . . . 2.4 Überblick: Remakes 1949 bis 1963 . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Genres im Wandel und die Inszenierung der Zeit . . . . 2.4.2 Konstitution und Hybridisierung der Genres: Schauwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Vom Wandel der Filmmusik . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Genreübergreifend: Männerstimmen aus dem Off . . . . 2.4.5 Verhandlung von jüngerer deutscher Geschichte . . . . .

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Inhalt

2.4.6 Verhandlung und Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart: Themen, Konflikte und Motive in den Remakes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7 Konflikte und Figuren im Wandel: Männlichkeit und Weiblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Detailanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Frühjahrsparade (A/HU 1934/1935) . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Entstehungskontext und Produktionsgeschichte . . . . . 1.1.2 Rezensionen, Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Die »verhältnismäßig kleine Handlung« . . . . . . . . . 1.1.4 Dramaturgie: Wahrnehmung als Filmoperette . . . . . . 1.1.5 Konstellationen: Figuren, Darsteller, Filmschaffende . . . 1.1.6 Die Deutschmeister in Film und zeitgenössischem Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zwischenspiel I: Spring Parade (USA 1940) . . . . . . . . . 1.3 Zwischenspiel II: Die Reprise Frühjahrsparade (1950) . . . 1.4 Die Deutschmeister »marschieren unaufhaltsam« (A 1955). 1.4.1 Produktionsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Ensemble und Konstellationen: Figuren und Darsteller . 1.4.3 Versöhnungsgeste I: Generationen . . . . . . . . . . . . 1.4.4 Versöhnungsgeste II: Die Inszenierung der vergangenen Monarchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5 Gewandelte Inszenierung von Weiblichkeit . . . . . . . . 1.4.6 Komik und Klamauk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.7 Diskussion der Deutschmeister und des Militärs . . . . . 1.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Vergessenes Nachspiel: Die Operette von Robert Stolz (1964) . 2. Der Herrscher (1937) und Vor Sonnenuntergang (1956) . . 2.1 Referenz: Vor Sonnenuntergang, das Hauptmann-Drama und seine Berliner Uraufführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der Herrscher changiert zwischen Film und Tragödie . . . 2.2.1 Produktionsdaten und Entstehungskontext . . . . . . . . 2.2.2 Rezensionen, Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Konstellationen: Darsteller und Figuren . . . . . . . . . 2.2.4 Herrscher und Volksgemeinschaft, Arbeit und Werk . . 2.2.5 Inszenierung von Männlichkeit und Weiblichkeit . . . . 2.3 Gescheitertes Zwischenspiel: Versuch einer Reprisenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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2.4 Vor Sonnenuntergang (1956) . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Produktionsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Zwischen Theater- und Filmgeschichte: Rezensionen, Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Überblick: Veränderungen des Drehbuchs und der filmischen Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Konstellationen: Darsteller und Figuren – Anknüpfungen und Umdeutungen . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Männlichkeit und Weiblichkeit . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Konfliktverschiebung: Generationenwechsel und happy end . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Nachspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schloss Hubertus (1934/1954) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ludwig Ganghofers Filmproduzent Peter Ostermayr . . . . . . 3.2 Referenz: Ludwig Ganghofers Roman Schloß Hubertus . . . . 3.3 Schloss Hubertus (1934) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Produktionsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Darsteller : Starlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Konzentration der Romanhandlung . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Der adelige Patriarch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Filmische Inszenierung: Motiv und Symbolik des Blicks . 3.3.6 Figurenensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.7 Natur als Akteur, Inszenierung der Landschaft . . . . . . 3.3.8 Rezensionen, Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Schloss Hubertus (1954) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Produktionsdaten: »Peter Ostermayr meldet keine Filmstaffel, dafür aber Schloß Hubertus« . . . . . . . . . 3.4.2 Darsteller : Nachwuchs und Stars der 1930er Jahre . . . . 3.4.3 Umdeutungen: Familienkonflikte im Fokus . . . . . . . 3.4.4 Problematisches Patriarchat . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Figurenensemble: Vielfalt der Jüngeren . . . . . . . . . . 3.4.6 Landschaft, Tiere und Jagd . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.7 Rezensionen, Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Nachspiel: Schloss Hubertus (1973) . . . . . . . . . . . . .

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Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Filmregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Eine kommentierte Auflistung der Remakes sind unter folgendem Link einzusehen: www.v-r.de/wirtschaftswunder_Anhang; Passwort: PGNrSKzV

Danksagung

Diese Arbeit wäre ohne zahlreiche Menschen unmöglich gewesen. Am Beginn soll ein großer Dank an meinen Doktorvater, Wolfgang MühlBenninghaus, stehen, der sich mit unfassbarer Geduld dieses Projektes annahm, mich mit zahllosen Gutachten und vor allem mit seinem unerschütterlichen Vertrauen unterstützte. Thomas Weber hat nach meinem Magister in der Theaterwissenschaft/Kulturellen Kommunikation nicht nur mich und dieses Projekt bis heute begleitet, sondern vor allem im Laufe der ersten gescheiterten Stipendienanträge mir thematisch bestens den Kopf gerade gerückt. Michael Wedel übernahm mit Enthusiasmus und klugen Anmerkungen das Zweitgutachten dieser Arbeit, die ich ohne ihn so nicht geschrieben hätte. Für die anregenden Diskussionen danke ich auch allen Kollegen, die bei der Disputation waren: Günter Agde, Christa Hasche und Eleonore Kalisch. Den beiden »Damen« (C. F.) bin ich bis heute für das Studium der Dramaturgie verpflichtet. Ursula von Keitz möchte ich sehr herzlich danken, dass sie die Studie so kurzfristig und freundlich in ihre Reihe aufnahm und mir wertvolle Hinweise gab, wie aus einem dicken Manuskript ein lesbares Buch werden könnte. Die Betreuung bei Vandenhoeck & Ruprecht unipress durch Susanne Köhler und die aufmerksame Arbeit Michaela Senfts waren ebenso wunderbar wie die Korrekturen von Philipp Sperrle. Eine solche materialintensive Studie wäre niemals ohne die Förderung verschiedener Institutionen möglich gewesen. Die Drucklegung ermöglichten die Kultur-, Sozial-, und Bildungswissenschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und die FAZIT-Stiftung, die zudem auch die letzten drei Monate Arbeit vor Einreichung des Manuskripts mit einem Abschlussstipendium unterstützte. Als Promotionsstipendiatin des Evangelischen Studienwerks Villigst habe ich wunderbare, kluge und gute Menschen getroffen und ich bin immer noch froh über die geistige und ökonomische Freiheit, die ich genießen durfte. Praktisch wäre diese Arbeit niemals ohne die Hilfe und Unterstützung verschiedener Archive und Institutionen und vor allem ihrer engagierten Mitar-

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Danksagung

beiter möglich gewesen. Ich danke Kristin Hartisch (Bundesarchiv Lichterfelde), Ute Klawitter, Carola Okrug, David Parrett, aber vor allem Gisela Hofmann für ihr Interesse, Verve, Fachkenntnis und Unterstützung (BA/FA); Anke Hahn, Julia Riedel, Cordula Döhrer und Martin Koerber (Deutsche Kinemathek); Carmen Prokopiak und Marcel Steinlein (Murnau-Stiftung), Eleonore Emsbach (Deutsches Institut für Filmkunde), Inge Kempenich und Eva Diaz (FSK), Thomas Ballhausen (Filmarchiv Austria), den Mitarbeiterinnen des Parlamentsarchivs und den Mediatheken der Universitäten Oldenburg und Lüneburg. Filmrecherche in Deutschland ist ein unwegsames Gelände, durch das mir diese Menschen und Institutionen halfen. Für die Möglichkeit, einige Screenshots aus Vor Sonnenuntergang verwenden zu dürfen möchte ich der CCC Filmkunst GmbH, insbesondere Dr. Alice Brauner und Sarah Polligkeit, danken. Die Möglichkeit, meine Arbeit in den verschiedenen Stadien in unterschiedlichen Fachbereichen zu diskutieren, hat mir sehr viel bedeutet. Beim Film- und Fernsehhistorischen Kolloquium in Zürich etwa erhielt ich zahlreiche Anregungen und erfuhr Ermutigung. Ulrike Weckel und Michael Wildt luden mich in ihr Kolloquium ein, meine Arbeit mit Historikern zu diskutieren und durch Annette Dorgerloh konnte ich bei der Ringvorlesung des Netzwerkes BildFilmRaum meine Ergebnisse den Kollegen und Studierenden der Kunstgeschichte präsentieren und sie befragen lassen. Immer noch sprachlos und überaus froh bin ich über die Auszeichnung des Manuskripts mit dem Nachwuchsförderpreis der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte gestiftet von der Ludwig-Delp-Stiftung. Hans-Jürgen Wulff sei für seine Geduld und den unermüdlichen Hinweis gedankt, pragmatisch vorzugehen; Jörg Schweinitz für seine Begeisterung für den Remakebegriff, Chris Wahl und Sarah Kordecki für zahlreiche Gespräche über Filme, die sonst kaum jemand kennt, Oliver Carstendyk für eine Durchsicht meiner Ausführungen zum Urheberrecht und der Versicherung, »nichts Unvertretbares« zu entdecken und Joseph Garncarz für sein Interesse und das Material zum Filmerfolg in Deutschland. Von ganzem Herzen gedankt sei meinen Freunden und meiner Familie, die mir in allen Phasen halfen. Lena van der Hoven und Sophia Ebert waren die Heldinnen all meiner Krisen und zahlreicher Samstage in der Stabi, die zudem Teile der Arbeit Korrektur lasen. Ebenso wunderbare, aufmerksame und kluge Leser waren Henning Adam, Kristina Westphal, Michael Sommer und Gösta Gantner, der mich zudem unermüdlich mit Anregungen versorgte. Valentina Leonhard und Uffa Jensen, die besten Freunde, die man sich vorstellen kann, haben alle Zweifel und Fragen geduldig angehört, beruhigt, beraten und kluge Gedanken beigetragen. Philipp Stiasny und Fabian Tietke haben auf dem Weg zur Buchfassung Zeit und Gedanken in Textteile investiert, Punkte und Fragezeichen gesetzt und immer wieder Lesbarkeit angemahnt. Ohne Euch alle gäbe es

Danksagung

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dieses Buch so nicht! Fehler, unnötig komplizierte Sätze, Abschweifungen und Ungenauigkeiten gehen alle auf mein Konto. Ein derart gründlich korrigierter Anhang läge (mit der eben genannten Einschränkung) ohne meinen Vater nicht vor, der Wochen in der Bibliothek zubrachte, um all meine Flüchtigkeitsfehler aufzuspüren. Meinen Eltern sei aus größtem Herzen gedankt, dass sie mich auf vielfältige und auch praktische Weise darin unterstützten, meinen Weg zu gehen, auch wenn es sicher nicht immer leicht war zu sehen, dass es kein geordneter war oder ist. Die Liebe zum Lesen und zu Büchern verdanke ich ihnen. Meine Geschwister glaubten in all den Jahren an mich, durchforsteten Fernsehzeitungen nach Remakes oder lasen in Windeseile Textteile – ich bin so froh, dass Ihr alle da seid! Wanja und Carlotta, meinen wunderbaren, lustigen und herzensguten (nun nicht mehr kleinen) Kindern ist diese Studie gewidmet. Ihr seid der Grund, warum ich darüber nachzudenken begann, wie Geschichte und Populärkultur Menschen prägen könnten. Ohne Euer Gespür, wann ich Ruhe zum Denken brauche; ohne unser Lachen und Leben hätte ich nie einen Punkt gesetzt.

Verwendete Abkürzungen

A Abb. BA BA/FA BGH Bl. BRD CCC CDU CH D DEFA EA EFB F FAZ FB FBL FBW FD FE FK FN FP FSK FTG FW GB/BHE HTO HU I JUG NS

Österreich Abbildung Bundesarchiv Bundesarchiv/Filmarchiv Bundesgerichtshof Blatt Bundesrepublik Deutschland Central Cinema Company Christlich Demokratische Union Deutschlands Schweiz Deutsches Reich Deutsche Film AG Erstaufführung Evangelischer Film-Beobachter Frankreich Frankfurter Allgemeine Zeitung Film-Blätter Filmbewertungsstelle der Länder Filmbewertungsstelle Wiesbaden Filmdienst Film-Echo Film-Kurier Fußnote Filmpress Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft Film-Telegramm Die Filmwoche Gesamtdeutscher Block/ Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Haupttreuhandstelle Ost Ungarn Italien Jugoslawien Nationalsozialismus

16 NSDAP o. S. S. SPD SPIO sw SZ Ufa Ufi Ufi i. L. UA

Verwendete Abkürzungen

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Ohne Seitenzählung Seite Sozialdemokratische Partei Deutschlands Spitzenorganisation der Filmwirtschaft schwarzweiß Süddeutsche Zeitung Universum Film AG Ufa-Film GmbH Ufa-Film GmbH in Liquidierung Uraufführung

Einleitung

Der erste Film, der in Deutschland nach 1945 mit britischer Lizenz hergestellt wurde, war ein Remake. Sag die Wahrheit war am Ende des Zweiten Weltkriegs zu drei Vierteln abgedreht und wurde 1946 noch einmal von Helmut Weiß nun mit Mady Rahl und Gustav Fröhlich in den Hauptrollen unter dem gleichen Titel verfilmt.1 Das Wissen um den Vorgängerfilm aber war den beteiligten Filmschaffenden vorbehalten. Bis 1949 liefen in den Kinos in Ost und West neben den sogenannten Überläufern auch Neuverfilmungen von vor 1945 realisierten Stoffen. Prägend für das Filmangebot waren diese bis 1949 indes nicht. Für das Publikumskino der jungen Bundesrepublik dagegen waren Remakes typisch. Darüber herrscht in der filmhistorischen Forschung Konsens.2 Die Remakes griffen nicht nur auf die »glanzvollsten Meisterwerke« der späten Weimarer Republik wie Mädchen in Uniform (1931/1958), Der Kongress tanzt (1931/1955) oder Alraune (1928/1930/1952) zurück,3 die in der Filmgeschichtsschreibung immer wieder thematisiert wurden. Vielmehr speiste sich die Remakeproduktion zu einem Großteil aus Drehbüchern und Filmen der NSZeit. Zwischen 1949 und 1963 wurden in der Bundesrepublik 139 Remakes uraufgeführt, deren deutschsprachige Vorgängerfilme zwischen 1933 und 1945 gedreht worden waren. Diese Remakes vermitteln Einblick in das Verhältnis zwischen dem Kino im Nationalsozialismus und dem der jungen Bundesrepublik, denn sie eröffnen als Produktionspraxis ein Spannungsfeld zwischen Anknüpfung und Wandel, Kontinuität und Bruch. Durch den Film, das Drehbuch, die Vorlage oder den Stoff beziehen sich die Wiederverfilmungen auf Produktionen der NS-Zeit und wollen möglicherweise von deren Popularität profitie-

1 Pleyer 1965, S. 41. 1945 hatten Heinz Rühmann und Hertha Feiler die Hauptrollen gespielt, der Darsteller Hans Brausewetter verstarb im April 1945, vgl. Klaus 2002, S. 217. 2 Vgl. u. a. Kahlenberg 1989, S. 482, Faulstich / Korte 1990, S. 23, Göttler 1993, S. 206f., Hake 2004, S. 190. 3 Hembus 1961, S. 95.

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ren. Doch zugleich sind es Neuverfilmungen und damit neue Interpretationen und Inszenierungen der alten Filme nach dem Zweiten Weltkrieg. Weder die Remakes noch ihre Vorgängerfilme sind einheitliche Phänomene. Sie durchstreifen alle Genres. Unter ihnen sind Publikumslieblinge wie beachtliche Misserfolge, neben populären Filmen aus der NS-Zeit vergessene, neben prämierten auch verbotene Filme. Bereits ein Blick auf einzelne Remakes und ihre Vorgängerfilme auf dem Höhepunkt der Remakeproduktion (1954 bis 1956) zeigt, wie disparat dieses Filmkorpus ist, akzentuiert Fragen und Themen der filmhistorischen Analyse sowie Schwierigkeiten der Bewertung.

1.

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1.1

»Das Dritte Reich in Farbe«?

»Urlaub auf Ehrenwort« gibt Leutnant Praetorius seinen Männern in den gleichnamigen Filmen von Karl Ritter (1938) und Wolfgang Liebeneiner (1955) in Berlin. 1938 entsteht nach einer kurzen Erzählung von Kilian Koll ein Episodenfilm, der das Prädikat »staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll« erhält. Im Herbst 1918 sehen Soldaten auf der Reise zur Front noch einmal ihre Familien wieder, wird ein Jüngling zum Mann und sie alle widerstehen der Versuchung zu desertieren. Deutlich ist der Bezug auf die »Dolchstoßlegende«, die ein Insert am Beginn paraphrasiert und die auch die Filmhandlung in einzelnen Strängen aufnimmt. 1955 trotzt die soldatische Gemeinschaft am Ende des Zweiten Weltkriegs dem Schicksal. Zwar sinnieren die Soldaten bereits am Beginn über die Aussichtslosigkeit des Krieges. Doch wie im Film von 1938 wird der junge Soldat entjungfert, findet die Großfamilie glücklich für einen Nachmittag zusammen – und alle Kameraden kehren zurück, um den Vorgesetzten vor dem Kriegsgericht zu bewahren und gemeinsam zur Front zu fahren. Regie führte Wolfgang Liebeneiner, vor 1945 Staatsschauspieler, Leiter der Fachschaft Film und ab 1942 Ufa-Produktionschef. Wird 1955 ein populärer, politisch prädikatisierter Spielfilm der NS-Zeit, der nach 1945 verboten war, durch eine politisch fragwürdige Neuverfilmung ersetzt? Sind die Remakes Ausdruck einer kontinuierlichen deutschen Filmgeschichte, die von Filmschaffenden verantwortet und forciert wird, die schon in der NS-Zeit einflussreich waren und nun die technischen Aktualisierungen wie die Etablierung des Farbfilms nutzen? Ein anderes Remake mit einem ebenso populären und von der Filmprüfstelle prädikatisierten Vorgänger widerspricht dieser Deutung. 1956 wird Vor Sonnenuntergang bei den Berliner Filmfestspielen mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Regie führte Gottfried Reinhardt, die Uraufführung des gleich-

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namigen Dramas war 1932 die letzte große Hauptmann-Premiere unter der Regie seines Vaters, Max Reinhardt, der 1933 Deutschland verlassen musste. 1937 war das Bühnenstück eine der beiden Vorlagen von Veit Harlans Der Herrscher. Beide Filme verhandeln die Geschichte eines Industriellen, der sich nach dem Tod seiner Frau in die Sekretärin Inken verliebt und von der Familie entmündigt wird. 1937 endet der Film mit einem ideologisch aufgeladenen Monolog in seiner Fabrik. 1956 stirbt der alte Mann, nachdem er für Inken gesorgt hat. Gottfried Reinhardt ist nicht der einzige Remigrant, der einen Filmstoff für das westdeutsche Kino neuverfilmt. Fritz Lang etwa inszeniert 1958/59 mit Der Tiger von Eschnapur und Das indische Grabmal die dritte Verfilmung des schmalen Romans seiner früheren Frau: »Nach der Original-Idee von Thea von Harbou und dem Welterfolg von Richard Eichberg«, wie der Vorspann verkündet. Interessant ist, dass zwischen den Verfilmungen abseits der Hauptfiguren kaum noch Gemeinsamkeiten der Filmhandlungen erkennbar sind. Die Varianz zwischen Vorgängerfilm und Remake erfordert eine klare Begriffsbestimmung. Die personellen Kontinuitäten der deutschen Filmgeschichte nach 1945 sind also nur ein Aspekt der Remakeproduktion, den es näher zu betrachten gilt. Die Remakes werfen zugleich die Frage auf, ob die neuen Inszenierungen nicht auch als Überschreibungen der alten gesehen werden könnten. Unterscheiden sich die Arbeiten der Remigranten grundlegend in ihren Umdeutungen? Welche Rolle spielen die Veränderungen im Kontext einer gesellschaftlichen Erneuerung? Und wie lassen sich diese Transformationen der Remakes analytisch fassen, messen und bewerten?

1.2

Keine Experimente?

»Der Feind ist in der Festung«, knurrt Heinrich George 1933 als Schuldirektor in Carl Froelichs Verfilmung von Max Dreyers Bühnenstück Die Reifeprüfung (1931), als drei Mädchen in der Knabenschule aufgenommen werden. 1955 wandelt in einer langen Szene eine einzelne Schülerin durch die befahrenen Straßen der Stadt zum Goethe-Gymnasium. Mathias Wiemann als freundlicher Direktor nimmt sie gegen den Widerstand des Kollegiums auf. In beiden Verfilmungen ist der Lateinlehrer erklärter Gegner der Aufnahme des Mädchens, da er eine sittliche Gefährdung der Jungen argwöhnt. 1933 und 1955 verliebt sich der Schüler Sengebusch obsessiv in die Protagonistin. Der optimistische Direktor behält Recht, denn der aus Liebe verwirrte Jugendliche bewährt sich 1933 ebenso wie 1955. Beide Filme enden glücklich in der Aula. Diese Übernahmen der Filmhandlung legen eine Lesart des Remakes als

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Fortschreibung des Spielfilms der NS-Zeit nahe. Als »Symbol für die restaurative Entwicklung der Adenauer-Ära und für den Film, der sie repräsentiert«, deutet Friedrich Koch das Remake, wobei er ausschließlich mit Personalkontinuitäten und negativen Bewertungen, nicht aber im Filmvergleich argumentiert.4 Doch schon der Beginn von Reifende Jugend deutet an, dass die Nachkriegsmoderne inszeniert wird. Auch werden nun die Positionen zur Jugend im Lehrerkollegium breit diskutiert und Bewahrpädagogik einerseits und Vertrauen in die Jugend andererseits kontrastiert. Der Generationenkonflikt wird so ausführlich verhandelt. Aus dem »Käpt’n« von 1933, einem autoritären Geschichtslehrer, ist 1955 ein feinsinniger Griechischlehrer geworden, der einen aufmüpfigen Schüler allerdings ebenso mit einer Ohrfeige bestraft. Auch die Jugendlichen werden in ihren Charakteristika umgedeutet und haben ein breiteres Spektrum an Konflikten zu bewältigen; die erwachende Sexualität ist hier ein maßgeblicher, der im Remake mit der Medien- und Jugendkultur der 1950er Jahre verbunden wird. Anknüpfung und Wandel, Kontinuität und Bruch lassen sich eher im Detail ausmachen und bemessen. Wichtig sind dabei das Spannungsfeld zwischen Übernahmen der Handlung und Handlungselementen und die Differenzen in der Inszenierung sowie die Veränderungen der Dialoge. Was sind vor diesem Hintergrund sinnvolle analytisch übergreifende Kategorien, die die Untersuchung des Gesamtfilmkorpus strukturieren können? Welche Begriffe beschreiben die Wandlungs- und Anknüpfungsprozesse treffend? Sind Remakes vor allem gedreht worden, da sich mit ihnen »am sichersten ein gutes Geschäft machen [ließe]«,5 wie die zeitgenössische Filmkritik mutmaßte? Werden im Rückgriff mentalitätsgeschichtliche oder filmhistorische Kontinuitäten offenbar?

1.3

»Warum ist es am Rhein so schön?«

Auf der Bildebene lässt sich eine direkte Wiederaufnahme auch in einer Komödie besichtigen, einem Beispiel aus einem der prägenden und selten untersuchten Genre der 1950er Jahre. 1939 und 1956 sitzt Schneider Anton Wibbel mit seinen Gesellen auf dem Tisch und näht in beinahe identischem Setting und ähnlichen Haltungen, wobei im Remake das Szenenfoto ein deutlich gelösteres, weniger arbeitsam-diszipliniertes Trio zeigt (Abb. 1 und 2). In Das Sonntagskind (1956, Kurt Meisel) sind zudem nicht mehr die Truppen Napoleons in der Stadt wie in Schneider Wibbel (1939, Viktor de 4 Vgl. Koch 1987, S. 159ff., Zitat S. 159. 5 Heinz Kuntze-Just: »Mehr Freizeit für Produzenten«, in: FTG, Nr. 34, 14. 8. 1956, 4. Jg., S. 2.

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Abb. 1 und 2: Schneider Wibbel (1939)/Das Sonntagskind (1956): Arbeit im Wandel?

Kowa), sondern die Alliierten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit einem schottischen Soldaten freundet sich Wibbel an. Die Grundzüge der Komödie bleiben bestehen: Nach einer Feier wird der Schneider verhaftet, aber nach dem Urteil schickt er seinen Gesellen mit seinen Papieren ins Gefängnis. Als dieser in Haft stirbt, ist Wibbel offiziell tot. Versteckspiel und Verwicklungen beginnen. Anders als der Vorgängerfilm ist das Remake von Gesangseinlagen dominiert. Singend wird der Schneider, den Heinz Rühmann spielt, eingeführt, indem er die Melodie des Vorspanns aufnimmt und trällert, das Grammophon in der Hand: »Warum ist es am Rhein so schön?« Dem wachenden Schotten preist er die Schwarzware an: »Prima music!« Auch sind die dramaturgisch relevanten Wendepunkte der Komödie nun mit der politischen Geschichte der Nachkriegszeit verbunden. Offensiv aktualisiert dieses Remake seine Geschichte und verknüpft dabei zwei gänzlich verschiedene Besatzungszeiten, woraus eine fragwürdige Interpretation der jüngsten Geschichte entsteht. Dramaturgisch greift das Das Sonntagskind dabei auf ein bekanntes Konzept zurück und muss so in einer längeren Linie von Unterhaltungsgeschichte verortet werden. Die Vorlage stammt von Hans Müller-Schlösser aus dem Jahre 1913. Es gibt bereits eine stumme Verfilmung von 1919/20 und einen frühen Tonfilm aus dem Jahre 1930 unter der Regie von Paul Henckels. Das Remake ist zudem von Fernsehgeschichte flankiert: Am 4. April 1954 wird aus Köln eine Inszenierung des Stückes von Henckels ausgestrahlt;6 1959 eine Fernsehfassung mit Willy Millowitsch in der Hauptrolle gedreht. Ähnliches ist auch bei einem anderen Remake mit Heinz Rühmann als Hauptdarsteller zu beobachten. Charley’s Tante (1956, Hans Quest) ist der Erfolgsfilm der Saison. Bereits 1934 verfilmte Robert A. Stemmle das Bühnenstück von Brandon Thomas aus dem Jahre 1892, das auch auf den Theaterbühnen in der NS-Zeit zahlreiche Inszenierungen erlebte. 1963 wird Peter 6 »Hinweise auf besonders interessante Sendungen«, in: Fernseh-Information, Nr. 6, März 1954, S. 154.

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Alexander unter der Regie von G8za von Cziffra in der dritten deutschsprachigen Verfilmung als Carlotta durch die Verwechslungsgeschichte tanzen.7 Remakes lassen sich also als eine vielfältige Produktionspraxis im Publikumskino der jungen Bundesrepublik beschreiben. Drehbuchautoren und Produzenten griffen auf Stoffe aus der NS-Zeit und aus der späten Weimarer Republik zurück, deren quantitatives Verhältnis bestimmt werden muss. Vor dem Hintergrund der politischen Zäsur des Jahres 1945 fokussiert diese Studie Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus, weil ihre Erforschung Aufschluss über die produktionsgeschichtlichen, medienhistorischen und ästhetischen Kontinuitäten und Brüche verspricht. Sie versteht sich als Beitrag zur weiteren Differenzierung des westdeutschen Kinos nach 1945 und der hier verhandelten Transformationsprozesse.8

2.

Theoretische Ausgangspunkte

Die angerissenen Remakes und Vorgängerfilme, Fragen zu Anknüpfungen und Wandlungen zeigen, dass eine Einschätzung der Remakeproduktion vielschichtig ist. Studien der Geschichtswissenschaft analysieren die Transformationsprozesse in der Adenauer-Zeit seit den 1980er Jahren.9 Mit Axel Schildts Überlegungen zur Modernisierung kann das Problem präzisiert werden. Schildt betont sämtliche »Ungleichzeitigkeiten« innerhalb des Modernisierungsprozesses.10 Ein Blick in seine Forschungen über die 1950er Jahre offenbart aber auch, wie selten der populäre Spielfilm im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel diskutiert wurde.11 Das liegt in der Problematik des 7 Charley’s Tante belegte 1955/56 den vierten Platz der erfolgreichsten Filme in der BRD, vgl. Garncarz 2013, S. 189. Zu den Aufführungen des Stückes in der NS-Zeit, vgl. Eicher 2000, S. 447. 8 Bereits seit einigen Jahrzehnten akzentuieren filmhistorische Studien einen differenzierten Umgang mit dem westdeutschen Film nach 1945, vgl. u. a. Becker / Schöll 1995, Schenk 2000, Uka 2002, von Moltke 2005, Davidson / Hake 2007, Segeberg 2009, Fritsche 2013, Groß 2016, Möller / Dillmann 2016. Einzelaspekte wurden ebenfalls ausführlicher thematisiert, vgl. u. a. Beindorf 2001, Westermann 1990, Fehrenbach 1995, Kannapin 2005, Horbrügger 2007, Figge 2015a. 9 Vgl. u. a. Schwarz 1984, Herbert 2002, Kießling / Rieger 2011. Auch Arbeiten, die nicht ausschließlich dem Transformationsparadigma verpflichtet sind, entwerfen ein differenziertes Bild des Verhältnisses NS- und Adenauer-Zeit, vgl. u. a. Naumann 2001, van Rahden 2010, Verheyen 2010. 10 Schildt 1995, S. 24. 11 Seine Medienentwicklung in den 1950er Jahren kommt ohne eine Überlegung zum Kino aus, vgl. Schildt 1999. Anders in der mit Detlef Siegfried verfassten Deutsche Kulturgeschichte, in der die drei schmalen Seiten zum Film jedoch kaum mehr referieren als die kulturgeschichtlichen Überblicksdarstellungen zuvor, vgl. Hermand 1986, Glaser 1997. Schildt und Siegfried erwähnen jedoch »Neuauflagen beliebter Vorkriegsstreifen«, Schildt / Siegfried

Theoretische Ausgangspunkte

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Spielfilms als historische Quelle, in der Eigenlogik von Filmgeschichte und Filmhistoriografie begründet. Mit den sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Studien stehen nichtsdestotrotz wichtige Grundlagenarbeiten zur Verfügung, die ins Verhältnis zu Themen und Filmen gesetzt werden können.12 Im Anschluss an diese Arbeiten diskutiert diese Untersuchung zwei Transformationsprozesse: erstens die Anknüpfungs- und Wandlungsprozesse der Filme vom Nationalsozialismus in die junge Bundesrepublik in diachroner Perspektive und zweitens in einer synchronen Analyse den Wandel der Remakes im Laufe der 1950er Jahre. Die sozial- und kulturgeschichtlichen Studien erklären den allmählichen Wertewandel am Ende der 1950er Jahre unter anderem mit der zunehmenden Bedeutung der um 1940 Geborenen.13 In den sozial- und mediengeschichtlichen Untersuchungen zum Wertewandel werden Karl Mannheims Überlegungen zum Problem der Generationen (1928) fruchtbar gemacht,14 die auch für diese Studie grundlegend waren. In Anschluss an Mannheim können die Remakes der 1950er in ihrer sozialen Funktion näher bestimmt werden: Die Wiederaufnahmen bereits verfilmter Stoffe schufen eine Kontinuitätslinie zu (positiv besetzten) Filmerinnerungen aus einer kulturell prägenden Phase.15 Die Remakeproduktion wäre so ein Phänomen des Spannungsfeldes zwischen anhaltenden kulturellen Prägungen und politischer Zäsur, zwischen der Diskontinuität von äußerer Geschichte und der Kontinuität von Zuschauerbiografien. Das Verschwinden der deutschen Remakes am Beginn der 1960er Jahren fällt nicht nur mit der Krise der deutschen Filmwirtschaft zusammen, sondern auch mit der

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2009, S. 118. Bei Prinzessin Sissy (1938) bzw. Sissi (1955–57) handelt es sich allerdings nicht um ein Remake, sondern lediglich um einen Film ähnlichen Titels. Etwa die Einzelaufsätze im Grundlagenwerk von Schildt und Sywottek, vgl. Schildt / Sywottek 1993; zu Frauenbild und Familie, vgl. u. a. Langer 1986, Poiger 2001, Heinemann 2001, Herzog 2005; zu Generationskonflikten und Veränderungen der Milieus, vgl. u. a. Schiller 1985, Naumann 2001; zur Konsumgeschichte, vgl. Wildt 1991, Wildt 1994; zu Wandlungen der Schule, vgl. Gass-Bolm 2005. Vgl. u. a. Schildt 2007, S. 29. Einen Überblick über die Differenzierung der Jugend in der Nachkriegszeit und die sozialhistorische Forschung gibt präzise Werner Faulstich, vgl. Faulstich 2002b, S. 279ff. Vgl. u. a. Schildt 2007, Payk 2007, Mühl-Benninghaus 2012, Garncarz 2013. Mannheim nimmt die Setzung vor, dass insbesondere »›erste Eindrücke‹ als ›Jugenderlebnisse‹« das Weltbild formen, Mannheim 1964, S. 536. Das Alter der Prägung setzt er bei 17 Jahren an, »oft etwas früher, oft später«, ebd. S. 539. Die Altersfestsetzung ist problematisiert worden, vgl. Zinnecker 2003, S. 50ff. Mit den Arbeiten nach Mannheim lassen sich für das Kinopublikum der 1950er Jahre die politischen Generationen der Jahrhundertwende, die »Generation der Flakhelfer« und die dazwischen liegenden Altersjahrgänge ausmachen. Zu den Generationen, vgl. Herbert 2003, S. 97ff. Mit den widersprechenden Generationseinheiten nach Mannheim lassen sich wiederum auch kulturelle Minderheitenphänomene wie die Halbstarken als Faktoren des Wandels erfassen, ohne sie überzubewerten, vgl. Mannheim 1964, S. 547f. Zur Operationalisierung von Mannheims Konzept zur Deutung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, vgl. u. a. Fogt 1982, Herrmann 1987.

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Verjüngung des Kinopublikums.16 Die Remakes – in ihrer Gleichzeitigkeit von Rückgriff und Neuinszenierung – können so als Angebote an ein generationenübergreifendes Publikum in einer Phase generationeller Ausdifferenzierung verstanden werden. Ähnlich deutet Jennifer Forrest auch die US-amerikanischen Remakes nach dem Zweiten Weltkrieg.17 Durch Mannheims Überlegungen wird auch klar, dass die Remakes nicht rein filmanalytisch zu erforschen sind. Vielmehr deutet das Generationenkonzept auf sämtliche Akteure der Filmproduktion, also etwa auch auf die Autoren der Vorlagen, Filmjuristen und Ökonomen, die um die Rechte und Tantiemen verhandelten. Hier liegt eine wichtige Differenz zur amerikanischen Remakeproduktion der Zeit: Die Studios konnten auf Drehbücher zurückgreifen, deren Rechte sie bereits erworben hatten. Durch die Verstaatlichung der Filmindustrie im Laufe der 1930er Jahre und die während des Zweiten Weltkriegs vernichteten Aktenbestände war die Situation in Deutschland sehr viel unübersichtlicher.18 Vor dem Hintergrund der doppelten Transformationsprozesse und der Frage nach dem Wandel gesellschaftlicher Werte war Kaspar Maases These einer »sinnliche[n] Moderation von Pluralisierung« durch das Publikumskino in den 1950er Jahren für diese Untersuchung bedeutsam.19 Diese Idee – Maase verortet sie in der Überlegung des »Leute beobachten« und der Präsenz von Gütern – reflektiert, dass die soziohistorischen Wandlungsprozesse auch in den filmischen Inszenierungen erscheinen.20 Maase selbst problematisiert, dass offen bleibt, wie das Konzept zu operationalisieren wäre.21 Es bietet hier eine relativ wertfreie Basis, um verschiedene Ebenen der Remakes – von den Ausstattungen und Inszenierungen über die Neubesetzungen bis hin zur Filmmusik – zu fokussieren und die These selbst zu prüfen. In theoretischer Perspektive erforscht diese Studie die Wechselwirkung zwischen historischen und politischen Zäsuren in nationaler Geschichte, der strukturellen Eigenlogik von Filmgeschichte und der Dominanz längerer kul16 Zur Entwicklung der Altersstruktur in den deutschen Kinos 1952 bis 1977, vgl. Garncarz 2013, S. 146. 17 Forrest 2002, S. 170. 18 Die Verortung der Remakes innerhalb des Wiederaufbaus der deutschen Filmwirtschaft kann auf fundierte Analysen zurückgreifen, vgl. u. a. Schweins 1958, Herriger 1966, Roeber / Jacoby 1973, Hauser 1989, Weiss 2006. Der rechtliche Rahmen der Remakeproduktion dagegen ist bis dato unerforscht. 19 Maase 2010, S. 51. 20 Auch Irmbert Schenk fragt in seinen Überlegungen zum 1950er-Jahre-Kino, ob dieses in einer stark von Modernisierung geprägten Zeit »nur realitätsab- und rückwärtsgewandt gewesen sein« könne, Schenk 2000, S. 113. 21 »Dieser Aufsatz kann nicht belegen, welchen Einfluss und welches Gewicht ›Leute beobachten‹ und die Präsentifizierung von Gütern und Handlungen in populären Filmen für den Wertewandel hatten, und vermutlich wird auch keine Studie auf breiterer Quellenbasis dies können«, Maase 2010, S. 72, Fußnote 66.

»Mit den Remakes […] ist es ein weites Feld«

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tureller Prägungen des Publikums. Sie löst die filmgeschichtliche Periodisierung behutsam von politischen Zäsuren und fragt nach längeren Phasen von Unterhaltungskultur.22 Keines der bis jetzt erwähnten Remakes war ohne eine Vorlage aus der Literatur, von den Theater- und Operettenbühnen; die Remakeproduktion also nicht von originalen Filmstoffen geprägt. Damit wird zugleich die Frage nach einem tragfähigen Remakebegriff für eine Bestimmung des Gesamtfilmkorpus virulent.

3.

»Mit den Remakes […] ist es ein weites Feld«23

3.1

Präzisierungen des Remakebegriffs

Seit den 1970er Jahren beschäftigten Remakes die angloamerikanische Filmwissenschaft und die Cultural Studies; in den 1990er Jahren intensivierten sich die Forschungsarbeiten – möglicherweise durch die zunehmende Zahl von amerikanischen Remakes französischer Filme.24 Ab den 1980er Jahren begann zögerlich die deutsche Forschung zum Thema, die auch die westdeutschen Remakes der 1950er Jahre streifte.25 Begriffstheoretisch standen zunächst vor allem Fragen der Abgrenzung zu strukturell verwandten Verfahren – etwa Sequels, multi language versions und Literaturadaptionen – im Mittelpunkt. In den umfassenderen kulturwissenschaftlichen Untersuchungen der Remakes bestimmt das Hollywood-Kino das Forschungsfeld. Zunehmend rücken größere historische Bögen und Einzelperioden in den Blick; auch die Theorie kultureller Adaptionsprozesse zwischen nationalen Kinematografien wurde ausdifferenziert.26 Mit Film Remakes legte Constantine Verevis 2006 eine Studie vor, die Remakes aus verschiedenen Perspektiven diskutiert: Filmindustrie, Textualität, authorship und Kritik, die allgemein auf Rezeptionsprozesse zielt. Gegenstand sind die Remakes im New 22 Einem Konzept der Phasen folgt etwa auch Joachim Kaiser in seinem Essay zur kulturellen Entwicklung in Deutschland, vgl. Kaiser 1990. Eine Ablösung der Filmgeschichte von politischen Zäsuren findet sich auch in einigen Cinegraph-Bänden sowie in der Studie Filmgeschichte als Krisengeschichte von Michael Wedel, vgl. u. a. Distelmeyer 2006, Roschlau 2010 und Wedel 2011. 23 Klaus Hebecker : »Zweimal Fontanes ›Effi Briest‹«, in: FTG, Nr. 42, 11. 10. 1955, 3. Jg. 24 Vgl. u. a. Druxman 1975, Milberg 1990, Limbacher 1991, Horton / McDougal 1998. Einen ausführlichen Forschungsüberblick der verschiedenen deutsch- und englischsprachigen Forschungen bis 2006 gibt Katrin Oltmann, vgl. Oltmann 2008, S. 79–94. 25 Vgl. Manderbach 1988, Adler 1986, Schaudig 1996, Huber 2000, Röwekamp 2000, Grob 2001, Arend 2002, Kühle 2006, Oltmann 2008. 26 Vgl. u. a. Forrest / Koos 2002, Zanger 2006, Wee 2014.

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Hollywood Cinema.27 Durch die Forschungsarbeiten über amerikanische Remakes zeigt sich, dass es durchaus Parallelen zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Produktion gibt – etwa eine Zunahme der Remakes mit der Einführung des Tonfilms und der Etablierung filmtechnischer Neuerungen durch Farbe und Breitwandverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg.28 Die meisten Untersuchungen arbeiten mit Fallbeispielen. Keine dieser Studien grenzt ein historisches Filmkorpus ab, sodass die Aussagen über »Remakewellen« ungenau sind, wie Thomas Simonet schon Ende der 1980er Jahre kritisiert.29 Eine Remakedefinition, die für diese Studie übertragbar wäre, liegt nicht vor. Aus den intensiven Forschungsarbeiten aber können grundlegende Kriterien für Remakes bestimmt werden: erstens der Nachweis von Urheberrechtsübertragungen, zweitens die rezeptionshistorische Wahrnehmung der Filme als Remakes und drittens eine narratologische Definition des Remakes.30 Für sich genommen würden die Kriterien das Gesamtfilmkorpus nur unzureichend definieren: Eine Bestimmung des Remakekorpus in den 1950er Jahren durch nachgewiesene Urheberrechtsübertragungen ist aufgrund zahlreicher Konkurse von Filmfirmen im Laufe der 1930er Jahre nicht praktikabel. In zu vielen Fällen wurden Rechte nicht mehr eingefordert. Auch die Filmstoffverwaltung des UfiKonzern in Liquidierung (Ufi i. L.), die die Veräußerung von Remakerechten gründlich verfolgte, konnte wegen des Verlustes von Akten oft kein Beweismaterial vorlegen und war auf das Verhandlungsgeschick ihrer Mitarbeiter angewiesen.31 Die Frage nach den Transformationsprozessen rückt – unabhängig von aktenkundig nachgewiesenen Rechteübertragungen – die zeitgenössische Wahrnehmung der Filme als Remakes in den Fokus. Eine ausschließlich rezeptionshistorische Perspektive aber setzt ein idealtypisches Publikum voraus, das beide Verfilmungen kennt und muss mit Erwähnungen der Vorgängerfilme in Rezensionen arbeiten.32 Die wohl populärste Bestimmung des Remakebegriffs rekurriert auf die 27 28 29 30

Verevis 2006. Vgl. Oltmann 2008, S. 61ff. Simonet 1987. Den Verweis auf das Urheberrecht als auch die Betonung der Remakes als rezeptionsästhetische (und damit historische) Phänomene verdanke ich den präzisen Überlegungen Michael Schaudigs, vgl. Schaudig 1996. 31 Ausführlich hierzu, vgl. I. 4.2 Verkaufspraxis: Die Ufi i. L. und ihre Firmen, S. 99–106. 32 Thomas Simonet weist anhand von Filmrezensionen nach, dass »recycled scripts« kein Phänomen des New Hollywood sind, sondern in den 1940er Jahren quantitativ deutlich dominanter waren, vgl. Simonet 1987. Diese Vorgehensweise der Zählung ohne Filmsichtung wird ebenso zu Recht kritisiert wie die daraus resultierende Abhängigkeit vom Standpunkt des Rezensenten, vgl. Oltmann 2008, S. 87. Auch in den 1950er Jahren verschwinden die Hinweise auf Vorgängerfilme in den Kritiken am Ende der Dekade, vgl. I. 2. Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik, S. 52–70.

»Mit den Remakes […] ist es ein weites Feld«

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Wiederverwendung des Stoffes oder der Story. Katrin Oltmann hat die narratologische Definition der Remakes als »all diejenigen Produktionen, die die Story eines früheren Kinofilms (des weiteren als ›Premake‹ bezeichnet) für das Kino wiederverfilmen« präzisiert.33 Ihre Definition historisch eingrenzend, wären für diese Arbeit Remakes zunächst all jene Filme, die einen Tonfilm, der vor 1945 für das Kino produziert wurde, neu verfilmen. Doch müssten dann sämtliche Vorgängerfilme aus der späten Weimarer Republik analysiert werden und es bleibt offen, warum Stummfilme ausgegrenzt werden würden.34 Darüberhinaus ist die Verbindung zwischen Premake und Remake bei Oltmann an einen nicht näher erläuterten Story-Begriff geknüpft. Obgleich eine Reihe von Beiträgen zur Filmnarratologie und damit auch zur Story vorliegen,35 bleibt unklar, wie weit Remakes verändert werden dürfen, damit die Verbindung zwischen den Filmen bestehen bleibt. Die Differenzen zwischen Premake und Remake innerhalb des Filmkorpus sind beträchtlich und reichen von detaillierten Übernahmen bis zu Neukonzeptionen der Handlung. Weil die Interdependenz ungeklärt ist, trifft sogar Ulrich J. Klaus, dessen Arbeiten eine der wichtigen Grundlagen zur Ermittlung des Filmkorpus waren, widersprüchliche Aussagen über »weitere Verfilmungen«.36 In Anbetracht der geringen zeitlichen Differenz, die im Untersuchungszeitraum zwischen Premake und Remake selten mehr als 20 Jahre beträgt, erscheint es plausibel, pragmatisch Bezüge zu suchen und Kriterien für die Aufnahme in das Filmkorpus zugrunde zu legen: (1) wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Stories der Filme bzw. Übernahme der Hauptfiguren und -konflikte, (2) die nachweisbare Übertragung von Urheberrechten, (3) beide Filme beziehen sich auf die gleiche Vorlage,

33 Oltmann 2008, S. 26, Kursivsetzung im Original. 34 Nicht berücksichtigt in dieser Begriffsdiskussion wurde bis jetzt der Bezug auf Stummfilme. Die Einführung des Tonfilms löste international die erste Zunahme von Wiederverfilmungen aus, die filmgeschichtlich konstatiert wurde. Ob und wie diese Filme als Remakes zu analysieren wären, müssen weitere Studien klären, welche die neue Form des audiovisuellen Mediums reflektieren, vgl. Müller 2003, S. 385ff. In dieser Untersuchung bleiben etwaige Stummfilme – wie eben das Kino der Weimarer Republik insgesamt – außen vor. 35 Vgl. u. a. Verstraten 2009, Kuhn 2011. 36 Klaus 1988–2006, 15 Bde. Er notiert bei Kirschen in Nachbars Garten (1956/ 1935, Engels): »[E]in Vergleich der Inhaltsangaben beider Filme [lässt] keinerlei Rückschlüsse darauf zu, daß es sich um eine Neuverfilmung des gleichen Stoffes handelt«, vgl. Klaus 1995, S. 101. Das abseits des Titels ohne Bezüge bleibende Remake von Waldwinter (1936/1956) listet Klaus dagegen unkommentiert als »weitere Verfilmung«, vgl. Klaus 1996, S. 224. Innerhalb der Filmhandlung erscheint hier irgendeine Bezugnahme ebenso unmöglich – jenseits des Erwerbs der literarischen Vorlage von Paul Keller, die jeweils den Vorspann ziert und als juristisches Kriterium fungieren könnte.

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Einleitung

(4) der Verweis auf den Vorgängerfilm im Vorspann oder den Ankündigungen bzw. Rezensionen. Die Erfüllung eines dieser Kriterien klassifiziert einen Film in dieser Arbeit als Remake. Damit wird das Gesamtfilmkorpus partiell für sogenannte non-Remakes geöffnet, bei denen die Verbindungen der Filme auf Titel und Personennamen und kleinere Verweise beschränkt sind.37 Es handelt sich hierbei um wenige Filme, die durch die Nennung der gleichen Vorlage oder durch einen Verweis im Vorspann zu Remakes werden.38 Die weite Bestimmung ist Basis der erhobenen Zahlen, nicht der systematischen Analyse. Die Differenzierungen und Erklärungen zu einzelnen Filmen und auch nicht aufgenommene »Remakes« sind im kommentierten Anhang dokumentiert. Die Arbeit versteht sich in diesem Zusammenhang als filmhistorischer, nicht als filmtheoretischer Beitrag.

3.2

Deutschsprachige Filme aus der NS-Zeit in den 1950er Jahren

Nach der Klärung des Remakebegriffs sind die Fragen nach dem Untersuchungszeitraum und der Herkunft der Remakes und Vorgängerfilme offen. Aufgrund der langen Planungszeiten ist bereits der Beginn einer »NS-Filmproduktion« schwer zu datieren. Auch nach den Übergangsjahren 1933 bis 1936 kann von einem einheitlichen, staatlich gelenkten, homogenen NS-Kino kaum die Rede sein. Peter Zimmermann und Kay Hoffmann konstatieren sehr zutreffend: »So einflussreich die Propaganda der Nationalsozialisten auf dem Filmsektor auch war, eine pauschale Charakterisierung des deutschen Films dieser Zeit als ›NS-Film‹ oder ›Nazi Cinema‹ wird der Entwicklung doch nicht gerecht […].«39 Zentral ist hier nicht nur die Kontinuitätslinie zum Film in der Weimarer Republik oder die Wechselwirkungen mit amerikanischen Filmen, die bis zum Einfuhrverbot 1941 das deutsche Kinoprogramm mit prägten, sondern auch die Entwicklung des Films und der Genres im Kino der NS-Zeit. Noch problematischer wird die Bestimmung des »NS-Films« in Bezug auf die Filmschaffenden. Welche Abgrenzungskriterien sollen hier tragen? Soweit die 37 »Occasionally, there are nonremakes. These movies retain the title of a familiar story and/or the name of its well-known author – for commercial purposes – but otherwise, give the viewer an entirely new plot, which has a premise somewhat similar to the original one«, Druxman 1975, S. 15. 38 Sie auszugrenzen, ist problematisch, da – wie erläutert – eine rein narratologische Bestimmung des Gesamtfilmkorpus nicht möglich ist. Sie würde zudem den Blick für die unterschiedlichen Bearbeitungen der Vorlagen von Remakes und Vorgängerfilmen trüben. 39 Zimmermann / Hoffmann 2005, S. 38.

»Mit den Remakes […] ist es ein weites Feld«

29

Filme in Deutschland zugelassen und vorgeführt wurden, sind sie Bestandteil des Filmkorpus an Vorgängerfilmen, der damit auch einige Filme verfolgter jüdischer Filmkünstler aufnimmt. Der Zeitraum des Korpus umfasst die Jahre 1933 bis 1945 und schließt Überläufer und im NS verbotene Filme in die quantitative Erfassung mit ein, wenn sie nach 1945 uraufgeführt wurden. Ab 1949 ist der zeitliche Rahmen durch die Remakeproduktion selbst bestimmt: Die Eckdaten sind die Regierungszeit Konrad Adenauers als deutscher Bundeskanzler, die aus der Produktionspraxis resultieren. 1949 entsteht das erste Remake in der Bundesrepublik, bis zur Mitte der 1960er Jahre verebbt die Produktion beinahe vollkommen. Auch die Herkunft der Filme fasst diese Studie weit: Ab Mitte der 1950er Jahre laufen zahlreiche Remakes österreichischer Provenienz überaus erfolgreich beim deutschen Kinopublikum. Auch Filme der 1930er Jahre aus Österreich wurden in der Bundesrepublik neu inszeniert. Die Trennung der deutschen und österreichischen Filmproduktion war eine politische Entscheidung im Zuge der nationalistischen Autarkiebestrebungen nach Einführung des Tonfilms. Mit der Veränderung in der Kontingentverordnung von 1932 war ein »deutscher Bildstreifen« nicht mehr durch die deutsche Sprache, sondern durch die deutsche Staatsangehörigkeit der Filmhersteller definiert.40 Die politischen Rahmenbedingungen beeinflussten die Produktionsprozesse mehr als die Rezeption. Dem deutschen Filmpublikum waren über Jahrzehnte vor allem die Gesichter österreichischer Darsteller – man denke an Paul Hörbiger oder Hans Moser – geläufig.41 Die personellen Verflechtungen der österreichischen und der deutschen Filmproduktion in den 1930er Jahren42 wirken in den 1950er Jahren fort.43 Für die Remakes der 1950er Jahre und ihre Vorgängerfilme ist daher eine deutschösterreichische Trennung problematisch, was andererseits nicht bedeuten soll, dass hier unreflektiert die österreichische Filmproduktion als deutsche deklariert würde. Der Schweizer Filmmarkt kann hier vernachlässigt werden, es finden sich nur zwei Remakes sowie eine österreichisch-schweizerische Coproduktion.44 Diese Studie erfasst sämtliche deutschsprachige Vorgängerfilme und Remakes. Im Anhang sind sie umfassend dokumentiert. Hier finden sich auch 40 Ausführlich hierzu: I. 5.5 Remakes aus Österreich, S. 126–131. 41 Ebenso sind Regisseure wie Ernst Marischka und G8za von Cziffra, Komponisten wie Alois Melichar oder Willy Schmidt-Gentner und Kameramann Hans Schneeberger mit dem deutschen Film untrennbar verwoben. 42 Vgl. Loacker 1999. 43 Zur Verbindung der österreichischen Nachkriegsproduktion sowohl mit der westdeutschen als auch der DDR-Filmgeschichte, vgl. u. a. Wauchope 2007. 44 Es sind Das Dreimäderlhaus (CH/A 1958, Ernst Marischka/ D 1936 Drei Mäderl um Schubert, Emo), Der Mustergatte (CH 1959, Suter/ BRD 1956, Ode/ D 1937, Liebeneiner) und An heiligen Wassern (CH 1960, Weidenmann/ D 1932, Waschneck).

30

Einleitung

Remakes jener Filme aus der späten Weimarer Republik, die für eine Übersicht über die Remakeproduktion in den 1950er Jahren zu erfassen waren, nicht aber im Mittelpunkt der Analyse stehen.45 Das ermittelte Filmkorpus steht dadurch für weitere Forschungsarbeiten zur Verfügung.

3.3

Die Remakes in Zahlen

Zwischen 1949 und 1963 entstanden in der Bundesrepublik und Österreich insgesamt 192 Remakes, die einen vor 1945 im Deutschen Reich uraufgeführten oder in deutscher Sprache gedrehten Tonfilm als Vorgänger haben. Von den 154 in der Bundesrepublik realisierten Remakes haben 106 einen Vorgängerfilm, der zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich uraufgeführt wurde. Hinzu kommen 33 Remakes aus Österreich, die ebenfalls einen NS-Vorgängerfilm aufweisen. Insgesamt haben also 139 Remakes aus der BRD und Österreich einen Vorgängerfilm aus der NS-Zeit. 132 Filme waren zunächst das ermittelte Gesamtfilmkorpus dieser Arbeit. Abgezogen wurden drei Remakes, deren Vorgängerfilme nicht vollendet wurden,46 da sie aus Publikumsperspektive keine Remakes sein konnten, und solche, deren Vorgängerfilme noch vor Beginn des Verleihjahres 1933/34 uraufgeführt wurden.47 Im systematischen Teil weitgehend außen vor gelassen, werden auch die einzelnen Remakes von Operetten, sodass sich die Zahl der analysierten Filme noch einmal stark reduziert. Am Beginn der 1950er Jahre dominierten Wiederaufnahmen bereits verfilmter Operetten. Die Analyse der Wandlungsprozesse von Operetten und Filmoperetten im Wandel müssen stärker musikwissenschaftlich ausgerichtete Arbeiten leisten, die auf die Spezifika des Genres näher eingehen.48 Diese filmhistorisch ausgerichtete Studie stellt die verfilmten Operetten darum nur im Teil der Referenzen bzw. vereinzelt vor, analysiert sie jedoch nicht in übergreifender systematischer Perspektive und lässt damit eine 45 Vgl. IV. Anhang: Kommentierte Auflistung der Remakes (CD im Buch). Die Ausführungen zu den Remakes mit Vorgängerfilmen aus der NS-Zeit sind oft genauer, da sie das untersuchte Filmkorpus dieser Studie sind. 46 Meine Nichte Susanne (1950), Das seltsame Leben des Herrn Bruggs (1951), Tierarzt Dr. Vlimmen (1956). 47 Die blonde Christl (1933/ 1950 Der Geigenmacher von Mittenwald), Blume von Hawaii (1933/1953), Die Regimentstochter (A/D 1933/ A 1954), Die Unschuld vom Lande (1933/ 1957). Exemplarisch wird die Übergangszeit an Die Blume von Hawaii (1933, Oswald) in der Vorstellung der Operetten noch einmal erörtert, vgl. II. 1.1 Operette, Singspiel, musikalisches Lustspiel, S. 137. 48 Die Untersuchung des Wandels der Operette im Film von den 1930er Jahren bis zum Ende der 1950er Jahre erscheint mir kultur- und medienwissenschaftlich nur solide, wenn er im Verhältnis zu den historischen Entwicklungen der Bühnenoperette und mit musikwissenschaftlichem Werkzeug diskutiert wird.

31

»Mit den Remakes […] ist es ein weites Feld«

bedauerliche Lücke in der Filmgeschichtsschreibung der 1950er Jahre fortbestehen.49 Dem Filmkorpus liegen folgende Zahlen zugrunde: Jahr

in der BRD produzierte Remakes gesamt

davon: Remakes von Filmen 1933–45

eingeführte österreichische Remakes gesamt

1949 3 1 1950 8 7 1951 3 2 1 1952 10 2 3 1953 21 14 1 1954 15 11 3 1955 20 15 8 1956 17 16 6 1957 17 12 8 1958 11 8 3 1959 9 7 1 1960 6 2 1961 6 4 1 1962 4 3 2 1963 4 2 1 gesamt 154 106 38 Tabelle 1: Deutschsprachige Remakes 1949–196351

davon: österreichische Remakes von Filmen 1933–4550

Filmkorpus

3 3 6 5 8 3 1 1 2 1 33

1 5 1 5 13 13 21 21 18 11 8 2 5 5 3 132

Folgt man den Zahlen der vorangestellten Tabelle, machen Remakes durchschnittlich einen Anteil von zehn Prozent der Gesamtfilmproduktion aus.52 Dabei wird ebenso auf Vorgängerfilme aus der NS-Zeit und der späten Weimarer Republik zurückgegriffen. Ungewöhnlich hoch ist die Zahl der Vorgängerfilme vor 1933 im Uraufführungsjahr 1952, in dem zahlreiche Operetten und Büh49 Aufgrund der Popularität des Genres wird in der Detailanalyse von 1934 Frühjahrsparade/ 1954 Die Deutschmeister die Wahrnehmung des Films als Operette (jedoch ohne Vorlage) diskutiert. Sehr richtig wird in Rezensionen etwa jüngst zur Publikation anlässlich der Retrospektive in Locarno (Dillmann / Moeller 2016) angemerkt, dass Analysen zum Musikfilm fehlen, vgl. u. a. Prinzler 2016. Erhellend wird sicher – wenn auch mit dem Schwerpunkt Schlagerfilm und nicht Operette – der in diesem Jahr erscheinende von H. J. Wulff und Michael herausgegebene Band Musik gehört dazu. Der deutsch-österreichische Schlagerfilm im Kontext seiner Zeit sein. Zum (deutschen) Verhältnis Operette und Schlager und Abgrenzungen, vgl. Mend&vil 2008, S. 192ff. Zum Schlagerfilm, vgl. Schulz 2012. 50 Ohne deutsch-österreichische Coproduktionen. Diese wurden bereits als westdeutsche Remakes gezählt. 51 Eigene Auszählung. Die Zuordnung der Filme zu den Jahren richtet sich nach der Uraufführung in der BRD. 52 Ausführlichere Auswertung der Zahlen, vgl. I. 5.2 Remakes innerhalb der Entwicklung des Filmangebots, S. 119–121.

32

Einleitung

nenschwänke noch einmal verfilmt wurden – u. a. Die Försterchristl (1952/ 1931), Das Land des Lächelns (1952/1930), Der keusche Lebemann (1952/ 1931), Pension Schöller (1952/1930). Andererseits war zwei Jahre zuvor beinahe die gesamte Remakeproduktion von Rückgriffen auf Filme der NS-Zeit geprägt. Dass die Vorgängerfilme aus der Weimarer Republik bis zum Beginn der 1960er Jahre erscheinen, hängt auch mit einigen Mehrfachverfilmungen zusammen.53 Eine Systematik der Rückgriffe auf Produktionsjahre der politischen Systeme lässt sich zunächst nicht entwerfen.54

4.

Aufbau und Methodik der Arbeit

Die Remakes der 1950er Jahre sind Teil des bundesdeutschen Publikumskinos. Abseits der berechtigten Diskussion um die politische Funktionalität des Unterhaltungskinos begreife ich Spielfilme als ästhetischen Ausdruck verschiedener Filmschaffender für ein breites Filmpublikum unter spezifischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Bedingungen.55 Das heißt konkret, die Remakes werden als künstlerisch intendierte, filmische Neuinszenierungen und Gemeinschaftsarbeiten etwa der Drehbuchautoren, Regisseure, Kameramänner verstanden. Es geht dementsprechend nicht um einen Vergleich von Drehbüchern, sondern von Spielfilmen für das Kino, um filmische Inszenierungen im historischen Kontext. Die Remakes zielten auf ein breites Publikum ab. Das bedeutet nicht, dass jeder Film ein Kassenerfolg war, wie auch Jens Eder am Beginn seiner Dramaturgie des populären Films betont.56 Produktion und Rezeption – und damit auch die Filme selbst – sind dabei von ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Diese Überlegung zum Unterhaltungsfilm strukturiert das analytische Vorgehen: Die Untersuchung ist in einen historischen Teil (I), einen systematischen Teil (II) und einen dritten Teil mit drei Detailanalysen (III) gegliedert. Im historischen Teil wird die Remakeproduktion in ihren strukturelle Rahmenbedingungen untersucht, der Filmpolitik, dem Urheberrecht und dem 53 Etwa Der wahre Jakob (1960/1950/1931) oder Ach Egon! (1961/ 1953/1932 Hurra, ein Junge!). 54 Ausführlicher, vgl. I. 1.2 Remakes von 1945 bis 1963 und ihre Vorgängerfilme, S. 46–51. 55 Aufgrund der Dichotomie zwischen Film als Kunst und Film als Ware habe ich mich hier für die Formulierung »ästhetisch« statt »künstlerisch« entschieden, die im Sinne Baumgartens als »sinnliche Erkenntnis« zu verstehen sei. 56 »Der populäre oder mainstream-Film als Gattung umfaßt alle Spielfilme, die durch die Verwendung konventioneller Mittel auf Popularität bei einem großen Publikum und auf kommerziellen Erfolg hin angelegt sind. Damit gehören zum populären Film – scheinbar paradoxerweise – auch Flops«, Eder 1999, S. 6.

Aufbau und Methodik der Arbeit

33

Filmmarkt. Zunächst soll geklärt werden, ob die zahlreichen Remakes in den 1950er Jahren ein Spezifikum innerhalb der deutschen Filmgeschichte waren. In einem weiteren Schritt wird die zeitgenössische publizistische Diskussion über Remakes analysiert. Bereits von zeitgenössischen Kritikern wurde den Remakes eine »Spekulation auf historische Filmgeschäfte« unterstellt,57 ein direkter Verweis zu den politischen und ökonomischen Bedingungen der Remakeproduktion. Konträr zur Filmproduktion im Nationalsozialismus ist die der 1950er Jahre – nach alliierten Vorgaben – dem direkten staatlichen Zugriff entzogen. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, die Remakeproduktion im Zusammenhang mit den indirekten Fördermaßnahmen der Bundesregierung (Bürgschaftsprogramme, Filmpreise, Prädikate) und der Ufi-Liquidation zu diskutieren, die als politische Rahmenbedingungen Einfluss nahmen. Die Filmstoffverwaltung der Ufi i.L. war die maßgebliche Instanz für die Übertragung der Rechte. Da es bis 1965 in der Bundesrepublik kein einheitliches Filmurheberrecht gab, werden zunächst theoretisch die verschiedenen Rechte geklärt, die übertragen werden konnten oder mussten. Auf Basis der Aktenlage des Ufa-Ufi-Bestandes im Bundesarchiv und der juristischen Auseinandersetzungen, die in Fachzeitschriften dokumentiert wurden, werden die Rechteverkäufe, Verhandlungen, Gerichtsprozesse und die monetäre Bewertung der Urheberrechte exemplarisch vorgestellt. Abschließend soll der Einfluss des Filmmarkts auf die Produktion von Remakes ausgelotet werden: Kann die westdeutsche Remakeproduktion ausschließlich aus einer Gewinnspekulation der Produzenten und Verleiher – also stringent wirtschaftlich – erklärt werden?58 Der systematische Teil ist dem umfangreichen Filmkorpus gewidmet. Analysiert wird die Remakeproduktion der 1950er Jahre in synchroner Perspektive. In einem ersten Schritt werden zunächst die Referenzen der Filme in der Literatur und auf der Bühne ausgewertet. So können die kulturellen Referenzen identifiziert und geklärt werden, welche Zeiten und Traditionen der populäre Film der NS-Zeit (und damit auch die Remakes) aufgriff. Im Zentrum stehen im systematischen Teil die Remakes, jener ästhetische Ausdruck verschiedener Filmschaffender für das Filmpublikum unter spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen. In Anlehnung an die Forschungen der Kulturgeschichtsschreibung und die Produktionszahlen wird im systematischen Teil die Remakeproduktion in drei Phasen gegliedert: die frühen Remakes (1949

57 »Das neue Programm der alten Filme«, in: FP, Nr. 25, 30. 06. 1955, 7. Jg. 58 In der Geschichte der Medienökonomie werden die Remakes etwa primär aus technischen Veränderungen und ökonomischen Erwägungen erklärt, vgl. Mühl-Benninghaus / Friedrichsen 2012, S. 175.

34

Einleitung

bis 1953), die mittlere Phase (1954 bis 1956), die den quantitativen Höhepunkt markiert, und die Jahre ab 1957, in denen die Remakeproduktion abflaut.59 Die wiederholt aufgegriffenen Themen, inhaltlichen und dramaturgischen Tendenzen sind hier von Interesse, die mit Blick auf die Vorgängerfilme ebenso befragt werden können wie die Inszenierungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, Generationen und Modernisierungsprozessen. Letztere werden aufgrund der Begriffsgeschichte und dem Blick vom Remake zurück zum Vorgängerfilm eher als Aktualisierungen beschrieben und konkretisiert. Überlegungen zu generationellen Veränderungen des Publikums können erst am Ende des Jahrzehnts mit einbezogen werden. Filmanalytisch sinnvoll ist es dennoch, sämtliche Remakes auf der Handlungsebene nach ihren generationellen Konstellationen und Konflikten zu untersuchen. Zumeist erscheinen eine ältere und eine jüngere Generation in den Filmen, die aber je nach Handlungszeit unterschiedlichen realgeschichtlichen Alterskohorten angehören können. Da davon auszugehen ist, dass die Spielfilme medial vermittelte Identifikationsangebote60 für ihr Publikum darstellten und zumeist mit der binären Unterscheidung von Alt und Jung arbeiten, meine ich in Bezug auf Filmfiguren mit Mannheim Lebensalter-Generationen.61 Innerhalb der zeitlichen Strukturierung erschien es sinnvoll, die Remakes aus Gründen der Übersichtlichkeit nach Genres zu bündeln. Knut Hickethier knüpft Genres an präzise Themen: Ist die Blüte des Heimatfilms bestimmt von der Identitätsfindung innerhalb der neuen Republik, der Kriegsfilm durch die Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit und einem neuen Verhältnis zum Soldatentum, so erlaubt die Filmkomödie einen distanzierten und zugleich belustigten Blick auf die Vielfalt der bundesdeutschen Verhältnisse, auf Autoritäten, Wertsetzungen und Geltungsansprüche.62

Die Remakeproduktion zwischen 1949 und 1963 durchstreift sämtliche Genres. Heimatfilme sind ebenso wie Komödien vertreten, Melodramen, Abenteuerund Kostümfilme etc. Diese Vielfalt entsteht erst in der Mitte des Jahrzehnts mit der quantitativen Zunahme der Remakes. Manche Filmgenres sind innerhalb des Gesamtfilmkorpus nur durch wenige Filme vertreten. Urlaub auf Ehrenwort etwa ist der einzige Kriegsfilm, Zirkusfilme finden sich lediglich zwei: Drei vom Varieté (1954, 1935 Varieté) und Geliebte Bestie (1959, 1939 Männer müssen so sein). 59 Schildt / Siegfried 2009. 60 Auch wenn der diffuse Begriff der »Identifikation« theoretisch nicht unproblematisch ist, kann er m. E. im Kontext der Generationszuschreibung plausibel verwendet werden. Zur Differenzierung, vgl. Smith 1995. 61 Zu den Ebenen des Generationenbegriffs, die Mannheim zusammen führt, vgl. Zinnecker 2003, S. 42f. 62 Hickethier 2009, S. 203.

Aufbau und Methodik der Arbeit

35

Präzise Themen an Einzelgenres und ihre Remakes zu knüpfen, ist so heikel. Auch sind die Genreabgrenzungen im deutschen Spielfilm unscharf, wie Anna Sarah Vielhaber für den deutschen Film im Vergleich zum Hollywood-Kino nachweist.63 Zudem sind Genres kaum klar voneinander abzugrenzen, da formallogische Kriterien zweifelhaft sind.64 Als »Klassifikationen unterschiedlicher Filme«, als »Verständigungsbegriffe« zwischen Produzenten und Publika, sind sie im historischen Wandel begriffen.65 Ein Heimatfilm der 1950er Jahre kann sich beispielsweise auf einen Vorgängerfilm beziehen, der zeitgenössisch einem anderen Genre zugeordnet wurde. Vortrefflich zeigt diese Verschiebung das Schwarzwaldmädel, das als Remake (1950, Hans Deppe) zu einem Prototyp des bundesdeutschen Heimatfilms avancierte.66 Der Vorgängerfilm (1933, Georg Zoch) wurde durch die populäre Vorlage Jessels als Operettenverfilmung wahrgenommen. Trotzdem sind Genrezuordnungen für den systematischen Teil als Orientierungs- und Ordnungskategorien sinnvoll. Sie binden die Remakes an den Forschungsdiskurs, in dem die Filme der 1950er Jahre als Genrekino untersucht wurden. Erkenntnisleitend ist in diesem Zusammenhang vor allem die Erkundung, welche Stoffe und Themen aufgegriffen und neu bearbeitet werden, die sich mit den Genres verbinden lässt. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ist eine der zentralen Fragen, wie die Filme ihre jeweilige Handlungszeit verhandeln und inszenieren. Sie ist eng verbunden mit dem Verhältnis von Erinnern und Vergessen im Prozess der Wiederverfilmung, mit Anknüpfung und Überschreibung. Idealtypisch kann man zunächst zwei Modi im Verhältnis zwischen Film und Handlungszeit feststellen: historische Filme und Gegenwartsfilme. Die Differenzierung zwischen der Verhandlung und der Inszenierung, die zwar aufeinander bezogen sind, ermöglicht eine wichtige Trennung: Die Inszenierungsebene ist geprägt von Ausstattung, Kostümen, Kameraarbeit und Musik. Mit dem Blick auf Inszenierungen zeitgenössischer Gegenwart lässt sich die These der Wirklichkeitsferne diskutieren und danach fragen, wie und wie lange der Spielfilm der 1950er Jahre an die bürgerlichen Ausstattungsstandards der NS-Zeit anknüpfte. Ihre Analyse achtet auch jene Schauwerte, die Johannes von Moltke als Charakteristikum des Heimatfilms konstatierte.67 Sie sind für den 63 64 65 66

Vgl. Vielhaber 2012, S. 41f. Ausführlich, vgl. Schweinitz 1994. Hickethier 2003, S. 63ff. David Bordwell erarbeitete die Idee der Filmgenres als »offen texturierte Konzepte, als ›fuzzy categories‹, die durch jeweils besonders einfluss- und erfolgreiche Filme und daher prototypische Filme im kulturellen Bewusstsein einer jeweiligen Epoche beherrscht werden«, Schweinitz 2006, S. 89. 67 Vgl. von Moltke 2005, S. 85ff.

36

Einleitung

Handlungsverlauf nicht funktional. In diachroner Perspektive kann so erstens analysiert werden, ob Schauwerte auch genreübergreifend spezifisch für die Filme der 1950er Jahre sind und zweitens, welche Charakteristika sie aufweisen. Die verhandelte Geschichte dagegen wird vor allem in Figuren, in Dialogen und Konfliktkonstellationen offenbar. Auch die nicht inszenierte, lediglich dialogisch wiedergegebene Vergangenheit der Filmfiguren ist dieser Ebene zuzuordnen. Insbesondere bei den Gegenwartsfilmen lässt sich so nach einer Verhandlung der jüngeren deutschen Geschichte im Verhältnis zur Inszenierung fragen.68 So kann auch geklärt werden, wie die jeweiligen Verweise auf Vergangenheit und Gegenwart im Film gewichtet sind. Welche Mittel der Inszenierung prägen die Remakes? Inszenierung und Verhandlung wirken aufeinander, was sich zum Beispiel an den Protagonisten und den damit verbundenen Fragen der Inszenierung von vorbildhafter Männlichkeit oder Weiblichkeit zeigt, die ebenfalls in Wechselwirkung stehen.69 Beide Ebenen sind verbunden, können sich verstärken oder einander entgegentreten – insbesondere in historischen Filmen.70 Der Überblick des systematischen Teils zielt darauf, Typisches und Spezielles aufzeigen. Die weiteren Differenzierungen leisten die Detailanalysen im dritten Teil dieser Arbeit. Während die Analyse des Gesamtfilmkorpus umfassend und über den gesamten Untersuchungszeitraum angelegt ist, wurden die Detailanalysen nach Fragen der Repräsentativität ausgewählt. Theoretisch orientieren sie sich an der Filmanalyse als Filmgeschichte, wie sie Werner Faulstich und Helmut Korte darlegten.71 Remake und Vorgängerfilm stehen nun gleichberechtigt nebeneinander.72 In diesem Teil werden die Transformationsprozesse in diachroner Perspektive analysiert. Remakes und Vorgängerfilme können in 68 Es gibt in den Remakes und in den Vorgängerfilmen überaus selten einzelne Rückblenden. Wenn überhaupt, dann sind vergangene Geschichten in einen Rahmen eingebettet, so dass die gesamte Filmhandlung eine einzige Rückblende ist, die durch den Rahmen wiederum in der Gegenwart verankert wird. 69 Kaspar Maase betont die »bedeutungsvollen Anderen« , die Interaktionsprozesse zwischen den Geschlechtern in seinen Überlegungen zur Etablierung eines jugendlichen Ideals männlicher Lässigkeit, vgl. Maase 2011, S. 200ff. 70 Beispielhaft ist hier die Spannung zwischen der historischen Ausstattung und den Kostümen eines Monarchiefilms und einer aktualisierten Sprache der handelnden Figuren: Mit »eine[m] Krach, dass die ganze Bude wackelt«, droht Prinz Albert etwa am Ende von Mädchenjahre einer Königin, Frank 2012, S. 128. 71 Das Konzept wurde von Faulstich und Korte für die Methodologie der Filmgeschichte entworfen. Insbesondere ihre Überlegungen zur Überprüfbarkeit und Kritik und der analytische Ansatz sind für diese Studie bedeutsam, vgl. Faulstich / Korte 1990, S. 7ff. 72 Im Wechsel zwischen synchroner und diachroner Perspektive dieser Arbeit erscheint eben diese Gleichberechtigung von Remake und Vorgängerfilm auch darum so wichtig, um das Originalitätsparadigma nun nicht umzukehren und die »NS-Vorgängerfilme« zu degradieren.

Aufbau und Methodik der Arbeit

37

ihren jeweils konkreten Entstehungsjahren und -bedingungen verortet, Bezüge zu Vorlagen, weiteren Bearbeitungen und Veränderungen etwa von Figurenkonstellationen, Nebenhandlungssträngen oder durch Neubesetzungen analysiert werden. So können sowohl Differenzierungen für jeden Einzelfilm vorgenommen als auch Kontinuität und Wandel untersucht werden. Um Zirkelschlüsse zu verhindern, konnte diese Auswahl nicht allein von den Befunden über das Gesamtfilmkorpus bestimmt werden. Aus den vorangestellten Überlegungen ergeben sich zwei Auswahlkriterien: Erstens müssen die Genreverortung wie auch die Verhandlung und Inszenierung von Zeit für die 1950er Jahre repräsentativ sein.73 Zweitens müssen die Filme – will man sie glaubhaft an soziokulturelle Diskurse der Zeit oder mit Schweinitz an »rezeptive Mentalität« rückbinden74 – erfolgreich im deutschen Kino ausgewertet worden sein. Der Erfolg von Filmen kann über die Filmerfolgslisten eruiert werden, die Joseph Garncarz systematisch auswertete.75 Hier fällt auf, dass zahlreiche populäre Remakes österreichischer Provenienz sind. Unter den drei Detailanalysen sollte daher wenigstens ein österreichischer Film vertreten sein und wenigstens ein Remake eines erfolgreichen und breit rezipierten NS-Vorgängerfilms.76 Theoretisch lässt sich so eine Auswahl treffen, die ein letztes Kriterium ignoriert: das Material. Während zumindest ein Großteil der Filme vor 1945 durch die Sammlung des Bundesarchiv/Filmarchivs, DVD-Editionen und durch Fernsehmitschnitte zur Verfügung steht, ist die Situation für die Filme der 1950er Jahre umgekehrt. Das ändert sich seit 2014 partiell durch die DVD-Reihe »Filmjuwelen«, in der verschiedene Verfilmungen des gleichen Stoffes gemeinsam veröffentlicht werden. Aufgrund der fehlenden Abgabeverpflichtung von Filmproduzenten sind jedoch zahlreiche Remakes allenfalls als Fernsehmitschnitte verfügbar, bei denen Eingriffe durch die Sender etwa zur Anpassung an Sendezeiten lediglich über den Einzelabgleich mit den FSK-Prüfkarten nachvollziehbar wären. Bei einem so umfangreichen Projekt ist die daraus resultierende Ungenauigkeit nicht vollständig zu umgehen, aber zumindest bei den Detailanalysen sollten die Filme in den dokumentierten Schnittfassungen ihrer Entstehungszeit vorliegen. 73 74 75 76

Dem systematischen Teil entsprechend sollte ein historischer Film in der Auswahl sein. Schweinitz 2006, S. 85. Garncarz 2013. Die Bestimmung eines »erfolgreichen NS-Films« ist etwas komplizierter, da insbesondere im Bereich des »staatspolitisch besonders wertvollen Films« nicht nur die staatlich geförderte Kopienzahl, sondern vor allem auch die subventionierte Auswertung etwa in Jugendfilmstunden, Sondervorführungen, Vorführungen für die Wehrmacht etc. die Einschätzung verzerrt. Eine Orientierung ist die Aufstellung populärer deutscher Filme Vielhabers, die aber bis Mitte der 1930er Jahre lediglich die ersten drei Plätze der deutschen Filmerfolge (ohne Einspielergebnisse) listet, vgl. Vielhaber 2012, S. 188f.

38

Einleitung

Alle drei Remakes entstanden in der Mitte des Jahrzehnts, auf dem quantitativen Höhepunkt der deutschen und österreichischen Remakeproduktion. Es sind der Musik- bzw. Kostümfilm Frühjahrsparade/ Die Deutschmeister (A HU 1934/35, G8za von Bolv#ry/ A 1955, Ernst Marischka), Der Herrscher/ Vor Sonnenuntergang (1936, Veit Harlan/ 1956, Gottfried Reinhardt) und schließlich ein Heimatfilm, Schloss Hubertus (1934, Hans Deppe/ 1954, Helmut Weiß). Sie waren Erfolgsfilme. Sowohl der österreichische Film Die Deutschmeister als auch die Ostermayr-Produktion Schloss Hubertus sind in den Top Ten der zeitgenössischen Filmerfolgslisten,77 Vor Sonnenuntergang gewann den Goldenen Bären bei der Publikumsabstimmung der Berlinale. Die Vorgängerfilme indes spiegeln das breite Spektrum der »NS-Filmproduktion« und ihren Bedingungen Mitte der 1930er Jahre: Während Frühjahrsparade, eine unabhängige ungarisch-österreichische Produktion, nur mühsam zur Auswertung gebracht wurde, war Schloss Hubertus nicht nur als »künstlerisch wertvoll« prämiert, sondern ist als Film der Ostermayr-Produktion zugleich Beispiel für eine Kontinuität des deutschen Heimatfilms im Wandel der Jahrzehnte. Mit Der Herrscher, »staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll«, steht ein Vorgängerfilm im Mittelpunkt, der erstens propagandistisch umworben wurde und zweitens – mit Blick auf das zugrundeliegende Schauspiel Gerhart Hauptmanns und seine Inszenierung von Max Reinhardt – die Ambivalenzen der Zeit aufscheinen lässt. Als Gottfried Reinhardt 1956 Vor Sonnenuntergang verfilmt, ist den Kritikern die Referenz zum Schauspiel deutlich wichtiger als der Vorgängerfilm. Filmanalyse avanciert hier auf personeller Ebene zur Kulturgeschichte und offenbart nicht nur das Nebeneinander vergangener und neuer Kultur, sondern gleichsam filmhistorische Fragen des Erinnerns und Vergessens.

77 Garncarz 2013, S. 188f.

I.

Historischer Teil

Die strukturelle Analyse der Remakeproduktion klärt erstens, wie die Remakes in der deutschen Filmgeschichte zu verorten sind. Zweitens wird die zeitgenössische Diskussion analysiert, die Aufschluss über die (publizistische) Wahrnehmung der Remakes im Jahrzehnt gibt. Schließlich werden die Rahmenbedingungen der Remakeproduktion – Filmpolitik, Urheberrecht und Filmmarkt – vorgestellt, um zu klären, ob die zahlreichen Remakes der 1950er Jahre stringent medienökonomisch begründet werden können.

1.

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

Remakes sind bereits seit Anbeginn des abendfüllenden Spielfilms Bestandteil der internationalen Filmgeschichte.1 Im Überblick macht die Einbettung der deutschen Remakes in internationale Filmgeschichte zunächst die Parallelen sichtbar : Ein erster deutlicher Anstieg der Wiederverfilmungen bereits realisierter Stoffe findet in den 1930er Jahren durch die technische Umstellung vom Stumm- zum Tonfilm statt. Die Gründe liegen auf der Hand: Mit der Etablierung des Tonfilms werden innerhalb relativ kurzer Zeit Stummfilme obsolet.2 Doch die Ideen, Stoffe und Drehbücher, gegebenenfalls sogar die Verfilmungsrechte an literarischen Vorlagen stehen den Produzenten weiterhin zur Verfügung. Ein zweiter Anstieg von Wiederverfilmungen folgt sowohl auf dem deutschen als auch etwa auf dem US-amerikanischen Filmmarkt mit der Etablierung des Farbfilms und den veränderten filmpolitischen Vorgaben: In den USA sind hier vor allem die Entscheidung des Supreme Court zum Paramount case 1948 und die Veränderungen im Production Code zu nennen,3 in Deutschland stichwortartig die Ufi-Liquidation und der Wiederaufbau der privatwirtschaftlichen 1 Einen Überblick gibt das Kompendium von Manfred Hobsch, vgl. Hobsch 2002. 2 Vgl. u. a. Müller 2003, Mühl-Benninghaus 1999. 3 Ausführlich dazu, vgl. u. a. Oltmann 2008, S. 61ff.

40

Historischer Teil

Filmindustrie.4 Anders als die Geschichte der US-amerikanischen Remakeproduktion ist die der deutschen bis dato kaum erforscht.

1.1

Überblick: Remakes der 1930er Jahre

Eine Geschichte der 1930er-Jahre-Remakes muss exemplarisch argumentieren. Denn auch wenn ein Remakeboom nach Einführung des Tonfilms offensichtlich filmhistorischer Konsens ist,5 findet sich wenig Konkretes. Ein Blick in die Forschungsliteratur offenbart den Grund. Hier produziert die enge Bindung der Filmgeschichte an politische Zäsuren blinde Flecken. Die Studien zum frühen Tonfilm fokussieren eher den Wandel als die Kontinuität sowie filmästhetisch oder dramaturgisch die Spezifika der neuen filmischen Möglichkeiten des Kinos in der späten Weimarer Republik.6 Die Forschungarbeiten zum NS-Kino erhellen durchaus die filmhistorischen Linien zum Unterhaltungskino der Weimarer Republik,7 aber Remakes als Teil der Produktionspraxis bleiben weitgehend ausgeklammert. Das hängt auch mit der Frage zusammen, was im Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm als Remake gelten kann. Es lässt sich plausibel argumentieren, dass die technischen Transformationsprozesse derart tiefgreifend in die Filmgestaltung wirken, dass von einem Remake möglicherweise nicht mehr zu sprechen sei. Andererseits gilt auch hier : Ein Großteil der stummen Vorgängerfilme entsteht Ende der 1920er Jahre, sodass rezeptionshistorisch die Kenntnis des Publikums unterstellt werden kann, zumal eine Reihe von Filmen zu finden sind, die sich auf populäre Bühnen- oder Romanvorlagen beziehen. Die Rechte an den Drehbüchern in den 1930er Jahren lagen meist bei den Autoren oder den Produzenten.8 Sollten die Stoffrechte vom Autor nur für eine einmalige Verfilmung übertragen worden sein, war die Situation relativ übersichtlich. So mussten primär die Weltverfilmungsrechte geklärt werden, die dann neu zu erwerben waren. Musikrechte blieben selbstredend außen vor. Bearbeiter-Urheberrechte wurden – vermutlich ebenfalls aufgrund der medialen Eigenarten von Stumm- und Tonfilm – in zeitgenössischen Abhandlungen zum Filmrecht nicht thematisiert.9 Auch Probleme mit den Auswertungsrechten er4 Ausführlich dazu, vgl. I. 3. Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion, S. 70–92 und 5. Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft, S. 113–131. 5 Vgl. u. a. Manderbach 1988, S. 18, Schaudig 1996, S. 300. 6 Vgl. u. a. Müller 2003, Korte 1998. 7 Vgl. Moeller 1998, S. 153f., Pohl 2010, S. 48ff. 8 Ausführlich zu den Urheberrechtsarten, vgl. I. 4.1 Theorie: Der Rechteerwerb bei Neuverfilmungen, S. 94–99. 9 In seiner Dissertation von 1934 verweist Hans Kiesewetter auf den erneuten Erwerb des Rechts

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

41

gaben sich aufgrund der technischen Umstellung auf den Tonfilm selten – abgesehen von wenigen dokumentierten Ausnahmen in der Übergangszeit.10 Die Konkurrenz der Verfilmungen, die für die Remakeproduktion durch die Reprisenauswertung in den 1950er Jahren wichtig ist und juristische Konsequenzen zeitigte, ist hier nicht zu finden.11 Anders als bei Tonfilmremakes aber waren deutlich mehr Umarbeitungsprozesse vonnöten, die einen wirtschaftlichen Mehraufwand bedeuteten. Die Remakes nach der Tonfilmumstellung werden entsprechend durch das »Fehlen geeigneter Drehbücher« erklärt.12 Mögen unter den »deutschen StummfilmKlassikern […] nur wenige Filme einem Tonfilm-Remake [widerstanden haben]«,13 ermöglicht der flüchtige, statistisch keinesfalls vollkommen belastbare Blick auf die Gesamtheit des ersten Produktionsjahrzehnts nach Einführung des Tonfilms in Deutschland interessante Rückschlüsse.14 Remakes machen in diesem Zeitraum stets weniger als 10 Prozent der Gesamtfilmproduktion aus, selbst wenn deutsche Remakes von Filmen aus anderen Ländern berücksichtigt werden. Im Durchschnitt sind lediglich 6,7 % der neu produzierten Filme Remakes. Konstant finden sich bis 1939 Remakes von Stummfilmen aus anderen Länder (vor allem der USA und Großbritannien, aber auch Schweden und Frankreich und einmal Italien)15 :

10

11 12 13 14

15

an der literarischen Vorlage durch das »Wilhelm-Busch-Urteil« des Reichsgerichtshofs vom 16. 2. 1929, in dem es um die Übertragung von Urheberrechten zunächst für Printzwecke und dann für Rundfunkausstrahlungen ging. Hier wurde entschieden, dass neue Auswertungsrechte beim Urheber des Werkes bzw. dessen Erben verbleiben. Andere Kategorien des Rechteerwerbs tauchen aber hier noch nicht auf, vgl. Kiesewetter 1934, S. 35; vgl. auch von Hartlieb 1957, S. 45. Ein kurioses Beispiel ist die publikumswirksame Auswertung der Neuverfilmung von Atlantide (F 1932, Benotte) im Pariser Les Miracles: Durch diese animiert, setzten die Rechteinhaber des Stummfilms (F 1921, Feyder) die »sensationelle Reprise« im Gaumont Palace ins Programm, was zu einem Rechtsstreit führte, vgl. »Stumme Atlantide gegen Tonfilm«, in: FK, Nr. 165, 15. 7. 1932, 14. Jg. Vgl. I. 4. Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren. S. 92–113. Mühl-Benninghaus 1999, S. 225. Schaudig 1996, S. 300. Der Überblick stützt sich auf die Angaben der Bände von Ulrich J. Klaus und die von ihm angegebenen weiteren Verfilmungen, bei denen es sich nicht um Sprachversionsfilme handelt, vgl. Klaus 1989–2000. Hier sind unter Umständen auch österreichische Produktionen gelistet, die auf dem deutschen Markt nicht mehr ausgewertet werden konnten. Die Tendenzen aber lassen sich auch mit diesen Abweichungen erkennen. Deutsche Remakes von Filmen aus anderen Ländern wurden nur als solche gezählt, wenn es zwischen beiden Filmen keinen deutschen Stummfilm gab.

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Historischer Teil

Anteil deutscher Deutsche Deutsche Verzeichnete Deutsche Remakes von Remakes von Remakes Remakes Tonfilme von Stumm- Stummfilmen Stummfilmen aus von gesamt aus anderen filmen aus Stumm(exklusive Deutschland an Deutschland Ländern (ab Jahresproduktion filmen Märchenfilme) 1932 inkl. A)16 insgesamt 145 6 5 1 3,4 %

1929/ 30 1931 195 11 1932 168 14 1933 136 9 1934 153 6 1935 131 14 1936 142 11 1937 116 13 1938 123 12 1939 116 4 1940 87 4 1941 73 2 gesamt 1585 106 Tabelle 2: Deutsche Remakes 1930–194117

9 9 9 4 12 10 11 10 2 4 2 87

2 5 2 2 1 2 2 2 19

4,6 % 5,4 % 6,6 % 2,6 % 9,2 % 7,0 % 9,5 % 8,1 % 1,7 % 4,6 % 2,7 % 5,5 %

Andersherum werden von den 1930er bis in die 1960er Jahre eine ganze Reihe deutscher Tonfilme in anderen Ländern adaptiert. Wobei hier als auch bei den Remakes von Stummfilmen aus anderen Ländern im Einzelfall entschieden werden müsste, ob es sich tatsächlich um eine Remake oder eine Verfilmung der gleichen Vorlage handelt. In den 1930er Jahren sind es sowohl Großbritannien als auch die USA, wo deutsche Spielfilme neu verfilmt werden, was mit Blick auf die zahlreichen Sprachversionsfilme des Jahrzehnt zunächst verwundern mag, vor dem Hintergrund der künstlerischen Emigrationsbewegungen weit weniger überrascht. Während in Großbritannien die Remakes meist im Abstand weniger Jahre folgen,18 reichen die US-amerikanischen Remakes von deutschen Stummund Tonfilmen bis in die 1960er Jahre.19 Daneben finden sich in den interna16 Mit der Kontingentverordnung von 1932 waren Filme österreichischer Filmschaffender »ausländische Bildstreifen«; ausführlich dazu, vgl. I. 5.5 Remakes aus Österreich, S. 126–131. 17 Ulrich J. Klaus: Deutsche Tonfilme. Berlin: Klaus-J.-Ulrich-Verlag, 1988–2000, 1.–11. Jg. 18 So werden in Großbritannien u. a. 1934 Give her a Ring (1932 Fräulein, falsch verbunden) und how’s changes (1932 Der Frauendiplomat), 1936 Ball at Savoy (1935 Ball im Savoy) und Forget me not (1935 Vergiss mein nicht) uraufgeführt. Der Rühmann-Film Dreizehn Stühle (1938) war bereits 1933 als tschechisch-polnische Koproduktion unter dem Titel Dvanact kresel/Dwanascie Krzesel und 1936 in Großbritannien als Keep your seats verfilmt worden, 1945 als It’s in the Bag in den USA und als Tretton Stolars im gleichen Jahr in Schweden, vgl. Klaus 1998, S. 42f. 19 Die wohl bekanntesten Remakes sind 1951 M (1931 M) und 1959 The blue Angel (1930 Der blaue Engel). In den 1930er Jahren entsteht etwa Little Man what now? (1934, 1933

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

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tionalen Wiederverfilmungsbeziehungen ab den 1930er Jahren Italien, Schweden, aber auch die UdSSR, die CSFR und die Schweiz.20 Ende der 1930er Jahre verebbt nicht nur die Remakeproduktion in Deutschland insgesamt, sondern bis auf wenige Ausnahmen endet die transnationale Filmauswertung, die noch die Debatten zur Tonfilmeinführung in Deutschland geprägt hatte.21 Die Gründe hierfür sind die nationalen und nationalistischen Autarkiebestrebungen der europäischen Filmmärkte im Zuge der Tonfilmeinführung, die in Deutschland bis zur Regierung Brüning zurückreichen.22 1933 werden diese Tendenzen durch die politische Entwicklung in Deutschland gravierend verschärft; erstens durch Berufsverbote und die Emigration zahlreicher Filmschaffender aufgrund politischer und rassistischer Verfolgung, was auf der Ebene der Produktion einen weitreichenden Bruch zeitigte;23 zweitens durch Zensureingriffe, die vor allem ausländische, vormals zugelassene Filme massiv betrafen.24 Die Struktur des staatlichen Eingriffs in die Filmwirtschaft wurde 1934 mit dem Reichslichtspielgesetz institutionalisiert. Das Filmangebot selbst aber blieb für das Publikum trotz Veränderungen und filmpolitischer Vorgaben des Reichspropagandaministers international.25 Der Beginn des Zweiten Weltkriegs und das Importverbot für US-amerikanische Filme, die Verstaatlichung der Filmindustrie sowie die Auswirkungen des Krieges auf die Filmproduktion radikalisierten die staatliche Einflussnahme auf die Filmproduktion. Dass die filmhistorischen Parallelen dieser Formen »populären Kinos« nicht gänzlich verschwanden,26 kann man mit der historisch relativ kurzen Abschottung des Markts und der Langlebigkeit von Unterhaltungsgewohnheiten beim Publikum erklären.

20 21 22 23 24 25 26

Kleiner Mann, was nun?) und 1937 The Emperor’s Candlesticks (1936 Die Leuchter des Kaisers). 1941 entsteht in der Schweiz das Remake Menschen, die vorüberziehen (1930 Katharina Knie), 1938 in der Tschechoslowakei Pozor Strasi (1935 Der junge Graf) und 1939 Ulice Zpiva (1936 Strassenmusik). Zur Problematik der Internationalität des Tonfilms, vgl. Mühl Benninghaus 1999, S. 241ff. Vgl. Mühl-Benninghaus 1999, 394f., Mühl-Benninghaus 1995. Sie waren eingeschrieben in die Kontingentbestimmungen von 1932, als die Definition des deutschen Films an die deutsche Staatsbürgerschaft der Filmschaffenden geknüpft wurde. Pohl 2010, S. 46ff. Zur Zensur im NS, vgl. u. a. Maiwald 1983, Spieker 2003. Zu Hollywood-Filmen im NS, vgl. Urwand 2013. Pohl 2010, S. 146. Vgl. u. a. Eder 2004, Spieker 2003.

44

Historischer Teil

1.1.1 Exemplarisch: Remakes von Stummfilmen So mager die Quantität an Remakes in dieser Zeit erscheint, so füllig die Relevanz der Vorgängerfilme für die deutsche Filmgeschichte. Auch wurden die »NeuInszenierungen« bereits verfilmter Stoffe zeitgenössisch reflektiert: Es erweist sich als immer schwieriger, alljährlich so viele neue Filmstoffe zu finden, wie Bedarf an neuen Filmen besteht. Die zur Verfügung stehende Weltliteratur ist schließlich nicht unerschöpflich und gute neue Originalideen sind ebenfalls nicht in beliebigen Mengen vorhanden. Kein Wunder also, wenn die Produktionsfirmen auf bereits bewährte Stoffe, die zumeist auch gute Titel haben, zurückgreifen.27

1930 wird ein Remake gedreht, das unter anderem aufgrund seiner Regisseure in der deutschen Filmgeschichte der verschiedenen Epochen immer wieder verhandelt wird: Alraune.28 Die phantastische Geschichte nach dem 1911 erschienenen gleichnamigen Roman von Hanns Heinz Ewers kommt 1918 erstmals unter der Regie von Mihaly Kert8sz in die deutschen Kinos, 1928 dreht Henrik Galeen einen zweiten Stummfilm gleichen Titels, in dem Brigitte Helm Alraune spielt. Drei Jahre später entsteht der erste Tonfilm, Richard Oswald inszeniert wiederum mit Brigitte Helm als Alraune in der Hauptrolle, nimmt aber grundlegende Veränderungen an Figuren und Entwicklung vor.29 1952 wird Arthur Maria Rabenalt mit Hildegard Knef und Erich von Strohheim Alraune zum vierten und vorerst letzten Mal für die deutschen Kinos verfilmen. Eine ähnliche Filmgeschichte – vom Stummfilm zum Tonfilm bis in die 1950er Jahre – haben auch andere (hier ausschließlich deutsche) Verfilmungen: etwa Das indische Grabmal und Der Tiger von Eschnapur (1921/1938/ 1959)30 oder Operettenverfilmungen wie Der Zigeunerbaron (1927/1935/ 1954).31 Ebenso typisch erscheinen für das deutsche Filmschaffen die Remakes 27 »Neu-Inszenierungen«, in: FK, Nr. 160, 11. 7. 1934, 16. Jg. Interessant ist in dem kurzen Artikel vor allem, wie wertungsfrei er sich den Remakes nähert, was sich bereits im zitierten Ausschnitt ablesen lässt. Der Verfasser begründet die neuen Verfilmungen nicht nur mit der Wiederaufführungspraxis in Theatern und Opernhäusern, sondern vor allem mit dem gewandelten Publikumsgeschmack. 28 Weitere immer wieder aufgeführte Stummfilmremakes der 1930er Jahre sind Der Student von Prag (D 1913, Rye/ 1926, Galeen/ 1935, Robison) und Der Andere (D 1913, Mack/ 1930, Wiene). 29 Zur Neuinterpretation der Alraune in Oswalds Film, vgl. Wedel 2005, S. 352ff. 30 Die Filme Die Sendung des Joghi und Der Tiger von Eschnapur wurden 1921 von Joe May nach einem Drehbuch von Fritz Lang und Thea von Harbou inszeniert. Letztere ist auch Autorin der Romanvorlage. Ursprünglich wollte Lang Regie führen, die aber dann der Produzent May übernahm, vgl. Sturm 2001, S. 64f. 31 Weitere Operettenverfilmungen mit ähnlichen filmischen Wiederauflagen sind Der Zarewitsch (1928/1933/1954) oder die unzähligen (nicht nur deutschen) Fledermaus-Verfilmungen (1923 D /1931 D /1937 D /1945 D /1955 BRD /1955 DDR Rauschende Melodien /1962 A /1966 DK).

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

45

von Heimatfilmen unterschiedlicher Prägung, unter anderem Kohlhiesels Töchter (1920/1930/1943/1955 Ja, Ja, die Liebe in Tirol/ 1962/1978) oder Die Geierwally (1921/1940/1956). Die Verfilmungen der Geierwally basieren auf der literarischen Vorlage von Wilhelmine von Hillern, die 1875 als Roman in zwei Teilen in der Deutschen Rundschau erschien, 1880 zum Drama umgearbeitet wurde und 1892 als Oper La Wally in der Mailänder Scala Premiere feierte, bevor sie für das Kino adaptiert wurde;32 zum vorerst letzten Male wurde der Stoff 2005 für das deutsche Fernsehen mit Christine Neubauer in der Hauptrolle inszeniert. Exemplarischer lässt sich Medienwandel in der Unterhaltungskultur kaum zeigen. Interessant und erforscht ist, wie jede Zeit »ihre« Geierwally und somit ihr Frauen- und Wertebild verfilmte.33 Ein letzter »unverwüstlicher« Stoff der Film-, Rundfunk- und Theatergeschichte soll in diesem Zusammenhang genannt werden: Der Raub der Sabinerinnen. Franz und Paul von Schönthan schrieben den Schwank, der 1884 in Stettin uraufgeführt wurde. Das Genre selbst ist international zwischen dem Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts enorm populär,34 für den Film bleibt es als »gewissermaßen aller Klamotten Anfang«35 bis weit in die 1950er Jahre beliebte Vorlage – sicherlich auch ein Hinweis auf die historische Verbindung des Kinos mit dem Volkstheater,36 die das öffentlich-rechtliche Fernsehen aufgreifen wird. Der Raub der Sabinerinnen wird bis heute auf den Theaterbühnen gespielt,37 so wie er die Projektionsflächen besetzte: 1919 entsteht der erste Stummfilm unter der Regie von Heinrich Bolten-Baeckers, 1928 inszeniert von Robert Land der zweite. 1936 dreht Robert A. Stemmle einen Tonfilm, 1954 Kurt Hoffmann einen weiteren. Daran anschließend finden sich diverse Fernsehfassungen (u. a. 1966, 1970/71, 1983).

1.1.2 Sonderfall: Remakes von Tonfilmen in den 1930er Jahren Eine letzte Besonderheit zeigt die Durchsicht der 1930er-Jahre-Filme: die Wiederverfilmung früher Tonfilme im Nationalsozialismus. Das bekannteste BeiVgl. Päsler 1995. Vgl. Berg-Ganschow 1983, Niels 2007. Vgl. Schmied 2000, S. 8. Ausführlich zum Stück, vgl. Schmied 2007, S. 94ff. »Der Raub der Sabinerinnen«, in: FTG, Nr. 2, 12. 1. 1954, 2. Jg. Auch die Verfilmungen des Schwankes Krach um Jolanthe (D 1934, Froelich/ BRD 1955, Schündler) zeigen die heute kaum thematisierte Verbindung des Volkstheaters mit dem Films. Ausführlich Krach um Jolanthe, vgl. Merziger 2010. 37 Die Inszenierungen aufzuzählen, füllt das Buch. Darum exemplarisch: Kurz nach Hoffmanns Verfilmung spielte Curt Goetz den Schmierendirektor Striese im Berliner RenaissanceTheater, vgl. »Unsterblicher Striese«, in: Der Tagesspiegel, Nr. 3081, 27. 10. 1955, 11. Jg. Im Mai 2011 hatte die Inszenierung Katharina Thalbachs in der Komödie am Kurfürstendamm Premiere. Wiederaufgenommen wurde das Stück im Dezember 2012.

32 33 34 35 36

46

Historischer Teil

spiel ist sicherlich Die Feuerzangenbowle (1934 So ein Flegel, Robert A. Stemmle/1944, Helmut Weiß),38 dessen erste Verfilmung kurz nach dem Erscheinen des Romans 1934 bereits mit Heinz Rühmann in der Haupt- bzw. einer Doppelrolle realisiert wurde. Aber auch heute unbekanntere Filme wie Schneider Wibbel (1931, Paul Henckels/ 1939, Viktor de Kowa) oder Das Konzert (1930, Leo Mittler/ 1944, Paul Verhoeven),39 der Dokumentar-Spielfilm Kreuzer Emden (1932/ 1934 Heldentum und Todeskampf: Unser Kreuzer Emden, Louis Ralph)40 oder Der Hochtourist (1931, Alfred Zeisler/ 1942, Adolph Schlyßleder), Peter Voss (1932, E.A. Dupont/ 1943–45, Karl Anton)41 oder Das Ekel (1931, Franz Wenzler und Eugen Schüftan/ 1939, Hans Deppe) weisen sowohl eine Verfilmung in der späten Weimarer Republik als auch in der NS-Zeit auf. Die Gründe für ein derart schnelles Remaking – auch wenn es sich hier um ein relativ kleines Filmkorpus von kaum 20 Filmen handelt – sind sicher sowohl ideologischer Natur als auch in der attraktiven Auswertung von Unterhaltungspotentialen und den verbesserten filmtechnischen Möglichkeiten zu suchen.42

1.2

Remakes von 1945 bis 1963 und ihre Vorgängerfilme

In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren Remakes noch ein gesamtdeutsches Phänomen, auch wenn sie sich hier nur vereinzelt finden lassen: 1948 inszeniert Wolfgang Staudte ein Remake seines 1945 verbotenen Films Der Mann, dem man den Namen stahl mit dem neuen Titel Die seltsamen Abenteuer des Fridolin B., deren Parallelen beachtlich sind.43 Ebenfalls Remakes der frühen DEFA-Filmgeschichte sind 1949 Die blauen Schwerter (Wolfgang Schleif/ 1935 Der Gefangene des Königs, Carl Boese) und die Neuverfilmung von Hauptmanns Der Biberpelz (1937, Jürgen von Alten/ 1949, Erich Engel). Damit allerdings endet die Episode der Remakes bei der DEFA – abseits von den Verfilmungen von Operetten und literarischen Klassikern.44 Erstere muss man si38 Beide Tonfilme sind als DVD im Handel erhältlich. 39 1921 wurde zunächst ein amerikanischer Stummfilm The Concert gedreht, 1929 dann ebenfalls in den USA Fashions of Love, vgl. Klaus 2002, S. 74. 40 Louis Ralph war auch der Regisseur der Stummfilmfassung von 1926. 41 Ausführlich zu den Urheberrechtsstreitigkeiten, vgl. I. 4.3.2 Autorenrechte: Streitfall Peter Voss, S. 109–113. 42 Wobei die Untersuchung dadurch erschwert ist, dass zahlreiche erste Tonfilmfassungen zumindest in deutschen Archiven nicht existieren. Wenn Filme nach der Auflistung des BA/ FA verschollen sind, ist das in den Bemerkungen im Anhang vermerkt. 43 Beide Filme liegen dank der Arbeit Holger Theuerkaufs im Bundesarchiv/Filmarchiv, Theuerkauf 1998. 44 Zu nennen sind hier aus dem Bereich des literarischen Erbes etwa die Lessing-Verfilmungen

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

47

cherlich vor dem Hintergrund der »Versuche zur Fortführung einer Operettentradition in der DDR« sehen.45 In der Bundesrepublik beginnt die Geschichte der Remakeproduktion nun.46 1949 wird Veit Harlans Debütfilm von 1935 nach der Komödie von Maximilian Böttcher Krach im Hinterhaus von Erich Kobler neu inszeniert.47 Weitgehend parallel zu der Gesamtfilmproduktion bestreiten Remakes zehn Prozent von dieser, in den produktionsintensiven Jahren Mitte der 1950er sogar 20 Prozent. Diese Zahlen rekurrieren sowohl auf Remakes von Tonfilmen aus der späten Weimarer Republik als auch aus der NS-Zeit, wobei letztere durch die längere Produktionsphase dominant ist.48 Insgesamt sind es in den 1950er Jahren deutlich mehr Remakes als bei Einführung des Tonfilms. Eine naheliegende Erklärung wäre neben den weitaus größeren personellen Kontinuitäten, natürlich die geringere Bearbeitungsnotwendigkeit. Die personellen Kontinuitäten der Zeit beziehen sich auf Darsteller, Regisseure, Komponisten und Drehbuchautoren ebenso wie auf Kameramänner und Produzenten. Am Beginn der 1950er Jahre sind es etwa beinahe ausschließlich etablierte Autoren (oder Regisseure oder Verfasser der Theatervorlagen), die Remakescripts verantworteten. Ab 1952 lassen sich zusätzlich neue Autoren verzeichnen. Man kann daraus schließen, dass der zaghafte Beginn der Remakeproduktion tatsächlich in der Kontinuität der Filmschaffenden, im Wissen um vorhandene Drehbücher oder Stoffe begründet ist. Mit der quantitativen Zunahme der Remakes kommen nicht nur jüngere Filmschaffende, sondern auch Remigranten hinzu. Der Bruch am Beginn der 1930er Jahre war filmhistorisch weitaus tiefgreifender : Nicht nur die Darsteller standen mit der Einführung des Tons vor neuen Aufgaben, vor allem die Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Filmschaffender war auf allen Ebenen sichtbar. Das Argument der geringeren Bearbeitungsnotwendigkeit stützen die Remakes der 1950er Jahre nur partiell, da ihre Transformationen zum Teil beträchtlich sind. Offensichtlich sind die Gründe eher in kulturellen und strukturellen Transformationsprozessen zu suchen. Doch lohnt zur Einschätzung der Remakes zunächst ein Blick auf die Uraufführungsjahre der Vorgängerfilme.49

45 46 47 48 49

Minna von Barnhelm von 1962, die wenige Jahre nach der bundesdeutschen HeldinnenVerfilmung von 1960 in die Kinos kommt (1940 Das Fräulein von Barnhelm) oder Fontanes Effi Briest (D 1939 Der Schritt vom Wege/ BRD 1955 Rosen im Herbst/ DDR 1969 TV/ 1974 Fontane Effi Briest). Linhardt 2002, S. 110. Aus diesem Grund sind die wenigen Remakes der DEFA nur im Anhang zu finden. Böttcher 1934. Böttcher arbeitete das Stück 1935 zum Roman um, dessen letzte Neuauflage 1987 erschien. Auswertung und Zahlen, vgl. I. 5.2 Remakes innerhalb der Entwicklung des Filmangebots, S. 119–121. Durch Mehrfachverfilmungen weicht die Gesamtzahl der Remakes von den hier aufgeführten

48

Historischer Teil

Spielfilme gesamt

davon: Vorgängerfilme von Remakes 1949–1963

1929/30 145 11 1931 195 26 1932 168 14 1933 136 13 1934 153 11 1935 131 19 1936 142 18 1937 116 15 1938 123 10 1939 116 13 1940 87 13 1941 73 4 1942 55 3 1943 80 10 1944ff. 154 11 Tabelle 3: Tonfilme 1929/30–1945 – Anteil der Vorgängerfilme50

Quantitativ herrscht große Diskontinuität in Bezug auf die Uraufführungsjahre der Vorgängerfilme. Unter den Filmen aus der späten Weimarer Republik findet sich die ganze Breite des Unterhaltungsfilms. Im Vergleich mit den Filmen, die aus der NS-Zeit noch einmal verfilmt werden, fällt auf, dass vor allem bekannte, erfolgreiche Produktionen des Jahres 1931 neu verfilmt wurden. Das ist sicherlich als Anknüpfung an eine deutsche Filmzeit zu lesen,51 in der »[d]as vielfach auffallend hohe Niveau in Ausstattung, Kameraführung, Musikeinsatz, Witz und Tempo des Spiels […] zu dem überdurchschnittlichen Erfolg dieser bei[trug] (bis etwa 1932).«52 Noch vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler wurden auch die Vorgängerfilme von Schwarzwaldmädel (1933/1950) und Grün ist die Heide (1932/1951) gedreht, deren Remakes das Genre des Heimatfilms der 1950er Jahre prägen. Interessanterweise greift der Heimatfilm der Premakes ab. Die Premakes wurden – nach dem Jahr der Uraufführung, egal ob sie in Wien, Breslau oder Hamburg stattfand – jeweils nur einmal gezählt. Gibt es eine spätere Verfilmung, wie z. B. bei Der Hochtourist (1931/1942/1961) wurde nur die jeweils vorangegangene (also 1942) gezählt. Bei Verfilmungen, die bereits in den 1950er Jahren ein erstes Remake erlebten, etwa Charley’s Tante (1934/1956/1963) wurde das Premake auch nur einmal gezählt. Die Premakes ab 1944 beinhalten auch unvollendete Filme und Überläufer. 50 Klaus 1988–2000 und eigene Auszählung. 51 Joseph Garncarz deutet die Remakes der 1950er Jahre als »Anschluss an eine abgebrochene filmkulturelle Tradition«, Garncarz 2013, S. 84. 52 Faulstich / Korte 1990, S. 23. Auch Curt Riess titelt in seinem nostalgischen Rückblick, der bis 1945 Filme und Filmanekdoten vorstellt: »1932: Abschied von der großen Zeit«, vgl. Riess 1985, S. 182.

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

49

1950er Jahre auf zahlreiche Filmstoffe mit deutlich lokalem Bezug zurück.53 Die Zahlen der Remakes, die aber in Relation zur sinkenden Filmproduktion ab Kriegsbeginn gelesen werden müssen, deuten auf eine allgemeine Dominanz der Unterhaltungsfilme bis 1939/40 hin und damit auf das Jahr des Kriegsbeginns als filmgeschichtliche Zäsur.54 Diese These stützt auch der qualitative Blick: Bis 1939/1940 lässt sich ein breites Genrespektrum ausmachen. Die bekannten Produktionen etwa der Ufa stehen neben kleinen, heute weitgehend vergessenen Filmen. Spätestens 1941 dünnt mit der Quantität auch die Genrevielfalt aus. Von der Gesamtfilmproduktion 1941 bis 1945 werden lediglich 24 Filme in der Adenauer-Zeit noch einmal verfilmt, darunter zahlreiche Musikfilme,55 Filme einzelner Genres und einige unvollendete, verbotene oder nicht mehr ausgewertete Produktionen von 1945.56

1.3

Ausklang: Remakes nach 1963

Die Geschichte der Remakes als Kinofilme endet Mitte der 1960er Jahre. Doch es gibt wenige Ausnahmen wie etwa die Ganghofer-Verfilmungen der 1970er Jahre. Darüber hinaus lassen sich einige wenige quasi verspätete Remakes finden: 1964 wird Hab mich lieb (1942, Harald Braun) als Heirate mich, Cherie (A/D, Axel von Ambesser) neu gedreht. 1966 verfilmt Kurt Hoffmann Liselotte von der Pfalz (1935, Carl Froelich) und im gleichen Jahr Wolfgang Staudte Ganovenehre (1933, Richard Oswald). 1968 erleben Willi Forsts Bel Ami und 1970 Die Feuerzangenbowle unter Helmut Käutners Regie eine filmische Neubearbeitung.57 Dabei fällt auf, dass die Regie wiederum von bekannten Namen des 1950er-Jahre-Films geführt wird. Später greift das Fernsehen die Stoffe für TV-Produktionen auf: Tom Toelle führt 1985 Regie in der dritten Verfilmung von Via Mala. Von Schwarzwaldmädel (1972, Wolfgang Liebeneiner) bis Der Zigeunerbaron (1975, Rabenalt), von Der Zarewitsch (1972, Arthur Maria Rabenalt) bis Der 53 Darunter etwa Der Meineidbauer (1941/1956), Der Hochtourist (1942/1961), Der verkaufte Grossvater (1942/1962), Das Bad auf der Tenne (1942/1955), Via Mala (1948/1961) und Sophienlund (1943/1956 Verlobung am Wolfgangsee) etc. 54 Vgl. auch Moeller 1998. 55 Vgl. etwa Leichte Muse, (1941/1958 Zwei Herzen im Mai), Wir machen Musik (1942/ 1955 Musik, Musik und nur Musik). 56 Solitär erscheinen etwa die Erich-Engel-Filme Altes Herz wird wieder jung (1943, 1958 Man müsste nochmal 20 sein) und Wo ist Herr Belling (1945 unvollendet/1951 Das seltsame Leben des Herrn Bruggs). Der erwähnte Staudte-Film Der Mann, dem man den Namen stahl wurde verboten, auch Peter Voss wurde erst nach Kriegsende uraufgeführt. 57 Diese späten Remakes sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – im Anhang verzeichnet.

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Historischer Teil

Mustergatte (1983, Liebeneiner) werden in der Mehrzahl Operetten (aber auch Komödien) von bekannten Namen neu verfilmt. In diesen Wandlungsprozessen, die am Beginn der 1970er Jahre weiterwirken, bilden sich nicht nur die Rückbindung der Verfilmungen zu Kultur und Filmschaffenden der 1950er Jahre, sondern ebenso die Veränderungen in der Publikumsstruktur ab. So tauchen in den Top Ten der ausgestrahlten Spielfilme im Fernsehen auch einige der Remakes der 1950er Jahre auf.58 Mit dem demografischen Wandel sind auch spätere Entwicklungen zu verstehen, in denen nun die Filme der 1950er Jahre die Produktionen des NS-Kinos – abgesehen von populären »Klassikern« des NSFilms – ersetzen. Letztere wiederum erscheinen zunehmend in DVD-Editionen.59 Erwähnt werden müssen schließlich auch die Remakes für das Fernsehen in den 1990er Jahren. Sie sind sicher dem Rückbezug zur 1950er-Jahre-Filmgeschichte geschuldet. In diesem Zeitraum laufen u. a. Mein Opa und die 13 Stühle (1997) oder Ein Mann für meine Frau (1992). Mit Bernd Eichingers Initiative zu »German Classics« im Sat-1-Programm 1995/1996 werden Das Mädchen Rosemarie, Die Halbstarken und Charley’s Tante neu inszeniert und ausgestrahlt.60 Die Zuschauerresonanz war zurückhaltend.61 Der Spiegel gebärdete sich erschrocken: »Auch Autorenfilmer wie Wim Wenders oder Werner Herzog hätten sich vermutlich eher die Augen ausgestochen, als das Remake eines der verhaßten, vermufften Opa-Filme zu verantworten. Das aber ist heute anders.«62 Die Wiederausstrahlung von Remakes und Vorgängerfilmen im deutschen Fernsehen wiederum ist insbesondere in der Filmgeschichtsschreibung zum Nationalsozialismus thematisiert, kaum aber statistisch belegt oder ausführlicher analysiert worden. Die Rumpelkammer etwa oder der »Montagabend-Film« im DDR-Fernsehen blieben dabei unberücksichtigt.63 Für die hier formulierten Fragestellungen an Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus erscheinen sie in ihrer Gesamtheit leider nicht umfassend recherchier- und 58 1970 belegt Charley’s Tante (1963) den zweiten Platz, 1971 Der verkaufte Grossvater (1961) ebenfalls den zweiten, 1972 Schlag auf Schlag (1959) den sechsten Platz, 1973 Die Geierwally (1943) den zweiten und Kohlhiesels Töchter (1962) den dritten Platz der Top Ten der Filme im deutschen Fernsehen, vgl. Garncarz 2013, S. 202f. 59 Man denke etwa an die Reihe der Koch Media GmbH »Deutsche Filmklassiker«, in der nach den großen Filmen der NS-Zeit auch die Publikumserfolge der 1950er Jahre »digitally remastered« vertrieben werden. 60 Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch in Österreich besichtigen, wenn etwa von Peter Weck 1996 unter dem Titel Alte Liebe – neues Glück ein Remake des Films Hofrat Geiger (1947) bzw. Mariandl (1961) inszeniert wird. 61 Ausführlich, vgl. Dreßlein / Lehwald 2011, S. 233ff. 62 »Mambo, Mambo«, in: Der Spiegel, Nr. 50, 1996, 50. Jg., S. 229. 63 Vgl. u. a. Witte 1976, S. 4.

Remakes in der deutschen Filmgeschichte

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darstellbar. Die Fernsehausstrahlungen würden für eine Filmgeschichtsschreibung, die nicht im Jahr der Uraufführung verweilen will, einen Blick auf langfristigere Rezeptionsgeschichten und die mögliche anhaltende Publikumswirksamkeit in DDR und BRD gestatten. Denn schon die Verleihprogramme in den 1950er Jahren führen vor Augen, dass der starre Blick allein auf Uraufführungsjahre, dem auch dieser Überblick verpflichtet war, blind bleibt – etwa für die Gleichzeitigkeit von Remakes und ihrer Vorgängerfilme durch die Auswertung von Reprisen.

1.4

Exkurs: Zeitliche Nähe – Remakes und Reprisen in den 1950er Jahren

Insbesondere am Beginn der 1950er Jahre sind die Programme der deutschen Kinos durch Reprisen geprägt. Laut SPIO-Statistik wurden im Verleihjahr 1947/48 32 Reprisen, 1948/49 125, 1949/50 132 und 1950/51 immerhin 174 Reprisen ausgewertet. Erst mit dem wachsenden Angebot neuer deutscher Filme nehmen die Zahlen ab und sind ab 1955/56 als »unbedeutend« deklariert.64 1955 werden noch 1,5 Millionen DM Verleihumsatz mit deutschen Reprisen gemacht, 1956 sind es 1,6 Millionen, 1957 schließlich 400.000, 1958 wiederum 1,6 Millionen DM.65 Unter den Reprisen finden sich zahlreiche Filme, die kurz darauf neu gedreht werden. Die zunehmende Reprisenauswertung war kein deutsches Phänomen, wie die Berichterstattung zeigt.66 Dass sie zum Problem für neu produzierte Filme wurde, überrascht wenig. Das Film-Echo resümiert 1950: »Als Mitte 1949 die alliierten Filmoffiziere die Absicht verkündeten, den weiteren Verleih alter deutscher Filme zu verbieten, da stießen sie in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit auf heftigen Widerstand.«67 Die ersten Anfeindungen gegen die Reprisen begannen im Kontext der Versteigerungen reichseigener Filme, die selbst vom Syndikus des Verbandes deutscher Filmverleiher, Horst von Hartlieb, als Gefahr für die neue privatwirtschaftliche Produktion angeprangert wurde: »Laßt die Uraltfilme ruhen!«68 Die Stimme des Interessenvertreters ist insofern bemerkenswert, weil die neugegründeten Verleihfirmen durchaus vom Repri-

64 Roeber / Jacoby 1973, S. 283. Die Auswertung im Fernsehen erfassen die Autoren nicht. 65 Filmstatistisches Taschenbuch 1959, S. 18. 66 »Reprisengeschäft – auch im Ausland: Interessante Feststellungen aus Amerika und Frankreich«, in: FE, Nr. 16, 20. 5. 1950, 4. Jg., »Auch auf Deutsch? Rollt eine US-Reprisenwelle auf uns zu?«, in: FTG, Nr. 41, 2. 10. 1956, 4. Jg. 67 »Reprisenflut ohne Ende«, in: FE, Nr. 9, 20. 3. 1950, 4. Jg. 68 Horst von Hartlieb: »Laßt die Uraltfilme ruhen!«, in: FE, Nr. 40, 4. 11. 1950, 4. Jg. Ausführlicher zu Verleihern und Produzenten in den 1950er Jahren, vgl. I. 5.1 Akteure: Produzenten und Verleiher, S. 114–118.

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Historischer Teil

sengeschäft profitierten. Sie bekamen die Filme von der UFI i.L. ohne Einspielgarantie.69 Die Reprisenauswertung erklärt auch die Empörung der Rezensenten über verspätete Stummfilmremakes in den 1950er Jahren. Das populärste Beispiel ist Der letzte Mann (1955, Harald Braun). Zunächst erscheint die Aufregung um die Neuverfilmung des Murnau-Films absurd, nicht aber mit Blick auf die Rezensionen des Jahres 1955. Im Juni erscheint im Film-Dienst eine ausführliche Besprechung »eine[s] der letzten großen Stummfilme, jedenfalls der letzte, in dem Jannings seinen unvergleichlichen Mimus allein wirken ließ«, der hier für Vierzehnjährige empfohlen wird.70 Da ist es paradox, wenn der Evangelische Film-Beobachter in der Rezension des Remakes fragt: »Wer kennt denn noch Murnaus gleichnamigen Film (vgl. EFB 6,977), der mit Jannings’ großartiger Leistung in die Filmgeschichte eingegangen ist?«71 In der Klammer verweist er auf die Besprechung des Stummfilms in der eigenen Zeitschrift. Dieses Kuriosum der Wiederauswertung von meist internationalen Stummfilmklassikern – das muss man einschränkend betonen – ereignete sich vor allem vereinzelt in Großstadtkinos wie dem Studio I in Hamburg.72 Doch die Fülle der Rezensionen von Stummfilmen ohne Angabe eines Verleihs ist beachtlich.73 Sie ergänzt die Besprechungen und die Rezeption der Reprisen von Tonfilmen. Das Nebeneinander der Filme, diese Nähe von früherer und aktualisierter Unterhaltungskultur, deren Gleichzeitigkeit nur durch die Aufhebung der Auswertungsrechte während der Remakeaufführung durchbrochen wird, muss nicht nur wegen eventueller Zuschauerdispositionen mitgedacht werden. Auf dieser basiert zugleich die Tragweite und zum Teil auch die Schärfe des publizistischen Diskurses der 1950er Jahre.

2.

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

Waren es bis Mitte des Jahrzehnts die Reprisen und die staatlichen Prozesse um die Ufi-Liquidation, die thematisch Leitartikel und Stellungnahmen erforderten, etablierten sich in den Jahren 1955 und 1956 sowohl die Gefahren durch das neue

69 70 71 72

Schweins 1958, S. 137ff. »Der letzte Mann«, in: FD, Nr. 25, 23. 6. 1955, 8. Jg. »Der letzte Mann«, in: EFB, Nr. 43, 27. 10. 1955, 7. Jg. Walter E. Döll: »Immer noch gefragt: Gute Reprisen und Stummfilme«, in: FP, Nr. 15, 21. 4. 1955, 7. Jg. 73 »Variet8«, in: EFB, Nr. 35, 27. 3. 1953, 5. Jg., »Panzerkreuzer Potemkin«, in: EFB, Nr. 29, 16. 7. 1953, 5. Jg., »Das Cabinet des Dr. Caligari«, in: EFB, Nr. 30, 23. 7. 1953, 5. Jg., »Symphonie einer Großstadt«, in: EFB, Nr. 30, 23. 7. 1953, 5. Jg.

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

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Konkurrenzmedium Fernsehen als auch Remakes als Streitthema der Filmpresse. Peter Peiler etwa fragt 1955 besorgt: Wenn schon Hollywood-Konzerne mit ihren Millionen-Dollar-Budgets den »Remakes« (Neuverfilmung alter Stoffe) den Vorzug vor dem Neuen glauben geben zu müssen, wer wollte da den weit kapitalärmeren und auf ein so viel engeres Markt-Gebiet beschränkten deutschen Produzenten ernstlich schelten? Oder sollte doch eine Warnung am Platze sein?74

Er ist eine der höflicheren Stimme der publizistischen Debatte über Remakes.75 Doch auch in diesem kurzen Ausschnitt werden charakteristische Aspekte der zeitgenössischen Kritik an Remakes sichtbar : zunächst, dass der Begriff »Remake« bereits in den 1950er Jahren gebräuchlich und eher allgemein (»Neuverfilmung alter Stoffe«) gefasst ist. Ferner wird die zunehmende Zahl filmischer Wiederaufnahmen als Strategie der Kostenersparnis und – mit Blick auf Hollywood – als internationale Praxis identifiziert. Die Überschrift des Artikels – »Die tödliche Tendenz zur ›Sicherheit‹« – deutet auch an, dass er den Remakes skeptisch gegenübersteht und sie geringer schätzt als neue, also originale Filme. Konkret fürchtet er um »die Weltgeltung« des deutschen Films auch mit Blick auf den »jüngeren Teil, also [die] Mehrheit des Publikums«.76 Der Wandel des Kinopublikums war also bereits in der zeitgenössischen Auseinandersetzung ein Argument gegen Remakes. Die Diskussion entzündete sich um den Jahreswechsel 1955/56 sowohl am quantitativen Anstieg der Uraufführungen in den westdeutschen Kinos, allein »zwölf (!) fertiggestellte Neuverfilmungen alter Stoffe von Weihnachten bis Ende Januar«,77 als auch an der filmhistorischen Prominenz der Vorgängerfilme. Es waren 1955 etwa der postmeister (1940, A 1955 dunja), der kongress tanzt (1931) und die drei von der tankstelle (1930), deren Remakes in die Kinos kamen. Während dunja immerhin noch als »eigenständige, achtbare Wiederverfilmung« besprochen wurde,78 waren vor allem die Hauptdarsteller der anderen beiden Remakes – folgt man den Einschätzungen der Filmkritik – ihren Vorgängern keinesfalls gewachsen. Auch ein Remake von Der blaue Engel war 74 Peter Peiler : »Die tödliche Tendenz zur ›Sicherheit‹ oder: Warum Furcht vor dem Neuen?«, in: epd/ Kirche und Film, Nr. 12, 1955, 8. Jg., S. 9. 75 Vgl. u. a. Manfred Barthel: »Die Ballade vom aufgewärmten Kohl«, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 240, 15. 10. 1955; K. H. Kramberg: »Das gibt’s nur einmal, das kommt stets wieder«. in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 185, 6./7. 8. 1955 oder »Das neue Programm der alten Filme«, in: FP, Nr. 25, 30. 6. 1955, 7. Jg, H. Kuntze-Just: »Mehr Freizeit für Produzenten. ›BarSchwätzer‹ sind keine guten Filmautoren«, in: FTG, Nr. 34, 14. 8. 1956, 4. Jg. 76 Peiler 1955, S. 10. 77 Ebd. S. 9. 78 Klaus Hebecker : »›Das mach ich alles mit der linken Hand…‹ Remakes unterm Weihnachtsbaum«, in: FTG, Nr. 53, 28. 12. 1955, 3. Jg., S. 2.

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Historischer Teil

von der Berolina angekündigt worden,79 wurde aber nicht in Deutschland, sondern 1959 in den USA realisiert. In den Rezensionen von Dunja erscheint auch eine Paradoxie: die Unterstellung, »Remakes flüchten unter neue Titel«. Sie ist möglicherweise im Kontext einer Stoffkrise erklärbar, für eine ökonomische Kritik taugt sie nicht. Denn ohne Verweis gibt es kein Publikum, das aufgrund der »unvergessenen Vorgänger« in die Kinos strömen könnte.80 Der Zusammenhang von Remake- und Fernsehdiskussion in den Filmzeitschriften wiederum überrascht wenig: Mit dem Strukturwandel der Filmindustrie auf dem quantitativen Höhepunkt des Filmangebots werden Stimmen lauter, die vor der Folie der Entwicklungen in den USA nach den Perspektiven der deutschen Spielfilmproduktion fragen – zumal die ersten Krisensymptome des Filmmarktes bereits (wieder) zu beobachten waren.81 Mit den Einzelkritiken lässt sich ein differenzierteres Bild entwerfen: Zunächst lässt sich erstens konstatieren, dass der Remakebegriff beliebig verwendet wurde. So war jeder Film ein Remake, zu dem ein Vorgängerfilm benannt werden konnte. Damit spiegelte sich stets auch die filmhistorische Kenntnis des jeweiligen Rezensenten. Der Begriff wurde in den Kritiken Mitte der 1950er Jahre synonym mit »Neuverfilmung« und »Wiederverfilmung« verwendet.82 Die bewertenden Unterschiede zwischen den Begriffen lassen keine verallgemeinerbare Tendenz erkennen. Gemeinhin existierten die Begriffe nebeneinander. Das Spektrum reichte etwa im Evangelischen Film-Beobachter von der »anspruchslose[n]«83 über die neutrale »farbige«84 bis zur »liebevoll[en] Neuverfilmung«.85 Die positiven Attribute aber sind deutlich schwerer zu finden. Zweitens blieben Diskussionen und Rezensionen frei von der Frage, ob es sich um ein Remake oder eine weitere Literaturverfilmung handelte. Aber es gibt zahlreiche Beiträge, die den filmischen Zugriff auf Werke der Literatur und der Bühne sehr kritisierten.86 Wie in den Kritiken nach der Premiere von Vor 79 »Das 25. Remake: ›Der blaue Engel‹«, in: FW, Nr. 26, 25. 6. 1955, 10. Jg. 80 Vgl. u. a. Wilhelm Ringelband: »Neue Titel – alte Themen. Die Angst vor den unvergessenen Vorgängern und das Remake«, in: Heidelberger Tagblatt vom 17. 11. 1955; Wilhelm Ringelband: »Angst vor unvergessenen Vorgängen [sic]: Remakes flüchten unter neue Titel«, in: Badische Neueste Nachrichten vom 12. 11. 1955. Der Autor beginnt mit dem Gedanken, dass ein erfolgreicher Stoff »nicht so viel Vorreklame benötigt«. Den gleichen Befund gibt es aber auch in Bezug auf Literatur- und Operettenverfilmungen, vgl. u. a. Max Geisenheyner : »Vom Missbrauch der Titel«, in: epd/Kirche und Film, Nr. 6, Juni 1956, 9. Jg., S. 4–5. 81 Zur Entwicklung des deutschen Filmmarkts, vgl. I. 5. Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft, S. 113–131. 82 Daneben finden sich vereinzelt die Begriffe »Zweitverfilmung«, »Zweit-« bzw. »Neuauflage«. 83 »Das sündige Dorf«, in: EFB, Nr. 44, 29. 10. 1954, 6. Jg. 84 »Heideschulmeister Uwe Karsten«, in: EFB, Nr. 13, 31. 3. 1955, 7. Jg. 85 »Kitty und die große Welt«, in: EFB, Nr. 38, 20. 9. 1956, 8. Jg. 86 Vgl. u. a. Klaus Hebecker : »Die Film-Schwalben vom Immensee«, in: FTG, Nr. 47, 13. 11.

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

55

Sonnenuntergang (1956) zu sehen sein wird, fungieren literarische oder dramatische Vorlagen durchaus als Referenzpunkte der Kritik, keinesfalls jedoch mit dem Primat des geschriebenen Wortes gegenüber der Verfilmung.87

2.1

Spurensuche: Urteile der konfessionellen Filmkritik

Der Evangelische Film-Beobachter verwendet den Remakebegriff respektive seine deutschen Synonyme erst ab 1954. Bis dahin bestimmen neben den Remakes in gleicher Zahl auch deutsche Reprisen die Rezensionen, die meist wohlwollend, aber stets hinsichtlich ihrer Sittlichkeit diskutiert werden. Hier zeigt sich erstens eine Sehnsucht nach einem »handwerkliche[n] und darstellerische[n] Können […], nach dem wir heute so oft und so laut rufen«,88 sowie der einmalig formulierte Vorschlag: »Das Thema wäre neu aufzunehmen.«89 Zweitens offenbart sich die Gleichzeitigkeit des Schreibens über Reprisen und Remakes, die sich ab 1953 deutlich zugunsten der neuen deutschen Produktion und damit auch der Remakes verschiebt. Das heißt nicht, dass etwaige Vorgängerfilme bis dahin keine Erwähnung fänden, aber erst ab 1954 wird offensiv mit »Neuverfilmungen« gehandelt und 1955 tauchen dann auch Kritiken auf, die in diesem Kontext – so oder ähnlich – (gern einleitend) klagen: »Die Wiederverfilmung erfolgreicher, alter Filmstoffe wird in der deutschen Flimmerindustrie zur lieben Gewohnheit.«90 Im gleichen Jahr spottet auch zum ersten Mal ein Rezensent: »Der gute alte ›Oberwachtmeister Schwenke‹ (von Carl Froelich, 1935) stellt sich uns da also unter dem neuen Namen Borck vor, als ›remake‹, wie es sich bei dem gewaltigen Einfallsreichtum unserer Filmleute empfiehlt und gehört.«91 Die Formulierungen ähneln sich, die Argumente sind Einfallslosigkeit oder fehlende Thematisierung der eigenen Zeit. Unterschlagen wird dabei stets, dass – abgesehen von historischen Stoffen – die meisten Remakes in die 1950er

87

88 89 90

91

1956, 4. Jg., Henning Harmssen: »Denn sie müssen nicht, was sie tun: Das Drama und der Film«, in: FTG, Nr. 13, 26. 3. 1957, 5. Jg., Hans Knudsen: »Wie der Film Dichtung vernichten kann«, in: epd/Kirche und Film, Nr. 4, 1958, 11. Jg. Ob Dunja (1955) nach Alexander Puschkins Novelle Der Postmeister aus dem Jahre 1830 oder Rosen im Herbst (1955) nach Fontanes Roman Effi Briest, der 1896 als Buch erschien. Eine Diskussion über die »richtige« Interpretation der Vorlage im Vergleich zwischen beiden Filmen gibt es auch. Der Vorgängerfilm avanciert hier zum Modell, vgl. »Rosen im Herbst«, in: FD, Nr. 40, 6. 10. 1955. »Schicksal«, in: EFB, Nr. 26, 26. 6. 1953, 5. Jg. »Friedrich Schiller«, in: EFB, Nr. 28, 9. 7. 1953, 5. Jg. »Der Kongress tanzt«, in: EFB, Nr. 50, 15. 12. 1955, 7. Jg. oder : »Als böte unsere Gegenwart nicht Filmstoffe genug, wendet sich die deutsche Produktion immer mehr und mit offenbar anhaltendem Publikumserfolg Stoffen der Vergangenheit zu.«, vgl. »Rosen im Herbst«, in: EFB, Nr. 46, 17. 11. 1955, 7. Jg. »Oberwachtmeister Borck«, in: EFB, Nr. 34, 25. 8. 1955, 7. Jg.

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Historischer Teil

Jahre adaptiert werden. Gerade im Bereich des Lustspiels taugt die Kombination Remake und Genre stets zur Abwertung, die keiner Argumente mehr bedarf. Besonders gefährlich wird es, wenn Ehe oder Familie verhandelt werden: »Verharmlosung des Ehebruchs, in einem westdeutschen ›Lustspielfilm‹. Vor dem Besuch wird gewarnt.«92 Die Beurteilungen reichen von wohlwollenden Rezensionen, in denen dann vor allem die Möglichkeiten der Farbfilmfotografie und junge Besetzungen hervorgehoben werden, bis zu schonungslosen Verrissen.93 Ab 1957 werden die Vorgängerfilme nur noch selten erwähnt, obwohl die Rezensionen von Remakes nicht seltener werden. Insgesamt ist für den Evangelischen Film-Beobachter zu konstatieren, dass die Neuverfilmungen selten positiv besprochen werden, der Vorgängerfilm aber keineswegs stets als unerreichter Maßstab dient.94 Der katholische Film-Dienst ist in der Zeit stark auf den deutschen Film fokussiert. Dennoch lassen sich kirchenübergreifende Akzente beobachten: Grundsätzlich sind auch hier bis 1953 Reprisen stark vertreten.95 Die meisten Vergleiche der Remakes tauchen in den Rezensionen der Jahre 1955 und 1956 auf – neben dem großen Editorial-Thema der Zeit, »Jugend und Film«, das nicht nur die Interessen und Interventionen der beiden christlichen Kirchen nach 1945, sondern auch eine Akzentuierung der westdeutschen Medienpolitik spiegelt.96 Hier verhandeln die Rezensionen noch stärker die sittlich-moralischen Inhalte und korrigieren die filmischen Darstellungen der Kirche.97 Doch es fällt auf, dass 92 Besprochen wird hier übrigens das Remake von Der Mustergatte (1937), vgl. »Kann ein Mann sooo treu sein?«, in: EFB, Nr. 41, 11. 10. 1956, 8. Jg. 93 Vgl. u. a. »Kitty und die große Welt«, in: EFB, Nr. 38, 20. 9. 1956, 8. Jg., »Der Stern von Rio«, in: EFB, Nr. 17, 28. 4. 1955, 7. Jg., »Die Geierwally«, in: EFB, Nr. 37, 13. 9. 1956, 8. Jg. 94 Selbst der Film Dunja, der ein insgesamt positives Presseecho hatte, wird hier stark kritisiert und »[v]ermag sich, obwohl farbig, aus dem Schatten der ersten Verfilmung (mit Heinrich George und Hilde Krahl) nicht zu lösen«, vgl. »Dunja«, in: EFB, Nr. 1, 5. 1. 1956, 8. Jg. 95 In beiden kirchlichen Fachblättern enden die Rezensionen von Reprisen nicht 1953, sie nehmen nur ab, vgl. u. a. späte Rezensionen: »Das Paradies der Junggesellen«, in: FD, Nr. 25, 20. 6. 1957, 10. Jg. oder »Die drei Codonas«, in: EFB, Nr. 24, 16. 6. 1955, 7. Jg. 96 Ausführlich zur katholischen Filmarbeit und den Jugendschutzvorstellungen und der Gründung des Film-Diensts aus der Zeitschrift Filmdienst der Jugend, vgl. Kuchler 2006. Ausführlich zu Jugendschutzvorstellungen der Bundesregierung am Beginn der 1950er Jahre im Rahmen der »Schmutz- und Schund«-Debatte, die nun weniger abfällig, aber nicht weniger wortreich über »jugendgefährdende Schriften« geführt wurde, vgl. von Saldern 2000. Zu den Grundzügen westdeutscher Film- und Medienpolitik, vgl. I. 3. Strukturen: (Film-) Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion, S. 70–92. 97 Neben den Warnungen vor Zerrüttung der Familie oder frivolen Passagen und den Beschwerden über die Verspottung religiöser Handlungen, etwa des Tischgebets in Das sündige Dorf (1954), finden sich immer wieder Korrekturhinweise für die Ausstatter über falsche Priestergewänder und die Drehbuchautoren der Filme, etwa über die Verwechslung, dass sich der katholische Geistliche »vom ›Konsistorium‹ (der Behörde einer evangelischen Landeskirche) in eine andere Gemeinde versetzen läßt«, »Das Mädchen vom Pfarrhof«, in: FD, Nr. 41, 13. 10. 1955, 8. Jg.

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

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im Film-Dienst die Neuverfilmungen stärker formal und inhaltlich diskutiert werden. Dabei können die Urteile umso vernichtender ausfallen, etwa über Bezauberndes Fräulein (1953): »Dieses abgestandene musikalische Lustspiel von Ralph Benatzky ist von Georg Thomalla so inszeniert worden, daß in die verstaubte Erfindung noch auf üble Weise die Geschmacklosigkeit dringt.«98 Die Vorgängerfilme finden Erwähnung, fungieren aber meist als Maßstab, vor dem das Remake selten besteht.99 Vor allem die vergangenen schauspielerischen Leistungen stehen Pate für Vergleiche: Heinrich Georges Postmeister in »seinem Spiel von geradezu elementarer Kraft« gegenüber Walter Richter als »betrunkener Berliner Kneipenwirt«, Heidemarie Hatheyers Darstellung der Geierwally oder Hannerl Matz als »äußerst nichtssagend[e]« Regine im Vergleich zu Luise Ullrich.100 Betont werden – ähnlich dem Evangelischen Film-Beobachter – allenfalls die Möglichkeiten der Farbfilmfotografie und seltener darstellerische Leistungen,101 die den Vorgängern ebenbürtig wären. Dabei fällt im konfessionellen Vergleich auf, wie subjektiv die Einschätzungen der Schauspieler sind.102 Aufgrund der Fokussierung auf die einzelnen Filme sucht man nach Spitzen gegen die Remakes etwa als Ausdruck der ideenlosen Filmindustrie vergeblich. Auch im Film-Dienst schwindet das Interesse an den Vorgängerfilmen ab 1957. Diesen Bruch jedoch mit einem allgemeinen Schweigen zur jüngeren Vergangenheit gleichzusetzen, ignoriert die Spezifika der Filmgeschichte. Vielmehr spiegelt sich hier die wirtschaftliche Krise der Filmindustrie, die in den Fachzeitschriften Präsenz fordert. Im Streit über Remakes lassen sich zwei Positionen festmachen: auf der einen Seite die Filmkritik, der die angestiegene Remakeproduktion den Anlass zur kritischen Auseinandersetzung mit dem bundesdeutschen Spielfilm und seinen Akteuren liefert. Auf der anderen Seite stehen die Vertreter der Filmindustrie, Regisseure und mit Manfred Barthel im FilmTelegramm ein Dramaturg an der Schnittstelle zwischen Kritik und Praxis. So konträr ihre Bewertungen, so ähnlich ihre Prämissen.

98 »Bezauberndes Fräulein«, in: FD, Nr. 1, 1. 1. 1954, 7. Jg. 99 Vgl. u. a. »Rosen im Herbst«, in: FD, Nr. 40, 6. 10. 1955, 8. Jg. 100 Vgl. »Dunja«, in: FD, Nr. 1, 6. 1. 1956, 9. Jg.; »Geierwally«, in: FD, Nr. 36, 6. 9. 1956, 9. Jg.; »Regine«, in: FD, Nr. 10, 8. 3. 1956, 9. Jg. 101 Bestehen können allenfalls Johanna von Koczian in der Nachfolge Renate Müllers oder Maria Frau in der La Janas, vgl. »Viktor und Viktoria«, in: FD, Nr. 18, 2. 5. 1957, 10. Jg. und »Stern von Rio«, in: FD, Nr. 17, 28. 4. 1955, 8. Jg. 102 Bei den hier angeführten Beispielen Der Stern von Rio und Geierwally fällen die Rezensenten vollkommen gegenteilige Urteile über die Leistungen von Maria Frau bzw. Barbara Rütting.

58

Historischer Teil

2.2

Einwände: Filmkritiker über Remakes

Als der ungenannte »Spezial«-Kritiker der Filmpress »Das neue Programm der alten Filme« am Beginn des Verleihjahres 1955/56 inspiziert, ätzt er – hier stellvertretend für andere Remakekritiker der Zeit103 – bereits in den ersten Sätzen: Was veranlasst die Filmverleiher eigentlich, im nächsten Jahr […] eine derart umfangreiche Liste alter und ältester Filme neu aufzulegen? Einfallslosigkeit der Autoren? Resignation der Produzenten? Unrast und Unvermögen der Filmkaufleute? Spekulation auf historische Filmgeschäfte? Ein Produzent erklärte es so: »Unsere Verleiher weigern sich einfach, neue Filmstoffe zu suchen oder kennen zu lernen. Da sie weder ins Theater gehen, noch regelmäßig Bücher lesen, noch irgendetwas tun, um ihre literarische Bildung zu vervollkommnen, verlassen sie sich entweder auf die ›Erfolge‹ der illustrierten Presse von heute oder auf die ›Erfolge‹ der Filme von gestern.« Also kommt die hohe Ziffer der neuaufgelegten alten Filme der geistigen Bankrott-Erklärung aller Beteiligten gleich?104

Mit diesen Fragen ist bereits der Rahmen der Kritik umrissen: Erstens erscheinen Remakes grundsätzlich als Zumutung. Sie verweisen auf »alte Filme«, das Potential eines Bearbeitungsprozesses ist dabei nicht mitgedacht. Vielmehr verhindert der Rückgriff die Thematisierung aktueller Probleme im Film. Zweitens wird die – insgesamt in der Filmkritik beklagte – Stoffkrise der Zeit als Grund aufgeführt, in deren Diskussion Remakes im Übrigen auch stets als Negativfolie herhalten müssen.105 Die Verantwortung hierfür überträgt der namenlose Filmproduzent den Verleihern, die tatsächlich der finanzkräftigste Teil der Filmbranche waren. Damit sind Remakes ein Negativsymptom des industriellen Finanzgeschäfts, das in der »Spekulation auf historische Filmgeschäfte« seine Auswüchse hat. Als Grund für das Versagen wird fehlende kulturelle Bildung genannt. Das Argument ist aus deutschen bildungsbürgerlichen Maßstäben entwickelt, die sich bereits im Zeitalter der Aufklärung herausgebildet haben und die deutschsprachige Diskussion über den Film als Kunst auch in den 1920er Jahren bestimmten.106 In dieser Tradition werden Remakes verurteilt; als Ausdruck und Geschäft einer ungebildeten Filmindustrie, die damit potentiell kulturelle Aufgaben, vor allem aber die künstlerische Originalität des Spielfilms 103 Die gleichen Positionen und Argumente führen etwa Peter Peiler und Klaus Hebecker an, die am Beginn vorgestellt wurden, vgl. Peiler 1955, Hebecker 1955. 104 »Das neue Programm der alten Filme«, in: FP, Nr. 25, 30. 6. 1955, 7. Jg. 105 Vgl. u. a. H. Kuntze-Just: »Mehr Freizeit für Produzenten. ›Bar-Schwätzer‹ sind keine guten Filmautoren«, in: FTG, Nr. 34, 14. 8. 1956, 4. Jg. Der Befund über die Remake- und Heimatfilmwellen ist Ausgangspunkt des bildungsbürgerlichen Plädoyers für mehr Bildung und Lesearbeit der Produzenten. 106 Ausführlich dazu, vgl. u. a. Mühl-Benninghaus 2012, S. 20ff.

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

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(etwa in Bezug auf Drehbuch und Idee) verkauft. Das Remake avanciert so zur Zeitdiagnose auf der einen Seite und zum Argument der Kritik auf der anderen, ob an Einzelfilmen, an den »Filmgeldgebern« oder der Filmindustrie insgesamt.107 Ein »Spaziergang durch die neue Filmsaison« 1955 im Film-Telegramm fördert ein zweites Phänomen zu Tage, das sich auch in den Rezensionen spiegelt: Die Konzentration auf »prominente Remakes«, denen nach den Kategorien »zeitnah und historisch« und »der dramatische Stoff« eine eigene Liste folgt, die immerhin vierzehn Filme umfasst und meist den Titel des Vorgängerfilms verwendet.108 Weitere Remakes tauchen dann in den anderen Kategorien dieser Auflistungen auf.109 Die großen Tageszeitungen thematisierten zeitgenössisch den Film nur selten.110 Den Remakes wird hier im allerbesten Fall Skepsis entgegengebracht.111 Interessant ist im Film-Telegramm, dem »unabhängige[n] Informationsdienst über Film und Fernsehen«, von Klaus Hebecker seit 1955 herausgegeben, dass neben den Skeptikern auch die Befürworter zu Wort kommen. In der Gesamtschau der Filmpublizistik wird hier die Remakepraxis am ausführlichsten

107 Hilde Körber etwa vermutete bereits 1953 die Ursachen für die »Niveaulosigkeit« des Films in dem fehlenden Bemühen der Geldgeber, »große Themen zu suchen« bzw. überhaupt ernsthaft Manuskripte zu lesen. Stattdessen suchten dieselben »1.) Die Rechte für zweite oder dritte Verfilmungen früherer Geschäftserfolge. 2.) Lieder und Schlagertexte (oft genügen auch Schlagworte), 3.) Einen Schreiber (nur um Himmels willen keinen Dichter), der nach der Schablone eines Kochbuches mit ›man nehme‹ seine Auftragsarbeit beginnt«, Hilde Körber : »Woran krankt der deutsche Film?«, in: epd/Kirche und Film, Nr. 7, 1953, 6. Jg., S. 3. 108 Die Titelangabe kann durchaus aus der Verleihankündigung stammen. Die Filme sind Das Bad auf der Tenne, Der Kongress tanzt, Der Postmeister, Ihr erstes Rendezvous, Krach um Jolanthe, Seine Tochter ist der Peter, Der Herrscher, Die Drei von der Tankstelle, Der letzte Mann, Dr. Mabuse, der Spieler, Drei Tage Mittelarrest, Der Hauptmann von Köpenick, Charley’s Tante und Rosen im Herbst, vgl. »Spaziergang durch die neue Filmsaison«, in: FTG, Nr. 29, 12. 7. 1955, 3. Jg. Ihr erstes Rendezvous ist der einzige Film, dem eine französische Verfilmung zugrunde liegt, La Premier Rendezvous (F 1941, Decoin). 109 Es sind u. a. Die Deutschmeister, Oberwachtmeister Borck und Heimatland, vgl. »Spaziergang durch die neue Filmsaison (II)«, in: FTG, Nr. 30, 19. 7. 1955, 3. Jg. 110 Die Süddeutsche Zeitung, der Tagesspiegel und Westdeutsche Allgemeine haben eigene Filmseiten in ihren Wochenendausgaben, während etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Zeit die Filmberichterstattung mit der Lupe in den Rubriken Feuilleton (selten und erst ab ca. 1956) oder aber unter solchen Rubriken wie »Länderspiegel« zu finden ist. 111 Vgl. »Was die neue Spielzeit bringt: Remakes und kühne Pläne«, in: SZ, Nr. 161, 9./10. 7. 1955, 11. Jg., K. H. Kramberg: »Das gibt’s nur einmal, das kommt stets wieder«, in: SZ, Nr. 6./7. 8. 1955, 11. Jg. »Olle Kamellen neu frisiert«, in: Recklinghäuser Zeitung vom 24. 4. 1955 und Manfred Barthel: »Ballade vom aufgewärmten Kohl«, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 240, 15. 10. 1955, 11. Jg.

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diskutiert.112 Analog dazu sprechen dann die Einzelkritiken eine deutliche, aber insgesamt ausgewogene Sprache.113 Remakes sind hier nicht nur Negativfolie vormals gelungener deutscher Filme, die Kritik bleibt nah am Film selbst – das kann positive Rezensionen zeitigen, muss es aber nicht.114 Auch hier finden sich am Ende des Jahrzehnts zunehmend Rezensionen, die keine Vorgängerfilme mehr erwähnen, also die Filme nicht als Remakes besprechen.115 Aufgeschlossener steht die Berliner Filmpress, »unabhängige Korrespondenz für Film und Fernsehen«, Remakes gegenüber. Ihre Themen aber sind bis 1954 weit mehr von Filmpolitik und -wirtschaft bestimmt. In ihrem Feuilleton finden sich die meisten Wortmeldungen zum Thema Remakes am Ende des Jahres 1955. Sie tauchen hier in Verbindung mit der Wiederholung von Publikumserfolgen auf.116 Betont wird in der Filmpress aber auch die Verknüpfung der Remakes mit den neuen technischen Möglichkeiten: etwa Das fröhliche Dorf/ Krach um Jolanthe als erster deutscher Cinemascope-Film oder Schloss Hubertus, der »erste deutsche Farbfilm nach dem Garutso-Plastorama-Verfahren«.117 Ansonsten finden sich allenfalls Erwähnungen der filmischen Vorgänger in den Besprechungen, keine Auseinandersetzung, die mit der des Film-Telegramms vergleichbar wäre,118 und eine relativ späte, weitgehend unkommentierte Liste 112 Bis hin zu einer Satire 1956, in der ausgewalzt wird, dass Romy Schneiders Stiefvater Hans Herbert Blatzheim im Remake vom Remake von Der letzte Mann sein wird und das als Anlass dient, sämtlichen Verleihern und Filmakteuren Remaketitel mit ihren Akteuren in der Hauptrolle vorzuschlagen, vgl. »Papa, Mama, tabu und ich«, in: FTG, Nr. 7, 13. 2. 1956, 4. Jg. 113 Im Oktober 1955 etwa diskutiert Hebecker Rosen im Herbst, den er – auch im Vergleich mit dem Vorgängerfilm – als »Film von Rang« einschätzt, Klaus Hebecker : »Zweimal Fontanes ›Effi Briest‹«, in: FTG, Nr. 42, 11. 10. 1955, 3. Jg. Eine Woche später warnt er in seiner Rezension von Der letzte Mann, vgl. Klaus Hebecker.: »Die Gefahren der RemakeBildung«, in: FTG, Nr. 43, 18. 10. 1955, 3. Jg. 114 Vgl. u. a. Klaus Hebecker : »Mein Freund, der Herr Minister… Kitty und die große Welt«, in: FTG, Nr. 39, 18. 9. 1956, 4. Jg., Klaus Hebecker: »Verlobung am Wolfgangsee«, in: FTG, Nr. 46, 6. 11. 1956, 4. Jg., Klaus Hebecker : »Wenn wir alle Engel wären«, in: FTG, Nr. 1, 1. 1. 1957, 5. Jg. 115 Vgl. u. a. Klaus Hebecker : »Salzburger Geschichten«, in: FTG, Nr. 6, 5. 2. 1957, 5. Jg., Klaus Hebecker : »Und ewig bleibt die Liebe«, in: FTG, Nr. 50, 6. 12. 1955, 3. Jg. 116 Vgl. »Den Autoren fällt nichts Neues ein, die Illustrierten- und ›Hörzu‹-Romane sind zum grössten [sic] Teil aufgekauft. Also greift man auf Remakes zurück. Der bekannte Dramaturg eines massgeblichen [sic] deutschen Verleihs erklärte dieser Tage in München, dass seiner Schätzung nach mindestens 20 wenn nicht mehr Prozent des neuen Verleihprogramms aus Remakes bestände. Ob das nun den Erfolg sichert?«, Peter Braun: »Neues vom Film und seinen Leuten«, in: FP, Nr. 8, 24. 2. 1954, 6. Jg. 117 Karl H. Kaesbach: »Film-Bestseller Ganghofer«, in: FP, Nr. 34, 17. 8. 1954, 6. Jg. und »Ein Lämmchen im Schoß…«, in: FP, Nr. 31, 18. 8. 1955, 7. Jg. 118 Vgl. u. a. F. M. Bonnet: »In Genf ist wieder eine Konferenz…«, in: FP, Nr. 25, 21. 6. 1956, 8. Jg., »›Sophienlund‹ liegt jetzt am Wolfgangsee«, in: FP, Nr. 39, 27. 9. 1956, 8. Jg., »›Franziska‹ in neuem Gewand«, in: FP, Nr. 18, 2. 5. 1957, 9. Jg.

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»neuer Remakes« im Jahre 1957.119 Nach der großen Aufregung des Jahreswechsels 1955/56 bleibt das Remake hier als Begriff präsent, diskutiert wird es kaum mehr. Die Argumente, die von Kritikern der Remakes in den hier untersuchten Jahren vorgetragen werden, richten sich vor allem gegen die kommerzielle Wiederverwendung von Spielfilmen. Hauptargument ist die Skepsis gegenüber einer deutschen Filmwirtschaft, deren Remakes nach den bildungsbürgerlichen Maßstäben eines Films als Kunst vor allem in der Kategorie Originalität nicht bestehen können. So avancierten Remakes zum Symptom der Ideenlosigkeit par excellence und zu Exempeln der Kritik an der Filmindustrie der Zeit.

2.3

Anerkennung: Die Sicht der Filmwirtschaft

Die konsequentesten Befürworter der Remakes sind die Autoren der Fachpublizistik der Filmindustrie. So offen, wie es der ungenannte »Verleiher-Produzent« ausspricht, werden die Gründe selten formuliert: Nach dem Grund dieses Phänomens befragt, meinte ein führender Verleiher-Produzent: »Was wollen Sie? Viel Besseres fällt den Drehbuchschreibern heute auch nicht ein. Und außerdem haben die alten Stoffe ihre Publikumswirksamkeit schon einmal bewiesen. Das sind zwei Punkte f ü r Remakes.« Hoffen wir also, daß diese Rechnung allenthalben aufgehen wird.120

Die Rezensenten der Filmblätter, des »Fachorgan[s] der deutschen Filmwirtschaft«, als auch des Film-Echos, des »Fachorgan[s] der deutschen Filmtheaterwirtschaft«, empfehlen Remakes in den Kritiken oft auf das Wärmste.121 Das verwundert kaum, denn die Analysen dieser Publikation fokussieren Mitte der 1950er Jahre als Leitthemen vor allem die filmpolitischen und -wirtschaftlichen Prozesse. Ein einziger Verteidigungsversuch ließ sich vom Verband der Berliner Filmtheater in den Filmblättern finden: Der deutschen Filmproduktion wird in Verbindung mit der geplanten Erhebung eines Filmgroschens der Vorwurf gemacht, sie beschäftige sich allzu häufig mit Wiederverfilmungen alter Stoffe. Dieser Vorwurf ist zweifellos nicht berechtigt. Es muß der Filmkunst überlassen bleiben, alte Filmstoffe wieder zu behandeln, wenn sie einer solchen Arbeit wert sind. […] Die Kunst der Darstellung, der Fotografie und der 119 F. M. Bonnet: »Was schon einmal dagewesen ist…«, in: FP, Nr. 28/29, 11. 7. 1957, 9. Jg. 120 [HGF]: »Eine stattliche Liste Neuverfilmungen«, in: Der neue Film, Nr. 48, 20. 6. 1955, 9. Jg., S. 1. 121 Vgl. u. a. Ernst-Michael Quass: »Der Kongreß tanzt«, in: FE, Nr. 79/80, 24. 12. 1955, 9. Jg.; Ernst Bohlius: »Der letzte Mann«, in: FE, Nr. 64, 29. 10. 1955, 9. Jg.; Gert Würz: »Heimatland«, in: FE, Nr. 49, 7. 9. 1955, 9. Jg., F. E. Olimsky : »Raub der Sabinerinnen«, in: Filmblätter, Nr. 14, 9. 4. 1954, o.Jg.

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Wiedergabetechnik entwickelten sich so schnell und abweichend vom Früheren, daß eine dem angepaßte neue Verfilmung gefordert werden muß, es sei denn, man spräche dem Film jeden künstlerischen Wert an sich ab.122

Das Film-Echo spart sich die grundsätzliche Diskussion um das Remake komplett. Es taucht allenfalls in Einzelrezensionen auf. In Ernst Veits Dunja-Rezension lässt sich die Argumentation nachvollziehen, die nach den Argumenten der Regisseure und Praktiker analysiert werden wird.

2.4

Argumente der Regisseure und Praktiker

Argumentative Unterstützung haben die Vertreter der Filmindustrie von anderen Praktikern. Manfred Barthel, der vorher Abend-Kritiker war und 1953 als Dramaturg zur Berolina Film GmbH wechselte,123 diskutiert exemplarisch den konträren Standpunkt,124 indem er auf die Polemik eines ungenannten Kritikers reagiert: Nun da alle Remakes des vergangenen Jahres abgedreht sind und für den Dramaturgen diese – vergleichsweise –produktive Tätigkeit beendet ist, wäre es an der Zeit, (eben weil wir sie jetzt haben), sich mit unproduktiven Polemiken auseinanderzusetzen […]. Nun, der Dramaturg hatte erklärt, daß der Film in seine eigengeschichtliche Periode eingetreten sei und jetzt nämlich durchaus tun dürfe, was das Theater seit 2000 Jahren tut: nämlich Stoffe wieder aufgreifen, also Remakes drehen. Dagegen nun wettert unser kritischer Zeitgenosse. Wohlgemerkt, nicht gegen die Qualität der Remakes geht sein Zorn, sondern gegen das Prinzip.125

Barthel reflektiert hier die Fülle der Remakes um die Jahreswende 1955/56. Sein Einwand aber richtet sich gegen die grundlegende Verurteilung der Filme: Analog zu den Gegenargumenten bleibt er mit seiner These der Eigenständigkeit der Filmgeschichte auf dem argumentativen Gebiet der Kunst. Er verteidigt die filmische Inszenierung als gleichwertig mit der theatralen und schlägt dabei schließlich – ähnlich der Argumentation des Film-Echos – den für die Filmkritik höchst seltenen neutralen Bogen zur »Traumfließband-Produktion«: »Darüber 122 »Wiederverfilmungen«, in: Filmblätter, Nr. 28, 15. 7. 1955, o. Jg. 123 »Der private Filmunternehmer – nach 1945 (II). Die beiden Kurts aus Berlin«, in: FP, Nr. 14, 13. 4. 1954, 6. Jg. 124 Barthel schreibt bereits 1955 in der Frankfurter Rundschau einen Artikel zum Thema, in dem er aber noch weitaus kritischer konstatiert: »Wir sind Filmepigonen geworden, wir leben vom Großvätererbe und glauben vielleicht sogar, unsere Filme seien besser, weil sie bunter, breiter, moderner und stereophonischer sind«, vgl. Manfred: Barthel: »Ballade vom aufgewärmten Kohl«, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 240, 15. 10. 1955, 11. Jg. 125 Manfred Barthel: »Über den Unterschied zwischen Bühne und Film. Antwort an einen Kritiker«, in: FTG, Nr. 2, 10. 1. 1956, 4. Jg.

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kann man weinen, aber man kann sie nicht abstreiten.« Letztlich gibt er – mit dem »kritischen Erzvater Kerr« und dessen scharfsinniger Autorität – zu bedenken, dass ebenso wie im Theater viele alte Filme »durch die Erinnerung vergoldet wurden«, was dafür spricht, nicht »auf die alten Leistungen wie hypnotisierte Kaninchen zu starren«.126 Während sich die gedanklichen Prämissen (nicht ihre Schlüsse) – Film als Kunst und Originalität als Maßstab – mit denen der Kritik decken, ist die Rückbindung der Diskussion an die Aufführungspraxis im Theater neu. Dieses Argument greifen die Regisseure der Remakes, die meist noch in den 1950er Jahren an der Bühne inszeniert haben,127 in ihren Ausführungen auf. Kurt Hoffmann etwa antwortet auf die »unvermeidliche Frage« zu seiner Position: »Remakes sind eine gute Sache, wenn sie in jedem Fall eine Besonderheit bieten – es muss aber eine andere Besonderheit sein wie die des früheren Films.«128 Harald Braun betont, dass sein Film Der letzte Mann »Wiederverfilmung, aber kein Remake« sei.129 Nach seinem nächsten Remake Regine (1956/ 1935, Erich Waschneck) führt er pathetisch aus: Remakes sind verantwortbar, wenn sie nicht aus rein kommerziellen Erwägungen unternommen werden, in der vagen Hoffnung, einen Geschäftserfolg repetieren zu können – sondern mit dem Wunsch, ein elementares menschliches Grundthema in neuer, der jetzigen Zeitsituation entsprechenden Verwandlung wieder aufzugreifen.130

Bereits in diesen drei Statements ist ein Großteil der Argumente versammelt: Originalität der Interpretation (Hoffmann), kein rein finanzielles Interesse, stattdessen wichtige menschliche Themen für die Gegenwart (Braun). Erweitert wird das einzig durch einen rhetorischen Seitenhieb: Man hebt sich ab von der amerikanischen Filmindustrie – eine »Wiederverfilmung, aber kein Remake«. Vor allem aber verortet er sich mit seiner Formulierung eines »verantwortbar[en]« Remakes in einem künstlerischen Diskurs mit gesellschaftlicher Relevanz. Vor dem Hintergrund der NS-Filmproduktion kann das nur pathetisch wirken. »Mein Ja zum Remake«, verkündet Joseph von Baky in der Süddeutschen Zeitung weit über den eingegrenzten Bereich der Filmfachpresse:131 126 Ebd. 127 In der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der eine Reihe namhafter Regisseure und Darsteller des NS-Kinos in den Theatern unterkamen, und in den 1950er Jahren, inszenierten zahlreiche Filmregisseure und spielten prominente Schauspieler weiterhin am Theater : Liebeneiner etwa ab 1954 an Bühnen in Wien oder Rühmann in der Kortner-Inszenierung von Samuel Becketts Warten auf Godot (1954) in den Münchener Kammerspielen. 128 »Vier Fragen hinter der Kinotür«, in: FTG, Nr. 4, 24. 1. 1956, 4. Jg., S. 11. 129 Henning Harmssen: »Ein neuer ›letzter Mann‹«, in: FTG, Nr. 33, 9. 8. 1955, 3. Jg. 130 »Das Wagnis einer neuen Ehe«, In: FTG, Nr. 4, 4. 1. 1956, 4. Jg. 131 Der Regisseur verteidigt und thematisiert den Film als Remake bereits in der Vorabberichterstattung, vgl. Inge Santner : »Der zweite Postmeister«, in: Der Tagesspiegel, Nr. 3107, 27. 11. 1955, 11. Jg.

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Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, warum vor allem Film-Kritiker mit erstaunlicher Beharrlichkeit gegen die sogenannten Remakes Sturm laufen. Was man Opern- und Theaterregisseuren zubilligt, daß sie nämlich starke Stoffe mit großen Rollen immer wieder inszenieren, aus dem neuen Blickwinkel einer Zeit zu beleuchten trachten, in ihrem ganz persönlichen Stil interpretieren, versucht man uns Filmleuten als Mangel an neuen Ideen anzukreiden. Ich gebe zu, daß nicht jeder Stoff eine zweite Verfilmung wert ist. Meiner Meinung nach ist bei der Abwägung des »Wertes« auch nicht der einmalige Erfolg eines bestimmten Films ausschlaggebend. Wichtig ist vielmehr, daß wir ein zweitesmal an Stoffe herangehen, die wegen ihrer ganz besonderen Eignung zur Verfilmung rar und darum für einen Filmregisseur kostbar sind. Die in diesen Stoffen enthaltene große Rolle ist – genau wie bei den Theaterstücken – der wesentliche Anreiz.132

Josef von Baky begründet wortreich die Analogie von Oper, Theater und Film, die bereits diskutiert wurde und die auch Wolfgang Liebeneiner noch ein Jahr später verteidigen wird.133 Diese Verortung im Bereich der Kunst und des bürgerlichen Kulturbetriebs wird noch klarer, indem er den »einmalige[n] Erfolg eines bestimmten Films« als Kriterium für eine Neuverfilmung verneint. Damit wehrt er sich in der publizistischen Debatte gegen den Vorwurf des Films als industrielle Massenware einerseits. Andererseits erhöht von Baky das Remake wie sein Kollege Braun durch die Verneinung finanzieller Überlegungen. Wenn er gewissermaßen unnötige Remakes einräumt, spiegeln sich darin Reflexion und Eigenlob. Josef von Bakys »starke Rollen« rekurrieren mit der neuen Inszenierung im »ganz persönlichen Stil« des Regisseurs auf Eigenständigkeit, aber vor allem auf Originalität als nicht näher definierte Kriterien. Die Fokussierung auf Schauspielerfilme ist eine Tendenz der Filmkritik, die bereits in den Einzelrezensionen sichtbar wurde. Sein pathetisches »Ja zum Remake« veröffentlicht der Regisseur kurz nach der Premiere von Dunja, die am 22. Dezember 1955 in Hannover stattfand.

132 Josef von Baky : »Mein Ja zum Remake«, in: SZ, Nr. 6, 7./8. 1. 1956, 12. Jg. 133 Liebeneiner erläutert, ohne dass der Autor dazu Stellung nimmt: »Ich bin der Meinung, daß gute Drehbücher immer wieder neu verfilmt werden sollten, zumal es ohnehin viel zu wenig Film-Originalstoffe gibt. Wer wie ich vom Theater kommt, versteht die Abneigung mancher Leute gegen ein sogenanntes ›Remake‹ sowieso nicht. Oder glauben Sie, ich bin jemals davor zurückgeschreckt, auf der Bühne ein Drama zu inszenieren, nur weil es vor Jahren einmal von Jürgen Fehling großartig herausgebracht wurde?«, Hans-Dietrich Weiss: »Gute Drehbücher sollten immer wieder verfilmt werden! Wolfgang Liebeneiner über seinen neuen Film ›Franziska‹«, in: FTG, Nr. 19, 7. 5. 1957, 5. Jg.

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

2.5

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DUNJA (A 1955), ein »Renommier-Remake«

Dem Remake von Der Postmeister (1940, Gustav Ucicky) attestiert Ernst Veit im Film-Echo: »Endlich ein Remake, das wirklich ein Remake ist, da auch das Drehbuch Gerhard Menzels zum ›Postmeister‹ in der Neubearbeitung Emil Burris und J. Mario Simmels nur unwesentlich geändert worden ist.« Sein Argument – neben ausführlicher Rühmung der schauspielerischen Leistung, der Regie und der Farbkamera – ist, dass der Film »mit den Augen und Gefühlen des Jahres 1955 geschaffen [wurde]. Er ist realistischer, naturalistischer, ehrlicher, wenn man so will, russischer als sein Vorgängerfilm.«134 Da möchte man frei spekulieren dürfen, worauf die letzte Wendung im Kalten Krieg, im Kontext der Aufnahme der BRD in die NATO und dem Warschauer Vertrag abzielt bzw. ob hier ein eher bürgerliches, deutsches Russlandbild aus der Literatur des 19. Jahrhunderts in Abgrenzung zum Sowjetischen in Anschlag gebracht wird. Wichtig für die Analyse aber sind vor allem zwei Aspekte: Wenn die wirtschaftlichen Prämissen der Remakeproduktion nicht negativ bewertet werden, verknüpft das Remake in dieser Interpretation die filmische Erinnerung an den Vorgängerfilm drehbuchgetreu mit einer neuen Inszenierung für die 1950er Jahre. Hier wird dem Originalitätsparadigma der Kritiker die Werktreue zum alten Film entgegengehalten. Leider finden sich in Veits Kritik abseits der zitierten Hymne keine Anhaltspunkte, worin er die Aktualisierung sieht. Die Diskussions- und Auswertungsgeschichte von Dunja (A 1955) zeigt ferner eine Reihe von Besonderheiten im Verhältnis von Remake und Vorgängerfilm in der Publizistik: 1940 war Der Postmeister mit Heinrich George in der Hauptrolle verfilmt worden; als »künstlerisch besonders wertvoll« prädikatisiert, erhielt er im gleichen Jahr in Venedig den Pokal der Filmkunstwoche.135 Am 9. Januar 1950 wurde er ab 16 Jahren von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) freigegeben und gelangte als Reprise »jugend-« und »feiertagsfrei« in die Kinos.136 Er war also über das Uraufführungsjahr hinaus populär. Das Remake wird vom Verleih sowohl mit dem Vorgängerfilm als auch mit der Puschkin-Novelle beworben.137 Anfang der 134 Ernst Veit: »Dunja«, in: FE, Nr. 79/80, 24. 12. 1955, 9. Jg. 135 Vgl. Klaus 2000, S. 120f. Dem Hinweis von Hobsch, dass der Film nach dem Überfall auf die Sowjetunion aus dem Verleih genommen wurde, widerspricht die Zensurkarte vom 4. 11. 1943 (Prüfnummer B59564) im BA/FA, in der der Film zur öffentlichen Vorführung zugelassen wurde, vgl. Hobsch 2010, Bd. 4, S. 427. 136 Für diese und alle weiteren Daten zur Freigabe von Filmen danke ich Inge Kempenich und Eva Diaz von der FSK in Wiesbaden. 137 Die Materialien des Verleihs verweisen in nahezu jedem Artikel auf den Vorgängerfilm, etwa: »Man darf in diesem Zusammenhang keinesfalls auf den erinnernden Hinweis verzichten, daß schon vor fünfzehn Jahren der gleiche Stoff, der sich auf Puschkins berühmte Novelle ›Der Postmeister‹ stützt, mit Heinrich George, Hilde Krahl und Siegfried Breuer

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1960er Jahre wurde Der Postmeister erfolgreich wiederaufgeführt und am 22. März 1961 von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) mit dem Prädikat »besonders wertvoll« ausgezeichnet.138 Hubert Doerrschuck schwelgte schon 1950 in der Reihe »Das Schicksal schrieb ihr letztes Drehbuch« in der Zeitschrift Film- und Mode-Revue: »Seine stärkste Figur aber und künstlerischer Höhepunkt seiner filmischen Laufbahn ist sein ›Postmeister‹ unter Regie des Wieners Gustav Ucicky, jene ergreifende Gestalt des alten Mannes mit der geängstigten, von den Ereignissen dahingetriebenen Seele«, bevor der Schauspieler 1945 »in den Terrorlagern des Ostens« verschwunden sei.139 Der Ufi-Filmvertrieb hatte für die neue Verfilmung gegen eine zehnprozentige Beteiligung am Produzentengewinn und einer Garantiesumme von 50.000 DM auf seine Rechte verzichtet.140 1955 kam Dunja als Produktion der Sascha-Film GmbH im Herzog-Filmverleih in die deutschen und österreichischen Kinos. Das Echo auf den Film ist überwältigend: »Mehr als nur Remake« attestiert ihm etwa Die Welt.141 Er wird am 15. Dezember 1955 von der Filmbewertungsstelle der Länder (FBL) als »wertvoll« prädikatisiert.142 Der Vorgängerfilm ist wichtiger Referenzpunkt der Kritik, die den Film »[i]m Schatten des Vorbildes diskutiert«,143 das durch das offensive Statement des Regisseurs (»Mein Ja zum Remake«) einigen Aufwind erhalten haben wird. »Remake von Rang« urteilt auch die Frankfurter Rundschau,144 das »den Vergleich nicht zu scheuen [braucht], obschon dieser Film aus weicherem Holz geschnitzt ist«.145 Problematisiert werden in erster Linie die schauspielerischen Leistungen. Eva Bartok als Dunja schneidet relativ schlecht ab, während die Urteile über den Theaterschauspieler

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verfilmt wurde, ganz ohne Zweifel ein bedeutsames Werk, das eine verdienstvolle Station der Filmgeschichte kennzeichnet«, vgl. Presse-Material Herzog-Filmverleih (DIF-Pressemittelsammlung). Vgl. u. a. Die Zehnjahresliste der Filmbewertungsstelle 1951 bis 1961, S. 11; »Der Postmeister«, in: EFB, Nr. 4, 15. 2. 1951, 3. Jg., »Postmeister wiederaufgeführt«, in: SZ vom 24. 01. 1962, »Heinrich George in unvergeßlicher Rolle«, in: Bayreuther Tageblatt vom 12. 6. 1960, Abdruck der Begründung des Prädikats der FBW, vgl. Hobsch 2010, Bd. 4, S. 426. Hubert Doerrschuck: »Heinrich George. Das bittere Ende des großen Schauspielers«, in: Film- und Mode-Revue, Nr. 19, 1950, 4. Jg. Vereinbarung zwischen Ufi-Filmvertrieb und Sascha-Filmproduktion mit Schreiben vom 22. 6. 1955, BArch R 109 I, 3441, o. S. und Vereinbarung UFI-Filmvertrieb und Sascha-Film Produktionsgesellschaft Wien, Dr. Herbert Gruber (Sascha), Horn und Posein (Ufi), BArch R 109 I, 2718, o. S. Vgl. u. a. Gerd Schulte: »Auch ohne George ein großer Erfolg«, in: Die Welt vom 27. 12. 1955. Die Zehnjahresliste der Filmbewertungsstelle 1951 bis 1961, S. 65. Friedrich A. Wagner : »Im Schatten des Vorbildes«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom12. 1. 1956. »Dunja«, in: Frankfurter Rundschau vom 12. 1. 1956. »Ein neuer Postmeister – keine zweite Dunja«, in: Badische Neueste Nachrichten vom 14. 1. 1956.

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Walter Richter insgesamt positiv bis euphorisch sind, Ausnahmen inklusive.146 Wenn in der Filmpress die Beurteilung Richters mit »Kein Kopist Georges« überschrieben ist, wird klar, auf welchem schmalen Grat sich Remakes bewegten.147 So wird das erwähnte Lob des Film-Echo-Kritikers, der die Drehbuchtreue pries, einerseits zur Legitimation, tatsächlich von einem filmischen Remake zu sprechen. Andererseits wird diese »Neuinszenierung im Theatersinne«148 zur Herausforderung für Regisseur und Schauspieler und zum Tummelplatz der Werturteile: Drehbuchtreue kann als Ideenlosigkeit und ebenso als Hommage oder Anknüpfen an den Vorgänger gedeutet werden, Regisseur und Darsteller bewegen sich mit der Neuinterpretation der Figuren – negativ formuliert – zwischen Kopie und Anmaßung. Dass Urteile und vor allem die der Filmkritik konträr und selten an explizierte Maßstäbe gebunden sind, ist sicher keine Überraschung. Aber hier wird deutlich, dass ein Problem der Befürworter und Gegner in der ausschließlichen Betrachtung der Remakes als Kunst liegt: Unterhaltungswerte werden nicht verhandelt, die Bedingungen der privatwirtschaftlichen Filmproduktion ebenso wenig. Am Kunstbegriff und am Originalitätsparadigma haftet eine nicht explizierte Bindung an einen Künstler, der entgeht, dass die Wiederverfilmung eine Gemeinschaftsarbeit von Drehbuch, Regie, Neubesetzung, Kamera, Schnitt usw. ist. Das überarbeitete Drehbuch als argumentativer Bezugs- und Rechtfertigungspunkt führt sich im Vergleich durch alle dramaturgischen Bearbeitungen für Bühneninszenierungen selbst ad absurdum. Dunja macht aber noch einen anderen, letzten Aspekt deutlich: die anhaltende Wahrnehmung eines umfassenden deutschen bzw. deutschsprachigen Filmmarkts, der die österreichischen Produktionen selbstverständlich schluckt: Dunja war der »erste deutsche Film, der in Israel lief« und das »mit beträchtlichem Erfolg«.149 Die wirtschaftliche und personelle Verbindung der Filmländer wird später ausführlicher vorgestellt,150 ist aber nicht nur mit den historischen Prozessen im Nationalsozialismus, sondern dabei immer mit der Frage, was ein »deutscher« Film sei, virulent.151

146 Vgl. u. a. Rudolf Neutzler : »Dunja«, in: FW, 1. 1. 1956, 11. Jg., »Farbkontraste als dekoratives Element«, in: Erlanger Tageblatt vom 21. 1. 1956, Berthold Mülhaupt: »Künstlerische Leistung im Schatten Georges«, in: Die Rheinpfalz vom 13. 1. 1956. 147 »Kein Kopist Georges: Walter Richter«, in: FP, Nr. 1, 5. 1. 1956, 8. Jg. 148 »Dunja«, in: Der neue Film, Nr. 103/104, 31. 12. 1955, 9. Jg. 149 »Der erste deutsche Film, der in Israel lief«, in: Stuttgarter Nachrichten vom 4. 10. 1957. 150 Vgl. I. 5.5 Remakes aus Österreich, S. 126–131. 151 »Was ist ein ›deutscher Film?‹«, in: FB, Nr. 9, 4. 3. 1955, o. Jg.

68 2.6

Historischer Teil

Das Ende der Diskussion

Im publizistischen Diskurs lässt sich ablesen, dass von Seiten der Kritiker und Befürworter die gleichen Prämissen für die Beurteilung des Unterhaltungsfilms zwischen Kunstprodukt und Filmindustrie gelten. Remakes sind auch deswegen so problematisch, weil sie dieses Zwitterwesen nicht verbergen können. Ihre Verteidiger müssen – dem Gedanken eines Films als Kunst verhaftet – argumentative Ausweichmanöver suchen: In vehementer Verneinung eines kommerziellen Interesses ziehen sie Analogien zur Theaterpraxis. Unerwähnt bleiben in den zeitgenössischen Besprechungen die Herstellungszeiten, Prädikate und politische Indienstnahmen der Vorgängerfilme. Auch wenn sich vereinzelt schon in der Adenauer-Zeit Verweise auf die Brüche in deutscher Filmgeschichte durch den Nationalsozialismus ausmachen lassen,152 sind die Besprechungen der Einzelfilme ebenso wie die Diskussionen um Remakes von einer Vorstellung der Kontinuität deutscher Filmgeschichte geprägt. So können die Rezensionen auf die alten Erfolge von Der Kongress tanzt ebenso wie auf Der Herrscher rekurrieren. Denn die ästhetischen Prämissen überdecken die politische Problematik. Es scheint, als wären die zeitgenössischen Beurteilungsmaßstäbe von der filmwissenschaftlichen Diskussion übernommen worden: in der Betonung der »glanzvollen Produktionen der Ufa-Zeit«, im Vorwurf fehlender Originalität und rein geschäftlichen Kalküls. Vor allem die Abwertung der Remakes unter der ästhetischen Kategorie der Originalität ist langlebig.153 Bereits 1961 empören den Kritiker Joe Hembus die Remakes von »originale[n] Filmschöpfungen«.154 Die von ihm genannten »glanzvollsten Meisterwerke« sind etwa Mädchen in Uniform (D 1931, BRD/F 1958), Der Kongress tanzt (D 1931, A 1955) und Alraune (D 1930, BRD 1952) und Die Drei von der Tankstelle (D 1930, BRD 1955) und Viktor und Viktoria (D 1933, BRD 1957) und damit die gleichen Remakes, die auch in der filmhistorischen Forschung immer wieder angeführt und in Einzelanalysen z. T. sogar untersucht werden.155 Während die 152 Karl Klär etwa setzt sich in seinem Artikel mit der filmwirtschaftlichen Vergangenheit des »künstlerischen Films« in Deutschland kritisch auseinander, eine politische Thematisierung sucht man auch hier vergebens, Karl Klär : »Was tut die deutsche Filmwirtschaft für ihr Publikum?«, in: FTG, Nr. 37, 4. 9. 1956, 4. Jg. 153 Er findet sich noch 2003 in der Argumentation von Johannes Kamps, im Aufsatz über Forsts Remakes in den 1950er Jahren, in dem der Autor auch über das jeweilige »Original« schreibt. In dieser Linie erscheint es dann auch logisch, dass er konstatiert, dass vor allem »mittlere Stoffe« neu verfilmt wurden – diesen Gedanken übernimmt er von Hembus, den er auch zitiert. Seine Beispiele aber – Die Privatsekretärin oder Der Kongress tanzt – sind die Erfolgsfilme 1930/31 bzw. 1931/32, vgl. Kamps 2003, S. 478, Garncarz 2013, S. 187. 154 Hembus 1961, S. 95. 155 »Daß die Filmindustrie im ersten Jahrzehnt vor allem dem Bewährten vertraute, belegte die

Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik

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Remakes unter ästhetischen Kategorien auch im wissenschaftlichen Diskurs abgewertet werden, dienen sie zugleich als Argument der Kontinuität bzw. des Rückgriffs.156 Klaus Kreimeier etwa bemerkt die Quantität der Remakes und kommentiert einzelne,157 führt sie jedoch lediglich als Argument für die Kontinuität der »herrschenden Ideologie« im Heimatfilmgenre an.158 Dabei ist der Filmhistoriker einer der wenigen, der exemplarisch auf das Aktualisierungspotential verweist.159 Die publizistische Diskussion um die »Remakewelle«, die etwa ab 1954 die »Reprisenflut« beerbte, verebbte nach 1956 bei zunächst beinahe konstanter Remakeproduktion. Nun bestimmte der Strukturwandel in der Filmwirtschaft die Editorials der Filmpublizistik. Remakes spielen hier keine Rolle mehr, die »Fernsehlawine rollt« in der Filmpresse.160 Die Vorgängerfilme können nun – von prominenten Ausnahmen wie Der Postmeister abgesehen – stillschweigend ins Fernsehprogramm wechseln. Während in der Filmfachpresse die Klage über die künstlerisch unzureichenden Bilanzen deutscher Spielfilme dominiert,161 hat die Diskussion über Remakes völlig an Brisanz verloren. 1960 veröffentlicht das Film-Echo noch einen »Wegweiser durch mehr als 150 Wiederverfilmungen«:

156 157

158 159 160 161

lange Reihe der Remakes, der Wiederverfilmung von Stoffen, die bereits in den 30er Jahren Kinoerfolge waren. Doch die Remakes von ›Der Kongreß tanzt‹ (1955, Regie Karl Antel), ›Die drei von der Tankstelle‹ (1955, Hans Wolff) oder von ›Mädchen in Uniform‹ (1958, Geza von Radvany) sind sämtlich vergessen, während die Erstverfilmungen von Erik Charell (1931), Wilhelm Thiele (1930) oder Leontine Sagan (1931) ihren Platz in der Filmgeschichte bewahrt haben«, Kahlenberg 1989, S. 482. Zwei von drei Beispielen finden sich schon bei Hembus, vgl. u. a. auch Vgl. u. a. auch Schaudig 1996, S. 284ff. Vgl. u. a. Faulstich / Korte 1990, S. 23, Koch 1987, S. 79ff. und S. 163ff. Fragwürdig bei Willy Birgels Hauptrolle in Wenn die Abendglocken läuten (1951) als »politisch etwas verharmlostes Remake des nationalsozialistischen Films ›…reitet für Deutschland‹« (1941) bzw. rein quantitativ, dass von 300 Heimatfilmen »etwa dreißig eindeutige Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus« sind, Kreimeier 1985, S. 299 bzw. vgl. u. a. auch Kreimeier 1989, S. 23, Kreimeier 1973, S. 103f. Erstmalig wird Wenn die Abendglocken läuten als Remake bei Schmieding erwähnt, vgl. Schmieding 1961, S. 28. Kolportiert als Remake bei Koch 1985, S. 23 und Schmidt 1989, S. 72. Da erscheint Barthels »weckt auch die Erinnerung« als präzisere Umschreibung, vgl. Barthel 1991, S. 99. Kreimeier 1973, S. 103ff. Das Remake von Ferien vom Ich (1934/1952) erklärt er u. a. aus der Aktualität der Figur des US-Amerikaners nach der Besatzungszeit, vgl. ebd., S. 104. »Nicht mehr aufzuhalten«, in: FTG, Nr. 16, 15. 4. 1958, 6. Jg. Vgl. u. a. Klaus Hebecker: »Es war, rundum, ein dürres Jahr«, in: FTG, Nr. 52/53, 19. 12. 1956, 4. Jg.; H. Kuntze-Just: »Vor Beginn eines kritischen Filmjahres«, in: FTG, Nr. 23, 4. 6. 1957, 5. Jg.; Klaus Hebecker : »Das Fleisch ist willig, doch der Geist ist schwach«, in: FTG, Nr. 25, 16. 6. 1958, 6. Jg.; Klaus Hebecker : »Ein paar gute Filme – der Rest war unerheblich«, in: FTG, Nr. 51/52, 15. 12. 1959, 7. Jg.

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Die Untersuchung scheint uns nicht nur dramaturgisch, sondern auch filmgeschichtlich interessant. Zur Auffrischung des Gedächtnisses unserer Leser haben wir die Namen der Regisseure und Hauptdarsteller angeführt; […]. Unter den Hauptdarstellern und Regisseuren der Erstverfilmungen befinden sich viele, die nicht mehr unter uns weilen; für sie wurde die Liste in vielen Fällen zu einer ehrenden Erinnerung.162

Neben der Beiläufigkeit und dem filmgeschichtlichen Interesse, das die Remakes trotz anhaltender Produktion hervorrufen, zeigt sich in diesem Einleitungstext noch einmal die Bindung der Remakes an Regisseure und Stars. Diese spiegeln dabei das Diskussionsfeld der durchaus wohlwollenden filmwirtschaftlichen Kritik – Film als Kunstwerk einerseits und Publikumskino andererseits.

3.

Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion

Die wichtigsten filmpolitischen Schlagworte und Prozesse in der jungen Bundesrepublik sind ökonomischer Natur : Reprivatisierung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens (Ufi-Liquidation) und die Bürgschaftsprogramme ab 1950 zur wirtschaftlichen Konsolidierung der privaten Filmindustrie. Inhaltlich dagegen geben lediglich die vernichtenden Einschätzungen einzelner Politiker Aufschluss – und die Bundestagsdebatte zum Film von 1954. Der CDUBundestagsabgeordnete Paul Bausch, der 1953 nach Rudolf Vogel den Vorsitz des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films übernahm, etwa resümierte 1954: »Im Jahre 1953 wurden 103 Spielfilme erzeugt. Was die geistige, sittliche, ethische und künstlerische Substanz des deutschen Films anbelangt, so ist diese ganz naturgemäß ein Spiegelbild der geistigen Krise unserer Zeit.«163 Unmöglich ist es, die Filmpolitik der 1950er Jahre abzutrennen von der im Nationalsozialismus. Die erste, offensichtliche Verbindung sind die Personalkontinuitäten: Dr. Rudolf Vogel etwa, Bundesfilmbeauftragter, Vorsitzender des Ufi-Abwicklungsausschusses und Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films bis 1953 begann seine Karriere vor 1945. 1937 wurde der Journalist Vertreter des Verbandes Oberschlesischer Zeitungen und noch 1942 zertifiziert ihm die Gauleitung der NSDAP Berlin, »politisch 162 »Zum zweiten, zum dritten Male…«, in: FE, Nr. 51, 25. 7. 1960, 14. Jg. 163 Rede des CDU/CSU-Abgeordneten Bausch in der »22. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 2. 04. 1954«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, S. 747–792, hier : S. 771. In seinen Memoiren stellt er seinen »Kampf um den besseren Film« detailliert dar, den er gar in einem Brief an den Bundeskanzler einklagte, aber das ist nur eine Position und daraus eine grundsätzliche Position der Bundesregierung abzuleiten, erscheint mindestens fraglich, vgl. Bausch 1969, S. 192ff.

Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion

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einwandfrei« zu sein.164 Auch Dr. Max Winkler, der im Auftrag Goebbels’ die deutsche Filmindustrie verstaatlichte, taucht in den 1950er Jahren prominent wieder auf.165 Anlässlich seines 80. Geburtstags resümiert Die Filmwoche über Winkler, der sich um den deutschen Film und die deutschen Minderheiten verdient machte: Das Dritte Reich zog ihn nun ganz für seine Filminteressen heran. Nur wenigen ist bekannt, mit wieviel Geschicklichkeit und Takt er sich dabei den ihm gestellten Aufgaben unterzogen hat. Es entsprach dem wirtschaftspolitischen Denken Dr. Winklers und seiner Überzeugung von der organischen Ordnung der Dinge, im Rahmen der ihm verbleibenden Möglichkeiten auch hier lenkend und ausgleichend zu wirken.166

Unerwähnt bleibt hier Winklers Leitung der Haupttreuhandstelle Ost (HTO), die 1939 mit dem unveröffentlichten Erlass Hermann Görings ihre Tätigkeit zur »Verwaltung« des in den polnischen Gebieten eroberten Vermögens aufnahm.167 Bei der HTO war auch ›sein‹ Rechtsanwalt, Dr. Bruno Pfennig, beschäftigt, der bei den juristischen Fragen der Remakeproduktion im Ufi-Konzern wieder erscheinen wird. Im Zeichen der Demokratisierung und des Neuanfangs standen die Veränderungen wie etwa die Abschaffung des Reichslichtspielgesetzes im Jahre 1945 und das Zensurverbot für die Exekutive 1949 (Grundgesetz, Artikel 5) sowie die Wiedererrichtung der föderalistischen Struktur in Kulturfragen. Die ersten vorsichtigen Bemühungen der Filmförderung befanden sich damit im Zwiespalt zwischen intendierter staatlicher Machtausübung und ausdrücklicher alliierter Vorgabe der Privatisierung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens. Vor allem die publizistische Diskussion war früh und konsequent geprägt von der 164 Ab dem 1. 6. 1939 ist Vogel Sonderführer im Polenfeldzug, sodann in Belgien Betreuer der italienischen Journalisten und in Paris (1941), ab 1942 in Saloniki und zertifiziert laut »Auskunft der Gauleitung Berlin der NSDAP. […] politisch einwandfrei«, BArch R 55/ 55 2395, Bl. 79. In der Literatur zum Deutschen Bundestag wird Rudolf Vogels (1906–1991) Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg mit »Wehrmacht« beschrieben, vgl. Herbst/Vierhaus 2002, S. 901. 1954 veröffentlichte Der Spiegel antisemitische Texte Vogels von 1939 und so wurden Rücktrittsforderungen an den Vorsitzenden des Ufi-Liquidationsausschusses formuliert, vgl. Der Spiegel, Nr. 28, 1954, S. 5 und H. Kajott: »Neue schwere Beschuldigungen gegen Dr. Vogel«, in: FP, Nr. 26, 8. 7. 1954, 6. Jg. Als Bundesfilmbeauftragter tritt er daraufhin am 15. 9. 1954 zurück, vgl. H. Kajott: »Dass mir das nicht wieder vorkommt«, in: FTG, Nr. 45/46, 21. 12. 1954, 2. Jg. 165 Max Winkler erhielt nach 1945 von der Bundesregierung eine Abfindung und vermutet wurde schon damals, dass er am Entwurf des Ufi-Entflechtungsgesetzes beteiligt war, »dessen geschickte Handhabung und Auslegung es dem Bunde erlauben sollte, sich eine spätere Einflußnahme vorzubehalten«, Schweins 1958, S. 171. Auch Ernst Klee listet ihn nach seinen Tätigkeiten als Reichsbeauftragter für die deutsche Filmindustrie und Leiter der Haupttreuhandstelle Ost im »Filmbereich« der BRD, Klee 2003, S. 679. 166 »80. Geburtstag von Dr. h.c. Winkler«, in: FW, Nr. 37, 10. 9. 1955, 10. Jg. 167 Rosenkoetter 2003, S. 26. Zur Person und Ernennung Winklers als Leiter, vgl. ebd., S. 26ff.

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Furcht vor staatlicher Einflussnahme, die Erinnerungen an den Nationalsozialismus heraufbeschwor : »Wir wollen keinen Goebbels« überschrieb Heinz Kuntze-Just 1954 seine Kritik am ehemaligen Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Dr. Otto Lenz.168 Sein Einfluss wird hier aber nicht nur in Bezug auf die Freiheit der Filmpublizistik gefürchtet, sondern auch in Bezug auf Film und Rundfunk insgesamt. Nicht zuletzt war der »mit Koordinierungsfragen« beschäftigte erste und letzte Bundesfilmbeauftragte Dr. Rudolf Vogel eine Erfindung des Staatssekretärs Lenz.169 Mit dem NS-Verweis knüpft Kuntze-Just an einen publizistischen Diskurs an, der bereits etwas früher in den Diskussionen um das von Adenauer und Lenz geplante »Informationsministerium« begonnen hatte. Nach Notizen aus dem Winter 1948/49 von Werner Krueger ahnte auch der Kanzler die Ambivalenz: »Einen neuen Goebbels brauchen wir nicht – aber ein wirksamer Apparat mit einem presseerfahrenen Mann an der Spitze – das muß sein!«170 Die Abwehr staatlicher Einflussnahme von Seiten der Filmpublizisten und Interessenvertreter stand in Spannung zur expliziten Forderung nach wirtschaftlicher Filmförderung. Die Wechselwirkung fasst Kuntze-Just pointiert nach der Debatte im Deutschen Bundestag 1954 zusammen: Der Freiheit des Films droht nicht nur von der Seite des Staates die Gefahr, sondern auch aus den eigenen Reihen, wo man – mit Blickrichtung auf die staatlichen Bürgschaften – beginnt, teils fromm, teils lammfromm zu werden. Diese Tendenz ist unerfreulich und erinnert an fatale Zeiten, in denen der Film ebenfalls als »vornehmste Aufgabe« die »Erziehung des Volkes« zugewiesen bekam.171 168 Dr. Otto Lenz trat 1928 in den preußischen Staatsdienst ein, 1938 schied er ohne Pensionsansprüche aus und arbeitete wieder als Rechtsanwalt, nach dem 20. Juli 1944 wurde er als Mitglied des Widerstands verhaftet und verurteilt, vgl. Gotto 1985, o. S. Lenz bekleidete von 1951 bis 1953 das Amt des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählte (nach der von Hoffmann zitierten Tagebuchpassage Lenz’) »die Intensivierung der Presse und Propaganda«, Hoffmann 1995, S. 60. Lenz erarbeitete 1953 den schriftlichen Plan zur Einrichtung eines Informationsministeriums, von dem sich der Kanzler nach öffentlicher Kritik distanzierte. Lenz trat als Staatssekretär zurück, Hans Globke wurde zu seinem Nachfolger ernannt, vgl. ebd., S. 61f. Im selben Jahr zog Lenz als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag ein. Er verstarb 1957. 169 Heinz Kuntze-Just: »Wir wollen keinen Goebbels«, in: FP, Nr. 24, 24. 6. 1954, 6. Jg. 170 Krueger 1988, S. 34. Zur publizistischen Diskussion über das Amt, vgl. Weiss 2006, S. 99f. Schon 1953 berichtet Kuntze-Just über das Scheitern des Informationsministeriums, von dem sich nach seinem Bericht der Bundeskanzler distanzierte, u. a. nachdem Bundespressechef von Eckardt und sein Stellvertreter Krüger mit Rücktritt gedroht hätten, vgl. Heinz Kuntze-Just: »Dr. Otto Lenz hat eine Schlacht verloren. Wo blieb der Protest der Filmverbände?«, in: FTG, Nr. 33, 29. 9. 1953, 1. Jg. Auch die ansonsten vor allem der Dokumentation verpflichtete Broschüre über das Bundespresseamt beginnt die Entwicklung des Presse- und Informationsamts mit Verweis auf das Propagandaministerium, vgl. Kordes / Pollmann 1985, S. 23. 171 Heinz Kuntze-Just: »Der Film als ›Erzieher‹«, in: FP, Nr. 19, 20. 5. 1954, 6. Jg.

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Die NS-Zeit zeitigt auch Spuren und Ambivalenzen in der Sprache: In der Filmpolitik bedienen sich die Überlegungen zu staatlichen Eingriffen einer Reihe von Begrifflichkeiten, die der Nationalsozialismus mitprägte und zugleich dient der NS-Verweis als Warnung.172 So wundert es nicht, dass im Gegensatz zu den beredten Vorgaben für den deutschen Film, wie Goebbels sie in zahlreichen Reden und Dokumenten vorgetragen hatte, ein »filmpolitische[s] Gesamtkonzept für zu ergreifende Fördermaßnahmen« für die junge Bundesrepublik nicht aufzuspüren ist.173 Noch 1957 konstatiert F. M. Bonnet in seiner zweiteiligen Serie »Wer beeinflusst den deutschen Film?« im Film-Telegramm: »Die einzige Partei, die eine filmpolitische Konzeption hat, ist die CDU/CSU.« Diese Aussage aber zielt primär auf die politischen Vorgaben der Ufi-Entflechtung.174 Die Filmpolitik der Bundesregierung war mit wirtschaftlichen Maßnahmen verknüpft, sodass ökonomische und inhaltliche Standpunkte verwoben waren. Absichten und Einschätzungen lassen sich entsprechend allenfalls in einzelnen Debatten und Drucksachen des Deutschen Bundestages sowie in den Protokollen des genannten Ausschusses für Fragen der Presse des Rundfunks und des Films finden, dem in Nachfolge Rudolf Vogels ab 1953 der CDU-Abgeordnete Paul Bausch vorstand.175 Die Unterlagen können im Verhältnis zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und zur Berichterstattung der Filmpresse den Überblick über die westdeutsche Filmpolitik bis Mitte der 1950er Jahre vervollständigen.

172 Diesen Befund betont auch Adelheid von Saldern in ihrer Analyse der Bundestagsdebatte über das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften 1952/53, vgl. von Saldern 2000, S. 99ff. 173 Roeber / Jacoby 1973, S. 526. 174 Nach dem ambitionierten Vorhaben einer »Art Überministerium das Bundes-Informationsministerium«, das durch den ehemaligen Staatssekretär Lenz und seinen damaligen Ministerialdirektor Dr. Hans Globke initiiert wurde, bleibt von den »totalitären Filmplänen« nur die Ufi-Privatisierung, damit ist »der kommende deutsche Staatsfilm nicht etwa im Besitz der Bundesregierung oder gar einer Partei, sondern in der rechten privaten Hand«, F. M. Bonnet: »Wer beeinflusst den deutschen Film? Der Staat und der Film (II)«, in: FTG, Nr. 36, 3. 9. 1957, 5. Jg., S. 9f. 175 Laut Register der »Verhandlungen des Deutschen Bundestages« der I. bis III. Wahlperiode beschäftigt sich abseits der Ufi-Entflechtung das Parlament lediglich in der 22. Verhandlung des 2. Deutschen Bundestages mit Fragen des Films. Die Protokolle des Ausschusses sowie die des Ausschusses für Kulturpolitik bzw. ab 1957 Kulturpolitik und Publizistik, in denen Filmfragen aber erst ab Beginn der 1960er Jahre verhandelt werden, finden sich im Parlamentsarchiv, vgl. PA-DBT 3117.

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3.1

Bundespolitik: »der ideologische oder der wirtschaftliche Wert« des Films

Der Ausschuss für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films konstituierte sich am 14. Oktober 1949 in Bonn unter dem Vorsitz von Dr. Rudolf Vogel, Stellvertreter war Karl Brunner (SPD). Zunächst aber wurde – neben Klagen über die Presseberichterstattung – vermerkt, dass man in Filmfragen die Kompetenzen mit dem Wirtschaftspolitischen Ausschuss klären müsse.176 Um 1950 kreisen die Diskussionen des Ausschusses vor allem um Fördermaßnahmen, die den deutschen Film gegen die ausländische Konkurrenz verteidigen sollten. Sowohl die Ufi-Entflechtung als auch die Bürgschaftsprogramme, ihre Durchführung und Ziele bestimmten die Überlegungen der Mitglieder des Deutschen Bundestages: Der Ausschuss ist sich einig, dass einer Verschleuderung von Bundeseigentum schnellstens entgegenzuwirken sei. Das sei der Sinn des Antrages Nr. 34. Es wird ausserdem [sic] auf die Gefahr einer Überschwemmung des deutschen Markts mit Auslandsfilmen und die damit verbundene Devisenanhäufung des Auslandes in Deutschland hingewiesen, die bereits einen solchen Umfang angenommen habe, dass ausländische Produktionsfirmen daran gingen, in Deutschland Filme herzustellen.177

Die Diskussionen bieten auf den ersten Blick kaum Ergänzungen zu den ohnehin bekannten, spärlichen Eckdaten der Filmförderung in der Zeit. In Details aber offenbaren die Protokolle einige interessante Überlegungen, denn gerade im Zuge der Bürgschaftsaktionen drängte die Frage nach dem »guten Film« und dem Verhältnis zwischen filmpolitischer Unterstützung und Einflussnahme – etwa am 28. Juni 1950: Der Vorsitzende stellt darauf weiter die Frage zur Diskussion, ob bei der Bewertung eines Films der ideologische oder der wirtschaftliche Wert ausschlaggebend sein soll. Die Mehrheit des Ausschusses spricht sich für die 1. Alternative aus. Der Vorsitzende verliest daraufhin ein Schreiben des Verbandes Deutscher Filmproduzenten, in dem unter Hinweis auf den Film ›Begegnung mit Werther‹ ein gegenteiliger Standpunkt eingenommen wird. Nach längerer Aussprache hierüber einigt man sich dahingehend, daß der Film zwar einen gewissen ideologischen Wert besitzen, darüber hinaus aber wirtschaftlichen Erfolg verbürgen müsse. Min.Rat Dr. Keim äußert hingegen Bedenken, da nach seiner Auffassung der Film ein Kulturinstrument und kein Geschäft darstellen müsse. Diese Auffassung stößt z. T. auf Widerspruch. In seiner Entgegnung weist Dr. Lüders darauf hin, daß höchstens 5 % der gesamten Filmproduktion über176 »Zur Frage des Films kam man überein, dass der Wirtschaftpolitische Ausschuss hinsichtlich des vorliegenden Antrages lt. Drucksache 34 die Federführung übernehmen und die Angelegenheit vordringlich beraten solle. Es sei die Aufgabe dieses Ausschusses, zunächst die Frage der Kompetenz zu klären«, PA-DBT 3117 A1/34-Prot. 1. 177 Ausschuss-Sitzung vom 11. 11. 1949, PA-DBT 3117 A1/34-Prot. 4.

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durchschnittlich gutes Kulturniveau besitze, daß aber die übrigen 95 % dazu bestimmt seien, die wirtschaftlichen Einspielergebnisse zu bringen. Es müsse Aufgabe des Ausschusses sein, dafür zu sorgen, daß diese 95 % der Filme nicht aus dem Ausland kämen.178

Interessant an der Diskussion ist nicht nur, dass sich die Ausschussmitglieder offensichtlich keineswegs einig sind. Das Protokoll bildet einen durchaus kontroversen Diskussionsprozess ab. Mit der Wendung am Ende verweist Dr. Lüders vom Bundesinnenministerium darauf, dass der Ausschuss nicht primär für die wenigen Filme mit »überdurchschnittlich gute[m] Kulturniveau« arbeite, sondern vor allem für die quantitativ überragende Zahl ungenannter anderer Spielfilme. Er differenziert hier seine eigene Position. Am 7. Februar 1950 noch betonte Lüders: Vom kulturellen Standpunkt aus solle nur der gute Film gefördert werden. Es sei besser, durch Geschmackschulung das Interesses des Publikums an amerikanischen Filmen zu mindern, nicht aber durch Importbeschränkungen. [… Vor allem wenn] eine europäische Vereinigung jemals Wirklichkeit werden sollte, sei der Austausch von guten Filmen ein wirksames kulturelles Vorbereitungsmittel.179

Die Aussage griff bereits das Argument auf, dass das deutsche Publikum vor dem Einfluss amerikanischer Filme geschützt werden solle. Während Lüders in der Diskussion über die Bundesbürgschaften die Minderung des amerikanischen Einflusses durch »Geschmackschulung« durch »gute Filme« verteidigt, meint er im Sommer sämtliche deutsche Spielfilme. Während der Filmdebatte am 2. April 1954 im Deutschen Bundestag werden schließlich die unterschiedlichen Positionen der politischen Lager noch einmal deutlich und vor allem öffentlich. Bereits die Anfrage der SPD, die zur Debatte führte, zeigt wiederum das Ineinandergreifen wirtschaftlicher und inhaltlicher Fragen: »1. Entflechtung des ehemaligen Reichsfilmvermögens, 2. Rede des Bundesministers für Familienfragen in Düsseldorf, 3. Pressepolitische Pläne der Bundesregierung.«180 Abgesehen vom SPD-Eröffnungsredner Ernst Paul, der nur in der ersten Wahlperiode dem Ausschuss angehörte, und dem Minister für Familienfragen, Dr. Franz-Josef Wuermeling, kommen die Wortbeiträge ausnahmslos von Vertretern des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und variieren somit die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien im Gremium.181 Im Kontext des umstrittenen zweiten Bürgschafts178 179 180 181

Ausschuss-Sitzung vom 28. 6. 1950, PA-DBT 3117 A1/34-Prot. 17. PA-DBT 3117 A1/34-Prot. 9. »Filmdebatte in Bonn nunmehr am 8. April«, in: FW, Nr. 11, 20. 3. 1954, 9. Jg., S. 228. Vgl. PA-DBT 3117 A1/34-Prot. 1 und PA-DBT 3117 A2/10-Prot. 1. Die Debatte wurde nicht nur in den Verhandlungen des Deutschen Bundestages, sondern auch im Film-Telegramm publiziert (und bissig kommentiert), vgl. FTG, Nr. 15, 5. 4. 1954, 2. Jg.

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programms entzündet sich die Diskussion an den Äußerungen des damaligen Bundesministers für Familienfragen, der auch außerhalb des Bundestages mit Polemiken gegen den deutschen Spielfilm auffiel.182 Wuermeling hatte in seiner Düsseldorfer Rede vom 30. Januar 1954 die Darstellung der deutschen Familie (und der Ehe) im Spielfilm harsch kritisiert.183 Er forderte die Einführung einer »Volkszensur« und die Bürgschaftsvergabe unter staatspolitischen Gesichtspunkten.184 Dass vor allem der Begriff »staatspolitisch« von der Opposition polemisch hinterfragt wurde, hängt natürlich mit der Prädikatisierung durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zusammen, die auch Heinz Kuntze-Just in seinem Kommentar aufgriff.185 Letztlich antwortet die Regierung nicht explizit auf die Frage, was ein »staatspolitisch wertvoller« Film sei, sondern flüchtet in Grundsatzüberlegungen zur Familie und zum Jugendschutz, die auch in den Ausschusssitzungen der 2. Wahlperiode neben den Problemen der Bundesbürgschaften über das Jahr 1954 hinweg diskutiert wurden.186 Im Laufe der Bundestagsdebatte von 1954, die neben den Bürgschaften auch die Ufi-Entflechtung fokussierte, stellte sich der Bundesminister des Inneren, Dr. Schröder, vor den angegriffenen Familienminister und bestätigte damit die grundsätzlichen Überlegungen: »Die Bundesregierung ist gleichfalls der Meinung, daß das Niveau vieler Filme tief liegt« und die gebrandmarkte Zensur sei »als kritische Ablehnung bedenklicher Filme, nicht aber als irgendeine Präventivmaßnahme« gedacht.187 Darauf folgte eine zuweilen polemische, zuweilen absurde188 Auseinandersetzung über die Wirkung des Films, über die Qualität deutscher Filme, über den Einfluss der Kirchen durch die FSK und über das Erbe des Nationalsozialismus für die Filmindustrie und den Jugendschutz. Letzterer 182 Im Januar 1954 etwa positionierte er sich auf einer Veranstaltung des Familienverbandes gegen die deutschen Verleiher, vgl. »Dr. Wuermeling und das Blind- und Blockbuchen«, in: FP, Nr. 5, 4. 2. 1954, 6. Jg. 183 Vgl. u. a. »Vor allem ist es der Film, den wir leider weitgehend für die Zerstörung von Ehe und Familie mitverantwortlich machen müssen«, Rede des SPD-Abgeordneten Paul in der »22. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 2. 04. 1954«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, S. 747–792. 184 Vgl. Rede des SPD-Abgeordneten Paul, ebd., S. 750. Für staatspolitische Kriterien bei der Bürgschaftsvergabe argumentiert auch Muckermanns (CDU/CSU) im Antrag vom 18. 3. 1954, vgl. »Antrag der Fraktion CDU/CSU betr. Bundesbürgschaft für Filmvorhaben«, Drucksache II/349. 185 H. Kuntze-Just: »Keine Erklärung für ›staatspolitisch wertvoll‹«, in: FTG, Nr. 15, 5. 4. 1954, 2. Jg. In dieser Ausgabe wird auch die Debatte abgedruckt. 186 PA-DBT 3117 A2/10-Prot. 1–52. 187 Rede Dr. Schröder in der »22. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 2. 04. 1954«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, S. 747–792, hier : S. 751. 188 Die Erwiderung des später eintreffenden Wuermelings auf die Vorwürfe der Opposition besteht zu einem Großteil aus Zitaten des Schillerschen Don Carlos, ebd., S. 768f.

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wurde bereits zuvor beim »Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften« diskutiert.189 Während die SPD wortführend die filmwirtschaftlichen Probleme der Bürgschaftspolitik, die Problematik der Zensur, die Verzahnung der Filmpolitik mit der NS-Vergangenheit und verborgene filmpolitische Interessen der Regierung anklagte,190 verteidigte die Bundesregierung ihre Überlegungen und damit den Familienminister. Sie argumentierte hier ausschließlich filmwirtschaftlich,191 Moraldebatte inklusive. Redundant tauchen die Stärkung der kapitalschwachen privaten Filmwirtschaft und die Klage über die Dominanz amerikanischer Produktionen auf dem deutschen Filmmarkt auf. Die Vertreter der Bundesregierung verteidigten ihre »Politik der helfenden Hand«,192 ohne diese inhaltlich zu präzisieren oder sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Diese Ignoranz der Gegenargumente innerhalb der fünfstündigen Debatte kann man auf den Doppelcharakter des Films als Ware und Kulturgut zurückführen, der auch schon im Ausschuss diskutiert worden war. Er erlaubte es zugleich, in der Debatte die Ebenen zu wechseln. Als Minimalkonsens zwischen Opposition und Regierung lässt sich die kulturelle Bedeutung und dringende Qualitätssteigerung des deutschen Films ausmachen. Dabei argumentierte die Opposition – kulturhistorisch tradiert – vor allem gegen die »Traumfabrik Kino«,193 während die Bundesregierung auch Unterhaltung und Ablenkung als ein grundlegendes Merkmal des Spielfilms zuließ, um dann die Bedeutung des Films »als Quelle der Kraft und Ermutigung für unser Volk« herauszustreichen.194 Anschließend wird es auf bundespolitischer Ebene relativ still um den deutschen Film, keine Bundestagsdebatten, nur noch die Novellierung des Jugendschutzgesetzes 1957 als bewahrpädagogische Maßnahme. An dieser war 189 Kurz nach Ende der alliierten Presselizenzierung beantragte die CDU/CSU-Fraktion ein Gesetz nach dem Vorbild des Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schmutz- und Schundschriften von 1926, aus dem 1953 das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und 1954 die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften entstand. Ausführlicher zur Schmutz- und Schunddebatte und den dazugehörigen Medienprodukten in den 1950er Jahren, vgl. Faulstich 2002a; aus literaturhistorischer Perspektive, vgl. Jäschke 1988, S. 314–379. Ausführlich zur Debatte von 1952, vgl. von Saldern 2000. 190 Vgl. u. a. Rede des SPD-Abgeordneten Kalbitzer, »22. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 2. 04. 1954«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, S. 751– 754. 191 Vgl. u. a. Rede des Staatssekretärs des Bundesministeriums für Wirtschaft Dr. Westrick und des CDU/CSU-Abgeordneten Muckermann, ebd., S. 754–759. 192 Vgl. Rede des CDU/CSU-Abgeordneten Bausch in der »22. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 2. 04. 1954«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, S. 771. 193 Vgl. Rede des SPD-Abgeordneten Kühn, ebd., S. 761. 194 Vgl. Rede des CDU/CSU-Abgeordneten Bausch, ebd., S. 775.

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wiederum der Ausschuss für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films beteiligt, der unter Leitung des Ausschusses für Jugendfragen195 den Kompromiss erarbeitet hatte, der am 29. Juni 1957 im Deutschen Bundestag angenommen wurde. Das novellierte Jugendschutzgesetz untersagte Kindern unter sechs Jahren den Kinobesuch.196 Auch die Freigaberegelung der FSK war von der Novellierung betroffen. Das Bürgschaftsprogramm endete 1955, die geheime Liste der bis 1953 verbürgten Filme wurde veröffentlicht – im Zuge dessen meldeten sich die Kirchen noch einmal aufgeregt zu Wort.197 Die Bemühungen der Bundesregierung wenden sich zunehmend dem Fernsehen zu.198 1962 lässt sich noch einmal ein »Bericht der Bundesregierung über die Situation der deutschen Filmwirtschaft« verzeichnen, der auf Beschluss des Deutschen Bundestages vom 16. Februar 1962 erstellt wurde – vom Bundesminister für Familien- und Jugendfragen im Auftrag des Bundeskanzlers.199 1966 resümiert der Volkswirt Hans-Peter Herriger die interventionistischen Maßnahmen der Bundesregierung in den 1950er Jahren aus der Argumentation derselben, vor allem mit Blick auf kultur- und staatspolitische Interessen.200 Kulturpolitisch im Sinne der aktiven Förderung eines »Mediums, das trotz des Fernsehens noch immer eine große Breitenwirkung hat und für die Geschmacksbildung und die Urteilskraft weiter Kreise der Bevölkerung von Bedeutung ist.«201 Obwohl mit der alliierten Entflechtung die direkte Einfluss195 Der Ausschuss für Jugendfragen unter dem Vorsitzenden Emil Kemmer (CDU/CSU) und seiner Stellvertreterin Marta Schanzenbach (SPD) hieß in der ersten Wahlperiode noch Ausschuss für Jugendfürsorge, in der dritten Wahlperiode wurde er zum Ausschuss für Familien- und Jugendfragen umbenannt. Vorsitz und Stellvertretung blieben in allen drei Wahlperioden gleich, vgl. Schindler 1999, S. 2039ff. 196 Begründet wird das Verbot, das Eltern und Erziehungsberechtigte nicht aufheben konnten, damit, dass »kein Kind unter 6 Jahren einer eindeutig als nachteilig erkannten Kinowirkung ausgesetzt wird«, »Das neue Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 27. Juli 1957 (Auszug)«, in: FD, Nr. 40, 3. 10. 1957, 10. Jg. (Beilage). Das Gesetz wird auch im Film-Echo als Beilage nebst einem Leitartikel veröffentlicht, vgl. FE, Nr. 74, 14. 9. 1957, 11. Jg. 197 »Millionen Christen sehen sich von der Seelsorge einmütig aufgefordert, einen Schmutzfilm zu meiden, dem ausgerechnet der Staat die Finanzierung verschaffte«, »Beide Kirchen greifen Bonner Filmpolitik an«, in: FTG, Nr. 21, 24. 5. 1955, 3. Jg., S. 4. Zugleich aber stehen der Einsatz der Kirche und ihre Filmurteile außerhalb der FSK zur Diskussion, vgl. Horst von Hartlieb: »Die kirchliche Nebenzensur«, in: FTG, Nr. 5, 2. 2. 1954, 2. Jg., S. 2–4. 198 Vgl. Weiss 2006, S. 113ff. Schon 1954 beurlaubte Adenauer seinen stellvertretenden Bundespresseamtschef, Werner Krueger, um die neugegründete Chefredaktion des NWDRFernsehens zu übernehmen, nach dessen Erinnerungen mit den Worten »Fernsehen wird nämlich eine ganz wichtige Sache für Politiker […]«, vgl. Krueger 1988, S. 38. 199 »Bericht der Bundesregierung über die Situation der Filmwirtschaft«, Drucksache IV/366. 200 Herriger 1966, S. 23ff. 201 »Bericht der Bundesregierung über die Situation der Filmwirtschaft«, Drucksache IV/366, S. 2.

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nahme des Staates auf den Film beendet war, blieb das Interesse der Bundesregierung erhalten. Es richtete sich aber nun nicht mehr auf die Abwehr der USamerikanischen Filme, sondern im Zeichen des Kalten Krieges auf die Abgrenzung zur DEFA.202 Die Argumentation ist eine politische, die mit einer filmästhetischen Bewertung verbunden wird.203 Denn ökonomisch konkurrierte der bundesdeutsche Film eher mit amerikanischen, französischen und italienischen Produktionen. Ein wirtschaftspolitisches Interesse dagegen ist »auf Bundesebene kaum festzustellen«.204 Dieses lag eher auf Seiten der Bundesländer mit Filmstandorten, die entsprechend eigene Bürgschaftsmaßnahmen unter wirtschaftspolitischen Aspekten aufnahmen.205 Vor dem Hintergrund der vor allem ökonomisch geführten Debatten ein interessanter Fakt. Die staatliche Verflechtung des deutschen Films mit der Politik im Nationalsozialismus zeitigte auf einer anderen Ebene ebenfalls Konsequenzen: Die freie Presse beobachtete die staatlichen Interessen kritisch, was sich den Kommentaren der Filmpublizistik entnehmen lässt. So zeigt sich exemplarisch – abseits der Interessenvertretung der freien Filmproduzenten – in der SpiegelBerichterstattung die Skepsis gegenüber den staatlichen Lenkungsversuchen; hier finden sich Ansätze einer zeitgenössischen Einschätzung der komplexen Prozesse, die auch den Komplex der Ufi-Abwicklung und die Äußerungen des Familienministers kritisch begleitete.206

202 »Schließlich ist die Erhaltung der Lebensfähigkeit des deutschen Films für unsere politische und kulturpolitische Arbeit im Ausland unerläßlich. Die Bundesrepublik braucht den deutschen Film als Vermittler von Anschauungen und Meinungen von einem Volk zum anderen, als nationale Repräsentanz und nicht zuletzt zur Abwehr der außerordentlich starken Kulturoffensive des Ostblocks in fast allen Teilen der Welt«, »Bericht der Bundesregierung über die Situation der Filmwirtschaft«, Drucksache IV/366, S. 2. Herriger referiert, dass erstens mit Zusammenbruch der deutschen Filmindustrie eine Überschwemmung des bundesdeutschen Marktes mit DEFA-Produktionen drohe und zweitens die Repräsentation des deutschen Films im Ausland verloren ginge, vgl. Herriger 1966, S. 25. 203 Die Konkurrenz mit der DEFA geistert auch durch populärwissenschaftliche Einschätzungen wie etwa die Barthels: »Die ersten zweieinhalb Jahre Nachkriegsfilmproduktion endeten mit einem klaren Kinoleinwandsieg der DEFA«, Barthel 1986, S. 32. Tatsächlich hat zumindest bis Mitte der 1950er Jahre die transnationale Rezeption den DEFA-Film weitaus höher eingeschätzt als den Spielfilm der BRD. Etwa in Frankreich attestierte Gilbert Badia dem DEFA-Film internationales Niveau, hingegen sei »die Situation des Films im Deutschlands Adenauers quasi hoffnungslos«, Gilbert Badia: »Offl en est le cin8ma de ›Allemagne occidentale?‹«, in: L’Ecran franÅaise, Nr. 278, 6. 11. 1950, S. 14, zitiert nach: Val / Steinle 2013, S. 385. 204 Herriger 1966, S. 26. 205 Ausführlich zu den Länderbürgschaften, vgl. u. a. Herriger 1966, S. 32ff., Roeber / Jacoby 1973, S. 529ff. 206 Bereits in den Vorgängen um das »Informationsministerium« hatte Der Spiegel kurz vor der Wahl informiert, Hoffmann 1995, S. 61. Die Ufi-Entflechtung begleitete er ebenfalls kritisch.

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3.2

Familienminister Dr. Wuermeling: Diskussionen um Film und Familie

Am 6. Februar 1954 druckt die Filmwoche umfangreiche Auszüge aus der Rede des Ministers für Familienfragen ab, der ab 1957 Minister für Familien- und Jugendfragen sein wird: Alle Bemühungen für unsere Familien werden vergebens sein, wenn die Auffassungen über das wahre Wesen und die Bedeutung von Ehe und Familie durch die Mittel öffentlicher Meinungsbildung – Film, Rundfunk, Presse – verwässert und verfälscht werden… Vor allem ist es der Film, den wir leider weitgehend für die Zerstörung von Ehe und Familie mitverantwortlich machen müssen.207

Der Familienminister bemängelt pauschal an Filmen vor allem zwei Punkte: erstens Hauptgestalten, die »verantwortungslos ihre Würde und Anstand des anderen Geschlechts ihrer unbeherrschten Begierde opfern« und zweitens, dass »kaum einmal ernstlich um den Bestand einer Ehe gerungen« würde.208 Genauer wird der Minister weder in Bezug auf ›den‹ Film noch auf ›die‹ Familie. Dennoch leitet er aus seinem Befund nicht nur seine Forderungen zur Filmkreditvergabe sowie die im Bundestag diskutierte »Volkszensur« ab. Wenige Tage darauf – am 10. Februar, noch lange vor der Bundestagsdebatte – verwahrt sich die SPIO auf ihrer Jahresversammlung gegen die »in hohem Maße unsachlichen und in ihrer Verallgemeinerung diffamierenden Äußerungen«:209 »Eine geschlossene Front gegen die Angriffe auf das deutsche Filmschaffen«.210 Das Bild der Produzenten, Techniker, FSK-Vertreter und Verleiher ist in der Filmwoche platziert neben den Glückwünschen des Düsseldorfer Generalsekretariats der katholischen Filmliga an Wuermeling.211 Der Publizist Erwin Goelz argumentiert wortreich gegen Wuermeling in einer Rede im Süddeutschen Rundfunk vom 12. Februar 1954, die die Filmwoche unter dem polemischen Titel »Werden Ehen heute im Kino geschlossen?« abdruckt.212 Goelz war Filmkritiker und Publizist, ab 1940 Referent im Ministerium für Reichsaufklärung und Propaganda und ab 1942 Leiter der Abteilung Nachwuchswesen unter Reichsfilmintendant Fritz Hippler, nach 1945 blacklisted, im Herbst 1947 entnazifiziert. 1948 siedelte er nach Stuttgart um, wo er beim Radio »Was Herr Wuermeling wörtlich gesagt hat«, in: FW, Nr. 5, 6. 2. 1954, 9. Jg., S. 90. Ebd. »Die SPIO antwortet Minister Wuermeling«, in: FW, Nr. 6, 13. 2. 1954, 9. Jg., S. 111. Bildunterschrift, in: FW, Nr. 7, 20. 02. 1954, 9. Jg., S. 131. »Filmliga gratuliert Wuermeling«, in: FW, Nr. 7, 20. 2. 1954, 9. Jg., S. 131. Die Zeitschrift versieht die Gratulation mit dem Verweis auf das Glückwünschtelegramm Wuermelings nach dem Freispruch des Pfarrers Klinkhammer »im ›Sünderin‹-Stinkbomben-Strafverfahren (dem in Kürze die Revision folgen wird!)«. 212 Erwin Goelz: »Werden Ehen heute im Kino geschlossen?«, in: FW, Nr. 11., 20. 3. 1954, S. 228.

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arbeiten konnte.213 Der Filmkritiker befragt Wuermelings Forderungen nicht nur inhaltlich nach dem Verhältnis zwischen Film und Publikum,214 sondern weist ihm – unter Indienstnahme der Familiensoziologie Helmut Schelskys und Hans Achingers – fehlende Argumente nach:215 »Damit erweckt er [Wuermeling, S.M.F.] den Verdacht, daß er die Materie, über die er spricht, aus eigener Anschauung gar nicht kennt. Und das gilt nicht nur vom Film. Es gilt – so unglaublich es scheinen mag – auch von der Familie.«216 Sowohl politisch als auch publizistisch – vor und nach der Bundestagsdebatte – wurde die Rede des Familienministers kontrovers diskutiert. Noch im Mai druckt die Filmwoche »substanzielle Äußerungen« der Debatte.217 Selbst konservative Politiker widersprachen der Position des Familienministers: Gräfin Finckenstein (GB/BHE) differenziert die herangezogenen Artikel des Grundgesetzes (Artikel 18 »gegen die mißbräuchliche Benutzung der demokratischen Freiheit«, Artikel 5 Jugendschutz und Artikel 6, Absatz 1 Schutz von Ehe und Familie). Fritz Becker, Vertreter der nationalkonservativen Deutschen Partei und Mitglied des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films, verlangt von einem Familienminister, »nicht nur de[r] Vertreter der Interessen christlicher Familien, sondern aller deutschen Familien« zu sein.218 Der Bundesminister für Familienfragen jedenfalls steht nach seinen Äußerungen in Düsseldorf ebenso wie der Ausschuss für Presse, Film und Rundfunk in diesem Jahr unter Beobachtung der Filmpresse.219 Auch das Thema »Film und Familie« bleibt im Fokus der Berichterstattung, wie auch die Vorgänge um die Privatisierung des reichseigenen Filmvermögens,220 ohne dass sich im Jahrzehnt weitere derart hitzige Debatten ausmachen ließen. Vor allem Jugend ist über die frühen 1950er Jahre hinaus ein Dauerthema der 213 Aurich/Jacobsen 2006, S. 281ff. 214 Erwin Goelz: »Werden Ehen heute im Kino geschlossen?«, in: FW, Nr. 11., 20. 3. 1954, S. 228. 215 In diesem Fall ist allerdings auch seine Argumentation nicht kohärent: Er beginnt mit Forderungen an den Minister, »auf seinem Arbeitsgebiet […] manch schwieriges Problem zu lösen«, etwa den Wohnraummangel, ebd. Sein Bezug auf Schelsky am Ende ist in diesem Kontext verkürzt, denn dieser attestierte in seiner soziologischen Untersuchung der Familie sowohl Belastungen durch den Wohnraummangel als auch eine Erhöhung der (zumindest äußeren) Stabilität, vgl. Schelsky 1954, S. 69f. und 250ff. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Schelskys Familiensoziologie, vgl. Kopp / Richter 2013. 216 Erwin Goelz: »Werden Ehen heute im Kino geschlossen?«, in: FW, Nr. 11., 20. 3. 1954, S. 228. 217 »Verlauf der Debatte im Bundestag«, in: FW, Nr. 17, 1. 5. 1954, 9. Jg., S. 369. 218 Ebd. 219 Vgl. u. a. Ulrich Grahlmann: »Ein gefährlicher Weg«, in: FW, Nr. 20, 22. 5. 1954, 9. Jg., S. 427, [Gt.]: »Wuermeling im Mittwochsgespräch«, in: FW, Nr. 23, 15. 6. 1954, 9. Jg., S. 496, Ulrich Grahlmann: »Magere Bilanz des Filmausschusses«, in: FW, Nr. 29, 24. 7. 1954, 9. Jg., S. 1. 220 Vgl. [SID]: »Ehe und Familie im deutschen Film«, in: FW, Nr. 35, 4. 9. 1954, 9. Jg., S. 812.

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Politik und Filmpolitik, das ebenfalls Ambivalenzen und Gleichzeitigkeit vorführt: Trotz der gemeinsamen Sorge um die Jugend lassen sich in den Debatten um Jugendschutz und Filme sowohl eine bewahrpädagogische Position ausmachen als auch deutlich progressivere Stimmen finden.221 Das korrespondiert mit den Befunden Dagmar Herzogs zu den Diskussionen über Jugend und Sexualität, die ebenfalls konträre Standpunkte herausarbeitet und schließlich die Durchsetzung konservativer Positionen konstatiert.222 1956, im Jahr der Diskussion im Bundestag, lassen sich im schnellen Blick Halbstarkenkrawalle ebenso wie die Gründung der BRAVO konstatieren, die als »Unterhaltungsblatt für Menschen jeden Alters« sowohl eine Emanzipation der Jugendkultur als auch durchaus offensiv den Ausgleich zwischen den Generationen forcierte.223 Dem Halbstarken wiederum kann man Schelskys Diagnose einer breiteren überaus angepassten Jugend zur Seite stellen.224 Interessant ist vor allem, welch große Rolle dem Film in diesem Zusammenhang beigemessen wird.225 Noch 1960 zitiert der Bund Deutscher Katholiken sein Postulat von 1953, wenn es heißt: Der Familienbund der Deutschen Katholiken ist davon überzeugt, daß Gefährdungen der Familie und Jugend nicht in erster Linie mit staatlichen Mittel beizukommen ist. Es wird dabei besonders auf erziehungsbewußte Eltern und eine recht angeleitete Jugend 221 Die SPD-Abgeordnete Schanzenbach betont in ihrem Beitrag zur Abstimmung: »Die Jugendlichen, die heute dem Jugendschutz unterstehen […] haben in ihrer Kindheit die größte Not erlitten, die in den vergangenen Jahrzehnten eine junge deutsche Generation durchleben mußte.« Dr. Strosche vom GB/BHE bekräftigt das noch einmal, vgl. »219. Und 220. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 29. Juni 1957«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, Bd. 38, S. 12981. Der Abgeordnete Kutschera (GB/BHE) bringt die bewahrpädagogische Position auf die Formel: »[E]igentlich brauchte man kein Gesetz zum Schutz der Jugend i n der Öffentlichkeit, sondern ein Gesetz zum Schutz der Jugend v o r der Öffentlichkeit«, »167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1956«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, Bd. 32, S. 9245. Das spiegelt sich sodann im überarbeiteten Jugendschutzgesetz. Der SPD-Abgeordnete Priebe dagegen ein langes Plädoyer für das Vertrauen in die Jugendlichen, das er sowohl mit der gesunkenen Jugendkriminalität als auch Detailargumenten zu Einzelpunkten unterfüttert, vgl. »167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1956«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, Bd. 32, S. 9240ff. 222 Herzog 2005, S. 134–142. Für Herzogs Thema sind die Durchsetzung dieser Normen und die daraus resultierenden (vor allem kirchlichen) Aktionen – etwa die Bücherverbrennung in Frankfurt 1957 – und die Dominanz konservativer Ratgeberliteratur maßgeblich, vgl. ebd., S. 142. Nach den Wechselwirkungen mit der Spielfilmproduktion dagegen muss in der Analyse der Remakes gefragt werden. 223 Maase 1992, S. 104ff., Maase 2005. 224 Schelsky 1957. 225 Vor der Abstimmung über die Novellierung ist die Frage der Altersfreigaben für den Filmbesuch der zentrale Problempunkt. In der Diskussion im Deutschen Bundestag vom 26. Oktober 1956 war das Themenspektrum noch deutlich breiter und Jugendarbeit etwa wurde ausführlich problematisiert, vgl. »167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1956«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, Bd. 32, S. 2939–9246.

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ankommen, um den Einbruch der Massenmedia: Fließbandlektüre, Film, Funk und Fernsehen in dem Raum der Familie seine zersetzende Wirkung zu nehmen. […] Den unpersönlich wirkenden Einflüssen der Massenmedia kann nur durch eine persönliche aufrufende, in die Tiefe des Bewußtseins und des Gewissens wirkende Klärung begegnet werden.226

Hier findet sich also noch einmal eine überaus medienkritische Haltung, die aber in der Novellierung des Jugendschutzgesetzes 1961 keine Konsequenzen mehr zeitigen wird.227

3.3

Filmbürgschaften und Filmförderung

Die vorgestellte Bundestagsdebatte fand – wie mehrfach erwähnt – vor dem Hintergrund konkreter filmpolitischer Fördermaßnahmen durch Bundesbürgschaften statt. Am 31. März 1950 genehmigte der Bundestag einen Etat von 20 Millionen DM für Filmausfallbürgschaften.228 Für das Vergabeverfahren wurde ein interministerieller Bürgschaftsausschuss gebildet; die Deutsche Revisions- und Treuhand-AG, über die einst Arno Hauke zur Ufa kam,229 prüfte für die Genehmigung Drehbuch, Besetzungsplan, Verleih, Kostenvoranschläge und Finanzierungszusagen für das Filmprojekt.230 Bis 1953 springt im Rahmen dieser ersten Bürgschaftsaktion die Bundesregierung als Ausfallbürge für 35 Prozent des Kredits gegenüber den Banken ein. Zusätzlich zu den Bundesbürgschaften war es möglich, Landesbürgschaften in Anspruch zu nehmen. 82 Spielfilme werden bis zum 31. Dezember 1953 verbürgt, 84 abgelehnt.231 Die Folge dieser ersten Bürgschaftsaktion ist, dass sich das Risiko der Banken minimierte, ohne dass sich die privaten Produzenten jedoch grundlegend konsolidieren konnten.232 Hinzu kam, dass die wohlklingende »Qualitätssteigerung« der Filme schwer einzuschätzen war und stattdessen »ein bürokratischer Kontrollapparat [entstand], der sich selbst ad absurdum führte und dessen belastende Existenz nicht wenig dazu beitrug, daß der Bund das Bürgschaftssystem 1955 schließlich aufgab.«233 Die zweite Bürgschaftsaktion des Bundes, die 1953 begann, hatte ein Volumen 226 Acht Jahre Familienpolitik. Acht Jahre Zentraler Familienrat 1961, S. 35f. 227 Vgl. »Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften«, Drucksache III/2373. 228 Berger 1989, S. 81. 229 Vgl. »Die Auferstehung«, in: Der Spiegel, Nr. 4, 21. 1. 1959, 13. Jg. 230 Ausführlich zu den Vergabebedingungen, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 528 und Hauser 1989, S. 457. 231 Roeber / Jacoby 1973, S. 545. 232 Vgl. Hauser 1989, S. 461ff. 233 Herriger 1966, S. 45f.

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von 60 Millionen DM und führte als Antragsberechtigte nicht nur Produzenten, sondern auch Verleiher. Parallel zu den staatlich unterstützten Prozessen bei der Ufi-Privatisierung zeigt auch diese Neuauflage das bundespolitische Interesse an wirtschaftlicher Konzentration auf dem Filmmarkt: Gefördert wurde nun in Staffeln, in der Regel acht Filme, die hundertprozentig verbürgt wurden. Was wirtschaftlich durch einen Risikoausgleich innerhalb der geförderten Staffel begründbar war, stärkte die Position der Verleiher auf dem Filmmarkt. Der Spiegel kritisierte: »Als die Richtlinien im vergangenen Herbst bekannt wurden, erschrak die ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹ über ›das Maß von Abhängigkeit, in das die deutschen Filmproduzenten sich künftig begeben müssen, wenn sie arbeiten wollen‹. Hundertprozentige Bürgschaft bedeutet hundertprozentige Abhängigkeit.«234 Neben der hundertprozentigen Förderung von Filmen, die zur direkten staatlichen Einflussnahme auf Inhalte und Themen des Spielfilms avancieren konnte, war ein weiteres Kuriosum der Vergaberichtlinien, dass die Antragsteller Prozentsätze vorab als Generalkosten einbehalten konnten. Entsprechend lukrativ wurde es, die Produktionskosten zu steigern – die Filmschaffenden haben die Gagenanhebungen nicht beanstandet, die Produzenten später beklagt.235 Mit dem Argument, eine kontinuierliche Produktion fördern zu wollen, führte diese Vergabepolitik dazu, dass kleinere Filmunternehmer chancenlos waren. Die Abhängigkeit der Produzenten von Verleihern wuchs. Praxis wurde nämlich, dass größere Verleiher Bürgschaftsanträge stellten und »die Filme für eine Staffel bei jeweils verschiedenen Produzenten in Auftrag gaben«.236 Umso lohnenswerter erscheint beim Blick auf die Remakeproduktion innerhalb des Filmmarkts, nicht nur die Produzenten, sondern ebenfalls die Verleiher zu betrachten. Bemerkenswerterweise wussten damals nicht einmal die Mitglieder des Deutschen Bundestages, welche Filme verbürgt wurden, was auch in der Bundestagsdebatte zur Sprache kommt.237 Jürgen Berger hat im Bundesarchiv in 234 »Geschenke an Erfolglose«, in: Der Spiegel, Nr. 48, 24. 11. 1954, 8. Jg., S. 39. 235 Vgl. »Heute: Gagenstop für Stars – die Zahler fordern ihn«, in: FP, Nr. 32, 9. 8. 1956, 8. Jg., S. 2, Roeber / Jacoby 1973, S. 547ff. 236 Dost / Hopf / Kluge 1973, S. 104 und zur zweiten Bürgschaftsaktion, vgl. Hauser 1989, S. 464ff. 237 »Daß das Parlament dies aber bei dem heutigen System der Bürgschaften nicht weiß, ist im Hinblick auf die Zwitterstellung des Films als Industrieprodukt einerseits und Kulturträger andererseits ein auf die Dauer nach unserer Auffassung völlig untragbarer Zustand. Denn es kann sich jede Stunde ereignen, daß ein Film auf dem Markt auftaucht, der in der Öffentlichkeit der schärfsten Kritik begegnet, und daß sich dann herausstellt, daß dieser Film mit Hilfe von Steuermitteln des Bundes hergestellt wurde«, Rede des CDU/CSU-Abgeordneten Bausch in der »22. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 2. 04. 1954«, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte, 2. Wahlperiode, S. 771.

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Koblenz die entsprechenden Aktenbestände recherchiert.238 So lässt sich nicht nur konstatieren, dass bereits zu Beginn des Vergabeverfahrens wirtschaftspolitische Interessen im Einzelfall politischen untergeordnet wurden, sondern dass explizit Einfluss auf Filmvorhaben – sei es in Bezug auf die Akteure des Films, Schnittauflagen o. ä. – genommen wurde.239 Eine inhaltliche Linie geförderter Filmvorhaben ist indes nicht auszumachen. Diese Beispiele sind gewissermaßen das Vorspiel für den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Bürgschaftsgewährung »insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Förderung einer künstlerisch und staatspolitisch wertvollen Filmproduktion« vom 18. März 1954.240 Die staatliche Einflussnahme ist vor der Folie der NS-Filmpolitik höchst problematisch, betrifft aber keineswegs ausschließlich die Finanzierung der Bundesregierung. Den »filminteressierten« Bundesländern etwa unterstellt Der Volkswirt bei den Plänen zur Gründung der Norddeutschen Filmkontor GmbH, eventuell »Tendenzfilme mit sozialistischen Gedanken« zu fördern.241 Die liberalen und tatsächlich rein wirtschaftlich argumentierenden Einschätzungen der Zeit plädieren für eine Einigung von Bund und Ländern in Fragen der Filmfinanzierung und lehnen kulturpolitische Überlegungen – auch mit Blick auf die Vergangenheit – ab.242 Der Blick auf die verbürgten Filme zeigt, dass Remakes durch den Rückgriff auf vorhandene Drehbücher keineswegs in solcher Quantität repräsentiert sind, als dass sich ökonomische Überlegungen rückschließen ließen. Andererseits sind sie nicht von der Bürgschaftsvergabe ausgeschlossen. Im Laufe der ersten Bürgschaftsaktion sind es vor allem die vier verbürgten Operetten, die einen Vorgängerfilm vor 1945 aufweisen,243 sowie fünf weitere Remakes verschiedener Genres.244 In der zweiten Bürgschaftsaktion, die insgesamt mehr Filme umfasst, finden sich mit zehn Remakes im Verhältnis zur Zahl der geförderten Filme noch weniger.245 Von den zwischen 1950 und 1955 insgesamt 137 verbürgten Filmen 238 Berger 1989. 239 Das belegt auch die bereits zitierte Bemerkung Dr. Lüders, vgl. PA-DBT 3117 A1/34-Prot. 17. 240 »Antrag der Fraktion CDU/CSU betr. Bundesbürgschaft für Filmvorhaben«, Drucksache II/ 349. 241 Helmut Wormer: »Politisierte Filmfinanzierung?«, in: Der Volkswirt, Nr. 3, 1953, 7. Jg., S. 6. 242 Vgl. u. a. Helmut Wormer : »Nur eine private Filmbank«, in: Der Volkswirt, Nr. 4, 1953, 7. Jg., S. 14f. und Helmut Wormer: »Der Bundesfilmpolitiker«, in: Der Volkswirt, Nr. 13, 1953, 7. Jg., S. 7f. 243 Die Czardasfürstin (1951/1934), Die Försterchristl (1952/1931), Der letzte Walzer (1953/1934), vgl. Berger 1989, S. 92. 244 Wenn eine Frau liebt (1950, 1937 Versprich mir nichts), Der keusche Lebemann (1952/1931 Die Nacht ohne Pause), Pension Schöller (1952/1930), Wochenend im Paradies (1952/1931 Weekend im Paradies) und Der träumende Mund (1953/1932), vgl. Berger 1989, S. 92f. 245 Der unsterbliche Lump (1953/1930), Der Raub der Sabinerinnen (1954/1936), Dein

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waren 19 Remakes, also 13,9 Prozent. In der Aufzählung fällt auf, dass neben zyklisch verfilmten Vorlagen der deutschen Filmgeschichte (Operetten und Lustspiele) eine Auswahl aller Genres präsentiert werden kann. Korrespondierend mit der Filmpolitik ist keine klare inhaltliche Linie benennbar. Seit 1951 griffen zudem weitere Mittel der staatlichen Filmförderung: Preise und Prämien wie etwa die Vergabe des »Deutschen Filmpreises« bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin.246 Neben Prämierungen sind Steuervergünstigungen eine Fördermaßnahme, allerdings auf Länderebene. Die als »wertvoll« oder »besonders wertvoll« durch die FBL (ab 1957 FBW)247 begutachteten Filme wurden in den Ländern durch Ermäßigung der Vergnügungssteuer begünstigt. Die FBL wurde auf Grund einer Verwaltungsvereinbarung der Länder 1951 gegründet.248 Von den zwischen 1951 (Arbeitsbeginn der FBL) und 1959 als »wertvoll« prädikatisierten 105 deutschen Filmen sind 14 Remakes zu finden, produziert in Deutschland und Österreich. Das sind etwa 13 Prozent aller mit »wertvoll« prädikatisierten Filme.249 »Besonders wertvoll« wurde unter den Remakes einzig Der Hauptmann von Köpenick (1956/1931) bewertet. Auch ohne ein ausformuliertes Gesamtkonzept lässt sich hier feststellen, dass die Bundesregierung bis mindestens Mitte der 1950er Jahre die Konsolidierung der deutschen Filmwirtschaft nach eigenen kultur- und staatspolitischen

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Mund verspricht mir Liebe (1954/1931 Opernredoute), Viktoria und ihr Husar (1954/1931), IA in Oberbayern (1956/1937), Heideschulmeister Uwe Karsten (1954/ 1933), Königswalzer (1955/1935), Oberwachtmeister Borck (1955/1935 Oberwachtmeister Schwenke), Der Stern von Rio (1955/1940), Musik, Musik und nur Musik (1955/1942 Wir machen Musik), Die spanische Fliege (1955/1931), Berger 1989, S. 93f. Abgelehnt und dennoch realisiert wurden Die Blume von Hawaii und Der Mustergatte, vgl. Berger 1989, S. 95. Neben dieser hoch dotierten Prämierung »von absoluten Spitzenleistungen« vergab der Bund Filmprämien an »in der Qualität über dem Durchschnitt liegende Leistungen« – für Spielfilme allerdings erst seit 1961, stützte die Berliner Filmfinanzierung mit ERP-Mitteln und förderte die Export-Union der deutschen Filmindustrie mit Geldern aus dem Bundeswirtschaftsministerium und hielt am Kontingentsystem fest, vgl. »Bericht der Bundesregierung über die Situation der Filmwirtschaft«, Drucksache IV/366, S. 4. Die Filmbewertungsstelle nahm am 20. 8. 1951 als Filmbewertungsstelle der Länder ihre Tätigkeit auf. Mit der Verwaltungsvereinbarung vom 20. 9. 1957 führte sie die Bezeichnung Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW), vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 484ff. Wolf 2004, S. 9. Als »wertvoll« begutachtet wurden der bereits verbürgte Baky-Film Der träumende Mund (1952/1932), Hokuspokus (1953/1930), Der Vogelhändler (1953/1940/1935), Geliebtes Fräulein Doktor (1954/1940 Unser Fräulein Doktor), Mädchenjahre einer Königin (1954/1936), …und ewig bleibt die Liebe (1954, 1939 Johannisfeuer), Rosen im Herbst (1955/1939 Der Schritt vom Wege), Dunja (1955/1940 Der Postmeister), Das Sonntagskind (1956/1939 Schneider Wibbel), Mädchen in Uniform (1959/1931), Der Maulkorb (1958/1938), Die Sklavenkarawane (1958/1936), …und nichts als die Wahrheit (1958/1938 Der Fall Deruga) und Jacqueline (1959/1940 Nanette), vgl. Die Zehnjahresliste der Filmbewertungsstelle 1951 bis 1961, Filmstatistisches Taschenbuch 1960, S. 48, eigene Auszählung.

Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion

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Maßgaben verfolgte, auch wenn diese nicht präzisiert und hinter ökonomischen Begründungen verborgen waren. Die privaten Filmproduzenten hatten in dieser Förderpolitik das Nachsehen. Remakes spielten in der gesamten filmpolitischen Diskussion keine Rolle. In der Filmförderung durch Bürgschaften und Prädikate lassen sie sich als unproblematische Praxis konstatieren. Im Fokus des politischen Interesses stand auch die Neugestaltung des Ufi-Konzerns.

3.4

Ufi-Liquidation

Mit der bedingungslosen Kapitulation war die deutsche Filmindustrie unter Kontrolle der Alliierten, deren westliche Vertreter Treuhänder in den jeweiligen Zonen einsetzten, um das ehemals reichseigene Filmvermögen – und damit auch die Film- und Stoffrechte, um die es im Zuge der Remakeherstellung gehen wird – zu verwalten. Die sowjetische Besatzungszone, in der 70 Prozent des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens lagen,250 nahm mit der DEFA-Gründung eine filmhistorisch recht sorgfältig aufgearbeitete Eigenentwicklung. In den westlichen Besatzungszonen gab es vor allem von Seiten der USAmerikaner eigene Interessen und Schwerpunkte der Filmpolitik.251 Unter den Schlagworten Entnazifizierung und Privatisierung der deutschen Filmindustrie sowie Öffnung des deutschen Marktes für Hollywood-Produktionen wurde am 7. September 1949 nachträglich (mit Wirkung vom 21. 6. 1948) für die britische und amerikanische Zone die alliierte Lex Ufi (Gesetz Nr. 24) erlassen, deren wichtigstes Ziel die Entflechtung und zukünftige Verhinderung der vertikalen und horizontalen Konzentration der deutschen Filmindustrie war.252 Nach der Konstituierung der ersten deutschen Bundesregierung und dem Protest der SPIO tritt – zunächst ohne wesentliches Entgegenkommen von Seiten der Alliierten – am 1. August 1950 das Gesetz Nr. 32 der Alliierten Hohen Kommission in Kraft. Es folgen Entwürfe der Bundesregierung sowie Differenzen zwischen Bund und Ländern, bis das »Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des 250 Vgl. Hauser 1989, S. 313. 251 Die folgenden Geschichte der Ufi-Entflechtung folgt den Darstellungen Hausers und Roeber / Jacobys, vgl. Hauser 1989 und Roeber / Jacoby 1973. 252 Die alliierte Lex Ufi sah eine unverzügliche Abwicklung durch den Liquidationsausschuss vor. Dieser, bestehend aus den bisherigen Treuhändern, sollte »im Wege des öffentlichen Verkaufs nach öffentlicher, weiten Kreisen zugänglicher Ankündigung an die Meistbietenden unter den bietberechtigten Personen« Käufer finden. Die Alliierten schränkten die Bietberechtigten umfassend ein und verfügten, dass nicht mehr als ein Filmstudio oder drei Lichtspielhäuser an eine Person veräußert werden konnte. Der Name Ufa sollte aus der deutschen Filmindustrie verschwinden und die Liquidation innerhalb von 18 Monaten durchgeführt werden, vgl. Hauser 1989, S. 315ff., Zitat S. 316.

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ehemaligen reichseigenen Filmvermögens vom 5. 06. 1953« (deutsche Lex Ufi) verabschiedet werden konnte.253 Grundsätzlich erfasste die deutsche Lex Ufi in Übereinstimmung mit den alliierten Gesetzen das gesamte Reichsfilmvermögen, also nicht nur das des UfiKonzerns, sondern sämtliches in öffentlicher Hand, das »innerhalb zweier Jahre in private Hand zu überführen sei« (§ 1). Die Vermögensübertragungen der Alliierten auf das Ufa Liquidation Commitee (ULC) wurden aufgehoben (§ 2) und die Cautio-Treuhandgesellschaft mbH sowie die Ufa-Filmgesellschaft aufgelöst (§ 3). Neben den strukturellen Vorgaben zur Abwicklung, den Aufgaben und der Zusammensetzung des zu bildenden Abwicklungsausschusses (§ 4–7) erläutern die weiteren Paragraphen vor allem Erwerbsverbote und -beschränkungen (§ 9–10) korrespondierend mit den alliierten Entwürfen, sehen sie dabei Ausnahmen vor.254 Der Abwicklungserlös war nach Paragraph 15 »an den Bund abzuführen und für die Förderung der Filmwirtschaft zu verwenden.«255 Für die Remakeproduktion ist vor allem Paragraph 8 zur Durchführung der Verwertung relevant: »Die Vermögensgegenstände sollen grundsätzlich im Wege des freihändigen Verkaufs verwertet werden oder, sofern dies zur Erreichungdes Zweckes des Gesetzes nicht geeignet oder nicht durchführbar erscheint«, das heißt in Ausnahmefällen durch öffentliche Versteigerung an den Meistbietenden – jeweils rechtzeitig bekannt zu machen »im Bundesanzeiger sowie in geeigneten Tageszeitungen und Fachzeitschriften«.256 Hier zeigt sich eine Differenz der deutschen Lex Ufi zu den alliierten Vorgaben, die Versteigerungen festschrieben und insofern transparenter waren.257 Wenn man die Argumente der Bundestagsdebatte von 1954 mitdenkt,258 wird auch klar, dass diese 253 Ausführlich zu den Auseinandersetzungen bis zur Verabschiedung der Lex Ufi, vgl. Hauser 1989, S. 318ff.; Roeber / Jacoby 1973, S. 154ff. 254 So legt etwa auch die deutsche Lex Ufi fest, dass niemand mehr als ein Filmatelier oder drei Lichtspieltheater erwerben darf, räumt dem Abwicklungsausschuss aber ein, »aus zwingenden filmwirtschaftlichen Gründen Ausnahmen für den Erwerb« zu genehmigen (§ 10, Abs. 1), zitiert nach Hauser 1989, S. 661. 255 Sämtliche Passagen sind hier nach dem bei Hauser abgedruckten Gesetz zitiert, Hauser 1989, S. 658–663. 256 Zitiert nach: Hauser 1989, S. 660. 257 Wie diese Änderung zustande gekommen ist, ist nicht nachvollziehbar. Kurzprotokoll des Unterausschusses »Ufi-Vermögen«, 4. Sitzung zusammen mit Hauptausschuss Nr. 13 (Wirtschaftspolitik), Nr. 34 (Fragen der Presse des Rundfunks und des Films) und Nr. 11 (Finanz- und Steuerfragen am 28. 3. 1952: §§ 7, 8 und 9 wird noch konstatiert: »Die entscheidenden Fragen dieser drei Paragraphen werden herausgestellt: 1) Versteigerung oder freihändiger Verkauf ? 2) Ausschluss von Bund, Ländern und Parteien? 3) Atomisierung oder nicht? Der Unterausschuss hält Versteigerung bei ehemaligem Reichsvermögen als Grundprinzip für angebracht«, PA-DBT 3117 /A1/34-Prot.4 (Unterausschuss »Ufi-Vermögen«). 258 Am 18. 3. 1954 stellt Muckermann im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion den Antrag, dass »die Vermögenswerte möglichst bald unter angemessener Berücksichtigung der Vermögens-

Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion

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Änderung nicht Verschleierungsstrategie war, sondern vor allem auch einen Schutz vor amerikanischen Aufkäufen (etwa von Filmtheatern) darstellte. Das große Angebot amerikanischer Filme auf dem deutschen Markt mag Grund für diese Änderung gewesen sein. Letztlich sind beide Veräußerungsformen bei klar zu bewertenden Vermögensgegenständen diskutabel, die monetäre Bewertung von Urheberrechten jedoch ist äußerst diffizil. Diese Problematik konnte der Konzern elegant umgehen, indem der Rechteverkauf auf zehn Jahre beschränkt wurde. Nun hätte unverzüglich die Privatisierung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens unter den Vorgaben deutscher Politik beginnen können, wie bereits die Zusammensetzung des Abwicklungsausschusses mit Vertretern von Bund und Ländern spiegelt. Was aber folgte, war eine komplizierte Geschichte der Liquidationen, Umbenennungen, Veräußerungen von Kerngesellschaften, die sich in der Forschungsliteratur findet.259 Diese Übergangsphase Mitte der 1950er Jahre führte dazu – und das wird aus den Korrespondenzen und Streitigkeiten um Urheberrechte zum Tragen kommen –, dass die Stoffrechtsübertragungen durchaus von unterschiedlichen Gesellschaften betreut wurden. Diese Firmennamensverwirrung, »die Unterschiede zwischen Ufa, Ufa und Ufa zu erklären«,260 wird in dieser Phase eher komplexer. Neben dem TransitFilmvertrieb, der den Tobis-Filmstock wie auch die Verbotsfilme betreute, war die AG Filmstoffverwaltung für die Stoffrechte zuständig. Der Ufi-Filmvertrieb, der die Rechteübertragungen laut Akten des Bundesarchivs forcierte und überwachte, taucht wiederum in der Ufi-Entflechtungsgeschichte gar nicht auf.261 Die erhaltenen Kerngesellschaften des Ufi-Konzerns – Bavaria, Filmanlagen AG, die Ufa-Theater AG und die Universum-Film-AG –, die verkauft, aber in ihrer Rechtsform nicht aufgelöst wurden, stellten eine ernste Konkurrenz zur privaten Filmwirtschaft dar, was diese empört und mahnend registrierte.262 Dass hier die Interessen des Bundes mit den Interessen der alten Filmindustrie Hand in Hand gingen und beide für eine mögliche vertikale Gliederung als Garant einer konkurrenzfähigen Filmwirtschaft plädierten, liegt auf der Hand – wovor die SPIO zum Schutz der kleinen Produzenten warnte. Nicht nur, dass die deutsche Lex Ufi eine Wiederverflechtung nicht explizit verbot, sondern vor

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interessen des Bundes in private Hände zu überführen« seien, »Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion«, Drucksache II/381. Vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 166–177. »Bei der UFA machte man das so«, in: Der Spiegel, Nr. 3,17. 1. 1951, 5. Jg., S. 21. Vgl. u. a. Roeber / Jacoby 1973, Hauser 1989. »Nichts Endgültiges über Ufi-Vermögen« und »SPIO-Denkschrift : Entflechtung und Reprivatisierung des Ufi-Konzerns« in: FE, Nr. 8, 1954, 8. Jg., S. 191 und Sonderdruck im gleichen Heft.

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allem war es auch der Abwicklungsausschuss, der mit seiner Genehmigung des Verkaufs an ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank eigene Interessen verfolgte. Das um mehr als 1,5 Millionen höhere Angebot eines anderen Konsortiums bestehend aus Mosaik-Film, CCC-Film und Gloria-Film-Verleih wurde – neben kleineren, privaten Angeboten – mit dem Beschluss des Abwicklungsausschusses vom 21. April 1956 an die Liquidatoren übergangen.263 1958 wird bekannt gegeben, dass die Universum-Film AG am 30. Juni 1958 die Geschäftsanteile der Ufa-Filmkunst GmbH, Terra-Filmkunst GmbH, Berlin-Film GmbH, Wiener BohHme-Verlag GmbH und Ufaton-Verlag GmbH erworben hat. Außerdem hat die Universum-Film AG die Rechte an den von der AG Filmverwaltung i.L. (früher Universum-Film AG i.L.) hergestellten Filmen erworben.264

Die wesentlichen Teile der alten Ufa waren im Zuge der Privatisierung vereint worden. Doch nach ersten positiven Bilanzen geriet die Ufa-neu in den Strudel der Kinokrise. Zur glamourösen Premiere des dritten Ufa-Films Solange das Herz schlägt (1958, Weidenmann) berichtet Der Spiegel: Die Zeit aber hat zumindest außerhalb der Ufa-Ateliers nicht stillgestanden, und der Konzern wurde von der hochgestochenen Devise ›das Filmtheater wieder zur moralischen Anstalt im Schillerschen Sinne zu machen‹ (Ufa-public-relations-Chef Benzing) ausgerechnet in einer Saison überfallen, die Deutschlands Kinobesitzer mit einem akuten Notzustand bedroht. Fast zum gleichen Zeitpunkt, da die Bundespost den zweimillionsten Fernsehgeräte-Besitzer registrierte, meldeten nämlich die Theater-Inhaber aus 16 westdeutschen Großstädten, daß der Kinobesuch gegenüber dem Vorjahr im Durchschnitt um neun bis zwölf Prozent gesunken sei.265

Als die Ufa als Produzentin nach 1945 im Kino mit Ist Mama nicht fabelhaft? am 13. August 1958 debütierte, waren die Krisensymptome erkennbar. Das erklärt möglicherweise auch, warum das erstarkende Unternehmen selbst kaum Remakes drehte – ökonomisch hätte das für die Inhaberin der Urheberrechte durchaus sinnvoll erscheinen können, aber außer Jacqueline (1959, Wolfgang Liebeneiner), die sie gemeinsam mit der Klagemann-Film produ263 Wie im Zuge des Prozesses von sieben vertriebenen Kinobesitzern gegen die Düsseldorfer Ufa-Film GmbH berichtet wird, hat es noch mehr Interessenten für einzelne Vermögensbestandteile gegeben; etwa einen »rheinischen Großindustriellen«, dem »ein Bundesminister […] vertraulich mitgeteilt [habe], daß seine Bemühungen aussichtslos seien; die Ateliers, Kopierbetriebe und Kinos seien für eine längst ausgewählte, Interessengruppe reserviert.«, »Ein politischer Kauf«, in: Der Spiegel, Nr. 7, 13. 2. 1957, 11. Jg. Mögen auch nicht alle Behauptungen von Seiten der Kläger stimmen, die Ablehnung des Angebotes vom Konsortium lässt darauf schließen, dass nicht allein ein stabiler, vertikal gegliederter Filmkonzern im Interesse der Politik war. 264 Bundesanzeiger Nr. 127 vom 8. 7. 1958, vgl. auch Roeber / Jacoby 1973, S. 173. 265 »Die Auferstehung«, in: Der Spiegel, Nr. 4, 21. 01. 1959, 13. Jg.

Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion

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zierte, lässt sich im Filmkorpus keine Remakeproduktion der neugegründeten Ufa finden. Die staatliche Unterstützung der Re-Verflechtung war aber durchaus die Grundlage für die harten Verhandlungen der konzerneigenen Filmjuristen, die damit ein Geschäftsfeld sicherten.266 Erste Verluste musste die neue Ufa bereits 1959 bilanzieren. 1964 ging sie an die Bertelsmann-Gruppe über.267 Die Regierung Adenauer kämpfte nunmehr um Einflussnahme beim Fernsehen, die ihr mit dem 1. Rundfunkurteil vom 28. Februar 1961 verwehrt wurde. Im Kontext der strukturellen Verankerung der Remakeproduktion lässt sich hier zunächst zusammenfassen, dass die Adenauer-Regierung die Re-Verflechtung des Ufa-Konzerns i.L. unter der Ägide der von ihr gewählten Interessengruppe (Deutsche Bank) forcierte. Damit knüpfte sie filmwirtschaftlich an die Ufa-Gründung von 1917 an. Hierfür lassen sich ökonomische Gründe denken: Die Filmindustrie ist eine Einnahmequelle des Fiskus. Dabei muss relativiert werden, dass diese Überlegung für die Länder und Gemeinden durch die Vergnügungssteuer oder Filmstandorte relevanter gewesen war, denn »die Filmwirtschaft [hatte] – gemessen an dem gesamten Wirtschaftspotential der Bundesrepublik – kaum Bedeutung«.268 Andererseits konnte ein großes, vertikal gegliedertes Unternehmen mit ausländischen Angeboten konkurrieren und verfügte – wie die Geschichte der Filmindustrie nach der Weltwirtschaftskrise zeigte – über eine gewisse Krisenfestigkeit im Gegensatz zur Vielzahl der privaten, kleinen und relativ kapitalschwachen Filmhersteller. Das war beim Wiederaufbau eines deutschen Filmmarkts sicher wichtig und erlaubte nebenher – anders als bei importierten Filmen – zumindest die Möglichkeit einer staatlichen Einflussnahme. Die kultur- und gesellschaftspolitische Relevanz des Films wurde im Zuge der Bundestagsdebatte ausführlich diskutiert, wenn auch kaum expliziert. Dass diese filmpolitisch beabsichtigt war, belegen die klare politische Linie zur Re-Verflechtung im Zuge der Lex Ufi, die Ausgrenzung der privaten Filmwirtschaft aus diesen Prozessen und final dann die Bevorzugung des Düsseldorfer Konsortiums unter Führung der Deutschen Bank gegenüber dem Angebot der privaten Filmwirtschaft. So brachte diese staatliche Interessenausrichtung die private Filmwirtschaft, allen voran die Produzenten, in Bedrängnis. Bereits unter alliierter Besatzung war es so, dass der Ufi-Konzern […] entgegen den programmatischen Absichten der Besatzungsmächte ein filmwirtschaftliches Eigenleben zu führen [begann]. Damit stellte sich der privatwirtschaftlichen Filmwirtschaft, die sich auf schwankenden Grundlagen bewegte, ein potenzierter und zentral gelenkter Wirtschaftskonzern entgegen. Dem Konzern war zwar die Eigenbetätigung in der Produktion und im Verleih untersagt, wohl aber entzog er dem 266 Vgl. I. 4.2 Verkaufspraxis der Ufi i.L. und ihrer Firmen, S. 99–106. 267 Ausführlich dazu, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 233ff. 268 Hauser 1989, S. 457.

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filmwirtschaftlichen Kreislauf, ohne daß von ihm neue Filmvorhaben finanziert werden durften, ständig Mittel aus der Vergebung von Lizenzen zur Auswertung der von ihm konzernmäßig gehaltenen Filmrechte sowie Mittel aus der Nutzung seiner Betriebsanlagen (Ateliers, Kopieranstalten und Filmtheater). Die daraus bei dem Besatzungskonzern aufgelaufenen Gelder wurden von ihm zum Ausbau seiner eigenen Organisation und zur Erweiterung seines wirtschaftlichen Aktionsradius benutzt.269

Mit der Durchführung der Lex Ufi verschärfte sich diese Situation. Aber die Bundesregierung hatte gleichzeitig ein Interesse an der Stabilität des Filmmarkts und damit an den privaten Filmproduzenten und -verleihern, wie die Bürgschaftsaktionen des Bundes zeigen. Mindestens bis Mitte der 1950er Jahre lässt sich eine Doppelstrategie erkennen, die vor dem Hintergrund der Ufi-Privatisierung von politischer Einflussnahme auf den Film bestimmt gewesen ist. Nebenher stärkte die Filmpolitik die Position des Unternehmens in Liquidierung, was die Position des Konzerns bei den Übertragungen von Remakerechten stärkte.

4.

Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren

Die Veräußerung von Filmstoffrechten war auch schon lange vor 1945 ein normales Geschäft in der deutschen Filmwirtschaft. Erst Ende der 1930er Jahre kam es zum Stillstand, da kaum noch freie Produzenten auf dem Filmmarkt agierten und der zentralisierte, verstaatlichte Ufi-Konzern – ab 1942 endgültig – sämtliche Rechte unter seinem Konzerndach versammelte.270 Die Rechteübertragungen in den 1950er Jahren waren deutlich ausdifferenzierter als noch in den 1930er Jahren. Vor allem war die Situation vonseiten der Filmproduzenten nicht nur im Hinblick auf die politischen Rahmenbedingungen eine grundlegend andere. So konnten die großen Filmfirmen vor 1945 gegebenenfalls vorhandene Rechte für eine Neuverfilmung noch einmal verwenden. Den Treuhändern des reichseigenen Filmvermögens dagegen boten sich in Form der Bearbeiter-Urheberrechte durch den bereits hergestellten und ausgewerteten Film neue Einnahmemöglichkeiten, die mit Einführung des Tonfilms nicht vorhanden waren. Die Autoren des bis hier bereits viel zitierten Handbuchs der filmwirtschaftlichen Medienbereiche fassen die Situation in institutioneller Perspektive zusammen und geben damit vor allem einen Überblick über die noch vorhandenen Akteure der Film- und Stoffrechtsverschiebungen im Zuge der Ufi-Liquidation: 269 Roeber / Jacoby 1973, S. 44. 270 Ausführlich zur Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie im Nationalsozialismus und Gründung der Ufa-Film GmbH (Ufi) als Dachkonzern, vgl. u. a. Becker 1973, Otto 2003 und Roeber / Jacoby 1973, S. 71ff.

Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren

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Eine Sonderstellung im Vorgang der Reprivatisierung nahmen die Stoff- und Filmrechte ein. Träger dieser Rechte waren besatzungsrechtlich zunächst die unter Treuhänderschaft stehenden UFI-Gesellschaften. Unter den Gesetzen Nr. 24 und Nr. 32 wurde das ULC mit allen sich daraus ergebenden Zweifelsfragen zum Träger dieser Rechte. Nach dem deutschen UFI-Gesetz lagen die Rechte wieder bei den UFI-Gesellschaften (§ 2 des Gesetzes vom 5. Juni 1953). In Durchführung dieses Gesetzes erlangte die dem UFI-Konzern über die UFA-alt zugehörige Transit-Filmvertriebs GmbH (Transit-alt) Bedeutung für die Verwaltung und Auswertung der Stoff- und Filmrechte des UFI-Konzerns. Die Transit-alt handelte für die Verwaltung und Verwertung jedoch nur im Namen der in Liquidation befindlichen UFI, bei der noch der Tobis-Filmstock und die Verbotsfilme verblieben waren, und die ferner noch einen zeitlich begrenzten Beteiligungsanspruch an der Auswertungserlösen des an Bavarianeu und UFA-neu übertragenen Filmstocks besaß.271

Doch welche konkreten Rechte kommen im Zuge von Neu- und Wiederverfilmungen zur Geltung und müssen erworben werden? Bis zur Urheberrechtsreform 1965 findet hinsichtlich der Urheberschaft am filmischen Werk in Deutschland ein munterer Streit der Interessengruppen – also Filmschaffenden, Filmherstellern, den spärlichen und seit den 1930er Jahren agierenden Filmjuristen und Gerichten – statt. Wobei in den 1950er Jahren die im juristischen »Schrifttum so heftig umstrittene Frage, wer originärer Träger der Urheberrechte an einem Filmwerk ist, die Rechtsprechung noch kaum beschäftigt« hat.272 Vielmehr muss der Bundesgerichtshof in Filmsachen in großer Zahl Urheberrechtsübertragungen klären, wobei nicht alle veröffentlicht sind.273 Aus der fehlenden systematischen Verbindlichkeit erklärt sich, warum in der filmhistorischen Forschung die juristische Situation weitgehend ausgeklammert bleibt.274 Die Privatisierung der westdeutschen Filmwirtschaft verkomplizierte den gesamten Komplex um den Rechteerwerb Dritter. Vor allem blieb das Problem des Nachweises durch Dokumente akut. Ferner verfügte die Nachfolgegesellschaft i. L. – trotz Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie im Nationalso271 Roeber / Jacoby 1973, S. 173f. 272 Krüger-Nieland 1960, S. 149. Zur Frage der Urheberschaft beim Film, vgl. u. a. Kiesewetter 1934, Bruchmann 1939, von Metzeler 1952, Roeber 1956, Haeger 1958. 273 Der für Revisionen in Urheberrechtssachen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte vor seinem zehnjährigen Bestehen bereits über 20 Streitfälle zu entscheiden, während das Reichsgericht mit nur wenigen Grundsatzfragen beschäftigt war, vgl. KrügerNieland 1960, S. 148f. 274 Schaudig verweist zwar in seinen Überlegungen zum Remakebegriff wiederholt auf die Frage der urheberrechtlichen Reszendenz, klammert selbige aber etwa bei seinen Fallbeispielen gänzlich aus. Marci-Boehnke weist in ihrem Aufsatz sämtliche Drehbücher der Premakes als »durch kein Copy-Right« geschützt aus und bezieht sich hierbei auf Manderbach, bei dem sich weder am angegebenen Ort noch in seiner Studie Bemerkungen zum Urheberrecht in Deutschland finden, vgl. Marci-Boehnke 1994, S. 414.

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zialismus – letztlich nicht über sämtliche Rechte. Vor allem die vielen kleinen Firmen, die vor 1937 Konkurs anmelden mussten und deren Aktenbestände wiederum im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden waren, sorgten dafür, dass Teile der Rechte quasi ungeschützt waren: ohne Inhaber eines Rechtsanspruchs keine Übertragung von Rechten. Im Film-Telegramm wird es pointiert zusammengefasst: »Es ist für den Außenstehenden nicht leicht zu sagen […], wer hier im Recht (das behauptet natürlich jeder der Beteiligten!) und wer im Unrecht ist; wir können vorerst nichts weiter tun als […] nach den vorliegenden Äußerungen und Akten stichwortartig redaktionell zusammenzufassen.«275 Die Akteure der großen deutschen Filmfirmen hatten sich in ihren Standardverträgen der 1930er Jahre – bis auf wenige Ausnahmen – Rechteübertragungen gesichert, die zumeist zeitlich und örtlich unbeschränkt waren. Im Zuge von Autoreninitiativen – vor allem in der Nachfolge des Autorenkongresses 1936 – war es ab 1943 zu einer Neuformulierung der Standardverträge gekommen, sodass diese autorenfreundlicher waren.276 Erschwert aber wurden die Rechteübertragungen bei Wiederverfilmungen vor allem durch die vernichteten Nachweise. Vor diesem durchaus komplexen Hintergrund ist es sinnvoll, zunächst einmal die grundlegenden Urheberrechte zu trennen und zu erklären, die im Laufe der Herstellung der Vorgängerfilme entstanden und die entsprechend bei Neuverfilmungen erworben werden mussten. Wie diese Rechte praktisch im Einzelfall übertragen werden konnten und welche Modelle sich in der Praxis hier aufzeigen lassen, ist Schwerpunkt der anschließenden Ausführungen. Dessen Materialbasis sind in erster Linie die Akten des Ufa-Ufi-Bestandes (BA R 109 I) im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde und die juristischen Kommentare zu einzelnen Prozessen und Urteilen.

4.1

Theorie: Der Rechteerwerb bei Neuverfilmungen

Um in den 1950er Jahren die Wieder- bzw. Neuverfilmungsrechte für einen bereits gedrehten Film zu erwerben, war der erste grundlegende Aspekt für den 275 »Meine Idee, deine Idee«, in: FTG, Nr. 4, 1956, 4. Jg., S. 5. 276 1936 empfing Goebbels als Schirmherr zum Internationalen Komponisten- und Autorenkongress im Kaiserhof. Vor dem Hintergrund des Tonfilmurteils von 1933 und der Tantiemenbeteiligung für Komponisten erhoben die Filmautoren ähnliche Forderungen, die zwar so nicht eingelöst wurden, aber eine Neuformulierung des Standardvertrags mit einer zeitlichen Beschränkung der Rechtevergabe bewirkte, vgl. Vermerk der Reichsfilmkammer vom 20. 11. 1943, BArch R 109 I/ 2780, o. S. und vgl. »Normalvertrag über Verfilmungsrechte«, in: FK, 17. 12. 1943, Nr. 149, 25. Jg., S. 1–2.

Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren

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Filmhersteller die Sorgfaltspflicht bei der Ermittlung möglicher Urheber.277 Hierbei muss zwischen zwei Urheberrechtsarten beim Film differenziert werden: Erstens verlangt die Herstellung eines Films, der sich auf ein bereits erschienenes literarisches Werk bezieht, den Erwerb der Stoffrechte vom Autor bzw. dem Verlag. Diese Übertragung der eigentlichen Urheberrechte war mit dem »Normalvertrag über den Erwerb des Weltverfilmungsrechtes an einem bereits erschienenen Werke des Schrifttums« geregelt. Damit verknüpft waren zweitens die Vorführungs- und Verleihrechte, die aber urheberrechtlich abgespalten blieben.278 Bis 1957 war es zumindest theoretisch möglich, einen Film zu drehen,279 ohne vorher den Inhaber der Urheberrechte zu kontaktieren, nur auswerten konnte man ihn nicht. Praktisch erscheint eine nachträgliche Verhandlung mit dem Autor nach der Herstellung eines abendfüllenden Spielfilms sinnlos. Der zweite Rechtekomplex entsteht mit Herstellung des Films: die Bearbeiter-Urheberrechte. Durch Normal- bzw. Anstellungsverträge der Filmschaffenden sind diese im Allgemeinen vollständig auf den Filmhersteller übertragen. Einen Sonderfall stellen die Musikrechte dar. 4.1.1 Die Stoffrechte Mit den Stoffrechten erwirbt der Filmhersteller im Zuge einer beschränkten Urheberrechtsübertragung im besten Fall – und dieser war dank Standardvertrag bis 1943 Usus – die Weltverfilmungsrechte an der Vorlage »zeitlich und örtlich unbegrenzt«. Einzelne Autoren handelten auch zeitlich beschränkte Rechteübertragungen in sogenannten »Briefverträgen« aus, wie die Auseinandersetzungen nach 1945 belegen.280 1943 aber vollzieht sich ein grundlegender Wandel zur Stärkung der Autorenrechte: Der von der Reichsfilmkammer neu herausgegebene »Normalvertrag für den Erwerb des Weltverfilmungsrechts an einem bereits erschienenen Werk« sieht jetzt nämlich vor, dass die Rechteübertragung nur für eine Dauer von zehn bis höchstens zwölf Jahren erfolgt und expliziert, dass nach Ablauf eine »einmalige Verlängerung um weitere 10 Jahre, aber nur gegen erneute Zahlung des Autorenhonorars« möglich sei.281 Dieser 277 Roeber 1957, S. 3f., Karl Burkhardt: »Über den Verfilmungsvertrag«, in: Film und Recht, Nr. 6, 1957, 1. Jg., S. 2. 278 Vgl. Roeber 1958, S. 3. 279 1957 entscheidet der BGH, dass der Filmhersteller bis zur Erstellung des Films, d. h. zum Beginn der Dreharbeiten, das Verfilmungsrecht einholen muss, vgl. Roeber 1958, S. 7. 280 In dem Prozess um Peter Voss, der Millionendieb etwa ist eine der entscheidenden Fragen – vor allem in Bezug auf einen der Kläger, F. A. Mainz –, wie lange der Autor seine Urheberrechte übertragen hatte, vgl. BArch R 109 I/2611, o. S. Peter Voss wurde insgesamt dreimal verfilmt (1931/32, 1943–45 sowie 1958). Die Rechteübertragung hatte bereits zu Beginn der 1930er Jahre stattgefunden. 281 Aktenvermerk Dr. Th./Ru. vom 28. 11. 1957, BArch R 109 I/2162, o. S. In den Verhandlungen

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Passus blieb in den 1950er Jahren bestehen.282 Entsprechend wären alle erworbenen Urheberrechte der Universum Film AG 1953 (spätestens 1955) abgelaufen und damit an die Autoren zurückgefallen. Dieser Umstand war vor allem – trotz der schlechten Belegbarkeit durch vernichtete Verträge – für die Treuhänder des reichseigenen Filmvermögens relevant, zugleich auch umstritten.283 In der Praxis gestaltete sich dieser Komplex jedoch deutlich vorteilhafter für die Treuhänder.

4.1.2 Die Bearbeiter-Urheberrechte Was im Zuge von Wiederverfilmungen sicher geltend gemacht werden konnte, waren die Rechte an den hergestellten Filmen, die als Bearbeiter-Urheberrechte einen eigenen Status haben. Dieser bleibt allerdings abhängig von den Stoffrechten. Das heißt, ein Film kann nur innerhalb der Übertragungsdauer der Stoffrechte ausgewertet werden. Sind diese abgelaufen, bleibt das Bearbeiter-Urheberrecht bestehen, aber die »positiven Nutzungsbefugnisse« (also Auswertungsmöglichkeiten) ruhen.284 Die Rechtslage ist hier zunächst relativ unkompliziert: Sie sind durch die Filmschaffenden (Drehbuchverfasser, Regisseure, Aufnahmeleiter, Schauspieler etc.) durch Normalverträge auf die Produktionsfirma übergegangen. Den Rechteinhabern stehen bei Wiederverfilmungen, »wenn für den neuen Film Partien übernommen werden, die nur diesem Film eigen sind (schöpferische Elemente)«,285 Ansprüche auf Verbot und Schadensersatz zu – auch wenn der Hersteller der Wiederverfilmung das Verfilmungsrecht erworben hat und somit der alte Film nicht mehr ausgewertet wird. Das aber nur, wie die Auseinandersetzung um den Film Ferien vom Ich (1934/1952) mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom

282 283

284 285

gelingt es den Autoren jedoch nicht, eine Tantiemenbeteiligung im Zuge der Auswertung durchzusetzen, die auch in den 1950er Jahren wieder zur Debatte stehen wird, vgl. Protokoll der Sitzung unter dem Vorsitz Dr. Roebers vom 11. 2. 1942, BArch R 109 I/2780, o. S. sowie Protokolle der gleichen Beratungen BArch R 109 I/5130, Bl. 364–368. Burkhard 1957, S. 4. 1957 etwa wird in einem Vermerk über den Bestand der Rechte am Filmstock konstatiert: »Wenn der Konzern sich auch grundsätzlich auf den Standpunkt stellen sollte, daß – abgesehen von Einzelfällen – die Urheber- und Bearbeiterurheberrechte uns zeitlich und örtlich unbeschränkt zustehen, so ist die Rechtsposition, derer wir uns berühmen, angreifbar«, Aktenvermerk Dr. Th./Ru. vom 28. 11. 1957, BArch R 109 I/2162, o. S. Dr. Thorner warnt davor, dass es »gegen Treu und Glauben verstossen [würde], wollte man die Autoren, mit denen Verträge nach 1943 vereinbart wurden, anders behandeln als die Autoren zu der Zeit vor 1943« und fürchtet Einschränkungen in der Reprisenauswertung durch Klagen, ebd. Roeber 1957, S. 7. Ebd., S. 8.

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18. Juni 1957 klärt,286 wenn der Kläger über die »vollen Urheberrechte« am Vorgängerfilm verfügt.287 Diese Entscheidung relativierte die Rechte der unzähligen drittbeteiligten Firmen an den alten Produktionen bei Wieder- oder Neuverfilmungen. Drittbeteiligte Firmen und Personen mussten von der Filmstoffverwaltung nach Ende des Krieges wegen der Zahlung ihrer Anteile an der Reprisenauswertung aus dem verfügbaren Aktenmaterial ermittelt werden.288

4.1.3 Die Musikrechte »Gegenwärtig ist der Verkauf von Remake-Rechten akut geworden, bei denen fremde Produzenten als Käufer literarischer Stoffrechte aus dem Bestand der früheren UFA-Produktionsgesellschaften und die zu den Stoffen gehörenden musikalischen Rechte erwerben wünschen«,289 konstatiert der Wiener BohHmeVerlag 1955. Diese Feststellung trifft der Musikverlag im Zusammenhang mit dem Streit um die Kompetenzen bei der Vergabe der Remakerechte, der aus den Besonderheiten der Musikrechte in Deutschland resultierte.290 Den Musikrechten kommt innerhalb des gesamten Komplexes bei Neuverfilmungen eine Sonderstellung zu, da sie als einzige zwischen den Herstellungsund Aufführungsrechten trennen, sodass Tonfilmtantiemen möglich sind. Diese gaben immer wieder den Anlass für die Tantiemenforderungen der Autoren – 286 Eine Abschrift des vollständigen Urteils findet sich im Bundesarchiv, BArch R 109 I/2162, o. S. 287 Ausschlaggebend ist laut BGH nicht, ob der Film tatsächlich ausgewertet wird, sondern lediglich, dass der Rechteumfang über das Auswertungsrecht hinausgeht, vgl. [r.b.]: »Rechte aus dem früheren Film bei Wiederverfilmung. Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes«, in: Film und Recht, Nr. 10, 1957, 1. Jg., S. 15–16. Ostermayr als Produzent machte eigenschöpferische Anteile bei der Drehbuchgestaltung und Filmherstellung bei Ferien vom Ich (1934) geltend und verwies auf ein Abkommen, das seine Firma mit der Treuhandverwaltung des Ufi-Vermögens am 15. 12. 1949 schloss, in dem sie die gemeinsam produzierten Filme aufteilten. Der BGH begründet, dass Ostermayr mit dieser Vereinbarung lediglich Auswertungsrechte übertragen bekam und entsprechend nicht im Besitz der vollen Rechte sei. 288 Die Ermittlung der Drittbeteiligten an Ufi-Filmen stellt Mitte 1955 der Filmstoffverwalter Gärtner für Liquidatoren auf, vgl. u. a. BArch R 109 I/920. 289 Wiener BohHme-Verlag an die Herren Liquidatoren vom 23. 4. 1955, BArch R 109 I/921, Bl. 578. 290 Mitte der 1950er Jahre verhandelt der Wiener BohHme Verlag als Nachfolger des UFA-TonVerlags, der sämtliche Musikrechte an Tonfilmen bis 1945 verwaltete, mit der Filmstoffverwaltung bzw. dem Filmvertrieb über Beteiligung an den Verhandlungen um die Vergabe von Remakerechten. Der Ufa-Filmvertrieb lehnt jedwede Beteiligung gegenüber den Liquidatoren ab, vgl. Korrespondenz und Vermerke BArch R 109 I/921, u. a. Bl. 194–242 und Schreiben des Ufa-Filmvertriebs vom 30. 11. 1955 an die Liquidatoren, BArch R 109 I/921, Bl. 273–278.

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sowohl in den 1930er als auch in den 1950er Jahren.291 Die Berechtigung und Bestätigung der Tonfilmtantiemen bei Aufführung wurde im Reichsgerichtsurteil vom 5. April 1933 historisch abgeleitet: Waren die Tantiemen bei paralleler Aufführung im Stummfilm juristisch plausibel, wurde diese »geschichtliche Situation« bei der Tonfilmumstellung Argument für die Beibehaltung der Zahlungen. Die entsprechenden juristischen Konstrukte zur Rechtetrennung wurden für die Praxis geschaffen.292 Mit dem Urteil wurden hierfür die Aufführungsrechte vom Verfilmungsrecht selbst abgetrennt, letzteres war damit zum schlichten Herstellungsrecht reduziert.293 War es ab 1933 noch die Staatlich genehmigte Gesellschaft für Verwertung musikalischer Urheberrechte (STAGMA), etablierte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte (GEMA), die wiederum die Tonfilmtantiemen bei den Filmtheaterbesitzern einzieht. Im Zuge einer Neuformulierung des Filmmusikvertrags und des Abkommens zwischen der GEMA und dem Verband deutscher Filmproduzenten e.V. vom 14. Oktober 1958 konnten die Komponisten auch die Änderung im Filmmusikvertrag durchsetzen, sodass bei Wieder- und Neuverfilmungen von vorherein eine Option »auf nochmaligen Erwerb der gleichen Rechte« auf zehn Jahre vereinbart und mit der tatsächlichen Herstellung ein Entgelt gezahlt wurde.294 Praktisch führt die Ab- und Aufspaltung der Musikrechte in den 1950er Jahren dazu, dass der Ufi-Filmvertrieb einräumen musste, dass er zwar mit dem Normalvertrag 139b mit dem Filmkomponisten die Verfilmungsrechte erworben hatte, aber gleichzeitig den Musikverlagen die Urheberrechte des Filmkomponisten übertragen wurden.295 Offen blieb, ob die Rechte der Wiederverfilmung auch eine Weiterveräußerung an Dritte betrafen, was die Position einer 291 Die Diskussionen über die Tantiemenbeteiligungen und urheberrechtliche Ansprüche stehen ab Mitte der 1950er Jahre im Kontext der Entwürfe zu einer Neustrukturierung des Urheberrechts, vgl. etwa die Polemik des Vizepräsidenten des Verbandes deutscher Filmautoren und die Antwort der Produzenten: Erich Ebermayer: »Der Autor meldet sich zu Wort«, in: Der neue Film, 20. 12. 1954, 8. Jg., S. 8; Erich Ebermayer: »Urheber oder Verknüpfer?«, in: FTG, Nr. 17, 21. 4. 1954, 2. Jg. und »Sollen Autoren Tantieme erhalten? Produzenten widersprechen der Ansicht des Verbandes deutscher Filmautoren«, in: FTG, Nr. 18, 27. 4. 1954, 2. Jg.; »Tantiemen. Ein halbes Jahr durchhalten«, in: Der Spiegel, Nr. 28, 11. 7. 1951, 5. Jg., S. 39f. 292 Roeber 1964, S. 17. Der in der Abhandlung zitierte Referentenentwurf von 1954 bestätigt noch einmal das System der GEMA, »um nicht in seit Jahrzehnten eingelebte Verhältnisse einzugreifen, deren Änderung zudem mit erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden wäre », ebd., S. 22. 293 Vgl. Roeber 1959, S. 7ff. 294 Ebd., S. 11. 295 Diese Divergenz ist »belanglos gewesen im Hinblick auf die Struktur des Gesamtkonzerns, da stets Produzenten und Verlag Konzernfirmen waren. Die Divergenz wird jedoch akut in dem Augenblick, wo eine Veräusserung an einen ausserhalb des Konzerns stehende Firma in Betracht kommt.«, Aktennotiz vom 15. 0. 1955, BArch R 109 I/921, Bl. 236.

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alleinigen Veräußerung der Remakerechte durch die Produktionsfirma geschwächt hätte. Die juristischen Gutachten der Rechtsanwälte Dr. Bruno Pfennig und Dr. Gert Bollack bezweifelten eine alleinige Verfügungsmöglichkeit der Produktionsgesellschaften, doch der Filmvertrieb lehnte weiterhin mindestens in Bezug auf die Auftragsmusik ab.296 Bei den Diskussionen um die Veräußerung der Musikrechte ging es in erster Linie um die Evergreens der Ufa-Tonfilme.297 Die Tragweite ist hier nicht allein auf die Veräußerung im Zuge von Remakeverkäufen zu beschränken, sondern vor allem mit Blick auf die Rechte an internationalen Tonfilmschlagern zu bedenken.298

4.2

Verkaufspraxis der Ufi i.L. und ihrer Firmen

Abgesehen von den Diskussionen innerhalb des Ufi-Konzerns i. L. zeigt die Aktenlage durchaus einnahmeträchtige und zum Teil auch offensiv geführte Verhandlungen. Bereits die folgende Empfehlung, die im Zuge einer Aufstellung über Remakeverkäufe vom 15. März 1955 bei Verhandlungen in der AG Filmstoffverwaltung ausgesprochen wird, verdeutlicht mehrere Aspekte: Grundsätzliche Geschäftsprinzipien bei Remake-Verkäufen: Es wird empfohlen a) Die Remake-Produzenten in jedem Falle zu verpflichten, das Remake-Vorahben [sic] in einem der UFA-Ateliers azudrehen [sic], b) dafür zu sorgen, daß auch die Kopien solcher Filme in UFA-Betrieben bearbeitet werden, c) den Prisma-Verleih möglichst einzubeziehen, mindestens aber insoweit, daß der Produzent an eine Angebotspflicht gebunden wird. d) Auch die Autoren sollten an den Musikverlag verpflichtet werden bezüglich derjenigen Musik, die sich aus der Neubearbeitung ergibt. Die Erfüllung dieser Empfehlungen sollte eine Voraussetzung dafür sein, daß Remake-Vergebungen 296 Vgl. Ufi-Filmvertrieb GmbH an die Liquidatoren am 30. 11. 1958, BArch R 109 I/920, Bl. 118–138. Andererseits wurden, um möglichen Regressforderungen von Filmkomponisten vorzubeugen, selbige auch schon 1955 in Verhandlungen mit einbezogen – etwa Heymann beim Verkauf Die Drei von der Tankstelle, BArch R 109 I/922, Bl. 368–370. Der Komponist erhielt beim Verkauf und durch die vertraglich vereinbarte Arbeit am Remake insgesamt 10.500 DM, vgl. Protokoll Dannehl vom 20. 1. 1956, BArch R 109 I/2803, o. S. 297 So wurden etwa allein die Musikrechte bei Filmen wie Der Kongress tanzt (1931) oder Die Drei von der Tankstelle (1930) in Verhandlungen mit 42.500 DM bzw. 25.000 DM taxiert, BArch R 109 I/921, Bl. 237ff. Die Einnahmen aus Tonfilmrechten wurden, um diese hohen Summen ein wenig zu relativieren, 1950 bis 1955 mit insgesamt 51.516 DM angegeben, BArch R 109 I/921, Bl. 470. 298 Welche ökonomische Wichtigkeit die Tonfilmschlager besaßen, zeigen etwa die Aufstellungen von Tonfilmschlagern des BohHme-Verlags für die Ufi vom 10. 9. 1955, BArch R 109 I/ 921, u. a. Blatt 11–154. Ebenso spiegelt sie sich im Rechtsstreit um die Musikrechte von Bel Ami und Frauen sind keine Engel, vgl. u. a. Krüger-Nieland 1960, S. 156f.

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an Außenstehende überhaupt stattfinden. Es wäre schade, wenn die alten Evergreens praktisch sonst in die Macht der Konkurrenz übergehen.299

Erstens wird deutlich, dass die Problematik der getrennten Veräußerung von Musik- und Stoffrechten300 berücksichtigt werden musste. Zweitens ist ersichtlich, dass sich die Filmstoffverwaltung – neben den zu zahlenden Summen für den Erwerb der Filmstoffrechte – über die Empfehlung für die Produktion als Grundlage der Verhandlungen eine weitere Einnahmequelle sicherte. Das war mit Blick auf die Schnelllebigkeit des Filmgeschäfts zweifelsohne sinnvoll,301 da Rechteverkauf zwar lukrativ sein konnte, die Zahlung jedoch unsicher. Ähnliche Empfehlungen bei dem Verkauf von Remakerechten finden sich auch für die Tonfilmmusik.302 Im Allgemeinen werden die Rechte maximal für zehn Jahre übertragen. Das hängt mit den erläuterten Abwicklungsvorgaben des deutschen Lex Ufi zusammen.303 Möglicherweise spielt im Angesicht der politischen Ausrichtung der Ufi-Abwicklung auch die Überlegung einer Sicherung dieser Rechte als Geschäftsfeld und Grundlage zukünftiger Produktionen eine Rolle. Den Rechteverkauf als ein uneingeschränkt attraktives Einnahmefeld zu bewerten, wäre zu kurz gegriffen. Das liegt auch daran, dass die monetäre Bewertung von Urheberrechten kompliziert ist. Die Erträge waren vor allem Ergebnis harter Verhandlungen. Das belegt exemplarisch der Versuch, ein Paket von Filmstoffrechten am 15. November 1950 auf Befehl der Alliierten zu verkaufen: Bei dieser »ziemlich unwürdige[n] Tragikkomödie«304 wurden die Filmstoffrechte etwa von Inkognito (1936) Kornblumenblau (1939), Drei Väter um Anna (1939), Liebesbriefe (1943) und Der Grüne Domino (1935) und weiteren Filmen unter drei erschienenen Interessenten versteigert, wobei lediglich die beiden letzten Titel zum Mindestgebot veräußert werden konnten.305 Auf den ersten Blick ist 299 Verhandlung in der Filmstoffverwaltung am 15. März 1955 betreffend der Abstimmung der Verlagsinteressen bei Stoffverkäufen mit Musik, BArch R 109 I/921, Bl. 242. 300 In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass in der Korrespondenz der Begriff der Stoffrechte – anders als in der juristisch exakten Trennung – sowohl mögliche noch bei Ufi i. L. verbliebende Verfilmungsrechte als auch die Bearbeiter-Urheberrechte umfasste. 301 Vgl. Tabelle »Deutsche Produzenten und Produktionseinstellungen 1947–1955«, Hauser 1989, S. 475. 302 »Beim Verkauf derartiger Rechte soll grundsätzlich darauf Bedacht gelegt werden, dass etwaige musikalische Neuschöpfungen grundsätzlich wiederum im Wiener BohHme-Verlag verlegt werden«, Aktennotiz vom 15. 3. 1955, BArch R 109 I/921, Bl. 238. 303 Vgl. Brief des Ufi-Filmvertriebs an die Ufa-Film i.L. vom 23. 3. 1955, BArch R 109 I/921, Bl. 591–592. 304 Diese Einschätzung geht auf die öffentliche Aussage des Versteigerers zurück, der sich die internen Einschätzungen einhellig anschließen, vgl. »Unwürdige Tragikkomödie«, in: Der Spiegel, 22. 11. 1950, Nr. 47, 4. Jg., S. 37f.; Erklärung Dr. Matschkes vom 15. 11. 1950, BArch R 109 I/1695, o. S. 305 Hauser 1989, S. 322ff.

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klar, dass das keine Auswahl aus der Spitzenproduktion ist, denn diese war durch Verleihverträge noch in der Reprisenauswertung gebunden. Darüber hinaus aber räumten die Liquidatoren ein, dass es »schwierig sein wird, Filme zu veräußern, ohne dass die Garantie für die Existenz der Stoff- und Auswertungsrechte übernommen werden kann«, denn die Ermittlung der Rechtslage – und dabei auch die Beteiligung weiterer Urheber – war durch die vernichteten Aktenbestände und Verträge bestimmt.306 Eine juristisch derart unsichere Situation für die Erwerber gestaltete Interesse und Preise.307 Diese Episode von 1950 zeigt, dass die Unsicherheit in Bezug auf den Umfang der Rechteübertragung eines der grundlegenden Probleme darstellt und entsprechend auch eine Überblicksdarstellung hier nur mit Einzelmaterial eher beispielhaft argumentieren kann. Mit dem Umfang der Rechteübertragung korrespondierte auch der Gewinn für das Unternehmen. Die Rechte wurden vor allem von der AG Filmstoffverwaltung (und damit der Ufi-Filmvertriebs GmbH) und der Transit Film GmbH (Verbotsfilme- und Tobis-Filmstock)308 vermittelt. 1958 waren die Remakerechte wieder unter dem Ufa-Konzerndach vereint.309 Ab diesem Jahr übernahm der Ufa-Filmverleih auch die Auswertung zahlreicher Remakes sowie die alleinige Auswertung von Remakes – allerdings nicht durch die ausgehandelten Verträge, sondern durch die Übernahme des Herzog-Filmverleihs.310 Selbst wertete der Ufa-Filmverleih etwa Peter Voss, der Millionendieb, die österreichische Neuverfilmung Man müsste nochmal 20 sein (1958/ 1943 Altes Herz wird wieder jung) und Schlag auf Schlag (1959/ 1939 Das Paradies der Junggesellen) aus. Die Angaben aus den Aufstellungen und die drei relativ schmalen Akten zu Remakeverkäufen311 können durch die Vermerke des Geschäftsführers der UfiFilmvertrieb GmbH, Willy Söhnel, ergänzt und konkretisiert werden. Sie gewähren auch Einblick in die Geschäftspraxis bei den Verhandlungen. Der Jurist, Dr. Willy Söhnel, vertrat im Zweiten Weltkrieg das Reichspropagandaministerium in Prag bezüglich Theater- und Filmfragen als Leiter der böhmisch-mährischen Filmzentrale.312 306 307 308 309 310

ULC-Memo Nr. 50, 101 am 28. 11. 1950, BArch R 109 I/2181, o. S. Vgl. Hauser 1989, S. 322ff. Vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 174. Vgl. I. 3.4 Ufi-Liquidation, S. 87–92. Um eine Nasenlänge (1949), Meine Nichte Susanne (1950), Schwarzwaldmädel (1950), Wenn eine Frau liebt (1950), Der schweigende Mund (1951), Saison in Salzburg (1952), Briefträger Müller (1953), Maske in Blau (1953), Emil und die Detektive (1954), Mädchenjahre einer Königin (1954), Der Zigeunerbaron (1954), Die Deutschmeister (1955), Die Drei von der Tankstelle (1955), Dunja (1955). 311 BArch R 109 I/920, 921 und 922. 312 Söhnel, der ab dem 1. 1. 1956 die Geschäftsführung der mit der Transit-GmbH fusionierten

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4.2.1 Entwicklung der Verkäufe von Remakerechten Die folgende Aufstellung ermöglicht einen ersten Überblick über die Verkäufe. In diese Auflistung aufgenommen wurden in erster Linie Filme, die auch für das Korpus der Arbeit relevant sind und tatsächlich noch einmal verfilmt wurden.313 Titel

Käufer

Vertrag vom Entgelt

Waldwinter

ApolloFilmProduktion

15. 8. 1953

25.000 DM 25.000 DM

Heideschulmeister Uwe Karsten Emil und die Detektive Die sieben Kleider der Katrin Königswalzer

Neue FilmverleihGmbH Berolina

29. 6. 1954

24.000 DM 24.000 DM

23.4./ 18. 6. 1954 23.2/ 15. 10. 1953

18.000 DM 18.000 DM314

Stoffrechte, Drehbuchrechte, BearbeiterUrheberrechte ab 1. 1. 1965 wieder im Besitz der UFA k.A.

10.000 DM 10.000 DM

unbeschränkt

NFFilmverleihGmbH

30. 06. 1955

15.000 DM 2.000 DM (Option)

NFFilmverleihGmbH

6./ 26. 1. 1955

2.500 DM

Stoffrechte, Drehbuchrechte, BearbeiterUrheberrechte BearbeiterUrheberrechte

Der Mustergatte

HD-Film

Zahlung

RechteÜbertragungen

Ufi-Filmvertrieb GmbH übernahm, leitete zuvor die Auslandsabteilung der Transit Film GmbH. Im Zuge des Verkaufs der AG für Filmverwaltung 1958 ist es Söhnel, auf den man sich als Bevollmächtigter für den Filmstock einigt, denn seiner Arbeit und der Goslars als Geschäftsführer der Transit »ist es zu verdanken, dass den erheblichen Erträgen, die erzielt wurden, ein Minimum an Prozessen gegenübersteht«, Vermerk vom 8. 4. 1958 Bestellung eines Bevollmächtigten des ehemals reichseigenen Filmvermögens im Zusammenhang mit den Verkaufsverträgen zur Reprivatisierung dieses Filmstocks, BArch R 109 I/3417. 1909 geboren, war er als Filmjurist bis 1939 Syndikus der böhmisch mährischen Filmproduktion Prag, 1940–45 Leiter der böhmisch mährischen Filmzentrale Prag, 1942–45 Leiter der internationalen Filmkammer, 1947–48 Vertreter im Österreichischen Verband der Filmschaffenden und bis 1950 freischaffend, bevor er »von den Russen verschleppt wurde«, BArch R 109 I/4665, o. S. Vgl. auch von Cziffra 1988, S. 113. 313 Es finden sich etwa auch der Verkauf der Bearbeiter-Urheberrechte von Die glückliche Reise (1938 Nacht der Entscheidung), der nicht wiederverfilmt wurde, vgl. BArch R 109 I/921, Bl. 594; Ulrich 1998, S. 145f. 314 Laut Vertrag vom 18. 6. 1954 Verkauf der Bearbeiter-Urheberrechte für 4.000 DM »in Anbetracht der Tatsache, dass wir Ihnen weder ein Drehbuch noch eine Kopie des alten Films zur Verfügung stellen können«, BArch R 109 I/3441, o. S.

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Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren

(Fortsetzung) Titel

Käufer

Vertrag vom Entgelt

7./ 13. 02. Der kleine Erich 1955 Grenzverkehr Kästner, Kurt Hoffmann Der Schritt W. vom Wege Utermann, Der blaue Pommer Engel Ferien vom Gloria 6./ 27. 5. Ich 1953 Tabelle 4: Ausgewählte Rechteverkäufe315

15.000 DM

RechteÜbertragungen Stoffrechte, Drehbuchrechte, BearbeiterUrheberrechte k.A.

110.000 $

Option

30.000 DM

BearbeiterUrheberrechte

20.000 DM

Zahlung

Deutlich wird hier, dass die Summen der frühen Remakeverkäufe durchaus nennenswert waren, wenn man bedenkt, dass diese Filme alle bereits gewinnbringend von der Ufi und ihren Tochtergesellschaften zum Teil noch nach 1945 ausgewertet worden waren. Da es es sich hier aber um eine interne Aufstellung handelt, fehlen Angaben, ob diese Beträge tatsächlich gezahlt wurden. Es zeigt sich aber, dass Bearbeiter-Urheberrechte sowohl von Produktions- als auch von Verleihfirmen erworben wurden. Für die international bekannten Filme der Ufa wurden bereits in den frühen 1950er Jahren beachtenswerte Summen geboten. Dabei bestand für die Ufi i. L. und ihre Gesellschaften stets die Option, auch die Wiederverfilmungsrechte zeitlich und örtlich beschränkt und dadurch mehrmalig zu veräußern. Die erzielten Gewinne waren vor allem Ergebnis der Verhandlungen von Filmjuristen mit Autoren und Produzenten. Das und die Vielzahl möglicher zu veräußernder Rechte erklären auch die unterschiedlichen Bewertungen für Rechte in obenstehender Tabelle. 4.2.2 Exemplarisch: Die Causa Kästner Exemplarisch lässt sich am Fall von Erich Kästners Der kleine Grenzverkehr aufzeigen, wie die Verhandlungen verliefen. Kästner – prominenter Autor des frühen Tonfilms, im Nationalsozialismus verboten und unter Pseudonym doch beschäftigt, etwa mit dem Drehbuch des Ufa-Jubiläumsfilms Münchhausen (1942/43) – stand in nicht enden wollenden Verhandlungen mit dem Unternehmen, die selten zu seinem Vorteil gereichten. Noch 1959 verhandelte Willy Söhnel mit Kästner um die englischsprachigen 315 Auszug aus der Aufstellung der Remakeverkäufe vom 24. 02. 1955, BArch R 109 I/921, Bl. 594–595 mit Ergänzungen um Rechteübertragungen bei vorliegenden Verträgen, BArch R 109 I/3441, o. S.

104

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Rechte von Emil und die Detektive. Der Autor war »nach mehrstündiger Verhandlung« am Verkauf mit 50 Prozent beteiligt. Söhnel schätzte diese Einigung deswegen als »günstig [ein], weil im Zweifel die Rechte und insbesondere die Remakerechte, um die es hier geht, dem Autor zustehen und die Beweislast daher uns vollkommen zufiele«.316 Ohne Aktenbestand waren diese aber nicht nachweisbar. Diese Verhandlungen waren Ausläufer eines allgemeinen Remakerechtekaufs – wie aus der Tabelle ersichtlich wird – für eine stattliche Summe von 20.000 DM, die der Autor gemeinsam mit dem Regisseur Kurt Hoffmann für die Rechte an Der kleine Grenzverkehr (1943) zahlen sollte. In der ersten Verfilmung seines Romans Der kleine Grenzverkehr oder Georg und die Zwischenfälle (1938) wird Kästner weder als Autor der Vorlage noch als Drehbuchautor namentlich im Vorspann erwähnt.317 Der Preis für die Rechte von Der kleine Grenzverkehr erscheint umso horrender, wenn man bedenkt, dass zur gleichen Zeit innerhalb der Ufi i.L. die Diskussion um den Rückfall der Weltverfilmungsrechte an die Autoren nach zehn oder zwölf Jahren durch die 1943 veränderten Standardverträge geführt wurde. Demnach wären die Weltverfilmungsrechte wieder beim Autor und lediglich die Bearbeiter-Urheberrechte hätten erworben werden müssen. Dass Der kleine Grenzverkehr zu den international vermarktbaren Spitzenproduktionen gehören könnte, ist wohl kein Gegenargument. Willy Söhnel war in diesem Fall ein äußerst erfolgreicher Verhandlungsvertreter. Als 1958 der Transit-Filmvertrieb GmbH aufgelöst bzw. übergeben wurde, waren diese Erfolge Söhnels wichtiges Kriterium seiner Berufung zum »Bevollmächtigten für den Filmstock des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens«.318

316 Reisebericht Söhnel nach München und Wien vom 14. 05. 1959, BArch R 109 I/1867, o. S. Die Verhandlung über Emil und die Detektive geht 1960 in eine neue Runde, als Kästner selbst die Weltverfilmungsrechte neu verkaufen will und seine schnelle Einigung vor allem den Grund hatte, dass die Berolina Kästner den Drehbuchauftrag für das Remake in Aussicht gestellt hatte, das nicht realisiert wurde. Es geht nun um die Aushandlung eines Vergleichs mit einer 50–50-Beteiligung, vgl. Vermerk vom 2. 3. 1960, BArch R 109 I/915 o. S. 317 Vertrag vom 7./13. 2. 1955, BArch R 109 I/4660 o. S., vgl. die Fassung des Films im BA/FA bzw. die Zensurkarte des Films vom 1. 4. 1943, Prüfnummer 58824. 318 Der Vermerk vom 8. 4. 1958 gibt Auskunft über die Einigung auf Söhnel vor allem vor der Kulisse drohender juristischer Auseinandersetzungen. Ihn qualifizierten nicht nur seine politische Entlastung, obwohl »er in exponierter Stellung in Prag für die deutsche Filmwirtschaft tätig war und nach dem Krieg in Prag inhaftiert wurde, kann er urkundlich, u. a. durch Bescheid des Generalstaatsanwalts in Prag, nachweisen, dass gegen ihn aus seiner früheren Tätigkeit nicht die geringsten Vorwürfe erhoben werden«, sondern auch seine persönlichen Beziehungen zu Filmschaffenden und Filmverwertenden sowie seine erzielten außergerichtlichen Vergleiche: »Hier sind unter vielen anderen vielleicht die Komplexe ›Blauer Engel‹ (Fox Film, Pommer, Berolina), Veit Harlan, Union-Film/München zu erwähnen«, BArch R 109 I/3417, o. S.

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Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren

4.2.3 Höhepunkt und Abflauen des Verkaufs von Remakerechten Bereits in den ersten Jahren nach der Währungsreform zeigte sich, trotz solcher Rückschläge wie der Filmstoffversteigerung unter alliierter Kontrolle, dass Stoffrechte durchaus lukrativ veräußert werden konnten. Mit der allmählichen Konzentration des deutschen Verleihmarkts stabilisierten sich zudem die Preise. 1955 waren sie bei durchschnittlich etwa 4.000 DM für Bearbeiter-Urheberrechte: Titel

Käufer

Oberwachtmeister Schwenke

Algefa-Film 28. 4. 1955 GmbH

Der Meineidbauer

Franz Seitz

14. 11. 1955

Emil und die Detektive

Berolina

18. 6. 1954

Sophienlund

Neue 19. 1. 1956 FilmverleihGmbH Neue 30. 6. 1955 FilmverleihGmbH

Königswalzer

Vertrag vom Entgelt

Tabelle 5: Einzelverträge Rechteübertragungen319

Rechteerwerb

4.000 DM

Bearbeiter-UrheberRechte, ohne Musikrechte 5.000 DM Bearbeiter-UrheberRechte, ohne Musikrechte 4.000 DM Bearbeiter-UrheberRechte, ohne Musikrechte 4.000 DM Bearbeiter-UrheberRechte, ohne Musikrechte 15.000 DM Stoffrechte, Drehbuchrechte und Bearbeiter-UrheberRechte

Mit der Nachfrage von Remakeverkäufen und Drittbeteiligungsansprüchen und der Re-Verflechtung der Ufi begann 1955 auch die Intensivierung der Recherchen über nachweisbare Filmrechte im Konzern. Sortiert nach den Produktionsfirmen der Ufi-alt, wurde die sogenannte »Gärtner-Liste« 1955 vom Namensgeber für den Filmvertrieb erstellt.320 In die gleiche Zeit fielen auch die erwähnten Diskussionen mit dem Wiener BohHme-Verlag, ebenso wie die garantierte Gewinnbeteiligung für die Verfilmungsrechte von Der Postmeister an die österreichische Sascha-Film-Produktion. Die Rechte an der PuschkinNovelle lagen zeitlich und örtlich unbeschränkt bei der Wien-Film, obgleich nach einem internen Vermerk fraglich war, ob auf der Seite der Deutschen überhaupt Ansprüche bestanden.321 319 Einzelverträge, BArch R 109 I/ 3441, o. S. 320 Aufstellung der Stoffrechte folgender ehemaliger staatsmittelbarer Filmfirmen; Universum Filmkunst A.G., Terra-Filmkunst-G.M.B.H., Tobis-Filmkunst-G.M.B.H., BerlinFilm- G.M.B.H., Bavaria – G.M.B.H. von der Ufa-Filmkunst (Herr Gärtner) vom 22. 6. 1955, BArch R 109 I/920, Bl. 2–89. 321 Im Aktenvermerk werden 1955 die Optionen der Ufi trotz offener Frage infolge der Trennung Deutschland und Österreich nach 1945 für das Urheberrecht diskutiert: 1. die For-

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Gegen Ende der 1950er Jahre geht die westdeutsche Remakeproduktion zurück. Das spiegeln auch die Vermerke und verstärkten Verkaufsbemühungen des Konzerns.322 Noch 1959 wird firmenintern auf die Intensivierung des Verkaufs von Remakerechten gedrängt und die Erstellung von Prospekten mit Filmstoffen in der Dramaturgischen Abteilung angeregt.323 Auffällig erscheint bei der Sichtung der Verhandlungen im Ufa-Ufi-Aktenbestand, dass im Vergleich zur Anzahl der ermittelten Remakes relativ wenige Verkaufsverträge zu finden sind. Diese Tatsache korrespondiert auch mit den Prozessen, die nicht nur um – rechtmäßige oder unrechtmäßige – Remakes in der Zeit geführt wurden. Ebenso wurden durch das Unternehmen Prozesse angestrengt, die vermuten lassen, dass nicht sämtliche Remakes auf Basis einer Übertragung der Bearbeiter-Urheberrechte gedreht wurden.

4.3

Remakes im Netzwerk der Rechteinhaber

Wie in den theoretischen Grundlagen erläutert, beinhaltet das Urheberrecht drei besondere Wesensmerkmale: Erstens wirkt es gegen jeden Dritten, zweitens kennt das Urheberrecht keinen gutgläubigen Rechteerwerb und drittens genügt die objektive Rechtswidrigkeit.324 So war die Situation kleinerer Produktionsfirmen gegenüber dem großen Unternehmen entsprechend schwach. Mit der zunehmenden Konzentration vor allem des Verleihsektors, der auch in die Filmproduktion eingriff, änderte sich Mitte der 1950er Jahre diese Situation partiell. Das zeigt sich auch in den Gerichtsprozessen, die geführt wurden. Es war strategisch durchaus auch möglich, die schlechte Aktenlage des UfiKonzerns i.L. zu nutzen. Diese Vorgehensweise zeigen exemplarisch die Remakes von den Eichbergs-Filmen Der Tiger von Eschnapur (1937/38) und Das indische Grabmal (1937/38). Produziert wurden sie von Artur Brauners Central Cinema Company (CCC), Regie führte Fritz Lang. Bereits im Laufe der cierung der Auswertung des alten Films im In- und Ausland, 2. die eigene Neuverfilmung des freien Stoffes, 3. Geltendmachung eines Einspruches gegen Neuverfilmung unter Benutzung des alten Filmwerks, BArch R 109 I/ 922, Bl. 537–538. Schließlich verzichtete die Ufi mit Vertrag vom 22. 6. 1955 im Zuge der Neuverfilmung auf ihre Auswertungsrechte in Deutschland gegen 10 % Beteiligung am Produzentengewinn mit der Garantiesumme von 50.000 DM, BArch R 109 I/3441, o. S. und BArch R 109 I/ 2718, o. S. 322 Vgl. u. a. »Filmstoffverkäufe: Herr Dannehl berichtet über unsere bisherigen Bemühungen, Stoffverkäufe zu tätigen, insbesondere darüber, dass angesichts der gegenwärtigen Lage in der Filmindustrie die Durchführung derartiger Verkäufe sehr erschwert sei«, Protokoll Nr. 32 über die Besprechung mit den Liquidatoren vom 6./7. 2. 1957, BArch R 109 I/ 2804, o. S. 323 Vermerk Dr. Söhnel über Verhandlung mit der Universum-Film AG vom 20. 1. 1959, BArch R 109 I/ 1867, o. S. 324 Roeber 1957, S. 3.

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Vorarbeiten für die Filme wurde vom Filmjuristen Söhnel die Rechtesituation für das Unternehmen geprüft. Er stellte fest, dass der Konzern »nur Verleihrechte und keine Produzentenrechte« besaß.325 Brauner hatte sich im Laufe der Dreharbeiten an die Ufi gewandt, mit der Bitte »um eine Erklärung, dass wir [die UfaFilm GmbH i.L., S.M.F.] mit der Wiederverfilmung einverstanden sind.« Als er keine Antwort erhielt, ließ die CCC die Angelegenheit ohne weitere Nachfragen in der Schwebe.326 Söhnel prüfte 1959 die Möglichkeit einer Klage erneut, ohne dass diese erhoben werden konnte. Im Vorspann beider Filme wird darauf verwiesen, dass sie »nach der Original-Idee von Thea von Harbou und dem Welterfolg von Richard Eichberg« gedreht wurden. Anders entwickelte sich die Auseinandersetzung der CCC um Das Bad auf der Tenne (1955/56). Sie zeigt beispielhaft, in welchen Interessendschungel Filmproduzenten trotz Übertragung der Verfilmungsrechte geraten konnten.

4.3.1 Produzent zwischen Rechteinhabern: DAS BAD AUF DER TENNE Das Bad auf der Tenne entstand 1943 nach einer Idee von Rolf Meyer; das Drehbuch schrieben Meyer, Herbert Tjadens sowie der Regisseur des Farbfilms, Volker von Collande.327 Die Konstellation der Wiederverfilmung ist folgende: Die CCC beabsichtigte eine Wiederverfilmung und kaufte von Rolf Meyer laut Vertrag vom 19. April 1955 die Rechte am Buch für zehn Jahre. Meyer hatte zuvor mit dem Ufi-Filmvertrieb vom 7. Februar 1955 die Übertragung der Rechte vereinbart. Bei Veräußerung der Rechte war der Ufi-Filmvertrieb zu 50 % mit einer Garantiesumme von 10.000 DM beteiligt.328 Mit Vertrag vom 8. Oktober 1954 wiederum hatte der Kaufmann Walter Knoop dem Produzenten Meyer – nach dem Konkurs seiner Jungen Film-Union 1952329 – ein Darlehen über 20.000 DM gegeben, dessen Sicherheit die Urheber- und Verfilmungsrechte an Das Bad auf der Tenne waren.330 Es standen sich hier vollkommen unterschiedliche Darstellungen gegenüber, bei denen vor allem auch die Rechtekomplexe von Stoff und Drehbuch

325 Vermerk vom 5. 6. 1957, BArch R 109 I/1867, o. S. 326 Vgl. Vermerk vom 29. 6. 1959, BArch R 109 I/1867, o. S. 327 Meyer verkaufte laut Vertrag vom 3. 11. 1941 die Verfilmungsrechte für 10.000 RM und erhielt laut Vertrag vom 5. 11. 1941 18.000 RM für das Drehbuch, das unter Mitarbeit von Tjadens und Collande entstand, BArch R 109 I/942, Bl. 110. 328 Aktennotiz Dr. Gärtner, Ufi-Filmvertrieb vom 30.1.56, BArch R 109 I/942, Bl. 110–118. 329 Nach dem Konkurs sorgen Meyers Geschäfte für allerlei Presseaufregung, vgl. u. a. »Rolf Meyer in der Heilanstalt – auf richterlichen Beschluss«, in: FP, Nr. 32, 9. 8. 1956, 8. Jg., S. 3. 330 Aktenvermerk vom 12. 2. 1957: Betreff Ufi-Filmvertrieb gegen Meyer/CCC, Parallelanspruch Knoop gegen Meyer/CCC, Zusammenfassung der von Dr. Wiedemann vorgelegten Unterlagen, BArch R 109 I/942, Bl. 40.

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zentral waren.331 Knoop strengte einen Prozess gegen Rolf Meyer und die CCC an, in dem er sich gemeinsam mit dem Autor Tjaden einerseits die Urheberrechte sichern wollte und darüber hinaus in der Berufung vom 21. September 1956 sogar Schadensersatzansprüche an die CCC in Höhe von 20.000 DM geltend machte. Das Landgericht Hamburg lehnte die Klage in seinem Teilurteil vom 9. Mai 1956 ab.332 Das Verfahren kreiste letztlich vor allem um die Frage nach der Miturheberschaft und schaffte es bis vor den Bundesgerichtshof, der in seinem Urteil vom 26. September 1958 auf die Revisionsklage hin das Urteil aufhob: Solange sich der Mitverfasser des Filmstoffs der »Übertragung seines Anteiles auf den fraglichen Filmproduzenten ausdrücklich widersetzt«, kann dieser nicht das volle Urheberrecht erwerben.333 Rolf Meyer aber zahlte auch nach Uraufführung des Films am 26. Januar 1956 im Apollo-Theater in Düsseldorf nicht. Vielmehr beklagte er in seiner Korrespondenz mit der Rechtsabteilung, dass »die Art, wie er von Herrn Brauner, CCC, behandelt wurde und nur das gerade zum Leben Notwendigste erhalte, […] ihn noch nicht in die Lage [versetze]« zu zahlen. Erneut bat er den UfiFilmvertrieb um Ermäßigung der Forderung.334 Der Ufi-Filmvertrieb mahnte in bis 1957 andauernder Korrespondenz bei der CCC den Erwerb der Bearbeiter-Urheberrechte an.335 Wieder war es Willy Söhnel, der auf seinen Berlin-Reisen mit der CCC verhandelte und auch mit Klageerhebung drohte.336 Er hatte im Juristen der Berliner Filmfirma, Heinz Herlitz, einen ebenbürtigen Verhandlungspartner. Die CCC antwortete auf das Schreiben der Ufa-Film GmbH vom 1. September 1958: »Herr Dr. hat damals nichts weiter erklärt, als dass der von Herrn Dr. Söhnel geforderte Betrag (DM 15.000) überhaupt nicht in Frage käme, sondern, wenn überhaupt, so nur ein Betrag in der Grössenordnung von etwa DM 2000 bis 3000.«. Am 27. November 1958 nahm die CCC den Vergleichsvorschlag an und übersandte einen Verrechnungsscheck.337

331 Ein launiger Überblick über das »Urheberrechtskuddelmuddel« findet sich im Film-Telegramm: »Meine Idee, deine Idee…«, in: FTG, Nr. 4, 1956, 4. Jg., S. 4–5. 332 Abschrift Berufungsanträge und Berufungsbegründung: BArch R 109 I/942, Bl. 142–57; Teilurteil des Landgerichts Hamburg, verkündet am 9. 5. 1956, BArch R 109 I/942, Bl. 162– 176. 333 Krüger-Nieland 1960, S. 154, »Urteil vom 26. 09. 1958«, in: UFITA Bd. 27, 1959, S. 50. 334 Aktennotiz Dr. Gärtner, Ufi-Filmvertrieb vom 30.1.56, BArch R 109 I/942, Bl. 111–114. 335 Nach einem Drehbuchvergleich im Herbst 1956 mahnte die Ufi, dass die CCC die Drehbuchrechte gesondert hätte erwerben müssen und erhebt Plagiatsvorwürfe, vgl. Schreiben an die CCC vom 28. 11. 1956, BArch R 109 I/942, Bl. 60–63. Die CCC bestritt diese mit Hinweis auf ihren Rechteerwerb, vgl. u. a. Schreiben der CCC an die Ufa-Film GmbH i.L. vom 10. 12. 1956, BArch R 109 I/942, Bl. 56. 336 Vermerk vom 13. 03. 1957, BArch R 109 I/1867, o. S. 337 Korrespondenz, BArch R 109 I/942, Bl. 7–14.

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4.3.2 Autorenrechte: Streitfall PETER VOSS Einen gänzlich anderen Aspekt der Filmstoffgeschichtsschreibung wirft die Auseinandersetzung um die Verfilmungen von Peter Voss, der Millionendieb auf. Der Autor Ewald Gerhard Seeliger hatte 1930 die Weltverfilmungsrechte an seinem gleichnamigen Erfolgsroman zeitlich auf zehn Jahre beschränkt an die HISA-Film-Produktion für 21.000 RM verkauft. Diese übertrug die Rechte an die Emelka-Film (Münchener Lichtspielkunst).338 Nach einem frühen Stummfilm (Der Mann ohne Namen – eine abenteuerliche Angelegenheit in sechs Teilen 1920/21, Georg Jacoby) entstand 1932 der erste Tonfilm unter der Regie von Ewald Andr8 Dupont.339 Die Rechte fielen laut Seeliger an ihn zurück. 1943 begannen erneut Dreharbeiten, die nach Kriegsende abgeschlossen wurden.340 Die Klärung der Stoffrechte war Inhalt der Auseinandersetzung, nicht nur zwischen dem ULC sowie der Ufa-Film GmbH i.L. und Seeliger, sondern auch noch mit dem Produzenten F.A. Mainz sowohl vor ordentlichen Gerichten als auch vor der Wiedergutmachungsbehörde zwischen 1948 und 1955. Am 23. April 1949 meldete der Autor Seeliger erstmalig beim Zentralmeldeamt Bad Nauheim, dass die Tobis-Verfilmung von Peter Voss, deren Uraufführung er der Fachpresse entnommen hatte, unrechtmäßig erfolgt war. Aufgrund einer verstrichenen Frist aber wies das Amt den Antrag ab. Das Wiedergutmachungsgericht des Landgerichts Düsseldorf verwies im Rückerstattungsverfahren 1951 auf die Klärung durch ein ordentliches Gericht.341 Die Ufa-Film GmbH i.L. mit ihrem Rechtsanwalt, Dr. Bruno Pfennig,342 stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass die Rechteübertragung durch eine Zusatzvereinbarung aus dem Jahre 1930 von der HISA- an die Emelka-Film zeitlich unbeschränkt erfolgt war und die mehrmalige Verfilmung einschloss. Mit dieser Behauptung begründete

338 Abschrift der Klagebegründung Walter Wildes vom 13. 5. 1952 Dr. med. Bernd Marlinger gegen ULC, BArch R 109 I/411a, o. S. 339 E. A. Dupont dreht 1932 die Abenteuergeschichte mit Willi Forst als Peter Voss, Alice Treff als Polly und Paul Hörbiger als Detektiv Bobby, die mit langen, grotesken Slapstickszenen und wenigen Dialogen noch stark dem Stummfilm verhaftet scheint. 340 Die Dreharbeiten zu Peter Voss, Millionendieb begannen bereits im September 1943, fertiggestellt wurde der Film nach Kriegsende 1945 von der DEFA und ab 1946 von Sovexport in der SBZ ausgewertet, Theuerkauf 1998, S. 223. Ab 1949 lief der Film im französischen Sektor von West-Berlin, ab 1950 in weiteren Teilen, ab 1953 schließlich auf dem gesamten Gebiet der BRD, Klaus 2002, S. 203, BArch R 109 I/411a, o. S. 341 Vgl. Abschluss des Beschlusses der Wiedergutmachungsbehörde vom 16. 8. 1951 im Streitfall Seeliger gegen Bavaria und Tobis-Filmproduktion, BArch R 109 I/911, Bl. 70–72. Das Rückerstattungsverfahren lief unter dem Aktenzeichen RÜ 5/51, RÜ Sp. 180/51, BArch R 109 I/411a, o. S. 342 Im Verlauf der juristischen Auseinandersetzungen vertraten die Rechtsanwälte Dr. Manger (Urteil vom 24. 9. 1953) und Dr. Carl (Berufungsklage) das ULC bzw. die Ufa-Film GmbH i.L.

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auch der Filmproduzent F. A. Mainz seine Forderungen an dem Voss-Stoff.343 1940 war es zu Verhandlungen der Tobis mit Seeliger gekommen, der an der Drehbuchherstellung mitwirken sollte. Mainz war in den 1930er Jahren Liquidator der Bavaria und will in diesem Zuge Stoffrechte übertragen bekommen haben, die er nun geltend machte.344 Seeliger bestritt laut vereidigter Zeugenaussage im Prozess sein Einverständnis mit der Verfilmung. Nachgewiesenermaßen hatte er eine Zahlung von 500 Reichsmark erhalten. Durch den Ausschluss Seeligers aus der Reichsschrifttumskammer aus politischen Gründen und wegen der Ehe mit einer nach den Nürnberger Rassegesetzen »Volljüdin« war er seinerzeit nicht in der Lage gewesen, seine Forderungen zu verfolgen. Diese Auseinandersetzung zwischen dem Autor und dem ULC bzw. der Filmgesellschaft war nicht nur vom harten Ton der Konzernvertreter geprägt, sondern auch von Zynismus mit antisemitischen Untertönen. Pfennig etwa schrieb an seinen befreundeten Kollegen Dr. Carl nach dem ersten Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. September 1953: Auch wenn die Aussichten einer Revision nur dahin gingen, eine Zurückverweisung zu erreichen, werde ich für deren Einlegung eintreten; denn bei seinem hohen Alter wird der Autor, der ja aus seinem Buch nochmals einen nach unserer Meinung ungerechten Mammon ziehen möchte, vergleichsbereit werden, zumal er ja im Ufa-Falle auch noch um die Höhe seines Schadens kämpfen muss.345

Der Ton und die Wortwahl spiegeln auch die Vernetzungen auf dieser Ebene der ehemaligen reichseigenen Filmgesellschaft und die damit zusammenhängende Verankerung im Nationalsozialismus. Pfennig war 1930 bereits Jurist bei der Ufa gewesen, 1931 ausgeschieden. 1933 wechselte er zur Reichsfilmkammer. 1937 wurde Pfennig im Ufa-Aufsichtsrat eingesetzt, 1939 in Prag, 1941 als Geschäftsführer der Reichsfilmkammer.346 Bärbel Schrader recherchierte zahlreiche Überprüfungen Pfennigs gegen »nicht arische« Filmschaffende und kommt zu dem Urteil, Pfennig war einer »der ehrgeizigsten und besonders beflissenen Schreibtischtäter in der Filmkammer«.347 Max Winkler beschäftigte ihn in der HTO. 1942 war Pfennig Vorsitzender in der Geschäftsführung der Ufa-Film 343 Vgl. Akte Ansprüche F. A. Mainz gegen Treuhandverwaltung der Ufa-Film, BArch R 109 I/ 2611, o. S. 344 Brief von Friedrich A. Mainz vom 10. 3. 1950 an die Treuhandverwaltung der UFA Film AG, BArch R 109 I/2611, o. S. In einem Schreiben bestätigte K.J. Fritzsche als ehemaliger Emelka-Syndikus die Übergabe einer Liste »für welche die TOBIS gemäss dem Vertrage mit Mainz dem Vertrage mit Mainz die Urheber- und Film-Rechte erworben hatte, nicht nur die alten Kopien auszunutzen, sondern auch die Stoffe neu zu verfilmen«, Schreiben K.J. Fritzsche an die Treuhandverwaltung der Ufa Film GmbH vom 17. 1. 1950, BArch R 109 I/ 412c, o. S. 345 Schreiben Dr. Bruno Pfennig an Dr. Carl vom 18. 10. 1954, BArch R 109 I/411a, o. S. 346 Spiker 1975, S. 298, Schrader 2008, S. 106. 347 Schrader 2008, S. 108.

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GmbH, stellvertretender Generaldirektor der Ufa AG348 und Geschäftsführer der Cautio GmbH. Wegen Lebensmittelverschiebungen im Protektorat wurde im gleichen Jahr gegen ihn ermittelt und er musste auf Drängen Goebbels’ 1944 aus dem Ufi-Konzern ausscheiden und arbeitete nun hauptamtlich für die HTO.349 Dass Pfennig nach 1945 an seine Arbeit im Bereich des Filmrechts anknüpfen konnte, hing sicher auch mit dem Fehlen ausgewiesener Filmjuristen zusammen.350 Belegt ist das Vergessen eindrucksvoll im Nachruf in Film und Recht 1962, in dem es nur noch heißt: »Er war beruflich im Ufa-Bereich herangewachsen und – über mancherlei Zwischenstationen – Leiter der UFI-Konzernspitze geworden.«351 Die schlechte Aktenlage machte es im Prozess unabdingbar, Zeugenaussagen nach Glaubwürdigkeit zu bewerten. Auch hier werden die anhaltenden personellen Vernetzungen sichtbar. Dem Autor Seeliger und seinem Rechtsanwalt, Dr. Walter Wilde, standen gegenüber : F.A. Mainz (Filmproduzent und Liquidator der Bavaria), Wilhelm Kilchert (ehemaliger Emelka-Syndikus), Paul Lehmann (Tobis-Generaldirektor 1937 bis 1942), Karl Julius Fritzsche (Produzent und Nachfolger Lehmanns ab 1942)352 sowie Hermann Schwerin (ehemals Treuhänder und Sachverwalter der Bavaria-Film AG). Im Berufungsverfahren ging es vor allem um einen Zusatzvertrag, der die mehrmalige Verfilmungsmöglichkeit festschrieb. Schwerin behauptete seine Existenz 1954, ohne diese belegen zu können.353 Der Filmjurist Schwerin war mit Mainz befreundet. Vehement bestritt Seeliger die Existenz einer solchen Vereinbarung. Die Richter kamen in ihrer Urteilsverkündung vom 4. Februar 1955 zu der Einschätzung, dass sie den Ausführungen Seeligers glaubten. Sie bestätigten damit das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. September 1953, das 348 Vgl. Becker 1973, S. 144f. 349 Vgl. Spiker 1975, S. 298 sowie die Akten BArch R 109 I/1554, o. S. (Auseinandersetzung Pfennigs wegen Pensionsansprüchen mit dem Ufi-Abwicklungsausschuss) und BArch R 109 I, 2890, o. S. (Ufa-Akte Pfennig). 350 Auch Dr. Georg Roeber, dessen Publikationen für die filmwirtschaftliche und -juristische Diskussion nach 1945 grundlegend sind, arbeitete zuvor als Jurist in der Filmkammer und leitete die Fachgruppe Filmateliers. Ab 1942 Jurist bei der Bavaria war er »als einziger höherer RFK-Mitarbeiter kein Parteimitglied«, Becker 1973, S. 109. 351 Vgl. »Bruno Pfennig verstorben«, in: Film und Recht, Nr. 11, 1962, 6. Jg., S. 19. 352 Vgl. Spiker 1975, S. 292 und 296. Fritzsche hatte 1948 die Deutsche London-Filmverleih GmbH gegründet, 1952 gründete er die Magna-Film, vgl. Weniger 2001, Bd. 3, S. 120. 353 »Der Zeuge [Dr. Hermann Schwerin, S.M.F.] hat in den damals noch vorhanden gewesenen Akten eine Erklärung des Herrn Seeliger vorgefunden, wonach diese Befugnisse [»zur beliebig oftmaligen Ausübung der Weiterübertragung«] der Bavaria-Film AG gegen Zahlung von 2.500 RM ausdrücklich abgetreten wurden. Dr. Schwerin erinnert sich dieses Vorganges deshalb genau, weil bei der Verwertung von Rechten am alten Bavaria-Filmstock sich kurz zuvor mit einem Ostermayer-Film [sic] eine Panne ergeben hatte, welche dazu führte, dass Schadensersatz geleistet werden musste«, Schreiben Dr. Carl vom 2. 11. 1954, BArch R 109 I/411a, o. S.

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richtungsweisend für die Autorenrechte bei Wiederverfilmungen wurde.354 Ihre Begründung betont die Sinnlosigkeit von erneuten Verhandlungen der Tobis mit dem Autor 1940, wenn tatsächlich ein unbeschränktes Verfilmungsrecht am Roman vorgelegen hätte. Auch der Zeuge, Rechtsanwalt Kilchert, hatte sich in Widersprüche verwickelt. Schwerins Aussage war ebenso ungenau.355 Die Berufungsklage des ULC und der Ufa-Film GmbH i.L. wurde kostenpflichtig abgelehnt und Seeliger bekam mit der Urteilsverkündung 10.000 DM Vergütung für die Auswertung des Films nach 1951 zugesprochen.356 Die Liquidatoren beließen es nicht dabei: Philipp Möhring, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, wurde beauftragt, die Chancen einer Revision zu bewerten. Doch er konnte – in seinem Gutachten vom 2. April 1955 – »die Durchführung einer Revision nicht anraten«.357 Gleichzeitig verhandelte der Anwalt des Autors, Wilde, weiter mit der Ufa-Film GmbH i.L.: In dem Rechtsstreit ist lediglich ein Teilanspruch von DM 10.000 geltend gemacht worden. Der Schaden beträgt jedoch mindestens DM 21.000, weil zu diesem Betrag die Verfilmungsrechte für die Erstverfilmung veräussert worden sind. Inzwischen liegen Angebote für die vierte Verfilmung in Höhe von DM 35.000 vor. Es ist daher nicht nur der entgangene Gewinn zu zahlen. Die Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche gehen sogar auf die Gesamt-Einspielerlöse.358

Im Vergleich vom 1. April 1955 kamen die Parteien überein, dass weitere 10.000 DM zur Abgeltung aller Ansprüche gezahlt werden, kein Revisionsantrag von Seiten der Ufa-Film GmbH i.L. gestellt wird und diese erklärt, »dass Herrn Seeliger allein die Wiederverfilmungsrechte an dem Schriftwerk ›Peter Voss, der Millionendieb‹ zustehen«. Im Schreiben vom 4. April 1955 teilte Rechtsanwalt Carl den Liquidatoren und Pfennig mit, dass Wilde den Vergleich angenommen habe.359 Der gesamte Prozess betraf entsprechend auch das Remake von 1958, denn die jahrelangen Auseinandersetzungen machten eine vierte Verfilmung des Stoffes zunächst unmöglich. Seeligers Rechtsanwalt, Dr. Walter Wilde, verwies in 354 Vgl. Wilde 1957. 355 Kilchert gibt an, sich genau an die Verhandlungen erinnern. Jedoch spricht er in der Vernehmung von einem Stummfilm und kann nicht sagen, »ob er überhaupt mit dem Zeugen Seeliger verhandelt hat«. Schwerin gibt ebenso an, im Zuge der Bavaria-Liquidation Filmrechtsbestände »sorgfältig geprüft zu haben«, kann aber an keine Summe benennen und hält Seeliger für einen jüdischen Autor, vgl. Entscheidungsgründe für das Urteil vom 4. 02. 1955, BArch R 109 I/412a, o. S. 356 Vgl. Urteil vom 4. 02. 1955, BArch R 109 I/412a, o. S. 357 Gutachten Prof. Dr. Philipp Möhring (Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe) an die Herren Liquidatoren vom 2. 4. 1955, BArch R 109 I/412, o. S. 358 Schreiben Dr. Walter Wilde vom 10. 3. 1955 an Ufa-Film GmbH i.L., BArch R 109 I/412, o. S. 359 Schreiben vom 4. 4. 1955 von RA Carl an die Liquidatoren und Pfennig, BArch R 109 I/412, o. S.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

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einem Schreiben auf diese Problematik.360 Wilde wurde 1957 vor allem durch die Vertretung heimatvertriebener Lichtspieltheaterbesitzer im Zuge eines Prozesses in der Presse bekannt. Im Laufe dessen wurde die gesamte Praxis des UfiVerkaufs an das Bankenkonsortium als politisch gelenkte Maßnahme diskutiert.361 Der in den Ufa-Ufi-Akten recht gut belegte Prozess um Peter Voss – der lange Zeitraum,362 die Art und Weise der Auseinandersetzung – zeigt, wie schwierig es für einzelne Autoren war, ihre Rechte im Zuge der Wiederverfilmung durchzusetzen. Die Gesamtschau der dokumentierten Prozesse unterstreicht den Befund. Auf Autorenseite klagte etwa auch John Knittel, Autor des Romans Via Mala von 1934, nachdem er die Rechte für eine Wiederverfilmung in den Nachkriegsjahren zurückgekauft hatte. Auch hier geht die Ufi i.L. vor allem mit Blick auf die Beteiligung Knittels an der Nachkriegsauswertung und den Wiederverfilmungsrechten gegen den Autor vor.363 Den Gesamtkomplex der Wiederverfilmungen verhandeln auch die Auseinandersetzungen mit Erich Pommer um Der blaue Engel und Bomben auf Monte Carlo wegen dessen Beteiligungsansprüchen.364 Sowohl die Ufi i.L. als auch der Liquidationsausschuss waren insgesamt – auch wenn es Niederlagen gab – durchaus in einer starken Position: Nicht nur das Netzwerk gut ausgebildeter Filmjuristen und möglicher Zeugen, auch die Vehemenz, mit der – angesichts der schlechten Aktenlage – Verhandlungen und Prozesse bestritten werden konnten, belegen die damit verbundene unsichere Situation der Filmproduzenten und Autoren bei der Remakeherstellung.

5.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

Bereits in den Darstellungen über Filmpolitik und Urheberrecht deutete sich an, dass der privatisierte Filmmarkt der 1950er Jahre einigen Schwankungen unterworfen war. Im Folgenden soll kurz die Entwicklung der westdeutschen 360 Vgl. Schreiben Wilde an die Ufa-Film GmbH i.L. vom 3. 3. 1955, BArch R 109 I/412c, o. S. 361 Vgl. u. a. »Ein politischer Kauf ?«, in: Der Spiegel, Nr. 7, 13. 2. 1957, 11. Jg., H. Kuntze-Just: »Kommt es zum Justiz-Skandal?«, in: FTG, Nr. 47, 19. 11. 1957, 5. Jg. und »Heute: UFAProzess«, in: FP, Nr. 7, 14. 2. 1957, 9. Jg. 362 Seeliger hatte seine Interessen und Forderungen an seinen Hausarzt Dr. Marlinger abgegeben. Er verstarb 1959 in Cham (Oberpfalz) im Alter von 81 Jahren. 363 Vgl. BArch R 109 I/926 und BArch R 109 I/2014. 364 Erich Pommer erstritt nach zähen Verhandlungen eine 15-prozentige Beteiligung als Produzent. Die langjährigen Verhandlungen um Der blaue Engel und Bomben auf Monte Carlo sind im Bundesarchiv dokumentiert, vgl. BArch R 109/I, 923, 924, 925 und BArch R 109 I/ 5103, 5246.

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Historischer Teil

Spielfilmproduktion mit ihren Akteuren vorgestellt werden, innerhalb derer die Remakes verortet werden.

5.1

Akteure: Produzenten und Verleiher

Nach dem Ende der Lizenzierung und der Währungsreform wurden zahllose Filmfirmen gegründet, von denen nur wenige die Adenauer-Zeit überleben sollten. Aufgrund der niedrigen Markteintrittsbarrieren war es jedem – mit dem entsprechenden Kapital – möglich, Filme zu produzieren: Mit gleicher Chance fingen gleich nach dem Kriege eine ganze Reihe seriöser Filmunternehmer an, neue Firmen aufzubauen. Außer ihnen wandten sich viele Glücksritter, Holzhändler und Zuckergroßisten dem Film zu, und auch viele damals beschäftigungslose Filmkünstler suchten ihr Heil in eigenen Filmfirmen. Skandale, Zusammenbrüche, Konkurse und hohe Bürgschaftsverluste häuften sich.365

Der Aufbau der privaten Filmwirtschaft vollzog sich mühsam. Die Hauptprobleme waren seit der Währungsreform die »Konkurrenz der ausländischen Filme und der katastrophale Mangel an Eigen- und Fremdkapital«.366 Durch die alliierten Vorgaben, die mit der deutschen Lex Ufi erst 1953 politisch verschoben wurden, war eine vertikale Konzentration auf dem deutschen Filmmarkt unmöglich. Davon war vor allem die risikobelastete Produktion betroffen. Selbst größere Firmen drehten zunächst höchstens vier Filme jährlich. Damit war ein Risikoausgleich unmöglich.367 Vor diesem Hintergrund wird die siebenseitige Liste der deutschen Produktionsfirmen und ihrer Spielfilme 1946 bis 1955 im Filmstatistischen Jahrbuch 1955/56 verständlich, nach der von 189 Produktionsfirmen nur die CCC-Film Artur Brauner (Berlin), die Carlton-Film (München), die Berolina-Film (Berlin), der Filmaufbau (Göttingen), die Neue Deutsche Filmgesellschaft (München) und die Peter-Ostermayr-Film (München) eine halbwegs konstante Spielfilmproduktion leisten konnten.368 Exemplarisch lässt sich in der Statistik bis zum Verleihjahr 1955/56 ablesen, dass es – abgesehen von wenigen einmalig pro-

365 F. M. Bonnet: »Wer beeinflusst den deutschen Film?«, in: FTG, Nr. 36, 3. 9. 1957, 5. Jg. 366 Schweins 1958, S. 139. 367 »In drei Jahren erleiden die Produzenten nahezu 38 Millionen Verluste, denen nur 2 Millionen Gewinne eines Jahres gegenüberstehen. In allen vier Jahren bringt die Mehrzahl der Filme keinen Gewinn. Trotzdem finden sich immer wieder neue Produzenten und die Anzahl der produzierten Filme steigt von Jahr zu Jahr. Als Begründung für die Verluste der Produktionswirtschaft wurden vor allem die hohe Besteuerung und die mangelnden Exportmöglichkeiten angeführt«, Schweins 1958, S. 146. 368 Filmstatistisches Jahrbuch 1955/56, S. 5–12.

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Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

duzierenden Firmen – vor allem auch diese aktiven Hersteller sind, die Remakes produzierten: Produktionsfirma

Filme gesamt 1946–1955

Remakes bis 1955

Herstellungsjahre

CCC-Film 33 8 1952, 1953–1955 Berolina-Film 28 16 1949–1955 NDF 22 2 1953, 1955 Carlton-Film 18 7 1952, 1953, 1955 H. D. Film 10 3 1952, 1954, 1955 Ariston-Film 10 2 1953, 1955 Algefa-Film 9 2 1955 Peter-Ostermayr9 5 1950, 1953–1955 Film Central-Europa Film 8 2 1953, 1955 Willy Zeyn-Film 7 Krach im Hinterhaus 1949 Domnick-Filmprod. 6 Hokuspokus 1953 Arca5 Musik, Musik und nur 1955 Filmgesellschaft Musik Dornas-Film 3 Zwei in einem Anzug 1950 Rolf-Hansen-Film 1 Föhn 1950 Interglobal-Film 1 Hochzeit auf Reisen 1953 Röja-Film 1 Maske in Blau 1953 Tabelle 6: Produktionsfirmen und ihre bis 1955 hergestellten Remakes369

Die Übersicht zeigt zunächst keinen klaren Zusammenhang zwischen der Gesamtfilmproduktion eines Unternehmens und der Herstellung von Remakes. Tendenziell scheint es, als würden mehr als zwei Remakes eher von etablierten Firmen produziert, wie sich etwa an der Remakeproduktion der CCC ablesen lässt. Zahlreiche kleinere Firmen stellten ein einzelnes Remake her – das Ende der Aufstellung ist nicht vollständig. Herausragend dagegen ist die Anzahl von Remakes bei der Berolina-Film GmbH. Sie produzierte bis 1955 16 Remakes, was über die Hälfte ihrer Gesamtfilmproduktion ausmacht. Kurt Schulz und Kurt Ulrich leiteten die Firma. Beide waren bereits vor 1945 im Berliner Filmgeschäft tätig: Ulrich als Produktionsfachmann der Ufa, Schulz als Kameramann.370 Nach

369 »Die deutschen Produktionsfirmen und ihre von 1946 bis 1955 hergestellten Spielfilme«, in: Filmstatistisches Jahrbuch 1955/56, S. 18–35 und eigene Auszählung. Alle Angaben inklusive Gemeinschaftsproduktionen. 370 Roeber / Jacoby 1973, S. 207. Ulrich begann 1919 beim Film, ab 1932 als Produktionsleiter zunächst für Kurzfilme, ab 1929 für die Algefa und Berlin-Film, vgl. Weniger 2001, Bd. 8, S. 103. Schulz begann hinter der Kamera am Beginn der 1930er Jahre als Assistent von Eduard Hoesch und Werner Bohne, ab 1942 arbeitete er regelmäßig als Chefkameramann,

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Historischer Teil

dem Tod von Kurt Schulz im Juni 1957 wurde das Unternehmen gesplittet.371 Von den bis dahin produzierten 18 Remakes der Firma haben elf einen Vorgängerfilm, der zwischen 1933 und 1945 in Deutschland uraufgeführt wurde. In zahlreichen dieser Filme stand Schulz selbst hinter der Kamera.372 Trotz des beachtlichen Erfolges der Filme und der Aktivität der Produktionsfirma im Jahrzehnt steht eine Unternehmensgeschichte leider aus. Der Blick auf die Produzenten der Remakes stellt das ökonomische Argument einer billigen Produktion durch die Wiederverfilmungen erfolgreicher Stoffe partiell in Frage. Das verwundert vor dem Hintergrund der komplizierten Rechtesituation kaum. Bereits in den 1950er Jahren warnen Ökonomen vor einer Überbewertung der wirtschaftlichen Sicherheit durch Remakes.373 Anders war die Situation der Verleiher, die sich ab 1947 mit der Reprisenauswertung zunächst konsolidieren konnten. Diese Möglichkeit gab es, da die deutschen Zuschauer die Reprisen zweitklassigen Hollywood-Filmen weitgehend vorzogen, die Ufa die Reprisen ohne Einspielgarantie abgab und die kurz vor Kriegsende abgedrehten Überläufer »Neuigkeitswert« hatten.374 Aber auch billig eingekaufte ausländische Produktionen, »ferner die Verteilung der Einspielergebnisse zu ihren Gunsten und ihr risikogemindertes Arbeiten durch den Staffelausgleich« erleichterten ihnen die Akkumulation von Kapital.375 Mitte der 1950er Jahre stabilisierten und konzentrierten sich die Verleihfirmen. Die großen, finanzstärkeren unter ihnen konnten nicht nur in Form von Beteiligungen die Hersteller beeinflussen, sondern auch freie Produzenten gewissermaßen beauftragen.376 Die zweite Bürgschaftsaktion der Bundesregierung mit ihren Staffelvorgaben unterstützte diese Entwicklung. Entsprechend ist auch die Auflistung der Verleihfirmen 1946 bis 1955 deutlich kürzer : 1955 sind die größten Verleiher Herzog-, Schorcht- und Gloria-Filmverleih, wobei der Jah-

371 372 373

374 375 376

Weniger 2001, Bd. 7, S. 195. Ulrich und Schulz finden sich auf der Liste der Aktionäre des neugründeten Ufa-Konzerns vom Januar 1964, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 235. Roeber / Jacoby 1973, S. 207. So u. a. in Schwarzwaldmädel (1950), Briefträger Müller (1953), 1953 Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953), Das Sonntagskind (1956), Was die Schwalbe sang (1956). »Auch mit der Wiederverfilmung alter Filme, den sogenannten Remakes, hofft man das Absatzrisiko des Filmes zu verringern. Dies ist jedoch in doppelter Hinsicht gefährlich. Sind die Vorbilder zu alt, so besteht die Gefahr, daß die Probleme dieses Filmes längst überholt sind. Sind die Erinnerungen an die älteren Filme andererseits noch zu lebendig, so besteht die Gefahr, daß der neue Film den Vergleich mit dem alten nicht aushält. Das gilt besonders dann, wenn der Erfolg des alten Films in erster Linie in der künstlerischen Leistung begründet war. Ein solcher Film wird nur von wenigen besucht, und sein wirtschaftlicher Erfolg ist negativ«, Adam 1959, S. 37. Schweins 1958, S. 137ff. Ebd., S. 140. Beteiligt sind der Gloria-Filmverleih etwa an der Divina-Film, Herzog an Rhombus und der Neue Filmverleih an Omega und Unicorn, vgl. Semler 1956, S. 10.

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Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

resumsatz des letzten mit etwa 30 Millionen DM ein Zehntel des Jahresverleihumsatzes ausmachte.377 Ähnlich wie bei den Produzenten sind es auch in diesem Bereich vor allem die Mittel- und Großverleiher,378 die Remakes auf den deutschen Markt brachten. Um die Vergleichbarkeit mit den Produktionsfirmen zu gewährleisten, seien hier ebenfalls die Jahre bis 1956 erfasst: 1950

1951

1952

Gloria Filmverleih 1 1 4 Deutsche London-Film 1 1 3 Herzog Filmverleih 3 1 3 Neue Filmverleih Constantin Europa 1 Unitas 1 1 Kopp 1 1 Schorcht Allianz Prisma 1 Panorama 1 Imex 1 Bejöhr 1 Tabelle 7: Verleiher und Remakes 1950–1956379

1953

1954

1955

1956

gesamt

2 1 3 4 3 2 1 1 2 1 2 -

3 2 3 1 1 1 2 2 1 1 -

5 2 5 3 3 1 1 1 1 2 1 -

1 1 4 3 3 3 1 3 1 -

17 11 22 11 10 7 6 6 6 6 4 4 1 1

Die Großverleiher Herzog (Herbert Tischendorf) und Gloria verliehen bis 1956 kontinuierlich die meisten Remakes. Ilse Kubaschewski, eine Gründerin des Gloria-Filmverleihs, war vor 1945 Chefdisponentin von Siegel MonopolfilmVerleihs.380 Auffällig ist, dass Schorcht erst relativ spät und dann sehr zurückhaltend Wiederverfilmungen auswertete und auch Constantin begann erst 1953 mit dem Verleih von Remakes, sodass sie in der Endsumme im Verleih von Remakes mit den Mittelverleihern zu finden sind. Dagegen hat die Deutsche London-Film unter den Mittelverleihern eine Sonderstellung inne: Sie wertete seit 1950 Remakes aus. Die Deutsche London-Film hatte neben den britischen und amerikanischen Filmen Alexander Kordas381 kontinuierlich unter der Ge377 SPIO (Hrsg.): Filmstatistisches Jahrbuch 1955/56. Wiesbaden, 1956, S. 95ff. und Schweins 1958, S. 163f. 378 Zur Differenzierung von Groß- und Mittelverleihfirme, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 276f. 379 Auszählung des Anhangs (nach Uraufführungsjahren). Anders als bei den Produktionsfirmen wurden hier die österreichischen Remakes, die in der BRD verliehen wurden, mitgezählt. 380 Roeber / Jacoby 1973, S. 274. 381 Unter den britischen Produktionen im Verleihjahr 1949/50 etwa The Private Life of Henry III (GB 1933, Korda), der »das britische Kino vorübergehend zum größten Rivalen Hollywoods hoch [stilisierte]«, vgl. Helbig 1999, S. 66. Darüber hinaus verlieh die deutsche London-Film u. a. auch Lord Nelsons letzte Liebe und Katharina die Grosse (GB

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samtleitung des ehemaligen Tobis-Produzenten K. J. Fritzsche in der Hamburger Zentrale Remakes im Verleihprogramm.382 Hier scheint auf, dass die Auswertung von Remakes wiederum mit Personalkontinuitäten verknüpft ist. Fritzsche tauchte bereits im Verfahren um die Verfilmungsrechte von Peter Voss auf. Exemplarisch zeigt in diesem Zeitraum die Produktionsgeschichte von Urlaub auf Ehrenwort (1955, Wolfgang Liebeneiner) den Einfluss einer Verleihfirma, in diesem Fall des Schorcht-Filmverleihs, und die Vorgänge um Einflussnahmen auf die Filmgestaltung. Bereits im Vorfeld der Produktion hatte es – nach Angaben des Regisseurs – Auflagen für das Drehbuch gegeben, nämlich, »daß keine Ruine gezeigt und die Partei (gemeint ist die NSDAP, d. Verfasser) nicht angegriffen werden dürfte«.383 Nach Abschluss der Dreharbeiten verweigerte der Produzent Gaik von der Berliner Algefa im Auftrag des Verleihs dem Regisseur Teile des Honorars und nahm Schnitte vor.384 Die ersten Vorboten der Krise auf dem deutschen Filmmarkt zeigten sich auch im Jahr der Premiere von Urlaub auf Ehrenwort: mit Einstellung der Bürgschaftsprogramme, die »zu einer kritischen Situation für jene Produktions- und Verleihfirmen, die mit bundesverbürgten Filmen arbeiteten«,385 führte – noch vor dem Rückgang der Zuschauerzahlen. Im gleichen Jahr wird auf der SPIO-Vollversammlung die Parole »Keinen Meter Film für das Fernsehen« ausgegeben.386 1957 gehen die Kinobesucherzahlen erstmals zurück, Filmtheater schließen. So ändert sich am Ende der 1950er Jahre die Situation auch für die Verleiher – Schorcht etwa ging 1956 im reprivatisierten Bavaria-Filmverleih auf. Der UfaFilmverleih konnte ab 1958 die Remakes des Herzog-Filmverleihs auswerten. »Ab 1960 brach die akute Krise aus. Sie erweiterte sich zu einer Gesamtkrise der deutschen Filmwirtschaft« – inklusive zahlreicher Insolvenzen. Parallel sank der Marktanteil deutscher Produktionen.387

382

383 384 385 386

387

1934, Czinner), vgl. »Verleihprogramm 1949/50«, in: FE, März 1950, S.19f. Zum Wirken Kordas in Großbritannien, vgl. Helbig 1999, S. 60–71. Vgl. »Verleihprogramm 1949/50«, in: FE, März 1950, S. 20. Die Deutsche London-Film verlieh u. a. auch das Remake von Pension Schöller (1930/1952), Zwei Menschen (1930/ 52), Varieté (1935/1954 Die Drei vom Varieté), Das sündige Dorf (1940/1954) und Drei Tage Mittelarrest (1930/1955). [K. P.]: »Zu wessen Nutzen?«, in: Freies Volk vom 9. 6. 1956, vgl. auch »Kriegsfilm: Mit kleinen Schnitten«, in: Der Spiegel, Nr. 12, 21. 3. 1956, 10. Jg. Ausführlicher zum Remake, den Schnitten und dem Presseecho, vgl. II. 2.2.4 Weltkrieg und Nachkriegszeit zwischen Diskretion, Überzeitlichkeit und Kontinuitätsstiftung, S. 196– 201. Vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 202. Vgl. u. a. Kurt Joachim Fischer : »Keinen Meter Film für das Fernsehen«, in: FTG, Nr. 45, 1. 11. 1955, 3. Jg. und »Keinen Meter Film mehr für das Fernsehen!«, in: FB, Nr. 43, 28. 10. 1955, o. Jg. Diese Devise wird interessanterweise vom englischen Produzentenverband »in grimmiger Entschlossenheit« aufgegriffen, vgl. »England: Keine Filme mehr für’s Fernsehen«, in: FTG, Nr. 7, 13. 02. 1956, 4. Jg. Roeber / Jacoby 1973, S. 202.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

5.2

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Remakes innerhalb der Entwicklung des Filmangebots

Die Entwicklung des Filmangebots in den 1950er Jahren ist gut dokumentiert und schnell beschrieben: Nach den ersten problematischen Jahren nach der Währungsreform – abgesehen von einem kurzfristigen Rückgang im Verleihjahr 1950/51 – stieg die Produktion neuer deutscher Spielfilme stetig, bis sie 1955 schließlich bei 128 deutschen Filmen (inklusive Coproduktionen) lag. Dem gegenüber stand nahezu kontinuierlich eine mindestens dreifache Menge an ausländischen Produktionen.388 Das Überangebot wurde beim Rückgang der Besucherzahlen fatal.389 Die beschriebenen Krisensymptome auf dem deutschen Filmmarkt, die mit dem Höhepunkt der deutschen Spielfilmproduktion einsetzten, wirkten zurück: Nach einer kurzfristigen Erhöhung der Zahlen im Jahr 1958 sank das deutsche Spielfilmangebot, 1963 schließlich auf 66 Filme.390 Die Dominanz der amerikanischen Produktionen war vor allem hinsichtlich der Uraufführungen auf dem deutschen Markt von Bedeutung,391 mit den Präferenzen der westdeutschen Zuschauer korrespondierte sie nicht. Das belegen nicht nur die von Joseph Garncarz ausgewerteten Filmerfolgslisten, die Vorliebe des Kinopublikums wurde bereits zeitgenössisch wahrgenommen.392 Abgesehen von Erfolgsfilmen wie Verdammt in alle Ewigkeit (USA 1953/54) oder Ben Hur (USA 1959/60)393 wurde die quantitative Dominanz ausländischer Produktionen durch die deutschen Publikumsinteressen gebrochen. Garncarz gleicht in seiner Untersuchung Hollywood in Germany das Filmangebot mit den Erfolgslisten ab, muss jedoch einräumen, dass vermutlich durch die große Masse amerikanischer Filme diese in den Erfolgslisten unterrepräsentiert bleiben. Innerhalb des Amerikanisierungsprozesses auf dem deutschen Filmmarkt, der 388 Die genauen Zahlen, vgl. ebd., S. 198 und S. 283f. 389 Ebd., S. 284. 390 Ebd., S. 198. Die 1960er Jahre sind durchwachsen, 1964 steigt das Angebot noch einmal auf 77 Filme an, sinkt 1966 auf 60, steigt 1968 wiederum auf 107 Filme usw., vgl. ebd. 391 Vgl. »Verleihangebot 1950/51 bis 1956/57«, in: Filmstatistisches Taschenbuch 1957. Wiesbaden, 1957 und Klaus Hebecker : »Der Kampf der Wagen und Gesänge … Die große Termin-Schlacht«, in: FTG, Nr. 35, 21. 8. 1956, 4. Jg. 392 »Für die inländischen Verleiher kam es vor allem auf eines an: Sie mußten Filme herstellen lassen, die beim deutschen Durchschnittspublikum durchschlagenden Erfolg hatten und auf die Dauer den Kinobesitzern größere Einnahmen versprachen als die ausländischen Filme. Nur dadurch ließen sich mehr Termine gegen die günstigeren Bedingungen der Ausländer erzielen. Dieser Zielsetzung kam die Einstellung des deutschen Durchschnittskinobesuchers (›Lieschen Müller‹) entgegen, der typisch deutsche Filme, wie Heimat-, Lust- und rührselige Stimmungsfilme den meisten Auslandsfilmen vorzog. Was auf diesem Gebiet geleistet wurde, erfüllte dann auch weitgehend die Erwartungen des deutschen Publikums, der deutschen Kinobesitzer und der deutschen Verleiher. Diese Filme ›made in Germany‹ konnten vom Ausland nicht kopiert werden«, Schweins 1958, S. 142. 393 Beide Filme nehmen am Beginn und Ende des Untersuchungszeitraum den zweiten Platz in den deutschen Erfolgslisten ein, vgl. Garncarz 1993, S. 201ff.

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Historischer Teil

seit den 1970er Jahren »abgeschlossen« ist, verortet er die 1950er und 1960er als »Übergangsperiode«. Grund für den Wandel scheint ihm vor allem die Veränderung der Zuschauerstruktur zu sein;394 »[d]as Kino hat sich von 1950er zu den 1970er Jahren zunehmend zu einer Institution der Jugendkultur entwickelt.«395 Ob und wie sich diese Veränderungen in den deutschen Remakes niederschlagen, muss im systematischen Teil dieser Arbeit diskutiert werden. Nach Schwankungen am Beginn des Jahrzehnts verlief die Remakeproduktion ab 1952 weitgehend parallel zur Gesamtfilmproduktion, die hier Coproduktionen mitzählt:396 Jahr

Spielfilme Remakes davon: Remakes gesamt gesamt397 von Filmen 1933– 1945

Anteil Remakes gesamt

1949 62 3 1 4,8 % 1950 82 8 7 9,7 % 1951 60 3 2 5% 1952 82 10 2 12,2 % 1953 104 21 14 20,2 % 1954 109 15 11 13,8 % 1955 128 20 15 15,6 % 1956 123 17 16 13,8 % 1957 107 17 12 15,9 % 1958 115 11 8 9,6 % 1959 106 9 7 8,5 % 1960 94 6 2 6,4 % 1961 80 6 4 7,5 % 1962 61 4 3 6,6 % 1963 66 4 2 6,1 % insgesamt 1.375 154 106 11,2 % Tabelle 8: Remakes 1949–1963 (inklusive Coproduktionen)398

Anteil Remakes von Filmen 1933–45 1% 8,5 % 3,3 % 2,4 % 13,5 % 10 % 11,7 % 13 % 11,2 % 7% 6,6 % 2,1 % 5% 4,9 % 3% 7,7 %

Remakes machen insgesamt ein Zehntel, zwischen 1953 und 1957 sogar etwas mehr, der Gesamtfilmproduktion aus – das im Vergleich etwa mit den (je nach Zählungen) filmhistorisch vieldiskutierten 300 Heimatfilmen im Jahrzehnt.399 394 395 396 397

Garncarz 1993, S. 167–214. Garncarz 2013, S. 145. Den Remakezahlen liegen die Jahre der Uraufführung in der BRD zugrunde. Die Zahlen sind inklusive der Remakes von Überläufern (d. h. Filmen, die vor Kriegsende nicht mehr fertig gestellt wurden oder die vor 1945 verboten wurden). Selbst wenn man die Remakes mit unvollendeten Premakes (1950 Meine Nichte Susanne, 1951 Das seltsame Leben des Herrn Bruggs, 1956 Tierarzt Dr. Vlimmen) nicht zählt, ändern sich die Tendenzen nicht. 398 Roeber / Jacoby 1973, S. 198 und eigene Erhebung. 399 Hickethier 2010, S. 251.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

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Die Anzahl der Wiederverfilmungen verebbte jedoch wesentlich rascher als die Gesamtfilmproduktion. Nach 1963 lassen sich Remakes nur noch selten finden.400 Vor dem Hintergrund des komplexen Urheberrechts der Zeit und der marktbedingten Insolvenzen kleinerer Produzenten ab Mitte der 1950er Jahre, die einzelne Remakes drehten, sind genuin ökonomische Gründe für das Ende der Remakeproduktion also unwahrscheinlich. Das legt mehrere Schlüsse nahe: Erstens ist es der »Stoffhunger« der deutschen Filmindustrie, der die Wiederverfilmungen offensichtlich befördert. Dafür spricht auch die erhöhte Anzahl von Remakes in den produktionsintensiveren Jahren. Zweitens erscheinen die Remakes von Filmen aus der NS-Zeit – bis auf vereinzelte, spätere Ausnahmen – so vor allem tatsächlich als kulturelles Phänomen des Filmmarkts in der Ambivalenz von Aktualisierung und Tradierung. Dafür spricht auch die Gesamtschau der Remakes, bei denen neben großen populären Vorgängerfilmen auch die Masse der kleinerer Unterhaltungsproduktionen ins Auge fällt. Und schließlich schlägt sich in der Produktion von Remakes die Veränderung der Altersstruktur beim Publikum möglicherweise schneller nieder.

5.3

Technik: Schwarzweiß und Farbe

Ein weiterer Aspekt des Filmangebots der 1950er Jahre ist die technische Entwicklung: Am 7. September 1950 wird mit Schwarzwaldmädel der erste Farbfilm nach 1945 uraufgeführt. Die Übergangsphase zur standardisierten Herstellung von Farbfilmen in der Bundesrepublik ist von einigen finanziellen und technischen Schwierigkeiten geprägt. Die Geschichte der Farbfilmentwicklung reicht indes bis zu den Anfängen des Films zurück.401 1955 gibt es in Europa und den USA zahlreiche kommerziell auswertbare Farbfilmverfahren. Vor allem Agfacolor und Gevacolor, aber auch Eastman- und Technicolor avancierten zu den in Deutschland in diesen Jahren gängigen Verfahren,402 wobei letzteres am Ende der Dekade »für europäische Verhältnisse viel zu kostspielig« wird.403 Die technischen Möglichkeiten haben in Bezug auf Remakes eine eigene Qualität: Während die relativ zögerliche Einführung des Großformats in diesem 400 Vgl. I. 1.3 Ausklang: Remakes nach 1963, S. 49–51. 401 Bereits Georges M8liHs experimentierte am Ende des 19. Jahrhunderts mit handkolorierten Filmen (u. a. 1899 Le Cendrillon). Zur technischen Geschichte der Farbfilmentwicklung, vgl. u. a. Mehnert 1974, S. 165ff. 402 In der Auflistung der zwischen 1946 und 1953 hergestellten deutschen Farbfilme finden sich ausschließlich die erstgenannten Verfahren, im Verleihjahr 1954/55 sind alle vertreten, vgl. »Deutsche Farbfilme 1946–1953«, in: FTG, Nr. 13, 29. 3. 1953, 1. Jg. und »Deutsche Farbfilme in der neuen Saison«, in: FTG, Nr. 33, 10. 8. 1954, 2. Jg. 403 Henning Harmssen: »Mehr Sorgfalt mit der Farbe! Gespräch mit dem Kameramann Heinz Pehlke über die Probleme des Farbfilms«, in: FTG, Nr. 23, 3. 6. 1958, 6. Jg.

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Historischer Teil

Kontext quantitativ vernachlässigt werden kann,404 ist die Möglichkeit, erfolgreiche Stoffe in Farbe wieder zu verfilmen, ein Mehrwert gegenüber Reprisen und Vorgängerfilmen – entsprechend groß ist die Anzahl der Remakes bis 1956, die vor allem in Agfa- und Eastmancolor realisiert wurden.405 Diesen Umstand thematisieren auch die Filmzeitschriften mit der »farbigen Wiederverfilmung« als Merkmal der Neuigkeit.406 Insbesondere bei der Reklame für die Filme werden diese technischen Neuerungen herausgestellt, wie auch bei dem im Garutso-Plastorama-Verfahren hergestellten Schloss Hubertus (1954) zu sehen ist. Die Verteilung der in der Bundesrepublik produzierten Remakes sieht wie folgt aus: SW-Filme gesamt

Farbfilme gesamt

Remakes in Schwarzweiß

Remakes in Farbe

1949 62 3 1950 81 1 7 1 1951 52 8 1 2 1952 75 6 7 3 1953 89 14 16 5 1954 82 21 7 8 1955 88 39 11 9 1956 45 78 4 13 1957 40 66 7 10 1958 61 54 1 10 1959 63 43 4 5 1960 73 21 3 3 1961 49 29 3 3 1962 34 26 4 1963 43 23 4 gesamt 937 429 74 80 Tabelle 9: In der Bundesrepublik produzierte Remakes in Schwarzweiß und Farbe 1949–1963407

Die Verteilung von Farb- und Schwarzweiß-Remakes verläuft am Beginn des Jahrzehnts relativ parallel zur Verteilung der Gesamtfilmproduktion. Kontinuierlich steigt der Anteil der Remakes in Farbe. Der Farbfilm in Deutschland 404 Erst 1955 werden überhaupt fünf Filme in Großformat produziert; mit den ersten Krisensymptomen gehen die Zahlen jedoch sofort zurück und steigen erst Mitte der 1960er Jahre an, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 227f. 405 Außer Grün ist die Heide, Das Land des Lächelns, Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (alle Gevacolor) und Die Fledermaus (Technicolor) sind alle farbigen Remakes in Agfa- oder Eastmancolor gedreht. Ausführlich zu den einzelnen Farbfilmverfahren, vgl. Koshofer 1988. 406 Vgl. I. 2. Remakes in der zeitgenössischen Filmpublizistik, S. 52–70. 407 Roeber / Jacoby 1973, S. 228 und eigene Auszählung.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

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behauptet sich quantitativ gegenüber den schwarzweißen Vorgängern 1956. In diesem Jahr gibt es auch die meisten farbigen Remakes in absoluten Zahlen. Mit den ersten Krisensymptomen geht auch Farbfilmproduktion leicht zurück, da sie bei den Herstellungskosten und bei der Filmkopierung deutlich kostenintensiver.408 Auf die Remakeproduktion haben diese filmwirtschaftlichen Veränderungen weniger Einfluss: Während diese nämlich im Verhältnis kontinuierlich zurückgeht, bleibt die Zahl farbiger Remakes konstant. Insgesamt sind es 1960 etwas mehr farbige Remakes als solche in Schwarzweiß, während in der Gesamtfilmproduktion im gleichen Jahr eine mehr als drei Mal so hohe Zahl Schwarzweißfilme einer gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte reduzierten Farbfilmproduktion gegenüber steht. Jedoch vernachlässigt die rein quantitative Auswertung ästhetische Standards einzelner Genres. Kriegsfilme etwa werden in den 1950er Jahren nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern oft in Schwarzweiß gedreht.409 Unter den Schwarzweiß-Remakes dominiert am Ende der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre die Komödie;410 innerhalb dieses Genres wiederum die Verfilmung älterer Bühnenstücke.411 Die Kostensenkung durch Schwarzweißfilme am Ende der Dekade erwies sich als ökonomischer Fehlgriff. Heinz Pehlke, Kameramann etwa bei Die Halbstarken, identifiziert 1958 neben dem Dilemma »Schnell, schnell, schnell soll alles gehen« und den damit verbundenen technischen Herstellungsfehlern auch den »auffälligen Nachwuchsmangel bei den Kopieranstalten« als Problemfeld.412 Georg Roeber konstatiert: 408 Am Beginn der 1950er Jahre betragen die Herstellungskosten für einen Film in Schwarzweiß etwa 700.000 bis 900.000 DM, für einen Farbfilm immerhin 1 bis 1,4 Millionen DM, vgl. Berger 1989, S. 81. Im Filmstatistischen Jahrbuch sind die Kosten im Verleihjahr 1951/52 für einen Schwarzweißfilm mit 772.000 DM und für einen Farbfilm mit 1,29 Millionen DM angegeben, vgl. Filmstatistisches Jahrbuch 1952/53, S. 9. 409 Zum Kriegsfilm in Deutschland, vgl. Wegmann 1980. Prominente Beispiele aus dem USamerikanischen Film sind etwa Paths of Glory (USA 1957, Stanley Kubrick) und Pork Chop Hill (USA 1959, Lewis Milestone); auch die sowjetischen Filme des Genres sind in der Zeit in Schwarzweiß gedreht, etwa Wenn die Kraniche ziehen (SU 1957, Kalatosow) und Iwans Kindheit (SU 1962, Tarkowski). 410 Zwischen 1958 und 1961 werden noch insgesamt elf Remakes in Schwarzweiß gedreht. Keine Komödien sind 1958 der Kriminalfilm … und nichts als die Wahrheit und 1959 Arzt aus Leidenschaft. 411 Acht von den elf Schwarzweißremakes sind Komödien: 1959 Paprika (nach einem Bühnenstück von Max Reimann und Otto Schwartz), Jacqueline und Der Haustyrann (nach Bühnenstück von Hans Reimann und Toni Impekoven), 1960 Der wahre Jakob (nach einem Bühnenstück von Arnold und Bach), Pension Schöller (nach einem Schwank von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby) und Sturm im Wasserglas (nach einer Komödie von Bruno Frank, 1961 Ach Egon (nach einem Bühnenstück von Arnold und Bach), Bei Pichler stimmt die Kasse nicht und Der Hochtourist (nach einem Bühnenstück von Max Neal). 412 Vgl. Henning Harmssen: »Mehr Sorgfalt mit der Farbe! Gespräch mit dem Kameramann Heinz Pehlke über die Probleme des Farbfilms«, in: FTG, Nr. 23, 3. 6. 1958, 6. Jg.

124

Historischer Teil

Der stärkere Anteil des Farbfilms am Rückgang der Spielfilmproduktion (1958–1963) fällt in einem [sic] Zeitabschnitt, innerhalb dessen sich die Zahl der Fernsehteilnehmer vervierfacht hat. Diese Tatsache ist frappierend. Gegenüber dem Fernsehen hatte der Spielfilm gerade in der Farbe einen wettbewerblichen Vorsprung. Wenn die Spielfilmproduktion diese sich ihr bietende Chance nicht genutzt, sondern im Gegenteil den Anteil in Farbe gemindert hat, kann dies nur auf Umstände zurückzuführen sein, die in der wirtschaftlichen Situation der Spielfilmproduktion begründet liegen.413

Einerseits erklärt diese Entwicklung, weshalb es in den späten 1950er Jahren überhaupt noch Remakes in Schwarzweiß gab, andererseits ist das Mehrkostenargument durch die Farbfilmherstellung eher mit Blick auf die sinkenden Zuschauerzahlen relevant als für die Remakeherstellung. Da die erhöhten Kopierkosten vor allem für die Verleiher trugen und selbige entsprechenden Druck auf die Hersteller ausüben konnten, verzahnten sich an dieser Stelle Tendenzen des deutschen Filmmarkts, die die Krise tendenziell beschleunigten. Die Spielfilmproduktion verlor damit »nicht nur einen wettbewerblichen Vorsprung gegenüber dem Fernsehen, sondern auch eine wettbewerbliche Chance gegenüber dem Ausland.«414

5.4

Publikumserfolg der Remakes

Wertet man den Publikumserfolg der Remakes quantitativ aus, zeigt sich ein ähnlicher, nur leicht erhöhter Anteil an Remakes gegenüber der Vergabe des Prädikats »wertvoll« von der FBL bzw. FBW (13 Prozent Remakes). Es lässt sich zunächst also keine Diskrepanz zwischen Bewertung und Erfolg ausmachen. Bis zum Verleihjahr 1962/63 sind 14,2 Prozent der hier ermittelten Remakes unter den Top-Ten-Filmen.415 In der Gesamtbilanz liefen die Remakes in den Kinos erfolgreich.416 Im hier aufgearbeiteten Korpus der Remakes, die einen Vorgängerfilm haben, der zwischen 1933 und 1945 in Deutschland uraufgeführt wurde, sind die meisten Filme besser als 4 (zufrieden) bewertet. Im 413 414 415 416

Roeber / Jacoby 1973, S. 226f. Ebd., S. 227. Joseph Garncarz rundete auf 20 % auf, vgl. Garncarz 2013, S. 84. Das Film-Echo veröffentlichte seit 1952/53 die Einsendungen der Filmtheaterbesitzer zum geschäftlichen Erfolg von Filmen, die sie auf einer Skala von 1 (ausgezeichnet) bis 7 (sehr schlecht) bewerteten (2 sehr gut, 3 gut, 4 zufrieden, 5 mäßig, 6 schlecht). In der Veröffentlichung selbst schränken die Herausgeber der übergreifenden Berichte 1952–1958/59 ein, dass es sich nicht um absolute Werte handelt, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1078. Joseph Garncarz kann gar nicht genug gedankt werden: Für die Arbeit an meiner Dissertation hat er mir schnell, unkompliziert und freundlich die von ihm ausgewerteten Quellen zur Verfügung gestellt. Die Bewertung der Presse fällt bei fast allen Filmen deutlich schlechter aus als Publikum und Filmbesuch.

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Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

Durchschnitt liegt der Filmerfolg der hier ausgewerteten Remakes vom Verleihjahr 1952/53 bis 1959/60 bei 3,0, was einem Urteil der Filmtheaterbesitzer von »gut« entspricht.417 Selbstverständlich lassen sich auch ausgemachte Flops anführen, etwa Gefährliches abenteuer (A/ USA 1952), Einmal keine Sorgen haben (BRD 1953) und Der Raub der Sabinerinnen (BRD 1954).418 In den Auswertungen von Joseph Garncarz, die er nach sorgfältiger Auszählung und Gewichtung des Film-Echos erstellte,419 finden sich folgende Remakes von Filmen aus der NS-Zeit: Jahr

Top-Ten- Titel Platz

1952/53 1953/54

3 1

1953/54 1954/55 1954/44 1955/56

5 3 7 2

1955/56 1955/56 1955/56 1957/58 1958/59

3 4 5 9 5

Ferien vom Ich Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt Der Klosterjäger Mädchenjahre einer Königin Schloss Hubertus Der Hauptmann von Köpenick Die Deutschmeister Charley’s Tante Das Schweigen im Walde Das haut hin Das indische Grabmal

1958/59

9

Der Tiger von Eschnapur

1960/61 1961/62 1961/62

4 2 10

Im weißen Rössl Via Mala Die Fledermaus

Premierenjahr Vorgängerfilm(e) BRD BRD

D 1934 D 1933

BRD A BRD BRD

D 1935 D 1936 D 1934 D 1931

A BRD BRD BRD BRD/ F/I BRD/ F/I A BRD A

A/HU 1934 D 1934 D 1937 A 1937 D 1938 D 1938

BRD 1952, D/A 1935 D 1948 (Überläufer) GB/BRD 1955, D 1945/46 (Überläufer), D 1937 1962/63 2 Kohlhiesels Töchter BRD BRD 1955, D 1943, D 1930 Tabelle 10: Remakes unter den Top-Ten-Filmen in der BRD 1952/53–1962/63420 417 Vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1078. Die Durchschnittswerte der Remakeerfolge schwanken in den jeweiligen Verleihjahren nur gering. Der beste Wert ist 1954/55 mit 2,67, der schlechteste 1957/58 mit 3,23. 418 Gefährliches Abenteuer wurde auf der Filmerfolgsliste des Film-Echos bei 20 Urteilen von den Filmtheaterbesitzern mit 5,3 bewertet, Einmal keine Sorgen haben bei 13 Urteilen mit 5,3 und Der Raub der Sabinerinnen bei 12 Urteilen mit 4,7, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1080, S. 1085. 419 Garncarz berechnete die Erfolgsrangliste anhand der Angaben des Film-Echos (1952/53– 1976). Um die Aussagekraft eines Erfolgsfilms zu beurteilen, setzte Garncarz die Noten in Beziehung zur Anzahl der Urteile, die hier nicht für jeden einzelnen Film vorgenommen werden kann, vgl. Garncarz 2013, S. 183f. 420 Garncarz 2013, S. 188ff. und ermittelte Remakes.

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Historischer Teil

Zunächst fällt auf: Das Schwarzwaldmädel fehlt. Denn die Erhebung beginnt erst mit dem Verleihjahr 1952/1953.421 In dem statistisch weniger belastbaren, zeitgenössisch veröffentlichten »Versuch einer marktanalytischen Übersicht von 1950 bis 1956« wurden für die Spielzeit 1952/53 zudem Im weissen Rössl und Pension Schöller und 1953/54 die Operettenverfilmungen Der Vogelhändler und Vetter aus Dingsda als deutsche Filmerfolge von den acht großen Verleihfirmen gelistet.422 Darüber hinaus zeigt die Aufstellung, dass sich erfolgreiche Remakes kontinuierlich durch die gesamte Dekade ziehen und durchweg Farbfilme sind. Andersherum aber war der Farbfilm kein Garant für ein erfolgreiches Remake.423 Schließlich lässt sich festhalten, dass verschiedene Filmgenres vertreten sind, aber keiner der großen Erfolge des frühen deutschen Tonfilms auftaucht, deren Neuverfilmung die Filmkritik so harsch anmahnte. Die Statistik offenbart zudem, dass vor allem auch österreichische Filme wichtiger Bestandteil des Publikumskinos in der Bundesrepublik der 1950er Jahre waren, sodass die Remakes nach einer kurzen historischen Verortung der deutsch-österreichischen Filmbeziehungen nun um die des österreichischen Films ergänzt werden.

5.5

Remakes aus Österreich

Spätestens mit der Einführung des Tonfilms ist die Entwicklung der deutschen Filmindustrie ohne den österreichischen Filmmarkt schwer zu denken – und vice versa. Die Trennung war eine politische Entscheidung im Zuge der nationalistischen Autarkiebestrebungen nach Einführung des Tonfilms. Im Zuge der Kontingentverordnung von 1932 wurde hier ein »deutscher Bildstreifen« mit der deutschen Staatsangehörigkeit der Filmherstellung gekoppelt.424 Kurzzeitig entfaltete die Kontingentbestimmung 1933 eine helle Seite: Österreich und die 421 Folgt man der Auswertung von Sigl, Schneider und Tornow, fänden sich auch noch Die Försterchristel (1951/1931), Grün ist die Heide, Und ewig bleibt die Liebe (Platz 8, 1954/1939), Der Pfarrer von Kirchfeld (Platz 10, 1955/1937) sowie Peter Voss, der Millionendieb (Platz 3, 1958/1943–45, Überläufer) unter den Top Ten, vgl. Sigl/ Schneider/Tornow 1986, S. 123ff. Der Auswertung attestiert Joseph Garncarz methodische Mängel, die er detailliert belegt, vgl. Garncarz 2013, S. 69. 422 [H. R. B.]: »Der deutsche Publikumsgeschmack«, in: FE, Nr. 71, 5. 9. 1956, 10. Jg. 423 Der Jungfrauenkrieg (1957) etwa wurde mit 4,5 bewertet, Ich werde dich auf Händen tragen (1958) mit 3,8 – beides sind Farbfilme. 424 Vgl. »Der amtliche Kontingenttext«, in: FK, Nr. 153, 1. 7. 1932, 14. Jg. Diese Änderung betraf vor allem österreichische Filmschaffende in Deutschland, weshalb der österreichische Gesandte in Berlin, Dr. Frank, auf einen Passus »deutsche Zunge« anstelle der Staatsangehörigkeit drängte, aber lediglich Einzelfallentscheidungen beim Reichsinnenministerium erwirken konnte, vgl. u. a. »Erleichterungen für Österreich«, in: FK, Nr. 156, 5. 7. 1932, 14. Jg., »Wiener Protest gegen Kontingent«, in: FK, Nr. 172, 23. 7. 1932, 14. Jg.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

127

Wiener Filmproduktion wurden zum naheliegenden Fluchtpunkt der vertriebenen politisch verfolgten und jüdischen Filmschaffenden, deren letzte Möglichkeit mit der raschen Übernahme des Arier-Paragraphen für die österreichische Filmwirtschaft ab Ende des Jahres 1933 nur noch in der Gründung einer unabhängigen Filmproduktion bestand, die 1937 endgültig aufgeben musste.425 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Namen der Regisseure Max Neufeld, Kurt Gerron und Richard Oswald, die Filmpioniere Jakob und Luise Fleck, der Produzent Joe Pasternak, die Schauspieler Franziska Gaal und Hans Jaray, der Sänger Joseph Schmidt oder der Komponist Oscar Straus – und das sind nur einige. Trotz Anschluss im 34-Takt426 vor 1938 finden sich unter den unabhängigen Produktionen Vorgängerfilme von Remakes wie Ball im Savoy (A 1935/ 1955 BRD) und Der Pfarrer von Kirchfeld (A 1937/ BRD 1955/ A 1955). Diese Filme – wobei auch Ungarn als Ausweichland für jüdische Filmschaffende bis Mitte der 1930er Jahre berücksichtigt werden muss – werden ausführlicher in der Detailanalyse von Frühjahrsparade vorgestellt.427 Max Neufeld schließlich beendete 1957 seine Filmografie als Regisseur mit dem Remake seines eigenen Films Singende Jugend (A 1936): Der schönste Tag meines Lebens. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht im Nachbarland wurde die österreichische Filmindustrie von der deutschen endgültig geschluckt. 1949 setzt wegen der besseren Produktionsbedingungen ein »Exodus« österreichischer Filmschaffender nach Deutschland ein.428 In den 1950er Jahren wiederum war, wie sich bereits in der Rezeption von Dunja (A 1955) andeutete,429 die Wahrnehmung eines gemeinsamen, quasi deutsch-österreichischen Films im In- und Ausland für beide Seiten durchaus problematisch. In Wien beanstandete man 1957 den deutschen Verleih der Filme im Ausland und damit verbunden die Premieren »unter dem Protektorat der diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland« als »heimliche[n] Anschluß des österreichischen Films an Deutschland.«430 Funktionäre der Dachorganisation der Filmschaffenden in Deutschland e.V. (DACHO)431 wiederum beklagten 1954 eine »Überfremdung« deutscher Ateliers 425 426 427 428 429 430

Loacker / Prucha 2000, S. 21ff. Loacker 1999. III. 1.1 Frühjahrsparade (A/HU 1934/35), S. 275–278. Steiner 1987, S. 50. Vgl. I. 2.5 Exemplarisch: Dunja (A 1955), ein »Renommier-Remake«, S. 65–67. »O du mein Österreich… erkennt denn niemand deine Filme?«, in: FTG, Nr. 5, 29. 1. 1957, 5. Jg. 431 1951 gegründet, war die DACHO die zentrale Arbeitnehmerorganisation der beim Film Beschäftigten unter dem Präsidenten Paul Verhoeven und dem Vize Erich Ebermayer. Aufgelöst wurde sie 1956 und abgelöst von der »Union der Filmschaffenden« in der Gewerkschaft Kunst des Deutschen Gewerkschaftsbundes, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 446f. und »DGB gewinnt 35.000 Filmschaffende«, in: SZ, Nr. 74, 27. 3. 1956, 12. Jg.

128

Historischer Teil

und eine Vielzahl von Filmen, in denen das »österreichische Element […] entweder eine bedeutende Rolle spielt oder sogar überwiegt.«432 Heinz Kuntze-Just, Berichterstatter des Film-Telegramms, hielt indes eine Grenzziehung im Filmbereich unter künstlerischen Aspekten für »unstatthaft«.433 Die sehr viel geringere Produktion des kleinen Nachbarlandes – 1956 ist der Höhepunkt mit 37 Spielfilmen erreicht – ist nach 1945, folgt man den Studien von Walter Fritz, bestimmt durch die »totale finanzielle und künstlerische Abhängigkeit vom deutschen Verleih und Vertrieb«,434 denn »[f]ür den kommerziellen Erfolg eines Films waren immer die Besucherzahlen in der Bundesrepublik maßgeblich«.435 So verwundert es kaum, dass schon vor den offiziellen Exportabkommen ab 1951 Verbände beider Länder Absprachen trafen.436 Im Zuge der jährlichen Kontingentverhandlungen lassen sich die wechselseitigen Probleme und Ressentiments dieser wirtschaftlichen Verbindung in der Filmpublizistik besichtigen,437 etwa wenn im Film-Telegramm 1958 der Abschied vom österreichischen Film verkündet wird, da »künftig der Filmpreis (SaschaKolowrat-Pokal) nicht mehr dem künstlerisch besten, sondern ›geschäftlich erfolgreichsten‹ Film« verliehen wird, »weil sonst kaum Gelegenheit zur Verteilung des Preises besteht.«438 Wobei hierbei nicht erwähnt wird, dass in der Bundesrepublik mit dem Bambi – wenn auch privatwirtschaftlich – alljährlich der »geschäftlich erfolgreichste Film« ausgezeichnet wird und wohl nicht zu ahnen war, dass 1961 in Deutschland kein Bundesfilmpreis verliehen werden kann.439 Die thematischen Tendenzen des österreichischen Films in den 1950er Jahren beschreibt Fritz als »eine lokale Variante der Operetten- und Kaiserfilme und zuletzt der Heimatfilme«,440 die eng an die Tradition der ästhetischen und dramaturgischen Traditionen der Wien-Film anknüpfen. Ähnlich der deutschen Filmhistoriografie konstatiert er für den österreichischen Film eine bruchlose Kontinuität, die Überlegungen zur Zuschauerhaltung beinhaltet: Ich habe mir oft überlegt, warum man nach dem Kriege an diese Zeit so angeknüpft hat; es war das eine Zeit, in der die Menschen Entbehrungen auf sich nehmen mußten, im Kino hatten sie aber große Erlebnisse. So hat sich diese Generation an diese Er432 433 434 435 436 437 438 439 440

H. Kuntze-Just: »Der deutsche Film und Österreich«, in: FTG, Nr. 22, 25. 5. 1954, 2. Jg. Ebd. Fritz 1984, S. 52. Steiner 1987, S. 86. Zu den Verhandlungen von Bad Reichenhall und Berchtesgaden 1948, vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 408f. Die einzelnen Abkommen dokumentiert Semler, vgl. Semler 1956, S. 20f. Vgl. u. a. »Das Film-Kontingent für Österreich«, in: FTG, Nr. 11, 15. 3. 1955, 3. Jg.«O du mein Österreich… erkennt denn niemand deine Filme?«, in: FTG, Nr. 5, 29. 1. 1957, 5. Jg. »Servus Wien. Abschied vom österreichischen Film«, in: FTG, Nr. 15, 8. 4. 1958, 6. Jg. Prinzler 1995, S. 231. Fritz 1984, S. 51.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

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lebnisse nach dem Krieg in der Aufbauzeit immer wieder daran erinnert. Jedenfalls ist die Dramaturgie der Wien-Film und die der Vorläufer der Wien-Film bis in die frühen 60er Jahre erhalten geblieben. Zum Teil haben dieselben Wirtschaftsfachleute, dieselben Drehbuchautoren und die dieselben Regisseure im Nachkriegsfilm weiter gearbeitet.441

Interessant an dieser Einschätzung ist nicht nur die Parallele zum Film in der Bundesrepublik der 1950er Jahre, sondern auch der Verweis auf generationelle Prägungen. Bereits zeitgenössisch wurden Parallelen zwischen der deutschen und österreichischen Spielfilmproduktion konstatiert: »Aber man muß doch wohl einmal sagen dürfen, daß der österreichische Film von heute die gleichen ärgerlichen Mängel (und zugleich dieselben Vorzüge) liefert wie der deutsche.«442 Betrachtet man die Nachkriegsgeschichte der österreichischen Filmproduktion genauer,443 lassen sich natürlich neben den Verbindungen deutliche Differenzen ausmachen. Nach Kriegsende wurden die Wien-Film-Betriebe der westlichen Zonen 1945 dem österreichischen Staat überantwortet, während der Rosenhügel sowjetisch besetzt blieb. Entsprechend konnte die österreichische Filmindustrie rasch ihre Arbeit aufnehmen, aber bis 1955 gab es daneben eine Filmproduktion unter sowjetischer Besatzung, was eine antikommunistische Angriffsfläche schuf.444 Auch wenn die Ateliers etwa mit Franz Antels Remake Der Kongress tanzt (A 1955) schnell wieder in Besitz genommen wurden, hinterließen die abziehenden Besatzer beträchtliche Schulden, die bei der Rückgabe die Wien-Film GmbH in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten brachte.445 Auch im Bereich der Coproduktionen bleibt die Verbindung von Deutschland und Österreich nach 1945 eng: Die Bundesrepublik ist im Gegensatz zum europäischen Trend in den 1950er Jahren durch die fehlende staatliche Filmförderung isoliert.446 Deutsch-österreichische Coproduktionen hingegen wurden »im Rahmen der dafür festgelegten Kontingente begünstigt«; von 1949 bis 1955 wurden von 55 Coproduktionen deutscher Produzenten 31 Spielfilme mit österreichischen Partnern realisiert.447 Darüber hinaus werden im Nachbarland auch zahlreiche Remakes produziert, die berücksichtigt werden, sofern sie in

441 Fritz 1988, S. 11. 442 »O du mein Österreich… erkennt denn niemand deine Filme?«, in: FTG, Nr. 5, 29. 1. 1957, 5. Jg. 443 Zur Nachkriegsgeschichte des Films in Österreich, vgl. u. a. Steiner 1987, S. 47ff., Fritz 1984, S. 15ff. 444 »Am Wiener Rosenhügel ist die Intrige Hauptdarsteller«, in: FP, Nr. 36, 23. 9. 1954, 6. Jg., »Rubel und Rosenhügel«, in: FP, Nr. 29, 5. 8. 1954, 6. Jg. 445 Vgl. u. a. Wilhelm Guha: »Die Wien-Film-Story 1959«, in: FTG, Nr. 41, 6. 10. 1959, 7. Jg. und »Wien: Der Zar löst die Sowjets ab«, in: FTG, Nr. 38, 14. 9. 1955, 3. Jg. 446 Das ändert sich in den 1960er Jahren, vgl. Bergfelder 2005. 447 Roeber / Jacoby 1973, S. 195.

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Historischer Teil

Deutschland ausgewertet wurden.448 Unter Zuhilfenahme verschiedener Quellen zum österreichischen Film ergibt sich hier folgende Aufstellung, die österreichische Remakes ohne deutsch-österreichische Coproduktionen aufführt: österreichische eingeführte Österrei- eingeführte, österreichischRemakes von deutsche Co- österreichische österreichische Filmen 1933–45 Remakes Produktionen chische Spielfilme gesamt Filme insgesamt 1949 25 1 1950 17 6 1951 28 24 1 1952 19 15 3 3449 3 1953 28 16 9 1 1954 22 13 6 3 3 1955 28 20 5 8 6 1956 37 26 5 6450 5 1957 26 23 8 8 1958 23 22 3 3 1959 19 18 1 1 1960 19 16 k.A. 1961 21 17 k.A. 1 1 1962 18 19 k.A. 2 2 1963 16 12 k.A. 1 1 gesamt 304 241 38 33 Tabelle 11: Remakes aus Österreich 1949–1963451 Jahr

448 Die einzige Ausnahme ist Gasparone (A 1956, Paryla). Nach Angaben der FSK aber liegt kein Prüfprotokoll vor, Mail Inge Kempenich vom 16. 12. 2014. Es ist also davon auszugehen, dass der Film nicht in der Bundesrepublik lief. 449 Mitgezählt wurde hier auch das Remake Zwei in einem Auto (A 1951, Ernst Marischka), das sich auf den gleichnamigen Film bezieht, für den wiederum u. a. auch Marischka das Drehbuch schrieb. Der Vorgängerfilm unter der Regie von Joe May war eine französische Produktion der Joe May-Films Paris und wurde als französische und deutsche Version gedreht, vgl. Klaus 1990, S. 283f. 450 1956 wurde auch Sissi (1956, Ernst Marischka) einmalig mitgezählt. Die Filme weisen keine gemeinsamen Vorlagen auf, verhandeln aber den gleichen Lebensabschnitt mit den gleichen Protagonisten, den Elisabeth von Österreich in einem einzigen Film verhandelt. 451 Filmstatistisches Taschenbuch 1957, S. 1; Filmstatistisches Taschenbuch 1965, S. 17; Büttner 1997, S. 440–455, 15, Fritz 1984, S. 51 und 94 und eigene Erhebung. Vor den hier angeführten Zahlen abseits der Remake-Erhebung sei gewarnt: Gegenüber den Publikationen von Semler und dem Filmstatischen Jahrbuch 1955/56 gibt es durchaus Abweichungen. Sie ergeben sich z.T. aus der Differenz zwischen ankündigten und tatsächlich realisierten Filmen und dem Mitzählen österreichischer Reprisen. Für die Tendenzen, die hier abgebildet werden sollen, aber sind diese – in der Regel nie mehr als ein paar Filme – unerheblich.

Strukturen: Remakes in der Filmwirtschaft

131

Die Zahlen unterstreichen die enge Anbindung der österreichischen Filmproduktion an den deutschen Markt.452 Gemessen an der österreichischen Gesamtfilmproduktion fallen Remakes prozentual etwas weniger ins Gewicht als in der Bundesrepublik. Legt man jedoch die Zahlen für die eingeführten österreichischen Filme zugrunde, machen Remakes durchschnittlich 15 % aus. 1955 sind fast die Hälfte der nach Deutschland exportierten Filme Remakes. Allerdings werden sie weit weniger kontinuierlich als in Deutschland gedreht: Die Produktion beginnt später und endet früher. Bemerkenswert erscheint vor allem, wie viele Publikumserfolge – gemessen an der relativ kleinen Gesamtfilmproduktion – aus Österreich zu verzeichnen sind, allen voran die ErnstMarischka-Filme. Bei Ernst Marischka und seiner Erma-Produktionsgesellschaft mbH, die in den 1950er Jahren oft auf seine selbst geschriebenen Drehbücher zurückgreifen kann, zeigt sich eine ähnliche Tendenz wie auf dem bundesdeutschen Filmmarkt: Wichtige Akteure der Remakeproduktion sind oft jene, die bereits mit dem Filmgeschäft vor 1945 verbunden waren.453

452 Die Umrechnung dieser Zahlen in In- und Exportumsätze vgl. Roeber / Jacoby 1973, S. 442. 453 Du bist die Schönste für mich (1952) ist ein Remake des in Frankreich produzierten Films Zwei in einem Auto (1932, May), für die Marischka die Drehbuchvorlagen schrieb und das die Erma Filmproduktion realisierte, ebenso Die Deutschmeister (1955). Weitere Remakes der Erma sind etwa Saison in Salzburg (1952, Marischka/ 1943, Boese …und die Musik spielt dazu), Mädchenjahre einer Königin (1954, Marischka/ 1936, Engel) und Opernball (1956, Marischka/ 1939, von Bolv#ry).

II.

Systematischer Teil

Nach der strukturellen Verortung der Remakes stehen die Filme, ihre Aktualisierungs- und Anknüpfungskonzepte und die Entwicklung im Jahrzehnt im Mittelpunkt. Zunächst werden die Referenzen der Filme analysiert, um sie in einem größeren historischen Bogen von Unterhaltungsgeschichte in Deutschland zu verorten. Da dieser Referenzteil die Remakes und ihre NS-Vorgängerfilme – und entsprechend Vorlagen bis 1945 – umfasst, liegt hier der Schwerpunkt auf der NS-Kulturgeschichte.1

1.

Überblick: Die Referenzen der Filme in der Literatur und auf den Bühnen

Die Referenztexte des Filmkorpus lassen sich in Bühnenstücke (Komödie und Dramatik), Operettenvorlagen und literarische Vorlagen (Romane und Novellen) aufschlüsseln. Die Angabe einer Referenz im Vorspann erlaubt jedoch keine Aussagen über die konkrete Verwendung einer Vorlage. Ebenso können juristische Gründe – wie die Übernahme eines populären Titels – ausschlaggebend sowohl für eine Rechteübertragung als auch die damit verbundene Nennung sein.2 Ebenso finden sich in der NS-Zeit auch Fälle, in denen der Vorspann etwaige Vorlagen nicht nennt, da sie von politisch missliebigen oder jüdischen Autoren stammen. In der Auszählung der Remakes sind sämtliche Referenzen 1 Diese ist im Vergleich auch deutlich besser erforscht als die der 1950er Jahre. Im Vergleich etwa lassen sich kaum systematische Analysen des Theaters und vor allem des Unterhaltungstheaters nach 1945 finden, abgesehen von dem knappen Überblick Was spielten die Theater? und Wolf Gerhard Schmidts Studie, die jedoch das populäre Theater weitgehend ausklammert, vgl. Hadamczik et al. 1978, Schmidt 2009. Mit Theater im Dritten Reich dagegen liegt eine umfassende und detaillierte Publikation vor, vgl. Rischbieter 2000. 2 So etwa bei Der Herrscher in Bezug auf die Vorlage Harald Bratts, vgl. III. 2.2.1 Produktionsdaten und Entstehungskontext, S. 320.

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Systematischer Teil

aufgenommen, die ermittelbar waren:3 erstens, um politische oder rassepolitische Vorgaben nicht zu reproduzieren und zweitens, da man die Kenntnis des Publikums unterstellen kann.4 Zwischen 1949 und 1959 dominieren nach eigener Auszählung als Referenzen literarische Vorlagen (33 Prozent) und Theaterstücke (31 Prozent), unter letzteren die Komödien. Der Anteil an »originalen Filmstoffen«, d. h. Drehbücher, die ausschließlich für den Film entwickelt wurden, beträgt lediglich 19 Prozent. Ein bisschen weniger machen die Verfilmungen bekannter Operetten bzw. musikalischer Lustspiele aus (17 Prozent).5 Während aber bei den »Originalfilmstoffen« davon auszugehen ist, dass dieser Anteil innerhalb der deutschen Filmgeschichte selten sehr viel höher ausfällt,6 erscheinen insbesondere die für den Tonfilm als Vorlagen genutzten Operetten als Spezifikum des Untersuchungszeitraums. Sie werden später für das Fernsehen noch einmal inszeniert.7 Nur noch begrenzt taugt diese Art der Zählung ab 1960 aufgrund zahlreicher Remakes von Remakes aus den 1950er Jahren. Alle vier Operetten, die in diesen Jahren für das Kino inszeniert werden, wurden bereits einmal in den 1950er Jahren neu verfilmt,8 ebenso Brandon Thomas’ Bühnenstück Charley’s Tante, Kellers Roman Ferien vom Ich und der Filmstoff Kohlhiesels Töchter.9 Drei der sieben Re-Remakes wurden unter der Regie von G8za von Cziffra gedreht. Lediglich vier ›neue‹ Bühnenstücke, drei Romane und ein originaler Filmstoff 3 Die bei Klaus angegeben Bühnenvorlage für Altes Herz wird wieder jung (1943) »Alte Sünden rosten nicht« von Maurus Pacher war nicht recherchierbar, vgl. Klaus 2001, S. 121. Der Autor erscheint in keiner der gängigen Datenbanken oder im Deutschen Bühnenjahrbuch sowie in keinem der zahlreichen Pseudonymlexika. 4 Die einzige Ausnahme ist Spoerls Roman Die Hochzeitsreise, den der Autor nach seinem Drehbuch erst 1946 publizierte, vgl. Oberschelp 1979, Bd. 180, S. 322. Er war so zwar Vorlage des Remakes Hochzeit auf Reisen (1953), nicht aber für den Vorgängerfilm Scheidungsreise von 1938. Er wurde nicht mitgezählt. 5 Um eine in diesem Kontext m. E. eher fruchtlose terminologische Diskussion zu meiden, seien »musikalische Lustspiele« (Bezauberndes Fräulein) oder »Singspiele« (Im weißen Rössl), wie etwa Benatzky die meisten seiner Werke bezeichnete, mit aufgenommen, da sie integraler Bestandteil des Musiktheaters sind, was sich daran ablesen lässt, dass sie sich in gängigen Operettenführern finden lassen, vgl. u. a. Würz 1994, S. 253ff. 6 Einen der wenigen Vergleiche bietet die Aufstellung von Wolfgang Mühl-Benninghaus für die Jahre 1929 bis 1932, die 1931 und 1932 ähnliche Verhältnisse zwischen Theater, Operette und literarischen Vorlagen für den Tonfilm insgesamt abbildet, lediglich in den Jahren zuvor scheint der Anteil ›originaler Filmstoffe‹ deutlich größer, vgl. Mühl-Benninghaus 1999, S. 294. Vielhaber legt ihrer Aufstellung der kulturellen Referenzen deutscher Erfolgsfilme andere Kategorien zugrunde, vgl. Vielhaber 2012, S. 143ff. 7 Vgl. Clarke 2011, S. 207f. 8 Im weissen Rössl (1960, Jacobs/1952 A/1935 D), Saison in Salzburg (1961, Gottlieb/ 1952 A/1943), Die Fledermaus (A 1962, von Cziffra/ 1955/1945/46/1937) und Der Vogelhändler (1962, von Cziffra/ 1953/1940/1935). 9 Charley’s Tante (A 1962, von Cziffra/1956/1934), Kohlhiesels Töchter (1962, von Ambesser/ 1955/1943/1930), Ferien vom Ich (1963, Grimm/ 1952/1934).

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finden sich noch unter den insgesamt 15 Remakes der Jahre 1960 bis 1963.10 Die Verteilung zwischen den einzelnen Vorlagen aber entspricht im Verhältnis etwa jener der Jahre bis 1959.11 Ob die Dominanz der Vorlagen möglicherweise ein Spezifikum der Remakeproduktion ist, muss offen bleiben. Trotz zahlreicher Studien – etwa zu Literaturverfilmungen – sind Auszählungen rar. Zum Teil decken sich die Ergebnisse hier mit Vielhabers Untersuchung der kulturellen Referenzen deutscher Erfolgsfilme zwischen 1930 und 1970, die eine Dominanz der Romanvorlagen und ca. 10 Prozent verfilmte Vorlagen aus Schauspiel und Operette konstatiert.12 Die Vorstellung der Vorlagen weist nicht nur auf die Einbettung der Vorgängerfilme und Remakes in eine längere kulturelle Traditionslinie, sondern bildet zugleich die biografischen Einschnitte und Tragödien durch die NS-Politik ab, die insbesondere die Operette in Deutschland trafen.

1.1

Operette, Singspiel, musikalisches Lustspiel

In dieser Vorstellung geht es explizit um Operetten als Vorlagen. Es bleiben also Filme außen vor, die rezeptionsgeschichtlich als Tonfilmoperetten wahrgenommen wurden bzw. prägend etwa für den Musikfilm im Nationalsozialismus erscheinen.13 Auch die Tonfilmoperetten – das Genre, »das Erich Pommer aus den USA zurückgekehrt, bei der Ufa etablierte«,14 das dem Ufa-Film interna-

10 Bühnenstücke (4): 1960 Minna von Barnhelm, 1961 Der Hochtourist, 1961 Robert und Bertram, Der verkaufte Grossvater, Romane (3): 1961 Via Mala, 1962 Waldrausch, 1963 Ferien wie noch nie und Originalfilmstoff (1): Kauf Dir einen bunten Luftballon. 11 Insgesamt werden vier Operetten, fünf Bühnenstücke, vier Romane und zwei Originalfilmstoffe noch einmal verfilmt. 12 Vielhaber 2012, S. 145. Die fehlende Vergleichbarkeit mit dieser Auszählung rührt daher, dass sie eine andere Ordnung zugrunde legt: »Frühere Verfilmungen« etwa sind eine eigene Kategorie, vgl. ebd., S. 152f. Auch »ausländische Vorlagen«, wie etwa das Theaterstück Fair and Warmer von Avery Hopkins, das Vorlage für Der Mustergatte war, verortet sie entsprechend ihrer Fragestellung unter »Transformation ausländischer Vorlagen«, während hier das Schauspiel unter Bühnenvorlagen subsumiert wird, ebd., S. 153. 13 Etwa die »Melodramen, deren Handlung großzügig mit Songs durchsetzt war«, vgl. Traubner 2007, S. 168. Ein Beispiel für eine zeitgenössische Wahrnehmung als Filmoperette ist die in der Detailanalyse ausführlich besprochene Frühjahrsparade (1934), vgl. III 1.1.4 Dramaturgie: Wahrnehmung als Filmoperette, S. 285f. 14 Koebner 2006, S. 243. Koebner weist darauf hin, dass der Erfolg »vom Ansehen der reichen Operettenproduktion in den zwanziger Jahren [profitierte]«. Dennoch erscheint es in unserem Kontext sinnvoll, diese Tonfilmoperetten eben als ›originale‹ Filmstoffe zu zählen.

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tionale Anerkennung bescherte und das 1933 selbstredend nicht verschwand – werden hier ausgeklammert.15 Sie wurden als Originalfilmstoffe gezählt. Im medialen Wechsel von der Bühnenoperette zur Verfilmung sind Handlungsneukonstruktionen keine Seltenheit.16 Bis auf sehr wenige Ausnahmen werden dabei die populären Operettentitel beibehalten, was rezeptionshistorisch für eine Aufnahme dieser Filme sprach. Das Spektrum der verwendeten Vorlagen reicht von den Wiener Operetten des »Goldenen Zeitalters« bis zu Vorlagen aus den 1930er Jahren.17 Die Liste der wiederholt für den Film bearbeiteten Operetten liest sich wie die Erfolgsgeschichte der Bühnenoperette: Johann Strauß’ populäre Werke Die Fledermaus (1874) und Der Zigeunerbaron (1885), Carl Millöckers Der Bettelstudent, (1882) Carl Zellers Der Vogelhändler (1891) und Richard Heubergers Einzelerfolg Der Opernball (1898), die »letzte bedeutende Operette des 19. Jahrhunderts«.18 Dies sind die Wiener Vorlagen aus dem 19. Jahrhundert, die nicht nur in unserem Untersuchungszeitraum (zum Teil mehr als zweimal) verfilmt wurden, sondern in der Mehrzahl schon eine stumme Verfilmung aufweisen.19 Aus der »Silbernen Ära« folgt Emmerich K#lm#ns Die Cs#rd#sfürstin (1915). Aus der vierten Phase der Wiener Operette, die Martin Lichtfuss in seiner Studie mit dem Titel Operette im Ausverkauf überschreibt,20 werden wiederum mehr Operetten aus Wien als Vorlagen für den Film verwendet: Franz Leh#rs Wo die Lerche singt (1918) und Der Zarewitsch (1927), Ralph Benatzkys Im weißen Rößl (1930), Meine Schwester und ich (1930) und Bezauberndes Fräulein (1933). Selbstverständlich würde die Liste deutlich länger, wenn man die Operettenverfilmungen vor 1933 mit einbezöge, denn auch unter ihnen finden sich zahlreiche, die in den 1950er Jahren wieder aufgegriffen werden.21 Vor allem aber zeigt sich hier die große Linie, die von der Wiener 15 Zur »originalen Filmoperette« im NS, vgl. Clarke 2011, S. 197ff. und ausführlich zu den Differenzierungen im Genre Musikfilm, vgl. Wedel 2007, S. 59ff. 16 Traubner etwa beschreibt das neue Szenario der Cs#rd#sfürstin in der Verfilmung von 1934 im Vergleich zur Bühnenvorlage ausführlich, vgl. Traubner 2007, S. 164. Dabei räumt er auch mit Blick auf die amerikanischen Produktionen ein, dass »[m]an nicht verallgemeinernd sagen, ob eine alte oder neue Bühnenfassung in einer getreuen oder völlig veränderten Filmversion besser funktionierte«, vgl. Traubner 2007, S. 161. 17 Dem Musiktheater zuzuordnen, aber nicht als Operette zu klassifizieren, ist innerhalb des Remakekorpus die Oper La fille du r8giment (1840 von J. H. Verny de Saint-Georges und Alfred Bayard mit Musik von Gaetano Donizetti), nach der der Film Die Tochter des Regiments (A/D 1933/ A 1953 Regimentstochter) entstand, vgl. Klaus 1992, S. 188f. 18 Haslmayr 1997, S. 725. Der Eintrag zur Operette bietet zugleich einen kursorischen Überblick nebst kulturhistorischer Einordnung der Werke, vgl. Haslmayr 1997 und Jewanski 1997 S. 735–739. 19 Stummfilme: Die Fledermaus (1923, Mack), Der Zigeunerbaron (1927, Zelnik), Der Bettelstudent (1927, Jakob und Luise Fleck). 20 Lichtfuss 1989. 21 1930 waren Das Land des Lächelns und Der unsterbliche Lump Vorlagen für Filme. 1931 wurden sowohl Der Bettelstudent als auch Die Fledermaus, Die Försterchristel und Victoria

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Operette seit dem 19. Jahrhundert bis zu den Berliner Operettenbühnen der 1930er Jahre reicht; Leon Jessels Schwarzwaldmädel, »eine[r] der wichtigsten Klassiker des Genres Operette überhaupt«,22 Oscar Straus Der letzte Walzer (1920), Eduard Künnekes Vetter aus Dinsgda (1921) und Paul Abrahams Blume von Hawaii (1931) wurden allesamt Vorlagen für Filme, die in den 1950er Jahren noch einmal gedreht wurden. Die Blume von Hawaii (1931) mit Musik von Paul Abraham und dem Libretto von Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda war die »erfolgreichste Bühnenoperette der Weimarer Republik«.23 Sie führt zugleich die Problematik der historischen Zäsur 1933 vor: Die Dreharbeiten von Die Blume von Hawaii unter der Regie von Richard Oswald begannen bereits im Dezember 1932, kaum eineinhalb Jahre nach der Uraufführung der Operette in Leipzig.24 Am 21. März 1933 feierte der Film in Leipzig Premiere, so kam er in die Auszählung. Für die hier genannten Beteiligten aber begann die Verfolgung: Fritz Löhner-Beda, der auch für Franz Leh#rs Das Land des Lächelns das Libretto geschrieben hatte, wurde unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich verhaftet, kam nach Dachau, dann nach Buchenwald und starb 1942 in Auschwitz.25 Abraham flüchtete nach Wien, 1938 nach Budapest und konnte schließlich über Paris und Kuba in die USA emigrieren,26 ebenso vermochten es Alfred Grünwald und der massiv angefeindete Regisseur Richard Oswald in die USA auszuwandern.27 Ähnliche Geschichten lassen sich auch von anderen Komponisten und Librettisten berichten: Ralph Benatzky – nach den Nürnberger Rassegesetzen

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und ihr Husar verfilmt; 1932 »nur noch« Gräfin Mariza und Der Orlow. Remakes lassen sich für Das Land des Lächelns (1952, Deppe), Der unsterbliche Lump (1953, Rabenalt), Der Bettelstudent (1936, Jacoby/1956, Jacobs), Die Försterchristl (1952, Rabenalt/1962, Gottlieb), Viktoria und ihr Husar (1954, Schündler), Gräfin Mariza (1958, Schündler) und – wie bereits oft erwähnt – Die Fledermaus finden. Haslmayr 1997, S. 732. Clarke 2011, S. 182. Eine Verfilmung kurz nach der Bühnenpremiere lässt sich auch Victoria und ihr Husar (UA 1930, Musik von Abraham, Text von Emmerich Földes, Grünwald, Löhner-Beda) konstatieren. Sie wurde von Oswald 1931 inszeniert; ebenso die Glückliche Reise (UA 1932, Musik von Künneke, Text von Max Bertuch und Kurt Schwabach) und Bezauberndes Fräulein (UA 1933 Musik und Text von Benatzky). Weniger 2008, S. 227. Hirschel 2007, S. 52ff. So ätzt etwa die Deutsche Filmzeitung München 1934: »Es ist fast undenkbar, daß eine deutsche Filmgesellschaft den Mut aufbringt, dem deutschen Volk Filme vorzusetzen, die ein Regisseur schuf, über dessen moralische Qualitäten man wohl keineswegs geteilter Meinung ist. Oder setzt man voraus, daß das deutsche Volk vergessen hat, auf wessen Konto die ersten Sittlichkeitsfilme kamen, mit deren Hilfe man versuchte, ein Volk kulturell und moralisch krank zu machen und es in einen Strudel aus der Haltlosigkeit, der erotischen Ausschweifung und des geistigen Untergangs zu ziehen?«, »Arbeitet Richard Oswald wieder in Deutschland?«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 3, 21. 1. 1934, 13. Jg.

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zwar »Arier« – wurde immer wieder als »Jude« denunziert und ging 1940 endgültig in die USA.28 K#lm#n floh 1938 aus Österreich und konnte über Zürich und Paris in die USA entkommen.29 Franz Leh#r, der Komponist der Lustigen Witwe, konnte seine jüdische Ehefrau schützen und für den Librettisten dieser Operette, Victor L8on, intervenieren.30 Trotz der an seinen Operetten beteiligten, nach den Nürnberger Rassegesetzen nun jüdischen Textdichter wurden diese weitgehend aufgeführt. Auch Leon Jessel, der ebenfalls unter die Nürnberger Rassegesetze fiel, war durch die anhaltenden Aufführungen des Schwarzwaldmädels zunächst »privilegiert«.31 Trotz der Ehe mit einer »Arierin« kam der siebzigjährige Komponist in Gestapo-Haft und verstarb dort am 4. Januar 1942.32 Die Operetten von jüdischen Komponisten und Librettisten wurden im Laufe der 1930er Jahre als »nichtarische Musik« endgültig verboten33 oder jüdische Mitwirkende wurden verschwiegen: Bei Vetter aus Dingsda (1921) unterschlägt der Reclam-Operettenführer von 1941 den Librettisten Rideamus,34 ein Boykott der Werke Künnekes am Beginn der 1930er Jahre endete mit dem Erlass der Reichsmusikkammer vom 31. Mai 1935.35 Insgesamt aber ist im Operettenführer eine seltsame Melange aus genannten und ungenannten Librettisten zu finden.36 Während Die lustige Witwe ohne die Librettisten Victor L8on und Leo Stein aufgeführt ist, wird Fritz Löhner neben Ludwig Herzer als Textdichter von Land des Lächelns genannt. Ebenso werden die Textdichter von Glückliche Reise

28 Benatzky ging 1933 nach Wien, im gleichen Jahr denunziert ihn die Zeitschrift Deutsche Kulturwacht als Juden, Hinkel erkennt ihn nach dem Nachweis als »Arier« an und Benatzky wird 1934 in die Reichskulturkammer aufgenommen. Benatzkys Frau aber ist Jüdin. Das musikalische Juden-ABC von 1935 führt ihn wie auch die »Goebbels-Liste vom 1. September 1935« als einen der Komponisten, dessen Werke nicht gespielt werden dürfen. Von 1938 bis 1940 lebte er in der Schweiz. 1936 wurde seine Operette Axel an der Himmelstür mit Zarah Leander in der Hauptrolle im Theater an der Wien uraufgeführt. Benatzky komponierte die Musik und Schlager zum Zarah-Leander-Film Zu neuen Ufern (1938, Sierck). 1940 emigrierte er in die USA, arbeitete aber weiterhin für die Ufa, etwa für Damals (1943, Hansen). 1948 kehrte er in die Schweiz zurück, vgl. Henneberg 2009, S. 145 und 165ff., »Benatzky, Ralph«, in: Trapp et al. 1999b, S. 64. 29 »K#lm#n, Emmerich«, in: Trapp et al. 1999b, S. 480. 30 Frey 2007, S. 101. 31 Dümling 1993, S. 108. 32 Ausführlich zu Jessel und den Umstände seines Todes, vgl. ebd. 33 Sowohl Paul Abraham, Emmerich K#lm#n und Ralph Benatzky finden sich bereits 1935 auf der Liste von »Werke[n] nachstehender Komponisten sind ab sofort nicht mehr in irgendwelche Spielfolgen deutscher Rundfunksender oder Theaterinstitute aufzunehmen«, Jessel ist nicht aufgeführt, Geiger 2002, S. 106. 34 Vgl. Klotz 2007, S. 78. 35 Prieberg 1982, S. 57. 36 Vgl. Mnilk 1941, S. 73 und 80. Diese Spurensuche im Operettenführer der NS-Zeit übernahm ich aus Volker Klotz’ Methodik, vgl. Klotz 2007, S. 78ff.

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(1932), Max Bertuch und Kurt Schwabach, angegeben.37 Bertuch musste nach Frankreich emigrieren und wurde am 3. März aus dem Lager Gurs deportiert;38 Schwabach konnte 1935 nach Palästina fliehen.39 Von den Operetten der »arischen«, in Deutschland aktiven Komponisten wurde als einzige Fred Raymonds Saison in Salzburg (1938) nach 1945 noch einmal verfilmt, je nach Remakebegriff auch Maske in Blau (1937).40 Im Zusammenhang mit den rassepolitischen Vorgaben für das Musiktheater steht möglicherweise auch der Film Drei Mäderl um Schubert (1936), der auch unter dem Titel »Dreimäderlhaus« geführt wird: Als Drehbuchvorlage ist der Roman Schwammerl von Rudolf Hans Bartsch (1912) angegeben.41 Dieser wurde von Heinrich Bert8 (1857–1924) zur Vorlage seiner Operette Dreimäderlhaus (UA 1916), »eine rezeptionsgeschichtlich wirkungsmächtige Verniedlichung von Schubert und seiner Lebenswelt«.42 Die Operette wurde nach 1933 noch aufgeführt, »obwohl die Abstammung« des Komponisten »einschlägig bekannt« war.43 Sie war neben Jessels Schwarzwaldmädel eine der »zwei erfolgreichsten Operetten« der 1920er Jahre, »oftmals mit Richard Tauber als Schubert«, der 1938 wiederum aus Österreich emigrieren musste.44 Für die

37 Ebd., S. 125. In der Neuauflage von Reclams Operettenführer aus dem Jahre 1951 sind sie alle wieder da. Die verschwundenen Librettisten ebenso wie die Komponisten etwa Jacques Offenbach, Paul Abraham, Heinrich Bert8 oder Leo Fall. Anton Würz betont im Vorwort, »zeitbedingte Umstände machten es dem Bearbeiter jener ersten Auflage, Walter Mnilk, unmöglich die Werke für die Inhaltsangaben so auszuwählen, daß wirklich alle wichtigen Komponisten zu Wort kamen«, vgl. Anton Würz: »Vorwort zur vierten Auflage«, in: Zentner/Würz 1951. Allerdings lesen sich sodann fast alle biographischen Notizen, als hätte es die NS-Zeit nicht gegeben. Eine der wenigen Ausnahmen ist die von Paul Abraham, den »die Ereignisse des Jahres 1933 zwangen […] seinen Berliner Wohnsitz aufzugeben und Deutschland zu verlassen«, vgl. ebd., S. 236. 38 »Bertuch, Max«, in: Trapp et al. 1999b, S. 88. 39 »Schwabach, Kurt«, in: Trapp et al. 1999c, S. 856. 40 Die Verfilmung der Operette Maske in Blau (UA 27. 9. 1937 im Metropoltheater, Berlin) ist ein Grenzfall für die Klassifizierung als Remake. 1943 entsteht ein Film mit identischem Titel unter der Regie von Paul Martin, der jedoch nur Melodien verwendet. Durch die Wiederaufnahme des Titels und den zeitlichen Abstand (1937/1943) aber ist zumindest für ein Berliner Publikum bzw. Großstadtpublikum zu vermuten, dass es eine Verbindung herstellt, vgl. Klaus 2001, S. 192ff., Deutsches Bühnenjahrbuch 1939, S. 70. Die Handlungen indes sind gänzlich verschieden. 41 Klaus 1996, S. 47f. 42 Haslmayr 1997, Sp. 728. 43 Frey 1999, S. 304. 44 Clarke 2011, S. 186. Richard Tauber, Opernsänger und Filmstar, der auch die Hauptrolle in Das Land des Lächelns (1930, Reichmann) gespielt hatte, verließ bereits 1933 Berlin, nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich emigrierte er endgültig nach London und wurde britischer Staatsbürger, vgl. Weniger 2008, S. 337f.

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Verfilmung von 1958 wurde die Operette als Vorlage angegeben, obgleich auch hier die Bearbeitungen grundlegend sind.45 Neben den biografischen Katastrophen durch die NS-Verfolgung verweist dieser kursorische Überblick auf jene personelle und kreative Ausdünnung der Operette in Deutschland. Dabei bleibt die Vorstellung hier auf Komponisten und Librettisten fokussiert und spart die Aufführungen und ihre Akteure gänzlich aus.46 Die personellen Einschnitte durch die nationalsozialistische Politik lassen sich ebenso auf den deutschen Sprechbühnen aufzeigen.47 Filmgeschichtlich fallen im Überblick der Operettenverfilmungen der NSZeit einige Besonderheiten auf: Bis 1937 werden konstant jedes Jahr mehrere Operetten für das Kino verfilmt,48 wobei das Repertoire breit bleibt und keine Systematik erkennbar ist. Die Verfilmung von K#lm#ns Die Czardasfürstin (1934), unter der Regie von Georg Jacoby von der Ufa produziert,49 markiert zunächst analog zur Bühne im Filmschaffen das Ende einer Art Übergangszeit nach 1933,50 auch wenn die Ufa es ablehnte, »die Librettisten zu erwähnen«,51 Leo Stein und Bel# Jenbach. Diese »Säuberung« des Vorspanns für das Publikum findet auch Im weissen Rössl (1935) statt, das gänzlich ohne Nennung der jüdischen Mitwirkenden an den Vorlagen in den Kinos gezeigt wurde.52 1935 wurde mit sechs Operettenverfilmungen die größte Anzahl für den Film adaptiert. Diese Zahl halbiert sich 1936 und wird kontinuierlich kleiner. Ab Kriegsbeginn muss die Zahl der Operettenverfilmungen im Verhältnis zur sinkenden Gesamtfilmproduktion gelesen werden.53 1940 wird nur noch Rosen in 45 Friederike Jary-Janecka vergleicht ausführlich die Operette und die Verfilmung in Bezug auf Inszenierungen, Personal, Handlungsorte und musikalische Bearbeitung, vgl. Jary-Janecka 2001. 46 Die rassistische Verfolgung von Künstlern der Musiktheater betraf ebenfalls Sängerinnen und Sänger, Regisseure, Kapellmeister etc. Einzelne Biografien, vgl. Weniger 2008. 47 Vgl. ebenso die Vorgänge um Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenuntergang, vgl. III. 2.1 Die Referenz: Vor Sonnenuntergang, das Hauptmann-Drama und seine Berliner Uraufführung, S. 316–319. 48 Eine Ausnahme ist das Jahr 1932, in dem lediglich Der Orlow (1932, Neufeld) und Gräfin Mariza (1932, Oswald) für das Kino adaptiert werden. 49 Während die Operette ausschließlich Cs#rd#sfürstin geschrieben wird, tauchen für die Verfilmungen sowohl die Schreibweise Csardasfürstin als auch Czardasfürstin auf. Um der Einheitlichkeit willen wird in dieser Arbeit – außer in Zitaten – letztere Schreibweise verwendet. 50 Konkret konstatiert Klaus Kieser für das Gärtnerplatztheater in München in der Spielzeit 1933/34 Aufführungen etwa von Bert8s Dreimädlerhaus und 1935 Jarnos Försterchristel, vgl. Kieser 1991, S. 56. 51 Vgl. Traubner 2007, Zitat S. 164. Seltsamerweise nennt Traubner diese dann auch nicht. 52 Sowohl die jüdischen Mitwirkenden der Operette (Robert Gilbert und Eric Charell) als auch der zugrundeliegende Schwank von Gustav Kadelburg und Oskar Blumenthal (1899) wurden aus den Film-Credits entfernt, vgl. Kamps 2003, S. 479f. 53 Verzeichnete Tonfilme gesamt (exklusive Märchenfilme) 1933–1945, vgl. u. a. I. 1.1 Überblick: Remakes der 1930er Jahre, S. 40–43.

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Tirol uraufgeführt, eine zweite Verfilmung von Zellers Der Vogelhändler unter der Regie von G8za von Bolv#ry, nur fünf Jahre nach der letzten von E. W. Emo. 1944 beginnen die Dreharbeiten zum dritten Fledermaus-Tonfilm, auch unter der Regie von Bolv#ry, nun in Agfacolor.54 Diese Remakes, die bereits bis 1945 gedreht werden, lassen darauf schließen, dass hier nicht nur bereits erfolgreiche Stoffe noch einmal verfilmt werden, sondern gleichzeitig Überschreibungsprozesse stattfinden: für das Kinopublikum, indem durch die Remakes neue filmische Interpretationen der Operetten inszeniert werden. Doch konkretes, veröffentlichtes empirisches Material zur Aufführungspraxis der Bühnenoperette sowohl zwischen 1933 und 1945 als auch in der Nachkriegszeit ist rar. Abseits der Überlegung zum Überschreibungsprozess fällt auf, dass innerhalb des Gesamtfilmkorpus schon am Beginn der 1940er und später noch einmal am Anfang der 1960er Jahre zuvor verfilmte Operetten neu für das Kino inszeniert werden. Das lässt vermuten, dass die zyklischen Neuverfilmungen im Untersuchungszeitraum nicht ausschließlich gesellschaftlich-politische, sondern auch mediengeschichtliche Gründe in der Eigenlogik von Operettengeschichte haben, die mit ökonomischen Fragen und technischen Aktualisierungen verknüpft sind. In den 1950er Jahren verweisen die prominenten und zahlreichen Verfilmungen von Operetten, die im Laufe der 1930er Jahre verboten wurden, wie auch die fehlenden Remakes von Operetten, die im Nationalsozialismus entstanden, auf eine Leerstelle in der Unterhaltungsgeschichte,55 die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgefüllt wurde. Diese Leerstelle birgt Vorteile: Die Remakes können an vergangene Erfolgsgeschichten anknüpfen und profitieren zugleich vom größeren zeitlichen Abstand zur vorherigen Inszenierung, der ein entsprechend großes Aktualisierungspotential für die Neubearbeitung garantiert. Konkreter aber lassen sich die Prozesse des Übergangs nur analysieren, wenn die Wechselwirkungen der Aufführungen, die Mitwirkenden, die spezifi54 Zwischen 1942 und 1945 werden insgesamt sechs Bühnenoperetten verfilmt: Axel vor der Himmelstür (1936 mit Musik von Benatzky/1943, Rabenalt Liebespremiere), Maske in Blau (1943, Martin/1953, Jacoby), Saison in Salzburg (1939 mit Musik von Raymond/1943, Boese …und die Musik spielt dazu), Die Fledermaus (1872 mit Musik von Strauß/1944/45, Bolv#ry, UA nach 1945) und Die tolle Susanne (1943 Musik von Hans Adler/1943–45, von Bolv#ry, unvollendet). Die tolle Susanne wurde 1950 unter der Regie von Liebeneiner unter dem Titel Meine Nichte Susanne neu verfilmt. 55 Exemplarisch sei hier die rasche Wiederaufnahme des Schwarzwaldmädels angeführt: Bereits 1945 gab es allein 20 Neuinszenierungen der Operette (u. a. am Nationaltheater in Weimar und im Berliner Rundfunk): »Im Jahre 1946 erreichte die Begeisterung der Deutschen für diese Operette fast schon wieder die Ausmaße der Kriegsjahre 1917/18«: 72 Bühnen und Rundfunkanstalten hatten das Schwarzwaldmädel im Programm, vgl. Dümling 1993, S. 127f., Zitat: S. 127. Gräfin Mariza hatte 850 Vorstellungen in der Spielzeit 1946/47. Die meistgespielteste Operette 1948/49 ist Das Land des Lächelns, vgl. Hadamczik / Schmidt / Schulze-Reimpell 1978, S. 12f.

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Systematischer Teil

schen Publika, die zwischen Film und Operette durchaus divergieren, sowie die Film- und Bühnenwerke selbst erschlossen und detailliert in Anknüpfung und Wandel untersucht werden.56 Viele der verschiedenen Musiktheater- und Filmgeschichten harren der Aufarbeitung, ebenso wie große Bereiche der Geschichte des Unterhaltungstheaters in Deutschland.

1.2

Bühnenvorlagen der Sprechtheater

Fünf dramatischen Werken stehen 32 Komödien, Lustspiele und Schwänke als Vorlagen im Remakekorpus gegenüber ; vergleichbar mit der Stummfilmzeit.57 Die Komödie ist nicht nur das dominante Genre der NS-Spielfilmproduktion, sondern auch der 1950er Jahre. 1.2.1 Komödien, Schwänke, Possen, Lustspiele usw. Als Referenztexte dominieren sie das untersuchte Filmkorpus und greifen – ähnlich den Operetten – zurück in etablierte Bühnengeschichte: Ein Klassiker der deutschen Aufklärung, Lessings Minna von Barnhelm (1767), wird verfilmt, Franz und Paul von Schönthans Raub der Sabinerinnen (1884), die Possen des Wieners Johann Nestroy Einen Jux will er sich machen (1844) und Der böse Geist Lumpacivagabundus (1833) werden für das Kino bearbeitet. Mit Blick auf das Theater im Nationalsozialismus korrespondieren die für den Film bearbeiteten Stücke und ihre Autoren weitgehend mit den Präferenzen der Spielpläne: Die genannten Possen Nestroys etwa sind die meistgespielten auf den Bühnen des Reiches.58 Die Brüder Schönthal finden sich »in der Gruppe der meistinszenierten deutschsprachigen Autoren […] ausschließlich durch die hohen In56 Kevin Clarke beschreibt in seinem Aufsatz »Zur Filmoperette und Operette im Film der NSZeit«, »dass die Nachwirkungen [der NS-Filmoperette, S.M.F.] so verheerend sind und bis heute anhalten«, vgl. Clarke 2011, S. 208. Seine kurze Einschätzung der Operetten der 1950er Jahre basiert auf dem Argument der personellen Kontinuitäten nach 1945, seine ästhetisches Ideal ist die »authentische Operette« vor 1933. Besonders deutlich wird dieser historische Sprung bei seiner Einschätzung Rabenalts, von dessen Regiearbeiten vor 1945 er direkt zum »Tiefstand des Genres kurz vor dem völligen Niedergang«, zu den Fernsehoperetten der 1970er Jahre überleitet, ohne dessen Remakes von Operetten in den 1950er Jahren überhaupt zu erwähnen, vgl. ebd., S. 195. Seiner abschließenden Forderung nach einer eingehenderen Untersuchung »in geschichtlicher, musikalischer, gesellschaftspolitischer, cineastischer und theaterwissenschaftlicher Perspektive« kann ich indes nur beipflichten, vgl. ebd., S. 209. 57 Die Verfilmung erfolgreicher Bühnenstoffe war bereits in Zeiten des Stummfilms Praxis. Ein ähnliches Verhältnis zwischen komischen und tragischen Vorlagen lässt sich auch im frühen Tonfilm nachweisen, vgl. Mühl-Benninghaus 1999, S. 294. 58 Eicher 2000, S. 356.

Überblick: Die Referenzen der Filme in der Literatur und auf den Bühnen

143

szenierungszahlen ihres Erfolgsschwanks« Der Raub der Sabinerinnen.59 Ähnlich verhält es sich mit den beiden englischsprachigen Komödien, Brandon Thomas’ Charley’s Aunt und Avery Hopwoods Fair and warmer, letztere die Vorlage zu Der Mustergatte (1956/1937).60 In Bezug auf die historische Herkunft sind die Vorlagen des 20. Jahrhunderts quantitativ markant. Es finden sich Alltags- und Salonkomödien,61 vor allem aber fällt die Hinwendung des Films zu regional gebundenen Komödien auf; »Volkskomödien«, die für die Amateurbühnen geschrieben waren – abseits von Berlins und anderen Großstadttheatern.62 August Hinrichs Krach um Jolanthe etwa wurde 1930 an der Niederdeutschen Bühne des Landestheaters Oldenburg uraufgeführt und avancierte zum »Muster für alle anderen ›Volkskomödien‹«.63 Bereits die erste Verfilmung des Schwanks (1934, Carl Froelich) war der dritterfolgreichste Film des Verleihjahres 1933/34.64 Max Neals meist in bayrischem Dialekt verfasste Stücke – insbesondere Der müde Theodor, das er gemeinsam mit Max Ferner geschrieben hatte, und das 1913 in Wien uraufgeführt wurde – erlebten einen Inszenierungsaufschwung.65 Zum 75. Geburtstag des Dichters gratuliert das Deutsche Bühnen-Jahrbuch: »Von den Werken, deren Autor oder Mitautor Max Neal ist und den deutschen Bühnen große Serien ausverkaufter Häuser und dem Film viel dankbare Stoffe einbrachten, seien, um nur einige zu nennen, folgende erwähnt: ›Der müde Theodor‹, ›Die drei Dorfheiligen‹, ›Der siebente Bua‹, ›Der Hochtourist‹ […]«66 Zwei der genannten finden sich im Remakekorpus. Die zunehmenden Aufführungen füllten jene Lücke in den Spielplänen, die

59 Ebd., S. 398. 60 Aus dem Bereich der englischsprachigen Dramatik findet sich Brandon Thomas’ Charley’s Tante, das bis 1939 insgesamt 88 mal auf deutschen Bühnen inszeniert wurde, und Avery Hopwoods Mustergatte, der bis 1941 in den Theatern aufgeführt wurde, vgl. Eicher 2000, S. 447. Selbst Hermann Bahr, der als Autor »bei den NS-Ideologen vornehmlich auf Ablehnung [stieß]«, avancierte in der Spielplanauswertung zu einem der »meistinszenierten deutschsprachigen Dramatikern der Jahrhundertwende«, da seine Salonkomödie Das Konzert von der Spielzeit 1932/33 bis zu jener 1943/44 insgesamt 159 mal inszeniert wurde, vgl. ebd., S. 400f. 61 Etwa Das Ekel (von Toni Impekoven und Max Reimann, UA 8. 11. 1924 Frankfurt am Main), Mädchenjahre einer Königin (von Sil Vara UA 31. 12. 1932 Burgtheater Wien) und Familie Hannemann (von Max Reimann und Otto Schwartz UA 11. 8. 1917 in Dresden. Die Angaben sind dem jeweiligen Deutschen Bühnenjahrbuch entnommen. 62 Merziger 2010, S. 255f. 63 Ebd., S. 262f. Eine ausführliche Analyse der Komödie findet sich hier ebenfalls, vgl. ebd. S. 263ff. 64 Vielhaber 2012, S. 188. Ihre Quelle ist »Das deutsche Filmschaffen im vierten Kriegsjahr«, das sie nach Stephen Lowry zitiert, vgl. Vielhaber 2012, S. 187, Lowry 1991, S. 269. 65 Vgl. Eicher 2000, S. 435, Deutsches Bühnenjahrbuch 1915, S. 96. 66 Deutsches Bühnenjahrbuch 1940, S. 94.

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Systematischer Teil

durch die Verbote jüdischer Autoren entstanden war.67 Ausnahmen aber gab es in der Aufführungspraxis trotzdem. Für den Film werden – innerhalb des hier untersuchten Korpus – vor allem jene Werke zur Vorlage gemacht, die bereits auf dem Theater Sondergenehmigungen erhielten, etwa Familie Hannemann von Max Reimann und Otto Schwarz. Ersterer stand als »Halbjude« auf der »schwarzen Liste«.68 Das »Problem« populärer Vorlagen von jüdischen oder politisch missliebigen Dichtern wurde – wie bei den Operetten – auch dadurch gelöst, dass die Vorlage nicht genannt wurde. Prominentestes Beispiel ist die Verfilmung von Familie Schimek (1935/1957 A). Die Bühnenvorlage von Gustav Kadelburg blieb unerwähnt, auch sein Singspiel, das der Operette Im weißen Rössl zugrunde lag, war aus dem Vorspann der Verfilmung von 1935 getilgt.69 Die Werke des Autors waren auf Geheiß des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda für Inszenierungen verboten.70 Die für den Film verwendeten Theaterstücke der 1930er Jahre, die heute weitgehend vergessen sind, schreiben diese Tendenzen fort: Alltags- und Salonkomödien sowie im Regionalen verankerte Schwänke bestimmen das Gesamtbild der Theatertexte, deren Filmpremieren durchschnittlich zwei Jahre nach den Bühnenpremieren stattfanden.71 Weitere Bühnenstücke im ländlichen Raum sind etwa Franz Streichers Schwank Der verkaufte Großvater (UA 1940 in Berlin), Karl Bunjes Etappenhase (Etappenhas UA 1935 plattdeutsch) und Hans Fitz’ Volksstück IA in Oberbayern (UA 1935 in München).72 Der Autor von Der Ehestreik (UA 1934 in Wien), Julius Pohl, ist einer jener nationalkonservativen Autoren, dessen Werke durch die Spielplansäuberungen der nationalsozialistischen Theaterpolitik deutlich aufgewertet wurden, wie Thomas Eichers Auswertung der Spielpläne zeigt. Ein zweiter ist Ludwig Ganghofer.73

67 68 69 70 71

Eicher 2000, S. 435. Ebd., S. 431. Vgl. Kamps 2003, S. 479f. Eicher 2000, S. 405. Die längste Spanne liegt zwischen der Uraufführung von Spatzen in Gottes Hand (UA am 24. 10. 1934 im Theater am Schiffbauerdamm, Filmpremiere am 1. 4. 1938 Kleiner Mann ganz gross in Bochum). Ein Jahr liegt z. B. zwischen den Premieren von Lauter Lügen (UA am 19. 9. 1937 im Staatstheater Berlin, Filmpremiere am 23. 12. 1938 in Hamburg), Weltkonferenz (UA am 29. 9. 1938 in der Komischen Oper Berlin, Filmpremiere am 25. 8. 1939 in Stuttgart) und Versprich mir nichts (UA am 10. 11. 1936 im Staatstheater Berlin, Filmpremiere 20. 8. 1937 in München). Alle Uraufführungsdaten sind dem Deutschen Bühnenjahrbuch entnommen. 72 Vgl. Deutsches Bühnenjahrbuch 1941, S. 74, Schulz o. J., S. 35. Datum und Uraufführungsort von Der Etappenhase finden sich nicht im Deutschen Bühnenjahrbuch, eine Premiere auf Plattdeutsch ist jedoch bei Schulz verzeichnet, vgl. ebd. S. 36. 73 Eicher 2000, S. 375.

Überblick: Die Referenzen der Filme in der Literatur und auf den Bühnen

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1.2.2 Dramatik Ganghofers Geigenmacher von Mittenwald spiegelt nicht nur die genannte Aufwertung, sondern ein zweites wichtiges Moment: Abgesehen von Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenuntergang (UA 1932 am Deutschen Theater in Berlin) und Max Dreyers Die Reifeprüfung (UA 1931 am Staatlichen Schauspielhaus in Dresden)74 greift der Film für die Dramatik meist ins 19. Jahrhundert zurück. Hermann Sudermanns Stück Johannisfeuer (UA 1900), das zeitgleich zur Verfilmung auf deutschen Bühnen einen Boom erlebte,75 und Ludwig Anzengrubers Meineidbauer zeigen außerdem eine Präferenz für im ländlichen Raum angesiedelte dramatische Stoffe, die sich bereits bei den Komödien offenbarte und die bei den Romanen als Referenzen noch einmal deutlich werden wird.

1.3

Literarische Vorlagen

Ähnlich wie in der Dramatik stammt bei den Vorlagen aus der Literatur ein nennenswerter Teil aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus finden sich einige Romane der Jahrhundertwende und vor allem auch zahlreiche Romane der 1930er Jahre. Bei den älteren Vorlagen handelt es sich vor allem um erfolgreiche longseller, etwa die Romane Ludwig Ganghofers, oder mit George L. Mosse: »Was die Deutschen wirklich lasen«.76 Die Kontinuitäten erscheinen gerade in diesem Medienverbund von Buch und Film ebenso deutlich wie bereits bei den Bühnenwerken. Die Wechselwirkungen sind bezogen auf einen so langen Zeitraum nur schwer analytisch zu trennen: Die verstärkende Wirkung der Verfilmung auf den Buchverkauf scheint unter den Analysten der Bestsellerlisten Konsens zu sein.77 Verfilmungen können einerseits den Buchverkauf verstärken, andererseits profitieren die Filme und ihre Remakes ebenso von der Popularität der Romane. Entsprechend entstehen Kontinuitäten im Medienverbund. Insgesamt liest sich die Analyse der Romanvorlagen für die Filme zwischen 1933 und 1945 und ihre Remakes bis 1963 wie die Geschichte der Unterhaltungsliteratur des endenden 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre. Tatsächlich gab es keinen Autor, der in Gustav Sichelschmidts populärwissenschaftlicher Publi-

74 Babendererde gibt 1929 an, vermutlich das Jahr, in dem Dreyer das Schauspiel fertig schrieb, vgl. Babendererde 1942, S. 64. Im Deutschen Bühnenjahrbuch dagegen ist eine Premiere am 10. 6. 1931 verzeichnet, vgl. Deutsches Bühnenjahrbuch 1932, S. 68. 75 In den Spielzeiten 1939/40, 1940/41 und 1941/42. Am 3.11. 1939 feiert die Verfilmung ihre Premiere. 76 Mosse 1974, S. 101–120. 77 Vgl. u. a. Schneider 2004, S. 96, Adam 2010, S. 316.

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Systematischer Teil

kation Geschichte der deutschen Unterhaltungsliteratur nicht auch zu finden war.78 1.3.1 Populäre Romanvorlagen und Novellen Vorab ein symptomatischer Sonderfall: Diesen stellt der Rückgriff auf Erzählungen und Novellen dar, eine der »vielfältigen epischen Formen mittleren Umfangs«,79 die in der Drehbuchbearbeitung als einsträngige Erzählform Gelegenheit und Notwendigkeit für neue Nebenhandlungen bietet. Die für den Film verwendeten Novellen korrespondieren etwa mit der Breite des Spektrums von Romanen, sowohl was den Rückgriff auf die Literatur anderer Länder als auch die Verwendung regional gebundener Stoffe und das Verhältnis aktueller und älterer Literaturproduktion betrifft.80 Bis auf wenige Ausnahmen81 lassen sich die älteren Romanvorlagen grob klassifizieren; in Abenteuer- und Kriminalromane sowie Gesellschaftsromane auf der einen Seite und jene Romane, die der Tradition der Heimatliteratur des 19. Jahrhunderts entstammen. Der erste Komplex ist überschaubarer: Karl May findet sich ebenso wie Jules Verne,82 dessen Rezeption vor allem durch die Wahrnehmung seiner utopischen Romane geprägt ist. Doch es dominiert hier die Literatur des 20. Jahrhunderts, etwa die Bücher Thea von Harbous, Ewald Gerhard Seeligers, Felix Hollaenders oder Ricarda Huchs,83 deren Der Fall Deruga als schnelle Erwerbsarbeit geschrieben, zum Gesellschaftsroman avancierte und außerordentlich populär war.84 Quantitativ am stärksten vertreten 78 Sichelschmidt 1969. 79 Kindt 2009, S. 540. 80 Stancionny smortritel (1813 von Alexander Puschkin), Immensee (1850 von Theodor Storm), Viola tricolor (1874 von Theodor Storm), Krambambuli (1883 von Maria von EbnerEschenbach, Regine (1882 von Gottfried Keller), Tösen fran Stormyytorpet (1913 Selma Lagerlöf), Urlaub auf Ehrenwort (Kilian Koll, hrsg. 1937), Die unentschuldigte Stunde (Novelle von Alexander Turmayer). Alle Angaben sind Kindlers Neuem Literaturlexikon entnommen. Die Novelle von Turmayer ist leider nirgends verzeichnet, lediglich das Lustspiel Die Primanerin von Sigmund Graff, das ebenfalls nach der Novelle des Autors entstand und eine überaus ähnliche Geschichte wie Die unentschuldigte Stunde verhandelt, lässt sich nachweisen: Die Oberprimanerin Kitty schwindelt den Eltern Krankheit vor, heiratet den herbeigerufenen Arzt und versucht heimlich, ihr Abitur nachzumachen, was in zahlreiche Missverständnisse führt, vgl. Sigmund Graff: Die Primanerin. Berlin: Vertriebsstelle und Verlag Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten, 1937 (unverkäufliches Manuskript). 81 So etwa die Verfilmung eines Werkes des deutschen Realismus, Theodor Fontanes Effi Briest (1894/95) oder Guy de Maupassants Gesellschaftsroman Bel-Ami (1885). 82 Michel Strogoff (1876 von Jules Verne), Durch die Wüste (1892 von Karl May). 83 Das indische Grabmal (1917 Thea von Harbou), Peter Voss (1913 Ewald Gerhard Seeliger), Der Eid des Stephan Huller (1912 Felix Hollaender), Der Fall Deruga (1917 Ricarda Huch). 84 Ricarda Huch schrieb an Marie Baum über das Buch: »Ich habe meinen Zweck erreicht und

Überblick: Die Referenzen der Filme in der Literatur und auf den Bühnen

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sind Werke und Autoren, die man den »regionalen Unterhaltungsromanen«85 zuordnen kann: Felicitas Rose, deren Heideschulmeister Uwe Karsten (1909) in der Bestsellerliste aus der NS-Zeit den 37. Platz einnimmt,86 Wilhelmine von Hillerns erfolgreichster Roman Geierwally (1875),87 Agnes Günthers Die Heilige und ihr Narr (1913) sowie Paul Kellers Waldwinter (1902) und Ferien vom Ich (1915), die letzten beiden bis 1969 mit Auflagen von etwa 700.000 Exemplaren erschienen.88 Agnes Günther und Paul Keller finden sich ebenfalls in den Bestsellerlisten der 1950er Jahre.89 Am häufigsten ist Ludwig Ganghofer mit seinen Romanen vertreten,90 von denen sechs sowohl in den 1930er als auch in den 1950er Jahren verfilmt wurden.91 Es gibt im Untersuchungszeitraum keinen Autoren, dessen Bücher derart oft Filmvorlagen waren und der so präsent in den Bestsellerlisten sowohl vor als auch nach 1945 war.92 Ganghofers Popularität – alle 18 Romane erreichten Mindestauflagen von 100.000 Exemplaren – setzte sich in Deutschland vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, die NS-Zeit bis nach 1945 kontinuierlich fort.93 Der Romancier, Erzähler, Dramatiker, Dramaturg und Mitarbeiter der Gartenlaube und der »erfolgreichste Vertreter der süddt. ›Heimatliteratur‹« lebte von 1855 bis 1920.94 1880 wird sein erstes Stück Der Herrgottschnitzer von Ammergau uraufgeführt.95 Er galt als Lieblingsautor von Wilhelm II. und ver-

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90 91 92 93 94 95

für die Schundgeschichte von Ullstein zwanzigtausend Mark bekommen«, zitiert nach: Kopecke 1996, S. 196. Marie L. Lotze konstatiert: »Der Roman wurde bei seinem Erscheinen sehr unterschiedlich beurteilt, doch bezeugt die hohe Auflagenziffer seine Beliebtheit bei den Lesern«, Marie L. Lotze: »Der Fall Deruga«, in: Kindlers Neues Literaturlexikon, Bd. 8, S. 116, Sp. 2. Sichelschmidt 1969, S. 208ff. Schneider 2004, S. 85. Zu den Verfilmungen der Geierwally, vgl. I. 1.1.1 Exemplarisch: Remakes von Stummfilmen, S. 45. Sichelschmidt 1969, S. 222. Agnes Günthers Roman Die Heilige und ihr Narr auf Platz 65, Paul Kellers Waldwinter auf Platz 67, vgl. Schulz 1960, S. 120. Als Indiz für den Einfluss der Verfilmungen auf die Auflagenzahlen der Bücher kann man das durchaus deuten. Waldwinter (1956) wird im Verleihjahr 1955/56 in der Kategorie Kinobesuch von den Filmtheaterbesitzern mit der Note 3 bewertet, Die Heilige und ihr Narr im Verleihjahr 1957/58 mit 2,7, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1081 und S. 1088. Auflistung der Ganghofer-Verfilmungen von 1912 bis 1996, vgl. Thumser 2005, S. 135–138. Folgende Ganghofer-Romane wurden sowohl zwischen 1933 und 1945 als auch in den 1950er Jahren noch einmal verfilmt: Der Jäger von Fall (1883), Edelweiß-König (1886), Der Klosterjäger (1892), Schloß Hubertus (1895), Das Schweigen im Walde (1899), Waldrausch (1908). Vgl. Schneider 2004, S. 80ff. und Schulz 1960, S. 118ff. 24 Ganghofer-Titel wurden neu aufgelegt, vgl. Koch 1970. 2005 erschien im Weltbild-Verlag eine Neuedition der Ganghofer-Romane. Vgl. Kühlmann 2009, S. 110ff. 1930 wurde Der Herrgottschnitzer von Ammergau das erste Mal unter der Regie von Franz Seitz’ sen. verfilmt, 1952 entsteht ein Remake.

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Systematischer Teil

fasste bis ins hohe Alter zahlreiche Romane und Erzählungen,96 die einmalig oft in verschiedenen Jahrzehnten deutscher Filmgeschichte zu Vorlagen wurden. Die Verfilmungen und Verbindungen zur Filmproduktion sind der Analyse von Schloss Hubertus (1934/1954) vorangestellt.97

1.3.2 Romane der 1930er Jahre Ebenso wurden Romane der 1930er Jahre verfilmt: Das Spektrum reicht auch hier von Kriminalgeschichten über Familienromane bis zu den heiteren Romanen,98 die insbesondere das Schaffen des Autors Heinrich Spoerl bestimmten. Spoerl, studierter Jurist, debütierte 1933 mit fast 50 Jahren als Romanautor mit Die Feuerzangenbowle, die er gemeinsam mit Hans Reimann verfasste. Zuvor hatten die beiden das Bühnenstück Der beschleunigte Personenzug geschrieben, das 1931 uraufgeführt wurde. 1936 erschien Spoerls Wenn wir alle Engel wären, eine Romanfassung eben dieser Zusammenarbeit mit Reimann, und im gleichen Jahr auch die Satire Der Maulkorb.99 Kurz nach Erscheinen wurden beide Romane – wie auch Der Gasmann, der aber ohne Remake blieb – verfilmt. Verfilmung und Roman liegen zeitlich nah beieinander. Der Dichter selbst schrieb die Drehbücher. 1938 inszenierte Hans Deppe Die Scheidungsreise nach einem Filmdrehbuch von Spoerl.100 Der Autor wiederum schrieb dieses zum Roman Die Hochzeitsreise um, der 1946 publiziert und damit zur Vorlage des Remakes wurde.101 Auf den ersten Blick scheint Spoerl eher effektiv als produktiv.102 Interessanter als die Bewertung ist der andauernde 96 Ausführlich zum Schaffen und den Auflagen der Romane, vgl. Koch 1970, Stephan 1981. 97 Ausführlich zu den Verfilmungen in den Jahrzehnten, vgl. III. 3.1 Ludwig Ganghofers Filmproduzent Peter Ostermayr, S. 355–358. 98 Die Romanvorlagen sind Ich war Jack Mortimer (1933 von Alexander Lernet-Holenia), Der Page vom Dalmasse-Hotel (1933 von Maria von Peteani), Oberwachtmeister Schwenke (1933 von Hans Joachim Freiherr von Reitzenstein), Via Mala (1934 von John Knittel), Arzt aus Leidenschaft (1935 von Karl Unselt), Und seine Tochter ist der Peter (1935 von Edith Zellweker), Spiel auf der Tenne (1936 von Hans Matscher), Georg und die Zwischenfälle (1938 von Erich Kästner), Das Paradies der Junggesellen (1938 von Johannes Boldt), Percy auf Abwegen (1938 von Hans Thomas), Männer müssen so sein (1938 von Hans Seiler). Der Roman Viva la musica, Vorlage für Leichte Muse (1941), blieb unveröffentlicht. Die Erscheinungsdaten der Romane sind Reinhard Oberschelps Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) 1911–1965 entnommen. 99 Vgl. »Heinrich Spoerl«, in: Sarkowicz / Mentzner 2001, S. 561ff. 100 Spoerl schrieb zudem Geschichten, die zum Teil im Angriff publiziert und im Band Man kann ruhig darüber sprechen 1937 veröffentlicht wurden. Drehbücher verfasste er auch für Gabriele eins, zwei, drei (1937, Hansen) und Das andere Ich (1941, Liebeneiner). 101 Oberschelp 1979, Bd. 124, S. 322. 102 Ausführlicher zu Heinrich Spoerl, vgl. Kruse 2004. Eine detaillierte Beschreibung seiner komischen Erzählungen und Verortung dieser in einem Konzepts des »deutschen Humors«, vgl. Merziger 2010, S. 311ff.

Überblick: Die Referenzen der Filme in der Literatur und auf den Bühnen

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Erfolg des Autors bis in die 1950er Jahre. Mit den Auflagenzahlen seiner Romane vor und nach 1945 ist Spoerl der einzige Autor, der Ganghofer im Untersuchungszeitraum Konkurrenz machen kann.103 Seine Popularität scheint den Schluss Tobias Schneiders zu belegen: »Nach dem anfänglichen Hoch der NSLiteratur 1933/35 setzte sich der unpolitische Unterhaltungsroman spätestens ab 1936 klar in der Lesergunst durch, eine Tendenz, die mit Beginn des Zweiten Weltkriegs dann noch deutlicher hervor trat.«104 Dem gegenüber standen die kulturpolitischen Bemühungen der NS-Kulturfunktionäre um den Unterhaltungsroman und populäre ideologische Literatur.105 Die Romanvorlagen stammen allesamt aus den Jahren vor Kriegsbeginn. Der Abstand zwischen dem Erscheinen der Bücher und den Filmpremieren variiert nur gering und beträgt selten mehr als zwei Jahre.106 Ob sich außer den SpoerlRomanen zeitgenössisch besonders erfolgreiche Romane konstatieren lassen, muss offen bleiben. Da es keine regelmäßig erscheinenden, unabhängigen Bestsellerlisten gab,107 die hohen Auflagenzahlen politisch relevanter Werke durch kulturpolitische Förderung zustande kamen, geben die wenigen Auszählungen über kurzzeitige Erfolge keine Auskunft. In den nominellen Auszählungen der 1930er und 1950er Jahre taucht keine dieser Vorlagen auf. Diese berücksichtigen aber weder den Verkehr in Leihbibliotheken,108 noch erfassen sie erfolgreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften, etwa Fortsetzungsromane in Illustrierten. Das Problem historisch »massenhaft verbreiteter Bücher« analysiert Jost Hermand für die 1950er Jahre ausführlich. Er argumentiert hier, dass 103 In der Ermittlung der Romanbestseller im NS lassen die Bücher Spoerls Ganghofer hinter sich: Die Feuerzangenbowle (Platz 7), Wenn wir alle Engel wären (Platz 9), Der Maulkorb (Platz 19) folgen Ganghofers Der Klosterjäger auf Platz 30, Das Schweigen im Walde auf 33 und Schloß Hubertus und Edelweißkönig auf Platz 39 bzw. 40, vgl. Schneider 2004, S. 80ff. Im »Statistischen Lebenslauf von 114 Büchern mit über 100 Auflagen (500.000 Exemplare)« von 1960 dagegen, der aber neben Romanen auch Sachbücher aufnahm, sind Die Feuerzangenbowle auf Platz 28, Der Gasmann auf Platz 91 und Wenn wir alle Engel wären auf Platz 97 zu finden, vgl. Schulz 1960, S. 118ff. Ganghofers Romane dagegen finden sich auf Platz 30, 33, 39 und 40, wobei der Berechnung von Schneider Auflagenzahlen zugrunde liegen und bei älteren Büchern davon auszugehen ist, dass sie rege auch aus Leihbibliotheken entliehen und gelesen wurden. Dasselbe gilt auch für die 1950er Jahre, wobei eben nicht zu ermitteln ist, welche Bestände nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten waren oder neu angeschafft wurden. In der Tendenz lässt sich für die Nachkriegszeit auf Basis der vorhandenen Zahlen eine Kontinuität der Ganghofer-Rezeption konstatieren. 104 Schneider 2004, S. 90. 105 Vgl. van Linthout 2008. 106 Die einzige Ausnahme ist Georg und die Zwischenfälle oder Der kleine Grenzverkehr, 1938 veröffentlicht, 1943 unter dem Titel Der kleine Grenzverkehr verfilmt. 107 1927 und 1928 veröffentlichte Die Literarische Welt einige Bestsellerlisten, zwischen 1957 und 1974 Die Zeit den »Seller-Teller«, Der Spiegel publiziert erstmals 1961 die zehn bestplatzierten Sachbuch- und Belletristik-Titel, vgl. Schmitz 2012, S. 4f. 108 Zu gewerblichen und Volksbüchereien im NS, vgl. Merziger 2010, S. 298f.

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Systematischer Teil

die Bücher der Bestsellerliste »fast ausschließlich von den gebildeten Oberschichten gekauft« wurden.109 In der Gesamtschau der verwendeten Romanvorlagen fällt im Vergleich mit den Bühnenstücken auf, dass sich das Verhältnis zwischen komischen und »dramatischen« Vorlagen110 exakt umgekehrt gestaltet: Überwogen im Rückgriff bei den Bühnenstücken deutlich die Komödien, sind die »heiteren Romane« nun – abgesehen von Spoerl – massiv unterrepräsentiert. Naheliegend erscheint, dass die Filmdramaturgie des Komischen am Theater deutlich besser partizipieren kann. Das verweist zugleich auf die enge Verbindung zwischen Unterhaltungstheater und Film und offensichtlich auch auf eine Kontinuität komischer Mittel, die bis dato kaum beachtet wurde. Interessant ist im Vergleich Bühnen- und Romanvorlagen, dass bei beiden Referenzen mit deutlich regionalem Bezug etwa gleich stark vertreten sind und jeweils zu publikumswirksamen Standards der Belletristik und des Unterhaltungstheaters gehören. Die Quantität dieser Vorlagen mit regionalem Bezug dokumentiert nicht nur das Aufgreifen dieser Stoffe in der NS-Filmproduktion, sondern weist auf eine Kontinuitätslinie des Heimatfilmgenres fernab der Prototypen des Heimatfilms der 1950er Jahre. Insgesamt überwiegen bei allen Vorlagen Rückgriffe: bei der Operette überdeutlich, bei den Romanen und Novellen in der Gesamtschau. Einzig die Theaterstücke der 1930er Jahre sind quantitativ etwa ebenso stark vertreten wie ältere. So kann man für den Untersuchungszeitraum verallgemeinern, dass sich hier offensichtlich eine längere Linie der Unterhaltung bis zurück ins 19. Jahrhundert aufzeigen lässt, in der die Filmproduktion des Nationalsozialismus verortet werden muss, die im Medienverbund Film, Theater, Operette und Literatur bis in die 1950er Jahre reicht und (medien-) historischen Transformationsprozessen unterworfen ist.

2.

Die Remakes im Wandel des Jahrzehnts

Die wichtigsten Genres des Jahrzehnts, Komödie und Heimatfilm, sortieren die Vielzahl der Filme zunächst und ermöglichen die Anschlussfähigkeit etwa an die zahlreichen Arbeiten zum deutschen Heimatfilm. Der Unterteilung liegen weite Begriffe zugrunde. Den Heimatfilmen zugeordnet werden – im Anschluss an Höfigs Studie und Kategorisierung des Heimatfilms – sämtliche Filme im ländlichen Milieu. Das beinhaltet als Spielorte Gebirge und Hochgebirge, 109 Hermand 1986, S. 363ff., Zitat S. 363f. 110 Um die binäre Unterscheidung nach Aristoteles hier um der Vergleichbarkeit willen zu verwenden.

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norddeutsche Tiefebene ebenso wie allgemein eine unspezifische bäuerliche Welt, die Reise des Städters in eine nicht näher definierte »›schöne‹ Landschaft«.111 Auch der hier zugrunde gelegte Begriff der Komödie ist eine Ordnungskategorie, ein idealtypischer Film mit Albrecht, der »nach Handlung und Gestaltung Heiteres zum Hauptinhalt hat«.112 Bei der Vielzahl von Remakes und den dazugehörigen Vorgängerfilmen ist es unmöglich, jeden einzelnen Film umfassend zu besprechen. Auch waren letztlich weder alle Remakes noch alle Vorgängerfilme auffindbar.113 Die Vorstellung und Analyse folgt der einleitend begründeten Frage nach der Verhandlung und der Inszenierung der Handlungszeit in den Filmen, um eine Übersicht über die konkreten Aktualisierungs- und Anknüpfungsprozesse zu ermöglichen. Sowohl die Ähnlichkeiten innerhalb des Remakekorpus als auch der Seitenblick auf die Vorlagen und die Vorgängerfilme erlauben es hierbei, spezifische Merkmale, Figurenkonstellationen, Themen und Umdeutungen des 1950er-Jahre-Films herauszuarbeiten. Wann immer es die Spezifika der Filme erlauben, werden Ähnlichkeiten beispielhaft vorgestellt, da zur Orientierung des Lesers bei allen besprochenen Filmen wenigstens die Filmhandlung skizziert werden muss. Ähnliche Konzeptionen in anderen Filmen erscheinen dann um der Lesbarkeit willen in den Fußnoten. Die Auswahl hierbei folgte rein pragmatischen Kriterien, der Darstellbarkeit unter den aufgeworfenen Fragen, dem Filmerfolg und ebenso den Bedingungen der jeweiligen Sichtung.114 111 Vgl. Höfig 1973, S. 165f. 112 Albrecht 1969, S. 109. Albrecht entwarf für seine filmsoziologische Untersuchung mit Max Weber das Schema und trennte die genannten Filme innerhalb der »nonP«-Filme von jenen »die nach Handlung und Gestaltung Ernstes zum Hauptinhalt haben« sowie eine Restgruppe, die weder Ernstes noch Heiteres zum Hauptinhalt haben. Für die hier vorgenommene Sortierung scheint eine solche Unterteilung deutlich zweckvoller als eine filmbzw. genretheoretische Differenzierung etwa zwischen Schwank, Lustspiel, musikalischer Komödie usw. Allgemein zur Dramaturgie des Komischen und der Partizipation des Films an der Geschichte des komischen Genres seit der Antike in praktischer Perspektive, vgl. Kinder / Wieck 2001, S. 223ff. 113 Aufgrund der fehlenden Abgabepflicht für Filmproduzenten ab 1945 und Überlieferungsverlusten auch für den Film vor 1945 war es – trotz sechsjähriger Arbeit am Thema und intensiver Recherchen – nicht einmal möglich, tatsächlich jedes Remake und jeden Vorgängerfilm zu sichten. Im Anhang ist vermerkt, welche Vorgängerfilme nach aktuellem Stand fehlen. Von den Remakes waren folgende Filme – trotz bester Unterstützung zahlreicher Archive, Organisationen und Einzelpersonen – nicht zu sichten: Wenn eine Frau liebt (1950), Der Feldherrnhügel (1953), Tante Jutta aus Kalkutta (1953), Geliebtes Fräulein Doktor (1954), Die Wirtin an der Lahn (1955), Der Mustergatte (1956), August der Halbstarke (A 1957), Der Etappenhase (1957), Familie Schimek (A 1957), Arzt aus Leidenschaft (1959). So fehlt für jedes Produktionsjahr durchschnittlich Remake, was in Anbetracht der Vielzahl der Filme vertretbar scheint. 114 In den Jahren der Arbeit an der Dissertation habe ich im BA/FA einen Großteil der Vorgängerfilme ebenso wie einen kleinen Teil der Remakes gesichtet. Die Remakes verteilten sich über die Filmsammlung der Stiftung Deutsche Kinemathek, das Filmarchiv Austria in

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Remakes am Beginn der Dekade (1950–53): »Das Thema wäre neu aufzunehmen.«115

Die Remakeproduktion begann zögerlich. Die Filmblätter veröffentlichten im Dezember 1951 die Überlegungen Bobby E. Lüthges zum »Remaking«: Das offensichtliche Versagen der neuen deutschen Filmproduktion bezüglich seiner Publikumswirksamkeit hat dazu geführt, daß man alles an alten Filmen hervorholte, was einst erfolgreich war. Nachdem nun auch dieser Brunnen zu versiegen droht, geht man daran, zu untersuchen, ob man frühere Erfolgsfilme nicht mit den Mitteln neuer Technik und womöglich Farbe noch einmal aufnehmen könnte.116

Nach dieser Klage über den Zustand der westdeutschen Filmproduktion rühmt sich der Drehbuchautor : Er selbst hat an den Neubearbeitungen drei seiner »erfolgreichsten Filme« (1931 Um eine Nasenlänge, 1932 Grün ist die Heide und 1934 Die Czardasfürstin) mitgewirkt.117 Auch wenn Lüthge, dem Kay Weniger bescheinigt, »einer der fleißigsten Kino-Schreiber des anspruchslosen, heimischen Unterhaltungskinos« zu sein,118 vor allem auf die neuen Möglichkeiten des Farbfilms verweist, ist das Remakekorpus der frühen 1950er Jahre analog zur Gesamtfilmproduktion noch schwarzweiß dominiert. Nach der Verfilmung von Grün ist die Heide und Schwarzwaldmädel folgen erst ab 1952 wieder Remakes in Farbe: Ferien vom Ich und Im weissen Rössl.119 2.1.1 Personalkontinuitäten Die Aussage Lüthges, an den Drehbuchneubearbeitungen seiner Erfolgsfilme beteiligt gewesen zu sein, lässt sich mit Blick auf die Remakes am Beginn der Dekade verallgemeinern. Auffällig viele Remakes werden mit Beteiligten des Filmstabs vom Vorgängerfilm realisiert: Joe Stöckel, Wolfgang Liebeneiner, Hans Deppe und Georg Jacoby inszenieren eigene vergangene Regiearbeiten

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Wien und zahlreiche einzelne Universitätsarchive (v. a. Filmuniversität Potsdam, Leuphana-Universität Lüneberg und die Universität Oldenburg). Einige Remakes konnte ich selbst im Fernsehen mitschneiden bzw. sie sind mittlerweile auf DVD erhältlich. Die Filmprotokolle waren ein unverzichtbarer Bestandteil der Arbeit. Das spätere Schreiben über die Filme dagegen war im Detail erheblich genauer, wenn ich über Kopien verfügte. Vorschlag des Rezensenten der Reprise, vgl. »Friedrich Schiller«, in: EFB, Nr. 28, 9. 7. 1953, 5. Jg. Bobby E. Lüthge: »Remaking«, in: Filmblätter, Nr. 51/52, 21. 12. 1951, o. Jg. Den Hinweis auf den Artikel Lüthges verdanke ich Joseph Garncarz, vgl. Garncarz 2013, S. 84. Bobby E. Lüthge: »Remaking«, in: Filmblätter, Nr. 51/52, 21. 12. 1951, o. Jg. Auch für Drei Tage Mittelarrest (1930, Bosse) wird Lüthge sein Drehbuch für das gleichnamige Remake (1955, G. Jacoby) umarbeiten. Weniger 2001, Bd. 5, S. 146. Remakes nach Farbe und Schwarzweiß, vgl. I 5.3 Technik: Schwarzweiß und Farbe, S. 121– 124.

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neu.120 Unter der Regie von Georg Jacoby entstehen Operetten wiederum mit der Hauptdarstellerin Marikka Rökk, vor und hinter der Kamera werden weitere Kontinuitäten offenbar.121 Hans Schweikart dreht nun die zweite Verfilmung seines Bühnenstücks Lauter Lügen.122 Darüber hinaus scheinen Remakes auch als Debütfilme für neugegründete Produktionsfirmen attraktiv gewesen zu sein. Rolf Hansen inszenierte und produzierte mit seiner Rolf Hansen-Film GmbH 1950 mit Föhn als ersten Film nach 1945 das Remake von Die weisse Hölle vom Piz Palü (1935, Arnold Fanck). Statt Leni Riefenstahl spielt nun die Liselotte Pulver die weibliche Hauptrolle, statt Ernst Petersen Adrian Hoven und Hans Albers statt Gustav Dießl. Hinter der Kamera steht wieder Richard Angst, der auch 1929 fotografierte.123 Sehr erfolgreich scheint der Film nicht gewesen zu sein, bereits das Film-Echo mutmaßte vorsichtig: »Gutes durchschnittliches Geschäft in Stadt und Land ist als sicher anzunehmen.«124 Möglicherweise aber war auch die Auswertung des Vorgängerfilms, der im Verleihprogramm 1949/50 ebenfalls auftaucht,125 problematisch. Es blieb jedenfalls der einzige Film der Firma.126 Das Remake von Ferien vom Ich (1952/1934) war der erste Film der H.D.Film GmbH, gegründet von Hans Deppe, dem Regisseur der erfolgreichen Heimatfilme am Beginn der 1950er Jahre. Ferien vom Ich erklomm Platz drei der Erfolgsfilme im Verleihjahr 1952/53.127 Ebenso erfolgreich nimmt die Anfang 1950 gegründete Peter-Ostermayr-Film GmbH die Neuverfilmungen von 120 Wenn eine Frau liebt (1950/1937 Versprich mir nichts, Liebeneiner), Die Czardasfürstin (1951/1934, Jacoby), Ferien vom Ich (1934/1952, Deppe), Zwei in einem Anzug (1950/1934, Stöckel). Stöckel war bei beiden Verfilmungen auch am Drehbuch beteiligt. 121 In Die Czardasfürstin (1951) spielt neben Rökk Johannes Heesters, hinter der Kamera steht Bruno Mondi. In Maske in Blau (1953) spielt neben ihr Paul Hubschmid, hinter der Kamera wiederum Mondi. 122 Lauter Lügen wurde am 19. 9. 1937 im Staatstheater Berlin (Kleines Haus) uraufgeführt, vgl. Deutsches Bühnenjahrbuch 1939, S. 70. Bereits am 23. 12. 1938 feierte die gleichnamige Verfilmung – unter der Regie und in der Hauptrolle Heinz Rühmann – in Hamburg Premiere. 1953 drehte Schweikart selbst das Remake unter dem Titel Muss man sich gleich scheiden lassen? 123 Die verwirrenden Jahresangaben kommen daher, dass Die weiße Hölle vom Piz Palü bereits 1929 als Stummfilm gedreht wurde und 1935 in einer mit Musik und Ton unterlegten Fassung uraufgeführt wird, vgl. Klaus 1995 S. 201. 124 [KFS]: »Föhn«, in: FE, NR. 40, 4. 11. 1950, 4. Jg. 125 Im Verleih der Deutschen Commerz-Film GmbH in München, Frankfurt am Main und Düsseldorf, vgl. »Verleihprogramm 1949/50«, in: FE, März 1950, S. 19. 126 Filmstatistisches Jahrbuch 1954/55, S. 17, Filmstatistisches Jahrbuch 1955/56, S. 9. 127 Garncarz 2013, S. 188. Die Hans Deppe-Film GmbH (H. D.-Film GmbH, Berlin) produzierte 1957 ihre letzten Filme, sie begann ihre Produktionstätigkeit 1952, stellte 1955 immerhin bereits fünf Filme her, darunter auch die Remakes Heideschulmeister Uwe Karsten (1954, Deppe) und Der Pfarrer von Kirchfeld (1955, Deppe), vgl. Filmstatistisches Jahrbuch 1955/56, S. 9.

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Ganghofer-Stücken und -Romanen gleich zu Beginn der 1950er Jahre mit dem Remake von Der Geigenmacher von Mittenwald (1950/1933) zunächst in Schwarzweiß, wenig später mit Der Klosterjäger (1953/1935) in Agfacolor wieder auf.128 Neben den Ganghofer-Stoffen produziert sie auch das Remake von Der Ehestreik (1935/1953), eine Neuverfilmung des Schwanks von Julius Pohl, der den Kampf der Geschlechter im bayrischen Dorf verhandelt.129 In beiden letztgenannten Remakes spielt Erich Auer die Hauptrolle.

2.1.2 Genres Mit den von Lüthge genannten Filmen und diesen ersten Aufzählungen ist auch das Genrespektrum der frühen Remakes umrissen: Bemerkenswert viele Neuauflagen populärer Operetten und Komödien, die auffällig oft im ländlichen Milieu verankert sind. Die Ausnahme bestätigt die Regel: Abenteuer in Wien (1952 A/USA), auch als amerikanische Version gedreht (Stolen Identity) mit deutlichen Bezügen zum Film Noir.130 Die Wiederaufnahmen korrespondieren sowohl mit den Tendenzen der Referenztexte als auch mit den retrospektiven Einschätzungen des Publikumsgeschmacks durch die Filmverleiher, die für das Verleihjahr 1951/52 bemerken: »Aufkommen des Heimatfilmes bei gleichzeitiger Führungsposition der Operette«.131 Mitte der 1950er Jahre sinkt die Popularität der Operettenverfilmungen.132 Die Remakes, die bis 1953 gedreht werden, bestätigen diese allgemeine Einschätzung zunächst: Im weitesten Sinne finden sich Heimatfilme ebenso 128 Roeber / Jacoby 1973, S. 216. Ausführlich zu Ostermayr, vgl. III. 3.1 Ludwig Ganghofers Filmproduzent Peter Ostermayr, S. 355–358. 129 Das Theaterstück wurde am 3. 4. 1934 in Wien uraufgeführt, vgl. Schulz o. J., S. 33. Die erste Verfilmung unter der Regie von Georg Jacoby hatte bereits 1935 Premiere. Laut den Akten der Deutschen Filmvertriebsgesellschaft (DFV) vermerkte die Ufa, dass die Rechte nicht abgelaufen seien, besaß aber auch keine Vertragsunterlagen. Gemäß der Vereinbarung Ufa/ Herrn Ostermayr Film vom 17.6.53 zahlt Ostermayr als Abgeltung der Ufa AG für den 35 hergestellten Film zustehende Auswertungsrechte DM 8.000, vgl. »Aufstellung Manuskripte, Rechte der UFA i.L.«, BArch R 109 I, 4656, o. S. 130 Sowohl Ich war Jack Mortimer (1935, Froelich) als auch Abenteuer in Wien entstanden nach dem 1933 erschienenen Roman von Alexander Hernet-Holenia und sind filmhistorisch solide – wenn auch unabhängig voneinander – erforscht und weisen beide Film Noir-Elemente auf, vgl. Loacker 2005, Beyer 2016. Das Remake verlegt die Handlung nach Wien in der Silvesternacht 1951/52 und lässt von der Romanvorlage »nur noch ein Gerippe« übrig, Kamps 2005, S. 61. Kamps vergleicht die beiden Sprachversionen und die Vorlage ausführlich. In dem von Armin Loacker herausgegebenen Band zur DVD finden sich auch Beiträge zu Kamera, Filmmusik, Produktionsgeschichte u.v.m. 131 [H.R.B.]: »Der deutsche Publikumsgeschmack. Versuch einer marktanalytischen Übersicht von 1950 bis 1956«, in: FE, Nr. 71, 5. 9. 1956, 10. Jg., S. 1. 132 Sie erfreuen sich 1953/54 in der Erweiterung »musikalischer Film« letztmalig derart großer Beliebtheit beim Publikum, vgl. ebd.

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stark repräsentiert wie Neuverfilmungen von Operetten. Weniger erfolgreich, aber quantitativ dennoch stark vertreten, sind jedoch neu verfilmte Komödien. Zahlreiche Remakes des Genres Heimatfilm verhandeln und inszenieren die zeitgenössische Gegenwart, während der einzige historische Film des Genres, Der Klosterjäger (1953), seine geschichtliche Verortung auffällig dezent umsetzt. Doch auch zahlreiche neuverfilmte Komödien folgen einem Konzept unspezifischer zeitlicher Verortung. Jene komischen Filme aber, in denen die Entstehungszeit inszeniert wird, haben die gleichen Themen: Am Beginn des Jahrzehnts dominieren die Ehe- und Familienkonflikte. Daneben sind zwei weitere Motive auffällig: Geld und US-Amerikaner werden – höchst unterschiedlich – verhandelt und inszeniert. 2.1.3 Aktualisierungen im frühen Heimatfilm: Inszenierungen der Nachkriegszeit Insbesondere bei den frühen Heimatfilmen fällt auf, dass sie nicht nur regional in deutschen Landschaften verortet sind, sondern auch zeitlich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg spielen. Die Handlungszeit wird also gegenüber den Vorgängerfilmen explizit aktualisiert: Die Bezüge im Schwarzwaldmädel (1950, Hans Deppe) und in Grün ist die Heide (1951, Deppe) zu ihrer Entstehungszeit wurden nicht nur in der filmhistorischen Literatur reflektiert und genau vorgestellt.133 Während in Grün ist die Heide bereits durch die Veränderungen der Filmfiguren die Aktualisierung und Reaktion auf die Nachkriegszeit unbestritten ist, deutet Kaspar Maase den Ford Taunus Cabriolet, den Bärbele am Beginn gewinnt und sodann selbst fährt, in seiner Präsenz als einen Verweis auf »eine moderne Lebensauffassung mit hohem Stellenwert von Genuss und Selbstverwirklichung«.134 Diese ästhetische Präsenz des Neuen ist auch in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953, Rudolf Schündler) zu beobachten, dem Erfolgsfilm des Verleihjahres 1953/54.135 Der Film beginnt mit einem Jazzkonzert des Trompeters Johnny (Walter Müller) vor einer großen Zahl Jugendlicher. Die »Boogie-Woogie-Gemeinde« tanzt ausgelassen.136 Anders etwa als der Revueauftakt in Schwarzwaldmädel beginnt dieser Film mit Aufnahmen der zeitgenössischen Jugendkultur und interessanterweise zugleich mit einer Inszenierung von Massen- und Tanzkultur (Abb. 3–5). 133 134 135 136

Vgl. u. a. Strobel 1990, Segeberg 2009a, von Moltke 2005, S. 78ff. Maase 2010, S. 71. Garncarz 2013, S. 188. In der Berichterstattung über den Dreh werden diese jungen Komparsen als »zünftig kostümierte Jazz-Fans und Mitglieder eines Froogie-Klubs« beschrieben, [G. H.]: »Jazzbegeisterung bei Tropenhitze«, in: FE, Nr. 28, 11. 7. 1953, 7. Jg.

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Abb. 3–5: Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953): Konzert des Trompeters Johnny, »Masse« der Besucher und Tanz der Jugendlichen

Vor dem Finanzamt und seinem wenig hilfsbereiten Agenten (Oskar Sima) flieht Johnny aufs Land. 1933 reiste eine Vertreterin der bürgerlichen Kultur, die Schriftstellerin Gerda Lansberg. Beide Filme verhandeln sodann die gleiche Liebesgeschichte.137 Der arme Holzfäller Martin (1953 Rudolf Prack) liebt die schöne Kathi (1953 Ingeborg Körner), Tochter des Gutsherrn und Pferdezüchters Ertl (Hans Stüwe), die jedoch vom reichen Holzwerkbesitzer Bruckner (O. E. Hasse) umworben wird und durch die Ehe mit Bruckner das Gestüt des Vaters vor dem Ruin retten könnte. Die Liebe ist stärker : Bruckner ist zwar mit eigenen Worten »düpiert«, aber am Ende Geschäftsfreund des Vaters. Ertl nämlich steckt in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Seine Hoffnung ruht auf dem Sieg eines Pferdes beim Derby in Baden-Baden. Das Pferd gewinnt, aber es war gedopt und eine Untersuchung beginnt. Selbstverständlich war es nicht Ertl, sondern sein 137 Im Vorgängerfilm findet sich eine ähnliche Grundkonstellation: Armer Bauer liebt die Tochter des Gutsbesitzers, um die jedoch hier der einflussreiche Gutsverwalter wirbt. Die finanziellen Probleme rühren auch im Vorgängerfilm vom Betrug des Verwalters her, der aber nicht wie im Remake der Bruder des Gutsbesitzers ist. Zudem ist der Betrug hier nur möglich, weil der Herr selbst kein Interesse für die Belange seines Besitzes zeigt und damit das Unglück des Dorfes mitverschuldet, vgl. Klaus 1992, S. 216. Im Remake wird die Geschichte um den verschuldeten Hof auf die Familie verengt.

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zwielichtiger Bruder (Fritz Wagner), der ob seiner Wettschulden bereits die Zahlungsschwierigkeiten des Guts verantwortete. Als Bruckner das aufklären kann, naht das happy end. Der zwielichtige Bruder reist ab, Kati darf Martin heiraten und auch Trompeter Johnny erobert das Mädchen Rosamunde/Rosl (Maria Sebaldt), das als seine Ehefrau mit ihm auf Tournee gehen wird. Die neu bearbeitete Handlung klingt nicht nur seltsam, sie wurde auch in jeder Filmkritik angegriffen.138 Tatsächlich ist der Film nicht von einer stringenten Handlungsführung als vielmehr von Schauwerten und ausgiebigen Musiknummern geprägt. Das Remake aktualisiert mit der Jazznummer zu Beginn, die in der anschließenden Szene sogleich zwischen Amerika und Deutschland verortet wird. Johnny gibt bei seinen Fans an, die Technik von Louis Armstrong, die Puste vom eigenen Vater zu haben. Hier findet sich ein Statement in der Ambivalenz zwischen Tradition und Moderne, zwischen den USA und Deutschland sowie eine ähnlich positive Zeichnung Amerikas mit der Betonung der (deutschen) Familie, wie sie auch mit dem Protagonisten von Ferien vom Ich (1952, Deppe) erscheinen wird. Das musikalische Spektrum wird im Laufe des Films in jede Richtung erweitert: vom Konzert über den sentimentalen Schlager der Vagabunden (»Meine Heimat ist die ganze Welt, bin dort zu Hause, wo es mir gefällt«) bis »Kein schöner Land in dieser Zeit«, einem der wichtigen Lieder der Wandervogelbewegung. Die Lieder korrespondieren mit den Bildern des Films, ironische Brüche fehlen. Auffällig dagegen ist die Verhandlung der Nachkriegs- und Kriegszeit: Als sich die Freunde wieder treffen, stellt sich Johnny heiter als Flüchtling vor, als »Flüchtling vor dem Finanzamt«. Dagegen setzt Martin seine Lebensgeschichte, die aber nur verbal angerissen wird: Er erzählt, dass er nach der Vertreibung Holzfäller wurde, denn 138 Georg Herzberg vergleicht den Film mit Grün ist die Heide und kritisiert sowohl die fehlende Entwicklung der Liebesgeschichte als auch die Dramaturgie insgesamt, vgl. [G. H.]: »Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt«, in: FE, Nr. 40, 3. 10. 1953, 7. Jg. Die Kritik im Film-Dienst ist sehr kurz. Kritisiert werden überflüssige Pikanterien und die fehlende Bestrafung des kriminellen Bruders, vgl. »Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt«, in: FD, Nr. 38, 9. 10. 1953, 6. Jg. Der protestantische Kritiker wird grundsätzlicher : »Was hier angekreidet werden muß, ist die unerträgliche Leichtfertigkeit und Verantwortungslosigkeit der Atmosphäre. Betrüger und Verschwender, Herzensbrecher und Spekulanten sind leuchtende Helden, Tagediebe werden bewundert, die Arbeit hat überhaupt keinen Sitz im Leben oder sie erscheint als romantische Kulisse für einen Trupp volksliedersingender Schauspieler in der Tracht der Schwarzwälderinnen. Die Ehrenmänner aber vertuschen mit Gönnermiene und Haltung die dunkelsten Sachen, damit ›der Rasen grün bleibt‹«, »Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt«, in: EFB, Nr. 41, 8. 10. 1953, 5. Jg. Im Editorial weist die Begeisterung bei der Uraufführung in der Essener Lichtburg die problematische »Psychologie der Massen« aus, vgl. ebd. Verleih und Produktionsfirma scheinen das Presse-Echo antizipiert zu haben, zur Premiere war laut Film-Telegramm die Tagespresse nicht eingeladen, vgl. »Telegramm – Wochenschau«, in: FTG, Nr. 33, 29. 9. 1953, 1. Jg.

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»nachher war’ schwer wieder als Landwirt unterzukommen«. Offensichtlich tapfer arbeitet er nun in der Fremde. Doch entwickelt der Film en passant die Vertreibungsgeschichte weiter : Martin verzichtet im Gespräch mit Kathi auf ihre Liebe, weil sie ihm gestand, dass Bruckner den Hof retten könne: »Könntest du glücklich sein, wenn dein Vater von Haus und Hof vertrieben würde? Ich habe es durchgemacht, ich weiß, was es heißt.« Die Vertreibung wird im Remake zur Handlungsmotivation des Protagonisten, der nicht um die geliebte Frau kämpft, sondern eher düster vor sich hin starrt.139 Dieser männliche Liebhaber ist eine vom Leben gezeichnete Figur, die weder aktive noch heroische Züge entfaltet. Seine positiven Eigenschaften sind vor allem Fleiß, Duldsamkeit und die Sorge um das Mädchen, das er liebt. Ein Jahr zuvor spielte Rudolf Prack eine weit weniger komplizierte Figur, den amerikanischen Geschäftsmann Mr. Steffenson. Doch auch er litt, hier jedoch körperlich unter der Hektik seines Berufs. Nach dem Roman von Paul Keller, hinsichtlich der Handlungsführung jedoch eher dem Vorgängerfilm von 1934 verpflichtet,140 verhandelt Ferien vom Ich (1952, Deppe) die Geschichte des amerikanischen Geschäftsmanns, dem vom besorgten deutschen Arzt (Willy Fritsch) Ruhe verordnet wird. Da eine Auszeit für einen derart prominenten und wichtigen Mann unmöglich ist, finanziert er dem Arzt einen langgehegten Traum: Die Errichtung eines Heims in der Natur, in der die Kurgäste neue Identitäten bekommen, arbeiten und damit Abstand finden von der Hektik und den Gewohnheiten des Alltags. Realisiert wird das Projekt auf dem Gut der verarmten Eva von Dornberg (Marianne Hold), in die sich Steffenson verlieben und die er – trotz der Intrigen seines Sekretärs Stone (Werner Fuetterer) – heiraten wird. In Ferien vom Ich stellen vor allem Brillen und Kostüme in den Szenen, die am Beginn im Hotel spielen, die Mode der 1950er Jahre aus. Ein wichtiges Detail verändert das Remake gegenüber dem Vorgängerfilm: Steffenson gibt nun keine Anzeige mehr auf, um das Gut ausfindig zu machen, sondern sein eigener Urgroßvater hat bis zu seiner Auswanderung 1848 als freier Bauer dort gelebt und an die Herrschaft Dornberg-Lippe verkauft. Jahr und Ereignisse lassen sich auch darum so genau schildern, da zu einem späteren Zeitpunkt im Film der Vorgang urkundlich belegt und erklärt wird. Am Beginn des Films aber erwidert Dr. Hartung auf die sentimentale Familiengeschichte aus 139 Vor allem die Szene im Wirtshaus zeigt die Passivität und das Leiden Martins: Er wartet verbissen vor sich hin starrend auf Kati. Als sie von Bruckner okkupiert wird, verlässt er das Lokal. Kati ist es, die ihm nachläuft. Ähnlich passiv und hilflos wirkt auch Katis Vater vor den Forderungen der Bank und des Gestüts. Das ist im Vergleich mit dem Vorgängerfilm auch darum so auffällig, weil in diesem der Graf bewusst ob seiner Leidenschaft für Astronomie seine Pflichten verletzte. 140 Der gleichnamige Roman erzählt eine sehr viel komplexere Familiengeschichte, innerhalb derer unter anderem die Gründung und der Aufbau des Heimes geschieht, vgl. Keller o. J.

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dem 19. Jahrhundert launig: »Es kommen jetzt viele ihrer Landsleute nach Europa und besuchen ihre alte Heimat.« Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nach der Verfolgung, Ermordung und erzwungenen Emigration von Millionen Menschen ist diese Bemerkung bestenfalls ein hässlicher Euphemismus. Aus Verfolgten werden Besucher, aus Besatzern oder Befreiern nostalgische Touristen.141 Der Kommentar kann explizit auch als Überschreibungs- und Verdrängungsindiz verstanden werden; inmitten der außenpolitischen und kulturell problematischen Annäherung an die USA werden gemeinsame Wurzeln betont. Das ländliche Idyll, in das Mr. Steffenson »zurückkehrt«, erscheint dagegen der Zeit enthoben. Die Szenen der Heuernte in Trachten, die Einheitskleidung aller Urlauber des Erholungsheims, Natur und Pferdewagen bilden den Kontrast zur Modernität des Hotels, den Gegenpart zur großstädtischen Hektik. Dieser inszenierte Kontrast zwischen der der Zeit enthobenen Landschaft und der in der Zeit verankerten hektischen Stadt verweist nur auf den ersten Blick ins 19. Jahrhundert zurück. Vielmehr manifestiert sich in Ferien vom Ich ein Erholungsraum, der die modernen Menschen dazu bringt, gestärkt in den Alltag zurückzukehren. Das Landleben ist keine Alternative, die Stadt aber entsprechend auch weitaus weniger negativ besetzt, wie es etwa Jürgen Trimborn für die von ihm untersuchten Heimatfilme belegt.142 In einem anderen Bereich aber wird ebenfalls beiläufig ein Dualismus eröffnet: jener zwischen Arbeit und Geschäft. Die überforderten Städter erholen sich nämlich bei der Arbeit auf dem Lande von ihren anstrengenden Alltagstätigkeiten und Geschäften.143 Daran lässt sich sicherlich Modernisierungskritik festmachen, mindestens jedoch die Idealisierung bäuerlicher Arbeit. Dabei muss man einräumen, dass dieser 141 Ähnliche Vorgänge finden sich in der Komödie Zwei in einem Anzug (1950, Stöckel). Hier ist es die glückliche Schwabinger Zeit, die der amerikanische Vater nostalgisch erinnert. Anders als in Ferien vom Ich gab es diese Geschichte bereits im Vorgängerfilm Mit dir durch dick und dünn (1934, Stöckel). Bemerkenswert ist die Fahrt der amerikanischen Millionärsfamilie durch das zerstörte München: das Hoftheater – Ruine, das Siegestor – ein »Trümmerhaufen«. Optimistisch kommentiert der Besucher : »Aber die Münchener mit ihrem Auftrieb schaffen das schon.« 142 Trimborn konstatiert einen klaren Antagonismus, die »Polarisierung und Schwarz-WeißDarstellung [von Stadt und Land, S.M.F.], die Häufung positiver Werte auf der einen und negativer Werte auf der anderen Seite«, vgl. Trimborn 1998, S. 48. Einschränkend muss jedoch betont werden, dass Trimborn lediglich zehn Filme untersucht, die er als »repräsentativen Querschnitt« behauptet, aber nur knapp begründet, ebd. S. 27. Vielhaber kritisiert sehr zu Recht, dass bei ihm (und auch in anderen Arbeiten) die Filme nicht nach dem Publikumserfolg, ausgewählt wurden, vgl. Vielhaber 2012, S. 31f. 143 Besonders der Nebenhandlungsstrang um den hypernervösen Notar (Paul Henckel) führt vor, wie er durch die Landarbeit Ruhe findet. Der Dackel, den er am Ende des Films geschenkt bekommt, stellt seine neugewonnene Gelassenheit auf die Probe und bietet Gelegenheit, sie zu beweisen.

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Antagonismus bereits grundlegend für den Vorgängerfilm von 1934 war, anders als die Veränderungen der Hauptfigur ist er kein Spezifikum des Remakes, sondern beide Filme rekurrieren ohne nennenswerte Unterschiede auf eine Idealvorstellung von nicht entfremdeter Arbeit. Ferien vom Ich und Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt mit Rudolf Prack in der Hauptrolle sind – neben Schwarzwaldmädel und Der Klosterjäger – die erfolgreichsten Remakes, die bis einschließlich 1953 uraufgeführt wurden. Es fällt auf, dass es durchweg Farbfilme sind, wobei die Verhandlung und Inszenierung der Zeit überaus unterschiedlich ist. Ein letzter Verweis auf die Nachkriegszeit, wenn auch überaus diskret und gänzlich ohne dramaturgische Relevanz, findet sich in Föhn (1950, Rolf Hansen). Hier erklärt der junge Protagonist Peter seiner Frau Maria, als sie entsetzt über das Auftauchen einer verschollenen Leiche aus dem Gebirge ist, er hätte im Krieg genug Tote gesehen. Der erlebte Krieg manifestiert sich in einer kurzen Bemerkung zur persönlichen Geschichte, die Ausstattung und Inszenierung des Films knüpfen eher an die Bergfilme der 1930er Jahre an. Insgesamt lassen sich in den Remakes des frühen Heimatfilms also zunächst drei Formen der Verortung in der Nachkriegszeit konstatieren: Dialoganspielungen auf die Teilnahme am Weltkrieg und auf Vertreibung durch die männlichen Protagonisten, ein zunehmendes Spektrum der verwendeten Musik und Aktualisierungen in der Ausstattung und Kostümierung der Darsteller. Die letzten beiden Merkmale aber sind die auffälligeren, was mit Blick auf historische Filme und Komödien noch einmal deutlich werden wird. Das korrespondiert mit dem Spektrum der Operetten: Offensiv in Bezug auf die Ausstattung und Inszenierung in der Nachkriegszeit verortet sind auch farbige Operettenverfilmungen wie Die Czardasfürstin (1951, Georg Jacoby), Maske in Blau (1953, Jacoby) oder Saison in Salzburg (1952, Ernst Marischka).144 Ebenso finden sich Operetten, die – wie die Vorlagen – in der Monarchie spielen, etwa Der Vogelhändler (1953, Arthur Maria Rabenalt) und Im weissen Rössl (1952, Willi Forst), dessen Vorstellung Kamps ironisch überschreibt: »Der Kaiser ist wieder da«.145 Im Vorgängerfilm fehlte der Monarch. 144 Maske in Blau beginnt mit Aufnahmen Roms, sowohl der Sehenswürdigkeiten als auch Stadtaufnahmen mit fahrenden Autos, die aus dem Off kommentiert werden und zugleich den Zeitsprung verdeutlichen: War früher das Kolosseum der Vergnügungsort der Römer, ist es nun das Teatro Sistina, in dem Varady laut Plakat in »Masca in Blue« auftritt. In Die Czardasfürstin ist es nicht nur die Ausstattung des Hotels, sondern zugleich ein Accessoire, das überdeutlich in Szene gesetzt auf die Zeit verweist: Stasis Brille. 145 Kamps 2003, S. 479. In der Literatur finden sich Vergleiche der Verfilmungen von Im weissen Rössl mit unterschiedlichen Fragestellungen, vgl. u. a. Kamps 2003, Clarke 2006, Schulz 2012, S. 110ff.

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2.1.4 (Historische) Verfilmungen ohne Geschichte Zwei andere Ostermayr-Produktionen des Heimatfilmgenres, Der Ehestreik (1953, Joe Stöckel) und Der Klosterjäger (1953, Harald Reinl), verbergen ihre Handlungs- und Entstehungszeit zunächst auffällig. Der Klosterjäger spielt im Mittelalter und ist regional im Berchtesgadener Land angesiedelt, dem Roman Ludwig Ganghofers entnommen.146 Das adelige und kirchliche Personal sowie sämtliche Konflikte würden bei einer Aktualisierung obsolet, dem Erfolg des Farbfilms hat das diskrete historische Setting nicht geschadet.147 Dabei ist er weit entfernt von den Ausstattungen späterer Kostümfilme. Im Film wird die Geschichte der schönen Gittli (Marianne Koch) erzählt, die den Klosterjäger Haymo (Erich Auer) liebt. Ihr Bruder Wolfrat (Kurt Heintel) wird aus Armut und Sorge um seine sterbende Tochter Vroni zum Wilderer und verletzt beim unerlaubten Jagen den Klosterjäger schwer. Gittli pflegt ihn, der Bruder büßt, indem er Haymo im Kampf mit einem Bären das Leben rettet. Dabei stellt sich heraus, dass Gittli kein Bauernkind ist, sondern die geraubte Tochter des Grafen Dietwald (Paul Richter).148 Als Adelige aber kann Gittli Haymo nicht heiraten. Entsetzt stellt Haymo fest: »Gittli – ein Herrenkind!«, Abblende.149 In einer letzten Wendung der Handlung aber erkennt der Vater nach der Flucht der Tochter aus dem Kloster, dass er ihrem Glück nicht im Weg stehen darf und der gütige Probst Heinrich von Inzingen (Paul Hartmann) ernennt den Klosterjäger zum Wildmeister.150 In Bezug auf die Inszenierung und Verhandlung der Zeit fällt im Vergleich zum Vorgängerfilm auf, dass das Remake enorm diskret erscheint. Die Einführung des Lehnsherren und Kirchenfürsten Heinrich, den Friedrich Ulmer spielte, war 1935 deutlich mehr in kriegerische Konflikte und 146 Ganghofer 1985. 147 Der Klosterjäger schafft es auf Platz 5 der Top Ten des Verleihjahres 1953/54, vgl. Garncarz 2013, S. 188. 148 Paul Richter war im Vorgängerfilm noch jugendlicher Liebhaber, nämlich der Klosterjäger. 149 Auch hier offenbart sich eine Differenz zur Verfilmung von 1935, in der Haymo beim (vorläufigen) Abschied Gittli tröstet: »Aufbegehrt hab ich getobt […] Ich hab einsehen müssen, dass es besser für dich ist, wenn du gehst, dass es dein Glück ist.« Stattdessen kündigt er die Arbeit als Klosterjäger : »Es ist um Gittli. Ich kann hier nimmer bleiben, wenn sie fort ist, jeder Baum, hier jeder Stein erinnert mich an sie.« In beiden Verfilmungen flieht Gittli aus dem Kloster zu ihm (im Roman auf die Nachricht Zenzas, Haymo stürbe) und der Vater erklärt sich einverstanden mit der Hochzeit. Interessant an diesen kleinen Veränderungen ist, dass der Protagonist 1935 aktiver erscheint und zwar in Bezug auf seine Verantwortung dem Mädchen gegenüber. Im Roman dagegen erfährt Gittli ihre Herkunft erst am Abend vor der Hochzeit, die Alten tragen die Verantwortung, vgl. Ganghofer 1985, S. 427. 150 Was hier im Wandel offenbar wird: 1935 verzichtet der Mann freiwillig (und gefasst) um des Glücks der geliebten Frau willen. Im Remake ist er entsetzt und verzweifelt. Diese kleinen Veränderungen sollte man sicher nicht überbewerten und doch verweisen sie auf eine weniger disziplinierte und mehr gefühlsbetonte Möglichkeit männlicher Reaktion.

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Deutschtum eingebunden, zumal der Film 1935 mit der Ankunft Dietwalds und den Reden Heinrichs beginnt, die allerdings fast wörtlich dem Roman entnommen sind, nicht aber an dessen Beginn stehen.151 Diese Passagen und der Hintergrund des Krieges fehlen 1953 gänzlich. Nun ist die zerstörte Burg des Grafen Dietwald vor allem ein psychologisches Problem ohne verständliche Verankerung in der Dramaturgie.152 Im Kontext der Bekanntheit des GanghoferRomans könnte man diese als beim Publikum bekannt voraussetzen.153 Ohne dessen Kenntnis aber begegnet dem Zuschauer im Remake mit Dietwald eine Figur, die fast zwanghaft ihr verlorenes Kind sucht (und findet) und die so eine Projektionsfläche für Verlusterfahrungen bietet. Deutlich aufgewertet wurde im Remake außerdem die Geschichte des Vogts (Karl Skraup) und seiner dominanten Frau Cäcilia (Margarete Haagen). Im Vorgängerfilm taucht diese relativ spät in einer kurzen Szene auf, aber die starke Frau war nicht negativ besetzt und musste sich vor allem final nicht der männlichen Autorität fügen.154 Allerdings ist dieser Nebenhandlungsstrang keine Erfindung der 1950er-Jahre-Verfilmung: In Ganghofers Vorlage nimmt der Zorn des Vogts, der durch die herrische Cäcilia verursacht wird, breiten Erzählraum ein, sehr viel

151 Der Film beginnt mit der Rückkehr Dietwalds, die im Roman am Ende steht: Heinrich schickte ihn, den Papst aufzusuchen, vgl. Ganghofer 1985, S. 352f. Dietwald dankt in der Verfilmung Heinrich im Namen des Kaisers, Heinrich wird gedankt, dass er für diesen eingetreten sei, »als trüget Ihr noch Rüstung und Schwert«. Dietwald bringt die Nachricht, der Kaiser sei noch im Bann und die Kirchen sollten geschlossen werden. Heinrich antwortet resolut: »Ich werde die Kirchen nicht schließen lassen, weil meine deutschen Bauern die Sakramente brauchen. Denn ich, Heinrich von Inzing, bin ein deutscher Kirchenfürst und für mich soll jeder Mann erst deutsch sein und dann kirchlich.« Im Roman findet sich eine ähnliche Rede, vgl. ebd. S. 288. Allerdings spart sie im Beginn das Attribut deutsch aus. Im Kontext der Entstehungszeit ist die Passage nicht anders als nationalistisch und kritisch in Bezug auf konfessionelle Auseinandersetzungen zu verstehen. 152 Dietwalds Geschichte wird am Beginn des Films erzählt. Interessant dabei ist, wie stark die Inszenierung Dietwalds Leiden und zwanghafte Suche betont. 1935 verordnete Heinrich Dietwald einfach »ora et labora« in der Landschaft und durch Zufall begegnete er Gittli. Auch im Roman ist er bereits Mönch geworden und sichtlich gezeichnet vom Schicksal, vgl. u. a. Ganghofer 1985, S. 31 und 167ff. Das Remake räumt dem Leiden des Vaters deutlich mehr Raum ein. 153 Im Roman stehen die historischen Schlachten stärker im Mittelpunkt. Das lässt sich u. a. daran festmachen, dass Dietwald den Verlust von Frau und Kindern erleben muss, nachdem er für Ludwig in der Schlacht am Ampfinger Tag kämpfte und der Überfall auf seine Burg eine Racheaktion nach der Schlacht ist, vgl. Ganghofer 1985, S. 354ff. Bemerkenswert ist in Bezug auf die Figurenzeichnung, dass im Roman Wolfrat seine Unschuld am frevelhaften Überfall auf Dietwalds Burg betont, vgl. ebd. S. 355ff. Beide Verfilmungen sparen Wolfrats Verantwortung am Verbrechen, das die Kriegsknechte mit dem Überfall auf die Burg begingen, aus. 154 Im Gegenteil: Der Egge-Bauer, dessen Frau schwer erkrankt ist, betont: »Mit fehlt ihr Geschimpfe wie’s liebe Brot, seit sie krank im Bett liegt.« Die Geschichte des Vogts und seiner Frau wird nicht mehr aufgenommen.

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ernsthafter als im Film, in dem die Szenen ins Komische übersteigert werden.155 Der Vorgängerfilm blendete diese Episoden aus, das Remake nimmt sie wieder auf, was sowohl Zuwendung zur Romanvorlage als auch Erneuerung des Motivs ist. Denn dominante Frauen, die von ihren schwachen Männern gebändigt werden müssen, finden sich auch in Nebenhandlungssträngen anderer Remakes.156 Der diskrete Umgang dieses Remakes mit der historischen Zeit hat sein Pendant in einigen Komödien der frühen 1950er Jahre, die ihre Handlunsgzeit verbergen und in Bezug auf diese Diskretion der Inszenierung und Verhandlung von Zeit tatsächlich die These einer Kontinuität über 1945 hinaus zu bestätigen scheinen: In Der Ehestreik (1953, Joe Stöckel) wird der Aufstand der Frauen eines bayrischen Dorfes gegen den Wirtshausbesuch ihrer Männer inszeniert, den vermeintlich die neue Kellnerin Hanni (Gabriele Reismüller) auslöst. Aufgestachelt werden die Frauen von der (unverheirateten) Krämerin des Dorfes. Selbst die glückliche junge Ehe des Dorfschmieds Ludwig (Erich Auer) mit seiner Frau Peppi (Lore Frisch) und die langjährige ihrer Schwiegereltern (Elise Aulinger und Wastl Witt) wird erschüttert und die Dominanz der alten Hausfrau infragegestellt.157 Am Ende müssen alle Frauen erkennen, dass ihr Misstrauen unberechtigt war, die Krämerin (Barbara Gallauner) selbst nicht so tugendhaft und die kellnernde Studentin aus der Stadt ein nettes Mädchen ist. Die Philosophiestudentin ist hier keineswegs negativ besetzt, der Stadt-Land-Antagonismus insofern deutlich ironisiert. Das Remake ist zwar qua Off-Sprecher, Ensemble (etwa Beppo Brehm und Elise Aulinger),158 Sprache und Landschaft zu lokalisieren, Hinweise auf die Handlungszeit sucht man – selbst im Laden der Krämerin – indes vergebens.159 Doch fallen zwei Besonderheiten auf: Erstens die 155 Frater Severin spricht zu Haymo am Beginn des Romans: »Und wenn Herr Schluttermann, der Klostervogt, ein Hagelwetter losläßt, so nimm es nit ernst und schüttel den Pelz! Weißt du, der speit halt Feuer, weil ihm Frau Cäcilia gehörig einheizt«, Ganghofer 1985, S. 22. Im Roman wird der Konflikt zwischen den beiden dadurch gelöst, dass der Vogt mit einem Urteil Heinrichs droht, nach dem ihr der »Pagstein« um den Hals gehängt und sie damit als zänkisches Weib durch das Dorf geführt wird, vgl. ebd. S. 294f. Cäcilia nimmt die Drohung ernst, aber der Vogt muss erkennen, dass er selbst Teil des Problems ist, vgl. ebd. S. 350ff. 156 Auf das Gut in Ferien vom Ich kommt der devote Herr Tiedemann (Hans Hermann Schaufuß), dessen Frau nicht nur deutlich größer und korpulenter ist als er, ein klassisches Mittel der kontrastiven Komik, sondern die selbst dem gütigen Arzt mit ihrem autoritären Auftreten und pausenlosen Reden zusetzt. Tiedemann dagegen sächselt. Hartung macht Tiedemann zum Aufseher der Arbeiten und hilft ihm so, die eigene männliche Autorität wiederzufinden. Als seine Frau ihn abholt, verkündet er laut und streng, »dass in Zukunft nur einer disponiert und das bin ich!« 157 Auch hier wird die erwähnte Problematik des Mannes, der unter dem Pantoffel seiner Frau steht, verhandelt. Die Eltern des Schmieds kämpfen ihre Rollenaufteilung neu aus, da der Mann nach vielen Ehejahren der Unterordnung nun ins Wirtshaus geht. 158 Brehm und Aulinger spielten auch im Vorgängerfilm von 1935. 159 Auch die Komödie Einmal keine Sorgen haben (1953, Georg Marischka) ist konzeptionell ähnlich: Inszenierung des Orts, vage Zeit. Der Film beginnt im Theater mit dem

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Erzählstimme aus dem Off, die launig reimend den Film einführt und die Handlung begleitet und die man im Film aus der NS-Zeit vergebens sucht, dafür in den Remakes umso häufiger hören wird. Zweitens, dass sich im Kontext einer unspezifischen zeitlichen Handlungszeit weitere Komödien finden lassen, die von der Virulenz der Ehe- und Familienkonflikte bestimmt sind: Krach im Hinterhaus (1949, Erich Kobler),160 Schäm’ Dich, Brigitte! (A 1952, E. W. Emo) und Briefträger Müller (1953, John Reinhardt, Heinz Rühmann).161 2.1.5 Komödien im Wandel? Ehekonflikte Schäm’ Dich, Brigitte! offenbart weder in der Ausstattung noch in den Dialogen Indizien für die Handlungszeit. Dieses Remake aus Österreich, das den Film Geliebter Schatz (1943, Paul Martin) neu inszeniert, ist eine Beziehungs- und Verwechslungskomödie des Bürgertums im urbanen Raum.162 Sie beginnt als Konflikt um die heranwachsende, freche Brigitte (Brigitte Ratz) und einen flammenden Liebesbrief von einer gewissen »Mausi«, den der strenge Mathematiklehrer (Hans Moser) in einem Groschenroman bei ihr sicherstellt. Die Episoden um den Groschenroman, den begeistert auch die Frau des Mathematiklehrers liest, könnte man eventuell – wenn auch ohne Eindeutigkeit – als historische Zuordnung deuten, denn der Film wird inmitten neu aufgelegter Diskussionen um den Schutz der Jugend vor (literarischem) Schmutz und Schund vorgeführt. Aber auch dieses Detail ist in eine längere historische Linie einzuordnen, die bis ins Kaiserreich zurückweist. Der aufgebrachte Professor hält nun die schon durch das Groschenheft diskreditierte Brigitte für Mausi, die Schreiberin. Der Konflikt verlagert sich zunehmend zu ihren Eltern: Der Brief gerät durch Zufall in die Tasche des Vaters, Programmzettel von »Einen Jux will er sich machen«, der Posse von Nestroy, die dem Film zugrunde liegt. Eine Rahmenhandlung aber ist das Theater nicht, denn der Film endet mit der Spielhandlung. Er ist deutlich im Wienerischen verankert sowohl durch die Sprache und die Schauspieler Hans Moser, Heinz Conrads und Helmut Qualtinger als auch durch die Inszenierung. Das hat er mit dem Vorgängerfilm von 1935 gemeinsam, der jedoch sehr viel stringenter die Verwirrungen der Liebesgeschichte von Sophie (Luise Ullrich) und Alois Weinberl (Paul Hörbiger) verhandelt. Im Remake wird das Figurenensemble deutlich erweitert. Umso mehr Verwechslungen muss die Komödie insgesamt bewältigen, umso mehr tritt aber auch der Handlungsstrang Alois und Sophie in den Hintergrund. 160 Krach im Hinterhaus (1949) ist das erste Remake des Korpus. Der Vorgängerfilm von 1935 war das Regiedebüt von Veit Harlan. Beide Verfilmungen erzählen die Nachbarschaftsund Familienkonflikte in einem Berliner Mietshaus. Verweise auf die Nachkriegszeit finden sich im Remake nicht, weder auf der Verhandlungs- noch auf der Inszenierungsebene, dafür deutlich mehr Zitate aus der Vorlage von Maximilian Böttcher. 161 John Reinhardt starb während der Dreharbeiten und der Hauptdarsteller Rühmann übernahm die Regie. 162 Der Film spielt größtenteils in geschlossenen Räumen, wurde also im Atelier gedreht. Die wenigen Fahrten im Auto durch die Stadt sind mit Rückprojektionen gedreht.

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Dr. Felix Schneider (Heinz Rühmann). Die Verwechslungen beginnen. Als seine Frau, Brigittes Mutter (Hilde Berndt), den Brief findet, zweifelt sie dramatisch an der Treue ihres Mannes.163 Dieser hingegen glaubt, den Liebesbrief aus Versehen von seinem Freund Paul (Theo Lingen) bekommen zu haben und schürt so das Misstrauen von Pauls Frau Olga (Nadja Tiller). Unterstützt von ihrer empörten, stets um die Tochter besorgten Mutter (Annie Rosar) reicht Lili Schneider die Scheidung ein. Die Pointe ist nicht nur im Remake, sondern auch filmanalytisch der Verfassungszeitpunkt des Briefes: Er ist auf 1912 datiert, verfasst hat ihn einst die nun sittenwachsame Großmutter Brigittes. Das Mädchen fand ihn in der Schublade, in der die Mutter die Liebesbriefe in Erinnerung an ihren verstorbenen Vater verwahrt. Die Verwicklungen haben im Laufe der Filmhandlung nicht nur in Brigittes Umfeld den bösen Verdacht der Untreue gesät, sogar die Frau des alten Mathematiklehrers (Margarete Slezak) wurde zur Verzweiflung getrieben. Der Professor legt ihr den Brief am Ende vor, kritisiert ihren fehlenden Sinn für Zahlen und konstatiert: »Dieser Brief ist vor 30 Jahren geschrieben worden, der dich bewogen hat, die Hand gegen mich zu erheben.« So spielt das Remake also 1942, im Entstehungsjahr des Vorgängerfilms. Das mag eine flüchtige Übernahme aus dem Drehbuch oder Theaterstück sein,164 zeigt aber zugleich an, wie wenig Aktualisierungsnotwendigkeit die Autoren Hugo Maria Kritz und Karl Farkas165 und der ebenfalls am Skript beteiligte Regisseur sahen. Stattdessen inszenierte Emo einen Unterhaltungsfilm mit bewährten Darstellern (Moser, Lingen, Rühmann), die die komischen Verwechslungen vorantreiben. Die Dramaturgie ist dem Prinzip verpflichtet, dass jeder Lösungsversuch der Protagonisten sie noch tiefer verstrickt. Die Filmmusik ist von einem lustigen Lied dominiert (»An einem Wiesenrand steht eine Kuh«), das nicht nur zum musikalischen Motiv avanciert, sondern das auch Brigitte und Freundin Herta sowie das Duo Lingen und Rühmann – mit Akkordeons – singen.166 Ebenfalls mit Rühmann (nun mit Oberlippenbärtchen) in der Hauptrolle, 163 Maria Fritsche deutet den Kampf der ungehorsamen, emotionalen Frauen gegen den erfolgreichen als Schönheitschirurgen als Verschleierung der Machtverhältnisse: Frauen »end up with a fashionable hat while man have control over the family income«, Fritsche 2013, S. 184. 164 Bubus von G#bor von Vaszary erschien in Deutschland laut Oberschelp 1942 »nach einer Übersetzung aus dem Ungarischen von Jost Paul Thot. Für die deutsche Bühne frei bearbeitet von Walter Gaarden«, vgl. Oberschelp 1981, Bd. 137, S. 96, Sp. 2. 165 Der österreichische Kabarettist und Drehbuchautor Karl Farkas war nach dem Einmarsch der Deutschen aus Wien geflohen und konnte über Frankreich nach seiner Inhaftierung im Lager Gurs schließlich in die USA emigrieren. 1946 kehrte er nach Wien zurück, vgl. Weniger 2001, Bd. 2, S. 617. 166 Die gleiche Konzeption der Filmmusik findet sich auch in anderen Komödien der NS-Zeit, so etwa in Das Paradies der Junggesellen (1939) mit dem Schlager »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern«.

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aber etwas weniger diffus in Bezug auf die Handlungszeit, ist der Farbfilm Briefträger Müller, das Remake von Alles weg’n dem Hund (1935, Fred Sauer). Beide Komödien verhandeln die Geschichte eines Postmitarbeiters (1935 Sebastian Neumayer, 1953 Titus Müller) und seiner Familie, die eine hohe Erbschaft antreten können, weil der geliebte Hund (1935 Ossi, 1953 Ambrosia) einer Tante nach ihrem Tode ein Zuhause bei der Familie findet. Während aber 1935 Weiß-Ferdl die Verwandlung des Hundefeindes in einen liebenden Hundebesitzer ausspielen und den Intrigen der neidischen Verwandtschaft trotzen kann, verlagert sich 1953 der Konflikt in die Ehe bzw. Kernfamilie. Der männliche Protagonist geht im Remake in seiner Figurenentwicklung den entgegengesetzten Weg. Als die Nachricht von der unbekannten Erbtante (Trude Hesterberg) eintrifft, sitzt die Familie fröhlich am Tisch. Dass der Jüngste in einem unbeobachteten Augenblick die beigelegten Fahrkarten isst, erschüttert sie wenig. Mit Fahrrädern machen sie sich auf den Weg nach Italien. Dem Flehen von Frau und Kindern nachgebend, singt Müller radelnd »sein« Postlied, dessen Melodie die Filmmusik von Friedrich Schröder bereits seit dem Beginn des Films prägt.167 Trotz eines kühlen Empfangs in der prächtigen Villa genießen die Müllers auf dem Heimweg die Aussicht in den Alpen. Im Vorgängerfilm war es lediglich eine Reise nach München. Doch die Familie zerbricht am Reichtum, der Titus Müller zu Kopf steigt. Als einfacher Briefträger im kleinen Häuschen verteidigte er die Liebe seiner Frau (Heli Finkenzeller) als wichtigsten Heiratsgrund und das goldene Herz seiner Tochter Mieze (Gisela Meyen) gegenüber dem berechnenden, reichen Weinhändler (Oskar Sima), der die Ehe seines Sohnes mit Mieze verhindern wollte. Als neureicher Millionenverwalter ist ihm die Tochter nun zu schade, sodass er ihre Hochzeit boykottiert. In einer kabarettistischen Szene widmet er sich statt der Familie lieber Schmeichlern der neugegründeten Aufwärtspartei und schwingt Reden über das Verhältnis des Volkes zum Soldaten.168 Schließlich nimmt Müller gar die Operettendiva Mira Belle (Susanne von Almassy) zur »Mätresse«, was aber abgesehen von einem Kuss vollkommen harmlos bleibt. Seine Frau verlässt ihn mit den Kindern, der Hund stirbt bei der Geburt eines 167 Hier findet sich eine ähnliche filmmusikalische Konzeption wie in Schäm’ Dich, Brigitte! (A 1952). 168 »Das stimmt ja gar nicht, dass das Volk keine Soldaten haben will, was es ablehnt, ist die Uniform«, skandiert der betrunkene Müller und schlägt stattdessen eine Krawattennadel vor (»ist bequem, kann man reinstecken, kann man rausnehmen, wie es gerade passt«). Die Parteivertreter loben das als gesunden Menschenverstand. Müller ersinnt sogleich nach Zusage der finanziellen Unterstützung die Notwendigkeit einer Parteihymne, also »soll kein Marsch sein, ich meine nichts Militärisches«. Das Lied »Eins, zwei drei, es lebe die Partei« singend ziehen sie betrunken und marschierend um die Villa. Hier changiert die Komödie in ihrer Mehrdeutigkeit, denn man kann die Szene ebenso verlachen wie die abstrusen Ansichten des betrunkenen Protagonisten zwischen Militarismus und Naivität bejahen.

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Welpen, das Vermögen ist dahin, Titus Müller arm und allein. Ein sehr großzügiger Scheck, den er betrunken dem Kinderhilfswerk ausgestellt hatte, lässt ihn bei der Eröffnung eines Heims seine Frau wiedertreffen. Sie gehen Hand in Hand die Straße hinunter, die Kinder kommen hinzu. Nur das Geld, das er karitativ in die Gemeinschaft steckte, zahlt sich hier am Ende aus. Der Briefträger verteilt analog zum Beginn des Films – aber in Begleitung des nunmehr ausgewachsenen Welpen – wieder Briefe in der Kleinstadt; nicht nur ein glückliches, sondern ein sehr pädagogisches Ende. Die Erbschaft hat den Mann, dessen guter Kern im Laufe der Komödie nie infragegestellt wird,169 der Familie entfremdet. Gefährlich ist die Auswirkung des Reichtums auf den Charakter und hinzu gesellte sich die Verlockung, die eigene Bedeutung durch eine politische Karriere zu steigern. Während sich Müller mit den Vertretern der AufwärtsPartei besäuft, wartet die Familie kontrastiv durch die Parallelmontage am Esstisch auf den Vater. Hier wird ein Gegensatz zwischen Politik und Familie inszeniert, den man innerhalb der Gesamthandlung nicht anders als abwertend gegenüber politischem Engagement interpretieren kann. Müller wehrt sich zunächst gegen die Avancen. Er kontert, er gehe ja immer wählen, sodann aber beginnt er, politische Reden zu schwingen. Diese kann man als komisches Plädoyer für eine aktuelle Entpolitisierung und als Kommentar zum Weltkrieg und zum Nationalsozialismus deuten. Das Gespräch Müllers mit den Parteivertretern kreist redundant um Soldatentum und Militär. Das deutet ebenso auf eine Kommentierung der Gegenwart im Kontext der Remilitarisierung der Bundesrepublik. Müller antwortete bereits in einer der ersten Szenen mit seinem Sohn Günter, der ihm freudig mitteilt, dass »der Salat schießt«: »Der hat’s gut, was? Der darf.«170 Diese kleine verbale Pointe ist Teil der auffälligen Verhandlung von Soldatentum in der Komödie. Innerhalb des Genres, in der Ambivalenz zwischen Distanzierung und Freiraum, kann man diese sowohl ironisch verstehen als auch ernstnehmen.

169 Dieser gute Kern Müllers wird – bei allem Größenwahn – vorwiegend über die ausgestellte Verantwortung für die Hunde inszeniert und durch seine komische Naivität in sexuellen Fragen verhandelt. Als ihm in Italien verkündet wird, er habe den Hund geerbt, ist er enttäuscht, doch auf das Angebot des Sekretärs, dass er Ambrosia nicht nehmen muss, antwortet er : »Kann man doch nicht machen, so’n armer verlassener Hund ohne Frauchen, muss doch wieder ein Zuhause haben, nich?«. Auch nach dem Tode Ambrosias nimmt er selbstverständlich den Welpen in Obhut. Die Avancen Mira Belles beantwortet er geschmeichelt, aber derart naiv, dass klar ist, dass er keine sexuellen Absichten verfolgt. 170 Ähnlich auch der Witz, als Müller der neuen französischen Gouvernante im Film rät: »Lernen se deutsch, wenn ich Ihnen raten darf, wird vielleicht auch mal wieder wichtig.« Hier offenbart sich bestens die mehrdeutige Möglichkeit der Komödie, denn die Bemerkung kann man revanchistischen Witz bejahen oder als Kommentar des größenwahnsinnigen Müllers verlachen.

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Abb. 6 und 7: Briefträger Müller (1953): Einrichtung zwischen Mittelalter und Moderne

Die Ausstattung des Films ist einer seltsamen Melange verhaftet. Während die Totale-Aufnahmen der Kleinstadt ein Idyll präsentieren, das der fröhliche Briefträger durchschreitet, das aber gänzlich unberührt ist von Produkten oder Konsum, verweisen Daten auf die konkrete Handlungszeit.171 Das neueingerichtete Schloss der Müllers spiegelt in Formgebung und durch abstrakte Bilder an den Wänden einen Modernisierungsprozess,172 im Zuge dessen die Ritterrüstungen auf dem Flur stehen bleiben, unter denen als Verweis auf die persönliche Geschichte eine Briefträgeruniform steht (Abb. 6 und 7). Ebenfalls das Thema Ehe, aber offensiv in der Nachkriegszeit verankert, inszeniert Hans Schweikart im selben Jahr in Muss man sich gleich scheiden lassen? (1953) Ort (München) und Zeit (beginnende 1950er Jahre).173 Der Rennfahrer Andreas von Doerr (Hardy Krüger) muss nach einem Unfall auf dem Nürburgring zur Kur nach Zürich, seine Ehefrau Garda (Ruth Leuwerik) bleibt zurück im neuen Haus. Im Vorgängerfilm Lauter Lügen (1938, Heinz Rühmann) wurde die Geschichte zwischen dem eitlen Andreas (Albert Matterstock), der wahrheitsliebenden Joan (Hilde Weißner), ihrem alten Freund und Verehrer 171 Etwa die Verfügung der Tante »vom 17. März 1952, in der der Universalerbe bestimmt wird« (Clavigo). 172 Zur Innenarchitektur der 1950er Jahre, vgl. Strobel 2002, S. 129ff. 173 Der Film beginnt – wie bereits der Vorgängerfilm – mit dem Autorennen, bei dem der Protagonist fährt. Der Off-Kommentator betont, noch bevor der Vorspann einsetzt: »Wieder dröhnen die Motoren auf dem Nürburgring – am Start fährt die Fahrerelite der Welt auf, die Asse von Ferrari und Maserati, Ascari, Dr. Farina […]« – die Aufzählung geht weiter bis »unser besonderes Interesse gilt dem Nachwuchsfahrer Andreas von Doerr, im weißen Dress«. Im Juli 1939 fand der letzte Große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, 1949 das erste Eifelpokalrennen statt, 1951 Der Große Preis von Deutschland als WM-Lauf. Alberto Ascari war der Sieger der Formel Eins 1951 und 1952, vgl. Födisch/Berndt 2005, S. 75ff. Die Filmbilder zeigen Rennwagen, Werbung, Automarken. Ebenso verweist die Abschiedsszene am Bahnhof auf die Zeit des Films: Auf dem Bahnhof trifft gerade Dieter Borsche ein und wird begeistert von Fans umringt.

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Dr. Algys (Johannes Riemann) und Andreas’ miserabel lügender Frau (Hertha Feiler) als komische Typen im Stile der Salonkomödie flott und pointenreich ausgetragen. Das Remake strafft dramaturgisch und konkretisiert die Konflikte: Exakt 950 Mark bleiben Garda und aus der Not und der Verantwortung beginnt sie bei einer Illustrierten zu arbeiten und das neubezogene Haus zu renovieren. Aber weniger die Einrichtung des Hauses als die weibliche Tätigkeit ist hier interessant. Innerhalb des Remakekorpus findet sich hier der erste Verweis auf ein Mobiliar der 1950er Jahre: Garda hat für zehn Mark einen alten Zeichentisch zum Nierentisch schreinern lassen, der nicht nur präsentiert, sondern dessen Funktionalität zugleich abschätzig kommentiert wird (Abb. 8).

Abb. 8: Muss man sich gleich scheiden lassen? (1953): »Ja, gnädige Frau, fallen ihnen da nicht alle Tassen runter?«

Währenddessen lernt Andreas im Sanatorium die schöne Joan (Tilda Thamar) kennen und verliebt sich. Nach einer halben Stunde Exposition beginnt der Kampf der Frauen um Andreas, dem Joan attestiert: »Du weißt nicht, wohin du lieben sollst.« Joan reist jedenfalls nach München und spricht heimlich mit Garda, bevor Andreas eintrifft. Garda glaubt fest daran, ihr Mann würde ihr die Wahrheit sagen. Sie irrt und verstrickt sich nun wiederum in erfundene Liebesgeschichten, um ihn eifersüchtig zu machen. Garda wird unterstützt von ihrer ewig quasselnden Freundin Elisabeth, gespielt von Fita Benkhoff, die diese Rolle schon im Vorgängerfilm gab. Sie sichert die Komik ab, die dem Remake durch die stärkere Psychologisierung der Hauptfiguren und die konkrete Verortung ihrer Konflikte latent abhanden gekommen ist.174 Eine neue Figur des 174 Der Vorgängerfilm räumt dem Kennenlernen von Joan und Andreas deutlich weniger Raum ein, die mondäne Frau bleibt gewissermaßen eine farblose Ehrlichkeitsfanatikerin, ist aber dadurch auch deutlich mehr komischer Typ. Im Remake kämpft eine liebende Joan um den Mann ihres Herzens. Auch die Sorgen Gardas sind 1938 allgemein »Geldsorgen«. Durch diese kleinen Veränderungen aber werden die Figuren psychologisiert, zugleich die Typenkomik unterminiert.

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Remakes ist die Wirtschafterin Frau Holzer (Therese Giehse), die als komische Figur in der zweiten Reihe das Thema des Films verstärkt: die Ehe- und Rollenproblematik, die stetig verhandelt wird175 und auf das Thema der Sexualität anspielt,176 die das Remake – trotz Ehebruch – ansonsten ausspart. Andreas von Doerr muss sich entscheiden zwischen der attraktiven, reichen Joan, die fest entschlossen ist, ihn zu heiraten und keine Lügen zu dulden, und der liebenden, treuen, insgesamt recht ernsthaften Garda, die sich ununterbrochen um ihren Mann sorgt.177 Die Hauptfiguren sind keine komischen Typen mehr, der Kampf um Andreas ist der zweier liebender Frauen. In dieser Konstellation erscheint der Protagonist vor allem egozentrisch und kindisch – und wenig komisch.178 Eine ähnliche Umarbeitung findet sich auch im Vergleich des Remakes Hochzeit auf Reisen (1953, Paul Verhoeven) mit dem Vorgängerfilm Scheidungsreise (1938, Hans Deppe).179 In Muss man sich gleich scheiden lassen? wird der Konflikt um 175 Die Figur der Wirtschafterin gibt es im Vorgängerfilm nicht. Im Remake erzählt sie ununterbrochen von ihrem Mann. Als sie den umgebauten Tisch bezahlt, bemerkt sie: »Mein Mann tät mir das übern Schädel schlagen.« Der Tischler (Rudolf Vogel) mahnt, das sei nicht die wahre Liebe, um Gardas Schaffenswillen danach als solche zu loben. Als Frau Holzer das Fest bei Freundin Elisabeth ausrichtet, ist sie besorgt, ihrem Gatten kein Essen mitbringen zu können. Auch als Garda abreist, bittet sie um eine Ansichtskarte, »mein Mann sammelt nämlich Marken«. Trotz aller Herbheit der Figur ist sie ununterbrochen um ihren Mann bemüht. 176 Frau Holzer erklärt beim Fest, das Elisabeth ausrichtet, in der Küche: »Mein Mann, der kriegt nie genug.« Der freche junge Theobald antwortet: »Sie sind ja auch sehr appetitlich … die Würstchen.« 177 Und nicht nur um ihn, denn auch Algys will sie auf dem Fest schützen. 178 Im Vergleich beider Filme fällt zudem auf, dass dazu auch die Inszenierung beiträgt: Im Vorgängerfilm wurde die Eitelkeit von Andreas durch ein überlebensgroßes Porträt gezeigt und ironisiert, das im Remake zu einem Bild zusammen schrumpft. Die visuellen Ideen fehlen, Hardy Krüger als Andreas muss die Egozentrik komplett ausspielen. Lediglich auf der Dialogebene ironisiert Algys Doerrs Selbstbezogenheit, weil er unfähig ist, sich den Namen des berühmten Rennfahrers zu merken. Deutlich macht diese Veränderung auch die Episode um den Tisch: In beiden Filmen ergattert Garda einen Tisch zum Schnäppchenpreis von zehn Mark. Andreas schätzt in beiden Filmen sofort den richtigen Wert, doch ob seiner maulenden Egozentrik klingt es im Remake eher quengelig und Garda herabsetzend, als dass daraus ein komischer Dialog der Geschlechter entstünde. 179 Hier beginnen die Probleme bereits in der Hochzeitsnacht im plüschigen 1950er-JahreHotelzimmer, wo der eifersüchtige Hund diese beißend boykottiert. Bereits der Beginn des Films ist für die Eindeutigkeit des Remakes symptomatisch: Während 1938 noch das verunsicherte Paar selbst in den Streit gerät, beißt der Hund in der neuen Verfilmung tatsächlich den jungen Ehemann. Dieser wiederum wird im Laufe der Filmhandlung alles (Würste) darum geben, ein Hundefreund zu werden, was natürlich auch gelingt. 1938 traten sie eine »Gesellschaftsreise« nach Italien an, keine KDF-Reise. 1953 reist das zerstrittene Ehepaar Delius mit Touropa, dem 1951 von Carl Degener neugegründeten Unternehmen, das »rasch zum Synonym für preiswerte Pauschalreisen wurde«, vgl. Kopper 2007, Textabschnitt 4. Aus dem Off werden die Konflikte des Paares als »lustiger Filmeinfall« ununterbrochen vom Hund kommentiert. Der Vorgängerfilm dagegen war vor allem durch die

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Andreas emotionalisiert, die Distanz zu den Figuren verringert. Selbst als Andreas erkennt, dass er seine Frau liebt, ist er unfähig, richtig zu handeln. Sie ist nunmehr ernsthaft gekränkt. Immerhin aber setzt bei seiner zweiten Entschuldigung bereits das erste Mal die Schlussmusik ein,180 die dem Zuschauer das nahende happy end andeutet. Zuvor hatte Joan bereits ausdrücklich auf Andreas verzichtet.181 Es braucht noch eine kleine List ihres Freundes Dr. Ricky Algys (Hans Söhnker), der sich in Garda verliebte, und die beiden Eheleute fahren gemeinsam gen Italien.182 Im klärenden Gespräch betont Andreas wortreich seine Dummheit und Garda fasst nach Aufzählung all seiner Fehler glücklich zusammen: »Aber ich lieb dich.« Das meint sie ernst, so aufrichtig ist ihre Figur angelegt – ebenso wie Andreas, der in seiner unentschlossenen, mauligen Großer-Junge-Art im Laufe der Komödie reift. Seine Selbsterkenntnis ist auf die Wahrnehmung der eigenen (männlichen) Verantwortung angelegt. Das geht auf Kosten der Komik, zeigt aber andererseits an, dass sich der Unterhaltungsfilm hier aus einer Theatertradition löst und zumindest aktuelle Konflikte aufnimmt. Diese sind privater Natur.

2.1.6 US-Amerikaner und Konsum: Aktualisierungen der frühen Remakes 1950 entstand ein Remake, an dessen Transformationen sich vortrefflich die neben den Ehekonflikten virulenten Motive der frühen 1950er Jahre aufzeigen und bündeln lassen. Spatzen in Gottes Hand/ Glück aus Ohio (1950, Heinz Paul) ist die Neuverfilmung von Kleiner Mann, ganz gross (1938, Robert A. Stemmle). Beide Verfilmungen des Bühnenstücks von Edgar Kahn und Ludwig Bender von 1934 sind Beziehungskomödien, in denen Armut und Missverständnisse eine junge Ehe bedrohen. 1938 spielte Viktor de Kowa den Angestellten in einer Kinderwagenfabrik, Peter Kolle, der eigentlich ein verkannter Erfinder ist. Gusti Huber gab seine sparsame, aufrichtige Ehefrau, für die er seiner bis dahin erfolglosen Arbeit an Erfindungen abschwor, um stattdessen eine gemeinsame Existenz aufzubauen. Doch Kolle kann es nicht lassen. Die enttäuschte Gattin lernt auf der Fahrt zu ihrem Bruder den galanten Fritz Pfeffer Missverständnisse, Verwechslungen und Temperamente der Eheleute geprägt, die Viktor de Kowa und Heli Finkenzeller spielten. 180 Andreas spricht den selbstkritischen Satz: »Ich hab mich gigantisch blöde benommen.« 181 Als Garda Andreas mit Joan auf die Reise schicken will, hält Joan folgende Rede: »Liebe Frau von Doerr, es ist wirklich sehr aufmerksam von ihnen, dass sie mir den Jungen abtreten wollen. Aber leider hab ich mir inzwischen die Sache überlegt und nun habe ich auch keine Verwendung mehr für ihn.« 182 Im Vergleich gibt es die Auflösung und Versöhnung der beiden im Vorgängerfilm erst, nachdem sie bereits die Reise mit den ›falschen‹ Partnern (Andreas und Joan, Garda und Dr. Algys) angetreten haben. Die Missverständnisse und Verwechslungen werden hier also deutlich länger ausgereizt.

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kennen, der ihr nachstellt. Damit ist der komische Konflikt um Verwechslungen, Missverständnisse und Eifersucht eröffnet, im Zuge dessen Kolle nach einer Romanvorlage (»Glück aus Ohio«) eine Erbschaft vorschwindelt. Am Ende aber wird dank Sabines Eingreifen nicht nur Kolles Erfindung entwickelt und patentiert sein, sondern auch das junge Paar umfassend versöhnt. 1950 plagen Gustl (Hermann Brix) und Kathrin Kreuder (Edith Prager) ebenfalls Geldsorgen, denn die angeschafften Möbel müssen abgezahlt werden. Auch im Remake ist der Protagonist nur ein kleiner Angestellter, der sogar zum Vertreter von 100 Piccolo-Feuerlöschern degradiert wird. Aber nicht die unterschiedlichen Vorstellungen vom Aufbau einer gemeinsamen Existenz sind problematisch, sondern die Schulden und die Situation. Gustl Kreuders Frau weint – im Gegensatz zur patent sparsamen Ehefrau 1938 – bereits bei ihrem ersten Auftritt. Die Schulden wachsen, das Paar streitet und in seiner Verzweiflung lügt Gustl seiner Frau die Erbschaft aus Amerika vor, »weil ich Dich endlich einmal glücklich sehen wollte«, wie er ihr später beichtet. Kathrin beginnt sofort einen Bummel durch die schöne Warenwelt.183 Auch hält sie ihr Versprechen nicht, über die Erbschaft zu schweigen.184 Prompt feiern Vermieter und Geschäftsleute der Umgebung mit dem jungen Glück, das sie vorher noch argwöhnisch oder mitleidig beäugten. In diesen Wandlungen der Beziehungskomödie zeigen sich grundlegende Verschiebungen der Rollenbilder. Aus der sparsamen, praktischen Ehefrau wird eine larmoyante. Der Konflikt um die berufliche Selbstverwirklichung, die Berufung des Protagonisten bzw. beider zwischen Zukunftsvision und Sparsamkeit wird zum Konflikt des Paares mit Welt und Schicksal, bei dem Gottvertrauen und Glück am Ende die entscheidenden Faktoren für das happy end sind.185 Die Veränderungen der weiblichen Hauptfigur kann man vor dem sozialhistorischen Hintergrund als komische Degradierung der Frau interpretieren, muss dabei aber mit Blick auf Briefträger Müller beachten, dass es insgesamt keine Fokussierung auf das weibliche Geschlecht gibt. Kathrin Kreuder ist gewissermaßen das weibliche Pendant zu Titus Müller, dem der Reichtum zu Kopf steigt. Auch in der Gesamtschau lässt sich in den Remakes bis 1953 kein Übermaß negativ besetzter Hauptfiguren nach Geschlecht ausmachen und andere Frauenfiguren – wie etwa Garda in Muss man sich gleich scheiden lassen? – sind bis zur Unwirklichkeit ideal. 183 Sie betrachtet einem Hut mit Feder, Handtaschen und schließlich im Schaufenster eines Möbelhauses das Ehebett »Blumen Mahagony«, das mit 1.288 Mark ausgepreist ist. 184 Im Vorgängerfilm erfährt der Vorgesetzte Kolles zufällig von dessen angeblicher Erbschaft. 185 Die Sorge und das Gottvertrauen Kreuders – vor allem auch in der Kontrastierung zu seiner jammernden Frau – werden in der Szene unterstrichen, in der die beiden ihre Schulden bilanzieren. Während er sie tröstet und rechnet, wirft sie ihm vor: »Du und Dein lieber Gott! Der weiß nicht mal, dass wir da sind, geschweige denn, wo wir wohnen.«

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Der letzte Ausweg in Spatzen in Gottes Hand ist der Verkauf der Feuerlöscher und deus ex machina taucht ein Amerikaner mit seiner Tochter in einem Wagen auf, dessen rauchenden Motor Kreuder mit seinem Piccolo löscht und dem Geschäftsmann – der Coca-Cola aus der Flasche trinkt –1.000 Stück und sogar einen passenden Slogan verkaufen kann.186 Damit sind die Verwicklungen aufgelöst, die Schulden beglichen. Die Tochter, das amerikanische Girl, war vor allem an der Farbe der Feuerlöscher interessiert und hier zeigt sich, anders als in den vorher besprochenen Remakes, ein insgesamt abschätzigeres Bild der Amerikaner. Adeln den Protagonisten in Ferien vom Ich noch seine deutschen Wurzeln aus dem 19. Jahrhundert, schwelgt der amerikanische Geschäftsmann in Zwei in einem Anzug (1950) in nostalgischen Erinnerungen an die Studienzeit in Schwabing und dokumentiert der Beginn von Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik einen unaufgeregten Umgang mit amerikanischer Populärkultur im Film, ist der amerikanische Geschäftsmann vor dem Hintergrund der verhandelten Konflikte um Schulden und Konsumwünsche in Spatzen in Gottes Hand glückliche Rettung und wenig positiv besetzte Figur zugleich. Lediglich bei Ferien vom Ich und Zwei in einem Anzug gab es diese Figuren bereits in den Vorgängerfilmen, was andersherum nicht bedeutet, dass nicht auch im deutschsprachigen Film vor 1945 der Typus des amerikanischen Geschäftsmannes (gern auch mit Tochter) vertreten war.187 Hier zeigt sich dennoch erstens, dass Amerikaner als Figuren im Unterhaltungsfilm zunehmend in Erscheinung treten, was zweitens auf die Veränderungen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit verweist, die die Remakes aufgreifen. Interessant ist hier die Ambivalenz zwischen einem fortschrittlich positiv und einem zugleich negativ besetzten Bild, das mit dem zweiten wiederkehrenden Motiv der frühen Neuverfilmungen korrespondiert, Konsum und Geld.188 Wenn in Spatzen in Gottes Hand zu beobachten ist, wie auffällig die Konsumwünsche der jungen Ehefrau inszeniert werden, wird ebenso klar, wie problematisch diese für die junge Ehe sind. In der Gesamtschau der Remakes fällt auf, wie oft Geld und Konsum verhandelt und inszeniert werden: In Muss man sich gleich scheiden lassen? verweisen die Umdeutungen überaus pädagogisch sowohl durch die Benennung der konkreten Summen als auch durch die fleißigen Renovierungsarbeiten und beruflichen Bemühungen Gardas auf die Problematik – gewissermaßen findet sich hier die positive Gegenfigur zu Kathrin Kreuder. Trompeter Johnnys Flucht und das Treffen mit dem guten 186 Der Amerikaner ist Besitzer von »Herkules Motors Cincinatti, Ohio«; Kreuder dichtet »Herkules brennt lichterloh, wird gelöscht mit Piccolo«. 187 So etwa in Millionenerbschaft (A 1937, Rabenalt) mit Vater und Tochter Mill und ihren Intrigen. 188 Irmbert Schenk verweist in seinen Überlegungen zum 1950er-Jahre-Kino auf das Motiv des Geldes, vgl. Schenk 2000, S. 125.

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Landmädchen resultieren aus dem Ärger mit dem Finanzamt und den Ausstattungswünschen seiner Freundin in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt.189 Die Jagd nach dem schnellen Geld durch die Wetten des Bruders hat hier das Gestüt in den Ruin getrieben.190 Briefträger Müller verliert fast seine glückliche Familie, da der Reichtum seine Persönlichkeit verändert. Man kann einwenden, dass Armut und Reichtum ebenso wie Geschlechter- und Ehestreitigkeiten beliebte Grundkonflikte des Unterhaltungsfilms sind. Das belegt bereits die Tatsache der Remakes, die Stoffe vergangener Filme aufgreifen. Aber der Vergleich mit den jeweiligen Vorgängerfilmen zeigt die Virulenz am Beginn des Jahrzehnts. Während Armut die positiv besetzten Figuren nicht erschüttert, findet sich kein Remake, das Geld und Konsum verhandelt, das nicht dem Ideal der Sparsamkeit verpflichtet wäre. Diese Gegenüberstellungen bestimmen zugleich die positiven Rollenzuschreibungen der Figuren: Die Komödien verhandeln nicht nur Ehekonflikte, sondern immer zugleich die Gegensatzpaare zwischen einem guten Charakter, der mit Bescheidenheit einhergeht, und einem materiell rückgebundenen Egoismus. Die Inszenierungsebene eröffnet in der Gesamtschau alle Spielarten: von ausgestellten Bildern der zeitgenössischen Gegenwart bis hin zu allzu diskreten Filmen, in denen die Konflikte der Nachkriegszeit vor allem auf der Ebene der Geschlechterbeziehungen, in bürgerlich eingerichteten Innenräumen verhandelt werden. Die Ambivalenz zwischen Tradierung und Aktualisierung war im neueingerichteten Schlosses der Müllers zu besichtigen: Während an den Wänden abstrakte Kunst hängt, stehen im Flur die Ritterrüstungen.

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Remakes in der Mitte des Jahrzehnts (1954–56): »Die Wiederverfilmung erfolgreicher, alter Filmstoffe wird in der deutschen Flimmerindustrie zur lieben Gewohnheit.«191

Die deutsche Filmproduktion strebt in diesem Jahren quantitativ ihrem Höhepunkt entgegen. Auch die Zahl der Remakes ist zwischen 1954 und 1956 herausragend. Komödien und Heimatfilme dominieren weiterhin die Remakeproduktion. Auch die Verfilmungen von Operetten halten an.192 Doch mit steigender 189 Als Johnny von seinem Auftritt am Beginn des Films zurückkehrt, erwartet ihn nicht nur der Finanzbeamte, der die Gage pfändet, sondern auch seine Freundin, die ihn nötigen will, ihr einen Ring für 12.000 Mark zu schenken: »Aber Johnnylein, du hast deiner kleinen Edith in der letzten Zeit außer dem Pelzmantel und den zwei Abendkleidern in der letzten Zeit rein gar nichts geschenkt.« 190 Im Vorgängerfilm war es die Verantwortungslosigkeit des Gutsbesitzers. 191 »Der Kongress tanzt«, in: EFB, Nr. 50, 15. 12. 1955, 7. Jg. 192 Glückliche Reise (1954/1933), Meine Schwester und ich (1954/1933), Zarewitsch

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Produktionszahl erweitert sich das Genrespektrum – etwa durch den Kostümfilm, den Kriminalfilm, das Melodram, den Kriegsfilm sowie Musik-, Abenteuerund Zirkusfilm. Im Vergleich der Remakes mit den Vorgängerfilmen werden Genregrenzen oft erweitert. Diese Hybridisierungen entstehen vor allem durch Schauwerte, die bereits in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953) zu sehen waren. In den Remakes bis 1953 ließen sich Verweise auf deutsche Geschichte allenfalls in Biografien der Protagonisten oder Dialoganspielungen finden. Zudem sind ein insgesamt relativ ausgeglichenes Nebeneinander aus Diskretion in der Ausstattung und offensiver Inszenierung der Gegenwart im Heimatfilm sowie die Koexistenz von »zeitlosen« Komödien und die Verankerung der komischen Konflikte in Themen und im Interieur der Nachkriegszeit zu konstatieren. Durch die Veränderungen der Paarkonstellationen wurde in den Beziehungskomödien die Komik von den Nebenfiguren ausgespielt. Diese Linien werden einerseits fortgesetzt und andererseits verschoben.

2.2.1 Heimatfilm zwischen ausgestellter Aktualisierung und Zeitlosigkeit Die Remakes nach Ganghofer-Romanen bzw. -Filmen und andere Adaptionen älterer Vorlagen in der Mitte der 1950er Jahre wahren jene Linie der unspezifischen Handlungszeit, die sich auch schon in früheren Ostermayr-Produktionen abzeichnete. Das Schweigen im Walde (1955, Helmut Weiß) verhandelt die Geschichte des Fürsten Heinz von Ettingen (Rudolf Lenz), der vor seiner Freundin Edith von Prankha (Angelika Hauff) inkognito in die Ruhe des Landsitzes in den Bergen flieht. Während sein Vertrauter Kersten (Paul Richter) in der Stadt die Affäre ohne Skandal zu beenden versucht, verliebt sich der Fürst in die schöne, fleißige Lo Petri (Sonja Sutter), die wiederum vom Jäger Mazegger (Peter Arens) bedrängt wird. Aufgrund eines Telegramms des intriganten Dieners Martin (Ulrich Beiger), der sich auf der Alm durch sein blasiertes Benehmen und ausschließlich sexuelles Interesse an einer Sennerin ausreichend diskreditiert hat, reist die verlassene Freundin nach, lässt das Inkognito auffliegen, gibt sich als Verlobte aus und kränkt Lo zutiefst. War die ehemalige Geliebte im Vorgängerfilm immerhin noch tatsächlich eine Schauspielerin,193 handelt es sich nun um eine exzentrische ungarische Adelige, eine der wenigen Veränderungen, die im Remake in der Figurengestaltung vorgenommen werden und die mit einer Abwertung der Figur einhergeht. Allenfalls die Autos am Beginn (Käfer in der Stadt, ein Mercedes, mit dem Fürst von Ettingen bis in die Berge gebracht wird) (1954/1933), Zigeunerbaron (1954/1935), Fledermaus (1955/1945/1937), Bettelstudent (1956/1936/1931), Opernball (1956/1939), Wo die Lerche singt (1956/1936). 193 Ihre Rolle als Emilia Galotti wird erwähnt.

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verweisen vage auf die Handlungszeit. Die Bildwelt des Films ist von Tieren und überaus romantisierenden Motiven geprägt. Diskret ist die Handlungszeit in Heideschulmeister Uwe Karsten (1954, Hans Deppe) inszeniert, eine zweite Verfilmung des Erfolgsromans von Felicitas Rose. Allenfalls die Kostümierung der Darsteller und der Prunk des Patrizierhauses deuten dezent an, dass die Geschichte in der Vergangenheit spielt. Im Zentrum steht die Liebesgeschichte der Malerin und Patriziertochter Ursula Diewen. Dramaturgisch erscheint das Remake wie eine Art Fortsetzung des Vorgängerfilms, dabei bedienen sich beide Filme mit Blick ins Buch schlicht verschiedener Stationen der Geschichte der Hamburger Kaufmannstochter Ursula Diewen.194 In begriffstheoretischer Perspektive könnte man von einem Sequel sprechen, aber aufgrund des Verweises auf die gleiche literarische Vorlage wurde der Film hier als Remake aufgenommen. 1933 standen die Konflikte um den falschen Geschäftspartner des Vaters (Heinrich Heilinger), der um Ursula (Marianne Hoppe) warb, im Zentrum der Konflikte, an deren Ende sie zum Schulmeister (Hans Schlenck) in die Heide flieht. Diese werden 1954 in der Exposition rasch abgehandelt: Heinsius (Wolfgang Lukschy) erweist sich schnell als schlechter, vor allem geldgieriger Werber. Nur das Hochzeitsversprechen, das Ursula (Barbara Rütting) ihrem Vater (Herbert Hübner) auf dem Sterbebett gab, steht als Gewissensproblem der Tochter im Raum. Mehr Erzählzeit des Remakes wird den Ereignissen in der Heide eingeräumt, in der Ursula malt und um ihre Liebe zum Lehrer (Claus Holm) ringt, die die Familie und das Dorf missbilligen. Zentraler Konflikt ist im Remake die gesellschaftliche Akzeptanz der Liebe zwischen der Patriziertochter und dem Lehrer. Am Ende heiratet das Paar in der Dorfkirche, die Schulklasse singt – wie bereits zum Geburtstag des Lehrers – das Lied »Wir Kinder von der Heide«.195 Im Anschluss kann noch die Ernst-DiewenStiftung, die Ursula mit ihrem Vermögen ermöglichte, mit einer Rede des während des Films unablässig dozierenden Pfarrers Sunneby (Günther Lüders) eingeweiht werden, die sich der Betreuung notleidender Kinder widmet.196 194 Der Roman, der in Form eines Tagebuchs Ursula Diewens angelegt ist, beginnt mit den dramatischen Vorgängen um den werbenden Bösewicht. Anschließend beginnt die Bekanntschaft zwischen dem Heideschulmeister und Ursula, die aber hier mit sehr viel mehr Nebenfiguren und Handlungssträngen verknüpft ist und an deren Ende Ursula nach der Geburt des gemeinsamen Kindes stirbt, vgl. Rose 1954. Beide Filme enden mit dem Glück der beiden. 195 Das Lied beginnt mit den Zeilen: »Der Heide schönsten Blütenstrauß, den bringen wir zur Freude, wir wünschen Euch viel Glück ins Haus, wir Kinder von der Heide.« 196 Die Stiftung, die die Tochter nach dem verstorbenen Vater benennt, übernimmt der Film ebenfalls aus dem Roman, wobei sie sich hier der Pflege der Alten widmet, nachdem des Dorfschullehrers Kind verschied. Das kranke Mädchen im Film ist ›nur‹ eine Schülerin und überlebt. Auch das Kind der Freundin Martha, mit dem Heinsius sie sitzen ließ, kommt in Film und Roman in die Pflege der kinderlosen Sunnebys. Der Junge wird schließlich von der

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Es fällt auf, dass all diese Heimatfilme, deren Handlungszeiten tendenziell vage bleiben oder die durch die Vorlage (also ohne nennenswerte Konsequenzen für die Inszenierung) in der Vergangenheit spielen, stets auf deutlich ältere literarische Vorlagen zurückgreifen, deren Plot sie einerseits nicht aktualisieren, andererseits aber auch nicht historisieren.197 Eine ähnliche Beobachtung erlaubt auch der Blick in andere Genres, ebenfalls nach älteren Vorlagen, wie etwa das Remake Regine (1956, Harald Braun/ 1935, Erich Waschneck) nach einer Gottfried-Keller-Novelle. Die Neuverfilmung verhandelt keine Intrige mehr, sondern die Ehegeschichte des einfachen Mädchens Regine (Johanna Matz). Sie ist zerrissen zwischen Herkunft, Familie und Freunden des Arbeitermilieus und der Rolle als Dame des Hauses nach der Hochzeit mit dem zukünftigen Stahlfabrikbesitzer Martin Lundt (Erik Schumann). In der filmischen Inszenierung scheint das Remake – sicherlich auch durch die Verlegung des Ortes in das Stahlwerk und die Schwarzweißaufnahmen – ästhetisch näher an Der Herrscher (1938) als am Remake Vor Sonnenuntergang (1956).198 Die Verschiebung der Geschichte wiederum weg von einer Intrige hin zur Prüfung des Charakters von Regine, die darin endet, dass Martin einsehen muss, dass seine Frau richtig handelte, er selbst aber nicht,199 die Verhandlung der Milieukonflikte und der Unfalltod von Regines Vater200 sind gänzlich konträr zu Der Herrscher. In diesem adelt die einfache Herkunft den

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Mutter abgeholt. Im Roman ist er – quasi »erbbelastet« – ein böses Kind, das alle quält und stirbt, vgl. Rose 1954. ˇ #p) nach dem Roman von Wilhelmine von Hillern, So auch Die Geierwally (1956, C ebenfalls eine Produktion der Ostermayr-Film, die zaghafte Umdeutungen und Veränderungen in der Geschichte vornimmt, aber auf der Inszenierungsebene zeitlich vage bleibt. Zu Die Geierwally, vgl. u. a. Berg-Ganschow 1983, Niels 2007. Auch im Remake von Johannisfeuer (1939, Rabenalt) mit dem neuen Titel Und ewig bleibt die Liebe (1954, Liebeneiner) nach dem Bühnenwerk von Hermann Sudermann werden vor allem einige ernstzunehmende Veränderungen in der Figurencharakteristik vorgenommen (etwa dass Marieke nun durch ihre verrückte Mutter geprägt und bedrohter und Trude gegenüber dem Vorgängerfilm deutlich kindlicher ist). Die Assoziation zu Der Herrscher kommt vor allem durch die Szenen im Stahlwerk zustande: Flammen, Öfen, Eisentreppen. Der Film beginnt bereits mit einer Erkundung des Werkes durch Martin Lundt. Zum Film, vgl. III. 2.2.4 Herrscher und Volksgemeinschaft, Arbeit und Werk, S. 327–331. Regine leidet als ehemaliges Dienstmädchen nach der Hochzeit zunächst unter der Untätigkeit, die ihr auferlegt ist. Im Laufe der Ehekonflikte erklärt Martin: »Ein Mann, weißt du, der hat so vielerlei im Kopf, der kann nicht immer nur lieben. Eine Frau hat’s da leichter.« Nachdem Martin glaubt, Regine wolle mit dem Gutsverwalter Wendland ein neues Leben beginnen, legt sie allen Schmuck ab, schreibt einen Abschiedsbrief und will sich in den Ofen stürzen, in dem ihr Vater verunglückte. Die moralische Überlegenheit Regines in der Ehe wird durch die gütige Tante Martins (Käthe Dorsch) verstärkt. Regine ist die Tochter des Werkmeisters Winters (Gustav Knuth) und Schwester des rebellischen Karl (Horst Buchholz in einer Rolle, deren Haltung retrospektiv an Die Halbstarken erinnert), der nach dem Unfalltod des Vaters umso mehr gegen die Werkspolitik aufbegehrt.

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Werksbesitzer, in Regine dagegen geht es mit Martin Lundts Karriere um seinen Erkenntnisprozess und den Generationenwechsel im Werk aus der Sicht des Jüngeren. Ähnliche Wandlungsprozesse, die grundlegende Konfliktveränderungen vornehmen, in der Inszenierung jedoch deutlich zurückgreifen, sind auch im Zirkusfilm, in Spiel mit dem Leben/ Drei vom Varieté (1954, Kurt Neumann), zu beobachten.201 Andere ältere Vorlagen hingegen erfahren gänzlich andere filmische Bearbeitungen in Bezug auf Verhandlung und Inszenierung der Zeit. Das Spektrum hierbei zeigen bestens die beiden filmischen Bearbeitungen des Anzengruber-Stücks Der Pfarrer von Kirchfeld: In Das Mädchen vom Pfarrhof (A 1955, Alfred Lehner) ist die Handlungszeit überaus diskret inszeniert.202 1937 verfilmten Jacob und Luise Fleck das Anzengruber-Stück, der Film kam erst 1950 in die deutschen Kinos.203 1955 wird auch eine deutsche Verfilmung gedreht, Der Pfarrer von Kirchfeld (1955, Hans Deppe). Es ist die zweite Doppelverfilmung des Jahres.204 Im Vergleich zum österreichischen Remake zeichnet sich das deutsche vor allem durch auffällige Aktualisierungen der Figuren und Konflikte aus. Die Protagonistin Anna ist von den Nonnen aus einem Flüchtlingslager aufgenommen worden und hat ein uneheliches Kind in der Stadt. Hier wird im Wirtshaus Coca-Cola ausgeschenkt. Dass das amerikanische Getränk schon in der Alltagskultur des Nationalsozialismus präsent war, ist unter Historikern Konsens.205 Nicht umsonst wirbt die Marke nach 1945 mit

201 Auch Die drei vom Varieté (1954, Neumann) ist ein Schwarzweißfilm, der den Stoff von Varieté (1935, Farkas) grundlegend neu bearbeitet, in der Ästhetik aber den Zirkusfilmen der 1930er und 1940er Jahre verpflichtet bleibt. Dieser filmischen Bearbeitung liegt ebenfalls eine Dreiecksgeschichte zugrunde, nur dass die Protagonistin Jeanine (Ingrid Andree) den zudringlichen Verehrer (Franco Andrei) erschießt. Während des Gerichtsprozesses stellt sich mittels Rückblenden heraus, dass sie ihren Mann (Erich Schellow) schützen wollte: Der eigene Vater (Heinz Engelmann) hatte einst den Liebhaber ihrer Mutter (Mady Rahl) getötet; dazwischen werden zahlreiche Trapez- und Zirkusnummern inszeniert. 202 Der Film verhandelt die Geschichte des dem praktischen Christentum verpflichteten Pfarrers (Erich Auer), der das schöne verarmte Annerl (Waltraut Haas) als Bedienstete aufnimmt und von den Gegnern in der Gemeinde verleumdet wird. Wortführer der Anfeindungen ist der Gutsbesitzer (Attila Hörbiger), der auch um Anna wirbt. Inmitten der Alpenlandschaft verweist einzig die Ausstattung des Krämerladens äußerst diskret darauf, dass der Film auch in der Gegenwart spielen könnte. 203 Bauer 1981, S. 144. Der Vorgängerfilm verhandelt – wie auch das österreichische Remake – die Konflikte des Pfarrers und der Gemeinde, in der vor allem der Graf (im Remake der Herr von Finsterberg) gegen den Geistlichen intrigiert. Anna hat hier nur eine vage Vergangenheit. Das deutsche Remake dagegen aktualisiert und erweitert ihre Geschichte. 204 Die erste waren die beiden erwähnten Filme über das Attentat vom 20. Juli 1944. Die deutsche Verfilmung Der Pfarrer von Kirchfeld feierte am 21. 7. 1955 in Stuttgart Premiere, die österreichische am 29. 9. 1955 zunächst in Graz, am 28. 10. 1955 in Düsseldorf. 205 Zum Forschungsstand Moderne und NS, vgl. Bavaj 2003.

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dem Slogan »Coca-Cola ist wieder da!«.206 Die Differenz besteht filmhistorisch darin, dass die Limonade – zumindest in den von mir untersuchten und bekannten NS-Spielfilmen und frühen Remakes – tatsächlich selten erscheint oder höchstens im Zusammenhang mit einer wenig sympathischen Figur und Wertung wie in Glück aus Ohio (1950). Mit Der Pfarrer von Kirchfeld ist die populäre amerikanische Getränkemarke innerhalb des hier untersuchten Korpus im Heimatfilm angekommen.207 Unklar bleibt aber, ob das mit Kaspar Maases eingangs vorgestellter These einer »sinnlichen Moderation von Pluralisierung« korrespondiert oder möglicherweise auch einfach den konsumgeschichtlichen Entwicklungen an den Drehorten zu verdanken ist. An einem Wirtshaus mit Coca-Cola-Plakette radelt auch der Protagonist in Heimatland (1955, Franz Antel) in der »Geschichte eines Hundes« entlang (Abb. 9).208 Es ist ein Remake von Krambambuli (1940, Karl Köstlin). Der Titel des Remakes (Heimatland) zitiert ein Lied der Operette Monika von Nico Dostal (1937), die wiederum die Vorlage für die Verfilmung Heimatland (1939, Ernst Martin) war, aber mit dem Remake in keiner Verbindung steht. Anders als bei Heideschulmeister Uwe Karsten nähert sich Heimatland (1955) auf mehreren Ebenen der zeitgenössischen Gegenwart. Belegt wird die Aktualität zunächst nur durch die Angabe des Geburtsjahres des Protagonisten (1927) auf dem Polizeirevier.209 Der Vergleich mit dem Vorgängerfilm weist neben der Farbe einige Besonderheiten auf. Mit der Off-Stimme Adrian Hovens beginnt der Film als Ich-Erzählung des Vagabunden Thomas, der einen kleinen Hund rettet, aufnimmt und Krambambuli nennt. Er ist aber kein Landstreicher mehr, sondern arbeitet bald als Elektriker bei einem fahrenden Vergnügungspark.210 Nach einem Streit mit der moralischen Tante (Annie Rosar) seiner Freundin Lisa (Christiane Maybach) kehrt er in sein Heimatdorf zurück und lernt nicht nur die schöne Helga (Marianne Hold) kennen, sondern versucht auch die Sägemühle seines Vaters (Oskar Sima) in Schwung zu bringen. Dieser »Wiederaufbau« des zurückgekehrten Sohnes scheitert sowohl am trinkenden Vater als auch am faulen Arbeiter. Ferner hat die Familie einen schlechten Ruf in der Dorfge206 Schäfer 2009, S. 17. 1954 feierte die deutsche Coca-Cola GmbH ihr 25. Jubiläum in der Essener Lichtburg. In den 1950er Jahren steigt das Getränk in Deutschland zum Marktführer auf, vgl. Fritz 1980, S. 7ff. 207 Im Jahr zuvor findet sich auch ein Coca-Cola-Stand im Hintergrund einer Szene von Die goldene Pest (1954, John Brahm), als der zurückkehrende zurückkehrende Protagonist (Ivan Desny) vom Wagen aus mit dem Postmann plaudert. 208 Alternativtitel des Vorgängerfilms, vgl. Klaus 2000, S. 89. 209 Die strenge Mutter der Freundin hat den Hund zur Polizei gebracht, wo Thomas ihn nun ordnungsgemäß anmelden und dabei seine Personalien angeben muss. 210 In der Verfilmung von 1940 ist Thomas tatsächlich Landstreicher, der von Anna auf dem Hof aufgenommen wird. Die beiden verlieben sich, versprochen ist Anna aber dem Jäger. Nach einer Zecherei mit dem Onkel wird Thomas des Hauses verwiesen.

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meinschaft. Hier zeigt sich eine Umdeutung gegenüber dem Vorgängerfilm: In diesem ist Thomas vor allem bemüht, seine Freiheit um der Liebe willen aufzugeben. Im Remake dagegen versucht Thomas sowohl den Betrieb des Vaters zu retten und wird zugleich Opfer des Misstrauens im Dorf. Der Mann, den er schließlich tötet, ist der faule Arbeiter seines Vaters, der ihn auf dem Jahrmarkt provoziert. Anders als im Vorgängerfilm ist sein Tod im Remake ein Unfall.211

Abb. 9: Heimatland (1955): Coca-Cola-Plakette

Helga und ihre Schwester Inge (Hannelore Bollmann) sind im Kontrast zum Außenseiter Thomas als Besitzerinnen des Gasthofs der Mittelpunkt der Dorfgemeinschaft, umworben von zahlreichen Männern. Um Helga bemüht sich in treuer Liebe auch der Förster (Rudolf Prack). Nachdem Thomas verhaftet ist, heiratet sie ihn und die beiden nehmen liebevoll den Hund auf.212 Als Thomas zurückkehrt, kommt es – wie schon im Vorgängerfilm – zum Finale der Kontrahenten, aber diesmal gibt es keine beabsichtigte Tötung. Der Förster erschießt Thomas nur, weil der Hund ihm ins Gewehr springt. Anders als in der Novelle und der Verfilmung von 1940 wird im Remake auch Krambambuli überleben. Nach der Trauer um seinen Herrn trägt Helga ihn vom Friedhof nach Hause.213 Nicht nur das Ende des Remakes ist versöhnlicher, sondern auch die Figur des Försters einem deutlich weicheren Männerbild als noch 1940 verpflichtet. Eine gänzlich neue männliche Figur wird im Remake von Der Meineid211 Im Vorgängerfilm zieht Thomas wutentbrannt im Wirtshaus ein Messer, im Remake dagegen stürzt der Arbeiter bei der Prügelei unglücklich. 212 In Krambambuli (1940) dagegen lehnt der Ehemann den Hund zunächst ab, erzieht ihn schließlich und tauft ihn in »Strolch« um. Umso größer ist seine Enttäuschung, als der Hund seinen alten Besitzer froh begrüßt. Der Jäger erschießt Thomas. Im Remake springt der Hund dem Förster in die Büchse und der Schuss löst sich aus Versehen. 213 Am Ende des Vorgängerfilms erfriert Krambambuli vor der Tür der Eheleute. Auch die Novelle endet mit dem Tod des Hundes, der sich zwischen dem alten und dem neuen Herrn nicht entscheiden konnte, vgl. Ebner-Eschersbach 1959, S. 127.

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bauer (1941, Leopold Hainisch) nach dem gleichnamigen Anzengruber-Stück hinzugefügt. Das Remake (1956, Rudolf Jugert) bleibt auf der Inszenierungsebene diskret, allenfalls die Autos verweisen auf die Aktualisierung.214 Doch nicht nur durch Dialogpassagen schimmert die Nachkriegszeit,215 auch die Figur des Erpressers, die im Vorgängerfilm nicht existierte, verweist auf sie: Während in der Verfilmung von 1941 der Meineid schwörende Bauer, Mathias Ferner, das Testament nach dem Tod des Stiefbruders verschwinden lässt, taucht nun Christoph Demut (Joseph Offenbach) auf, der im Besitz eines Briefes an Mathias (Carl Wery) ist.216 Demut stellt sich als ehemaliger Fotograf aus Breslau vor und erpresst Matthias nun um eine monatliche Rente. »Armut macht nicht edel«, betont er. Demuts Beichte auf dem Sterbebett ermöglicht es Paula (Heidemarie Hatheyer), den Hof zurückzufordern – in einem dramatischen Showdown.217 Mathias Ferner stirbt, Paula sieht ein, dass der Konflikt zwischen Mathias und ihr bestand und die verliebten Kinder Franz (Hans von Borsody) und Marei (Christiane Hörbiger) können eine gemeinsame Zukunft beginnen. Ebenfalls das Thema Vertreibung verhandelt Waldwinter (1956, Wolfgang Liebeneiner). Es ist eines der Remakes, dessen Plot abseits der gemeinsamen literarischen Vorlage keine Ähnlichkeiten mehr aufweist.218 Liebeneiner als Regisseur des 214 Der Vater verunglückt mit dem Auto, Paula steigt in den Opel-»Blitz«-LKW des Roten Kreuzes, vgl. Bliersbach 1985, S. 81. 215 Etwa am Beginn des Konflikts zwischen Paula und Mathias, der zudem auch noch um die unglückliche Liebe des Bauern zur ›Schwägerin‹ angereichert ist, schickt sie den Knecht, eine Waschmaschine (!) abzuholen. Er ist empört, Befehle von einem »Frauenzimmer« annehmen zu müssen. Paula aber formuliert: »Der Bauer bin ich!« Während im Premake die Mutter der Kinder stirbt, wird die Handlung im Remake bis zum Ende über den Konflikt Paula und Mathias entwickelt. Paula erscheint durchweg als selbstständige, stolze Frau. Die Kinder sind Opfer der elterlichen Unversöhnlichkeit. 216 In diesem schrieb er dem verunglückten Bruder: »Ich bin bestürzt, dass Du den Hof Paula und den Kindern vermachst.« Damit ist belegt, dass er vom testamentarischen Willen des Bruders wusste. Zur Figur des Vertriebenen, sowie zu Film und Produktionsgeschichte, vgl. Kordecki 2015, S. 171ff. 217 Ausführlicher zur Inszenierung und Dramaturgie des Films mit den »Themen der Nachkriegszeit, aber [dem] plot […] eines ordentlichen Westerns«, vgl. Bliersbach 1985, S. 81– 85, Zitat S. 81. 218 Das Remake inszeniert die Geschichte einer heimatvertriebenen Gemeinschaft um den Baron Malte (Rudolf Forster) im Bayrischen Wald. Betrogen vom Gutsverwalter versuchen sie, eine neue Existenz aufzubauen. Der Enkel des Barons (Claus Holm) – nach der Kriegsgefangenschaft erfolgreicher Geschäftsmann in Paris – wird zur wirtschaftlichen Rettung herbeigerufen. Die schöne Pflegetochter Marianne (Sabine Bethmann) verteidigt gegen Martins kühle Ökonomie den Wert der »Heimatgemeinschaft«. Sie werden am Ende ein Paar. Die gleichnamige Verfilmung von Fritz Peter Buch von 1936 dagegen verhandelte die Liebesgeschichte Mariannes, die enttäuscht von ihrem selbstsüchtigen Ehemann in der Ruhe der Berge den Schriftsteller Walter kennen- und lieben lernt. Eine ausführlichere Besprechung und Verortung des Remakes in den Diskursen um Flucht und Vertreibung, vgl. Kabatek 2013.

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Films formuliert während der Dreharbeiten programmatisch, dass der Heimatfilm aktuelle Probleme aufgreifen muss, wehrt sich gegen »das Unechte« und »Kitschige« und postuliert: »Darum ist ein echter ›Heimatfilm‹ aktuell und spannend und ein wahres Kind unserer Zeit und niemand sollte sich genieren, alle Kraft daran zu setzen, einen Film dieser Gattung so gut und so interessant wie möglich zu machen«219 Er zielt sicher auf eine andere Idee als die, die dem Aktualisierungskonzept des folgenden Remakes zugrunde liegt. Im Remake von Immensee (1943, Veit Harlan), unter dem neuen Titel Was die Schwalbe sang (1956, G8za von Bolv#ry), bleibt die literarische Vorlage Theodor Storms erkennbar. Erschien der Vorgängerfilm noch als halbwegs treue Filmadaption der Novelle von Storm um eine Jugendliebe in historischer Kulisse, sieht das lediglich am Beginn des Remakes so aus. Reinhard (Carl Raddatz) heißt jetzt Gerhard (Claus Biederstaedt) und bricht wiederum vom idyllischen Landsitz wegen seiner Ausbildung als Musiker in die Stadt auf. Nun aber zerfällt der Film: Die Szenen auf dem Land, die Enttäuschung Ursulas (Maj-Britt Nilsson) über das Schweigen des geliebten Mannes und auf dem Gestüt des Freundes Peter (Gunnar Möller), den sie schließlich heiraten wird, sind noch der Zeit enthobene, idealisierte Landschaftsaufnahmen. So ist auch Ursulas Weigerung, in die Stadt zu gehen, Teil des Konflikts, der insbesondere über die Gespräche mit Gerhards Vater (Paul Hörbiger), einem gescheiterten Musiker, verhandelt wird und an dessen Ende sie den Geliebten freigibt.220 Allenfalls die Kostüme, die Ursula in einer kurzen Szene trägt sowie Peters neuer Traktor verweisen in den Szenen auf dem Land zaghaft auf eine technische oder ästhetische Moderne. Konträr dagegen die Inszenierung Hamburgs mit modernem Mobiliar und Schlagermusik.221 Bemerkenswert ist das breite musikalische Spektrum. Klassische Musik wird in den Szenen am Konservatorium oder den Bildern von Gerhards Karriere gleichberechtigt neben modernen Schlagern inszeniert.222 Die Gegenüberstellung von unterhaltender und klassischer Musik bleibt an-

219 Wolfgang Liebeneiner : »›Deutsches Erzeugnis‹ oder ›Was ist ein Heimatfilm?‹«, in: FTG, Nr. 5, 1. 2. 1956, 4. Jg. 220 Gerhards Vater ist nach der Trennung von seiner Frau dem Alkohol verfallen. Er erzählt Ursula die Geschichte, dass Gerhards Mutter das unstete Leben an seiner Seite nicht ertragen konnte. Daraufhin beschließt sie, Gerhard freizugeben, um seinen beruflichen Erfolg nicht zu gefährden, und bittet Gerhards Vater, dem Geliebten diese Nachricht zu überbringen. Das ist gegenüber Immensee insofern eine wichtige Veränderung, weil es eben nicht mehr nur die Entfremdung und schon gar nicht die Untreue des Musikers ist, die zum Ende der Jugendliebe führt, sondern der Verzicht der jungen Frau. 221 Ausführlicher zu den Veränderungen des Remakes und zur Musik, vgl. Frank 2017. 222 Als Konflikt unterhaltende versus klassische Musik inszeniert und verhandelt das Remake Musik, Musik und nur Musik dieses Thema ebenfalls. An dessen Ende aber steht – wie übrigens schon im Vorgängerfilm Wir machen Musik (1942, Käutner) – der Triumph der Unterhaltungsmusik.

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sonsten dem Musikfilm – unter den Remakes Musik, Musik und nur Musik (1955, Ernst Matray) – vorbehalten.

2.2.2 Heitere Heimat Auch die komischen Remakes im ländlichen Raum, die zwischen 1954 und 1956 uraufgeführt werden, changieren zwischen Zeitlosigkeit und ausgestellter Aktualisierung. Das sündige Dorf (1954, Ferdinand Dörfler) und IA in Oberbayern (1956, Hans Albin) setzen jene Linie fort, die Der Ehestreik aufzeigte, ersterer nun in Agfa-, letzterer in Eastmancolor. Auf dem bayrischen Land kämpfen die Männer der Dorfgemeinschaft um die Geheimhaltung ihrer kleinen Sünden, allerdings gibt es jetzt mit dem Preußen ein weiteres (komisches) Feindbild. Abgesehen von der technischen Neuerung nehmen diese Komödien, denen beiden ein Bühnenstück zugrundeliegt, gegenüber ihren Vorgängerfilmen nur marginale Veränderungen vor. In Das sündige Dorf sind sogar die Hauptrollen identisch besetzt: Joe Stöckel und Elise Aulinger spielen sowohl 1940 als auch 1954 das Ehepaar Thomas und Theres Stangassinger, auch Beppo Brehm ist wieder der »Wegscheidbauer«. Dagegen war die Rolle des Erpressers, der die Männer des Dorfes mit dem Wissen über ihre Sünden bedroht, 1940 noch mit Josef Eichheim als Korbinian Bachmair besetzt. Sie wird nun von Günther Lüders gespielt und er gibt einen Preußen. Das ist eine Aktualisierung des Remakes, die einen weiteren komischen Kontrast schafft. IA in Oberbayern führt den deutschen Nord-Süd-Konflikt bereits im Titel, dabei ist er eine Übernahme vom Vorgängerfilm von 1937. Die Rahmenhandlung setzt eine versöhnliche Geste an das Ende, die es in der Verfilmung von 1937 nicht gab.223 Zumindest dramaturgisch gilt das Konzept der kaum sichtbaren Veränderungen auch für die zweite Verfilmung des Konversationsstücks Sophienlund, das 1956 unter dem Titel Verlobung am Wolfgangsee in die Kinos kommt. Allerdings lassen sich hier in Einzelszenen Aktualisierungen beobachten; etwa beim Abschied des Musikersohnes (Michael Heltau) vom Konservatorium, der in einer langen Szene mit dem Schlager »Ohne Musik« inszeniert wird oder in den Aufnahmen Ingrid Andrees. Der Beginn der Neuverfilmung von Krach um Jolanthe (1934, Carl Froelich), unter dem Titel Das fröhliche Dorf (1955, Rudolf Schündler), verspricht zunächst eine offensive Verankerung in den 1950er Jahren. Das Remake beginnt bei einer Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in München. Hier wird die Zuchtsau Jolanthe prämiert inklusive Zei223 Das Remake ist in eine Rahmenhandlung im Museum eingebettet, in der am Beginn der letzte »Homo bavaricus ultimus« ausgestellt wird. Am Ende erklärt der sächselnde Museumsführer, dass die »Gegensätze überbrückt« seien.

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tungsfoto des stolzen Besitzers, Krischan Lampken (Carl Hinrichs). Mit der Rückkehr Jolanthes in die norddeutsche Ortschaft Ringelstede aber werden nunmehr im zeitlichen Irgendwann die Liebesgeschichten der jungen Paare und die Auseinandersetzung Lampkens mit dem Finanzamt ohne große Differenzen verhandelt. Es sind die gleichen, die bereits dem Schwank wie der ersten Verfilmung zugrunde lagen: Die Tochter (Hannelore Bollmann) muss sich zwischen ihrem Freund, dem Müller Bunje (Peter Carsten), und dem werbenden Dorfschullehrer (Gerhard Riedmann) entscheiden. Der Lehrer wird die Liebe seiner alten Freundin Sophie (Gardy Granass) erkennen. Zwei Momente des Films aber verweisen auf Aktualisierungsprozesse der 1950er Jahre vor dem Hintergrund der bereits besprochenen Filme: Erstens hat sich das musikalische Spektrum gegenüber der Verfilmung von 1934 erheblich erweitert. Der neue Dorfschullehrer lässt gleich in der ersten Stunde die Kinder im Grünen das »Friesenlied« singen (»auf Hochdeutsch, bitte!«), später wird Sophie Volkslieder singend von ihrem Großvater auf der Flöte begleitet, der Lehrer intoniert ein Duett mit der Lampken-Tochter (»Das kleine Wort Ich liebe dich«) und auf dem Fest stimmt »das fröhliche Dorf« in das Jolanthe-Lied ein.224 Während in diesen Szenen der Heimatschwank um musikalische Elemente bereichert wird, taucht am Ende auch ein Vergangenheitsverweis auf, obgleich nur dialogisch: Beim festlichen Mahl nach der heimlichen Schlachtung kreisen die Gespräche redundant um Schwarzschlachtungen in der Besatzungszeit. Auch der Dorfschullehrer, der mittlerweile prügelnd und trinkend seine Zugehörigkeit zur Dorfgemeinschaft unter Beweis gestellt hat, kann nun mit der Männergemeinschaft lachen. Am offensivsten aktualisiert die vierte deutschsprachige und keinesfalls letzte Verfilmung von Kohlhiesels Töchter[n] (1920/1930/1943), unter dem neuen Titel Ja, ja, die Liebe in Tirol (1955, G8za von Bolv#ry).225 Der Beginn der Komödie lässt – ähnlich wie in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt – nicht vermuten, dass alsbald die Berglandschaft die Bildwelt des Films prägen wird. Zunächst präsentiert der Film eine lange Fahrt durch eine nächtliche Stadt, vorbei am Nachtleben mit Leuchtreklame bis in ein Lokal, in dem der Protagonist des Films, Peter Lenz (Gerhard Riedmann), ein Pianist, mit dem Mamboschlager »Barbara« einen aufreizenden Tanz begleitet und eifrig flirtet. Eifersüchtig zerrt der Programmdirektor des Fernsehens (Peter W. Staub) seine Verlobte Barbara (Susi Nicoletti) davon. Der Pianist wird gefeuert und auch im Tarantello wegen eines empörten männlichen Gastes auf die Straße gesetzt. Der 224 Die Melodie erklingt bereits im Vorspann, gesungen wird es auf dem Fest: »Jolanthe, Jolanthe/ du dickes Borstenvieh hast meine Sympathie/ Jolanthe, Jolanthe/ du hast mit deinem Speck die Ruhe weg« usw. 225 1962 wird der Stoff unter der Regie von Axel von Ambesser noch einmal verfilmt und ist im Verleihjahr 1962/63 der zweiterfolgreichste Film in Deutschland, vgl. Garncarz 2013, S. 191.

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Geschäftsmann und Freund, Hans Bondy (Gunther Philipp), heuert ihn als Vertreter für Schlankheitspillen und Chauffeur an. Damit beginnt die Reise und die Begegnung mit den Töchtern. Der Vater heißt nun Ignaz Musbauer und wird von Hans Moser gespielt. Wieder kann die kleine Schwester Gretel (Doris Kirchner) nicht heiraten, bevor die kratzbürstige Liesel (Carla Hagen) einem Mann versprochen ist. Beide Freunde verlieben sich im Hotel Almenrausch in Gretel. Hans ersinnt den Plan, Liesel zu heiraten und sich prompt wieder scheiden zu lassen. Nach der Hochzeit verwüstet er ihre unaufgeräumte Wohnung, die ihn beim Eintreffen Liesels »an die ersten Jahre nach dem Krieg« denken lässt: »Als die Besatzungssoldaten aus meiner Wohnung ausgezogen sind, hat’s ungefähr so ausgesehen.« Auch hier findet sich also wieder ein komischer Seitenhieb auf die Besatzungszeit sowie eine pauschale Abwertung der alliierten Soldaten.226 Was Hans als Scheidungsgrund inszeniert, entpuppt sich als Zähmung der widerspenstigen Liesel. Mit weiblicher Hilfe richtet sie nicht nur ihre Wohnung für den Bräutigam hübsch her, sondern auch sich selbst, sodass Hans schlussendlich bei ihr bleiben will. Währenddessen hat sich Peter nicht nur in Gretel verliebt, sondern rettet mit seiner Idee eines bunten Nachmittags mit Nachwuchskünstlern, der im Fernsehen übertragen wird,227 das finanziell angeschlagene Hotel. Das Repertoire der bunten Veranstaltung reicht von einem Wiener Lied, über Parodien des Kreissparkassendirektors (Werner Kroll parodiert hier etwa Moser, Zarah Leander und Heinz Rühmann),228 einen Auftritt der Donkosaken bis zum titelgebenden Schlager »Ja, ja, die Liebe in Tirol«, den Liesel und Gretel im Duett singen. Dazwischen finden sich launige Kommentare zum Fernsehen,229 am Ende steht das happy end der Liebespaare und die Rettung des Hotels, das nun bekannt werden kann »wie das weiße Rößl am Wolfgangsee« (Peter). In den letzten Bildern des Films wird der BarbaraMambo zum Marsch. Die Gesellschaft schreitet fröhlich über die Wiese. Hier kondensiert mit Blick auf den Filmbeginn im Remake nicht nur auf musikalischer Ebene das Amalgam zwischen alt und neu, modern und traditionell, sondern in den lustigen Anspielungen auf amerikanische Neuerungen des Fa226 Diese wird auch der Ausgangspunkt für Wibbels Wertschätzung von Bosty in Das Sonntagskind (1956) sein. In Das fröhliche Dorf (1955) feiert die Gemeinschaft die Schwarzschlachtungen. 227 Zum Fernsehen im Schlagerfilm der 1950er Jahre, vgl. Wulff 2016. 228 Ausführlich zum Musikprogramm im Film und den Verbindungen zu den NS-Wunschkonzerten, vgl. Kordecki 2012, S. 102ff. 229 Etwa wenn der Programmdirektor des Fernsehens panisch bei den Zwischenansagen Mosers/Ignaz Musbauers zum Hotel stöhnt: »Wir haben sowieso dauernd Ärger wegen Werbung!« Institutionsgeschichtlich kommt die Bemerkung früh, denn erst am 3. 11. 1956 führt der Bayrische Rundfunk als erster Sender Werbefernsehen ein, die Diskussion um die Einführung beginnt schon am Beginn des Jahrzehnts, vgl. Schmidt / Spieß 1994, S. 192ff. Zur Geschichte von Kino und Fernsehen in den 1950er Jahren, vgl. u. a. Hickethier 1989.

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milienunternehmens,230 Stadt und Land, Vergangenheit und Zukunft läuft die gesamte Inszenierung auf die Versöhnung der Gegensätze hinaus. Die Protagonisten finden ihr Glück im ländlichen Tirol, das in der letzten Einstellung als (marschierende) Gemeinschaft vor dem Bergpanorama inszeniert wird. Insgesamt zeigt sich in den komischen Heimatfilmen das gleiche Nebeneinander von zeitlicher Diskretion und Aktualisierung wie in den eher dramatischen Stoffen des Genres. Aktualisierung wird nicht primär durch Themen oder Dialogen verhandelt, sondern erstens in Bildern eines prosperierenden Landes inszeniert, dessen Kontrast die dörfliche Gemeinschaft mit Trachten und Ernten als gewissermaßen überzeitliche ist. Zweitens fällt insbesondere im Vergleich mit den Vorgängerfilmen auf, dass sämtliche Heimatfilme um musikalische Elemente und ausführliche Inszenierungen von Liedern bereichert werden.

2.2.3 Zunahme und Spektrum der Gegenwartskomödien Auch in anderen Remakes des komischen Genres lässt sich die Melange aus Aktualisierung und Diskretion beobachten. Zwischen 1954 und 1956 finden sich weitere Beispiele, in denen die Handlungszeit nicht inszeniert und sie allenfalls in Dialogdetails preisgegeben wird: Der Raub der Sabinerinnen (1954, Kurt Hoffmann) und Lumpacivagabundus (1956, Franz Antel).231 Doch quantitativ nehmen die Gegenwartskomödien zu. Die Ehekonflikte werden weiterhin komisch verhandelt; ob nun in Ja, so ist das mit der Liebe/ Das Ehesanatorium (A 1955, Antel), Der falsche Adam (1955, G8za von Cziffra), Der Mustergatte (1956, Erik Ode) oder Wenn wir alle Engel wären (1956, Günther Lüders), verlieren aber an Dominanz – in Seine Tochter ist der 230 Einer der ersten Wortwitze Mosers ist, dass er den »Service« (spricht es »Serv&s« und muss verbessert werden) des Hauses anpreist, »auf Amerikanisch«. 231 Der Raub der Sabinerinnen verhandelt die Geschichte des Wandertheaters von Direktor Striese (Gustav Knuth) und seiner Frau (Fita Benkhoff), die in das kleine Städtchen Gundelbach kommen, in dem gerade Festspielwochen geplant werden. Die Aufführung des Jugendstücks des Gymnasiallehrers Gollwitz (Paul Hörbiger) gerät zur erfolgreichen Farce, an deren Ende das Wandertheater finanziell saniert ist. Abseits des Verweises, dass 1453 das Städtchen das Marktrecht erhielt und damit das 500. Jubiläum ansteht, bleibt die Handlungszeit außen vor. Auch die Neuverfilmung von Lumpacivagabundus spielt mit gleichen Figuren und nur leichten Veränderungen in einem zeitlichen Irgendwann. Mit Blick auf den Vorgängerfilm sind aber hier die Wiederaufnahmen auffällig: Paul Hörbiger, der den Schuster August Knierim gibt, spielte diese Rolle (und 1936 auch den Geist Lumpacivagabundus) in der österreichischen Verfilmung von 1936/37. Ebenfalls übernimmt das Remake den Schlager »Wozu ist die Straße da – zum Marschieren« des Premakes, der am Beginn das zentrale Motiv der Filmmusik ist. Interessanterweise waren die Filme in Bezug auf die Publikumswirksamkeit recht konträr : Der Farbfilm Lumpacivagabundus wurde mit 2,4, der Schwarzweißfilm Der Raub der Sabinerinnen dagegen mit 4,7 bewertet, vgl. Axtmann / Herzberg 1960.

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Peter (A 1936, Heinz Helbig, A 1955, Gustav Fröhlich) etwa wird die Geschichte eines Kindes und seiner geschiedenen Eltern verhandelt.232 Tatsächlich spielt ein Großteil der komischen Remakes nun in der Nachkriegszeit und die Tendenz eines erweiterten musikalischen Spektrums ist hier ebenfalls festzustellen. In Wenn wir alle Engel wären (1956) spielen nun Marianne Koch und Dieter Borsche das Ehepaar Kempenich. Der männliche Protagonist ist nicht mehr Verwaltungsangestellter, sondern Stadtbibliothekar, was die Schwindelei der Eheleute um eine kulturkritische Komponente bereichert, die wiederum mit den Schmutz- und Schunddebatten der 1950er Jahre korrespondiert und redundant auf die Formel »Ordnung, Sauberkeit, Pflichtbewusstsein« gebracht – und belächelt – wird.233 Besorgt um die sittliche Bildung der ihm anvertrauten Leser, ist das Abenteuer Christian Kempenichs in Düsseldorf, das mit schnellen Kamerafahrten durch die nächtliche Stadt, schrägen Bildern und Hochhäusern den Gegenpol zum kleinen Ort bildet, umso erschreckender und zugleich im Kontrast zwischen enger mittelalterlicher Klein- und weiter Großstadt inszeniert (Abb. 10 und 11). Anders aber als die Figur, die Rühmann 1936 spielte, rutscht die Hauptfigur nun tatsächlich unschuldig ins Nachtleben.234 Durch ein Treffen mit einem alten Studienfreund verpasst er den Zug zurück. Die Bilder der nächtlichen Stadt wie auch die Musik in der Bar markieren die zeitliche Verortung, die Konflikte aber werden hier im unberührten Moselstädtchen ausgetragen. Während Christian in Düsseldorf bleiben muss und im Hotel Monbijou erwacht, verpasst auch seine Frau, die auf einer Dampferfahrt ihren um sie werbenden Gesangslehrer Falotti (Hans Söhnker) trifft, den Zug zurück und muss in Koblenz übernachten. Die Eheleute lügen sich an, die Verwicklungen beginnen und erst die Gerichtsverhandlung klärt ihre Unschuld auf – das alles vollkommen analog zum Vorgängerfilm, der 1936 als »staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll« ausgezeichnet wor232 Nach dem Roman von Edith Zellwecker verhandeln beide Filme die Geschichte der kleinen Elisabeth, die aufgrund ihrer jungenhaften Art Peter genannt wird. Sie wächst bei ihrem Vater auf, die Mutter ist als Sängerin auf Tournee. Als sie zurückkehrt, gerät das Kind in den Konflikt zwischen den getrennten Eltern. Eine Analyse des Remakes und der Normen väterlicher Männlichkeit erarbeitete Maria Fritsche, vgl. Fritsche 2013, S. 189–193. Sie konstatiert: »These comedies suggest that children in postwar Austria need fatherly love not authority, and thus challenge or undermine any attempts by fathers to exert authority«, Fritsche 2013, S. 192. 233 Bereits in der ersten Szene des Films betont Christian Kempenich in der Bibliothek wiederholt die Losung, schlägt einem Herrn statt Karl May einen Ganghofer vor, will einer Dame keinen Dostojewski aushändigen. In der Diskussion mit seinem Jugendfreund hält dieser ihm nach endlosen Ausführungen über seine »kulturelle Aufgabe« schließlich vor: »Wir leben im 20. Jahrhundert!«. 234 1936 äußerte Kempenich explizit Interesse am Nachtleben der Stadt, die damals noch Köln war. Eine detaillierte Handlungsbeschreibung des Vorgängerfilms und historische Verortung, vgl. Kanzog 1994, S. 141ff.

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den war. Die Differenz, die durch die Unschuld des Protagonisten am Düsseldorfer Abenteuer entsteht, ist die partielle Gleichberechtigung der Hauptfiguren in der Verfehlung. Christian Kempenich findet nicht wie sein Vorgänger 1936, dass »jeder einmal über die Stränge schlagen [muss].« Der potentielle Seitensprung ist vielmehr für beide Ehepartner problematisch. Offen bleibt allerdings, ob die Erfahrungen den Protagonisten weniger penibel werden ließen. Die Figur des pedantischen, zudem noch rechthaberischen Ehemanns ist der Ausgangspunkt von Der falsche Adam (1955, G8za von Cziffra); in den komischen Verwicklungen des Films entdeckt dieser tatsächlich die Leidenschaft für seine Frau wieder.235 Eheliche Verwechslungen inszenieren auch Musik, Musik und nur Musik (1955, Ernst Matray) und Nichts als Ärger mit der Liebe (A 1956, Thomas Engel), ersteres eine musikalische Komödie. Nichts als Ärger mit der Liebe, die Neuverfilmung von Das Konzert (1944, Paul Verhoeven) bleibt durch die Hauptfigur, einen Pianisten (1944 Harry Liedtke, 1956 Viktor de Kowa), der klassischen Musik treu, verhandelt dafür umso offensiver die Ehekonflikte des alternden exzentrischen Mannes und seiner treuen Frau (1944 Käthe Haack, 1956 Winnie Markus), an deren Ende die Einsicht und Besserung des Protagonisten steht.236 Musik, Musik und nur Musik (1955) ist das Remake von Wir machen Musik (1942, Helmut Käutner) und musikalisch deutlich breiter. Der Vorgängerfilm war eingebettet in eine 235 Der falsche Adam ist das Remake von Oh, diese Männer (1941, Hubert Marischka). Adam Waldemar Meinecke (Rudolf Platte) ist Filialleiter der Th. Th. Th. Mayer RadioAgentur, seine junge Frau Renate (Waltraut Haas) und sein Umfeld leiden unter seiner Herrschsucht und Pedanterie. Um seinem unbekannten amerikanischen Chef die Revision vorzulegen, reist er nach Capri, vergisst aber vor lauter Nervosität nicht nur die Unterlagen, sondern schlägt – ohne Wissen um dessen Identität – diesen im Streit um einen Federhalter auf dem Postamt nieder. Daraufhin muss sich nicht nur Th. Meyer (Oskar Sima) seiner eifersüchtigen Frau Luise (Loni Heuser) erklären, die hinter dem blauen Auge eine Geliebte vermutet. Sondern auch Renate muss den mit den Unterlagen nachgereisten Buchhalter Bullinger (Walter Müller) als ihren Mann ausgeben. Die Verwechslungen bestimmen das Spiel auf der Yacht, auf der zudem noch als Steward der ehemalige Büroangestellte Meineckes (Günther Lüders) mitmischt und Buchhalter Bullinger sich in die Tochter Meyers (Doris Kirchner) verliebt. Am Ende vertrauen sich die Verzweifelten Meyers Frau an, die alle Missverständnisse ausräumt und das Kommando übernimmt: Im letzten, ironischen Bild hält sie das Steuer der Yacht, Meyer strickt neben ihr. Meinecke dagegen hat nicht nur seine ersten Alkoholerfahrungen hinter sich, sondern küsst vor allem leidenschaftlich seine Frau. 236 In beiden Filmen ist der Pianist, Professor Heink, umworben von seinen Schülerinnen und verreist schließlich mit der schönen Delfine (1944 Ingeborg von Kusserow, 1956 Sonja Ziemann). Seine Frau und ihr Mann (1944 Gustav Fröhlich, 1956 Walter Giller) reisen hinterher und geben ein Verhältnis vor, um die beiden eifersüchtig zu machen. Am Ende versöhnen sich die Paare. Doch in der Verfilmung von 1944 bleibt der Professor den verführerischen Frauen ausgesetzt, während er im Remake tatsächlich Einsicht gewinnt, seine Frau nun nicht mehr im Probenraum auf ihn warten muss, sondern im Konzertsaal sitzt.

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Abb. 10 und 11: Wenn wir alle Engel wären (1956): Großstadt und Kleinstadt, Enge und Weite

Rahmenerzählung, die damit endet, dass der Protagonist (Viktor de Kowa) wegen des Krieges verdunkeln muss und erklärt: »Entschuldigen Sie bitte, aber wir kriegen sonst ’ne Anzeige.« Das Remake übernimmt die grundlegenden Konflikte zwischen dem zukünftigen Paar und zwischen U- und E-Musik: Anni Pichler (Inge Eggert) lernt den Komponisten Karl (Walter Giller) als Harmonielehrer und Verfechter der klassischen Musik kennen.237 Aber das Flair ist nun nicht nur internationaler,238 sondern vor allem werden die Positionen zwischen dem stolzen, traditionsbewussten Karl und Anni expliziert. Als er sich weigert, als Arrangeur für den Rundfunk zu arbeiten, betont sie die Notwendigkeit des Lebensunterhalts. Zudem hat Karl im Remake ernstzunehmende Konkurrenz bekommen: Maurice (Claus Biederstaedt), ein Kollege aus der Bar, wirbt um Anni und schon die Besetzung macht klar, dass der Eifersuchtskonflikt deutlich schwerer wiegt als im Vorgängerfilm.239 Der Film endet mit einer langen Szene in der Musikhalle, in der die »Rhapsodie in Jazz« und Einzellieder gegeben werden und an die sich die Versöhnung von Anni und Karl anschließt. Nicht nur das Genrespektrum ist breiter geworden, auch die Konfliktkonstellationen in den Gegenwartskomödien sind vielfältiger. Das erfolgreichste 237 Auch dieses Paar streitet über den Boogie (Anni) versus klassische Musik (Karl). Eine ähnliche Auseinandersetzung findet 1956 zwischen Anni und Karl über »Johann Sebastian Bach« und »Musik für alle Tage« (Anni) statt. 238 Suzy Miller spielt die englischsprachige Freundin Annis, Lony Kellner, Frau von Peter Frankenfeld, die zweite Freundin. Am Schluss spielt neben dem NWDR-Orchester auch die Lionel Hampton-Band. 239 Biederstaedt wurde 1928 geboren, 1952 als bester Nachwuchsdarsteller mit dem Filmband für seine Rolle in Die große Versuchung (1952, Hansen) ausgezeichnet, spielte er in zahlreichen Spielfilmen der 1950er Jahre, im Jahr 1954 ist er laut Filmpress der drittbeste männliche Nachwuchsdarsteller nach Karlheinz Böhm und Walter Giller, »Die 10 besten Nachwuchs-Darsteller«, in: FP, Nr. 22, 10. 6. 1954, 6. Jg., S. 10. Auch die Avancen, denen Karl von Seiten Frau Berndorfs (1942 Grethe Weiser) bzw. Fräulein Bergers (1955 Lony Kellner) ausgesetzt ist, sind nun durch die jüngere Besetzung nicht mehr derart absurd.

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Remake des Genres zwischen 1954 und 1956 ist Charley’s Tante (1956, Hans Quest) mit Heinz Rühmann als »Tante« bzw. Dr. Otto Dernburg.240 Der Film ist mit Stars bis in kleinste Nebenrollen besetzt, die jugendlichen Protagonisten Claus Biederstaedt als Ralf und Walter Giller als Charley, Paul Hörbiger gibt Charleys Vater, Hertha Feiler die echte Tante Carlotta Ramirez, Ruth Stephan die Mona, Bum Krüger den Chauffeur Peter.241 Lediglich die zwei Mädchen, um die die jugendlichen Protagonisten werben, werden von unbekannten Nachwuchsdarstellerinnen gespielt, Elisa Loti (Ulla) und Ina Peters (Britta). Im Vergleich mit dem Vorgängerfilm gleichen Titels (1934, Robert A. Stemmle) fällt vor allem die zeitliche Aktualisierung auf: Die Verfilmung von Charley’s Tante aus dem Jahr 1934 spielte wie das Bühnenstück im gediegenen Oxforder Studentenmilieu. Hier findet sich ein ähnlicher Zeitsprung wie bei dem Rühmann-GillerRemake Das Sonntagskind (1956), das von 1812 ins Jahr 1948 transponiert wurde. Beide Vorgängerfilme durchliefen einen ähnlich grundlegenden Aktualisierungsprozess durch den gleichen Drehbuchautor, Gustav Kampendonk. Charley’s Tante ist in die zeitgenössische Bundesrepublik verlegt, auf den ersten Blick manifestiert in den Kostümen und Frisuren der jungen Protagonisten,242 in der modernen Tanzbar, der überaus farbenfrohen Ausstattung der Junggesellenbude mit Nierentisch und Hollywoodschaukel auf der Dachterrasse, in deren Hintergrund Leuchtreklamen prangen, die vom blauen Schriftzug »Grand Hotel« bis zu »Continental« reichen. Auf der abendlichen Terrasse entspinnt sich sodann auch das Spiel des verkleideten Bruders als »Tante Lotti«, der mit den Mädchen flirtet und von den eintreffenden Männern, Charleys und Ullas Vater, umworben wird. Das Crossdressing, gepaart mit Anzüglichkeiten und Wortwitzen,243 bestimmt die Komik des Films. Sowohl im Werben der alten Herren um die angebliche Tante als auch durch die Szenen mit den nichtsahnenden Mädchen ist die sexuelle Ebene des Remakes überaus präsent. Die zweite komische Ebene sind die zunehmenden Verwicklungen, die ihren Höhepunkt erreichen, als die echte Tante eintrifft, in die sich Otto von Dernburg zuvor 240 Garncarz 2013, S. 189. 241 Darüber hinaus spielen u. a. Hans Leibelt (Niels Bergström) und Hans Olden (Wolke). 242 Auffällig ist in diesem Zusammenhang vor allem die Elvis-Tolle, die Claus Biederstaedt trägt. Auch die Kurzhaarfrisur Brittas verweist auf modische Veränderungen. Im Gegensatz dazu tragen sowohl Otto Dernburg als auch Carlotta, als die Älteren (und Wohlhabenderen) elegante Salongarderobe. 243 Beispiele für den Wortwitz sind: Charley antwortet etwa am Telefon: »Ihre Gattin hat ein Kind bekommen? Wie mich das freut, von wem denn?«. Charleys Vater stellt sich nach allerlei Küssen, einem Klatscher auf den Po vor als »lieber Vetter August«. Auf den Bauch tippend antwortet die vermeintliche Cousine »lieber fetter August«. Die falsche Tante erzählt schließlich mit Herrn Bergström flüsternd schmutzige Witze, die jedoch der Fantasie des Zuschauers überlassen bleiben. Ausführlich zur Komik des Films und der Handlung im Detail, vgl. Mielke 2012.

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verliebte. Sie erkennt den Verehrer schließlich am Ring, nachdem sie zunächst damit haderte, dass eine Betrügerin ihr Kleid trüge.244 Auf dem Gipfel des Rollentausches tanzt und singt Dernburg den parodistischen »Amazonas-Mambo«, den er ironisch als »Heimatlied« ankündigt. Diese Darbietung ist zugleich der Höhepunkt der musikalischen Einzelnummern, die beim Tanz und Trompetensolo in der Bar begannen und in der fast vierminütigen Schlagersequenz, die die Verliebten auf der Hollywoodschaukel singen,245 fortgesetzt wird. Es sind ausschließlich aktuelle Schlager. Neben der Aufwertung der Musik im Remake fällt ein zweites Detail auf: Die Aktualisierung erweitert den Stoff um das Motiv des Geldes. Bereits in Bühnenstück und Vorgängerfilm gab es die Figur des finanziell ruinierten Vaters, der an der brasilianischen Millionärin interessiert war.246 Paul Hörbiger als Charleys Vater begründet sein Werben um Carlotta auch redundant mit der Aussicht auf die Millionen. Zudem aber sind die jungen Protagonisten nun chronisch pleite: Dernburg zahlt in der Tanzbar erst einmal die Rechnung der beiden und auch den Mädchen gegenüber gibt Charley an, zu Hause zu feiern, »weil es da am billigsten ist.« Auch das Lied der Verliebten handelt vom armen jungen Mann. Der letzte Film, der den Gegenwartskomödien zuzurechnen ist, verhandelt ein gänzlich anderes Thema. In Kitty und die grosse Welt (1956, Alfred Weidenmann), dem Remake von Kitty und die Weltkonferenz (1939, Helmut Käutner) spielen nun Romy Schneider (Kitty) und O. E. Hasse (Sir Ashlin) die Hauptrollen. Hasse hatte bereits in den 1930er Jahren Nebenrollen im deutschen Film übernommen, seine Karriere als Charakterdarsteller in der Bundesrepublik begann mit der Hauptrolle in Canaris (1954, Alfred Weidenmann),247 in dem er den nüchternen, moralisch überlegenen Abwehrchef gab. In der Rolle des deutschen Widerständlers starb er, als britischer Außenminister darf er nun über Verantwortung sinnieren. Wieder einmal führt ein Off-Erzähler in die Handlung ein, der keinen Zweifel daran lässt, wie unfruchtbar diese Zu-

244 Was »sie« tatsächlich tut: Um Ralf und Charley zu retten, hatte Otto von Dernburg seinem Sekretär und Fahrer (Bum Krüger) den Eilauftrag erteilt, Frauenkleider zu besorgen. Da dieser mit Carlottas Sekretärin Mona (Ruth Stephan) angebandelt hatte, half diese aus. Die Geschichte um das Kleid – und damit auch die Wiederherstellung der Geschlechterverhältnisse – wird am Ende des Films beim Empfang noch einmal aufgegriffen. Carlotta trägt dieses nun und Otto bewundert sie ausführlich. 245 »Gehen Sie bis zum vierten Stück und dann noch ein kleines Stück. Dort wohnt das große Glück«. 246 Allerdings beschließt hier sein Sohn Jack, der im Remake in Ralf umbenannt wurde, den Vater der reichen Tante vorzustellen. Am Ende entpuppt sich Colonel Sir Francis Chesney als Jugendliebe der Tante. 247 Wir sahen ihn bereits in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953) in der Nebenrolle. Detailliert zur Karriere des Darstellers und seinen internationalen Rollen, vgl. Weniger 2001, Bd. 3, S. 564f.

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sammentreffen der Mächtigen sind.248 Die Delegationen fahren vor. Es sind die vier Siegermächte des Weltkriegs, die von ihren jeweiligen Nationalhymnen begleitet in Genf eintreffen, »alles was Sie wollen, konferiert dort; natürlich auch und nicht zuletzt die Politiker«. Unter den Musikern ist Kittys Vater (Paul Dahlke), der Posaunist. Mit der Verlegung des Handlungsorts von Lugano nach Genf möchte man vermuten, das Remake politisiere den Vorgängerfilm im Zuge der Neubearbeitung: Im Juli 1955 hatte in Genf die Konferenz der vier ehemaligen Weltkriegsalliierten stattgefunden, bei der die BRD (und die DDR) mit Beobachterdelegationen vertreten waren. Die vier Mächte verhandelten hier nicht mehr ausschließlich die deutsche Frage, sondern vor allem die nach der europäischen Sicherheit. Genf war der Sitz des Völkerbundes. Explizit wird durch den Barbier Franz (Ernst Waldow) diese historische Linie auch benannt: »Da saßen hier bei mir Briand, Stresemann, Sir Ashlin«. Doch mit Kittys Vater deutet sich bereits die Privatisierung des Politischen an. Die Handlung wird nun nicht mehr aus einer Schwindelei Kittys entwickelt,249 sondern vielmehr aus der politischen Müdigkeit des englischen Außenministers und seiner Krise. »Was haben wir wirklich erreicht? Oder besser noch: Was haben wir verhindert?«, sinniert er. Exzellenz Ashlin flieht in die nächtliche Stadt und hier wird er Kitty treffen, die ihn vertrauensvoll, aber energisch in die Suche nach dem Besitzer eines herrenlosen Hundes einbezieht. Hilfsbereit führt sie ihn dann zum Restaurant, er lädt sie ein, gibt aber seine Identität nicht preis. Glücklich fährt der Politiker mit dem Bus zurück, ein freundlicher Fahrgast zahlt sein Billet. Ein Journalist aber fotografierte die beiden und am folgenden Morgen sind Kitty und Ashlin Tagesthema. Um Kitty (und die Reputation des Ministers) vor der Presse zu schützen, entführt Ashlins Neffe Robert (Karlheinz Böhm) sie am nächsten Tag aus dem Salon Jeannots, in dem sie als Maniküre arbeitet – das Sissi-Traumpaar darf sich noch einmal verlieben. Doch auch der russische Prawda-Journalist, Boris Malewsky (Peer Schmidt), ist verzaubert von dem fröhlichen Mädchen, erkennt aber die Liebe der beiden an und lässt sich gut248 Zu einer Montage von Konferenzbildern, die durch den Rahmen deutlich abgesetzt ist, erklärt am Beginn der Erzähler aus dem Off: »Der große Betrieb der Konferenz beginnt und alles konzentriert sich auf die Sitzungen, die in Minuten gemessen werden und in denen es um Jahre des allgemeinen Schicksals geht. Aber die Communiqu8s, die schließlich verteilt werden, enthalten wenig mehr als Tröstungen ganz allgemeiner Art. Und ehe man sich versieht, ist die Konferenz schon zu Ende; die Presse verläuft sich, die Operateure packen ihre Filmkameras ein und wie sie kamen, fliegen sie wieder weg. Ja, der Aufwand war groß, die Erfolge weniger, obwohl man es sich umgekehrt wünschte und insgeheim denkt man sich: ›Könnte es nicht einmal ganz anders sein? Müssen Konferenzen denn immer so sein und so enden?‹« 249 Auf die Schwindelei wird lediglich angespielt, als Kitty angibt, ihr Vater sei ganz nah auf der Konferenz dabei. Ihr Vater ist einer der Musiker, die zu Ehren der Delegationen die Hymnen spielen.

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mütig zum Coca-Cola-Holen wegschicken, damit Kitty und Robert die Anwesenheit Ashlins vor der Presse verbergen können. Die Darstellung des Russen ist freundlich, versöhnlich und durch eine kurze Szene am Beginn gewissermaßen auch humoristisch eingeführt: Als die Blasmusiker die Hymnen zur Begrüßung der Delegationen spielen, muss Kittys Vater selbstkritisch für das kleine Orchester feststellen, dass die Musiker die sowjetische Nationalhymne zu wenig geübt haben – es erklingen unüberhörbar schiefe Töne. Diese Dissonanzen kann man zugleich als heitere Anspielung auf den Kalten Krieg verstehen, versöhnt werden sie schließlich in der Freundschaft zwischen dem jungen Paar und dem russischen Journalisten. Zugleich ermöglicht die zunächst etwas unheimliche Inszenierung des Russen – er verfolgt Kitty – und die Abweisung auch durchaus andere Lesarten dieser Figur. Unterdessen hadert Ashlin, die Verhandlungspartner drohen, jeden Kompromiss scheitern zu lassen und selbst seine eigene Regierung lässt verlauten, dass er allein stehe. Dabei wird niemals klar, worum es politisch konkret geht, außer dass im Radio verkündet wird: »Die Hoffnungen Europas auf Frieden und Sicherheit« hingen an der Konferenz. Der Friseur Franz bittet genervt den Monsieur Jeannot (Charles Regnier), dieses abzustellen, Ashlin wird Franz beim Rasieren um dasselbe bitten. Die Botschaft ist unmissverständlich: Selbst der Politiker möchte keine großen Worte mehr hören. Letztlich verhandelt der Film vor allem die persönliche Krise des Protagonisten, die ihren Höhepunkt darin findet, dass er gegenüber seinem befehlsgewohnten Sekretär Crawford (Ernst Schröder) verzweifelt sinniert: Keine Anweisung, nichts. Handeln nach eigenem Ermessen. Man lässt mir freie Hand und natürlich auch die Verantwortung. […] Der Mensch, Crawford, braucht nichts so sehr als die Möglichkeit, sich entschuldigen zu können für das, was er tut. Das braucht er mehr als Brot. […] Crawford, haben sie mal drüber nachgedacht, wie viele Menschen betroffen werden von Menschen aus unserem Beruf.

In diesem überaus theatralisch vorgetragenen Statement lassen sich mehrere Aspekte identifizieren: Erstens eine ausgestellte Verzweiflung des Politikers, der sich alleingelassen nicht in der Lage fühlt, diese – wenn auch hier unspezifischen – Entscheidungen zu treffen und zu verantworten. Er insistiert hier auf die betroffenen Menschen. Das lässt zwei gegensätzliche Lesarten zu: zum einen die Abwertung politischer Aktivitäten, die mit der Inszenierungsebene korrespondiert, welche ausschließlich von der privaten Geschichte bestimmt ist. Zum anderen kann man Ashlins Überlegung ebenso im Sinne eines Statements für die Demokratie deuten, in der nicht mehr der Einzelne über die Schicksale aller herrscht. Ambivalent dagegen ist der Einschub, der Mensch bräuchte die Möglichkeit, sich zu entschuldigen. Vor dem zeithistorischen Hintergrund und der Ergänzung »mehr als Brot« kann man das vergangenheitspolitisch auf die

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Verantwortung im NS und die anschließenden »Hungerjahre« wie auch das Wirtschaftswunder beziehen. Zugleich spricht hier jedoch der Politiker, der unter dem Politikbetrieb leidet und mit Kitty und der »Moral der kleinen Leute« seine Lebensfreude wiederentdeckt hat und seinen Rückzug ins Private vorbereitet. Dem britischen Außenminister werden hier sehr deutsche Themen untergeschoben, die durch die Rollenbesetzung verstärkt werden. So wird er seinem Neffen überschwänglich gratulieren, als er ihm seine Liebe zu Kitty beichtet. Am Morgen des entscheidenden Verhandlungstags erzählt Franz ihm beim Rasieren von der Gewohnheit Briands, vor wichtigen Treffen spazieren zu gehen. Tatsächlich macht Ashlin einen Ausflug ins Grüne, um sich zu sammeln, doch er – der er nie Bargeld dabei hat – bleibt auf dem Boot eines Schweizer Jungen hängen, der sich beharrlich weigert weiterzurudern, ehe er seine zwei Franken erhält. Dank des verschwundenen Außenministers lenken die anderen Mächtigen, die allesamt gesichtslos bleiben, ein. Robert und Kitty finden zusammen. Beim Einsteigen ins Flugzeug spricht Ashlin feierlich ins Mikrofon: Wir sind doch alles nur Menschen, die in Ruhe und Frieden arbeiten und leben wollen, oder nicht? Und wenn wir das nun wollen, in Frieden leben, ja, was in aller Welt kann uns daran hindern, für jedes Problem, eine einfache und vernünftige Lösung zu finden? Wenn wir das wirklich wollen, vielleicht kommt’s nur darauf an.

Die Menge – darunter Kitty und Robert – applaudiert begeistert. In der letzten Szene nehmen die beiden noch Kittys Vater und die Kollegen von der Kapelle im Wagen mit, fröhlich endet der Film mit Blasmusik und lachendem Liebespaar. Ernst Veit beschreibt die Entpolitisierung und wertet sie durchaus positiv : Man ist zufrieden, daß auch weltbewegende Konferenzen gar nicht so wichtig sind, wenn Nachtigallen schluchzen und ein alter Politiker die Liebesidylle seines Neffen belauscht. Dies demonstriert der Film, und daß ihm das ohne erhobenen Zeigefinger (nach dem Motto: Erdgeborene vergeßt nicht, daß es in diesem Leben nur ums Leben und ein bißchen persönliches Glück geht!) gelungen ist, darf man Alfred Weidenmann und Herbert Reinecker hoch anrechnen.250

Reinecker und Weidenmann bekamen 1955 für Canaris den Bundesfilmpreis verliehen. 1956 appelliert »ihr« Hauptdarsteller an die Vernunft der Weltbevölkerung und für »ein bißchen persönliches Glück«. Eine Dichotomie zwischen zwischen Privatem und Politischen war schon in Briefträger Müller prägend und wird in der Inszenierung des Zweiten Weltkriegs in Urlaub auf Ehrenwort und der Besatzungszeit in Das Sonntagskind weitergeführt.

250 Ernst Veit: »Kitty und die große Welt«, in: FE, Nr. 75, 19. 9. 1956, 10. Jg.

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2.2.4 Weltkrieg und Nachkriegszeit zwischen Diskretion, Überzeitlichkeit und Kontinuitätsstiftung Urlaub auf Ehrenwort (1955, Wolfgang Liebeneiner) spielt im Zweiten Weltkrieg in Berlin. In Wenn Du noch eine Mutter hast (A 1954, Robert A. Stemmle) nimmt die Handlung ihren Beginn in der unmittelbaren Nachkriegszeit, ebenso in Das Sonntagskind (1956, Kurt Meisel). Der letztgenannte Film verhandelt die Geschichte des Schneiders Anton Wibbel, der sich durch List einer Inhaftierung in der Besatzungszeit entzieht.251 Die Vorgängerverfilmung Schneider Wibbel (1939, Viktor de Kowa) spielte unter der Okkupation Napoleons, hier wird also eine historisch entlastende Kontinuität hergestellt. Heinz Rühmann gibt nun den Schneider Anton Wibbel, der wie bereits 1939 fröhlich mit seinen Gesellen auf dem Tisch sitzend näht. Am Beginn des Films aber versucht er zunächst einmal vor der Kaserne ein Grammophon zu verkaufen. So trifft er auf den schottischen Soldaten Bosty McMiller (Walter Giller), der ihm zum Freund wird, als dieser die vergessenen zwei Flaschen Scotch, die Wibbel für den Apparat bekam, vorbeibringt. Dabei ist weniger die Kulisse der Nachkriegsstadt präsent als vielmehr der Dialekt und die permanente, schnodderige Verhandlung der Besatzung. »Das hätt’ ich von einem von euch nie erwartet«, konstatiert Wibbel ergriffen, als er den Schotten in seiner Wohnung erblickt.252 Sie betrinken sich und gehen zur Altweiberfastnacht. Vorher staffiert Wibbel Bosty aus und erhält selbst dessen Uniform inklusive Schottenrock als Kostümierung. Diese ist dann auch der Grund der Verhaftung. Als Wibbel vor Gericht erfährt, dass der ungenannte Soldat »Mr X« sechs Monate für das Vergehen in Haft käme, verschweigt er dessen Namen und nimmt die Strafe von drei Wochen auf sich. Gerührt folgt ihm Bosty nach der Verhandlung: »Du bist very good Freund.« »So ist das nun mal, zuerst hauen wir uns die Köppe ein, dann vertragen wir uns wieder«, antwortet ihm Wibbel lax. In der Freundschaft des schottischen Besatzungssoldaten und des großherzigen Schneiders wird die jüngste Vergangenheit versöhnt. Interessanterweise ist jedwede Vergangenheit der Wibbel-Hauptfigur ausgeklammert. Bosty dagegen beteuert, nur Melder gewesen zu sein.253 Die Versöhnung des Schotten und des Deutschen wird als Freundschaft, nicht als Kameradschaft verhandelt, also zivilisiert, obgleich die Anhörung vor dem Militärgericht und die Übernahme der Schuld durch Wibbel

251 Die Grundzüge der Handlung bleiben bestehen: Nach einer Feier wird Schneider Wibbel verhaftet, aber nach dem Urteil schickt er seinen Gesellen ins Gefängnis. Als dieser in Haft stirbt, ist offiziell Wibbel verstorben. 252 Er gesteht: »Bis heute war ich ja ’n bisschen fies auf euch alliiertes Gestrüpp, aber du machst ja vieles wieder gut, was die andern versaut haben.« 253 Bostys Erzählung wird zudem durch den »Sprachwitz« garniert, dass Bosty betont, nur wenn die anderen angegriffen haben, hätte er »zurückgeschissen«.

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durchaus im Sinne der Kriegskameradschaft gegenüber strafenden Vorgesetzten verstanden werden kann.254 Auf der Inszenierungsebene dominiert entgegen der virulent verhandelten Besatzungszeit als Haupthandlungsort die Wohnung des Schneiders und seiner Frau Fin (Hannelore Bollmann). Zudem strukturieren und prägen die Lieder den Film ebenso255 wie die Aufnahmen des Karnevals und die Außenaufnahmen im Park und des Rheins. Nach der Exposition spielt die Filmhandlung zunehmend in Innenräumen. Statt des Schneiders tritt Geselle Matthis (Günther Lüders) mit Wibbels Dokumenten die Haft an, er verstirbt im Gefängnis. Die Nachricht seines Todes erreicht das Ehepaar zusammen mit der Meldung von der Währungsreform. Während es dem Land besser geht, muss sich Wibbel verstecken. Diese Verbindung von privater und politischer Geschichte wird als narratives Prinzip wenig später in Wir Wunderkinder (1958, Kurt Hoffmann) wieder erscheinen. Auch der unerschütterliche Optimismus, den dort die Frau des Protagonisten an den Tag legen wird, weist Parallelen zu Fin in Das Sonntagskind auf.256 Von Optimismus ist Urlaub auf Ehrenwort (1955) weit entfernt. Nach einem Drehbuch von Charles Klein, Felix Lützkendorf und Wolfgang Liebeneiner257 ist die Handlungszeit des »staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll[en]« gleichnamigen Vorgängerfilms (1938, Karl Ritter) vom Ende des Ersten zum Ende des Zweiten Weltkriegs verlegt.258 Doch sowohl die ersten 254 Diese Privatisierung der Kameradschaft im Film deckt sich mit dem Befund zur Anknüpfung an Kameradschaftskonzepte in der Studie Thomas Kühnes: »Damit wurde das Kameradschaftssystem nicht völlig neu geschaffen – beide Seiten, die harte und die weiche, die Kameradschaft der Kampfgemeinschaft und die der Leidensgemeinschaft, lassen sich bis in den Ersten Weltkrieg zurückverfolgen. Das Neue nach 1945 war die Umkehrung der Hierarchie der Männlichkeitsideale, die mit dem Leitbild Kameradschaft verbunden waren. […] Kriegskameradschaft wurde – in einem übertragenen Sinne – ›privatisiert‹«, Kühne 2006, S. 188f. 255 Der Film ist von Gesangseinlagen bestimmt. Er beginnt bereits damit, dass Rühmann die Melodie des Vorspanns aufnimmt und »Warum ist es am Rhein so schön« singt. Es folgen u. a. »Auld Lang Syne«, das Lied auf dem Karneval (»Mama, gib den Schlüssel raus«), das Terzett der nähenden Schneider, »Freut euch des Lebens« während der Rheinfahrt, ein Chorlied zur Beerdigung u.v.m. 256 Bereits im ersten Streit der Eheleute tröstet Wibbel seine unglückliche Frau: »Es geht doch allen Menschen so, wird bestimmt auch wieder besser.« Er erzählt hier die Geschichte der Frösche, die sich als Lebenslosung verstehen lässt: Zwei Frösche fallen in ein Glas Milch. Während der eine aufgibt und ertrinkt, strampelt der andere und strampelt unermüdlich. Am nächsten Morgen sitzt er auf Butter. Das Gleichnis ist auf die Situation der Deutschen nach 1945 übertragbar, die somit als Willensakt des Wiederaufbaus in verzweifelten Zeiten interpretiert werden kann. 257 Von Charles Klein und Felix Lützkendorf stammte auch das Drehbuch des Vorgängerfilms. 258 Der Film von 1938 beginnt mit einem Vorspanntext: »Die Handlung dieses Films spielt im Herbst 1918, als die Heimat schon unterwühlt war von pazifistischen Parolen, während die feldgraue Front der Übermacht einer ganzen Welt trotzend noch unerschüttert stand.«

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Bilder des Films – durch Felder fährt ein Zug – als auch die Off-Stimme machen die Überzeitlichkeit der Geschichte klar : »Irgendwo fährt ein Zug – ob in Europa, Amerika oder Russland – man kann es nicht erkennen – es könnte überall sein.« »Irgendwo fährt ein Zug und er trägt seine Fracht von Menschen und Schicksalen irgendwo hin. Man sieht dem Zug nichts Besonderes an. Oder doch?«, ergänzt der Off-Kommentator den Vorspann. Eine Nahaufnahme der Lok zeigt die Aufschrift »Räder müssen rollen für den Sieg« und nun erfahren die Zuschauer : »Ja, doch. Die Fahrgäste des Zuges sind zwar Menschen, aber sie sind als Soldaten verkleidet.« Launig werden sie vorgestellt und sind ebenso unterschiedlich wie im Vorgängerfilm: Leutnant Praetorius (Claus Biederstaedt) liest die Wochenzeitung Das Reich, für die vor 1945 übrigens Drehbuchautor Lützkendorf arbeitete. Hartmann (Paul Esser) ist nun kein Straßenbahnfahrer mehr, sondern -schaffner ; daneben Funker Köhler (Karl John) »ein ausgesprochener Zivilist«, der gerade eine Hitler-Karikatur zeichnet, Sasse schlafend (Reinhard Koldehoff), ein Artist (Rudolf Vogel), ein Friseur (Wolfgang Neuss), ein Musiker (Rainer Peukert), ein Studienrat mit Ritterkreuz (Herbert Weißbach), der junge Grenadier Hellwig (Helmuth Lohner), Gefreiter Schmiedecke (Ralf Wolter) usw.259 Die Volksgemeinschaft lebt, wird aber im Remake von zahlreichen Stars verkörpert, verliert also jenes Moment, das Frank Maraun als »Der Held: die Gemeinschaft« herausstellte.260 Die Soldaten werden gleich nach der Vorstellung Opfer eines Bombenangriffs, der das Stichwort liefert, die Aussichtslosigkeit des Krieges zu thematisieren und den Halt in Berlin verursacht. Auch inmitten dieser Situation bekommen die Soldaten frei »auf Ehrenwort«, Praetorius betont: »Ich hafte mit meinem Kopf.« Die wohlwollenden Rezensionen des Films, die allzu oft die Formel »mehr als ein Remake« bemühen, werten diese Tat nun als deutlich mutiger als im Vorgängerfilm,261 was historisch in Anbetracht des Anschließend wird die Geschichte der verschiedenen Soldaten inszeniert, die auf ihrer Reise vom Lazarett an die Front durch Berlin kommen, unter ihnen zahlreiche Berliner. Leutnant Praetorius gibt ihnen gegen die Befehle der Vorgesetzten »Urlaub auf Ehrenwort«. Am Ende finden sich alle am Zug ein. In der von der FSK freigegebenen Fassung des Films fehlt verwirrenderweise dieser Text. Ausführlich zum Vorgängerfilm, vgl. Kanzog 1994, S. 172ff. 259 Darüber hinaus spielen etwa Gisela von Collande (Hartmanns Frau), Eva-Ingeborg Scholz (Dr. Inge Richter), Peter Elsholz (SS-Gruppenführer Böttcher), Maria Sebaldt (Sasses Freundin), Rainer Penkert (Sanitätsgefreiter Hagen), Elfie Pertramer (Artistin), Hans Quest (Gustav Jahnke) und Willi Rose (Feldwebel Thiele). Zu den veränderten Rängen und Einzelfiguren, vgl. Kanzog 2016, S. 162ff. 260 Frank Maraun: »Der Held: die Gemeinschaft«, in: Der Deutsche Film, Nr. 2, August 1939, 4. Jg., S. 49–52. 261 Die positive Kritik des Film-Echos betont in diesem Zusammenhang: »Die Verantwortung, die er diesmal übernimmt, ist aber ungleich größer. Die Befehle sind härter, die Todesstrafe fast schon die Regel und die Versuchung, sich von dem aussichtslosen Krieg abzusetzen, noch stärker als 1918«, vgl. [G. H.]: »Das verdammte Pflichtgefühl«, in: FE, Nr. 51, 14. 9. 1955, 9. Jg.

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radikalisierten Vorgehens gegen Deserteure und »Wehrkraftzersetzung« sowie dessen Verankerung in der Militärgerichtsbarkeit im Zweiten Weltkrieg nicht falsch ist.262 Zugleich aber zeitigt die Tat nicht mehr als eine Erhöhung des Konflikts für Praetorius. Diese seltsame Melange aus Aktualisierung und Übernahmen aus dem Vorgängerfilm verweist darauf, dass zumindest die soldatische Kameradschaft als grundlegendes Konzept anknüpfungsfähig ist; ebenso wie die filmischen Deutungsangebote des Ersten nach dem Zweiten Weltkrieg partiell übernommen werden können.263 Nur vor diesem Hintergrund kann das Remake die Geschichten der Einzelhandlungsstränge und den Grundkonflikt übernehmen.264 Hinzugefügt wurden aber nicht nur der erwähnte Bombenangriff auf die Soldaten, sondern vor allem die zivilen deutschen Opfer des Krieges, die Frauen und Kinder, die nun schon am Bahnhof den Soldaten begegnen und die Ankunft in der Heimat emotional aufladen und das schwere Los der Berliner im Jahr 1944 zeigen. Dieses Leiden der Bevölkerung wird auch in den Einzelepisoden aufgegriffen, wenn etwa der Musiker seiner sterbenden Frau ein letztes Konzert gibt oder ein Soldat sein Kind verliert. Neu an dieser Erweiterung des Remakes ist die Einbettung der Wehrmachtssoldaten in eine große deutsche Leidensgemeinschaft, die Jörg Echternkamp für die kollektiven Repräsentationen des Krieges und des Militärs herausarbeitete.265 Am Beginn des Films ist ein weiteres Charakteristikum erkennbar : Die Geschichte der Soldaten ist kaum historisch verankert, sondern zielt auf »das allgemein Menschliche« und stellt moralisch integre, von der »herrschenden NSIdeologie« distanzierte deutsche Soldaten vor,266 die durch den Off-Kommentar in einer internationalen Gemeinschaft der Soldatenschicksale aufgehoben und gleichzeitig zeithistorisch plausibel im Kontext der Westintegration und Wiederbewaffnung zu verorten sind.267 Urlaub auf Ehrenwort ist das einzige 262 Vgl. Jahr 1998, S. 321ff. Zur Wehrmachtsjustiz allgemein: Messerschmidt / Wüllner 1987. 263 Kühne weist darauf hin, dass der Begriff der Kameradschaft polyvalent ist, so dass er vielfältige Lesarten ermöglicht, vgl. Kühne 2006. Interessant erscheint im Vergleich von Remake und Vorgängerfilm, dass die Veränderungen nicht die Figuren und ihr Einstehen für den Leutnant betreffen, sondern vielmehr die individuellen Erlebnisse in der Stadt. 264 Klaus Kanzog beschreibt detailliert die Umdeutungen und Übernahmen der einzelnen Figuren und Episoden, vgl. Kanzog 2016, S. 162ff. 265 Vgl. Echternkamp 2014, S. 163f. 266 Kanzog 2016, S. 165. Kanzog belegt das im Detail an einzelnen Protagonisten. 267 Vgl. »Wie die zeitlichen Konturen verschwammen auch die Kampflinien. Die neue Waffenbrüderschaft mit den westlichen Alliierten konnte zur konsequenten Fortsetzung des vergangenen Kriegsgeschehens umgedeutet werden. Die Kontinuität des antisowjetischen Feindbildes auf der einen Seite, das Konstrukt einer christlich-abendländischen ›Schicksalsgemeinschaft‹ auf der anderen wiesen den alten und neuen deutschen Soldaten einen Stammplatz auf der richtigen Seite zu«, Echternkamp 2014, S. 216. Zu dem gleichen Befund kam militärgeschichtlich auch Messerschmidt in seiner Analyse der Traditionsbildung der Bundeswehr, veröffentlicht 1981 in der Süddeutschen Zeitung: »In diesen Versuchen, Tra-

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Remake, das den Zweiten Weltkrieg verhandelt und ist so Teil des Kriegsfilmgenres in den 1950er Jahren: von Canaris (1954, Alfred Weidenmann), 08/15 (1954–55, Paul May) über Der Arzt von Stalingrad (1958, G8za von Radvanyi) bis zu Hunde, wollt ihr ewig leben (1959, Frank Wisbar) – all diese Filme folgen einer ähnlichen Konfliktkonstellation: Den guten Protagonisten stehen böse NS-Mächtige gegenüber. Die moralische Integrität und Kameradschaft der Soldaten bleiben dagegen unangetastet, unter den gleichen Prämissen wird in den genannten Filmen auch zuvor und danach die soldatische Gemeinschaft der Deutschen inszeniert werden. Bereits der Ausschuss der FSK urteilt: »zu sehr idyllisch friedensmässig, zumal fast alle Soldaten Nazigegner sind.«268 Dabei aber ist Urlaub auf Ehrenwort der einzige der hier genannten Filme, dem eine Episodenstruktur zugrunde liegt. Diese übernimmt er aus dem Vorgängerfilm und auch einige Geschichten werden nur marginal verändert: Gustav Jahnke (Hans Quest) hetzt durch Berlin, um seiner Liebsten ein Brot zu bringen, Hartmann verschläft bei Frau und Kindern in der Laubenkolonie. Auch in dieser soldatischen Gemeinschaft verliert der junge Kamerad in der Artistengemeinschaft seine Unschuld, bevor er an die Front zurückkehrt. Zweifelnde Stimmen der Filmkritik, die die gesellschaftliche Funktion dieses Remakes im Vergleich zum Vorgängerfilm befragen, lassen sich ausmachen, auch wenn sie zuweilen in den Daten irren: Wieder gelang dem deutschen Film ein Rückgriff auf ein erprobtes Thema: 1934 wurde der »Urlaub auf Ehrenwort« zum ersten Mal gedreht. 1935 hatten wir die allgemeine Wehrpflicht. 1955 erschien diese Neuauflage, und noch im gleichen Jahr zogen die ersten neuen Soldaten in ihre Unterkünfte. Die Wochenschau, die vor dem Film läuft, zeigt den Einzug der Freiwilligen mit freundlicher Aufmerksamkeit und interessierten Sprüchen.269

Dass insbesondere das Militärische und die deutsche Wiederbewaffnung in Filmkritiken diskutiert werden, ist keine Ausnahme, Ansätze einer kritischen Thematisierung in Bezug auf einen Vorgängerfilm dagegen schon. Die zitierte Pressestimme ist zudem nicht einsam.270 Der Rezensent der Welt geht sogar einen Schritt weiter : »Wäre beispielsweise die heute an diesem Stoff einzig interessante Frage auch nur gestellt worden: die Frage nach der moralischen Stellung des Deserteurs in einem verbrecherischen Krieg – das Remake hätte ein dition zu vermitteln, geht es meist um Leistungen im Kriege, um Soldatentum an sich, um Bewährung in militärisch kritischen Situationen, die anscheinend ohne einen Bezug auf ihren historischen Ort verständlich sind und daher sozusagen aus sich heraus wirken«, Messerschmidt 2006, S. 347. 268 Sitzung des Arbeitsausschuss vom 10. 11. 1955, FSK-Akte, Prüfnummer : 10999. 269 [A. F. T.]: »Urlaub auf Ehrenwort«, in: Hannoversche Presse vom 11. 1. 1956. 270 Vgl. auch Franziska Violet: »Der neue ›Urlaub auf Ehrenwort‹«, in: SZ vom 20. 3. 1956, [K. P.]: »Zu wessen Nutzen?«, in: Freies Volk vom 9. 6. 1956.

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wenig Sinn gehabt.«271 Daneben gibt es auch überaus positive Ankündigungen und Rezensionen272 sowie eine bemerkenswert indifferente Kritik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.273 Im Presseecho des Films spiegelt sich das Spannungsfeld der Deutungen des Zweiten Weltkriegs. Die Diskussionen über den Film sind sicher auch darum so intensiv, weil sie in einer allgemeineren, kritischen publizistischen Debatte über Kriegsfilme stattfinden.274 An Urlaub auf Ehrenwort beanstanden Regisseur Liebeneiner und die Presse zudem die Schnittauflagen des Schorcht-Filmverleihs. Die Antwort von Praetorius am Ende des Films auf die Frage des Offiziers, ob er froh sei, dass alle Männer zurückgekehrt seien,275 wurde nachsynchronisiert, die Schlussmusik Majewskis ins Heroische verändert, ein Gespräch zwischen Praetorius und Anna sowie eine »parodistische Einblendung des Badenweiler Marschs« herausgeschnitten.276 Wenn in den Rezensionen »das verdammte Pflichtgefühl«, das der Intellektuelle Kirchhoff zur Begründung seiner Rückkehr 1938 angab, ein wichtiges Moment des Films ist, bleibt der Normaspekt im Remake identisch. Verändert hat sich, dass darüber kontrovers diskutiert wird. Die Berichterstattung, die sich vor allem auf Angaben des empörten Regisseurs und Bearbeiter

271 Christian Ferber : »Alle haben etwas gegen Hitler. Aber sonst gibt es nichts, was dieses Remake rechtfertigt«, in: Die Welt vom 28. 7. 1956. 272 Vgl. Georg Herzberg: »Das verdammte Pflichtgefühl«, in: FE, Nr. 51, 14. 9. 1955, 9. Jg., Georg Herzberg: »Urlaub auf Ehrenwort«, in: FE, Nr. 63, 14. 1. 1956, 10. Jg., Hans Borgelt: »Urlaub auf Ehrenwort«, in: Der neue Film, Nr. 8, 30. 1. 1956, 10. Jg. 273 Friedrich A. Wagner moniert, bei Regisseur Liebeneiner »die Hoffnung begraben [zu] müssen, von ihm filmische Kunst statt filmischen Konsum zu erwarten.« Lobend dagegen erwähnt er Szenen des Vorgängerfilms: »[E]r hatte die Atmosphäre des Dichterischen«, Friedrich A. Wagner : »Von Walter Flex zu Hans Hellmut Kirst«, in: FAZ, Nr. 16, 19. 6. 1956, o. Jg., S. 6. 274 Auslöser dieser kritischen Diskussion sind nicht nur deutsche und amerikanische Spielfilme, sondern ebenso publizistische Angriffe auf antimilitaristische Tendenzen in Filmen (etwa durch die Deutsche Soldatenzeitung auf den Film vom Nürnberger Prozess 1958) und der Fonds des Bundespresseamtes für Wehrpropaganda, vgl. u. a. Klaus Hebecker : »Der Militärfilm«; in: FTG, Nr. 52, 21. 12. 1954, 2. Jg., »Filmgeschäfte mit dem Heldentod«, in: FTG, Nr. 10, 6. 3. 1956, 4. Jg., Werner Hess: »Filmgeschäft mit dem Krieg«, in: epd, Kirche und Film, Nr. 7, Juli 1958, 11. Jg., Klaus Hebecker : »Die alten Kämpfer sind unter uns!«, in: FTG, Nr. 39, 23. 9. 1958, 6. Jg., »Augen rechts«, in: FTG, Nr. 5, 27. 1. 1959, 7. Jg. 275 In der ursprünglichen Fassung hatte Praetorius geantwortet: »Nein, Herr Oberst«, in der freigegebenen Version: »Jawohl, Herr Oberst, auf diese Männer«, vgl. [W. B.]: »Beschnitten für Deutschland«, in: Nürnberger Nachrichten vom 28. 3. 1956. 276 Ebd. Die Schnitte werden auch in anderen Pressestimmen, die dem Film durchaus kritisch gegenüberstehen, vorgestellt, vgl. [K. P.]: »Zu wessen Nutzen?«, in: Freies Volk vom 9. 6. 1956. In Der Spiegel gibt Liebeneiner darüber hinaus an, dass eine Aussage der Soldatenfrau Hedwigs, vom Führer belogen geworden zu sein, und ein Satz des SS-Gruppenführers Böttcher herausgeschnitten wurden, vgl. »Kriegsfilm: Mit kleinen Schnitten«, in: Der Spiegel, Nr. 12, 21. 3. 1956, 10. Jg.

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des Drehbuchs, Wolfgang Liebeneiner,277 stützt, findet im Produzenten Gaik der Berliner Algefa, die im Auftrag des Schorcht-Filmverleihs handelte, einen Schuldigen dafür, dass der Film nicht die beabsichtigte Qualität erreichte, »ein echtes Dokument jener Zeit zu schaffen« (Liebeneiner).278 In den Eingriffen des Verleihs gegen die Intentionen des verantwortlichen Künstlers sehen kritische Pressestimmen und der Regisseur die Misere der deutschen Filmproduktion exemplifiziert: Finanzielle Interessen dominieren künstlerische Fragen.279 Das erinnert stark an die Diskussion über Remakes. Ob das Remake mit diesen Szenen und einem pessimistischeren Ende nicht ebenso deutlich den vorgestellten Anknüpfungsprozessen verhaftet bliebe, muss offen bleiben. Großer Publikumserfolg war dem Film nicht beschieden.280 Ebenfalls auf einen vor 1945 prädikatisierten Film rekurriert Wenn du noch eine Mutter hast/ Das Licht der Liebe (A 1954): Mutterliebe von 1939. Das Remake wurde auf der Berlinale 1954 uraufgeführt und belegte den vierten Platz bei der Publikumsabstimmung.281 Auch hier wird die Handlungszeit aktualisiert. Der leichtlebige Vater stirbt nun nicht mehr durch die Naturgewalt Blitz, sondern durch einen Blindgänger beim Ballspiel. Damit wird im Remake nicht nur eine Aktualisierung der Todesursache vorgenommen, sondern das tödliche Relikt des Krieges – bedenkt man die Deutung des Weltkriegs in Urlaub auf Ehrenwort – erhält mit Erinnerung an den Vorgängerfilm den Status einer schicksalhaften, natürlichen Gewalt. Zurück bleiben ein beiden Verfilmungen die Mutter (1940 Käthe Dorsch, 1954 Paula Wessely) und ihre vier Kinder, die nun nicht mehr Pirlinger, sondern Zeller heißen.282 Die Handlung folgt weitgehend dem Originaldrehbuch von Gerhard Menzel,283 wie eindrück277 Die vollständige Antwort Liebeneiners aus der FAZ, vgl. »Filmgeschäfte mit dem Heldentod«, in: FTG, Nr. 10, 6. 3. 1956, 4. Jg. 278 »Kriegsfilm: Mit kleinen Schnitten«, in: Der Spiegel, Nr. 12, 21. 3. 1956, 10. Jg. 279 Vgl. »Im Hintergrund aber wird ein Problem sichtbar […]: Das Mitspracherecht in künstlerischen Fragen, das deutsche Verleihfirmen immer stärker beanspruchen, weil sie mit ihren Hunderttausenden die Vorfinanzierung der Filmproduktion meist überhaupt erst ermöglichen«, »Kriegsfilm: Mit kleinen Schnitten«, in: Der Spiegel, Nr. 12, 21. 3. 1956, 10. Jg., »Ich selbst bin der Meinung, daß man scharf zwischen Unterhaltungsfilmen (in denen man sich als Regisseur vor allem der Arbeit mit dem Schauspieler zu widmen hat) und solchen ernsthafter Natur trennen soll. An letzteren entgegen den Ambitionen jener Leute herumzuschneiden, die sie schaffen, ist verantwortungslos«, Zitat Liebeneiner, in: [W. B.]: »Beschnitten für Deutschland«, in: Nürnberger Nachrichten vom 28. 3. 1956. 280 Die Filmtheaterbesitzer schätzen den Besuch mit 4 ein, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1088. 281 Benno Weger : »Mit den Augen des Herzens«, in: Der Tagesspiegel vom 11. 7. 1954, »›Das Licht der Liebe‹ an vierter Stelle«, in: Österreichische Film und Kino Zeitung, Nr. 414, 1954, 9. Jg. 282 Es spielen neben Paula Wessely, die erwachsenen Kinder Waltraut Haas (Franzi), Erich Auer (Felix), Heinrich Schweiger (Paul) und Albert Rueprecht (Walter). 283 Handlungsbeschreibung und historische Verortung, vgl. Kanzog 1994, S. 211ff.

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lich in der Eingangssequenz zu sehen ist: Auch hier bricht die Familie fröhlich auf, um den Geburtstag zu feiern, die Einrichtung der Wohnung offenbart wenig Differenzen, die Kinder tollen ebenfalls herum. Nach dem Unglück verweigert die hartherzige Tante jede Unterstützung. Die Schuldschreiben bleiben identisch. Elisabeth Büttner konstatiert und weist in Filmshots nach: Paula Wessely scheint am gleichen Bügeleisen zu stehen wie Käthe Dorsch. Die Schnitte folgen 1939 rascher aufeinander, und Schneeberger legt mehr Aufmerksamkeit auf die Lichtsetzung. Dennoch kann von formaler oder inhaltlicher Neuinterpretation keine Rede sein. Den einzigen markanten Eingriff bildet der Wegfall des Epilogs. Die nochmalige explizite Emphase über den Wert einer Mutter bleibt 1954 ausgespart.284

Tatsächlich verweisen nicht nur die Bilder auf Anknüpfungsprozesse, sondern ebenso die Dialoge.285 Auch das Mädchen Martina (Inge Cornelius), das von Felix ein Kind erwartet, lässt sich analog zum Vorgängerfilm erklären: »Eine Mutter ist die ganze Welt wert.« Sie selbst aber ist nun ohne Mutter aufgewachsen. Die Zitate listet Kanzog in seiner Untersuchung unter der Rubrik »Normaspekte« des Vorgängerfilms, sie bleiben im Remake erhalten, was darauf schließen lässt, dass 15 Jahre später die Glorifizierung der Mutter aus dem Film der NS-Zeit fortgesetzt wird. Das ist im Zusammenhang mit dem Remakekorpus umso bemerkenswerter, da Mütter als Hauptfiguren in den untersuchten Remakes selten auftreten.286 Zugleich aber ist, wie bereits der Tod des Vaters andeutete, die Nachkriegszeit konsequent und von Beginn an in Handlung und Inszenierung eingebunden. Statt des mondänen Pelzes bekommt Frau Zeller nun ein Kostüm geschenkt und der Geburtstag findet ausdrücklich als erster nach dem Kriege statt. Wenn die Tante jede Hilfe verweigert, versetzt sie nun böse: »Es ist höchste Zeit, dass man dir die Kinder wegnimmt. Den Krieg über ohne Vater, wenn sie noch weiter ohne richtige Erziehung bleiben, werden sie noch zu vollendeten Lumpen.« Auf der Inszenierungsebene wird die Aktualisierung vor allem nach dem Zeitsprung deutlich: Aus der kleinen Wäscherei ist ein Unternehmen geworden, die »Großwäscherei« von Käthe und Felix Zeller. Hier wird im Remake ein prosperierender Wiederaufbau im Bild der Wäscherei inszeniert. Das Presseecho des Films kommt nicht ohne den Verweis auf den Vorgängerfilm aus, aber die Inszenierung der Mutterliebe als »grandiose Selbstver284 Büttner 1997, S. 106. 285 Neben den genannten Zitaten hält Frau Pirlinger ihrem Sohn vor: »In jeder Frau ehrst oder beleidigst du deine Mutter!« Aus der Einblendung »Ruhig aber stetig verläßlich und treu schlagen die Herzen der Mütter« (1939) wird 1954 »Die Jahre vergehen/aber immer schlagen die Herzen der/Mütter«. 286 Eine Ausnahme ist Briefträger Müller, in der Mutter Müller als positiver Gegenpart zu ihrem durch den Reichtum veränderten Mann, liebevoll die Sorge für das Wohlergehen der Kinder trägt.

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ständlichkeit« wird kritisiert – etwa im katholischen Film-Dienst, »für eine wirkliche Mutter, die das alles wirklich hat durchleiden müssen, worüber im Kino zu schluchzen sehr einfach ist.«287 Die wohlwollenden Rezensionen rühmen vor allem die darstellerische Leistung Wesselys.288 Auch die Handlung um den blinden, leidenden Paul wird vor dem historischen Hintergrund nun problematisch. Kanzog merkt an, dass die Hornhautspende, das ultimative Opfer der Mutter, bereits 1939 medizinisch anachronistisch war.289 Beim Remake löst sie – durch die Kritik der Zeitschrift des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands – Proteste aus.290

2.2.5 REIFENDE JUGEND (BRD 1955) Erfolgreich und ohne Proteste lief das Remake von Reifende Jugend (1933, Carl Froelich) unter gleichem Titel 1955,291 die Regie führte nun Ulrich Erfurth. Beide Verfilmungen adaptieren das Schauspiel Die Reifeprüfung von Max Dreyer, das 1931 in Dresden uraufgeführt wurde. In beiden Filmen fällt das weibliche Geschlecht in die Oberprima eines Gymnasiums ein, Mädchen sind im Drama übrigens sehr selbstverständlich bereits anwesend.292 Während 1933 aber noch drei junge Mädchen aufgenommen werden, unter denen sich Protagonist Knud Sengebusch (Albert Lieven) in die schöne Elfriede Albing (Hertha Thiele) verliebt,293 kommt 1955 Regine Albing (Christine Keller) allein auf das Jungengymnasium. Der Film beginnt mit ihrem Gang durch die Stadt inmitten des Autoverkehrs. Sie kommt am Goethe-Gymnasium an, das ein ausgewiesen moderner Bau mit großer heller Vorhalle ist. Die Reifende Jugend agiert ihre Probleme in der Gegenwart aus, der Lehrer bewohnt ein modernes Zimmer mit Ohrensessel und breit gemusterten Vorhängen. Auch Sexualität und Pin-up287 [W. B.]: »Wenn du noch eine Mutter hast«, in: FD, Nr. 32, 6. 8. 1954, 7. Jg. 288 Vgl. u. a. »Das Licht der Liebe«, in: Die Neue Zeitung, Berlin, 26. 4. 1954, »Das Licht der Liebe«, in: Filmschau, Wien, Nr. 3, 16. 9. 1954. 289 Kanzog 1994, S. 214, Fußnote 93. 290 »Der Blinde im Film habe offenbar noch nicht einmal Blindenschrift gelernt, und es sei für jeden Kriegsblinden deprimierend, mit einem solchen Jammerbild verwechselt zu werden. Man müsse sich auch gegen die Darstellung des Augenopfers wenden, denn eine solche Operation sei medizinisch gesehen vollkommen undenkbar. […] In den seltenen Fällen, in denen durch Hornhautverpflanzung Blindheit heilbar sei, werde die fremde Hornhaut den Augen Verstorbener entnommen«, »Zuviel Traumfabrik«, in: Der Tagesspiegel vom 1. 8. 1954. 291 Die Kinotheaterbesitzer werteten bei lediglich 14 Urteilen den Besuch immerhin mit 3,3 (Publikum und Presse mit 2,1 bzw. 2,2), was zumindest als Indiz für die Akzeptanz der Aktualisierung des Stoffes zu interpretieren ist, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1085. 292 Dreyer 1933. 293 Eine ausführlichere Vorstellung der Verfilmung von 1933, vgl. Koch 1987, S. 103ff.

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Girls erscheinen im Laufe der Konflikte.294 Hier werden – anders als in der Verfilmung von 1933 – nicht nur explizit die Konflikte männlicher Jugendlicher mit Sexualität verhandelt, sondern diese in Medienkultur verankert. Auch 1955 möchte das Mädchen ihr Abitur ablegen und keine Mädchenschule bietet Griechisch und Latein an. Der Direktor des altsprachlichen Gymnasiums (Mathias Wiemann) nimmt sie auf – gegen Widerstände im Kollegium, bei denen sich wiederum der Lateinlehrer als wortführend erweist.295 In dieser Grundkonstellation erscheinen zwei von drei Leitbildern, die Torsten Gass-Bolm für das Gymnasium der 1950er Jahre herausgearbeitet hat: Antike (Latein, Altgriechisch) und deutsche Kultur (Goethe).296 Dass der Lateinlehrer als Gegenpol des Direktors die sittliche Gefährdung der Jungen durch das Mädchen anmahnt, rekurriert ebenfalls auf eine aktuelle Diskussion in der Zeit.297 Er wird am Ende im Unrecht sein, jedoch in der letzten Aufnahme glücklich lächeln. Dem Optimismus des Direktors pflichtet auch der Ordinarius der Oberprima, Dr. Crusius (Albert Lieven) bei.298 Allerdings weiß er zunächst nicht, dass die neuaufgenommene Abiturientin seine vermisste Sommerliebe ist. Als er versucht, ihre Aufnahme rückgängig zu machen, seine privaten Gründe verheimlicht und stattdessen mit der Gefährdung der Jungengemeinschaft argumentiert, verteidigt sich das Mädchen wütend vor dem Direktor : Weder sie selbst noch ihre Klassenkameraden müssten »in Windeln pädagogischer Fürsorge« gepackt 294 Bert, der im Vorgängerfilm der verunsicherte Freund Jürgens ist, der von ihm und dem Lehrer aus dem Meer gerettet wird, ist nun vor allem sexuell an dem Mädchen interessiert und bedrängt sie. Daraufhin gibt es am nächsten Tag eine Auseinandersetzung mit Jürgen auf dem Schulhof, die der Lateinlehrer argwöhnisch beobachtet. Er sieht sich in seinen Vorurteilen bestätigt, dass das Mädchen die Jungen verwirrt. Als Regine Bert ohrfeigt, kommentiert der hinzutretende Direktor die Frage des Lateinlehrers nach dem Grund nur lakonisch, er müsse sich wohl danebenbenommen haben. Diese Episode unterstreicht beiläufig das Unverständnis des Lateinlehrers für die jungen Menschen. 295 Auch 1933 ist es der Lateinlehrer, der protestiert. Ihn gibt Paul Henckels, allerdings als durchaus komische Figur, die sich ununterbrochen räuspert und immer wieder betonen muss, dass niemand in seinem Unterricht seine hehren Ziele erreicht. 1955 spielt Kurt Vespermann den Oberstudienrat, der sich vor allem um die Jungen sorgt. Regine attestiert er, »ein Muster an Fleiß und Begabung« zu sein. Er erscheint eher als Vertreter einer traditionellen Bewahrpädagogik. 296 Gass-Bolm 2005, S. 83ff. Das Christentum als dritte Säule bleibt im Film unerwähnt, was angesichts der verhandelten Thematik wenig verwundert. 297 Vgl. »Bildung ›Zucht‹ (Selbstdisziplinierung) und Sittlichkeit bedingten sich gegenseitig und bildeten zusammen das erzieherische Leitbild des Gymnasiums der 50er Jahre. Das Ideal des Gymnasiums war per se asexuell. In besonderem Maße galt diese Trinität im Fach Latein. Die historisch sehr fragwürdige vermeintliche ›Zucht‹ der Römer und die für den Erwerb der lateinischen Sprache notwendige Selbstdisziplinierung des Denkens ergänzten sich«, Gass-Bolm 2002, S. 443. 298 Albert Lieven wird vom problembehafteten Schüler (1933) zum geliebten Lehrer (1955). 1936 war er mit seiner Frau nach London emigriert, 1951 nach Westdeutschland zurückgekehrt, vgl. Weniger 2001, Bd. 5, S. 33.

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werden. Und natürlich ist Regine entgegen allen Befürchtungen nicht nur klug und hübsch, sondern fügt sich bestens in die Klassengemeinschaft ein, in der sie treue Kameradin ist.299 Der sensible, Klavier spielende, lernunwillige Mitschüler Jürgen Sengebusch (Maximilian Schell) verliebt sich in sie. Während Regine die Tiefe von Jürgens Gefühlen nicht wahrhaben will oder erkennen kann, erwacht in Crusius die Eifersucht. Diese ist – anders als im Vorgängerfilm – durchaus berechtigt, denn tatsächlich gibt es nach Jürgens Liebesgeständnis einen Kuss, auch wenn Regine immer wieder beteuert, sie möge ihn nur. In der Beziehung der Protagonisten zeigt sich gegenüber dem Film von 1933 eine Veränderung: Das Mädchen ist bereits vor dem Einsetzen der Schulkonflikte mit dem Lehrer liiert und insgesamt eine deutlich fraulichere Erscheinung, was bereits am Beginn des Films während ihres Weges durch die Stadt inszeniert wird.300 Die bereits bestehende Liebesbeziehung als erste große Liebe macht die Frage nach der Rechtmäßigkeit oder einem Fehlverhalten des Pädagogen überflüssig. Gleichzeitig tritt hier eine durchaus selbstbewusste junge Frau auf, die dem verunsicherten Geliebten entgegnet: »Ich liebe dich, aber ich will auch mein Abitur machen.« Jürgen dagegen ist deutlich verzagter als sein Vorgänger Knud: Rettete dieser 1933 seinen Mitschüler Bert aus dem Wasser, war geradlinig und trat aus reiner Überzeugung für das Hausmeistermädchen ein,301 ist seine Rolle im Remake bedeutend kleiner und er fällt neben seiner Liebe zu Regine durch sein ununterbrochenes Klavierspiel auf, das alle beim Lernen stört. Darüber hinaus aber macht er sich nun zweimal schuldig: Neben der versuchten Erpressung des Lehrers, die beiden Filmen gemeinsam ist, bricht er jetzt auch in die Schule ein, um die Examensaufgaben zu stehlen. Der gütige Direktor verpasst ihm dafür eine schallende Ohrfeige. Die Figur des Direktors und seiner Schule zeigt auch 299 Nach der Vorstellung Regines ereignet sich alsbald die Episode, in der das Mädchen ihre Kameradschaftlichkeit unter Beweis stellt. Die Hausmeistertochter Dora hat, als sie die Klausuren zum Lehrer bringen sollte, heimlich in Jürgen Sengebuschs Arbeit unter Zuhilfenahme von Regines Übersetzung alle Fehler ausgebessert. Der Lateinlehrer bemerkt den Betrug, da beide den gleichen Fehler haben. Beim Verhör Doras vor der Klasse stellt sich Jürgen als Anstifter, obwohl er davon gar nichts wusste. Regine – um Jürgen besorgt – gibt nun auch an, beteiligt zu sein. Die Klasse versteht das Signal, alle beschuldigen sich, Anstifter der Tat gewesen zu sein und stehen zusammen. 300 Nach der Aufnahme in der Schule flirtet sie souverän mit dem Biologielehrer. 301 Sein Mitschüler Fritz (Hermann Noack) überredet die Hausmeistertochter Stine (Carsta Löck), die Aufgaben zu stehlen. Knud und Elfriede kommen durch Zufall dazu. Zur gleichen Zeit trifft auch der Direktor mit Kerner (Peter Voss) ein. Während der feige Fritz fliehen will, klettert Knud die Fassade hinauf, um Stine zu warnen. Es gelingt, da durch seinen Einbruch Stine unbemerkt verschwinden kann. Er aber kassiert die Ohrfeige des Direktors, der anschließend launig kommentiert: »Damit er dem richtigen Halunken eins hinter die Ohren haut.« Das tut Knud auch umgehend. Im Anschluss an diese Heldentat dankt ihm Elfriede mit einem Kuss.

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eine Veränderung: Heinrich George spielte 1933 den jovialen, aber strengen »Käpt’n«, eine unangefochtene Autorität, Geschichtslehrer mit militärischem Jargon.302 1955 ist der Direktor Lehrer für Altgriechisch und übersetzt mit der Klasse die Episode um den Tod des Sokrates.303 Nun wird im Kollegium umso mehr der Umgang mit der Jugend diskutiert. Der Direktor nimmt dabei die Position des vertrauensvollen Pädagogen ein, der einen »seelischen Kredit« gewährt. Das hält ihn nicht davon ab, den Einbrecher zu züchtigen,304 verweisen aber will er ihn nicht, sondern verteidigt Jürgens Vergehen als »Dumme-JungenStreich aus Examensangst«. Noch vor Abnahme der mündlichen Prüfungen ruft er das Kollegium zur Milde auf und betont: »Wenn man bedenkt, was diese Generation in ihrem kurzen Leben mitgemacht hat!« Die im Film ausführlich verhandelten, sehr unterschiedlichen Sichtweisen der Lehrer auf die Jugendlichen, mindestens aber die zwei Positionen Bewahrpädagogik und Optimismus weisen Korrespondenzen zu den politischen Debatten im Jahrzehnt auf.305 Interessanterweise verhandelt auch das Remake von Mädchen in Uniform (BRD/F 1958, G8za von Radvanyi) die Probleme autoritärer Erziehung sehr viel intensiver als der Vorgängerfilm von 1931. Das Ende der Filme – das Versagen Sengebuschs in der Prüfung und das Bestehen der »Reifeprüfung«, da er die Beziehung zwischen dem Mädchen und dem Lehrer nicht denunziert – ist in beiden Filmen identisch; der Direktor überzeugt stürmisch und euphorisch die Kollegen: »Wer sich in einer schweren

302 Diese Melange aus Respekt und Güte illustriert auch die lange Szene des Segelausflugs mit anschließendem Zeltlager : Nach dem Segeln und Schwimmen, bei dem der Direktor den schmalen Bert aus dem Wasser holt, kochen die Mädchen. Elfriede, durch den Lehrer abgelenkt, vertauscht die Zutaten: Im Milchreis landen die Zwiebeln, die für das Fleisch bestimmt waren. Aber als dieser hinzu kommt, decken alle den Fehler des Mädchens und geben vor, eine köstliche Mahlzeit zu verspeisen. 303 Sie übersetzen die Episode, in der Sokrates auf dem Sterbebett Asklepios, dem Gott der Heilkunst, noch einen Hahn geopfert wissen will. Dass der Geschichtslehrer von 1933 nun zum bildungsbürgerlichen Altphilologen gewandelt wird, lässt eine ganze Reihe von Assoziationen für das Remake zu: von der Inanspruchnahme antiker Ideale für dieses vorbildliche Gymnasium, die man hier auch in Hinblick auf einen, wenn auch historisch fragwürdigen, Konflikt zwischen strengem Latein- und ›modernem‹ Altgriechisch-Lehrer interpretieren kann, bis hin zu Details wie die Anklage des Sokrates auf Verführung der Jugend. 304 Mit der Wiederaufnahme der Ohrfeige für den tatsächlich schuldigen Jürgen markiert nicht nur der gütige Direktor seine Fähigkeit zum autoritären Durchgreifen. Sie muss zugleich in den Auseinandersetzungen um körperliche Züchtigung in der Schule verortet werden, die zwar umstritten, aber bis zum Ende der 1950er Jahre – dokumentiert in zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs und den darauffolgenden Diskussionen und schulischer Praxis – von der konservativen Position dominiert war, vgl. Gass-Bolm 2002, S. 443ff. 305 Vgl. I. 3.2 Familienminister Dr. Wuermeling: Diskussionen um Film und Familie, S. 80–83.

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Krise bewährt hat, ist reif.« Sie stimmen ihm mit »Ja«-Rufen zu.306 Beide Filme enden glücklich in der Aula.307

2.2.6 Genrekino: Kriminal- und Abenteuerfilm Im gleichen Jahr wie Reifende Jugend haben zwei weitere aktualisierte Stoffe Premiere: das Remake von Oberwachtmeister Schwenke (1935, Carl Froelich), der nun Oberwachtmeister Borck (1955, Gerhard Lamprecht) heißt, und der Stern von Rio (D/I 1955, Kurt Neumann), ein Kriminalfilm und eine Abenteuergeschichte, die im Vergleich zum Vorgängerfilm noch stärker musikalisch akzentuiert ist. Beide Filme verweisen sowohl auf den Wandel ihrer Genres als auch auf virulente gesellschaftliche Fragen. In der deutsch-italienischen Coproduktion, einer Gemeinschaftsproduktion der CCC und der ErmesFilm, Rom, findet sich auf den ersten Blick wieder jene bereits beobachtete Genrehybridisierung. Zentral ist die Geschichte eines sagenhaft großen Diamanten, den der junge Abenteurer Vincente (Franco Andrei) auf dem Land des Herren Don Felipe Escobar (Johannes Heesters) findet. Er schenkt ihn der schönen Tänzerin Chiquita (Maria Frau), doch die Truppen Don Felipes erobern ihn zurück und der britische Diamantenexperte (Willy Fritsch) ist verzückt. Die Tänzerin macht sich auf, dem Geliebten den Stein wiederzubringen, und landet mitten im Karneval von Rio, der in zahlreichen Aufnahmen vorgeführt wird. In Rio lernt sie auch Escobar kennen, der sich sofort in sie verliebt. Chiquita soll den Stein auf einer internationalen Diamantenschau vorführen. Er wird von ihrem Hals gestohlen. Begleitet wird Chiquita vom stummen Musiker Mario (Folco Lulli)308 und vom ersten Lied Chiquitas (»Babalu«) über die Karnevalsaufnahmen bis zur Catarete am Schluss erscheinen Musik und Choreografie dominanter als die Handlungsführung. Aus dem Abenteuerfilm von 1940, der letzte mit La Jana in 306 1933 beginnt die Rede des Rektors mit den Worten: »Das Leben fragt nicht: Wo kommst du her? Wer bist du?« Er skandiert: »Das Leben fragt: Kannst du den Kampf aufnehmen mit mir?«. 307 1933 singen sie – während der Musiklehrer (Albert Florath) an der Orgel begleitet – einen neuen Text zur Melodie von »O Haupt voll Blut und Wunden«. Auch 1955 gibt es Pathos: Das Schulorchester wird am Beginn von Trompeten dominiert. Während 1933 die letzten Bilder Aufnahmen der gerührten (Lehrer) bzw. weinenden (Elfriede) Protagonisten zeigen, lächeln sich 1955 alle versöhnlich an, sogar Lateinlehrer und Direktor. 308 Lulli war zwei Jahre zuvor der Fahrer in Lohn der Angst (1953, Henri-Georges Clouzot), der bei der Berlinale 1953 den Publikumspreis gewann. Seine darstellerische Leistung in Stern von Rio preist die Filmkritik einhellig, etwa im Film-Echo: »Der markanteste und überzeugendste Kopf sitzt aber zweifelsohne auf dem massigen Körper von Folco Lulli […] Seine Rolle ist klein, seine Leistung groß«, Dieter Fritko: »Stern von Rio«, in: FE, Nr. 17, 23. 4. 1955, 9. Jg.

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der Hauptrolle,309 wird 1955 ein Musikfilm, der vor allem die Schauwerte Brasiliens am Beginn mit dokumentarischen Aufnahmen310 und sodann durch die Inszenierung zahlreicher Musik- und Tanznummern vorführt. In Oberwachtmeister Borck fällt zunächst auf, dass die Handlung nicht nur zeitlich sondern auch örtlich verlegt wurde: Das Polizeirevier ist von Berlin nach Hamburg umgezogen,311 die Figurenkonstellation bleibt indes gleich, ebenso die Starbesetzung in beiden Filmen; Borck (1955 Gerhard Riedmann, 1935 Gustav Fröhlich als Schwenke) verliebt sich in das Dienstmädchen Erna (1955 Annemarie Düringer, 1935 Sibylle Schmitz), das von ihrem finsteren Verflossenen Franzek (1955 Ralph Lothar, 1935 Harald Paulsen als Karl Franke) ermordet wird. 1955 fällt der Verdacht auf Borck,312 aber schließlich kann durch die Initiative des ihn treu liebenden Mädchens Käthe (1955 Ingrid Andree, 1935 Marianne Hoppe) im Gerichtsverfahren seine Unschuld festgestellt werden. Verändert werden gegenüber dem Vorgängerfilm vor allem Details, die allesamt die Dramaturgie straffen und die Verwicklungen (und damit die Spannung des Kriminalfilms) verstärken. Erstens ist Käthe nun die Tochter von Borcks Chef, wodurch das Figurenensemble enger wird. Zweitens aber fügt das Remake neue Intrigen ein, die schließlich dazu führen, dass der Showdown als wilde Verfolgungsjagd im Hafen inszeniert werden kann, bei der ein Kollege sterben muss. Es folgt eine rührende »Ehrung des toten Kameraden« mit Deutschlandfahne auf Halbmast.313 Der Vergleich mit dem Vorgängerfilm legt nahe, dass selbst im Kriminalfilm im Prozess der Neubearbeitung zwar keine Schauwerte, aber – wie etwa die Verfolgungsjagd anzeigt – so doch zumindest Actionszenen ergänzt werden. Ein zweite Veränderung markiert die Aktualisierung: Erna und Franzek 309 Die Schauspielerin starb am 13. 3. 1940 infolge einer Lungen- und Rippenfellentzündung. Stern von Rio wurde am 20. 3. 1940 uraufgeführt und spielte binnen eines Jahres 2.514.000 RM ein, vgl. Klaus 2000, S. 135f. Kaum eine Rezension des Remakes kommt ohne den Hinweis auf sie und damit auf den Vorgängerfilm aus, vgl. u. a. Dieter Fritko: »Stern von Rio«, in: FE, Nr. 17, 23. 4. 1955, 9. Jg., »Stern von Rio«, in: Kölnische Rundschau vom 23. 4. 1955, »Es regnet Luftschlangen und Konfetti«, in: Berliner Morgenpost vom 4. 2. 1955. 310 Schon in den ersten Szenen des Films bekommen die Zuschauer Luftaufnahmen von Rio de Janeiro vorgeführt, die Neumann und sein Kameramann Willy Winterstein vor dem Dreh einfingen, vgl. F. E. Olimsky : »Carneval in Rio«, in: Filmblätter, Nr. 5, 4. 2. 1955. Die heitere Off-Stimme fragt: »Kennen sie Brasilien? Ein herrliches Land.« Es folgen launig kommentierte Urwald- und Tieraufnahmen. 311 Wenn Norbert Grob in seiner Analyse der deutschen Kriminalfilme 1948–1965 diese als »Filme der Stadt« beschreibt, kann man fragen, ob das auf die Zeit nach 1945 übertragbar wäre, Grob 2009, S. 233. 312 1935 beschuldigte Franke den Oberwachtmeister, ihn bei der Festnahme misshandelt zu haben, was zur Suspendierung des Polizisten führte. 313 Im Vorgängerfilm findet ebenfalls eine Verfolgungsjagd statt, aber über die Dächer, an deren Ende Franzek verhaftet wird. Im Remake wird Franzek danach wieder freigelassen, um dann vom bereits suspendierten Borck erneut gestellt zu werden, wobei sein Kollege Heinz Olsen (Günther Pfitzmann), der ihn begleitet, von Franzek niedergeschossen wird.

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sind vertriebene Schlesier. Schon im Vorgängerfilm kam Erna aus Posen, »jetzt Polen«, und fürchtete darum die Polizei und die Behörden. Vertriebene sind also keineswegs nur Personal des deutschen Heimatfilms der 1950er Jahre, sondern auch in anderen Genres und vor 1945 aufzuspüren. 2.2.7 Europäische Monarchien im »Kostümfilm« Ab 1954 ist die Zuwendung zum historischen Setting auffällig. 1954 beginnt die Zeit der Kostümfilme, die mit der Sissi-Trilogie (1955–1957) ihren Höhepunkt des Publikumserfolges erreichte. Die Handlungsorte der Filme sind entweder die europäischen Adelshäuser oder Orte des Bürgertums, in deren Liebesgeschichte Kaiser oder König eine Rolle spielen. Erfolgreich und bis heute bekannt sind vor allem die Monarchiefilme des Jahrzehnts, unter denen sich einige Remakes finden lassen: Sowohl in Mädchenjahre einer Königin (1954, Ernst Marischka) als auch in Die Deutschmeister (1955, Marischka) spielt Romy Schneider die weibliche Hauptrolle. Der letztgenannte Film wird im Mittelpunkt einer Detailanalyse stehen, eine ausführlichere Analyse beider Verfilmungen von Mädchenjahre einer Königin liegt ebenfalls vor.314 Ein Jahr vor dem Erfolg des ersten Sissi-Films verkörperte Romy Schneider bereits eine junge Königin, die sich mit Temperament durch die starre Etikette des Hofes lächelte. Königswalzer (1955, Viktor von Tourjansky) war weniger publikumswirksam,315 aber in Farbe und Cinemascope aufgenommen,316 spielt in der vergangenen Monarchie und lässt die Figuren in der Konstellation Königshof, Militärangehörige und bürgerliche Familie agieren.317 Alle drei Filme nehmen keine grundlegenden Veränderungen an der Handlungsführung des Vorgängerfilms vor, verschieben und aktualisieren aber durch Neubesetzungen, Nebenhandlungsstränge und Inszenierung im Detail durchaus nennenswert die filmische Ausdeutung der Kaiserzeit für das zeitgenössische Publikum.318

314 Ein ausführlicherer Vergleich der Filme und eine filmhistorische Verortung, vgl. Frank 2012. 315 Die Filmtheaterbesitzer bewerteten den Filmbesuch im Verleihjahr 1955/56 mit 3,6. Im Vergleich dazu sind Die Deutschmeister nach den Auszählungen von Garncarz auf dem dritten Platz der Top Ten mit 1,4 benotet, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1083, Garncarz 2013, S. 189. 316 »Erster Drehtag: Königswalzer«, in: FW, Nr. 30, 23. 7. 1955, 10. Jg. 317 Die Hauptfiguren, Vater Tomasoni (Joe Stöckel) und seine Töchter Theres (Marianne Koch) und Anni (Sabine Hahn), führen ein Caf8 in München. Der junge Graf von Tettenbach (Michael Cramer), ein Vertrauter Sissis, soll den König (Hans Fitz) überzeugen, dass sie und Kaiser Franz Joseph heiraten können. Natürlich verliebt er sich in Theres. Durch eine List der frühreifen Schwester entstehen die Verwicklungen, an deren Ende jedoch die Verlobung der Paare steht. 318 Da Die Deutschmeister in der Detailanalyse ausführlich auch mit Blick auf die hier

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Eine weitere Linie der historischen Stoffe eröffnen die Remakes Dunja (A 1955, Josef von Baky/ 1940 Der Postmeister) und der Abenteuerfilm Der Kurier des Zaren (F/I/JUG/BRD 1956/57, Carmine Gallone), in denen das russische Zarenreich Handlungsort ist. Der Kurier des Zaren unterscheidet sich vom Vorgängerfilm vor allem dadurch, dass er nun nicht mehr nur die Mission Michael Strogoffs (1956 Curd Jürgens), sondern zugleich prominent dessen Entdeckung der Tapferkeit des weiblichen Geschlechts und seiner Liebe thematisiert. Auch im Melodram Dunja ist eine Umdeutung zu konstatieren: Die Hauptfigur ist titelgebend und die Handlungsführung geglättet und ganz auf sie ausgerichtet. Letztlich läuft sie auf die Bestrafung des weiblichen Wünschens und Begehrens hinaus.319 Ostentativ langweilt sich das Mädchen (Eva Bartok) am Beginn auf der Poststation. In der Stadt muss sie jedoch feststellen, dass der Rittmeister (Ivan Desny) sie nicht heiraten wird. Damit beginnt für sie – in einer bedeutungsschwangeren Montage inszeniertes – ein Leben als Geliebte reicher Männer. Als sie sich in Mitja (Karlheinz Böhm) verliebt, gibt es trotz aller Bemühungen keinen Weg zurück in ein bürgerliches Leben, auch wenn sie ihrem Vater, dem alten Postmeister (Walter Richter), mit der inszenierten Hochzeit ein letztes Mal ein solches vorspielt. An diese Thematik knüpft auch die zweite Verfilmung von Effi Briest, Rosen im Herbst (1955, Rudolf Jugert), an.320 An beiden Remakes fällt auf, dass sie im Kontrast zu ihren Vorgängerfilmen offensiver Sexualität inszenieren. Effi und Major Crampas werden etwa bei ihrem heimlichen Treffen am Strand gezeigt. Im Remake von Bel Ami (1939, Willi Forst/ A/F 1955, Louis Daquin) liegt bereits in der Exposition die nackte Rachel im Bett des aufstrebenden Heimkehrers, der versucht, seine Marokko-Serie zu schreiben, die sein ehemaliger Kriegskamerad Forestier als Geschichte von »Abenteuer und Erotik« in Auftrag gab.321 Sehr viel früher, aber durch die Rahmenhandlung an die Gegenwart gebungenannten Filme behandelt wird, sei auf weitere Bemerkungen an dieser Stelle verzichtet, vgl. III. 1.4 Die Deutschmeister »marschieren unaufhaltsam«(1955), S. 302–309. 319 Das Remake folgt der Handlung des Vorgängerfilms, die Umdeutungen betreffen vor allem die Figuren: War Dunja (1940 Hilde Krahl, 1955 Eva Bartok) im Vorgängerfilm ein glückliches Mädchen, ist sie 1955 eine gelangweilte Tochter, die froh ist, mit dem Rittmeister Minski (1940 Siegfried Breuer, 1955 Ivan Desny) weggehen zu können. Dramaturgisch sehr viel glatter und moralisch eindeutiger wird etwa die Figur des Mitja (1940 Hans Holt, 1955 Karlheinz Böhm) gezeichnet, dessen Liebe, nachdem er der inszenierten Hochzeit von Minski und Dunja beiwohnte, in Hass umschlägt. Im Premake wollte er sich selbst töten. 320 Ausführliche Vorstellungen der Effi-Verfilmungen von 1939 und 1955, vgl. u. a. Schmidt 1989, Milz 2010, S. 39ff. Zu Rosen im Herbst und Ruth Leuwerik, vgl. Jaspers 2004. 321 Die Kriegskameradschaft und die Soldatenzeit Durroys sind im Remake – das in der Handlungsführung näher an de Maupassants Roman bleibt – zentrale Elemente, wenn er etwa nach der ersten Intrige um seinen Ruf bei den Kameraden fürchtet oder auch Forestier ihn am Sterbebett anruft: »Du hast mich im Felde gesehen.« Zu Bel Ami (1939), vgl. u. a. Steiner 2003.

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den, spielt die Komödie Das Bad auf der Tenne (1956, Paul Martin), eines der wenigen Remakes, dessen gleichnamiger Vorgängerfilm (1943, Volker von Collande) bereits in Farbe gedreht wurde und nach der Analyse Vielhabers Pieter-Brueghel-Gemälde zitierte.322 In der Rahmenhandlung spielen 1955 Nadja Tiller und ihr zukünftiger Ehemann, Walter Giller. Sie schlägt in der Badewanne liegend das Buch auf: »Im Jahre 1652 führten die Einwohner des idyllisch gelegenen Dorfes Teerbrück«, das Bild blendet in die Geschichte über »nahe der holländischen Grenze ein gesundes Leben …« Sodann verhandelt die Komödie die Konflikte des Bürgermeisters Hendrik (Paul Klinger) und seiner Frau Antje (Sonja Ziemann), die von einem reichen Reisenden, Don Fernando (Karl Schönböck), umworben wird. Er lässt der Angebeteten eine Badewanne zurück, die für Empörung sorgen wird. Während die Männer heimlich die Badende beobachten, planen die entrüsteten Frauen die Wiederherstellung der ehelichen Ordnung, die durch den Voyeurismus der Männer gefährdet ist. Hier muss man einräumen, dass beide Verfilmungen Prüderie, Nacktheit und Sexualität verhandeln. Im Remake ist das allenfalls durch die Rahmenhandlung in der Gegenwart verankert, was Aktualität und Virulenz der Themen unterstreicht. Die Produktion des Remakes war von juristischen Auseinandersetzungen um die Urheberrechte begleitet.323 Neben der Filmpremiere wurde im gleichen Jahr eine Adaption für das musikalische Unterhaltungstheater unter dem gleichen Titel an den Städtischen Bühnen in Nürnberg inszeniert, Musik von Friedrich Schröder, Autoren waren Günther Schwenn und Rolf Meyer.324

2.3

Remakes ab 1957: »Zum zweiten, zum dritten Male…«325

Die Zahl der Remakes sinkt, das Genrespektrum bleibt breit. Arzt-, Zirkus- und Kriminalfilm, Abenteuerfilme und Musikfilme sind ebenso unter den Remakes wie Heimatfilme und Operetten. Die beiden letztgenannten Genres aber nehmen ab. Operettenverfilmungen finden sich vor allem unter jenen Remakes, die nun sowohl einen Vorgängerfilm vor 1945 als auch einen solchen in den frühen 1950er Jahren aufweisen. 1958 gibt es keine einzige Operettenverfilmung unter den Remakes und ab demselben Jahr sind auch Heimatfilme nur noch vereinzelt nachweisbar. 1959 ist erstmalig seit 1950 kein Heimatfilm unter den Remakes, 1961 nur noch die Komödie Der Hochtourist (1961, Ulrich Erfurth), deren Adaptionsprozesse man gleichsam als Auflösung des Genres auf der Inszenie322 323 324 325

Vielhaber 2012, S. 136. Vgl. I. 4.3.1 Produzent im Streit der Rechteinhaber : Das Bad auf der Tenne, S. 107f. Jansen 2012, S. 230. »Zum zweiten, zum dritten Male… Wegweiser durch mehr als 150 Wiederverfilmungen«, in: FE, Nr. 51, 25. 7. 1960, 14. Jg.

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rungsebene interpretieren kann. Im Überblick fällt auf, dass die meisten Remakes, ob in Schwarzweiß oder in Farbe, offensiv die zeitgenössische Gegenwart inszenieren, selbst wenn das – wie in Salzburger Geschichten – zuweilen paradox anmutet.326 Ausnahmen sind etwa einige Ganghofer-Verfilmungen.

2.3.1 Heimatfilm zwischen Tradition und Modernisierungskonflikten Auch ab 1957 bleibt zunächst jene Linie des Heimatfilms erhalten, deren Verhandlung und Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart nicht anders als diskret zu nennen ist. Das Mädchen vom Moorhof (1958, Gustav Ucicky) spielt am Ende des 19. Jahrhunderts.327 Auch Das Dreimäderlhaus (A 1958, Ernst Marischka) verhandelt Geschichte im historischen Setting.328 Bei der Ganghofer-Verfilmung Der Jäger von Fall (1957, Ucicky, »Ein Ludwig Ganghofer Film«)329 hingegen lässt sich nur schwer eine Handlungszeit ausmachen. Dabei sind in Schloss Hubertus bereits 1954 visuelle Verweise auf die zeitgenössische Gegenwart zu beobachten.330 326 Den Konflikten des Films liegt der Devisengrenzverkehr der 1930er Jahre zugrunde, aufgrund dessen der Protagonist Georg (Paul Hubschmid) ohne Geld nach Salzburg reisen muss. Dort lernt er Konstanze (Marianne Koch) kennen. Die Theater- und Musiktheaterinszenierungen im Film aber sind nicht aus den 1930er Jahren. 327 Das Jahr 1892 wird am Beginn des Prozesses Helga und Martinson verlesen. Beide Filme verhandeln die Geschichte der armen Helga (1935 Hansi Knoteck, 1958 Maria Emo), die als Magd von ihrem Dienstherrn (1935 Erwin Lietsch, 1958 Wolfgang Lukschy) geschwängert wird. Dieser will vor Gericht einen Meineid schwören, nicht der Vater zu sein, Helga verhindert es, gewinnt die Anerkennung der Dorfgemeinschaft und findet wieder eine Stelle. Sie liebt den Sohn der Familie (1935 Kurt Fischer-Fehling, 1958 Claus Holm), der jedoch um die reiche Amtmanntochter (1935 Ellen Frank als Getrud, 1958 Eva Ingeborg Scholz als Hildur) wirbt. Nach dramatischen Verwicklungen finden Helga und Gudmund zueinander. Die Veränderungen des Remakes gegenüber dem Vorgängerfilm bestehen neben der Farbe vor allem darin, dass sich Gudmund jetzt nicht mehr als Mörder eines unbekannten Matrosen, sondern des Gutsbesitzers wähnt und Helga von Hildruds psychotischem Bruder (Horst Frank) obsessiv geliebt wird, der am Ende den Mord gesteht – eine dramaturgische Verdichtung der Geschichte. Ausführlicher zum Remake, vgl. Brecht / Loacker/Steiner 2014, S. 485ff. 328 Das Dreimäderlhaus (A 1958, Marischka) verhandelt die Geschichte des jungen Komponisten Franz Schubert (Karlheinz Böhm), seiner Freunde und der drei Töchter Tschöll: Hannerl, Hederl und Heiderl. Im Vorgängerfilm Drei Mäderl um Schubert (1936, E. W. Emo) verliebt sich der Komponist (1936 Paul Hörbiger) nacheinander zuerst in Hederl, dann in Hannerl. Letztere, die seine schüchternen Avancen zunächst zu erwidern scheint, verlässt mit dem Operndirektor Furlani die Stadt. Die dritte Schwester Heiderl liebt Schubert, aber weiß, dass sie ihn nach der enttäuschten Liebe an die Musik verloren hat. Das Dreimäderlhaus hat das gleiche Figurenensemble, bleibt aber im Handlungsaufbau der Operette Bert8s treu, nach der Hannerl schließlich Schuberts besten Freund Schober heiratet. Wie schon 1936 resümiert Schubert 1958: »Ich hab ja meine Musik.« 329 Vorspann des Films. Zur Produktionsgeschichte, vgl. Brecht / Loacker / Steiner 2014, S. 419. 330 Ausführlich, vgl. III. 3.4 Schloss Hubertus (1954), S. 378–393.

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Mit Blick auf den Vorgängerfilm, Der Jäger von Fall (1936, Hans Deppe, »Ein Peter-Ostermayr-Film der Ufa«),331 fällt vor allem auf, dass das Remake bei Beibehaltung der Geschichte Veränderungen in der Figurencharakteristik vornimmt. Der Förster und die Jagdgehilfen, allen voran der brave Friedl (Rudolf Lenz), kämpfen mit einer Bande von Wilderern in ihrem Revier. Ihr Anführer ist der zwielichtige Huisen-Blasi (Erwin Strahl). Jagdgehilfe Friedl liebt die fleißige Sennerin Marei (Traute Wassler), deren unehelicher Sohn Franz in Pflege leben muss, aber deren Vater sie nicht preisgibt. Es ist Huisen-Blasi, der Mareis Loyalität missbraucht und sich von ihr gar unterschreiben lässt, dass er nicht der Vater sei, damit er ein reiches Bauernmädchen heiraten kann. Verändert wurde in erster Linie die Charakterisierung des Protagonisten Friedl und des Antagonisten Blasi. Friedl ist nun nicht mehr nur braver Jäger und treuer Liebender, sondern zeichnet sich durch seine Bemühungen um Mareis kleinen Sohn aus. Am Festtag – der dem Film Raum für zahlreiche Tanzszenen und Trachteninszenierungen bietet und den Wilderern ein ungestörte Gelegenheit für ihr Treiben garantieren sollte, was aber am Verrat scheitert – trägt er den kleinen Franzl zur Mutter. Der einzige Wilderer, der unterdessen der Verhaftung entkommen konnte, ist Blasi, der zu Marei flüchtet. Auf dem Rückweg wird er auf Friedl, der sein Kind auf dem Rücken trägt, einen Felsbrocken fallen lassen. Hatte die liebende Marei mit dem unterzeichneten Verzicht auf die Vaterschaft endgültig die Verderbtheit Blasis erkennen und sich lösen müssen, wird in den Szenen auf dem Rückweg der Antagonist dem Zuschauer noch einmal als egoistischer und brutaler Mensch vorgeführt, der die Familie verrät.332 Friedl dagegen musste im Unwissen um die Verhältnisse an Mareis Liebe zweifeln. Doch Paul Richter, der Friedl des Vorgängerfilms, greift nun als Dr. Harlander ein, bringt Marei zum Reden und mit einer List ihres Bruders versöhnen sich die beiden Liebenden und heiraten. Dass am Haus das Jahr 1952 geschrieben steht, ist einer der wenigen Hinweise des Films, dass die Handlung in der zeitgenössischen Gegenwart spielt.333 Der gleichen Konzeption von Zeitinszenierung folgt auch Der Edelweisskönig (1957, Ucicky/ 1939, Paul Ostermayr). Doch hier fallen die Verände331 Vorspann des Films. 332 Alle positiven Figuren dagegen sind in (meist unvollständige) Familien eingegliedert: Friedl hat seine Mutter, Marei den Bruder Lenz, der schließlich auch die enttäuschten Liebenden wieder zusammenführt. Lenz erscheint – anders als im Vorgängerfilm – auch in der finalen Szene und stellt – getreu dem Roman – Blasi auf der Brücke. Im Roman stirbt er. Im Vorgängerfilm erwischten die Jäger den Wilderer. 333 Das »Sunil« im Krämerladen könnte man als diskreten Hinweis im Hintergrund ausmachen, es wurde 1955 in Deutschland eingeführt, vgl. Bissinger 2005, S. 122. Auf einen Blick eines Jagdgehilfen auf die Armbanduhr, ein Bahlsen-Schild und die Fahrräder der Gendarmen verweisen Christoph Brecht und Ines Steiner, vgl. Brecht / Loacker / Steiner 2014, S. 479. Hier findet sich eine ausführliche Beschreibung des Films, vgl. ebd., S. 476ff.

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rungen der Handlung deutlich mehr auf. Im Vorgängerfilm waren die Konflikte um Hannerl (Ingeborg Wittmann) zentral, die heimlich den Grafen (Rolf Weih) liebte, für den sie jedoch nur eine Liebschaft war. Daraus ergaben sich sämtliche Spannungsbögen – innerhalb der Familie und für die Liebe zwischen Veverl (Hansi Knoteck) und Ferdl (Paul Richter). Diese Handlung führt weit weg von der Vorlage, in der Johanna bereits am Beginn ins Wasser gegangen ist.334 Die Familienkonflikte nach Hannas Tod wiederum verhandelt – wenn auch nicht im engen Sinne des Romans – das Remake. Hannis Selbstmord ist 1957 Ausgangspunkt der Handlung.335 Sie war ungewollt schwanger geworden und ihr Bruder Ferdl (Rudolf Lenz) hatte aufgrund einer lapidaren Äußerung den Grafen niedergeschlagen,336 der unglücklich stürzte und den Ferdl für tot hält. Der Finkenbauer (Attila Hörbiger), das Familienoberhaupt der Geschwister, deckt Ferdl verzweifelt und zwingt ihn, über die Grenze zu fliehen. Während sich der verletzte, versteckte Ferdl stellen will, verteidigt der Finkenbauer die Rechtmäßigkeit der Tat. Dabei ist der Patriarch von Selbstzweifeln gequält, ob die Schwester nicht aus Angst vor ihm ins Wasser ging, die der penibel und erbarmungslos ermittelnde Oberwachtmeister in ihm sät. Veverl (Christiane Hörbiger) verliebt sich im Laufe der Handlung in Ferdl. Zunächst dem autoritären Finkenbauern gehorchend, möchte auch sie, dass Ferdl verborgen bleibt. Erst die Erklärung des Polizisten und die seelische Not des Liebsten überzeugen sie, dass er sich stellen muss. Durch den Jäger des Grafen (Gustl Stark-Gstettenbauer wie schon 1939) trifft zudem die Nachricht ein, der Graf lebe. Unterdessen hat der Trotz gegen die Staatsgewalt den Finkenbauer soweit gebracht, dass er den Familienhof verkaufen und nach Südamerika auswandern will. Seine Frau Marianne (Olga von Togni), die zwar die Handlungen ihres Mannes hinterfragt,337 334 Vgl. Ganghofer 1968. 1939 fanden Ferdl und Veverl Hannerl im Krankenhaus der Stadt. Sie war dem Grafen nachgereist. Wütend stapfte Ferdl daraufhin zum Grafen. Ein Unfall geschah und Ferdl glaubte, zum Mörder geworden zu sein. Am Ende des Films wurde Doppelhochzeit gefeiert: Veverl und Friedl heirateten ebenso wie Hannerl, die die treue Liebe des Forstgehilfen Gidi (Gustl Stark-Gstettenbauer) erkannte. 335 Im Roman bringt sich Johanna um. Daraufhin geht Ferdl ebenfalls zum Grafen, der aber – ohne dass Ferdl Hand anlegt – vor Liebeskummer umfällt und verletzt wird. Die Romanhandlung fokussiert das Entschlüsseln der Münchener Ereignisse, die nicht so klar sind wie im Remake, sowie die Hauptfigur Veverl, die durch die Liebe zu Ferdl den Unsinn ihres Geisterglaubens erkennt, vgl. Ganghofer 1968. Im Romanvergleich kann man konstatieren, dass die erste Verfilmung offensichtlich mehr an der unglücklichen Liebe des bürgerlichen Mädchens zu dem Adeligen interessiert ist, das Remake dagegen an den Familienkonflikten nach Ferdls Zusammenstoß mit dem jungen Grafen. 336 Auf die Nachricht vom Selbstmord und der Schwangerschaft hatte der Graf geantwortet: »Von mir?«. 337 Pathetisch fragt der Finkenbauer Marianne, als er den Verpflegungsrucksack für den versteckten Bruder begutachtet: »Ist das Gerechtigkeit?« Sie antwortet knapp: »Der Staat kann doch nicht zulassen, dass jeder sein eigenes Recht machen will.« Sie insistiert darauf, dass er ihre Meinung hören wollte. Marianne nimmt die Position des Untersuchungsrichters am

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nicht aber ändern kann, muss zusehen, wie der Ehemann verhaftet wird. Doch der Graf gesundet und entlastet Ferdl, der sich stellt. Der Untersuchungsrichter (Friedrich Domin) erklärt dem trotzigen Patriarchen das Rechtssystem, was im Remake das happy end besiegelt. Dabei erlaubt sich der Richter einen persönlichen Kommentar : Nach dieser Bemerkung des Grafen hätte er auch zugeschlagen, er rügt vorsichtig den eifrigen Ermittlungsbeamten. In der Schlussszene kehren Georg und Ferdl erleichtert heim und werden von den überglücklichen Frauen empfangen. Auf den ersten Blick kann man hier ein ähnliches Verfahren erkennen, wie es sich bereits in Heideschulmeister Uwe Karsten konstatieren ließ; das Remake akzentuiert einen anderen Teil der Romanvorlage. In Der Edelweisskönig stehen im Remake nicht mehr die Verwirrungen und Liebesgeschichten der jungen Protagonisten im Zentrum, sondern die Konflikte des Familienoberhaupts, das mit Attila Hörbiger prominent besetzt ist.338 Er hadert mit seiner Rolle als Patriarch zwischen der Verteidigung der Familie gegenüber einer emsig ermittelnden Staatsmacht und Selbstvorwürfen. So trotzig der Patriarch gegenüber Ermittler und Bruder auftritt, ist er doch keine eindimensional autoritäre Figur. Ob seiner Angst um Ferdl kann er nicht essen, er weint, als er ihn verunglückt glaubt. Seine Frau ist es, die ihn tröstet, bestärkt und mahnt: »Ich hab jetzt nur Angst, du gehst jetzt zu weit mit deinem Trotz.« Blind für die Auswirkungen seines Starrsinns verstrickt der Finkenbauer die Familie in zunehmende Schwierigkeiten. Der Untersuchungsrichter gibt ihm final das Vertrauen in die staatliche Autorität zurück und weist ihn verständnisvoll, aber autoritär in die Schranken. Ohne dass die Verfilmung auf der Inszenierungsebene explizit in der zeitgenössischen Gegenwart verortet wäre, kann man den verhandelten Konflikt im Zeichen der Neuordnung einer nun demokratischen Gesellschaft als politisches Postulat verstehen, so wie sich in den Handlungen des Protagonisten zwischen Egoismus und Familienbande zugleich ein Konflikt um väterliche Autorität manifestiert, den es im Vorgängerfilm nicht gab. Paradigmatisch kann man diese Ganghofer-Neuverfilmungen als Fortsetzung eines Strangs des Heimatfilms sehen, der auf der Inszenierungsebene von jedweden Aktualisierungsprozessen unberührt bleibt. Doch die vorgestellten Verschiebungen zeigen auf der Konfliktebene, dass gesellschaftliche Themen verhandelt werden. 1961 kommt die Geschichte um den tyrannischen SägemühEnde des Films vorweg. Sie hat aber keine Handlungsmöglichkeit, denn bei aller Gleichberechtigung im Streit, trifft ihr Mann sämtliche Entscheidungen, die sie akzeptiert. 338 Attila Hörbiger, »einer der Säulenheiligen der Wiener Theaterwelt«, spielte seit 1929 beim Film, in den 1930er Jahren stand er im Deutschen Theater auf der Bühne und erhielt Filmrollen. Auch nach 1945 spielte er im österreichischen und deutschen Film. Verheiratet war Hörbiger mit Paula Wessely. Christiane Hörbiger, die das Veverl spielt, ist seine Tochter, vgl. Weniger 2001, Bd. 4, S. 58f., Zitat S. 58.

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lenbesitzer Lauretz nach dem Erfolgsroman von John Knittel in die Kinos: Via Mala. Der Vorgängerfilm, dessen Dreharbeiten unter der Regie von Josef von Baky im Sommer 1943 begannen, war erst 1948 in Ost-Berlin, 1950 in München und West-Berlin in die Kinos gekommen.339 Im Laufe der 1950er Jahre verhandelte der Romanautor derart erfolgreich mit der Ufa-Filmkunst um seine Rechte, dass diese sich schließlich geschädigt sah.340 Die ungeklärten Rechte an der Vorlage sind eine mögliche Erklärung für die späte Wiederverfilmung. In beiden Verfilmungen tyrannisiert der Sägemühlenbesitzer Jonas Lauretz (1943 Carl Wery, 1961 Gert Fröbe) seine Familie: seine Frau (1943 Hildegard Grethe, 1961 Edith Schultze-Westrum) und die Töchter Hanna (1943 Hilde Körber, 1961 Anita Höfer) und Silvelie sowie ihren Bruder Nikolaus (1943 Malte Jäger, 1961 Christian Wolff). Der Alkohol ist es in beiden Verfilmungen, der den cholerischen Patriarchen so grausam werden lässt. Während er aber 1943 ausschließlich gewalttätig ist, wird im Remake das Repertoire seiner Verfehlungen um Gotteslästerung und sexuelle Belästigung erweitert.341 In beiden Filmen lernt die liebreizende Silvelie (1943 Karin Hardt, 1961 Christine Kaufmann) den neuen Amtmann, Andreas von Riechenau (1943 Viktor Staal, 1961 Joachim Hansen), kennen und lieben. Während aber 1943 die verzweifelte Familie den Mord am tyrannischen Vater lediglich plant,342 begeht die Mutter diesen im Remake tatsächlich, um die Kinder zu schützen.343 Der Amtmann deckt den Mord, um seine Frau und ihre Verwandten zu schützen, nachdem seine eigene Mutter ihn an seine Dissertation über die ethischen Grundlagen des Rechts erinnert hat. Dem negativ besetzten Sägemühlenbesitzer stehen zwei positive Mutterfiguren gegenüber, was eine seltene Konstellation in den Remakes der 1950er Jahre ist. 339 Im März 1945 wurde der Film zensiert, aber nur für das Ausland zugelassen, Klaus 2002, S. 244f. 340 Laut den Ufa-Akten hatte Knittel 1941/42 die Rechte am Buch für 75.000 RM an die Ufa verkauft. Da der Film nicht mehr ausgewertet wurde, übertrug Custodian Dr. Braun gegen eine Zahlung von 12.150 DM die Rechte an den Autor zurück. Derweil war der Film auch in den westlichen Besatzungszonen aufgetaucht. Der Konzern beteiligte Knittel in einem Vergleich vom 25. 4. 1950 an den Bruttoeinspielergebnissen mit 35 %, ab dem 2. 9. 1951 mit 32,5 %, Vermerk vom 28. 10. 1957, BArch R 109 I/926, Bl. 1–2, weitere Vermerke zum Vorgang, vgl. BArch R 109/2014, o. S. 341 Im Remake wird Lauretz bereits beim Verfahren Gotteslästerung vorgeworfen. In einer beklemmenden Szene zertritt Lauretz den Rosenkranz seiner Frau. Später wird er seine Tochter Hanna sexuell belästigen. 342 Die Ermittlung des Amtmanns führt in beiden Fällen zur Familie Lauretz, die sich heimlich gegenseitig verdächtigt. Im Finale behauptet Andreas von Riechenau vor der versammelten Familie, Silvelie hätte den Mord begangen, woraufhin alle Familienmitglieder wie auch der Knecht Jöry ihr Wissen preisgeben. Der Gastwirt, der Silvelie liebte, wird auf der Brücke am Fluss den Mord gestehen und sich in die Tiefe stürzen. 343 Sie gesteht: »Eine Mutter muss ihre Kinder nicht nur geboren haben, sie muss ihnen auch helfen, das Leben rechtschaffen leben zu können. Ich hab nicht zulassen dürfen, dass Niklas und Hanna zu Mördern werden. Ihr ganzes Leben wär kaputt gewesen.«

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Abseits dieser filmischen Verhandlung eines problematischen Patriarchats erreicht die visuelle und inhaltlich verhandelte Modernisierung die OstermayrProduktion nach der ästhetisch widersprüchlichen Inszenierung von Schloss Hubertus (1954) und Verhandlung in Die Heilige und ihr Narr (1957, Gustav Ucicky),344 die Ganghofer-Verfilmungen schließlich 1962 mit der Neuverfilmung von Waldrausch (1939/ 1962, Paul May). Auf der technischen Ebene ist der Bau der Talsperre schon im Vorgängerfilm inszeniert: Gestählte Männerkörper bohren und arbeiten mit modernen Maschinen. Aber der Konflikt um die Umsetzung des Dorfes und die italienischen Gastarbeiter sind Novi des Remakes. Auch wenn dem Protagonisten, dem heimgekehrten Ingenieur Ambros Lutz (1962 Gerhard Riedmann, 1939 Paul Richter), wieder der Wirt Crispin Sagenbacher (1939 Hans Adalbert Schlettow, 1962 Sieghardt Rupp) als Antagonist gegenübersteht, sind Themen und Motive grundlegend verändert. 1939 wurde der Staudamm noch auf entlegenen Wiesen gebaut, um das Dorf und die Landwirtschaft vor Hochwasser zu schützen. 1962 muss das Dorf umsiedeln, um einem Stausee, der für die Industrialisierung und für die Modernisierung des Dorfes notwendig ist, Platz zu machen. Schon am Beginn wird die Landschaft mit modernem Gerät vermessen und gezeigt, wie sie zerstört wird (Abb. 12) – auf der Bildebene ebenso wie auch später eindrücklich mit dem Lärm auf der Tonspur. Die Figur des »Waldrauschers« (Eduard Köck), der weise Waldmann, der mit der Natur im Einklang lebt, wird durch den Stuiber (Paul Hartmann) ersetzt, einen Förster ohne Gewehr, der den Lärm anmahnt. Auch im Remake konkurrieren Ambros und Crispin offensiv um die schöne Beda (1939 Hansi Knoteck, 1962 Marianne Hold).345 Bei der Prügelei um Beda schlägt Crispin den Ingenieur mit einer Eisenstange nieder, weshalb dieser fast zu spät kommt, als die Wassermassen die Baustelle beinahe einstürzen lassen. Dafür opfert sich Crispin und rettet final den Staudamm, wobei er stirbt – eine Neuerung des Remakes, obwohl Crispins Intrigen ansonsten übernommen werden.346 Das 344 Eine ausführliche Vorstellung des Remakes (mit Willy Birgel, Gudula Blau, Hertha Feiler und Gerhard Riedmann) und der heitere Befund, »dass Männer, Frauen – und nicht zu vergessen: ein Kind miteinander sprachen, als seien sie von den Geistern ihrer Urgroßeltern besessen«, vgl. Brecht / Loacker / Steiner 2014, S. 481ff., Zitat S. 481. 345 Die Liebesgeschichte zwischen Ambros und der Prinzessin dagegen gerät in den Hintergrund. 1939 ist sie ein wichtiger Nebenhandlungsstrang. Die unglücklich verheiratete Adelige liebt den Ingenieur und er sie. 1962 sind die beiden ebenfalls seit ihrer Kindheit befreundet, doch die Liebe ist einseitig. Ambros ist von Beginn an Beda interessiert. Auch ist der Kontrast des Schlosses zur modernen Bauszenerie stärker inszeniert. Das wird dadurch unterstrichen, dass der Diener in einer langen Slapstickszene die Baustelle überqueren muss. Auch 1939 kam die Hofdame zu Ambros, aber sie schwankte nur eher hilflos. 346 In beiden Verfilmungen wiegelt Crispin die Dorfgemeinschaft gegen das Projekt auf und wird dadurch überzeugt, dass er die Kantine der Baustelle führen kann. Auch lockt er in beiden Verfilmungen die Arbeiter von der Baustelle weg, sodass sie nicht rechtzeitig helfen können, als das Gewitter hereinbricht.

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letzte Bild inszeniert ein Familienglück: der kleine Toni, Beda und Ambros gehen gemeinsam über die imposante Mauer den Weg in ihr gemeinsames Leben (Abb. 13).

Abb. 12 und 13: Waldrausch (1962): Zerstörung der Natur in der Eingangsszene, Familienidyll auf dem neuerrichteten Damm am Ende

In einer touristischen Moderne angekommen ist der Heimatfilm zuvor mit Bei der blonden Kathrein (1959, Hans Quest). Entsprechend grundlegend sind auch die Veränderungen des Plots für das Remake. In beiden Verfilmungen steht Kathrein, die schöne Wirtin der Goldenen Gans, im Zentrum der Liebesgeschichte.347 1959 aber ist sie (Marianne Hold) allein und überlegt, da sie nie verliebt war, aus Vernunft einen reichen Baron zu heiraten, der um sie wirbt und dessen Tochter Micky um jeden Preis Schlagersängerin werden will. Der berühmte Operettentenor Clemens Hagen (Gerhard Riedmann) lässt sich inkognito im Hotel als Geschäftsführer anstellen und die beiden verlieben sich. Die Handlung ist eingebettet in eine ausführliche Inszenierung des Bodensees und seiner Region.348 Neben der grundlegenden Neubearbeitung der Handlung fällt die Aufwertung der musikalischen Ebene im Remake auf. Nach der Operettendarbietung am Beginn und den begeisterten Teenagern, die Hagen die Autoreifen zerstechen, um ihn zu sehen, finden sich im Film zahlreiche Schlagernummern. Statt des Trachtenumzugs nach dem zweiten Drittel des Films, der in zahlreichen Heimatfilmen am Beginn der 1950er Jahre zu sehen war, bevor die finalen Missverständnisse begannen, fahren die Protagonisten mit Booten hinaus und es ertönt der Schlager »Wenn die Liebe unter Sternen erwacht«, der ebenfalls ohne narrative Funktion ist. Dabei aber entsteht eine Melange zwi347 In der Verfilmung von 1934 wird die Wirtin der Goldenen Gans vom Studenten Leopold geliebt, dessen Vater ihn schließlich davon abbringen kann. Kathrein wird am Ende mit ihrem Kellermeister glücklich. 348 Inszeniert werden der See und die Umgebung in zahlreichen Totalen aus der Vogelperspektive, wenn etwa Hagen und Kathrein Auto fahren. Sie spazieren gemeinsam über die Blumeninsel Mainau und am Ende des Films findet eine Aufführung auf der Seebühne in Bregenz statt.

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schen Neuerungen und Rückgriffen: Wenn dem Operettentenor explizit »Ferien vom Ich« attestiert werden, kann man das vor dem hier dargestellten Hintergrund als übergenerationelle Anspielung verstehen: Keller-Roman (1915), Premake (1934) oder Remake (1952). Der von Teenagern umlagerte Operettenstar vereint dabei ebenso Aktualisierungen (Teenager) und Tradiertes (Operette). Die Figur Micky als kesse, zum Schlagerstar aufstrebende Tochter, die im Kontrast zu ihrem jagenden Vater agiert,349 sorgt für musikalische Anknüpfungspunkte an den Jugendfilm. In den Heimatschwänken ist die Gegenwart auf der Inszenierungsebene früher zu besichtigen, ohne dass sie verhandelt werden würde. Salzburger Geschichten (1957, Kurt Hoffmann) ist hinsichtlich der Handlungszeit widersprüchlich. Auf der Inszenierungsebene finden sich keine Hinweise, lediglich die Problematik des Devisenverkehrs und die Erwähnung des Protagonisten, sein Smoking sei »Baujahr 1935« verweisen diskret auf die Handlungszeit. Im Film überaus präsent und viel näher am Reise- bzw. Heimatfilm der 1950er Jahre sind die Bilder Salzburgs und vom »Salzburger Festspielzauber«,350 u. a. mit den langen Szenen von Jedermann, Don Giovanni und dem New York City Ballett.351 Zum Film erschien nach Meldung des Film-Telegramms auch der Soundtrack auf Schallplatte.352 Die touristische Referenz der Salzburger Festspiele findet sich auch in Der Jungfrauenkrieg (1957, Hermann Kugelstadt). Der geschäftstüchtige Gastwirt Rößmaier (Oskar Sima) begründet seine Bemühungen um das Theaterspiel im Dorf mit dem Anschluss an Salzburg, während er im Vorgängerfilm – von Joe Stöckel gespielt – lediglich den Umsatz steigern wollte. Das Remake von Das Spiel auf der Tenne (1937, Georg Jacoby) verhandelt mit der nicht standesgemäßen Liebe zwischen der Großbauerntochter Lena und dem Holzknecht Martl den gleichen Grundkonflikt, doch auch in diesem bayrischen Gasthaus wird Coca-Cola serviert und einzelne Liednummern nehmen mehr Inszenierungsraum ein. Ebenso wahrt auch Der verkaufte Grossvater (1962, Hans Albin) mit dem maßgeblichen Konflikt um die Verschuldung der 349 Der Baron hält final die Einladung seines Feindes zur gemeinsamen Jagd für wichtiger als Kathrein, was seine romantische Liebe desavouiert und ihn zudem als problematischen, ›alten‹ Typus erscheinen lässt, vgl. auch die Rolle des Vaters in Schloss Hubertus III. 3.4 Schloss Hubertus (1954), S. 382–385. 350 »Salzburger Festspielzauber«, in: FP, Nr. 40, 4. 10. 1956, 8. Jg. 351 Schon der Vorspann weist aus, dass die Don-Giovanni-Szenen bei den Salzburger Festspielen aufgenommen wurden. Die Jedermann-Inszenierung am Beginn ist doppelt besetzt: durch die legendäre Inszenierung Max Reinhardts und im zeitgenössischen Kontext durch das Aufgreifen derselben bei den Salzburger Festspielen nach 1945. Zu den Salzburger Festspielen nach 1945, vgl. Kriechbaumer 2007. Darüber hinaus werden während Georgs Aufenthalt in Salzburg zahlreiche Aufnahmen der Stadt präsentiert. Die Landpartie von Georg und Konstanze dagegen rekurriert (inklusive einer Jodelnummer) auf den Heimatfilm der Zeit. 352 »Telegramm-Melodie: von Salzburg bis Hollywood«, in: FTG, Nr. 23, 4. 6. 1957, 5. Jg., S. 16.

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Familie die Linie zum Vorgängerfilm (1942, Joe Stöckel). Die Geschäftsleute sind keine Erfindung des Remakes. Die Konflikte zwischen Moderne und Tradition werden hier ebenfalls komisch inszeniert, dabei aber umgedeutet. In der ersten Szene begegnen sich ein Bauer mit seinem Gespann und Direktor Dünkelberg (Hubert von Meyerink), dessen Wagen im Schnee stecken geblieben ist. Doch der Herr Direktor ist jetzt kein Großstädter aus München mehr, sondern spricht Englisch. Gelacht wird in den Szenen mit dem Direktor nun über die aufgesetzte Internationalität ebenso wie über Krause, den »Preußen mit Dachschaden«, der den Großvater (Hans Moser) erwerben will. Der Direktor kauft den »Luxusartikel«, wie sich mit konsequenter Erhöhung des Preises der Alte selbst bezeichnet. Mit dem Erlös kann sein Sohn die Schulden zahlen und der Großvater beginnt sodann, das Direktorenpaar gehörig zu quälen. Auf der Bildebene fährt kurz vor dem Finale noch ein Idee-Kaffee-Transporter durch das Bild, während die Bauernjungen die Revuemädchen belästigen. Die Zusammenführung des Liebespaars findet am Ende auf der Bühne statt. Die Inszenierung unzähliger Lieder hebt das Remake – trotz der Beibehaltung der grundlegenden Konfliktkonstellationen – ebenso deutlich vom Vorgängerfilm ab wie die offensive Inszenierung der Gegenwart. Diese findet sich auch im Remake von Der Hochtourist (1961, Ulrich Erfurth). Das komische Dilemma des schwindelnden Familienvaters, der seiner Familie seit Jahren vorgaukelt, als Bergsteiger in den Alpen unterwegs zu sein, ist nun erweitert. 1942 vergnügte sich der reiche Fabrikant (Joe Stöckel) noch beim Karneval, um seiner Frau zu entkommen. 1961 finanziert er (Willy Millowitsch) in München ein Privattheater, in dem er am Beginn des Films gar den Tell gibt, der durch den Laiendarsteller zur Lachnummer wird. Nun ist jener Autor, aus dessen Wanderberichten er die Briefe an die Damen der Familie abschrieb, nicht mehr nur Wanderer, sondern zugleich zynischer Theaterkritiker, der den Tell verriss. Doch auch er verliebt sich in die schöne Tochter des Schwindlers. Im Remake wird die zeitgenössische Gegenwart nicht mehr nur durch den Handlungsort Stadt inszeniert, sondern ebenso durch Ausstattung und Kostümierung vor allem der jüngeren Figuren. Die Wandlungsprozesse der Heimatkomödie sind im selben Jahr in der Neuverfilmung von Robert und Bertram (1961, Hans Deppe/ 1939, Hans H. Zerlett) zu beobachten. Dem Remake liegt eine grundlegende Neukonstruktion der Handlung zugrunde. Der Vorgängerfilm ist bis heute aufgrund seiner antisemitischen Szenen im Hause der Ipelmeyers ein Vorbehaltsfilm. 1961 sind Robert (Willy Millowitsch) und Bertram (Vico Torriani) keine Vagabunden, sondern ersterer flieht vor seiner sparsamen Frau, während Bertram hofft, durch die Tour die seinige zurückzugewinnen. Die beiden laufen im Auftrag der Schuhfirma Malina durch Deutschland. Dabei singen sie bzw. singt Torriani als Bertram unablässig und so wird aus der Komödie mit antisemitischen Szenen ein Schlagerfilm, wobei sowohl auf der musikalischen Ebene als auch in zahl-

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reichen Dialogen ständig Bezüge zur deutschen Vergangenheit hergestellt werden.353 2.3.2 Gegenwartskomödien: Alte und neue Konflikte Jede der Komödien, die am Ende des Jahrzehnts noch einmal verfilmt wurde, lässt sich durch die Ausstattung und die bereits im heiteren Heimatfilm beobachteten Insignien des Konsums (Autos, Lebensmittel, Möbel) in den 1950er Jahren verorten. Das gilt für die Heinz-Erhardt-Filme in Schwarzweiß ebenso wie für die farbigen Remakes von Rühmann-Komödien. Dabei lassen sich neben der anhaltenden komischen Verhandlung dominanter Frauen weitere Themen auffächern: erstens eine unauffällige Umdeutung der Konflikte in den Geschlechterrollen, die bereits in der Unschuld Kempenichs in Wenn wir alle Engel wären (1956) aufschien und die die Peter-Alexander-Filme prägt. Zweitens leiden auffällig viele Figuren an einer hektischen Gegenwart oder diese wird verhandelt und inszeniert. Darüber hinaus fällt auf, dass das Starkino fortgesetzt wird: Heinz Erhardt beerbt Hans Moser und Weiß-Ferdl, Walter Giller spielt nun nicht mehr neben Rühmann, sondern übernimmt eine seiner Rollen in der Neuverfilmung Das Glück liegt auf der Strasse (1957, Franz Antel/ 1938 Dreizehn Stühle, E. W. Emo).354 Auch Peter Alexander spielt ehemalige Rühmann-Rollen und das zuweilen überaus erfolgreich.

353 Schon während des Vorspanns erklingt die Melodie von »Wozu ist die Straße da? Zum Marschieren«. Damit wird ein Lied zitiert, das sowohl 1936 der dominante Schlager von Lumpacivagabundus war als auch im Remake von 1956 erklang. Darüber hinaus finden sich zahlreiche moderne Schlager, etwa wenn Torriani auf dem Zeltplatz am Fluss zwischen leicht bekleideten jungen Menschen »Babylein« singt. Verbale Hinweise auf die deutsche Vergangenheit finden sich, wenn Robert postuliert: »Wir waren ja mal ein Volk von Wandervögeln, aber dann kam ja einiges dazwischen.« Was »dazwischen« kam, wird auch angedeutet, wenn Robert erklärt, er sei »2000 Kilometer von Moskau nach Köln« gelaufen. Den euphorischen Schuhfabrikleiter aber, der darin die »deutsche Wertarbeit« der Schuhe bestätigt sieht, bremst er aus: Von den Russen hatte er amerikanische Stiefel bekommen. Eine ältere Frau sinniert im Wagen ihrer Enkelin gerührt über alte Wandervogelzeiten und beginnt zu singen (»falleri, fallera!«), nachdem Robert den Wagen stoppte, damit Entenküken die Straße passieren können (deren Mutter seltsamerweise eine Gans ist). 354 Nach der Satire von Ilja Ilf und Eugen Petrow verhandelt die Komödie die Geschichte des Friseurs Felix Rabe (1938 Heinz Rühmann, 1957 Walter Giller), der unverhofft erbt. Doch erst, nachdem er die vermeintliche Erbschaft der 13 Stühle an einen Antiquitätenhändler (1938 Hans Moser, 1957 Georg Thomalla) abgegeben hat, liest er, dass in einem der Stühle 100.000 Mark eingenäht sind. Gemeinsam machen sich die beiden auf, das Geld zu finden, was zu allerlei komischen Verwicklungen führt. Die meisten Stationen ihrer Suche sind in beiden Verfilmungen identisch. Bemerkenswert ist, dass aus dem Figurenkabinett nun ein Karstadt wird und die beiden bei der Jagd nach den Stühlen auch in eine Kaserne geraten, in der sie den einfachen Soldaten gegenüber das »Wohlfühlen« beim Militär betonen.

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Mit Das haut hin inszeniert G8za von Cziffra eine dramaturgisch recht identische Neuverfilmung von Der Mann, von dem man spricht (A 1937, E. W. Emo), die wie der Vorgängerfilm auf den Star ausgerichtet ist und den neunten Platz der Filmerfolgsliste erklomm.355 Der chaotische, singende Zoologiestudent Toni Matthis verschläft auch 1957 seine Prüfung, wird exmatrikuliert und kämpft um seine Liebe zur Hochseilkünstlerin.356 Während die Handlungsführung bis ins Detail dem Vorgängerfilm verhaftet bleibt, wird im Remake die musikalische Ebene aufgewertet, was sicher mit der Besetzung der Hauptrolle zusammenhängt. Die Schlager des Films reichen vom euphorischen LiebesFoxtrott (»Das tu ich alles nur für dich«), der die Handlung rahmt, bis zu ironischen, leicht sentimentalen Liebesliedern (»Ole Babutschkin«). Ironie lässt sich in der musikalischen Darbietung auch beobachten, als Toni im Restaurant singt und einem dicken Herrn dabei eine »Fressplatte« serviert, zum Schlager : »Ein bisschen mehr«. Produziert wurde das Remake von Kurt Ulrich und der Berolina-Film GmbH, die jedoch keineswegs die musikalischen Erweiterungen im Genre der Komödie exklusiv hat, wie die Veränderungen im Remake von Sieben Jahre Pech (1940, Ernst Marischka/ 1957 A Scherben bringen Glück) zeigen.357 Auch das Remakes von Der Page vom Dalmasse-Hotel (1933, Janson), Der Page vom Palast-Hotel (A 1958, Thomas Engel), beginnt nun mit dem Auftritt einer Band von Musikstudenten, die auf ihre Sängerin (Erika Remberg als Friedl) warten. Als diese – zugunsten der Angebeteten des Direktors – nicht auftreten darf, lässt sie sich als Page engagieren.358 355 Garncarz 2013, S. 189. 356 Ausführlich zu den Übernahmen des Remakes und zur Musik, vgl. Frank 2016, S. 206ff. 357 Mit Scherben bringen Glück verfilmt Ernst Marischka ein Drehbuch neu, das er 1940 mit Heinz Helbig schrieb und inszenierte. Bereits der Beginn des Remakes markiert den Wandel hin zu einer stärker musikalisch akzentuierten Verfilmung. Das Remake ist im Showbusiness verankert. Es beginnt mit einer Theatertotale, in der eine Tanzgruppe mit singenden Solisten »Heute hab ich mich verliebt« gibt. War der Protagonist Kersten (Wolf Albach-Retty) 1940 noch Schriftsteller, spielt Adrian Hoven nun einen Komponisten. Beide lernen im Zug die schöne Gerti Teisinger (1940 Olly Holzmann, 1957 Gudula Blau) kennen und sind von der fixen Idee überzeugt, dass ein einst zerbrochener Spiegel ihnen sieben Jahre Pech, so auch der Titel des Premakes, bescherte. Begleitet wird der Protagonist von Diener Paul (1940 Theo Lingen, 1957 Gunther Philipp), der sich am Ende nach allen Liebesverwicklungen und Missverständnissen als derjenige outet, der den Spiegel zerbrach. 358 1933 war Friedel Bornemann noch arbeitslos. 1957 um ihr Engagement gebracht, verkleidet sie sich mithilfe der Sachen ihres eigenen Bruders und verliebt sich wiederum in einen Gast (1957 Rudolf Prack als Schriftsteller Hellberg). Das Remake aber erweitert die Konflikte. Nicht mehr die Amerikanerin ist eine Betrügerin (und hat auch keine »Tochter« mehr wie noch 1933), sondern die alleinstehende Frau wird von einem als Frau verkleideten Ganoven und seiner Komplizin verfolgt, die ihren Schmuck stehlen wollen. Als Friedel die Betrüger der Polizei zuführt, stellt sich heraus, dass auch die Amerikanerin schuldig ist: Sie betrog ihre Versicherung. Der Schriftsteller wiederum braucht nun nicht mehr die Hilfe seiner Mutter, sondern erkennt selbst in Friedel die Frau seines Herzens. Neben der Komik des

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1958 produziert die Kurt Ulrich Film GmbH – eine der Nachfolgefirmen der Berolina – das Remake von Das Paradies der Junggesellen, das am 29. Januar 1959 unter dem Titel Schlag auf Schlag Premiere feiert, aber beim zeitgenössischen Publikum etwas weniger erfolgreich als Das haut hin war.359 Wieder übernimmt Peter Alexander die Hauptrolle Rühmanns. Beide Verfilmungen verhandeln die Geschichte des umtriebigen Standesbeamten Hugo Bartels und seiner beiden Freunde, die den Frauen und der Ehe entsagen wollen. Figurenkonstellation und Plot sind identisch und das Remake inszeniert seine Anleihen beim erfolgreichen Vorgängerfilm augenfällig. Beide Filme stellen ihren Star ins Zentrum und weisen spezifische filmmusikalische Konzepte auf. Während der Vorgängerfilm leitmotivisch vom Schlager »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern« durchzogen wird, ist das musikalische Spektrum des Remakes breiter. Neben Schlagern bildet der Bühnenauftritt Alexanders/ Bartels im Verein, der bereits im Vorspann angekündigt wird,360 die Breite der Musik ab: Das Repertoire reicht von Hans Mosers »Die Reblaus«361 bis zu Vico Torriani. Dann wünscht sich eine Frau im Publikum »Peter Alexander«. Selbstironisch kennt er diesen nicht und gibt stattdessen die Bill-Haley-Nummer »See you later, alligator«, die jungen Leute tanzen Rock’n’Roll. Darüber hinaus zeitigen die Neubesetzungen und dramaturgischen Eingriffe Umdeutungen im Verhältnis der Geschlechter, wobei hier das Motiv männlicher Unschuld und die offensive Inszenierung einer großstädtischen Moderne das Remake vom Vorgängerfilm unterscheiden. In diesem finden sich neben der bürgerlichen Ausstattung auch visuelle Verweise auf die NS-Zeit, weshalb die FSK im Protokoll der Sitzung 1949 den Film erst nach Schnittauflagen (unter anderem der »Hoheitszeichen der Diktatur«) für die Auswertung zuzulassen bereit war.362 Das Remake stellt die bundesrepublikanische Konsumgesellschaft im Design der Möbel, der bunten Wohnung, in auffälliger Leuchtreklame und in den Kleidern der Frauen aus.363 Eine ähnliche Aktualisierung ist bei Jacqueline (1959/ 1940 Nanette), dem einzigen Remake der neugegründeten Ufa (laut Vorspann »nach einem Originalstoff von Jochen Huth«) zu beobachten. Während der Aufbau der

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Crossdressings wimmelt auch dieses Remake von sexuellen Anspielungen verbal und inszeniert – wie etwa die Szene beim Skatspiel zeigt. Er wurde von Theaterbesitzern in Bezug auf den Filmbesuch aber durchaus gut bewertet: 2,4, vgl. Axtmann / Herzberg 1960, S. 1086. Bei der Erstausstrahlung im westdeutschen Fernsehen belegte er 1972 sogar den sechsten Platz der TV-Erfolgsrangliste, Garncarz 2013, S. 203. Dieser kündigt an: »Peter Alexander singt – und parodiert bekannte Künstler«. Hans Moser singt das Lied in Sieben Jahre Pech (1940). Es wurde von Karl Föderl geschrieben und war eines von Mosers populärsten Liedern, vgl. u. a. Markus 1989, S. 178. FSK-Akte, Prüfnummer : 367a. 1997 legt die Murnau-Stiftung noch einmal eine ungeschnittene Fassung vor, die sodann auch ohne Altersbeschränkung freigegeben wird. Eine ausführlichere Analyse des Remakes und der hier angerissenen Spezifika, vgl. Frank 2015.

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Handlung, Konflikte und Hauptfiguren beinahe im Detail übernommen werden, wird die Musik und die Ausstattungsebene grundlegend verändert. Getanzt wird Rock’n’Roll, gesungen eine rockige Version des Schlagers »Keine Maka ohne roni« und beim Boxkampf schließlich wirbt wiederum Coca-Cola. Agierte Peter Alexander in Schlag auf Schlag in seiner Rolle als Bartels wie ein großer unschuldiger Junge, so lässt sich im Heinz-Erhardt-Film Der müde Theodor (1957, G8za von Cziffra) eine ähnliche Figur finden. Der Marmeladenfabrikant Theodor Hagemann ist bis zur Naivität gutmütig und hat ein großes Herz und einen offenen Geldbeutel für arme Künstler. Dabei steht er vollkommen unter der Fuchtel seiner dominanten Frau Rosa (Loni Heuser), die argwöhnisch und kaltschnäuzig über die Finanzen der ererbten Fabrik wacht. Hagemann dagegen rettet spontan die Möbel der verschuldeten Sängerin (Renate Ewert) vor dem Gerichtsvollzieher (Ralf Wolter). Um die Unterstützung zu finanzieren, lässt er sich als Zimmerkellner im Hotel engagieren, wo er polternd die Nächte durcharbeitet. Dabei agiert Hagemann – anders als sein Vorgänger in der gleichnamigen Verfilmung von 1936, den Weiß-Ferdl spielte – wie ein übergroßes Kind, was er verbal parodiert, indem er seine herrische Frau stets »Rosa-Kind« nennt. Hagemanns kindlichen Habitus unterstreicht auch die erste Begegnung mit seiner Tochter Jenny (Karin Baal). Vater und Tochter schleichen sich beide hinter dem Rücken der Mutter aus dem Haus.364 Karin Baal spielt in ihrem zweiten Film nach Die Halbstarken (1956, Georg Tressler) keine Rebellin, sondern einen braven Teenager mit Pony und Pferdeschwanz. Zur Familie Hagemann gehört auch Neffe Felix (Peter Weck), der um die Sängerin wirbt, die Hagemann unterstützt. Beim happy end werden alle Paare zueinander finden. Zuvor aber verdient Theodor Hagemann das Geld, das er sich beim Pfandleiher borgen musste. Mit der Unterstützung seiner Kinder, des Hoteljungen Fritz Kümmel und des Schwiegervaters seiner Tochter wird er auch Rosa ihrer Macht berauben. Er spielt ihr im Hotel vor, der Vater des Hoteljungen Fritz und Onkel der jungen Sängerin zu sein. Als sie aus der Ohnmacht erwacht, bezeugen alle, sie hätte ihn vollkommen unbegründet verwechselt. Hier wird das Motiv der Hysterie wiederaufgenommen, das bereits am Beginn des Films etabliert wurde. In Sorge um Theodor hatte Rosa Hagemann Professor Link aufgesucht, Spezialist 364 Die Naivität Hagemanns wird nicht nur durch Wortspiele unterstrichen, sondern auch durch sein ständiges Insistieren darauf, genau zu dem Betrag zu kommen, den die Sängerin dem Gerichtsvollzieher schuldet: Der Pfandleiher bietet 1.050 Mark für Uhr und Zigarettenetui, Hagemann aber verneint: »Ich brauch nur 972 Mark und 35 Pfennig.« Dabei ist Hagemanns Unschuld und Kindlichkeit überaus positiv besetzt. Er macht mit seinem unbedingten Glauben an das Gute im Menschen – abseits einer verlorenen Pferdewette – im Laufe der Filmhandlung keine negativen Erfahrungen. Im Gegenteil: Dadurch, dass er dem Hoteljungen Fritz Kümmel mit allem Respekt begegnet, findet er einen Freund und Verbündeten.

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für Nerven- und Seelenkunde, der nicht nur durch einen Tick auffiel und so einer bösen Karikatur eines Psychoanalytikers glich, sondern sich bei der aufgeregten Rosa zugleich durch seine umfangreiche Sammlung surrealistischer Bilder als Retter für Theodors teuren Kunstwahn disqualifizierte. Wenn Rosa in Küchenschürze und mit Rührschüssel durch Theodors List endlich dort ist, »wo sie hingehört« (Professor Link), ist das Ende nur auf den ersten Blick durch die Zähmung der Frau geprägt. Als ihre Tochter hinzutritt, stellt sich heraus, dass sie durchaus um die List weiß, selbst aber froh ist, die Verantwortung abzugeben. In der nächsten Einstellung treten als neue Direktoren Jennys Ehemann und Hagemanns Neffe aus der Fabrik, die dank der Hochzeit Jennys und Heinrichs nun sowohl Marmelade als auch Kekse produziert. Die Verantwortung ist abgegeben. Insofern löst das happy end alle Ziele der pragmatischen Ehefrau Hagemanns ein, Theodor erscheint gar nicht mehr. Die sparsame, pragmatische Frau hat durch den geglückten Generationswechsel einen ruhigeren Platz gefunden – in der Küche, fernab der modernen Kunst, die sie nicht versteht. Alle Figuren der älteren Generation sind Typen, über die gelacht werden kann und die als soziohistorische Stereotypen gedeutet (und belächelt) werden können, die überspannte Frau ebenso wie das männliche Familienoberhaupt, das Erhardt mit viel Tollpatschigkeit und dem für ihn typischen Wortwitz spielt.365 Die Überforderung durch den Wandel erleidet noch sehr viel aufgeregter als Theodors Frau Heinz Erhardt als Paul Perlacher in Der Haustyrann (1959/ 1939 Das Ekel). Der Caf8hausbesitzer lebt mit seinen Kindern und seiner Schwester in einer Villa in München. Das Wohnungsamt hat ihnen die Mieterin und Klavierlehrerin Frau Hartung (Grethe Weiser) und ihren Neffen (Peter Vogel) eingewiesen, mit denen Perlacher ununterbrochen streitet. Doch nicht nur zu Hause richtet Perlacher mit seiner Aufregung Schaden an. In seinem Caf8 vergrault er zur Verzweiflung seines Oberkellners (Rudolf Platte) die wenigen zahlenden Gäste. Perlachers ungezügeltes Temperament ist ebenso problematisch wie die Verweigerung aller Neuerungen. Das Remake knüpft hier an, aktualisiert und erweitert die Kampfarena; Hans Moser als Das Ekel litt und prozessierte gegen eine neue Straßenbahn. Perlacher wird wegen seiner Beleidigungen, die er auch im Gerichtssaal fortsetzt, zu Haft verurteilt. Argumentativ zur Seite steht ihm dort die kaum weniger temperamentvolle Untermieterin, die daraufhin auch ins Gefängnis muss. Während aber Perlacher in der Haft Ruhe findet, bleibt die Mieterin ihrem Temperament treu und verlängert dadurch ihren Aufenthalt, sodass beide zeitgleich entlassen werden. Die Strafe dieses Gerichts bringt den Nervösen zur Ruhe, womit – ähnlich wie in Der Edelweißkönig – die staatliche Sanktionierung gerechtfertigt wird. Seine Abwesenheit hat es den Kindern ermöglicht, das Caf8 zu modernisieren und in der 365 Zu Erhardt und seiner Komik, vgl. Hickethier 2009, S. 206ff.

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letzten Szene kehrt Perlacher in ein neu ausgestattetes und gut besuchtes Geschäft zurück, in dem die jungen Leute mit ihrer Jazzband auftreten.366 Es singt der österreichische Schlagersänger Willy Hagara. Im Caf8 ist die Gegenwart angekommen und der geläuterte Perlacher kann sie genießen und sich mit Familie, Nachbarn und Gästen aussöhnen. Vorangetrieben haben diesen Prozess seine Tochter und der Neffe Frau Hartungs, die jüngere Generation.367 Generationenkonflikte sind auch zentrales Thema der folgenden Remakes von Komödien. 2.3.3 Gegenwartskomödien: Generationengeschichten Obgleich ebenso offensiv in die Gegenwart verlegt, erfahren die jungen und alten Protagonisten in Man müsste nochmal 20 sein (A 1958, Hans Quest), dem Remake von Altes Herz wird wieder jung (1943, Erich Engel), keine musikalische Aufwertung. Im Kern erzählen beide Filme die gleiche Geschichte: Ein Mädchen sucht den unbekannten Großvater auf, der Fabrikdirektor ist. Ahnungslos stellt sein Neffe Paul das Mädchen als Sekretärin ein und verliebt sich. Während die unbekannte Enkelin die Familienbande gar nicht reklamieren möchte, erwachen im alleinstehenden älteren Herrn die Gefühle und er bemüht sich, ihr Vertrauen zu gewinnen. Während im Vorgängerfilm die junge Brigitte (Maria Landrock) ihren unbekannten Großvater, Friedrich Hoffmann (Emil Jannings), aufsuchen muss, um die Unterlagen für den »Ariernachweis« vollständig erbringen zu können,368 leistet die neue Enkelin, Susanne Menzel (Johanna Matz), der verstorbenen Großmutter einen letzten Dienst: Sie bringt alte Liebesbriefe und einen Abschiedsbrief dem unbekannten Vater ihres Vaters. Es ist der Schokoladenfabrikant Friedrich Hoffmann (Ewald Balser). Ihr Vater ist im Weltkrieg gefallen, das Mädchen nun Waise, beschützt wird sie von ihrem guten Freund Peter (Peter Weck). Der Großvater spricht die gleiche militärische, von Personalpronomen bereinigte Stakkato-Sprache und erkennt sich in der eigensinnigen Enkelin, die keine Hilfe möchte, selbst wieder. Neu im Remake ist eine gemeinsame Dienstreise mit dem Neffen Paul (Karlheinz Böhm)369 nach 366 Bereits am Beginn des Films gab es eine kontrastierende Parallelmontage: von der fröhlichen Jazz-Probe und dem Schlager »Es kann im Frühling sein«, den Hagara singt, zum Caf8haus, in dem Violine und Klavier spielen und Perlacher mault. Die nächste Einstellung ist wieder die fröhliche Probe, zu der die Arbeiter munter Fässer transportieren. 367 Ausführlicher zu Der Haustyrann, vgl. Frank 2016, S. 210ff. 368 Eine ausführlichere Analyse von Altes Herz wird wieder jung (1943) gibt Gerald Koll, vgl. Koll 2003. 369 Der Neffe Paul Degenhardt ist anders als im Vorgängerfilm kein Blutsverwandter, sondern »der Sohn eines Jugendfreundes«, wie die Familie beiläufig in einem Gespräch über den veränderten Friedrich diskutiert. Koll schlüsselt die Verwandtschaftsverhältnisse von Altes Herz wird wieder jung auf, wobei er eine gewisse Verwirrung konstatiert, Koll

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Athen. Athen als Reiseziel erscheint – etwa mit Blick auf Der Herrscher (1937) – zunächst wie ein filmgeschichtlicher Rückgriff. Doch die Differenzen sind sichtbar : Wandelten die Protagonisten in Der Herrscher 1937 noch einsam zwischen Säulen, wird die Akropolis nun als Touristenort eingefangen, dazu erscheinen die motorisierte Großstadt sowie ein diffamierter, lüsterner Geschäftspartner, der sich Susanne zu nähern versucht.370 Dabei finden sich auf der Inszenierungsebene Tradierung und Aktualisierung. Die Villa des alten Fabrikanten ist ein Traditionsbau, die Fabrik mit klassischen Merkmalen des Bauhaus’ nicht eindeutig in der Architektur der 1950er Jahre zu verorten. Doch die Wagen davor verweisen – ähnlich den Szenen in Athen – auf eine bewegte Moderne, ebenso wie Susannes Garderobe und der Flughafen, an dem sie mit Paul abreist. Als die beiden zurückgekehrt sind, schleicht auch dieser Großvater anstelle seines Neffen in das Konzerthaus, um das Mädchen näher kennenzulernen. Die Familie sieht die beiden und die Befürchtungen um den »Johannistrieb« des alten Mannes und eine mögliche Erbschleicherin entfachen den Familienklatsch der anderen beiden Neffen und ihrer Frauen. Sodann aber beginnt die Differenz zwischen beiden Verfilmungen deutlicher zu werden: Im Anschluss an den Konzertbesuch begleitet Friedrich Susanne in ihr Zimmer, sie zeigt ihm die Feldpostbriefe des Vaters, die Verbindung wird enger.371 Der eingefleischte Junggeselle Hoffmann interessiert sich nun für die Familienverhältnisse und Kinder seiner Angestellten, was die Familie hellhörig werden lässt.372 Als beim Besuch Friedrichs die – von der Nachbarschaft angestachelte – Wirtin 2003, S. 188, Fußnote 7. Im Remake wird eindeutig geklärt, dass Friedrich und Paul nicht blutsverwandt sind, »Ordnung muss sein«, wie es so oft in beiden Filmen heißt. 370 Nach dem geschäftlichen Termin nimmt Monsieur Kanzakis (Helmut Qualtinger) Susanne und Paul mit in die Stadt, Paul muss noch etwas erledigen, was Kanzakis zu dem Kommentar, »sie kennen sich hier noch erstaunlich gut aus«, veranlasst. Das kann man als Anspielung auf die deutsche Besetzung Griechenlands verstehen. Anschließend wirbt er um Susanne, die sich aber starrsinnig die Akropolis und den Markt zeigen lässt, den Besuch im Restaurant lehnt sie ab, und als sie am Ende doch dort einkehren, erscheint auch schon Paul, der sie ›rettet‹ und die zwielichtigen Absichten Kanzakis’ mit Grüßen an die Gattin entlarvt. Tatsächlich haben wir hier eine überaus stereotype Figur bzw. Persiflage des südländischen Liebhabers, die dabei dick und erfolglos, also insgesamt abgewertet erscheint. Ich vermute, dass sich Koll auf diese Figur, bezieht, wenn er dem Remake »zweifelhafte Stereotype auf Kosten osteuropäischer Länder« attestiert, Koll 2003, S. 187, FN 1. 371 Bereits bei seinem ersten Besuch bei Susanne, die jedoch verreist ist, wird eindringlich das Interesse des alten Mannes an seinem unbekannten Sohn inszeniert. Während er auf die Ankunft ihres Freundes wartet, geht er in ihr Zimmer : Die Kamera erkundet – in der Subjektive – den Raum, um schließlich auf dem Sekretär das Bild von Susannes Vaters zu fokussieren. Ergriffen nimmt es Friedrich. 372 Bei einer Inspektion der Produktion erkundigt sich Friedrich Hoffmann bei einer Angestellten, ob sie Kinder hätte und will diesen je eine Schachtel der neuen Hoffmann-Pralinen mitgeben. Sie verweist darauf, dass dann die Zahlen nicht mehr stimmen, er erkennt amüsiert, dass er als Generaldirektor seine eigenen Produkte nicht verschenken kann und gibt ihr Geld.

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ins Zimmer stürmt und nach dem Herrenbesuch fragt, gibt Susanne freimütig zu, Friedrich sei ihr Großvater, was den prüden Nachbarschaftsklatsch entlarvt. Friedrich ist gerührt. Noch weicher wird der militärische alte Herr im Finale mit Familie und Susanne. Während er es sich zunächst vorbehielt, Organisator der nun kommenden Komödie zu sein, um dem Neffen und vor allem der bigotten Verwandtschaft eine Lektion zu erteilen, ist er Susanne gegenüber überaus zärtlich.373 Am Ende steht die gleiche Versöhnung wie in Altes Herz wird wieder jung.374 Der Neffe heiratet Susanne. Das Mädchen hat Großvater und Ehemann gefunden. Während sie die gesamte Handlung über das patente Mädchen ist, durchlaufen beide männlichen Hauptfiguren eine Entwicklung: Der familienscheue Großvater entdeckt den Wert der Familie, der leichtsinnige Paul den der Ehe. Das war auch schon im Vorgängerfilm so, was sich geändert hat, ist die ausgewiesene Beschäftigung des Alten mit dem unbekannten Sohn, die auch das Einlenken Susannes markiert: Sie beobachtet ihn liebevoll, wie er die alten Feldpostbriefe liest. Die generationelle Verständigung schließt den verstorbenen Vater bzw. Sohn nun mit ein.375 Die Schul- und Ehekomödie Die unentschuldigte Stunde (A 1937, E. W. Emo/ A 1957, Willi Forst) wurde in der Bearbeitung um eine Generation erweitert.376 Die Grundkonstellation wird beibehalten: Ein Schulmädchen (1937 Gusti Huber als Käte, 1957 Erika Remberg als Brigitte) braucht ein Attest, weil sie ihren Eltern vorschwindelt, krank zu sein,377 und verliebt sich in den herbeigerufenen Arzt (1937 Anton Edthofer, 1957 Adrian Hoven). Die beiden heiraten. Das Mädchen aber leidet darunter, dass ihr Mann sie so oft allein lässt und beschließt, heimlich ihre Matura abzulegen. Damit setzen die Verwicklungen ein, die in jeweils sehr unterschiedlichen happy ends münden: In beiden Verfilmungen ist das 373 In all diesen Szenen – sowohl beim Klatsch der Familie, mit der Figur Kanzakis als auch beim ›Ertappen‹ durch die Zimmerwirtin – spielt die Komödie auf eine starre Sexualmoral an. 374 Die Aktivität, die Friedrich Hoffmann hier entfaltet, steht im Gegensatz zum schreibenden Familienoberhaupt in Salzburger Geschichten (1957), dessen eigens inszenierte Komödie durch die Kinder gegen ihn gewendet wird. Hier jedoch gegenteilige Konzepte reklamieren zu wollen, lässt außer Acht, dass der Vater in Salzburger Geschichten eine Nebenfigur darstellt, wohingegen Hoffmann als Hauptfigur – gerade vor dem Hintergrund des dominanten Sexualdiskurses – sein kleines Verwirrspiel plant und durchführt. 375 Zur Deutung von Altes Herz wird wieder jung im Sinne generationeller Versöhnung zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, verkörpert in den Figuren Friedrich und Susanne, vgl. Koll 2003, S. 185f. 376 Eine weitere Interpretation der beiden Filme legt Kamps vor, die unter der Prämisse des Remakes als defizitärer Neuauflage argumentiert, vgl. Kamps 2003. 377 Die Gründe für die gespielte Krankheit sind unterschiedlich: 1937 steht sie für ihre Freundin ein und traut sich darum am nächsten Tag nicht in die Schule, 1957 hat sie wegen des Besuchs eines Karajan-Konzerts nicht gelernt und fürchtet durchzufallen. Sie lügt den Lehrer an.

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Mädchen am Ende schwanger. Während sie 1937 glücklich von ihrem Mann heimgeführt wird und kein Reifezeugnis bekommt, beschließt – nach Aufklärung aller brisanten Sachverhalte – die Lehrerkonferenz voller Stolz, ihr das Zeugnis zu überreichen. Unter dem Jubel der Schüler gehen das Paar und der Großvater in spe (Rudolf Forster) im Schlussbild ab. Bei allen Übernahmen akzentuiert das Remake anders und verhandelt so auch andere Konflikte. Brigitte hadert nun zusätzlich mit ihrem Schwiegervater, der zwar das Verliebtsein der Kinder sofort erkannte,378 zugleich aber erklärte, eine Dame sei man erst nach der Matura. Der »Papa« nennt sie »Püppchen« und betont in einer Szene gegenüber seinem Sohn: »Sie ist ein Kind, das Hausfrau spielt.« Interessanterweise hat er damit Recht, nur ist Brigitte prinzipiell als Ehefrau gar nicht in der Situation, anders handeln zu können. Den Besuch der Schule hält sie vor Ehemann und Schwiegervater geheim. Ihr zur Seite steht die alte Haushälterin ihrer Eltern, Resi (Alma Seidler), und final auch der Schuldiener (Hans Moser)379 sowie einfallsreich, schlagfertig und tatkräftig in jeder Situation Freundin Dolly. Am Ende besteht Brigitte die Matura und die Diskussionen im Lehrerkollegium führen nicht nur den – bereits in Reifende Jugend (1955) verhandelten – Dissens zwischen zugewandter Pädagogik und Verurteilung vor,380 sondern verankern diesen zudem im Thema der Sittlichkeit. Mit sexuellen Anspielungen ist das Remake überladen. Der puritanische Chemieund Mathematiklehrer (Erik Frey) etwa beobachtet im Gebüsch versteckt den Kuss zwischen Brigitte und ihrem vermeintlichen Vormund und Arbeitgeber. Bei der Maturakonferenz ist er aber zu feige, seine Beobachtungen zu schildern. In einer anderen Szene in einer Bar starrt er einer Italienerin lüstern ins Dekollet8. Das weibliche Dekollet8 ist im Remake inszeniertes Bild des männlichen Verlangens.381 Auch der Nachhilfelehrer (Josef Meinrad) richtet seine Augen auf Brigittes Ausschnitt – mittels der subjektiven Kamera auch der Zuschauer. 378 Nach der Begegnung zwischen Dr. Weyringk und Brigitte ist nicht nur das junge Mädchen durcheinander. Der Arzt ist ebenfalls zerstreut, was sein Vater amüsiert beobachtet. Da Brigitte dringend das Attest braucht, geht Freundin Dolly in die Privatklinik, in der Vater und Sohn forschen. Sie dringt tatsächlich zu Professor Weyringk vor, der begreift, dass der Hausbesuch seines Sohnes die Verwirrtheit ausgelöst haben muss. Er schickt ihn zu Brigitte, um ihr ein Attest auszustellen. 379 Hans Moser spielte im Vorgängerfilm den Vater des Mädchens. 380 Im Lehrerkollegium stehen auf der einen Seite: der strenge Chemie- und Mathematiklehrer Adamek, der einen komischen Schnüffeltick hat, und seine Kollegin, die prüde Englischlehrerin. Sie vertreten die Position der moralischen Entrüstung über die vermeintliche Unsittlichkeit Brigittes, erscheinen dabei selbst feige und verklemmt. Die Gegenposition nimmt die aufreizende junge Lehrerin ein, deren Fach jedoch unklar bleibt. Sie ist es auch, die Brigitte bei der Geometrieprüfung Mut zuspricht und sie so zur Lösung bringt. In der Mitte – ganz auf der Linie des Direktors in Reifende Jugend – agiert Professor Wohlmuth, die Schulleiterin, die gegenüber den aufgebrachten Lehrern immer wieder Sachlichkeit anmahnt, den Schülern Respekt zollt und am Ende eine gerührte Lobrede auf Brigitte hält. 381 Als Dr. Weyringk zu Brigitte kommt, soll sie sich freimachen. Dabei weiß er bereits, dass ihr

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Abb. 14 und 15: Die unentschuldigte Stunde (1957): Massenmedien und Körperlichkeit

Am Ende kann Dr. Weyringk das sittlich besorgte Lehrerkollegium aufklären, dass sie hier über seine Frau, nicht über Fräulein Brigitte Jäger sprechen. Währenddessen dankt der Schwiegervater der ohnmächtig gewordenen Brigitte. Er hat gelernt, den Menschen zu sehen. »Denn die Matura ist nicht alles«, räumt er ein und formuliert seinen Stolz auf die eigensinnige Schwiegertochter.382 Die Komödie verhandelt deutlich gesellschaftliche Normen der Sexualität und den Konflikt des jungen Mädchens, spart dabei aber aus, wer die Verantwortung für Brigittes Dilemma trägt. Am Ende dominiert Versöhnung. Anders als in Man müsste noch mal 20 sein (1958) ist das Remake nun stärker musikalisch akzentuiert. Am Beginn singt brav eine Mädchenklasse, Brigitte hat aufgrund eines Karajan-Konzerts nicht gelernt. Schließlich aber spielt Dolly der Englischlehrerin einen Streich: Statt der Platte mit dem Hamlet-Monolog legt sie Rock’n’Roll auf. Nicht nur die Klasse beginnt zu tanzen, der gesamte Schulflur wird von tanzenden Jugendlichen erstürmt. Die Lehrer stehen hilflos daneben. Aus Versehen wird die – während des Hamlet-Monologs eingeschlafene – Brigitte sogar noch benennen, dass es »The Rocket Eye« von Bill Haley war. Mit dem Ausflug in die Jugendmusik korrespondieren auch die Plattenspieler, die immer wieder zu sehen sind. Kurz bevor Dr. Weyringk Brigitte das zweite Mal aufsucht, wird zudem ein Kontrast inszeniert (Abb. 14 und 15). Brigitte dreht das Radio an, nimmt ein Buch und setzt sich in den Sessel, eine Fanfare erklingt. Daraufhin stellt sie es ab, legt eine Platte auf, deutet ein Tanzen an, legt sich mit einer Zeitschrift auf den Boden und nascht Pralinen: Musik, Jugend in Verbindung mit Körperlichkeit und sinnlichem Genuss.383 nichts fehlt. Sie zupft verlegen, aber sehr ausgiebig ihr Dekollet8 zurecht – die Kamera filmt es halbnah frontal. 382 Insofern ist der Interpretation Kamps’ zu widersprechen, der die Rolle als »auf den ersten Blick überflüssig« beurteilt, vgl. Kamps 2003, S. 519. 383 Das Moment des Naschens ist auch darum so interessant, weil hier an die Verschränkung von Mediennutzung und Sinnlichkeit angeknüpft wird, die ein zentraler Kritikpunkt in

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2.3.4 Komödien im historischen Gewand Analog zu den Beobachtungen im Heimatfilm finden sich im letzten zeitlichen Drittel des Untersuchungszeitraums auch zwei Komödien, die in der Vergangenheit spielen: Der Maulkorb (1958, Wolfgang Staudte) und Heldinnen (1960, Dietrich Haugk). Heldinnen – »sehr frei nach G. E. Lessings Minna von Barnhelm« – bleibt zwar ebenso wie Stück und Vorgängerfilm der Handlungszeit im Siebenjährigen Krieg verpflichtet, was der Film deutlich in Kostümierung und Ausstattung zeigt, aber zugleich bereichert er die Liebesgeschichte zwischen dem sächsischen Fräulein und dem zu Unrecht entehrten Major um unzählige Lieder, die den Film in die Nähe der Filmoperette rücken oder mit den hier erarbeiteten Befunden um Schauwerte bereichern. Paul Hubschmid und Marianne Koch – die gleiche Paarkonstellation wie in Salzburger Geschichten (1957) – geben Minna und Tellheim. Daneben Johanna von Koczian als Franziska, die sich in den Wachtmeister Werner (Günter Pfitzmann) verlieben wird, was ihn davon abhält, in den Krieg zu ziehen. Durch Just, Tellheims Diener (Walter Giller), gibt es im Film eine kriegskritische Figur. Während die preußischen Truppen nach Kriegsende marschieren und singen (»Und uns gehört die Welt«), mischt sich Just dazwischen, zunächst schreiend, dann singend auf die Marschmelodie. Erst zwängt man euch rein, dann zwängt man euch raus, heute zieht man euch ein und morgen zieht man euch heraus. Erst schreit ihr : »Hurra, hurra!« und dann wieder schreit ihr vor Schmerz – Glanz und Gloria, und dann, und dann ne Kugel ins Herz. […] Aber keiner denkt ja mehr nach und jeder marschiert nur nach dem Marsch. Alles bleibt, wie es ist, und morgen seid ihr im…

Sodann beginnt wieder der Preußenmarsch. Kritik am Krieg im historischen Operettengewand, das Glück finden die Protagonisten in der Liebe, nicht im Kriege. Der Maulkorb spielt – wie schon der Vorgängerfilm (1938, Erich Engel) – im Kaiserreich, in einer ungenannten Provinz. Nach dem Roman von Heinrich Spoerl ermittelt der Staatsanwalt von Traskow (1938 Ralph Arthur Roberts) bzw. von Treskow (1958 O. E. Hasse) ahnungslos gegen sich selbst.384 Sturzbetrunken hat er nach einem Stammtischabend dem Denkmal des Landesfürsten den Maulkorb seines Hundes umgehängt. Am nächsten Tag ohne Erinnerung beginnt er – wieder guter deutscher Beamter – pflichteifrig mit den Ermittlungen, deren Verläufe überaus ähnlich sind.385 Der Maler Rabanus (1938 Will Quadflieg, puncto Kinder- und Jugenschutz und Kino im Kaiserreich war, vgl. Maase 2012, u. a. S. 126ff. Inszeniert wird sie nun im Privaten. 384 Umbenennung des Staatsanwalts hängt vermutlich mit dem 1936 erschienen Roman von Spoerl zusammen, an den sich das Remake nun hält. 385 Nicht nur sind die Vernehmungen identisch, auch werden sie in beiden Verfilmungen

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1958 Hansjörg Felmy) hat die Tat beobachtet, schweigt aber, da er erstens der öffentlichen und staatlichen Hysterie abgeneigt und zweitens an der schönen Tochter Trude von Treskow (1938 Charlotte Schellhorn, 1958 Corny Collins) interessiert ist. Ein Detail der Dramaturgie aber wird verändert: In der Neuverfilmung ahnen oder wissen Frau (1938 Hilde Weissner, 1958 Hertha Feiler) und Tochter sehr schnell um die Verfehlung des Vaters und verteidigen sein Geheimnis.386 Als der Augenzeuge Rabanus auftaucht, folgt ihm Trude und kann gerade noch stören, bevor der aufgebrachte Künstler dem Staatsanwalt berichtet, dass er selbst der Täter sei. Ab dann aber übernimmt Rabanus den Schutz des zukünftigen Schwiegervaters,387 der nun mehr monologisiert als sein Vorgänger.388 Selbst Wimm (Wolfgang Neuss) und Bätes (Wolfgang Müller) kommen nicht mehr selbst auf die Idee, sich des Vergehens zu bezichtigen, um die Belohnung zu kassieren, sondern werden in der Kneipe von Rabanus angestiftet. Das happy end ist nahezu identisch, Rabanus rettet den Ausgang des Prozesses, von Treskow wird ausgezeichnet (1938 nach Allenstein in Ostpreußen befördert, was man durchaus als »Wegloben« interpretieren kann)389 und der Oberstaatsanwalt empfiehlt Rabanus der Familie. Mit dem Maler tritt insgesamt eine deutlich aktivere junge männliche Hauptfigur in Erscheinung, vor allem auch, wenn man den von Felmy im gleichen Jahr gespielten Protagonisten in Wir Wunderkinder zum Vergleich heranzieht. Die Tageszeitungen messen Der

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ineinander geschnitten. Der Wettbewerb um die Ermittlung zwischen Staatsanwalt und Polizei wird in beiden Verfilmungen als Streit der alten und neuen Methoden ausgetragen: Während von Traskow/Treskow befragt, setzt der Polizeiwachtmeister einen Spürhund ein – der ihn zum Haus des Staatsanwalts führt, an dem alle Herren herzlich lachen. Staudte baut hier noch einen optischen Gag ein: Der Hund verfolgt eine taumelnde Spur über die Straße, 1938 führte er zielstrebig geradeaus. Eine weitere Differenz ist der Beginn der Szene am Morgen auf dem Marktplatz: 1938 steht ein lachendes, gaffendes Städtchen um das verschandelte Denkmal, das drei Polizisten höflich zerstreuen. 1958 erschreckt berittene Polizei die Gaffer, die fliehen. Auch inszeniert Staudte, wie Treskow zum Denkmal torkelt, 1938 ist der widerständige Akt des Staatsanwalts auch für den Zuschauer unsichtbar. 1938 wird die Frau des Staatsanwalts sich erst langsam über die Zusammenhänge klar, als der Maulkorb verschwunden ist und nach einem fehlenden Knopf des Sommermantels gefragt wird – sie hatte ihn nichtsahnend ersetzt. 1958 weiß sie an dieser Stelle, was geschehen ist. Sie nimmt den Mantel, dem der Knopf noch fehlt, an sich und wirft die Herren aus dem Haus, sonst wäre Treskows Schuld erwiesen gewesen. Im darauffolgenden Gespräch zwischen Mutter und Tochter wird klar, dass beide Bescheid wissen. Im Vorgängerfilm wendete sich die verzweifelte Frau noch an den Oberstaatsanwalt, 1958 spricht dort Rabanus vor. Auffällig ist das vor allem in der Szene, nachdem von Treskow von der Wirtin erfuhr, dass er der letzte Gast gewesen sei. Zu seinem Hund spricht er : »Nee, August, Mitleid wollen wir nicht. Jetzt heißt es abtreten.« Diese Quintessenz ist nicht nur (wie der gesamte Monolog) überhaupt nicht komisch, sondern erinnert stark an Hasses Ashlin-Monologe. Der Vorgängerfilm schließt die Lücke: Traskows glückliche Frau möchte nach dem guten Ausgang »etwas Gutes« tun. Der Staatsanwalt schlägt ihr vor, 3.000 Mark zu spenden. Das ist jene Summe, die die Gauner bekamen. 1958 erhalten sie diese auch. Doch die Kosten fallen der Staatskasse zur Last.

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Maulkorb an Staudtes DEFA-Film Der Untertan, attestieren ihm Harmlosigkeit und fehlenden Aktualitätsbezug, vor allem im Kontext der im selben Jahr politisch umstrittenen Lex Soraya.390

2.3.5 Familien- und Frauengeschichten der Gegenwart Am Ende der 1950er Jahre ist auch die Ausstattung nicht nur der Komödien, sondern auch der dramatischen Unterhaltungsfilme unübersehbar dem Jahrzehnt zuzuordnen. Die Zeitbezüge reichen von den beobachteten Wohnungsausstattungen und nächtlichen Stadtaufnahmen mit leuchtenden Reklameschriften bis hin zur ausgestellten Inszenierung von Autos. Die zweite Storm-Verfilmung Ich werde dich auf Händen tragen (1958, Veit Harlan) scheint zunächst eher die Landschaftsinszenierungen der Heimatfilme aufzugreifen. Es ist eine Verfilmung der Storm-Novelle Viola tricolor, die 1937 auch Vorlage für Serenade (1937, Willi Forst) war.391 Während der Vorgängerfilm die Figurenkonstellation veränderte,392 ist das Remake auf den ersten Blick wieder näher an der literarischen Vorlage. Zwar wurde auch hier der Altertumsforscher zum Antiquitätenhändler (Hans Holt). Doch wie bei Storm heißt die neue Ehefrau nun wieder Ines (Kristina Söderbaum) und die Tochter Nesi (Barbara Haller). Auch das Kindermädchen Anne (Hilde Körber) spielt 390 Das 1958 als Entwurf vorgelegte Fünfte Strafrechtsänderungsgesetz, allgemein bekannt als »Lex Soraya«, sollte veröffentlichte Behauptungen über das Privatleben ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellen, die für die westdeutsche Außenpolitik problematisch werden könnten, womit die Bundesregierung »einen verstärkten Ehrenschutz ausländischer Staatshäupter und ihrer Angehörigen sicherstellen« wollte, 196. Sitzung vom 18. 7. 1958 in: Verhandlungen des Bundesrates 1958, S. 172. Das Vorhaben wurde im Bundesrat gestoppt, der in der Sitzung vom 18. Juli 1958 nach der Empfehlung des Rechtsausschusses den Entwurf einstimmig ablehnte, ebd., S. 175. Anlass war ein im April 1958 erschienener Stern-Artikel über den damaligen iranischen Schah und seine geschiedene Ehefrau Soraya. Exemplarisch für die Kritik der Harmlosigkeit die Titel einiger Rezensionen: »Spaß statt Satire«, in: Der Tagesspiegel vom 10. 9. 1958, »›Der Maulkorb‹ mit Maulkörbchen – ein entschärftes Remake«, in: Deutsche Woche vom 22. 10. 1958 oder »Vergnügen am Staatsanwalt«, in: Münchner Merkur vom 2. 10. 1958. Der Vorgängerfilm kommt dabei interessanterweise meist besser weg – mit einem bekannten Argument: die schauspielerischen Leistungen. 391 1943 inszeniert Kurt Hoffmann ebenfalls einen Film mit dem Titel Ich werde Dich auf Händen tragen, der jedoch mit den hier vorgestellten Filmen keine Verbindung hat. 392 Im Handlungsaufbau lassen sich grundlegende Veränderungen festhalten. Serenade behält zwar den Grundkonflikt der Novelle bei, verändert aber die handelnden Personen: Es sind nun ein Geigenvirtuose (Igo Sym) mit einem kleinen Sohn Heinz (Klaus Detlef Sierck) und einer eifersüchtig wachenden Großmutter (Lina Lossen), die der neuen Ehefrau (Hilde Krahl) das Leben schwer machen. Klaus Detlef Sierck war der Sohn von Detlef Sierck/ Douglas Sierck, der bei seiner Mutter groß wurde und um Kino des NS zum Kinderstar avancierte. Als Jugendlicher spielte er u. a. in Kopf hoch, Johannes! (1941), er starb als Soldat im Zweiten Weltkrieg.

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wieder den Part der Widersacherin. Nesi – und das arbeitet Hans Krah detailliert heraus393 – ist in ihrer eifersüchtigen Liebe zur verstorbenen Mutter und dem oft abwesenden Vater nunmehr treibende Kraft des Konflikts. Das bedeutet andersherum, dass das Remake – vor allem in Abgrenzung zum Vorgängerfilm – nun sehr viel mehr die Frage der Kindererziehung verhandelt und inszeniert. Bereits beim ersten Kennenlernen wird klar, wer diese übernimmt: Ines lässt sich das vermeintlich schlafende Kind in den Arm legen und schickt den Vater aus dem Zimmer.394 Dem hilflosen Vater steht sein Freund zur Seite, der Dottore (Hans Nielsen), der sogleich – als er Zeuge eines Konflikts zwischen Ines und Nesi wird – das Problem energisch zusammenfasst: »Hier muss etwas geschehen.«395 Während die Männer streiten, steht Ines abgewandt, im Gegenschnitt weint Nesi in einer Großaufnahme. Hier lässt sich jenes Verfahren der Parallelmontage im Harlanschen Melodram beobachten, das Norbert Grob für dessen Regiearbeiten vor 1945 herausstellte.396 Zuvor hatte Nesi Ines’ Klavier verschlossen und den Schlüssel versteckt. Der Chauffeur Schorch (Günter Pfitzmann) öffnet mit einem Dietrich den Flügel. Auch wenn Schorch mit seiner Berliner Schnauze, der immer wieder angemahnten Sprachkritik und seiner Liaison mit der italienischen Haushälterin Pia auf den ersten Blick wie eine Nebenfigur wirkt, wird er für den finalen Konflikt um Nesi zentral sein. Er eröffnet ihr aus Versehen, dass Ines ein Kind erwartet und dass Anne entlassen

393 Krah 1999. »Nicht Maria bzw. ihr Bild ist das Problem, sondern Nesi. Diese stört die Betrachtung, drängt sich zwischen Rudolf und Ines, verhindert einen Kuß, und übernimmt so die Rolle, die im Text Marie zugedacht wird«, Krah 1999, S. 275. Dem pflichte ich grundsätzlich bei, würde aber verneinen, dass der Konflikt um Rudolfs Liebe zur verstorbenen Frau gänzlich abgelöst wurde. Erstens gibt es nach Ines’ Ankunft in Florenz eine eindrückliche Szene auf dem Friedhof, bei dem sie sowohl die Inschrift des schwarzen Engels (»denn die Liebe hört nimmer auf«) als auch den Grabstein für Rudolf neben Marias Grab entdeckt. Zweitens verknüpfen Handlungsführung und die Dialoge immer wieder überdeutlich Nesis Probleme mit der unklaren Position des Vaters. 394 Ausführlichere Beschreibung der Szene, vgl. Krah 1999, S. 272f. 395 Nesi hatte Ines’ Flügel abgeschlossen und den Schlüssel im Blumentopf vergraben. Ines findet ihn beim Blumengießen und fragt Nesi, ob sie helfen möchte. Alarmiert läuft das Kind zu den Blumen, entwendet den Schlüssel und wirft ihn durch ein Fenster des Pavillons der Mutter. Als Ines sie stellen will, beißt sie, Ines ohrfeigt Nesi. Der Dottore kommentiert: »Ihr werdet doch wohl noch mit dem Kind fertig werden.« Der Vater spricht mit Nesi, die sich uneinsichtig zeigt und sich halbherzig entschuldigt. Der Dottore ist empört, der Vater nimmt das Kind in Schutz, Ines steht abgewandt. 396 »In seinen [Harlans, S.M.F] Melodramen ist die Parallelmontage genutzt, um den Zuschauern einen Gottesblick zu gewähren. Sie sollen nicht bloß mitleiden mit dem Schicksal oder der Verblendung eines Helden, sie sollen die ganze Tragik verkraften, das Komplementäre von Glück und Kummer, Lust und Leid«, Grob 1999, S. 255. Das Verfahren findet sich am Ende des Remakes noch einmal, als Nesi im Zug den Pater trifft, während die verzweifelte Familie nach ihr sucht.

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ist.397 Der Vater ist noch nicht von der Reise zurückgekehrt, Ines hat offensichtlich gewartet, um Nesi die Neuigkeiten gemeinsam mit dem Ehemann zu beizubringen, nachdem sie das Kind aus dem Internat abgeholt hatte. Nesi droht mit Selbstmord und rennt davon. Während Rudolf der hochschwangeren Ines Vorwürfe macht, spricht ein Pater im Zug mit dem trotzigen Kind, das so zur Einsicht gelangt. Nach ihrer Rückkehr legt Schorch sie übers Knie und übernimmt damit die Vaterrolle einer »ordnenden Hand«. Das Schreien der Neugeborenen unterbricht Schorchs Strafe. Nesi betrachtet ihre neuen Geschwister, einen Jungen und ein Mädchen. »Wir haben jetzt die Ines und die muss gesund werden«, flüstert sie ihnen zu. Das Kind hat die neue Mama akzeptiert – wobei hier zugleich noch einmal klar wird, wie wenig sie grundsätzlich begreift – und geht zärtlich an das Krankenbett. Das letzte Bild zeigt nicht nur die glückliche Familie, sondern Nesi in Großaufnahme, lachend ein Stiefmütterchen hoch haltend. Insgesamt auffällig ist, dass die Eltern an der Lösung der Konflikte um Nesi de facto nicht beteiligt sind. Ines ist überfordert, als Nesi schreit, flieht sie zum Dottore. Der Vater ist abwesend. Stattdessen ist es Schorch, der hier als Autorität auftritt, vor allem aber der Pater in der Eisenbahn, der Nesi zur Vernunft bringt. Dabei ist diese Lösung lediglich der Höhepunkt der christlichen Symbolik und des Verweises auf Gottesfügung im Film. Schon Ines’ Schwangerschaft wird mit dem Bambino-Brauch angedeutet.398 Bei dem Streit mit der Mutter seiner verstorbenen Frau auf dem Friedhof besteht Rudolf auf die Totenruhe. Ines und Rudolf treffen sich während einer Geschäftsreise in Berlin – durch das Panoramafenster präsent im Bild: die Gedächtniskirche. Sie verweist zugleich auf das Thema des Films, Vergangenheit und Gegenwart. Mit Blick auf Serenade bleibt zwar der Grundkonflikt der gleiche, aber es lassen sich doch deutliche Verschiebungen feststellen. 1937 waren die Auseinandersetzungen mit dem Stiefsohn vor allem Werk der Großmutter, die keine Veränderungen zulassen und die Liebe zu ihrer verstorbenen Tochter wahren wollte. Irene litt hier ebenso unter der Einsamkeit, während ihr Mann auf Tournee war, wie unter der ständigen Präsenz der toten Maria. Auch diese Verfilmung endete in umfassender Versöhnung, aber ohne gemeinsame Kinder. Der Mann wird durch seine Abwesenheit sowie den Unwillen, gemeinsam mit 397 Ines hatte ihr gekündigt, nachdem sie von der Geschäftsreise mit Rudolf nach Berlin zurück kam und ihr vom Kindermädchen »offene Feindschaft« entgegenschlug. 398 Bei der Fahrt von Ines und dem Dottore mit dem roten Cabriolet durch die Stadt kommen sie nach dem David von Michelangelo an den Platz der Heiligen Verkündigung (Piazza della SS. Annunziata). Der Dottore erklärt: »Wenn eine Frau in Florenz hofft, dass sie vielleicht ein Kind trägt, dann geht sie heimlich hierher und legt die weißen Blumen vor das Bambino und betet, dass sich ihre Hoffnungen erfüllen mögen.« Ines trägt weiße Blumen zum Bambino, nachdem sie Nesi geohrfeigt hat, in der Parallelmontage zur Diskussion zwischen Rudolf und dem Dottore über das Kind.

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Irene eine neue Familie aufzubauen, an der einsamen Frau schuldig. Die Lösung liegt unter anderem darin, dass Irene und Heinz ihn perspektivisch begleiten werden. Die Ablösung der verstorbenen Frau, den Aufbau eines gemeinsamen Lebens sowie die Zurückweisung der Großmutter kann man vor diesem Hintergrund nicht mehr als Phänomen der 1950er Jahre interpretieren.399 In diesem Jahrzehnt wird das Thema aufgegriffen und verändert. In Ich werde dich auf Händen tragen gibt es ebenfalls einen abwesenden Mann, aber vor allem Vater, der durch bemerkenswerte Passivität und Hilflosigkeit in Erziehungsfragen glänzt. Dadurch spitzt er den Konflikt Nesis zu. Seine einzigen Handlungen in diesem Kontext sind das Gespräch mit Nesi, das zu keiner Einsicht des Mädchens führt, und der »Befehl« an Schorch, das Bild der Verstorbenen abzuhängen, das durch einen Spiegel ersetzt wird. Interessant ist, dass dieser eigentlich grundlegende Vorgang gar nicht inszeniert wird. Schorch erzählt es lediglich, als Ines den Spiegel erblickt. Dabei ist der Film auf der Inszenierungsebene durchaus opulent. Schon am Beginn inszeniert der Regisseur ausführlich die Dünenlandschaft an der See, intensive Musik begleitet die Szenen (Klavierkonzert a-Moll Opus 16 von Edvard Grieg). Nach der Hochzeit zeigt Rudolf seiner Frau vom Flugzeug aus Florenz. Luftaufnahmen der Stadt begleiten seine Erklärungen und schließlich schenkt er ihr ein knallrotes Mercedes-Cabriolet, das durch den Kontrast zur blass-ausgedorrten mediterranen Landschaft und den ebenso gedeckten Farben der Kostüme auffällt. Als sie das Auto besteigt, wird Ines zur modernen Frau, was Schorch auch sofort achtungsvoll kommentiert (»für ne Klavierspielerin ist det allerhand«). Wenn sie den Konflikt mit dem Kind nicht lösen kann und sich zunehmend zurückzieht, verweist das auf die Geschlechterrollen, die verhandelt werden. Diese ideologische Komponente ist dem Film inhärent.400 Denn am Beginn der Begegnung war Ines durchaus intuitiv in der Lage, ein Mutter-Tochter-Gespräch mit der 399 Vgl. Krah 1999, S. 292ff. 400 Hans Krah legt eine hervorragende Analyse in Bezug auf den Film-Vorlage-Vergleich vor, die schließlich Ich werde dich auf Händen tragen im Kontext von »Familie und Geschlechterrollen im Diskurs der 50er Jahre« sowie einer Vergangenheitsbewältigung im Jahrzehnt verortet. Bei den Schlüssen, die er im letzten Teil zieht, würde ich Bedenken anmelden: Erstens bearbeitete bereits der Vorgängerfilm das Thema mit einer anderen Schwerpunktsetzung, die vielmehr um die Schwierigkeiten der Ehe und weniger um das Kind kreiste. Auch an dessen Ende steht die »neue Familie« und damit eine Kernfamilie mit Mutter, Vater und Kind. Krahs Interpretation der Auslöschung des Gartens als »Vorstufe einer Verdrängung« erscheint mir diskutabel, weil sie nicht berücksichtigt, wer den Brand gelegt hat (nämlich das Kind), vgl. Krah 1999, S. 293. Drittens erscheint die These der »ReVirilisierung« im Angesicht des passiven Vaters fraglich, denn ein Erkenntnisprozess Rudolfs ist nicht auszumachen. Krah argumentiert hier vor allem mit der Figur Schorchs, die er als der Frau »prinzipiell überlegen« begreift. In Bezug auf Schorch würde ich hier folgen, der Chauffeur hat einen klareren Blick auf das »Erziehungsproblem«, das zweifelsohne ein normatives »Modell von Disziplinierung« ist, ebd., S. 293.

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»schlafenden« Nesi zu initiieren. Ihr Ehemann ist indes passiv und das happy end ist nicht sein Verdienst, sondern vielmehr dem Zusammenwirken von Liebes- und Leidensfähigkeit (Ines) sowie göttlichem Beistand zu verdanken. Die Bilder des zweiten Remakes, das die Geschichte einer Ehe und einen umtriebigen Ehemanns verhandelt, folgen noch deutlicher der beschriebenen Konfektion: Möblierung, Vorhänge mit großen (farbigen) Mustern, Aufnahmen der nächtlichen Großstädte mit bunter Beleuchtung. Dabei lassen sich ebenso Anknüpfungsprozesse an den Vorgängerfilm beobachten. Das Remake Franziska (1957, Wolfgang Liebeneiner) stellt bereits im Vorspann seinen Bezug zum Vorgängerfilm aus: Beide Filme beginnen mit Bildern des Flusses, der durch die kleine Stadt fließt, in der sich Franziska (1941 Marianne Hoppe, 1957 Ruth Leuwerik) und Michael (1941 Hans Söhnker) bzw. Stefan (1957 Carlos Thompson) kennenlernen. Später wird das Remake den Vorgängerfilm noch einmal zitieren, als Hans Söhnker beim Organisieren eines Autos erscheint.401 Die Verfolgung Franziskas durch Stefan wird am Beginn des Films ebenso wieder aufgenommen. Die Rolle Franziskas wird sowohl durch die Neubesetzung als auch durch Veränderungen in ihrer Inszenierung – final im neuen Ende des Remakes – umgedeutet, wie Gudrun Marci-Boehnke herausarbeitete: die Veränderung bei der Verfolgung ist eines ihrer Argumente.402 Doch zuvor markieren die modische Kurzhaarfrisur der Protagonistin und ihr Kleid sowie ein Musikwechsel ins Jazzige den Wandel, als zwei Jungen in ein Ruderboot auf dem Fluss springen (Stefan fotografiert). Auch Stefans spätere Geschichte als vertriebener Volksdeutscher aus Rumänien verweist auf den Zeitenwechsel.403 Die Story folgt einem ähnlichen Aufbau wie 1941 Auf Wiedersehen, Franziska: Nach dem Kennenlernen beschließt Franziska gegen den Willen ihres Vaters den kleinen Ort zu verlassen und nach Berlin zu gehen, um eine kunstgewerbliche Werkstatt zu betreiben. Zurück bleiben aber nicht nur der Vater, sondern zugleich der Freund, dem sie im Remake aushilft (1941 Rudolf Fernau, 1957 Josef Meinrad, wieder einmal als unglücklicher Verehrer).404 In Berlin trifft sie Stefan wieder. Stefans Reisen werden als Überblendungen organisiert; die Bahn fährt, das Flugzeug fliegt in die entgegengesetzte Richtung. Der Eiffelturm verweist auf

401 Ein ähnliches, aber offensiveres Zitat gibt es im Remake von Die Drei von der Tankstelle (1955), als Willy Fritsch (1955 als Konsul Willy Kossmann) erklärt, er hätte früher auch einmal eine Tankstelle gehabt. 402 Marci-Boehnke 1994, S. 417. 403 Die Geschichte Stefans ist nicht nur der Ausgangspunkt für sein unstetes Leben als Wochenschaureporter, zugleich sind die Liebenden damit explizit als Kinder im Zweiten Weltkrieg ausgewiesen. 404 Den verschmähten Liebhaber gab er innerhalb des Remakekorpus auch in Die unentschuldigte Stunde und als schüchterner Hofrat in Die Deutschmeister – in letzterem wird er erhört.

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Paris, der Funkturm auf Berlin. Das Bild kippt.405 Im Gegenschnitt fotografiert Stefan die schräge Aufnahme. Die Stadt wird hier in ähnlichen Bildern inszeniert, wie sie sich schon in anderen Remakes beobachten ließen. Als sich die beiden in Franziskas Wohnung treffen und die Hochzeit beschließen, leuchtet vor dem Fenster die Reklame eines Teatro. Wie im Vorgängerfilm kehrt Franziska zurück, um in Stefans Haus ein gemeinsames Leben zu beginnen. Stefan aber kommt nicht, er hat ein neues berufliches Angebot bekommen. Franziska ist schwanger, was sie sehr ernst ihrem Vater verkündet. Kontrastierend dazu erhält Stefan die Nachricht, dass er Vater geworden ist, als er – zwei Mädchen im Arm – betrunken bei einer Feier sitzt. Die Szene verweist auf einen Kontrast in der Moral der beiden Hauptfiguren. Ruth Leuwerik spielt eine ernsthafte, zuweilen theatralische, hoch moralische Franziska. Ihr Gegenpol ist der geliebte Mann, der keine Ruhe findet, Frau und Kinder vernachlässigt und lieblos wirkt. Franziskas moralische Überlegenheit wird permanent vorgeführt. Bleibt sie als Mutter gegenüber den beiden Kindern blass, avanciert sie in den Szenen mit ihrem Mann zur Mutter : Als er aufgebracht nach einem Jahr zu Hause über die Arbeit schimpft, nimmt sie ihn in den Arm und antizipiert, dass er einen neuen Vertrag unterschrieben hat. Die Deutung im Wertgefälle zwischen den Hauptfiguren unterstreicht auch das neue Ende. Franziska trennt sich, obwohl sie ihren Mann liebt, sie hat sich eine eigene Existenz aufgebaut. Erst als Stefan es geschafft hat, sich ein eigenes Leben an einem Ort zu schaffen, versöhnt sich das Paar. Er hat im Laufe der Filmhandlung einen Erkenntnisprozess durchlaufen. Es kann nicht behauptet werden, dass diese neue filmische Inszenierung der Franziska eine Emanzipationsgeschichte sei.406 Mag sie ihrem Mann gegenüber moralisierend, mütterlich auftreten, auch wenn sie »hysterisch [wird], weint, 405 Gebaut wurde der Funkturm 1924 bis 1926. Bestens scheint er sich sowohl durch seinen Bezug zur Modernität als auch durch seine technische Funktionalität als Symbol für Berlin anzubieten. Auch in Geliebte Bestie (1959) taucht er als Wahrzeichen Berlins auf. Die Publikation Berlin zwischen Funkturm und Stalinallee aus dem Jahre 1955 setzt ihn im Titel in Kontrast zur Stalinallee im Ost-Teil der Stadt, wobei die Argumentation dann vor allem darin besteht, dass dem repräsentativen Bauprojekt der DDR mit 15.000 neu geschaffenen Wohnungen 60.000 im Westteil der Stadt entgegengehalten werden. Der Funkturm taucht in der Publikation durch seine Sichtbarkeit für Berlin-Reisende (von der Avus oder vom Flugzeug) und als Zeichen einer touristischen Moderne auf, die zudem mit dem umliegenden Messegelände verknüpft ist, vgl. Hansen 1955, o. S. 406 Marci-Boehnke führt ausreichend Argumente für die Abwertung der Frau, vgl. MarciBoehnke 1994. Dadurch, dass ihre Analyse sich auf Einzelszenen der Franziska und weniger auf die Gesamtdramaturgie und die Figurenkonstellation konzentriert, fehlen eben durchaus Details: der reale berufliche Erfolg Franziskas ebenso wie die Assistenz Dr. Leitners bei der Auslieferung der Großbestellung, bei der er die Listen abgleicht, also keinesfalls die Organisation übernommen hat. Stefan kommt und sie erklärt Leitners Anwesenheit: »Herr Dr. Leitner hilft mir.« Dieser kommentiert ungefragt: »Früher hat mir Franziska geholfen.« Die Entschuldigung für eine vermeintlich verfängliche Situation wird zum Kompliment Leitners.

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keift, [sich] ziert«;407 mag sie die Autorität ihres Vaters fraglos anerkennen, sie ist eine beruflich selbstständige Frau. Sie betont im Remake wiederholt den Wert von Arbeit und Sparsamkeit: »Der Arbeit bin ich dankbar.« Stefans berufliche Probleme, seine Kündigungen, werden nicht nur seinem Freiheitsdrang zugeordnet, sondern seiner Unfähigkeit mit den beschränkten finanziellen Mitteln der Wochenschaufirmen zu arbeiten. Er ist derjenige, der nach seinem umtriebigen Leben in Deutschland ankommen muss. Franziska kann ihre Ehe wieder aufnehmen, als sie sieht, dass er eine feste Arbeitsstelle hat und seine noch leere Wohnung betritt. Dass diesem happy end zugleich zugrunde liegt, dass sie die sieben unglücklichen Jahre verzeiht und ihn weiterhin liebt, dass ihre berufliche Selbstständigkeit keine emotionale ist, steht dabei außerfrage. 2.3.6 Wandel des Genrekinos: Zirkus-, Abenteuer- und Kriminalfilm Die Konstellation zwischen einer moralisch integren Frau, die sich beruflich etabliert, und einem offensichtlich liebes- und verantwortungsunfähigen Mann findet sich auch im Zirkusfilm: 1958 dreht Arthur Maria Rabenalt ein Remake des von ihm bereits 1939 inszenierten Films Männer müssen so sein,408 Geliebte Bestie/ Meine Heimat ist täglich woanders (A 1959). Beide Verfilmungen verhandeln die Geschichte der jungen Beatrice (1939 Hertha Feiler, 1959 Margit Nünke),409 die im Laufe des Films zur bedrohten Protagonistin einer Kriminalgeschichte avanciert. Um jeden Preis will sie beim Zirkus arbeiten. Während 1939 die Flucht aus dem väterlichen Haus und die Liebe zum Dompteur Ruda (1939 Hans Söhnker, 1959 Gerhard Riedmann) am Beginn stehen, ist Beatrix 1959 die Waise berühmter Hochseilartisten, die in Kopenhagen abgestürzt sind.410 Sie ist Herrin ihrer eigenen Pläne, die der Dompteur

407 Marci-Boehnke 1994, S. 420. 408 Analysen von Männer müssen so sein (1939), vgl. Joest 2008, S. 142ff., Christen 2001, S. 188ff. 409 Margit Nünke spielte die Artistin auch in Das haut hin (1957). 410 Das ist ein Verweis auf einen anderen Zirkusfilm des Regisseurs, nämlich Die drei Codonas (1943), in dem Lillian Leitzel (Annelies Reinhold) in Kopenhagen tödlich verunglückte, woraufhin sich die tragischen Ereignisse um die Brüder Codona und ihre Partnerin Vera in Gang setzen. Die echte Lilian Leitzel war 1931 in Kopenhagen abgestürzt, vgl. Klaus 2000, S. 33. Diese intertextuellen Verweise arbeitet Birgit Joest – vor allem auch in Hinblick auf Varieté (1925) – als »intertextuelle Ausbeutung« der Zirkusfilme Rabenalts heraus, vgl. Joest 2008, S. 142ff., Zitat S. 142. Das ist eine berechtigte ideologiekritische Interpretation, wie sie auch Matthias Christen im Anschluss an Witte vorschlägt. Gerade aber Christens Verweis auf Geliebte Bestie, dem er attestiert, »klammheimlich die Seiten gewechselt [… zu haben] und […] sich ergeben als demokratischer Amüsierbetrieb [zu empfehlen]«, lässt fragen, ob die jeweils implizierten Wertungen tatsächlich dem Wandel gerecht werden, Christen 2001, S. 198f. Ebenfalls bleibt offen, ob die von Joest konstatierte

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Ruda mit seinen Tigern und ihre Liebe zu ihm eher konkretisieren denn initiieren. Das Personal ist gegenüber dem Vorgängerfilm eingeschränkt, die Intrigen gleichen sich: Als das Mädchen als »La belle Beatrice« Erfolg mit der Tanznummer im Tigerkäfig hat, vergiftet der Kunstschütze Cameron (1939 Hans Olden, 1959 Willy Birgel) die Tiere, rettet mit einem Schuss das Mädchen, als diese angreifen, und bindet sie – wiederum mit einem für sie unvorteilhaften Vertrag – an sich. Ruda wird gerufen, um die Tiger zu bändigen. Er hatte Beatrice – vor Beginn ihrer Karriere – nach einer einzigen Liebesnacht in der Zirkuspension einst ohne ein Wort verlassen. Nun ist er zurück und wird nicht nur die Tiger retten, sondern zugleich auch Beatrices Liebe gewinnen. Riedmann wird im Remake (im Gegensatz zum leichtfertigen, unbekümmerten Söhnker-Ruda) als ernsthafter, prinzipienfester Dompteur eingeführt. Er verteidigt nicht nur die glamourfreie Reinheit der Raubtierdressur gegen ökonomisches Kalkül der Investoren, sondern hilft selbstlos dem versoffenen Clown Dody (Walter Giller). Nur auf das Sehnen der Frau muss er eindringlich hingewiesen werden, bis er begreift, dass sie sich nicht dressieren lässt. Die Diskrepanz, die hier zwischen der Moralität und Prinzipienfestigkeit der Figur im Berufsleben und der Leichtlebigkeit im Privaten entsteht, ist im happy end versöhnt. Das Paar tritt gemeinsam auf, die Ordnung ist wiederhergestellt. Hier lässt sich eine deutliche Differenz markieren: »Männer müssen so sein« meint in der filmischen Neubearbeitung keinen mutigen, leichten Lebemann mehr, sondern vielmehr ein Paradox: den beruflich hoch moralisch argumentierenden und disziplinierten, privat aber ahnungslosen Mann. Der Film führt eine ununterbrochen liebende, dabei selbstbewusste junge Frau vor, derer Ruda in einer Unterwerfungsgeste habhaft wird,411 nachdem er seine eigene Borniertheit ausformuliert hat.412 Er hat den Wert der Liebe erkannt. Mit Blick auf den Vorgängerfilm ist aber nicht nur diese Umdeutung der männlichen Hauptfigur auffällig, sondern zugleich, dass das Remake noch enger dem Mikrokosmos Zirkus verpflichtet ist und damit eine konzeptuelle Linie fortsetzt, die der Regisseur selbst zur Begründung eines »unpolitischen Unterhaltungsfilm im Dritten Reich« 1958 wortreich vertrat.413 Die Zirkusnummern hingegen sind grundlegend anders verankert und inszeniert. Gemeinsam mit den anderen Remakes des Filmkorpus hat der Film eine ausgedehnte Liedszene, in der »Unsere Heimat ist täglich woanders« ge-

»Ausbeutung der Genre-Tradition« wertfreier auch als Referenz gedeutet werden könnte, vgl. Joest 2008, S. 135. 411 Am Tigerkäfig trifft Ruda Beatrice, die, vor ihm und seinen Liebesgeständnissen fliehend, schließlich festgehalten und zum Küssen ins Heu geworfen wird. 412 Nicht nur in den Gesprächen mit Marianne führt Riedmann als Ruda Erkenntnis vor, auch vor dem fast gewaltsamen Kuss Beatrices gibt er zu: »Ich schäme mich.« 413 Zur allgemeine Verortung des Remakes in Rabenalts Konzeption, vgl. Frank 2013.

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sungen wird.414 Vom Vorgängerfilm grenzen ihn nicht nur kleinere Zitate aus anderen Genres,415 sondern vor allem die ausgiebige Inszenierung der Tournee von »La belle Beatrice« ab. Am Anfang der Szene ist eine Europakarte zu sehen, die es – deutlich größer – bereits in einem anderen Rabenalt-Film gab: Fronttheater (1942) beginnt mit einer solchen, die den Vormarsch der Wehrmacht durch Europa und die Theatermasken für die Truppenbetreuung zeigt. Dominant wird sodann aber die Inszenierung der Zirkustournee; durch Überblendungen und Mehrfachbelichtungen organisiert, verweist sie durch Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten auf europäische Städte. Die Tournee führt von Hamburg etwa über Berlin bis nach Rom und Wien. Während die finale Auseinandersetzung mit dem Kunstschützen Cameron und die Angst Beatrix’ sich in beiden Filmen ähneln, fällt in der Schlussszene auf, wie weit die Inszenierungen voneinander abweichen: Eine Theatertotale zeigt Ruda im Tigerhöschen vor den Tieren, die Männchen machen, Beatrix kommt im nächsten Schnitt im Zebrakostüm dazu, die Kamera wählt immer nähere Einstellungen zur Nummer. Im Vorgängerfilm war der Beginn des Abschlusses aus der Vogelperspektive eingefangen: Trommler, Trommlerinnen und Frackträger gaben ornamentartig eine tanzende Zaubernummer. Nach dem Perspektivenwechsel in die Theatertotale traten u. a. Trapezkünstlerinnen auf und eine Rhönradnummer begann. Die Tanzgirls kehrten zurück und mit ihnen: »La belle Beatrice«, die im Tigerkäfig tanzte, während Ruda dressierte. Im Publikum saßen der alte Tanzlehrer und ihre Freundin und applaudierten gerührt. Die abschließende, gemeinsame Nummer blieb hier im Gesamtprogramm des Zirkus verortet und die Wiederherstellung der Ordnung wurde inszeniert.416 Im Remake ist das letzte Bild Dody, der Clown, der seinen Sohn zurückgewinnen und seine Lebenskrise überwinden konnte – möglicherweise ein Verweis auf das kommende Familienleben des fahrenden Paares. Mit … und nichts als die Wahrheit wird 1958 unter der Regie von Franz Peter Wirth ein Kriminalfilm neu inszeniert. Bereits der Vorspann, in dem ein Auto durch Frankfurt am Main mit den alten und neuen Gebäuden fährt, 414 Vor der Liebesnacht zwischen Ruda und Beatrix ist die Zirkusgemeinschaft versammelt, um den Saromirs zu gratulieren. John singt: »Unsre Heimat ist täglich woanders, unsre Heimat ist weit wie die Welt. Denn das fahrende Volk hat kein andres Zuhaus als die Straße, den Wagen, das Zelt. Unsre Heimat ist täglich woanders, immer dort, wo der Wagen grad hält. Und es zieht uns hinaus, immer wieder hinaus auf die endlosen Straßen der Welt.« Während des Liedes wird die Gemeinschaft inszeniert: Alle stimmen in den Refrain ein. 415 Exemplarisch ist etwa auf die Szene, als Ruda – bevor er die Tiger Beatrices zähmen wird – mit seiner Chefin Anita streitet, weil sie sein Telegramm geöffnet hat. Ruda betritt ihren Zirkuswagen, die Kamera nimmt durch Rudas breite Beine Anita auf. Die Auseinandersetzung bekommt Westernästhetik. 416 Eine ausführlichere Beschreibung der Szene und Kameraarbeit und Bilder, vgl. Christen 2001, S. 189f.

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markiert die Aktualisierung. Aus der Kriminalgeschichte Der Fall Deruga (1938, Fritz Peter Buch), in der ebenfalls ein Arzt verdächtigt wird, seine schwerkranke geschiedene Frau ermordet zu haben, wird 20 Jahre später ein Gerichtsfilm, der das Thema Euthanasie im antiken Sinne des Begriffs verhandelt. Dr. Stefan Donath (O. W. Fischer) wird am Beginn des Films als unermüdlich arbeitender Menschenfreund und Chirurg eingeführt: Er kehrt übernächtigt von einer Patientin zurück, behandelt trotz Müdigkeit in seiner Praxis, wobei er einen ängstlichen Patienten mit »keine Angst, Rosmarie« aufmuntert.417 Seine geschiedene Frau (Ingrid Andree) hat ihn am Tage ihres Todes als Alleinerben eingesetzt. Wie im Vorgängerfilm ist es Mingo (Marianne Koch), die – auf Initiative des an ihr interessierten Rechtsanwalts Dr. Bernburger (Herbert Tiede)418 – das Testament infragestellt und damit die strafrechtliche Untersuchung anstößt. Die Exhumierung der Leiche bestätigt den Verdacht: Die Frau ist an Gift gestorben und der Alleinerbe schweigt. Selbst seinem Anwalt (Friedrich Domin) gegenüber streitet er alles ab. Anders als in Der Fall Deruga wird das »Verbrechen« nun vom Gerichtssaal aus durch Rückblenden während der Zeugenaussagen rekonstruiert. Der Verdacht erhärtet sich, dass der Angeklagte tatsächlich am 7. November 1957 von Frankfurt nach München gereist ist. Zugleich stellt sich heraus, dass das Motiv der Geldgier, von dem die Staatsanwaltschaft ausgeht, nicht trägt: Mingo selbst gibt zu Protokoll, dass der Verdächtige die gesamte Ehe über die Gütergemeinschaft mit seiner reichen Frau ablehnte und dass die Ehe daran scheiterte.419 Als sein Anwalt Mingo beschuldigt, bricht Donat endlich sein Schweigen: Seine todkranke Frau hatte ihn um Beihilfe zum Selbstmord gebeten, was er ablehnte. Als sie ihm einen Brief schickte, in dem sie detailliert die Planung niederschrieb, besorgte er – allerdings betont unentschlossen – das Medikament und fuhr zu ihr. Auf dem Bett entwendete sie ihm die tödliche Medizin. In der Szene wird ausgiebig gezeigt, unter welchen unerträglichen Schmerzen sie litt. Stefan Donath schwieg aus Angst, dass seine Unschuld infrage gestellt werden könnte. Der Staatsanwalt glaubt ihm tatsächlich nicht, aber nun wird der vorsitzende Richter (Paul Verhoeven) aktiv. Es wird klar, dass er nicht an Donat zweifelt, seine Kritik ist ethischer Natur. »Wie stehen sie zum christlichen Glauben?«, fragt er den Angeklagten. Hier findet eine wichtige Umdeutung statt: 1938 hatte Frau Deruga das Gift noch von ihrer Freundin Marta gestohlen, Deruga war also tatsächlich 417 Eine Zeile des Schlagers »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern« aus Das Paradies der Junggesellen (1939), ausführlicher wird das Lied in der Vorstellung des Remakes Zwei Herzen im Mai (1958) vorgestellt, vgl. II. 2.3.7 Anknüpfung und Wandel im Musikfilm, S. 250f. 418 In Der Fall Deruga war es ihre Mutter, die sie drängte. Die Rolle der Mutter ist im Remake gestrichen. Auch sind die Protagonisten nicht mehr adelig. 419 1938 war es – wie im Roman – der Tod des gemeinsamen Kindes.

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vollkommen unschuldig. Im Remake dagegen wird Beihilfe zum Selbstmord verhandelt, Stefan Donath freigesprochen, »die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last«. Der Richter begründet: Es liegt auch nicht der Tatbestand des Vergehens der Tötung auf Verlangen vor, sondern es handelt sich um gewollte oder nicht gewollte Beihilfe zum Selbstmord. Da nach unserem Gesetz der Selbstmord nicht strafbar ist, kann auch eine Beihilfe dazu nicht bestraft werden. Der Angeklagte war deshalb von Schuld und Strafe freizusprechen. Wie er jedoch seinem Tun als Mensch und Arzt gegenüber steht, hat er mit seinem heiligen Gewissen abzumachen.

Der Richter macht klar, dass der juristische Tatbestand in der Bundesrepublik keine Tötung auf Verlangen duldet. Das ist nicht nur eine Differenz zum Vorgängerfilm, in dem Deruga überhaupt nicht schuldig wurde, sondern vor allem zum Roman, in dem sich die Geschworenen, Mitkläger und auch der auktoriale Erzähler allzu einig sind, dass Derugas Handlung eine gute Tat war.420 Hier zeigt sich, wie das Thema im Laufe der Jahrzehnte variiert wurde: Der Roman stellt 1917 die Beihilfe zum Selbstmord als Gnadenakt dar, 1938 wird das Thema ausgeklammert, 1958 schließlich wieder verhandelt. Der Richter mahnt eine ethische Dimension an, aus der sich der Staat jedoch heraushalten müsse. Auch der Abenteuerfilm am Ende der 1950er Jahre verändert sich: In die Kinos kommen Die Sklavenkarawane (BRD/ESP 1958, Georg Marischka, Ramjn Torrado), Der Tiger von Eschnapur und Das indische Grabmal (1959, Fritz Lang) sowie Peter Voss, der Millionendieb (1958, Wolfgang Becker). Während Die Sklavenkarawane der Karl-May-Vorlagen und dem Vorgängerfilm in den Grundzügen folgt (wobei wiederum beide Verfilmungen je andere Stationen der Reise Kara Ben Nemsis aus den Romanen akzentuieren),421 420 Selbst die anklagende Baronin, deren Tochter Mingo nicht nur fest an Derugas Unschuld glaubt, sondern diesen liebt (auch wenn im Roman ausschließlich die Aussage Bernburgers, Vertreter der Baronin, und dessen Abgabe des Briefes bei Gericht die Ereignisse jener Todesnacht klärt), betont, als Mingo sie zum Freispruch fragt: »Ich glaube bestimmt«, vgl. Huch 1980, S. 209. Der Ausgang des Prozesses indes ist äußerst knapp gehalten und in der Geschichte der Baronin und ihrer Tochter beiläufig erwähnt: »Denn die Reden waren kurz, und die Geschworenen lehnten nach kaum halbstündiger Beratung die Schuldfrage ab«, ebd., S. 212. 421 Beide Verfilmungen inszenieren die Reise Kara Ben Nemsis (1936 Fred Raupach, 1958 Viktor Staal) mit seinem Diener Hadschi Halef Omar (1936 Heinz Evelt, 1958 Georg Thomalla), die Befreiung Senitzas und den Kampf mit dem gefährlichen Mörder Abu Seif (1936) bzw. Sklavenhändler Abu el Mot (1958). Durch die Wüste rekurriert auf den gleichnamigen Roman Karl Mays (1895), dagegen nennt diesen und auch Die Sklavenkarawane (1893) als Referenzen. Während Durch die Wüste die Geschichte um Senitza und ihre Familie fokussiert, ist in Die Sklavenkarawane diese eingebettet in die Begegnung mit dem englischen Forscher Sir Lindsay (Theo Lingen), die es ebenfalls an späterer Stelle im Roman gibt. Interessant an den Umdeutungen ist die – auch schon mit dem Titel angedeutete – Fokussierung auf den Menschenraub des Bösewichts, der bereits am Beginn

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fallen bei den beiden letztgenannten Filmen grundlegende Neukonstruktionen der Handlung auf. Peter Voss flieht zu noch mehr internationalen Schauplätzen und wird von mehreren Gegenspielern gejagt. 1943 noch rettete der Prokurist Peter Voss (Viktor de Kowa) das Bankhaus Van Geldern vor dem Konkurs, indem er den Diebstahl einer nicht vorhandenen Million vortäuschte und floh. Verfolgt wurde er vom Privatdetektiv Bobby Dodd (Karl Schönböck) und der Tochter des Bankdirektors (Else von Möllendorff), die ihr Vermögen abheben wollte. Der Beginn des Remakes verspricht augenzwinkernd Sensation und einen anderen Haupthelden: In einer schnellen Montage berichten die internationalen Zeitungen, deren Schlagzeilen eine Off-Stimme verkündet: »Peter Voss rettet Prinzessin«, »Peter Voss beim Autorennen verunglückt«. Als er dem brennenden Auto entsteigt, zündet er sich an diesem noch die Zigarette an. Peter Voss (O. W. Fischer) ist nun Reiseschriftsteller und Abenteurer und bereits mit der Bankierstochter Barbara Rottmann (Ingrid Andree) liiert. Zahlungsschwierigkeiten der Bank sind Auslöser des vorgetäuschten Diebstahls: Rottmann hatte seinem Geschäftsfreund van Zanden die Finanzierung eines Juwelenkaufs gewährt, doch auf dem Rückweg wurden die Juwelen nach einem Autounfall gestohlen. Vor Voss sind nun bereits andere Bankräuber am Safe, die er kurzentschlossen niederschlägt. Doch nun verfolgen ihn nicht mehr nur die verliebte Barbara an der Seite des Detektivs (Walter Giller), sondern auch die Verbrecher. Seine Reise umspannt jetzt die Welt: Die Stationen nach der Überfahrt auf dem Luxusdampfer sind Lissabon, Rio de Janeiro, Mexico City, Tokyo und Hongkong. Dabei übernimmt insbesondere der erste Teil Details des Vorgängerfilms: Peter Voss erscheint immer wieder in Verkleidung und gibt sich, um einer Verhaftung zu entrinnen, als Detektiv aus, während die Polizei den echten Detektiv als Voss festnimmt.422 Durch die Erweiterung der Handlung treten zahllose neue Konflikte auf, die der Abenteurer zu bestehen hat. Die Ganoven entführen Bobby und Barbara in Rio, was der gefesselte Bobby für einen anzüglichen Dialog mit dem Mädchen nutzt.423 Peter Voss befreit sie. In Tokyo gelingt es Bobby Peter auszutricksen und in einem Teehaus betrunken zu machen, aber sein Cross-Dressmit dem Überfall auf das Dorf der Einheimischen steht (1936 begraben sie – romangetreu – einen unbekannten Toten in der Wüste). Auch verhandelt das Remake offensiv die Problematik der verschiedenen Religionen. 422 So die Pointe im Vorgängerfilm: Peter Voss reist als Bobby Dodd zurück, während der richtige Bobby Dodd als gefangener Peter Voss im Arrest sitzt. 423 Barbara fragt gefesselt Bobby : »Wissen Sie überhaupt, wo wir hier sind?« Er antwortet: »In einem sehr zweifelhaften Hotel – das mit Ihnen hätt ich nie zu träumen gewagt.« Der Dialog geht weiter, Bobby mutmaßt über die Entdeckung: »Die denken, wir stecken unter einer Decke – übrigens auch ein Gedanke, den ich nie zu träumen gewagt hätte.« Zwischendurch sieht der Zuschauer immer wieder den nackten Rücken der Frau. Ebenso anzüglich ist die Szene, als Peter Voss von Monique in Hongkong auf das Boot eingeladen wird: Sie liegen auf dem Bett, er in Badehose, sie im Bikini bei ihm.

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ing-Geishaauftritt als »kleiner Schmetterling« führt nicht zum gewünschten Ergebnis. In Hongkong schließlich findet Peter heraus, dass der Sekretär den Geschäftspartner von Rottmann hintergehen will: Er hat seinen Chef in die Klinik einliefern lassen und gibt sich als dieser aus. Peter Voss ahnt die Intrige, als er bemerkt, dass dessen angebliche Tochter kein Niederländisch spricht. Sie versucht, Voss zu vergiften und in der Psychiatrie unschädlich zu machen – er kann fliehen. Barbara wird entführt, da sie beim Besuch erkannte, dass der Mann nicht van Zanden war. Peter Voss rettet die Juwelen, wird aber verhaftet, bis auch Bobby endlich die Zusammenhänge begreift und sie gemeinsam Barbara und die Juwelen retten. Der Detektiv fährt mit dem Schiff zurück, Barbara und Peter bleiben, er gesteht ihr, wieder »richtige« Bücher schreiben und mit »Garten, Biedermeierschreibtisch und einer Frau« sesshaft werden zu wollen. Der Dialog rekurriert auf einen ähnlichen am Beginn, als Barbara Peter fragt, warum er diese seltsamen Abenteuer suche, da er doch früher Bücher schrieb, die man »auch in 50 Jahren lesen wird«. Er erklärt, in dieser verrückten Welt könne man nur so Geld verdienen.424 Selbst der ironische Abenteurer ist im Remake – wenn auch äußerst dezent und auch nur verbal – eine Figur mit gebrochener Geschichte, die sehr kurz sogar im Zweiten Weltkrieg verortet wird.425 Am Ende des Films will er im Familienleben ankommen. Da aber fällt wie am Beginn eine Dame vom Boot, Peter Voss springt ins Wasser, Barbara hinterher. 1959 wird die Fortsetzung Peter Voss, Held des Tages in die Kinos kommen. In der deutschen Kritik angegriffen, beim Publikum erfolgreich waren die Remakes desselben Jahres, denen ebenfalls eine Abenteuergeschichte zugrunde liegt, die wie Peter Voss exotische Welten in Szene setzten: Der Tiger von Eschnapur (BRD/F/I 1959, Fritz Lang) und Das indische Grabmal (BRD/F/I 1959, Fritz Lang).426 Fritz Lang inszeniert unter den gleichen Titeln den eher knappen Erfolgsroman Thea von Harbous, Das indische Grabmal,427 der bereits 1921 und 1938 in zwei Teilen verfilmt worden war. Der Vorspann verweist auf die Filme von 1938: »nach der Originalidee von Thea von Harbou und dem Welterfolg von Richard Eichberg«. Außen vor bleiben die Verfilmungen von 1921, an deren Drehbüchern Fritz Lang beteiligt war. Bereits im ersten Teil, Der Tiger von Eschnapur (1959), fällt auf, dass zwar die handelnden Personen (Inge424 Als sich die beiden am Beginn des Films begegnen, macht sie ihm Vorhaltungen wegen seiner »Sensationsartikel«, er betont, »dass die Welt von heute ein Narrenhaus ist«. Sie fragt, ob er sich darum selbst zum Narren machen müsse. »Wenn man Geld verdienen will schon«, konstatiert er und reibt zärtlich ihre Nase. 425 Als er beim falschen van Zanden erscheint, übt dessen »Tochter« das Bogenschießen. Peter trifft die Mitte der Scheibe und erklärt: »Ich war im Krieg bei der Flak.« 426 Sie belegten Platz 5 bzw. 9 der deutschen Top Ten des Verleihjahres 1958/59, vgl. Garncarz 2013, S. 190. Zur deutschen und wohlwollenden französischen Kritik, vgl. Mennel 2007, Figge 2015b. 427 Vgl. von Harbou 2005.

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nieur, schöne Tänzerin, Dienerin Bharani, Maharadscha Chandra) und der Eifersuchtskonflikt bleiben, die Konstellation aber grundlegend verändert wurde.428 Im Remake rettet der Architekt, Harald Berger (Paul Hubschmid) die schöne Seetha (Debra Paget) vor einem Tiger, als sie nach einer zufälligen Begegnung gemeinsam nach Eschnapur reisen. Sie verlieben sich. Der Architekt ist bereits engagiert, der Maharadscha hat die Tänzerin aus den Südprovinzen zu sich kommen lassen, nachdem er sie tanzen sah. Schon bei der Einführung des Maharadschas werden die Machtkämpfe am Hof klar : Während Chandra die Tiger füttert, mahnt Padhu (Jochen Brockmann), der Bruder von Chandras verstorbener Frau, er hätte besser auf sie achtgeben müssen, der Priester klagt über westliche Einflüsse und Chandras Bruder Ramigani (Ren8 Deltgen) laviert zwischen Loyalität und Eigeninteresse, da er in der Thronfolge übergangen worden ist. Die Position des Priesters ist von einer antieuropäischen Haltung geprägt, die andere Figuren im Film aufgreifen: Berger weist Seetha auf ihre europäischen Wurzeln hin, die sie ihrem vermutlich irischen Vater verdankt. Die Priester haben sie nach dem Tod der Eltern großgezogen, sodass sie in der Entsagung gegenüber Berger immer wieder ihre indischen Wurzeln betont. Auch Chandra schwankt zwischen indischer Machtfülle und einem europäischen Ideal romantischer Liebe, wenn er Seetha gegenüber betont, ihr Herz gewinnen zu wollen. Die Tigerjagd findet innerhalb der Filmhandlung später als im Vorgängerfilm statt, dabei wird Seetha von Padhu entführt. Chandra rettet sie, kurz bevor sie vergewaltigt wird. Der Maharadscha plant ein Fest für die Ehrengäste, Seetha und den Ingenieur. Auf dem Fest wird Seethas Dienerin Bharani in einer dramatischen Szene ermordet.429 Der Mord geschah auf Befehl Ramiganis, der hofft, dass die Hochzeit Chandras mit der Tänzerin Volk, Priester und andere Interessengruppen gegen den Maharadscha aufbringen kann. Mit Bharani entledigt er sich der Zeugin der Liebe zwischen Berger und Seetha. Aber es ist zu spät. Als Berger Seetha wieder in den Frauengemächern besucht, wird er von den Wachen verfolgt und von Chandra schließlich in der Tigerarena gefangen. Dem furchtlosen Ingenieur gelingt es, den Tiger zu töten, 428 1938 erscheint die große Liebe Sithas (La Jana), Graf Sartow alias Sascha Demidoff (Gustav Dießl), nach der Tigerjagd im Palast des Maharadschas (Frits van Dongen) und die beiden Liebenden fliehen gemeinsam. Der Maharadscha und Prinz Ramigani verfolgen sie durch die Welt. Die Handlung um den jungen Architekten (Hans Stüwe), der für den Maharadscha bauen soll, findet parallel dazu statt. Er zögert wegen seiner Verlobten Ingrid (Kitty Jantzen), nach Indien zu gehen. 429 Nach einer Aufführung des Fakirs auf dem Fest, bei der ein Junge, der zuvor im Bastkorb von Schwertern durchstoßen wurde, plötzlich von einem Seil herabzuklettern vermag, provoziert Ramigani Berger. Als Beweis der Kunst des Fakirs muss Bharani in den Korb steigen, sie hat Angst, aber der Maharadscha befiehlt es. Der Fakir stößt die Schwerter hindurch und verschwindet, weil der Junge das Seil mitgenommen habe. Seetha schreit, aus dem Korb läuft Blut. Bharani ist tot.

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weshalb Chandra ihm eine Frist gewährt, Eschnapur zu verlassen. Während Berger mit Seetha flieht, stehen seine Schwester Ingrid (Sabine Bethmann) und Walter Rhode (Claus Holm) vor dem Palast, um sich besorgt nach Bergers Verbleib zu erkundigen. Chandra gibt bei Rhode das Grabmal in Auftrag. Der Architekt lehnt wütend ab, »eine Hinrichtungsstätte« zu planen, der Maharadscha befiehlt, das für den zweiten Teil titelgebende Indische Grabmal zu errichten und betont explizit ein »sehr europäisches Gefühl« hierbei: »Eile«. Unterdessen brechen die Liebenden in einem Wüstensturm zusammen. Neben dieser neuen Handlungskonstruktion gegenüber dem Vorgängerfilm fallen zwei zentrale Aspekte des Remakes auf: Erstens erweitert es die Liebesgeschichte um einen Widerstreit zwischen einem wilden, autoritären Indien und einem liberalen Europa, das dabei als fortschrittlich bewertet scheint.430 Zweitens inszeniert das Remake ausführlich den Handlungsort, an dem die Aufnahmen entstanden: Tiere, Gebäude, eine Parade, den Tanz Seethas für die Göttin und stellt auf der Inszenierungsebene zugleich eine ästhetische Faszination aus, die das Tempo des Abenteuerfilms immer wieder zurücknimmt. Diese Schauwerte lassen sich im Rahmen der Beobachtungen am Remakekorpus verorten. Ähnlich wie bei Peter Voss ermöglicht die Farbkamera opulente Bilder. Zugleich aber rekurrieren die Aufnahmen Indiens im Remake auf einen Diskurs im Film: Bei der ersten Besprechung zwischen Chandra und Berger in dessen reich ausgestatteten Gemächern betont der Maharadscha, dass sich die Auffassung von Zeit in Indien und Europa unterscheide. Am Ende beschreibt er im Hass das Gefühl zur Eile. Der zweite Teil, Das indische Grabmal, zieht sodann das Handlungstempo deutlich an. Die Kontinuität zum Vorgängerfilm Eichbergs bleibt allein durch das Figurenensemble und die Palastintrige Ramiganis gewahrt.431 430 Zur Rezeption und Deutung in Deutschland und Frankreich in (post)kolonialer Perspektive »zwischen Abstraktion und Orientalismus«, vgl. Figge 2015b. Barbara Mennel deutet den Dualismus Europa und Indien im Film als gendered: »India is feminized, and Germany is masculinized«, Mennel 2007, S. 37. Für den Dualismus und die von mir behauptete Bewertung gibt es weitere Anhaltspunkte: Als Berger und Asagara die unterirdischen Gänge unter dem Palast erkunden, öffnet Berger aus Versehen eine Tür. Hinter dieser leiden in einer feuchten Höhle die Leprakranken von Eschnapur, bewacht von einem Toten. Asagara erklärt dies als Hygienemaßnahme und verweist zugleich darauf, dass der Maharadscha die Architekten beauftragt habe, Krankenhäuser zu bauen, die es in Indien bis dahin nicht gibt. Im zweiten Teil wird Walter Rhode noch einmal die Unmenschlichkeit des Maharadschas anprangern, der ein Grabmal bauen lässt und zugleich die Siechenden ohne Tageslicht einsperrt. 431 In Das indische Grabmal (1938) fliehen Sascha und Sitha zunächst um die Welt, ehe es Ramigani gelingt, sie in einer Bar zu fangen. Irene reiste mit dem Maharadscha hinterher. Zurück in Indien hat Irenes Verlobter bereits mit dem Bau des Grabmals begonnen. Ramigani plant den Aufstand, die Baustelle wird angegriffen, auch der Architekt von Ramigani wird verhaftet. Auf einem Fest kommt es zum Aufstand. Sitha stirbt, die Truppen des Maharadschas greifen ein. Die Konfliktlinien gehen hier weniger klar durch Deutsche und Inder.

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Seetha und Berger werden in der Wüste gefunden und zur Pflege in ein Dorf gebracht. Ein armer Bauer verrät sie und sie fliehen vor den Häschern des Maharadschas. Die Götter sind nach einem Gebet Seethas – so suggeriert der Verlauf432 – den Liebenden zugeneigt und schützen sie, als sie sich in einer Höhle verstecken. Als aber der hungrige Berger heimlich von den dargebrachten Opfergaben isst, werden sie aufgespürt und zum Palast des Maharadschas zurückgebracht. Unterdessen wächst das Misstrauen Rhodes und Irenes. In blinder Liebe bewahrt Chandra Seetha vor dem sogenannten Gottesurteil, dem Tanz vor einer Kobra,433 der nun in noch knapperem Bikini Sexualität und Tod verknüpft. Die Rettung bringt die Priester gegen ihn auf. Von Seetha erfährt Irene die Wahrheit über den gefangenen Berger und die Erpressung Ramiganis, damit sie Maharani wird.434 Die Verkündung der Hochzeit zelebriert der Film wiederum in ausführlichen Paradeszenen. Während Ramigani und Padhu den Umsturz vorbereiten, kann sich Berger aus dem Verlies befreien. Der von Ramigani erstochene, aber nur verwundete General des Maharadschas schlägt den Aufstand nieder435 und befreit Chandra, der im Hof ausgepeitscht wird. Dieser akzeptiert geläutert die Liebe zwischen Berger und Seetha und begibt sich zum weisen Mann, um zu dienen und »Demut und Entsagung« zu lernen. Bemerkenswert sind im zweiten Teil vor allem einige Details: Paul Hubschmid als Harald Berger lässt sich tatsächlich als Figur von kraftvoller heroischer Männlichkeit beschreiben, gänzlich ohne Ironie und Brüche. Er kämpft mit Tigern, Männern, Soldaten, schlau und heldenhaft. Eine solche Figur ist in den gesichteten Remakes nach 1945 bis dato nicht erschienen. Vor dem historischen Hintergrund irritieren andere Details des Remakes: Wenn Rhode empört die Hinrichtungsstätte anprangert, was die Zusammenfassung am Beginn des zweiten Teils zeigt, wenn Irene und er ausführlich über das Los der eingesperrten Leprakranken diskutieren, die auch in Das indische Grabmal noch einmal in Erscheinung treten, wenn Irene in den Gängen in ihr Verlies abstürzt und von Asagara gerettet wird – dann ist das Unrecht klar auf der Seite des indischen Maharadschas verortet, die deutschen Protagonisten sind empört. Eine ähnliche Konstellation 432 Während Seetha betet, webt eine Spinne vor dem Eingang der Höhle ihr Netz. Als die Verfolger kommen, halten sie das Spinnennetz für den Beweis, dass niemand in der Höhle sein kann. 433 Ein Fußkettchen löst sich am Ende des Tanzes, sie wird unsicher und fällt. Als sich die Kobra auf Seetha stürzen will, erschlägt Chandra sie. 434 Als der aufgebrachte Chandra Seetha eröffnet, dass sie Maharani wird und vor ihrem Fenster jenes Grabmal entsteht, in das sie lebendig eingemauert werden wird, kann sie sich noch trotzig behaupten. Als aber Ramigani droht, dem gefangenen Berger jeden Tag einen Finger und schließlich die Augen zu entfernen, willigt sie ein. 435 In dieser Wendung der Handlung durch den loyalen General Dagh, der jeden Aufstand gegen seinen Herrscher grundsätzlich ablehnt, ist eine sehr konservative Sicht auf militärischen Widerstand impliziert.

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etabliert auch das Remake Die Sklavenkarawane (1958) im gleichen Genre, wenn der Europäer als Retter der vom Sklavenhändler bedrohten Einheimischen auftritt und sein Diener wiederum als Kämpfer konsequent zur Witzfigur degradiert wird.436 Die Deutungen können von Überschreibungen der NS-Vergangenheit – denn es geht hier dezidiert um Isolierung der Kranken und um einen überaus selbstsüchtigen Herrscher über Leben und Tod – bis hin zu einer distanzierten Thematisierung im Unterhaltungsfilm reichen, die mit Blick auf den remigrierten Regisseur plausibel erscheint. Allzu viel Distanz allerdings zu einer eurozentrischen Perspektive lässt sich nicht bemerken. Der Konfliktlinie ist konsequent durch Deutsche und Europäer auf der einen Seite und die Inder auf der anderen gezogen. Eine Ausnahme ist der Ingenieur Asagara.437 Das fortlaufende Eingreifen der göttlichen Macht, die den Menschen (in diesem Fall die Liebenden) schützt und lenkt, und die positive Charakterisierung von (wenn auch nicht christlicher) Religion korrespondiert durchaus mit den religiösen Motiven in anderen Remakes.438 Auch in diesem Fall ist ein Seitenblick auf Die Sklavenkarawane interessant, denn hier wird von Beginn bis Ende nicht nur intensiv die Ungläubigkeit Kara Ben Nemsis im Sinne des Islam diskutiert, was zumindest im Ansatz im Vorgängerfilm auch existiert, sondern zugleich in einen größeren Diskurs der Wertesysteme zwischen Morgen- und Abendland eingebettet, wobei der Europäer als Garant und Verteidiger des Ehrenworts auftritt.439 Der Gegenpart zur Göttlichkeit ist in den Lang-Filmen nicht der Europäer Berger, der durch den Verzehr der Opfergaben die Gefangennahme verursacht, sondern der Maharadscha, der seine Machtfülle missbraucht und erst am Ende zur Einsicht kommt und Buße tut. 2.3.7 Anknüpfung und Wandel im Musikfilm Die Musikfilme sind – egal, ob sie dem Komödiantischen verpflichtet sind wie Viktor und Viktoria (1957, Karl Anton) oder eher dramatische Liebesgeschichten wie Vergiss mein nicht (1958, Arthur Maria Rabenalt) ins Zentrum der Handlung stellen – ab Ende der 1950er Jahre ausgewiesen breit und aktuell in 436 Schon beim erwarteten Überfall auf die Oase durch die Truppen des Sklavenhändlers misslingt dieser ob des Losstürmens des Dieners, der zudem seinen Herren niederschlägt. 437 Asagara, der in Europa studierte, gerät in einen Konflikt zwischen der Loyalität zu seinem Herrscher und der Freundschaft zu den Europäern. Final rettet er Irene aus der Leprahöhle. 438 Der Islam ist im Film eine Religion der Gastfreundschaft, denn im Gebote dieser nimmt die Dorfgemeinschaft die verletzten Liebenden am Beginn auf und pflegt sie. 439 Als der Verbündete des Sklavenräubers im Palast vom Machthaber überführt wird, gesteht er auf das Wort und anschließend diskutieren sie den christlichen Dualismus zwischen Altem und Neuen Testament (»andere Wange hinhalten« versus »Auge um Auge«). Nach dem Tode Abu el Mots verspricht der Herrschende sein Wort gegenüber den Gefangenen zu halten.

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ihrem musikalischen Spektrum. Der Revuefilm Kauf Dir einen bunten Luftballon (BRD/A 1961, G8za von Cziffra) zitiert zwar mit dem Titel den Schlager des Vorgängerfilms,440 erscheint aber insgesamt den Spezifika der Komödien ab Ende der 1950er Jahre verpflichtet. Eine Ausnahme im Genre fällt allerdings sowohl hinsichtlich der Filmmusik als auch der Handlungszeit auf: Zwei Herzen im Mai (1958, G8za von Bolv#ry), das Remake von Leichte Muse (1941, Rabenalt), in dem noch einmal die jüngere deutsche Geschichte in einem Remake verhandelt wird. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Familiengeschichte und Karriere des Komponisten Peter Paul Müller (1941 Willy Fritzsch, 1957 Dieter Borsche). Er entfremdet sich mit wachsendem Erfolg von seiner Familie. Erschien der Vorgängerfilm durch die Verwendung zahlreicher Walter-Kollo-Lieder als Fiktionalisierung der Biografie des Berliner Operettenkomponisten (1878–1940), verarbeitet der Filmkomponist des Remakes, Michael Jary, nun seine eigenen Tonfilmschlager. In der ersten Szene des Films intonieren der Komponist und sein Freund und Textdichter (Walter Giller) als Pausenprogramm bei der Begleitung eines Stummfilms »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern«, der 1939 in Das Paradies der Junggesellen uraufgeführt wurde. Im Duett singen der Komponist und seine Ehefrau (Kristina Söderbaum) »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen« und Müllers erste Operette heißt »Mein Leben für die Liebe«, beides LeanderHits aus dem Film Die grosse Liebe (1942, Rolf Hansen). An diesen Beispielen manifestiert sich mehr als das nostalgische Zitieren von Tonfilmschlagern Jarys, sondern hier findet zugleich eine Neuinszenierung zeitgenössisch verbotener, bis 1945 überaus populärer Schlager statt. Zwei Herzen im Mai ist so nicht nur ein musikalischer Ausflug ins Kino der NS-Zeit,441 sondern reprivatisiert vormals politisierte Schlager. »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern« wurde bei der Erstprüfung der Reprise von Das Paradies der Junggesellen von der FSK als Grund angeführt, weshalb eine Freigabe »unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht tragbar« sei.442 Die Inszenierung und Dramaturgie verstärken die musikalische Privatisierung auf der Handlungsebene. Erfolg war dem Remake kaum beschieden, was möglicherweise nicht nur mit der Schwarzweißinszenierung sondern auch mit seinem filmmusikalischen Konzept zusammenhängt.443 Zwar werden die alten Schlager 440 »Kauf dir einen bunten Luftballon« ist einer der wichtigen Schlager des Vorgängerfilms Der weisse Traum (1943, von Cziffra), der bis Mai 1944 über sechs Millionen RM einspielte, vgl. Klaus 2001, S. 236. 441 Mit dem titelgebender Schlager »Zwei Herzen im Mai« wird auch ein aktuelles Lied verwendet, das aus dem Film Wie werde ich Filmstar? (1955, Lingen) stammt. 442 Der Arbeitsausschuss betont 1949, dass das Lied »unter der Diktatur während des Krieges eine propagandistische Bedeutung« hatte, vgl. FSK-Akte, Prüfnummer : 367a. 443 Ausführlich zur Handlung, den verwendeten Schlagern und zur Kritik, vgl. Frank 2017.

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durchaus modernisiert, aber etwa im Vergleich mit den vorgestellten Remakes, in denen Peter Alexander die Hauptrolle spielt, wirken Handlung und Filmmusik eher altmodisch. Mit Blick auf andere Musikfilme am Ende der 1950er Jahre wird die Differenz noch offensichtlicher. Vergangene Musik- und Tanzattraktionen in optischer Aktualisierung werden im Remake Viktor und Viktoria (1957, Karl Anton) vorgeführt.444 Vor einer Agentur gabelt im Remake der arme, erkältete Sänger Viktor (1933 Hermann Thimig, 1957 Georg Thomalla) die junge Sängerin Fräulein Lohr (1933 Renate Müller als Susanne, 1957 Johanna von Koczian als Erika Lohr) auf und kann sie überreden, seinen Part als »Damenimitator« zu übernehmen. Das Programm wird ein Erfolg. Die beiden werden damit nach Paris engagiert, was – wieder einmal – durch nächtliche Leuchtreklamen visualisiert wird. Im Tour Eiffel interessiert sich der reiche Jean Perrot (Johannes Heesters) zunächst für den jungen Sänger und bald für das Mädchen. Eine Verwechslungsgeschichte folgt, bis zum Schluss zwei Paare auf der Bühne stehen: Erika und Jean werden heiraten, Viktor hat in einer unbekannten französischen Sängerin (Annie Cordy) eine Partnerin und Frau gefunden: »Verliebt, verlobt verheiratet«, singen sie alle mit Backgroundchor und -tänzerinnen am Ende. Anders als in Stern von Rio (1955) wird hier keine generationelle Ablösung in der Paarbildung inszeniert; der über 50-jährige Darsteller gewinnt am Ende des Films das Herz der jungen Frau. Dazwischen liegen unzählige Auftritte, die vom inszenierten Straßenerfolg des Paares Viktor und Viktoria (»Allez hopp!«) über ein Liebesduett am Telefon (»Je vous adore«) bis zu diversen Bühnenauftritten reichen: eine Artistiknummer findet sich ebenso wie eine altmodische Parisrevue mit Ragtime und Can-Can sowie eine Rock’n’Roll-Nummer am Ende. So wird im Remake ein breites Spektrum an Tanzattraktionen inszeniert, von dem man vermuten kann, dass es auf ein generationenübergreifendes Publikum zielt. Nach dem Vorspann von Kauf dir einen bunten Luftballon (BRD/ A 1961, G8za von Cziffra) erwartet man auf allen Ebenen Kontinuität zum Vorgängerfilm Der weisse Traum (1943, von Cziffra): »Musik: Michael Jary unter Benutzung des Liedes ›Kauf dir einen bunten Luftballon‹ von Anton Profes«. Doch diese beschränkt sich auf die Handlungsführung, Dialoge und Gags: Ein Eishockeyspieler (1943 Wolf Albach-Retty, 1961 Toni Sailer) beobachtet die Proben einer Eiskunstläuferin (1943 Olly Holzmann, 1961 Ina Bauer) und verliebt sich. Während ihr Onkel (1943 Theodor Danegger, 1961 Oskar Sima) eine Eislaufkarriere für sie plant, möchte sie zur Bühne. Der Verehrer hilft ihr, denn er 444 Der gleichnamige Vorgängerfilm wurde 1933 Reinhold Schünzel, gedreht. Schaudig erarbeitet in seinem Filmvergleich das Remake als »imitative Adaption«, wohingegen er das britisch-amerikanische Remake von 1982 als »innovative Adaption« abgrenzt, vgl. Schaudig 1996, S. 291ff.

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ist Ausstattungschef (1943) bzw. Chefarchitekt (1961) an einem Privattheater. Dieses ringt um Finanzierung und so lässt sich der Direktor (1943 Hans Olden, 1961 Heinz Erhardt) mit dem Finanzier (1943 Oskar Sima, 1961 Gunther Philipp) darauf ein, dessen unbegabte Freundin (1943 Lotte Lang, 1961 Ruth Stephan) für die nächste Revue zu besetzen, die floppen soll, damit diese bemerkt, dass sie nicht genug Talent hat. Im Zuge der Verwechslungsgeschichte hält der Direktor die auch stimmlich hochbegabte Eiskunstläuferin für die Freundin des Finanziers und nimmt sie sofort unter Vertrag. Am Premierenabend singen daraufhin beide Frauen und die Zuschauer sind begeistert. Wütend lässt der Mäzen alle Verträge platzen und die Vorstellung abbrechen. Die pfiffigen Theaterleute aber nutzen die Eislaufhalle und wechseln zur Eislaufrevue, die nicht nur ein Publikumserfolg wird, sondern zugleich das Liebesglück des jungen Paares besiegelt. Trotz der Ähnlichkeiten der Drehbücher, die beide der Regisseur G8za von Cziffra schrieb, lassen sich Veränderungen beobachten: Das Remake beginnt in den Bergen im Schnee. Der Protagonist, den der Skifahrer Sailer spielt, und die Angestellten des Hotels veranstalten eine Fuchsjagd, was nicht nur die Inszenierung von rasanten Abfahrten Sailers ermöglicht, sondern zugleich komische Szenen mit den Hotelbediensteten zeitigt. Der Bäcker etwa verliert beim Sturz alle Brötchen. Die Angestellten lassen sich den verschiedensten Berufen zuordnen; einer von ihnen trägt eine Jacke mit großen Mustern, die sich in den anderen Remakes des Jahrzehnts eher auf den Vorhängen fanden. Anschließend setzt die beschriebene Liebesgeschichte ein, deren einziger grundlegender Unterschied darin besteht, dass der Protagonist noch um die Hand seiner Angebeteten anhält, was man als Betonung der Ernsthaftigkeit seiner Absichten deuten kann. Bleiben die Dialoge auch weitgehend identisch, markiert die Besetzungsebene eine stärkere Verankerung in der zeitgenössischen Komödie, denn die Nebenrollen sind Starkino: Paul Hörbiger (Gesangslehrer), Heinz Erhardt (Theaterdirektor), Gunther Philipp (Inhaber des Hauses Palace-Theater), Ruth Stephan (Lu Panther, seine Braut), Oskar Sima (Onkel der Eiskunstläuferin) und Ralf Wolter (sein Faktotum in der Eislaufhalle) spielen. Diese Besetzung fügt der Komik des Revuefilms neue Facetten hinzu. Ruth Stephan etwa ist neben Ina Bauer, als beide Frauen gleichzeitig als Ballonmädchen auftreten, allein aufgrund der Altersdifferenz und des Typs ein größerer Kontrast. Gunther Philipp ist auch weniger jovialer Rennstallbesitzer, sondern vor allem hektischer Geschäftsmann und Heinz Erhardt wird am Ende der Revue in voller Länge und kontrastiv im schwarzen Anzug, vorhersehbar durch seine Ankündigung (»Warum nicht, was kann mir jetzt noch passieren?«) in ganzer Länge und Fülle auf dem Eis liegen. Das Revueprogramm zeigt – nicht nur ob der farbigen, opulenten Ausstattung – ebenfalls einige Veränderungen, denn es avanciert zur Nummernrevue. Im Vorgängerfilm wird der Traum der kleinen Luftballonverkäuferin inszeniert: Sie ist Eisprinzessin, Angebetete eines spa-

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nischen Geigers und steppt in einer nachgestellten Barnummer im Anzug auf Schlittschuhen, um sich dann nach einer drehenden Zeitrafferaufnahme einsam zurückzuwünschen und wieder auf dem Rummelplatz zu landen. Auch das Remake inszeniert Internationalität, aber zunächst vor dem Hintergrund geometrisch verfremdeter Kulissen; etwa China, Karneval in Rio, Mexiko, Western bis zum Kasatschok (Schlager »Komm und mach mich glücklich«). Die Eisrevue ist nun länger und es werden mehr Solonummern gegeben. Final verfolgt der Eishockeyspieler auf Skiern Inge, die von ihrem Onkel mitgenommen wurde, und holt den Zug ein, in dem die beiden sitzen. Damit endet das Remake mit einer Verfolgungsjagd und schlägt den Bogen zur »Fuchsjagd« am Beginn. Toni Sailer, Olympiasieger im Skilaufen (1956), kann noch einmal als Sportler inszeniert werden, womit das Remake an außerfilmische Attraktionen anknüpft.445 Einen außerfilmischen Bezug nimmt auch Vergiss mein nicht (1958/ 1935, Augusto Genina) auf, wenn der Schlager »Nel blu, dipinto del blu« durch den Hauptdarsteller gesungen wird.446 Das Lied war im Februar 1958 Siegertitel des San-Remo-Festivals, belegte den dritten Platz beim Grand Prix Eurovision de la Chanson (1958) und wurde in den USA mit drei Grammy Awards bedacht.447 Das Remake ist eine deutsch-italienische Coproduktion unter Regie von Arthur Maria Rabenalt bzw. Giulio del Tore, die unter dem gleichen Titel (der ebenfalls auf ein Lied rekurriert) am 23. Oktober 1958 in Bremen uraufgeführt wird. Im Zentrum beider Filme steht eine junge Sekretärin (1935 Magda Schneider, 1958 Sabine Bethmann), die von ihrem Geliebten (1935 Siegfried Schürenberg, 1958 Erich Winn) am Beginn des Films enttäuscht wird. Sie findet ihre Liebe bei einem berühmten Tenor (1935 Benjamino Gigli als Enzo Curti, 1958 Ferruccio Tagliavini als Aldo Morani) und dessen Sohn (1935 Peter Bosse, 1958 Massimo Guiliani). Als der frühere Geliebte wieder auftaucht, scheint sie mit ihm abreisen zu wollen, entscheidet sich aber final für ihre Familie. Anders als im Vorgängerfilm, in dem die erste Liebesgeschichte relativ kurz während der Überfahrt auf See stattfindet und mit der Ankunft in New York endet, nimmt diese im Remake deutlich mehr Zeit in Anspruch und ist in Rom angesiedelt,448 das ausführlich inszeniert und dabei auch filmgeschichtlich verankert wird.449 Ferner liefert der Film eine Klischeevorstellung von italienischer (kinderreicher) 445 Toni Sailer hatte bereits 1958 in Der schwarze Blitz einen Skifahrer gespielt. Es folgten andere Rollen. Zum Film und Starstatus Sailers, vgl. Schulz 2012, S. 173ff. 446 Bekannt heute als »Volare«, Text: Domenico Modugno, F. Migliacci, Musik: D. Modugno. 447 Vgl. »Blau in Blau«, in: Der Spiegel, Nr. 8, 19. 2. 1958, 12. Jg., S. 54–55, Feddersen 2002, S. 30. 448 Dabei wird die Morani-Figur durch seinen kleinen Sohn bereits am Beginn eingeführt: Dino sitzt im Flugzeug neben Elisabeth und zeigt ihr Rom von oben. 449 Rudolf fährt mit Elisabeth durch die Stadt, zeigt ihr etwa die Via Appia Antica und verweist nebenher auf Quo Vadis (USA 1951, LeRoy), den er als »historischen Riesenschinken« bezeichnet. 1954 lief dieser in den westdeutschen Kinos.

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Familie, als die Verliebten in der Gastwirtschaft einkehren.450 Hier erklingt das titelgebende Lied als Liebeslied von Rudolf und Elisabeth.451 War die erste Liebe der Sekretärin 1939 noch der Schiffsoffizier Helmuth von Ahrens, ist es nun der Geschäftsmann Rudolf Ahrend, der der Protagonistin seine Weltkriegsgeschichte erzählt und sich verliebt.452 Das Paar macht gemeinsame Pläne, bezieht eine Wohnung. Durch eine Intrige der ehemaligen Geliebten Rudolfs wird sie vertrieben.453 Elisabeth lernt, nachdem sie sein Konzert besucht hat, den berühmten Tenor und seinen kleinen Sohn Dino kennen und lieben. Während er sich seiner Gefühle schnell klar wird, zögert sie nach der Enttäuschung. Die Picknickszene zeigt schließlich das neu gefundene Glück, der Tenor singt »Nel blu«. Dabei nimmt das Remake mit »Vergiss mein nicht« und dem »Wiegenlied« durchaus Lieder des Vorgängerfilms auf,454 in Inszenierung und in Dialogen auch andere Medien. Am Strand antwortet Elisabeth Rudolf noch auf die Frage, wovon sie träume: »Träumen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck – dazu kommen wir heutzutage gar nicht mehr. Wir kriegen doch alles fix und fertig serviert: im Kintopp, Fernsehen, Rundfunk und von der Illustrierten.« Sodann aber inszeniert der Film nicht nur die Tournee Moranis,455 die bis in die Metropolitan Opera unter dem Dirigat von Fritz Stiedry führt,456 sondern auch in Italien ausgiebig Fernsehaufnahmen des Tenors nebst Bildern des RAI-Gebäu450 Zu den Stereotypen und Italien im Film der 1950er Jahre, vgl. Wahl 2013. 451 Die beiden sind bei Mama Rosa, die Rudolf aufnahm, als er nach Italien kam. Als »Vergiss mein nicht« einsetzt, übersetzt er ihr das Lied. Im Vorgängerfilm übersetzte sie ihm den Text. 452 Rudolf erzählt ihr seine Geschichte: Es habe ihn »drüben erwischt in Ostpreußen«, »hier [habe er sich] abgesetzt mit dem Sohn vom alten Behrer im selben Regiment«. 453 Die eifersüchtige Diana rauscht mit einem Koffer in die Wohnung von Rudolf und Elisabeth und kann ihr weismachen, sie sei nur eine weitere Affäre. Am Ende, als Rudolf noch einmal versucht, Elisabeth zurückzugewinnen, wird wiederum Diana intrigieren, indem sie in einem anonymen Brief den Tenor informiert: »Maestro! Vielleicht interessiert es Sie zu wissen, dass ihre Frau sich täglich mit ihrem früheren Freund Rudolf Ahrend trifft. Eine Wohlwollende.« 454 »Vergiss mein nicht« nach der Musik von Ernesto de Curtis, 1958 wird Ernst Marischka als Verfasser des Textes genannt, der auch das Drehbuch für den Vorgängerfilm schrieb. »Wiegenlied« von Franz Schubert, 1935 »Schlafe, schlafe« in der Bearbeitung von Alois Melichar und Ernesto Murolo, 1958 Ernst Marischka nach Franz Schubert, vgl. Angaben im Vorspann der Verfilmung von 1958 und Klaus S. 190f. 1935 sang Gigli alle Lieder auf Italienisch. Der Tenor gab sein Filmdebüt und auch die Sprachschwierigkeiten sind im Vorgängerfilm bedeutend. Im Remake sind sie weniger zentral. 455 Nachdem die beiden geheiratet haben, gehen sie auch 1935 auf Tournee: u. a. nach London, Wien, Breslau, Südamerika (Rio de Janeiro und Buenos Aires), Berlin und in die Mailänder Scala. Auch diese Inszenierung wird durch Überblendungen organisiert und auch hier finden sich Hinweise auf andere Medien (Radio, Telefunken, Zeitungen), die aber nicht so eindrücklich sind wie die Fernsehaufnahmen im Remake. 456 Gegeben wird »L’esir d’amore«. Stiedry war ein Schüler Gustav Mahlers in Wien, der 1933 zunächst nach Leningrad, 1937 schließlich in die USA emigrierte.

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des (Radiotelevisione italiana S.p.A.), des staatlichen italienischen Fernsehens, das 1954 seinen Sendebetrieb aufnahm. So wird in Vergiss mein nicht offensiv ein Medienverbund bemüht. Erfolg hatte der Film jedoch nicht. Analog dazu klagt die Kritik: »Oh, seliges Remaken, wann wirst du aufhören, himmlisch hoffen zu lassen und höllisch zu enttäuschen?!«457 Bei allen Differenzen zwischen den Remakes ab Ende der 1950er Jahre: Sie lassen sich vor allem durch ihre Bilder im Jahrzehnt verorten. Dabei – und das zeigte die Vorstellung des Filmkorpus – bilden sich im Laufe der 1950er Jahre Konventionen heraus: Leuchtreklamen, Erweiterung des musikalischen Spektrums, Inszenierung aktueller Musik ebenso wie die Stars und komischen Darsteller in Haupt- und Nebenrollen verweisen unübersehbar auf das Jahrzehnt. Die Remakes von Remakes am Beginn der 1960er Jahre weisen dies noch einmal aus. Im weissen Rössl (BRD/A 1960, Werner Jacobs) spielt nun wieder in der Gegenwart und Peter Alexander tanzt und singt.458 Ebenfalls ein PeterAlexander-Film ist auch Saison in Salzburg (A 1961, Franz Josef Gottlieb). 1963 kommt die dritte Verfilmung von Ferien vom Ich unter der Regie von Hans Grimm in die Kinos, in der die beschriebenen Wandlungsprozesse und einige Motive gewissermaßen kulminieren. Es findet sich hier von Beginn an eine offensive Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart: Im Flugzeug der Pan American leidet am Beginn eine ältere Dame am Wohlstand, auf einem Zeltplatz schießen Jugendliche ihren Fußball auf die mit Fleisch überladene Platte eines Herrn, ein Generalmusikdirektor wird von Reportern umzingelt, in einer Autoschlange an der Grenze verliert ein Mann die Nerven und auf einem Schiff lässt sich Stevenson (Walther Reyer) wieder einmal von einem Doktor (Hans Holt) vom Erholungsheim überzeugen. Sie alle werden zur Ruhe kommen. Paul Hörbiger betreut als Faktotum die Gäste führt sie singend ein (etwa den Monarchisten mit den Liedzeilen »Einst hat er gemeint, er könnt Schlachten verlier’n/ bei uns spielt er Cricket, da kann nix passier’n.«). Es ist nun auch nicht mehr die Landarbeit, die heilend wirkt, sondern »Sport ohne Ehrgeiz«, wie der Arzt proklamiert. Vor allem aber kehrt Stevenson nun nicht mehr bei einer Unbekannten ein, sondern zu seiner alten Liebe zurück, sodass er am Ende eine Frau hat und vom gemeinsamen Sohn erfährt. Die Familie ist nicht nur glücklich, sondern vollständig. Die Wandlungs- und Anknüpfungsprozesse der hier ermittelten Remakes von Remakes am Beginn der 1960er Jahre in allen Differenzierungen bleiben vorläufig einer gründlicheren Analyse vorbehalten. 457 Helmut Stolp: »Vergiß mein nicht«, in: Die Filmwoche vom 22. 11. 1958. Wobei andere Rezensenten sowohl die Kamera als auch Feruccio Tagliavini loben, vgl. »Vergiß mein nicht«, in: Wiesbadener Tageblatt vom 25. 10. 1958 oder »Vergiß mein nicht«, in: Kölnische Rundschau vom 1. 11. 1958. 458 Analysen beider Verfilmungen der Operette (vor allem in Bezug auf den Gesang), vgl. Lück / Schumm 2015.

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Überblick: Remakes 1949 bis 1963

2.4.1 Genres im Wandel und die Inszenierung der Zeit Am Beginn der 1950er Jahre bestimmen Heimatfilme, Operetten und Komödien das Remakekorpus. Sowohl im Heimatfilm als auch in den Komödien sind verschiedene Modi der Verhandlung und Inszenierung von Zeit auszumachen: Es finden sich ausgesprochen diskrete Filme, die vor allem in Innenräumen spielen (in Komödien) bzw. Landschaften in Szene setzen (in Heimatfilmen). Einige wenige Remakes – vor allem Operetten, aber auch sehr diskret im Mittelalter Der Klosterjäger – spielen in der Vergangenheit. Doch verweisen zahlreiche Filme am Beginn des Jahrzehnts auch auf die Gegenwart und zwar in allen Genres. In den hier untersuchten Heimatfilmen zeigt sich in der Präsenz etwa von Wagen und vor allem im musikalischen Spektrum eine offensive Aktualisierung, wie etwa die Eingangsszene von Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953) belegt. Doch auch ein Teil der Komödien war in Ausstattung (Nierentisch) und Kostümierung der Figuren eindeutig in den 1950er Jahren zu verorten. Darüber hinaus fielen in diesen vor allem Ehekonflikte auf. Als Grundlage von Eifersuchts- und Verwechslungsgeschichten sind diese keinesfalls ein Spezifikum der Zeit. Das ist dadurch belegt, dass sich ähnliche Konstellationen schon in den Vorgängerfilmen finden. Auffällig ist aber, dass sie es sind, die zunächst zur Wiederverfilmung aufgegriffen werden. Ab der Mitte des Jahrzehnts wird mit zunehmender Produktion das Genrespektrum der Remakes breiter. Zwar bleiben Heimatfilme und Komödien dominierend, aber Musik- und Zirkusfilme, Abenteuer- und Literaturverfilmungen kommen hinzu und besonders die europäischen Monarchien werden als Kulissen für Liebesgeschichten aufgenommen, was sicher auch mit dem Aktualisierungspotential der Farbfilminszenierungen zusammenhängt. Sowohl im Heimatfilm als auch in den Komödien bleibt das Nebeneinander von zeitloser Diskretion (etwa 1955 Das Schweigen im Walde, 1954 Der Raub der Sabinerinnen) und offensiver Gegenwartsinszenierung (etwa 1955 Der Pfarrer von Kirchfeld, 1955 Ja, ja, die Liebe in Tirol, 1956 Charley’s Tante) zunächst bestehen. Es finden sich nun auch Remakes, die die jüngere deutsche Geschichte, Krieg und Nachkriegszeit (1954 Wenn du noch eine Mutter hast, 1955 Urlaub auf Ehrenwort, 1956 Das Sonntagskind) sowie Konflikte Jugendlicher (1955 Reifende Jugend) verhandeln und inszenieren. Bis 1956 finden sich im Filmkorpus in allen Genres immer noch Remakes, deren zeitliche Verortung vage bleibt. Am Beginn des Jahrzehnts waren sie präsenter. Ab 1957 lassen sie sich kaum mehr aufspüren; bei den Verfilmungen historischer Vorlagen sind diese in Konflikten, Kulisse und Ausstattung klarer in der Vergangenheit zu verorten (1958 Das Mädchen vom Moorhof). Die

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Ausnahme sind einige Ganghofer-Verfilmungen: Die offensive Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart ist erst in Waldrausch (1962) unübersehbar. In Der Jäger von Fall (1957) finden sich allenfalls kleinere Hinweise. Die nächste Ganghofer-Verfilmung Der Edelweisskönig (1957) bleibt einem Idealtyp der Zeitlosigkeit in der Ausstattung und Inszenierung ebenfalls verhaftet, wobei diese Beobachtung mit Abstufungen ebenso für andere Remakes des Regisseurs Gustav Ucicky gilt. Was sich bei Der Edelweisskönig gegenüber dem Vorgängerfilm beobachten lässt, ist eine Verschiebung der Konflikte: Im Mittelpunkt steht der zweifelnde Patriarch, herrisch und trotzig und dabei überaus selbstkritisch sowie körperlich unter den Ereignissen leidend. Diese Problematisierung des Patriarchats findet sich auch in anderen Heimatfilmen ab der Mitte der 1950er Jahre – etwa im Film Via Mala (1961), der zudem eine überaus positive Mütterlichkeit vorführt. Mit der Beobachtung eines Wandels der Inszenierung von Zeit korrespondiert auch der Befund, dass lediglich bis zur Mitte des Jahrzehnts Remakes zu finden sind, die idealtypisch enge Nachahmungsleistungen der Vorgängerfilme darstellen. Danach nehmen Remakes zu, bei denen neue Handlungskonstruktionen entworfen werden, deren Bezug zum Vorgängerfilm vor allem qua Vorlage, Titel oder Vorspann gesichert wird.459 Die Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart greift die bereits beschriebenen Charakteristika auf, wobei sie in verschiedenen Genres unterschiedlich stark vertreten sind. Im Heimatfilm markieren vor allem der Wandel der Musik, die Inszenierung moderner Schlager sowie die Präsenz von Autos sowie von Städten die Gegenwartsverortung. Im Laufe der 1950er Jahre führte das zur Hybridisierung des Genres etwa zum Reise- oder Musikfilm (1955 Ja, ja, die Liebe in Tirol, 1959 Bei der blonden Kathrein, 1961 Der Hochtourist). In zahlreichen Heimatfilmen und -komödien lässt sich am Beginn des Jahrzehnts besichtigen, dass sie in der Stadt begannen, die Reise dann auf das Land führte. Das ist ein Prinzip des Handlungsaufbaus, das bereits in Schwarzwaldmädel (1950) zu finden ist. Wenn im Laufe des Jahrzehnts Bilder der Gegenwartsverortung innerhalb der Filmhandlung dominanter werden, fallen einige Remakes gewissermaßen auseinander, wie etwa Was die Schwalbe sang (1956) zeigte. Neben 459 Sie ließen sich zuvor durchaus bei Operetten- und Literaturverfilmungen auffinden, wie Maske in Blau (1953) und Heideschulmeister Uwe Karsten (1954) belegen. Aber mit Waldwinter (1956), der als »Remake« durchaus zu Recht umstritten ist, Der Edelweisskönig (1957), den grundlegenden Umarbeitungen und Handlungserweiterungen in Vergiss mein nicht (1958), in Ich werde dich auf Händen tragen (1958), in Peter Voss (1958) sowie Der Tiger von Eschnapur (1959), Das indische Grabmal (1959) und Robert und Bertram (1961) finden sehr deutlich mehr Remakes ab Mitte der 1950er Jahre, deren Abweichungen auf den verschiedenen Ebenen essentiell sind.

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den Landschaftsaufnahmen und der Landwirtschaft wird die Stadt deutlich offensiver vorgeführt, zahlreiche Musikaufnahmen des Komponisten inklusive Schlager inszeniert und ihm zudem eine komische Figur als Freund zur Seite gestellt. Auch die Handlung auf dem Land ist um die komische Figur des Försters ergänzt. Eine klare Genrezuordnung ist nur noch schwer möglich. In den Gegenwartskomödien finden sich drei wiederkehrende Charakteristika der Handlungszeit: moderne Musik, vor allem in Bars oft mit Rock’n’RollNummern und Tanzenden, Leuchtreklamen in nächtlichen Städten, Marken und bunte Ausstattungsgegenstände, die nicht nur in ihrer Farbigkeit, sondern durch die verwendeten Formen ins Auge fallen. Dabei ist eine gewisse Konfektionierung in den hier untersuchten Filmen zu beobachten, die sich offensichtlich im Laufe des Jahrzehnts etabliert. Mit dieser korrespondieren auch die immer gleichen Komödiendarsteller in Nebenrollen (etwa Ruth Stephan, Ralph Wolter, Gunther Philipp), die immer gleichen Bars – Tarantella in Das haut hin (1957) und Schlag auf Schlag (1959) – ebenso wie einige Gags, wenn etwa in Sieben Jahre Pech (1957) als auch in dessen Vorgängerfilm der Protagonist aus dem Fenster fällt und mühsam gerettet wird, ein Einfall, der auch in Schlag auf Schlag (1959) aufgenommen wird. Ferner lassen sich über das gesamte Jahrzehnt hinweg Verweise zu anderen Medien entdecken: Der »Schmöker« in Schäm’ dich, Brigitte! (1952) oder das Bemühen des Stadtbibliothekars um gute Lektüre in Wenn wir alle Engel wären (1956) wirken fast antiquiert gegenüber dem Remake Ja, ja, die Liebe in Tirol (1955), in dem nicht nur ein »bunter Nachmittag« mit Fernsehübertragung den Trachtenumzug des Heimatfilms ersetzt. Auch in späteren Remakes finden sich Verweise – auf den Schlagerbetrieb ebenso wie auf das Fernsehen.460 Das (italienische) Fernsehen bzw. eine Fernsehaufnahme des Hauptdarstellers und Tenors ist zentral auch in Vergiss mein nicht (1958), wobei hier mit den Außenaufnahmen der Gebäude auch auf die Institution verwiesen wird. Rabenalt, der Regisseur der deutschen Fassung inszeniert auch in seinem nächsten Remake, Geliebte Bestie (1959), nach dem Drehbuch von Kurt Nachmann und Hans Fritz Köllner Anspielungen auf Filmbzw. Variet8geschichte.461 Mit Blick auf Rabenalt fällt allerdings auch auf, dass das Motiv Film im Film bereits in seinen Regiearbeiten vor 1945 zu finden ist,462 sodass diese Verweise und Inszenierungen anderer Medien eher als Kontinuität oder als Fortsetzung einer bereits vor 1945 ausgeprägten Filmreferenz zu deuten 460 Der Schlagerbetrieb ist etwa zu besichtigen in Musik, Musik und nur Musik (1955) und in Was die Schwalbe sang (1956), vor allem in letzterem gegenüber dem Vorgängerfilm nicht nur aufgewertet sondern aktualisiert. 461 Zu den Verweisen, vgl. II. 2.3.6 Wandel des Genrekinos: Zirkus-, Abenteuer- und Kriminalfilm, S. 239–241. 462 Vgl. Frank 2010, S. 117ff.

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sind. Wunschkonzert (1940) ist das prominenteste Beispiel für die Inszenierung jeweils zeitgenössisch moderner Medienrealität im Publikumskino.463 Par excellence können Musikfilme Medienverweise inszenieren. Bei den Remakes des Genres am Ende der 1950er Jahre fällt auch auf, wie unterschiedlich und zuweilen wenig aktuell sie sind: Zwei Herzen im Mai (1958) ist eine Hommage an die Tonfilmschlagers Jarys vor 1945, Kauf dir einen bunten Luftballon (1961) greift einen alten Schlager auf, bleibt aber abgesehen von der sportlichen Erweiterung vollkommen im Milieu (Theater, Eishalle) des Vorgängerfilms. Im Remake Viktor und Viktoria (1957) werden Pariser Revuegeschichte und eine Rock’n’Roll-Nummer inszeniert. In Vergiss mein nicht (1958) singt der Operntenor den Erfolgsschlager des Jahres – auf der Wiese, im Fernsehen gibt er Klassik. Prägender für die Remakes und als Neuerung gegenüber den jeweiligen Vorgängerfilmen dagegen erscheinen Schauwerte, deren Motive in den unterschiedlichen Genres durchaus differieren. 2.4.2 Konstitution und Hybridisierung der Genres: Schauwerte Insbesondere im Heimatfilm sind Schauwerte konstitutiv für das Genre, denn die Verortung in den Landschaften findet nicht primär über das Figurenensemble, sondern über die Aufnahmen der Umgebung statt. Die inszenierten Landschaften sind die verschneite Bergwelt der Alpen (1950 Föhn), die Heide (1954 Heideschulmeister Uwe Karsten), das bayrische Land und die Alpen mitsamt dörflicher Gemeinschaft zwischen Hof und Alm oder zu modernisierendem Hotel (1955 Ja, ja, die Liebe in Tirol) oder Jagdhütte (1955 Das Schweigen im Walde). Landschaftsaufnahmen aber finden sich bereits in den Vorgängerfilmen. Was in diesen ebenfalls zu beobachten ist, sind Szenen der Ernte oder Arbeit, die jedoch in den Heimatfilmen der frühen 1950er Jahre um Lieder ergänzt werden und damit eine weitere sinnliche Komponente erhalten. Die Trachten der arbeitenden Komparsen prägen bis heute das Bild vom Heimatfilm der 1950er Jahre, obgleich sie vor allem in den frühen Inszenierungen des Genres zu finden sind (1953 Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt, 1952 Ferien vom Ich). Auffällig ist, dass auch Filme anderer Genres diese dem Heimatfilm zugeordneten Landschaftsaufnahmen aufgreifen: Zu nennen sind hier etwa die Alpenaufnahmen in Briefträger Müller (1953), als die Familie aus Italien nach Hause reist, oder die ausgiebigen Aufnahmen des Sees in Kitty und die grosse Welt (1956). Präsent sind in den Heimatfilmen der 1950er Jahre auch zahlreiche Tieraufnahmen, die ebenfalls Schauwerten verpflichtet sind. Es lässt sich hier eine 463 Zum Film Wunschkonzert und der Rundfunksendung im Medienverbund, vgl. u. a. Korte 2010, Koch 2006.

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Entwicklung zur Eigenständigkeit dieser Aufnahmen erkennen. Heimatland (1955) etwa beginnt mit zahlreichen Bildern des spielenden, kämpfenden Welpen. Der Off-Kommentar lässt sie zur heiteren Vorstellung werden. Am Ende des Films werden noch einmal Tieraufnahmen gezeigt und hier wird endgültig klar, wie wenig dramaturgisch funktional sie sind: Der Vagabund flieht vor den Grenzern im Gebirge, die Musik dramatisiert die Verfolgung, der Förster mit Krambambuli erblickt sie. Nun bricht die Musik ab und Murmeltiere mümmeln fröhlich vor sich hin, schauen und schnuppern. Ein Geier wird gezeigt, die Murmeltiere verstecken sich. Nach Großaufnahmen des Vogels greift ihn ein anderer an und tötet ihn schließlich, die Musik wechselt ins Heroische. Es folgt das tödliche Finale zwischen dem Förster und dem Vagabunden und natürlich kann man die vorherigen Tieraufnahmen als Antizipation desselben verstehen, aber einer kohärenten Analyse verschließen sich die Szenen. Letztlich scheint es so, als rechtfertige die Parallele zum Showdown eher die Schauwerte. In Was die Schwalbe sang (1956) sind die Tieraufnahmen dem Förster zugeordnet, der keine Tiere erschießen kann, was man durchaus als Ironisierung jener Waldund Jagdaufnahmen anderer Filme des Genres deuten kann. In Was die Schwalbe sang werden zudem zahlreiche Aufnahmen der Pferde auf dem Gestüt inszeniert. Bilder der Pferde finden sich auch in Das Mädchen vom Pfarrhof (A 1955), während dazu das Lied »Glocken der Heimat« erklingt. Der bereits im Zusammenhang mit den Trachtenszenen konstatierte Gesang ist ein konstituierender Faktor der dramaturgisch irrelevanten und zunehmend längeren Szenen der Remakes aller Genres: In Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt ist das Spektrum am Beginn des Jahrzehnts zweifelsohne am größten. Doch so offensiv die Eingangssequenz erscheinen mag, letztlich macht sich der Film die etablierte Heimatfilmdramaturgie der 1950er Jahre zunutze, sodass die Szene durch die anschließenden Inszenierungen eingehegt wird. Andere Remakes bedienen sich traditioneller Heimat- und Volkslieder (1954 Heideschulmeister Uwe Karsten). In zahlreichen Komödien finden sich zudem Gesangseinlagen und Auftritte, die es in den Vorgängerfilmen in dieser Breite nicht gab: 1955 in Das fröhliche Dorf das Friesenlied der Kinder, das Jolanthe-Lied in der Kneipe und das Liebeslied des Lehrers. In Verlobung am Wolfgangsee (1956) markiert eine Szene die Aufwertung des Musikalischen: Als Michael das Konservatorium verlässt, versammeln sich seine Kommilitonen in den Fenstern und musizieren und singen zum Abschied einen Schlager. In Salzburger Geschichten (1957) finden sich Aufnahmen der Festspiele und in der Stern von Rio (1955) ist der Gesang der Protagonistin ebenfalls deutlich aufgewertet. Zudem wird die abenteuerliche Geschichte durch ausführliche Karnevalaufnahmen im Atelier begleitet. In diesem Remake zeigt sich noch einmal, dass genrekonstituierende Schauwerte des Heimat- und Musikfilms zugleich zu einer Hybridisierung der Genres führen. Durch die Länge der Musik-

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und Tanzaufnahmen nimmt das Remake dem Abenteuerfilm, der die Handlung bestimmt, das Tempo und eine Genrebestimmung ist nicht mehr eindeutig – wie auch bei Was die Schwalbe sang (1956). Im Laufe des Jahrzehnts lässt sich eine Zunahme der Musiknummern beobachten. 2.4.3 Vom Wandel der Filmmusik Am markantesten sind die Veränderungen in der filmmusikalischen Bearbeitung im Vergleich zwischen Remakes und Vorgängerfilmen. Dabei ist der Tonfilmschlager keine Erfindung der 1950er Jahre, sondern bereits seit den international erfolgreichen Spielfilmen der Ufa zu Beginn der 1930er Jahre etabliert. Die Streitigkeiten zwischen Wiener BohHme-Verlag und Ufi-Filmstoffverwaltung des Konzerns in Liquidierung, wer über die Musikrechte bei Remakes verhandelt, zeigen, dass es sich hier um ein Geschäftsfeld handelt.464 So muss es nicht einmal als Gegensatz bewertet werden, wenn die Remakes eher selten alte Schlager neu aufnehmen. Der Musikmarkt der 1950er Jahre entwickelte sich rasant. Die Schallplattenproduktion und die Ausstattung der Haushalte mit Plattenspielern dokumentieren das Wachstum.465 Dabei wurden zeitgenössisch bereits Kontinuitäten konstatiert: Bis 1955 weist Schmidt-Joos in seiner Zusammenfassung eine »ziemlich stabile Konjunkturperiode« aus, »die ›Richtungen‹ des Schlagergeschmacks wechselten in relativ langen Zeitabschnitten«, erst 1956 beginnt »das Rock’n’Roll-Fieber«, das neue Akzente setzt.466 Das musikalische Spektrum der Remakes verändert sich im Laufe der 1950er Jahre. Am Beginn des Jahrzehnts ließen sich relativ unterschiedliche filmmusikalische Konzepte und Lieder finden: redundant verwendete Volkslieder in Heimatfilmen (1954 Heideschulmeister Uwe Karsten) oder Konzepte eines gesungenen Liedes, das die orchestrale Filmmusik aufgreift (1952 Schäm’ dich, Brigitte!) oder 1953 in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt die Aufnahme des Jazz ins musikalische Repertoire. Letztgenannter deutet mit der Massenszene des Konzerts, die nicht nur in der Jugendkultur verortet wird, sondern zugleich die Inszenierungsebene bestimmt, die kommende Vielfalt an. 464 Bei der Übertragung der Musikrechte für das Remake von Der Kongress tanzt waren diese immerhin mit 42.500 DM taxiert. Bei Die Drei von der Tankstelle mit 55.000 DM, wobei die Zahl als einzige in der Aufstellung handschriftlich eingetragen wurde. Spätere Filme erzielten selten derart hohe Einnahmen für Musikrechte, sie lagen etwa bei denen der Bearbeiter-Urheberrechte, so z. B. bei Sophienlund bei 6.500 DM oder Königswalzer bei 4.000 DM, vgl. Verhandlung in der Filmstoffverwaltung am 15. März 1955 betreffend Abstimmung der Verlagsinteressen bei Stoffverkäufen mit Musik, BArch R 109 I, 921, Bl. 239– 242. 465 1955 überstieg die Zahl der Plattenverkäufe die von 1929/30, vgl. Mühl-Benninghaus / Friedrichsen 2012, S. 152ff. 466 Schmidt-Joos 1960, S. 30.

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Aktuelle Unterhaltungsmusik wird ab 1955 zunehmen. Dabei lässt sich mit Blick auf die Filmkomponisten der Remakes kein generationeller Ablösungsprozess beschreiben.467 Es treten jedoch immer häufiger Darsteller und Interpreten auf, die aus dem Musikbetrieb kommen (etwa Willy Hagara, Peter Alexander) und es entwickeln sich kleinere Trends: 1955/56 findet sich nicht nur in Charley’s Tante der Amazonas-Mambo, sondern auch ein Mambo in Ja, ja, die Liebe in Tirol. Es sind neu komponierte Hits, die nicht nur die Remakes bestimmen und im besten Fall auch prominent in den Charts vertreten sein werden: »Ein bißchen mehr« aus Das haut hin (1957) kam auf den dritten Platz der PolydorBestsellerliste des Jahres.468 Das heißt andersherum nicht, dass andere Konzepte vollkommen verschwinden: In Der falsche Adam (1955) wird der Schlager des Vorspanns leitmotivisch im Film aufgegriffen und in Zwei Herzen im Mai (1958) werden alte Ufa-Schlager neu arrangiert. Aber präsenter werden im Überblick in Bild und Ton eben doch Rock’n’Roll-Nummern und Neukompositionen, die zumindest auf Bühnen und Bars (1957 Viktor und Viktoria) – selten wie in Schlag auf Schlag (1959) auch in aller Häuslichkeit – oder als Aufstand im Schulgebäude (1957 Die unentschuldigte Stunde) gesungen und getanzt werden. Gerade Schlag auf Schlag macht zugleich klar, dass trotz aller Neuerungen die Filmmusik hier durchaus auf die Integration der Generationen gesetzt wird: Der Hauptdarsteller parodiert auch Mosers »Reblaus«. Der Wandel ist von Kontinuität begleitet, die Remakes vereinbaren und offenbaren beide Pole. Die Rock’n’Roll-Nummern sind zumeist nicht negativ konnotiert, aber harmlos. Es ist ein Miteinander aus alter und neuer Musik für alle Generationen im Kino. Insbesondere bei den Rock’n’Roll-Tänzen lässt sich zudem ein in Szene gesetzter Wandel der Körperlichkeit sehen. Denn es sind fröhliche, körperlich ausgelassene Szenen, die zugleich in der Gesamtdramaturgie unbedeutend sind. Ironische Brechungen – etwa durch Kennzeichnung als Parodie – hegen die Nummern zudem ein (1959 Schlag auf Schlag). Der sich etablierende Star Peter Alexander scheint dennoch in seiner schlaksigen Körpersprache in diesem Kontext als Exempel einer zunehmenden filmischen Repräsentanz des Lässigen im Sinne Maases. Auch Heinz Erhardt in seiner komischen, beleibten Unbe467 Zwar finden sich ab Mitte der 1950er Jahre Komponisten der 1920er-Jahrgänge (etwa Helmut Zacharias, Heinrich Riethmüller, Bert Grund, Heinz Gietz), aber im Überblick bleiben – zumindest bei den Remakes des Jahrzehnts – jene Komponisten bestimmend, die a) früher geboren wurden und b) bereits für den NS-Unterhaltungsfilm komponierten. 468 Berghahn 1964, S. 252. Berghahn plädiert in seinem Aufsatz für eine soziologische Interpretation der Schlager des Jahrzehnts auf der Basis der Zahlen von Schmidt-Joos, vgl. Schmidt-Joos 1960. Während bei diesem die intermedialen Verknüpfungen etwa zum Filmgeschäft zentral sind, lässt Berghahn diese vollkommen außen vor. Insgesamt ist die Forschungsliteratur zum deutschen Filmschlager – insbesondere in Hinblick auf Zahlen – bis heute leider dürftig.

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holfenheit könnte diesen veränderten Bildern (männlicher) Körperlichkeit zugeordnet werden. 2.4.4 Genreübergreifend: Männerstimmen aus dem Off Eine weitere Besonderheit der Remakes der 1950er Jahre oder zumindest ein Mittel der Tonebene, das sämtliche Remakes von ihren Vorgängerfilmen unterscheidet, sind die Stimmen aus dem Off. Sie führen die Filmhandlung ein und begleiten sie zum Teil auch weiterhin. Die theoretischen Auseinandersetzungen mit Off-Stimmen lassen leider eine historische Perspektive vermissen oder fokussieren das Hollywood-Kino.469 Auffällig ist bei den Remakes, dass sie dem Zuschauer im Gegensatz zu den Filmen vor 1945 regelmäßig begegnen, allerdings in höchst unterschiedlicher Funktion: Sowohl am Beginn von Muss man sich gleich scheiden lassen? (1953) als auch bei Peter Voss (1958) erzeugen die Off-Stimmen in ihrem Kommentatorenduktus sowohl eine Verankerung im medialen Diskurs als auch Spannung. Kommentierend und wertend dagegen ist der Text der Off-Stimme am Beginn von Kitty und die grosse Welt (1956). Hier wird nicht nur offensiv der Sinn großer Politik befragt, sondern deren Themen werden in den Monologen Ashlins weitergeführt. Ähnlich erscheint auch der Off-Kommentar am Beginn von Urlaub auf Ehrenwort (1955). Sehr pädagogisch wird das Remake eingeführt und zugleich in einer Melange aus Augenzwinkern und erklärender Offensive enthistorisiert. In Maske in Blau (1953) dagegen werden die Stadtaufnahmen in Rom, die mit dem Verweis auf die Aktualisierung zugleich die Geschichte beginnen lassen, heiter vorgestellt. Ein ähnliches Verfahren lässt sich in Stern von Rio (1955) konstatieren, in dem Willy Fritschs Off-Stimme das Land beschreibt und den Ausgangspunkt der Geschichte bestimmt. Allerdings gibt sich Fritsch als Sprecher und Darsteller des Diamantenexperten mit Blick in die Kamera zu erkennen.470 In Der Raub der Sabinerinnen ist die Off-Stimme ähnlich integriert: Es ist der ungenannte berühmte Dichter der Stadt, der die Geschichte erzählt. Anders als Fritsch erscheint er aber allenfalls von hinten, der Film gibt ihn als 469 Pinto 2012, S. 283ff. Pinto erarbeitet theoretisch das Verhältnis der Stimme im Verhältnis zum Bildfeld, differenziert mit Mary Ann Doane Off- und Over-Stimme, was für diese Zusammenfassung m. E. vernachlässigt werden kann, und diskutiert die Wirksamkeit von Stimmen ohne visuelle Präsenz im Filmbild mit Michel Chions AcousmÞtre und Deakusmatisierung. Chion arbeitet in seinem hierzu konsultierten Aufsatz wiederum durchaus mit filmhistorischen Beispielen (etwa Das Testament des Dr. Mabuse, M, Psycho, Der Zauberer von Oz), bei deren Angaben aber durchweg die Produktionsjahre fehlen, vgl. Chion 2003. Christina Heiser erarbeitetet auf Basis der wenigen Quellen eine kleine Geschichte des Voice-Overs im amerikanischen Spielfilm, vgl. Heiser 2014. 470 Im Remake von Der letzte Mann (1955) führt ebenfalls der Protagonist (Hans Albers) aus dem Off ein.

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handelnde Figur zu erkennen; eine unvollständige Deakusmatisierung mit Chion, die aber wenig Irritationspotential hat, sondern eher spielerisch erscheint. Eine Stimme aus dem Off ertönt auch in Heimatland (1955). Sie ist innerhalb des Remakekorpus funktional die interessanteste: Die Geschichte der Rettung Krambambulis erzählt der Vagabund auf dem Polizeirevier. Mit dem Vagabunden als Off-Stimme und subjektive Erzählinstanz wird zugleich Sympathie für die Figur erzeugt, und zwar für jene Figur, die am Ende scheitern wird und stirbt. Ironische Distanz ist die Erzählhaltung in Der Ehestreik (1953 mit Reimen) und Hochzeit auf Reisen (1953), in dem der Hund, dessen Biss den Paarkonflikt in der Hochzeitsnacht auslöst, die Handlung kommentiert. Die ausnahmslos männlichen Off-Stimmen der Remakes erscheinen insbesondere durch die oft ironische Haltung und Distanzierung zum Filmgeschehen als Bruch gegenüber dem Wochenschauduktus, was man im Sinne einer Zivilisierung des Mittels im Unterhaltungsfilm deuten kann.471 Zugleich zeigt sich, dass sie insbesondere in den politischen oder historischen Filmen ein klares lenkendes Anliegen für die Deutung durch den Zuschauer verfolgen. 2.4.5 Verhandlung von jüngerer deutscher Geschichte Bereits seit dem Beginn der Remakeproduktion ist die Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweitens Weltkriegs präsent. Allerdings wird sie zunächst vor allem in Randbemerkungen verhandelt (1950 Föhn) und sollte daher nicht überbewertet werden. Erst ab Mitte des Jahrzehnts lassen sich Filme finden, die in Kriegs- und Nachkriegszeit spielen, bei denen eine Tendenz zur Privatisierung zu beobachten ist, die sich fortsetzt (1958 Zwei Herzen im Mai). Im Gegenzug finden sich ab dem Ende der 1950er Jahre diese persönlichen Kommentare und Verortungen seltener. Eine Ausnahme ist etwa Peter Voss (1958) mit seiner Bemerkung zur eigenen Soldatenzeit. Verhandelt und in Figurenkonstellationen manifestiert werden kontinuierlich Vertriebene oder Flüchtlinge, die Bezeichnungen variieren. Diese Verweise auf die Vergangenheit der Figuren erscheinen nicht nur im Heimatfilm, aber niemals in Komödien. Die mit der Flucht verbundene Heimatlosigkeit kann handlungsmotivierend für die Figuren oder psychologischer Hintergrund für Entscheidungen sein (1953 Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt, 1957 Franziska). Die Vertriebenen sind nicht durchweg positiv besetzte Figuren,472 meistens sind sie unter den Hauptfiguren zu finden.473 Der Gegenpol zu 471 Heiser lokalisiert auf die Ursprünge der Voice-Over-Narration u. a. in den Wochenschauen und Propagandafilmen hin, vgl. Heiser 2014, S. 71ff. 472 Der Erpresser aus Breslau in Der Meineidbauer (1956) wäre hier das Gegenbeispiel. Auch

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den Vertriebenen ist die komische Verhandlung bzw. Inszenierung der Besatzungszeit: In Das Sonntagskind (1956) ist sie Kern der Aktualisierung. In Das fröhliche Dorf (1955) lachen die Bauern ausgiebig über ihre Schwarzschlachtungen in der Nachkriegszeit. Während in den genannten Beispielen die jüngere deutsche Geschichte durch die Figuren allenfalls auf der Verhandlungsebene aufzuspüren ist, findet sie sich musikalisch in Dialoganspielungen umso öfter : »Keine Angst, Rosmarie«, gibt der Dr. Donath in …und nichts als die Wahrheit (1958) seinem Patienten mit auf den Weg zur Operation. Der gesamte Schlager, aus dem die Zeile stammt, wird in Zwei Herzen im Mai (1958) mehrmals gesungen. Kauf dir einen bunten Luftballon greift noch 1961 im Titel auf das Lied des Vorgängerfilms von 1943 zurück. Auch Robert und Bertram singen noch 1961 eine textlich leicht veränderte Version von »Wozu ist die Straße da?« aus Lumpacivagabundus (A 1936/37), die bereits im gleichnamigen Remake von 1956 wieder intoniert wurde.

2.4.6 Verhandlung und Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart: Themen, Konflikte und Motive in den Remakes Wenn sich im Überblick bis jetzt eine Konfektionierung der Filmbilder für die zeitgenössische Gegenwart und die Zunahme von unterschiedlichen Musiknummern konstatieren lässt, ist die Frage nach wiederkehrenden Themen und Motiven komplexer. So disparat das Korpus, so problematisch ist es, dominante Themen und Motive in der Verhandlung der zeitgenössischen Gegenwart auszumachen und diese übergreifend in den Kategorien Kontinuitäten und Brüche zu verorten. Die Themen und Motive können Spezifika der Neuverfilmungen sein, aber durchaus auch anknüpfen, wie etwa das Motiv einer hektischen Moderne in Ferien vom Ich (1952) zeigt, da es bereits grundlegend für die Verfilmung von 1934 war. Das Motiv taucht auch in anderen Remakes in Figuren und Konflikten wieder auf, ohne dass es in den Vorgängerfilmen angelegt gewesen wäre: In Bei der blonden Kathrein (1959) flieht der Operettentenor vor der Hektik seines Geschäfts und Starruhms in das Hotel, um »Ferien vom Ich« zu machen – die Arbeit als Geschäftsführer (anders als die nicht-entfremdete bäuerliche Arbeit 1952) sichert ihm nun die Erholung und natürlich die Begegnung mit der Liebe. Der Haustyrann (1959) leidet ganz offensichtlich Stefan in Franziska (1957) durchläuft einen Erkenntnisprozess, der es ihm schließlich ermöglicht, zur Ruhe zu kommen. 473 Eine Ausnahme ist Waldwinter (1956): Das gesamte Figurenensemble sind Vertriebene. Hauptfiguren sind etwa Erna, in die sich Oberwachtmeister Borck (1955) verliebt, der kleine Junge in Der schönste Tag meines Lebens (1957) und die Protagonistin in Der Pfarrer von Kirchfeld (1955, Deppe).

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nicht nur unter den veränderten Umständen, konkret Lärm und Untermieterin, sondern verweigert sich zugleich jedweder Neuerung – symbolisch explodieren die alte Kaffeemaschine und er vor Gericht. Auch in Schlag auf Schlag (1959) findet sich mit dem Nachbarn unter den Junggesellen ein Mann, der hektisch, aufgebracht unter Lärm leidet.474 Im Vorgängerfilm Das Paradies der Junggesellen (1939) zähmten die drei die über ihnen stetig trampelnde und ihren Mann dominierende Nachbarin Amalie. Die Ablösung dieser Nebenhandlung geschieht keineswegs bruchlos seit 1945. Dominante Frauen sind insbesondere am Beginn der 1950er Jahre auch in den Remakes zentral und werden von ihren Männern gebändigt, wie in Der Klosterjäger (1953). Aber sie sind eben nicht immer Novum des 1950er-Jahre-Films.475 In Der müde Theodor (1957) taucht mit der Figur von Theodors Frau ebenfalls eine solche wieder auf. Zu Beginn der Remakeproduktion ist nicht nur auffällig, dass den meisten wiederverfilmten Komödien Ehekonflikte zugrunde liegen und auch Geld offensiv verhandelt wird: in der Konkretisierung der Summen (1953 Muss man sich gleich scheiden lassen?), der Benennung der Schulden des jungen Ehepaares (1950 Glück aus Ohio) und der Thematisierung der Gefahren des plötzlichen Reichtums für die Persönlichkeit (1953 Briefträger Müller). Bei ihrer Analyse der Homemade Man konstatiert Maria Fritsche für die von ihr untersuchten Komödien die finanzielle Abhängigkeit der weiblichen Figuren von den männlichen, was erstere auf emotionale Manipulationen zurückgreifen lässt – unter anderem an Schäm’ Dich Brigitte.476 In Charley’s Tante (1956) wird Geld auf der Verhandlungsebene noch einmal dominant, aber es lässt sich später nicht mehr in dieser Präsenz ausmachen.477 Sparsamkeit ist das Ideal aller positiven Figuren. In Glück aus Ohio ließen sich gebündelt Motive und Themen der frühen Remakes vorführen: Konsum war als Wunschtraum offensiv durch die Schaufensteraufnahme inszeniert. Die Figur des US-Amerikaners fand sich auch in anderen Remakes. War sie hier eher dramaturgische ex-machinaLösung und zudem latent negativ besetzt durch das unflätige Coca-Cola-ausder-Flasche-Trinken, finden sich darüber hinaus positivere Darstellungen, die aber stets mit Deutschland verwoben werden, etwa durch die Familiengeschichte 474 Ausführlich zur Szene und Figur, vgl. Frank 2015, S. 100f. 475 In Der Ehestreik (1953) wird die Dominanz der Schwiegermutter gegenüber dem Schwiegervater ebenfalls im Laufe der Komödienhandlung ›beseitigt‹. In Ja, ja, die Liebe in Tirol (1955) zähmt Hans mit seinem Wutausbruch die eigensinnige Tochter, die sich sodann zur attraktiven Ehefrau wandelt. 476 Sie bezieht sich auf die Szene, als Lilli den Liebesbrief findet, eine Szene macht; »he instantly buys her an expensive hat to appease her«, Fritsche 2013, S. 182. 477 Ebenso taucht Geld noch einmal in Kitty und die grosse Welt (1956) auf: als running gag. Sir Ashlin hat nie Bargeld bei sich und kann darum nicht bezahlen. Mit dem Jungen auf dem Boot wird es ihm zum Verhängnis, doch sein Nichterscheinen sichert den positiven Ausgang der Verhandlungen.

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in Ferien vom Ich (1952). Ab der Mitte des Jahrzehnts lassen sich keine USAmerikaner als handelnde Filmfiguren mehr in den Remakes finden, stattdessen zunehmend Rock’n’Roll-Szenen,478 exotische Orte als Handlungskulissen und schließlich erscheint – in einem Remake – ein Russe als Nebenfigur (1956 Kitty und die grosse Welt), der für den Protagonisten Coca-Cola holt. Das Getränk erscheint wiederholt im Heimatfilm (auch auf Werbetafeln) ab 1955 (etwa 1955 Heimatland, 1955 Der Pfarrer von Kirchfeld, 1957 Der Jungfrauenkrieg). Dem Vorbild der Sparsamkeit kann in den Remakes der Arbeitseifer und das Motiv der Arbeit zur Seite gestellt werden. Scheiterte in den frühen Remakes der Protagonist an schlechten Arbeitsbedingungen (1950 Glück aus Ohio) oder wurde der entfremdeten Firmenarbeit die landwirtschaftliche zur Erholung gegenübergestellt (1952 Ferien vom Ich), lässt sich zwar über den gesamten Untersuchungszeitraum ausmachen, dass die Filmfiguren weiterhin arbeiten, aber ohne besondere Präsenz. Bemerkenswert ist eher, dass es durchaus auch die weiblichen Figuren sind, die (wenn auch nicht durchweg) einer Beschäftigung nachgehen: notwendig und selbstverständlich (Muss man sich gleich scheiden lassen?), hypertrophiert gar in Wenn du noch eine Mutter hast, auf der Alm mit der Figur der fleißigen Sennerin (1957 Der Jäger von Fall, 1955 Das Schweigen im Walde), als Lehrerinnen (1955 Reifende Jugend) und Franziska macht im Remake Karriere (1957 Franziska) – als Differenz zum Vorgängerfilm, in dem ihre Rolle als Kameradin des Mannes wichtiger war. Unter den männlichen Hauptfiguren dagegen finden sich einige, die mit der Arbeit hadern oder denen die Ankunft im Arbeitsalltag nicht gelingt (1955 der Vagabund in Heimatland, 1957 Stefan in Franziska). Aber natürlich existieren in den Remakes des gesamten Jahrzehnts auch jene Töchter (etwa 1958 …und nichts als die Wahrheit, 1959 Schlag auf Schlag) und Hausfrauen (etwa 1952 Schäm’ dich, Brigitte!, 1953 Briefträger Müller, 1956 Wenn wir alle Engel wären, 1958 Ich werde dich auf Händen tragen), deren Verpflichtungen allein im Familiären liegen. Weit weniger präsent ist Arbeit auf der Inszenierungsebene oder die Bilder knüpfen eher an die des NS-Films an (1956 Regine), als dass sie neue, möglicherweise aktualisierte Darstellungsmodi entwickeln. Man müsste noch mal 20 sein (1958) ist hier eine Ausnahme, wenn kurz die Prozesse der ökonomisierten Schokoladenproduktion gezeigt werden. In den meisten anderen Remakes genügen Fabrikfassaden als Andeutungen (1954 Wenn du noch eine Mutter hast, 1957 Der müde Theodor).

478 Dafür finden sich in einigen Remakes Auftritte der Lionel-Hampton-Band, etwa in Musik, Musik und nur Musik (1955) und Bill Haley wird erwähnt (1957 Die unentschuldigte Stunde, 1959 Schlag auf Schlag).

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Eine eigene Bildsprache oder -konvention etabliert sich – zumindest im Remakekorpus – nicht. Mit der zunehmenden Genrevielfalt nimmt die Dominanz der Ehekomödien ab, die bereits am Beginn des Jahrzehnts Sexualität und Begehren verhandelten. Mitte der 1950er Jahre mehren sich die sexuellen Anspielungen und zwar sowohl auf der Verhandlungs- als auch auf der Inszenierungsebene in sämtlichen Remakes: In Mädchenjahre einer Königin (1954) bestimmen sie die Dialoge, in Dunja (1955) nicht nur die Handlung, sondern zugleich das Bild, in Rosen im Herbst (1955) werden nun Bilder der heimlichen Treffen Effis mit Crampas gezeigt. In Charley’s Tante (1956) werden Heterosexualität und sittliche Normen inszeniert, verhandelt und ironisiert. In Reifende Jugend (1955) wird mit dem Pin-up-Girl-Bildchen der aktuelle gesellschaftliche Diskurs zitiert. Dagmar Herzog konstatierte in ihrer Studie Politisierung der Lust: »Nach den bemerkenswert freizügig-debattierfreudigen ersten Nachkriegsjahren erfolgte in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre ein abrupter Schwenk hin zu konservativen Auffassungen von Sexualität.«479 Die zunehmenden sexuellen Anspielungen im Unterhaltungsfilm könnten vor diesem Hintergrund durchaus als Reaktionen auf diese Tendenzen verstanden werden. Im kursorischen Überblick der Remakes fällt auf, dass Sexualität und die Normativität vorehelicher Verhaltenskodexe zwischen Frauen und Männer keineswegs in der Mitte des Jahrzehnts verschwinden. In Man müsste noch mal 20 sein (1958) etwa blamieren Enkelin und Großvater die aufgebrachte Vermieterin, indem sie ihre Verwandtschaft preisgeben, und führen somit den gesellschaftlichen Argwohn vor.480 Ab Mitte der 1950er Jahre fallen vor allem die freizügigeren Inszenierungen einer sexuell aufgeladenen weiblichen Körperlichkeit auf: tiefe Dekollet8s (1957 Die unentschuldigte Stunde, 1955 Dunja), knappe Kostümchen (1959 Geliebte Bestie, 1961 Kauf dir einen bunten Luftballon), laszive Posen (1955 die Lehrerin in Reifende Jugend und 1959 Ex-Frau Mary Schlag auf Schlag). In Robert und Bertram (1961) wird schließlich Vicco Torriani auf dem Campingplatz singen (»Wie kann nur der Name sein?«), umringt von jungen Leuten in Badesachen. Das Remake weist nicht nur einen unaufgeregten Umgang mit den spärlich bekleideten Komparsen auf, sondern überschreibt auch die politische Instrumentalisierung des Vorgängerfilms: die aufmüpfigen 479 Herzog 2005, S. 127. 480 Herzog erörtert: »Die aufmerksamen Blicke von Eltern und Nachbarn verschärften die Kontrolle noch. ›Man gewinnt im Blick auf die frühe Bundesrepublik geradezu den Eindruck‹, schreibt der Soziologe und Sexualwissenschaftler Martin Dannecker, ›als ob sie keine andere Sorge gehabt hätten, als die Sexualität in Ordnung zu bringen.‹ Viele, die damals jung waren, erinnerten sich später an ihre Kindheit als an eine erstickende, klaustrophobische Zeit, in der sich alles um Sauberkeit drehte«, Herzog 2005, S. 128.

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Vagabunden, die im Vorgängerfilm die antisemitisch verzerrte Familie betrogen, sind jetzt ein lustiger Sänger und ein geflohener Ehemann. Generationenkonflikte erscheinen ebenfalls ab der Mitte der 1950er Jahre in verschiedenen Remakes, die gegenüber den Vorgängerfilmen zuweilen sogar das Figurenspektrum erweitern (1955 der Vater in Oberwachtmeister Borck, 1957 der Schwiegervater in Die unentschuldigte Stunde). Dabei lassen sich Kontinuitäten der Konfliktkonstellationen (1954 Wenn du noch eine Mutter hast) ebenso beobachten wie Umdeutungen (der Direktor in Reifende Jugend oder das Glück des jungen Paares in Der Stern von Rio).481 Auch am Ende von Der müde Theodor (1957) steht eine generationelle Ablösung der dominanten Mutter : Die jungen Männer übernehmen die Fabrik. In Salzburger Geschichten wird im happy end die Rolle des Patriarchen verändert, wenn sich das junge Paar mit dem Bruder einigt und der schreibende Adelige vorgeführt wird, der dafür aber umso öfter betonen kann, nun Großvater werden zu wollen.482 In diesen Zusammenhang gehört auch, dass die Generation der Väter, die nun schon beinahe (oder real) Großväter sind, hier wichtiger Teil der Umdeutungen ist. Es werden Erkenntnisprozesse der Patriarchen verhandelt (1957 der Vater in Der Edelweisskönig, 1957 der Schwiegervater in Die unentschuldigte Stunde, 1958 der Großvater in Man müsste noch mal 20 sein). Ein ähnlicher Typus begegnet dem Zuschauer auch als Richter bzw. Rechtsvertreter, verständnisvoll und menschlich argumentierend (1957 Der Edelweisskönig und 1958 …und nichts als die Wahrheit). Zudem finden sich einige Figuren, die der jüngeren Generation und ihren Konflikten großes Vertrauen entgegen bringen (1955 der Direktor in Reifende Jugend, 1957 die Direktorin in Die unentschuldigte Stunde), vor allem aber mit ihren Kontrahenten ihre Position diskutieren, erläutern und begründen. Das sind Neuerungen der Remakes. 2.4.7 Konflikte und Figuren im Wandel: Männlichkeit und Weiblichkeit Insbesondere bei der Frage nach veränderten Bildern von Männlichkeit und Weiblichkeit ist es schwierig, das umfangreiche Filmkorpus ausnahmslos mit einigen Thesen zu umreißen, wie sich bereits bei den Konflikten und Motiven andeutete. Die meisten Frauenfiguren – bis auf Ausnahmen (1950 Glück aus Ohio) – sind durchaus positiv besetzt und einem Ideal der liebenden, treuen, 481 In Stern von Rio (1940) gesteht sich die Tänzerin am Ende ihre Liebe zu Don Felipe ein. Am Ende des Remakes tanzen die Konkurrenten Don Felipe (Johannes Heesters) und Vincente (Franco Andrei) um die Gunst der Frau, die sich für den Jüngeren entscheidet und mit ihm loszieht, um ein Haus zu bauen. 482 Im Vergleich bestand das Missverständnis zwischen den Liebenden im Vorgängerfilm Der kleine Grenzverkehr (1943) deutlich länger.

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verstehenden Ehefrau verpflichtet, was zunächst bestens mit den soziohistorischen Befunden zur Geschlechterkrise und der damit verbundenen Normativität im Jahrzehnt korrespondiert.483 Hierzu passen auch jene Protagonistinnen, die gezähmt oder für ihr Begehren bestraft werden (1955 Dunja, 1955 Rosen im Herbst). Die Geierwally (1956) agiert auf diesem Grat: Sie widersetzt sich dem Vater und verteidigt ihre Liebe, muss aber gebändigt werden, bevor sie in der Ehe glücklich werden kann. Dabei zeigt sich, dass die dominanten Frauen und ihre Zähmung durchaus auch schon im Film vor 1945 erschienen. Auf der anderen Seite fällt auf, wie selten Mütter prominent in den Filmen erscheinen oder Mütterlichkeit in Szene gesetzt wird (1954 Wenn du noch eine Mutter hast, 1957 Franziska). Ab Mitte der 1950er Jahre treten zudem zunehmend junge Frauen in Erscheinung, die innerhalb der Filmdramaturgie aktiv und selbstbewusst die Handlung bestimmen. Es sind vielmehr die männlichen Protagonisten und ihre vielfältigen Konflikte, Lern- und Erkenntnisprozesse, die in den Remakes auf Aushandlungsprozesse um Männlichkeit verweisen, die jedoch schwerlich einem einzigen Deutungsangebot folgen. Sie bedürfen weiterer Analysen, deren Filmauswahl in Bezug auf die Fragestellung gut begründet und repräsentativ sein muss, um für die sozialhistorische Forschung fruchtbar sein zu können. Hier fallen zunächst mehrere Aspekte auf: Über das gesamte Jahrzehnt sind ausgestellt leidende Männerfiguren jeder Generation präsent (1953 Graf Dietwald in Der Klosterjäger, 1953 Vater und Holzfäller Martin in Wenn am Sonntagabend die 483 Vgl. u. a. »Dennoch lief das romantische Ideal der fünfziger Jahre auf eine wunderbare, monogame Ehe mit Kindern hinaus (nicht zu vielen), wo nur der Mann verdiente und die Frau sich um das Heim kümmerte – ein erheblicher Umbruch, nachdem Sexualität in den Jahrzehnten zuvor in so vielfältiger Weise aus dem familiären Rahmen herausgefallen war. Zumal das Ideal weiterhin nicht realisierbar war«, Herzog 2005, S. 146. »Über Parteigrenzen hinweg begrüßten Politiker und Sozialwissenschaftler diese ideale Kleinfamilie [der Hausfrauenehe, S.M.F.] als die einzige Institution, die vom Nationalsozialismus nicht besudelt worden war, und als den sichersten Garanten der sozialen und politischen Stabilität«, Poiger 2001, S. 232. Sie bezieht sich hier v. a. auf die Ergebnisse Robert G. Moellers in Geschützte Mütter, vgl. Moeller 1997. Herbert konstatiert in Bezug auf die Lebensverhältnisse: »Diese Versuche der Reetablierung tradierter Normen im Bereich der privaten Lebensführung bezogen ihre Schärfe und Dramatik aus der Beobachtung einer bereits weitreichenden Erosion dieser traditionellen Orientierungen. Und doch, so scheint es, trafen die strafbewehrten Sittlichkeitsnormen nicht nur auf Ablehnung einer sich aus diesen Begrenzungen lösenden und befreienden Gesellschaft. Vielmehr wurden die kulturellen und politischen Reorientierungsversuche doch auch weithin angenommen, denn sie boten nach den Jahrzehnten der – auch persönlichen – Katastrophen und Wirren einen festen Halt im Vertrauten, einen Abglanz von Normalität. Innerhalb dieses Rahmens konnte das private Leben neu geordnet werden. Denn solange die wirtschaftlichen und politischen ebenso wie die privaten Verhältnisse noch so instabil waren und eine verläßliche Langzeitperspektive noch nicht gewährleistet schien, waren solche rigiden Soll-Kataloge vielfach willkommen und wirksam – auch dann, wenn sich das eigene Leben von solchen normativen Modellen deutlich unterschied«, Herbert 2002, S. 28.

Die Remakes im Wandel des Jahrzehnts

271

Dorfmusik spielt, der Vagabund in Heimatland, 1955 Jürgen Sengebusch in Reifende Jugend, 1956 die Musiker Sohn und Vater in Was die Schwalbe sang, 1957 Stefan in Franziska, 1958 P. P. Müller in Zwei Herzen im Mai). Damit einher geht eine Passivität der männlichen Figuren, die es in den Vorgängerfilmen nicht gab. Selbst in den Abenteuerfilmen ist auffällig, dass eine rein positiv besetzte Männlichkeit zumindest nicht in Opposition zur Frau verhandelt und inszeniert (1956/57 Der Kurier des Zaren) oder ironisiert wird (1958 Peter Voss). Erst in den Filmen Fritz Langs erscheint wieder ein bruchloser Abenteurer (1959 Das indische Grabmal und Der Tiger von Eschnapur). Damit korrespondiert in den Aktualisierungen der Remakes oft ein unschuldiger Protagonist, ob in Bezug auf Gewalt oder Sexualität: In Heimatland (1955) scheitert der Neuanfang des Vagabunden an seiner Umgebung, während er im Vorgängerfilm schuldig wurde. In Oberwachtmeister Borck (1955) wird der getötete Kollege bei der Beerdigung hypertrophiert. Gerhard betrügt seine Jugendliebe in Was die Schwalbe sang (1956) nicht mehr wie noch in Immensee (1943), sondern das Paar entfremdet sich zunehmend und das Mädchen verzichtet um Gerhards Glück und Karriere willen. In diesem Remake erscheint auch der Förster, der nicht auf Tiere schießen kann, aber am Ende seine Pflicht tun und dem verletzten Pferd den Gnadenschuss geben wird. Auch Briefträger Müller (1953) bleibt bei allen Verfehlungen im Rahmen der Komödie sexuell unschuldig und der Protagonist in Wenn wir alle Engel wären (1956) verweilt aus Versehen in Köln. Ein Seitensprung wäre nicht mehr akzeptabel wie noch 1936. Ein ähnlicher Umdeutungsprozess lässt sich im Remake Schlag auf Schlag (1959) beobachten, in dem nicht mehr der Protagonist die Liebesgeschichte vorantreibt, sondern das Mädchen.484 Diese wiederkehrende Unschuld im Aktualisierungsprozess korrespondiert jedoch nicht mit einer insgesamt unproblematischeren Geradlinigkeit der männlichen Hauptfiguren. Im Gegenteil: Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie klar zahlreiche weibliche Hauptfiguren einem Ideal der treuen Liebe verpflichtet sind, sind es andersherum die männlichen Figuren, welche im Laufe der Filmhandlung Erkenntnis- und Lernprozesse absolvieren müssen. Männliche Hauptfiguren, die im Laufe der Handlung ihre Defizite erkennen müssen, treten in zahlreichen Remakes auf: In Das Schweigen im Walde (1955) wird der junge Fürst erleuchtet von der Unschuld der schönen Lo Petri. Der Protagonist lernt in Hochzeit auf Reisen (1953) die Liebe des Hundes zu achten, in Der falsche Adam (1955) wird der Pedant zum liebenden Ehemann, in Nichts als Ärger mit der Liebe (1956) begreift der alternde Casanova den Wert der Liebe und Treue seiner Frau und in Kitty und die grosse Welt (1956) bewahrt die Liebe zu Kitty den Neffen Ashlins vor einer pausenlos als problematisch diskutierten 484 Vgl. Frank 2015.

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Systematischer Teil

politischen Karriere. Der Patriarch in Der Edelweisskönig erkennt die Blindheit seines Trotzes und entschuldigt sich bei seiner Frau, in Via Mala (1961) prüft der Amtmann seine Rechtsvorstellungen an den ethischen Grundlagen und in Man müsste noch mal 20 sein (1958) lernt der schrullige Großvater den Wert der Familie schätzen. Diese Hinwendung der Männer zu Familie und Liebe erweist sich als eine zentrale Konstellation. Vor der Folie der insgesamt negativen Inszenierung politischen Engagements in einigen Remakes (1953 Briefträger Müller, 1956 Kitty und die grosse Welt) kommt man schwerlich umhin diese privaten Erkenntnisprozesse als offensive Entpolitisierung zu deuten, die im Fazit nach den Detailanalysen noch einmal diskutiert werden wird. Doch eher selten konstruieren die Remakes diese Geschichten vollkommen neu. Neu sind eher die Akzentuierungen.

III.

Detailanalysen

In diesem letzten großen Kapitel stehen drei Remakes und ihre Vorgängerfilme im Zentrum der Analyse, um den großen Blick auf die gesamte Remakeproduktion zu verengen und hinsichtlich der Transformationsprozesse von den Vorgängerfilmen zu den Remakes zu schärfen. Die Remakes entstehen in jenen Jahren, in denen das Angebot an deutschen Filmen, die Zahl der Remakes sowie die Zuschauerzahlen auf dem quantitativen Höhepunkt sind. Andererseits deuten Insolvenzen von Filmfirmen auf die herannahende Krise hin. Damit lassen sich – wie auch die Vorgängerfilme Mitte der 1930er Jahre – auch die Remakes in einer Zeit filmwirtschaftlicher Probleme und des Wandels verorten. Die Analysen von Vorgängerfilmen und Remakes zielen auf die vergleichende Untersuchung des Wandels. Die Filme werden hierfür erstens im spezifischen filmgeschichtlichen Kontext verortet. Vorgängerfilm und Remake stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. Das Fundament für die Untersuchung der Wandlungs- und Anknüpfungsprozesse bilden die Umdeutungen im Figurenensemble durch Drehbuchund Inszenierungsveränderungen wie auch durch Neubesetzungen. So können die allgemeinen Befunde des systematischen Teils – etwa die Frage nach der Inszenierung von Männlichkeit und Weiblichkeit ebenso wie die Beobachtungen zu den Generationenkonflikten – in vergleichender Perspektive in der Mitte der 1950er Jahre diskutiert werden. Darüber hinaus verhandeln und inszenieren die Filme je eigene Themen: Frühjahrsparade (A/HU 1935)/ Die Deutschmeister (A 1955) die Repräsentation des Militärs und der Habsburger Monarchie, Der Herrscher (1937)/ Vor Sonnenuntergang (1956) sowohl Lesarten des Hauptmann-Dramas als auch die Inszenierung von männlicher Autorität, Schloss Hubertus (1934/1954) schließlich ebenfalls letzere, aber auch die Ausdeutung eines populären Romans und die Inszenierung von Natur und Landschaft. Entsprechend haben die Detailanalysen kein einheitliches Forschungsdesign, sondern orientieren sich strukturell am filmischen Material selbst.

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Detailanalysen

1. FRÜHJAHRSPARADE (A/HU 1934) und DIE DEUTSCHMEISTER (A 1955) Im Verleihjahr 1955/56 stand ein Film aus Österreich auf dem dritten Platz der deutschen Filmerfolgsliste.1 Die Hauptdarstellerin, Romy Schneider, avancierte zu einem der bekanntesten Gesichter des 1950er-Jahre-Films, vor allem durch die Rolle der Sissi in der gleichnamigen Trilogie unter der Regie Ernst Marischkas. Neben Mädchenjahre einer Königin (1954) kann man Die Deutschmeister (1955) als Vorbote des Sissi-Erfolgs betrachten. Dass 20 Jahre zuvor nach der gleichen Drehbuchvorlage ein »Film aus ÖsterreichUngarns Vergangenheit« von Joe Pasternak produziert worden war, ist weitgehend vergessen. Beide Verfilmungen basieren auf demselben Drehbuch von Ernst Marischka und im Remake nimmt der Autor – 1955 auch Regisseur des Films – am Handlungsablauf nur geringfügige Änderungen vor.2 Mit Hans Moser und Paul Hörbiger sind auch Nebenrollen im Remake identisch besetzt. Robert Stolz als Komponist beider Verfilmungen garantiert auf mehreren Ebenen die Präsenz und Publikumswirksamkeit des Musikfilms. Dennoch zeitigen sowohl die Neubesetzung der weiblichen Hauptrolle als auch kleinere dramaturgische Verschiebungen sowie der Uraufführungskontext ernstzunehmende Konsequenzen für die Bewertung der Diskurse um Weiblichkeit und Militär. Sie bewegen sich zwischen der Eigenlogik von Mediengeschichte auf der einen und politischen Erfahrungen, Kontexten und gesellschaftlichen Veränderungen auf der anderen Seite. In der Analyse des Vorgängerfilms wird zunächst eine – zumindest in der Filmgeschichtsschreibung der Bundesrepublik über die NS-Zeit – eher selten thematisierte Episode des Übergangs nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten vorgestellt werden. Darüber hinaus zeigt der Film die Spezialitäten und Kontinuitäten des Unterhaltungskinos bis Mitte der 1930er Jahre. Den Übernahmen zum Trotz wird mit dem Remake der Vorgängerfilm grundlegend umgedeutet. Den Veränderungen der Inszenierung und der Diskurse und ihrer Verortung in Film und Gesellschaft ist die zweite Analyse verpflichtet, die von der Unterhaltungsgeschichte des Stoffes gerahmt ist. Denn schon 1940 wird in den USA ein erstes Remake gedreht, 1950 Frühjahrsparade als Reprise in der Bundesrepublik wiederaufgeführt und zu Beginn der 1960er Jahre schreibt der Komponist aller drei Verfilmungen, Robert Stolz, eine gleichnamige Operette.

1 Garncarz 2013, S. 189. 2 Der gleiche Vorgang findet sich im Jahr davor bereits beim Remake Ernst Marischkas von Mädchenjahre einer Königin (1954/1936, Engel). Eine vergleichende Analyse, vgl. Frank 2012.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

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Seine Biografie verdeutlicht en passant, wie eng deutsche Kulturgeschichte mit Emigrationsgeschichten verwoben ist.

1.1

FRÜHJAHRSPARADE (A/HU 1934/1935)

1.1.1 Entstehungskontext und Produktionsgeschichte Frühjahrsparade wird am 21. September 1934 in Wien uraufgeführt.3 Bei der Biennale in Venedig vom 1. bis zum 20. August 1934 erhielt der Film als ungarische Produktion die Medaglia del porto industriale di Marghera per il miglior film musicale.4 Es ist die letzte Produktion mit der jüdischen Hauptdarstellerin Franziska Gaal, die im Deutschen Reich aufgeführt wird. Im Verleih der RotaFilm A.G., die den Film unter dem Titel »Deutschmeistermarsch« bereits im August 1934 angekündigt hat,5 feiert er am 8. Februar 1935 seine deutsche Uraufführung im Berliner Atrium. Zu dieser erscheint von den Schauspielern und dem Produktionsstab jedoch nur Hans Richter, der »sich genötigt [sah, SMF], seine gefeierten Mitspieler zu entschuldigen«.6 1957 reflektiert im Film-Telegramm der nach London emigrierte Publizist PEM über die Pasternak-Produktionen nach 1933: Joe Pasternak war der Erste, der bewußt die neuen Rassengesetze in seine Projekte einbezog, indem er sie mißachtete. Als Abgesandter des alten »Papa« Carl Laemmle hatte er gerade im Rahmen der »deutschen Universal« einen neuen Star entdeckt – Franziska Gaal. Nun siedelte er mit dieser temperamentvollen Ungarin und seinen Mitarbeitern nach Österreich über, um, wie man damals sagte »unabhängig« zu produzieren; unabhängig von der neuen, deutschen Gesetzgebung und also ohne Rücksicht auf den deutschen Absatzmarkt.7

Diese »fast vergessene Episode der deutschen Filmgeschichte«, die PEM hier in erster Linie auf die »unabhängigen Produktionen« Österreichs münzt,8 erzählt ein Stück selten bearbeiteter deutschsprachiger Filmgeschichte. Neben Öster3 Vgl. Ballhausen / Canepelle 2009, S. 52. 4 Vgl. Laura 1985, S. 29. 1934 wurde auch It happened one Night auf der Biennale mit der Medaglia della Compagnia italiana grandi alberghi ausgezeichnet. Als deutsche Beiträge wurden Flüchtlinge und Reifende Jugend gezeigt, vgl. ebd., S. 27f. Das Angebot war insgesamt sehr breit, um »den italienischen Film durch den Vergleich mit den besten Produktionen der Welt zu besseren Leistungen anzuregen«, May 2009, S. 143. 5 FK, Nr. 192, 17. 8. 1934, 16. Jg. 6 G. H.: »Frühjahrsparade«, in: FK, Nr. 34, 9. 2. 1935, 17. Jg. 7 PEM: »Eine fast vergessene Episode der deutschen Filmgeschichte – die Jahre 1933 bis 1935«, in: FTG, Nr. 3, 15. 1. 1957, 5. Jg. 8 PEM ist das Pseudonym des Journalisten Paul Marcus, der nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus Deutschland gen Wien floh und nach London emigrierte, vgl. Pem 2009, S. 21ff.

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Detailanalysen

reich muss hier Ungarn unter dem Reichsverweser Mikljs Horthy und dem Ministerpräsidenten Gyula Gömbös, in dessen Regierungszeit am Anfang der 1930er Jahre Filmangelegenheiten dem Ministerium des Inneren unter Franz Vit8z Kersztes-Fischer zugeordnet waren, berücksichtigt werden.9 Die antisemitische und rassistische Politik der Nationalsozialisten setzte nicht nur Maßstäbe in Deutschland, sondern ebenso für die beiden Länder mit einer deutschsprachigen Filmproduktion im Zuge der Einfuhrbestimmungen, die sich im Laufe der 1930er Jahre in offiziellen Vereinbarungen manifestieren werden. Die Gründung der Reichsfilmkammer am 14. Juli 1933 beendete – bis auf wenige Ausnahmen – die Arbeitsmöglichkeiten jüdischer Filmschaffender in Deutschland endgültig. In der zweiten Jahreshälfte 1933 intensivierte sich die Emigrationsbewegung. Sowohl Österreich als auch Ungarn boten für Filmschaffende – Wien mindestens als Durchgangsstation ebenso für verfolgte Schriftsteller, Journalisten und Theaterleute10 – mit ihren deutschsprachigen Produktionen naheliegende Fluchtpunkte.11 Die Möglichkeit, mit ihren zum Teil langjährigen Erfahrungen weiter ihren Berufen nachgehen zu können, wird wenige Jahre später vernichtet. Im Zuge der Filmverkehrshandlungen am 5. und 6. Februar 1935 entfaltete die Bestimmung von 1932, dass ein »deutscher Bildstreifen« an die deutsche Staatsangehörigkeit der Filmschaffenden geknüpft wurde, für die österreichische Produktion ihr antisemitisches Potential. Denn nun war die österreichische Staatsbürgerschaft der deutschen formal gleichgestellt, gleichzeitig konnten so rassische Kriterien auch für die Filme des Nachbarlandes greifen.12 In Ungarn wirkten ähnliche, zunächst interne Vorgaben: Bereits im Dezember 1933 meldete das Kgl. Ungarische Innenministerium dem Gesandten in Berlin, dass es gelungen sei, im Film Rákóczi-Induló (Rákóczi-Marsch) »das jüdische Übergewicht zu verdrängen«.13 Am 19. Juli 1934 bestätigte die staatliche Hunnia Filmfabrik AG, dass im Film Ich und Du »keine aus Deutschland emigrierten 9 Vgl. 1932–1935 drei Jahre Regierung Gömbös. Budapest, 1935. Die folgenden Ausführungen zur Produktion in Österreich und Ungarn stützen sich auf die kluge Publikationen Unerwünschtes Kino sowie den exzellenten Aufsatz Ren8 Geoffreys, vgl. Loacker / Prucha 2000, S. 94ff. und Geoffrey 2001. 10 Man denke etwa an Roda Roda oder Curt Riess oder an Max Reinhardt und seine Ehefrau Helene Thimig, die nach der Machtübernahme in Wien in Reinhardts Theater in der Josefstadt arbeiten konnten. Nach der Uraufführung von Franz Werfels Schauspiel In einer Nacht 1937 verließen beide das Land und ging ins Exil in die USA, vgl. u. a. Haider-Pregler 1999, S. 112f. 11 Nach Wien emigrierten aus der Filmbranche 1933 unter anderem die Regisseure Richard Oswald und Max Neufeld, die Schauspieler Peter Lorre und Kurt Gerron. In Budapest trafen etwa zur gleichen Zeit die Schauspieler Tibor von Halmay und Szo˝ke Szak#ll, Gitta Alp#r und Franziska Gaal und der Filmkomponist Paul Abraham ein. 12 Ausführlich zu den Verhandlungen, vgl. Loacker / Prucha 2000, S. 21ff. 13 Zitiert nach: Geoffrey 2001, S. 12.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

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Juden, unseres besten Wissens nach mitgewirkt haben«.14 1936 ist in einem »Pro Memoria« des Kgl. Ungarischen Innenministeriums die Übernahme des Arierparagraphen für die nach Deutschland zu exportierenden Filme dokumentiert.15 Mit der Manifestation deutscher Rassekriterien für den deutschsprachigen Film aus dem Ausland standen die Filmschaffenden 1935 vor den Alternativen einer (weiteren) Emigration oder dem Aufbau einer Filmproduktion, die auf den deutschen Absatzmarkt verzichtete. Die Gründung der ersten unabhängigen Produktionsgesellschaft in Österreich, der Wiener Film KG, Morawsky und Co., fand zahlreiche Nachahmer. Auch die aus Berlin emigrierte US-amerikanische Tochtergesellschaft Universal Pictures GmbH, die mit der Tonfilmumstellung massiv in die deutsche Filmproduktion investiert hatte,16 wich zur weiteren Produktion nach Österreich und Ungarn aus. In Ungarn hat die Tonfilmproduktion erst 1931 begonnen und erlebte in den darauffolgenden Jahren einen Aufschwung, der mindestens bis 1938 mit einer beachtlichen quantitativen Steigerung des ungarischen Films auf dem internationalen Markt korrespondierte. Auch die um das Jahr 1932 modernisierten und vergrößerten Filmateliers in Budapest sowie die im internationalen Vergleich geringen Herstellungskosten machten für die Universal-Tochter die Produktion in Ungarn attraktiv.17 1934 ließ sie unter der Regie von Max Neufeld etwa den Film Csibi, der Fratz drehen, dessen weibliche Hauptrolle auch mit Franziska Gaal besetzt war. An ihrer Seite spielte Hermann Thimig, die künstlerische Oberleitung verantwortete Richard Eichberg. Der Film lief unter dem Verleihtitel Früchtchen in den deutschen Kinos.18 Die Firma spekulierte darauf, dass »ein in Österreich hergestellter Film mit Franziska Gaal keineswegs zur Zensur in Deutschland zugelassen werde, ein solcher in Ungarn produzierter dagegen keine Schwierigkeiten hätte.«19 Ein letztes Mal ging diese Rechnung bei Frühjahrsparade auf. Der Film wird im April und März 1934 im Budapester Hunnia-Atelier Film als Gemeinschaftsproduktion der Deutschen Universal Film A.G., Universal Film Holding A.G. und der Universal Film R.T., Budapest gedreht. Die Dreharbeiten werden von reichsdeutschen Filmzeitschriften durchaus begleitet.20 Während Armin Loacker und Martin Prucha in ihrer hier oft zitierten Auf14 15 16 17 18 19 20

Zitiert nach: ebd., S. 13. Vgl. ebd., S. 12ff. Ausführlich zur Firmengeschichte, vgl. Loacker 2001. Vgl. Geoffroy 2001, S. 9ff. und 22f. Vgl. u. a. »Früchtchen«, in: FK, Nr. 48, 24. 2. 1934, 16. Jg. Loacker / Prucha 2000, S. 38. Vgl. »So filmt Ungarn«, in: FK, Nr. 95, 23. 4. 1934, 16. Jg., »Frühjahrsparade«, in: FK, Nr. 34, 9. 2. 1935, 17. Jg. und die Zensurkarte Frühjahrsparade, Prüfnummer 38253 vom 9. 1. 1935.

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Detailanalysen

arbeitung Unerwünschtes Kino über die österreichische Produktion der Emigranten abseits des deutschen Marktes damit argumentieren, dass Frühjahrsparade »mit erstklassigen ›arischen‹ deutschen, österreichischen und ungarischen Kräften« aufwartet,21 dokumentiert Ren8 Geoffroy die Schwierigkeiten, vor die Film und Filmschaffende vor einer Freigabe auf dem deutschen Markt gestellt waren. Neben den Filmschaffenden, die nach nationalsozialistischen Rassekriterien jüdisch waren – die Hauptdarstellerin Franziska Gaal und der Produzent Joe Pasternak – sind die »erstklassigen Kräfte« sicherlich der Drehbuchautor Ernst Marischka und der Regisseur G8za von Bolv#ry sowie der Filmkomponist Robert Stolz. Daneben arbeitete Josef von Baky seit 1928 und so auch bei diesem Film als Regieassistent für Geza von Bolv#ry. Es spielten unter anderem Wolf Albach-Retty, Hans Moser, Paul Hörbiger, Theo Lingen, Tibor von Halmay und Adele Sandrock. Frühjahrsparade erhielt am 4. September 1934 zunächst einen negativen Bescheid vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das die Besetzung der Hauptrolle mit Franziska Gaal monierte. Erst auf das persönliche Engagement des ungarischen Reichsinnenministers Franz Vit8z Kersztes-Fischer hin wird das Verbot aufgehoben und der Film am 9. Januar 1935 freigegeben.22 Wie Geoffrey in seinem materialreichen Aufsatz argumentiert, spiegelt die Auseinandersetzung um Frühjahrsparade die stillschweigende Übernahme und Durchsetzung der antisemitischen Personalpolitik der nationalsozialistischen deutschen Regierung in Ungarn, die im Filmabkommen der Länder schließlich dokumentiert wird.23 Noch vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich muss die unabhängige österreichische Produktion aus wirtschaftlichen Gründen und durch die Emigration prominenter Filmschaffender aufgeben. Joe Pasternak etwa kehrte 1936 in die USA zurück, Herman Kosterlitz (Henry Koster) ging mit ihm, es folgten 1937 Franziska Gaal und ihr damaliger Ehemann, der Drehbuchautor Felix Joachimson.24 1.1.2 Rezensionen, Reaktionen Dass Frühjahrsparade mit einer jüdischen Hauptdarstellerin besetzt ist, ignorieren sämtliche Rezensenten im Reich geflissentlich – ebenso wie die Produktionssituation des Films. Unerwähnt bleiben aber kann die Hauptdarstellerin auch nicht, denn der Film ohne sie, »das wäre ungefähr so gewesen, als 21 Loacker / Prucha 2000, S. 39. Mitte 1937 entsteht als letzte unabhängige Produktion Der Pfarrer von Kirchfeld unter der Regie von Luise Kolm-Velt8e-Fleck und Jakob Fleck. 22 Vgl. Geoffrey 2001, S. 14 und Zensurkarte Frühjahrsparade, Prüfnummer 38253 vom 9. 1. 1935. 23 Geoffroy 2001, S. 13ff. Ausführlich zur ungarischen Gesetzgebung, vgl. S#ndor 2000. 24 Weniger 2011, S. 178.

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hätte man den Blauen Engel ohne die Dietrich drehen wollen.«25 Für die Rezensenten liefert das Medium selbst ausreichend Anknüpfungspunkte; etwa den überragenden Erfolg ihres Debütfilms Paprika (1932, Carl Boese): »Der Star, das Nichtlein, Blume aus Ungarland: Franziska Gaal. Schelmisch, pfiffig, rosenrot. Was für die Herzen. Dazu zweifelsohne begabt. Wir kennen sie ja.«26 Hier zeigt sich deutlich die Ambivalenz der Übergangszeit im Film nach 1933. Einerseits griffen die filmpolitischen Vorgaben rasch, wenn man sich etwa die Zahlen der entlassenen und emigrierten jüdischen Filmschaffenden vergegenwärtigt. Andererseits blieben sowohl das Filmangebot durchaus vom internationalen Markt als auch die Publikumsvorlieben vom frühen Tonfilm geprägt. So wartet etwa Die deutsche Filmzeitung, bis zum Abdruck des Reichslichtspielgesetzes »Mitteilungsblatt der Hauptabteilung Film der Reichsleitung der NSDAP, München«,27 1934 regelmäßig mit antisemitischen Artikeln und Ausfällen auf.28 Wortreich wird vom Filmkritiker gefordert und gegiftet, dass »[…] er die im Film auftretenden und daran mitwirkenden Juden immer wieder als solche bezeichnet.«29 In der gleichen Ausgabe wird genau das aber nicht getan. In der Rezension von Früchtchen (1934) werden die Anzüglichkeiten beklagt, die Richard Eichberg »als Oberinszenator« und sein Regisseur Max Neufeld inszenieren: Die Frage bleibt nur, welche Filme in die Führung gehen und welche Führerschaft im Publikum entscheidet. Nicht, daß man den Menschen die kleinen Freuden des Lebens verderben und griesgrämig und muckerisch bei jedem kleinen Seitensprunge die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen soll, aber diese Mischung aus einer tollen, einfallsfrechen Komödie mit dem Scheine der Wurmstichigkeit verdirbt im eigentlichen Sinne des Wortes den Geschmack an dem im Grunde keineswegs reizlosen Motiv.30

25 Geoffrey 2001, S. 13. 26 »Frühjahrsparade«, in: Der Film, Nr. 6, 3. 2. 1935, 11. Jg. 27 Deutsche Filmzeitung, Nr. 8, 25. 2. 1934, 13. Jg. Ab der nächsten Ausgabe »Wochenzeitschrift für das gesamte Lichtspielwesen«, Deutsche Filmzeitung, 4. 3. 1934, 13. Jg. 28 Allgemein, vgl. »Jüdische Filmemigranten arbeitslos«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 10, 11. 3. 1934, 13. Jg.; »Rassenlehre und Filmproduktion«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 20, 20. 5. 1934, 13. Jg.; »Vertrag ist Vertrag«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 37, 16. 9. 1934, 13. Jg. oder »Der deutsche Film und die Juden«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 42, 21. 10. 1934, 13. Jg. Vor allem gegen Richard Oswald, vgl. u. a. »Arbeitet Richard Oswald wieder in Deutschland?«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 3, 21. 1. 1934, 13. Jg.; »Nochmals ›Richard Oswald‹«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 7, 18. 2. 1934, 13. Jg.; »Und nochmal ›Richard Oswald‹«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 8, 25. 2. 1934, 13. Jg. 29 Er schlussfolgert: »Indem man so dem deutschen Volksgenossen sämtliche Juden im Film vorstellt, gibt man ihm ein Bild davon, wie wenig der deutsche Film noch dem Ideal eines rein deutschen Kulturguts entspricht«, »Die jüdischen Darsteller und der Kritiker im neuen Staat«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 9, 4. 3. 1934, 13. Jg. 30 »Früchtchen«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 9, 4. 3. 1934, 13. Jg.

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Das sind Befürchtungen um Sittlichkeit und Publikumsgeschmack, die sich natürlich als antisemitische Hetze lesen lassen, aber nicht die oben genannten Forderungen umsetzten. Diese Ambivalenz aus politischen Vorgaben und Zuschauerinteressen balancierte auch die Filmkritik der Frühjahrsparade aus. Sie produziert ironisch eine eigentümliche Mischung aus Geringschätzung und Gefühlsseligkeit: Verwittert und rührend wie der alte Kaiser Franz Josef ist Oesterreich-Ungarn in den Film eingegangen. Was die Geschichtsbücher dem glücklichen Austria befehlen, nämlich das Heiraten, wird vom Filmösterreich wacker erfüllt. Man hat schon viele österreichische Heiraten gesehen, aber immer wieder fällt den Autoren was Altes ein. Diesmal ist es die klassische große Operettenhandlung. Wir haben zu Anfang nur ein kleines ungarisches Mäderl in einem kleinen ungarischen Dörferl mit einem strengen Vaterl. Was wäre aus ihr wohl geworden, hätte sich der Film ihrer nicht erbarmt. Wir brauchen nicht darüber nachzusinnen, der Film hat sich ihrer erbarmt.31

Soviel Spott auch aus dem Urteil des Rezensenten der Deutschen Filmzeitung spricht und so sehr sich die Kollegen Kritiker einig sind über die »zweihundertsechsundreißigste Geschichte aus Wien, der Stadt unserer Filmträume«,32 genauso so berichten sie unisono von einem begeisterten Publikum: Im Ernst: wer das Büchlein ernst nimmt, gehört eingesperrt, »bis er schwarz wird«. Man soll sich da nicht auseinandersetzen. Liebe am untauglichen Objekt. Dem Publikum gefällt es doch. Es zwitscherte. Es grunzte. Es schmunzelte. Es amüsierte sich. Es warf dazwischen »Ach, wie reizend, nein, wie süß!« Es lachte. Es prasselte Beifall in die offene Szene. Schließlich entscheidet immer noch der Erfolg.33

Die Sorgfalt der Inszenierung von der Besetzung bis zur Kamera und der militärische Aufmarsch am Ende sind ein zweiter, immer wieder betonter positiver Aspekt: Die große Frühjahrsparade ist nun zum Entzücken gar. In der zweiten Nachmittagsvorstellung, die ich hörte, haben die Leute bei der Parade geklatscht. Es ist überwältigend, den Aufwand der k.u.k-Monarchie in voller Ausbreitung zu sehen und die leichte Traurigkeit, mit der man an den gefällten Donauriesen denkt, tut das Ihre dazu. Geza von Bolvary führt mit großer Operettenlinie. Robert Stolz schmeichelt mit einer Musik von unverkennbarem Wiener Dialekt. Er hätte dem Deutschmeistermarsch bei der Parade noch mehr Militärorchesterglanz verleihen dürfen. Die jüngste Ausstattungsoperette großen Stils.34

Die Rezensionen im Deutschen Reich verweisen aber nicht nur auf die Ambivalenzen der Übergangszeit des Films nach der historischen Zäsur 1933, son31 32 33 34

»Frühjahrsparade«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 5, 3. 2. 1935, 14. Jg. »Frühjahrsparade«, in: FK, Nr. 34, 9. 2. 1935, 17. Jg. »Frühjahrsparade«, in: Der Film, Nr. 6, 3. 2. 1935, 11. Jg. E.K.: »Frühjahrsparade«, in: Deutsche Filmzeitung, Nr. 5, 3. 2. 1935, 14. Jg.

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dern vor allem auf die Verortung des Films in der Tradition der zeitgenössischen Operette und der Tonfilmoperette durch die Kritiker, die den frühen deutschen Tonfilm maßgeblich prägte. Bevor jedoch die Dramaturgie analysiert werden kann, sei die »verhältnismäßig kleine Handlung«35 des Films geschildert. 1.1.3 Die »verhältnismäßig kleine Handlung« Aufblende: Aus einer Kirche auf dem ungarischen Lande treten unter Orgelklängen Menschen in Trachten. Die junge Protagonistin Marika steht an einem Jahrmarktsstand, verschwindet in der Menge und kauft ein Los. Sie verwahrt es im Dekollet8. In der Küche verliest sie dem Hund Marci, einem »ungarischen Schäferpulli«,36 langsam und staunend im Singsang des Landes die – zuvor als Text eingeblendete37 – Prophezeiung: In der Kaiserstadt Wien wird sich in kurzer Zeit ihr Schicksal erfüllen! Sie werden sehr glücklich werden. Zwei Männer werden ihren Weg kreuzen – ein Edelmann und ein Künstler. Aufregungen stehen ihnen bevor. Sie werden einen Stein ins Rollen bringen und ein hoher Herr wird dabei entscheidend in die Speichen ihres Glücksrades eingreifen. Glückszahlen 4, 65 und 78.

Nahaufnahme der nackten Füße, das Landmädchen Marika kehrt der Kamera wandernd den Rücken, die guten Stiefel trägt sie geschultert. Sie steigt auf einen Heuwagen, drei Jungen mit Geigen begleiten die Fahrt, der Hund rennt hinterher. Marika trällert ihr Lied: »Ich freu mich, wenn die Sonne lacht«.38 Unterdessen schimpft in einer Wiener Bäckerei die Tante Marikas (Annie Rosar) mit dem Berliner Lehrling Fritz (Hans Richter). Er muss ihr, da sie angeblich ihre Brille verlegt hat, den Brief über das Kommen der Nichte vorlesen. Sie schwärmt von dem Kind. Das »Kind« in bäuerlicher Tracht beginnt unterdessen in Wien mit Hund, Schirm und Proviantbeutel die Bäckerei zu suchen und wird vom Gendarm (Leo Resnicek) prompt zum Kostümball in den Radetzky-Saal geschickt. Das Verwechslungsspiel beginnt, als Marika ein Taschentuch zurückgeben will, das eine der Damen verlor. Noch im Foyer reiht ein Ballettmeister sie in einen Kostümzug der Ungarn ein. Trotz mehrmaliger Fluchtversuche muss sie den Tänzern hinterhertappen. Begeistert wippt sie mit den Tänzerinnen und Tänzern mit und fällt Baron Zorndorf (Theo Lingen) auf. Marika wird aufgrund des Taschentuchs als »Nichte des ungarischen Handelsministers« in eine Loge 35 »Frühjahrsparade«, in: Paimann’s Filmlisten, Nr. 959, 24. 8. 1934, 19. Jg. 36 Ankündigung der Reprise von Frühjahrsparade, »Information für Theater und Presse«, vgl. Pressemittel-Sammlung, Deutsches Filminstitut – DIF e.V. 37 Die vorliegende Fassung aus dem BA/FA ist die französische Version des Filmes Parade du Printemps, weshalb hier Marika selbst zitiert wird. 38 Der Foxtrott beginnt mit den Zeilen »Ich freu mich, wenn die Sonne lacht. Ich freu mich, scheint der Mond bei Nacht. Ich weiß auch selber nicht, warum. Ich bin halt dumm«.

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gebracht, in der Zorndorf sie und die Stickerei auf dem Taschentuch entdeckt. Dass sie beim Tanz nicht nur eine Zwiebel, sondern auch eine Zahnbürste verliert, irritiert den Verliebten kaum, vielmehr entzückt ihn, dass sie »echt bis ins kleinste Detail« (Zorndorf) sei. Er kutschiert die vermeintliche Comtesse bis vor die Tür der Tante. Fritz kommentiert lakonisch: »Det is ja keen Kinderwagen!« Das Wiedersehen mit der Tante wird von Marikas Begeisterung getragen, die vom nächtlichen Fest, dem »Mulatschak« (Vergnügen), berichtet. Ihr Temperament bestimmt auch die kurze Einführung der Bäckerei, singend und summend. Auf der Straße laufen die Menschen mit den musizierenden Deutschmeistern. Der Trommler Wilhelm August Jurek (Wolf Albach-Retty) sieht Marika und sie ihn. Die strenge Tante schimpft. Aber Marika kontert seufzend: »Nu weißt du, wenn ich die Musik hör’ – joi – da werd’ ich schwach.« Baron Zorndorf sucht in der Parallelmontage derweil seine Comtesse auf und landet bei der Gräfin Burgstätten (Adele Sandrock), die über das vermeintliche Doppelleben ihrer ahnungslosen Nichte (Piri Vaszary) entsetzt ist; endgültig kompromittiert, als der Baron Zahnbürste und Strumpfband zurückgibt; rehabilitiert, als er seine Heiratspläne kundtut. Während Jurek zur Bäckerei eilt, plaudert Marika im Laden mit der Freundin des Feldwebels Mittermaier (Fritz Imhoff). Als Jurek das Geschäft betritt, bahnt sich ein zaghaftes Geplänkel an. Er erzählt von seinen Kompositionsversuchen »mit Gefühl«. Sein Onkel, der Friseur Swoboda (Hans Moser), beklagt sich in der Parallelmontage bei Hauptmann Weber (Anton Pointner) über die brotlose Kunst des Neffen. Er konstatiert, dass alle wichtigen Komponisten, »Mozart, der Schubert, der Beethoven« erst nach ihrem Tode berühmt geworden seien und sich doch insgeheim einen Vormund wie ihn gewünscht hätten. Baron Zorndorf muss sich derweil vom Lehrling frisieren lassen. Als die Tante die Bäckerei betritt, schafft es Jurek gerade noch, sich mit Marika für den Abend zu verabreden; die Tante schenkt Marika, die mit einem ungarischen Haarschmuck angereist war, einen Wiener Hut. Die Gräfin unterdessen eröffnet ihrer verwirrten Nichte die baldige Hochzeit: »Mach dich schön, soweit das möglich ist.« In der Garnison bekommt Jurek Ausgang, allerdings mit dem Verbot, im Heurigen einzukehren. Als der Feldwebel Mittermaier die Karten stempelt, imitiert Jurek den Takt und die Komposition des Deutschmeistermarsches nimmt summend ihren Anfang, Abblende. Marika und Jurek treten in den Heurigen ein. Drei Sänger geben »Es gibt nur eine Stadt, da liegt was drin […] Weißt, Kinderl, wo man blond sein muss, sonst kommt man dort zu keinem Kuss.« Marika ist entsetzt, aber Jurek beschwichtigt singend: »Weißt, dass man hier auch braun sein kann, es kommt nur auf das Herzerl an.« Parodistisch ist das Treffen der im Heurigen illegalen Soldaten inszeniert: Als Jurek den Korporal Stadler (Tibor von Halmay) stellt, tritt Feldwebel Mittermaier hinzu und sie vereinbaren Stillschweigen. Unterdessen entdeckt Baron Zorndorf bei der Gräfin in einer Klamaukszene, dass er der

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falschen Frau gegenübersteht, die aber Gefallen an ihm findet und der strengen Tante dankbar ist, die jedes Widerwort des Barons unterbindet. Marika gesteht Jurek, dass sie zum dritten Mal glücklich sei – nachdem ihr ein »Zahn nachgewachsen« sei und ein Schwein ein Junges bekommen habe. Die Musiker treten zu ihnen, Marika singt das Lied zur Walzermelodie »Singend, klingend ruft dich das Glück«, der Chor übernimmt, alle tanzen ausgelassen: Mittermaier mit seiner Freundin, der kleine Korporal Stadler mit seiner dicken Blondine. In der Parallelmontage bestaunen Fritz und die besorgte Tante das tiefe Schnarchen der ausgerissenen Nichte: Der wahre Verursacher ist ihr Hund. Als Marika und Jurek Brüderschaft trinken und er sie küssen will, klopft das Mädchen lebhaft: »Nein, nein, nochmal nein!« Der aufgeregte Willi lässt sich ein Notenblatt geben und komponiert daraufhin den Deutschmeistermarsch: »Wir san vom k.u.k-Infanterieregiment Hoch- und Deutschmeister Nummero vier«. In einer langen Sequenz singen alle mit, Jurek und Marika, Stadler und Mittermaier je ein Solo. Das Tempo steigert sich ins Ausgelassene, die Gäste stehen vor Begeisterung – bis der Hauptmann zur Inspektion erscheint. Die Soldaten fliehen, Marika steckt am Klavier die liegengebliebenen Notenblätter ein, während Jurek und Mittermeier mit vier Wochen Kasernenarrest bestraft werden. Marika tritt zum verwirrten Jurek und muntert ihn auf: »Der Marsch ist trotzdem turi!« Zwar bemerkt sie seine Verzweiflung, die er aber herunterspielt: »Hauptsache ich hab dich kennengelernt und ich liebe dich.« Ein Liebeslied singt derweil auch die Nichte dem Baron, der gelangweilt im Sessel sitzt. Hier findet sich ein Verweis auf die Bühnenoperetten der Zwischenkriegszeit, die den abgeschafften Adel »mit schadenfroher Verachtung belächeln«.39 Auf der nächtlichen Straße ist Jurek besorgt wegen seines grantigen Vormunds, des Friseurs. Marika erinnert sich an ihre Prophezeiung und ist fest entschlossen, »den Stein ins Rollen« zu bringen. Sie küssen sich zum Abschied. Als sie sich durch die Bäckerei schleicht, fliegt ihre heimliche Abwesenheit auf: Ihren Schatten sehend, flieht Fritz erschrocken vor der Erscheinung. Die erboste Tante nimmt die umtriebige, ertappte Nichte gleich in die Lehre des Salzstangerlbackens. Während Marika den Teig walkt, singt sie den Marsch des Liebsten und sinniert über ein musikalisches Salzstangerl, in das sie das Notenblatt einbackt. »Der rollende Stein« sieht nun vorerst so aus: Aufblende Schloss. Darin sitzt der Kaiser am Schreibtisch und findet im Salzstangerl die Noten und einen Brief Marikas. Lachend beschwert er sich beim Diener. Stolz berichtet der Hauptmann unterdessen Swoboda, den resistent komponierenden Neffen »eingesperrt« zu haben. Der Friseur erregt sich explosionsartig. Dabei verbrennt – unrettbar – der gehegte Bart des Hofrats (Hans Homma). Bei einer Parade der Deutschmeister durch die Stadt können sich Marika und Jurek sehen, der verliebte Trommler 39 Lichtfuss 1989, S. 121.

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lässt sein Instrument weiterfahren. Der Baron – offensichtlich immer noch entzückt von dem ungarischen Mädchen – gibt ihr seine Adresse und bietet ihr Hilfe an, »bei Tag und Nacht«. In der Bäckerei muss Marika erleben, wie der Hofrat der Tante die Einstellung der Lieferungen an den Kaiser verkündet und ihr jede Hilfe kategorisch verweigert. Beide Frauen schluchzen. Beherzt bittet Marika daraufhin den Baron, ihr eine Audienz zu ermöglichen – nicht beim Kaiser von Österreich, sondern bei »mein[em] König von Ungarn«. Er hilft, kleidet das junge Mädchen ein, lehrt sie die spanische Hofetikette und führt sie in den Park aus. Auf der Hauptallee werden die beiden von Jureks Kameraden gesehen. Als der arretierte Jurek beim Kartenspielen Hochzeitspläne schmiedet, tratscht Stadler über Marikas Kavalier und dessen Equipage. Der empörte Jurek rennt zur Bäckerei, versteckt sich, sieht schließlich selbst Marika und den Baron ankommen und belauscht eine Verabredung für den nächsten Tag. Gemeint ist die Audienz, aber ahnungslos unterstellt der Eifersüchtige Betrug und raucht verbittert. Doch am Ende wird alles gut: Im Kaiserpalast tritt Marika ins Foyer und wird zum Kaiser gerufen, dem sie mit zahllosen Knicksen begegnet. In einer SchussGegenschuss-Inszenierung lässt sich »Herr Majestät« von der Naivität des jungen Mädchens gefangennehmen, erlaubt die Fortsetzung der Lieferung und verspricht ungefragt die Begutachtung der Komposition. Marika geht, der Diener ist erleichtert, der Kaiser entzückt über die »sehr schöne Viertelstunde«. Während Marika im Gehen »Ich bin halt dumm« trällert, schwenkt die Kamera auf die ihr nachgaffenden Wachregimenter. In der Bäckerei verkündet sie der Tante, k.u.k-Hoflieferantin zu werden und eilt zum Liebsten. Aber am Zaun weist Jurek sie kalt ab. Zurück im Laden der Tante gratuliert der Baron Marika zu ihrem Erfolg beim Kaiser. Werbend tritt er ihr nahe und insistiert, sie könne wegen des Schmucks netter zu ihm sein. Marika weist ihn empört zurück. Als er sie dennoch küsst, ohrfeigt sie ihn, gibt ihm temperamentvoll den Schmuck zurück und kündigt an, das Kleid nachzuschicken: »Sie dürfen nicht glauben, dass ich kein Ehrgefühl habe, nur weil ich ein Mädchen aus dem Volk bin!« Aus der Bäckerei vertrieben, trifft der Baron die Gräfin und den Schmuck bekommt die Nichte. Bei der Probe der Deutschmeister verteilt der Kapellmeister die Noten eines neuen Marsches, Jurek mault. Die Frühjahrsparade beginnt, die Tante holt Marika, Fritz hat sich mit einem Anzug herausgeputzt, Swoboda kämpft mit seinem Frack. Die Equipagen fahren durch Wien. Der Aufmarsch beginnt: Infanterie und Kavallerie ziehen in weiten Totalen inszeniert über das Exerzierfeld. Marika jubelt ausgelassen, als sie Husaren sieht. Als Swoboda begeistert die Deutschmeister beklatscht, empört sich Tante Taschlmeier neben ihm über die Lautstärke. Marika sucht aus dem Publikum heraus nach Jurek und wird zum Kaiser bestellt, der nach dem Namen des Komponisten fragt, den sie nur ver-

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raten kann, »wenn er nicht eingesperrt wird«. Als der Kaiser das verspricht, ruft sie »Willi«, der beleidigt hinter seiner Trommel verharrt. Sie eilt durch die Menge, an Leuten und Soldaten vorbei zu den Deutschmeistern, zerrt den Verblüfften zur Majestät und stellt ihn vor. Der Kaiser lobt den Marsch und Jurek erfährt, dass er alles »dem kleinen Fräulein« zu verdanken habe. Vormund Swoboda stellt fest, dass die empörte Taschlmeier, die »schöne Frau« neben ihm, offenkundig zur Familie gehört. Das junge Glück versöhnt die Alten. Nach einer letzten Blende finden sich alle glücklich im Heurigen wieder : Der Feldwebel mit seiner Braut, Baron Zorndorf mit seiner neuen Verlobten, die Tante und der Vormund. Marika und Jurek laufen von der Tanzfläche zur Pauke, sie küssen sich. Nach einer Totale der Festgesellschaft wird das musikalische Märchen langsam abgeblendet. Filmende bestens. 1.1.4 Dramaturgie: Wahrnehmung als Filmoperette »Die jüngste Ausstattungsoperette großen Stils«,40 summiert der Rezensent in die Deutsche Filmzeitung München sein Urteil und hier wird deutlich, dass dieser Film von der Kritik als Operette rezipiert wurde. Selbst wenn man Frühjahrsparade nicht streng formal als Tonfilmoperette kategorisieren möchte,41 dominieren die Operettenelemente: Zuerst genannt sei die Antizipation des Geschehens und des happy ends durch die Weissagung am Beginn und die ungebrochen positive Heldin, deren Liebesglück – majestätisch unterstützt – am Ende in dem sorgsam ausgestatteten Finale seine Erfüllung zelebriert, das gleichzeitig den musikalischen und visuellen Höhepunkt markiert. Zweitens wird der Protagonistin mit ihrem Foxtrott-Lied »Ich freu mich, wenn die Sonne lacht« eine leitmotivische Melodie mit Charme und Ironie komponiert. Im Heurigen singt drittens das erste Paar sein Duett. Diese Szene lässt sich durchaus als erstes Finale rezipieren. Hier wird viertens ein weiteres, konstituierendes Merkmal sichtbar, nämlich die Stationendramaturgie des Films. Schließlich gestalten den Film keine Charaktere, sondern dezidiert Typen, und damit zeigt sich fünftens eine Verbindung zur Wiener Operette: Wenn 40 E.K.: »Frühjahrsparade«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 5, 3. 2. 1935, 14. Jg. Es ist übrigens die gleiche Filmzeitung, die 1934 zum Beginn des Verleihjahrs ätzte: »Als im vergangenen Jahr die vollständig verjudete Filmbranche von den übelsten Größen der Filmindustrie befreit wurde, da hob ein großes Geschrei an und die wildesten Prophezeiungen wurden ausgestoßen.«, »Vertrag ist Vertrag«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 37, 16. 9. 1934, 13. Jg, S. 1. 41 Im musikdramaturgischen Vergleich ist der Film nicht vom »Strukturprinzip der großen Operettenform« dominiert, selbst unter Berücksichtigung der Konzessionen an die mediale Eigenständigkeit, wie sie Michael Wedel aufzeigt, Wedel 2007, S. 261. Die Gesangspassagen sind zudem weitgehend handlungskausal motiviert. Der Film folgt formal eher den Konventionen der Revue- und Sängerfilme der Zeit.

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Martin Lichtfuss in seiner Studie Operette im Ausverkauf Libretti der Zwischenkriegszeit analysiert, lässt sich eine Reihe von vorgestellten Elementen auch in der Frühjahrsparade aufzeigen. Sie finden sich in den bereits erwähnten Abbildern der gesellschaftlich obsolet gewordenen Adeligen »als degenerierte Schatten ihrer selbst« und der Verzerrung im buffo-Paar,42 die sich in sämtlichen Szenen zwischen der Gräfin, ihrer Nichte und Baron Zorndorf zeigen. Ihnen gegenüber stehen die Kleinbürger, verortet in ihren Geschäften, und deren sympathische Fröhlichkeit. Auch die Verhandlung des Habsburger-Mythos sowohl in der Inszenierung der bestens integrierten, temperamentvollen Ungarin in der Wiener Gesellschaft wie auch in der Hypertrophierung Kaiser Franz Josephs und das inszenierte »Militäridyll« knüpfen an die Bühnenoperette der Zwischenkriegszeit an.43 1.1.5 Konstellationen: Figuren, Darsteller, Filmschaffende Mit der Verbindung zur Operette manifestiert sich noch einmal ein zentrales Merkmal des Films: die vergleichsweise einfache Geschichte im »alten Wien«, in der sorgfältig publikumswirksame Elemente – etwa Musik, Komik und Parade – inszeniert werden. Dabei bedingen sich populäre Anknüpfungsmomente und die Verarbeitung von gesellschaftlichen Diskursen – die Inszenierung einer historisch obsolet gewordenen Zeit und ihrer (musikalischen) Militärgeschichte – wechselseitig und entfalten darin ihre Wirkung. Wenn Walter Fritz in der Beurteilung des Films noch 1991 eine zeitgenössische Rezension zitieren kann, subsumiert das die konzeptuellen und dramaturgischen Grundlagen des Films: Man nehme die bekanntesten und publikumswirksamsten Darsteller, verbinde die Komik eines Militärlustspiels mit einem romantisch gesehenen Vorkriegs-Wien, lasse die Gestalt des alten Kaisers erscheinen und lege all dem die Entstehung eines bekannten und überaus populären Marsches zugrunde, man füge all dem noch ein großes militärisches Schauspiel hinzu, dann hat man etwa das Konzept zu diesem Film.44

Was dabei jedoch offen bleibt, sind die Details der Verbindung zwischen historischem Diskurs und Unterhaltungskultur. Bereits die Rezensenten der 1930er Jahre mokieren sich über die Handlung, die sicher kaum mehr als eine Aschenputtel-Geschichte ist. Frühjahrsparade mit den sorgsam fotografierten Bildern der ungarischen Landschaft, der Inszenierung Wiens mitsamt Liedern und Tänzen und dem allzu bekannten Marsch und Militär bietet jedoch ein 42 Lichtfuss 1989, S. 121f. 43 Ebd., S. 124. 44 Kritik aus der Fachzeitschrift Der gute Film über Frühjahrsparade, zitiert nach: Fritz 1991, S. 80.

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Potpourri bunter Unterhaltungselemente. Musikalisch beginnen sie beim Schlager Marikas und enden in der Inszenierung der Frühjahrsparade. Die Besetzung mit bekannten Gesichtern reicht bis in die Nebenrollen: Selbst der berlinernde Bäckereigehilfe ist ein Jugendstar der Zeit, der 1931 in Emil und die Detektive unter der Regie von Gerhard Lamprecht debütierte.45 Während in der Weissagung bereits verklausuliert die Ereignisse, Verwirrungen und das happy end antizipiert werden können, ist die zweite Ebene des Films – die immer auch in das Handlungsgeschehen relevant hineinfunkt – vor allem dem Komischen verpflichtet. Die dramatische Liebesgeschichte wird mit einer breit inszenierten komödiantischen Ebene verwoben, der nicht nur das buffo-Paar Zorndorf und die Nichte der Baronin, sondern sämtliche Nebenfiguren verpflichtet sind. Eine komische Figur am Rande der Handlung etwa mimt Adele Sandrock, die im Tonfilm oft »als lebendes Relikt aus dem 19. Jahrhundert« besetzt wird, das »an längst vergangene, vermeintlich ›bessere‹ Zeiten« gemahnt.46 Die »Burgtheatermimin, einst Muse von Arthur Schnitzler« spielt hier die adelige, grantige Tante, die ihre spröde Nichte sowie ihre Moralvorstellungen unter die Haube bekommen möchte.47 Dass Baron Zorndorf das natürliche Mädchen vom Lande dieser in allen Szenen eigenartigen Comtesse – der Piri Vaczary eine freundliche, fast traurige Einfältigkeit verleiht – vorzieht, verwundert kaum. Obgleich Theo Lingen als Baron selbst – und da entsteht der Gegensatz – seiner Figur die gekünstelte Komik anträgt, die sie zur Karikatur eines »jungen« Adeligen werden lässt, der das einfache Mädchen aus dem Stande erhebt. Sein Image als Komiker, »so populär, daß die Leute schon lachten, wenn er nur ins Bild tritt«, verstärkt den Effekt.48 Die Szene beim Friseur, in der sich der Baron vor dem Heiratsantrag an die vermeintliche Comtesse frisieren lässt, gibt ihn mit der abstehenden Haarwelle, die der Kleinbürger Swoboda mit einem Buch zu bändigen sucht, auch auf der Bildebene der Albernheit preis. Diese verstärkt Lingen in seinen stets distanzierten, körperlich ungelenken Auftritten, die dem Casanova in der letzten Sequenz trotz ungebührlicher Absichten Sympathie sichern. Franziska Gaal als Marika ist – neben Wolf Albach-Retty als Jurek – die positiv bestimmte Figur des Films. Sie trägt das Tempo und den Charme des Films. Mit großen Augen singt und bewundert sie unter unzähligen »joi«-Rufen Stadt und Menschen und ist »kein süßes Wiener Mädel, sondern eine schwarzhaarige 45 Hans Richter, Jahrgang 1919, 1933 spielt er in Hitlerjunge Quex unter der Regie von Hans Steinhoff, 1934 mit Adele Sandrock in Rudolf Schünzels Englische Heirat sowie in der erwähnten Verfilmung Csibi, der Fratz/ Früchtchen mit Franziska Gaal. 46 Weniger 2001, Bd. 7, S. 44. 47 Fritz 1991, S. 91. Auch 1935 wird sie mit Leo Slezak und Hans Moser diese Rolle als Frau von Herdingen in Knox und die lustigen Vagabunden ausfüllen. 48 G. H.: »Frühjahrsparade«, in: FK, Nr. 34, 9. 2. 1935, 17. Jg.

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Pußta-Schönheit«.49 Ihre Naivität ist die eines unerschrockenen Mädchens, das sich sorgsam absetzt – durch die Unkenntnis der gesellschaftlichen Normen und gepaart mit einem ständigen, summenden Bemühen um die Menschen um sich herum. Franziska Gaal spielt diese Arglosigkeit mit Augenzwinkern und Tanz, die an ihre Verkörperungen »funkensprühende[r], dynamische[r], junge[r] Frauen« als Partnerin Paul Hörbigers in Paprika (1932, Carl Boese) und Gruss und Kuss Veronika (1933, Boese) anknüpft.50 Diesen Typ des unbekümmerten, gutherzigen Mädchens fernab der gesellschaftlichen Konventionen gibt auch Jenny Jugo als Königin Victoria in Mädchenjahre einer Königin (1936, Erich Engel), ohne dabei jedoch im Musikalischen verankert zu sein.51 Die Parallelen der beiden Figuren, die in filmischen Inszenierungen der Monarchie in den 1950er Jahren neu ausgedeutet werden, verweisen nicht nur auf die Umgestaltung eines Mädchentyps, sondern ebenso auf Stars der Zeiten: Jenny Jugo als Victoria kann – noch mehr als Franziska Gaal mit ihrem erfolgreichen Tonfilmdebüt – an ihre Rollen und ihr Image anknüpfen. Damit verleihen beide ihren Protagonistinnen einen selbstbewussten Zug, der Romy Schneider als minderjährige Entdeckung in den Remakes fehlen wird. Marikas Kontrast ist die ältere Generation und das adelige Umfeld des alten Wiens. Die Tante ist zwar gutmütig, aber streng und sittsam. Der spröde Baron ist fasziniert von ihrer Natürlichkeit, die seine sorgsam künstliche Erscheinung mit Temperament besprüht. Auch der Kaiser, der in der Salzstangerl-affaire zunächst wenig amüsiert war, erkennt auf den ersten Blick das große Herz des lebendigen Mädchens. Er sticht damit – wie auch durch die selbstkritische Erkenntnis seines Irrtums – aus den verspotteten Alten und Adeligen heraus. Majestätsbeleidigung liegt der kleinen Produktion offensichtlich fern. Beim Kaiser wird Nostalgie zelebriert. Paul Hörbiger als Darsteller kann – weit über Wien hinausgehend – auf seine Verkörperung des österreichischen Kaisers in der Theatergeschichte zurückgreifen: Bereits bei der legendären Erik-CharellInszenierung von Ralph Benatzkys Im weiß’n Rössl 1930 im Großen Schauspielhaus Berlin spielte Hörbiger Franz Joseph.52 Er erinnert in seinen Memoiren eine Auseinandersetzung mit dem Regisseur über die Vorlage, da der Kaiser dort als senile Figur charakterisiert war. Hörbiger aber sah ihn als eine in Österreich »unvergeßliche Figur« – mit Verweis auf seine eigenen Militärjahre, doch vor 49 Ebd. 50 Vgl. u. a. Weniger 2011, S. 178. 51 Gaal und ihre Rolle zeigen eher Parallelen zu Clara Tabody in Maske in Blau (1943, Martin), die in der Anfangssequenz singt und tanzt und so das Herz des Operettenkomponisten (Wolf Albach-Retty) im Sturm erobert. 52 Charell war nach Hörbigers autobiografischen Angaben auf ihn aufmerksam geworden, als er den Kaiser in dem Einakter Frau Pick in Audienz im Berliner Kabarett der Komiker gab, vgl. Hörbiger 1989, S. 174ff.

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allem betont er : »[D]as Publikum kennt sein Schicksal und empfände es als Geschmacklosigkeit, wenn man ihn so herunter macht.«53 Diese ältere Episode verweist exemplarisch auf die Strahlkraft der historischen Figur in ihrer Ausdeutung im Habsburger-Mythos, der etwas später diskutiert werden wird – mindestens für die österreichische Identität. Wolf Albach-Retty als Wilhelm August Jurek verleiht seiner Rolle des jugendlichen Liebhabers einen jungenhaften Lausbubencharme. Die Figur schwankt zwischen soldatischem Gehorsam, Ungehorsam, Verliebtheit und vagen Zukunftsplänen.54 Aber in der Charakterisierung fällt auch auf, dass die Rolle klein ist: Entdeckung der Angebeteten, Szene in der Bäckerei, Abend im Heurigen, Trommelszene und Eifersucht. Neben den Unterstellungen der Regimentskameraden, die Marika mit dem Baron sahen und die Jurek in Augenzeugenschaft bestätigt glaubt, steht auch seinem Glück die ältere Generation im Wege: Der Onkel im Bündnis mit dem Hauptmann pferchen ihn in die Welt der Kaserne ein, um ihn an der brotlosen Kunst zu hindern. Doch erscheint er kaum als schneidiger Soldat, sondern ist letztlich reduziert auf den männlichen, gefühligen Part der Prophezeiung. So überrascht seine ausgestellt männliche Reaktion – mit dem stetigen Rauchen und dem Drill der Rekruten – mehr als sein Trotz gegenüber der Frau. Folgerichtig kann er sich nach der vermeintlichen Liaison Marikas mit Zorndorf sofort mit ihr versöhnen und in seine Rolle als Verliebter zurückkehren. Zumal er mit den kaiserlichen Worten die Freundlichkeit der jungen Frau zertifiziert bekam und nun selbst als Komponist vor dem versammelten Wiener Lokalkolorit emporgehoben wurde. Kurz: Eine soldatische Identifikationsfigur wird mit diesem Jurek nicht inszeniert, vielmehr ein begabter, verliebter junger Mann. Unterstrichen wird das durch seine Kameraden: Der dicke Mittermaier taugt ebenso wenig als Soldatenfigur wie der linkische, zu klein geratene Stadler, dessen Winzigkeit in der korpulenten Besetzung der Frau an seiner Seite bildlich hervorgehoben wird. Einzig die kurzen Auftritte des Hauptmanns zeigen ein positives Bild militärischer Disziplin und Pflichterfüllung. Insgesamt ist die Inszenierung des Militärischen in Frühjahrsparade marginal. Die Deutschmeister treten wahlweise als Musiker oder als Freunde in Erscheinung, nur die Frühjahrsparade am Ende inszeniert militärische Stärke im (Exerzier-)Feld. Aber auch das ist vor dem Hintergrund der Marginalisierung möglicherweise eher als Treffpunkt von Volk und Kaiser zu sehen. Tatsächlich wird die Militärmusik im Film als verbindendes Moment zwischen Zivilisten, Militär und dem Kaiser als Teil des Habsburger-Mythos 53 Hörbiger 1989, S. 176. 54 Jurek ist kein verzweifelter Komponist, sondern vielmehr ein junger Mann, der musikalische Ideen hat, wenn er verliebt ist und der für das Mädchen gern, dem kleinbürgerlichen Weg seines Vormunds folgt.

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inszeniert; drei Komplexe, die in Bezug auf die Deutschmeister als diskursiver Bezugspunkt des Films noch einmal wichtig werden. Deutlich präsenter als das Militär ist im Film zunächst das Kleinbürgertum und damit auf der Handlungsebene die Allgegenwart des Generationen- und Ständeproblems. Die Hauptfiguren können ihre Sympathie und Natürlichkeit je aus dem Kontrast mit den Älteren bzw. bei Marika auch aus jenem mit dem Adel erspielen. Einem ähnlichen Konflikt- und Komödienmuster folgt auch Mädchenjahre einer Königin: Beide Hauptfiguren beziehen ihren Charme aus dem Kontrast mit den steifen, adeligen Älteren.55 Frühjahrsparade bedient sich dieser Gegenüberstellung, weitet sie jedoch noch stärker auf einen Konflikt aus, der sich durch alle Milieus zieht und verankert ihn in einem Selbstbestimmungstopos: Während die junge Königin ihr Liebesleben abseits der Heiratspläne des Hofes verfolgt, hilft Marika in ihrer Liebe dem verkannten Komponisten zu Anerkennung. Diese Konstellationen sind darum so bedeutend, weil die Remakes der 1950er Jahre sie aufgeben werden. Hans Moser als Onkel, Vormund und Friseur gibt seine film- und theatergeschichtlich gut bekannte Rolle des »kleinen Mannes«, gleich einem filmischen Dritten-Akt-Komiker, den die Wiener Operette zum Umbau vor dem Finale etablierte.56 Anders als in der Bühnenoperette aber ist Mosers Rolle für den Konflikt wichtig: Er boykottiert durch die Bekanntschaft mit dem Hauptmann die musikalische Karriere Jureks. Moser als Friseur nuschelt und zetert und sorgt in seiner unbeholfenen Körperlichkeit in seinen Szenen nicht nur für Chaos, sondern vor allem für Amüsement. Und Moser ist zeitgenössisch die Personifizierung Wiener Lokalkolorits: »Man brauchte also nicht den Stephansdom zu zeigen, um den Ort der Handlung Wien zu charakterisieren, es genügte ein Auftritt Hans Mosers.«57 Obgleich der Schauspieler am Beginn der 1930er Jahre erst verhältnismäßig wenig Filme gedreht hatte, war er seit dem Beginn der 1920er Jahre eine Institution des Wiener Theaters und der Operette.58 Und Moser selbst ist – wie andere Akteure des Films – den Deutschmeistern verbunden: Im Ersten Weltkrieg diente er bei dem Regiment, für das er als Ersatzreservist 1902 erstmalig eingerückt war. Im gleichen Jahr spielte Moser bei seiner ersten Vorstellung am Theater in der Josefstadt unter der Direktion Josef Jarnos in der »Posse mit Gesang« Die Deutschmeister sind da! den Lehrjungen.59 55 Ausführlich zu Remake und Vorgängerfilm, vgl. Frank 2014. 56 In seiner Charakterisierung der Operettenfiguren in der Zwischenkriegszeit führt Martin Lichtfuss den Dritten-Akt-Komiker als »Moser-Rolle« an, Lichtfuss, 1989, S. 65. 57 Marksteiner 2003, S. 293. 58 Moser wurde u. a. durch die Rolle des Dienstmanns im Sketch, seine zahlreichen Interpretationen des Dritte-Akt-Komikers, vor allem aber auch durch Förderung Max Reinhardts ab 1925 weit über Wien hinaus bekannt, vgl. u. a. Schulz 1980, S. 81ff. 59 Vgl. Markus 1989, S. 18 und 38.

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Noch enger verwoben mit Deutschmeistern, Stoff und Stück ist der Komponist Robert Stolz: »Mir war es vergönnt, einen kleinen Beitrag zur Erinnerung an dieses traditionsreiche Regiment und meine alten Kameraden zu leisten […].«60 Auch er diente im Korps – als Hilfskapellmeister des Militärkapellmeisters Wilhelm Wacek. Der Marsch, den er der Frühjahrsparade beifügte, war zur Produktionszeit des Films bereits 20 Jahre alt und stammte aus der Zeit des Komponisten beim k.u.k.-Infanterie-Regiment, nach Eigenangaben »ein authentischer Marsch«.61 In Österreich als Dirigent und Komponist zahlreicher Operetten berühmt, arbeitete er in Berlin vor allem für den Tonfilm. Frühjahrsparade war bereits seine 29. Filmmusik. Stolz wird nicht nur für das Remake von Frühjahrsparade 1955 wiederum die Musik schreiben, sondern darüber hinaus für eine amerikanische Neuverfilmung des Stoffes 1940 sowie eine 1964 uraufgeführte Operette komponieren. Bis 1936 aber hilft Stolz deutschen Flüchtlingen über die österreichische Grenze. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich verlässt er Wien mit seiner jüdischen Frau gen Paris und von da aus emigriert er 1940 in die USA.62

1.1.6 Die Deutschmeister in Film und zeitgenössischem Kontext Es zeigt sich, dass mehrere Generationen österreichischer Filmschaffender über beide Verfilmungen hinweg an ihre Deutschmeister-Erfahrungen anknüpfen konnten. Das lässt ahnen, dass wir hier keineswegs mit einem genuin militaristischen oder politischen Phänomen konfrontiert sind. Vielmehr findet offensichtlich eine Übertragung ins Ästhetische statt. Ihr Pendant ist sowohl im »Wiener Typ« des Deutschmeisters, den das bürgerliche Feuilleton im 19. Jahrhundert prägte,63 als auch im Unterhaltungstheater bzw. in der -literatur der Zeit zu finden.64 Neben den autobiographischen links weist auch die Figurenkonstellation des Films darauf hin, dass es sich bei Frühjahrsparade um einen Bestandteil österreichischer Identitätsgeschichte handelt. Wenn dem »Deutschmeister« als Alt-Wiener-Typ »weniger heroische Kriegstaten als vielmehr […] Vorliebe für die Annehmlichkeiten des Lebens« zugesprochen wurde,65 dann finden sich genau diese Charakteristika in den Filmfiguren Jurek, Mittermaier und 60 Stolz 1980, S. 206. 61 Eidam 1989, S. 53 und S. 118f. 62 Im Oktober 1946 kehrt er nach Wien zurück. Stolz stirbt 1975 im Alter von 94 Jahren, vgl. Eidam 1989. 63 Rapp 2005. 64 Erwähnt sei hier noch einmal Mosers Debüt in der Posse Die Deutschmeister sind da, ebenso der Roman Deutschmeister-Loisl oder die Deutschmeister-Humoresken, vgl. Wilsdorf 1932, Ferch 1916. 65 Hois / Weber 2005, S. 139.

292

Detailanalysen

Stadler wieder. Der Friseur als Vormund,66 doch ebenso die Bäckerin, Marikas Tante, lassen sich in diesem Kontext als Typen identifizieren, letztere auch in Abgrenzung zum frechen Berliner Lehrgesellen. Es sind Wiener Kleinbürger, die traditionell »Tugenden wie Fleiß und Anstand ebenso verpflichtet [sind] wie dem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit«.67 Diese Verortung mag in der österreichischen Unterhaltungsgeschichte die apolitisch-romantische Inszenierung der Geschichte erklären, zumal die Inszenierung der musizierenden Militärs an beste Unterhaltungstraditionen des Films anknüpft.68 Doch bleibt offen, wie prägend diese österreichische Rezeption erstens für das deutsche Publikum war. Zweitens ist sie für beide Länder zeitgeschichtlich ausreichend problematisch: Durch die Konstellation Glorifizierung des Kaisers, ungarisches Mädchen und sympathischer Vertreter der Deutschmeister wird die Liebesgeschichte in eine filmische Inszenierung des Habsburger-Mythos eingebettet. Diese ist historisch in der Periode »der Nostalgie und Rehabilitation zuerst in der Gesellschaft, dann auf der Regierungsebene, etwa von 1927 bis 1938« zu verorten.69 Der Mythos erscheint in den Operettenproduktionen ebenso wie im Hintergrund zahlreicher Romane der Zeit.70 Politisch war er auf zwei Ebenen funktional: erstens im Sinne einer historischen Legitimation der österreichischen Regierung, was sich in zahlreichen staatlichen Aktivitäten, etwa 1929 im Aufgreifen der alten Kaiserhymne mit neuem Text, der Wiedereinführung der kaiserlichen Uniformen, der Gründung der »Vereinigung zur Errichtung eines Kaiser Franz Joseph-Denkmals« 1934 oder der Aufhebung des Habsburger-Gesetzes 1935 spiegelt. Übergreifend gesellschaftlich und politisch fungierte der Mythos zweitens als »Verkörperung eines konfliktfreien Utopia«,71 dessen Attraktivität Populärkultur reizt und verstärkt. Insbesondere die Renaissance der alten Uniformen und Symbole aber repräsentiert jene enge Verknüpfung des Mythos mit dem Militär, die bereits im 19. Jahrhundert mit den »Militärs als Ministranten des Habsburger Mythos« in Wien ihren Ursprung hatte.72 66 Man beachte in diesem Zusammenhang auch, dass Moser nicht nur vereinzelt Alt-WienerTypen neu belebte, sondern in Burgtheater (1935) als Heurigensänger, Bühnensouffleur und Kammerdiener letztlich gar »einen Wiener Metatypen« formte, Rapp 2005, S. 148. 67 Ebd., S. 146. 68 Horst Claus etwa zitiert einen Bericht, in dem nach der Premiere von Rosenmontag (1930, Steinhoff) »wirklich zahlendes Publikum« spontan applaudierte, »wenn die Kompagnie mit Trommeln und Pfeifen, mit Becken und Posaunen morgens zum Exerzierplatz zieht«, Claus 2013, S. 241. 69 Cole 2004, S. 476. 70 Zu den Aufführungen der Operette, aber auch des Singspiels Sissy und dem HabsburgerMythos im Roman der Zeit, vgl. Cole 2004, S. 480ff. 71 Cole 2004, S. 479. 72 Melichar 1994, S. 298.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

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Im Laufe der 1930er Jahre werden die Deutschmeister in »großdeutscher Perspektive« endgültig politisch funktionalisiert. 1937 erzählt mit dem Narrativ der unbesiegten, heldenhaften »Söhne Wiens« Major Emil Fey – österreichischer Bundesminister für Sicherheitswesen ab dem 11. Mai 193373 – vom Kampfesruhm des Regiments und zeichnet die »blut- und dornenreiche Heerstraße, auf der sie durch die Jahrhunderte marschierten« nach.74 Insbesondere die heroischen Schilderungen der Schlachten im Ersten Weltkrieg und die Heimkehr des dezimierten Regiments am 10. November 1918 in die Stadt »im Fieber sinnloser Revolution« bedienen die Dolchstoßlegende der Nationalsozialisten: Es ist ein Zivilist, »ein Funktionär der neuen Regierung, der den Helden so vieler Schlachten […] nicht mehr zu sagen hat, als die ungeheuerliche Tatsache, daß das Regiment der Deutschmeister, der Stolz der Armee, aufgelöst ist«. Die braven Helden marschieren aus dem Bahnhof und singen – diese Legende entwirft Major Fey75 – den Marsch Jureks: »Und nun braust durch die Straßen, das alte frohe, übermütige Marschlied der Edelknaben um Antwort zu geben auf den Wahn, der glaubt, ein Regiment auflösen zu können […]«.76 Bereits am 7. Juli 1920 wird den Deutschmeistern als erstem Regiment des Bundesheeres von der Stadt Wien die republikanische Fahne übergeben.77 Trotzdem ist mit ihnen sowohl in den zeitgenössischen Narrativen um die Geschichte und das Ende der Deutschmeister in den 1940er Jahren als auch in der Inszenierung von Frühjahrsparade primär die Zeit des Glanzes und des ungebrochenen Stolzes auf die Kaiserzeit verknüpft. Weder Major Feys »historische« Erzählung von den Deutschmeistern noch der Film Frühjahrsparade pflegen die ironische Distanz, die Robert Stolz in seinen Erinnerungen formulierte: »Es war typisch für die alte Monarchie«, bemerkte Stolz, »daß sie in den dunklen Tagen ihres Niedergangs mit altmodischen, schlecht ausgerüsteten Armeen an die Front zog, die von den besten Militärkapellen begleitet wurden …«.78 Der Krieg bleibt sowohl bei Fey als auch im Film außen vor. Während der erstere die Heldentaten bejubelt, unterschlägt der Film die weitere Geschichte schlicht und doppelt: Erstens ist in der gütigen Kaiserfigur, die das private Glück im Film richtet, jener greise Franz Joseph ausgeblendet, der den Ersten Weltkrieg

73 Vgl. u. a. Klusacek / Stimmer 1982, S. 198ff. 74 Fey 1937, S. 9. Beinahe vollständig zitiert ist dieser nationalistische Bericht auch 1978 in Edmund Finkes Band, vgl. Finke 1978, S. 341. 75 Die chronologische Darstellung der Rückkehr des Deutschmeisterregiments, die am 16. 12. 1918 protokolliert wird, ist deutlich nüchterner, eher von Enttäuschung und Ratlosigkeit der Heimkehrenden gekennzeichnet, vgl. Finke 1978, S. 332ff. Auf eine historisch-kritische Gegenüberstellung verzichtet der Autor. 76 Fey 1937, S. 218ff. 77 Vgl. Peball 1978, S. 342ff. 78 Eidam 1989, S. 53.

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Detailanalysen

befehligte. Zweitens ist das Deutschmeisterregiment des Films weniger der Disziplin, sondern vor allem der Musik und der Liebe verpflichtet. Neben der Verortung des Habsburger-Mythos in der Unterhaltungskultur der Zeit mag diese Akzentuierung in historischer Perspektive auch damit korrespondieren, dass das Regiment selbst spätestens nach seiner Stationierung in Wien 1781 nicht nur im Stadtbild Wiens mit dem 1906 enthüllten Deutschmeister-Denkmal verankert ist.79 Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmen die zahllosen öffentlichen Auftritte seiner Kapelle die Wahrnehmung,80 die Kapelle lässt sich als »Bindeglied zwischen dem Soldatentum und der Bevölkerung« in erinnernder Perspektive begreifen.81 Zur Enthüllung des genannten Deutschmeister-Denkmals 1906 fehlte weder ein »Monsterkonzert von sechs Musikkapellen« noch ein eigens von Wilhelm Wacek komponierter »Deutschmeister-Denkmal-Marsch«.82 Grund für die Militärmusik und die gleichzeitige Fokussierung auf die Liebesgeschichte im Film mag in diesem Kontext das Publikum sein, nicht nur das nationale. Die Musik der Deutschmeister wurde international rezipiert, spätestens unter dem Kapellmeister Carl Michael Ziehrer avancierte die Kapelle zum »erste[n] Platz unter den Orchestern des populären Genres«.83 1893 spielte die Kapelle bei der Weltausstellung in Chicago übrigens mit engagierten Zivilmusikern in Uniformen. 1910 sandte Kaiser Franz Joseph I. sie unter Kapellmeister Wacek zur Konzertreise nach Südamerika.84 Das Orchester blieb nach der Auflösung des Regiments 1918 als private Einrichtung unter dem Dirigenten Julius Herrmann erhalten.85 Diese Verankerung ist für das populäre Kino weitaus tragfähiger als politischhistorische Diskurse. Andererseits erscheint die konsequente Ausblendung gerade für eine Filmproduktion, die aufgrund rassistisch-nationaler Maßnahmen nicht mehr in Deutschland produzieren und ihre Filme nur unter größten Schwierigkeiten auf dem gesamten deutschsprachigen Markt verleihen kann, durchaus befremdlich.

79 Vgl. Schubert 1976, S. 43f. 80 Ausführlich zur Kultur der privaten Konzertaktivitäten der Regimentsorchester, vgl. Anzenberger-Ramminger 2011. Zur Finanzierung der Militärkapellen, auch zu den Hoch- und Deutschmeistern, vgl. Anzenberger 2011. 81 Brixel / Martin / Pils 1982, S. 230. 82 Zauner 1906. 83 Brixel / Martin / Pils 1982, S. 236. 84 Ebd., S. 241–284. 85 http://www.deutschmeister.at/index.php/geschichte, Stand 5. 1. 2017.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

1.2

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Zwischenspiel I: SPRING PARADE (USA 1940)

Nachdem wichtige Vertreter des unabhängigen Kinos in Österreich das Land verlassen mussten, andere – vor allem jüdische Filmschaffende – von den einmarschierten Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, wird in Hollywood ein Remake von Frühjahrsparade gedreht. Im Angesicht der Emigrationswelle verwundert es kaum, dass auch zahlreiche weitere Filme der Zeit in den USA noch einmal realisiert werden.86 Joe Pasternak produzierte den Film mit Henry Koster als Regisseur.87 Stolz komponierte auch für diesen Film die Musik, und diese Einladung ist der Fluchtweg aus Paris und der berufliche Neuanfang in den USA, wie sein Biograf notiert: Einen ausgesprochen enormen Erfolg hatte er mit seiner Filmmusik zu ›Spring Parade‹. Vier Tage nach der New Yorker Premiere von ›Night of Love‹ wurde er von der ›Academy of Motion Picture Arts and Sciences‹ für seinen Walzer ›Waltzing In The Clouds‹ für die heißest begehrte Filmtrophäe der Welt, für den ›Oscar‹ nominiert. Sein Name ging einmal mehr durch die Presse – einige amerikanische Verleger wurden aufmerksam, Inverlagnahme von Titeln bedeutet auch ein paar Einkünfte, endlich.88

Spring Parade reiht sich in die Deanna-Durbin-Filme der Zeit ein,89 die der Universal zu beträchtlichem Publikumserfolg verhalfen. Robert Stolz musste seine Filmmusik nur marginal umarbeiten: Deanna Durbin spielt die Rolle der Ilonka Tolnay als ungarisches Landmädel, singt »It’s foolish but it’s fun« (eine Adaption des Liedes »Ich bin halt dumm«) und entzückt erst seine Umgebung und schließlich den Kaiser. Statt des Deutschmeistermarsches ist es nun eine englische Walzerversion von »Singend, klingend ruft dich das Glück«, die das Wien der Zeit charakterisiert und den Soldaten Harry Marten (Robert Cummings) zum Künstler macht. Diesmal darf er nicht komponieren, da es die Armee-Statuten untersagen – eine Konfliktkonstellation zwischen Individuum und staatlichen Vorgaben, die in beiden deutschsprachigen Filmen personengebunden ist. Die Drehbuchautoren, Bruce Manning und Felix Jackson,90

86 Diese sind u. a. Katharina – die Letzte, deren Remake Because of Him (1946, Wallace) Felix Joachimson in den USA produzierte und Max Neufelds Ein Stern fällt vom Himmel (1934), dessen Remake A Star fell from Heaven, 1936 in Großbritannien realisiert wird, vgl. Loacker / Prucha 2000, S. 139ff. 87 Zur Arbeit Kosters in den USA, vgl. Asper 2002, S. 70ff. 88 Eidam 1989, S. 154f. 89 1936 debütierte Deanna Durbin unter der Regie Henry Kosters in Three Smart Girls. Auf diesen »Überraschungshit«, der die angeschlagene Universal sanierte, folgten u. a. One Hundred Men and a Girl (1937) und Three smart Girls grow up (1938). In letzterem spielte auch S. Z. Sakall mit. 1939 erhielt Deanna Durbin einen Ehrenoscar. 1948 zog sie sich aus dem Filmgeschäft zurück, Weniger 2001, Bd. 2, S. 483. 90 Felix Jackson ist das englische Pseudonym von Felix Joachimson, der 1937 mit seiner da-

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schreiben nach der »original story by Ernst Marischka«: Ilonka kommt schlafend und unbeabsichtigt in Wien an und kann bei ihrem Kutscher, dem Bäcker Ladislaus Teschek (S. Z. Sakall) bleiben; der Darsteller ein weiterer Emigrant.91 Die Liebesgeschichte erhält ihr movens zunächst aus einer Verwechslung, sodann aus der Eifersucht des Soldaten. Dabei wird Ilonkas Fremdheit nicht nur durch ihre Kleidung herausgestellt, sondern vor allem durch ihren ländlich geprägten Sinn für Handel. Der Kaiser schreitet doppelt ein: Nicht nur, dass er den wegen der Salzstange als Anarchisten verhafteten Bäcker rehabilitiert und diesen Pakt mit dem in Wien verpönten ungarischen Handschlag besiegelt. Er rettet auch das Liebesglück: Die enttäuschte Ilonka begegnet Harry am Dirigentenpult wieder, wo er die Singende aus Versehen schlägt. Damit geht der letzte Teil ihrer Weissagung »but be careful, true love will hit you with a stick« in Erfüllung. Das Märchenbuch, das den Vorspann einleitete, wird zugeklappt. Bemerkenswert an diesem amerikanischen Remake ist weniger, mit welchen Assoziationen das Wien der Habsburger Zeit inszeniert wird (Stände, Musik, Interieur und Palast), sondern vor allem, welchen Inszenierungsraum der Vielvölkerstaat einnimmt. Neben Ilonka, die heiter und naiv ihre Handelsgewohnheiten des Landes den empörten Städtern zumutet, ist auch der Bäcker kein Wiener mehr. Der Komik und Typisierung sind sämtliche Figuren verpflichtet, der Zuschnitt der Handlung auf die Sopranstimme des Stars ist auffällig. Der Komponist der Filmmusik kehrt 1946 nach Wien zurück. Wenige Jahre später wird in Deutschland nicht Spring Parade,92 aber Frühjahrsparade zu sehen sein.

1.3

Zwischenspiel II: Die Reprise FRÜHJAHRSPARADE (1950)

Bevor eine neue Verfilmung ihren Weg in die Produktion findet, verleiht 1950 die amerikanische Universal Film den Film aus den 1930er Jahren in der Bundesrepublik. Er läuft am 3. März 1950 in »mehreren Berliner Erstaufführungstheatern« an.93 Nach dem Start der Reprise urteilt der Film-Dienst über die maligen Ehefrau Franziska Gaal und Henry Koster in die USA emigrierte. Kurzzeitig war er auch mit Deanna Durbin verheiratet. 91 Der ungarische Schauspieler kam in den 1920er Jahren nach Wien, siedelte dann nach Berlin über. Er war ein Star des frühen Tonfilms, der 1933 vor den Nationalsozialisten floh. Über Holland konnte er – wiederum durch ein Engagement Joe Pasternaks für den Film It’s A Date (1940) mit Deanna Durbin – 1939 nach New York emigrieren, vgl. Loacker / Prucha 2000, S. 131ff. 92 Spring Parade läuft nach dem Krieg u. a. in Frankreich, Dänemark und Japan – in Deutschland geht Frühjahrsparade in den Verleih, aber Erwähnung findet das amerikanische Remake dennoch, vgl. »Die Deutschmeister im Film«, in: FW, 2. 4. 1955, 10. Jg. 93 »Frühjahrsparade«, in: Illustrierte Film-Woche, Nr. 13, 1. 4. 1950, 5. Jg.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

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»herzerfrischende Angelegenheit«: »Es wird wohl kaum jemand geben, der im Aufziehen der Wiener Burgwache, in einigen Militärmärschen und in der etwas operettenhaften Kaiserparade eine Wiederbelebung des ›Militarismus‹ befürchtet.«94 Bemerkenswerterweise ist der Film nicht vergessen und wird sofort im militärischen Kontext diskutiert – auch von der Illustrierten Film-Woche.95 Der Zweite Weltkrieg hat Spuren hinterlassen; diese Verortung wird auch die Rezeption des Remakes prägen. Die Illustrierte Film-Woche als Publikumszeitschrift fügt sogleich das »Wiedersehen mit zweien, die nicht mehr sind, mit Adele Sandrock und Anton Pointner« an. Dass Franziska Gaal nach diesem Film als Jüdin emigrieren musste, ist dem Vergessen anheimgegeben.

1.4

DIE DEUTSCHMEISTER »marschieren unaufhaltsam«96 (A 1955)

Das Drehbuch aber ist nicht vergessen, Marischka selbst belebt es wieder. Die Deutschmeister verweilen am Ende des 19. Jahrhunderts, der Film kann diese Kulisse nun in Agfacolor inszenieren. Die Filmkritik macht hin und wieder auf den Vorgängerfilm aufmerksam, etwa Hans Hellmut Kirst, der 08/15-Autor und Kritiker im Münchener Merkur : Diesen Film hat’s schon einmal gegeben – nur nicht ganz so bunt und laut und schneidig und herzig. Sein Vorgänger war in jeder Beziehung blasser. Diesen hier hätten selbst ein halbes Dutzend ausgekochter Gag-Spezialisten aus Hollywood nicht besser machen können. Was hier serviert wird, kommt aus der allerbesten Wiener Filmküche.97

Die Veränderungen und vor allem die Inszenierungsebene bewirken Verschiebungen, die umso interessanter sind. Hier wird deutlich, wie das Remake einerseits an die Unterhaltungselemente des Vorgängerfilms anknüpft, diese zuweilen neu zu beleben vermag und andererseits eine dezidiert neue Ausdeutung der Geschichte vorlegt. Ein »Film aus Österreich-Ungarns Vergangenheit«98

94 »Frühjahrsparade«, in: FD, Nr. 6, 11. 2. 1950, 3. Jg. 95 »Vielleicht ist auch der Sieg daran schuld, daß die Gliederverrenkungen unglücklicher Rekruten und überhaupt der ganze Kasernenbetrieb nicht mehr komisch erscheinen. Aber Vorsicht: Nach dem ersten Weltkriege stand das Gleiche in den Zeitungen und einige Jahre später waren Militärgrotesken das große Filmgeschäft«, »Frühjahrsparade«, in: Illustrierte Film-Woche, Nr. 13, 1. 4. 1950, 5. Jg. 96 »Die Deutschmeister marschieren unaufhaltsam über die deutschen Kinoleinwände. Nicht einmal brütende Sommerhitze kann sie daran hindern«, »Die Deutschmeister marschieren…«, in: Der neue Film, Nr. 70, 5. 9. 1955, 9. Jg. 97 Hans Hellmut Kirst: »Diesmal nicken gleich zwei«, in: Münchner Merkur vom 1. 9. 1955. 98 Alternativtitel von Frühjahrsparade.

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Detailanalysen

avanciert in der Neubearbeitung zum deutsch-österreichischen Versöhnungsspektakel mit »sauberer« Heldin. 1.4.1 Produktionsdaten Der Autor des Drehbuchs, dessen Referenz nun ein Buch Gustav Holms ausweist,99 Ernst Marischka, übernimmt nun selbst die Regie und seine ErmaProduktionsgesellschaft mbH produziert das Remake. Remakes der Erma-Film lassen sich bereits seit 1952 konstatieren.100 Gedreht wird in den Ateliers WienSievering, die Außenaufnahmen finden in Wien, der Umgebung und Salzburg statt. Robert Stolz wird als Komponist engagiert, Bruno Mondi für die Kamera. Von der FSK am 1. August ab sechs Jahren freigegeben, feiert das Remake am 11. August unter dem Titel Die Deutschmeister im Verleih der Herzog-Film GmbH seine Uraufführung in der Essener Lichtburg in Anwesenheit des deutschen Fußballmeisters 1955 (RW Essen).101 Erst am 21. September findet die österreichische Premiere in Wien statt.102 Marischka inszeniert seine eigene Vorlage, die kleinen Veränderungen der Handlung resultieren aus den Figurenkonstellationen und werden bei der Analyse derselben benannt. 1.4.2 Ensemble und Konstellationen: Figuren und Darsteller Marika heißt nun Constanze (Stanzi) Hübner und ihre Rolle spielt Romy Schneider. In der Rolle der Tante steht ihr – wie bereits in den vorherigen Arbeiten der Minderjährigen und in den folgenden Sissi-Filmen – ihre Mutter, Magda Schneider, zur Seite. Den jugendlichen Liebhaber Jurek gibt nun der Sohn eines Stars der NS-Zeit: Siegfried Breuer junior. Der Spiegel urteilt kritisch über diese »Hochkonjunktur für die ›zweite Generation‹« im Kino der Bundesrepublik: Nicht nur Dutzende erfolgreicher alter Filmstoffe wurden neu aufpoliert, in Farben getaucht oder für die Cinemascope-Leinwand in die Breite gezerrt. Auch die alten Starnamen sollen noch einmal gedruckt werden und das Publikum glauben machen, der deutsche Film sei nun endlich wieder das, was er – angeblich – einmal war.103

99 Gustav Holm alias Homunkulus, Dr. Robert Weil mit bürgerlichem Namen, geboren 1881 in Wien, gestorben am 5. 12. 1960 in New York, war ein österreichischer Theaterautor, der 1938 in die USA fliehen musste, vgl. Weniger 2011, S. 582. 100 Vgl. I. 5.5 Remakes aus Österreich, S. 126–131. 101 »Herzogs ›Die Deutschmeister‹ in Essen uraufgeführt«, in: FW, Nr. 34, 20. 8. 1955, 10. Jg. Ab 1958 wird der Film vom Ufa-Filmverleih verliehen, vgl. Bauer 1981, S. 492. 102 Bauer 1981, S. 492. 103 »Die Tochter-Gesellschaft«, in: Der Spiegel, Nr. 10, 7. 3. 1956, 10. Jg.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

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Neben diesen Neubesetzungen finden sich Darsteller, die bereits Frühjahrsparade prägten: Fritz Imhoff spielt Feldwebel Mittermeier, Paul Hörbiger und Hans Moser sind als Kaiser Franz Joseph und Friseur Swoboda wieder da. Neu besetzt wird Zorndorf mit Gunther Philipp, und das Ensemble wird ergänzt durch Wolfgang Lukschy als Kaiser Wilhelm II. und Josef Meinrad als Hofrat Hofwirt. So fällt schon bei den ersten kleinen Veränderungen eine Verschiebung des Films ins Auge: Mit Besetzung und Namensgebung gibt das Remake die Verankerung in der k.u.k.-Monarchie zugunsten eines Wien-Films auf. Folgerichtig kommt Stanzi aus dem Salzburger Land – kein Akzent und kein ungarisches Temperament. Bemerkenswerterweise wiederholt sich hier unterhaltungsgeschichtlich eine Entwicklung: Die Verschiebung der Lokalitäten vom ungarischen Boden ins österreichische Umland vollzog die Bühnenoperette in ihren Spielräumen bereits um 1930. Lichtfuss argumentiert dafür, dass das vor allem mit dem Wandel des österreichischen Heimatbegriffs im Laufe der 1920er Jahre korrelierte; von der Utopie des Großreiches hin zur »Würdigung der Provinzen« des Kleinstaats.104 In deutlicher Anlehnung an den Heimatfilm der Zeit105 schreitet nach einem Jodler in der Eröffnungsszene die blonde Protagonistin im Dreimäderlbund mit weiteren fröhlichen jungen Leuten in Trachten die Alpenwiesen hinab. Sie singt dabei den ersten Marsch: »Wenn die Vöglein musizieren, dann ruf ich hurra, der Frühling ist da, und dann muss ich marschieren«. Sodann zieht sie ihr Los mit der wortgleichen Prophezeiung – einzig erweitert durch diese für die folgende Handlung allerdings folgenreiche Formulierung »Sie werden einem nahen Verwandten zum Glück verhelfen« – und macht sich in der Tracht und mit Hund Seppl auf den Weg nach Wien. Verwechslung folgt, aber folgerichtig tanzt Stanzi nun mit der Salzburger Trachtengruppe im ausstaffierten Radetzky-Saal.106 Fast erscheint es als Reminiszenz an den Vorgängerfilm, wenn sich das Mädchen nach dem eigenen Tanz von einer ungarischen Tanzgruppe und deren temperamentvollen Cs#rd#s begeistern lässt. Diese Szenen im Radetzky-Saal kann man – wie Ines Steiner das in ihrer ausführlichen Analyse des Films betont – als herrschaftsfunktionale Inszenierung eines hegemonialen Österreichs interpretieren, in der das »Fremde« des Vielvölker- und Ständestaats im Kostümfest aneignet wird und die daraus »erotische Reibung« gewinnt.107 Zeithis104 Lichtfuss 1989, S. 197ff. 105 Mit diesem Intro knüpft die Inszenierung an das Debüt der Darstellerin im Heimatfilm Wenn der weisse Flieder wieder blüht (1953, Deppe) an. 106 Der Saal ist nicht nur mit seiner luxuriösen Inszenierung in Gold, Weiß und Rot und seinem Trachtengewimmel beeindruckend. Das Wappen mit dem Wahlspruch des Kaisers Franz Joseph unter den Streichern »viribus unitis« (»mit vereinten Kräften«) unterstreichen die Inszenierung und möglicherweise auch den Anspruch des harmonischen Vielvölkerstaats. 107 Steiner 2005, S. 340.

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torisch aber erscheint es mir in Bezug auf den Auftritt der Ungarn genauso wichtig, dass in der Zeit einer andauernden Integration Vertriebener sowohl in Deutschland als auch in Österreich, diese gerade im Heimatfilm einen Platz im Figurenensemble finden.108 Vor allem die Auswahl der ins Bild gesetzten Provinzen Salzburg (Stanzis Herkunft) und Tirol ist bemerkenswert. Die Teilung der letztgenannten Provinz in den italienischen Süden und die österreichische Provinz, 1918 im Vertrag von Saint Germain festgeschrieben, ist auch in den 1950er Jahren ein Politikum, wobei die Südtiroler Delegationen etwa bei den Eröffnungsfeierlichkeiten des Erzherzog-Eugen-Denkmals in Innsbruck historisch deutlich »in der Tradition der Solidarisierung mit der deutschen Minderheit südlich des Brenners« standen.109 In diesem Kontext verorten sich Südtirol und Habsburger-Mythos zeithistorisch als Reminiszenz an ein vereintes Österreich. Hier erscheinen also am Rande zeitgenössische Konflikte einerseits und werden andererseits in der Hypertrophierung des tanzenden Miteinanders versöhnt. Das mag ähnlich systemstabilisierend wirken wie die Überlegung Steiners zur Travestie, zeigt aber nicht nur deutlich die Virulenz des Flüchtlingsthemas, sondern schafft den Trachten, der Musik und den Zeichen dieser Kultur zugleich Bildraum. Diese Integration wird von der Hauptfigur abgekoppelt und erscheint ausschließlich in Attraktionsbildern. Im Vorgängerfilm war noch die Protagonistin selbst Ungarin. Evident wird in diesen ersten Szenen auch, dass sich die Charakteristika der Protagonistin eklatant geändert haben. Aus der temperamentvollen, singenden jungen Frau wird ein »sauberes«, blondes Mädchen vor allem in Hinblick auf ihre Begegnung mit dem männlichen Geschlecht: So ist Jureks erster Kommentar, als er Stanzi erblickt, identisch mit dem des Barons nach dem Heimbringen des Mädchens: »Herrgott, ist die sauber!«. Das zeitigt weitere Änderungen gegenüber dem Vorgängerfilm. Erstens führt die Drehbuchüberarbeitung zu einer deutlichen Glättung der Handlung: In diesem Film wird alles aufgelöst, was je angedeutet wurde. Jede Figur bekommt ihren Platz (der Friseur in der letzten Einstellung auf der Kutsche übrigens zwischen allen Lehrjungen), selbst die letzte Glückszahl erweist sich endlich als Alter des Kaisers. Darüber hinaus hat auch der reine Mädchentyp Konsequenzen: Erstens darf Baron Zorndorf zwar Stanzi Avancen machen, aber es entsteht kein Konflikt daraus. Denn dieser Baron nimmt die »falsche« Braut willig. Nanette (Susi Nicoletti) ist eine weit weniger schrullige Comtesse, sondern wirkt 108 Ein weiteres Beispiel hierfür wäre neben Schwarzwaldmädel (1950) unter den hier untersuchten Filmen die Figur des Holzfällers Martin in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953). Auch in Max Neufelds Der schönste Tag meines Lebens (A 1957), ein Remake seines Films Singende Jugend (A 1936), ist der Junge Toni nun Flüchtlingskind. 109 Cole 2004, S. 487.

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eher lasziv, sodass sie mit dem ersten Kuss den zuvor ahnungslosen Werber im Sturm erobert. Damit ist nicht nur der Konflikt pass8, sondern zugleich ein kleiner Rahmen für den Schauwert erotischer Avancen entstanden. Die Vermittlung zum Kaiser übernimmt nun der Hofrat, der kein Interesse am Mädchen hat, aber trotzdem Jureks Eifersucht wecken wird, womit der jugendliche Liebhaber – anders als im Vorgängerfilm – wirklich irrt. Zweitens kann Romy Schneider kaum das musikalische Potential entfalten, das Franziska Gaal prägte. Waren sowohl Frühjahrsparade als auch Spring Parade deutlich auf die Hauptdarstellerinnen als Sängerinnen konzipiert, ist ein solches Arrangement mit Romy Schneider unmöglich. Stattdessen wird die Rolle der Freundin von Feldwebel Mittermaier (Fritz Imhoff) autonom: Sie ist nun die berühmte Sängerin Hansi Führer (Gretl Schörg). Dies zeigt sich sowohl auf der Straße als auch im Heurigen und bei ihr landet auch die erotische Ausstrahlung. Sie eröffnet den HeurigenAbend mit dem Robert-Stolz-Evergreen »Im Prater blüh’ n wieder die Bäume«, 1916 komponiert mit dem Text von Kurt Robitschek,110 und umsingt die Verliebten mit »Im Frühling, im Mondschein, im Prater in Wien«. Die Rolle wurde mit einer Sängerin besetzt, deren Erfolge während des Zweiten Weltkriegs am Berliner Metropol-Theater begannen.111 Das Aufgreifen und die Inszenierung weiterer Stolz-Schlager durch die Aufwertung der Rolle schaffen wiederum neue Schauwerte, die hier indes mit einem vollkommen unmilitärischen Wien und einem breiten Staraufgebot verknüpft sind. Bei Stanzi verweilt die keusche Verliebtheit und die Sorge um das Liebesglück der Tante. Drittens führt die Neubesetzung dazu, dass die Komik des Films weitgehend zu den Figuren der zweiten Reihe verschoben wird. Besonders auffällig ist hier etwa, dass die Szenen mit dem Baron und die aus ihnen entstehende Spannung und Komik zwischen ihm und Stanzi so rasch kassiert werden. 1.4.3 Versöhnungsgeste I: Generationen Behütet wird Stanzi nun weitaus freundschaftlicher und auch gleichberechtigter von ihrer verwitweten, fleißigen Tante, die sich vor lauter Verantwortung und kleinbürgerlicher Bescheidenheit selbst das Liebesglück mit dem Hofrat versagt. Erst als sie zur Hoflieferantin ernannt ist, kann sie standesgemäß seinem Werben nachgeben. Insgesamt fällt im Remake auf, dass die Szenen zwischen Tante und Nichte sehr viel breiter ausgespielt sind – es geht ja nun auch um beider Frauen Liebesglück. Wer dabei marginalisiert wird, ist der männliche Protagonist, Willi Jurek. War seine Rolle schon im Vorgängerfilm klein, schrumpft sie hier endgültig auf den Heurigenabend, kleine Szenen unter Kameraden und das Finale 110 Eidam 1989, S. 54. 111 Weniger 2001, Bd. 7, S. 166f.

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zusammen.112 Diese Rücknahme des männlichen Protagonisten allerdings scheint vor dem Hintergrund des Gesamtfilmkorpus eher eine Spezialität dieses Remakes zu sein, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie oft und vielfältig Konflikte männlicher Hauptfiguren verhandelt wurden. In Die Deutschmeister wird das Ensemble der Bäckerei als ein ständig lachendes Miteinander zelebriert. Einerseits wird mit dieser generationenübergreifenden Geschichte so eine weitere Nebenhandlung geschaffen, andererseits versinken andere Erzählstränge (und Konflikte) im Nichts: etwa die Avancen des Barons, was für die Glaubwürdigkeit der Eifersuchtsgeschichte problematisch ist, doch die Auflösung mit einem reuigen Jurek erleichtert.113 Die Liebesgeschichte der Tante hingegen verallgemeinert das kleine Liebesglück von Jurek und Stanzi – beides programmatisch in der Weissagung angekündigt. Vor allem lässt diese Verschiebung die Einzelszenen noch starreicher besetzt sein: Beim Heurigen versammeln sich nun Gretl Schörg, Josef Meinrad nebst Magda und Romy Schneider, Siegfried Breuer junior, Fritz Imhoff und ein singender Hans Moser : »Mir ist gleich, ob mein Wein an der Donau wachst oder am Rhein«. Der Onkel kann so en passant bei der Uraufführung des DeutschmeisterMarsches dabei sein und stolz verkünden: »Bravo!«. Nach der 65. Minute ist der nächste Konflikt vollständig erledigt. Die historisch einsetzenden Generationenkonflikte werden in großer, filmischer Versöhnungsgeste kassiert. Stattdessen wird »saubere« Unterhaltung für die ganze Familie inszeniert, die sich mit den Vorstellungen des Familienministers etwa im Zuge der Bundestagsdebatte 1954 deckt.114 1.4.4 Versöhnungsgeste II: Die Inszenierung der vergangenen Monarchien Ein zweites Spannungsfeld wird ebenfalls ausgesöhnt: Der augenzwinkernde Sprachwitz zwischen Preußen und Österreich darf in den Dialogen bleiben, wird aber bereits in den Einzelszenen entschärft.115 Auch bekommt er staatspolitische Irrelevanz, denn in dieser Verfilmung steht dem österreichischen Kaiser der

112 Im Vorgängerfilm durfte er seiner Angebeteten eifersüchtig auflauern und hatte längere Szenen mit Kameraden und Hauptmann. 113 Jurek sieht Stanzi hier mit dem Hofrat und zieht sich brüskiert zurück. Als er vor der Frühjahrsparade den Marsch spielt und vom Kameraden hört, was Stanzi für ihn tat, erkennt er sofort sein Unrecht. 114 Vgl. I. 3. Strukturen: (Film-)Politische Rahmenbedingungen der Remakeproduktion, S. 70–92. 115 Bezeichnend hier etwa, dass der wörtlich übernommenen Szene zwischen Fritz und der Tante, in der sie die Wiener Bezeichnungen der Gebäckstücke reklamiert, ein Besuch Hansi Führers folgt, die »Mohnzöpfe« verlangt und damit Fritz Rückendeckung gibt.

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deutsche zur Seite, immerhin ein Rekurs auf historische Tatsachen am Ende des 19. Jahrhunderts.116 Die Filmblätter berichten von den Dreharbeiten: Wolfgang Lukschy verteidigt Preußen als zackiger Kaiser Wilhelm II. gegen die österreichische Übermacht und Wolfgang Jansen bemüht sich, als Bäckerjunge bei Therese Hübner (Magda Schneider) die Herstellung und Aussprache von Strietzerln, Weckerln, Salzstangerln, Panserln und Laberln möglichst schnell zu kapieren.117

Kaiser Wilhelm darf in der Salzstangerl-affaire ebenso viel Humor beweisen wie sein österreichischer Kollege. Er packt Noten und Brief gutmütig belustigt aus.118 Es sind nun die »Herren Kabinettsmitglieder«, die in Alleinregie vor lauter Empörung die Maßnahmen gegen die Bäckerei einleiten. Hatte der Kaiser im Vorgängerfilm immerhin noch seine Zustimmung zur Empörung des Dieners gegeben, sind die Herrschenden in diesem Skript gänzlich ohne Schuld. Diese latente Verantwortungslosigkeit, die der Kaiser in der Szene vor der Audienz wegen der ungenießbaren neuen Salzstangerl noch ausformuliert, korrespondiert mit der politischen Problematik. Durch die Konzentration auf Wien als Kaiserstadt und die gütigen Repräsentanten der deutschsprachigen Monarchien wird die historische Herrschaftsform zu einer – in den Rezensionen omnipräsent erwähnten – »guten alten Zeit«. Die österreichischen Filme, die das kaiserliche Wien mitsamt adeligem und bürgerlichem Personal aufleben lassen, setzen 1953 mit Kaiserwalzer (A, Franz Antel) ein und sind in erster Linie mit den Namen der Regisseure Franz Antel und Ernst Marischka verbunden.119 Sind es Remakes, so sind sie allesamt in Farbe. Ähnlich wie in Frühjahrsparade wäre es doch deutlich überbewertet, diese Monarchiefilme mit aktuellen politischen Bestrebungen gleichzusetzen.120 Vielmehr scheinen die Filme einen ästhetischen Fluchtpunkt darzustellen, der mit der medialen Inszenierung der realen Krönungsfeierlichkeiten Queen Elizabeths 1952 seinen Beginn nahm.121 Filmisch ist 116 1896 und 1897 nahm Wilhelm II. die Frühjahrsparade in Wien mit ab, vgl. Bildunterschriften Brixel / Martin / Pils 1982, S. 249 und 258. 117 Thea Fuchs: »Corpus delicti«, in: Filmblätter, Nr. 17, 29. 4. 1955, o. Jg. 118 Zuvor hatte Stanzi, als der Hofrat die Salzstangen holte, erleichtert konstatiert: »Kaiser ist Kaiser.« 119 1953 dreht Marischka Der Feldherrnhügel, 1954 Antel Kaisermanöver, bis die SissiTrilogie schließlich den Höhepunkt markiert, vgl. Fritz 1984, S. 59ff. 120 Wenn in einer Umfrage des Allensbacher Institutes 1951 auf die Frage, wann es Deutschland im 20. Jahrhundert am besten ergangen sei, 43 % der befragten Bundesbürger das Kaiserreich vor 1914, übrigens nach der NS-Vorkriegszeit (44 %) angeben, spricht das wohl eher für eine nostalgische Erinnerung an die gesellschaftliche Ordnung als für den Bedarf nach politischer Umwälzung, vgl. die Zahlen Schildt / Siegfried 2009, S. 131. Zu dem Argument einer eigensinnigen Monarchierezeption durch Filme, vgl. Frank 2012, S. 124. 121 Monika Wienforth untersucht die mediale Rezeption der Krönungsfeierlichkeiten in der jungen Bundesrepublik und kommt zu dem Ergebnis, dass diese als transnationale, als

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neben dem Reiz der Kulissen in Farbe natürlich ebenso die Darstellung einer prunkvollen, unzerstörten und intakten Welt für das Publikum reizvoll. Dass das eine deutlich verklärende Geschichtslesart zeitigt, ist unbestritten. Die Inszenierung der Kaiser legt in ihrem überdeutlichen Versöhnungsgestus zunächst nahe, dass Marischka mit seinem Remake auf ein gesamtes deutschsprachiges Filmpublikum abzielte, dennoch sollte man insbesondere in Bezug auf die Aneignung durchaus differenzieren. Es ist zu unterstellen, dass zumindest der Rückgriff auf den Habsburger-Mythos eher als Bestandteil österreichischer Identitätsvergewisserung und nicht als deutscher zu bewerten ist. Diese Diskrepanz aber lässt sich deutlicher in der Diskussion des Militärs im Film aufzeigen. Bei der Verbrüderung der Monarchen profitiert Kaiser Wilhelm zweifelsohne von der sentimentalen Erinnerung sowie Inszenierung im Populären des Österreichers. Sie wird umgesetzt durch das vertrauliche »Du« und den Glanz der gemeinsam abgenommenen Parade vor dem Bergpanorama. Während Kaiser Wilhelm nach der Uraufführung des Deutschmeister-Marsches bekräftigt, dass dieser »in Deutschland auch« in Jahrzehnten gespielt werde, unterstreicht die Filmmusik die Verbrüderung bereits deutlich länger : Ab dem Mittelteil erklingt die 1779 von Joseph Haydn komponierte Melodie als zentrales musikalisches Motiv.122 Seit 1952 ist sie wieder die Melodie der deutschen Nationalhymne,123 zugleich assoziiert sie »Gott erhalte Franz den Kaiser«, jene obsolet gewordene Kaiserhymne, die auf die gleiche Haydn-Melodie gesungen wird. Sowohl das Frühstück der Monarchen wird mit ihr eingeleitet als auch Stanzis Audienz beim Kaiser. Der Film zelebriert – sehr deutlich wird das auch noch einmal bei den Flaggen in kaiserlichen und österreichischen Farben (Schwarz-Gelb und Rot-Weiß) – eine Erinnerung, die sich gänzlich frei von den folgenden historischen Ereignissen zeigt. Insbesondere die Frühjahrsparade am Ende des Films, eingeleitet mit den heranziehenden, Fähnchen schwenkenden Zuschauern, inszeniert im Massenspektakel zudem noch einmal jene Berührung der Militär- und Zivilgesellschaft in Festgewand und mit Musik, die den Glanz der Habsburger Monarchie prägte (Abb. 16 und 17). Ähnlich ist die Einigkeit von Bürgertum und Monarchie am Ende von Königswalzer (1955, Viktor Tourjansky) inszeniert, bei der vor dem Eintreffen des jungen Franz Joseph in München ebenfalls eine ausführliche Militärparade stattfindet. Die sentimentale Rückschau auf Kaiser, Habsburger-Monarchie und Militär teilen Remake und Vorgängerfilm, obgleich schon die Rezension der Reprise andeutete, dass es nach 1945 problematischer geworden ist, ohne dass dabei die »eine Form gesellschaftlich-kultureller Repräsentation« wahrgenommen wurde, vgl. Wienforth 2008. 122 Zur Entstehung und Geschichte der Kaiserhymne, vgl. Aichhorn / Jeglisch 2010, S. 23–64. 123 Schildt / Siegfried 2009, S. 132.

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Abb. 16 und 17: Die Deutschmeister (A 1955): Frühjahrsparade und Kaiser

deutsch-österreichischen Länderbeziehungen der vergangenen 20 Jahre zur Diskussion stünden. Weniger diskussionswürdig – mit einem Blick in die Rezensionen zum Film – gestaltet sich die Umgestaltung der weiblichen Hauptfigur.

1.4.5 Gewandelte Inszenierung von Weiblichkeit Mit Blick auf den Vorgängerfilm ließ sich eine grundlegende Umdeutung der Protagonistin konstatieren. Diese scheint vor allem durch die Neubesetzung bedingt und lässt sich bei den Remakes von Mädchenjahre einer Königin (1954) und Mädchen in Uniform (1958) auch beobachten.124 Romy Schneider als sehr junge Hauptdarstellerin erscheint in Doppelfunktion: Einerseits als neues Gesicht für ein jugendliches Publikum, als Darstellerin einer noch zu analysierenden Unschuld, der sie als Jahrgang 1938 in politischer Hinsicht entspricht. Andererseits knüpft sie als Tochter von Magda Schneider und Wolf Albach-Retty väterlicherseits an eine Theatertradition (mit der Großmutter Rosa Albach-Retty) als auch an die Stargeschichten beider Eltern an. Diese sind mindestens für eine ältere Generation als Stars des NS-Unterhaltungskinos etabliert. In den Rezensionen sind die verkleinernden Begeisterungsstürme für die Hauptdarstellerin versammelt: von reizend über niedlich, herzig, lieblich bis hin zur vorsichtig sexuellen Verheißung »fesch«,125 die auch im Film – vom Korporal – redundant wiederholt wird. Gerade dieses letzte Attribut zeigt deutlich den Widerspruch der Inszenierung: Während im Laufe der Filmhandlung die 124 Zu Romy Schneider in den Remakes der 1950er Jahre, vgl. Ruppert 2009. 125 Vgl. u. a. Hans Hellmut Kirst: »Diesmal nicken gleich zwei«, in: Münchner Merkur vom 1. 9. 1955; »Die Deutschmeister«, in: FE, Nr. 45, 24. 8. 1955, 9. Jg.; »Die Deutschmeister«, in: Der neue Film, Nr. 66, 22. 8. 1955, 9. Jg.; »Die Deutschmeister«, in: Hannoversche Presse vom 16. 08. 1955.

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amourösen Anspielungen die weiblichen Figuren stets zum Kichern animieren,126 fehlt am Ende gar der Filmkuss beim happy end. Ein zweites Moment unterstreicht die Inszenierung: Ostentativ trägt sie ein beachtliches Kreuz um den Hals, als müsse der Aberglaube der Prophezeiung neutralisiert werden. Vor allem aber zeigt sich in der christlichen Symbolik das kontextuelle Bindeglied zur Charakteristik der Hauptfigur : Das bereits in der ersten Begegnung von Jurek enthusiastisch als »sauber« gelobte Mädchen spiegelt vorzüglich die maßgebenden Diskurse um Sexualität der christlichen Konfessionen der Zeit mitsamt der Betonung von Sauberkeit und »angeblich überzeitlicher, konservativer ›deutscher‹ Werte im Bereich Familie und Sexualität«.127 In diesem Remake sind die sexuellen Anspielungen zu den Nebenfiguren verlegt und damit eingehegt. Eingeführt in der Gemeinschaft junger Leute und des Dorfes nimmt sich die tierliebe Waise des Liebesglücks der Tante an. Bemerkenswert ist hier nicht primär, dass sie elternlos ist, die Übernahme von Figurenkonstellationen zwischen Remakes und Vorgängerfilmen zeigte insgesamt keine Zunahme verwaister Figuren in den 1950er Jahren, die als Verweis auf die Versehrtheit der deutschen Familien nach dem Zweiten Weltkrieg zu interpretieren wäre.128 Interessanter erscheinen die ausgestellte Tierliebe und Kindlichkeit, die bereits in der Ankündigung des Films durch einen von Romy Schneider gezeichneten Pressetext auch auf die reale Person – und damit auf das Starimage – übertragen wird: Laut Drehbuch komme ich nämlich in Wien mit einem Hund bei meiner Tante an. Und da hatte ich mir gedacht, daß Seppl, mein Kurzhaardackel, die Rolle bekommen würde, und er freute sich auch schon sehr darauf. Aber Onkel Ernst, unser Produzent, Drehbuchautor und Regisseur Ernst Marischka, bereitete uns beiden gleich eine gründliche Enttäuschung: Seppl sei viel zu fein für die Rolle […].129

Neben dem offenkundig naiven Duktus des Berichts wird hier die Tierliebe und Naivität der wirklichen und inszenierten jungen Frau zum wichtigen Kriterium 126 Bereits am Beginn, als sie den Freundinnen die Weissagung verliest, wehrt sie die erste Anspielung ab; beobachtet sodann wissend die Avancen des Hofrats bei der Tante, bleibt aber selbst – wie wir beim Abbruch der Nebenhandlung um Baron Zorndorf sahen – von sittlicher Gefährdung befreit. 127 Dagmar Herzog analysiert die sexuellen Moraldebatten im Kontext der Vergangenheitsbewältigung sowohl der Kirchen als auch der Familien umfassend, vgl. Herzog 2005, S. 127– 172, Zitat S. 130. 128 Vielhaber kommt zu dem gleichen Befund: »Die zweithäufigste Figurenkonstellation, die Familie, ist in mehr als der Hälfte der untersuchten deutschen Filme zu finden. […] Über zwei Drittel der Filme sind unvollständige Kleinstfamilien.«, Vielhaber 2012, S. 95. Sie bemerkt eine gleichbleibende Häufigkeit in ihrem Untersuchungszeitraum 1930 bis 1970. 129 Romy Schneider: »Was sich die Drehbuchautoren einfallen lassen«, in: Sauerländisches Volksblatt vom 30. 9. 1955.

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ihrer Natürlichkeit,130 die (am Beginn des Films inklusive Naturverbundenheit installiert) sie auch durch ihre Zeit in Wien tragen wird. Während sie die Salzburger Tracht ablegt und sich äußerlich der Wiener Mode anpasst, betreibt sie hier nicht Arbeit, sondern vor allem Beziehungspflege. Ihre emotionale Mission um Tante und Liebesglück verfolgt Stanzi mit der gleichen Unschuld, die auch den Kaiser rührt. Anders als im Vorgängerfilm beobachten wir hier keine gleichberechtigten Schnitt-Gegenschnitt-Aufnahmen und eine kompetente Bittende bei der Audienz. Stattdessen haspelt das junge Mädchen ungelenk vor dem gütigen Monarchen und hat schließlich gar Tränen in den leuchtend blauen Augen, die sie im nächsten Schnitt noch wegwischen und erklären wird. Ihre Rührigkeit unterstreichen die Nahaufnahmen der Farbfilmkamera Bruno Mondis, deren Ausleuchtung – wie Daniela Sannwald betont – auch in den weiteren Romy-Schneider-Filmen der Zeit »die Flächenhaftigkeit ihres Gesichts durch extrem helle Ausleuchtung betont […]: Sie scheint von innen heraus zu leuchten – in Unschuld, Reinheit und Güte.«131 Inszeniert wird hier ein unbedarftes Ideal, das die Generationen und Stände versöhnt und die Ordnung nicht bedroht.132 Anders als Franziska Gaal im Premake ist sie ohne ernstzunehmende Gesangseinlagen allein auf die Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen abonniert. Selbst die Komik verschiebt die neue Inszenierung in die zweite Reihe der Darsteller, der Hauptfigur bleibt nur Tollpatschigkeit. Diese Verschiebung der Komik auf die Ebene der Nebendarsteller ließ sich auch in anderen Remakes beobachten und korrespondierte ebenfalls mit der Idealisierung der weiblichen Hauptfigur (1953 Muss man sich gleich scheiden lassen?).133 Auch die anderen männlichen Figuren sind vor allem dem Komödiantischen verpflichtet und erscheinen im Kontrast zu den Protagonistinnen. Der Hofrat mit seiner hilflosen Emphase lässt das Arbeitsethos der Tante noch mehr glänzen. Die lächelnde, gütige Bäckerin verkörpert hier neben der herzensreinen Nichte ein ins Schöne verwandeltes Ideal der allein arbeitenden Frau, das durchaus an den Mythos der Trümmerfrauen anknüpfen könnte, deren persönliches Glück nun eingelöst wird. Magda Schneider verkörpert als ehemaliger Star diese Rolle der neu Beginnenden in keinem der Filme als Mutter, sondern stets als Vertraute. Dieser Wechsel und die vollständige Marginalisierung des männlichen Protagonisten sind aber ein Spezifikum dieses Remakes (und anderer Filme mit Romy und Magda Schneider). Im Gesamtfilmkorpus fanden sich zwar eher selten starke, positiv besetzte Mütterfiguren, aber eine Abwertung der 130 Auf die Tierliebe in den Romy-Schneider-Filmen der 1950er Jahre macht Daniela Sannwald aufmerksam, vgl. Sannwald 2005, S. 39f. 131 Ebd., S. 50. 132 Ausführlich zur filmhistorischen Deutung des Stars Romy Schneider und der Komplexität ihres Images, vgl. Lowry 2015, S. 241ff. 133 Vgl. II. 2.1.5 Komödien im Wandel? Ehekonflikte, S. 168–171.

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Mütter war ebenso wenig zu beobachten. Bemerkenswert ist, dass beide Frauen sämtliche Weiblichkeitsbilder ins Positive gewendet verkörpern: die genügsame, fröhliche, verwitwete Frau der Trümmerzeit, deren bürgerliches Benehmen so tadellos ist, und ihre Nichte, das naive, herzensgute Mädchen.134 Diese Idealisierung von Weiblichkeit und das Problem einer ausschließlich positiv besetzten und in diesem Fall auch militärischen Männlichkeit korrespondiert sodann mit den erarbeiteten Themen der Remakes insgesamt. Die Problematik der Diskurse ist hier verborgen hinter Ausstattung, Typen und vergangener, märchenhafter Geschichte und folgt eben jener überaus stereotypen Idealisierung der weiblichen Hauptfiguren, die sich am Gesamtfilmkorpus ebenfalls ausmachen ließ.135 Der Kaiser erscheint – Reminiszenz an eine »gute alte Zeit« – als einzig ernstzunehmende Moralinstanz, die das happy end garantiert. Diese dramaturgische Linie ist bereits in Kaisermanöver (A 1954, Antel) zu finden. Alle anderen männlichen Figuren sind der komischen Ebene des Films verpflichtet.

1.4.6 Komik und Klamauk Die dramaturgischen Verschiebungen korrespondieren mit jenen in der Komik: Stanzi ist süß, aber ausschließlich in ihrer Unbeholfenheit lustig – für die Möglichkeit der kontrastierenden Komik ist ihre Figur zu gerade angelegt. Am Beginn, als sie unfreiwillig in den Tanz integriert und herumgeworfen wird, bekommt die Szene ein wenig Klamaukcharakter, ebenso wenn sie während des Abgangs beim Kaiser natürlich nicht an der Tür, sondern auf dem Stuhl landet, klassische Situationskomik. Baron Zorndorf in seinen amourösen Verwicklungen zeichnet sich vor allem durch das unablässige Zucken seines Mundwinkels aus, aber durch die weit weniger antiquierte Tante Nanettes fehlt der strenge Gegenpart und damit ebenfalls die Kontrastierung in der Komik. Sie wird auf schnell identifizierbare Typen reduziert, was sich insbesondere an Mosers Rolle zeigt. Hans Moser bekommt deutlich mehr Zeit: Denn die Szenen im Friseurgeschäft Swobodas sind eben nicht mehr primär dem Konflikt um Jureks Kompositionen verhaftet. Moser kann als unablässig redender, grantelnder Friseur 134 Wenn Elizabeth Heinemann für die Herausbildung westdeutscher Identität die Trümmerfrau mit »ihrer unschuldigen Vergangenheit« und der »unkomplizierte[n] Zukunft« als Symbol herausarbeitet und weibliches Sexualverhalten in der Besatzungszeit und die Aufregung um Fraternisiererinnen als »Umlenkung der Aufmerksamkeit von Gewalt auf sexuelles Fehlverhalten« als negativen Gegenpart der Zuschreibungen von Weiblichkeit in der jungen Bundesrepublik ausmacht, so finden sich diese Diskurse ins positiv idealisiert in diesem Film, Heinemann 2001, S. 162 und S. 166. 135 II. 2.4.7 Konflikte und Figuren im Wandel: Männlichkeit und Weiblichkeit, S. 269–272.

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inmitten seiner Lehrbuben alle komischen Potentiale entfalten. Dabei sind die Szenen dramaturgisch nur noch lose angebunden. In der ersten Szene beweist er final dem Hauptmann – zum Leid der Anwesenden – seine Musikalität mit dem »Füllhorn«, das tatsächlich eine Trompete ist. Eine weitere Figur wird in ihrem komischen Potential aufgewertet: Der Hofrat (Josef Meinrad) darf nun nicht nur als Werbender um die Tante agieren, sondern in einer eigenen Verkaufsszene in der Bäckerei neben vielen kleineren Momenten für Amüsement sorgen. Meinrad – zur gleichen Zeit gefeierter Burgtheaterschauspieler – knüpft damit an seine populären, zahlreichen, oft komischen Rollen im Film der Zeit an,136 mit denen er für ein deutsches und österreichisches Publikum zum Star avancierte. Noch mehr der Unterhaltung und dem Humor verpflichtet ist die Besetzung des Gefreiten Stiegler mit Heinz Conrads. Neben seiner ausgestellten Mimik und den unaufhörlichen Scherzen während seiner Filmauftritte in Die Deutschmeister war der Schauspieler dem Publikum in Österreich nicht nur vom Wiener Theater bekannt. Seit 1946 moderierte er im österreichischen Rundfunk eine Sendung, zu der es eine lose Verbindung gibt, denn sie begann mit der kaum variierten Begrüßung »Guten Morgen die Madeln, servus die Buam«, »die Deutschmeister-Formel«,137 eine populäre Verbindung zum Regiment.138 Komik wird im Film zum szenischen und dialogischen Klamauk der Typen.139 Er sichert der ohnehin konfliktarmen Handlung neben der Musik einerseits Unterhaltungscharakter, andererseits wird damit gleichsam das militärische Moment zivilisiert. 1.4.7 Diskussion der Deutschmeister und des Militärs Gemessen am Titel erscheint die Inszenierung des Militärischen – wie schon im Vorgängerfilm – eher marginal. Dennoch beurteilt der Rezensent im Evangelischen Film-Beobachter den Film im Kontext der Wiederbewaffnung durchaus kritisch:

136 Etwa in 1. April 2000 (A 1952, Liebeneiner) oder Kaisermanöver (A 1954, Antel), ausführlich zu den Theaterrollen Meinrads und die Auflistung seiner Filmarbeiten, vgl. Holler 1995. 137 Vgl. Rapp 2005, S. 148. 138 Rapp weist darauf hin, dass Conrads retrospektiv seine Deutschmeisterverbundenheit deutlich hervorhebt, obgleich vor allem eine Absage des bekannten Regiments an ihn verbrieft ist, vgl. Rapp 2005, S. 148 und Schenz 1991, S. 28. 139 1952 schon identifiziert Wolfgang A. Peters in seiner Rezension von Fanfaren der Liebe (1951, Hoffmann) die permanente Besetzung nach Schauspielertypen und eine Tendenz zum Klamauk und beklagt: »Wir haben zwar sogenannte Unterhaltungsfilme, aber keine Filmkomödien mehr«, Wolfgang A. Peters, in: Die Neue Zeitung, 18. 1. 1952, zitiert nach: Hoffmann/Schobert 1989, S. 360.

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Unter keinem Gesichtspunkt hat es die Habsburger Monarchie und das ehrwürdige Deutschmeisterregiment verdient, derart sacharinsüß in immer neuen Aufgüssen verkitscht zu werden. Und dann: Ist denn wirklich keine Limonade zu schlecht, um die kommenden NATO-Rekruten und ihr »souveränes« Volk wieder wehrwillig zu machen?140

Tatsächlich kreist – anders als noch 1934 – die Diskussion aber deutlich kritischer um die filmische Verhandlung des Militärs,141 eine offenkundige Konsequenz des gerade zehn Jahre zurückliegenden Zweiten Weltkriegs.142 Rezeptionshistorisch verorten sich Die Deutschmeister damit also nicht allein in den österreichischen Monarchieverfilmungen, sondern auch in den Kriegsfilmen und Militärschwänken des Jahrzehnts.143 Der Weltkrieg prägte auch die filmische Inszenierung des Militärs, so unmilitärisch das Remake erscheinen mag, und die Geschichte des Deutschmeister-Regiments: 1938 wurde das »Wiener InfanterieRegiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4« in die 44. Infanteriedivision der Deutschen Wehrmacht übergeleitet.144 Es ist kaum anzunehmen, dass die Erinnerung verlöscht war, zumal noch 1979 ein menschelnder Erinnerungsband erscheint: mit Karten der Vormärsche (von Polen bis Frankreich, von der Ukraine, über Stalingrad bis Italien)145 und mit Fotografien, die man nicht anders als revanchistisch nennen kann.146 Auch bleiben die Deutschmeister und ihr Marsch im größeren Kontext Bestandteil österreichischer Identitätskultur, wenn 140 »Die Deutschmeister«, in: EFB, Nr. 35, 1. 9. 1955, 7. Jg. 141 Auch die Rezension in Die Filmwoche mahnt das Wiederaufleben von Uniformen durchaus kritisch an und verknüpft diese mit der Publikumswirksamkeit, denn »die gute alte Zeit« ist bekannt nur noch aus den »Reden der Älteren« und »Stoffe, die sich damit beschäftigen, sind ein sicherer Griff, a priori schon ein Erfolg«, vgl. »Die Deutschmeister marschieren wieder«, in: FW, Nr. 21, 21. 5. 1955, 10. Jg. Auch das Hamburger Echo bemerkt: »Im Zuge der österreichischen Wiederaufrüstung war ein echt wienerisches Zelluloid-Denkmal für das populärste Regiment der ehemaligen Donau-Monarchie […] unerläßlich.«, vgl. »Deutschmeister« in: Hamburger Echo vom 13. 8. 1955. 142 Bereits die Rezension der Reprise von Frühjahrsparade 1950 nahm die Kritik vorweg, indem sie betont: »Es wird wohl kaum jemand geben, der im Aufziehen der Wiener Burgwache, in einigen Militärmärschen und in der etwas operettenhaften Kaiserparade eine Wiederbelebung des ›Militarismus‹ befürchtet.«, »Frühjahrsparade«, in: FD, Nr. 6, 11. 02. 1950, 3. Jg. 143 Ausführlicher hierzu, vgl. II. 2.2.4 Weltkrieg und Nachkriegszeit zwischen Diskretion, Überzeitlichkeit und Kontinuitätsstiftung, S. 195–201. 144 Ausführlich dazu, vgl. Peball 1978, S. 243ff. 145 Ausführlich zum Einsatz und zur Aufstellung des Regiments in der Wehrmacht, vgl. Finke 1978, S. 344–355. 146 »Den Leistungen und Opfern der deutschen Soldaten zu Lande, zu Wasser und in der Luft wird auch der Gegner die Achtung nicht versagen«. Abgebildet sind Schnappschüsse etwa des »begeisterte[n] Empfang[s] durch volksdeutsche Bevölkerung« in Polen, ebenso offenkundig rassistische »Gesichter des Ostens« nach der Frühjahrsschlacht bei Charkow, wie auch ein Flugblatt der Feindpropaganda »An die Hoch- und Deutschmeister«, um nur einige Beispiele zu nennen, vgl. Dettmer / Jaus / Tolkmitt 1979.

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im September 1955 nach dem Staatsvertrag erstmalig wieder Soldaten marschieren: Auf dem Marsch von der Kaserne in Schönbrunn zur Hofburg wurde das Regiment, an dessen Spitze eine Musikkapelle marschierte, von der Menge mit Händeklatschen, Winken und Bravorufen begrüßt. Ihren Höhepunkt erreichte die Begeisterung, als die vier Kompanien unter den Klängen des Hoch- und Deutschmeister-Marsches an der neuen Hofburg vorbei defilierten, wo allmonatlich ein ganzes Jahrzehnt lang die alliierte Wachablösung stattfand.147

Diese in der Süddeutschen Zeitung berichtete Episode fügt sich ein in die Bestrebungen durch die Österreichische Volkspartei nach 1945, die im »Prozess der Nationswerdung […] die dominante Position ein[nahm] – auch und gerade wegen der Nutzung des Habsburger-Mythos«.148 Dieser überdeckte nicht nur die jüngere Vergangenheit, sondern zeitigte als älteres Bezugsfeld zugleich »eine weitreichende Ablehnung kultureller Modernisierung«.149 Somit konnten ein Orientierungspunkt und eine »Metapher für eine konservative, traditionsorientierte Weltsicht« geschaffen werden.150 In diesem Kontext verorten sich wohl dann auch die Diskurse des sympathisch-verantwortungslosen Kaisers und des ausschließlich reinen Mädchenbildes – unter Beibehaltung des Glanzes der Uniformen. Im Film erscheinen sie zweifelsohne romantisiert, aber das enthebt sie keineswegs der Kritik: Der Zauber der Montur hat es anscheinend den Filmproduzenten und auch dem Publikum angetan. […] Allen Neutralisierungsbestrebungen des österreichischen Staatsvertrages zum Trotz feiern die Uniformen der vielen Truppengattungen einer besseren Vergangenheit Auferstehung, wenn auch nur auf der Leinwand und rufen im Zuschauer erlebte oder auch nur eingebildete Erinnerungen wach an die »gute alte Zeit«, die viele auch so bezeichnen, wenn sie sie nur vom Reden der Älteren her kennen.151

Dieser Ankündigungsbeginn in Die Filmwoche fasst die Ambivalenz – auch wenn sie hier vor allem auf eine österreichische Perspektive abhebt – zusammen: Der »Zauber der Montur« lässt sich zwischen einem inszenierten Vergangenheitsidyll und den Leerstellen der Gegenwart verorten.152 Gleichzeitig 147 148 149 150 151 152

»Freudentränen beim k.u.k.-Parademarsch«, in: SZ, Nr. 229, 27. 9. 1955, 11. Jg., S. 14. Cole 2004, S. 485. Ebd., S. 489. Ebd. S. 491. [-rei-]: »Die ›Deutschmeister‹ marschieren wieder«, in: FW, Nr. 21, 21. 5. 1955, 10. Jg. Die Rezension der Filmwoche verweist auf die gleiche Distanz: »Aber die Deutschmeister sind auch einer der unverblaßten Begriffe des alten Österreich, das immer wieder aus Geschichte, Kunst und Leben Stoffe liefert, die keine Versager sind, jedenfalls nicht zu sein brauchen. Diese Filmfabeln leben zu einem wesentlichen Teil davon, daß der moderne Mensch recht gerne seiner Gegenwart entflieht und sich in ein – scheinbar oder nicht –

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Detailanalysen

weist die Kritik deutlich distanzierende Momente auf, unterstellt also keine geradlinige politische Funktionalisierung. Selbst die am Beginn zitierte harsche Kritik des Evangelischen Film-Beobachters bleibt in dieser Ambivalenz stecken.153 In der jungen Bundesrepublik ist der Konflikt um die Wiederbewaffnung kaum weniger virulent und pendelt zwischen der Hypothek der Vergangenheit, deutlicher Skepsis der Bevölkerung und der westeuropäischen Integration, die der Verteidigungsbeitrag für die Adenauer-Regierung bedeutet. Im Juni 1955 wird Theodor Blank zum Bundesverteidigungsminister ernannt. Im gleichen Jahr wird das Wehrverbotsgesetz des Alliierten Kontrollrats am 6. Mai endgültig aufgehoben, der NATO-Vertrag tritt in Kraft, 1956 wird die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland wieder eingeführt.154 Begleitet sind diese politischen Prozesse von einer »breite[n], öffentlich wirksame[n] und somit auch das Bewusstsein der Menschen bestimmenden und bewegenden[n] militärpolitische[n] Diskussion«,155 die durchaus auch den Kriegsfilm der Zeit betraf. Für Die Deutschmeister zeitigt das eine doppelte Betrachtungsweise. Der Bezug zur Populärkultur, zur Operettentradition, kann den Film einerseits von jeglichem politischen Anspruch entlasten, wie die Besprechung in Der Tagesspiegel deutlich macht: Rein von der Handlung her ist das eine jener operettenhaften Wiener Geschichten um den lieben Kaiser Franz und seine noch lieberen Soldaten. Aber erstaunlicherweise steuert Regisseur Ernst Marischka zielbewußt und mit bemerkenswertem Geschick am Sentimentalen vorbei. […] Kurz: ein Film, der – in seiner Art – virtuos gemacht und für ein ganzes Filmgenre beispielgebend ist.156

Zeitgenössisch wurde auch das Remake – wie bereits der Vorgängerfilm – als Operette wahrgenommen.157 Doch muss sich der Film auch abseits kulturkritischer Einwände gegen »hirnvernebelnde Filme« im Kontext der Wiederbewaffnung befragen lassen.158 Unter diesem Aspekt erscheint er dann durchaus politisch und gesellschaftlich funktional, denn Marischka inszeniert nicht nur die herausgearbeiteten Versöhnungsszenarien zwischen Monarchien und Ge-

153 154 155 156 157 158

heiteres, sorgloses und erst recht von Musik verklärtes Zeitalter der Väter und Großväter versetzen läßt«, »Die Deutschmeister«, in: FW, Nr. 35, 27. 8. 1955, 10. Jg. Denn bei aller Verurteilung des »sacharinsüß[en] Gesöffs«: »Gekonnt ist eben gekonnt. Dagegen läßt sich nichts sagen«, »Die Deutschmeister«, in: EFB, Nr. 35, 1. 9. 1955, 7. Jg. Politische Etappen und Daten zu der Wiederaufrüstung, vgl. u. a. Lehmann 1981, S. 55–61. Vgl. Wengler 1992, S. 80. »Blick auf die Leinwand: Lausejungs und liebe Soldaten«, in: Der Tagesspiegel, Nr. 3131, 25. 12. 1955, 11. Jg. Vgl. u. a. »Die Deutschmeister«, in: Filmwoche, Nr. 35, 27. 8. 1955, 10. Jg., »Die Deutschmeister«, in: Hannoversche Presse vom 16. 08. 1955; »Die Deutschmeister«, in: Der neue Film, Nr. 66, 22. 8. 1955, 9. Jg., S. 4. »Ist so, war so das Leben?«, in: Volks-Echo vom 3. 9. 1955.

Frühjahrsparade (A/HU 1934) und Die Deutschmeister (A 1955)

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nerationen, sondern gleichzeitig hypertrophiert er hier eine Zeit, in der das Militär scheinbar noch zivil und damit unproblematisch war. Das lässt sich in den Zusammenhang mit dem Konzept »Bürger in Uniform« bringen, das der neu gegründeten Bundeswehr eine Abgrenzung zur eigenen Geschichte und ein modifiziertes Soldatenbild gewähren sollte. In Rückbezug auf den HabsburgerMythos wird im Film eine tradierte, zentrale österreichische Schnittstelle zwischen Armee und zivilem Leben inszeniert, die auch einem deutschen Publikum ein positives Bild des Militärischen versprach, das vor allem durch sein Verhältnis zur Musik und zum privaten Glück bestimmt ist, nicht aber durch die Inszenierung vorbildhaften Soldatentums. Im Kontext dieser Umdeutung kann man auch den Wandel der weiblichen Hauptrolle begreifen, denn diese Inszenierung des Militärischen speist sich ausschließlich aus dem Schaucharakter der Parade und wird in der Filmhandlung auf der Alltagsebene gleichzeitig durch die inszenierte Omnipräsenz der weiblichen Unschuld (Stanzi) und Tüchtigkeit (Tante) marginalisiert. Eine explizite Entmilitarisierung durch die weiblichen Hauptfiguren, für die Susanne Marschall in der Sissi-Trilogie argumentieren kann,159 sucht man allerdings vergebens. Allenfalls stört die Protagonistin kurz die militärische Ordnung der Frühjahrsparade am Ende des Films, als sie durch das Exerzierfeld läuft. Das aber geschieht nur mit der Legitimation jenes Kaisers, der zwar im Laufe des Films Moralinstanz war, dem aber gleichzeitig im Zuge der Salzstangerlgeschichte politische Verantwortungslosigkeit attestiert wurde.

1.5

Zusammenfassung

Beide Filme bieten eine unproblematische Inszenierung von Monarchie mit einem gütigen Kaiser. Beide Filme entwickeln ihre Geschichten von den weiblichen Hauptfiguren aus, die männlichen Protagonisten und das Militärische sind ihnen gegenüber eher marginal. Beide Filme eint, dass sie historisch aufgrund des antizipierten Handlungsverlaufes, der musikalischen Elemente, des Figurenensembles und der Ausstattung – und auch das entlastet den militärischpolitischen Bezugsrahmen – als Filmoperetten rezipiert wurden, ohne formaldramaturgisch in ein solches Schema zu passen. So scheinen die Umdeutungen erst einmal klein und primär aus den Neubesetzungen zu resultieren. Die Tiefe der Wandlungs- und Anknüpfungspro159 Susanne Marschall arbeitet für die Sissi-Trilogie überzeugend das Moment einer weiblichen Entmilitarisierung durch die Hauptfigur heraus: Ihre Argumente sind der inszenierte Machtwechsel von der machtbewussten Erzherzogin Sophie zu den jungen Regierenden. Sissi kann mit der »Wirkung mädchenhaftes Liebreizes, mit dessen Hilfe Militärs zivilisiert, Revolutionäre ›revolutioniert‹ und die Fauna gerettet« wird so als Identifikationsfigur einer pazifistischen Ethik gesehen werden, Marschall 1997, S. 381.

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Detailanalysen

zesse zu sehen, würde längere Reflexionszeiten voraussetzen, die beim Publikum eines Unterhaltungsfilms – verstärkt durch den zeitlichen Abstand zum Vorgängerfilm – schwerlich zu unterstellen sind. In historischer Perspektive jedoch sind diese umso interessanter und differenzierter. Während Frühjahrsparade vor allem durch die Musikalität der Hauptdarstellerin und -figur geprägt ist, dominieren 1955 die farbenprächtige, detailgetreue Inszenierung Wiens und die Militärparade. Die Szenen im Prater sind in Operettentradition Schauwerten verpflichtet. Insgesamt fällt die Wichtigkeit dieser auf, egal ob in musikalischen oder komischen Szenen. Das Remake räumt ihnen im Vergleich noch mehr Raum ein. Es wäre zu vermuten, dass die Wahrnehmung als Operette erstens vor allem dem Regisseur Marischka und dem Drehbuch geschuldet ist. Zweitens zeitigt diese Sicht ein entlastendes Moment für die mögliche Problematik des Militärischen oder der Realgeschichte: Die Geschichte zeigt sich damit als mediale Inszenierung; ohne Anspruch auf Wirklichkeitsdeutung oder Kritik. Das letzte gewichtige Argument der Differenz bei gleicher Zuschreibung beider Filme ist die Umdeutung der weiblichen Hauptrolle. Anders als Franziska Gaal ist Romy Schneider weitgehend frei von Musikalität. Dagegen fügt sich das Mädchenbild, das hier in aller Naivität und Sauberkeit transportiert wird, nahtlos in die Mediengeschichte um 1955 ein. Wenn am Beginn der 1930er Jahre offensichtlich eher noch das Selbstbewusstsein der It-Girls durch die Filmkomödien und Musikfilme weht, sehen wir hier eine deutliche Hinwendung zum tugendhaft vorbildlichen jungen Geschöpf (und seiner Tante). Das mag in einer Zeit, der die Sozialgeschichtsschreibung die Rekonstruktion traditioneller Familienbilder attestiert, gesellschaftlich funktional sein. So gesehen mag der Wandel von filmischer Weiblichkeit vor allem darauf deuten, wofür Uta Poiger am Beginn ihres Aufsatzes als »Krise der Männlichkeit« argumentiert:160 Als ungebrochen vorbildhafte Identifikationsmodelle können vor allem weibliche Figuren agieren, deren Tugenden vermeintlich unerschüttert blieben, was sich bereits am Gesamtfilmkorpus besichtigen ließ.161 Der vielleicht wichtigste Punkt, der über das Filmmaterial selbst hinausweist und einen klaren Bruch markiert, ist die filmkritische Diskussion im Kontext der Wiederbewaffnung und über die Wiederbelebung des Militärischen. Hier offenbaren sich keinesfalls unpolitische Rezensionen und damit eine Öffentlichkeit für tieferliegende Diskurse des Unterhaltungsfilms. Tatsächlich zeigt sich hier bereits eine deutliche Sensibilität gegenüber latent politischen Inhalten, die der wissenschaftliche Diskurs in Bezug auf den NS-Unterhaltungsfilm ab den 1960er Jahren betonen wird. 160 Poiger 2001. 161 II. 2.4.7 Konflikte und Figuren im Wandel: Männlichkeit und Weiblichkeit, S. 269–272.

Der Herrscher (1937) und Vor Sonnenuntergang (1956)

1.6

315

Vergessenes Nachspiel: Die Operette von Robert Stolz (1964)

Am 25. März 1964 wird an der Volksoper in Wien in einer Inszenierung von Otto Fritz eine Operette von Robert Stolz uraufgeführt: Frühjahrsparade.162 Zunächst wird darin die weibliche Protagonistin wieder zur Ungarin, der Korporal hat nun kein prominentes Vorbild mehr und ist ein namenloser Komponist aus der Deutschmeisterkapelle, doch erklingen gleichzeitig einige bereits für die Filme komponierte Stücke.163 Die Handlungsführung wird der Operettendramaturgie angepasst mit buffo-Paar und kleinem und großem Finale, die Figuren werden insgesamt enger verwoben und die Dramaturgie zielt auf die Aufführung des umstrittenen neuen Marsches »Frühjahrsparade«: »Die Volksoper hatte im Finale ultimo vierhundert Menschen auf der Bühne, davon 250 Mann vom Gardebataillon Wien einschließlich Kapelle, die Mozart-Sängerknaben und Chor und Extrachor und Ballett und ein Orchester von 65 Musikern.«164 Elf Jahre verweilt die Operette im Repertoire der Wiener Volksoper,165 wird in Deutschland, Belgien und Frankreich inszeniert. Diese zahlreichen späteren Aufführungen einer ausstattungstechnisch durchaus anspruchsvollen Operette voller populärer Melodien gehen Hand in Hand mit der anhaltenden Bekanntheit des Remakes.

2.

DER HERRSCHER (1937) und VOR SONNENUNTERGANG (1956)

Die letzte bedeutende Hauptmann-Premiere in der Weimarer Republik war Max Reinhardts Inszenierung von Vor Sonnenuntergang 1932 am Deutschen Theater. Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler nahmen im darauffolgenden Jahr die Biografien zahlreicher Künstler und Schriftsteller, die Dichter, Werk und Inszenierung prägten, sehr unterschiedliche Wendungen. Das Drama Gerhart Hauptmanns wird wenige Jahre später zu einer Vorlage von Der Herrscher,166 den Veit Harlan inszenierte. 1937 kommt er in die Kinos, prämiert als »staatspolitisch besonders wertvoll«. 1956 schließlich verfilmt Gottfried Reinhardt, Sohn Max Reinhardts, das Schauspiel noch einmal. In diesen Filmen und ihren Entstehungsgeschichten kulminieren die Ambivalenzen und Paradoxien deutscher Film- und Kulturgeschichte auf personeller 162 Die folgende Zusammenfassung bezieht sich auf Klaus Eidams ausführliche Vorstellung der Operette, vgl. Eidam 1989, S. 199ff. 163 Neben den »neuen Elementen« u. a. der Marschfox »Wenn die Vöglein musizieren«, der Walzer »Singend, klingend ruft dich das Glück«. 164 Eidam 1989, S. 200. 165 Semrau 2006, S. 93. 166 Als zweite Vorlage ist Harald Bratts Komödie Der Herrscher im Vorspann genannt.

316

Detailanalysen

Ebene. Zugleich zeigen sich die Ausdeutungen von Generationenkonflikten im Wandel und die Bedeutung der Hauptmann-Referenz als Teil eines kulturellen Verarbeitungs- oder Verdrängungsprozesses.

2.1

Referenz: Vor Sonnenuntergang, das Hauptmann-Drama und seine Berliner Uraufführung

Bereits 1891 begann Hauptmann mit den Planungen eines Stückes, das Shakespeares König Lear aufgreift, 1931 vollendet der Dichter Vor Sonnenuntergang, 1932 erscheint es erstmals im Fischer-Verlag.167 Das fünfaktige Schauspiel verhandelt die Geschichte des Geheimrats Matthias Clausen, der gegen den Willen seiner Kinder Bettina, Ottilie, Egmont und Wolfgang und der Schwiegerkinder Erich Klamroth und Paula Clothilde die Kindergärtnerin Inken heiraten möchte, von der Familie entmündigt wird und sich im letzten Akt selbst tötet.168 In der Literaturwissenschaft ist das Drama als Beitrag zu Geist und Macht im Kontext des erstarkenden Nationalsozialismus169 ebenso wie als solcher des Dichters zum Goethe-Jahr 1932 diskutiert worden.170 Am 16. Februar 1932 wird Vor Sonnenuntergang im Deutschen Theater gespielt, allerdings ohne den Selbstmord Clausens im letzten Akt. Werner Krauß und Helene Thimig spielen die Hauptrollen.171 Daneben gibt Oskar Sima den intriganten Schwiegersohn, Maria Koppenhöfer die böse Schwiegertochter. Die Kinder spielen Eleonora Mendelssohn (Bettina), Käthe Haack (Ottilie), Hans Brausewetter (Egmont) und Mathias Wiemann (Wolfgang). Schließlich steht Helene Fehdmer als Inkens Mutter auf der Bühne. Sie wird diese Rolle auch in der Verfilmung Der Herrscher übernehmen.172 Die Inszenierung wird bis Mai 167 Cowen 1980, S. 218ff. 168 Gerhart Hauptmann: Vor Sonnenuntergang. Frankfurt am Main: Ullstein, 1982. Da es hier nicht um literaturwissenschaftliche oder gar philologische Diskussion geht, arbeite ich – wie auch in der Ganghofer-Analyse – mit einer späteren Auflage des Stückes. 169 »Das Stück bietet eine unbarmherzige Konfrontation und verdeutlicht das Ende einer Kulturepoche. Am Vorabend der faschistischen Machtübernahme mußte es desillusionierend wirken«, Hilscher 1969, S. 402. Roy C. Cowen zitiert diese Einschätzung in der Kurzvorstellung der Aufnahme von 1980 und stellt auch noch einmal den Bezug zu Walther Rathenau heraus, dem laut Hilscher Hauptmann mit dem Schauspiel »ein Denkmal gesetzt« habe, Cowen 1980, S. 221. 170 Eine differenzierte Analyse des Goethe-Bezugs Hauptmanns im Wandel der Zeit und die des Dramas legt Peter Sprengel im Goethe-Jahrbuch vor, vgl. Sprengel 1986. 171 Leppmann 1995, S. 353ff. 172 Noack weist in seiner Harlan-Biografie im Kapitel zu Der Herrscher aus, dass die »Besetzung zum Teil von der Reinhardt-Aufführung übernommen [wurde], sofern sie nicht emigriert war«, vgl. Noack 2000, S. 128.

Der Herrscher (1937) und Vor Sonnenuntergang (1956)

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des Jahres 85 Mal am Uraufführungstheater173 und im selben Jahr noch an 60 deutschen Bühnen gespielt.174 Die Kritik lobt die Inszenierung begeistert,175 exemplarisch urteilt etwa Alfred Kerr im Berliner Tageblatt am 17. Februar 1932: Es tönt aus diesem tragisch-seligen Gesang eines siebzigjährigen Dichters, der seinem Land aus großem Reichtum viel gegeben hat; […]. … es tönt aus diesem Werk des VorAbschieds, des Vor-Sonnenuntergangs nicht nur der lebenslängliche Werkton eines großen Künstlers, der in der Dramenwelt meißelt und hämmert: sondern ein besonderer, privater Klang. […] Nicht der Dramatiker : der Mensch redet. Er in dem andren. Ein herrlicher Mensch; wer ihm begegnet ist, hat es gefühlt. Aus diesem Dramatiker spricht der Beruf; aus diesem Menschen der empfangene Ruf.176

Andere Stimmen bleiben nicht aus: Der Kerr-Antipode der Theaterkritik, Herbert Ihering, rühmt zwar die Schauspieler, nicht aber ohne zuvor dem Hauptmann-Stück zu attestieren, es sei schlicht »eine ehrwürdige […] Kundgebung für eine Welt, die vor Gerhart Hauptmann liegt, etwa für die Welt der achtziger Jahre.«177 Wichtiger für diese Analyse aber als die Diskussion der »Zeitenwende« erscheint der Topos des Generationenkonflikts, der in beiden Verfilmungen virulent werden wird.178 Die Paradoxien und Ambivalenzen der deutschen Kultur-, Film- und Theatergeschichte kulminieren im Personenkreis um Drama und Verfilmung. Während etwa Werner Krauß – ab 1934 »Staatsschauspieler« – seine Karriere im Nationalsozialismus fortsetzt, folgte die damalige Lebensgefährtin Helene Thimig Max Reinhardt zunächst nach Österreich und dann ins amerikanische Exil. Auch Eleonora von Mendelssohn wurde als Jüdin 1933 vom Staatstheater entlassen und floh 1936 mit ihrem Mann Rudolf Forster in die USA.179 Reinhardt 173 Boeser / Vatkov# 1984, S. 346. 174 Goetze 1971, S. 96. Reiner Poppe konstatiert, dass das Stück »auf nicht weniger als 63 Bühnen inszeniert« wurde, Poppe 1998, S. 80. 175 Greinert 2009, S. 183ff. 176 Kerr 1981, S. 551–556, hier : S. 554. 177 Herbert Jhering: »Vor Sonnenuntergang«, in: Berliner Börsen-Courier, Nr. 80, 17. 2. 1932, zitiert nach: Jhering 1987, S. 557. Ausführlich zu den Positionen Jherings und Kerrs, vgl. Schöne 1994. 178 So stellt etwa Peter Sprengel in seiner umfangreichen Biografie und Analyse das Drama in den Zusammenhang mit der »Zeitenwende«. Er argumentiert sowohl mit dem Tagebucheintrag des Dichters drei Wochen nach der Machtübernahme 1933, in der dieser die »Stimmung vor Sonnenuntergang« kritisiert als auch mit den Entwürfen des Dichters: »Im Zuge der dramatischen Ausarbeitung vertieft sich der Generationenkonflikt zu einer Art Zeitenwende: hier Gartenparty mit Jazzmusik, dort die Bibliothek mit der Büste Marc Aurels. Auch politisch und ökonomisch vertieft sich der Gegensatz zwischen den Generationen: während der alte Geheimrat in der Tradition des Liberalismus steht und in seinem Verlag auf kulturelle Standards achtet, sympathisiert der Schwiegersohn mit den Nationalsozialisten (so jedenfalls in den Entwürfen) und verkehrt das ›schöne geistige Lebenswerk‹ Clausens in ›garstigen Ungeist‹«, Sprengel 2012, S. 652. 179 »Mendelssohn, Eleonore von«, in: Trapp et al. 1999c, S. 659, Sp. 1.

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schrieb mit dem Datum vom 16. Juni 1933 aus Oxford »An die Nationalsozialistische Regierung Deutschlands«: »Wenn ich aus den gegebenen Umständen die einzig mögliche Folgerung ziehe und dem Staat meinen Besitz überlasse, so nehme ich mit gutem Gewissen die Überzeugung mit mir, daß ich damit eine Dankesschuld abtrage für meine langen glücklichen Jahre in Deutschland.«180 Wie grotesk diese Zeilen mit Blick auf das Ende des Films Der Herrscher sind, wird sich noch zeigen. Der Brief wird erst sehr viel später, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht.181 Der vertriebene Theaterkritiker Alfred Kerr, der »seine Prägung als Kritiker im Erlebnis und in der Auseinandersetzung mit Gerhart Hauptmann [erfuhr]«,182 avancierte wenige Jahre nach seiner euphorischen Premierenrezension zum populären Gegenspieler des Dichters, als er am 11. November 1933 in der Prager Zeitung Deutsche Freiheit seinen Artikel »Gerhart Hauptmanns Schande« publizierte, der mit dem alttestamentarischen Fluch endet: »Sein Andenken soll verscharrt sein unter Disteln; sein Bild begraben in Staub.«183 Er bezieht sich in seinem Artikel, der durchaus kontrovers diskutiert wurde, auf die Haltung und das Schweigen Hauptmanns zum Nationalsozialismus und zur Vertreibung jüdischer Freunde und Förderer.184 Kerr hatte am 15. Februar 1933 das Land verlassen. Im Mai desselben Jahres wurden seine Bücher auf dem Berliner Opernplatz verbrannt. Sein erzwungenes Exil führte Kerr von Prag über Zürich, Paris nach London.185 Herbert Ihering, der Förderer und Freund Brechts und Piscators, der Verehrer von Werner Krauß, der linke Intellektuelle hingegen konnte nach der Machtübernahme Hitlers zunächst weiter für den Berliner Börsen-Courier arbeiten, auch vom Schriftleitergesetz im Oktober 1933 war er nicht betroffen. 1934 wechselte er zum Theaterressort des Berliner Tagblatts unter dem Chefredakteur Paul Scheffer, da seine Feuilletonredaktion durch die Fusion von Courier und Berliner Börsen-Zeitung verschwand. Am 16. Juni 1936 wurde Ihering nach einer negativen Rezension von Eberhard Wolfgang Möllers Stück Rothschild siegt bei Waterloo aus der »Berufsliste der Schriftleiter« gestrichen. Emil Jannings vermittelte ihm eine kaum dokumentierte »unauffällige Position bei der Tobis-

180 Zitiert nach: Boeser / Vatkov# 1984, S. 49. 181 Vgl. Rischbieter 2000, S. 73. Die Überführung des Deutschen Theaters in Reichsbesitz fand auf dem Wege über eine »angebliche Steuerschuld« und Okkupation statt, ebd., S. 73. 182 Schöne 1994, S. 249. 183 Vgl. und zitiert nach: Mellen 1992, S. 97. 184 Auswertung der Hauptmann-Autographen in Bezug auf den Antisemitismus des Dichters, vgl. Erdmann 1997, S. 200ff. Zur publizistischen Auseinandersetzung über Hauptmanns Haltung, vgl. Mellen 1992, S. 104ff. Die Beziehung Kerr-Hauptmann deuten beide Autoren grundlegend unterschiedlich. 185 Vgl. u. a. Fetting 1981, S. 617f., Haarmann 2002, S. 105ff.

Der Herrscher (1937) und Vor Sonnenuntergang (1956)

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Tochtergesellschaft Tobis-Rota-Film AG«,186 jener Filmfirma, die Der Herrscher produzieren wird.

2.2

DER HERRSCHER changiert zwischen Film und Tragödie

2.2.1 Produktionsdaten und Entstehungskontext Bei der Tobis fallen eine ganze Reihe grundlegender personeller und wirtschaftlicher Prozesse in die Entstehungs- und Auswertungszeit des Films. Sukzessive – und endgültig im November 1937 – wird sie durch die Käufe Dr. Max Winklers mit der Cautio Treuhand GmbH in staatliche Hand übergehen. Die Tobis-Magna-Filmproduktion GmbH, seit 1934 unter dem Produktionschef Karl Julius Fritzsche,187 – »seine ›Tobis-Magna‹«188 wie es noch 1954 heißt – wurde am 21. Oktober 1935 im Zuge der Konzentrationsbemühungen des Konzerns inmitten der Krise der deutschen Filmwirtschaft mit einem Kapital von 100.000 Reichsmark neu gegründet.189 Sie sollte Spielfilme in jenen Monaten produzieren, in denen die Tobis-Ateliers saisonalbedingt leer standen. Zum 31. Dezember 1937 wurde sie mit der Zentralisierung der Tobis-Filmkunst aus dem Handelsregister gelöscht.190 Mit der staatlichen Übernahme des Konzerns wechselte auch die Führungsetage: Neben Führungskräften aus der Ufa wurde Emil Jannings zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden.191 Bereits seit Februar 1937 war er in den Kunstausschuss des Konzerns berufen worden.192 Nach den Dreharbeiten in Rom und dem Empfang bei Mussolini erörtert Jannings im selben Monat seine neue Aufgabe: Ich werde also auch als Aufsichtsratsmitglied kein dekoratives Aushängeschild sein, sondern mich ganz gehörig um die Dinge kümmern, und dies nicht nur ich allein,

186 Vgl. Herbst-Meßinger 2011, Zitat S. 48. 187 Weniger 2001, Bd. 3, S. 120. Fritzsche hatte 1919 die Transocean-Film gegründet, arbeitete Ende der 1920er Jahre als Produktionsleiter und Filmfinanzier, ab 1940 wurde er Produktionschef und technischer Atelierleiter der Tobis, 1942 zudem Wirtschaftsdirektor. 1948 gründete Fritzsche die Deutsche London-Filmverleih, die zudem zahlreiche Remakes in die Kinos brachte. Im Laufe dieser Arbeit begegnete Fritzsche uns bereits als Zeuge gegen den Autor Seeliger, vgl. I. 4.3.2 Autorenrechte: Streitfall Peter Voss, S. 109–113. 188 [R. N.]: »K. J. Fritzsche starb«, in: FW, Nr. 42, 23. 10. 1954, 9. Jg., S. 979. 189 Mühl Benninghaus 2003, S. 100. 190 Ebd., S. 100ff. 191 Zur Krise und Verstaatlichung der Tobis, vgl. ebd. 2003. 192 Renata Helker belegt in ihrem Aufsatz über den Kunstausschuss, dass bereits die Verträge seit 1936 »beredtes Zeugnis für die außergewöhnlich privilegierte Stellung« Jannings’ sind, Helker 2003, Zitat: S. 151.

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Detailanalysen

sondern auch Gründgens und Forst haben mir gegenüber keinen Zweifel gelassen, daß sie diesen Aufsichtsrat, was die Aufsicht betrifft, sehr wörtlich verstehen werden.193

Neben den Stars Jannings, Gründgens und Forst wird der Beirat durch die alten Tobis-Verantwortlichen Dr. h.c. Ferdinand Bausback und Dr. Hans Henkel ergänzt. In diesen Prozessen kommt auch Herbert Ihering in die Dramaturgische Abteilung des Besetzungsbüros.194 Unter der Herstellungsleitung von Helmut Schreiber wird Der Herrscher von Oktober 1936 (Außenaufnahmen in Oberhausen) bis Februar 1937 (Außenaufnahmen in Italien) gedreht. Das Drehbuch verfassten Thea von Harbou, die zuvor das Script für den Jannings-Film Der alte und der junge König (1935, Hans Steinhoff) schrieb, und Curt J. Braun. Sie verwendeten als Vorlagen Hauptmanns Vor Sonnenuntergang und Harald Bratts Komödie Der Herrscher (1934), obgleich sich die Drehbuchautoren auf den ersten Blick von letzterer lediglich Titel und Milieu liehen.195 Bratts Theaterstück übrigens konnte erst nach Eingriffen des Reichsdramaturgen Dr. Rainer Schlösser und Umarbeitungen des Autors uraufgeführt werden,196 während das Hauptmann-Stück trotz Empfehlung der Reichsdramaturgie nicht mehr als 25 Inszenierungen bis 1945 erlebte.197 Dass mit der Verfilmung das Drama um die Liebe des Verlegers Matthias Clausen zur jungen Inken deutlich neue Akzente erfährt, liegt auf der Hand und ist im Detail untersucht und belegt.198

193 »Jannings berichtet«, in: FK, Nr. 36, 12. 2. 1937, 19. Jg. 194 Vgl. »Neugruppierung der Tobis-Produktion«, in: FK, Nr. 88, 16. 4. 1937, 19. Jg. 195 Die Komödie verhandelt die Geschichte des Konzernchefs Arthur Clessen, der aus Liebe zu seiner jungen Sekretärin H8lHne Ivan die Leitung seines Industriekonzerns dem jungem Direktor Bernart überlässt, aber vor dem Beinahe-Bankrott zurückkehrt und die Firma rettet. Beide Verfilmungen übernehmen den Konzern als Handlungsort. Die Liebe des Alten zur jungen Frau eint beide Bühnenstücke. In der Komödie aber sind sowohl der Konzern als auch der Wunsch des alternden Mannes nach einem Privatleben dramaturgischer movens, Clessen ist kinderlos und der Konflikt der Verfilmungen insofern primär dem HauptmannStück verpflichtet, vgl. Bratt 1941. Die Komödie Der Herrscher wurde am 12. 1. 1935 in Breslau uraufgeführt, der Dramaturg Wolfgang Petzet kommentiert sie in seinem TheaterBuch von 1973: »Nichts anderes als Gerhart Hauptmanns ›Vor Sonnenuntergang‹-Thema allgemeiner gefasst«, zitiert nach: Panse 2000, S. 591. Harald Bratt ist das Pseudonym des Erziehungswissenschaftlers August Rieckel, der u. a. auch an Ich klage an (1941, Liebeneiner) und Ohm Krüger (1941, Steinhoff) mitwirkte. 196 Der Reichsdramaturg Schlösser stand dem Stück skeptisch gegenüber, vor allem auch, weil ihm (Zitat Schlösser), »der naturnotwendige Sieg des erfahrenen Alters mit Geld über eine Jugend mit Gesinnung« nicht behagte, zitiert nach Panse 2000, S. S. 591. Ausführlich zur Bewertung des Stücks, vgl. ebd., S. 590ff. 197 Eicher 2000, S. 382. 198 Vgl. Kanzog 1994. Kanzog verweist hierzu auch auf die unveröffentlichte Magisterarbeit Andreas Schopps.

Der Herrscher (1937) und Vor Sonnenuntergang (1956)

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2.2.2 Rezensionen, Reaktionen Der Film feierte am 17. März 1937 im Ufa-Palast am Zoo seine Uraufführung.199 Anlässlich dieser dirigierte Wolfgang Zeller, Komponist der Filmmusik, die Egmont-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven. Bei der Erstaufführung in Hamburg spielte das Orchester unter Wilhelm Wilke, in München unter Adolf Mennerich dieselbe Ouvertüre. Auch in Wien gaben die Wiener Philharmoniker das Stück zur österreichischen Premiere des Films, ein Jahr vor dem Einmarsch der Wehrmacht.200 Die Egmont-Ouvertüre unterstreicht die staatspolitische Bedeutung des Films: Sie war – gespielt von den Berliner Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler – im November 1933 musikalischer Auftakt zur Eröffnung der Reichskulturkammer, am 19. September 1933 bereits bei der Berliner Premiere von Hitlerjunge Quex, dirigiert »vom Komponisten des HJ-Liedes Hans-Otto Borgmann«201 und wurde auch in späteren offiziellen Veranstaltungen gespielt.202 Im Kontext einer offensichtlich staatspolitisch bedeutsamen Premiere verweist die musikalische Einbettung vernehmlich auf die politische Indienstnahme Beethovens für die Musik im Nationalsozialismus.203 In Anspruch genommen werden Beethovens Werke zur gleichen Zeit auch für Unterhaltungsfilme: Die Kreutzersonate (1937, Veit Harlan) greift auf das gleichnamige Stück des Komponisten zurück und mit ihm auf »einen Namen, zu dem die ganze Welt in Ehrfurcht emporblickt«.204 Der Regisseur Veit Harlan erhält den Nationalen Filmpreis, prädikatisiert wird Der Herrscher als »staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll«. Joseph Goebbels notiert in seinen Tagebuchaufzeichnungen euphorisch jene Phrase, die in keiner Diskussion des Films fehlt: »Modern und nationalsozialistisch.«205 Die kontextuellen Bindungen an seine Entstehungszeit und normsetzenden Besonderheiten – von der Verwendung der in Adolf Hitlers Mein Kampf etablierten ideologischen Vorgaben wie etwa »Volksgemeinschaft« und »Führerprinzip« bis hin zur Liebesnorm, die Alters- und Standesgrenzen überwindet – erarbeitete Klaus Kanzog detailliert. In seiner Studie findet sich

199 Alle (auch kommenden) Angaben zu Film und Auszeichnungen, vgl. Klaus 1997, S. 78. 200 Vgl. »›Der Herrscher‹ in Hamburg«, in: FK, Nr. 66, 19. 3. 1937, 19. Jg., »›Herrscher‹-Premiere in Wien« in: FK, Nr. 71, 25. 3. 1937, 19. Jg., »Der ›Herrscher‹ in München«, in: FK, Nr. 84, 12. 4. 1937, 19. Jg. 201 Claus 2013, S. 281. Bei der Uraufführung in München wurde Bruckner gespielt, vgl. ebd., S. 280. 202 Dennis 1996, S. 162. 203 Zur Indienstnahme Beethoven im NS, vgl. ebd., S. 142–174. 204 »Beethoven und die Filmmusik«, in: FW, Nr. 2, 13. 1. 1937, 15. Jg., S. 40. 205 Tagebucheintrag vom 12. 03. 1937, Die Tagebücher von Joseph Goebbels, hrsg. von Elke Fröhlich, Teil 1, Aufzeichnungen 1923–1941, Band 4, März–November 1937, München: Saur, 2000, S. 48.

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zudem eine ausführliche Handlungsbeschreibung.206 Für Harlan war der Film nach seinem Regiedebüt Krach im Hinterhaus (1935) die siebte Regiearbeit und durch die Kooperation mit dem künstlerischen Oberleiter und Hauptdarsteller Emil Jannings die bis dahin wohl prestigeträchtigste. Über die konfliktreiche Zusammenarbeit ist insbesondere in den Biografien über Veit Harlan ausführlich berichtet worden, auch wenn sich die Aussagen weitgehend auf die Erinnerungen Harlans stützen. Sie wurden als Rechtfertigungsnarrativ kritisch hinterfragt.207 Emil Jannings wird für seine Leistung im September bei der Biennale in Venedig mit der Coppa Volpi per il miglior attore geehrt.208 Diese Mischung aus politischer Wertschätzung und internationaler Anerkennung spiegelt auch die Auswertungsgeschichte des Films in Europa: Neben der Teilnahme am Wettbewerb der Biennale wird er im Juni nach der Eröffnung des Deutschen Hauses auf der Weltausstellung in Paris gezeigt.209 Auch in den USA läuft Der Herrscher in den Kinos, wo Jannings zum Ende der Stummfilmzeit große Erfolge feierte und 1929 den First Annual Academy Award als männlicher Hauptdarsteller für seine Rollen in The Last Command (1928, Josef von Sternberg) und The Way of all Flesh (1927, Victor Fleming) verliehen bekam.210 Frank Noack zitiert in seiner Harlan-Biografie die freundliche Rezension von The Sovereign in der Variety vom 7. April 1937,211 neben dem Hauptdarsteller wird vor allem die Eröffnungssequenz gelobt: Der Film beginnt mit einer Begräbnisszene, die zu den wirkungsvollsten und gewagtesten in der Filmgeschichte zählt. Zahllose Filmmeter sind nur naßglänzende Regenschirme zu sehen, dazu ertönt die eintönige Stimme des Pfarrers, begleitet vom Schluchzen der Hinterbliebenen. Es folgen Kameraeinstellungen von Füßen, die nervös 206 Kanzog 1994, S. 149ff. 207 Vgl. u. a. Buchloh 2010, S. 32, Seibert 2007, Noack 2000, S. 128f. 208 1937 führt Deutschland auch Patrioten, die Komödie Versprich mir nichts und Detlef Siercks vorletzte Regiearbeit im NS-Staat Zu Neuen Ufern vor, die allesamt ohne Preis bleiben. Italien zeichnet schwerpunktmäßig seine eigenen nationalen Produktionen mit Staatspreisen aus: Condottieri, Scipione L’Africano, Sentinelle Di Bronzo und Il Signor Max. Zoltan Korda erhielt für Elephant Boy die Auszeichnung für die beste Regie, Jean Renoirs La Grande Illusion den premio per il miglior complesso artistico, vgl. Laura 1985, S. 52ff. 209 Vgl. »Drahtbericht aus Paris: Kinostart im Deutschen Haus«, in: FK, 27. 5. 1937, Nr. 120, 19. Jg. 210 Jannings verließ im Oktober 1926 Deutschland auf ein Angebot der Paramount hin, die den deutschen Star unter Vertrag nahm, vgl. Noack 2012, S. 174ff. 211 Die Übersetzung Noacks als »herausragende[r] deutsche[r] Film der Saison« ist m. E. leicht irreführend: »Season’s outstanding German production. It is not only the first in line for the annual film prize here, but is also headed for world distribution.« – »outstanding« liest sich hier nicht allein als positives Urteil des Rezensenten, sondern ebenso als Verortung des Films im Kontext der deutschen Filmproduktion und ihrer staatlichen Instrumentalisierung, vgl. Variety Film Reviews. 1934–1937. New York, London: Garland Publishing, 1983, Bd. 5, o. S.

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in der Pfütze herumwaten, vom Herabsenken des Sarges und von den Gesichtern derer, die gekommen sind, um den Tod von Mathias Clausens Frau zu betrauern. Und mit dieser einzigen Szene wird das Wesen jeder Figur erfaßt.212

Abseits dieses Urteils aber ist die Rezension wenig euphorisch, sondern sehr kritisch.213 Das Urteil der New York Times über The Ruler fällt noch vernichtender aus.214 Die im Film-Kurier abgedruckten Ausschnitte aus der britischen und schwedischen Presse beziehen sich ebenfalls vor allem auf die erste Szene,215 klingen gefälliger, auch wenn sich ebenso die Kritik am nationalsozialistischen Impetus findet. Die erste Kritik des englischen Evening Standard lobt die Eröffnungsszene als herausragendes Moment.216 Jannings beansprucht die Idee für den Beginn in seiner Autobiografie als langgehegten Plan, ebenso der Verfasser des Treatments, Erich Ebermayer.217 Abseits der Ideenfrage hätte die breite Wahrnehmung des Films erklären können, warum das Remake – trotz Emigration seines Regisseurs, trotz Reduktion der Vorlage auf das Drama Hauptmanns – so deutliche Bezüge zum Vorgängerfilm aufweisen kann; Gottfried Reinhardt aber bestritt ausdrücklich, den Vorgängerfilm zu kennen.218 212 Zitiert nach: Noack 2000, S. 129. Das Original lautet: »Film starts off with a burial scene which ranks among the most effective and daring of film history. Through untold footage only rainbeaten umbrellas are to be seen and the droning voice of the minister, mingled with sobs of the bereft, heard. Shots of feet fidgeting in puddles, lowering of the coffin and faces of those who have to come to mourn the passing of Matthias Clausen’s wife are shown. And within that one scene the character of each role is set«, Variety Film Reviews. 1934–1937. New York, London: Garland Publishing, 1983, Bd. 5, o. S. 213 Die von Noack übersetzten Passagen sind durchweg seiner These einer wohlwollenden Rezeption des Films verpflichtet. Tatsächlich ist die Rezension kritischer sowohl in Bezug auf »a few more propagandistic references to the State« als »the picture’s weak points« und die Klage über Marianne Hoppe als »Hepburnesque, but doesn’t achieve the same effect«. Vor allem aber ist das Ende des Artikels der Gegenpol zum Beginn: »But in this transition it has remained 100 % theatre, for the accent in the film is also placed on the acting, with practically everyone of the cast w.k. on the Berlin boards.«, Variety Film Reviews. 1934– 1937. New York, London: Garland Publishing, 1983, Bd. 5, o. S. 214 Nach einer knappen Zusammenfassung der Handlung des Films, der im 86th Casino unter dem Titel the ruler lief, als »Nazified film version of Gerhart Hauptmann’s play ›Before Sundown‹«, bemängelt der Rezensent vor allem das Ende: »This ›happy ending‹ is supposed to have counted as much as the undoubted artistic merit of ›Der Herrscher‹ in winning the highest encomiums of Propaganda Minister Goebbels«, The New York Times Film Reviews 1913–1968. New York: New York Times and Arno Press, 1970, Bd. 2, S. 1434. 215 Etwa die Rezension des Dagens Nyhter : »Die einleitende Begräbnisszene ist ein kleines Meisterstück von unheimlicher Traurigkeit […]«, vgl. »Schwedische Pressestimmen über ›Der Herrscher‹«, in: FK, Nr. 290, 14. 12. 1937, 19. Jg. 216 Vgl. » Englische Pressestimmen über den ›Herrscher‹«, in: FK, Nr. 160, 13. 7. 1937, 19. Jg. Ausführlich vorgestellt, vgl. Noack 2000, S. 129ff. 217 Vgl. Jannings 1952, S. 207, Ebermayer 1959, S. 556. Datiert auf den 11. Juli 1935 schildert Ebermayer, wie er Jannings diesen Vorschlag unterbreitet. Dass die erst 1959 erschienenen Tagebuchaufzeichnungen nachträglich bearbeitet wurden, steht außer Frage. 218 1955 schreibt Gottfried an den Drehbuchautor Jochen Huth: »Ueber die Herrscher-Ange-

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2.2.3 Konstellationen: Darsteller und Figuren Dass die Filmkritik im Deutschen Reich den Film preist, verwundert wenig. Im Film-Kurier legt Günther Schwark eine Deutung der Eröffnungssequenz vor, die für die Figuren- und Konfliktanalyse wichtig ist: Wenn Matthias Clausen im Film am Ende sein Werk unter Lossagung von der Familie dem Staate vermacht, so wirkt dieser Entschluß als bekrönende Erkenntnis, zu der sich sein dem Allgemeinwohl verpflichtetes Verantwortungsgefühl im inneren Kampfe durchgerungen hat. Und weil der Film mit diesem Entschluß endet, begreift man auch den dramaturgischen Grund, weshalb, abweichend vom Schauspiel, mit dem Begräbnis von Clausens erster Frau der Film anhebt, eben weil dieses Begräbnis den [sic] Industrieführer zum ersten Male die Frage nahebringt: Was wird aus meinem Werk, wenn ich einmal nicht mehr bin?219

Hier versöhnt der Rezensent die zwei Konflikte, die im Film verhandelt werden: Der Familienkonflikt ist verwoben mit jenem um die Zukunft des Werkes. Diese Zwiespältigkeit der Verfilmung wertet Peter Seibert als »störende HauptmannTrümmer«.220 Viel wichtiger erscheint mir jedoch, dass das Drehbuch auf der Konfliktebene tatsächlich beide Vorlagen eint, obgleich nicht nur die Rezensionen andeuteten, sondern auch der Film selbst zeigt, dass die Familientragödie bestimmend ist und die Verfilmung so auf mehreren Ebenen der Theatertradition verhaftet bleibt. Bereits in der Aufstellung des Ensembles fanden sich Übernahmen aus der Inszenierung Max Reinhardts: Neben Max Gülstorff als Freund des Protagonisten brilliert Maria Koppenhöfer als gefährliche Gegenspielerin Clothilde, gibt Helene Fehdmer Inkens Mutter und Käthe Haack wiederum Tochter Ottilie. Neu besetzt sind Hilde Körber als labile Bettina, Paul Wagner als Sohn Wolfgang, Nachwuchsschauspieler Hannes Stelzer, der den guten Egert gibt, sowie Herbert Hübner als Erich Klamroth und schließlich Marianne Hoppe als Inken. Letztere scheint als ein link zum jungen Starkino der Zeit. Die Figuren und Darsteller beschreibt Frank Noack ausführlich.221 Emil Jannings als Clausen hatte diese Rolle im Hauptmann-Stück schon 1932 am Volkstheater in Wien unter der Regie legenheit bin ich sehr erschreckt. Obwohl ich einmal laeuten gehoert habe, dass der ›HERRSCHER‹ ausser ›VOR SONNENUNTERGANG‹ noch auf einem anderen Stueck basiert war, habe ich mir jedoch nie im Traum einfallen lassen, dass ein remake des Herrschers ohne den Hauptmann gemacht werden kann. Wenn dies moeglich ist, halte ich unsere Lage fuer ziemlich unhaltbar. Tatsaechlich habe ich, wie Sie wissen (ohne den HERRSCHER uebrigens je gesehen zu haben), zum Beispiel an Schwerindustrie gedacht«, vgl. »Brief Gottfried Reinhardt an Jochen Huth aus New York am 18. 3. 1955«, Produktionsordner Vor Sonnenuntergang, Artur Brauner-Archiv im Deutschen Filminstitut – DIF e.V., o. S. 219 Günther Schwark: »Der Herrscher«, in: FK, Nr. 65, 18. 3. 1937, 19. Jg. 220 Seibert 2007, S. 113. 221 Noack 2000, S. 133ff.

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von Richard Weichert gespielt, zu deren Begutachtung im Oktober 1932 der Dichter persönlich erschienen war.222 Die Eröffnungssequenz zeigt, dass der zentrale Konflikt in der Familie verhandelt wird. Während deren Mitglieder in ihren Eigenarten und Charakteristika antizipiert werden können, bleiben die Direktoren des Werkes blasse Komparsen. Die spannungsgeladenen, ergreifenden Ensembleszenen sind die der Familie; die Intrigen und Bösartigkeiten auf dem Fest und die Vorstellung Inkens, die im Eklat endet. Wichtig sind vor allem die Zuschreibungen des Bösen: Geldgier (Clothilde, Klamroth), Standesdünkel (Wolfgang), Egoismus (Bettina) sind die treibenden Kräfte. Der Spielraum für das recht große Ensemble ist nicht gering. Dabei nimmt das Drehbuch eine Schwarzweißzeichnung vor, die allerdings auch dem Drama zugrunde liegt. Es finden sich keine ambivalenten Figuren. Die Tatsache, die vor allem in den Analysen des Films nach 1945 mit Blick auf die Euthanasie-Morde der Nationalsozialisten diskutiert wird,223 ist neben den negativen Zuschreibungen der Kinder, der Komplex der erblichen Belastung: Die labile Tochter Bettina tritt im Film allerdings deutlicher in den Vordergrund als der »deformierte Kopf« des Sohnes Wolfgang, der lediglich erwähnt wird. Beide Kinder sind in ihren Charakteristika wörtlich aus dem Hauptmann-Drama übernommen: Im ersten Akt schon kommentiert Professor Geiger »das Seelenleben alternder Mädchen, die körperlich etwas zu kurz gekommen sind« und die Episode um Wolfgangs Geburt findet sich ebenso in dem finalen Ausbruch des entmündigten Vaters im vierten Akt des Schauspiels.224 Aus dem Blick gerät bei diesen nachträglichen historisch kontextualisierenden Analysen dabei zuweilen die Winzigkeit dieser Geschichte und dass die eigentlichen, bereits in der Exposition positionierten Gegenspieler die Schwiegerkinder sind; Clothilde, Geborene von Rübsamen, kühl und berechnend am Erbe interessiert, und Erich Klamroth. Dessen polternd-berlinernde, selbstgerechte und zugleich intrigante Art wird von Beginn an hervorgehoben, ist aber ebenfalls eine Übernahmen aus dem Schauspiel.225 Die Inszenierung Klamroths gleitet interessanterweise zuweilen ins Komische. Nicht nur ob seines losen Mundwerks, sondern auch in deutlich ausgespielten Kontrasten zwischen Spiel und Wort: Er drängelt sich etwa beim Entmündigungsantrag zum Unterschreiben vor und muss auf seinen Platz als Schwiegersohn verwiesen werden. Ungeduldig tippelt er, während die leiblichen Kinder unterzeichnen und ermuntert dabei seine Frau: »Mach schon, Ottilie, mir fällt’s auch nicht leicht.« 222 223 224 225

Noack 2012, S. 266 und S. 530. Vgl. Noack 2000, S. 136. Hauptmann 1982, S. 25 und 84. Bereits sein erster Auftritt ist nicht nur hektisch, salopp und provokant (»Bullenhitze!«), sondern er berlinert sogleich los: »Diesse Frau kommt sich immer vor wie die Direktrice vons Janze!«, vgl. Hauptmann 1982, S. 12.

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Auch Maria Koppenhöfer zeigt in ihrer eloquenten Gemeinheit einige Pointen, die die Montage des Films herausstellt: Während sie auf dem Familienfest gnadenlos Inken kommentiert, wird im nächsten Bild deren Mutter die Freundlichkeit der Menschen loben. Vor der Auseinandersetzung mit dem Schwiegervater am Familientisch tritt sie zur Freude Bettinas mit Blumen vor das Portrait der verstorbenen Mutter, salutiert militärisch stramm und versichert, dass die Familie »in deinem Geist wie ein Mann zusammenstehen« werde. Obgleich auch diese Stelle eine Übernahme aus dem Hauptmann-Drama darstellt, ist sie bis ins Komische überzeichnet. Dagegen wirkt Jannings umso mehr als ernsthafter Ruhepol, der das allererste Mal lächelt, als er beim Fest von seinen Enkelkindern umgeben ist. Seine voluminöse Ruhe lässt die Ausbrüche als verzweifelt Entmündigter umso dramatischer wirken. Keiner anderen Figur ist im Film eine Entwicklung vergönnt. Auf ihn ist die Inszenierung zugeschnitten. Emil Jannings hebt sich zunächst mit Stille von den Kindern ab, leidet, wütet, monologisiert sodann – die effektvollen Szenen gehören ihm. Vor allem aber ist seine Rolle das Zentrum, in dem alle Konfliktlinien zusammenlaufen, was am Ende des Films Paradoxien produzieren wird. Seine Glaubwürdigkeit wird durch Inken verstärkt. Sie agiert nicht nur als junge Freundin, sondern im Konflikt ebenso als ehrliche Vertreterin der einfachen Leute. Die Darstellerin Marianne Hoppe hatte Ende der 1920er Jahre ihre Ausbildung an der Schauspielschule des Deutschen Theaters begonnen und rasch kleinere Rollen übernommen,226 spielte am Theater in Berlin sowie in Frankfurt am Main und München und begann 1933 beim Film mit neuem, blondem Image.227 Sie gibt hier die Vertreterin eines Frauenbildes, das wenig gemein hat mit mütterlichen Heldinnen, sondern vielmehr die treue Kameradin antizipiert, die im Zweiten Weltkrieg für den NS-Unterhaltungsfilm kriegswichtige Bedeutung entfalten wird. Ihre Biografin summiert: Von Anfang an galt Marianne Hoppe als Darstellerin klarer, herber und echter Frauenfiguren, und auch wenn noch einige Attribute hinzukamen, waren das die bestimmenden Adjektive ihres Rollenbildes der nächsten Jahre. Wobei man unter herb sowohl das Fehlen von Sentimentalität als auch von Gefälligkeit verstehen kann.228

Dass sich selbst bei der jungen Darstellerin noch einmal Theater- und Filmgeschichte verweben, verwundert vor dem kulturhistorischen Hintergrund kaum. Denn Film und Theater sind sowohl durch die Darsteller wie auch durch die Regisseure, die vom Theater (oder der Operette) kommen, eng verbunden. 226 Kohse 2001, S. 40ff. 227 Ebd., S. 140ff. Ihre ersten Filmrollen sind in Der Judas von Tirol (1933) und in Heideschulmeister Uwe Karsten (1934). 228 Kohse 2001, S. 146.

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Hoppe kehrt zur Saison 1935/36 ans Deutsche Schauspielhaus zurück.229 Ein kursorischer Blick in den Film-Kurier, der ganz selbstverständlich über Theaterpremieren berichtet,230 bestätigt die Verbindung. Dass dieser Zusammenhang nicht unproblematisch war, spiegelt sich im offiziellen Blatt Der Deutsche Film, wenn Leitartikel Begründungen zur Überlegenheit des Films sammeln.231 Doch Hoppe hat in diesem Film nicht viel zu spielen. Die Beziehung der beiden Hauptfiguren erstarrt zur »sachlichen Romanze«. Beide Protagonisten gestehen ihre Liebe zunächst in Einzelszenen, während die Familie bereits gegen sie vorgeht. In einer hell ausgeleuchteten Nahaufnahme wird Clausen »seiner« Inken sagen, »Ich möchte mein ferneres Leben mit Ihnen verbringen« und ihr den Ring anstecken. Selbst eine Umarmung schluckt die Abblende. Ebenso ist ihr Urlaub in Italien vor allem ein platonischer Spaziergang zwischen Säulen. Körperlich war im selben Filmbild selten ein Liebespaar derart getrennt. Das spart zweifelsohne jede Peinlichkeit, verweist aber umso deutlicher auf die Familie Clausens zurück. Die Figurenanalyse zeigt, dass der Familienkonflikt der tragende ist. Nach der ausführlichen Sequenz im Werk am Beginn (Eintreffen Clausen im Werk, Gespräch mit Ingenieur, Sitzung des Direktoriums, Ehrung vor den versammelten Arbeitern) wird das Werk bis zum Ende – der »Läuterung« des Protagonisten beim Gang durch das Feuer – von der Bild- und Tonebene verschwinden. Das bedeutet, dass die Analyse der folgenden Themen sich lediglich auf diese zwei Szenen beziehen kann und es sinnvoll erscheint, diese Komplexe zu bündeln.

2.2.4 Herrscher und Volksgemeinschaft, Arbeit und Werk Bereits bei der Beerdigung rücken die Clausen-Werke kurz in den Fokus: Als der Pfarrer die Korinther-13-Stelle (»Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe«) deklamiert, pfeift ein Zug auf der Tonspur und von den Musikern fährt die Kamera weg über den Friedhof zum rauchenden Zug, während der Pfarrer weiterspricht. Die einsetzende Musik wird zum Amalgam aus Pfeifen und Blä229 Ebd., S. 196f. 230 Neben zahlreichen Einzelpremieren berichtet der Film-Kurier, der »Theater, Kunst, Variet8, Funk« im Untertitel führt, über die Eröffnung der Theatersaison 1935/36, vgl. FK, Nr. 215, 14. 9. 1935, 18. Jg. 231 »Das Theater kann nicht annähernd so eindringlich und in so vielfältiger Gliederung eine Gemeinschaftsform verlebendigen und in ihrer Breite entfalten wie der Film. Im Theater muß die Gemeinschaft in ihrer tatsächlichen Erscheinung immer nur Andeutung bleiben, wenn sie nicht gar zur Rhabarber murmelnden Komparserie erstarrt. Hier gelangt sie nicht zum unmittelbaren Ausdruck des Lebens […]«, Frank Maraun: »Der Held: die Gemeinschaft«, in: Der Deutsche Film, Nr. 2, August 1939, 4. Jg., S. 50 oder auch Victor Schamoni, der die »traditionelle Belastung durch das Theater« identifiziert, Victor Schamoni: »Der filmische Film«, in: Der Deutsche Film, Nr. 9, März 1940, 4. Jg.

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sern. Nachdem Clausen die Familie verabschieden konnte und auch in einer Szene mit dem Portrait sein Abschied von der Verstorbenen inszeniert wurde, ertönen die Fabriksirenen. Die mittels Überblendungen organisierte Sequenz, in der Clausen zu seinem Werk schreitet, inszeniert eindrücklich seine Rückkehr zum Stahlwerk, zu Rauch und Flammen, mühsam die Metalltreppen hinauf. Karin Bruns analysiert detailliert die »für die Selbstinszenierung des Regimes zentrale Stahl-Symbolik«.232 Die anschließende Unterhaltung mit dem Laboranten identifiziert den schon in der Familie unsympathisch kalten Klamroth als Urheber für die Einstellung der Forschungsarbeiten und geldgierigen Egoisten. Hier wird zum ersten Mal Clausens Nähe zu den Angestellten und Arbeitern gezeigt, die er auf der einberufenen Direktorensitzung wortreich verteidigen wird, wobei er hier sehr gefasst wirkt. Zuvor durfte sich Inken in einer seitlichen, entfernten Einstellung kurz vorstellen. Die Schlagworte des Clausen-Monologs vor den Direktoren sind historisch verortet worden: »Arbeit und Brot« für die Arbeiter gehen Hand in Hand mit der »Volksgemeinschaft« und dem Führeranspruch: »Mein Wille ist oberstes Gesetz.«233 Erst im Laufe seiner Rede, schaut Inken bewundernd auf und rückt damit frontal in den Fokus von Kamera und Zuschauern. Die Figur des Herrschers formuliert in seiner programmatischen Rede »deutlich Elemente ›moderner‹ Führungskonzeptionen«.234 In einer Nahaufnahme füllt sie hierbei das Bild aus. Clausens Streben nach einer Produktion »frei von ausländischen Rohstoffen« ist doppelt besetzt: erstens als (wirtschafts-)politische Zielsetzung, zweitens aber ebenso als filmisches Motiv ; zahlreichen Spionage- und Abenteuerfilmen der Zeit liegt eine bahnbrechende Erfindung als movens zugrunde.235 Im Direktorium, dem Clausens Monolog gilt, doppeln sich gleichsam die negativen Attribute der Familie: Egoismus, Geldgier und Feigheit unter Führung Klamroths, sodass sie hier nicht mehr an Einzelfiguren gebunden werden müssen. Diese Blässe der Direktoren, die bereits in der Eingangssequenz als futternde Komparsen herumstanden, hebt die Sonderstellung Klamroths hervor und verweist damit wieder zurück auf die familiären Konflikte. Die anschließende Feier »40 Jahre Clausen Werke« setzt die Schlagworte Clausens auf der Bildebene um: Nach einer erneuten »Werkschau« landet die Kamera inmitten der Arbeiter, die mit ausgestrecktem rechten Arm jubeln. Mit einer Fahrt hinter den Beinen stehender Arbeiter entlang, nähert sich die Kamera der Festtribüne, während die große, wimmelnde Menschenmenge beeindruckt. Clausen blickt bescheiden zu Boden, der Werkmeister lobt sein Wirken. 232 233 234 235

Bruns 1995, S. 124ff., Zitat: S. 124. Historische Verortung, vgl. Kanzog 1994, S. 158ff. Bruns 1995, S. 126. Bruns zitiert Teile der Rede aus dem Drehbuch, vgl. ebd., S. 128ff. Unter den bis heute unter Vorbehalt stehenden Filmen etwa Flucht ins Dunkel (1939, Rabenalt) oder Achtung! Feind hört mit! (1940, Rabenalt).

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Dass hier noch einmal Clausens eigene Herkunft als »einfacher Schlosser mit zerklopptem Daumen« betont wird, ist nur logisch. Das dreifache »Hoch« der drängenden Arbeiter endet im frenetischen Beifall. Anders als etwa in den sorgsam choreografierten Massenszenen Leni Riefenstahls inszeniert Harlan hier vor allem eine begeisterte Menge, die wenig militärische Ordnung zeigt, aber ihrem Zentrum, dem Herrscher auf der Festtribüne, konsequent zugewandt ist. Kontrastiert werden diese Bilder durch den Reißschwenk zur Großaufnahme der Tuba, von der aus zur edlen Feier der Auserwählten überblendet wird. Sodann bleibt das Werk außen vor. Erst nachdem Clausen den Ring Inkens zurückerhält, die liebende Verzichtsgeste als Untreue in schweren Zeiten missversteht, rufen ihn – analog zum Beginn – die Sirenen des Werkes zurück ins Leben, in einem läuternden Gang zum Werk durch Flammen und Rauch. Deutlich wird hier, dass das Werk die Rückbesinnung auf die Stärke des »Herrschers« repräsentiert, »visualisiert als industrieller Produktionsprozess«.236 Dramaturgisch werden damit der Familienkonflikt und der individuell persönliche Konflikt zurückgenommen. Diese Setzung rahmt die Handlung, vielmehr aber auch nicht. Erst lässt das Sirenengeheul Clausen nach dem Tod der Gattin ins Leben zurückkehren, wodurch er Inken treffen wird. Schließlich läutert ihn die Lebensaufgabe zu neuer Kraft. Die folgenden Schlussworte Clausens, inszeniert in einem pathetischen Bild mit Blick auf die (Rückprojektion der) Gutehoffnungshütte in Oberhausen, wurden vom damaligen Staatssekretär des Reichspropagandaministeriums, Walter Funk, verfasst. Sie gelten ob ihrer Produktionsgeschichte und ihres Pathos als Finale der Ideologeme Volksgemeinschaft und Führerwillen und sind im Wortlaut bei Klaus Kanzog zitiert.237 Interessant dabei ist ein Blick ins Drehbuch mit einer früheren Fassung:

236 Bruns 1995, S. 131. Bruns konzentriert sich in ihrer Analyse, die unter der Überschrift »Metall! Industrie-Symbolik und Sprache des Herzen« firmiert, ausschließlich auf diese Szenen des Films. So kann sie zahlreiche Verweise zu früheren Arbeiten Thea von Harbous aufzeigen, bleibt aber erstens vor allem dem Drehbuch und weniger der Inszenierung verpflichtet und interpretiert auch den Familienkonflikt ausschließlich in Bezug auf das Werk. So ergeben sich die Abweichungen zu der von mir vorgeschlagenen Deutung des Films. 237 »Ich sage mich los von meinen Kindern und Schwiegerkindern. Sie sind nicht würdig, mein Erbe zu übernehmen, und sind unfähig, es zu verwalten. Ich schenke das Werk, das ich geschaffen habe, nach meinem Tod dem Staat, also der Volksgemeinschaft. Ich bin gewiss, dass aus den Reihen seiner Arbeiter und Angestellten, die mir geholfen haben, das Werk aufzubauen, der Mann erstehen wird, der berufen ist, meine Arbeit fortzusetzen, mag er vom Hochofen kommen oder vom Zeichentisch, aus dem Laboratorium oder vom Schraubstock. Ich will ihn das Wenige lehren, das ein Scheidender den Kommenden zu lehren vermag; denn wer zum Führer geboren ist, braucht keinen Lehrer als sein eigenes Genie.«, Kanzog 1994, S. 155.

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An die Arbeiter und Angestellten der Clausen-Werke! Durchdrungen von der Verantwortung für mein Werk, das ich für Generationen gebaut habe, erkläre ich Folgendes: Ich sage mich los von meinen Kindern und Schwiegerkindern. Sie sind nicht würdig, mein Erbe zu übernehmen – und sind unfähig es zu verwalten – haben Sie?« (erkennen Inkens), »Ich schenke das Werk, das ich geschaffen habe, denen, die mir dabei helfen: Ich schenke es den Arbeitern und Angestellten der Clausen-Werke! Ich bin gewiss, aus Eurer Mitte wird der Mann erstehen, der berufen ist, meine Arbeit fortzusetzen – mag er vom Hochofen kommen oder vom Zeichentisch – aus dem Laboratorium oder vom Schreibstock. Ich will Ihnen das Wenige lehren, das ein Scheidender den Kommenden zu lehren vermag. Denn wer zum Führer geboren ist, braucht keinen Lehrer, als sein eigenes Genie…238

Im Vergleich wird nicht nur die von Jannings beklagte und oft kolportierte sprachliche Umständlichkeit der neuen Fassung evident,239 war doch die zitierte deutlich ausgefeilter für ein filmisches Schlusswort. Gleichzeitig aber fällt auf, wie wenig sich die Versionen inhaltlich abheben: Die Neufassung Funkes konkretisiert lediglich durch die Fokussierung des Allgemeinen und durch die explizite Benennung des Vermächtnisses, »dem Staat, also der Volksgemeinschaft« – und schafft schwer sprechbare Sätze. Was in diesem Komplex des Films Bedeutung erlangt, ist ein Moment des staatlichen Anspruchs, das in den nächsten Jahren immer wieder expliziert werden wird: »Deutscher Sozialismus im Film« betitelt Frank Maraun seinen Leitartikel in Der Deutsche Film.240 In diesem Aufsatz verortet der Filmkritiker die Funktion der Filmgattungen für die Volksgemeinschaft: »Als das erlebnisreichste Werkzeug der Mitteilung ist der Film hier ein aus dem Volkskörper nicht mehr wegzudenkendes Bindemittel der Nation geworden. Ein Bindemittel vor allem auch zwischen Volk und Führer.«241 Der Spielfilm hat die Aufgabe, dass die Zuschauer den »deutschen Sozialismus seelisch realisieren.«242 Arbeit und die Sinngebung von Arbeit ist für Maraun die zentrale Kategorie. In diesem Zu238 Drehbuch »Der Herrscher« (Signatur : 974337, Gerhart-Hauptmann-Bibliothek, Staatsbibliothek zu Berlin). 239 Veit Harlan berichtet in seinen Memoiren, dass Jannings die Sätze »64mal« sprechen musste, ehe die Aufnahme abgeschlossen werden konnte. Diese Geschichte wird allzu gern kolportiert, ohne die ursprüngliche Fassung hinzuziehen, Harlan 1966, S. 40, vgl. auch Buchloh 2010, S. 32. 240 Frank Maraun ist das Pseudonym von Erwin Goelz, Filmkritiker und Publizist, seit 1940 Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Abteilung Film; ab 1942 »Leiter der Abteilung Nachwuchswesen« beim Reichsfilmintendanten Fritz Hippler, vgl. Aurich 2006, S. 29 und 35. Ausführlich zu seinem Wirken und Artikeln, vgl. Aurich 2006. 241 Frank Maraun: »Deutscher Sozialismus im Film«, in: Der Deutsche Film, Nr. 11, Mai 1940, 4. Jg., S. 205. Der »Dokumentfilm« bannt hierbei den staatlichen Repräsentationsstil »mit einer dem Schwunge des Geschehens hingegebenen Phantasie in das bewegte Bild«, ebd. S. 206. Die Kulturfilme zeigen die »Vielfalt der geleisteten Arbeit«, ebd. S. 207. 242 Ebd., S. 207.

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sammenhang attestiert er dem Film Der Herrscher deutliche Schwächen, auch wenn »klar die ideellen Kräfte aufgezeichnet [sind], die den entscheidenden Kampf dieses Zeitalters miteinander auszutragen haben.«243 Wenn er Urlaub auf Ehrenwort (1938, Karl Ritter) zum »Standardfilm des deutschen Sozialismus« erklärt, wird klar, dass sein Arbeitsbegriff das Militär einschließt.244 Dabei aber stellt sich die Frage, inwieweit dieses Ideal nicht mit dem realwirtschaftlichen Starbetrieb des NS-Unterhaltungskinos kollidierte. Ein »Jannings-Film« muss diese Ideen gewissermaßen zwingend konterkarieren, zumal in Der Herrscher die Familienszenen deutlich mehr Raum einnehmen und eine wenig geradlinige Hauptfigur inszeniert wird. 2.2.5 Inszenierung von Männlichkeit und Weiblichkeit Jannings’ Matthias Clausen mag in der ersten Familiensequenz und im Werk als jovialer, mächtiger Patriarch erscheinen, doch bereits nach dem entschlossenen Auftritt vor den Direktoren bricht er zusammen. Seine Rolle ist zwischen Patriarchat und Schwächeanfall angelegt, der erst – durch die Setzung des Werkes als Kraftanker des Protagonisten – im letzten Läuterungsgang überwunden scheint. Hier entsteht eine Paradoxie der vorbildhaften Führerfigur, die auch zeitgenössisch wahrgenommen wurde: Nach dem Film entspinnt sich eine unter anderem im Film-Kurier dokumentierte Diskussion »Hat der Herrscher sich richtig verhalten?«245 Mit dieser Schwäche knüpft Jannings als Filmdarsteller einerseits an seinen Typus »Leidensmann«246 etwa in Der blaue Engel (1930) an und überwindet diesen final – im Werk im neuen Staat. Letztlich kollidieren schlichtweg die Konfliktebenen Werk und Familie, die in der Figur zusammenlaufen. Wenn Karin Bruns nach einer ausführlichen Analyse dessen, was Clausen als »sozial gerechten nationalsozialistischen Unternehmertyp« charakterisiert, darauf verweist, dass mit dem Läuterungsgang Clausens »[d]er 243 Ebd., S. 208. 244 Bereits 1939 begründet Maraun den Film – hier noch in Abgrenzung zum Theater – als Medium dessen »was die Masse zur Gemeinschaft formt, was sie bindet und zusammenhält: die Fabrik, das Werk, das Schiff, der geschlossene Körper einer marschierenden Truppe.« Auch hier ist Urlaub auf Ehrenwort »das schönste und vollendeteste Beispiel dieser Filmgattung«, Frank Maraun: »Der Held: die Gemeinschaft«, in: Der Deutsche Film, Nr. 2, August 1939, 4. Jg., S. 49–52. 245 Vgl. u. a. »›Der Ruhrarbeiter‹ zum ›Herrscher‹«, in: FK, Nr. 79, 6. 4. 1937, 19. Jg. »Antworten auf eine Preisfrage«, in: FK, Nr. 87, 15. 4. 1937, 19. Jg.; »So wurde über den ›Herrscher‹ geurteilt«, in: FK, Nr. 90, 19. 4. 1937, 19. Jg.; »Hat sich ›Der Herrscher‹ richtig verhalten«, in: FK, Nr. 92, 21. 4. 1937, 19. Jg.; »Diskussion um den ›Herrscher‹ in der Lessing-Hochschule«, in: FK, Nr. 93, 22. 4. 1937, 19. Jg. 246 Noack 2012, S. 240. Ausführlich analysiert Thomas Koebner die »Schwäche der starken Männer« im Kino der Weimarer Republik (Jannings) bis in die NS-Zeit (Werner Krauß, Heinrich George), vgl. Koebner 1997.

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nationalsozialistische Führermythos […] hier also paradox inszeniert als stählerner Homunculus, als religiös konnotierte Figur alchimistischer Versuche [erscheint]«,247 ist das nur ein Aspekt. Hochgradig paradox nämlich mutet die schmerzhafte Wandlung in Anbetracht der letzten Worte an: »Wer zum Führer geboren wurde, braucht keinen Lehrer als sein eigenes Genie.« Der Protagonist ist eine brüchige Figur, die zudem auf zwei Konfliktebenen glaubwürdig agieren muss. Das erklärt auch die Kritik am Film: Im familiären Kontext ist Der Herrscher nicht nur von seinen bösartigen oder labilen Kindern und von der Vergangenheit im übergroßen Altarbild der verstorbenen Frau bedroht. Die einsame Figur – flankiert von Freund (Max Gülstorff) und dem treuen Diener (Walter Werner) – pendelt zwischen Jähzorn und Passivität. Sympathie gewinnt er vor allem durch seine junge Freundin, das moderne, patente Mädchen. Hier zeigt sich eine grundlegende Umdeutung der Hauptfigur Hauptmanns: Im Schauspiel erscheint der Patriarch weitaus aktiver, versucht vor dem Zusammenbruch nach der Entmündigung seine Liebe zu gestalten, Inken zu heiraten und mit ihr in die Schweiz zu gehen.248 Die Szenen in Italien sind weniger vom Spiel Jannings und Hoppe bestimmt, sondern durch die Schauwerte attraktiv. Die Ambivalenz des Protagonisten lässt sich als Vielschichtigkeit der Figur deuten, macht aber vor allem die Rollengestaltung für den Hauptdarsteller attraktiver als eine idealisierte Anlage. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass es innerhalb der Familie ein deutliches Gefälle der Rollen gibt: Während Hilde Körber eine fallsüchtige Tochter ausspielen und Maria Koppenhöfer in ihrer Darstellung der von Rübsamen als eindrucksvolle Intrigantin glänzen kann, bleiben die männlichen Rollen eher blass. Sowohl der Nachwuchsdarsteller Hannes Stelzer als guter Sohn wie auch Paul Wagner als Wolfgang können ihre Figuren kaum profilieren. Herbert Hübner als Klamroth taugt zum Gegenspieler, bleibt aber derart konsequent dem stereotypen Bösewicht verhaftet und herabgesetzt durch Komik, dass seiner Rolle Nuancen fehlen. Starke, präsente Frauen übermalen die Blässe der männlichen Gegenspieler. In diesem Ensemble brilliert der männliche Star. Er war auch der Grund, warum bereits bald nach dem verlorenen Krieg das Interesse an einer Reprisenauswertung wuchs.

247 Bruns 1995, S. 130f. 248 Vgl. Hauptmann 1982, S. 72ff.

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2.3

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Gescheitertes Zwischenspiel: Versuch einer Reprisenauswertung

1949 werden laut Liste vom 16. Februar des Jahres die C-zensierten Filme an die Film Section übergeben, unter ihnen Der Herrscher. In einer Aktennotiz im Mai regt die Ufa-Treuhandverwaltung an, dass sie einer neuen Zensur unterworfen werden müssten, zumal die damalige Zensur von englischen Offizieren meist nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt wurde. Ausserdem wurden auch Filme unpolitischen Charakters und Filme ohne NSTendenz ›C‹ zensiert, weil die entsprechenden Mitarbeiter, wie Autoren, Regisseure, Schauspieler usw. zur damaligen Zeit auf der sogenannten »black list« standen.249

Am 12. Februar 1950 fragt die FSK beim Schorcht-Filmverleih an, ob der Film geprüft werden solle, obwohl er derzeit noch auf der Verbotsliste des Tripartite Film Coordinating and Advisory Committee vom 9. September 1949 stehe. Am 17. März 1950 teilt die FSK mit, dass der Film nicht geprüft werden könnte: »Es wurde festgestellt, daß der Regisseur dieses Films Veit Harlan ist. Harlan-Filme prüft der Arbeitsausschuß bis zur Erledigung des Falles Veit Harlan nicht.«250 Am 3. März 1949 wurde der Prozess eröffnet, bereits 1948 war gegen den Regisseur vom Hamburger Landgericht Anklage erhoben worden. Nach einer Revisionsklage infolge des Freispruchs wurde im darauffolgenden Jahr das endgültige Urteil verkündet, das den Regisseur mit seinem Film Jud Süss (1940) vom Vorwurf der Beihilfe zu »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« frei sprach.251 Am 25. Juli 1950 wird Der Herrscher erstmals geprüft und unter Schnittauflagen freigegeben: Nicht nur Sätze der Direktorensitzung müssen weichen, auch die Massenszene, Teile der Rede des Werkmeisters und der Abschlussmonolog. Nachdem die gewünschten Schnitte vorlagen, konnte der Film durch den Arbeitsausschuss zur öffentlichen Vorführung, zur Vorführung für Jugendliche unter 16 Jahren und an stillen Feiertagen freigegeben werden. Das Verbot aber bestand, weshalb das Verfahren nicht abgeschlossen wurde. 1954 wiederum listet eine Kategorie des Ufi-Filmvertriebs: »Soweit sich übersehen lässt, versprechen folgende Filme noch annehmbare Einspielergebnisse«, Der Herrscher ist darunter.252 Erst 1979 legt die Murnau-Stiftung den Film noch einmal vor. Offensichtlich liegt nun wieder die ungeschnittene Fassung vor, denn der Ausschuss gibt den 249 Vgl. Aktennotiz: Entwicklung des Kopienbestandes seit dem Zusammenbruch bis heute, soweit aus den vorhandenen Unterlagen feststellbar, UFA-Treuhandverwaltung, 13. 5. 1949, BArch R 109 I/13 o. S. 250 FSK-Akte, Prüfnummer1562, inkl. Korrespondenz der FSK. 251 Ausführlich zum Harlan-Prozess und dessen Folgen, vgl. Zielinski 1981. 252 Aktennotiz des Ufi-Filmvertriebs vom 17. 3. 1954: Verbotsliste, Schreiben der AHK [Alliierten Hohen Kommission, SMF] vom 20. 01. 1954, BArch R 109 I/2185 o. S.

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Film frei, wenn aus dem Abschlussmonolog »denn wer zum Führer geboren ist, braucht keinen Lehrer als sein eigenes Genie« geschnitten wird. Im Jugendentscheid vom 17. August 1979 heißt es nach der Prüfung in Bezug auf »eventuelle nationalistische bzw. nationalsozialistische Tendenzen«: Der Ausschuß stellt zwar fest, daß gelegentlich sprachliche Ausdrücke Verwendung finden, die Assoziationen zum NS-Regime herstellen (etwa: ›Gefolgschaft‹ statt Belegschaft; oder : ›Volksgemeinschaft‹, ›Wirtschaftsführer‹ o. ä.), daß aber Story und Machart des Films so sind, daß eine Verdichtung gelegentlicher Spracheinsprengsel aus dem Dritten Reich zu einer negativen Filmtendenz ausgeschlossen sind.253

Der Herrscher ist nunmehr ab zwölf Jahren freigegeben. Mag der SchorchtFilmverleih mit seinem ersten Antrag auch gescheitert sein, 1956 kann er die filmische Neuausdeutung in die deutschen Kinos bringen, die nicht am Vergleich mit der Reprise litt.

2.4

VOR SONNENUNTERGANG (1956)

2.4.1 Produktionsdaten In den 1950er Jahren kommt es zu einer »Art filmischer Hauptmann-Renaissance«,254 die in eine solche in der bundesdeutschen Kulturgeschichte eingebettet war.255 Bereits 1955 hatte mit Robert Siodmaks Die Ratten ein aktualisiertes Hauptmann-Drama die Publikumsabstimmung der Berlinale als Sieger verlassen. In der Literatur weicht die politisch ambivalente Rolle des Dichters endgültig der Glorifizierung, die den Goethe-Vergleich aus der Weimarer Republik wieder aufleben lässt.256 Auf der Bühne bleibt Hauptmann nach seinem Tod verbunden mit dem Darsteller Werner Krauß, der in der Premiere bei Reinhardt den Geheimrat gab. Krauß spielt – um nur bei dem hier verhandelten Drama zu bleiben – 1951 den Geheimrat Clausen am Hamburger Schauspielhaus mit Ruth Leuwerik als Inken,257 1952 am Wiener Burgtheater mit Annemarie Düringer und 1954 ein letztes Mal im Berliner Schlosspark Theater.258 253 FSK-Akte, Prüfnummer 1562. 254 Hans Berndt: »›Die Rose Bernd‹ als Farbfilm«, in: Braunschweiger Zeitung vom 15. 2. 1957, zitiert nach: Hoefert 1992, S. 36. Der Autor gibt zudem einen Überblick über die Hauptmann-Verfilmungen seit 1913. 255 Die Hauptmann-Verfilmungen gingen in der Dekade weiter: Fuhrmann Hentschel (A 1956, von Baky), Rose Bernd (1957, Staudte), Dorothea Angermann (1959, Siodmak), vgl. Hoefert 1992, S. 36ff. 256 Exemplarisch etwa der Klappentext einer Biografie:«Goethe starb 1832 – ein Menschenalter später. 1862, leuchtete ein anderer Stern auf: Gerhart Hauptmann.«, vgl. Gregor 1951. 257 »Ruth Leuweerik«, in: Die Zeit, Nr. 34, 23. 8. 1951, 6. Jg. 258 Ausführlich zu den beiden Inszenierungen und der Kritik, vgl. Greinert 2009, S. 187ff.

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Von Januar bis März 1956 lässt die CCC in Wien, St. Moritz und den Ateliers in Spandau die Neuverfilmung drehen. Die CCC produzierte bereits im Vorjahr Die Ratten. Die Stoffrechte müssen nicht von der Filmstoffabteilung des UfiKonzerns erworben werden, denn diese sind an der Bratt-Komödie 1954, am Hauptmann-Drama bereits 1942 nachweislich abgelaufen.259 Stattdessen erwirbt die CCC die Rechte am Stück vom Verlag Felix Bloch Erben,260 obgleich dennoch der Autor Bratt nach einer Korrespondenz des Artur-Brauner-Archivs (erfolglos) versucht, finanzielle Ansprüche geltend zu machen.261 Darüber hinaus aber entspinnt sich ein filmwirtschaftlich bedeutsamerer Konflikt, der 1955 einen prominenten Vorläufer in der Doppelverfilmung über das Hitler-Attentat am 20. Juli hat; sowie einen etwas weniger bekannten mit den beiden AnzengruberVerfilmungen Der Pfarrer von Kirchfeld (1955, Hans Deppe) und Das Mädchen vom Pfarrhof (A 1955, Alfred Lehner). Zunächst sind zwei Verfilmungen des Hauptmann-Dramas angekündigt, neben der CCC wirbt die Neue Filmverleih GmbH für eine mit Ewald Balser und Elisabeth Müller in den Hauptrollen.262 Eine Bürgschaftsförderung für das Projekt, die Omega und der Neue Filmverleih beantragt hatten, war abgelehnt worden.263 Die CCC wendet sich in einer Mitteilung vom 6. Juli 1955 mit einem Brief Benvenuto Hauptmanns an den Verlag Felix Bloch Erben an die Filmpresse: »Jetzt ist noch Zeit, eine Doppelverfilmung zu verhindern.«264 259 »Ablauf von Urheberrechten 1929 bis 1945: Ufa, Tobis, Terra, Berlin-Film, Bavaria, WienFilm-Prag-Film«, BArch R 109 I/4655, o. S. 260 Vgl. u. a. »Wöchentlicher Fabrikationsstand vom 31. 5. 1956«, Produktionsordner Vor Sonnenuntergang, im Artur Brauner-Archiv im Deutschen Filminstitut – DIF e.V., o. S. 261 »Sie [Frau Jannings] hat mir im übrigen gesagt, dass Bratt bereits Herrn Jannings gegenüber genau so gehandelt hat, nämlich – ganz bewusst in die Dreharbeiten hineingeplatzt wäre, um ein Honorar zu erzwingen, wie er das jetzt wieder versucht«, vgl. »Brief Benvenuto Hauptmann an Verlag Felix Bloch Erben vom 7. 3. 1955 wegen Beteiligung Bratts an Der Herrscher«, Produktionsordner Vor Sonnenuntergang, im Artur Brauner-Archiv im Deutschen Filminstitut – DIF e.V., o. S. 262 Vgl. Hoefert 1996, S. 74. Der Burgtheaterschauspieler Ewald Balser spielte im bundesdeutschen Nachkriegskino u. a. die Hauptrolle im prämierten Sauerbruch (1954, Hansen), aber auch in Kinder, Mütter und ein General (1954/55, Benedek). Ausführlich zur Biografie Balsers, vgl. Cerha 2004. 263 Berger 1989, S. 95. 264 »Sehr geehrte Damen und Herren! Bezugnehmend auf die vielen Notizen von Schorcht und NF bezüglich der Verfilmung von ›Der Herrscher‹ überreichen wir Ihnen Abschrift eines Briefes von Dr. Benvenuto Hauptmann an Fa. Felix Bloch Erben wegen ›Der Herrscher‹/›Vor Sonnenuntergang‹ und bitten Sie, ihn ganz oder teilweise abzudrucken. Wir hoffen, damit eine weitere Kollision mit NF-Verleih – wie es schon bei ›20. Juli‹ der Fall war – zu vermeiden, indem wir schon heute auf die Gefahr hinweisen, die bereits besteht, da – wie wir erfahren – NF-Verleih Abschlüsse mir Schauspielern zurzeit tätigt. Jetzt ist noch Zeit, eine Doppelverfilmung zu verhindern«, »Mitteilung vom 6. 7. 1955 gleichlautend an Filmpress Hamburg, FT Hamburg, Der neue Film Wiesbaden, FE Wiesbaden, Filmwoche Karlsruhe, Filmblätter Berlin, dpa Berlin«, Produktionsordner Vor Sonnenuntergang, im Artur

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Regie führte Gottfried Reinhardt, Sohn Max Reinhardts. Seit 1932 in Kalifornien, arbeitete er in Hollywood zunächst als Regieassistent Ernst Lubitschs, dann als Produktionsleiter und Regisseur. 1954 kehrt er nach Europa und schließlich auch nach Deutschland zurück, wo er – soweit die Angaben in seiner Autobiografie stimmen – zunächst durch Zufall auf den Sohn des verstorbenen Dichters Benvenuto Hauptmann trifft, um sogleich über die bei MGM Ende der 1940er Jahre geplante Verfilmung von Vor Sonnenuntergang zu sprechen.265 Einzig die Besetzung der männlichen Hauptrolle der deutschen Produktion bereitet dem Remigranten laut Selbstauskunft Kopfzerbrechen, denn die »Ausnahmestellung« Hans Albers’ im Nationalsozialismus hinterfragt er kritisch und beschreibt ihn als Kompromiss, der sein »Gewissen zunächst schwer strapazierte«.266 Kurz nach Ende der Dreharbeiten verlässt Reinhardt Berlin,267 um später für weitere Filme nach Deutschland zurückzukehren.268 Das Drehbuch zur Neuverfilmung schrieb Jochen Huth, der bereits für Die Ratten (1955) das Skript verfasst hatte.269 Auch der Komponist des Films, Werner Eisbrenner, hatte für diese Hauptmann-Verfilmung gearbeitet.270 Hinter der Kamera stand Kurt Hasse. Interessant ist auf den ersten Blick die konzeptuelle Nähe zum Vorgängerfilm: Wie schon in Der Herrscher erscheint Clausen bei Drehbuchautor Huth und Regisseur Reinhardt nicht als feingeistiger Verleger am Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern als aktualisierter Großindustrieller seiner Zeit: Das Stahlwerk ist zur Chemie AG modernisiert, der Handlungsort aus dem Ruhr- ins Rhein-Main-Gebiet verlegt. Nun allerdings werden Stil, Architektur und Umgebung in den 1950er Jahren verortet, die Inszenierung der Stahlindustrie weicht der Stadt. Beiden Filme liegt – obwohl sich das Remake nicht mehr auf das BrattStück bezieht – die Transformation in die Gegenwart zugrunde. Reinhardts Verfilmung ist natürlich nicht vom nationalistischen Aufbaupathos des Vor-

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Brauner-Archiv im Deutschen Filminstitut – DIF e.V., o. S. Im Film-Echo erscheint eine Notiz zur Doppelverfilmung, vgl. W. G.: »Neue Doppelverfilmung in Aussicht«, in: FE, Nr. 34, 16. 7. 1955, 9. Jg. Vgl. Reinhardt 1992, S. 434ff. Auch Hoefert gibt an, dass 1949 die Rechte an eine amerikanische Filmfirma verkauft wurden, vgl. Hoefert 1996, S. 70. In seinem Interview in der ZDF-Reihe Zeugen des Jahrhunderts spricht Reinhardt von einer MGM-Verfilmung, die mit Spencer Tracy in der Hauptrolle geplant war, vgl. Hermann 1992, S. 99. Ebd., S. 339f. Claudia Dillmann dagegen gibt nach Sichtung der Akten der CCC an, dass sich Reinhardt auf Albers »versteift« hatte, vgl. Dillmann 1993, S. 20. Vgl. Hans Dietrich Weiss: »Ein Teddybär aus Hollywood«, in: FP, Nr. 16, 19. 4. 1956, 8. Jg. Zu nennen sind etwa Menschen im Hotel (1959), Liebling der Götter (1960) und Stadt ohne Mitleid (1960), ausführlich zu letzterem, vgl. Sudendorf 1993. Jochen Huth schrieb bereits in den 1930er Jahren Drehbücher, u. a. für Allotria (1936, Forst) und Capriolen (1937, Gründgens). Zum Komponisten, vgl. Wulff 2008.

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gängers geprägt, aber in der aktualisierten Ausdeutung lassen sich eine Reihe struktureller Parallelen aufzeigen. Was hier konzeptuell mit Blick auf den Vorgängerfilm geschieht, ist eine Reduzierung auf den Familienkonflikt, durch die das Werk marginalisiert wird. Insofern mag das Remake wieder näher an der literarischen Vorlage sein. Dies kann man nicht nur als Werktreue oder als eine Verschiebung der Konflikte ins Private deuten, sondern es passt auch zur Gesamtbeobachtung der Remakes, dass zwar arbeitende Frauen im gesamten Jahrzehnt in den Filmen zu finden sind, Arbeit selbst aber überaus selten inszeniert wird. Dafür findet sich wiederum eine neue Konfliktebene im Film, die nun nicht mehr allein im Familienrahmen verhandelt wird: Sexualität. Auch der Freund Sanitätsrat Steynitz befragt nun kritisch die Beziehung zwischen dem alten Mann und dem jungen Mädchen, das selbst die erwachende Liebe erkennt. Im Drama erscheint die Liebe beiden Beteiligten klar und wird mit eben dieser Selbstverständlichkeit formuliert. Lediglich die familiäre Legitimierung muss im Schauspiel erkämpft werden – und scheitert.271 Das ist im Remake anders. 2.4.2 Zwischen Theater- und Filmgeschichte: Rezensionen, Reaktionen Bereits am 24. April 1956 liegt der Film der FSK vor, wird von dieser als jugendgeeignet freigegeben, nicht jedoch für Kinder unter zehn Jahren.272 Am 26. Juni feiert er seine Premiere im Rahmen der VI. Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Anfang Juli kommt er regulär in die Kinos. Bei der Berlinale gewinnt Vor Sonnenuntergang den Goldenen Bären bei der Publikumsabstimmung: »Die Ovationen am Ende waren schier endlos.«273 Ein Prädikat der Filmbewertungsstelle der Länder bleibt ihm – trotz Widerspruch der Produktionsfirma – versagt.274 Der Film wird 1957 in den USA als best foreign film prämiert.275 Zur internationalen Wahrnehmung gehört auch der offene Brief des 271 Am Ende des zweiten Aktes gesteht Clausen Inken seine Liebe, »INKEN fliegt ihm an den Hals.« Erleichtert spricht er : »So ist denn wohl unsere Beziehung ortskundig. Freilich ist die Fama der Tatsache weit vorausgeeilt, obschon sie nun recht behalten hat. Unentschiedenheiten gibt es nun nicht mehr in unserer Sache. Des zum Zeichen, Inken, nimm diesen Ring.«, vgl. Hauptmann 1982, S. 48. 272 FSK-Akte, Prüfnummer 12 040. 273 Friedrich Luft: »Ein überzeugendes Ja zum Pathos«, in: Die Welt vom 29. 6. 1956. 274 Die Begründung des Ausschusses bei der 2. Prüfung – Prüf-Nr. 2798, Urteil vom 2. 5. 1956 aufgrund des Einspruchs der CCC–lautete kühl: »Wenn in der Einspruchsbegründung dargelegt wird, daß schon die Bemühung, einen künstlerischen Film herzustellen, eine besondere Anerkennung verdiene, so ist der Hauptausschuß der Meinung, daß eine gute Absicht die Erteilung eines Prädikates noch nicht rechtfertigt«, vgl. Produktionsordner Vor Sonnenuntergang, im Artur Brauner-Archiv im Deutschen Filminstitut – DIF e.V. 275 Bei Hoefert findet sich der Hinweis, Albers hätte Ende der 1950er Jahre auch auf dem Moskauer Filmfestival eine Auszeichnung als bester ausländischer Darsteller bekommen,

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sowjetischen Filmemachers Boris Zachova, der in der Zeitschrift Iskusstvo Kino im November 1958 dem Regisseur vorwirft, den relevanten Konflikt des Hauptmann-Dramas vernachlässigt zu haben. Denn der Film liefert keinesfalls eine Ausdeutung des Hauptmann-Dramas als »Auseinandersetzung zwischen Humanismus und Faschismus«.276 Diese Kritik an der filmischen Ausdeutung des Schauspiels erinnert an die literaturhistorische Diskussion bzw. politische Interpretation, die Hilscher 1969 vorlegte.277 Die deutschen Urteile über den Film sind breit gefächert: von Lobeshymnen auf Schauspieler und Pathos des Films bis hin zu ausführlichen Verrissen.278 Ohne Hauptmann kommt keine Rezension aus. Der Herrscher bleibt partiell als Referenzpunkt ebenfalls präsent; als politisch unproblematischer hier allerdings: Da aller schlechten Dinge ebenfalls drei zu sein scheinen, ist seit einiger Zeit der Wettlauf um das ›Herrscher‹-Remake imgange. Remakes sind die große Mode (warum denken, wenn andere früher schon gedacht haben) […] Harlans ›Herrscher‹ hatte zwar den Titel von einem Bühnenstück Harald Bratts, aber es war alles in allem eine gute Verfilmung von Hauptmanns »Vor Sonnenuntergang«.279

Noch erstaunlicher urteilt der ehemalige Film-Kurier-Kritiker Georg Herzberg nun im Film-Echo: »Man kann diesen Film eigentlich nicht als ein Remake des ›Herrschers‹ bezeichnen, denn damals, 1937, wurde Gerhart Hauptmanns Bühnenstück soweit abgewandelt, daß praktisch eine neue Handlung entstand. Diesmal ist man dem Original treu geblieben.«280 Hier lassen sich die bereits erarbeiteten Prämissen der Diskussion über Remakes identifizieren, die in diesem konkreten Fall eine mögliche politische Problematik verdecken. Herzbergs wichtigstes Argument ist die Gestaltung des Endes, der Tod Clausens als werkgetreue Übernahme. Unterschlagen wird hierbei, dass bereits zur Theaterpremiere das Ende zur Diskussion stand: Krauß weigerte sich, den Selbstmord, also den fünften Akt, zu spielen.281 Gottfried Reinhardt erklärte der

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als Quelle ist der Artikel »Albers mit Sowjet-Prädikat« aus dem Soester Anzeiger vom 8. 04. 1958 angegeben, vgl. Hoefert 1996, S. 75. Das Festival fand nach meinen Recherchen jedoch erst wieder ab 1959 statt. Vgl. Offener Brief des Volkskünstlers Boris Zachova im November 1958, zitiert nach: Hoefert 1991, S. 111 und Hoefert 1996, S. 76. Die Originalpublikation, vgl. Iskusstvo Kino, November 1958, S. 118–122. Vgl. Hilscher 1969, S. 402. Beide Positionen finden sich exemplarisch in den Rezensionen Friedrich Lufts in Die Welt und Karena Niehoffs in Der Tagesspiegel, die die Filmpress gegenüberstellt, vgl. »Berliner Filmfestspiele im Spiegel der Kritik«, in: FP, Nr. 27, 5. 7. 1956, 8. Jg. Wilhelm Ringelband: »Fiasko mit Doppelverfilmung?«, in: Kieler Nachrichten vom 24. 9. 1956. Georg Herzberg: »Vor Sonnenuntergang«, in: FE, 7. 7. 1956, Nr. 53/54, 10. Jg. Sprengel 2012, S. 654.

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Welt im Laufe der Dreharbeiten launig: »Nach der Generalprobe haben Gerhart Hauptmann, mein Vater und Kerr das Ende, das jetzt immer gespielt wird, ausgeknobelt.«282 Auch die Pressematerialien des Schorcht-Verleihs stellen die Lösung des Endes als Hommage an den verstorbenen Dichter heraus: »Hauptmanns Wunsch nach 1932 war es, den 5. Akt nicht auf die Bühne zu bringen. Regelwidrig spielt das Ostberliner Deutsche Theater z. Zt. diesen Akt und kommentiert diesen Fauxpas mit gesellschaftlich-politischen Bewegungsgesetzen.«283 So kann im Kontext des Kalten Krieges nicht nur die Neubearbeitung beworben, sondern gleichsam der bundesdeutsche Film gegen das Theater der DDR in Stellung gebracht werden. Bemerkenswert ist hier, wie in der Rechtfertigung und Reklame für den Film Theatergeschichte nicht nur politisch funktionalisiert, sondern nach Belieben umgedeutet wird: Denn aufgrund der Weigerung Krauß’ den Selbstmord des Protagonisten zur Premiere auf der Bühne zu spielen, arbeitete Hauptmann das Ende um, sodass Clausen »anscheinend von einem Schlaganfall getroffen« zusammenbrach.284 Selbstmord begeht Clausen auch in der Verfilmung nicht, sondern erliegt seinem Leiden. Krauß spielte in der Wiener Inszenierung nach 1945 zudem »[e]inem Versprechen gemäß, das er dem toten Dramatiker schuldete«, den fünften Akt.285 Diese Werktreue verwischt die Ambivalenzen, Alfred Kerrs Beiträge scheinen vergessen, obgleich im Jahr zuvor noch seine Theaterkritiken als Welt im Drama noch einmal publiziert wurden.286 Andererseits impliziert diese ausgestellte Traditionslinie neben Verdrängung ebenso Neuverortung, die im Film offensichtlich an die Premiere in der Weimarer Republik anknüpft. Die negativen Rezensionen schlagen – abgesehen vom katholischen FilmDienst, der die »unerfreuliche Ansammlung von unerfreulichen Begebenheiten«287 moniert – einen betont sarkastischen Ton an: »An diesem Abend haben zwei große Deutsche etwas verloren: Max Reinhardt die Hoffnung auf einen genialen Sohn und Gerhart Hauptmann ein ihm liebes Thema. Glücklicherweise haben beide diesen Filmtag in Berlin nicht mehr erlebt.«288 Sie kritisieren nicht 282 [C. B.]: »Aus Geheimrat wurde Direktor. Vor Sonnenuntergang wird neu verfilmt – Gespräch mit Gottfried Reinhardt«, in: Die Welt vom 25. 2. 1956. 283 »Material des Schorcht-Filmverleihs«, Pressemittel-Sammlung des Deutschen Filminstituts – DIF e.V. 284 Sprengel 2012, S. 654. 285 Ebd., S. 654f. 286 Vgl. Hering 1955. Diese Neuauswahl von Kerr-Kritiken wurde auch in der Filmpresse wahrgenommen. Neben Einschätzungen von Schauspielern berichtet das Film-Telegramm, vgl. Klaus Hebecker : »Vor Jahren gesehen und noch heute von Gültigkeit«, in: FTG, Nr. 2, 11. 1. 1955, 3. Jg. 287 »Vor Sonnenuntergang«, in: FD, Nr. 27, 5. 7. 1956, 9. Jg. 288 Alfred Maria Schwarzer : »Die Sonne war nicht aufgegangen!«, in: Neue Presse, Coburg vom 7. 7. 1956.

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nur berechtigt die dramaturgischen Schwächen des Films und der Schauspielerführung,289 wobei hier die Referenz zur Deutung des vorbildhaften Hauptmann-Dramas das Kernargument ist.290 Zudem müssen sich auch die Schauspieler ein ums andere Mal an ihren bisherigen Theaterrollen messen lassen, etwa Albers: »Wir haben den blonden Hans schon oft wegen seiner vitalen Rollen lieben gelernt. Denken wir an seinen Liliom, an den Mackie Messer. Es gab noch mehr Rollen, wo er es immer war. Ein Geheimrat wird er nie sein können.«291 Bereits in der Ankündigung des Films in Der neue Film wurde – als wären die Einwände antizipiert worden – betont, mit welcher Ernsthaftigkeit sich Albers der Rolle widmete.292 Begeistert dagegen bejubelt etwa Friedrich Luft den »Schauspielerfilm«: »Dieser Film versucht offenbar etwas, das seit den sagenhaften Zeiten des großen deutschen Films abhanden gekommen ist. Er versucht Pathos.«293 Auch andere Rezensenten bestätigen einen gelungenen Film und loben vor allem die exzellenten schauspielerischen Leistungen, wobei Albers attestiert wird: »Man hatte geglaubt, des ›Herrschers‹, Emil Jannings’ Name würde die schwerste Belastung sein, aber den vergaß man über Hans Albers’ Generaldirektor Clausen«.294 In der zeitgenössischen Filmkritik kann Albers also eher bestehen als im Kunstraum des Theatervergleichs. Wenn die filmkritische Diskussion redundant um den Rückbezug auf das Hauptmann-Drama kreist, offenbart sie eine Spannung zwischen Nationalsozialismus und früher Bundesrepublik, die über die oft kritisierte Kontinuität des 289 Vgl. Klaus Hebecker: »Filme: Mehr Sonnenuntergänge als -aufgänge«, in: FTG, Nr. 27, 30. 6. 1956, 4. Jg. 290 Vgl. u. a. »Hier steht nicht mehr die humanistische, demokratische Tradition des deutschen Bürgertums im Kampf gegen die kommerzielle und moralische Entartung der Nachfolgegeneration.«, »…doch die Sonne geht nicht unter. Publikumserfolgsfilm ›Vor Sonnenuntergang‹ nun auch in Wien«, in: Der Abend vom 23. 8. 1956 oder Ludwig Gatter: »Ein Mercedes vor dem Mausoleum«, in: Stuttgarter Nachrichten vom 7. 7. 1956. 291 Alfred Maria Schwarzer : »Die Sonne war nicht aufgegangen!«, in: Neue Presse, Coburg vom 7. 7. 1956. 292 »Aber in diesem Film gibt es kein Hoppla, keinen ›Otto‹, keinen ›blonden Hans‹, keinen wiegenden Schiffergang. […] Seit Monaten hat er sich auf diese Aufgabe, die ihn begeistert, vorbereitet, mit vorbildlicher Präzision jede einzelne Szene einstudiert. Er weiß, daß die Rolle, die vor ihm im Film (›Der Herrscher‹ sehr frei nach Hauptmann) Emil Jannings, auf der Bühne Werner Krauss und andere Große des Theaters gespielt haben, das Letzte abverlangen wird […]«, »›Vor Sonnenuntergang‹ bei CCC«, in: Der neue Film, Nr. 9, 2. 2. 1956, 10. Jg. 293 Friedrich Luft: »Ein überzeugendes Ja zum Pathos«, in: Die Welt vom 29.6. Friedrich Luft: »Kothurnkino: Vor Sonnenuntergang«, in: SZ vom 23. 7. 1956. 294 Vgl. Wolfgang Bartsch: »Die Rückkehr zum Pathos gelang«, in: Frankfurter Rundschau vom 3. 8. 1956, Reinhardt 1992, S. 436. Vgl. auch »Vor Sonnenuntergang«, in: Hannoversche Presse vom 1. 9. 1956 oder »Gerhart Hauptmann neu auf der Leinwand: ›Vor Sonnenuntergang‹«, in: Kasseler Zeitung vom 1. 9. 1956.

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Filmschaffens hinaus geht: Der 1946 verstorbene Dichter und seine Arbeiten sind in den 1950er Jahren bestens in das Literaturerbe integriert. Die problematischen Rückverweise bleiben aus. Die Literaturgeschichte lotet später die schwierige Rolle des Dichters hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber seinen jüdischen Freunde und Förderern nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aus.295 Die junge Bundesrepublik greift auf die Intellektuellen – die geflohenen und die gebliebenen – in ihren Filmdiskursen wenig reflektiert zurück. Anders verhält es sich bei aktuellen gesellschaftlich virulenten Fragen, wie wir bei der Diskussion des Militärs in der Rezeptionsgeschichte von Die Deutschmeister beobachten konnten. Hier hingegen entsteht eine seltsame Melange aus Anknüpfungen und Brüchen. Das Remake von Der Herrscher lässt sich auf der Personenebene, wie wir sahen, mehrfach verorten: Rückgriff auf die glanzvolle Kulturgeschichte der Weimarer Republik (Reinhardt) unter Ausblendung der gegensätzlichen Schicksale in den folgenden Jahren (Hauptmann, Kerr). Kerr wird andererseits – wie in der Verteidigung der Remakes im Allgemeinen durch den Dramaturgen Barthel – unter Ausblendung der zeithistorischen Vergangenheit als »kritischer Erzvater« abgerufen und kann gleichzeitig als Autorität fungieren.296 Aber so schnell man geneigt ist, dem Film vor allem eine sagenhafte Verdrängungsleistung zu attestieren, gerät dabei allzu rasch aus dem Blick, dass für das Publikum der 1950er Jahre die neue Ausdeutung nicht nur an die vorhandene Bilderwelt anknüpft, sondern sie ebenso anpasst. Das unterscheidet das Remake deutlich von der gescheiterten Reprise.

2.4.3 Überblick: Veränderungen des Drehbuchs und der filmischen Inszenierung Das Drehbuch wurde neu bearbeitet: Auch das Remake beginnt auf dem Friedhof, die Kamera zoomt zurück von der ewigen Flamme und gibt den Blick auf die Familiengruft der Clausens frei. Clausen beaufsichtigt allein, wie eine Konifere auf dem Weg gepflanzt wird, und schon sein erster Dialog mit dem Friedhofsgärtner offenbart die Müdigkeit des alten, einsamen Mannes, der sich auf den Weg nach Frankfurt macht. Die Chemie AG ist das erste Indiz für die Aktualisierung, die spätestens mit der nächtlich beleuchteten Stadt und der Einrichtung des Hotels deutlich wird. Diese Inszenierung von Handlungszeit über (nächtliche) Stadtbilder und Einrichtungsgegenstände zeigte sich bereits als Charakteristikum im Gesamtfilmkorpus. Im Hotelzimmer von Licht und 295 Vgl. u. a. Sprengel 1984, S. 230f., Sprengel 2012, S. 674ff. 296 Vgl. Manfred Barthel: »Über den Unterschied zwischen Bühne und Film. Antwort an einen Kritiker«, in: FTG, Nr. 2, 10. 1. 1956, 4. Jg. und I 2.4 Argumente der Regisseure und Praktiker, S. 63.

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Abb. 18 und 19: Vor Sonnenuntergang (1956): Totale im Hotelzimmer, erkennendes Lächeln

Schatten durchdrungen und ausgeleuchtet, diktiert er Inken nicht nur sein Firmenvermächtnis, sondern schließlich auch den Abschiedsbrief an den Freund, Dr. Steynitz. In diesem Kunstraum erinnert die junge Frau empört an die Welt und das Leben: »Ich muss nämlich mit dem Leben fertig werden, irgendwie.« Hier deutet sich bereits an, dass Inken als patentes Mädchen ihrer Zeit angelegt ist. Dabei bleibt sie – wie übrigens auch der Protagonist abgesehen von seiner verstorbenen Frau – aber gänzlich ohne Vergangenheit.297 Der Kontrast der Haltungen spiegelt sich deutlich in der Inszenierung: Das Interieur des Hotels tritt in Spannung zu den Einstellungen im Hotelzimmer. Durch die starke Kontrastwirkung der Schatten zeichnet die Kamera im sicheren Abstand der Totale vom Diktierenden ein stilisiertes Bild, das die Bildwelten des expressionistischen Films oder des Film Noir assoziieren lässt, zumal das Remake in Schwarzweiß gedreht wurde. Beim letzten Brief an den Freund ist das Gesicht nunmehr zur Hälfte im Dunkel. Dieser Kunstraum wird aufgelöst, als Albers die Augen hebt und dann erkennend lächelt (Abb. 18 und 19). Ist der Augenaufschlag Albers gen Kamera deutlicher Verweis für die einsetzende Liebesgeschichte, bestimmt diese Technik der Antizipation konsequent die Dramaturgie des Films: Der erste Streit mit der Mutter in Frankfurt über den Geheimrat und die amour fou endet in Inkens prophetischer Befürchtung: »Weil das die anderen sagen werden.« Auch die Ausfahrt des dampfenden Zuges neben den Liebenden zeigt an, dass sich hier eine Maschine in Gang setzt, die stärker ist als das Liebesglück – die Kamera folgt dem ausfahrenden Zug, bevor sie zu Kuss und Umarmung zurückkehrt und abgeblendet wird. Auch das Ende wird bereits in den Alpen vorweggenommen. Als Inken und Clausen den Gipfel erklommen 297 Diese Spannung zwischen Inszenierung der Gegenwart und fehlender Vergangenheit der Filmfiguren wäre ein Argument für Michael Griskos These, dass es ein Film ist, der »jene geschichtsvergessene Zeit der 1950er-Jahre spiegelt, eine Zeit, die ihre Vergangenheit auf souveräne und selbstbewusste Art negierte und sich selbst in einer eigens geschaffenen Moderne feierte,« vgl. Grisko 2007, S. 132.

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haben, sinniert er über die Schönheit der Welt am Ende. Ein ähnliches, aber subtileres Moment der Antizipation findet sich bereits im Schauspieltext Hauptmanns. Professor Geiger betrachtet im ersten Akt die Fotografie des Reiterstandbilds Marc Aurels, im zweiten Akt steht vor dem Liebesgeständnis die Möglichkeit eines Selbstmords im Sinne der Stoiker und nach dem vergifteten Trunk ruft der Professor aus: »der Schüler von Marc Aurel…!«298 Der Film übersetzt diese Technik in eigene Bilder und Dialoge. Während die Familie zu Hause wartet, verleben die beiden Verliebten einige Tage mit Spazierengehen. Alsdann kann Clausen gestärkt zurückkehren, seinen Direktoren befehlen, ein Medikament vom Markt zu nehmen und zwischendurch lässig abgewandt mit der nachgereisten Inken telefonieren (Abb. 20). Im Direktorenzimmer wird auch der modernisierte Clausen als verantwortungsbewusster Unternehmer gegen die Geldgierigen monologisieren: »Mit Menschenleben werden keine Experimente gemacht – aus geschäftlichen Erwägungen heraus.« Er aber ist deutlich temperamentvoller, kein gefasster »Herrscher«. Inken unterdessen ist angestellt, die persönlichen Papiere zu ordnen. Obgleich beide Hauptfiguren Sekretärinnen sind, wird Inken im Remake nun aus dem Werk in die Familie versetzt. Konflikte mit Bettina bleiben nicht aus. Einzig Egert beweist bereits beim gemeinsamen Ausflug Charme. Der Zwist, in den sich auch Klamroth sorgend um das Erbe eingeschaltet hat, eskaliert. Inken reist ab, ohrfeigt aber – ganz anständiges Mädchen – Klamroth des Geldes wegen, das er der Mutter bot. Am Zug kann Clausen sie einholen, im Dampf des abfahrenden Zuges küssen sie sich. Der Eklat am Familientisch folgt, der Patriarch schreit, beschimpft die Kinder und wirft sie hinaus. Die Dialoge ähneln dem Vorgänger, was kaum Wunder nimmt, da sie je aus dem Schauspiel stammen. Inken und Clausen begeben sich in die Berge zum Skifahren, wo sie die Nachricht vom Entmündigungsantrag ereilt. Gebrochen kehrt Clausen ins Tal zurück. Während Inken in Sorge den Freund Dr. Steynitz benachrichtigt, wütet Clausen zu Hause verzweifelt. Vor den Augen der Kinder steigt er auf den Tisch, um das Bild der Mutter abzuhängen, und schreit: »Eure Mutter soll nicht mit ansehen, wie man mich bei lebendigem Leibe begräbt!« Er stürzt. Als Inken und Steynitz eintreffen, sitzt er mit geschlossenen Augen im Sessel, die Kinder gehen mit dem Versprechen, den Antrag zurückzuziehen. Das erscheint dramaturgisch ebenso unmotiviert und gesetzt wie die Läuterung des Herrschers. Clausen lallt ohne Gedächtnis, Inken ist verzweifelt. Während Klamroth packt, unterschreibt Clausen im Sessel die Papiere. Das Testament vom Beginn hat Inken getippt, für ihre finanzielle Zukunft hat er nun zusätzlich gesorgt. In der letzten Sequenz weicht er – nach einer Großaufnahme des Kusses – zurück vor ihrer Liebe und fasst sich ans Herz, sie kann ihm nur noch die getippten Seiten zur Unterschrift 298 Hauptmann 1982, S. 106.

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vorlegen. Seitlich nah fängt die Kamera Inken unter Tränen ein, während Clausen gefasst seine Müdigkeit erklärt. Musik setzt ein, als sie auf seinen Wunsch hin durch den Garten davongeht. Clausen erhebt sich in einer halbnahen Einstellung ein letztes Mal, um ihr nachzusehen ins Licht. Die Totale zeigt sie entschwinden, er sinkt sterbend in den Schatten, Abblende: »Ja zum Pathos«.299

Abb. 20: Vor Sonnenuntergang (1956): Telefonat mit Inken

Interessanterweise orientiert sich der Handlungsaufbau Huths insgesamt eher am Vorgängerfilm als am Drama, die Dialoge werden – abseits der HauptmannPassagen, die beide Filme übernehmen – deutlich modernisiert. Vor allem aber lässt sich eine Veränderung im Drehbuch konstatieren, die in der Figurenanalyse unterstrichen werden kann: Der Konflikt wird auf die Figuren Klamroth-Clausen reduziert, alle anderen Familienmitglieder sind bereits in ihren Auftritten abgewertet. Hingegen bekommt die Liebesgeschichte zwischen Inken und Matthias Clausen mehr Raum.

2.4.4 Konstellationen: Darsteller und Figuren – Anknüpfungen und Umdeutungen Die Hauptrollen sind neu besetzt und grundlegend verändert worden: Hans Albers spielt die Titelfigur Matthias Clausen. Im Jahr zuvor übernahm er bereits eine legendäre Jannings-Rolle im Remake von Der letzte Mann (1924/1955) – diesmal mit Romy Schneider und happy end inklusive Beförderung zum Hoteldirektor.300 Der Publikumsliebling und Abenteurer des Films der 1930er und 40er Jahre, dessen Karriere mit »Hoppla, jetzt komm ich« verwoben bleiben wird, Jahrgang 1911, musste mit zunehmenden Alter ins Charakterfach wech299 Friedrich Luft: »Ein überzeugendes Ja zum Pathos«, in: Die Welt vom 29. 6. 1956. 300 Zum Murnau-Film und seinem Remake, vgl. u. a. Weckel 2003, Paech 1990.

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seln. Diese Notwendigkeit attestierte das Film-Echo bereits 1950.301 Vor der Folie seiner ungebrochenen Beliebtheit beim deutschen Publikum stellt die Neubesetzung also eine deutliche Kontinuität her, das ist sicher auch darum bedeutend, da Mitte der 1950er Jahre die älteren großen männlichen Filmstars rarer werden: Heinrich George starb 1945 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und Emil Jannings 1950 in der BRD. Es bleiben der Bühnenschauspieler O. E. Hasse, der Burgschauspieler Ewald Balser, der jedoch nur partiell mit Starrollen im Kino besetzt wird, Werner Krauß, der 1958 an einem Schlaganfall stirbt, Albers und ein wenig jünger Curd Jürgens und O. W. Fischer (Jahrgang 1915). Andere populäre Darsteller, vor allem jugendliche Liebhaber der NS-Zeit, sind dagegen deutlich öfter in Nebenrollen besetzt, wie sich in den Remakes etwa bei Hans Söhnker und Willy Fritsch zeigte. Albers verleiht seiner Clausen-Figur neue Akzente: Vor allem die ausgestellte Körperlichkeit Albers’, die energischen Bewegungen ebenso wie der Tanz mit Inken im Lokal oder die Skifahrten zeigen nicht nur den agilen Albers, sondern – anders als im Vorgängerfilm – tatsächlich einen verjüngten alten Mann. Die Konfliktszenen im Film knüpfen an die Darstellung Jannings’ an, wenn etwa Clausen, nachdem Egert Inken hinausgeleitet hat, in plötzlicher Ruhe ostentativ seine Suppe löffelt und Konversation betreibt. Es sind zweifelsohne auch diese Szenen, die Klaus Hebecker angreift, wenn er dem Regisseur attestiert, dass er »zwischen überlebtem naturalistischen Theater und filmfabrizierteren Gefühlsausbrüchen billigster Provenienz [pendelt]«.302 Aber der folgende Wutanfall erinnert kaum an die stummfilmartigen Ausbrüche Jannings’, sondern ist laut und temperamentvoll. Die zitternde Hand am Kopf, das Tasten nach dem Herzen sind Gesten, die auf die Körperlichkeit der Figur verweisen. Die neue Inken spielt Annemarie Düringer, wobei den Besetzungslisten des Artur-Brauner-Archivs zu entnehmen ist, dass zunächst andere weibliche Stars favorisiert wurden und Annemarie Düringer für die Rolle der Bettina vorgesehen war,303 zu Beginn der Planung wurde noch Cornell Borchers als Inken gehandelt.304 Düringer stand in der Inken-Rolle mit Werner Krauß als Clausen 1952 auf der Bühne des Wiener Burgtheaters. Regie führte dort der Remigrant Ernst 301 [KFS]: »Föhn«, in: FE, NR. 40, 4. 11. 1950, 4. Jg. Auch Der Abend schrieb: »Hans Albers hat hier die Chance, in ein neues Rollenfach zu wechseln, und er packt sie beim Schopf«, zitiert nach: Cadenbach 1967, S. 176. Zu Albers’ Filmrollen nach 1945, vgl. ebd., S. 175ff. 302 Klaus Hebecker : »Filme: Mehr Sonnenuntergänge als -aufgänge«, in: FTG, Nr. 27, 30. 6. 1956, 4. Jg. 303 Neben Marianne Koch schlägt Wendtland Brauner am 30. Juli 1955 u. a. auch Ulla Jacobsen und Sonja Sutter vor, vgl. »Betr.: Film ›Vor Sonnenuntergang‹ vom 30. 06. 1955«, Artur Brauner-Archiv im Deutschen Filminstitut – DIF e.V., Besetzungsvorschläge 01 (filmportal.de, Stand 01/2017). 304 Vgl. Wilhelm Ringelband: »Fiasko mit Doppelverfilmung?«, in: Kieler Nachrichten vom 24. 9. 1956.

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Lothar,305 wobei es sowohl nach Erinnerungen Düringers als auch den Recherchen der Krauß-Biographen Wolff A. Greiner im Laufe der Inszenierungen zu erheblichen Spannungen zwischen Regisseur und Hauptdarsteller kam.306 Krauß hatte sich im Film durch die Jud-Süss-Rolle diskreditiert, auf der Bühne ebenso durch seine Shylock-Interpretation 1943 am Burgtheater unter der Regie Lothar Müthels.307 Ernst Lothar, von 1935 bis 1938 Direktor des Theaters in der Josefstadt, musste 1939 aus Wien über die Schweiz nach Paris und schließlich nach New York fliehen, 1948 war er in seine österreichische Heimat zurückgekehrt.308 Im Interview konstatiert Düringer »ihre erste schöne Filmrolle«, obgleich sie diese »hart am Rande des Peinlichen« verortet, da die Beziehung zwischen dem alten Mann und dem Mädchen »fraglos etwas Unnatürliches und Widersinniges [besitzt]«. So kann sie aber an ihre Rollen, etwa die Lavinia in Eugene O’Neills Trauer muss Elektra tragen anknüpfen.309 Eine seltsame Ambivalenz steckt in ihren Aussagen: einerseits eine durchaus biologisch zu deutende »Unnatürlichkeit« im Verhältnis, die nicht nur der Moral der Zeit zuzuschreiben ist, sondern begrifflich in den Nationalsozialismus zurücklangt, andererseits der Verweis auf das moderne Theater. Mit Düringer wird ein mädchenhafterer, zarterer Typ besetzt. Sie agiert im Film tapfer um ihrer Liebe willen und bricht dabei immer wieder in Tränen aus. Die anderen Darsteller sind Gesichter der Zeit. Interessant ist an ihnen vor allem, wie sehr sie trotz beeindruckender Besetzung in den Hintergrund rücken. Johanna Hofer spielt Inkens Mutter, Hans Nielsen Dr. Steynitz, Curt Vespermann Wuttke, der vom Sekretär Dr. Wuttke zum Fahrer degradiert wird. Schließlich gibt Wolfgang Preiss, der 1956 mit dem Bundesfilmpreis für seine Darstellung des Stauffenberg in Der 20. Juli (1955, Falk Harnack) ausgezeichnet wurde, den Syndikus Hahnefeld. Inge Langen als Paula Clausen, einst gefährliche Intrigantin, wird zur Statistin, ihren Mann spielt Erich Schellow. Hannelore Schroth, Tochter des Schauspielerpaares Käthe Haack und Heinrich Schroth, bekannt aus den Käutner-Filmen Kitty und die Weltkonferenz (1939) und Unter den 305 Ernst Lothar leitete ab 1935 das Theater in der Josefstadt, nachdem er von Reinhardt Konzession und Pachtvertrag übernommen hatte, am »4. März 1938 wurde der Vertrag Ernst Lothars mit der ›wiener Schauspiel A.G.‹ in Würdigung seiner Verdienste um das Haus – eine weitgehende wirtschaftliche Sanierung des Unternehmens – um fünf Jahre verlängert. Wenige Tage später mußte er, wie viele seiner ausgezeichneten Ensemblemitglieder, in die USA emigrieren«, Fuhrich 1997, S. 117. 306 Greinert 2009, S. 190, Arnbom 2003, S. 71f. 307 Greinert 2009, S. 282ff. 308 Blumesberger / Doppelhofer / Mauthe 2002, S. 867. 309 »Erste richtige Filmchance: Annemarie Düringer«, in: FP, Nr. 5, 2. 2. 1956, 8. Jg. Auch Marianne Hoppe wendet sich in ihrem Wirken am Theater den gebrochenen Frauenrollen zu, den von ihr titulierten »Knacksdamen«, Pargner 2009, S. 137, vgl. auch Kohse 2001, S. 311ff.

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Brücken (1944/45), gibt die alte Rolle ihrer Mutter nun als überreizte, stets futternde Ottilie. Das ausgestellte Essen dieser Figur lässt sich nicht nur als Verweis auf die »Fresswelle« in der Entstehungszeit des Films interpretieren. Wenn wir uns die futternden Direktoren nach der Beerdigung in Der Herrscher vergegenwärtigen, wird ein Motiv aufgegriffen und der materielle Egoismus aus dem Werk in die Familie transportiert. Vor allem aber eint sie alle Komik, die diese Neuinszenierung noch zeigt. Ihr Ehemann avanciert zum kalten Gegenspieler. Martin Held gestaltet einen sehr viel sachlicheren, böseren Antagonisten, verbissen und ohne die joviale Komik des Vorgängers. Hier setzt sich die Rollenausdeutung und -gestaltung sowohl vom Hauptmann-Drama als auch vom Vorgängerfilm ab. Maria Becker als Bettina spielt keine labil-verzweifelte Tochter, über die ihre Familie spottet. Ihre Figur eint die starken Züge der alten Schwiegertochter mit der obsessiven Tochter. Im Gegensatz zu Hilde Körber ist auch ihre Erscheinung eher die eines alternden Mädchens. Diese Verdichtung zweier Figuren in einer einzigen ließ sich auch in anderen Bearbeitungen von Remakes ausmachen, ohne dass sie im Überblick charakteristisch wäre.310 Leider ist die Figur gänzlich ohne Entwicklung: Nachdem sie Inken schwere Vorwürfe macht, bereut sie tränenreich, um sodann energisch den Antrag gegen den Vater voranzutreiben. Nach dem Zusammenbruch wird nicht klar, woher ihre Einsicht kommt. Mit dem männlichen Star Claus Biederstaedt als Sohn Egert erfährt diese Rolle wiederum eine Aufwertung, zumal der Schulterschluss zwischen Vater und Sohn konsequent inszeniert wird. Die Jovialität ist dramaturgisch allerdings brüchig, denn gleichzeitig leidet der junge Casanova mit dem guten Herzen daran, dass »die Fußstapfen des Vaters zu groß« seien. Doch neben dem Star Albers wird mit Inken und Egert hier ein junges Paar installiert wird und der Sohn kann nebenher noch den Schauwert Sportwagen durch das Bild fahren kann. Dabei ist das Automobil als Ausweis von Egerts Jugendlichkeit eine Wiederaufnahme aus dem Drama,311 also ein Rückgriff auf die ältere Vorlage und mit der Präsenz des Wagens auf der Inszenierungsebene zugleich Verortung im 1950er-Jahre-Film. Vor allem aber sexualisiert Egerts Versuch eines Kusses im Wagen den Konflikt um den alten Mann und das Mädchen. Zunehmende sexuelle Anspielungen – verbal oder auf der Bildebene – ließen sich in zahlreichen Remakes des Jahrzehnts beobachten.

310 In Der Haustyrann (1959) etwa vereint die Figur der Schwester die Rollen der Frau und des leidenden Dienstmädchens. 311 Bereits bei Egmonts erstem Auftritt verhandelt er mit Wuttke um Unterstützung gegenüber dem Vater wegen seines »Automobiltauschs«, vgl. Hauptmann 1982, S. 14.

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2.4.5 Männlichkeit und Weiblichkeit Bevor wir uns den Hauptfiguren zuwenden, seien ein paar kleine Bemerkungen zu den ohnehin marginalisierten Familienmitgliedern erlaubt: Die Beziehung zwischen Klamroth und Ottilie kann man als leicht aufgewertet betrachten: Im Schlafzimmer lassen sich nach Inkens Ankunft tatsächlich ein einziges Mal Szenen einer Ehe betrachten, wobei hier der eitle Gegenspieler bei der Schönheitspflege visuell eher diffamiert als charakterisiert wird, denn die Gymnastik im gemusterten Schlafanzug verleiht ihm alle Züge der Lächerlichkeit, die der vorherige Klamroth immerhin noch per Schnodderschnauze selbst gestaltete. Es fällt – gerade im Vergleich mit dem Vorgängerfilm – ins Auge, wieviel mehr Körperlichkeit, aber eben auch körperliche Liebe zwischen dem gealterten Mann und seiner jungen Freundin inszeniert wird. Spielt auch Albers zunächst den zurückhaltenden, gefassten Patriarchen, den die Verzweiflung umtreibt, blüht er im Laufe des Films inklusive ausgestellter Lässigkeit beim Telefonat während der Vorstandssitzung, Umwerben Inkens, Skiabfahrt und einem wesentlich breiteren emotionalen Spektrum auf. Bereits das Ende der ersten Sequenz mit Inken deutet diese Veränderung an: Während Jannings’ Clausen dem Freund erzählen musste, dass er liebt, hebt der zuvor dumpf starrende Albers in einer Großaufnahme die Augen, weit vor dem Liebesgeständnis. Insgesamt erscheint Albers auf der Bildebene grundlegend anders: War Jannings’ Darstellung nicht nur ob seiner Leibesfülle, sondern vor allem auch dank der Einstellungen sehr viel dominanter und größer im Bild, tritt Albers in den vitalen Einstellungen im Vergleich zurück. Andererseits ist diese Distanz durch unzählige Großaufnahmen, die die emotional aufgeladenen Szenen charakterisieren, kontrastiert. Pathetisch wirken die Szenen vor allem in der Gesamtheit des Films, denn die Kameraführung ist behäbig, die Einstellungen langsam und lang, ohne dabei auf Effekte verzichten zu wollen: In den Szenen im Haus entwickelt die Kamera ihre Aufnahmen vom Boden aus in langen Fahrten, die das Interieur abzutasten und sich den Figuren behutsam zu nähern scheinen. Aber sie nähert sich eben ausschließlich den beiden Hauptfiguren, Inken und Clausen. Inken, deren Rolle nun tatsächlich zur Hauptdarstellerin aufgewertet wurde, kämpft nicht nur gegen die Intrigen der Familie Clausens, sondern im ersten Teil des Films überdeutlich mit ihrer Liebe. »Er weiß überhaupt nicht, dass ich eine Frau bin«, wird sie der streitsuchenden Bettina im Garten entgegenhalten – und davonrennen. Eine solche Handlung wäre der Inken, wie Hoppe sie spielte, fremd gewesen. Aber Inken wird am Zug zurückgeholt und ausführlich umarmt und geküsst. In diesen Kontext gehört auch die zweite Neuakzentuierung: Die Figuren sprechen eine deutlich sexualisierte Sprache, die es im Vorgängerfilm nicht gab. »Für die schlafe ich mit ihnen«, hält Inken Clausen in der Begegnung am Zug vor. Auch Antagonist Klamroth hält sich nicht mehr mit Standesun-

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Abb. 21: Vor Sonnenuntergang (1956): Inken bei Klamroth

terschieden auf: Im Gespräch mit seiner Frau im Schlafzimmer wird Inken als »Flittchen« bezeichnet. So ist auch die Auseinandersetzung Inkens mit Klamroth sexuell aufgeladen: Inken setzt sich mit ihren Nylons auf den Tisch des entzückten Schwiegersohns, der alsbald zu grapschen beginnt. Sie ohrfeigt ihn: »Ihre Preislage kenn’ ich. Sie kommen im Dutzend, Herr Klamroth, während es Herrn Clausen nur einmal gibt.« Hier wird nicht nur die Auseinandersetzung um eine echte Liebe Inkens zu Clausen durch die Sexualisierung auf ein moralisch integres Niveau gehoben, sondern gleichzeitig – ähnlich wie in der Episode mit Egert – eine moralisch legitimierte erotische Spannung inszeniert (Abb. 21). Interessant ist an der Aufwertung der Liebesbeziehung nicht nur der neue Akzent, der im Kontext der Generationenfrage noch einmal diskutiert werden muss, sondern vor allem auch, dass sie mit einer Umdeutung des anderen Personals einhergeht: Nicht nur die Kinder Clausens verblassen, sondern auch Inkens Mutter wird verändert. Sie ist nicht mehr die in der Gärtnerei verankerte selbstständige Person mit einer tragischen Lebensgeschichte; keine Frau mehr, deren Mann zu Unrecht beschuldigt im Gefängnis Selbstmord beging. Sondern sie ist eine ältere Frau mit einer selbstständigen Tochter. Dadurch, dass die Neuverfilmung diesen Teil ihrer Lebensgeschichte kappt, bringt sie sowohl Inken als auch ihre Mutter um jedwede Vergangenheit, was man als zeittypisches Filmphänomen identifizieren könnte. Der Selbstmord des Vaters im Gefängnis würde jedoch vor dem Hintergrund der Gegenwartsverortung des Films tatsächlich eine deutlichere politische Positionierung des Films erfordern, als im Hauptmann-Stück angelegt ist und zudem eine weitere Konfliktebene eröffnen.312 Der Vogel im Käfig, den Inkens Mutter nach Wiesbaden schleppt, un-

312 Verhaftung und Selbstmord zwischen 1933 und 1945 oder in der Besatzungszeit könnten, so würde ich vermuten, kaum wie in Stück und Vorgängerfilm ohne Erklärung bleiben. Dramaturgisch aber würde der Film damit eine Nebenhandlung eröffnen, innerhalb derer sich auch die Clausen-Familie in ihren Kommentaren positionieren würde. Das würde dann

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terstreicht ihre Abhängigkeit von der Tochter, die sie andererseits nicht müde wird zu kritisieren. Die patente Tochter selbst gibt ihre Autonomie ohne Zögern für den geliebten Mann auf, die Geschlechterhierarchie bleibt trotz ausgestellter Selbstständigkeit bestehen. In Inkens Geschichte fällt auch auf, dass sie – abseits der visuellen Marginalisierung ihrer Arbeit – nun vor allem mit der Familie (und in deren Räumen) agiert. Der Auftritt bei Klamroth ist eine Ausnahme. Vor diesem Hintergrund lässt sich das pathetische Ende des sterbenden Clausens als happy end deuten: Inken geht im Garten einer Zukunft entgegen, in der die Kinderfrage positiv beantwortet werden könnte. Ausgesorgt hat für sie der reiche, liebende Mann, die habgierigen, egoistischen Kinder und Schwiegerkinder gehen leer aus. 2.4.6 Konfliktverschiebung: Generationenwechsel und happy end So verhandelt auch das Remake zwei Konflikte. Die Liebesbeziehung zwischen Inken und Clausen, die im Remake inszeniert wird, kollidiert nicht nur mit den Ansprüchen der egoistischen Kinder. Der Film stellt – in der Figur des Freundes Steynitz und der Frage der Frau in den Alpen nach der »so jungen Tochter« sogar sehr explizit – eben auch die Frage nach der amour fou dieses Paares, die in Inkens Konflikt am Ende kulminiert. Steynitz gesteht sie unter Tränen, dass sie im Dilemma verharrt: »Solange ich bei ihm bleibe, will man ihm ans Leben. Gehe ich aber, nehme ich es ihm.« Dieses Dilemma spielte auch Marianne Hoppe, aber diskret, mit wesentlich mehr Gefasstheit und ohne Konflikt um die eigene Rolle, die hier in Kameradschaft und Loyalität eingefroren war. Im Vorgängerfilm diktierte ihr der geläuterte, erstarkte Herrscher die Antwort. Im Remake spart sie sein Tod. Die junge Generation geht ihren Weg und hat doch im Verhalten Egerts und Inkens gezeigt, dass sie gut und anständig ist. Insofern ist die Wiener Kritik durchaus berechtigt, die bemängelt, dass »[d]er Zusammenprall zweier Weltanschauungen innerhalb der Clausenschen Familie […] zum Erbschaftskonflikt degradiert [wird]«.313 Tatsächlich aber wird nur vordergründig um Geld gestritten; die Figurenanalyse hat deutlich gemacht, dass es um einen Wertekonflikt geht, bei dem sich Egoismus und bescheidende Lebensbejahung gegenüberstehen und der auch in anderen Remakes des Jahrzehnts erscheint. Treten das Erbe nun die egoistischen, geldgierigen Kinder an oder die moralisch integren, deren Haltung durch Enthaltsamkeit und Sparsamkeit gekennzeichnet ist? In der Konfliktverschiebung steckt ein möglicherweise zeittypischer Kern: im Zweifel auch die Geschichte der Clausen-Werke betreffen, was schwerlich im Spielfilm verhandelbar scheint. 313 »…doch die Sonne geht nicht unter. Publikumserfolg ›Vor Sonnenuntergang‹ nun auch in Wien«, in: Der Abend vom 23. 8. 1959.

Der Herrscher (1937) und Vor Sonnenuntergang (1956)

351

Weltanschauung weicht als zentrale Kategorie für den Konflikt einer konsequenten Aushandlung der Konflikte im Privaten, auf der familiären und individuellen Ebene. Werk und Gemeinschaft – die vorher immer noch rahmten – treten vollkommen zurück, werden zum Hintergrund der moralisch anständigen Haltung. Konsequent wird Inken in diesem Zusammenhang als Privatsekretärin engagiert, die mit Clausens Beruf nichts gemein hat. Interessanterweise unterzeichnet Clausen am Ende des Films exakt jene amtlichen Verfügungen, nämlich seine Aktiengesellschaft in »ein nach gemeinnützigen Prinzipien zu führendes Unternehmen« umzuwandeln, die er am Beginn Inken diktierte. Im Drama wollte er noch schnöde an ein Konsortium verkaufen, um den Schwiegersohn Klamroth herauszuhalten.314 Hier muss der Protagonist nun – vollkommen konträr zum Herrscher – keinen Erkenntnisprozess durchleben. Er ist sich des Egoismus seiner Kinder von Beginn an gewahr. Er gewinnt vielmehr durch Inken seinen Glauben an die junge Generation zurück. Was sich ebenfalls betrachten lässt, ist ein verändertes Starkino: Im Gegensatz zum Vorgängerfilm ist es nicht mehr ausschließlich von der männlichen Hauptrolle dominiert. Albers entfaltet seine Vitalität vielmehr im Wechselspiel mit der zarten Inken. Die konsequent ins Private verlagerten Konflikte entwickeln ihre eigene Wirkung, die wiederum von der Popularität der Schauspieler und dem Image des Hauptdarstellers lebt. Insofern ist der kleinste gemeinsame Nenner der positiven und negativen Kritik, die Schauspieler respektive einen Schauspielerfilm zu loben, einleuchtend. Modernisierung des Dramas und des Vorgängerfilms findet hier vor allem im Interieur des Hotels und des Schlafzimmers statt, neben der angepassten »Chemie AG« und dem Sportwagen, die beide vor allem der Inszenierung einer prosperierenden Gesellschaft verpflichtet sind, die auf keiner Ebene Vergangenheit verhandelt.

2.5

Zusammenfassung

Möglicherweise zeigt sich in dieser vergleichenden Filmanalyse am allerdeutlichsten die formelle und inhaltliche Spannung des Remakes in den 1950er Jahren: Die Referenzen wiegen schwer, wie die Diskussion der Filmkritik zeigt. Aber eben nicht nur der Bezug zum Hauptmann-Drama, sondern – selbst wenn er unreflektiert bleibt – auch jener zum Vorgängerfilm. Der vollständige inhaltliche und dramaturgische Rückzug ins Private, der in Vor Sonnenuntergang angetreten wird, mag daraus resultieren. Die Privatisierung der Konflikte erschien bereits als Charakteristikum der Remakeproduktion. Interessant ist, dass das Remake die weibliche Hauptrolle mit einem eigenen Konflikt einerseits aufwertet, andererseits 314 Hauptmann 1982, S. 72.

352

Detailanalysen

im Schlussbild Geschlechterhierarchien wiederherstellt. Die pathetischen Bilder gehören dem männlichen Star. Vor allem im Vergleich Jannings und Albers ließ sich beobachten, welche Konsequenzen die Neubesetzung für Hauptfigur und Ensemblespiel zeitigen kann. Ein ähnlicher Effekt ließ sich bereits bei der Neubesetzung und Umdeutung der weiblichen Protagonistin in Die Deutschmeister nachzeichnen. Gleichzeitig führt die Aktualisierung und Modernisierung zu einer Spannung, die dem Film einige Dissonanzen beimischt. Auf der Sprachebene konkurrieren die wörtlich übernommenen Dialogpassagen mit den modernen, zuweilen ins Frivole abgleitenden. Visuell stehen die Bilder der 1950er Jahre in Kontrast zum üppig ausgestatteten Herrenhaus. Letztlich kann man wohl im Remake die Wandlungsprozesse der Zeit als ständiges Nebeneinander von Altem und Neuem, als Gleichzeitigkeit beobachten. Nur Kohärenz kann so nicht entstehen.

2.6

Nachspiele

Der Herrscher wird nicht im Fernsehen gezeigt werden. Dafür bleibt er bis heute im wissenschaftlichen Diskurs und avanciert so zu einem der Filme, die immer wieder im Zentrum der Analyse stehen, das Prädikat der NS-Zeit, sein Regisseur und die späte Freigabe sind die Eckdaten dieser Rezeption. Die Dichotomie zwischen Propaganda und Unterhaltung ist die grundlegende Interpretationsprämisse.315 Eine zweite Linie eröffnet die literaturwissenschaftliche Hauptmann-Deutung,316 die ihrem Fachgebiet entsprechend vor allem die Veränderungen der Verfilmung gegenüber dem Drama fokussiert, eine vergleichende theater- und filmhistorische Analyse lässt sich leider nicht auffinden. Was sich aber andeutet, ist, dass der Vorgängerfilm ob seiner Relevanz im NSKino im Laufe der Jahrzehnte sein Remake überdeckt. Am 2. Juli 1989 wird Vor Sonnenuntergang unter Reinhardts Regie im ZDF erstmals ausgestrahlt. Bereits 1962, dann 1970 und 1976 sowie 1999 wurde Vor Sonnenuntergang für das deutsche Fernsehen neu verfilmt. Auch in diesen Fernsehverfilmungen zeigt sich die Aktualisierung und Modernisierung der Konflikte, Protagonisten und Ausstattung ebenso wie die Anpassung an Medium und Format. Exemplarisch zeigt das die Kritik Rohlfs an der TV-Verfilmung mit Harald Juhnke (2000) in der Hauptrolle, der diese nicht im Vergleich zu den anderen Fernsehfassungen oder Kinofilmen sondern ausschließlich mit Blick auf das Drama analysiert: »Von den Konflikten in Hauptmanns Schauspiel ist in 315 Hier seien noch einmal alle in der Analyse bereits eingearbeiteten in der Chronologie ihres Erscheinens genannt: Kanzog 1994, Bruns 1995, Noack 2000, Seibert 2007, Buchloh 2010, Noack 2012. 316 Vgl. Hoefert 1992, Hoefert 1996.

Schloss Hubertus (1934/1954)

353

diesem Film nur noch wenig zu spüren. Sie wurden freundlich, augenzwinkernd fernsehtauglich gemacht.«317 Diesen Befund bringt ein Medienwechsel inklusive historischer Entwicklung wohl mit sich.

3.

SCHLOSS HUBERTUS (1934/1954)

Nun steht ein Vertreter jenes Genres im Mittelpunkt, das den Ruf des deutschen 1950er-Jahre-Films bestimmt – und ruiniert hat. Dabei wurden die Filme jenes Heimatdichters, der »[a]n der Spitze der verfilmten Autoren [steht]«,318 nur selten detailliert analysiert. Mit Schloss Hubertus rückt nicht nur die populäre literarische Referenz in den Fokus, sondern ebenfalls ein Erfolgsfilm: Er belegte den siebten Platz der in Deutschland erfolgreichen Filme 1953/54.319 Die zyklischen Neuverfilmungen der Romane, Erzählungen und Stücke Ludwig Ganghofers nehmen über Jahrzehnte eine besondere Rolle in der deutschen Filmgeschichte ein. Während andere populäre Vorlagen nach dem Ende der 1950er Jahre von den Kinoleinwänden verschwanden,320 reichen die Ganghofer-Verfilmungen über die Zeit hinaus und heben sich so von anderen Remakes des Untersuchungszeitraums ab.321 Doch bei allen Spezifika steht mit den Ganghofer-Verfilmungen eine Kontinuität in der deutschen Filmgeschichte und Populärkultur im Mittelpunkt. Die historiografische Verortung des Heimatfilm im Nationalsozialismus war lange vor allem vom Bergfilm geprägt. Die Autoren der Projektgruppe Deutscher Heimatfilm unter Leitung Wolfgang Kaschubas etwa konstatieren 1989: Für den Heimatfilm gilt solche formale Kontinuität [»eines Spät-UFA-Stils«, S.M.F.] nur bedingt. Sind der Bergfilm der 20er Jahre und der Großteil der Heimatfilme, die im Dritten Reich entstanden waren, in Kameraführung und Schnitt auch heute noch beeindruckend, so ist der Heimatfilm der 50er Jahre nur noch ein fader Aufguß seiner Vorgänger.322 317 318 319 320

Rohlfs 2007, S. 169. Höfig 1973, S. 197. Garncarz 2013, S. 188. Genannt seien etwa Seeligers Peter Voss, der Millionendieb oder die Romane Kellers Ferien vom Ich und Waldwinter, die ein letztes Mal in der Adenauer-Zeit verfilmt werden. Eine weitere Ausnahme wäre etwa von Hillerns Die Geierwally. 321 In den 1970er Jahren entstehen weitere Verfilmungen unter der Regie u. a. von Harald Reinl (1973 Schloss Hubertus, 1974 Der Jäger von Fall) und Alfred Vohrer (1975 Der Edelweisskönig, 1976 Das Schweigen im Walde), seit den 1980er Jahren werden sie für das Fernsehen adaptiert (1987 Gewitter im Mai, 1987 Der Ochsenkrieg). Gewitter im Mai wurde für das Fernsehen von Xaver Schwarzenberger inszeniert, der 1998 auch ein Remake von Krambambuli drehte, das u. a. mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Was sich hier zeigt, ist die Fortführung des Heimatfilms im deutschen Fernsehen. 322 Schmidt 1989, S. 70.

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Detailanalysen

Mit dieser Fokussierung der Arbeiten Fancks, Trenkers oder Riefenstahls aber fallen – abseits der Blut-und-Boden-Filme, die zuweilen Eingang in den Forschungsdiskurs finden – eine Reihe populärer Filme aus der Betrachtung, die Kontinuität und Wandel dokumentieren. Willy Höfig konstatiert in seiner Vorstellung der Heimatfilmautoren (HF-Autor) eine Ausnahmestellung für Ostermayr : Der »literarische« HF-Autor par excellence ist der Produzent Peter Ostermayr. Die Bücher zu allen seit 1950 von seiner Firma produzierten HFF verfaßte er selbst; lediglich das Drehbuch zu der Ganghofer-Verfilmung »Der Edelweißkönig« stammt von Gerhard Menzel. […] Ihre handwerkliche und moralische Sauberkeit wird durchgängig aus allen Lagern der Kritik bestätigt. Ostermayr ist – schon aufgrund seiner eigenen Bemühungen, sich vom Gros der »Heimatschnulzen« abzusetzen – kein repräsentativer HF-Autor.323

Die Ambivalenz, die diese Bewertung beinhaltet (»par excellence« und nicht »repräsentativ«) hat der Produzent und Drehbuchautor selbst seit den 1950er Jahren aktiv mitgestaltet. Er engagierte sich nicht nur in verschiedenen Bereichen der deutschen Filmwirtschaft, sondern reklamierte auch eine eigene Linie der Heimatfilme, die sich durch eine nicht näher explizierte Qualität von anderen, kritisch beurteilten Filmen des Genres abgrenzte.324 Die in der Systematik vorgestellten Ganghofer-Remakes der 1950er Jahre zeigen zeitlich leicht verzögerte Wandlungsprozesse auf – vor allem in Bezug auf die Inszenierung der Gegenwart und den Verzicht auf Schlager.325 In der Person ihres Produzenten, Peter Ostermayr, erscheint einer der wichtigen Protagonisten des deutschen Unterhaltungskinos, der über den Untersuchungszeitraum hinaus deutsche Filmgeschichte prägte. Der Tagesspiegel schreibt anlässlich seines 75. Geburtstags: Die Zahl der Oeuvres, die Ostermayr hinter sich gebracht hat, ist Legion: mehr als vierhundert Filme, stumme, tönende, farbige, breitwandige tragen sein verantwortliches Signum. Keiner wohl, in dem nicht das Gute nach vielen Wirren triumphiert, das Böse zu Fall kommt, wie’s die Moral, die Gerechtigkeit und der stille Wunsch des Publikums befehlen. Kaum einer aber wohl auch, in dem nicht die majestätische Natur,

323 Höfig 1973, S. 171. 324 Auch ein zeitgenössisch erschienenes Portrait des Filmjournals, das Aussagen Ostermayrs immer wieder als Belege anführt, ist nicht nur überschrieben mit »Ein Leben für den Film«, sondern benennt den VI. Teil der Reihe explizit: »Eine Oase im Dschungel der Heimatschnulzen«, Kurt Wortig: »Ein Leben für den Film. Peter Ostermayr, ein Stück Filmgeschichte«, in: Filmjournal, Nr. 15, 1957, o. Jg. 325 II. 2.2.1 Heimatfilm zwischen ausgestellter Aktualisierung und Zeitlosigkeit, II. 2.1.4 (Historische) Verfilmungen ohne Geschichte, II. 2.3.1 Heimatfilm zwischen Tradition und Modernisierungskonflikten.

Schloss Hubertus (1934/1954)

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die wilde oder milde Landschaft, die kamerascheue Fauna und die unschuldsvolle Flora der geliebten bayrischen Heimat in die Handlung eingreifen […]326

Insgesamt wird deutlich, wie breit und historisch gebunden der Genrebegriff ist und wie er vom wissenschaftlichen Diskurs über Film und den zeitgenössischen Wahrnehmungen und Akteuren geprägt wurde. Die Forschung zum Heimatfilm der 1950er Jahre veränderte in den letzten Jahrzehnten ihren Ansatz: Wurden die Filme – wie sich auch dem ersten Zitat entnehmen lässt – lange vor allem unter dem Diktum des Eskapismus, der gegenwartsabgewandten Filmidylle diskutiert,327 rücken zeitgenössische Gegenwartsbezüge der Filme stärker in den Fokus der Analysen.328 In der vergleichenden Analyse von Schloss Hubertus lassen sich diese Ansätze wie auch ihre blinden Flecken amalgamieren: im Deutungsdreieck zwischen populärer Romanvorlage, ihren filmischen Inszenierungen von 1934 und 1954, Akteuren und zeitgenössischen Spezifika sowie Wandlungs- und Anknüpfungsprozessen.

3.1

Ludwig Ganghofers Filmproduzent Peter Ostermayr

Einmalig ist es in deutscher Filmgeschichte, dass ein Filmproduzent die exklusiven Verfilmungsrechte über einen derart langen Zeitraum für die Arbeiten eines Dichters erhielt. 1918 handelt Ostermayr mit Ludwig Ganghofer einen Monopolvertrag aus, der auch seinen späteren Firmen zugutekam.329 Trotz Forderungen des Schriftstellers nach höheren Tantiemen, trotz seines Vorwurfs der nur »bescheidenen Ausnützung unseres Vertrags«,330 bestand dieser nach Ganghofers Tod am 24. Juli 1920 fort: Ostermayr produzierte Ganghofer-Verfilmungen bis 1961.331 Der ironische Kommentar Christine Kuglers und Georg Seeßlens lässt sich auf jede Filmfirma Ostermayrs übertragen: »Wenn man so 326 [E. M.]: »Film-Ehe mit Ganghofer«, in: Der Tagesspiegel vom 21. 7. 1957. 327 Je nach Zählung ca. 300 Filme zwischen 1947 und 1960 dominiert das Genres die Filmgeschichtsschreibung über die 1950er Jahre, was ein Blick in die Literatur verdeutlicht, vgl. u. a. Höfig 1973, Fiedler 1997, Trimborn 1998, Beindorf 2001. Zur Zählung, vgl. Kreimeier 1989, S. 23, Hickethier 2010, S. 251. Die nostalgisch anmutende und anhaltende Auswertung der Filme im Fernsehen verstärkt diese Tendenz. Analysen anderer Genres der 1950er – der Kriegsfilm ist die einzige Ausnahme – finden sich allenfalls in Einzelaufsätzen. 328 Georg Seeßlen konstatiert schon 1989 im Heimatfilm zwei Diskurse, einen »zur Aufhebung des Alten« und »den Diskurs der Beseelung des Neuen«, Seeßlen 1989, S. 137f. Der differenzierte Umgang wurde fortgesetzt, vgl. u. a. von Keitz 1994, von Moltke 2005, Davidson / Hake 2007, Philipps 2010, Kordecki 2015. 329 Vgl. Thumser 2005, S. 40ff. 330 Brief Ludwig Ganghofer an Peter Ostermayr vom 1. 1. 1920, zitiert nach: Kugler / Seeßlen 2005, S. 149. 331 Etwa Der Jäger von Fall (1918, Beck/1926, Seitz/1936, Deppe/1956, Ucicky) und Das Schweigen im Walde (1923, Dieterle/1929, Dieterle/1937, Deppe/1955, Weiß).

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Detailanalysen

will, wurden die Münchener Lichtspiele posthum Ganghofers filmische Gartenlaube.«332 Eine Studie zu Ostermayr bzw. seinen Produktionsfirmen hingegen fehlt bis heute. Peter Ostermayr, »Altmeister des Heimatfilms«,333 wird 1882 in Mühldorf am Inn geboren, seit 1907 ist er im Filmgeschäft und gründet 1910 seine erste eigene Filmfirma, die Münchener Kunstfilm AG. Im gleichen Jahr inszeniert er seinen ersten Film Die Wahrheit, der jedoch nicht in den Vertrieb kam,334 den er aber anlässlich seines 75. Geburtstages vorführen ließ.335 Die Firma geht 1918 in der Münchener Lichtspielkunst AG (Emelka) auf.336 1919 lässt Ostermayr die Ateliers am Geiselgasteig errichten, deren »großes Glashaus« 1920 bei den Dreharbeiten von Der Ochsenkrieg unter der Regie Franz Ostens erstmals genutzt wird.337 Neben dem Bruder tauchen im Laufe von Ostermayrs Wirken zahlreiche seiner Familienmitglieder auf: seine Brüder Franz (Pseudonym Franz Osten) und Ottmar Ostermayr sowie Sohn Paul (Pseudonym Paul May). 1923 verlässt Ostermayr die Emelka und gründet mit Oskar Meesster zusammen die MessterOstermayr-Produktion: »Da Ostermayrs Kalkulationen weder in finanzieller noch in künstlerischer Hinsicht aufgingen, musste die Messter-Ostermayr Anfang 1926 ihre Produktion einstellen.«338 1933 geht eine Beschwerde Ostermayrs über die Majestic-Film mit stark antisemitischem Ton ein.339 Ab Mai 1933 wird Ostermayr Auftragsproduzent der Ufa340 und es ist plausibel, eine Linie von seinen frühen Produktionen zu jenen der 1930er Jahre zu ziehen, wie sie von Moltke entwirft.341 1940 wird seine Firma Tonlicht-Film GmbH, die 1935 mit Der Klosterjäger den ersten Film produzierte, von der Ufi im Zuge der Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie absorbiert.342 Filmwirtschaftlich vermochte Peter Ostermayr nach 1945 klug anzuknüpfen. Er verhandelt am 15. Dezember 1949 – immer noch mit Berufsverbot durch das Entnazifizierungsverfahren belegt343 – mit dem Ufa Liquidation Kugler / Seeßlen 2005, S. 149. Zitiert nach: Butry 1957, S. 3. Ausführlicher zum Film, vgl. Horak 2002. [K. F. S.]: »Ehrungen für Peter Ostermayr«, in: FE, Nr. 60, 27. 7. 1957, 9. Jg. Detailliert zu diesen Prozessen, vgl. Putz 1996, S. 57f. Vgl. Lamprecht 1968, S. 145, Keller 1988, S. 20. Claus 2013, S. 149. Ebd., S. 362. Ebd., S. 362. Von Moltke 2005, S. 60ff. Vgl. Butry 1957, S. 6ff. Das schmale Heft aus der Reihe Münchener Portraits subsumiert die Jahre vor 1945 in der Formulierung: »Nach dem Krieg läßt ihn die Militärregierung nicht an die Arbeit, obwohl ihm 1941 ein selbständiges Schaffen unmöglich gemacht worden ist. 1950 war er mit der Peter-Ostermayr-Film-GmbH in München wieder zur Stelle«, Butry 1957, S. 30. 343 Putz 1996, S. 60.

332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342

Schloss Hubertus (1934/1954)

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Committee (ULC) eine Vereinbarung über die Drittbeteiligungen an den bereits verfilmten Romanen. Der Vertrag ist so schlicht wie wirtschaftlich: Während die Auswertungsrechte für die Filme Der Ochsenkrieg (1943) und Waldrausch (1939) unter Verzicht auf alle Rechte bei der Ufa verblieben,344 bekam Ostermayr die Auswertungsrechte unter anderem für Der Jäger von Fall (1936)345 und Schloss Hubertus (1934) »unter Verzicht auf jede Beteiligungsquote der Ufa«.346 Obgleich es bei dieser Verhandlung ausschließlich um Auswertungsrechte ging, sind die Konsequenzen für Remakes impliziert: Mit den Auswertungsrechten droht im Falle der Wiederverfilmung kein früherer Tonfilm zur Konkurrenz zu avancieren, zumal nach dem Urteil zu Ferien vom Ich (1934/1952) der Bundesgerichtshof klärte, dass einem Verleih, der über keine Auswertungsrechte mehr verfügt, »ein schutzwürdiges Interesse […] nicht anerkannt werden könne.«347 Die Rechte an den literarischen Vorlagen hielt ohnehin Ostermayr. Anfang 1950 schließlich gründet er die Peter-Ostermayr-Film GmbH, die 1955 in eine KG umgewandelt wurde und die mit Der Geigenmacher von Mittenwald (1950, Rudolf Schündler) im Dezember den ersten Film in die Kinos bringt. Die 1951 gegründete Tochtergesellschaft Unitas Filmverleih GmbH (Düsseldorf) wertete die Filme im norddeutschen, der Kopp-Filmverleih im süddeutschen Raum aus.348 Ostermayr engagiert sich in den 1950er Jahren – wie bereits zur Emelka-Zeit – auch über den unmittelbar praktischen Produktionsbereich hinaus. 1954 etwa erscheint im Film-Echo die Expertise des »Nestors der deutschen Filmproduktion« zur aktuellen Lage: »Alle Welt spricht von einem Wirtschaftswunder in Westdeutschland. Und das zum größten Teil mit Recht. Nur in der Filmwirtschaft können wir leider von keinem Wunder sprechen.«349 Ostermayr beklagt die Situation einer »zerschlagenen, entkapitalisierten und desorganisierten Filmwirtschaft«, verlangt nach Fördermaßnahmen des Bundes und finanzstarken Investoren (»Als kommenden Generaldirektor der Bavaria stelle ich mir eine 344 Verzeichnis aller Filme des Ufi-Konzerns an denen Drittbeteiligungen bestehen, Stand Oktober 1952, BArch R 109 I/4388 o. S. und Manuskripte Spiel- und Kulturfilme (UFA), BArch R 109 I/4660 o. S. 345 Mitteilung der Filmstoffverwaltung an Dr. Brauns vom 11. 2. 1952, BArch R 109 I/1753 o. S. 346 Rechte der UFA i.L., vgl. Manuskripte, Rechte der UFA i.L., BArch R 109 I/4656 o. S. und Verzeichnis aller Filme des Ufi-Konzerns an denen Drittbeteiligungen bestehen, Stand Oktober 1952, BArch R 109 I/4388 o. S. und Ablauf von Urheberrechten 1929 bis 1945, Ufa, Tobis, Terra, Berlin-Film, Bavaria, Wien-Film, Prag-Film, BArch R 109 I/4655 o. S. 347 Krüger-Nieland 1960, S. 161. Ausführlicher zu Rechte-Übertragungen, vgl. I. 4. Strukturen: Urheberrecht und Remakes in den 1950er Jahren, S. 92–113. 348 Roeber / Jacoby 1973, S. 216. 349 »›Ich glaube an den Wiederaufstieg des deutschen Films…‹ Peter Ostermayr nimmt zu aktuellen Filmproblemen Stellung«, in: FE, Nr. 52, 24. 12. 1954, 8. Jg.

358

Detailanalysen

Art neuen Klitzsch vor.«), kritisiert die Vergnügungssteuer, vor allem aber das »verfehlte Prädikatisierungssystem«. Er plädiert für staatliche Exportprämien. Wie nah jedoch seine Argumentation an der eigenen Filmproduktion bleibt, illustriert die Begründung, dass sich bessere Drehbücher nicht »durch Prämien für Routiniers und Drehbuchtechniker, als vielleicht durch eine stärkere Anlehnung des Film-Sujets an das Buch oder die Novelle und damit an den Dichter« erreichen lassen.350 1957, anlässlich seines 75. Geburtstages, der zum »Ostermayr-Festival« avancierte, wenn man den Presseberichten Glauben schenkt,351 verteidigt er sein Engagement gegen den Einwand, »[d]er hat sich immer schon nach vorne gedrängt«: »Mitnichten, meine Damen und Herren. Diese Gründungen waren s. Zt. ein Gebot der Stunde und weil kein anderer da war, der über genügend Erfahrung verfügte, blieb ich immer an meinen Ideen selbst hängen.«352 1954 bis 1955 übernahm er die beratende Rolle von Dr. Georg Hossfelder im Abwicklungsausschuss der Ufi unter Rudolf Vogel.353 1954 initiierte er gemeinsam mit Dr. Georg Roeber das Institut für Filmrecht, eine wissenschaftliche Gesellschaft, die die Schriftenreihe »Archiv für Urheber-, Film- und Theaterrecht« (UFITA) und die Zeitschrift Film und Recht herausgibt, die ihm 1962 entsprechend euphorisch zum 80. Geburtstag gratulierte.354 Im Zuge der Reprivatisierung wurde Ostermayr Vorsitzender des Aufsichtsrats der Bavaria Filmkunst AG, 1958 schied er aus.355 Zugleich pflegte er das Andenken »seines« Hausdichters: Anlässlich des 100. Geburtstages des Dichters 1955 war Ostermayr einer der Mitinitiatoren und Geldgeber zur Gründung der ersten deutschen Ganghofer-Gesellschaft,356 deren Stiftungsaufgaben allerdings auf die Gründung einer Jugendherberge und die Vergabe eines Preises für Nachwuchsschriftsteller beschränkt waren.357 Die Feierlichkeiten wurden medienwirksam von Stars der aktuellen Verfilmungen beehrt, unter anderem Marianne Koch (1954 Schloss Hubertus) und Angelika Hauff (1955 Das Schweigen im Walde).358 Auch der 21-minütige Dokumentarfilm in Farbe über Ganghofers Autobiografie Aus dem Lebenslauf eines Optimisten (1955, Ludwig Bender) wurde zu diesem Anlass uraufgeführt.359 350 351 352 353 354 355 356 357

Ebd. [K. F. S.]: »Ehrungen für Peter Ostermayr«, in: FE, Nr. 60, 27. 7. 1957, 9. Jg. Ostermayr 1957, S. 12f. Roeber / Jacoby 1973, S. 164. Ebd., S. 506 und »Peter Ostermayr 80 Jahre alt«, in: Film und Recht, Nr. 7, 1962, 6. Jg., S. 2. Roeber / Jacoby 1973, S. 248. Vgl. »Aus unserem Notizbuch«, in: FE, Nr. 27, 14. 7. 1955, 7. Jg. Sie wurde 1967 wieder aufgelöst. Diese Hinweise verdanke ich Karl Ilgenfritz von der (neugegründeten) Deutschen Ganghofer Gesellschaft. 358 Zum Gründungsakt, vgl. »Deutsche Ganghofer-Gesellschaft gegründet«, in: FE, Nr. 34, 16. 7. 1955, 9. Jg. 359 »Ganghofer«, in: FP, Nr. 27, 14. 7. 1955, 7. Jg.

Schloss Hubertus (1934/1954)

3.2

359

Referenz: Ludwig Ganghofers Roman Schloß Hubertus

Schloß Hubertus ist einer der auflagenstärksten Ganghofer-Romane – bis 1969 immerhin 1,4 Millionen Exemplare.360 Er erschien erstmals 1895 in zwei Bänden bei Bonz in Stuttgart, illustriert von Hugo Engl.361 Noch 2003 kam eine vom Enkel des Dichters redigierte Ausgabe auf den deutschen Buchmarkt.362 Die Referenz für das Publikum der Verfilmungen kann im Untersuchungszeitraum nicht nur vermutet werden, sondern ist 1934 belegbar : In der Liste der »Bestseller im Dritten Reich« belegt er Platz 39.363 1928 hatte der Roman bereits eine Auflagenhöhe von 216.000 erreicht, für die Jahre 1933 bis 1944 ermittelt Tobias Schneider eine ungefähre Auflage von etwas weniger als 300.000 Exemplaren.364 Indes sucht man nach literaturhistorischen Analysen des Romans vergeblich, lediglich unter ausgewählten Aspekten wird er in der Literaturgeschichte thematisiert.365 Zuweilen kann man hier den Eindruck gewinnen, der Roman werde ohne gründliche Lektüre besprochen.366 Immerhin ist er in Kindlers Literaturlexikon zu finden, in dem zwei Ganghofer-Romane erscheinen.367 Ein Spezifikum der Erzähltechnik Ganghofers jedoch ist detaillierter untersucht: die Figurencharakterisierung. Bereits die ersten Auftritte weisen alle wichtigen Charakteristika einer Figur auf, wobei diese in der sie umgebenden Landschaft

360 Die Gesamtauflage der Ganghofer-Werke lag 1969 immerhin bei 32 Millionen, neben Schloß Hubertus waren Das Schweigen im Walde und Der Klosterjäger die auflagenstärksten Bücher, vgl. Prangel 1986, S. 43. 361 1895 ist Konsens der meisten Publikationen. Lediglich der 2005 erschienene GanghoferBand gibt 1896 an, vgl. Pellengahr / Kraus 2005, S. 230. 362 Vgl. Ganghofer 2003. Im Folgenden arbeite ich mit einer älteren, nicht redigierten Ausgabe des Romans, die 1983 erschien: Ludwig Ganghofer: Schloß Hubertus. München: Droemersche Verlagsanstalt, 1983 (475 Seiten). 363 Schneider 2004, S. 85. 364 Ebd., S. 85. 365 So arbeitet und argumentiert etwa George L. Mosse in seinem grundlegenden Aufsatz »Was die Deutschen wirklich lasen« in Bezug auf Ganghofer fast ausschließlich mit Schloß Hubertus, vgl. Mosse 1974. Weitere Erwähnungen oder Analysen, die Schloß Hubertus thematisieren, werden im Folgenden zitiert. Noch 2005 konstatiert Marita Krauss präzise in einer Fußnote: »Eine literaturwissenschaftliche Analyse von ›Schloß Hubertus‹ fehlt«, Krauss 2005, S. 56. 366 Matthias Prangel führt Schloß Hubertus in seiner Analyse zur »Fiktion der nach dem natürlichen Grundsatz von Gliederung und Einheit harmonisch organisierten Gesellschaft« als Beispiel an. Seine Analyse einer Wandlung des Grafen entbehrt jedoch jeder Textgrundlage, als Egge etwa Kitty beteuert, er »wills gut machen, will dir ein rechter Vater sein«, unterschlägt die Analyse, dass er das formuliert, um sie vom verstoßenen Bruder fern- und auf seiner Seite zu halten. Auch einen finalen Scheck für den Sohn Robert unterschreibt nicht der geläuterte Vater, sondern Bruder Tassilo, vgl. Prangel 1986, S. 116f. 367 Manfred Kluge: »Schloss Hubertus«, in: Walter Jens (Hg.): Kindlers Neues Literaturlexikon. Frechen: Komet, (ohne Jahr), Bd. 6, S. 79.

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Detailanalysen

gespiegelt und somit verstärkt werden.368 »Der Leser bekommt also kein Bild von einer Person, sondern eine unverblümte Meinung über sie geliefert«,369 fasst Kirstin Breitenfellner den Befund zusammen. Konkret im Roman: Die schöne Kitty, Tochter des Grafen Egges, dessen Schloss der Geschichte den Namen leiht, versucht vergeblich mit der alternden Tante Gundi von Kleesberg dem jagenden Vater entgegenzugehen. Sie geraten in ein Gewitter, der Jäger Franzl Hornegger hilft, der angereiste Maler Hans Forbeck – Freund des Bruders Tassilo – rettet das schöne Mädchen, mit dem er nach entsagender Liebe am Ende glücklich werden darf. Bereits in der ersten Episode werden sowohl die wichtigsten positiven Figuren eingeführt als auch die rücksichtslose Jagdleidenschaft des Vaters, Basis der dramatischen Handlung, gesetzt. Trotz seines erheblichen Umfangs ist der Roman dank der narrativen Verwobenheit aller Figuren und deren Zeichnung sehr übersichtlich: Die Guten sind schön, beherrscht, großherzig und gesund. Neben den erwähnten Grafenkindern und Begleitungen sind das die zukünftigen Bräute – Anna Herwegh, die Sängerin, wegen der Tassilo sich vom Vater enterben und verstoßen lässt, und Bruckner-Mali, die am Ende Jäger Franz in die Arme schließen kann.370 Die Bösen zeichnen sich hingegen nicht nur durch Verschlagenheit, sondern auch durch Unnatürlichkeit aus. Hauptbösewicht ist der intrigante Schipper, daneben der in seinem Standesdünkel abstoßende Robert und schließlich Liesl, unter deren Fenster der erkrankte Grafensohn Willy den Tod findet.371 Dieser Dua368 Ganghofer nutzt die Technik des composite portrait, eines literarischen Verfahrens des 19. Jahrhunderts, bei dem der Autor eine Romangestalt im Einklang von Auftreten und Aussehen, Charakter und Äußerem literarisch amalgamiert und die aus den Physiognomischen Fragmenten Johann Caspar Lavaters (1775–1778) entwickelt wurde. In ihrer Studie Lavaters Schatten belegt Kirstin Breitenfellner diese Technik an Schloß Hubertus detailliert und weist die Korrespondenzen zwischen den literarischen Figuren und den Ideen Lavaters nach, vgl. Breitenfellner 1999. 369 Ebd., S. 91. 370 Annas Güte als Gebende wird hypertrophiert, nachdem Tassilo noch das gesamte Vermögen des frisch verheirateten Paares Baron Dörwall zum Begleichen der Spielschulden Roberts überschreibt: »Sein [Tassilos, S.M.F.] Blick haftete an dem Bild seiner Frau, das auf dem Schreibtisch stand. Er hatte sie arm gemacht, aber er wußte, sie würde lächeln dazu! Diese Stunde hatte das häßliche Wort beglichen, das Robert gegen Anna ausgesprochen – nun hatte sie ihm geholfen!«, Ganghofer 1983, S. 459. Ebenso aufopferungsvoll handelt Mali, die nicht nur die Kinder des Bruders liebt und umhegt, sondern dem Bruder nach dem schlimmen Gerücht, er hätte Franz’ Vater erschossen, bis zu Selbstaufgabe zur Seite steht. 371 Die erste Beschreibung Schippers ist von großer Abneigung geprägt: »Er trug die Tracht der Berge; was er am Leib hatte, war so grau verwittert, daß die regungslose Gestalt einem Felsblock ähnlich sah. Auch das Haar wie Asche; man konnte nicht unterscheiden, war es noch blond oder schon ergraut […] ein dünnes Lächeln glitt um den schiefbärtigen Mund, und in den grauen Augen funkelte die Schadenfreude des Hasses.« Hier etabliert Ganghofer das Motiv des bösen Blickes Schippers, den Franzl erst am Ende deuten kann, vgl. Gang-

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lismus sowie die fehlende Figurenentwicklung sind zweifelsohne der Anlass für Breitenfellners Interpretation der Handlung: »In deren Verlauf finden vier (bzw. fünf) Paare zueinander, sieben Menschen sterben und vier ›Rätsel‹ werden enthüllt, die aber nicht unbedingt etwas mit einem zentralen Spannungsbogen zu tun haben. Die Spannung verläuft, sofern überhaupt vorhanden, wellenförmig.«372 Diese Einschätzung ist diskutabel, denn tatsächlich muss man erstens einräumen, dass alle Konflikte beim Grafen als Hauptfigur zusammenlaufen und er wie auch sein Sohn Willy eben keine eindimensionale, sondern eine höchst widersprüchliche Figur ist. Selbst wenn man Breitenfellners Deutung folgt und Graf Egge als den begreift, der »als Herrscher sowieso über allem steht«, erscheint die Entwicklung seines Verhaltens trotz des von der Autorin immer wieder betonten »gute[n] Kern[s]« keinesfalls auf eine Entdeckung desselben hinauszulaufen.373 An der Deutung der Grafenfigur scheiden sich die Interpreten. Seine Widersprüchlichkeit im Roman im Auge zu behalten, scheint jedoch gerade mit Blick auf die späteren filmischen Ausdeutungen der Hauptfigur von Belang. Erst auf dem Sterbebett gewinnt der Graf Einsicht und die Kraft zur Aussöhnung mit Tassilo, der als einzig übrig gebliebener männlicher Erbe antreten muss. Diese fehlende Figurenentwicklung oder Typisierung der handelnden Personen lässt sich – wie Peter Mettenleitner in Anlehnung an die Überlegungen Werner Kochs konstatierte374 – strukturell auch als Anknüpfung an das Operettenschema deuten: »Die Koppelung von seriösem und komischem Liebespaar ist aus der Überlagerung von Opera seria und Opera buffa (z. B. Don Juan) ebenso bekannt wie aus dem klassischen Lustspiel (z. B. Minna von Barnhelm).«375 Das Liebespaar Jäger Franz und Mali agieren auf der unteren Ebene, Kitty und der Maler Forbeck auf der oberen. So wird die Struktur des

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hofer 1983, S. 59f. Auch Roberts Erscheinen auf dem Schloss ist von großer Distanz des Erzählers geprägt: »Robert verließ als erster den Wagen und dehnte die Beine als wäre er vom Pferd gestiegen. Mit vorschriftsmäßiger Höflichkeit küßte er die Hand der Kleesberg und nickte der Dienerschaft einen kaum merklichen Gruß zu«, Ganghofer 1983, S. 145. Genauso lässt Liesls Erscheinen nichts Gutes ahnen, auch weil die Betonung der Stadt so offensichtlich ist: »Ihr schmuckes, zur Üppigkeit neigendes Figürchen in der halb städtischen Kleidung ließ erkennen, daß sie gute Freundschaft mit dem Spiegel hielt. Das schwarze Haar war nicht in Zöpfe geflochten, sondern zeigte eine ›Frisur‹.« Sie aber wird nach dem Unglück Willys mit dem Bauern Pointner-Andres verheiratet, der sie nach einigen Eskapaden schlägt und damit zähmt, vgl. Ganghofer 1983, S. 473f., Zitat S. 56f. Breitenfellner 1999, S. 87f. Ebd., S. 99. Breitenfellner Interpretation des allmächtigen Grafen mag unter der Prämisse einer fehlenden dramatischen Handlung konsistent sein. Widersprechen muss man allerdings ihrer Aussage, dass sich die guten Figuren zum Grafen positiv verhalten, die schlechten negativ : Tassilo bricht mit dem Vater für die Liebe, Kittys Konflikt ist die Entscheidung zwischen Vater und Bruder, wohingegen der negativ besetzte Robert zunächst Geld vom Vater erhält. Koch 1970, S. 84. Mettenleitner 1984, S. 151.

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Romans aus einem literaturhistorisch wertenden Vergleich zur gehobenen Romanliteratur herausgelöst und in einem strukturellen Diskurs populärer Unterhaltungskultur verortet, wobei Koch und Mettenleitner unterschiedlich urteilen.376 Neben den handelnden Personen weist der Roman eine Reihe von Figuren auf, die gewissermaßen für das Kolorit des ländlichen Alpenmilieus sorgen: Die ewig tratschenden Bauern, der arme Patschneider, der Wirt oder der alte Büchsenspanner Moser mit seiner treuen Ergebenheit und Lüsternheit.377 Sie werden in den Verfilmungen durch die Inszenierung der Natur ersetzt. Die Milieutreue wird sprachlich verstärkt durch die Vielfalt der Sprache im Roman: »In Ganghofers alpinem Melodram prallen die Gegensätze hart aufeinander. Die Skala der sprachlichen Ausdrucksformen reicht von zartesten Empfindungen bis zu herben Gefühlsausbrüchen und mörderischen Haßtiraden.«378 Selbst die Laune des Grafen ist erkennbar am Dialekt.379 Ganghofer kreierte ein »künstliches Gemisch aus hochdeutschen, oberbayrischen, österreichischen und schwäbischen Elementen, das auch norddeutschen Lesern gut verständlich ist und ihnen den Eindruck des Urwüchsigen, Natur- und Bergverbundenen vermittelt.«380 Während dieses Verfahren für die Filmdialoge auf den ersten Blick nur begrenzt Übersetzung verlangt, müssen die Verfilmungen die Sprachvielfalt der Beschreibungen und Vielzahl der Handlungen nun in ihre medialen Möglichkeiten übertragen. Die beiden Ostermayr-Produktionen könnten das kaum unterschiedlicher realisieren.

376 Während Koch Ganghofer schon im Titel seines Aufsatzes »Diesseits von Gut und Böse« auslotet, widerspricht Mettenleitner dieser Deutung in seiner ideologiekritischen Analyse, vgl. Mettenleitner 1984, S. 170. Er führt die widersprüchliche Bewertungen Ganghofers »vom großen Dichter bis zum literarischen ›Nichts‹« an, ebd., S. 167. 377 Beides zeigt sich, als die Familie zur Jagd aufbricht und Moser mit Willy über Liesl spricht: »Als ihnen der Gegenstand ihres Vergnügens aus den Augen schwand, stieß der alte Moser scherzend an den Arm seines jungen Herrn. ›Hab ich net recht, Herr Graf. So was Liebs hat die ganze Welt nimmer!‹ Willy zwirbelte das Bärtchen: ›Aber den Schnabel halten, Moser!‹ ›Das wissen S’ doch, daß ich Ihnen a kleins Spaßerl von Herzen vergunn. Lassen S’ nur nimmer aus! Mir scheint, ’s Fischerl hat schon anbissen‹«, Ganghofer 1983, S. 163. 378 Manfred Kluge: »Schloss Hubertus«, in: Walter Jens (Hg.): Kindlers Neues Literaturlexikon. Frechen: Komet, (ohne Jahr), Bd. 6, S. 79. 379 »Franzl wußte aus Erfahrung, wenn Graf Egge in der Jagdhütte hochdeutsch redete, stand das Barometer seiner Laune auf Sturm«, vgl. Ganghofer 1983, S. 62. 380 Pörnbacher 2005, S. 33.

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3.3.1 Produktionsdaten Von Mitte Mai bis Mitte Juni 1934 ließ die Dialog Film GmbH von Peter Ostermayr unter der Regie von Hans Deppe Schloss Hubertus drehen. Die Außenaufnahmen entstanden in den Allgäuer Alpen, im Oytal bei Oberstdorf und in Kreuzeck bei Garmisch-Partenkirchen. Willy Rath, Philipp Lothar Mayring und Peter Ostermayr schrieben das Drehbuch. Sohn Paul Ostermayr war für den Schnitt verantwortlich und arbeitete als Regieassistent.381 Mit Hans Deppe inszenierte »der Regisseur der Stunde«.382 Er wird zwischen 1933 und 1945 an mehr als 30 Filmen mitwirken und bis Kriegsende fünf weitere Ganghofer-Filme verantworten.383 Unabhängig von den Urteilen der Filmkritik fällt mit Blick auf Deppes Arbeitsbiografie als Regisseur auf, dass er nicht nur zahlreiche Filmerfolge am Beginn der 1950er Jahre inszenierte, sondern bereits seit 1934 Filme drehte, deren Remakes nach 1945 dem Genre Heimatfilm zugeschlagen werden.384 Hinter der Kamera standen bei Schloss Hubertus Karl Attenberger, seit den 1920er Jahren regelmäßig Mitarbeiter von OstermayrProduktionen, und Peter Haller, für den es die zweite eigene Kameraarbeit war.385 Die Musik komponierte Franz R. Friedl. Am 9. August 1934 feierte der Film – verliehen vom Ufa-Verleih – seine Premiere im Gloria-Palast in Berlin, ausgezeichnet mit dem Prädikat »künstlerisch wertvoll«.386

3.3.2 Darsteller: Starlosigkeit Interessant ist auf den ersten Blick die Besetzung der Rollen: kaum Kinostars, stattdessen Debütanten und lokale Bühnendarsteller. Die Starlosigkeit des Films lobt auch die Rezension in Licht-Bild-Bühne: Ein Film, von dem man wußte, daß er ohne die Mitwirkung großer »Stars« gedreht worden war und den man aus diesem Grunde mit berechtigtem Interesse entgegensah. 381 Alle Angaben, vgl. Klaus 1993, S. 188f. 382 Kugler / Seeßlen 2005, S. 153. 383 1936 Der Jäger von Fall, 1937 Das Schweigen im Walde, 1937 Gewitter im Mai, 1941 Der laufende Berg, 1943 Der Ochsenkrieg. 384 Neben den genannten Ganghofer-Verfilmungen sind das etwa Ferien vom Ich (1934), Die Heilige und ihr Narr (1935) und Der kleine Grenzverkehr (1943). 385 Peter Haller drehte zuvor Die Mühle im Schwarzwald (1934, Berger), auch schon mit Attenberger. Dieser begann bereits 1919 mit Die Ehe einer Achtzehnjährigen, fotografierte dann u. a. Das blonde Hannele (1924, Seitz sen.), Die Frauen zweier Junggesellen (1925, ders.), Der Herrgottschnitzer von Ammergau (1930, ders.) oder Wenn die Abendglocken läuten (1930, Beck-Gaden). 386 Klaus 1993, S. 188.

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Der große Erfolg der gestrigen Uraufführung des Films im Gloria-Palast stellte außerordentlich treffend unter Beweis, wie recht die Ufa daran tat, einmal ohne die großen »Kanonen« einen Großfilm zu drehen und die tragenden Rollen Schauspielern zu übergeben, die zwar noch keinen klingenden Namen besitzen, von denen man aber durchaus erwarten konnte, daß sie ihren Aufgaben gerecht werden.387

Hansi Knoteck (Kitty) debütiert in diesem Film; ebenso Grete Roman (Anna) und Margarethe Parbs (Gundi von Klesberg), die ausgebildete Opernsängerinnen waren.388 Herta Worell (Mali) hatte erst 1933 beim Film begonnen. Friedrich Ulmer und Hans Schlenck waren laut der Münchener Filmzeitung München am Bayrischen Staatstheater engagiert.389 Dass Ulmer das Theater mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 verlassen musste,390 unterschlägt die Kritik über den »beliebte[n], langjährige[n] schwere[n] Heldendarsteller«.391 Stattdessen wird er, »der dem Berliner Theaterpublikum längst kein Unbekannter mehr [ist]«, gepriesen.392 Ulmer hatte 1921 am LessingTheater gastiert und kehrte auch 1935 noch einmal nach Berlin zurück.393 Paul Richter dagegen, der den Jäger Franz gibt, war durchaus schon jugendlicher Liebhaber der Stummfilmzeit, »der aus dem Filmliebhaber inzwischen zu einem Charakterliebhaber geworden ist«, sodass er »außerordentlich viele Verehrerinnen besitzt«.394 Er spielte bis Ende der 1950er Jahre in nahezu jeder Ganghofer-Verfilmung mit. Auch Arthur Schröder (Tassilo) begann seine Filmkarriere schon im Stummfilm während des Ersten Weltkriegs; sein Tonfilmdebüt gab er kurz zuvor als Jurastudent Menart in Hans Westmar (1933, Franz Wenzler). Hans Adalbert Schlettow (Schipper) kann mit seiner Rolle, die aber wie die Tassilos sehr klein ist, an sein Image anknüpfen: »Er spielte neben Heroen auch immer öfter abgründige, finstere Gestalten.«395 Am bekanntesten 387 [v. d.H.]: »Schloß Hubertus«, in: Licht-Bild-Bühne, Nr. 184, 10. 8. 1934, 27. Jg. 388 Vgl. Klaus 1993, S. 189. 389 Vgl. [E. R.]: »Schloß Hubertus«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 38, 1934, 13. Jg., S. 5–6. 390 Weniger 2008, S. 356. 1953 kann man im Deutschen Bühnenjahrbuch, in deren Verwaltungsrat Ulmer 1925 gewählt wurde, nachlesen: »Nach der sogenannten Machtübernahme durch die Hitler-Terroristen war es Friedrich Ulmer, der sich im März 1933 mutig vor eine turbulente Versammlung stellte und treu seinem Charakter seiner Gesinnung sich gegen verleumderische Behauptungen zur Wehr setzte, die eine Gruppe fanatischer Kollegen gegen die damals leitenden Männer der Genossenschaft, Erich Otto und Carl Wallauer, erhoben hatten. Dieses männliche und tapfere Eintreten für die Angegriffenen mußte Ulmer mit seiner fristlosen Entlassung und der damit verbundenen Aufgabe seiner überragenden künstlerischen Position am Münchener Staatsschauspiel büßen«, Deutsches Bühnenjahrbuch 1953, S. 82. 391 [E. R.]: »Schloß Hubertus«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 38, 1934, 13. Jg., S. 6. 392 »Staatsschauspieler Friedrich Ulmer«, in: Licht-Bild-Bühne, Nr. 183, 9. 8. 1934, 27. Jg. 393 Deutsches Bühnenjahrbuch 1953, S. 81. 394 »Schloß Hubertus«, in: Der Kinematograph, Nr. 154, 11. 8. 1934, 28. Jg. 395 Weniger 2001, Bd. 7, S. 118.

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ist zweifelsohne seine Hagen-Darstellung in Die Nibelungen (1924, Fritz Lang), in denen Richter den Siegfried spielte. Die Durchsicht der Filmzeitschriften des Jahres 1934 lässt eine ideologisch geprägte Diskussion über Starlosigkeit als Besetzungsstrategie vermissen,396 die später etwa in dem Leitartikel Frank Marauns erscheint.397 Die Besetzung des Films wie auch das positive Echo erklären sich wohl eher aus den filmwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, nämlich vor dem Hintergrund der personellen Säuberungen in der Filmindustrie, die eine Erhöhung der Gagen und damit der Produktionskosten zeitigte.398 Im Norden kritisiert der Berliner Film-Kurier massiv die Dramaturgie des Films. Im Süden des Reichs dagegen bemängelt die Kritik in Zusammenhang mit der Besetzung den »nicht immer ganz dialektfeste[n] Dialog«.399 Im Zuge der zunehmenden Verstaatlichung der deutschen Filmproduktion wird dieses Problem ins Gegenteil kippen: »Dialektfilme müssen verständlich sein«, titelt 1941 der Film-Kurier und auch in der Korrespondenz mit der Wien-Film scheint das Problem bis Kriegsende auf.400

3.3.3 Konzentration der Romanhandlung Der Roman erfährt in der Drehbuchbearbeitung deutliche Veränderungen, die vor allem strukturell sind und insgesamt darauf hinaus laufen, die verwobene Geschichte auf wenige Handlungsstränge hin zu kürzen. Zunächst einmal wird die Familienkonstellation verkleinert: Bruder Willy ist bereits verschieden, Bruder Robert gestrichen. Auch Professor Werner als Jugendliebe Gundi von Kleesbergs und Vater von Hans Forbeck entfällt. Aufgewertet werden so die Konflikte zwischen dem Grafen Egge und Tassilo und 396 1935 findet sich im Film-Kurier eine längere Ausführung Heinz Wempers zum »Starunwesen«, der das Finanzierungssystem, vor allem die Bevorschussung kritisiert und dabei sogar Hans Grimm bemüht, um zu konstatieren, »daß der unnatürliche Großverdiener das heutzutage nur auf Kosten der übrigen Volksgenossen sein könnte: das beste deutsche Schaupielermaterial führt einen schweren Existenzkampf«, Heinz Wemper : »Das Starunwesen, seine Folgen und möglichen Gegenmaßnahmen«, in: FK, Nr. 150, 1. 7. 1935, 17. Jg. 397 Vgl. Frank Maraun: »Der Held: die Gemeinschaft«, in: Der deutsche Film, Nr. 2, August 1939, 4. Jg. 398 Mühl-Benninghaus etwa konstatiert in seinem Aufsatz über die Tobis, die Steigerung der Produktionskosten, »da die in Deutschland verbliebenen Schauspieler und andere in der Filmbranche Beschäftigten in den folgenden Jahren immer höhere Gagen bzw. Gehälter forderten; was ihnen auch gewährt wurde, weil die wenigen verbliebenen Verleihfirmen bestrebt waren, sich einen bestimmten Stamm an Schauspielern und sonstigen Mitarbeitern zu sichern«, vgl. Mühl-Benninghaus 2003, S. 96. 399 »Schloß Hubertus«, in: Paimann’s Filmlisten, Nr. 958, 17. 8. 1934, 19. Jg. und »Schloß Hubertus«, in: FK, Nr. 186, 10. 8. 1934, 16. Jg. 400 [G. H.]: »Dialektfilme müssen verständlich sein«, in: FK, Nr. 58, 10. 3. 1941, 23. Jg., Fritz 1991, S. 160f.

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seinem »Geißlein« Kitty. Während Kittys Konflikt, das Leiden unter der Nichtbeachtung durch den Vater und die erwachende Liebe zum Maler Hans Forbeck, im Vergleich mit dem Roman grundsätzlich bestehen bleibt, verschärft die Bearbeitung für den Film jenen um Tassilo: Seine Verlobte ist nunmehr als Bürgerliche und Künstlerin problematisch und zugleich Tochter des Prozessgegners von Egge, mit dem er sich um Jagdreviere streitet. Damit aber wird – anders als im Roman – der Zorn Egges gegen die zukünftige Schwiegertochter auf drei verschiedenen Ebenen etabliert und plausibilisiert. Schnell entschlüsselt sich in diesem Zusammenhang, dass der Graf seine Kinder ähnlich den zu erwerbenden Revieren als Besitz versteht. Vor allem aber bleibt in dieser gestrafften Konstellation ein wichtiges Merkmal des Romans unangetastet: Die Figuren sind klar positioniert, die strikte Einteilung in die Guten und die Bösen wird übernommen, Grautöne fehlen, Übersichtlichkeit ist garantiert, eine Entwicklung ist allenfalls dem Grafen vorbehalten. Die zweite Konfliktlinie findet sich im Jagdrevier zwischen dem intriganten Schipper und dem Jäger Franz. Verbunden sind sie konkret mit der Jagdleidenschaft des Grafen. Auch hier finden sich Umdeutungen: Bruckner und Schipper avancieren nun tatsächlich zu echten Wilderern, der Förster des anderen Reviers des Grafen, Patscheider, leidet unter ihrem Treiben,401 der gute Franz wird sie stellen. Diese Zuspitzung ist vor allem auch deshalb wichtig, weil die Verfilmung trotz der Konzentration eine Vielzahl von Konfliktlinien zu bewältigen hat. Dabei kommt sie nicht umhin, in Stationen zu erzählen. Verknüpft bleiben sie durch die Grafenfigur und ihre Liebe zur Jagd: Tassilos Weigerung bei der gemeinsamen Jagd, den Hirsch zu schießen und die darauffolgende Auseinandersetzung Egges mit Franz wird nun nicht nur durch die Intrigen Schippers abgesichert, sondern besitzt so eine Eigenlogik; ebenso Franz’ Wiedereinstellung als Förster nach den fröhlichen Erinnerungen an den Gewinner der Jagdplakette »gewonnen von Franz Hornegger«. Das ist nicht nur dramaturgisch plausibler und für ein Filmpublikum rascher nachvollziehbar, es verweist auch auf eine wichtige Veränderung im Ensemble gegenüber der Vorlage: Mit diesem Personal verläuft die Hauptkonfliktlinie deutlich klarer ; adeliger, ignoranter Vater gegen das Glück der moderneren Kinder auf der ersten Ebene. Hier kondensiert gewissermaßen das, was in der literaturwissenschaftlichen Interpretation des Romans strittig blieb.402 Denn der 401 Patscheider ist Graf Egges Förster im Nachbarrevier, bei dem Bruckner und Schipper wildern gehen und der sie nicht stellen kann. Im Roman gibt es ebenfalls einen WildererKonflikt um Patscheider, aber darüber hinaus gerät er immer wieder in Auseinandersetzungen mit dem Grafen, weil er die Quote an geschossenem Wild nicht erfüllt und entsprechend schlecht bezahlt, seine Familie nicht ernähren kann – bis er schließlich den (unbekannten) Wilderer erschießt. 402 Breitenfellner argumentiert gegen eine Deutung des Romans als »triviale Allegorie sozialer

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Film weist dramaturgisch sehr viel deutlicher auf einen Generationen- und Wertewechsel. Im Laufe der Handlung wird tatsächlich ein obsolet gewordener Adeliger von der immer mehr bürgerlich agierenden nächsten Generation infrage gestellt und fügt sich endlich ihren Vorstellungen – nicht ohne guten Rat jedoch: »Malen’s wenigstens was Gescheit’s: malen’s ’n Berg, malen’s ’n Wald, malen’s Jagd«. Die am Ende durch den Erblindeten idealisierte Natur betont bei aller Wandlung ganz offensichtlich übergenerationelle Werte und Traditionen. Sie passt in ihrer thematischen Ausrichtung zudem hervorragend zum völkischtraditionellen Flügel nationalsozialistischer Kunstpolitik.403 Der Film zollt in seinem letzten Bild der Forderung des Grafen Respekt: eine Aufnahme des Gletschers. Bei ihrer Adaption bedienten sich die Drehbuchautoren wirksamer Romanszenen, die sie mit Zwischenszenen gewissermaßen auffüllten: Die Auseinandersetzungen zwischen Schipper, Franz und dem Grafen in und um die Jagdhütte, die Treibjagd mit Tassilo, die Rettung Kittys durch Forbeck während des Gewitters und das Malen des Bildes, die romantischen Begegnungen von Franz und Mali in der Natur, Szenen in Italien, der Aufstieg des Grafen über die Leitern zum Adlerhorst sowie das kleine Finale zwischen Bruckner, Schipper und Franz und schließlich die Versöhnung des erblindeten Grafen mit seinen Kindern. Insbesondere am Ende des Films scheint bei den dramatischen Höhepunkten (Ausheben des Adlernestes, Stellen der Wilderer, Versöhnung der Familie) eine (rein) strukturelle Parallele zur Operette auf.

3.3.4 Der adelige Patriarch Mit der Straffung der Handlung geht vor allem eine Veränderung des Grafen einher : Im Film hat er Erkenntnis- und Versöhnungspotential und zwar nicht erst auf dem Sterbebett, auf das er sich nun auch gar nicht mehr legen muss. und politischer Degeneration, des notwendigen Untergangs der Aristokratie als gesellschaftlicher Kraft«, wie sie etwa Rainer Stephan anbietet, vgl. Stephan 1981, S. 58 und Breitenfellner 1999, S. 99. 403 In der Entstehungszeit des Films finden die kunst- und kulturpolitischen Machtkämpfe zwischen Alfred Rosenberg und Joseph Goebbels statt: »Die Bezeichnung ›deutsch‹ in der Kunst drohte synonym zu werden mit ›regional‹ im Sinne von anti-international. Ihr ›völkischer Wert‹ wurde geradezu daran gemessen, wieweit diese Kunst ›draußen‹ verstanden wurde. So wurden als ›deutsche‹ Maler, als Maler der ›Landschaft‹ und des ›unverdorbenen Instinktes ihrer einfachen Menschen‹ herausgestellt: […]«. Hier soll es nicht darum gehen, auf einen konkreten Künstler oder gar ein Gemälde zu verweisen, als vielmehr eine Rezeptionslinie im historischen Kontext zu ziehen, in die wiederum der portraitierte »Charakterkopf« des Grafen, den Forbeck irrtümlich für einen Jäger hielt, bestens passt. Im November eröffneten in den vormaligen Räumen der Berliner Sezession zwei Ausstellungen, deren 200 Exponate vor allem »Landschaften, Bildnisse und Stilleben« waren, vgl. Brenner 1963, S. 78ff., Zitate S. 81 und S. 90.

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Abb. 22: Schloss Hubertus (1934): liebender Vater

Versöhnung und happy end sind inklusive. Die gewandelte Grafenfigur kann und muss diese Entwicklung aber vor allem auch plausibilisieren, weil sie – anders als im Roman – wesentlich präsenter ist. Lediglich in der Geschichte Kittys bleibt sie außen vor, in den wenigen Begegnungen der beiden ist sie im Kontrast umso zärtlicher (Abb. 22). Interessant ist dabei, dass die Interpretation des Grafen erheblich vom Roman abweicht. Friedrich Ulmer gibt ausschließlich verbal und in den Außenaufnahmen den leidenschaftlichen Jäger. In seinem Erscheinungsbild und durch seine Sprache zeigt er sich als adeliger Patriarch.

Abb. 23 und 24: Schloss Hubertus (1934): beobachtender Jäger/ im Schloss

Diese Ambivalenz wird bereits am Beginn des Films deutlich: Zwar begegnet der Zuschauer dem Grafen in der ersten Szene des Films in der Natur die Adler beobachtend, sodann aber folgt in der nächsten Szene die Kamera – nach den Überblendungen vom Schloss in das Schloss – dem Grafen auf seinem Weg durch den Flur zum Geburtstag seiner Tochter Kitty (Abb. 23 und 24). Kühl begegnet er hier seinem Sohn Tassilo, dem »Herrn Rechtsanwalt«, wie er höhnt.

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Als Anna Herwegh ihr Lied singt, verlässt er empört den Raum.404 Von Kitty verabschiedet er sich zärtlich, so zärtlich, dass das Bild einer Liebesszene gleicht,405 die im Schlussbild der Familie (Graf, Kitty und Forbeck) aufgegriffen wird. Er lässt das Mädchen jedoch am Todestag des verstorbenen Bruders bzw. Sohnes allein am Grab.406 Unterdessen jagt er. Nur bei der gemeinsamen Treibjagd werden beide Handlungsstränge (Familie und Revier) noch einmal zusammengeführt, als Tassilo sich weigert, den Bock zu schießen und damit Franz’ Entlassung verschuldet. An dieser Stelle erreicht die Hauptfigur Egge gewissermaßen den Höhepunkt der Sturheit und Borniertheit. Die Wende erfolgt rasch: Schipper intrigiert, indem er dem Grafen von Kitty und Forbeck berichtet. Wütend stapft dieser zur Hütte des Malers, die er leer vorfindet. In einer eindrucksvollen Inszenierung dieser Erkundung, die noch detaillierter besprochen wird, prüft der Vater den Verdacht und kann lachend die Unschuld seiner Tochter konstatieren. Milde gestimmt sucht er daraufhin Franz bei Mali und ihrer Mutter auf. Hier hypertrophiert der Film eine Volksverbundenheit des Adeligen, der Mali als »künftige Försterin« begrüßt und mit den einfachen Leuten betet und isst. Neben dieser Nähe der Stände wird hier zugleich der »gute Kern« des Patriarchen inszeniert. Die Verbindung zu seinen Kindern hingegen reißt ab, seinem Sohn Tassilo hat er bereits beim Streit um den nicht erlegten Sechzehnender den Roman zitierend wütend entgegengeschleudert: »Zwischen uns verläuft die Jagdgrenze.«407 Auch Kitty verlässt er zur Jagd. Schlussendlich versöhnt sich der erblindete Vater mit beiden Kindern, das Ende ist ein dreisames Familienidyll. 3.3.5 Filmische Inszenierung: Motiv und Symbolik des Blicks Bei der Analyse der Anknüpfungen und Differenzen zwischen Film und Roman blitzten immer wieder Eigengesetzlichkeiten der jeweiligen medialen Bearbeitungen auf. Für die filmische Inszenierung auf verschiedenen Ebenen prägend ist ein Charakteristikum, das ich Motiv des Blicks408 nennen möchte und das 404 Sie singt das Lied »Es blüht eine Rose«, erschienen im Ufaton-Verlag, vgl. Klaus 1993, S. 189. 405 Eine ähnliche Zärtlichkeit zwischen Vater und Tochter findet in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953). 406 Hier binden die Drehbuchautoren die Geschichte um den Bock ein, denn die Nachricht Schippers von diesem ist es, warum der Graf nicht von der Jagdhütte zur Tochter kommt. Im Roman war es dieselbe Nachricht, die ihn veranlasste, nicht mit dem Sohn Willy ins Tal zu gehen, bevor dieser dann verunglückt, vgl. Ganghofer 1983, S. 273. 407 »Zwischen deinem Haus und dem meinen, da geht jetzt die Jagdgrenze«, Ganghofer 1983, S. 217. 408 Interessanterweise übersetzt der Film hier ein Moment, das bereits im Roman auftaucht: Der Blick Schippers ist bei Ganghofer eine zentrale Kategorie, die Franz immer wieder irritiert und den er sich erst erklären kann, als er ihn als Mörder seines Vaters entlarvt, vgl.

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bereits in der Exposition evident wird: Während Annas Gesang entfalten die redundant gegeneinander geschnittenen Nahaufnahmen Annas und Tassilos die Liebesbeziehung der beiden für den Zuschauer. Der Graf schaut lauernd nach vorn gebeugt und beobachtet sie. Nicht nur der Zuschauer entschlüsselt über die Blicke die Liebe der beiden, sondern auch der Graf, dessen Erkennen Anlass des Eklats ist. Die Kamera ist Erzählinstanz. Zugleich ist der Graf eine blinde Figur, er erkennt weder die Intrigen Schippers noch die erwachende Liebe Kittys – die Fokussierung auf die Jagd hindert ihn am Sehen. In unzähligen kleinen Szenen wird dieser Blick der Hauptfigur augenfällig inszeniert. Kitty und Forbeck nehmen Abschied, als der Graf auf eine weitere Denunziation Schippers hin grimmig zur Hütte des Malers eilt, die er vollkommen leer vorfindet. Zufrieden, dass es sich offensichtlich nur um »Geschwätz« handelt, beginnt der Versöhnungsgedanke im Grafen Gestalt anzunehmen, während Kitty schluchzend den Abschied des Geliebten verwindet. Hier inszenieren Deppe und sein Kameramann nicht allein den ahnungslosen, selbstbezogenen Vater, sondern vor allem auch eine eindrückliche Szene. Nach dem Eintreffen Egges in der Hütte sondiert die Kamera – aus Egges Subjektive – den verlassenen Raum. Egge tritt in die Küche, als er auch diese inspiziert hat, nimmt die Kamera wieder die vormalige Position ein und Egge schreitet selbstzufrieden seinem eigenen vorherigen Standpunkt im Raum entgegen, lächelnd, bevor er laut lachend wieder in die Natur tritt. Kitty nimmt derweil traurig Abschied. Die Szenen führen die Kluft zwischen Vater und Kindern vor. Sein Erblinden am Adlerhorst erscheint so als logische Folge, um zur Familie zurückzukehren und den Weg zur Versöhnung zu finden. Auf Schloss Hubertus monologisiert er verzweifelt, er sähe »nix Grünes mehr« und es wird »keine Jagd« mehr geben. Die Ambivalenz zwischen Sehen und Blindheit ist gelöst, an den jungen Maler gibt er die Darstellung der Natur ab. Sein Blick auf die Welt hat ausgedient. Das betrifft auch jenen Konflikt, den der Film deutlich mehr betont als der Roman: Die junge Generation negiert die Standeshierarchien, willkommen in der Volksgemeinschaft. Die Kamera verstärkt dieses Moment, indem die Szenen des Grafen immer wieder auffallend die Subjektive wählen. Dadurch entsteht nicht nur eine spezifische Konzentration auf die Hauptfigur, sondern zugleich eine Erzählinstanz, die im Kontrast zu den anderen Figuren und der Inszenierung der Berglandschaft die Dramaturgie bestimmt. Aber die Kameraführung und die Figurenanalyse weisen noch auf eine letzte Besonderheit des Films hin: Der Graf ist die einzige Figur, die im Laufe des Films eine Entwicklung durchlebt. Das ist einerseits eine Differenz zum Roman, anu. a. »Schippers Antwort war ein dünnes Lächeln, und in seinen halbgeschlossenen Augen funkelte ein Blick so heiß, wie ihn nur die Freude des Hasses kennt. Franzl sah diesen Blick, und es fuhr ihm etwas durch den Kopf – er wußte nicht, was«, Ganghofer 1983, S. 213.

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dererseits deutet dies subtil auf die Fokussierung großer Männer, die bereits in Der Herrscher beobachtet werden konnte. Erklärte sich die Fokussierung beim Jannings-Film aus dem Verhältnis Star und vorbildhafter Figur, taugt eine solche Erklärung hier kaum. Ulmer war ein Münchener Theaterschauspieler, auch wenn die Berichterstattung von Licht-Bild-Bühne ihn kurzerhand zum »Staatsschauspieler« erhob;409 der Film ist als Spiel eines relativ jungen Ensembles angelegt. Man kann dieses Spezifikum im zeitgenössischen Kontext natürlich auf eine Hypertrophierung der männlichen Hauptfigur, gewissermaßen einer Führerfigur interpretieren. Interessanterweise ist aber dieser Graf Egge gerade keine vorbildliche Gestalt, sondern sein Wandel verstärkt vielmehr das Moment des generationellen Wechsels, das auch schon in anderen Filmen evident wurde. Im Gegensatz zu Jannings in Der Herrscher lernt er die Werte seiner Kinder schätzen, die Standeshierarchien des Kaiserreichs werden im happy end überwunden, die jungen Menschen sind positive, vorbildliche Figuren. Mag der Vergleich Differenzen zwischen den männlichen Protagonisten und der jungen Generation deutlich machen, verweist er doch zugleich auf die Virulenz eines Generationenkonflikts im Spielfilm der 1930er Jahre.410 3.3.6 Figurenensemble Im Zentrum der Familienkonflikte stehen die Geschwister Kitty und Tassilo. Wenn der Strang um Tassilo gerade am Beginn des Films als der konfliktreichere erscheint, löst er sich mit der Entscheidung des Bruders für seine Frau nach der Jagd vollkommen auf: Der Kritiker des Film-Kuriers bemängelt die daraus fehlenden Rollenprofilierungen Grete Romans und Arthur Schröders.411 Anders Kitty : Hansi Knoteck gibt hier ihr Debüt im Heimatfilm, auf den sie gebucht werden wird;412 der Berichterstatter des Film-Kuriers ist entzückt.413 Kitty ist in

409 »Staatsschauspieler Friedrich Ulmer«, in: Licht-Bild-Bühne, Nr. 183, 9. 8. 1934, 27. Jg. Der Titel ist schmeichelhaft, aber irreführend. Der Titel des Staatsschauspielers wird erstmals am 15. 4. 1934 in Preußen durch Hermann Göring verliehen, im Kaiserreich und der Weimarer Republik war die Auszeichnung zwar üblich, aber »an das Engagement des betreffenden Instituts gebunden«, Drewniak 1983, S. 155. 410 Bereits in der Gesamtvorstellung ließ sich feststellen, dass Generationenkonflikte verhandelt werden, diese aber zum Teil Übernahmen und nur in einigen Fällen Neuschöpfungen der Remakes – etwa durch die Einführung neuer Figuren – sind, vgl. II. 2.4.6 Verhandlung und Inszenierung der zeitgenössischen Gegenwart: Themen, Konflikte und Motive in den Remakes, S. 265–269. 411 »In Rollen, die nicht zu entfalten sind: Grete Roman und Arthur Schröder«, »Schloß Hubertus«, in: FK, Nr. 186, 10. 8. 1934, 16. Jg. 412 Weniger 2001, Bd. 4, S. 420. 413 »Hans Schlenck sagt’s zu Ilse Knotek [sic]. Ein neues Gesicht! Unter Hans Deppes Führung – der mit einer Behutsamkeit, die wohltut, diese Szene für ›Schloß Hubertus‹ in einer

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Bezug auf den Vater vor allem durch sehnende Einsamkeit charakterisiert. Als sie ihm entgegeneilen will, trifft sie auf den Maler Forbeck. Der Konflikt des Leidens am abwesenden Vater wird durch die einsetzende Liebesgeschichte ergänzt, die im Roman am Beginn steht. In einer beeindruckenden Landschaftsszenerie bricht ein Gewitter los. Forbeck schließt die über den reißenden Bach balancierende Kitty in die Arme und im Haus des Malers beginnt die vorsichtige Annäherung der beiden. Die Differenz zum Roman, in der Franz Kitty über den Steg balanciert und Forbeck die Stürzenden rettet,414 ist auf den ersten Blick eine Frage medialer Eigenarten. Was im Buch vorstellbar ist, scheint im Film schwer zu inszenieren.415 Dabei verändert sich die Wahrnehmung Kittys: von der Getragenen wird sie zum selbstbewussten Fräulein im Kostüm. Als solches wird Forbeck sie aber nicht zeichnen. Das Bild ermöglicht ihr Liebesglück, weist Kitty jedoch eine andere Rolle zu: »Mädchen am Klavier«. Nach dem tränenreichen Abschied und langen Bildern der einsam wartenden Kitty verkündet ein Zeitungsausschnitt, dass Forbeck für sein Bild mit einem Kunstpreis in Italien ausgezeichnet wurde. Die Tante gibt nun dem erstaunten Mädchen die gemeinsame Abreise nach Italien bekannt,416 das die Kulisse für das junge Glück darstellt: Kuss, Abblende. Auch hier fällt eine Straffung auf. Während Kitty im Roman unter der Trennung leidet und eine Odyssee der suchenden Gundi von Kleesberg in Italien beginnt, fasst der Film diesen Strang in einer kurzen Passage mitsamt der Schauwerte zusammen. Das organisiert er durch Aufnahmen der einsamen Kitty im leeren, riesigen Schloss, um sodann das junge Glück in Italien zu zeigen. Die Leichtigkeit wird durch kleine Streifzüge ins Komödiantische unterstrichen: Tante Gundi spielt ohne Verständigungsmöglichkeit mit den Italienern Karten, das Paar trifft einen kleinen entzückenden Hund, der auf sie, nicht aber auf den Besitzer hört, welcher im breitesten Sächsisch schimpft: »Dummes Luder, avanti, avanti!« Auffällig ist, dass der Film in schöner Regelmäßigkeit komische Elemente entfaltet. Einzig dem Roman entnommen ist jene Verwechslungsszene, in der Hans Forbeck einen vermeintlichen Förster (also den Grafen) portraitiert und dabei sorglos ausplaudert, dass der Graf dieser Landschaft ein »widerwärtiger alter Uhu« sei, um dem Modell abschließend eine Mark in die Hand zu drücken. Eine Filmidee dagegen ist, dass die Vorratsbüchsen der Küche als »Schutz vor Hüttendieben«, wie Forbeck erklärt, mit Giftbezeichnungen getarnt sind. Hinkleinen Waldhütte formt, wird sie nicht nur ein Gesicht bleiben«, »Blick nach Babelsberg«, in: FK, Nr. 121, 26. 5. 1934, 16. Jg. 414 Ganghofer 1983, S. 17. 415 Den Gegenbeweis wird die Verfilmung von 1973 antreten. 416 Gundi zeigt ihr die Nachricht des Vaters: »Kleesberg, Schloß Hubertus, oberbayern aus överlua: bin besorgt um gesundheitszustand geissleins stop italienreise einverstanden stop schiesse hier gute elche stop grüsse an geisslein egge.«.

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zugefügt wurden auch die Verwechslungsspiele, die beginnen, als Tassilo bei Kitty und Forbeck in der Hütte auftaucht. Der Maler leugnet verzweifelt den Besuch, Tassilo jedoch erkennt seine Schwester an den aufgehängten Strümpfen. Bei dieser Gelegenheit muss Forbeck auch erfahren, dass er den Vater der Geschwister portraitiert (und beleidigt) hat. Auch Gundi ist als komische Alte inszeniert. Die panisch durch den Regen flüchtende Tante verkennt den treuen Franz und echauffiert sich im rettenden Arme Tassilos: »Warum verfolgen Sie mich?«.417 »Ich wollte nur sagen, dass Sie vor mir keine Angst haben brauchen«, kommentiert Franz verdattert. Das ist aber auch seine einzige komische Szene. Ansonsten erscheint Paul Richter, »der stets den naturverbundenen, wortkargen, geradlinigen Helden gibt«,418 in seiner Darbietung der Figur grundlegend seriös und ernsthaft in allen Ansinnen. Seine Konflikte ergeben sich – analog zum Roman – in Opposition zu dem Intriganten Schipper. Dieser schneidet erst die Krucken des vom Grafen erlegten Bocks ab, versteckt sie und diffamiert dann Franz. Im Zuge der Treibjagd kommt es – ganz wie in der Vorlage unter Verzicht auf Robert und Willy – zum Eklat: Der Graf schießt glücklich, sein Sohn Tassilo lässt den Bock passieren. Schipper denunziert den nicht geschossenen Sechzehnender beim Grafen, dieser wütet. Nachdem er den treuen Franz anbrüllt, vor allem aber anstarrt, bittet dieser um seine Entlassung. Das ist ein wichtiges Detail, das Franz aus der Passivität der Romanfigur herausholt. Auch hat er sich im Film nicht schuldig gemacht.419 Beim gemeinsamen Abstieg kommen Tassilo und er zur Gedenktafel von Franz’ Vater, der einst von einem Wilderer erschossen wurde. Hier darf Franz noch einmal seine Treue zum alten Grafen betonen, indem er ablehnt, beim Rivalen Herwegh als Jäger anzufangen.420 Die Liebesgeschichte von Franz und Mali Bruckner torpediert wiederum Schipper, der ihren Bruder zum Wildern überredet. Der Graf kann diesen Konflikt durch die Anstellung von Franz als Förster partiell entschärfen. Im letzten kleinen Finale jedoch muss Franz den Wilderer Bruckner und Schipper stellen, der von den Gendarmen verhaftet und abgeführt wird, nachdem Lenz 417 Gundi aber bleibt bei aller Komik durchaus moralische Instanz und wird keineswegs der Lächerlichkeit preisgegeben: Im Laufe der Geschichte gewinnt sie – eben durch die Sturheit und Abwesenheit Egges – zunehmend warme, sorgende Züge und sie ist es auch, die nach dem Portrait dem jungen Maler ins Gewissen redet, der daraufhin seine Sachen packt, um der Geliebten eine Existenz aufzubauen. 418 Kugler / Seeßlen 2005, S. 153. 419 Im Roman sind die Ereignisse ein wenig verwickelter : Tassilo schießt, Franz gibt den Fangschuss. Bei der Untersuchung des Hirsches stellt sich heraus, dass Tassilo nicht traf. Egge entlässt Franz daraufhin, weil er das Gebot der Stände missachtet hat, denn ein Jäger darf dem Herren kein Tier wegschießen, vgl. Ganghofer 1983, S. 208ff. 420 Im Roman ist die Tafel der Auftakt (das »Marterl«), bei ihr steht Kitty, vgl. Ganghofer 1983, S. 7f.

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Bruckner seiner Schwester gestand, dass Schipper Franz’ Vater tötete. Nun steht ihrem Glück nichts mehr im Wege. Interessant ist noch einmal ein Blick zurück auf die literarische Vorlage: Mit dem Glück der kleinen Leute nämlich schließt Ganghofer seinen Roman. Der Film endet nicht nur in der adeligen Familie, sondern mit der programmatischen Forderung des Grafen an den Maler und dem letzten Bild – der Totale des Gletschers – in einer ästhetisierten und gleichsam funktionalisierten Natur. Diese Umdeutung verweist auf einen gesellschaftlichen Wandel, den der Film verhandelt.

3.3.7 Natur als Akteur, Inszenierung der Landschaft Die Rezensenten, die den Film allesamt kritisieren, eint das Lob der Landschaftsund Naturaufnahmen, zuweilen nicht ganz frei von Ironie: Nun – wir springen mit zwischen den Gemsen, den Treibjagden – den Erfolg aufs Herz entscheidet, von den prachtvoll ausgeschnittenen Gebirgspanoramen abgesehen – entzückend die kleine Bahnstation – die Tierwelt. Ein Wurf junger Dachshunde im Körbchen – das Frauenpublikum schwimmt in Wonne und ein Vielender, ein Prachthirsch, der – nicht geschossen wird.421

Die Gebirgslandschaft ist wichtiger Teil der filmischen Erzählung: Über Schwenks in den Himmel werden Szenenübergänge organisiert, die Landschaftsaufnahmen sind konsequent in die Filmhandlung integriert. Die Figuren in der Landschaft erscheinen so, dass ein Blick in die Weite zugelassen wird: Wenn sich Mali und Franz am Beginn jodelnd im Gebirge treffen, wird diese Inszenierung etwa evident. Ähnlich ist auch das Arrangement, als Forbeck den Grafen bei der zufälligen Begegnung zeichnet. Das Gewitter, das folgt und in die gelöste Stimmung hereinbricht, wird mit heraufziehenden Wolken über den Bergen in einer Totale angekündigt, verstärkt wird die Bedrohung durch die Musik. Es folgen in raschem Wechsel Aufnahmen der Protagonisten: Der Graf vor der Hütte im peitschenden Wind, Schipper fliehend durch den Fluss und schließlich Kitty und Gundi, die der Regen überrascht, als sie den Grafen zum Todestag Willys aufsuchen wollen. Der Regen peitscht die Personen in der Landschaft, Blitze zucken durch die Bilder. Eine entfesselte Natur wird in Szene gesetzt, die erhaben und mächtig zugleich die Kleinheit der handelnden Personen vorführt und ihre Wege mitbestimmen wird. In der letzten Aufnahme wird sie wieder majestätisch und friedlich in einer Totalen eingefangen. Die Tieraufnahmen wirken dagegen fast unscheinbar : Der Hirsch, den Tassilo nicht 421 Vgl. »Schloß Hubertus«, in: FK, Nr. 186, 10. 8. 1934, 16. Jg., vgl. auch »[E]rfreulich sind die Bergaufnahmen und die Jagdaufnahmen mit den Gemsenherden und mit dem sichernden Hirsch«, »Schloß Hubertus«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 38, 1934, 13. Jg.

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schießen wird, ist sorgsam fotografiert. Zuvor sind in einer Totale die Gemsen im Bild, die von den Treibern aufgescheucht werden. Eine Brücke zwischen der Inszenierung einer mächtigen Natur und deren Symbolhaftigkeit bilden die Adler. Der Film beginnt mit Nahaufnahmen dieser auf einem Felsen, erhöht wird das Tier durch die leichte Untersicht der Kamera. Der Graf und sein Jäger kommentieren ihre Entdeckung. Diese Szene ist der Verweis zum dramatischen Höhepunkt des Films, als der Graf den Horst ausheben wird. Dennoch bleibt der Aufstieg zum Adlerhorst kaum mehr als dramaturgische Setzung: Der Graf hat nicht wie im Roman bereits gefangene Adler auf dem Schloss, die mit dem Untergang der Grafenfamilie verknüpft sind.422 Waren die eingesperrten Tiere, die im Laufe des Romans zugrundegehen und nach der Erblindung des Grafen von ihm erschossen werden und ihn durch die Blutvergiftung töten, metaphorisch eng an den Hochmut des Herrn geknüpft,423 der im Roman das Leben aller Figuren eigensinnig beherrscht, gibt es hier eine Umdeutung. Sie avancieren zu Symbolen einer nicht zu beherrschenden Natur einerseits und Freiheit andererseits, als majestätischer Teil der sorgsam inszenierten Gebirgslandschaft. Wenn man die Gewitterszene in der Filmhandlung verortet, erscheint dabei gleichsam ein Moment der Bestrafung des überheblichen Grafen: Das Gewitter bricht los, als er der Jagd frönt, statt der trauernden Tochter beizustehen. Der Hochmut am Adlerhorst wird mit Blindheit bestraft. In diesem Sinne lässt sich auch das dramatische Finale deuten: Während der treue Franz um seinen Grafen zittert,424 besteigt dieser in einer eindrücklichen Szene und Szenerie die Wand zum Adlernest. Die Kamera wechselt zwischen der Subjektive des Grafen (etwa im Blick auf die schwankenden Leitern) und Totalen von allen Seiten, die nicht nur die Spannung des Aufstiegs erhöhen, sondern vor allem auch zunehmend die Winzigkeit des Menschen in der Berglandschaft preisgeben (Abb. 25). Der dramatische Höhepunkt des Aufstiegs ist erreicht, als der Adler angreift, bedrohlichen Nahaufnahmen folgen hektische Bilder des Kampfes. Franz darf seinen Herrn mit einem gezielten Schuss retten. Der Graf aber erblindet im weißen Dung, als er die Küken aus dem Nest heben möchte und schreit markerschütternd. Ohne Augenlicht erkennt er endlich die Liebe seiner Kinder.

422 Vgl. auch Werle 1989, S. 23. 423 Egge stirbt an einer Sepsis, die er sich bei einer Verletzung durch die Adler zuzieht. Der Arzt berichtet Tassilo: »›Ihr Vater ist verloren. Blutvergiftung. Das Wort ist unerbittlich.‹ Bleich fiel Tassilo auf eine Gartenbank und bedeckte das Gesicht. Es währte lange, bis er zu sprechen vermochte: ›Blind? Und jetzt der Tod? Unerbittlich?‹«, Ganghofer 1983, S. 460. 424 Auch diese Sequenz beginnt – ähnlich wie der Beginn des Films – mit einer Aufnahme der beiden in leichter Untersicht.

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Abb. 25: Schloss Hubertus (1934): Aufstieg zum Adlerhorst

3.3.8 Rezensionen, Reaktionen Wie bereits in den einzelnen Kommentaren der Rezensenten aufschien, war das Echo auf die Filmpremiere abseits der Naturaufnahmen keineswegs positiv. Die Münchener Film-Zeitung kritisierte den Film vor allem mit Blick auf die Romanvorlage: Wenn man das geschriebene Romanwort liest, dann kann man sich vielleicht aus eigener Phantasie Blut und Landschaft voller Natur dazu ersinnen. Sieht man den Film, dann stört die Häufung der bekannten Motive, es stört das offensichtliche Zutageliegen der Fäden, es stört die Schablone der Menschencharakterisierung.425

Darüber hinaus werden einzelne Filmfehler moniert.426 Der Kritiker des FilmKuriers urteilt noch vernichtender : »Denn was liegt schon am anderen Ufer, am Wegesrand der anderen Kreuzwegstraße, die dieser Film und seine Bearbeiter befahren. Wirklich nur problemloser, konturenloser, substanzleerer Kitsch.«427 Diesen führt er an der Dramaturgie des Films vor, schließt jedoch: »Der Reigen der Mitwirkenden zog der immer wieder einsetzende Beifall vor den Vorhang.«428 Zu dem gleichen Schluss kommt auch Paimann’s Filmlisten: »Nicht qualitativ, wohl aber in der Wirkung insbesondere auf Vorstadt- u. Provinzpublikum über dem Durchschnitt.«429 Lediglich der Rezensent von Der Kinematograph besprach den Film vom Ausgangspunkt seines »lebhaften Anklang[s]« beim Publikum und damit durchweg positiv.430 Auch der Völkische Beobachter 425 [E. R.]: »Schloß Hubertus«, in: Deutsche Filmzeitung München, Nr. 38, 1934, 13. Jg., S. 4. 426 Etwa der abgeschossene Adler, der einen Moment zu kurz im Bild bleibt, die erwähnten Dialektprobleme Hertha Morells, vgl. ebd. 427 »Schloß Hubertus«, in: FK, Nr. 186, 10. 8. 1934, 16. Jg. 428 Ebd. 429 »Schloß Hubertus«, in: Paimann’s Filmlisten, Nr. 958, 17. 8. 1934, 19. Jg. 430 »Schloß Hubertus«, in: Der Kinematograph, Nr. 154, 11. 8. 1934, 28. Jg.

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konstatierte: »Das Publikum klatschte den zum Teil unbekannten Darstellern begeistert zu. Ein lohnender Abend, an dem der Nachwuchs siegte!«431 Zumindest nach den Anzeigen des Ufa-Verleihs im Film-Kurier zu schließen, bewahrheitet sich diese Einschätzung: Stuttgart meldet nach vier Tagen bereits 16.000 Zuschauer, »Bestes Ergebnis seit Ben Hur«,432 das Capitol in Wittenberg den Hausrekord, »20 % der Gesamt-Einwohnerzahl« sah Schloss Hubertus,433 im Ufa-Palast Koblenz waren es nach sieben Tagen 8.501 Zuschauer,434 in Kassel »trotz schönstem Wetter« 7857 Besucher.435 Noch Anfang Oktober können etwa die Luitpold-Lichtspiele in Augsburg »täglich ein ausverkauftes Haus« melden,436 was auf eine rege Auswertung schließen lässt, die sich aber nicht mit Zuschauerzahlen belegen lässt. Bereits zwei Jahre später ist die Ostermayr-Produktion Teil einer Erfolgsgeschichte, im Zuge derer der Produzent zum künstlerischen Oberleiter erhoben wird: Peter Ostermayr gehört zu den alten vielerprobten Kämpen des deutschen Films, der seine Feuertaufe im Wirbel der Inflation und der damals tonangebenden Ausstattungsfilme erhielt […]. Mit dem unter seiner künstlerischen Oberleitung hergestellten Film ›Schloß Hubertus‹ trat er 1934 wieder vor die Öffentlichkeit, und es zeigte sich, dass ihm der Erfolg treu geblieben war. Die romantische Kleinmalerei des ländlichen Milieus, das farbige Kolorit heimatlicher Stimmung und die sichere Gestaltung lebenwahrer und erdverwurzelter Menschen inmitten der allzeit packenden Natur, all das versteht Peter Ostermayr volksliedhaft im optischen Spiel der Linse so symphonisch zu erfassen, dass er des Echos in den Herzen der Menschen gewiss ist.437

Der Erfolg des Films schien anzuhalten. Am 20. Januar 1950 berichtet die FSK dem Kopp-Verleih von der Freigabe des Films unter der Kontrollnummer 779 ab 16 Jahren und zur Vorführung an stillen Feiertagen. Diese tritt in Kraft, wenn alle Hinweise auf die UFA aus dem Vorspann entfernt sind.438 Der zeitliche Abstand zum Remake schrumpft so in rezeptionshistorischer Perspektive: Bereits drei Jahre später beginnen die Dreharbeiten zum farbigen Remake des Films, das von der FSK sowohl als jugendfördernd als auch -geeignet freigegeben werden wird.

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Zitiert nach der Anzeige des Ufa-Verleihs, in: FK, Nr. 200, 27. 8. 1934, 16. Jg. FK, Nr. 3. 9. 1934, Nr. 206, 16. Jg., S. 1. FK, Nr. 210, 7. 9. 1934, 16. Jg., S. 1 und FK, Nr. 211, 8. 09. 1934, 16. Jg., S. 1. FK, Nr. 206, 6. 9. 1934, 16. Jg., S. 1. FK, Nr. 212, 10. 9. 1934, 16. Jg, S. 1. FK, Nr. 231, 22. 10. 1934, 16. Jg., S. 1. Filmwoche, Nr. 9, 1936, 14. Jg., zitiert nach Hobsch 2010, Bd. 5, S. 50. FSK-Akte, Prüfnummer 779.

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Die farbige Inszenierung von Schloss Hubertus legt eine Neuinterpretation vor. Die Familiengeschichte um den verbitterten Grafen und seine Jäger ist hier nur noch Ausgangspunkt. Zentral werden nun die Geschichten der Kinder verhandelt: der Tod des kranken Willy und die Liebesgeschichten Tassilos und Kittys. Das alles nun in weit weniger schicksalhafter Naturumgebung als vielmehr in einer Landschaft: fröhlicher blauer Himmel und weiße Wolken, Standesprobleme sind pass8. 3.4.1 Produktionsdaten: »Peter Ostermayr meldet keine Filmstaffel, dafür aber Schloß Hubertus«439 Das Drehbuch bearbeitete Peter Ostermayr selbst und allein.440 Die Dreharbeiten des Films unter der Regie von Helmut Weiß begannen Ende April 1954,441 am 27. April 1954 fiel in den Ateliers am Geiselgasteig die erste Klappe. Der Film wird im Garutso-Plastorama-Verfahren in Agfacolor gedreht.442 Das heißt, dem Publikum wird nicht nur ein Farbfilm vorgeführt, sondern dieser ist darüber hinaus im Breitwandverfahren (1,85:1) mit einer Kameralinse aufgenommen, die einen größeren Tiefenschärfebereich abbildet. Bereits 1953 lässt Produzent Eric Pommer mit diesem Verfahren den Film Eine Liebesgeschichte (Rudolf Jugert) mit Hildegard Knef in der Hauptrolle drehen.443 Mit einem deutlich antiamerikanischen Unterton berichtet Erwin Kreker in der Filmwoche: Angeregt erzählt Pommer, wie er bei seinem Besuch in Amerika in dieser Erfindung eine optische Lösung kennen lernte [sic], die durch Verwendung der nach ihrem Erfinder »Garutso-Optik« benannten Drei-Linsen-Optik nicht nur an jeder modernen Kamera anzubringen ist, sondern durch ihre verblüffende gleichmäßige Rand-, Mittelund Tiefenschärfe dem Bild eine nahezu plastische Wirkung gibt, ohne sich jedoch der bisher bekannten technischen Mittel für plastische Aufnahmeverfahren zu bedienen. Merkwürdigerweise ging man in Hollywood an dieser interessanten Entdeckung vorbei!444

439 440 441 442 443

FE, Nr. 28, 10. 07. 1954, 8. Jg., S. 779. Talmon-Gros: »Schloß Hubertus«, in: FE, Nr. 37, 11. 9. 1954, 8. Jg., S. 1032. »Aus der Produktion«, in: FE, Nr. 17, 24. 4. 1954, 8. Jg., S. 444. »Aus der Produktion«, in: FE, Nr. 19, 8. 5. 1954, 8. Jg., S. 492. Der Film wurde am 25. 2. 1954 in Hannover uraufgeführt und als »wertvoll« prädikatisiert. Hans Schneeberger erhielt den Deutschen Filmpreis für die »beste Kameraführung«, vgl. Bauer 1981, S. 442f. 444 Erwin Kreker : »Garutso-Plastorama – ein Wendepunkt?«, in: FW, Nr. 9, 6. 3. 1954, 9. Jg., S. 195.

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Das stimmt so nicht. Bereits im Jahr zuvor war The Wild One (1953, L#szlj Benedek) mit den Garutso balanced lenses gedreht worden,445 er kam nur erst 1955 als Der Wilde in die deutschen Kinos. Das Verfahren zeichnet – neben dem stereophon aufgenommenen Ton – vor allem aus, dass es nicht nötig ist, »Vertragsabschlüsse auf bestimmte Theater, die für die Breitwandvorführung eingerichtet sind, abzustellen«. Die Filme können im Normal- und im Breitwandformat gespielt werden, »Brillen sind nicht erforderlich«.446 Da der Film – wie so oft im Zuge der Recherchen – nicht im Kino zu besichtigen war, müssen sich die Aussagen zur Umsetzung des Verfahrens auf das Presseecho stützen: »Was Plastorama betrifft, so sind die mit der Garutso-Linse erzielten Bilder eher malerisch als plastisch. Aber was den Landschaftsaufnahmen zugute kommt, erweist sich besonders bei Halbtotal-Einstellungen als verbesserungsfähig, denn hier erscheinen die Darsteller zu malerisch unscharf.«447 Der Film-Dienst lobt die »fast dokumentarische[n] Züge« des Verfahrens bei den Aufnahmen der Gemsenjagd, der Evangelische Film-Beobachter hingegen konstatierte skeptisch: »Angeblich ist dies der erste Garutso-Plastorama-Film der Welt.«448 Überwältigend kann das neue Verfahren zeitgenössisch – zumindest für die Filmkritiker – nicht gewesen sein. Darüber hinaus aber ist die technische Neuerung vor allem auch ein guter Reklamehinweis. In der Hauszeitung der Ostermayr-Produktion, Ostermayr-Express, wird eine Sondernummer zum Verfahren produziert.449 Im Juli wird das Ende der Dreharbeiten verkündet: »Lediglich die Hochgebirgs- und Adleraufnahmen vor der Kamera von Albert H o e c h t konnten wegen des Wintereinbruchs in den Alpen noch nicht beendet werden.«450 Für die Kamera verantwortlich ist Franz Koch, seit 1913 Mitarbeiter Ostermayrs, was dieser auch noch in den 1950er Jahren gern betont.451 Am 28. August zieren Michael Heltau und Marianne Koch das Titelblatt der Filmzeitschrift und der »erste Garutso-Plastorama-Farbfilm der Welt« ist angekündigt. Am 23. August 445 Vorspann des Films. 446 [EdM]: »Vorteile des Garutso-Plastorama-Verfahrens«, in: FW, Nr. 33, 21. 9. 1954, 9. Jg., S. 779. 447 Talmon-Gros: »Schloß Hubertus«, in: FE, Nr. 37, 11. 9. 1954, 8. Jg., S. 1032. 448 [c.k.]: »Schloß Hubertus«, in: EFB, Nr. 42, 14. 10. 1954, 6. Jg. 449 »Neues vom Ostermayr-Film«, in: FW, Nr. 15, 17. 4. 1954, 9. Jg., S. 333. 450 »Besuch in deutschen Ateliers«, in: FE, Nr. 29, 17. 7. 1954, S. 808. 451 Franz Koch, einer der »routiniertesten Aufnahmeoperateure des deutschen Kinos« lernte bei Ostermayr ab 1913, 1920 wurde er Chefkameramann der Emelka, Weniger 2001, Bd. 4, S. 426. Ostermayr betont noch 1957 in seiner bereits zitierten Rede: »Im gleichen Atemzug muß ich meinen seit 1951 wieder in ununterbrochener Reihenfolge bei mir tätigen Kameramann Franz Koch nennen, der heute zur Spitzenklasse der deutschen Kameramänner zählt. Er hat bei mir im photographischen Porträt-Atelier seine dreijährige Lehrzeit durchgestanden, bevor er die Filmkamera bedienen durfte«, Ostermayr 1957, S. 11. 1959 stirbt Koch.

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von der FSK geprüft und einstimmig »zur Vorführung vor Jugendlichen von 10– 16 Jahren (jugendgeeignet) sowie für Kinder unter zehn Jahren (jugendfördernd) freigegeben«, wurde der Film am 24. August uraufgeführt.452 Ein Prädikat indes erhielt er nicht.453 Bereits am 4. September erscheint eine Anzeige: »Über 100000 Besucher sahen in der ersten Woche Peter Ostermayr’s Schloss Hubertus«.454 3.4.2 Darsteller: Nachwuchs und Stars der 1930er Jahre Abgesehen von Marianne Koch als Kitty ist auch diese Verfilmung vom Filmnachwuchs geprägt. Marianne Koch debütierte 1950 beim Film, bereits 1953 hatte sie eine Hauptrolle in der Ganghofer-Verfilmung Der Klosterjäger gespielt, 1955 wird sie für ihre Rolle in Des Teufels General mit dem Filmband in Silber in der Kategorie Beste Nebendarstellerin geehrt werden.455 1955 spielt sie unter der Regie ihres »Entdeckers«, Viktor von Tourjansky, die weibliche Hauptrolle in Königswalzer, 1956/57 wird sie in zwei weiteren Remakes zu sehen sein: Salzburger Geschichten und Wenn wir alle Engel wären. Daneben spielen im Remake von Schloss Hubertus Debütanten wie Heinz Baumann (Tassilo), Renate Hoy (Anna Herwegh) und Raidar Müller-Elmau (Willy), Michael Heltau (Forbeck) und Erika Remberg (Lieserl). Ganz anders die älteren Darsteller, Filmstars vergangener Jahrzehnte, die immer noch populär waren: Lil Dagover (Gundi von Kleesberg) hatte im Juni bei der Berlinale 1954 gerade das Filmband in Silber für die beste weibliche Nebenrolle in Königliche Hoheit (1953, Harald Braun) verliehen bekommen.456 Daneben spielen Gustav Waldau (Moser) und schließlich in einer winzigen Rolle als Arzt Walter Janssen. Mit Paul Richter als Franz knüpft die Besetzung an eine Standardbesetzung an.457 In dieser gewissermaßen alten Neubesetzung spiegeln sich die Ambivalenzen, denn in der Kontinuität ist eine Umdeutung der Figur 452 »Schloß Hubertus«, in: FD, Nr. 36, 3. 9. 1954, 7. Jg., FSK-Akte, Prüfnummer 8345. 453 In dem Artikel, in dem Ostermayr die Lage des deutschen Films einschätzt, bemerkt der Korrespondent des Film-Echos: »Vor uns liegt die ablehnende Begründung für ›Schloß Hubertus‹. Fürwahr eine beschämende Begründung, in sich voller Widersprüche und geeignet, die Urteilsfähigkeit dieses Bewertungsgremiums mit Recht erheblich in Frage zu stellen«, »Ich glaube an den Wiederaufstieg des deutschen Films«, in: FE, Nr. 52, 24. 12. 1954, 8. Jg. 454 FE, Nr. 36, 4. 09. 1954, 8. Jg., S. 998 (Hervorhebungen im Original). 455 Weniger 2001, Bd. 4, S. 429. 456 »Die deutschen Filmpreise 1954«, in: FW, Nr. 24, 23. 6. 1954, 9. Jg. 457 Diese Besetzungspolitik hat Schloss Hubertus keineswegs exklusiv, wie sich in den anderen Ganghofer-Remakes zeigte. Noch auffälliger sind die Wiederbesetzungen in Das Schweigen im Walde: Paul Richter, 1937 Hauptdarsteller des Grafen Ettingen, ist nun in die zweite Reihe gerückt und gibt den Jagdverwalter. Gustl Gstettenbauer spielt in beiden Verfilmungen Beppi, den treuen Begleiter des Grafen.

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impliziert. Die Hauptfigur des Grafen gibt Friedrich Domin, ausgebildet bei Max Reinhardt, seit 1934 im Ensemble der Münchener Kammerspiele, seit 1939 in Filmrollen auf den Leinwänden zu sehen.458 Domin spielte auch den Vater in Franziska (1957), den gütigen Richter in Der Edelweisskönig (1957) und den abwägenden Vater Mingos in …und nichts als die Wahrheit (1958) innerhalb des hier untersuchten Remakekorpus. Im Jahr der Uraufführung von Schloss Hubertus verkörpert er Bismarck in Ludwig II. (1954) und Hindenburg in Sauerbruch (1954), was für den erkennenden Patriarchen im Remake wichtig ist. Diese Differenzen in der Besetzung, die auch bei anderen Remakes auffielen, sind zweifelsohne zeittypische Phänomene nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine prominente Garde solide ausgebildeter, erfahrener Schauspieler agiert neben jungen Gesichtern, deren männlicher Nachwuchs von den Verlusten und Ausbildungsdefiziten durch den Zweiten Weltkrieg betroffen ist. Im Vergleich mit den anderen Detailanalysen aber zeigt sich, dass hier an ein Konzept der Starlosigkeit angeknüpft wird: Denn sowohl in Vor Sonnenuntergang mit Annemarie Düringer und Claus Biederstaedt als auch in Die Deutschmeister mit Romy Schneider und Siegfried Breuer jun. wurde deutlich prominenter besetzt. 3.4.3 Umdeutungen: Familienkonflikte im Fokus Es deutete sich bereits an, dass Ostermayrs Drehbuch nur partiell die gleiche Geschichte wie der Vorgängerfilm erzählt, obgleich es auf den ersten Blick eng dem Roman verpflichtet bleibt: Willy spielt wieder mit. Inszeniert wird nun neben den Geschichten Kittys und Tassilos auch sein Tod. Allerdings markiert sich in der Handlung um Willy zugleich eine Umdeutung des Romans: Während er bei Ganghofer ein leichtfertiger Bursche war, der die moralische Problematik seines Handelns durchaus reflektierte, dem guten Tassilo Besserung versprach, von Liesel lassen wollte und allein gelassen vom Vater schließlich Opfer seiner eigenen Schwäche wurde,459 erscheint er im Film vollkommen wertfrei als Luftikus in Liebesdingen. Wie schon in den beiden anderen Remakes findet sich auch hier wieder der Sexualitätsverweis. In diesem Kontext ist Liesl vor allem ein verliebtes Mädchen, das davon träumt, Gräfin zu werden. In der Familienkonstellation ist eine weitere Verschiebung zu beobachten: Tante Gundi avanciert zur wissenden Vertrauten, die aktiv auf Seiten der Kinder die Ereignisse mitbestimmt. Den komischen Part gibt sie an den Diener Moser ab, der in zahlreichen Szenen am Rande den schrulligen Alten im Schloss geben darf. Die Komik ist ähnlich wie in den beiden anderen untersuchten Filmen und 458 Weniger 2001, Bd. 2, S. 416. 459 Vgl. Ganghofer 1983, S. 166ff.

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anderen Remakes aus dem Familienensemble ausgelagert,460 bekommt aber mehr eigenen Inszenierungsraum außerhalb der Handlung. Die Konflikte bleiben dagegen konsequent in der Familie, wie es auch schon in Vor Sonnenuntergang zu beobachten war. Während es in dieser Verfilmung jedoch möglich war, diese Verschiebung als Werktreue dem Drama Hauptmanns gegenüber zu interpretieren, ist das in Schloss Hubertus unmöglich. Die neue Verfilmung kappt die Geschichte um Franz’ Vergangenheit, Konflikte und Liebesglück vollkommen – mit Blick auf den Vorgängerfilm und die Romanvorlage. Zwar behält das Remake die Antagonisten Schipper und Franz bei, aber Franz ist bereits mit Mali verheiratet. Dramaturgisch ist damit das buffo-Paar verschwunden. Vor allem aber fehlt Franz’ Familiengeschichte nun gänzlich. Das könnte man nun kritisch als Ausweichstrategie gegenüber einer problematisch gewordenen Vergangenheit interpretieren, zumal die filmische Inszenierung auf eine Handlungszeit in der Nachkriegszeit verweist. Doch es bietet sich auch eine pragmatische Lesart als Fortsetzung der Geschichte an: Franz’ Familiengeschichte wurde 20 Jahre zuvor bereits inszeniert, der Fokus der neuen filmischen Ausdeutung des Stoffes wird zur Grafenfamilie verschoben. Mit Paul Richter als Wiederbesetzung erscheint eine solche Lesart plausibel, der zugleich ein deutliches Kontinuitätsmoment innewohnt. Franz’ Treue und Ergebenheit dem Grafen gegenüber bleiben unangetastet. Vor Schipper wird Franz immer wieder gewarnt, aber dieser setzt zu keiner einzigen Intrige an, allenfalls zu verbalen Provokationen. Der einzige Konflikt, den Franz und Mali in der Neuverfilmung haben, ist die (Un-)Möglichkeit, eine eigene Familie zu gründen. Im Gegenzug wird der Konflikt um Patscheider, den der Vorgängerfilm nur am Rande verhandelte, aufgewertet und zwar tatsächlich im Sinne des Romans: Patscheider kämpft gegen Wilderer in seinem Revier. Seine Entscheidungen werden wiederum aus familiären Gründen fallen. So weist nicht nur die Veränderung der Haupthandlung, sondern ebenso die der Nebenhandlungsstränge auf die Verlagerung der Konflikte ins Familiäre. Es deuten sich Konsequenzen für Figuren und Ensemble sowie eine geradlinigere Handlungsführung an. 3.4.4 Problematisches Patriarchat Erschien Egge in der Verfilmung von 1934 als adeliger Patriarch, ist er 20 Jahre später um sein Attribut gebracht. Zwar trägt die Figur am Beginn des Films immer noch autoritäre Züge, aber der Konflikt um Standesunterschiede ist pass8, vielmehr erscheint der Patriarch weicher und zwar sowohl in Bezug auf 460 In Vor Sonnenuntergang verlor der Gegenspieler Klamroth seine schnodderigen Züge, in Die Deutschmeister war die Tante keine überzeichnete Figur mehr, sondern Vertraute.

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seine Handlungen als auch auf seine Körperlichkeit. Dass er Tassilo auch diesmal verkündet, dass zwischen ihnen nun »die Jagdgrenze« verläuft,461 ist wieder Reminiszenz an den Roman oder schlicht Zitat. Die Aussage resultiert konkret aus der Wut des Grafen über das Zuspätkommen des Sohnes zur Versteigerung, wodurch die Jagdreviere an Anna Herweghs Vater verkauft wurden. Er unterstellt dem Sohn, absichtlich den Kauf verhindert zu haben, um dem zukünftigen Schwiegervater einen Gefallen zu tun. Egges Härte resultiert daraus, dass er dem Familien- bzw. menschlichen Zusammenleben schlicht weniger Gewicht beimisst als der Jagd – das enthüllen die einzelnen Handlungsstränge im Laufe des Films. Franz bittet ihn am Beginn um die Försterstelle, um mit seiner Frau Mali, die im Schloss angestellt ist, eine Familie gründen zu können. Der Graf reagiert abfällig. Als der Jäger Patscheider von den Wilderern berichtet und um Hilfe bittet, sagt der Graf hart, er solle mit ihnen ebenso verfahren wie diese mit seinem Wild. Patscheider verweist auf seine Frau und die vier Kinder und äußert moralische Bedenken. »Für mich bist du Jäger, sonst nichts«, lautet die knappe Antwort – noch. Bei der Treibjagd verspricht er seinem Sohn Willy, ihm den kommenden Bock zu überlassen. Im Übereifer schießt er ihn doch selbst. Egges »Jagdfieber« ist hier weder die düstere Leidenschaft des Romans noch ein Standesprivileg gepaart mit mangelndem Respekt vor Menschen und Natur, sondern vor allem ein egozentrischer Gegenpart zu sozialen Verpflichtungen. Ein kleiner Verweis darauf, warum der Graf diese meidet, mag der Kommentar von Liesls Mutter sein, der Graf war »mit einer vom Theater verheiratet«, enttäuschte Liebe also. Der Patriarch wird im Laufe der Handlung den Wert der Familie entdecken. Ein wichtiger Wandel ist, dass dieser Erkenntnisprozess durch das Kappen der Handlung um Franz fast kontinuierlich erzählt wird. Anders als der Egge von 1934 begreift der Graf nun peu / peu seine eigene Ignoranz gegenüber den Kindern, der autoritäre Vater kann zur Versöhnung schreiten.462 Am Beginn der Treibjagdszene mit Willy zeigt sich ein zweites wichtiges Moment der gewandelten Grafenfigur : Als Willy erschöpft an der Hütte ankommt, sorgt sich der Vater um ihn und stellt die Nähe zum Sohn über eine fürsorgliche Berührung des Arms her. Körperliche Zuwendung war im Vorgängerfilm allein der Tochter vorbehalten. Im Erkenntnisprozess des Grafen markiert der Tod des Sohnes einen ersten wichtigen Wendepunkt: Nicht nur sein verzweifelter Schrei weist eindrücklich, sinnlich darauf hin, auch erweicht er gegenüber dem Vater Bernlochner, der seinen vermissten Sohn sucht. Rüde hatte 461 Ganghofer 1983, S. 217. 462 Dieser Befund deckt sich mit der Zusammenfassung, die Ulrike Weckel in der bereits erwähnten Analyse von Der letzte Mann (1955) formuliert: »[D]ie Restauration väterlicher Autorität [bekommt] hier doch ein sehr menschliches Antlitz verpasst«, Weckel 2003, S. 129.

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Abb. 26 und 27: Schloss Hubertus (1954): Mühsamer Abstieg nach Erblindung

er ihn vorher als Vater eines Wilderers abgewiesen. Nun verkündet er im Schmerz um Willy : »Der Bub muss gefunden werden.« Sodann aber zieht er sich wieder in seine Welt des Jagens zurück, er geht auf jene Reise, die er auch in Roman und Vorgängerfilm unternahm. In dieses erneute Ausbrechen der Leidenschaft, die hier eher als Rückzug und Flucht vor der Trauer erscheint, ist auch das Ausheben des Adlerhorsts eingebunden. Wie bereits im Vorgängerfilm ist sie somit nur lose – ebenfalls durch Adler am Beginn des Films – in die Haupthandlung integriert; also ein Detail des Romans, das keine Verfilmung ignorieren kann. Weitaus eindrucksvoller ist hier der Abstieg des erblindeten Grafen inszeniert: Von Schmerzen geplagt am Rande seiner Kräfte steigt, rutscht und fällt er die Leitern hinunter (Abb. 26 und 27). In diesen Szenen deutet sich eine grundlegend andere Inszenierung von Körperlichkeit an: Sowohl die Gesten seinem kranken Sohn gegenüber als auch die Inszenierung seines verletzten Abstiegs verweisen auf Zärtlichkeit und Verwundbarkeit des Patriarchen. Diese Inszenierung männlicher Körperlichkeit in Stärke, Fürsorge und Schwäche fand sich bereits im Wandel von Der Herrscher (1937) zu Vor Sonnenuntergang (1956). Im Schloss erlebt der Zuschauer einen gefassten Blinden. Gundi kann ihm gar die Mitteilung von Kittys Liebe zu Forbeck machen, bevor er sich mit Kindern und Schwiegerkindern versöhnt. Das Drehbuch folgt in Bezug auf Forbeck zunächst dem Bekannten: »Malen Sie einen Berg. Malen Sie einen Wald, die Hügel drumrum.« Das happy end aber dreht die Aussöhnung mit den Geschwistern um und bezieht Tassilo und Anna ein. Der Graf erkennt: »Einer, der mächtiger ist als wir, hat ihn [den Kampf] beendet und mich besiegt.« Egge lässt sich zu Anna führen und bittet sie um Vergebung, bevor abgeblendet wird. Konsequent endet diese Verfilmung in der umfassenden familiären Versöhnung. Nebenher erhalten Unglück und Wandlung eine sinnhaft-religiöse Komponente, abgelöst wird die schicksalhafte Natur. Diese Umdeutung kann man im Kontext des politi-

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schen Wandels vom Nationalsozialismus in die christlich geprägte AdenauerZeit deuten. Anders als Egge 1934 muss er 1954 auch eine gleichberechtigte Frauenfigur dulden. Tante Gundi nämlich wacht – wie die Geschichte zwischen Forbeck und Kitty zeigen wird – sorgsam über das Glück der Kinder, erscheint aber nicht mehr als komische Alte. Vielmehr ist sie respektable Dame, schlagfertig, kritisch, humorvoll und aktiv. Lil Dagover spielt eine Tante, keine Mutter – eine Konstellation, die sich auch in Die Deutschmeister (1955) findet und dort auf ein Moment der generationellen Versöhnung verweist.463 Aufgewertet wird die Rolle der Tante auch durch die Besetzung. 3.4.5 Figurenensemble: Vielfalt der Jüngeren Strukturell bleibt auf der Ebene der jungen Paare das Verhältnis der KittyGeschichte zur eher knappen Tassilos gewahrt und doch zeigen sich Veränderungen. Diese jungen Paare erscheinen deutlich als Kinder der Entstehungszeit des Films: Bereits die erste Begegnung des Zuschauers mit Tassilo und Willy findet im Mercedes statt, in dem die Brüder vergnügt nach Schloss Hubertus fahren. Kitty fliegt Anna entgegen, die Freundinnen scherzen über Annas offensichtliches Interesse an Tassilo. Die Kitty der Verfilmung von 1954 mag mädchenhaft erscheinen, aber sie wird nicht mehr von Forbeck am Fluss gerettet, sondern hat eigenständig vor dem Gewitter Zuflucht in seiner Hütte gesucht, nachdem sie den Bruder ein Stück auf seinem Weg zum Vater geleitete. Vollkommen selbstverständlich bricht sie später allein nach München zur Hochzeit des Bruders auf. Die ersten Szenen mit Forbeck sind fröhlich, sittsam und auf Augenhöhe. Kitty begutachtet und bewundert seine Zeichnungen. Auch wenn hier die Gags des Vorgängerfilms aus dem Drehbuch weichen mussten, erlaubt sich die neue Inszenierung einen visuellen Spaß. Die Portraits, die Kitty ansieht, sind keine unbekannten Gesichter : Sie ähneln Hans Albers und Magda Schneider (Abb. 28). Bei allem mädchenhaften Selbstbewusstsein kommen sich Forbeck und Kitty dadurch näher, dass sie sich erschrocken vor dem Gewitter in seine Arme flüchtet. Jene Szenen, als Forbeck Kitty unter der nun liebevollen Aufsicht der Tante malt, erscheinen hingegen vollkommen anachronistisch. Kitty posiert im langen weißen Spitzenkleid mit sehnsuchtsvollem Blick, während die jungen Leute derweil ungehemmt flirten und sich schließlich sogar küssen, was die gewandelte Tante Gundi allenfalls amüsiert. Sie mahnt jedoch auch, dass das Einkommen des jungen Malers noch ungewiss sei. Darum müssen sie Abschied nehmen und wieder stapft – nach Schippers Verrat – in einer kleinen dramatischen Parallel463 Vgl. auch III. 1.4.3. Versöhnungsgeste I: Generationen, S. 301f.

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Abb. 28: Schloss Hubertus (1954): Stars in der Waldhütte?

montage Graf Egge zur Hütte, während das Paar sich ein letztes Mal umarmt. Die Hütte ist leer, als er eintrifft. Kitty und Forbeck sehen sich dank der gleichen List Gundis in Italien wieder.464 Aber sie sind nun am Meer – mit Motorboot, MartiniAschenbecher und Eisbecher, der Forbeck die kleine anzügliche Bemerkung erlaubt, er sei bestellt, damit Kitty sich in seiner Gegenwart abkühlen könne (Abb. 29). Dieser freizügigere Umgang mit der Zeit vor der Ehe im sittsam-sicheren Ambiente des Heimatfilms ist bemerkenswert. Zugleich wird moralische Integrität garantiert: Tassilo zeigt sich als verantwortungsbewusster Ehemann, der leichtsinnige Willy verunglückt und das dienende Paar – Franz und Mali – sind treu, ergeben und genügsam. Im Nebeneinander von Freizügigkeit und tradierter Rollenverteilung manifestiert sich die Übergangszeit. Einerseits wird ein weit weniger moralisch reglementierter Umgang der Paare vor der Ehe inszeniert und die Frauenrollen sind deutlich aufgewertet. Andererseits ist ein vorbildhaftes Dienerpaar installiert, das an ein Motiv anknüpft, das sich unter anderem auch in Kitty und die grosse Welt (1956) zeigt: die Integrität der »einfachen Menschen«, die dort in Opposition zur Politik gesetzt wird. Im diskursiven Ausgleich von Schloss Hubertus wird so klar, warum das buffo-Paar weichen musste. Andererseits kann man diese Veränderung als Strategie der Publikumswirksamkeit interpretieren, indem verschiedene Identifikationsfiguren angeboten werden.465 Damit aber verweist der Film zumindest partiell auch auf einen Wandel im gesellschaftlichen Wertespektrum, das sich in die Breite öffnet, der sich auch in weiteren Paarkonstellationen aufzeigen lässt. 464 Sie liest wiederum der überraschten Kitty das gleiche Telegramm des Vaters vor. 465 Die Figurenkonstellation bietet verschiedene Angebote zur Identifikation für das historische Kinopublikum, wobei es hier nicht – wie in der Einleitung dargelegt – um eine filmwissenschaftliche Ausdifferenzierung des Begriffs im Sinne Smiths geht. Identifikation als zentrale Kategorie von Unterhaltung, »als Brücke zwischen der fiktionalen Welt und der eigenen Erfahrung des Zuschauers«, betonen Andreas Dörner und Ludgera Vogt in ihrer Einleitung »Unterhaltungskultur als politische Kultur«, vgl. Dörner / Vogt 2012, S. 22.

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Abb. 29: Schloss Hubertus (1954): Liebesglück mit Martini-Aschenbecher

Franz und Mali sind sehr viel enger an ein konservatives Wertesystem gebunden. Sie sind verheiratet, klaglos, fröhlich dienend und ihr Konflikt mit dem Grafen resultiert einzig daraus, dass er ihnen die Möglichkeit der Familiengründung verwehrt. Franz kann als Jäger des Grafen nicht bei Mali sein, während diese als Angestellte des Schlosses arbeiten muss. Auf Franz’ erste Nachfrage wegen der Stelle offenbarte sich Egges Ignoranz gegenüber dem Familientraum. Als aber die fleißige Mali am Abend vor Willys Tod den Grafen bedient und sich herausstellt, dass der erschöpfte Franz wegen der Jagd am nächsten Tag bereits zu Bett gegangen sei, schwenkt der Graf um: »Ich muss sie wohl zur Försterin machen.« Aber einen »strammen Jagerbuben« bittet er sich aus und betont anzüglich, dass der wohl an diesem Abend nicht mehr entstehen kann. »S’recht«, antwortet die junge Frau ergeben. So bilden sie kontrastiv den vorbildhaften Gegenpart zum leichtsinnigen Willy und seiner Lieserl. Als Tassilo und Willy im Mercedes die Landstraße entlang fahren, treffen sie Lieserl mit ihrem Pferdewagen, die wegen des Schrecks über das Hupen in den Graben fährt. Willy und Lieserl haben offensichtlich Interesse aneinander: Während Tassilo zur Versteigerung eilt, küsst sein Bruder das Mädchen und fährt mit ihr im Arm weiter. Lieserl träumt in der Szene mit der Mutter nicht einfach nur davon, Gräfin zu werden, sondern konkret von »einem Wagen und schönen Kleidern«, während die Kamera ihr Bild im Spiegel einfängt – ebenfalls ein, wenn auch nur angedeuteter Konsumverweis. Willy hingegen wird bis zu seinem Tod vor allem mit Bezug auf seine Krankheit inszeniert; bei der Begegnung mit dem Vater und ebenso, als er Cognac trinkt, bevor er mit dem Spalier am Haus Lieserls abstürzt und stirbt. Interessant sind die Charakteristika der Schwäche Willys. Er ist nicht nur krank, sondern zugleich dem Mädchen als auch den Nervengiften zugetan, die seinen Gesundheitszustand ruinieren. So ist sein Tod einerseits Resultat des eigenen leichtfertigen Umgangs mit Drogen und Mädchen, andererseits betont nach dem Tode der Arzt dem Vater gegenüber, dass die Aufregung einer Treibjagd den Sohn ebenfalls hätte umbringen können. Diese Aussage lässt Willys

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Verhalten umso fragwürdiger erscheinen, verweist aber eben auch auf die Schuld des Vaters zurück und markiert so eine Etappe im Wandlungsprozess der Grafenfigur. Ein letzter wichtiger Punkt kristallisiert sich ebenfalls in der Geschichte Willys heraus: Die Liebe zwischen ihm und dem Bauernmädchen ist im Gegensatz zum Roman keine vollkommene amour fou, eher leichtsinnig. Diese junge Generation besteht aus modernen jungen Menschen, die je nach sozialem Hintergrund von Liebe (Kitty und Anna) oder Wohlstand (Lieserl) träumen. Die Standeshierarchien weichen sozialen Differenzen. Während die veränderte Nebenhandlung Franz um seine Familiengeschichte bringt, verändert sie auch die Konflikte um Schipper, die letzte wichtige Nebenfigur. Er tritt vor allem als verbaler Intrigant auf, indem er dem Grafen Gerüchte zusteckt und dabei selbst aktiv wildert. Dem Antagonisten der Geschichte stehen Franz und Patscheider gegenüber. Dabei verläuft Schippers Geschichte im Nichts, nach dem Ausheben des Adlerhorsts verschwindet er. Die Handlung um die Jäger ist zugunsten der Familienkonflikte sowie Tier- und Landschaftsaufnahmen zurückgenommen. 3.4.6 Landschaft, Tiere und Jagd Gerade im Vergleich mit dem Vorgängerfilm fällt auf, wie viel mehr Außenaufnahmen die Tiere des Gebirges zeigen: Gruppen von Gämsen am Berghang, der begehrte Hirsch, die Adler, die auch hier am Beginn des Films majestätisch vor strahlend blauem Himmel kreisen. Dabei deutete sich eine Wandlung der Inszenierung und filmischen Funktion der Natur an: War diese in der Verfilmung von 1934 eng mit dem Schicksal des Grafen verwoben und erschien in der Inszenierung gar als Instanz, die in Erhabenheit und Ruhe im letzten Bild idealisiert wurde, wird sie nun zur Kulisse und zum Schauwert. Im Vergleich der Filme zeigt sich die Differenz zunächst am Wetter : Wurde mit dem Gewitter am Beginn des Vorgängerfilms eindrücklich die Kleinheit der handelnden Personen inszeniert, verzichtet das Remake darauf – abgesehen von einem Wolkenbild und einem Tusch der Filmmusik – völlig.

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Abb. 30–32: Schloss Hubertus (1954): erfolgloser Jäger, neugieriges Tier

Ebenso deutlich wird das in den Treibjagdszenen. Fröhlich toben die Gämsen den Hang hinauf, die Kamera folgt ihnen; die Treiber stapfen über einen Berg. Bewegung kommt in die verschiedenen Gamsgruppen, sie fliehen hastiger. Es schießen in verschiedenen Einstellungen der Graf und die Jäger.466 Nachdem der dicke Jäger im Baum schoss, schaut ein Tier in einer ruhigen kurzen Einstellung beinahe verwundert in die Kamera – sodann beginnt seine Flucht hangabwärts, wobei die Kamera hektischer wirkt als das Tier. Frustriert beißt der Dicke in sein Brot, das Tier schaut aus dem Schutz eines Felsvorsprungs heraus (Abb. 30–32). Erst dann wird während der Jagd überhaupt ein Tier getötet, vorher fallen 466 Eine detaillierte Beschreibung mit den Besonderheiten der Bild-Ton-Montage dieser Treibjagd-Szene und Interpretation im Kontext von Kriegsschuld und Wiederbewaffnung, vgl. Kordecki 2015, S. 167ff.

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Schüsse, ohne dass man Tiere fallen oder sterben sieht. Die Jagd auf den Bock wird inszeniert, Egge schießt ihn dem Sohn vor der Nase weg. Der Aufbau der Szene folgt nicht nur dem Spannungsbogen, sondern lässt sich durchaus Zeit, die Tiere in Panoramen der Gebirgslandschaft zu zeigen, die Jagdmusik steigert sich fröhlich. Wie die Sequenz mit dem dicken Jäger zeigt, wird auch die Jagd mit einem Hauch von Ironie inszeniert. Insgesamt nehmen die Jagdszenen sowohl im Verhältnis zu den detaillierten Tierbeobachtungen als auch im gesamten Film relativ wenig Raum ein. Sie erscheinen mehr vom Schauwert der Tiere als von einer Inszenierung des schießenden Grafen bestimmt.467 Dessen Jagdeifer ist aber nicht nur in Opposition zu seinen Kindern überaus negativ konnotiert. Eine weitere negative Bewertung entfaltet das Remake im Nebenhandlungsstrang mit Patscheider. Patscheider weigert sich, auf den fliehenden Wilderer nach dem Streifschuss am Arm noch einmal zu schießen. Wie bereits erwähnt, legitimiert er seine Entscheidung mit der Verantwortung für seine vier Kinder. Er lehnt die Rücksichtslosigkeit des Grafen ab und nach dem Prozess um den getöteten wildernden Bernlochner-Bub – der im Bild ein durchaus erwachsener Mann ist, der auf den Jäger anlegt und nach dem Streifschuss flieht – zieht Patscheider seine Konsequenzen: Er kündigt bei Egge und beginnt als Forstwart im Revier Herweghs. Die moralische Verpflichtung der Familie gegenüber wird hier zur persönlichen Entscheidungsinstanz entgegen höheren Befehlen in Stellung gebracht. Doch wird die Weisung des Grafen bereits in der Szene selbst relativiert, wenn Franz tröstet: »Darfst nicht jedes Wort so genau nehmen, wie du’s hörst.« Dieser direkt folgende Kommentar des treuen Franz relativiert die wütende Ansage der Autorität und verdeutlicht – wie im Geschlechterdiskurs auch Franz und Mali – die moralische Integrität der kleinen Leute, die der Graf – sogar noch sehend – mit einer Försterstelle belohnen wird.468 Das lässt sich vor dem historischen Hintergrund möglicherweise

467 Sarah Kordeckis Interpretation des Grafen als »schießwütigen Vater« und Angehörigen eines »Personenstand[s], der in der Bundesrepublik der 1950er Jahre bereits der Vergangenheit angehörte«, erscheint mir im Gesamtkontext des Films fragwürdig: Erstens mit Blick auf das happy end, in dem der Wertewandel ausführlich zelebriert wird, die Blindheit erscheint so als Strafe der sozialen Rücksichtslosigkeit, die umfassende Aussöhnung markiert die Läuterung. Mit dem Verweis auf die Zeitgeschichte offenbart sich eine letzte notwendige Differenzierung in der Interpretation des Adels: Ohne politische Macht bereits seit 1918, blieben zumindest die Vermögenswerte auf dem Gebiet der BRD unangetastet. Die Geschichtspolitik der noch jungen Demokratie, die zunächst vor allem den adeligen Widerstand im Nationalsozialismus betonte, widersprechen dieser Deutung ebenso wie die Filme, die 1955 gleichzeitig den 20. Juli thematisieren. Im Vergleich der beiden SchlossHubertus-Verfilmungen scheint der gesellschaftliche Ablösungsprozess 1934 doch sehr viel wichtiger, vgl. Kordecki 2015, S. 170. 468 Insofern kann man hier durchaus – in Abgrenzung zu Kordeckis Resümee – einen »manifesten Gegenentwurf zum ›Diktator‹ in Gestalt des autoritären Grafen Egge« identifizie-

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sogar im Sinne einer Schuldentlastung des einfachen Soldaten interpretieren, zugleich gibt es damit einen vorbildhaften Gegenpol zum Verhalten des Grafen. Die Merkmale des Personals, der Stände und Milieus entnehmen die beiden Verfilmungen vor allem der populären Ganghofer-Referenz. Anders als etwa in Die Deutschmeister (1955) kommen auch sämtliche gesichteten Rezensionen ohne einen Hauch der Problematisierung der Waffen, nicht aber ohne Verweis auf die literarische Vorlage aus.

3.4.7 Rezensionen, Reaktionen Gemeinsamer Ausgangspunkt der Rezensenten ist die Frage, ob die Thematik und das gräfliche Milieu nicht obsolet seien bzw. der Stoff gelungen in die Gegenwart transponiert wurde. Die Antworten darauf sind sehr unterschiedlich: Das Film-Echo kommt zu dem Schluss, »das schert das Ostermayr-Publikum in Nord und Süd um so weniger, als es die Darsteller fertig brachten, die GanghoferGestalten wenigstens äußerlich zu modernisieren und ihre Dialoge, die oft so anachronistische Probleme ausdrücken, mit Anstand zu absolvieren.«469 Zurückhaltend der Film-Dienst (»Neu an der zweiten Auflage […] ist allein die Farbe.«),470 inhaltlich kritisch, in der Sprache bildreich der Evangelische FilmBeobachter : »Auf dem Staub alter Schloß- und Gartenlaubegeschichten gedeiht nichts Gescheites, ein Schusternagerl höchstens im Vergleich zum echten Bergenzian.«471 Das Publikum jedenfalls honoriert auch die kleinste der Enzianarten oder wie der Rezensent des Hamburger Anzeigers zu den GanghoferVerfilmungen Ostermayrs aufs Allgemeine zielend konstatiert: Daß die Werte der Ganghofer-Stoffe durch den Wandel der Jahrzehnte trotz des Einsatzes der jeweiligen modernsten technischen Hilfs- und Gestaltungsmittel immer noch die unverbrauchte Spannkraft und Anziehung auf breitester Ebene verbürgen, ist wohl eines jener Geheimnisse, die den Film immer wieder in den Bereich des Unberechenbaren verweist, in jenes Zauberreich, das zwischen Kunstbemühen und Geschäftsinteressen liegt.472

Mag der gemeinsame Stoff und die populäre literarische Referenz Ludwig Ganghofers Roman sein, die Verfilmungen von Schloss Hubertus von 1934 und 1954 haben gezeigt, wie unterschiedlich akzentuiert dieser für das Kino inszeniert werden kann.

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ren, Kordecki 2015, S. 170. Er lässt sich in den Entschuldungsnarrativen der 1950er Jahre und dem Konzept des »Staatsbürgers in Uniform« verorten. Talmon-Gros: »Schloß Hubertus«, in: FE, Nr. 37, 11. 9. 1954, 8. Jg., S. 1032. [Sa.]: »Schloß Hubertus«, in: FD, Nr. 36, 3. 9. 1954, 7. Jg. [-ck]: »Schloß Hubertus«, in: EFB, Nr. 42, 14. 10. 1954, 6. Jg. »Filmbestseller Ganghofer«, in: Hamburger Anzeiger vom 21. 8. 1954.

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Zusammenfassung

Im Filmvergleich bergen der Wandel der Kameraarbeit als auch der Inszenierung der Natur auf den ersten Blick die größten Differenzen: Erscheinen in Schloss Hubertus 1934 Landschaft und Natur als Akteure des Konflikts, werden sie 1954 vor allem zu Schauwerten, in denen auch die Möglichkeiten des technischen Verfahrens vorgeführt werden. Schauwerten verpflichtet sind auch die Szenen in Italien, zudem reich an sexuellen Anspielungen. Die Kamera 1934 hingegen inszenierte immer wieder deutlich die Subjektive der gräflichen Hauptfigur und wurde somit zugleich Teil der Geschichte, da die auffällige Inszenierung der Sicht des Protagonisten ihren Gegenpol in seiner Erblindung findet, die – konträr zum Roman – Voraussetzung für das happy end ist. Auch dieses ist anders: 1934 endet der Film mit einer Hypertrophierung der Natur, 1954 mit der umfassend ausgesöhnten Familie. In diesem Zusammenhang lässt sich eine Kontinuität aufzeigen: Ganz offensichtlich liegt der Handlung ein Konflikt der Werte und Generationen zugrunde. Während aber 1934 der Graf über die Erblindung zur Einsicht gelangt und die Liebe zur Tochter entdeckt, in den letzten Worten an den jungen Maler zugleich übergreifende Werte formuliert, fehlt diese Dimension im Remake. Die Umdeutung der Hauptfigur lässt zugleich den Konflikt zwischen Adel und Bürgertum verschwinden, der 1934 im Wertewandel noch aufscheint. Die Konflikte werden wieder enger an die Familie zurückgebunden, an Fragen der Loyalität und gegenseitiger Sorge, in denen der Protagonist im Angesicht seiner sehr unterschiedlichen Kinder versagt. Anders als 1934 ist die junge Generation in ihren Werten deutlich disparater, ohne dass die Verfilmung diese erkennbar bewertet. Dieses Moment ließ sich auch schon in Vor Sonnenuntergang beobachten. Interessant ist bei diesem Vergleich auch, dass Friedrich Domin – wie auch Hans Albers als Clausen – deutlich körperbetonter agiert. So lässt sich nicht nur eine Krise vorbildhafter (älterer) Männlichkeit konstatieren, sondern auch eine Umdeutung im Körperdiskurs, die in beiden Remakes an eine Inszenierung des Leidens geknüpft ist. Die umfangreiche Versöhnung der Familie – wie auch die Umdeutung der Tantenfigur – zeigt Parallelen zu dem, was ich in Die Deutschmeister unter der Überschrift »Versöhnungsgeste« beschrieb. Schloss Hubertus endet mit einer Versöhnung der ganzen Familie.

3.6

Nachspiel: SCHLOSS HUBERTUS (1973)

So erfolgreich die Verfilmung in den Entstehungsjahren waren, in den TVAuswertungen Garncarz’ erscheinen sie nicht, was vor dem Hintergrund anhaltender Neuverfilmungen nicht unbedingt verwundert. Vielmehr wird die

Schloss Hubertus (1934/1954)

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filmische Neuauflage von Schloss Hubertus von 1973 in späteren Jahren Zuschauer vor die Fernseher locken.473 So obsolet die Kritik die Romanvorlage stempeln mag, am 19. Dezember 1973 feiert die dritte Verfilmung von Schloß Hubertus ihre Premiere im Berchtesgadener Kur-Theater. Regie führte Harald Reinl, das Drehbuch schrieb Werner P. Zibaso und in den Hauptrollen sind Karlheinz Böhm (Tassilo), Klaus Lange (Graf Egge), Gerhard Riedmann (Lenz), Klaus Löwitsch (Schipper) und Ute Kittelberger (Kitty) zu sehen. Während die weiblichen Hauptrollen weitgehend unbekannt besetzt sind, erscheinen die männlichen Darsteller mit Gerhard Riedmann und Karlheinz Böhm wie ein Wink zurück zum 1950er-Jahre-Film. Interessanterweise ist diese dritte Verfilmung jene, die am engsten am Roman und seinem Handlungsaufbau bleibt. Nun spielen tatsächlich alle Kinder mit, aber vor allem werden selbst Details romangetreu umsetzt. Das geht soweit, dass Jäger Franz nun tatsächlich mit Kitty im Arm über den Bach balancieren wird. Eine ausführliche Analyse der Figuren findet sich in Der deutsche Heimatfilm.474

473 1982 ist die Verfilmung von 1973 wiederum auf Platz 6 der TV-Erfolgsrangliste, 1985 auf dem ersten Platz, vgl. Garncarz 2013, S. 206f. 474 Vgl. Kohler 1989.

Fazit und Ausblick

In keiner anderen Dekade der deutschen Filmgeschichte sind Remakes so zahlreich wie in den 1950er Jahren. Zwei Drittel der Vorgängerfilme waren Wiederaufnahmen aus der NS-Zeit und warfen Fragen nach dem Verhältnis der Filmproduktion in der Adenauer-Zeit zu der im Nationalsozialismus auf. Der Ausgangspunkt meiner Studie war die Überlegung, dass die Remakes geeignet seien, differenztheoretisch filmhistorische und soziokulturelle Transformationsprozesse zu analysieren. Die Arbeit begann mit dem Interesse, ob und wie sich Kontinuitäten und Brüche analytisch beschreiben lassen. Bereits zeitgenössisch wurden die zahlreichen Remakes wahrgenommen. Parallel zum Höhepunkt der westdeutschen Remakeproduktion in der Mitte der 1950er Jahre wurden diese kontrovers diskutiert. Die Kritiker bemängelten vor allem Ideenlosigkeit, das Zurückbleiben hinter einer Größe oder den schauspielerischen Leistungen des jeweiligen filmischen Originals und vor allem Geschäftskalkül bei der Wiederaufnahme bereits erfolgreicher Stoffe. Es konterten vor allem Dramaturgen wie Manfred Barthels und Regisseure wie Wolfgang Liebeneiner, Kurt Hoffmann oder Harald Braun. Mit Rekurs auf die Theaterpraxis betonten sie die Eigenständigkeit und Originalität neuer filmischer Inszenierungen oder insistierten, dass es eben nicht um finanzielle Interessen, sondern vielmehr um wichtige Themen für die Gegenwart ginge, die neu bearbeitet würden. Befürworter und Kritiker besprachen und bewerteten die Remakes unter der Prämisse »Film als Kunstwerk«, also ausschließlich unter ästhetischen Kriterien. Sowohl die Diskussion um die Ausbeutung einstiger Geschäftserfolge als auch die wiederholte Ablehnung finanzieller Interessen verweist auf die zeitgenössischen Strukturen: die Filmpolitik als Grundlage des Wiederaufbaus, das Urheberrecht und notwendige Urheberrechtübertragungen bei der Remakeproduktion und die Entwicklung des Filmmarkts, in dem die Wiederverfilmungen entstanden und ausgewertet wurden. Die Politik der jungen Bundesrepublik ist zunächst von großem Interesse am Kinofilm geprägt. Zugleich wurden die bundespolitischen Bemühungen um den deutschen Film – die Bürgschaftsprogramme ebenso wie die Ufi-Liquidation –

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von der Presse vor dem Hintergrund der staatlichen Einflussnahme auf die Medien durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda überaus kritisch begleitet. Die Forderung des Ministers für Familienfragen, Franz-Josef Wuermeling, nach einer »Volkszensur« wurde ebenso kritisiert wie seine Kommentare zur schädlichen Wirkung der Familienbilder im Spielfilm. Wuermeling vertrat nur eine, wenn auch prominente Position. In den Protokollen des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und in der Bundestagsdebatte im April 1954 artikulieren die Parteienvertreter ein grundlegendes Interesse am »ideologischen Wert des Films«. Was darunter zu verstehen sei, wird aber im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Positionen und ökonomischen Argumenten nicht expliziert. Lässt sich am Beginn des Jahrzehnts weder bei den Akteuren noch in den Formulierungen ein Bruch zur NSZeit erkennen, wie die Forderungen Wuermelings eindringlich nahelegen, so finden diese Kontinuitäten doch zunehmend publizistische Resonanz. Kontinuität, Rückgriff und kritische Reflexion ringen miteinander. Die Analyse der Bürgschaftsvergabe und der Urteile der Filmbewertungsstelle zeigen, dass die Zahlen der geförderten und ausgezeichneten Remakes mit denen des Anteils der Remakes an der Gesamtfilmproduktion von etwa zehn Prozent korrespondieren. In den untersuchten Akten, Ausschussprotokollen und publizierten Selbstzeugnissen lässt sich keine Aussage zu Remakes finden. Der Kritik an den Remakes in der Fachpresse lässt sich also keine politische Position gegenüberstellen, die die Neuaufnahmen von Stoffen aus der NS-Zeit gefördert hätte. Indirekt begünstigt die Bundespolitik jedoch durch die Maßnahmen bei der Ufi-Entflechtung einen Akteur der Remakeproduktion: Die Re-Verflechtung sichert der Ufi i. L. respektive ihrer Filmstoffverwaltung im Gesamtkomplex der Urheberrechtsübertragungen neben den personellen Kontinuitäten eine günstige Verhandlungsposition, der sich die Verantwortlichen weitgehend gewahr waren. Veräußert werden konnten die Bearbeiter-Urheberrechte, die durch die Herstellung des jeweiligen Vorgängerfilms entstanden waren. Übertragen wurden auch Stoffrechte, soweit der Konzern den Besitz an diesen nachweisen oder wenigstens glaubhaft machen konnte. Schließlich bildeten die Musikrechte einen eigenständigen Komplex, was insbesondere die Diskussionen der Filmstoffverwaltung mit dem Wiener BohHme-Verlag zeigen. Im Laufe der 1950er Jahre lässt sich auch eine Intensivierung und zunehmende Standardisierung der Veräußerungspraxis besichtigen, die dem Unternehmen insgesamt zugutekommen sollte: Es finden sich in den Akten des Ufa-Ufi-Bestandes im Bundesarchiv Listen mit Aufstellungen an vorhandenen Rechten, wie etwa die sogenannte Gärtner-Liste (1955). Die Preise der Bearbeiter-Urheberrechte wurden normiert, ihre Vergabe an Auflagen geknüpft (Nutzung der Ufa-Ateliers, Ver-

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leihbedingungen). In Einzelfällen lassen sich überaus aggressive Strategien nachweisen wie etwa bei den Verhandlungen mit Erich Kästner. Dem stand das unternehmerische Geschick einzelner Filmproduzenten und ihrer Juristen gegenüber, die auf die schwierige Beweislage des Konzerns spekulierten und günstigere Vergleiche aushandelten oder keine Rechteverhandlungen führten. Nur für einen Bruchteil der Remakes sind im Bundesarchiv Urheberrechtsübertragungen dokumentiert. Remakes ohne nachweisbaren Rechteerwerb sind der Gegenpol zu den Verhandlungen der Ufi i. L. und den Prozessen um Beteiligungen und Urheberrechtsforderungen etwa von Autoren. Die Herstellung von Remakes bewegte sich in einem Netz möglicher und verschiedener Rechteinhaber, diverser Rechte und schlechter Akten- bzw. Beweislage. Insgesamt fand sie für private Produzenten nicht auf einem abgesicherten rechtlichen Terrain mit garantiertem Gewinn statt. Auch mit Blick auf den Publikumserfolg erwiesen sich die Remakes nicht als Garant für eine finanziell lukrative Filmherstellung. Keineswegs alle Remakes wurden in den Kinos überragend angenommen, wie die Flops belegen. Die hier untersuchten Remakes wurden vom Verleihjahr 1952/53 bis 1959/60 durchschnittlich mit 3,0 bewertet, was einem Urteil der Filmtheaterbesitzer von »gut« entsprach.1 Bis zur Mitte der 1950er Jahre ermöglichten Reprisen die Kenntnis der Vorgängerfilme bei einem nennenswerten Teil des Publikums und direkte Vergleiche. Wenn die Auswertung von Reprisen mit steigender Spielfilmproduktion verebbte, verweist das auf einen Ablösungsprozess ebenso wie auf den Neuigkeitswert der Remakes. Mit Blick auf die strukturellen Bedingungen der Remakeproduktion lässt sich erklären, warum nach den wenigen einmaligen Remakes, die kleinere, bald insolvente Firmen Anfang der 1950er Jahre produziert hatten, ab der Mitte des Jahrzehnts vor allem etablierte, finanziell halbwegs konsolidierte Produzenten Remakes drehen ließen. Die meisten und erfolgreichsten Remakes realisierte kontinuierlich die Berolina-Film GmbH von Kurt Ulrich und Kurt Schulz – beide schon vor 1945 für den deutschen Film tätig. Mit Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953), Charley’s Tante (1956) und Das haut hin (1957) seien hier nur drei Erfolgsfilme der Firma genannt.2 Eine Auswertung des Berolina-Nachlasses würde das Verständnis für die untersuchten Strukturen und Prozesse vertiefen, möglicherweise auch weitere Anhaltspunkte für die Gründe und Praxis der Remakeproduktion aus Produzentensicht liefern und eine Lücke in der Filmgeschichtsschreibung der 1950er Jahre schließen. Eine weitere Produktionsfirma, die wiederum eine andere Linie der Remakeproduktion repräsentiert, ist die Ostermayr-Produktion. Mit Peter Ostermayr lässt sich ein Ak1 Axtmann / Herzberg 1960, S. 1078. 2 Alle genannten Remakes waren unter den Top-Ten-Filmen, vgl. Garncarz 2013, S. 188f.

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teur ausmachen, der spätestens seit den 1920er Jahren maßgeblich die deutsche Filmproduktion prägte. Die Firma, die in der Analyse von Schloss Hubertus ausführlich vorgestellt wurde, war spezialisiert auf Heimatfilme und die Werke des Schriftstellers Ludwig Ganghofer, für die sie die exklusiven Verfilmungsrechte besaß. Die erarbeiteten Zahlen der Remakeproduktion, die sich auf sämtliche Remakes von Tonfilmen in den 1950er Jahren beziehen, zeigen: Je mehr die Gesamtfilmproduktion stieg, desto höher war auch der Anteil an Remakes, der am Beginn der 1960er Jahre jedoch drastisch zurückging. Das deutet darauf, dass in der Zeit massiv steigender Produktionszahlen verstärkt zu vorhandenen Stoffen gegriffen wurde. Der rasante Rückgang am Ende der 1950er Jahre verweist darauf, dass Stoffmangel als monokausale Erklärung für die Remakes nicht trägt. Remakes in Farbe sind am Ende des Jahrzehnts durchschnittlich öfter zu finden als in den Spielfilmen insgesamt, was man als Aktualisierungs- und Attraktivitätsstrategie für das Publikum begreifen kann. Ab 1960 lassen sich auch die ersten Remakes von Remakes der frühen 1950er Jahre finden (1960/1952/ 1935 Im weissen Rössl, 1960/1952/1930 Pension Schöller), die alle in Farbe gedreht sind. Sie aktualisieren noch einmal technisch und nutzen zudem das Potential neuer Stars (A 1961/A 1952 Saison in Salzburg/ 1943 Und die Musik spielt dazu): Spielte 1934 der Charakterkomiker Paul Kemp Charley’s Tante, übernahm die Rolle 1956 Heinz Rühmann. In der Verfilmung von 1963 wird sie mit Peter Alexander besetzt, der zuvor bereits in zwei Remakes der Berolina vormalige Rühmann-Rollen spielte. Eine Untersuchung dieser Re-Remakes sowohl in ihren ästhetischen Bearbeitungen als auch hinsichtlich der Starbesetzungen wäre mit Blick auf die generationellen Veränderungen des Publikums interessant. Trotz der zunehmenden Konzentration der Verleihfirmen im Laufe der Dekade lässt sich keine finden, die in ihrem Programm vor allem auf Remakes gesetzt hätte. Die Anknüpfung an zurückliegende Erfolge der hier untersuchten Remakes fand also vor dem Hintergrund personeller Kontinuitäten, der technischästhetischen Erneuerung durch den Farbfilm, der Stoffwahl und Drehbuchsuche in Zeiten zunehmender Spielfilmproduktion und dem Aufstieg neuer Stars statt. Remakes waren kein rein ökonomisches Phänomen, sondern eine populäre Praxis der gesellschaftlichen Übergangszeit, in der spezifische kulturelle Dispositionen der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft eine Rolle spielen. Die vor allem unter ästhetischen Prämissen geführte publizistische Auseinandersetzung mit den Remakes liefert kaum Ansätze für Positionen zu Vergangenheit und Gegenwart, zu Kontinuität und Bruch zwischen Nationalsozialismus und früher Bundesrepublik. Die Diskussion endete bereits vor dem Abflauen der Remakeproduktion. In transnational vergleichender Perspektive

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mit systematischen Untersuchungen der Remakes in den USA oder anderer Kinematografien nach historischen Zäsuren könnten die hier diskutierten Filme in ihren kulturellen und historischen Spezifika noch genauer bestimmt werden. Sind Remakes als populärkulturelle Praxis auch in anderen Ländern Phänomene des Übergangs? Welche der hier erarbeiteten Befunde lassen sich der deutschen Geschichte zuweisen, welche möglicherweise auch in anderen Kinomärkten oder Zeiten beobachten? Im Vergleich etwa mit dem Hollywood-Kino wären auch die Bedeutung technischer Entwicklungen auszuloten wie auch die hier vorgeschlagenen strukturellen und kulturellen Erklärungsmuster für eine ansteigende Remakeproduktion nachzuprüfen. Im Mittelpunkt der letzten beiden großen Teile der Arbeit stehen die Filme selbst. Im systematischen Teil werden die Remakes als Gesamtfilmkorpus analysiert, in den Detailanalysen drei Vorgängerfilme und ihre Remakes im Vergleich untersucht. Da ein Großteil der Remakes nicht auf eigens für den Film entwickelten Stoffen basiert, wurden zunächst die Referenzen der Vorgängerfilme und Remakes bestimmt. So bearbeiteten die Drehbuchautoren schon vor 1945 nicht primär zeitgenössische Vorlagen. Die Entstehungszeiten reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. In dieser längeren Linie von Unterhaltungskultur werden zugleich zeitgenössische und mediale Anpassungen offenbar, denn die Vorlagen von Operettenbühnen, Sprechtheatern und aus der Literatur wurden meist grundlegenden Überarbeitungen unterzogen. Die Verfilmungen von Operetten von den 1930er bis in die 1950er Jahre zeigen das par excellence. Sie verweisen zugleich auf Forschungsdesiderate sowie die Notwendigkeit einer Untersuchung der Beziehungen zwischen der Aufführungspraxis von Bühnenoperetten und den Verfilmungen für das Kino im Laufe der Jahrzehnte, die in dieser Arbeit außen vor blieben. So könnten in historischer Perspektive intermediale Beziehungen des Kinofilms (und auch späterer Fernsehfilme) abgemessen werden.3 Leider zeigte sich in eben diesem Zusammenhang ein Materialproblem: Während die Analyse der Unterhaltungskultur zwischen 1933 und 1945 auf grundlegende systematische Forschungsarbeiten der Theater-, Operetten-, Literatur- und Filmgeschichte zurückgreifen konnte, ist die Grundlagenforschung in Hinblick auf populäre Kultur der 1950er Jahre mager.4 3 Die Linie der Operettenverfilmungen zieht sich weiter in das westdeutsche Fernsehen, in dem ab den 1970er Jahren zahlreiche Neuverfilmungen zu verzeichnen sind, die interessanterweise oftmals wiederum von etablierten Regisseuren, die auch in dieser Studie erwähnte Remakes drehten, inszeniert wurden. Eindrücklich zeigt sich das in der Filmografie des Regisseurs Arthur Maria Rabenalt, vgl. Linhardt 2006, Wedel 2006. 4 Die Diskrepanz etwa im Bereich Film wird darin deutlich, dass für die Produktionsjahre bis 1945 Ulrich J. Klaus’ 15-bändiges Grundlagenwerk zur Verfügung steht, die Filme der 1950er Jahre jedoch nur bis 1955 bei Bauer dokumentiert sind, vgl. Klaus 1988–2006, Bauer 1981.

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Entsprechend vorsichtig nur können Beobachtungen und Befunde dieser Studie verallgemeinert werden. Strukturell orientierte sich die Analyse der Remakes an den dominanten Filmgenres des Filmkorpus. Die Systematisierung ging von der Frage aus, wie Gegenwart und Vergangenheit in den Remakes verhandelt und inszeniert wurden und welche Figuren, Konflikte und Motive im Vergleich zu beobachten sind. Es lassen sich hier sehr deutlich Wandlungsprozesse des westdeutschen Spielfilms im Laufe der 1950er Jahre nachzeichnen. Zunächst sind Veränderungen bei der Ausstattung zu beobachten. Diese sind unabhängig davon, ob die Remakes in Farbe oder in Schwarzweiß realisiert wurden. Bei den Remakes, die in der Vergangenheit spielen, ist am Beginn der 1950er Jahre die Inszenierung der Geschichte überaus diskret. Der Klosterjäger (1953), der im Mittelalter spielt, ist den Bildern des Heimatfilms deutlich näher als den Kostümfilmen Mitte der 1950er Jahre. Die jüngere deutsche Geschichte bleibt zumeist außen vor. Doch lassen sich auf Weltkrieg und Nachkriegsjahre auf der Dialogebene früh Verweise ausmachen: vor allem in Bemerkungen zu Vertreibung und Krieg. In Föhn (1950) erinnert sich der junge Protagonist an die Kriegstoten, in Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953) ist die Vertreibungsgeschichte des Holzfällers dramaturgisch relevant. Ab Mitte der 1950er Jahre kommen Scherze über die Besatzungszeit und ihre Inszenierung dazu: Das Sonntagskind (1956) verhandelt die Geschichte des Schneider Anton Wibbels im besetzten Köln der Nachkriegsjahre und die Bauern in Das fröhliche Dorf (1955) prahlen fröhlich mit den Schwarzschlachtungen nach 1945. Diese Anspielungen werden in den hier untersuchten Remakes am Ende des Jahrzehnts seltener.5 Die Inszenierungen etwa der vergangenen Monarchien wurden ab Mitte der 1950er Jahre umso prächtiger. Unter den Heimatfilmen und Komödien lassen sich neben offensiven Gegenwartsinszenierungen am Beginn des Jahrzehnts zahlreiche Filme finden, die ihre Handlungszeit mit äußerster Diskretion inszenieren: in Landschaften oder in bürgerlich eingerichteten Innenräumen, mit Kostümen und Accessoires, die eine Identifizierung der Nachkriegszeit erschweren. In Schäm’ Dich, Brigitte! (A 1952) offenbart ein Detail sogar, dass die Handlungszeit vor 1945 sei. Diese Remakes setzen die bürgerlichen Ausstattungsstandards der NS-Zeit fort. Ab der Mitte der 1950er Jahre verschwinden sie. Die von Kaspar Maase beobachtete Präsenz der Autos im Heimatfilm lässt sich in allen Genres im gesamten Untersuchungszeitraum nachweisen. Sie offenbart sich auch in den zunehmend befahrenen Stadtbildern der Remakes. Die Inszenierung einer wirtschaftlichen Moderne ist hier vor allem auch in den zahllosen Nachtbildern mit bunten Leuchtreklamen präsent, die zur visuellen 5 Ausnahmen bleiben, wie etwa die Analysen von Franziska (1957) und Peter Voss (1958) zeigten.

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Konvention gerinnen. Diese Nachtbilder sind bereits in Revuefilmen vor 1945 zu finden, werden im Laufe der 1950er Jahre jedoch genreübergreifend dominant. Neben einer Deutung als Konfektionskino kann man diese visuellen Standardisierungen auch als Vorläufer serieller Inszenierungen verstehen. Die oft unspezifischen Leuchtreklamen korrespondieren mit der Präsenz von konkreten Marken im Spielfilm. 1955 lassen sich in zwei Heimatfilmen Coca-Cola-Schilder finden, mit größter Selbstverständlichkeit wird das Getränk aus den USA schließlich in den Wirtshäusern des Heimatfilms am Ende des Jahrzehnts ausgeschenkt. Die Differenz ist nicht konsumgeschichtlich markiert, denn das Unternehmen war bereits vor 1945 auf dem deutschen Markt aktiv. Indes ist die wiederkehrende Präsentation im Spielfilm ein Novum. Übernahmen aus den Vorgängerfilmen hingegen sind häufig die amerikanischen Figuren. Doch etwa mit der redundanten Betonung deutscher Wurzeln lassen sich auch hier Umdeutungen feststellen. Diese Eindeutschung amerikanischer Figuren, die Präsentation der amerikanischen Marke oder Musik im Spielfilm kann man als Teil eines populären Aushandlungsprozesses von Amerikanisierung oder Westernisierung verstehen, die Remakes so als »Mischformen« zwischen Tradition und Neuerungen.6 Die Verweise auf die USA sind vor allem bis Mitte des Jahrzehnts in den hier untersuchten Remakes präsent und werden von internationalen Namen der Bars, Nebenfiguren und Tänze ergänzt – und zunehmend ersetzt. Insbesondere die getanzten und gespielten Rock’n’Roll-Nummern, die weitgehend ohne Abwertung in die Remakes eingebettet sind, zeigen zudem eine Öffnung des Spielfilms für eine Jugendkultur, die in den hier untersuchten Filmen immer wieder von Bill Haley verkörpert wird. Damit lässt sich nicht nur ein Beleg für Maases These einer »Moderation von Pluralisierung« im Publikumskino der Bundesrepublik anführen sondern auch die Präsentation einer veränderten (jugendlichen) Medienkultur im Spielfilm, der damit offensichtlich schon früh auf die generationellen Veränderungen des Kinopublikums reagiert. Auf der Tonebene der Remakes lassen sich die größten Wandlungsprozesse feststellen. Das musikalische Spektrum wird im Laufe des Jahrzehnts erheblich breiter und mit der Aufnahme von zeitgenössischen Schlagern stetig aktueller. Während am Beginn der 1950er Jahre noch diverse Volkslieder vor allem in Heimatfilmen erklingen,7 deutet sich bereits 1953 mit der Eingangsszene des 6 Friedrich Kießling und Bernhard Rieger akzentuieren eine solche Perspektive in ihrer Einleitung, vgl. Kießling / Rieger 2011, S. 18. Kießlings eigener Beitrag im Band, der die intellektuelle Ideengeschichte Westdeutschlands nach 1945 untersucht, beginnt mit einer solchen Verschränkung der Lässigkeit eines amerikanischen Militärpolizisten mit Goethe in einer Schilderung Dolf Sternbergers und deutet diese Integration des Fremden in das eigene kulturelle Repertoire, vgl. Kießling 2011, S. 132f. 7 Im Überblick prägt auch das Singen von Volksliedern die Remakes mehr als die Vorgänger-

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Kassenerfolgs Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt eine Öffnung an. Mit der Erweiterung des musikalischen Spektrums korrespondiert ein weiterer Wandel in der Dramaturgie. Die Zunahme von Musiknummern, die in vielen Fällen nicht relevant für die Handlungsführung sind, verweist auf Schauwerte, die den 1950er-Jahre-Film genreübergreifend deutlich mehr prägen als die Vorgängerfilme. Hierbei lässt sich beobachten, dass diese Schauwerte einerseits konstitutiv für die Genrezuschreibung (etwa des Heimatfilms) sind, andererseits auch zu Hybridisierungen führen können. Diese lassen sich in den Vorgängerfilmen nicht beobachten. Zunehmende Schauwerte sind vor allem im Überblick der Remakes erkennbar. In den Detailanalysen lassen sich diese seltener erkennen und sind oft nur ein Detail der Umdeutungen. Ähnlich verhält es sich mit der erwähnten Markenpräsenz, mit der Inszenierung von Konsumangeboten und -wünschen, die im Vergleich zu den Vorgängerfilmen am Remakekorpus auffällt. Diese Einschränkung sei auch den Befunden zu den Inszenierungen von Männlichkeit und Weiblichkeit sowie von Generationenkonflikten vorangestellt: Die Remakes der verschiedenen Genres eröffnen ein überaus breites Spektrum gerade mit Blick auf die Umarbeitungsprozesse, das sich nur bedingt übergreifenden Thesen unterordnen lässt. Bemerkenswerte Veränderungen und Kontinuitäten von Konfliktkonstellationen lassen sich vor allem im Genre der Komödie beobachten. Umso mehr verwundert es, dass dessen Untersuchung weiterhin ein Forschungsdesiderat ist. Dabei prägte die Filmkomödie wie kein anderes Genre nicht nur die Remakeund Spielfilmproduktion der 1950er Jahre.8 Am Beginn der 1950er Jahre werden in den Komödien vor allem Ehekonflikte aufgegriffen und verhandelt. Mit Zunahme von anderen Genres im Filmkorpus werden auch die Konfliktkonstellationen der Gegenwartskomödien vielfältiger. Die bereits erwähnten Genrehybride entstehen nicht nur durch Musiknummern, sondern ebenso durch die Aufnahme komischer Elemente mit eigenen Schauwerten. Das zeigt sich sehr deutlich an den Klamaukszenen in Die Deutschmeister (1954), ein Film, der zudem repräsentativ für eine deutlich offensivere Inszenierung der Vergangenheit im Kostümfilm ab Mitte der 1950er filme und so können diese nicht nur als Rückverweise, sondern vielmehr als Verortung auch der Filmmusik in einer längeren deutschen Traditionslinie von Heimat gedeutet werden. Eine vergleichende Untersuchung von Liedern und Filmmusik zwischen NS- und westdeutscher Nachkriegszeit fehlt. 8 Im Laufe der 1990er Jahre wird sie noch einmal zu einem der publikumswirksamsten deutschen Genres avancieren. Trotz des langanhaltenden Erfolgs der Komödien im deutschen Kino ist die Forschungsliteratur sehr überschaubar und zumeist auf einzelne Perioden beschränkt oder der Praxis verpflichtet, vgl. u. a. Kinder/Wieck 2001, Distelmeyer 2006, Glasenapp 2008, Hickethier 2009. Eine detaillierte Studie zu Humor, Komödie in Film- und Theatergeschichte in der NS-Zeit, vgl. Merziger 2010. Einzelkomödien in internationaler Filmgeschichte, vgl. Heller 2005.

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Jahre ist. Bei dieser Inszenierung spielen auch neue technische Möglichkeiten eine wichtige Rolle.9 Die ästhetischen Konzepte und Besonderheiten des Kostümfilms ließen sich meines Erachtens in der bereits angerissenen, ausstehenden Geschichte der Operettenverfilmungen von den 1930er bis in die 1950er Jahre produktiv analysieren. Die dramaturgischen Anknüpfungsprozesse an Tonfilmoperetten von Kostümfilmen wie Die Deutschmeister reflektierte auch die zeitgenössische Filmkritik. In den Rezensionen dieses Remakes zeigt sich zudem – wie schon 1950 bei der Auswertung seines Vorgängerfilms Frühjahrsparade (1934/35) – eine gewachsene Sensibilität der Filmkritik gegenüber der Darstellung von Krieg und Militär. So lösten die Aktualisierung der Geschichte, die das Remake von Urlaub auf Ehrenwort (1938/1955) vornimmt, und die Schnittauflagen des Verleihs nach der Uraufführung kontroverse und kritische Kommentare in der Presse aus. Im Remake werden die Geschichten der Soldaten an das Ende des Zweiten Weltkriegs verlegt und ein Teil der Konflikte privatisiert. Eine Verschiebung der Konflikte ins Private lässt sich auch in anderen Remakes beobachten – etwa in der negativen Darstellung politischen Engagements oder in ironischen Kommentaren. Zahlreiche Remakes verlagern die Konflikte aus dem gesellschaftlichen Umfeld in die Familien. Die Vergleiche von Der Herrscher (1937),Vor Sonnenuntergang (1956) und Schloss Hubertus (1934/1954) offenbaren, dass diese Konzentration der Konflikte in den Familien durchaus unterschiedlich sein konnte: Wurden im Remake Schloss Hubertus vor allem mehr und verschiedene familiäre Konflikte verhandelt, wird die weibliche Hauptfigur in Vor Sonnenuntergang gänzlich im Privaten verortet. Auch innerhalb des Gesamtfilmkorpus ließen sich diese Verschiebungen der Konflikte in die Familien sowohl in Veränderung des Figurenensembles als auch in neukonstruierten Handlungssträngen beobachten.10 In diesem Zusammenhang fällt auf, dass häufig die Konflikte älterer Männer verhandelt werden. In manchen Remakes werden hierfür neue Figuren und Konfliktlinien geschaffen.11 In anderen werden diese gegenüber den Vorgängerfilmen ausgebaut und umgedeutet. Die männlichen Hauptfiguren etwa in Schloss Hubertus und in Vor Sonnenuntergang agieren mit einem breiteren körperlichen Spektrum. Sie werden deutlich körperbetonter und mit einer größeren emotionalen Vielfalt von Zuneigung und Leiden als in den Vorgän9 Etwa bei Königswalzer (1955) in Farbe und Cinemascope. 10 Etwa in 1955 Oberwachtmeister Borck (1955), 1956 Kitty und die grosse Welt (1956), Der Edelweisskönig (1957). 11 So etwa mit dem Großvater in Die unentschuldigte Stunde (1957) oder der Neuausdeutung des Ganghofer-Romans in Der Edelweisskönig (1957), vgl. II. 2.3.1 Heimatfilm zwischen Tradition und Modernisierungskonflikten, 2.3.3 Gegenwartskomödien: Generationengeschichten, S. 213ff. und S. 228ff.

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gerfilmen inszeniert. Das ist ein Befund, den auch der Gesamtüberblick bestätigt. Leidende und in ihrer Körperlichkeit gegenüber den Filmen vor 1945 weniger disziplinierte Männer lassen sich in den Remakes des gesamten Untersuchungszeitraums beobachten. Diese Veränderungen kann man wie kürzlich erschienene Studien als Entheroisierung männlicher Figuren konzeptualisieren.12 An die Stelle der Inszenierungen heldenhafter, tätiger Protagonisten treten in zahlreichen der hier untersuchten Remakes Reflexion und Erkenntnisprozesse. Auf diese folgt oft die Hinwendung zur Familie oder zur Liebe der Frau. Eine andere Variante ist die umfassende Versöhnung aller generationellen Konflikte, die mit den Verschiebungen der Konflikte ins Private ebenso korrespondiert wie mit der Idee eines generationenübergreifenden Filmpublikums. Man kann diese Entpolitisierung in Abgrenzung zu den Vorgängerfilmen als Wirklichkeitsferne oder Eskapismus kritisieren oder diese auch im Anschluss an Bernhard Groß’ Analysen des Nachkriegskinos als Fortschreibung und Zementierung eines »Misstrauen[s] gegenüber allen Formen von Gesellschaft, Gemeinschaft und Masse« deuten.13 Identisch der Befund, konträr die Bewertungen, die meines Erachtens in einem theoretischen Konzept zur Funktionalität und weiteren empirischen Untersuchungen der Populärkultur nach 1945 eingebettet werden müssten. Den Konflikten der männlichen Protagonisten stehen in zahlreichen Remakes unermüdlich liebende Frauen gegenüber. Doch mögen die weiblichen Figuren in ihrer Liebesfähigkeit auch große Ähnlichkeiten aufweisen, in puncto Arbeit und Stellung in der Familie unterscheiden sie sich erheblich: die reiche Tochter, das patente Mädchen, die erfolgreiche Künstlerin, die besorgte Hausfrau und Mutter und viele andere finden sich in den untersuchten Filmen. Sie konnten Wiederaufnahmen aus den Vorgängerfilmen ebenso wie veränderte Figuren der Remakes sein. Wenn diese Beobachtungen etwa mit Dagmar Herzogs Studie über die Politisierung der Lust gerade in Bezug auf die permanent verhandelte und inszenierte Sexualität und die offensiven sexuellen Anspielungen in den Remakes am Ende des systematischen Teils diskutiert wurden, musste letztlich offen bleiben, ob es sich hier tatsächlich um den »ideologischen Wert« der Spielfilme handelt, den die Filmpolitik anmahnte. Ob die Remakes diesem zuwider liefen oder nicht schlicht auf die gesellschaftliche Virulenz des Themas verweisen, ob Produzenten und Regisseure provozierten oder mit kalkulierten Sensationen auf öffentliche Aufmerksamkeit und damit auf neue Zuschauer spekulierten, lässt sich nicht abschließend klären. Herzog konstatierte in ihrer Studie eine Durchsetzung konservativer Leitbilder zur Sexualität ab der Mitte der 1950er Jahre, die sich so in den Filmen nicht aufzeigen lässt. Stattdessen 12 Groß 2015, Figge 2015a. 13 Groß 2015, S. 277.

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findet sich ein Nebeneinander konservativer Positionen sowohl mit positiv besetzten, sittlich und moralisch idealisierten Figuren als auch Vorführungen des Spießers, die diesen zur komischen Figur werden lassen; überaus unschuldige Protagonistinnen ebenso wie laszive Posen, sexuelle Anspielungen, zahlreiche Inszenierungen tiefer weiblicher Dekollet8s und zunehmend freizügigere Körperinszenierungen. Diese Widersprüche verweisen auf ein anhaltendes Verhandeln und Inszenieren konträrer Positionen im Spielfilm der 1950er Jahre, das sich etwa auch in Bezug auf Jugendliche und Erziehung in den Remakes zeigte. Klare Befunde zum mentalitäts- und sozialgeschichtlichen Wandel nach 1945 verwehren die Analysen der Remakes als Filmkorpus. Die hier untersuchten Filme offenbaren sowohl eine Eigenlogik der Film- und Genregeschichte, die in den strukturellen Prozessen verortet werden konnte, als auch die Mehrdeutigkeiten im Versuch einer soziokulturellen Einbettung. Das kann man zunächst als Ermunterung für weitere Einzelanalysen, aber auch als Warnung vor verallgemeinernden Ansätzen verstehen. Die in dieser Arbeit beobachteten Aushandlungsprozesse in den Remakes der 1950er Jahre sind überaus vielfältig. Die unterschiedlichen Neubearbeitungsprozesse und die aufgeworfenen Fragen verweisen darauf, wie notwendig weitere Untersuchungen und Detailanalysen sind, die die hier vorgestellten Befunde befragen, kritisieren und ergänzen können und die Filme nicht für ästhetische Kritik oder sozialgeschichtliche Thesen verbrauchen, sondern die widersprüchlichen Wechselwirkungen thematisieren. Die einzelnen Remakes offenbaren je eigene Bezüge zu einem gesellschaftlichen Wandel und bleiben durch ihre Übernahmen und Anknüpfungsprozesse zugleich Zwitterwesen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Dabei geht es mir mit der Beobachtung und Vorstellung der Veränderungen nicht darum, eine Erfolgsgeschichte der Wandlungen in den Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik der 1950er Jahre zu schreiben oder mit dem Ende der Remakeproduktion für das Kino das Ende eines Ablösungsprozesses von Traditionsbeständen des Nationalsozialismus im westdeutschen Spielfilm auszurufen. Dass im Laufe der Studie Wandlungsprozesse herausgearbeitet und zum Teil systematisiert wurden und dabei stärker theoretische Deutungen oder Anknüpfungen an weitere mediale Diskurse oder Fragen nach der sozialen Funktion der Remakes nicht vollständig diskutiert wurden,14 ist der Größe der Forschungslücke in der Grundlagenarbeit geschuldet.15 14 Die Frage etwa nach einer Demokratisierung der Wahrnehmung durch den Film, wie sie seit einigen Jahren gestellt und klug analysiert wird, etwa bleibt hier außen vor, vgl. u. a. Kappelhoff / Groß / Illger 2010, Groß 2015. Meine Untersuchung ging vom erarbeiteten Filmkorpus aus.

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Fazit und Ausblick

Meine Arbeit begann mit der Befragung der historischen Zäsur 1945 für die deutsche Filmgeschichtsschreibung. So kam es zu einer Verengung auf Remakes von Filmen aus der NS-Zeit, die aber auch pragmatische Gründe hatte: Dieses durchschnittliche Zehntel der Gesamtfilmproduktion umfasst praktisch über 100 Remakes und ihre Vorgängerfilme. Die Studie untersuchte diese Remakes der 1950er Jahre aus struktureller, analytisch übergreifender und detaillierter Perspektive. Sie möchte Grundlage für weitere Forschungsarbeiten über das Jahrzehnt sein. Darüber hinaus ist es Anliegen, empirisch gesättigte und in der Filmauswahl klare größere Linien der Filmgeschichtsschreibung anzuregen und dabei die methodischen Probleme in Anbetracht eines disparaten Filmkorpus zu reflektieren. Die Systematisierung der Remakes und die Aufstellung der Filme im kommentierten Anhang verstehen sich als Basis für weitere Untersuchungen und Perspektiven auf das Publikumskino und Unterhaltungskultur generell. Neben allen Relativierungen, die bei der zunächst abschließenden Diskussion der Befunde vorgenommen wurden, verweist die Untersuchung der Remakes von NS-Filmen auf Veränderungen der Spielfilme im Laufe der 1950er Jahre. Die filmhistorische Periodisierung oder Konzeption eines einheitlichen westdeutschen Kinos oder Spielfilms der 1950er Jahre blendet diese Wandlungsprozesse aus. Die in der Geschichtswissenschaft diskutierten Differenzierungen haben sich für die Untersuchung der Remakes in den 1950er Jahren als überaus sinnvoll erwiesen: Das Infragestellen der politischen Zäsur im eigenen Fach mündet darin, die seit langem etablierten Erkenntnisse eines anderen zu bestätigen. Daran anknüpfend sollten die hier vorgestellten Befunde unbedingt um die Analyse sämtlicher Remakes – also einschließlich jener, die Tonfilme der späten Weimarer Republik neu inszenierten – ergänzt und kritisch befragt werden.16 Die Geschichte der deutschen Remakes endet nicht mit der Abnahme ihrer Produktion für das Kino am Beginn der 1960er Jahre. Weiterhin werden kontinuierlich bereits verfilmte Stoffe neu verfilmt – bis heute für das Fernsehen,17

15 Kießling und Rieger bemerken in der Einleitung ihres Sammelbandes in Bezug auf die historische Forschung, dass die Arbeiten vor allem inhaltlich die Veränderungen beschrieben, also das »Was« und weniger das »Wie« des Wandels untersuchen, Kießling / Rieger 2011, S. 8. Das gilt auch für meine Studie. 16 Auch thematisch war diese Studie keinesfalls abschließend: Es fehlen etwa grundlegende Untersuchungen insbesondere zu den – wieder auch einmal sozialgeschichtlich spannenden – Inszenierungen von Jugend und Jugendlichkeit im Spielfilm bzw. Publikumskino auch in Wechselwirkung mit anderen kulturellen Medien nach 1945. Auch eine systematische, gendertheoretisch fundierte Untersuchung der Frauen- und Männerbilder im Kino der 1930er und der 1950er Jahre, die Vergleiche zum Hollywoodkino ermöglichen würde, steht aus. Zu Männlichkeit in den 1950er Jahren jüngst, vgl. Figge 2015. 17 Die erwähnten Ostermayr-Produktionen verwiesen darauf, vgl. III. Schloss Hubertus, S. 353f. und S. 392f. Auch zahlreiche andere Heimat- und Operettenfilme wurden für das deutsche Fernsehen neu inszeniert, so etwa Geierwally (1940, 1956, TV 1987, TV 2005).

Fazit und Ausblick

407

zunehmend auch in der Forschung diskutiert.18 Ein Blick auf die TV-Erfolgsfilme verweist zudem auf einen Medienwechsel und widerspricht dabei einer Herauslösung der Filme aus dem Entstehungskontext: Sowohl Remakes als auch ihre Vorgängerfilme wurden noch Jahrzehnte später überaus erfolgreich im deutschen Fernsehen ausgestrahlt.19 Eine systematische Erschließung der Remediatisierung und deren strukturelle Verortung etwa in Prozessen der Programmpolitik und Urheberrechtsübertragungen versprechen interessante Befunde über diese langen Erfolgsgeschichten deutscher Filme und damit über das Film- und Fernsehpublikum und der Frage nach generationellen Prägungen. Die Untersuchung der Remakes der 1950er Jahre hat in diesem Zusammenhang gezeigt, dass zwar einerseits auf der Ebene der Filmschaffenden tatsächlich eine bereits vor 1945 erwachsene Generation dominant war, andererseits diese offensiv Momente der Jugendkultur aufgriff (und einhegte), um ein übergreifendes Publikum anzusprechen. Die Vielfalt des filmischen Materials zeitigt einen differenzierten Blick auf den populären Film der 1950er Jahre. Die Detailanalysen konnten diesen in Bezug auf den Wandel präzisieren und infragestellen. Systematische Analysen und detaillierte Filmvergleiche zusammen offenbaren schließlich noch einmal, wie wichtig eine transparente und begründete Filmauswahl sowohl für die Filmhistoriografie als auch für die Verknüpfung von Filmanalyse und Kulturgeschichtsschreibung ist. Im Überblick lassen sich sowohl zahlreiche Anknüpfungsmomente der Filme und Strukturen wie auch grundlegende Wandlungsprozesse beobachten, die auf eine komplizierte und zuweilen widersprüchliche Gleichzeitigkeit in einem wenig einheitlichen Jahrzehnt der Spielfilmproduktion verweisen.

18 Bereits Limbacher fokussierte Film und TV, vgl. Limbacher 1991; zu Adaptionen im TV, vgl. Lavigne 2014. 19 Garncarz schlüsselte die TV-Erfolgsfilme zwischen 1969 und 1989 auf. Hier finden sich auf einem der ersten drei Plätze: 1970 Charley’s Tante (1963), 1971 Der verkaufte Grossvater (1962), 1973 Die Geierwally (1943), 1974 Briefträger Müller (1953), 1980 Grün ist die Heide (1951), 1983 Die Privatsekretärin (1953), 1984 Der Haustyrann (1959) und 1988 Grün ist die Heide (1951), vgl. Garncarz 2013, S. 202ff. Auf den Plätzen vier bis zehn finden sich weitere Remakes.

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11:

Deutschsprachige Remakes 1949 bis 1963 Deutsche Remakes 1930–1941 Tonfilme 1929/30–1945 – Anteil der Vorgängerfilme Ausgewählte Rechteverkäufe Aufstellung Einzelverträge Rechteübertragungen Produktionsfirmen und ihre bis 1955 hergestellten Remakes Verleiher und Remakes 1950–1956 Remakes 1949–1963 (inklusive Coproduktionen) In der BRD produzierte Remakes in Schwarzweiß und Farbe Remakes unter den Top-Ten-Filmen in der BRD 1952/53–1962/63 Remakes aus Österreich 1949–1963

Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3–5:

Schneider Wibbel (1939), Szenenfoto T Deutsche Kinemathek Das Sonntagskind (1956), Szenenfoto T Deutsche Kinemathek Screenshots aus Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953), DVD: Filmjuwelen 2015 Screenshots aus Briefträger Müller (1953), DVD: Filmjuwelen 2014 Screenshot aus Muss man sich gleich scheiden lassen? (1953), TVAufnahme Screenshot aus Heimatland (1955), TV-Aufnahme Screenshots aus Wenn wir alle Engel wären (1956), TV-Aufnahme Screenshots aus Waldrausch (1962), TV-Aufnahme Screenshots aus Die unentschuldigte Stunde (A 1957), TV-Aufnahme Screenshots aus Die Deutschmeister (A 1955), DVD »Filmlegende Romy« Schneider, Kinowelt 2008 Screenshots aus Vor Sonnenuntergang (1956), TV-Aufnahme, mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber T CCC Filmkunst GmbH Screenshots aus Schloss Hubertus (1934), »Alle drei Filmversionen 1934–1954–1973«, Filmjuwelen 2015 Screenshots aus Schloss Hubertus (1954), »Alle drei Filmversionen 1934–1954–1973«, Filmjuwelen 2015

Abb. 6–7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10–11: Abb. 12–13: Abb. 14–15: Abb. 16–17: Abb. 18–21: Abb. 22–25: Abb. 26–32:

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Verwendete Literatur

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Verwendete Literatur

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Filmregister

Alles weg’n dem Hund (1935) 166 Alraune – Alraune (1928) 17, 44 – Alraune (1930) 17, 44, 68 – Alraune (1952) 17, 44, 68 Altes Herz wird wieder jung (1943) 101, 134, 226, 228 An heiligen Wassern (1960/1932) 29 Arzt aus Leidenschaft (1959/1936) 123, 148, 151 Der Arzt von Stalingrad (1958) 199 Auf Wiedersehen, Franziska (1941) 237ff. August, der Halbstarke (1957/1934) 151 Das Bad auf der Tenne – Das Bad auf der Tenne (1943) 49, 59, 107f. – Das Bad auf der Tenne (1956) 49, 59, 107f., 211 Ball im Savoy (1955/1935) 127 Bei der Blonden Kathrein – Bei der blonden Kathrein (1934) 218 – Bei der blonden Kathrein (1959) 218, 257, 265 Bel Ami – Bel Ami (1939) 49, 99, 210 – Bel Ami (1955) 210 – Bel Ami (1968) 49 Ben Hur (1959) 119 Bezauberndes Fräulein (1953) 57 Der Biberpelz (1949/1937) 46

Der Blaue Engel (1930) 42, 53f., 54, 103, 104, 113, 279, 331 Die blauen Schwerter (1949) 46 Die Blume von Hawaii – Die Blume von Hawaii (1933) 30, 137 – Die Blume von Hawaii (1953) 86 Briefträger Müller (1953) 101, 116, 166ff., 174, 194, 202, 259, 266f., 271f., 407 Canaris (1954) 191, 194, 199 Charley’s Tante – Charley’s Tante (1934) 21, 190, 398 – Charley’s Tante (1956) 21, 125, 190f., 256, 262, 266, 268, 397, 398 – Charley’s Tante (1963) 21, 50, 134, 398 Csibi, der Fratz (1934) 277, 287 Die Czardasfürstin (1951/1934) 85, 140, 152, 153, 160 Das haut hin (1957) 125, 222f., 239, 258, 262, 397 Die Deutschmeister (1955) 38, 101, 125, 131, 209, 237, 297–314, 341, 381, 385, 391f., 402f. Drei Mäderl um Schubert (1936) 29, 139, 212 Drei vom Variet8/ Spiel mit dem Leben (1954) 34, 118, 178 Die Drei von der Tankstelle (1930/1955) 53, 59, 68, 69, 99, 101, 237, 261 Das Dreimäderlhaus (1958) 29, 212 Dreizehn Stühle (1938) 42, 221

440 Dunja (1955) 53f., 56, 64ff., 86, 101, 127, 210, 268, 270 Durch die Wüste (1936) 243 Der Edelweißkönig – Der Edelweißkönig (1939) 149, 213f. – Der Edelweißkönig (1957) 213ff., 257, 269, 272, 381, 403 Ehestreik – Ehestreik (1935) 154 – Ehestreik (1953) 154, 161, 163f., 183, 264, 266 Einmal keine Sorgen haben (1953) 125, 163f. IA in Oberbayern – IA in Oberbayern (1937) 86, 183 – IA in Oberbayern (1956) 86, 183 Das Ekel (1939) 46, 225 Emil und die Detektive – Emil und die Detektive (1931) 102, 104, 287 – Emil und die Detektive (1954) 101, 102 Der Etappenhase (1957/1937) 151 Der Fall Deruga (1938) 142, 242 Der falsche Adam (1955) 186, 188, 262, 271 Familie Schimek (1957/1935) 144, 151 Der Feldherrnhügel (1953) 151, 303 Ferien vom Ich – Ferien vom Ich (1934) 69, 96, 97, 103, 147, 160, 219, 363 – Ferien vom Ich (1952) 69, 96, 103, 125, 152f., 158ff., 163, 173, 219, 259, 265, 267 – Ferien vom Ich (1963) 134, 255 Die Feuerzangenbowle (1944) 46, 148 Die Fledermaus – Die Fledermaus (1946) 134, 141 – Die Fledermaus (1955) 122, 134 – Die Fledermaus (1962) 125, 134 Föhn (1950) 115, 153, 160, 259, 264, 400 Die Försterchristl (1952/1931) 32, 85, 137 Franziska (1957) 237ff., 264, 267, 270f., 381 Fronttheater (1942) 241

Filmregister

Frühjahrsparade (1934/35) 296ff., 313f., 403

38, 275–294,

Gefährliches Abenteuer/ Abenteuer in Wien (1952) 125, 154 Die Geierwally – Die Geierwally (1940) 45, 50, 147, 407 – Die Geierwally (1956) 45, 57, 177, 270 Der Geigenmacher von Mittenwald – Die blonde Christl/ Der Geigenmacher von Mittenwald (1933) 30, 154 – Der Geigenmacher von Mittenwald (1950) 30, 154, 357 Geliebte Bestie/ Meine Heimat ist täglich woanders (1959) 34, 238, 239ff., 258, 268 Geliebter Schatz (1943) 164 Geliebtes Fräulein Doktor (1954) 86, 151 Das Glück liegt auf der Strasse (1957) 221 Die große Liebe (1942) 250 Grün ist die Heide (1951/1932) 48, 122, 126, 152, 155, 157 Die Halbstarken (1956) 50, 123, 224 Der Hauptmann von Köpenick (1956) 59, 86, 125 Der Haustyrann (1959) 123, 225f., 265, 347 Heideschulmeister Uwe Karsten – Heideschulmeister Uwe Karsten (1933) 86, 102, 147, 326 – Heideschulmeister Uwe Karsten (1954) 86, 102, 176, 179, 215, 257, 259f. Die Heilige und ihr Narr – Die Heilige und ihr Narr (1935) 147, 363 – Die Heilige und ihr Narr (1957) 217 Heimatland (1955) 179f., 260, 264, 267, 271 Heimatland (1939) 179 Heirate mich, Cherie (1964) 49 Heldinnen (1960) 47, 231 Der Herrscher (1937) 38, 177, 315, 319– 334, 338, 347, 352, 371, 384, 403 Hitlerjunge Quex (1933) 287, 321

Filmregister

Der Hochtourist – Der Hochtourist (1942) 46, 48, 123, 220 – Der Hochtourist (1961) 48, 123, 211, 220, 257 Hochzeit auf Reisen (1953) 115, 134, 148, 170, 264, 271 Hunde, wollt ihr ewig leben (1959) 199 Ich war Jack Mortimer (1935) 154 Ich werde dich auf Händen tragen (1958) 233ff., 257, 267 Im weißen Rössl – Im weißen Rössl (1935) 140, 144, 160, 398 – Im weißen Rössl (1952) 126, 152, 160, 398 – Im weißen Rössl (1960) 125, 255, 398 Immensee (1943) 182, 271 Das indische Grabmal – Das indische Grabmal (1921) 44, 106, 245 – Das Indische Grabmal (1938) 44, 106, 245 – Das indische Grabmal (1959) 19, 44, 125, 245ff., 271 Ist Mama nicht fabelhaft? (1958) 90 Ja, ja, die Liebe in Tirol (1955) 45, 184ff., 256, 258f., 262, 266 Ja, so ist das Mit der Liebe/ Das Ehesanatorium (1955) 186 Jacqueline (1959) 86, 90, 123, 223f. Der Jäger von Fall – Der Jäger von Fall (1936) 213, 357, 363 – Der Jäger von Fall (1957) 212f., 257, 267 Der Jungfrauenkrieg (1957) 126, 219ff., 267 Kauf dir einen bunten Luftballon (1961) 135, 250ff., 259, 265, 268 Der keusche Lebemann (1952) 32, 85 Kirschen in Nachbars Garten (1956/ 1935) 27

441 Kitty und die große Welt (1956) 191ff., 259, 263, 266, 267, 271f., 403 Kitty und die Weltkonferenz (1939) 191, 346 Der kleine Grenzverkehr (1943) 103f., 149, 269, 363 Kleiner Mann ganz groß (1938) 171f. Der Klosterjäger – Der Klosterjäger (1935) 160ff., 356 – Der Klosterjäger (1953) 125, 154f., 160ff., 256, 266, 270, 380, 400 Kohlhiesels Töchter – Kohlhiesels Töchter (1920) 45, 184 – Kohlhiesels Töchter (1930) 45, 184 – Kohlhiesels Töchter (1943) 45, 184 – Kohlhiesels Töchter (1962) 45, 50, 125, 134 Der Kongress tanzt (1955/1931) 17, 53, 55, 68, 99, 129, 261 Königswalzer – Königswalzer (1935) 86, 102, 105 – Königswalzer (1955) 86, 102, 105, 209, 261, 304, 380, 403 Das Konzert (1944) 46, 188 Krach im Hinterhaus – Krach im Hinterhaus (1935) 47, 322 – Krach im Hinterhaus (1949) 47, 115, 164 Krach um Jolanthe – Krach um Jolanthe (1934) 143, 183 – Das fröhliche Dorf/ Krach um Jolanthe (1955) 59, 60, 183f., 260, 265, 400 Krambambuli (1940) 179f. Der Kurier des Zaren (1957) 210, 271 Das Land des Lächelns (1952/1930) 32, 122, 139 Lauter Lügen (1938) 168 Leichte Muse (1941) 49, 148, 250 Der letzte Mann – Der letzte Mann (1924) 52, 344 – Der letzte Mann (1955) 52, 59, 60, 63, 344 Der letzte Walzer (1953/1934) 85 Liselotte von der Pfalz (1966/1935) 49

442 Lumpacivagabundus – Lumpacivagabundus (1936) 221, 265 – Lumpacivagbundus/ Lumpazivaganbundus (1956) 186, 221 Mädchen in Uniform – Mädchen in Uniform (1931) 17, 68 – Mädchen in Uniform (1958) 17, 68, 86, 206, 305 Das Mädchen vom Moorhof – Das Mädchen vom Moorhof (1935) 212 – Das Mädchen vom Moorhof (1958) 212, 256 Das Mädchen vom Pfarrhof (A 1955) 127, 178, 260, 335 Mädchenjahre einer Königin – Mädchenjahre einer Königin (1936) 86, 288, 290 – Mädchenjahre einer Königin (1954) 36, 86, 101, 125, 131, 209, 268, 274, 288, 305 Man müsste nochmal 20 sein (1958) 101, 226ff., 269, 272 Der Mann, von dem man spricht (1937) 222 Männer müssen so sein (1939) 34, 239 Maske in Blau – Maske in Blau (1943) 139, 141, 288 – Maske in Blau (1953) 101, 115, 153, 160, 257, 263 Der Maulkorb – Der Maulkorb (1938) 86, 231f. – Der Maulkorb (1958) 86, 231ff. Meine Nichte Susanne (1950) 30, 101, 120, 141 Der Meineidbauer – Der Meindeidbauer (1941) 49, 105, 180f. – Der Meineidbauer (1956) 49, 105, 264, 180f. Der müde Theodor – Der müde Theodor (1936) 224 – Der müde Theodor (1957) 224f., 266f., 269

Filmregister

Musik, Musik und nur Musik (1955) 49, 86, 115, 188f., 258, 267 Muss man sich gleich scheiden lassen? (1953) 153, 168ff., 173, 263, 266f., 307 Der Mustergatte – Der Mustergatte (1937) 29, 102, 143 – Der Mustergatte (1956) 29, 56, 86, 102, 143, 151, 151 – Der Mustergatte (1959) 29 Mutterliebe (1939) 201ff. Nanette (1940) 223 Nichts als Ärger mit der Liebe (1956) 188, 271 Oberwachtmeister Borck (1955) 55, 86, 207, 209, 265, 269, 271, 403 Oberwachtmeister Schwenke (1935) 55, 86, 105, 207f., 209 Der Ochsenkrieg – Der Ochsenkrieg (1920) 356 – Der Ochsenkrieg (1943) 357, 363 Opernball – Opernball (1939) 131, 175 – Opernball (1956) 131, 175 Der Page vom Dalmasse-Hotel (1933) 222 Der Page vom Palast-Hotel (1958) 222 Paprika – Paprika (1932) 279, 288 – Paprika (1959) 123 Das Paradies der Junggesellen (1939) 101, 165, 223, 250, 266 Pension Schöller (1960/1952/1930) 32, 85, 118, 123, 126, 398 Peter Voss, der Millionendieb – Peter Voss (1932) 46, 95, 109ff. – Peter Voss (1943–45) 46, 50, 95, 109ff., 244 – Peter Voss (1958) 95, 101, 126, 243ff., 257, 263f., 271, 400 – Peter voss, Held des Tages (1959) 245 Der Pfarrer von Kirchfeld – Der Pfarrer von Kirchfeld (1937) 127, 178

Filmregister

– Der Pfarrer von Kirchfeld (1955) 126, 127, 153, 178f., 256, 265, 267, 335 Der Postmeister (1940) 53, 57, 65f., 69, 105, 210 R#kjczi-Indulj (1933) 276 Der Raub der Sabinerinnen – Der Raub der Sabinerinnen (1936) 45 – Der Raub der Sabinerinnen (1954) 45, 85, 125, 186, 256, 263 Die Regimentstochter (1953/54) 30, 136, Regine – Regine (1935) 177 – Regine (1956) 57, 63, 177f., 267 Reifende Jugend – Reifende Jugend (1933) 19f., 203ff., 275 – Reifende Jugend (1955) 19f., 203ff., 229, 256, 267ff., 271 Robert und Bertram – Robert und Bertram (1939) 220 – Robert und Bertram (1961) 220f., 257, 265, 268 Rosen im Herbst (1955) 47, 55, 60, 86, 210, 268, 270 Saison in Salzburg – Saison in Salzburg (1952) 101, 131, 160, 398 – Saison in Salzburg (1961) 134, 255, 398 Salzburger Geschichten (1957) 212, 219, 228, 231, 260, 380 Schäm’ Dich, Brigitte!/ Wir werden das Kind schon schaukeln (1952) 164ff., 258, 261, 266f., 400 Scheidungsreise (1938) 148, 170 Schlag auf Schlag (1959) 50, 101, 223f., 258, 262, 266ff., 271 Schloss Hubertus – Schloss Hubertus (1934) 38, 357, 363– 377, 403 – Schloss Hubertus (1954) 38, 60, 122, 125, 212, 217, 378–392, 403 – Schloss Hubertus (1973) 392f. Schneider Wibbel (1939) 20f., 46, 195

443 Der schönste Tag meines Lebens (1957) 127, 300 Der Schritt vom Wege (1939) 47, 103 Schwarzwaldmädel – Schwarzwaldmädel (1933) 35, 48 – Schwarzwaldmädel (1950) 35, 48, 101, 116, 121, 126, 152, 155, 160, 257, 300 Das Schweigen im Walde – Das Schweigen im Walde (1937) 175, 355, 363, 380 – Das Schweigen im Walde (1955) 125, 175f., 256, 259, 267, 271, 358, 380 Der schweigende Mund (1951) 101 Seine Tochter ist der Peter (1955/1936) 186f. Das seltsame Leben des Herrn Bruggs (1951) 30, 49, 120 Die seltsamen Abenteuer des Fridolin B. (1948) 46 Serenade (1937) 233ff. Sieben Jahre Pech – Sieben Jahre Pech (1940) 222, 223, 258 – Scherben bringen Glück/ Sieben Jahre Pech (1957) 222, 258 Singende Jugend/ Edelweißbub (1936) 127, 300 Sissi (1955) 23, 192, 209, 274, 298, 303, 313 Die Sklavenkarawane (1958) 86, 243f., 249 So ein Flegel (1934) 46 Sophienlund (1943) 49, 105, 261 Das Sonntagskind (1956) 20f., 86, 116, 190, 194ff., 256, 265, 400 Spatzen in Gottes Hand/ Glück aus Ohio (1950) 171ff., 179, 266f., 269 Das Spiel auf der Tenne (1937) 219 Spring Parade (1940) 295f. Stern von Rio – Stern von Rio (1940) 86, 207, 208 – Stern von Rio (1955) 57, 86, 207f., 251, 260, 263, 269 Das sündige Dorf – Das sündige Dorf (1940) 118, 183 – Das sündige Dorf (1954) 118, 183

444 Tante Jutta aus Kalkutta (1953) 151 Tierarzt Dr. Vlimmen (1956) 30, 120 Der Tiger von Eschnapur – Der Tiger von Eschnapur (1921) 44, 245 – Der Tiger von Eschnapur (1938) 44, 106, 245f. – Der Tiger von Eschnapur (1959) 19, 44, 106, 125, 243, 245ff., 257, 271 Die Tochter des Regiments (1933) 30, 136 Um eine Nasenlänge (1949/1931) 101, 152 …und ewig bleibt die Liebe (1954) 86, 126, 177 …und nichts als die Wahrheit (1958) 86, 123, 241ff., 265, 267, 269, 381 Die unentschuldigte Stunde – Die unentschuldigte Stunde (1937) 228 – Die unentschuldigte Stunde (1957) 228ff., 262, 267, 268f., 403 Die Unschuld vom Lande (1957/1933) 30 Der unsterbliche Lump (1953/1930) 85, 137 Urlaub auf Ehrenwort – Urlaub auf Ehrenwort (1938) 18, 34, 196ff., 331, 403 – Urlaub auf Ehrenwort (1955) 18, 34, 118, 195ff., 256, 263, 403 Variet8 (1935) 34, 118, 178 Vergiss mein nicht – Vergiss mein nicht (1935) 42, 253 – Vergiss mein nicht (1958) 249, 253ff., 257, 258f. Der verkaufte Großvater – Der verkaufte Großvater (1942) 49, 220 – Der verkaufte Großvater (1962) 50, 219f., 407 Verlobung am Wolfgangsee (1956) 49, 183, 260 Versprich mir nichts (1937) 85, 153, 322 Vetter aus Dingsda (1953/1934) 126

Filmregister

Via Mala – Via Mala (1948) 49, 216 – Via Mala (1961) 49, 125, 135, 216, 257, 272 Viktor und Viktoria – Viktor und Viktoria (1933) 68, 250 – Viktor und Viktoria (1957) 68, 249, 251, 259, 262 Der Vogelhändler (1962/1953/1940/1935) 86, 126, 141, 160 Vor Sonnenuntergang (1956) 18, 38, 334– 352, 384, 403 Der wahre Jakob (1960/1950/1931) 32, 123 Waldrausch – Waldrausch (1939) 217, 357 – Waldrausch (1962) 217f., 257 Waldwinter – Waldwinter (1936) 27, 102 – Waldwinter (1956) 27, 147, 181f., 257, 265 Was die Schwalbe sang (1956) 116, 182f., 257, 258, 260f., 271 Die weiße Hölle vom Piz Palü (1935) 153 Der weiße Traum (1943) 250f. Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt – Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1933) 156 – Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt (1953) 116, 122, 125, 155ff., 160, 174f., 184, 191, 256, 259ff., 264, 270f., 300, 369, 397, 400, 402 Wenn du noch eine Mutter hast/ Das Licht der Liebe (1954) 195, 201ff., 256, 267, 269f. Wenn eine Frau liebt (1950) 85, 101, 151, 153 Wenn wir alle Engel wären – Wenn wir alle Engel wären (1936) 187f., 271 – Wenn wir alle Engel wären (1956) 186ff., 221, 258, 267, 271, 380 Der Wilde (1953) 379

Filmregister

Wir machen Musik (1942) 49, 86, 182, 188f. Wir Wunderkinder (1958) 196, 232 Die Wirtin an der Lahn (1955/1937) 151 Wunschkonzert (1940) 185, 259

445 Der Zigeunerbaron (1954/1935) 44, 101, 175 Zwei Herzen im Mai (1958) 49, 250f., 259, 262, 264f., 271 Zwei in einem Anzug (1950/1934) 115, 153, 159, 173

Personenregister

Abraham, Paul 137–139, 276 Adenauer, Konrad 29, 49, 72, 78f., 91 Albach-Retty, Wolf 222, 251, 278, 282, 287–289, 305 Albers, Hans 153, 263, 336–338, 340, 342, 344f., 347f., 351f., 385, 392 Andree, Ingrid 178, 183, 208, 242, 244 Angst, Richard 153 Antel, Franz 69, 129, 179, 186, 221, 303, 308f. Anton, Karl 46, 249, 251 Attenberger, Karl 363 Aulinger, Elise 163, 183

Bollack, Gert 99 Bollmann, Hannelore 180, 184, 196 Bolv#ry, G8za von 38, 131, 141, 182, 184, 250, 278, 280 Borsche, Dieter 168, 187, 250 Bratt, Harald 133, 315, 320, 335f., 338 Braun, Harald 49, 52, 63f., 177, 380, 395 Brauner, Artur 12, 106–108, 114, 324, 335–337, 345 Brehm, Beppo 163, 183 Breuer, Siegfried junior 65, 210, 298, 302, 381 Buch, Fritz Peter 181, 242

Baal, Karin 224 Baky, Joseph von 63f., 86, 210, 216, 278, 334 Balser, Ewald 226, 335, 345 Barthel, Manfred 53, 57, 59, 62, 69, 79, 341, 395 Bausch, Paul 70, 73, 77, 84 Benatzky, Ralph 57, 134, 136–138, 141, 288 Benkhoff, Fita 169, 186 Bert8, Heinrich 139f., 212 Bertuch, Max 137, 139 Bethmann, Sabine 181, 247, 253 Biederstaedt, Claus 182, 189f., 197, 347, 381 Birgel, Willy 69, 217, 240 Boese, Carl 46, 131, 141, 279, 288 Böhm, Karlheinz 189, 192, 210, 212, 226, 393

Conrads, Heinz 164, 309 Cziffra, G8za von 22, 29, 102, 134, 186, 188, 222, 224, 250–252 Dagover, Lil 380, 385 Deltgen, Ren8 246 Deppe, Hans 35, 38, 46, 137, 148, 152f., 155, 157f., 170, 176, 178, 213, 220, 265, 299, 335, 355, 363, 370f. Dießl, Gustav 153, 246 Domin, Friedrich 215, 242, 381, 392 Durbin, Deanna 295f. Düringer, Annemarie 208, 334, 345f., 381 Ebermayer, Erich 98, 127, 323 Eichberg, Richard 19, 106f., 245, 247, 277, 279 Eisbrenner, Werner 336 Emo, E. W. 29, 141, 164f., 212, 221f., 228

448 Engel, Erich 46, 49, 131, 226, 231, 274, 288 Engel, Thomas 188, 222 Engels, Erich 27 Erfurth, Ulrich 203, 211, 220 Erhardt, Heinz 221, 224f., 252, 262 Fehdmer, Helene 316, 324 Feiler, Hertha 17, 169, 190, 217, 232, 239 Finkenzeller, Heli 166, 171 Fischer, O. W. 242, 244, 345 Fleck, Jakob und Luise 127, 136, 178, 278, 355 Forst, Willi 49, 68, 109, 160, 210, 228, 233, 320, 336 Forster, Rudolf 181, 229, 317 Friedl, Franz R. 363 Fritsch, Willy 22, 158, 165, 187, 207, 237, 263, 266, 345 Fritzsche, Karl Julius 110f., 118, 319 Froelich, Carl 19, 45, 49, 55, 143, 154, 183, 203, 207 Fröhlich, Gustav 17, 187f., 208 Gaal, Franziska 127, 275–279, 287f., 296f., 301, 307, 314 Ganghofer, Ludwig 49, 60, 144f., 147– 149, 154, 161–163, 175, 187, 212, 214f., 217, 257, 316, 353–356, 358–364, 369f., 372–375, 380f., 383, 391, 398, 403 George, Heinrich 19, 56f., 65–67, 206, 331, 345 Giehse, Therese 170 Gigli, Benjamino 253f. Giller, Walter 188–190, 195, 211, 221, 231, 240, 244, 250 Goebbels, Joseph 71–73, 94, 111, 138, 321, 323, 367 Goelz, Erwin 80f., 330 Gömbös, Gyula 276 Haack, Käthe 188, 316, 324, 346 Hagara, Willy 226, 262 Halmay, Tibor von 276, 278, 282 Hansen, Rolf 115, 138, 148, 153, 160, 189, 250, 335

Personenregister

Harbou, Thea von 19, 44, 107, 146, 245, 320, 329 Harlan, Veit 19, 38, 47, 104, 164, 182, 233f., 315f., 321f., 329f., 333, 338 Hasse, Kurt 336 Hasse, O. E. 156, 191, 231f., 345 Hatheyer, Heidemarie 57, 181 Hauptmann, Benvenuto 335f. Hauptmann, Gerhart 19, 38, 46, 140, 145, 273, 315–318, 320, 323–326, 330, 332, 334–341, 343f., 347, 349, 351f., 382 Heesters, Johannes 153, 207, 251, 269 Held, Martin 347 Heltau, Michael 183, 379f. Henckels, Paul 21, 46, 204 Herzberg, Georg 124f., 147, 157, 186, 200f., 203, 209, 223, 338, 397 Hillern, Wilhelmine von 45, 147, 177, 353 Hoffmann, Kurt 45, 49, 63, 103f., 186, 196, 219, 233, 309, 395 Hold, Marianne 158, 179, 217f. Holm, Claus 176, 181, 212, 247, 298 Holt, Hans 210, 233, 255 Hoppe, Marianne 176, 208, 237, 323f., 326f., 332, 346, 348, 350 Hörbiger, Attila 178, 214f. Hörbiger, Christiane 181, 214f. Hörbiger, Paul 29, 109, 164, 182, 186, 190f., 212, 252, 255, 274, 278, 288f., 299 Horthy, Mikljs 276 Hoven, Adrian 12, 153, 179, 222, 228 Hübner, Herbert 176, 324, 332 Hubschmid, Paul 153, 212, 231, 246, 248 Huth, Jochen 223, 323f., 336, 344 Ihering, Herbert 317f., 320 Imhoff, Fritz 282, 299, 301f. Jacoby, Georg 109, 137, 140f., 152–154, 160, 219 Jannings, Emil 52, 226, 318–320, 322– 324, 326, 330–332, 335, 340, 344f., 348, 352, 371 Jary, Michael 140, 250f., 259 Jenbach, Bel# 140 Jessel, Leon 35, 137–139

449

Personenregister

Joachimson, Felix (Jackson, Felix) 295 Jugert, Rudolf 181, 210, 378 Jugo, Jenny 288

278,

Kadelburg, Gustav 140, 144 K#lm#n, Emmerich 136, 138, 140 Kampendonk, Gustav 190 Kästner, Erich 103f., 148, 397 Käutner, Helmut 49, 182, 188, 191, 346 Keller, Paul 27, 134, 147, 158, 219, 353 Kerr, Alfred 63, 317f., 339, 341 Kersztes-Fischer, Franz Vit8z 276, 278 Knittel, John 113, 148, 216 Knoteck, Hansi 212, 214, 217, 364, 371 Kobler, Erich 47, 164 Koch, Franz 379 Koch, Marianne 161, 187, 209, 212, 231, 242, 345, 358, 379f. Koczian, Johanna von 57, 231, 251 Köllner, Hans Fritz 258 Koppenhöfer, Maria 316, 324, 326, 332 Körber, Hilde 59, 216, 233, 324, 332, 347 Kosterlitz, Hermann (Koster, Henry) 278, 295f. Köstlin, Karl 179 Kowa, Viktor de 21, 46, 171, 188f., 195, 244 Krauß, Werner 316–318, 331, 334, 338f., 345f. Krüger, Bum 190f. Krüger, Hardy 168, 170 Kugelstadt, Hermann 219 Kuntze-Just, Heinz 20, 53, 58, 69, 72, 76, 113, 128 La Jana 57, 207, 246 Lamprecht, Gerhard 207, 287 Lang, Fritz 19, 23, 44, 106, 196, 243, 245, 249, 252, 271, 346, 365, 393 Leh#r, Franz 136–138 Lenz, Otto 72f. Leuwerik, Ruth 168, 210, 237f., 334 Liebeneiner, Wolfgang 18, 29, 49f., 63f., 90, 118, 141, 148, 152f., 177, 181f., 195f., 200f., 237, 309, 320, 395

Lieven, Albert 203f. Lingen, Theo 165, 222, 243, 250, 278, 281, 287 Lohner, Helmut 197 Löhner-Beda, Fritz 137 Lüders, Günther 74f., 85, 176, 183, 186, 188, 196 Lukschy, Wolfgang 176, 212, 299, 303 Lulli, Folco 207 Lüthge, Bobby E. 152, 154 Lützkendorf, Felix 196 Mainz, F.A. 95, 109–111 Mannheim, Karl 23f., 34 Maraun, Frank 197, 327, 330f., 365 Marischka, Ernst 29, 38, 130f., 160, 209, 212, 222, 254, 274, 278, 296–298, 303f., 306, 312, 314 Marischka, Georg 163, 243 Marischka, Hubert 188 Matray, Ernst 183, 188 Matz, Johanna 57, 177, 226 May, Paul (Ostermayr, Paul) 199, 213, 217, 356, 363 Meinrad, Josef 229, 237, 299, 302, 309 Meisel, Kurt 20, 195 Meyer, Rolf 107f., 211 Millowitsch, Willy 21, 220 Mondi, Bruno 153, 298 Moser, Hans 29, 164f., 185f., 220f., 223, 225, 229, 262, 274, 278, 282, 287, 290– 292, 299, 302, 308 Müller, Walter 155, 188 Müller, Wolfgang 232 Müller-Schlösser, Hans 21 Nachmann, Kurt 258 Neal, Max 123, 143 Neufeld, Max 127, 140, 276f., 279, 295, 300 Neumann, Kurt 178, 207f. Neuss, Wolfgang 197, 232 Nicoletti, Susie 184, 300 Nielsen, Hans 234, 346 Nünke, Margit 239

450

Personenregister

Ode, Erik 29, 53, 64, 137, 186, 192, 197 Osten, Franz 66, 310, 356 Ostermayr, Ottmar 356 Ostermayr, Peter 38, 97, 114f., 148, 153f., 161, 175, 177, 213, 217, 354–358, 362f., 377–381, 391, 397, 406 Oswald, Richard 30, 44, 49, 127, 137, 140, 276, 279 Paget, Debra 246 Parbs, Margarethe 364 Pasternak, Joe 127, 274f., 278, 295f. PEM (Marcus, Paul) 275 Peter Alexander 22, 221, 223f., 251, 255, 262, 398 Pfennig, Bruno 71, 99, 109–112 Pfitzmann, Günter 208, 231, 234 Philipp, Gunther 185, 222, 252, 258, 299 Platte, Rudolf 188, 225, 230, 255 Pointner, Anton 282, 297, 361 Pommer, Erich / Eric 103f. 113, 135, 378 Prack, Rudolf 156, 158, 160, 180, 222 Quest, Hans

21, 190, 197, 199, 218, 226

Rabenalt, Arthur Maria 44, 49, 137, 141f., 160, 173, 177, 239–241, 249f., 253, 258, 328, 399 Reimann, Hans 123, 148 Reimann, Max 123, 143f. Reinhardt, Gottfried 18f., 38, 315, 323f., 334, 336, 338–341, 352 Reinhardt, Max 19, 38, 219, 276, 290, 315– 317, 324, 336, 339, 346, 381 Reinl, Harald 161, 353, 393 Remberg, Erika 222, 228, 380 Richter, Hans 275, 281, 287, Richter, Paul 161, 175, 213f., 217, 364f., 373, 380, 382 Richter, Walter 57, 67, 210 Riedmann, Gerhard 184, 208, 217f., 239f., 393 Riefenstahl, Leni 153, 329, 354 Ritter, Karl 18, 196, 331 Roman, Grete 364, 371 Rosar, Annie 165, 179, 281

Rühmann, Heinz 17, 21, 42, 46, 63, 153, 164f., 168, 185, 187, 190, 195f., 221, 223, 398 Rütting, Barbara 57, 176 Sailer, Toni 251–253 Sandrock, Adele 278, 282, 287, 297 Schlenck, Hans 176, 364, 371 Schlettow, Hans Adalbert 217, 364 Schlösser, Rainer 320 Schneider, Magda 253, 298, 303, 305, 307, 385 Schneider, Romy 5, 60, 191, 209, 274, 288, 298, 301–303, 305–307, 314, 344, 381 Schroth, Hannelore 346 Schulz, Kurt 31, 115f., 141, 144, 147, 149, 154, 160, 253, 290, 397 Schündler, Rudolf 45, 137, 155, 183, 357 Schwabach, Kurt 137, 139 Schweikart, Hans 153, 168 Schwerin, Hermann 111f. Seeliger, Ewald Gerhard 109–113, 146, 319, 353 Sima, Oskar 156, 166, 179, 188, 219, 251f., 316 Söderbaum, Kristina 233, 250 Söhnel, Willy 101–104, 106–108 Söhnker, Hans 171, 187, 237, 239f., 345 Spoerl, Heinrich 134, 148–150, 231 Staudte, Wolfgang 46, 49, 231–233, 334 Stein, Leo 138, 140 Stelzer, Hannes 324, 332 Stemmle, Robert A. 21, 45f., 171, 190, 195 Stephan, Ruth 190f., 252, 258 Stöckel, Joe 152f., 159, 161, 163, 183, 209, 219f. Stolz, Robert 274, 278, 280, 291, 293, 295, 298, 301, 315 Straus, Oscar 127, 137 Sutter, Sonja 175, 345 Tagliavini, Ferruccio 253, 255 Thimig, Hermann 251, 276f., 316f. Thomalla, Georg 57, 221, 243, 251 Thompson, Carlos 237 Tiller, Nadja 165, 211

451

Personenregister

Torrado, Ramjn 243 Torriani, Vicco 220f., 223, 268 Tourjansky, Viktor von 209, 304, 380 Ucicky, Gustav 65f., 212f., 217, 257, 355 Ulmer, Friedrich 161, 364, 368, 371 Ulrich, Kurt 115f., 222f., 397 Vaszary, Piri 165, 282 Verhoeven, Paul 46, 127, 170, 188, 242 Vogel, Rudolf Dr. 70–74, 358 Vogel, Rudolf 170, 197 Wacek, Wilhelm 291, 294 Waschneck, Erich 29, 63, 177 Weck, Peter 50, 224, 226

Weidenmann, Alfred 29, 90, 191, 194, 199 Weiß, Helmut 38, 46, 159, 175, 299, 304, 355, 378 Weiß-Ferdl 166, 221, 224 Weiser, Grethe 189, 225 Wessely, Paula 201–203, 215 Wiemann, Mathias 19, 204, 316 Wilde, Walter 109, 111–113 Winkler, Max 71, 110, 319 Wirth, Franz Peter 241 Wolter, Ralf 197, 224, 252, 258 Worell, Herta 364 Wuermeling, Franz-Josef 75f., 80f., 206, 396 Zeller, Wolfgang

136, 141, 201f., 321