Wahlprüfung und subjektiver Wahlrechtsschutz: Nach Bundesrecht unter Berücksichtigung der Landesrechte [1 ed.] 9783428423088, 9783428023080


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German Pages 190 Year 1970

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Wahlprüfung und subjektiver Wahlrechtsschutz: Nach Bundesrecht unter Berücksichtigung der Landesrechte [1 ed.]
 9783428423088, 9783428023080

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 130

Wahlprüfung und subjektiver Wahlrechtsschutz Nach Bundesrecht unter Berücksichtigung der Landesrechte

Von

Bernd-Dietrich Olschewski

Duncker & Humblot · Berlin

BERND-DIETRICH

OLSCHEWSKI

Wahlprüfung und Wahlrechtsschutz

Schriften zum öffentlichen Band 130

Recht

Wahlprüfung u n d subjektiver Wahlrechtsschutz Nach Bundesrecht unter Berücksichtigung der Landesrechte

Von

Dr. Bernd-Dietrich Olschewski

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

Meiner Frau Meinen Eltern

Vorwort Diese Schrift hat i m Wintersemester 1969/70 der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation vorgelegen. Bei der erneuten Durchsicht und Überarbeitung für die Drucklegung sind Schriftt u m und Rechtsprechung weitgehend bis Ende März 1970 — i n Ausnahmefällen darüber hinaus — berücksichtigt worden. Mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor Dr. K a r l August Bettermann, hat diese Arbeit unermüdlich betreut und durch wertvolle Anregungen und Hinweise tatkräftig gefördert. Dafür sage ich i h m meinen aufrichtigen Dank. Mein herzlicher Dank gilt auch Herrn Professor Dr. W i l l i Blümel und Herrn Rechtsanwalt Dr. Klaus Finkelnburg. Beide haben durch i h r liebenswürdiges Entgegenkommen und wohlwollendes Verständnis den zeitgerechten Abschluß der Darstellung ermöglicht. Dank schulde ich ferner Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme der Schrift i n sein Verlagsprogramm. Berlin, den 7. J u l i 1970 Bernd-Dietrich Olschewski

Inhaltsverzeichnis

Einleitung § 1. Aufgabe, Ziel und Methode der Untersuchung

Erster

17

Teil

§ 50 BWahlG und das Wahlprüfungsverfahren nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 G G

21

Erster Abschnitt Das Wahlprüfungsverfahren

nach Art 41 GG

23

§ 2. Der Begriff der Wahlprüfung

24

§ 3. Der Prüfungsgegenstand

26

A. Abgrenzung zum Streit- und Entscheidungsgegenstand

27

B. Art des Prüfungsgegenstandes

28

C. Umfang des Prüfungsgegenstandes

29

I. Präjudizierung durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2,38 Abs. 1 Satz 1 G G I I . Mögliche Lösungen I I I . Die richtige Lösung § 4. Die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung A. Verfahrensfunktion und Wahlungültigkeitsgründe

29 30 32 35 35

B. Mögliche Verfahrensfunktionen

36

C. Bedeutung der Möglichkeiten

36

§ 5. Die vorläufige Bestimmung der Verfahrensfunktion

38

A. Negative Ausgrenzung: Wahlprüfung als schlichte Rechtswidrigkeitsprüfung

38

B. Positive Ausgrenzung: Wahlprüfung als materielle Mandatserwerbsprüfung

41

C. Vorläufiges Ergebnis

42

nsverzeichnis § 6. Die endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

43

A. Problemstellung: Wahlprüfung als Stimmergebnisprüfung I. Die gegenwärtige Lehre

43 43

I I . Landesrechtliche Regelungen

51

B. Problemlösung: Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG . .

52

I. Begriffliches Verständnis der Wahlprüfung 1. Wahlrechtmäßigkeitsprüfung gegen Wahlgültigkeitsprüfung

53

2. Wahlprüfung gegen Legitimationsprüfung

53 54

I I . Logisches Verständnis der Wahlprüfung

55

I I I . Historisches Verständnis der Wahlprüfung 1. Vom Ständestaat zur Bismarck-Verfassung a) Wahlprüfung als Legitimationsprüfung b) Wahlprüfung gegen Legitimationsprüfung 2. Von der Bismarck-Verfassung zur Weimarer Reichsverfassung a) Kontinuität der objektiven Rechtslage b) Diskontinuität der wahlprüfungsgerichtlichen Praxis.. c) Qualifizierung und Erklärung der wahlprüfungsgerichtlichen Praxis

56 56 56 58

3. Von der Weimarer Reichsverfassung zum Grundgesetz . .

63

I V . Entstehungsgeschichtliches Verständnis der lichen Wahlprüfung 1. Erwägungen des Verfassungsgesetzgebers

bundesrecht-

2. Erwägungen des einfachen Gesetzgebers

60 61 61 62

64 64 65

V. Verfassungssystematisches Verständnis der Wahlprüfung . . 67 1. Systematischer Standort des Art. 41 G G 67 a) Parlamentarische Wahlprüfung als Mittel der Bestandssicherung 67 b) Bundesverfassungsgerichtliche Wahlprüfung als Mittel rechtmäßiger Bestandssicherung 68 2. Mandatserwerbsprüfung gegen Mandatsbestandsprüfung 71 3. Wahlprüfung und Volkssouveränität 4. Wahlprüfung und Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 G G V I . Einfachgesetzliches Verständnis der Wahlprüfung 1. Bedeutung des § 13 Nr. 3 BVerfGG 2. Argumentation aus § 43 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG 3. Wahlorgane gegen Wahlprüfungsorgane 4. Berücksichtigung des § 31 Abs. 3 Satz 1 BWahlG 5. Einbeziehung des § 18 Abs. 2, Abs. 3 ParteienG § 7. Abschließende Betrachtung zur Wahlprüfung

72 74 80 81 82 83 84 84 86

Inhaltsverzeichnis

11

Zweiter Abschnitt Der Ausschluß des subjektiven Wahlrechtsschutzes gemäß § 50 BWahlG

89

§ 8. § 50 BWahlG als partielle Rechtsschutzverweigerungsnorm

90

A. Die Rechtsakte des § 50 BWahlG

90

B. Die Anfechtung des § 50 BWahlG

92

§ 9. § 50 BWahlG als totale Rechtsschutzverweigerungsnorm — Gesamtergebnis und Würdigung —

93

A. Subjektiver Wahlrechtsschutz vor Abschluß der Wahl

94

B. Subjektiver Wahlrechtsschutz nach Abschluß der Wahl I. Prinzipaler Rechtsschutz I I . Inzidenter Rechtsschutz

94 95 95

C. Würdigung und Ausblick

96

Zweiter

Teil

Die Geltung der Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 93 Abs. 1 Nr. 4 a G G im Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane

98

§ 10. Die Voraussetzungen der Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 G G

99

A. Wahlbehörden und Wahlorgane als Träger öffentlicher Gewalt

99

B. Art. 19 Abs. 4 GG und die Träger verfassungsrechtlicher Gewalt 101 C. Aktivbürger und Partei als Träger des subjektiven Wahlrechts I. Aktives und passives Wahlrecht als subjektives Recht im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG I I . Art. 19 Abs. 4 G G und der Schutz der Aktivrechte 1. Passivrechte contra Aktivrechte 2. Status activus contra status subjectionis 3. Zivile Subjektion contra hierarchische Subjektion 4. Art. 19 Abs. 4 G G contra Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 G G

105 105 106 107 109 110 113

D. Aktivbürger und Partei als Träger verletzbarer Rechte

114

E. Eingriffe in subjektive Wahlrechte und Rechtsschutzbedürfnis . . I. Wahl und Wahldurchführungsakte als einheitlicher Kollektivakt I I . Mögliche Beeinflussung der Mandatsergebnisse durch Eingriffe in subjektive Wahlrechte I I I . Überholung der Eingriffe durch Wahlablauf I V . Bedeutung des Rechtsschutzbedürfnisses für Art. 19 Abs. 4 G G

117 117 121 122 123

nsverzeichnis 8 11. Das Wahlprüfungsverfahren

als Rechtsweg und Rechtsschutzweg

des Art. 19 Abs. 4 GG

125

A. Das Wahlprüfungsverfahren

als Rechtsweg

B. Das Wahlprüfungsverfahren als Rechtsschutzweg I. Individueller Rechtsschutz I I . Effektiver Rechtsschutz

126 126 127 128

8 12. Die Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a, 94 Abs. 2 Satz 2 GG 130

Dritter

Teil

Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 G G als Einschränkung der Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 93 Abs. 1 Nr. 4 a G G 8 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG A. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts I. Bericht und Kritik

133 133 134 134

I I . Widerlegung: Art. 41 GG weder lex specialis noch lex superior 137 B. Zur Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs 144 I. Die Lehre von der eingeschränkten Exklusivität der Wahlprüfung 144 I I . Die Lehre von der umfassenden Exklusivität der Wahlprüfung 147 8 14. Wahlprüfung und Verfassungsbeschwerde

Vierter

149

Teil

Subjektiver Wahlrechtsschutz und einfachgesetzliche Rechtsschutzgewährung 8 15. Verwaltungsrechtsweg A. Verfassungsrechtliche Streitigkeiten? I. Verfassungsrechtlich qualifizierte Beteiligte I I . Verfassungsrechtlicher Streitgegenstand B. Ausdrückliche gesetzliche Zuweisung

151 152 152 152 156 156

nsverzeichnis § 16. Klagearten

13 158

A. Eingriffe in subjektive Wahlrechte vor Abschluß der Wahlhandlung 158 I. Anfechtungsklage

159

I I . Verpflichtungsklage

160

I I I . Leistungsklage

161

I V . Feststellungsklage

162

B. Eingriffe in subjektive Wahlrechte nach Abschluß der Wahlhandlung 163 § 17. Rechtzeitige Rechtsschutzgewährung

165

A. Hauptverfahren

165

B. Vorläufiger Rechtsschutz

166

Sdilußbetrachtung

169

Leitsätze

170

Literaturverzeichnis

176

Rechtsquellenverzeichnis

187

Âbkûrzungsverzeichnis

Allgemein gebräuchliche Abkürzungen sind im Verzeichnis nicht aufgeführt. Für juristische Abkürzungen wird ergänzend auf: Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Auflage, Berlin 1968, hingewiesen. Amtsbl Arg. AöR AS Bad.-Württ. VB1 BayVBl BayVerfGH BayVerfGHE

Amtsblatt Argument Archiv des öffentlichen Redits Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Koblenz) Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, herausgegeben vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München

BayVGH BayVGHE

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, herausgegeben vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München

BGBl Btag BVerfG BVerfGE

Bundesgesetzblatt Bundestag Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG BVerwG BVerwGE

Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, gegeben von den Mitgliedern des Gerichts Bundeswahlgesetz Bundeswahlordnung Bundeswahlprüfungsgesetz Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Die öffentliche Verwaltung Drucksachen des Deutschen Bundestages Deutsche(r)

BWahlG BWahlO BWPrüfG Diss. DJT DJZ DÖV Drs. Dt. Btag Dt.

heraus-

Abkürzungsverzeichnis

15

DV

Deutsche Verwaltung

DVB1

Deutsches Verwaltungsblatt

ESVGH

Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs BadenWürttemberg, herausgegeben von Mitgliedern der Verwaltungsgerichtshöfe

GBl GesBl Gesch. O.Btag GS GVB1 GVG GVOB1 HdbDStR Jb.ö.R.

Gesetzblatt Gesetzblatt Geschäftsordnung des Bundestages

JR JuS JW JZ

Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Gesetzessammlung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch des Deutschen Staatsrechts Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

KWG Kommunalwahlgesetz Ltag Landtag LVG Landesverwaltungsgericht LWahlG Landeswahlgesetz LWahlO Landeswahlordnung LWPrüfG Landeswahlprüfungsgesetz MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MRVO Militärregierungsverordnung Neue Juristische Wochenschrift NJW Nordrhein-Westfalen NR-W Oberverwaltungsgericht OVG O V G E Lüneburg Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder und Münster Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg, herausgegeben von Mitgliedern der Gerichte österr. Z. öff.R. ParteienG Pr. O V G PrVBl PVG RGBl R G (St) Rtag VerwArch. VfGH

österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Gesetz über die politischen Parteien Preußisches Oberverwaltungsgericht Preußisches Verwaltungsblatt Polizeiverwaltungsgesetz Reichsgesetzblatt Reichsgericht (Entscheidungen in Strafsachen) Reichstag Verwaltungsarchiv Verfassungsgerichtshof

16 VfGHG VG VGG VGH Vhdlg. VO VOB1 WDStRL

Abkürzungsverzeichnis

Weim. Rverf. Weim. WPrüfO WP WPA WPrüfG Ltag WPrüfG Rtag

Verfassungsgerichtshofsgesetz Verwaltungsgericht Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit Verwaltungsgerichtshof Verhandlungen Verordnung Verordnungsblatt Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland, Sammlung oberstrichterlicher Entscheidungen aus dem Verfassungsund Verwaltungsrecht, herausgegeben von Otto Gross Weimarer Reichsverfassung Weimarer Wahlprüfungsordnung Wahlperiode Wahlprüfungsausschuß Wahlprüfungsgericht beim Landtag Wahlprüfungsgericht beim Reichstag

ZMR ZStW ZZP

Zeitschrift für Mietrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß

VwGO VwRspr.

#

Einleitung § 1. Aufgabe, Ziel und Methode der Untersuchung A r t . 41 Abs. 1 Satz l 1 bestimmt: „Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages." Nach Abs. 2 ist „gegen die Entscheidung des Bundestages die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig". A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 sagt: „ W i r d jemand durch die öffentliche Gewalt i n seinen Rechten verletzt, so steht i h m der Rechtsweg offen." Rechtsweg i m Sinne dieser Vorschrift ist der Gerichtsweg 2 . Nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a entscheidet das Bundesverfassungsgericht „über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann m i t der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt i n einem seiner Grundrechte oder i n einem seiner i n A r t . 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein". Inmitten dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen bewegt sich der Themenkreis der Arbeit. Es geht u m die Existenz subjektiven Wahlrechtsschutzes neben der parlamentarischen und der bundesverfassungsgerichtlichen Wahlprüfungszuständigkeit. Unter subjektivem Wahlrechtsschutz w i r d i n dieser Arbeit der gerichtliche Rechtsschutz vornehmlich des Aktivbürgers verstanden: gegen ihn beschwerende Maßnahmen der Wahlbehörden und Wahlorgane 8 i m Rahmen der Bundestagswahl. Der subjektive Wahlrechtsschutz politischer Parteien w i r d berücksichtigt. Die Wahlprüfung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 w i r d insoweit untersucht, als i h r Prüfungsgegenstand und ihre Verfahrensfunktion die Frage nach der Existenz oder Notwendigkeit subjektiven Wahlrechtsschutzes gegen Wahldurchführungsakte der Wahlbehörden und der Wahlorgane präjudizieren. Die Suche nach gerichtlichem Schutz subjektiver Wahlrechte ist nicht neu. Bereits Georg Jellinek hat das Fehlen eines ausreichenden Individualrechtsschutzes beklagt 4 . I m Hinblick auf die grundlegende Novität 1 Artikel ohne Angabe eines Gesetzes oder einer Verfassung sind solche des Grundgesetzes. 2 Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 783, 799. 8 Nicht behandelt werden also Eingriffe in das Wahlrecht durch den Gesetzgeber. Unter Wahlrecht wird im Text immer das aktive Wahlrecht verstanden. Für den Schutz des passiven Wahlrechts in der Person des Wahlbewerbers gelten grundsätzlich die gleichen Erwägungen wie bei der politischen Partei. 4 G. Jellinek, System S. 160 u. FN. 2, S. 166, 359. Ferner Georg Meyer,

2 Olschewski

18

Einleitung

des A r t . 19 A b s . 4 5 d u r f t e m a n deshalb eine entscheidende V e r b e s s e r u n g des Rechtsschutzes des A k t i v b ü r g e r s u n d d e r P a r t e i e r w a r t e n 8 . Indessen e r w i e s sich diese H o f f n u n g b a l d als t r ü g e r i s c h . U n t e r d e m E i n f l u ß d e r D a r l e g u n g e n v o n Seifert 7 g l a u b t e n i c h t n u r d e r einfache B u n d e s - 8 u n d Landesgesetzgeber 0 , sich d e n A n f o r d e r u n g e n des A r t . 19 A b s . 4 e n t z i e h e n z u k ö n n e n . A u c h das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t 1 0 u n d das S c h r i f t t u m 1 1 sahen sich n i c h t v e r a n l a ß t , eine K e h r t w e n d e i n R i c h t u n g a u f d i e I n t e n s i v i e r u n g des s u b j e k t i v e n Wahlrechtsschutzes v o r z u n e h m e n . I m G e g e n t e i l h a t BVerfGE 22 S. 281 das S c h l u ß g l i e d i n d i e K e t t e seiner r e s t r i k t i v o r i e n t i e r t e n J u d i k a t u r e i n g e f ü g t . D a m i t erscheint d i e P r o b l e m s t e l l u n g f ü r das angeschnittene Rechtsgebiet a u s d i s k u t i e r t 1 2 . D i e sich abzeichnende Gefolgschaft d e r L a n d e s g e r i c h t e 1 3 d r o h t , a u f b r e i t e r F r o n t d e n status q u o z u z e m e n t i e r e n . A u c h d e r Gesetzgeber b e g i n n t , noch g e h a l t e n e B a s t i o n e n z u r ä u m e n 1 4 .

Wahlrecht S. 707; W. Jellinek, in: HdbDStR I S. 625; Thoma, in: HdbDStR I I S. 618. 6 Die Weim. Rverf. kannte keine dem Art 19 Abs. 4 entsprechende Verfassungsbestimmung. Zur zentralen Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 MaunzDürißf-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 1, 5; Klein, W D S t R L 8 (1950) S. 78, 88; W. Jellinek , W D S t R L 8 (1950) S. 3; Lerche, Z Z P 78 (1965) S. 16; Bettermann , in: Festschrift Kyriacopoulos (Thessaloniki 1966) S. 787. 6 Vgl. die frühen Äußerungen von Rietdorf , D V 1949, S. 665 und die richtige Fragestellung bei Seifert , DÖV 1953 S. 366. I n der Tendenz ähnlich Draht , W D S t R L 9 (1952) S. 42 und offenbar auch Bachof, Die Verwaltungsgerichtliche Klage, 2. Aufl. Tübingen 1968, S. 6. 7 A.a.O., insbesondere S. 368 r. 8 Vgl. § 50 BWahlG. 9 Vgl. Art. 46 LWahlG Hessen; § 48 Satz 2 LWahlG Niedersachsen; § 47 LWahlG Schleswig-Holstein. 10 BVerfGE 3 S. 40; Beschluß vom 31. 8. 1957 (unveröffentlicht) — 2 BvR 4/57 — betreffend Verfassungsbeschwerdeverfahren; BVerfGE 11 S. 329; 14 S. 155; 16 S. 129; 22 S. 281. Ebenso schon BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 177. 11 Etwa Seifert , a.a.O.; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I I Art. 41 Bern. I I I 2, wo das Problem als solches bereits verkannt wird. Ferner Goessl, Organstreitigkeiten S. 105—113, 133—135, 140 f.; Nass, Wahlorgane S. 215 f.; Badura, in: Bonner Kommentar (2. Bearbeitung) Anhang zu Art. 38, BWahlG Rdn. 41; Schmitt-Vockenhausen , Wahlprüfung S. 18; Monz, K W G S. 48. 12 Diese Befürchtung teilt auch Hansjörg Loschelder , Diss. S. 2. Erneute Ansätze allerdings bei Grawert , DÖV 1968 S. 755 und Seifert , D Ö V 1967 S. 237 (wenn auch mit anderer — irriger — Tendenz). 13 VGH Kassel , D Ö V 1966 S. 506 (Kommunalwahlen); DVB1 1967 S. 630 (Kommunalwahlen); V G Karlsruhe , DVB1 1968 S. 272 (Universitätswahlen); OVGE Münster 23 S. 190—193. Vgl. aber auch BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 129 = BayVerfGHE n. F. 21 (1968) I I S. 202 ff. = JR 1969 S. 355 mit Anm. Olschewski, JR 1969 S. 357. 14 Vgl. die Neuregelung der Art. 9, 12 LWahlG Bayern durch das Neubekanntmachungsgesetz vom 14. 4. 1968 (GVB1 S. 81). Dazu Feneberg , LWahlG S. 32 f.

§ 1. Aufgabe, Ziel und Methode der Untersuchung

19

Ergebnis und Argumentation der gegenwärtigen Lehre sind gleichermaßen unbefriedigend 15 . Sie veranschlagt das Interesse des Wählers und der Partei an einer ihren individuellen Rechten entsprechenden M i t w i r k u n g beim Ablauf der Wahlen gleich Null. Nur schwer läßt sich der Brückenschlag zu anderen bereits gerügten 1 6 Symptomen der Abwertung des Wahlbürgers i m modernen Wahlrecht vermeiden. Daher ist es angezeigt, das Verhältnis der Wahlprüfung zum Individualwahlrechtsschutz neu und gründlich zu durchdenken. Ziel der Arbeit ist eine dem subjektiven Wahlrecht des Aktivbürgers und der Partei unter Rechtsschutzaspekten gerecht werdende Auslegung der A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 (93 Abs. 1 Nr. 4 a) und 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2. Die erneut aufgegriffene Frage nach dem gerichtlichen Individualrechtsschutz i m Bundeswahlrecht stellt sich m i t eben der gleichen Dringlichkeit i m Bereich des Landeswahlrechts 17 . Wenn sich die Untersuchung gleichwohl prinzipiell auf die bundesrechtliche Problematik beschränkt und landesrechtliche Regelungen nur am Rande berücksichtigt, so rechtfertigt sich dies aus zweierlei Gründen. Einmal erfordert der geordnete und gestraffte Gang der Darstellung die vorgenommene Einengung. Zum anderen w i r d das Ergebnis der Arbeit Rückschlüsse auf die Zulässigkeit landesrechtlicher Regelungen erlauben 18 , wenn sich herausstellen sollte, daß die A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a — entgegen der herrschenden Meinung — auch bei subjektiven Wahlrechtsverletzungen unbedingte Geltung beanspruchen. Der Aufbau der Arbeit folgt der eigenen Gedankenführung. Die von der gegenwärtigen Lehre vorgetragenen Argumente 1 9 werden an der jeweiligen Nahtstelle inzidenter gewürdigt. Die Gliederung der Untersuchung basiert auf § 50 BWahlG, der „sedes materiae". I m Ersten Teil w i r d die „Doppelspurigkeit" dieser Vorschrift nachgezeichnet: ihr verweisender und normativer Gehalt bestimmt. Danach w i r d die Verfassungsmäßigkeit der Norm geprüft. Dabei befaßt sich der Zweite Teil m i t der Geltung der A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a i m Tätigkeits15

Dies anerkennt nunmehr auch Seifert , D Ö V 1967, S. 237. Dazu Karpenstein , Diss. S. 33—36, 65, 119; Seifert , D Ö V 1967, S. 237. 17 Vgl. die in F N 9 angeführten landesrechtlichen Bestimmungen sowie Art. 9 Abs. 3, 12 Abs. 3, 29, 60 LWahlG Bayern; § 19 LWahlG, §§ 20 Abs. 3, 38 Abs. 4, 43 Abs. 2 LWahlO Berlin; §§ 10 Abs. 3, 19 Abs. 2 LWahlO Hamburg; §§ 2 Abs. 5, 17 Abs. 5, 21 Abs. 4 LWahlG Nordrhein-Westfalen; §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2, 24 LWahlG Rheinland-Pfalz; ferner die interessante Regelung des Art. 22 Abs. 4 einerseits und des Art. 32 Abs. 4 LWahlG Baden-Württemberg andererseits. 18 Art. 19 Abs. 4 bindet auch den Landesgesetzgeber — arg. Art. 1 Abs. 3, 31. Vgl. auch unten im Text die Einleitung zum Vierten Teil und F N 9 zu § 14. 19 Ein kursorischer Überblick über die wesentlichen Spielarten der h. M. findet sich bei Hansjörg Loschelder, Diss. S. 17—22. 16

2*

20

Einleitung

bereich der Wahlbehörden und Wahlorgane. Der Dritte Teil klärt das Verhältnis dieser Verfassungsbestimmungen zu A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2. Zugleich bringt er die endgültige Entscheidung über die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 50 BWahlG. Der Vierte Teil zeigt, i n welchem Gerichtsweg Aktivbürger und Partei subjektiven Wahlrechtsschutz erlangen können.

Erster

Teil

§ 5 0 BWahlG und das Wahlprüfungsverfahren nach A r t 4 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG Welchen staatlichen Hechts- oder Gerichtsschutz subjektive Wahlrechte genießen, hat der einfache Bundesgesetzgeber für den Bereich der Bundestagswahl 20 in § 50 BWahlG bestimmt: „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nur m i t den i n diesem Gesetz und i n der Bundeswahlordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie i m Wahlprüfungsverfahren angefochten werden." § 50 BWahlG ist eine prozessuale Konkurrenznorm m i t doppeltem Bedeutungsgehalt. Sie verweist auf bestimmte, bereits i n anderen Vorschriften eröffnete Anfechtungsmöglichkeiten und entzieht andere. Die Bestimmung ist ebenso Anfechtungsverweisungs- wie Anfechtungsausschlußnorm: ihr Inhalt nicht nur deklaratorisch, sondern auch einfachgesetzlich konstitutiv. Nur von dem ersten 21 Teilgehalt soll an dieser Stelle die Rede sein. Auch insoweit ist die Regelung des § 50 BWahlG mehrgleisig. Sie ist nicht nur Verwaltungs- und Parlamentsweg-, sondern auch Rechtswegverweisungsnorm. Einmal können bestimmte 2 2 Wahldurchführungsakte 23 , bestimmte subjektive Wahlrechtsverletzungen i m Verwaltungsweg des BWahlG und der BWahlO angegriffen und verfolgt werden. Jedoch handelt es sich hierbei nicht u m einen Gerichtsweg. Denn die Wahlorgane und Wahlbehörden wie ihre Träger sind weder Gericht noch Richter i m Sinne der A r t . 97, 98 24 .

20 § 50 BWahlG bezieht sich nur auf die Bundestagswahl. Dazu § 1 Abs. 1 BWahlG und BVerfGE 8 S. 118. Das Problem des Art. 74 Nr. 1 stellt sich nicht. 21 Zum zweiten Teilgehalt siehe unten Erster Teil, Zweiter Abschnitt §§ 8—9. 22

Vgl. §§ 27, 29 BWahlG; §§ 19, 28, 33, 38 BWahlO. Zur Terminologie Nass, Wahlorgane S. 154 f. einerseits, Grawert, 1968 S. 755 andererseits. 24 Dazu die ausführliche Analyse bei Nass, a.a.O. S. 157—165. 28

DÖV

22

1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

Zum anderen darf jede subjektive Wahlrechtsverletzung und der sie auslösende Wahldurchführungsakt i m Parlaments weg des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 verfolgt und angegriffen werden. Indessen ist auch der Weg zum Bundestag nicht der Weg zum Richter i m Sinne der A r t . 19 Abs. 4, 97, 98 25 . Schließlich können subjektive Wahlrechtsverletzungen auch i m Gerichtsweg des A r t . 41 Abs. 2 i. V. m. A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 vorgebracht werden. Damit scheint der Bundesgesetzgeber den Anforderungen des A r t . 19 Abs. 4 nach gerichtlichem Rechtsschutz nachgekommen zu sein. Bei näherem Zusehen allerdings erweist sich dieser Schluß als voreilig. Denn § 50 BWahlG „gibt" dem Aktivbürger und der Partei die Anfechtungsbefugnis nur nach Maßgabe des grundgesetzlich konzipierten Wahlprüfungsverfahrens (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2, Abs. 3): auf dieses verweist er sie. Insbesondere sagt § 50 BWahlG nichts über die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung. Diese aber entscheidet die Frage, ob und i n welchem Maße subjektiven Wahlrechtsverletzungen i m Wahlprüfungsverfahren Rechnung getragen wird. Diesen Spuren muß zunächst nachgegangen werden. Erst anschließend w i r d es möglich sein, unter Einbeziehung des zweiten Teilgehalts, ein Résumé über den Gesamtinhalt des § 50 BWahlG zu ziehen 26 .

25 So auch Gerhard Wolf, Straftaten bei Wahlen und Abstimmungen (Bonn 1961) S. 67; vgl. ferner Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 6171, 621 ff. 28 Siehe unten im Text Erster Teil, Zweiter Abschnitt §§ 8—9.

Erster

Abschnitt

Das Wahlprüfungsverfahren nach Art. 41 GG N a c h A r t . 41 A b s . 1 Satz 1 i s t d i e „ W a h l p r ü f u n g Sache des B u n d e s tages". Gemäß A b s . 2 i s t „ g e g e n d i e E n t s c h e i d u n g des Bundestages d i e Beschwerde a n das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t z u l ä s s i g " 2 7 . D i e s e r z w e i s t u f i g e W a h l p r ü f u n g s z u g i s t g e g e n ü b e r d e n V o r g ä n g e r n des A r t . 41 A b s . 1 Satz 1 e i n N o v u m 2 8 . W e d e r a l l e i n das P a r l a m e n t 2 9 , noch e i n b e sonderes W a h l p r ü f u n g s g e r i c h t 8 0 , s o n d e r n P a r l a m e n t u n d B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t 3 1 s i n d f ü r d i e B u n d e s w a h l p r ü f u n g z u s t ä n d i g 3 2 . O b es sich b e i d e r Beschwerde z u m B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t u m e i n R e c h t s m i t t e l , o d e r u m e i n e n d e r A n f e c h t u n g s k l a g e n a c h g e b i l d e t e n Rechtsbehelf, oder 27

Vgl. auch §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG. § 112 der Paulskirchenverfassung und Art. 27 der Bismarck-Verfassung kannten nur die parlamentarische Wahlprüfung. Art. 31 der Weim. Rverf. sah die Zuständigkeit eines besonderen Wahlprüfungsgerichts vor. 29 Die Alleinzuständigkeit des Parlaments gibt es in Deutschland nicht mehr. 80 So die Rechtslage in Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz. Vgl. (auch zur personellen Zusammensetzung dieser Gerichte) §§ 1 Abs. 1, 2 LWPrüfG Berlin; Art. 78 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 3 Verfassung und §§ 1, 11 LWPrüfG Hessen; Art. 82 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 Verfassung und § 47 Abs. 1, 2 LWahlG Rheinland-Pfalz. Ob es sich bei diesen Gerichten um solche im Sinne der Art. 19 Abs. 4, 92, 97, 98 handelt, erscheint höchst zweifelhaft. I n der Literatur werden zumeist keine Zweifel laut. Vgl. Jerusalem , Staatsgerichtsbarkeit S. 108; Süsterhenn-Schäfer, Verfassung Art. 82 Anm. 3, 4; WPrüfG Ltag Rheinland-Pfalz , AS 10 S. 226; Anschütz, Weimarer Verfassung Art. 31 Anm. 2; Kaisenberg , in: HdbDStR I S 4 0 2 \ Hatschek-Kurtzig, Staatsrecht S.445—447; Giese, Weimarer Verfassung Art. 31 Anm. 1; Geiger , in: Festschrift Laforet S. 253 f.; Karpenstein , Diss. S. 43; Greeve, Diss. S. 138. Bedenken allerdings bei Friesenhahn , in: Festschrift Thoma S. 33 f.; Bundes-Landesgerichtsbarkeit S. 34; Braunias , Parlamentarische Wahlrecht I I S. 287; Grawert , D Ö V 1968, S. 754. 81 Eine besondere Regelung findet sich in Bremen. Gegen die Entscheidungen des bei der Bürgerschaft gebildeten Wahlprüfungsgerichts erster Instanz (2 Berufsrichter, 5 Parlamentarier) ist die Beschwerde an das Wahlprüfungsgericht zweiter Instanz zulässig, das sich aus Mitgliedern des Staatsgerichtshofs zusammensetzt — §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 2, 39 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 LWahlG Bremen. I n Schleswig-Holstein ist gegen Wahlprüfungsentscheidungen des Landtags die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zulässig — Art. 3 Abs. 4 Landessatzung, § 36 Abs. 2 LWahlG Schleswig-Holstein. 82 Zu den Gründen dieser Regelung Jb. ö. R. n. F. Bd. 1 (1951) S. 360— 362. 28

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

u m einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung handelt, kann i m Rahmen dieser Untersuchung dahinstehen. Die rechtsrichtige Deutung der „Beschwerde" nach A r t . 41 Abs. 2 hat verfahrensrechtliche Konsequenzen 88 . Aber sie führt gegenüber dem parlamentarischen Wahlprüfungsverfahren nicht zu einem qualitativ anderen Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab. Das Bundesverfassungsgericht w i r d i n jedem Fall nach A r t . 41 Abs. 2 als (sekundäres) 84 Wahlprüfungsorgan tätig: Es muß Prüfungsgegenstand und Verfahrensfunktion der Wahlprüfung (Art. 41 Abs. 1 Satz 1) beachten 86 . Auch das Bundesverfassungsgericht ist daher i m Verfahren nach A r t . 41 Abs. 2 an die nachfolgenden Grundsätze über Gegenstand und Funktion der Wahlprüfung gebunden.

§ 2. Der Begriff der Wahlprüfung Das Institut der Wahlprüfung ist gemeindeutsch. Gleichwohl w i r d der Begriff „Wahlprüfung", soweit er überhaupt i n der Verfassungsurkunde Aufnahme gefunden hat 1 , weder i m Grundgesetz noch i n den Landesverfassungen definiert. Er erfährt das gleiche Schicksal wie sein Vorgänger i n A r t . 31 der Weim. RVerf. Bund und Länder bescheiden sich, die „Wahlprüfung" zur „Sache" 2 , zur „Aufgabe" 8 oder „Obliegenh e i t " 4 des Parlaments zu erklären. Wenig hilfreich ist es, „Wahlprüfung" als die Prüfung der Wahl oder Wahlen zu qualifizieren 5 . Dieses Wortspiel läßt Prüfungsmaßstab und 83 Bei der Bestimmung der Verfahrensbeteiligten und der Tenorierung der Entscheidung. Das verkennt Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 12 u. F N 5, 6. Richtig dagegen Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 88. 84 Die Entscheidung des Bundestags ist Sachentscheidungsvoraussetzung für das Verfahren nach Art. 41 Abs. 2. Vgl. dazu die singuläre Regelung in § 7 Abs. 2 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen. Ferner zur allgemeinen Problematik Seifert, D Ö V 1967 S. 234 u. F N 11 sowie unten i m Text Zweiter Teil § 11 A. 85 Dazu etwa Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338; Greeue, Diss. S. 141 f., 143; Feneberg, BWahlG § 50; Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 88; BVerfGE 4 S. 372; 21 S. 199. Hansjörg Loschelder, Diss. S. 11; Schäfer-Jekewitz, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit I I S. 255 f. Siehe auch unten im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 1. b). 1 Vgl. Art. 41 Abs.l Satz 1; Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Verfassung Baden-Württemberg; Art. 33 Satz 1 Verfassung Bayern; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Verfassung Niedersachsen; Art. 33 Abs. 1 Verfassung Nordrhein-Westfalen; Art. 3 Abs. 3 Landessatzung Schleswig-Holstein. Keine Erwähnung findet das Institut der Wahlprüfung in den Verfassungen von Berlin und Bremen. 8 So im Bund, in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen. 8 So in Niedersachsen. 4 Vgl. die Regelung in Bayern. 5 So Karpenstein, Diss. S. 19.

§ 2. Begriff der Wahlprüfung

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P r ü f u n g s z i e l außer A n s a t z . D e r B e g r i f f s b e s t i m m u n g f ö r d e r l i c h dagegen i s t d i e B e a c h t u n g d e r h i s t o r i s c h e n u n d d e r s u b k o n s t i t u t i o n e l l e n Rechtssätze. B e r e i t s z u A r t . 31 d e r W e i m . R V e r f . b e s t a n d E i n i g k e i t d a r ü b e r , daß u n t e r „ W a h l p r ü f u n g " d i e P r ü f u n g d e r Gültigkeit der Wahl(en) zu v e r s t e h e n ist®. Diese B e g r i f f s b e s t i m m u n g , d i e auch d e r W e i m a r e r L a n desgesetzgeber v o r g e f u n d e n u n d v e r w a n d t h a t 7 , h a b e n e i n i g e d e r g e l t e n d e n L a n d e s v e r f a s s u n g e n ü b e r n o m m e n 8 . Sie l i e g t ebenso — u n a u s gesprochen — A r t . 41 A b s . 1 Satz 1 z u g r u n d e , w i e seine E n t s t e h u n g s geschichte b e w e i s t 9 . B e s t ä t i g t w i r d diese d u r c h § 1 A b s . 1 B W P r ü f G . D a n a c h entscheidet d e r B u n d e s t a g i m W a h l p r ü f u n g s v e r f a h r e n „ ü b e r die G ü l t i g k e i t der W a h l e n " . W a h l p r ü f u n g h e i ß t n i c h t n u r W a h l g ü l t i g k e i t s p r ü f u n g , s o n d e r n auch W a h l g ü l t i g k e i t s e n t s c h e i d u n g 1 0 . Das f o l g t n i c h t n u r aus § 1 A b s . 1 B W P r ü f G , s o n d e r n auch aus d e n M a t e r i a l i e n des A r t . 41 A b s . 1 Satz l 1 1 . D i e Schlußentscheidung des B u n d e s t a g e s 1 2 h a t rechtliche A u ß e n w i r k u n g e n 1 8 . Sie ist n i c h t i n t e r n e P a r l a m e n t s a n g e l e g e n h e i t , h a t n i c h t d e n C h a 6 Kaisenberg, in: HdbDStR I S. 405; Anschütz, Weimarer Verfassung Art. 31 Anm. 3. Ähnliches galt bereits zu Art. 27 der Bismarck-Verfassung, wonach unter Legitimationsprüfung die Prüfung der Gültigkeit der Mandate verstanden wurde. Hierzu Kluge, Diss. S. 45; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 34 u. F N 2 m. w. N. 7 Dazu Kühn, a.a.O. mit Angaben. 8 Art. 9 Abs. 1 Verfassung Hamburg; Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Verfassung Hessen; Art. 82 Abs. 1 Satz 1 Verfassung Rheinland-Pfalz; Art. 77 Abs. 1 Satz 1 Verfassung Saarland. Der Begriff „Wahlprüfung" selbst taucht hier nicht auf. 9 Jb. ö. R. n. F. Bd. 1 (1951) S. 360—362. 10 Vgl. § 1 Abs. 1 BWPrüfG sowie Art. 31 Abs. 1 Satz 2 Verfassung BadenWürttemberg; Art. 63 Verfassung Bayern; § 2 Abs. 1 LWPrüfG Berlin; Art. 9 Abs. 1 Verfassung Hamburg; § 37 Abs. 1 Satz 1 LWahlG Bremen; Art. 78 Abs. 1 Satz 2 Verfassung u. § 15 LWPrüfG Hessen; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Verfassung Niedersachsen; § 7 Abs. 1 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen; Art. 82 Abs. 1 Satz 2 Verfassung u. § 1 Abs. 1 LWPrüfG u. § 51 LWahlG Rheinland-Pfalz; Art. 77 Abs. 1 Satz 2 Verfassung Saarland; § 36 Abs. 1 Satz 2 LWahlG Schleswig-Holstein. Ferner zum gemeindeutschen Begriff der Wahlprüfung: BVerfGE 1 S.238 ;WPrüfG Ltag Rheinland-Pfalz AS 10 S. 226; Seifert, BWahlG S. 61; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 2; v. Mangoldt-KZein, Grundgesetz I I Art. 41 Bern. I I I 1; Seifert, D Ö V 1967 S. 235; Greeve, Diss. S. 27; Hamann, Grundgesetz Art. 41 Anm. B. 1; Maurer, Bundestagswahl S. 14; Seif ert-Geeb-Steiniger, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 10, S. 140 b. 11 Jb. ö. R. n. F. Bd. 1 (1951) S. 360—362. 12 Die Regelung des § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 6, 10, 11 Satz 2 BWPrüfG gibt dem W P A (§ 64 Gesch. O. Btag) nur ein internes Entscheidungsvorschlagsrecht. Daher ist die Regelung mit Art. 41 Abs. 1 Satz 1 vereinbar. Dazu Seifert, BWahlG S. 325; Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 21, S. 5; Nds. StGH, OVGE Lüneburg und Münster 12 S. 482; Greeve, Diss. S. 100; Busse, Diss. S. 29. 18 Zum (schillernden) Begriff der Entscheidung siehe Schüle, in: Staatsund Verwaltungswissenschaftliche Beiträge, herausgegeben von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (1957) S. 277 ff.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

r a k t e r e i n e r b l o ß e n M e i n u n g s ä u ß e r u n g oder P a r t e i e r k l ä r u n g 1 4 , s o n d e r n ist p o t e n t i e l l 1 5 e n d g ü l t i g e E n t s c h e i d u n g , a n d e r e n E r l a ß d e r B u n d e s gesetzgeber Rechtsfolgen g e k n ü p f t h a t 1 6 .

§ 3. D e r Prüfungsgegenstand D e r P r ü f u n g s g e g e n s t a n d b e s t i m m t d e n Gegenstand, m i t d e m sich das E n t s c h e i d u n g s o r g a n befassen d a r f u n d m u ß 1 . N i c h t dagegen t r i f f t er eine Aussage ü b e r d i e V e r f a h r e n s f u n k t i o n 2 . N u r das O b j e k t , n i c h t das Z i e l , a l l e i n das „ w a s " , n i c h t das „ w i e " oder „ w o z u " d e r P r ü f u n g w i r d f i x i e r t . I n diesem S i n n e i s t d i e „ W a h l " d e r P r ü f u n g s g e g e n s t a n d des Wahlprüfungsverfahrens 3.

14 Dazu Bay. VerfGHE n. F. 1 (1947/48) I I S. 6; Kress v. Kressenstein, Diss. S. 24 f.; Ewers, Steno-Berichte Dt. Btag. 1. WP. (1949) Bd. 6 S. 4236 f. Die Entscheidung des Bundestages ist weder Verwaltungsakt noch Rechtsprechungsakt sondern parlamentarischer Hoheitsakt. Hierzu OVGE Lüneburg 2 S. 231 f.; OVGE Münster 17 S. 207; Geiger, BVerfGG vor § 48 Anm. 3; Schumann, Verfassungsbeschwerde S. 56; Kassimatis, Bereich der Regierung S. 195; Achterberg, Probleme der Funktionenlehre (München 1970) S. 136—143. H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 78; Machens, DVB1 1970 S. 297. 15 Vorbehaltlich der Entscheidung nach Art. 41 Abs. 2. Hierzu auch die abgestufte Regelung des § 16 BWPrüfG. 16 §§ 46 Abs. 1 Nr. 1, 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BWahlG; § 16 Abs. 1 BWPrüfG. 1 Prüfungsgegenstand der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage ist der Verwaltungsakt, wie es die Norm ist im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2. 2 Das wird von der gegenwärtigen Lehre zumeist verkannt. Hier wird häufig unter dem „Gegenstand" der Wahlprüfung der Streit- und Entscheidungsgegenstand verstanden. Typisch: BVerfGE 1 S. 237 ff.; 22 S. 280 f.; OVG Koblenz AS 2 S. 243; 6 S. 340; D Ö V 1959 S. 460; BayVGHE n. F. 5 (1952) S. 207; Nds. StGH, OVGE Lüneburg und Münster 14 S. 511; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 34; Kaisenberg, in: HdbDStR I S. 405; Rietdorf, D V 1949 S. 668; Geiger, BVerfGG § 48 Anm. 1; Lechner, BVerfGG § 13 Nr. 3 Anm. 1; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 18; Maimz-SiglochSchmidt Bleibtreu-Klein, § 13 Nr. 3 BVerfGG Rdn. 29; Schmidt BleibtreuKlein, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 1; Karpenstein, Diss. S. 22 f.; Seifert, D Ö V 1967 S. 235; Maurer, Die Bundestagswahl S. 8 f.; Loschelder, Diss. S. 5 f.; Schäfer-Jekewitz, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit I I S. 237. Oder aber der „Gegenstand" der Wahlprüfung wird unterschiedslos — teilweise inkonsequent — als Streitgegenstand und Prüfungsgegenstand begriffen. Typisch: v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T I S. 130 f.; Kühn, a.a.O. S. 35; Busse, Diss. S. 38 f.; Nass, Wahlorgane S. 215; Seifert-Geeb-Steiniger, in: Das Deutsche Bundesrecht, I A 10 S. 140 b.; Karpenstein, Diss. S. 22, 26; Maunz, Staatsrecht S. 332; Seifert, DÖV 1967 S. 235; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 10. 3 Ansätze bei Württ. StGH in: Lammers-Simons I I I S. 266; Seifert, BWahlG S. 320 f.; D Ö V 1967 S. 235; Kluge, Diss. S. 45; Matmz-Dürig-Herzog Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 6. Vgl. auch die Terminologie der §§ 6 Abs. 1, 2; 7 Abs. 1, 2; 11; 17 Abs. 1, 2 BWPrüfG.

§ 3. Prüfungsgegenstand

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A. Abgrenzung zum Streit- und Entscheidungsgegenstand D i e W a h l i s t aber n i c h t d e r S t r e i t - 4 u n d E n t s c h e i d u n g s g e g e n s t a n d 5 d e r W a h l p r ü f u n g . W e r das g l e i c h w o h l b e h a u p t e t 6 , v e r w e c h s e l t P r ü fungsgegenstand m i t S t r e i t - u n d E n t s c h e i d u n g s g e g e n s t a n d 7 : das h a n d g r e i f l i c h e x i s t e n t e S t r e i t o b j e k t „ W a h l " m i t d e r a u f sie bezogenen Rechtsbehauptung i h r e r angeblichen U n g ü l t i g k e i t . Streit- u n d Entscheidungsgegenstand eines V e r f a h r e n s s i n d r e g e l m ä ß i g 8 b e h a u p t e t e Rechte, Rechtsverhältnisse oder Rechtsfolgen 9 . D e n n n u r diese — n i c h t aber (rechtsrelevante) Tatsachen — b e d ü r f e n d e r g e r i c h t s k r ä f t i g e n Feststell u n g . D i e „ W a h l z u m B u n d e s t a g " i s t aber w e d e r e i n R e c h t 1 0 , noch e i n R e c h t s v e r h ä l t n i s 1 1 , s o n d e r n e i n — w e n n auch rechtserheblicher — r e a l e r V o r g a n g . D i e W a h l k a n n z w a r Rechte b e s t ä t i g e n 1 2 o d e r b e g r ü n d e n 1 3 4 Wenn die Wahlprüfung kein streitiges Verfahren ist, rechtfertigt sich die verwandte Terminologie nur ihrer Üblichkeit halber. Hierzu Goessl, Organstreitigkeiten S. 194 u. F N 787; Koban, Diss. S. 55 F N 4. Ob die Wahlprüfung ein nichtstreitiges Verfahren ist, wird unterschiedlich beantwortet. Dafür zu Recht Nass, Wahlorgane S. 119; Seifert, D Ö V 1967 S. 239; v. Seydel, Verfassungsurkunde S. 207; Schrupp, Staatsgerichtsbarkeit S. 85; Georg Jellinek, System S. 168; Jerusalem, Staatsgerichtsbarkeit S. 161; OVG Koblenz, AS 2 S. 243; 6 S. 340; Molitor, AöR 34 (1915) S. 258; K. Heck, Das parlamentarische Untersuchungsrecht (Stuttgart 1925) S. 56; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 3 u. F N 3, S. 56 u. F N 6, S. 64 u. F N 2; Kluge, Diss. S. 43. A. A. Picenoni, Kassation S. 189 u. F N 37; Schneider, Bonner Kommentar (1. Bearbeitung) Art. 41 Bern. I I , 1; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I I Bern. I I I 2; Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht S. 381; Parlamentsrecht I S. 497 ff.; Eiswaldt, Staatsgerichtshöfe S. 20; Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht I S. 559. 5 Da die Wahlprüfungsentscheidungen teilweise im Beschlußweg (§11 Abs. 4 LWPrüfG Baden-Württemberg), stellenweise i m Urteilsweg ergehen (§15 Abs. 1 LWPrüfG Hessen; § 3 LWPrüfO Rheinland-Pfalz), wird von der Verwendung des Begriffs „Urteilsgegenstand" abgesehen. Zum Verhältnis von Streit- und Entscheidungsgegenstand Bettermann, DVB1 1953 S. 163; Biomeyer, in: Festschrift Lent (München und Berlin 1957) S. 44—50; Goessl, a.a.O., S. 195 f. 6 Seifert, BWahlG S. 321; D Ö V 1967 S. 235. 7 Dazu (im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage) Bettermann, DVB1 1953 S. 163; in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 469; Festschrift Fragistas (Thessaloniki 1967) S. 67; Lerche, BayVBl 1956 S. 296; Warncke, in: Festschrift H. Lehmann I (1956) S. 890; Menger, System des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes (Tübingen 1954) S. 159; Ule-Brauchitsch, Verwaltungsgerichtsbarkeit 1/2 S. 407; Ule, Verwaltungsprozeßrecht S. 141; Geiger, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I S. 200. Mißglückt ist die Fassung des § 37 Abs. 2 Satz 1 LWahlG Schleswig-Holstein (richtig Halbsatz 3). 8 Vgl. aber auch den Fall der Urkundenechtheit in § 256 ZPO und die Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 3 u. Abs. 2 SGG. 9 Bettermann, DVB1 1953 S. 163; Goessl, a.a.O. S. 194. 10 „Wahl" ist nicht gleich Mandat. Hierzu unten im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 3. C. I I . 11 Maurer, Die Bundestagswahl S. 15 f.; Kress v. Kressenstein, Diss. S. 13. 12 Z. B. das Wahlrecht. 18 Das Mandatsrecht.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

und Rechtsfolgen nach sich ziehen 14 , nicht aber ist sie identisch m i t den von ihr begründeten oder bestätigten Rechten, noch m i t ihren Rechtsfolgen. Diese sind vielmehr stets i h r Produkt. Die Wahl als Prüfungsgegenstand ist das Substrat des Streit- und Entscheidungsgegenstandes. B. Art des Prüfungsgegenstandes

Die Wahlprüfung hat die demokratisch-parlamentarische Wahl der A r t . 20 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 zum Gegenstand. Sie befaßt sich m i t den Wahlen zum Parlament, nicht m i t Wahlen des Parlaments, noch sonstigen inner- oder außerverfassungsrechtlichen Wahlen. Diese A u f fassung w i r d nicht nur durch § 1 Abs. 1 BWPrüfG positivrechtlich dokumentiert, sondern auch von A r t . 41 akzeptiert — was die Entstehungsgeschichte 15 und der verfassungssystematische Standort der Vorschrift beweisen. Z u klären bleibt der Sachverhalt, den die A r t . 20 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 m i t dem Begriff „Wahl" umschreiben. Darunter ist i m Rechtssinn 16 allgemein der Vorgang der auslesenden Berufung eines oder mehrerer Organwalter aus einer Vielzahl von Kandidaten durch eine Mehrheit Berufender zu verstehen 17 . Sub specie A r t . 20 Abs. 2 Satz 2> 38 Abs. 1 Satz 1 bezeichnet „Wahl" die A r t und Weise der auslesenden Berufung von Mandatsträgern aus einer Vielzahl von Bewerbern durch die Gesamtheit der Aktivbürgerschaft. I m Gegensatz zur „Ernennung" als der anderen Form staatlicher Organwalterberufung vollzieht sich die Wahl notwendigerweise unter staatlicher Aufsicht und Kontrolle 1 8 . Die Assistenz des Staates i n Form der Wahlvorbereitung, Wahldurchführung und Wahlergebnisfeststellung bildet die unerläßliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Wahl und ihres Produkts — 14

Die Kreation einer legitimierten Vertretungskörperschaft. Jb.ö.R. n.F. Bd. 1 (1951) S. 360—362. 19 Ethymologisch steht „Wahl" als Ausdruck eines psychischen Vorgangs, eines Willensakts. Hierzu Der Große Duden, Bd. 7 (Mannheim 1962) Ethymologie, Stichwort „wählen" S. 751; Friedrich Kluge, Ethymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (19. Aufl. Berlin 1963) Stichwort „Wahl", S. 883; Trübners Deutsches Wörterbuch, Bd. 8 (Berlin 1957) Stichwort „Wahl", S. 16; Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland (3. Aufl. 1956) S. 165. A l l gemein sprachlich bezeichnet „Wahl" eine menschliche Handlung, „in der zwischen mehreren Möglichkeiten eine ergriffen wird". Hierzu Grimms Wörterbuch, Bd. 13 S. 507 ff.; Westerath, Wahlverfahren, S. 2; Trübners, a.a.O. S. 16. 17 Ähnlich Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht S. 311 f.; Braunias, Parlamentarische Wahlrecht I I S. 2 f.; Kelsen, Allgemeine Staatslehre S. 279; Westerath, a.a.O.; Nawiasky, Allgemeine Staatslehre I I 1 S. 212; Gerhard Wolf, Straftaten bei Wahlen S. 27; Der Große Brockhaus, Bd. 12 S. 290; Karpenstein, Diss. S. 64; Picenoni, Kassation S. 51; Seifert, BWahlG S. 35; G. Jellinek, System S. 159. 18 Darauf macht zu Recht Westerath, a.a.O. aufmerksam. 15

§ 3. Prüfungsgegenstand

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der personellen Parlamentsbestellung 10 . Ergo umschreibt „Wahl" i m Sinne der A r t . 20 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 das gesamte Wahlverfahren: nicht nur den aus Individualakten zusammengesetzten kollektiven Wahlakt, sondern auch seine Auswertung und Dokumentation i n Form der Wahlergebnisfeststellung — den Gesamtwahlvorgang i n seiner vollen Spannbreite, wie er i m Zusammenschluß aller seiner einzelnen Bestandteile zur Berufung von Mandatsträgern führt. C. Umfang des Prüfungsgegenstandes

Zweifelhaft ist, i n welchem Umfang A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 BWPrüfG dem Bundestag die Prüfungszuständigkeit verleiht. Es geht u m die Frage: ob das Wahlprüfungsorgan den gesamten parlamentarischen Wahlvorgang oder nur einzelne Stadien davon überprüfen darf. I. Präjudizierung

durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 GG

Die Überlegung w i r d durch den Wahlbegriff der A r t . 20 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 nicht präjudiziert. Daraus, daß der Bundestag die parlamentarische Wahl prüft, folgt nicht, daß er sie auch v o l l und ganz prüft — zumal das Wort „Wahl" nicht nur den Gesamtwahlvorgang, sondern auch Teile desselben zu bezeichnen vermag. Insbesondere ist es unzulässig, aus der dem Wahlakt immanenten Zielsetzung auf das Vorliegen eines umfassenden Prüfungsgegenstandes i m Sinne der Wahlprüfung schließen zu wollen 2 0 . Denn Aktzweck und Verfahrenszweck müssen nicht übereinstimmen 21 . Vielmehr kann der Gesetzgeber — aus Verfahrensgründen — bestimmte Phasen des Gesamtwahlvorganges unberücksichtigt lassen. Es bleibt deshalb zu klären, was das Gesetz i n § 1 Abs. 1 BWPrüfG unter „Wahlen zum Bundestag" versteht 2 2 .

19 So auch Hatschek, Parlamentsrecht I S. 354; Seifert, BWahlG S. 177; Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 17. 20 So aber Karpenstein, Diss. S. 26; Schiller, Diss. S. 15, 88 ff. Die h. M. erkennt i m allgemeinen das Problem nicht, weil man „Wahl" mit „Mandatserwerb" gleichsetzt und damit zugleich die Verfahrensfunktion erschlossen zu haben glaubt. Typisch BVerfGE 4 S. 371 f.; Draht, Wahlprüfungsrecht S. 1. Ebenso irrig — wenn auch mit umgekehrter Tendenz — Seifert, D Ö V 1967 S. 236. 21 Dies hat implicite auch BVerfGE 1 S. 400—410 anerkannt. 22 Insoweit denkt die gegenwärtige Lehre allzu problemlos. Bezeichnend Schiller, Diss. S. 20 u. F N 6 u. S. 25 f. I m übrigen sei hier schon zwecks Vermeidung von Mißverständnissen auf die Darlegung in § 7. F N 2 verwiesen.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG IL Mögliche

Lösungen

Sowohl dem allgemeinen wie dem gesetzgeberischen Sprachgebrauch nach ist der Begriff „Wahl" i n diesem Zusammenhang mehrdeutig 2 3 . 1. Einmal kann er aktivisch verstanden werden. Dann bezeichnet „Wahl" den aus Individualakten zusammengesetzten staatlich beaufsichtigten kollektiven Wahlakt. I n diesem Sinn w i r d das Wort z.B. gebraucht, wenn von der Wahlbeteiligung die Rede ist. Zum anderen aber kann es auch passivisch gedeutet werden. Der tägliche Sprachgebrauch spricht von der Wahl eines Abgeordneten und versteht darunter zweierlei 2 4 : Einmal das „Gewähltsein", den formellen Erwerb des Abgeordnetenmandats. Die Stellung als Mandatsträger erwirbt der einzelne Wahlkandidat nach geltendem Bundes- und Landeswahlrecht kraft Annahme der staatlichen Mandatszuweisung i n Form der Feststellung und Benachrichtigung 25 . Dieser A k t ist konstitutiv, nicht deklaratorisch 26 . Ohne Mandatszuweisung kein Mandatserwerb — und umgekehrt: bei angenommener Mandatszuweisung stets Mandatserwerb — trotz Rechtswidrigkeit der Mandatsfeststellung, sei es aufgrund rechnerischer Fehler, sei es infolge irrtümlicher Mandatsvergabe oder sei es wegen rechtswidriger Bildung oder Feststellung des Gesamtwählerwillens. Infolgedessen gilt gerade nicht der Satz: Mandatsträger kann nur werden, wer vom Volke dazu berufen ist. Was allein gilt, heißt: Mandatsträger darf nicht bleiben, wer vom Volke dazu nicht berufen ist — arg. § 46 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 47 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG 2 7 . Zum anderen meint „ W a h l der Abgeordneten" das „Erwähltwerden", den auf der Grundlage und i n Übereinstimmung m i t dem kollektiven 23 Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 34 und Kress v. Kressenstein, Diss. S. 11 f. wollen lediglich eine Doppeldeutigkeit erkennen. Vgl. demgegenüber Lemke, Diss. Kiel S. 44 f. Zur Sache selbst Kühn, a.a.O. S. 34 f.; Hatschek, Parlamentsrecht I S. 481; Verwaltungsrecht S. 106 f.; Deutsches und Preußisches Staatsrecht I S. 382; Kress v. Kressenstein, a.a.O.; Trübners Deutsches Wörterbuch Bd. 8 Stichwort „Wahl" S. 16; Lemke, a.a.O.; G. Fr. Lechner, Diss. S. 1, 50; W. Schmitt, Diss. S. 22 f; Schiller, Diss. S. 8, 14 f.; Greeve, Diss. S. 27 f.; Busse, Diss. S. 38 f.; BayVGHE n. F. 2 (1949) S. 92. 24 Die erste Möglichkeit wird zumeist im Schrifttum übersehen. 25 §§ 45 Satz 1; 42 Abs. 2, 3 BWahlG; Art. 45 S. 2; 44 Satz 2 LWahlG BadenWürttemberg; §§ 13 Abs. 1; 20 Abs. 2 LWahlG i. V. m. § 80 Abs. 1 LWahlO Berlin; § 34 LWahlG Hamburg; §§ 31 Abs. 5; 34 LWahlG Niedersachsen; § 35 LWahlG Nordrhein-Westfalen; § 45 LWahlG Rheinland-Pfalz; § 50 LWahlG Saarland; §§ 34 Abs. 4; 35 LWahlG Schleswig-Holstein. I n Bayern reicht die bloße Benachrichtigung — arg. Art. 57 LWahlG. 26 Seifert, BWahlG S. 199, 208; W. Schmitt, Diss. S. 5, 46. Die gleiche Rechtslage bestand schon zu § 35 RWahlG Weimar. Hierzu Kaisenberg, Wahl zum Reichstag § 35 Anm. 1. 27 Ähnlich BayVGH, DÖV 1950 S. 128; LVG Düsseldorf, D Ö V 1953 S. 610 f.

§ 3. Prüfungsgegenstand

31

Wahlakt von staatlicher Seite zugewiesenen Mandatserwerb: die durch den Gesamtwahlvorgang i m Zusammenschluß aller seiner Phasen getroffene Auswahl und (staatliche) Bestimmung — den materiellen Mandatserwerb, die Wahlberufung, wie dieser Vorgang bezeichnet werden kann 2 8 . Nicht dagegen kann „Wahl" als Mandat qualifiziert werden 2 9 . Das Mandat bezeichnet das Hecht, die Mandatsträgerschaft den öffentlichrechtlichen Status, die der erfolgreiche Kandidat durch die Wahl erringt. Die Begriffe verhalten sich wie Voraussetzung und Folge. Mandat und Status des Mandatsträgers beruhen auf seiner Wahl, nicht aber sind sie m i t dieser identisch. Ebensowenig bezeichnet „Wahl" die staatliche Aufsicht, Leitung und M i t w i r k u n g beim Ablauf des Gesamtwahlvorganges: weder i n ihrer Gesamtheit, noch i n ihren einzelnen Rechtsakten. Denn nicht der Staat „wählt", sondern die Gesamtaktivbürgerschaft — arg. A r t . 20 Abs. 2 Satz 2. Der Staat w i r k t nur bei der Wahlhandlung mit, er wählt aber nicht 3 0 . Der Staat läßt wählen. 2. Eine ebenso reichhaltige Palette möglicher Sinndeutungen, wie sie der allgemeine Sprachgebrauch anbietet, vermittelt bei näherem Zusehen die Terminologie des Bundesgesetzgebers. Unzweifelhaft meint „Wahl" i n den §§ 43; 44 BWahlG den Kollektivwahlakt der Aktivbürgerschaft. Gleiches gilt für § 13 Nr. 3 BVerfGG 3 1 . A r t . 45 Abs. 2 und Art. 63 Abs. 4 befassen sich m i t dem Wahlakt des Parlaments i m Rahmen der Wahl des Bundeskanzlers. Die Bedeutung von Mandatserwerb trägt der Begriff „Wahl" i n A r t . 136 Abs. 2, i n den §§ 6 Abs. 2; 14; 16 Abs. 1, Abs. 2 BWPrüfG, i n § 78 BWahlO sowie i n den §§ 46; 48 BWahlG 3 2 . Für parlamentarische Wahlberufung i m Sinne des „Erwähltwerdens" steht „Wahl" i n den A r t . 38 Abs. 1 Satz 1 (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BWahlG); 20 Abs. 2 Satz 2; 28 Abs. 1 Satz 2; 48 Abs. 1.

28 I m Anschluß an Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 35. Ähnlich schon zuvor v. Seydel, in: Vhdlg. des 19. DJT I I S. 130 f. Von beiden wird allerdings der Unterschied zwischen formellem und materiellem Mandatserwerb übersehen. 29 Irrig Finger, Staatsrecht des Deutschen Reiches S. 218. Richtig Kühn, a.a.O. S. 36 F N 1; Coester, Rechtskraft S. 348. 30 Richtig Hatschek, Parlamentsrecht I S. 350. 31 Hierzu auch Schiller, Diss. S. 20; Seifert, BWahlG S. 202, 204. 32 Vgl. Seifert, a.a.O. S. 212, 218, 334; Schiller, a.a.O.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

3. Je nachdem welcher dieser verschiedenen Sinngehalte der „Wahl" i m Sinne der Wahlprüfung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 zugrunde liegt, verändert sich der Umfang des Prüfungsgegenstandes. Ist „Wahl" der aus Individualakten zusammengesetzte Kollektivwahlakt der Gesamtaktivbürgerschaft 88 , so befindet der Bundestag über die Hechtsausübung und den Willensakt der Aktivbürger. Dann schließt die Wahlprüfung unmittelbar und nur an den Wahlakt an. Sie n i m m t lediglich die ordnungsgemäße Durchführung des Wahlaktes als solchen und die Einhaltung aller der Voraussetzungen, von denen seine Gültigkeit abhängt, zum Gegenstand ihrer Prüfung. Der weitere Verlauf des Wahlprozesses — der staatliche Vorgang der parlamentarischen Sitzvergabe aufgrund der kollektiven Wählerentscheidung — bleibt außerhalb der Prüfung. Gilt „Wahl" i m Sinne von A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 dagegen als „Mandatserwerb", dann schließt die Wahlprüfung umgekehrt unmittelbar und nur an den staatlichen Mandatsverteilungsvorgang einschließlich der individuellen Annahmeerklärung an: Sie geht also von dem staatlich festgestellten Ergebnis des Kollektivwahlakts aus und prüft nur noch die Erfüllung der Voraussetzungen wesentlich arithmetischer A r t , auf denen der Vorgang der Mandatsverteilung basiert. Ist „Wahl" i m Sinne von A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 die „Wahlberufung" 8 4 i m eingangs dargelegten Sinn, m i t h i n der durch den Gesamtwahlprozeß i m Zusammenschluß seiner einzelnen Abschnitte begründete kollektive Auswahl- und staatliche Bestimmungsakt, dann nimmt die Wahlprüfung den gesamten Wahlvorgang zum Gegenstand ihrer Prüfung. III. Die richtige

Lösung

Nicht nur das positive Wahlrecht, sondern auch sonstige Normen m i t wähl- oder wahlprüfungsrechtlichem Einschlag lassen bei verbindender Gesamtschau erkennen, daß die Wahlprüfungsorgane von Gesetzes wegen berechtigt sind, den gesamten parlamentarischen Wahlvorgang zu überprüfen. Ferner gibt die Kenntnis der Verfahrensfunktion Aufschluß über den Umfang des Prüfungsgegenstandes. 1. Aus § 44 Abs. 1 BWahlG ergibt sich, daß der Kollektivwahlakt Prüfungsgegenstand der Wahlprüfung ist. Denn gemäß dieser Vorschrift ist für den Fall der Ungültigkeitserklärung der „Wahl" nach Maßgabe der Wahlprüfungsentscheidung Wiederholungswahl die Folge. Ergo 88

So Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht I S. 382. So Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 35; Busse, Diss. S. 38; Greeve, Diss. S. 28; Kress v. Kressenstein, Diss. S. 11 f.; Württ. StGH in: LammersSimons I I I S. 266. 84

§ 3. Prüfungsgegenstand

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meint „Wahl" den kollektiven Wahlakt 3 6 . Die Feststellung seiner Ungültigkeit aber setzt seine Eigenschaft als Prüfungsgegenstand voraus 3 6 . Daß nicht nur der Kollektivwahlakt, sondern auch die darauf gründende, annahmebedürftige staatliche Mandatszuweisung Gegenstand der Prüfung ist, ergibt § 6 Abs. 2 BWPrüfG, w e i l er den Abgeordneten, „dessen Wahl angefochten ist", zum Beteiligten des Verfahrens macht. Wenn aber der Mandatserwerb angefochten werden darf, dann muß er auch der Prüfung unterliegen. Was Gegenstand der Anfechtung ist, ist auch Gegenstand der Prüfung. § 13 Nr. 3 BVerfGG bestätigt dieses Ergebnis. Wenn der Bundestag Entscheidungen erlassen darf, „die die Gültigkeit einer Wahl oder den Erwerb der Mitgliedschaft eines Abgeordneten beim Bundestag betreffen", muß er nicht nur den Wahlakt als solchen, sondern auch die Mandatszuweisung prüfen dürfen. Auch aus § 50 BWahlG ergibt sich die umfassende Prüfungszuständigkeit des Bundestages. Danach können „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf das Wahlverfahren beziehen" i m Wahlprüfungsverfahren angefochten — ergo: auch geprüft werden. Unter die Wendung des § 50 BWahlG „Entscheidungen und Maßnahmen" aber fallen sämtliche 8 7 staatlichen Leitungs- und Aufsichtsmaßnahmen, die i m Hinblick auf den Wahlakt ergehen, diesen vorbereiten, ermöglichen, auswerten und dokumentieren. M i t h i n muß der gesamte Wahlprozeß der Prüfungsgegenstand des Verfahrens sein. Denn das Wahlgeschäft w i r d von der Anordnung der Wahl bis h i n zum endgültigen Erwerb der Mandate auf das engste von staatlichen Aufsichts- und Leitungsrechten begleitet 3 8 . Ferner läßt sich an Hand von § 78 BWahlO die Existenz eines umfassenden Prüfungsgegenstandes nachweisen. Aufgrund dieser Bestimmung prüft der Bundeswahlleiter zum Zweck der Ausübung seines Rechts nach § 2 Abs. 2 BWPrüfG 3 9 , „ob die Wahl nach den Vorschriften 35

So auch Seifert, BWahlG S. 204. Dazu auch VGH Stuttgart, Bad.-Württ. VB1 1958 S. 10. I n anderem Zusammenhang auch Bettermann, in: Festschrift Schima S. 87. 37 Siehe unten i m Text Erster Teil, Zweiter Abschnitt § 8. A. 88 Das BWahlG und die BWahlO belegen diese Feststellung. 89 Das Recht nach § 2 Abs. 2 BWPrüfG ist zugleich eine Pflicht. Hierzu Greeve, Diss. S. 97 F N 3; Seifert, BWahlG S. 323; Nass, Wahlorgane S. 119; Grawert, D Ö V 1968 S. 749. Ähnlich liegt es bei § 2 Abs. 4, Satz 2 BWPrüfG. Dazu Maurer, Bundestagswahl S. 35. Die Stellung des Bundeswahlleiters ist mit der eines Vertreters des öffentlichen Interesses vergleichbar, nicht mit der eines Beklagten. Gemäß § 4 Abs. 1, 2 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen und § 38 Abs. 3 LWahlG Bremen fungiert der (Landes-)Wahlleiter zugleich als Untersuchungsführer. 36

3 Olschewski

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung durchgeführt worden ist". Danach sind nicht nur bestimmte, sondern alle wahlerheblichen Normen des Bundeswahlrechts Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab. Diesem umfassenden Prüfungsmaßstab muß ein umfassender Prüfungsgegenstand korrespondieren. Das Prüfungsrecht des Bundeswahlleiters aber reicht nicht weiter als das der Wahlprüfungsorgane. 2. Schließlich kann die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung die E x i stenz des größtmöglichen Prüfungsgegenstandes erweisen. Wie das Handlungsziel die Auswahl der Handlungsmittel präjudiziert 4 0 , so determiniert die Verfahrensfunktion den Umfang des Prüfungsgegenstandes 41 . Unterstellt: die Wahlprüfung garantiert den materiell 4 2 rechtmäßigen Mandatserwerb, i n toto: den materiell rechtmäßigen personellen Parlamentsbestand, dann folgt daraus der größtmögliche Prüfungsgegenstand „ W a h l " — der Wahlprozeß i n seiner vollen Spannbreite vom Beginn der Wahlvorbereitung bis h i n zur endgültigen Verteilung der Mandate und ihrer Annahme 4 8 . Dann nämlich knüpft die Verfahrensfunktion an eben jenen Zielpunkt an, auf den auch die Wahl selbst abstellt: den Mandatserwerb 4 4 . Dieser aber kann dann nicht mehr als Produkt bloßer staatlicher Mandatszuweisung und individueller Mandatsannahmeerklärung verstanden werden. Er muß vielmehr als Ergebnis des Gesamtwahlablaufs qualifiziert werden, wie es i m Zusammen-

40 So jedenfalls die finale Handlungslehre. Vgl. statt aller Welzel, Das deutsche Strafrecht (10. Aufl. 1967) S. 30 f. 41 Z u diesem Schlußverfahren siehe H.-J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 143. 42 Materiell rechtmäßig ist das Mandat, das auf der Grundlage und in Übereinstimmung mit der rechtmäßigen kollektiven Wählerentscheidung vergeben wurde. Fehlt es dagegen an der rechtmäßigen Bildimg und/oder Feststellung des Gesamtwählerwillens (in mandatserheblichem Umfang), so ist das gleichwohl gemäß den §§ 45 Satz 1; 42 Abs. 2, 3 BWahlG erworbene Mandat formell rechtmäßig, materiell rechtswidrig. 43 So in der Tat die h. M., die allerdings jede Begründung vermissen läßt. Vgl. Württ. StGH in: Lammers-Simons I I I S. 266 f.; WPrüfG Ltag Rheinland-Pfalz, AS 10 S. 226; Draht, Wahlprüfungsrecht S. 1; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 35 f.; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 5; Maunz-Sigloch-Schmidt Bleibtreu-Klein, BVerfGG § 13 Nr. 3 Rdn. 29; Nawiasky-Leusser-ScTuueiger-Zacher, Verfassung, Art. 33 Rdn. 3; GellerKleinrafim-Fleck, Verfassung Art. 33 Rdn. 2; Seifert, BWahlG S. 61, 319; D Ö V 1967 S. 235; Henke, Recht der politischen Parteien S. 169; Spreng-BirnFeuchte, Verfassung Art. 31 Anm. 2; Karl, Diss. S. 45; Eschenburg, Staat und Gesellschaft S. 793, 385; Schmidt Bleibtreu-Klein, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 1; Seifert-Geeb-Steiniger, in: Das Deutsche Bundesrecht, I A 10 S. 140 b; Seifert, DÖV 1953 S. 365; Maunz, Staatsrecht S. 332; Greeve, Diss. S. 27— 31; Busse, Diss. S. 38 f.; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 31; Karpenstein, Diss. S. 22—27, 44 f.; Schiller, Diss. S. 23 f.; G. Fr. Lechner, Diss. S. 63; Maurer, Die Bundestagswahl S. 15. 44 Vgl. die Formulierung des § 1 Abs. 1 BWPrüfG i m Entwurf des Bundesrates: Drs. Dt. Btag 1 W P (1949) Nr. 983, S. 9.

§ 4. Verfahrensfunktion der Wahlprüfung

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schluß aller seiner einzelnen Abschnitte geschaffen w i r d 4 5 . Eine verfahrensmäßige Abtrennung des formellen Mandatserwerbs von dem i h m zugrunde liegenden Kollektivwahlakt ist nicht mehr möglich. Denn die Prüfung und Entscheidung über den materiell 4 6 rechtmäßigen Mandatserwerb setzt zwingend die Kontrolle der gesamten Erwerbsbedingungen voraus. Die Wahl muß m i t h i n i n ihrer ganzen Dimension dem Bundestag als Prüfungsgegenstand zugänglich sein. Ob die Wahlprüfung ihrer Funktion nach materielle Mandatserwerbsprüfung ist, also den Gesamtwahlvorgang zum Zweck der Rechtmäßigkeitsfeststellung des personellen Parlamentsbestands überprüft, soll nachfolgend untersucht werden. § 4. Die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung Die Frage nach der Verfahrensfunktion befaßt sich m i t dem Sinn und Zweck, dem zu dienen die Wahlprüfung bestimmt ist. Es geht ebenso u m die Findung von Maßstab und Ziel der Prüfung und Entscheidung i m Verfahren nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 wie u m die Festlegung des m i t der Wahlprüfung geschützten Rechtsguts. Anders ausgedrückt: nicht mehr nach dem „was", sondern dem „wozu", nicht nach dem Objekt, sondern der Funktion des Verfahrens w i r d gefragt 1 . A. Verfahrensfunktion und Wahlungültigkeitsgründe

Die Frage nach der Verfahrensfunktion hängt wesentlich m i t der Frage nach den Wahlungültigkeitsgründen zusammen. A r t der Verfahrensfunktion und Qualifikation der Wahlungültigkeitsgründe bedingen sich. Zwei Lösungsmöglichkeiten sind denkbar: Einmal kann der Gesetzgeber materiellrechtliche Wahlungültigkeitsgründe normieren. Bei ihrem Vorliegen muß das Wahlprüfungsorgan zu einem Ungültigkeitserkenntnis gelangen. Dann läßt sich die Verfahrensfunktion an Hand der Ungültigkeitsgründe ablesen: sie ist gleichsam deren Spiegelbild. Indessen hat der Bundesgesetzgeber diesen Weg 45

Zum Verhältnis von Wahlprozeß und Mandatserwerb siehe v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T I S. 131; Bayerisches Staatsrecht S. 438; Leser, Diss. S. 74; Württ.StGH in: Lammers-Simons I I I S. 266; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 35. 49 Diese Voraussetzung übersieht die h. M. Vgl. etwa Kühn, a.a.O. S. 36; Draht, Wahlprüfungsrecht S. 1; Karpenstein, Diss. S. 44. 1 Beides wird von der h. M . nicht ausreichend getrennt. Dazu MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz, I Art. 41 Rdn. 6; G. Fr. Lechner, Diss. S. 63 F N 184 sowie oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 3.

s*

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

weder beschritten 2 , noch liegt seine materiellrechtliche Ausgestaltung i m Feld dieser Untersuchung. Z u m anderen kann der Gesetzgeber die Verfahrensfunktion fixieren. Daraus ergeben sich umgekehrt Konsequenzen für die Wahlungültigkeitsgründe. Überblickt man die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung, dann kennt man auch die Gründe, die die Entscheidung der Wahlprüfungsorgane rechtfertigen und erfordern. Daher sind Sinn und Zweck der Wahlprüfung zu ermitteln. B. Mögliche Verfahrensfunktionen

Einmal könnte es Aufgabe der Wahlprüfung sein, die Einhaltung des objektiven Wahlrechts zu garantieren, seine Nichteinhaltung zu sanktionieren. Zum anderen könnte der Sinn der Wahlprüfung darin bestehen, die Rechtmäßigkeit der Willensbildung durch die Gesamtaktivbürgerschaft — total oder partiell — zu kontrollieren, diese also vor rechtwidriger Beeinträchtigung ihres Wahlrechts zu schützen 8 . C. Bedeutung der Möglichkeiten

Bezweckt die Wahlprüfung die objektive Wahlrechtssanktionierung, so muß sie auf jeden objektiven Wahlrechtsverstoß reagieren, unabhängig davon, ob dadurch die rechtmäßige Willensbildung der Gesamtaktivbürgerschaft normwidrig beeinflußt wurde oder auch nur werden konnte. Dann ist jede Normwidrigkeit der Wahlvorgänge für die Wahlprüfung bedeutsam. Nicht nur die wahlerhebliche, sondern auch die schlichte gleich wahlunerhebliche Rechtswidrigkeit interessiert. Dient die Wahlprüfung dagegen der Erzielung der gesetzmäßigen Volkswillensbildung, so bleiben schlichte Rechtswidrigkeiten der Wahlvorgänge außerhalb der Prüfung und Entscheidung. Dann beschränkt sich das Verfahren auf die Feststellung solcher Rechtswidrigkeiten, die die Willensbildung der Gesamtaktivbürgerschaft rechtswidrig beeinflussen (wahlerhebliche Rechtswidrigkeit = Stimmrechts Widrigkeit). I n soweit bestehen zwei Möglichkeiten:

1 Vgl. Bericht des Abgeordneten Ewers, Steno-Berichte Dt. Btag 1 W P (1949) Bd. 6 S. 4237 und Amtliche Begründung zu § 51 Regierungsentwurf BWahlG v. 19. 2. 1953 in: Drs. Dt. Btag 1. W P (1949) Bd. 21 Nr. 4090, S. 28. 8 Die Wahlprüfung ist nicht auf eine Prüfung des Verhaltens der Wahlorgane beschränkt. Sie erstreckt sich auf alles, was die gesetzmäßige Volkswillensbildung rechtswidrig beeinflussen kann. Dazu Seifert, BWahlG S. 61.

§ 4. Verfahrensfunktion der Wahlprüfung

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Einmal kann die Wahlprüfung materielle 4 Mandatserwerbspriifung sein. Dann überprüft sie den gesamten Wahlablauf i m Hinblick auf die Hechtmäßigkeit der einzelnen Mandatserwerbe. Dann schützt die Wahlprüfung das gesetzmäßige Zustandekommen des Volks willens i n beschränktem Umfang: nämlich insoweit, als sie dessen normwidrige Beeinflussung zum Gegenstand der Entscheidung nimmt, wenn dadurch zugleich der personelle Bestand des Parlaments gesetzwidrig beeinflußt ist. Zum anderen kann die Wahlprüfung auch Stimmergebnisprüfung 5 sein. Dann prüft sie den gesamten Wahlablauf nicht nur zum Zweck der Hechtmäßigkeitsfeststellung des Parlamentsbestands, sondern auch i m Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit des Wahlakts. Dann schützt die Wahlprüfung die gesetzmäßige VolksWillensbildung i n unbeschränktem Umfang: w e i l sie auch auf solche Wahlrechtsverstöße reagiert, die nicht die parlamentarische Mandatsverteilung, wohl aber das amtlich festgestellte Stimmergebnis normwidrig beeinflußt haben. Der Prüfungsmaßstab des Verfahrens ist dann nicht nur mandatserhebliche, sondern auch schon stimmerhebliche Rechtswidrigkeit. Dann w i r d jedem Wahlbewertungs- u. Wahlauswertungsfehler 6 bei der (staatlichen) Ermittlung des (Gesamt-) Stimmergebnisses nachgegangen. Ebenso werden Wahlbeteiligungsfehler berücksichtigt, also die Fälle der rechtswidrigen Ausschaltung von Wähler, Wahlbewerber und politischer (Splitter-) Partei erfaßt. Denn jeder der genannten Fehler macht das Stimmergebnis rechtswidrig — nicht nur der Auswertungs- und/oder Bewertungsfehler, auch der Beteiligungsfehler. Das amtlich festgestellte Stimmergebnis enthält die Dokumentation der Volkswillensbildung — mehr nicht. Solange und soweit der Wahlakt rechtmäßig ist, ist es auch das Stimmergebnis, sofern es nicht seinerseits rechtswidrig ermittelt wurde. Kommt umgekehrt die Willensbildung der Gesamtaktivbürgerschaft normwidrig zustande, dann ist auch stets das Stimmergebnis rechtswidrig — weil eine wesentliche Voraussetzung seiner Rechtmäßig-

4 Die Wahlprüfung ist materielle Mandatserwerbsprüfung, wenn sie nicht nur die Rechtmäßigkeit der Mandatszuweisung, sondern auch die Gesetzmäßigkeit des Wahlakts im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Mandatserwerbe überprüft. 6 Die von Seifert, BWahlG S. 341; D Ö V 1967 S. 235, 238, 240 vorgenommene Einengung der Stimmergebnisprüfung auf die Stimmergebnisberichtigungsprüfung hat keine Berechtigung, wie der anschließende Text darlegt. Das gilt jedenfalls dann, wenn man — mit Seifert — in der Wahlprüfung ein Verfahren zum Schutz der rechtmäßigen Volkswillensbildung sehen w i l l bzw. dieser Behauptung nachgeht.

• Jeder Stimmzettel wird bewertet, d. h. für gültig oder ungültig befunden. Jeder Stimmzettel wird ausgewertet, d. h. einem Wahlbewerber oder einer Partei zugeteilt und gezählt.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

keit fehlt. Aus der Hechtswidrigkeit der Entstehung folgt die Rechtswidrigkeit des Entstandenen 7 . § 5. Die vorläufige Bestimmung der Verfahrensfunktion Nachfolgend w i r d eine vorläufige Bestimmung der Verfahrensfunktion vorgenommen, indem offenbar bestehende oder nicht bestehende Verfahrenszwecke ausgeschieden werden. A. Negative Ausgrenzung: Wahlprüfung als schlichte Rechtswidrigkeitsprüfung

Zunächst soll nachgewiesen werden, daß der Zweck der Wahlprüfung nicht darin gefunden werden kann, generell das objektive Wahlrecht zu sanktionieren. Denn die Wahlprüfung befaßt sich nur m i t wahlerheblichen Normwidrigkeiten des Wahlvorgangs, d. h. solchen, die das Stimmergebnis beeinflußt haben oder haben können. I. Das Gegenteil w i r d gelegentlich i n der Literatur behauptet. Zwei Gesichtspunkte sind es, die für die schlichte oder unbeschränkte Rechtmäßigkeitskontrolle der Wahlvorgänge i n das Feld geführt werden. 1. Einmal — so w i r d gesagt — lasse sich ein allgemein staatspolitisches Interesse postulieren, daß die Wahlvorgänge gesetzmäßig ablaufen. Dies könne bei der Bedeutung, die den Wahlen als Grundprozeß der gesamten staatlich-demokratischen Willensbildung zukomme, schwerlich a limine verneint werden. Es seien die „Umtriebe" beim Ablauf der Wahl, die den Staat erschüttern 1 . Wo immer der Wahlvorgang als solcher i n irgendeiner Weise behindert, manipuliert oder gar unterdrückt werde, gehe es „der Demokratie an die Wurzel" 2 . 2. Zum anderen — so heißt es — dürfe nicht unterschätzt werden, daß auch die Geltung, schärfer: die Einhaltung des objektiven Wahlrechts weitgehend m i t der Existenz einer mehr oder weniger funktionell „geöffneten" Wahlprüfung stehe und falle 8 . Das Interesse des 7 Dieser allgemeine Grundsatz wird durch die Regelung des § 563 ZPO nicht durchbrochen. Bei § 563 ZPO geht es nicht um die Rechtswidrigkeit, sondern um die Richtigkeit. Trotz Rechtswidrigkeit kann das angefochtene Urteil (im Ergebnis) richtig sein. 1 So Seifert, D Ö V 1967 S. 236. 2 Marcic, Verfassung und Verfassungsgericht S. 102. Dem äußeren Anschein nach plädieren auch Grawert, D Ö V 1968 S. 751; Friesenhahn, Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit S. 31; Greeve, Diss. S. 122; Köban, Diss. S. 110 für eine unbeschränkte Rechtmäßigkeitsprüfung der Wahlvorgänge. I n Wahrheit dürften diese Autoren durchaus differenzierterer Meinung sein. 8 So Seifert, D Ö V 1967 S. 236.

§ 5. Vorläufige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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Staates an der Einhaltung dieser Normen aber könne kaum geleugnet werden. Denn es sei das Charakteristikum des Rechts überhaupt, daß es die Einhaltung seiner Gebote und Verbote planmäßig durch Sanktionen erzwinge. Die häufigste wie einfachste Form der Normengarantie aber bestehe seit altersher i n ihrer „Bewaffnung" durch Verweigerung des angestrebten Rechtserfolgs für den F a l l des Rechtsverstoßes 4. Deshalb müsse die Wahlprüfung die volle Last der Sanktionierung des objektiven Wahlrechts übernehmen. I I . So demokratisch und rechtsstaatlich lauter die vorgetragenen Argumente auch sein mögen, so wenig taugen sie zur Interpretation der lex lata (Art. 41 Abs. 1 Satz 1). 1. Richtig ist allein, daß „ G ü l t i g k e i t " oder „Ungültigkeit" (auch) 5 Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit meinen kann®. Der Sprachgebrauch ist oft unsicher 7 . Nicht aber folgt daraus, daß die Wahlprüfung auch auf solche Wahlrechtsverstöße reagieren muß, die weder den Erwerb der Mandate, noch das Gesamtstimmergebnis normwidrig beeinflußt haben. Denn die Wahlprüfung entscheidet i n jedem F a l l über die Rechtmäßigkeit oder Gültigkeit der Wahl; nicht dagegen entscheidet sie p r i n z i p a l e r über die Rechtmäßigkeit einzelner wahlbehördlicher Maßnahmen bei der Wahl. Die staatliche W a h l m i t w i r k u n g ist „conditio sine qua non" der Wahl, nicht aber ist sie m i t dieser identisch. Auch entscheidet die Wahlprüfung nicht inzidenter über die Rechtmäßigkeit jeder staatlichen Wahlverfahrensmaßnahme. Diese interessiert i n der Wahlprüfung nur insoweit, als davon die Rechtmäßigkeit der W a h l abhängt. Rechtsw i d r i g aber kann eine W a h l nur dann sein, wenn sie nicht mehr nur das gesetzmäßig ausgewertete Produkt aktivbürgerlichen Zusammenwirkens ist. Solange und soweit sie das ist, ist sie auch rechtmäßig — w e i l gemäß A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 das V o l k und nicht der Staat gewählt hat. Deshalb ist die Auffassung von der unbeschränkten Rechtmäßigkeitsprüfung der Wahlvorgänge unrichtig und bedarf der notwendigen Einschränkung. Wahlprüfung ist — funktionell gesehen — nicht schon schlichte Rechtswidrigkeitsprüfung, sondern allenfalls wahlerhebliche, d. h. stimmergebniserhebliche Rechtswidrigkeitsprüfung. Daran w i l l und kann weder § 50 BWahlG noch § 78 Abs. 1 BWahlO etwas ändern. Ein4

Beispielhaft insoweit die Regelung des § 134 BGB. „Ungültigkeit" kann ebenso die obligatorische oder fakultative Folge von Rechtswidrigkeit sein. • So ist etwa unter der „Gültigkeit" des § 41 Abs. 1 P V G nur die Rechtmäßigkeit zu verstehen. 7 So auch ff.-J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 329. Hierzu sub specie Wahlprüfung auch Kühn , Formen des Rechtschutzes S. 34. 5

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

mal ist § 50 BWahlG insoweit 8 reine Verweisungsnorm ohne normativen Inhalt. Z u m anderen läßt die Auslegung von § 78 Abs. 1 Satz 2 BWahlO der hier vertretenen Auffassung Raum 9 . Vor allem aber ist der Entscheidungsgegenstand des Verfahrens nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 m i t dem Begriff „Wahlprüfung" abschließend fixiert und durch § 1 Abs. 1 BWPrüfG dokumentiert 1 0 . Er kann nicht durch einfaches Bundesrecht modifiziert werden. 2. Nur i m Rahmen dieser Einschränkung besteht ein Interesse des Staates an der Rechtmäßigkeit des Ablaufs der Wahlvorgänge. Selbst wenn die Wahlprüfung ein objektives Kontrollverfahren sein sollte 1 1 , steht sie gleichwohl unter dem funktionellen Vorbehalt des Feststellungs- und Prüfungsbedürfnisses 12 . Denn weder der Staat noch der B ü r ger haben ein rechtlich geschütztes oder schutzbedürftiges Interesse an der Feststellung schlichter Normverstöße, die wahlunerheblich sind. So wenig der Wahlprozeß i m großräumigen Flächenstaat jemals ohne objektive Normverstöße zustande kommen kann, so wenig kann jede Normwidrigkeit m i t Sanktionen verbunden sein. Wahlrechtswidrigkeiten, die weder die Rechte der Wähler reduzieren, noch das allgemeinstaatliche Interesse an der gesetzmäßigen Bildung des Volkswillens tangieren, können getrost außer Ansatz bleiben. Sie beweisen die banale Tatsache, daß der Staat gesetzwidrig 13 handelt; nicht aber rechtfertigen sie eine autoritative Feststellung darüber. Auch insoweit gilt das Prinzip der Verfahrensökonomie. Normwidrige Handlungen, die niemanden beeinträchtigen, werden weder „geduldet" 1 4 noch sanktioniert. Die Feststellung von Rechtswidrigkeiten ist kein Selbstzweck. Zur theoretischen Feststellung wahlunerheblicher, gelegentlicher Normverstöße ist selbst ein zum Schutz objektiven Rechts eingerichtetes Verfahren niemals aufgerufen 15 . Das geltende Recht ist eben häufig „lex imperfecta" 1 6 . So vor 8

Dazu oben i m Text die Einleitung zum Ersten Teil. • Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 BWahlO entscheiden der Bundes- und Landeswahlleiter „nach dem Ergebnis der Prüfung", ob Wahleinspruch einzulegen ist oder nicht. 10 Art. 41 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 BWPrüfG sprechen von der Gültigkeit der „Wahl", nicht von der Gültigkeit einzelner Handlungen „bei" der Wahl. 11 Dazu unten i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 4. " Hierzu Babel, Probleme der abstrakten Normenkontrolle (Berlin 1964) S. 30 f.; Goessl, Organstreitigkeiten S. 173; Schumann, Verfassungsbeschwerde S. 57. 13 Anders der englische Rechtsatz: The king cannot do wrong. 14 Sie bewirken keinen Rechts- oder Freiheitsverlust. 15 Dazu Goessl, Organstreitigkeiten S. 52 f.; Schumann, Verfassungsbeschwerde S. 260; BVerfGE 3 S. 17; 7 S. 50; 10 S. 54; 13 S. 125; BVerwGE 9 S. 250 f.; Schäfer-Jekewitz, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit I I ¡3. 256; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 6. Sub specie Wahlprüfung i m hier vertretenen Sinn schon Gebhard, Verfassung S. 193. Die

§ 5. Vorläufige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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allem das Prozeßrecht 17 . Hechtsverstöße i m gerichtlichen Verfahren bleiben i n der Regel so lange und so weit ungesühnt, als sie keine Auswirkungen auf den Inhalt des Richterspruchs haben 18 . Nicht anders kann es sich bei objektiven Wahlrechtsverstößen verhalten 1 9 . Denn auch die „ W a h l zum Bundestag" ist ein „Prozeß" 2 0 , d. h. ein Verfahren, das unter Beachtung der geltenden „Verfahrensvorschriften" i m Zusammenschluß seiner einzelnen Stadien zu einem „Ergebnis", der Parlamentsbildung führen soll. B. Positive Ausgrenzung: Wahlprüfung als materielle Mandatserwerbsprüfung

So wenig die Wahlprüfung stimmergebnisunerhebliche Rechtmäßigkeitsprüfung der Wahlvorgänge ist, so sehr ist sie materielle Mandatserwerbsprüfung: sie prüft also das gesamte Wahlverfahren zwecks Feststellung der Rechtmäßigkeit der Mandatserwerbe. Das ist weder bestritten noch bestreitbar. I. Daß die Wahlprüfung diesen Zweck verfolgt, ergibt sich bereits aus rechtslogischen Überlegungen. Da sie nicht die objektive Wahlrechtssanktionierung garantiert, bleibt nur der Schutz der rechtmäßigen Volkswillensbildung als möglicher Verfahrenszweck. Den aber leistet die Wahlprüfung i n beschränktem Umfang, wenn sie die Kongruenz oder Divergenz von Volkswillen und Abgeordnetenmandat feststellt. Die Frage kann nur lauten, ob die Wahlprüfung der gesetzmäßigen Volkswillensbildung v o l l und ganz oder aber nur partiell zum Durchbruch verhelfen muß 2 1 . Nicht aber kann sie dahin gestellt werden, ob die Wahlprüfung auch der rechtmäßigen Willensbildung der Gesamtaktivbürgerschaft zu dienen bestimmt ist. Anders ausgedrückt: es handelt sich darum, ob die Wahlprüfung ausschließlich Mandatserwerbsprüfung ist, nicht darum, ob sie das überhaupt ist.

Norm des § 37 Abs. 2 LWahlG Schleswig-Holstein widerspricht der i m Text getroffenen Feststellung nicht, da sie eine unmittelbare „Regelung" verlangt. Hierzu Rietdorf, D V 1949 S. 670 F N 20. 18 Das wird von Seifert, D Ö V 1967 S. 236 nicht hinreichend berücksichtigt. 17 Vgl. § 549 Abs. 1 ZPO; § 137 Abs. 1 V w G O ; § 73 Abs. 1 ArbGG; § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO; § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG; § 377 Abs. 1 StPO. 18 Auch Verstöße gegen prozessuale Sollvorschriften enthalten in der Regel kein niederes Müssen; sie sind bloß sanktionslos. 19 Insoweit ist die Übernahme prozessualer Gegebenheiten gerechtfertigt. Dazu auch unten i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. I I . 20

So auch W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung S. 62. Diese Alternative ist der h. M . bislang nicht hinreichend bewußt geworden. 21

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

I I . So belegt denn auch das positive Recht die Feststellung, daß die Wahlprüfung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 zumindest materielle Mandatserwerbsprüfung ist. Das folgt nicht nur aus den §§ 6 Abs. 2, 14 Satz 1, 17 Abs. 1 BWPrüfG, sondern vor allem aus § 16 Abs. 1 BWPrüfG, der die beiden Fälle des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 einfachgesetzlich m i t den Worten konfrontiert: „Stellt der Bundestag fest, daß die Wahl eines Abgeordneten ungültig ist oder daß ein Abgeordneter die Mitgliedschaft verloren hat, so " Eben das gleiche bestimmen die §§47 Abs. 1 Nr. 1, 46 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG, wonach i m Wahlprüfungsverfahren über die Gültigkeit der Wahl des Abgeordneten entschieden wird. Ungültig aber ist der Mandatserwerb nicht nur dann, wenn er auf einer fehlerhaften Mandatszuweisung beruht, sondern auch dann, wenn er auf mandatserheblichen Normwidrigkeiten des Wahlakts basiert. Denn i n beiden Fällen ist der Grundsatz des A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 verletzt: Nur das Volk wählt und beruft! C. Vorläufiges Ergebnis

M i t der Qualifizierung der Wahlprüfung als materieller Mandatserwerbsprüfung ist ihre Verfahrensfunktion vorläufig bestimmt. Die Wahlprüfung dient i n beschränktem Umfang der Erzielung rechtmäßiger Volkswillensbildung — w e i l sie die Rechtmäßigkeit des Wahlakts i m Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Parlamentsbestands überprüft. Auch das Produkt der Wahl selbst, der Gewählte, "wird auf die für einen Abgeordneten erforderlichen subjektiven Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen des passiven Wahlrechts überprüft 2 2 . Denn auf einen Unwählbaren kann keine gültige Wahl fallen. Wer nicht wählbar ist, besitzt nicht die rechtliche Fähigkeit, aus der Wahl ein Mandat zu erwerben 2 8 . Die Wahlprüfung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 ist also ebenso objektive wie subjektive Mandatserwerbsprüfung 24 : sie garantiert die Einhaltung der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für den rechtmäßigen Erwerb von Mandaten.

22 Dazu etwa Kress v. Kressenstein, Diss. S. 12; Busse, Diss. S. 39; Seifert, BWahlG S. 212. 23 Vgl. W. Schmitt, Diss. S. 23 sowie § 3 Abs. 2 lit. d) LWPrüfG Berlin; § 17 Abs. 1 LWPrüfG Niedersachsen; § 5 Nr. 5 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen; § 48 Abs. 2 LWahlG Rheinland-Pfalz; § 38 Abs. 1 Satz 1 LWahlG Schleswig-Holstein. 24 Historisch gesehen war die subjektive Legitimationsprüfung vorrangig. Dazu Braunias, Parlamentarische Wahlrecht I I S. 5; Kress von Kressenstein, Diss. S. 12.

§ .

lige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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§ 6. Die endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion A. Problemstellung: Wahlprüfung als Stimmergebnisprüfung

N u r m i t der gezeigten Einschränkung kann die Wahlprüfung als Mandatserwerbsprüfung das rechtmäßige Zustandekommen des Volkswillens garantieren. Gesetzwidrigkeiten innerhalb des Wahlakts bleiben solange und soweit unberücksichtigt, als sie die parlamentarische Sitzvergabe nicht beeinflußt haben können. Nicht Stimmrechtswidrigkeit ist ausreichend, vielmehr Mandatsrechtswidrigkeit erforderlich. Nicht schlichte, sondern qualifizierte, mandatserhebliche Stimmrechtswidrigkeit w i r d verlangt. Der eingeengte Prüfungsmaßstab ist die Folge des eingeschränkten Prüfungsziels: der Überprüfung der Wahl zwecks Feststellung der Rechtmäßigkeit des personellen Wahlergebnisses, der Mandatserwerbe. Anders dagegen verhält es sich, wenn die Wahlprüfung auch Stimm ergebnisprüfung ist. Dann garantiert die Wahlprüfung die rechtmäßige Volkswillensbildung i n unbeschränktem Umfang: w e i l sie auch auf mandatsunerhebliche Stimmrechtswidrigkeiten i n Form der Wahlbeteiligungs-, Wahlbewertungs- und Wahlauswertungsfehler reagiert 1 . Ob die Wahlprüfung diese Fehler erfaßt, also die rechtmäßige Volkswillensbildung v o l l und ganz zu garantieren bestimmt ist, w i r d nachfolgend untersucht.

I. Die gegenwärtige

Lehre

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 2 ist „das Wahlprüfungsverfahren ausschließlich 5 dazu bestimmt, die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu gewährleisten. Nur solche Wahlfehler vermögen daher die Beschwerde zu rechtfertigen, die auf die Mandatsverteilung von Einfluß sind oder sein können". Selbst „Wahlfehler, die die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, können die Beschwerde dann nicht rechtfertigen, wenn sie angesichts des Stammverhältnisses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben konnten".

1 Dazu oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 4. C. Die genannten Wahlrechts Widrigkeiten enthalten zugleich Verletzungen des subjektiven Wahlrechts — wie i m Zweiten Teil der Arbeit gezeigt wird. Allerdings sind solche Verletzungen — sofern sie vom Wähler gerügt werden — nur i m Fall der Wahlbeteiligungsfehler individualisierbar. Dazu unten i m Text, Vierter Teil § 16. B. 2

BVerfGE 1 S. 432; 4 S. 371 f.; 21 S. 199; 22 S. 280 f.

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Die Hervorhebung des zitierten Satzteils stammt vom Verfasser.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

Diese A l l g e m e i n g ü l t i g k e i t b e a n s p r u c h e n d e 4 F o r m e l des B u n d e s v e r fassungsgerichts h a t i m S c h r i f t t u m Gefolgschaft g e f u n d e n 5 . A u c h d e r Deutsche B u n d e s t a g l e g t sie seiner W a h l p r ü f u n g s p r a x i s z u g r u n d e 6 . 1. G l e i c h w o h l h a t das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t j e d e B e g r ü n d u n g u n d A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e r einschlägigen P r o b l e m a t i k v e r m i e d e n . G r u n d genug, d i e R i c h t i g k e i t dieser These z u ü b e r p r ü f e n . S o w e i t d i e L i t e r a t u r sich n i c h t m i t e i n e r s t e r e o t y p e n W i e d e r h o l u n g d e r F o r m e l b e g n ü g t , t r ä g t es f o l g e n d e A r g u m e n t e v o r : T r o t z des v e r ä n d e r t e n W o r t l a u t s W a h l p r ü f u n g sei diese auch h e u t e nichts m e h r u n d nichts w e n i g e r als d i e h i s t o r i s c h gewachsene p e r s o n e l l e L e g i t i m a t i o n s p r ü f u n g 7 . D e r das m a t e r i e l l e W a h l p r ü f u n g s r e c h t b e h e r r schende K a u s a l i t ä t s g r u n d s a t z q u a l i f i z i e r e d i e W a h l p r ü f u n g als M a n d a t s e r w e r b s p r ü f u n g 8 . Das ergebe sich auch daraus, daß das W a h l p r ü f u n g s v e r f a h r e n a l l e i n d e r S i c h e r u n g des o b j e k t i v e n W a h l r e c h t s z u d i e n e n 4 So versteht auch Seifert, D Ö V 1967 S. 235 die — offenbar aus dem Wesen der Wahlprüfung hergeleitete — Formel des Gerichts. 5 Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 6; v. MangoldtKlein, Grundgesetz I I Art. 41 Bern. I I I 1 b; Giese-Schtmck, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 3; Hamann, Grundgesetz Art. 41 Bern. B 1; Schmidt Bleibtreu-Klein, Grundgesetz, Art. 41 Rdn. 1; GeUer-Kleinrahm-Fleck, Verfassung Art. 33 Bern. 2; Nawiasky-Leusser-Schtoeiger-Zacher, Verfassung Art. 33 Rdn. 3; Faber, Verfassungs- und Staatsrecht S. 184; Badura, in: Bonner Kommentar (2. Bearbeitung) Anhang zu Art. 38, BWahlG Rdn. 42; Maunz-SiglochSchmidt Bleibtreu-Klein, § 48 BVerfGG Rdn. 1; Spreng-Birn-Feuchte, Verfassung Art. 31 Bern. 2; Goessl, Organstreitigkeiten S. 110; Bettermann, AöR 86 (1961) S. 144; Busse, Diss. S. 38, 114; Schiller, Diss. S. 11—25; Karpenstein, Diss. S. 25 ff.; Stephan, Rechtsschutzbedürfnis S. 152 f.; Juhle, Diss. S. 141; Karl, Diss. S. 45; Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 89; Steinbömer, DVB1 1968 S. 273; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 6, 9; Koban, Diss. S. 112 f.; Greeve, Diss. S. 67, 74, 93; Kneser, AöR 89 (1964), S. 179; Nass, Wahlorgane S. 119; Eschenburg, Staat und Gesellschaft S. 385, 793; Achterberg, Probleme der Funktionenlehre (München 1970) S. 142. Ebenso schon vor dem Bundesverfassungsgericht Süsterhenn-Schäfer, Verfassung Art. 82 Bern. 4; Draht, Wahlprüfungsrecht S. 2; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 35—38; W. Schmitt, Diss. S. 29; Kaisenberg, in: HdbDStR I S. 405; W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung S. 62; AöR n. F. 15 (1928) S. 125. Die in der Landesrechtsprechung fehlende Bezugnahme auf das Bundesverfassungsgericht erklärt sich daraus, daß der Landesgesetzgeber in der Regel sowohl für die parlamentarische wie für die kommunale Wahlprüfung U n gültigkeitsgründe normiert hat. 6 Vgl. etwa Drs. Dt. Btag 1. WP (1949): S. 2980; 2981, 2982 (Steno-Berichte Dt. Btag 1. W P S. 8018 c); 3202 (Steno-Berichte Dt. Btag 1. W P S. 8667 c); 3295 (Steno-Berichte Dt. Btag 1. W P S. 9446 B). Drs. Dt. Btag 2. W P (1953): S. 513 (Steno-Berichte Dt. Btag 2 W P S. 1531 C); S. 1331; (Steno-Berichte Dt. Btag 2. W P S. 4308 B). Drs. Dt Btag 4. WP (1962): S. 497, 502. 504, 518, 519 (Steno-Berichte Dt. Btag 4. W P S. 15591). Drs. Dt. Btag 5. W P (1966) S. 420, 424 (Steno-Berichte Dt. Btag 5. W P S. 1424 f.). 7 Vgl. Spreng-Birn-Feuchte, a.a.O.; GeUer-Kleinrahm-Fleck, a.a.O.; Karpenstein, a.a.O. 8 So Greeve, a.a.O. S. 93 ff.; Maurer, Die Bundestagswahl S. 11; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 6 ff., 35 ff.; W. Schmitt, Diss. S. 29.

§ .

lige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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bestimmt sei 9 . Ferner erfordere die Erzielung des unverfälscht zum Ausdruck kommenden Wählerwillens wie der Gedanke der Verfahrensbeschleunigung die Einengung des Prüfungsziels 10 . „ W a h l " i m Sinne der Wahlprüfung sei nicht der Wahlakt, sondern das Wahlergebnis, der Mandatserwerb 11 . Die Wahl sei kein Selbstzweck, sondern Kreationsmittel, Organbestellungsakt. Deshalb müsse sich die Wahlprüfung m i t der Kontrolle des eigentlichen Wahlziels, der Mandatsverteilung bescheiden 12 . Auch müßten schlichte Stimmrechtswidrigkeiten deshalb unberücksichtigt bleiben, w e i l die Wahlprüfung ein rein objektives Verfahren sei, was sich aus der Mandatsunerheblichkeit bloßer Stimmrechtswidrigkeiten ergebe 15 . 2. M i t dieser Begründung ist die Auffassung der herrschenden Meinung nicht zu rechtfertigen: a) Die historisierende Betrachtung allein kann den zeitgeschichtlichen Sinn moderner Wahlprüfung schwerlich ausschöpfen 14 . Es ist gerade die Frage, ob die Wahlprüfung i m Zeichen der A r t . 38 Abs. 2, 19 Abs. 4, 20 Abs. 2 nicht auf eine Erweiterung ihres Funktionsrepertoires drängen muß. Darauf kann nur eine verfassungsrechtliche Detailexegese A n t w o r t erteilen. Dieser entzieht sich die gegenwärtige Lehre; sie ist nachzuholen 15 . b) Auch der Hinweis auf den das materielle Wahlprüfungsrecht beherrschenden Kausalitätsgrundsatz ist wenig hilfreich. Einmal versagt er dort, wo der Gesetzgeber keine materiellen Wahlungültigkeitsgründe normiert hat 1 8 . Als ungeschriebener allgemeiner Rechtssatz aber kann der Grundsatz von der Sitzbeeinflussung nicht gelten 1 7 . Weder ist 9

BVerfGE 1 S. 432; Hamann, a.a.O.; v. Mangoldt-Klein, a.a.O.; Schmidt Bleibtreu-Klein, a.a.O.; Nawiasky-Leusser-Schweiper-Zacher, a.a.O.; Geller-Kleinrahm-Fleck, a.a.O.; Steiribömer, a.a.O.; O V G Koblenz AS 6 S. 341; Stephan, a.a.O.; Feneberg-Kreis, § 50 BWahlG; Friesenhahn, a.a.O.; Kneser, a.a.O. Achterberg, Probleme der Funktionenlehre (München 1970) S. 142. 10 Karpenstein, a.a.O. S. 25, 77 f. I m Ergebnis widerspruchsvoll auf S. 106 f. 11 Kühn, a.a.O. S. 35 f.; Busse, Diss. S. 38 f. 12 Karpenstein, a.a.O. S. 26; Schiller, a.a.O. S. 15, 88 ff.; Draht, Wahlprüfungsrecht S. 1 f. 18 Vgl. BVerfGE 1 S. 433; 4 S. 371 f.; 22 S. 281; Koban, Diss. S. 113; Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 88 f.; Greeve, Diss. S. 93 f.; Karpenstein, Diss. S. 24; Schmidt Bleibtreu-Klein, Grundgesetz, Art. 41 Rdn. 1; Steinbömer, DVB1 1968 S. 273; Rietdorf, D V 1949 S. 668; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 6, 9; Hamann, Grundgesetz, Art. 41 Anm. B 1. 14 Zum bedingten Wert der historischen Auslegung in anderem Zusammenhang Lerche, Z Z P 78 (1965) S. 4. 15 Dazu unten i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt, § 6. B. 18 Das ist gerade i m Bund der Fall. 17 So irrig aber W. Schmitt, Diss. S. 29.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

er gewohnheitsrechtlich begründet 1 8 noch ohne weiteres aus dem Ziel und Zweck des Wahlprüfungsverfahrens begründbar 1 9 ; denn gerade dieses ist streitig und erst zu klären. — Zum anderen beruht die skizzierte Argumentation insofern auf einer petitio principii, als die Gesetze, die den Grundsatz von der Sitzbeeinflussung enthalten, zugleich Objekt verfassungsrechtlicher Erörterung sind 2 0 . Es ist aber gerade die Frage, ob der einfache Gesetzgeber die Wahlprüfung funktionell auf die Mandatserwerbsprüfung einengen darf 2 1 . c) Unzutreffend ist die Vorstellung, die Exklusivität der Wahlprüfungsfunktion ergebe sich aus ihrer Aufgabe, das objektive Wahlrecht zu wahren. Richtig ist allein, daß der Streit- und Entscheidungsgegenstand des Verfahrens nicht subjektiver, sondern objektiver Natur ist: es geht u m die Gültigkeit der Wahl. Diese hängt allerdings von der Einhaltung des objektiven Wahlrechts ab. Nicht aber folgt aus der These der objektiven Wahlrechtsgarantie die funktionelle Einengung der Wahlprüfung auf die Legitimationsprüfung. Genau umgekehrt verhält es sich: der Gedanke der Sanktionierung des objektiven Wahlrechts führt nicht zu einer Einengung, sondern zur Erweiterung der Verfahrensfunktion. Daß gleichwohl nicht schlichte Rechtswidrigkeit der Wahlvorgänge der Prüfungsmaßstab des Verfahrens ist, hat — wie gezeigt 22 — andere Gründe. Die gegenwärtige Lehre verkennt, daß einem objektiven Verfahren i n aller Regel ein objektivierter Streitgegenstand entsprechen w i r d 2 8 , nicht aber ein limitiertes oder qualifiziertes Prüfungsziel korrespondieren muß. d) Unschlüssig ist auch die Behauptung, die Sicherung des rechtmäßig zum Ausdruck gelangenden Volkswillens erfordere (!) die Restriktion der Verfahrensfunktion. Der Wille der Gesamtaktivbürgerschaft kommt schon dann rechtswidrig zustande, wenn auch nur eine erhebliche Norm auf dem Wege seiner Entstehung und/oder Auswertung mißachtet wird. Jeder Wahlbeteiligungsfehler und jede Rechtswidrigkeit bei der Er18 Die Äußerung W. Jellineks im HdbDStR I S. 630, er gelte als „allgemein anerkannter, nie angezweifelter Satz", ist unrichtig. Vgl. dazu die berechtigte Kritik bei Karpenstein, Diss. S. 48—51; Schiller, Diss. S. 79 f. sowie die Darlegungen von OVGE Münster 22 S. 32. 19 Dies räumt auch Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 28 (gegen Rdn. 6) ein. 20 Richtig Grawert, D Ö V 1968 S. 750. 21 Die h. M. verkennt auch an dieser Stelle, daß die Wahlprüfung Mandatserwerbsprüfung und Stimmergebnisprüfung sein kann, d. h. die rechtmäßige Volkswillensbildung möglicherweise nicht nur partiell, sondern voll und ganz zu schützen vermag. 22 Siehe oben im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 5. A. 28 Dazu Goessl, Organstreitigkeiten S. 175; Stephan, Rechtsschutzbedürfnis S. 94 f.

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mittlung des (Gesamt-) Stimmergebnisses läßt den Volkswillen normw i d r i g zum Ausdruck gelangen 24 . Und das nicht nur formallogisch 25 , sondern auch rechtlich 26 . Nicht nur das i n den Mandatsergebnissen, sondern auch das i n dem Zahlen werk rechtswidrige Wahlergebnis dokumentiert den Volkswillen gesetzwidrig. Die Wählerentscheidung ist nicht nur und erst dann rechtswidrig verlautbart, wenn sie m i t den festgestellten Höchstzahlen kollidiert, sondern auch schon dann, wenn sie von den festgestellten (Stimm-)Zahlen divergiert 2 7 . Dafür reicht bereits die Nichtzulassung eines Wahlberechtigten oder die Nicht- oder Fehlberücksichtigung eines Stimmzettels. Eine ganz andere Frage ist, ob jede Rechtswidrigkeit des Stimmergebnisses zur Aufhebung des Wahlakts m i t der Maßgabe seiner Wiederholung f ü h r t 2 8 . Das ist i m Einklang m i t der herrschenden Meinung zu verneinen. Die Kassation des Wahlakts ist „ u l t i m a ratio". Es besteht weder Raum noch Bedürfnis aufzuheben, wo rechnerisch verbessert, richtiggestellt werden kann 2 0 — wie es typisch bei Wahlbewertungsfehlern und/oder Auswertungsfehlern der Fall ist. Ebensowenig können individuelle Wahlbeteiligungsfehler die Aufhebung des Wahlakts zur Konsequenz haben, was sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 8 0 ergibt 8 1 . Nicht aber muß 24

Siehe oben Erster Teil, Erster Abschnitt § 4. C. So Karpenstein , Diss. S. 75. 26 Richtig Picenoni, Kassation S. 139, 144; VGH Kassel , Hess. Staatsanzeiger 1951 S. 601; Pr. OVG, Pr. VB1 52 (1931) S. 635 f. 27 Das verkennt Karpenstein , a.a.O. Die gesamte, dort ausgebreitete verfassungsrechtliche Untersuchung (S. 64—79, insbesondere S. 74,75,77, 78) ist ebenso beweislos wie überflüssig: weil nämlich von der Wahlprüfung als ausschließlicher Legitimationsprüfung ausgegangen wird (S. 22—27, typisch auch S. 76). Das aber ist gerade die Frage. Aus ihrer Beantwortung ergeben sich zwangsläufig Konsequenzen, ohne daß es dazu der Zuhilfenahme der dort angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen bedarf. Wohin die Argumentation von Karpenstein führt, beweist das von ihm gefundene Ergebnis (S. 74, 77 f.). Danach soll der Grundsatz von der Sitzbeeinflussung unter dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 (!) stehen. Wie wenig Karpenstein selbst von der Richtigkeit dieser Auffassung überzeugt ist, zeigen seine Ausführungen auf S. 106 f., die in glattem Widerspruch zu der auf S. 77 f. vertretenen These stehen. 28 § 44 BWahlG zwingt nicht zu dieser Annahme und spricht eben darum auch nicht gegen die Möglichkeit einer erweiterten Wahlprüfungsfunktion. Durch § 44 BWahlG wird weder der Streitgegenstand der Wahlprüfung kristallisiert noch ihr Entscheidungsrepertoire auf die Aufhebung des Wahlakts limitiert. 29 Dazu Draht , Wahlprüfungsrecht S. 28; Hatschek, Parlamentsrecht I S. 563; Karpenstein , Diss. S. 105; Seifert, BWahlG S. 339; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 27; Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht S. 466. 80 Hier verstanden als Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i m engeren Sinn. Dazu Gentz, N J W 1968 S. 1600 ff. 81 Die Kassation des Wahlakts hat nicht nur objektivrechtliche, sondern auch subjektivrechtliche, grundrechtliche Bedeutung — weil sie jeder indivi25

48

1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

das bedeuten, daß die Wahlprüfung auf solche Rechtswidrigkeiten überhaupt nicht reagieren kann — w e i l eine rechnerische Verbesserung des Gesamtstimmergebnisses allerdings ausgeschlossen erscheint. Denn A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 hat m i t dem Begriff „Wahlprüfung" zwar den Entsctieidungsgegenstand, nicht aber den Entscheidungsausspruch abschließend festgelegt 32 . Ergo ist es durchaus möglich und denkbar, daß die Wahlprüfung auch auf Wahlbeteiligungsfehler reagiert — nämlich durch deren Feststellung. e) Mißverständlich 3 8 und unbewiesen ist die Behauptung, „ W a h l " i m Sinne der Wahlprüfung sei nicht der Wahlakt, sondern die Wahlberufung. Bei näherem Zusehen kaschiert diese Stellungnahme eine Spaltung der gegenwärtigen Lehre i n zwei verschiedene Tendenzen. Da weder diese selbst, noch die Tatsache der Spaltung hinreichend bewußt geworden sind, müssen dazu einige Bemerkungen gemacht werden. Die erste dieser Tendenzen darf als die absolut vorherrschende bezeichnet werden. Danach ist die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung an die Struktur der Wahl „angeseilt"; diese Struktur w i r d mehr oder weniger unausgesprochen ebenso eigen wie eigengesetzlich empfunden. „Wahl" ist danach das Wahlprodukt 3 4 , der Mandatserwerb — i n toto: die Parlamentszusammensetzung. A l l e i n das personelle Wahlergebnis erscheint dieser Auffassung essentiell; der gesamte Erwerbsentstehungstatbestand als accidentiell. Der Wahlvorgang selbst einschließlich der staatlichen Leitungsbefugnisse hat bloß untergeordnete Bedeutung. Die Wahl ist danach keine Mehrheit von selbständigen Akten, sondern das Ergebnis einer Reihe bloßer Aktelemente 8 5 , deren Bedeutung sich darin duellen Wahlrechtsausübung die Wirkung entzieht. Für die Anwendung des Proportionalitätsgrundsatzes deshalb schon Hatschek, Verwaltungsrecht S. 107. I m Ergebnis ebenso Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 25 ff. Ferner in anderem Zusammenhang Olschewski, JR 1970 S. 317 f. 32 Beide können, müssen aber nicht übereinstimmen. Dazu Goessl, Organstreitigkeiten S. 197. Vgl. ferner § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wo zwar der Entscheidungsausspruch, nicht aber der volle Streit- und Entscheidungsgegenstand fixiert ist — arg. Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VwGO. 38 Die Auffassung ist deshalb mißverständlich, weil man unter der Ruprik „Aufgabe" oder „Gegenstand" der Wahlprüfung die Fragen nach dem Objekt und nach dem Ziel der Prüfung unterschiedslos miteinander vermengt. Daraus resultieren Irrtümer. So ist die Kontroverse zwischen Seifert, D Ö V 1967 S. 235; Seifert-Geeb^Steiniger, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 21 S. 146 auf der einen und dem BVerfG auf der anderen Seite sub specie Prüfungsgegenstand ein Scheingefecht. Denn auch BVerfGE 4 S. 371 f. kann und w i l l nicht leugnen, daß die Wahlprüfungsorgane den gesamten Wahlablauf zum Gegenstand ihrer Prüfung nehmen (müssen). 34 Typisch etwa Draht, Wahlprüfungsrecht S. 2; Schiller, Diss. S. 55; BVerfGE 4 S. 372 f.; Nass, Wahlorgane S. 117, 119; Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 35, 36; Karpenstein, Diss. S. 25; VGH Kassel, ESVGHE 7 S. 77. 35 Vgl. Lemke, Diss. S. 46.

§ .

lige Bestimmung der Verfahrensfunktion

49

erschöpft, notwendige „conditiones iuris" des Resultats zu sein 88 . Der solchermaßen empfundenen Struktur der Wahl w i r d die Verfahrensfunktion angepaßt. Die andere Strömung der gegenwärtigen Lehre qualifiziert die Wahl als Wahlvorgang 97: mehr tatsächlich gegeben, denn rechtlich strukturiert. Sie hält den Wahlakt für wesentlich. A r t . 41 spreche nicht von der Legitimations- oder Mandatserwerbsprüfung, sondern von der WahlPrüfung. Daraus (!) ergebe sich, daß A r t . 41 nicht nur den gesetzmäßigen Bestand des Parlaments, vielmehr auch die Rechtmäßigkeit des Stimmergebnisses garantiere 88 . Die hier offenbar werdende Spaltung der gegenwärtigen Lehre hat ihren Grund i n der Verquickung von Verfahrensgegenstand und Verfährensfunktion. Auch die Legitimationsprüfung ist Wahlaktprüfung 8 ® — aber eine i m Prüfungsmaßstab beschränkte. Einem umfassenden Prüfungsgegenstand muß nicht, kann aber ein eingeschränktes Prüfungsziel korrespondieren 40 . Die Verkennung dieser Unterschiede führt zu Mißverständnissen innerhalb der gegenwärtigen Lehre. f) Schließlich läßt sich die These von der Irrelevanz schlichter Stimmrechtswidrigkeiten auch nicht m i t dem immer wieder vorgetragenen Argument von dem ausschließlich objektiven Verfahrenscharakter der Wahlprüfung belegen: wenn es seinerseits m i t der i n diesen Fällen fehlenden Beeinflussung der Mandatsverteilung begründet wird. Einmal beruht diese Auffassung auf einer petitio principii, wenn sie von der Wahlprüfung als ausschließlicher Mandatserwerbsprüfung ausgeht. Denn gerade das ist das thema probandum. — Zum anderen ist es irrig, aus der Notwendigkeit der Sitzbeeinflussung den objektiven Verfahrenscharakter zu entnehmen. Denn auch subjektive Rechtsschutzverfahren sind und bleiben erfolglos, wenn es an der Kausalität zwischen der objektiven Rechtswidrigkeit des angefochtenen Aktes und der 88

184 f.

Vgl. BayVGHE

87

n. F. 6 (1953) I S. 119; 15 (1962) I S. 20; 17 (1964) I S.

Vgl. Seifert , D Ö V 1967 S. 235; BWahlG S. 61, 319; Nawiasky-LeusserSchweiger-Zackier , Verfassung Art. 33 Rdn. 3; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 5; WPrüfG Ltag Rheinland-Pfalz , AS 10 S. 226; GellerKleinrahm-Fleck, Verfassung Art. 33 Bern. 2; Maunz, Staatsrecht S. 332. 88 So Seifert , D Ö V 1967 S. 235; BWahlG S. 61 f., 319 f., 340 f. mit inkonsequenter Beschränkung auf die Stimmergebnisberiditigungsprüfung. Ebenso wohl Maurer , Die Bundestagswahl S. 11. 89 Denn sie nimmt die Grundlage der Legitimation, den Wahlakt zum Gegenstand ihrer Prüfung — weil (nur) dieser den Mandatserwerb bestätigen oder versagen kann. 40 Verkannt von Karpenstein , Diss. S. 22. Erkannt von Matmz-Dürig-Herzog, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 6; Geller-Kleinrahm-Fleck, Verfassung Art. 33 Bern. 2. 4 Olschewski

50

1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

Hechtsverletzung des Anfechtenden fehlt — arg. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Selbst objektive Wahlrechtswidrigkeiten bleiben solange unberücksichtigt, als sie nicht i n der Rechtswidrigkeit der Mandatsergebnisse ihren Ausdruck finden. Ergo müßte die Wahlprüfung i m Sinne der Logik der herrschenden Meinung gerade nicht den Schutz des objektiven Rechts zum Gegenstand haben 4 1 ! g) Ebenso unzutreffend, w e i l allzu begrifflich und undifferenziert, ist der Schluß vom objektiven Zweck der Wahlprüfung auf das Fehlen jeder subjektiven Zielsetzung. Nicht w e i l ein Verfahren objektiver Natur ist, ist es auch ausschließlich objektiver Natur. So wenig objektives und subjektives Recht kontradiktorische Gegensätze sind 4 2 , so wenig schließen sich objektive und subjektive Verfahrensziele, Rechtskontrolle und Rechtsschutz notwendig aus 48 . Da nämlich alle subjektiven Rechte ihren Ursprung i m objektiven Recht finden, bedeutet i h r Schutz zwangsläufig auch die Durchsetzung des objektiven Rechts, wie umgekehrt das am objektiven Recht orientierte Verfahren meist auch den Schutz subjektiver Rechte bewirkt. Objektives und subjektives Verfahren sind i m Hinblick auf das materielle Resultat der Schutztätigkeit nicht zu trennen. A l l e i n i m Gegenstand und der A r t der Wahrung des objektiven oder subjektiven Rechts bestehen Unterschiede. Das subjektive Verfahren ist an der konkreten Berechtigung, ihrer Verteidigung und Geltendmachung orientiert; das objektive Verfahren ausschließlich an der Wahrung des objektiven Rechts interessiert. I n subjektiven Verfahren w i r d objektives Recht nur mittelbar überprüft, wie umgekehrt objektive Verfahren nur mittelbar über subjektive Rechte befinden. Ob aber das Wahlprüfungsverfahren i m dargestellten Sinn ausschließlich objektiven Rechtsschutz bezweckt oder vielmehr zwischen den genannten Grundformen steht 4 4 , w i r d noch zu klären sein. 41 Darauf macht zutreffend Schumann, Verfassungsbeschwerde S. 57 aufmerksam. 42 Dazu: Bettermann, AöR 86 (1961) S. 143; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht (1961) S. 263 f., 321; W D S t R L 21 (1964) S. 67 F N 7; Z Z P 78 (1965) S. 10 u. F N 18; G. Jellinek, System S. 162, 168; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem (München 1967) S. 196. 43 Richtig W. Jellinek, W D S t R L 2 (1925) S. 37 f.; Verwaltungsrecht S. 305; G. Jellinek, Staatslehre S. 791; Menger, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 730; Goessl, Organstreitigkeiten S. 173, 183; Babel, Normenkontrolle S. 11, 27; Schumann, a.a.O. S. 57, 58 F N 14; Renck, Untersuchungen zur Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiete des Normenkontrollrechts nach dem Grundgesetz (Diss. Tübingen 1964) S. 12; Seifert, D Ö V 1967 S. 236; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre (Tübingen 1965) S. 174 F N 220; Renck, D Ö V 1964 S. 657; Bachof, D Ö V 1964, S. 11; Grawert, D Ö V 1968, S. 755 F N 75; Schefold, in: Evangelisches Staatslexikon, Stichwort „Verfassungsgerichtsbarkeit" Sp. 2362 f.; Bettermann, in: Festschrift Schima S. 74. 44 So Schefold, in: Evangelisches Staatslexikon, Stichwort „Verfassungs-

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

51

I I . Landesrechtliche Regelungen Ist die gegenwärtige Lehre also nicht i n der Lage, den von ihr behaupteten ausschließlichen Verfahrenszweck der Wahlprüfung zu belegen, so zeigt sich bei näherem Zusehen, daß auch der Landesgesetzgeber die Wahlprüfung nicht allein als Mandatserwerbsprüfung konzipiert hat. So entscheidet das Hessische Wahlprüfungsgericht u. a. „über die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer bestimmten Anzahl von Stimmzetteln" 4 5 . Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Stimmzettel ist Haupt-, nicht Vorfrage; darüber w i r d prinzipaliter, nicht inzidenter entschieden. Stimmzettel werden für gültig oder ungültig befunden, unabhängig davon, ob infolge ihrer Ungültigkeit die Parlamentszusammensetzung rechtswidrig ist. Die Hechtswidrigkeit eines oder mehrerer Mandate ist fakultative Folge, nicht obligatorische Voraussetzung der Entscheidung 4 6 . Die Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines jeden Stimmzettels w i r d garantiert; nicht dagegen das Entscheidungsrecht auf die Gültigkeit oder Ungültigkeit mandatserheblicher Stimmzettel limitiert. Schon Stimmrechtswidrigkeit, nicht erst Mandatsrechtswidrigkeit ist Prüfungsmaßstab 47 . Auch der Landtag von Niedersachsen entscheidet prinzipaliter über die Gültigkeit jedweder Anzahl von Stimmzetteln — ohne Rücksicht auf die Mandatserheblichkeit. Auch bei schlichter Stimmrechtswidrigkeit w i r d das Wahlergebnis berichtigt 4 8 . Richtiger Ansicht nach befindet auch der Landtag von NordrheinWestfalen prinzipaliter über die Gültigkeit der Stimmzettel 4 9 . Ebenso gerichtsbarkeit" Sp. 2362 f. Vgl. auch Suttner, Diss. S. 213, dessen Darsteüung allerdings zumindest schief ist. 45 § 15 Abs. 1 lit. b) LWPrüfG Hessen. 46 Das folgt aus § 15 Abs. 2 LWPrüfG Hessen, der bestimmt: „Falls das Wahlprüfungsgericht gemäß (1) b) eine bestimmte Anzahl von Stimmzetteln für ungültig erklärt, hat es gleichzeitig die Wahl oder Wahlen, die durch die Ungültigerklärung beeinflußt werden, für ungültig zu erklären." 47 Ebenso VGH Kassel , Hess. Staatsanzeiger 1951 S. 601; E S V G H E 7 S. 78; Seifert , BWahlG (1957) S. 325 u. F N 1; D Ö V 1967 S. 235 f. u. F N 21. Das Problem wird nicht gesehen von W. Schmitt, Diss. S. 41. Art. 78 Abs. 2 Verfassimg Hessen steht der im Text geäußerten Auffassung nicht entgegen. Die Norm lautet: „Im Falle der Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl machen eine Wahl ungültig: Unregelmäßigkeiten i m Wahlverfahren und strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen". Die Vorschrift garantiert die Aufhebung des Wahlakts (mit der Maßgabe seiner Wiederholung) beim Vorliegen mandatserheblicher, qualifizierter Ungültigkeitsgründe; nicht aber limitiert sie die Verfahrensfunktion auf diese Aufhebungsprüfung. 48 §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 2 Satz 1 LWPrüfG Niedersachsen. 49 Vgl. die Regelung der §§ 5 Ziffer 2; 7 Abs. 1 Ziffer 2 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Ziffer 2 Satz 2 scheint —



52

1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

w i r d — w i e i n B e r l i n 5 0 — j e d e m N u m e r a t i o n s f e h l e r nachgegangen u n d das W a h l e r g e b n i s i n s o w e i t

richtiggestellt51.

Schließlich b e w e i s e n d i e l a n d e s r e c h t l i c h e n H e g e l u n g e n i n N i e d e r sachsen 5 2 , R h e i n l a n d - P f a l z 5 3 u n d S c h l e s w i g - H o l s t e i n 5 4 , daß d i e W a h l p r ü f u n g nicht n u r mandatsunerhebliche Wahlbewertungs- und/oder A u s w e r t u n g s f e h l e r z u m G e g e n s t a n d h a t , s o n d e r n auch ü b e r schlichte Wahlbeteiligungsfehler i n F o r m selbständiger Feststellungsentscheidungen prinzipaliter befindet 55. B. Problemlösung: Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 G G D i e Ü b e r p r ü f u n g d e r g e g e n w ä r t i g e n , v o n d e r Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts m a ß g e b l i c h b e e i n f l u ß t e n L e h r e z u m V e r f a h renszweck d e r W a h l p r ü f u n g h a t folgendes ergeben: S o w e i t sie eine Aussage z u r g e m e i n d e u t s c h e n W a h l p r ü f u n g t r i f f t , i s t sie p o s i t i v r e c h t l i c h u n r i c h t i g , z u m i n d e s t aber e r l ä u t e r u n g s b e d ü r f tig50. prima vista — gegenüber der des § 5 Ziffer 2, Halbsatz 2 widerspruchsvoll. Daraus ergeben sich Auslegungsschwierigkeiten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. I m Ergebnis wie hier Seifert, D Ö V 1967 S. 235 u. F N 21; Karpenstein, Diss. S. 106 f. (gegen S. 74, 77 f.); wohl auch Hansjörg Loschelder, Diss. S. 36. A. A. offenbar Geller-Kleinrahm-Fleck, Verfassung Art. 33 Anm. 2 u. F N 5; Bettermann, AöR 86 (1961) S. 144 und Goessl, Organstreitigkeiten S. 110 F N 450, die beide die Regelung des § 7 Abs. 1 Ziffer 2, Halbsatz 2 außer Acht lassen. Demgegenüber ist die Regelung der §§ 3 Abs. 2 lit. c), 6 Abs. 1 lit. c) LWPrüfG Berlin eindeutig vom Grundsatz der Sitzbeeinflussung beherrscht. Richtig Bettermann, a.a.O. Irrig außer Karpenstein, Diss. S. 106 u. F N 19, 23, S. 107 offenbar auch Seifert, D Ö V 1967 S. 235 u. F N 21. 50 Vgl. §§ 3 Abs. 2 lit. b); 6 Abs. 1 lit. b) LWPrüfG Berlin. 51 Vgl. §§ 5 Ziffer 1, 7 Abs. 1 Ziffer 1 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen. I n der Sache wie hier Schiller, Diss. S. 90; Hansjörg Loschelder, a.a.O.; Karpenstein, a.a.O. 62 §§ 8 Abs. 1 Satz 3; 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 LWPrüfG. 63 §§ 51; 8 Abs. 3 LWahlG. 54 § 37 Abs. 2 LWahlG, der offenbar auf eine Anregung von Rietdorf, D V 1949 S. 670 F N 20 zurückzuführen ist. Entgegen Nass, Wahlorgane S. 222 handelt es sich hierbei nicht um „glückliche" Regelungen. Jedenfalls werden sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 nicht gerecht. Dazu unten i m Text Zweiter Teil § 11. B. I I . 65 Über die Bedeutung dieser Vorschriften für die Bundeswahlprüfung ist damit nichts gesagt. Es ging allein um die Aufzeigung der wahlprüfungsrechtlichen Möglichkeiten. Sie sind der h. M. bislang allzuwenig bewußt geworden. Darin besteht die auffallendste Eigenart des gegenwärtigen Diskussionsstandes. I n diese Richtung zielen auch die Ausführungen von OVGE Münster, 22 S. 30 f. 66 Richtig ist die Formel nur dann, wenn man die dargestellten landesrechtlichen Regelungen als „Fremdkörper" innerhalb der Wahlprüfung begreifen will.

§ .

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Sofern sie sich auf das Verständnis der Bundeswahlprüfung beschränkt, beruht sie einerseits auf einer unschlüssigen Beweisführung. Andererseits steht der These expressis verbis keine bundesgesetzliche Norm entgegen. Ob die gegenwärtige Lehre i m Ergebnis zu Hecht die Mandatserwerbsprüfung als ausschließlichen Zweck der Wahlprüfung qualifiziert, können nur A r t . 41 und seine Auslegung beantworten. Diese Aufgabe, der sich die herrschende Auffassung entzieht, w i r d nachfolgend i n Angriff genommen. I. Begriffliches

Verständnis der Wahlprüfung

Das grammatikalische Verständnis der Wahlprüfung spitzt sich i n diesem Zusammenhang auf zwei Gegensatzpaare zu: Wahlrechtmäßigkeitsprüfung gegen Wahlgültigkeitsprüfung und Legitimationsprüfung contra Wahlprüfung. Beide Überlegungen führen über ein „non liquet" nicht hinaus. 1. Wahlrechtmäßigkeitsprüfung gegen Wahlgültigkeitsprüfung Die Wahlprüfung befaßt sich — wie gezeigt 57 — m i t solchen Rechtswidrigkeiten des Wahlvorganges, die den Wahlakt rechtswidrig beeinflussen, also die Volkswillensbildung gesetzwidrig zum Ausdruck gelangen lassen. Ergo — so könnte man meinen — müsse die Wahlprüfung auch Stimmergebnisprüfung sein: w e i l auch schlichte Wahlbeteiligungsfehler und/oder Wahlbewertungs- bzw. 'Wahlauswertungsfehler den Wahlakt normwidrig beeinflussen 58 . Indessen ist dieser Schluß nicht zwingend. Richtig ist allein, daß i m Bereich der Wahlprüfung — wie auch regelmäßig 59 sonst — Ungültigkeit Rechtswidrigkeit voraussetzt — arg. § 78 Abs. 1 BWahlO. Ebenso bezeichnet Gültigkeit immer (auch) die Folge von Rechtmäßigkeit. Nicht dagegen läßt sich der Satz einfach umkehren: w e i l ein Rechtsakt rechtswidrig ist, ist er auch ungültig 8 0 . Vielmehr kann 6 1 bei und trotz Rechtswidrigkeit Gültigkeit die Folge 57

Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 5. A. Siehe oben im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 4. C. u. § 6. A. I. 59 Es gibt auch Ungültigkeit ohne Rechtswidrigkeit: nämlich in den Fällen des Mangels am Tatbestand, also bei fehlenden Beurkundungen, Genehmigungen, Bedingungseintritten, Zustimmungen Dritter etc. So ist die Beurkundung nach § 313 Satz 1 BGB keine Pflicht, sondern eine Last. Ihre Außerachtlassung führt zur Ungültigkeit oder Unwirksamkeit, nicht aber zur Rechtswidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Ebenso für das öffentliche Recht H.-J. Wolff f Verwaltungsrecht I S. 329. 60 Der rechtswidrige Verwaltungsakt ist regelmäßig wirksam, gültig. 61 Verfassungsverstöße bei der Gesetzgebung führen nach h. M. zur U n gültigkeit des Gesetzes. Hierzu statt aller Bettermann , Z Z P 72 (1959) S. 4 0 1 ; 58

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

sein — arg. § 22 d GVG. Ebenso kann, muß es sich aber nicht bei der Wahlprüfung verhalten. Entscheidend ist, i n welchem Umfang die Wahlprüfung der rechtmäßigen Volkswillensbildung zum Durchbruch verh i l f t : ob sie nur auf mandatserhebliche oder auch schon auf schlichte Stimmrechtswidrigkeiten reagiert. 2. Wahlprüfung gegen Legitimationsprüfung Darauf gibt das Verständnis der Wahlprüfung als Wahlergebnisprüfung keine verläßliche Auskunft® 2 . Einmal ist der Begriff „Wahlergebnis" sowohl i m allgemeinen 83 wie i m juristischen Sprachgebrauch 84 doppeldeutig. Zum anderen verwendet i h n auch der Gesetzgeber unterschiedlich. Er kann reines Stimmergebnis 8 5 , bloßes Mandatsergebnis 88 und schließlich auch beides zugleich 87 bezeichnen. Z u m anderen ist die Argumentation aus dem Wortlaut Wahlprüfung contra Legitimationsprüfung 88 weder historisch 89 noch sonst beweiskräftig. Richtig ist allein, daß Wahl-Prüfung ein „aliud" gegenüber unmittel-

Festschrift Fragistas S. 55 f. A. A. Christoph Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze (Berlin 1966) S. 44 f., 62 f. mit Nachweisen pro et contra. 81 Das wird zumeist übersehen. 88 Er kann einmal das Ergebnis des Wahlakts (Stimmergebnis), zum anderen das Produkt der Wahlen insgesamt bezeichnen (Mandatsergebnis). 84 Dazu Draht, Wahlprüfungsrecht S. 2, 4; Schiller, Diss. S. 36, 72 ff.; Jülich, D Ö V 1969 S. 94; Nass, Wahlorgane S. 117; Karpenstein, Diss. S. 27. Wahlergebnis steht für Mandatsergebnis bei Bettermann, AöR 86 (1961) S. 144; Goessl, Organstreitigkeiten S. 110; Linck, D Ö V 1970 S. 127; BayVGHE n. F. 2 (1949) I S. 81; 6 (1953) I S. 104; 7 (1954) I S. 100; VGH Kassel, ESVGHE 7 S. 77; W. Jellinek, AöR n. F. 15 (1928) S. 125. Demgegenüber verstehen BVerfGE 4 S. 371 f. und Pr. OVG, Pr. VB1 52 (1931) S. 636 unter dem Wahlergebnis das Stimmergebnis und konfrontieren dieses mit der Mandatsverteilung. 85 Vgl. Art. 43 Abs. 1, 2 LWahlG Baden-Württemberg; Art. 31 Abs. 2, 3 LWahlG Bremen; Art. 51 Abs. 1 LWahlG Bayern; §§ 34 Abs. 1, 36 LWahlG Hessen; § 38 LWahlG Rheinland-Pfalz; § 47 Abs. 1, 2 LWahlG Saarland. 88 So in § 5 Nr. 6 LWahlG Nordrhein-Westfalen. Irrig Rietdorf, § 5 Anm. 8.

LWahlG

• 7 Vgl. §§ 5 Ziffer 1; 7 Abs. 1 Ziffer 1 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen. So Seifert, BWahlG S. 62, 319 f.; D Ö V 1967 S. 2351; Greeve, Diss. S. 30, 78. Vgl. auch Achterberg, Probleme der Funktionenlehre (München 1970) S. 142 in anderem Zusammenhang. 88

89 Beide Begriffe wurden vom Gesetzgeber und von der Literatur zumeist unterschiedslos verwandt. Hierzu Kühn, Formen des Rechtsschutzes, S. 34 F N 5; Coester, Rechtskraft S. 349; v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T I S. 143; Leser, Diss. S. 8; Grotefend, Staatsrecht S. 597 F N 1.

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barer Mandatsprüfung ist. Das eine ist Vorgangsprüfung 70 , das andere Statusprüfung 71 . Unrichtig ist dagegen, die Wahlprüfung funktionell m i t der Mandatserwerbsprüfung zu konfrontieren — jedenfalls besteht kein zwingender Gegensatz. Denn Mandatserwerbsprüfung ist Prüfung der „ W a h l der Mitglieder". Gerade funktionell gesehen aber kann auch die Wahl-Prüfung nichts mehr und nichts weniger sein als materielle Legitimationsprüfung. Denn auch diese prüft und entscheidet über die „Wahl" i n ihrer Gesamtheit — wenn auch nur zum Zwecke der Hechtmäßigkeitsfeststellung der Mandate 7 2 . Mehr läßt sich dem Terminus „Wahl" nicht entlocken. Jede andere Behauptung enthält ungetrennt eine Aussage über zwei Fragen, die — wie bereits hervorgehoben 78 — auseinandergehalten werden müssen: Prüfungsgegenstand und Prüfungsziel. Dem weitestmöglichen Prüfungsgegenstand muß nicht, kann aber das engstmögliche Prüfungsziel korrespondieren.

IL Logisches Verständnis der Wahlprüfung Auch das logische Verständnis der Wahlprüfung zwingt nicht i n die eine oder andere Richtung. Zwar mag es richtig sein, daß dem Wahlprozeß insgesamt von Anfang an die bestimmte Zielsetzung zukommt, die Mandate zu verteilen, i n toto: das Staatsorgan Parlament personell zu konstituieren. Keineswegs aber ist es richtig, deshalb die Wahlprüfung funktionell auf die Mandatserwerbsprüfung zu limitieren — wie es weit verbreiteter Auffassung entspricht 74 . M i t solcher formalen Logik läßt sich der Zweck der Wahlprüfung nicht abschließend fixieren 7 5 . Einmal ist die Wahl nicht nur Organbildungsmittel, sondern auch Ausdruck und Betätigung subjektiver Wahlrechte — also nicht nur ein durchstrukturierter Kreationsakt, sondern auch Erscheinungsform und Produkt individueller Rechtsausübung 70 . Hier liegen die Unterschiede zwischen Wahlverfahren und prozessualem Verfahren. Deshalb läßt sich 70

Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 3. A. So auch Nds. StGH, OVGE Lüneburg und Münster 14 S. 511. Dazu im einzelnen auch unten i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 2. 78 Vgl. dazu bei Franz, Staatsverfassungen S. 384 den gut formulierten Art. 8 der Französischen Verfassung v. 13. 10. 1946: „Chacune des deux Chambres est juge de l'égibilité de ses membres et de la régularité de leur élection; elle peut seule recevoir leur démission." I n der Sache ebenso schon Art. 10 der Französischen Verfassung vom 16. 7. 1875. Dagegen enthält die heute in Frankreich geltende Verfassungsurkunde vom 28. 9. 1958 keine parlamentarische Wahlprüfung. 78 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 3.; § 4. sowie § 6. A. I. Irrig Greeve, a.a.O. S. 30. 74 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. A. I. u. F N 34. 75 Darauf macht auch zutreffend Seifert, D Ö V 1967 S. 236 aufmerksam. 76 So schon Hatschek, Parlamentsrecht I S. 349. 71

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auch der die Revision beherrschende Grundsatz von der Ergebniskausalität nicht unbesehen übernehmen und als striktes K r i t e r i u m jeder wahlprüfungsrechtlichen Sanktion behaupten. Zum anderen stimmt vor allem die Gleichung nicht: Aktzweck gleich Verfahrenszweck 77 . Denn der Gesetzgeber ist bei der Bestimmung der Verfahrensfunktion grundsätzlich frei. Jedenfalls ist er nicht an die innere Struktur mehrgliedrig gestreckter Prüfungsgegenstände gebunden — eine These, die das landesrechtliche Bestehen vorbeugender Kontrollverfahren gegenüber (unselbständigen) Normenbestandteilen hinreichend belegt 7 8 . Hier w i r d trotz bestehender Finalität des gesamten, mehrphasigen Gesetzgebungsvorgangs 79 gleichwohl unter Umständen nur über die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit von Inzidentvorgängen desselben prinzipaliter entschieden. Ebenso kann, muß es sich aber nicht bei der Wahlprüfung verhalten. III. Historisches Verständnis der Wahlprüfung Können weder philologische noch rechtslogische Erwägungen den Verfahrenszweck der Wahlprüfung nach A r t . 41 abschließend fixieren, so bleibt zu untersuchen, ob das historische Verständnis der Wahlprüfung die von der gegenwärtigen Lehre behauptete Exklusivfunktion der Wahlprüfung zu belegen vermag. 1. Vom Ständestaat zur Bismarck-Verfassung Der historische Ursprung der Wahlprüfung und ihre Entwicklung bis zur Bismarck-Verfassung zeigen kontinuierlich i n die Richtung der Legitimationsprüfung: sie verdeutlichen die strikt auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Mandatserwerbs zugeschnittene Verfahrensfunktion. a) Wahlprüfung als Legitimationsprüfung Die moderne Wahlprüfung hat ihre Wurzel i n dem Ständestaat des alten Deutschen Reiches 80 . Der Reichstag war keine Vertretung des 77

Das hat BVerfGE 1 S. 400—410 implicite anerkannt. Vgl. Art. 130 Abs. 1 Verfassung Rheinland-Pfalz (Gesetzesvorlage). 79 Das Gesetzgebungsverfahren hat— ebenso wie das Wahlverfahren — a limine eine bestimmte Zielsetzung: es tendiert auf Schaffung einer verkündeten, d. h. anwendungsfähigen Norm. 80 Zur Wahlprüfung i m Ständestaat vgl. Hatschek, Parlamentsrecht I S. 395 f.; Braunias, Parlamentarische Wahlrecht I I S. 294; G. Jellinek, in: Vhdlg. 19. D J T I I S. 127; Greeve, Diss. S. 13 f.; Schiller, Diss. S. 1; Seifert, BWahlG S. 62; D Ö V 1967 S. 235; Juhle, Diss. S. 141; Draht, W D S t R l 9 78

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Volkes, sondern der Stände, die ihre Deputierten entsandten. Es erschien dem ständischen Staat als selbstverständlich, die Legitimation 8 1 der einzelnen Mitglieder zueinander 82 wie gegenüber dem „corpus" zu prüfen, i n welchem die Gesandten Sitz und Stimme beanspruchten. Jeder, der kraft verliehenen Mandats als Stellvertreter 8 8 auf dem Ständetag erschien, mußte seine Vertretungsbefugnis darlegen, seine Vollmachtsurkunde zur Ausweisung und Prüfung offenlegen. Der Ständestaat kannte nur die personell orientierte Legitimationsprüfung. Sie erfolgte durch die landesherrlichen Behörden 84 oder die Stände 85 . Diesen personell orientierten Verfahrenscharakter hat die Wahlprüfung über die Französische Revolution und den Deutschen Frühkonstitutionalismus i n Süd- und Mitteldeutschland (Periode bis 1848) beibehalten. Die Einflüsse aus Frankreich führten sogar zu einer Verfestigung parlamentarischer Legitimationsprüfung. Dort hatte die Selbstkonstituierung des „tiers état" als „assemblée nationale" die landesherrliche Prüfungszuständigkeit beseitigt. Fortan war das Recht der Vertretungskörperschaften anerkannt, selbst und allein darüber zu entscheiden, wer ihnen angehörte und Sitz und Stimme bei ihnen besaß 86 . Dieser Entwicklung trug § 112 der Paulskirchenverfassung 87 zum ersten M a l Rechnung: „Jedes Haus prüft die Vollmachten seiner Mitglieder und entscheidet über die Zulassung derselben." Ebenso bestimmte A r t . 27 der Bismarck-Verfassung, der wörtlich aus der Verfassung des Norddeutschen Bundes rezipiert wurde 8 8 : „Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber." Auch hier wurde über den personellen Mandatserwerb des Mandatars entschieden 89 . (1952) S. 42; Leser, Diss. S. 5 ff; Gönner, Teutsches Staatsrecht (1804) § 173, S. 246—250; Moser's, Teutsches Nachbarliches Staatsrecht (1773) S. 673 f. 81 Zum Begriff der Legitimation Rocke, Die Legitimation zur Anfechtung von Verwaltungsakten (Zürich 1968) S. 9 f. 82 Hier hat offenbar das Denken der privilegierten Stände (Klerus, Adel) gewirkt. 88 Der Begriff „Vertreter" in Art. 38 Abs. 1 Satz 2, 1. HS steht im Widerspruch zur Aussage des Halbsatzes 2 — arg. § 166 Abs. 2 BGB. 84 D. h. durch den die Stände einberufenden Landesherrn. Dazu Moser's a.a.O. 85 Entweder durch den ständischen Vorstand, den permanenten ständischen Ausschuß oder durch die Stände selbst. Hierzu v. Mohl, ZStW Bd. 4 (1847) S. 524; Liedtke, JW 1909 S. 40; G. Jellinek, a.a.O. 88 Dazu Braunias, a.a.O. S. 285; Wiesmann, AöR 29 (1912) S. 123; Schiller, Diss. S. 2 f.; Busse, Diss. S. 17 f.; Seifert, D Ö V 1967 S. 231; Kluge, Diss. S. 48; G. Jellinek, a.a.O.; Leser, Diss. S. 35 f. 87 Nachzulesen bei Franz, Staatsverfassungen S. 156. 88 Zum Art. 27 der Bundesverfassung vgl. E. R. Huber, Dokumente I I S. 231. 89 Laband, Staatsrecht I S. 313; Meyer-Anschütz, Staatsrecht S. 346 f., 512. Es konnte allerdings nur kassiert, nicht reformiert werden — arg. „seiner

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG b) Wahlprüfung gegen Legitimationsprüfung

Gelegentlich w i r d i n der Literatur behauptet, der Funktionsbereich der Wahlprüfung habe sich i m Laufe der geschichtlichen Entwicklung auf die Stimmergebnisprüfung verlagert: w e i l das Verfahren nicht mehr nur Legitimationsprüfung, sondern auch Wahlprüfung sei. Der Gesamtwahlvorgang sei nicht mehr nur i m Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Mandatserwerbe, sondern auch schon i m Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit des Wahlakts zu überprüfen 9 0 . Diese Behauptung ist historisch nicht gerechtfertigt. Richtig ist zwar, daß die Wahlprüfung zu Beginn der Mitte des 19. Jahrhunderts einem Verständniswandel unterworfen war — indessen i n ganz anderer Richtung, als es die skizzierte Auffassung annehmen möchte. A l l e i n der Prüfungsgegenstand veränderte sich, nicht das Prüfungsziel. I m Ständestaat erschöpfte sich die Wahlprüfungsfunktion i n einer bloß formell verifizierenden Tätigkeit 9 1 . Es erging ein Bestätigungsakt, der bescheinigte, daß sich der Gesandte durch ein echtes, von den zuständigen Organen ausgestelltes Wahlzertifikat 9 2 ausgewiesen hatte. Der Prüfungsstoff bestand i n der bloß „äußeren Gültigkeit" der Wahlvollmachtsurkunde 98 . Nicht dagegen wurde die dahinter liegende materielle Berechtigung überprüft. Der Sache nach handelte es sich u m den gleichen formellen Legitimationsnachweis, wie er heute noch i m zwischenstaatlichen Verkehr anzutreffen ist 9 4 . Hier müssen die diplomatischen Vertreter ihre Beglaubigungsschreiben dem Staatsoberhaupt zur Einsichtnahme vorlegen 95 . Ähnlich war das ständische Wahlprüfungsverfahren ein bloß formelles Legitimationsverfahren. Prüfungsziel war allein die Feststellung, daß sich das Mitglied des Ständetags an Hand seines Wahlzertifikats als der durch den ständischen Proklamationsakt für gewählt Erklärte ausweisen konnte. Zu diesem Zweck wurde die äußere Gültigkeit der Vollmachtsurkunde überprüft. Nicht dagegen Mitglieder". Der Reichstag durfte also nicht über Art. 27 der BismarckVerfassung den materiell gewählten, aber nicht für gewählt erklärten Wahlbewerber in das Parlament berufen. Vielmehr war und blieb das die Aufgabe der zuständigen Wahlorgane. Hierzu Leser, Diss. S. 17 ff. Nach geltendem Recht hat der Bundestag auch die Reformationsbefugnis — arg. § 1 Abs. 2 BWPrüfG. 90 So Seifert, BWahlG S. 62, 341; D Ö V 1967 S. 235. 91 Hierzu v. Gerber, Staatsrecht S. 198 u. F N 5; Hatschek, Parlamentsrecht I S. 408 ff.; G. Jellinek, in: Vhdlg. 19. D J T I I S. 127; Greeve, Diss. S. 13 f.; Juhle, Diss. S. 141; Draht, W D S t R L 9 (1952) S. 42; Seifert, BWahlG S. 62. 92 Insofern interessant die Regelung des Art. 45 Satz 2 LWahlG BadenWürttemberg. 93 Hatschek, Parlamentsrecht I S. 409. 94 Vgl. G. Jellinek, a.a.O.; Braunias, Parlamentarische Wahlrecht I I S. 284. 96 Vgl. Wengler, Völkerrecht I I S. 1298.

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wurde die materielle Rechtmäßigkeit der amtlich bezeugten Tatsachen, das rechtmäßige Erwähltsein untersucht. Auch i m Deutschen Frühkonstitutionalismus verblieb es bei dieser rein formell verifizierenden Prüfungstätigkeit 9 6 . Erst i m Jahre 1848 veränderte sich i n Anlehnung an französische Einflüsse der Umfang der Legitimationsprüfung. I n Frankreich hatte der Dritte Stand sogleich beim ersten Zusamment r i t t der „Etats Généraux" i m Jahre 1789 die bislang nach Ständen getrennt praktizierte „vérification des pouvoirs" beanstandet und den Ruf nach einer Legitimationsprüfung durch alle Stände „en commun" erhoben 97 . Die Weigerung der beiden privilegierten Stände führte zur Selbstkonstituierung des Dritten Standes und zur Deklamation der „assemblée nationale" als der einzigen rechtmäßigen Vertretungskörperschaft des gesamten französischen Volkes. Damit war der Ständestaat endgültig zerschlagen und der Gedanke der Volkssouveränität aus der Taufe gehoben: die Idee der von dem „corps législativ" vertretenen „volonté genérale" als Rechtsgrundlage der „plenitudo potestatis", der Staatsgewalt 98 . Der rechtmäßig geäußerte Wille der Aktivbürgerschaft erschien als einzige Quelle und Rechtfertigung parlamentarischer, letzlich staatlicher Machtvollkommenheit 9 9 : „ L a volonté des constituants légalement anoncée étant la véritable et l'unique puissance de leurs représentants .. Diese historischen Worte des Abgeordneten Malouet 100 verfehlten i n Deutschland ihre Wirkung nicht. Die Revolution des Jahres 1848 bereitete der ständischen Restauration ein definitives Ende 1 0 1 . M i t dieser Entwicklung mußte sich der Prüfungsgegenstand der Wahlprüfung zwangsläufig wandeln. Die Auffassung von der das Wahlzertifikat formell kontrollierenden Wahlprüfung widersprach dem gerade geschöpften Gedanken von der Volkssouveränität 1 0 2 . Denn der einzelne Mandatar empfing seine Rechtsstellung hinfort nicht mehr aus der die 96

Hatschek , Parlamentsrecht I S. 396; Greeve, Diss. S. 13 f. Dazu Hatschek , Parlamentsrecht I S. 399 ff.; G. Jellinek, a.a.O. S. 128 f.; Braunias , a.a.O. I I S. 284; Greeve , Diss. S. 14; Schiller , Diss. S. 2; Leser , Diss. S. 1. 98 G. Jellinek, a.a.O. S. 129. 99 G. Jellinek , a.a.O.; Hatschek , a.a.O. S. 407. 100 I n der Sitzung des 3. Standes v. 8. Juni 1789, zitiert nach Hatschek, Parlamentsrecht I S. 407. 101 Vgl. Leser, Diss. S. 1. Braunias, a.a.O. I I S. 284 bemerkt zu Recht für die französischen Verhältnisse: „Es ist die Frage des Wahlprüfungsredits gewesen, das den geschichtlichen Wendepunkt vom ständischen Staat zum modernen Repräsentativstaat geschaffen hat". 102 Vgl. Hatschek, Parlamentsrecht I S. 407 f. 97

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ständische Beauftragung dokumentierenden Vollmachtsurkunde. Nicht diese, sondern der Wille der Gesamtwählerschaft war der Grund und die Rechtfertigung seiner besonderen Stellung. Folgerichtig trat die materielle Legitimationsprüfung i n den Vordergrund. Legitimierter Abgeordneter sollte nur derjenige Mandatsträger sein, der auf der Grundlage und i n Übereinstimmung m i t dem Kollektivwahlakt i n diesen erhöhten Rang gehoben war. Der Prüfungsgegenstand 103 der Wahlprüfung veränderte sich. Nicht mehr der Besitz des Wahlzertifikats und seine äußere Gültigkeit, sondern die Kongruenz von Wahlakt und Mandatserwerb bildete fortan die unerläßliche Voraussetzung für die Legitimation des Abgeordneten. Diesem Situationswechsel trug schon § 112 der Paulskirchenverfassung trotz der insoweit verunglückten Gesetzesfassung v o l l und ganz Rechnung 104 . Gleiches galt u m so mehr für A r t . 27 der Bismarck-Verfassung 105 . Der gesamte Wahlvorgang wurde i m H i n blick auf die Rechtmäßigkeit der Mandatserwerbe überprüft. Der Gegenstand des Verfahrens war die Volkswahl, sein Ziel: die Feststellung der materiellen Legitimation der Abgeordneten. 2. Von der Bismarck-Verfassung zur Weimarer Reichsverfassung Zwar belegt die geschichtliche Entwicklung der Wahlprüfung bis zur Bismarck-Verfassung ihre ausschließlich auf die Frage der materiellen Legitimation von Abgeordneten zugeschnittene Verfahrensfunktion. Nicht aber läßt sich Gleiches unbesehen für die Wahlprüfung des A r t . 31 Abs. 1 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung behaupten. Vielmehr fällt i n diese Zeit ein stellenweise neuartiges Verständnis der Wahlprüfung, über dessen Bedeutung für die Auslegung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG nicht immer klare Vorstellungen bestehen 100 . W i l l die Auslegung Mißverständnisse vermeiden, so muß zwischen der i n Weimar objektiv gegebenen Rechtslage und der Praxis des Wahlprüfungsgerichts unterschieden werden.

103 Das verkennt Seifert, wenn er a.a.O. der erweiterten Wahlprüfungsfunktion das Wort redet. 104 Hierzu v. Mohl, ZStW Bd. 4 (1847) S. 525, 527; Grotefend, Staatsrecht S. 596. 105 Meyer-Anschütz, Staatsrecht S. 364 f.; Pereis, Reichstagsrecht S. 72; Laband, Staatsrecht I S. 313; Leser, Diss. S. 17 (m. w. N.), S. 42, 74; v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T I S. 131 f.; Verfassungsurkunde S. 208; Bayerisches Staatsrecht I S. 438; Walz, Staatsrecht Baden V S. 81; Rönne, Staatsrecht I S. 249; Arndt, Verfassung Art. 27 Anm. 2; Jagemann, Reichsverfassung S. 125; Arndt, Staatsrecht S. 126; Heilfron, Staats- und Verwaltungsrecht S. 252. 106 Mißverständnisse finden sich bei Seifert, a.a.O.

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a) Kontinuität der objektiven Rechtslage A r t . 31 Abs. 1 Satz 1 der Weim. Rverf. hat expressis verbis nichts über die Entscheidungszuständigkeit des Wahlprüfungsgerichts bestimmt. Gleichwohl bestanden schon damals — zumindest i n der Wissenschaft — keine Zweifel darüber, daß die Vorschrift trotz der vorgenommenen Auswechslung des Prüfungsorgans 107 v o l l und ganz auf dem Boden des A r t . 27 der Bismarck-Verfassung stand: also Ausdruck und Bestätigung der kontinuierlich gewachsenen materiellen Legitimationsprüfung war — und nur dieser 108 . Die Richtigkeit dieser Auffassung ergab sich ebenso aus der Entstehungsgeschichte des A r t . 31 Abs. 1 Satz l 1 0 9 wie aus seinem verfassungssystematischen Standort i m zweiten — und nicht i m siebenten — A b schnitt des ersten Hauptteils unter der Überschrift: Der Reichstag — und nicht: Die Rechtspflege. Schließlich wurde diese Überlegung positivrechtlich durch § 5 Abs. 1 Weim. W P r ü f O 1 1 0 bestätigt. Danach hatte das Wahlprüfungsgericht über den Mandatserwerbsvorgang, die materielle Legitimation zu befinden. Die Rechtmäßigkeit der einzelnen durch Wahl geschaffenen Abgeordnetenmandate bildete das ausschließliche Prüfungs- und Entscheidungsziel. N u r zu diesem Zweck war die Wahl i n ihrer Gesamtheit i n die Prüfung einzubeziehen. b) Diskontinuität der wahlprüfungsgerichtlichen Praxis Diese Rechtslage hat das Wahlprüfungsgericht auch nicht verkannt, wenn es seine Entscheidungen m i t den Worten abschloß: „Auch die Prüfung von Amts wegen ergab nichts, was dazu führen konnte, die Gültigkeit der Wahl der als gewählt erklärten Abgeordneten zu bean107 Zu den Gründen der Einführung eines besonderen Wahlprüfungsgerichts vgl. Vhdlg. der Verfassungsgebenden Dt. Nationalversammlung, Steno-Berichte Rtag Bd. 327, S. 1285—1288. 108 Vgl. Kühn , Formen des Rechtsschutzes S. 35 f.; Poetzsch-Heffter, Reichsverfassung Art. 31 Anm. 3; Anschütz, Weimarer Verfassung Art. 31 Anm. 3; Giese, Reichsstaatsrecht S. 63; Korn, Verfassung S. 36; Finger, Staatsrecht S. 218, 231; Görres, JW 1921 S. 49; W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung S. 62; AöR n. F. 15 (1928) S. 124; HdbDStR I S. 630; Draht, Wahlprüfungsrecht S. 1 f.; W. Schmitt, Diss. S. 29; Kaisenberg, Pr. VB1 42 (1920/21) S. 205; Coester, Rechtskraft S. 3491; Gebhard, Verfassung S. 193; Molitor, AöR 34 (1915) S. 250; Hettner, DJZ 1931 Sp. 326; Lehmann, Recht der Minderheiten S. 73. 109 Steno-Berichte Rtag Bd. 327, S. 1285. 110 Vom 8. 10. 1920 (RGBl S. 1773). Die Vorschrift lautete: „Vom Verhandlungstermin sind als Beteiligte zu benachrichtigen, sofern gegen eine Wahl Widerspruch erhoben oder sich sonst gegen die Wahl Bedenken erheben, die Personen, deren Wahl geprüft wird"

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standen" 1 1 1 . Demzufolge hätte das Gericht Stimmverschiebungen nur insoweit berücksichtigen dürfen, als sie mandatserheblich waren 1 1 2 . Das aber hat es nicht getan. Vielmehr hat es stellenweise unabhängig von der Beeinflussung der Mandatsergebnisse über die Gültigkeit von Stimmzetteln und über die rechtmäßige Feststellung des Stimmergebnisses p r i n z i p a l e r entschieden, also schlichte Wahlbewertungs- und Wahlauswertungsfehler zum Gegenstand der Entscheidung genommen 1 1 3 . Ebenso hat das Wahlprüfungsgericht gelegentlich das Recht beansprucht, manchmal auch die Pflicht behauptet, über singuläre Wahlbeteiligungsfehler i n Form der Feststellung zu entscheiden, und den Wahlorganen ihr rechtswidriges Verhalten, häufig unter dem Ausdruck der Mißbilligung, zur Kenntnis zu bringen 1 1 4 .

c) Qualifizierung und Erklärung der wahlprüfungsgerichtlichen Praxis Die Rechtsprechung des Wahlprüfungsgerichts zu A r t . 31 der Weimarer Reichsverfassung hat der Wahlprüfung — entgegen der objektiven Rechtslage — auch die Stimmergebnisprüfung eröffnet und damit den Verfahrenszweck erweitert. Diese contra constitutionem et legem entwickelte Spruchrichterpraxis, die zumindest 1 1 5 mangels einer opinio communis 1 1 6 niemals zu Gewohnheitsrecht erstarkte 1 1 7 , hatte drei Gründe: Einmal entsprang sie dem Bemühen, das Fehlen verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes zu kompensieren: also dem Aktivbürger 111 JW 1921 S. 49. Ähnlich auch in JW 1924 S. 339 f. Vgl. ferner die Zusammenstellung bei Kühn, a.a.O. i m Anhang S. 3—5. 112 Hierzu auch Kühn, a.a.O. S. 36, 37 und F N 1. Die Inkonsequenz des Wahlprüfungsgerichts wird in JW 1924 S. 339 f. deutlich. Einerseits werden mandatsunerhebliche Stimmverschiebungen ausgeglichen; zum anderen werden die Wahlen — mangels Sitzveränderung — „daher für gültig" erklärt! 115 So das WPrüfG Rtag, Pr. VB1. Bd. 42 (1920/21) S. 208 (zu V I I I ) ; S. 338 (zu I I . 4. a); Pr. VB1. Bd. 47 (1925/26) S. 527 f. (zu V. 1.); S. 553 (zu I X . 11.); JW 1924 S. 339 f. (widerspruchsvoll). Ebenso unrichtig WPrüfG Ltag Preussen, PrVBl. Bd. 46 (1924/25) S. 226 f. (zu B. 1.); S. 228 (zu B. 5.). Hierzu auch OVGE Münster 8 S. 44. Richtig dagegen WPrüfG Rtag, JW 1921 S. 290. 114 Vgl. WPrüfG Rtag, Pr. VB1 Bd. 47 (1925/26) S. 527 f. (zu V. 1.); Leser, Diss. S. 43 u. F N 3 m. w. N.; Kluge, Diss. S. 34—44; Hatschek, Parlamentsrecht I S. 499 f., 508; Ball, Wahlprüfungsrecht S. 167 f. 115 Es mag dahinstehen, ob es Gewohnheitsrecht contra legem scriptam gibt. 116 Vgl. die Nachweise der entgegengesetzten Literaturmeinung in F N 108, insbesondere Kluge, a.a.O; v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht I S. 439; Verfassungsurkunde S. 208; Gebhard, Verfassung S. 193. Aus neuerer Zeit ebenfalls kritisch Schiller, Diss. S. 70 ff.; Karpenstein, Diss. S. 28 f. 117 Das verkennt Seifert, BWahlG S. 341.

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und der (Splitter-) Partei nach Möglichkeit subjektiven Wahlrechtsschutz i m Wahlprüfungsverfahren zu gewähren 1 1 8 . Z u m anderen resultierte sie aus mißverstandenem französischen Gedankengut. Der Satz: „En matière de vérification des pouvoirs, la chambre est un j u r y souverain" 1 1 9 mochte den Grundsatz der freien Beweiswürdigung wie die Nichtunterwerfung unter sonstige staatliche Gewalt garantieren. Nicht dagegen w o l l t e 1 2 0 noch konnte er von der Bindung an das Gesetz dispensieren 121 . Das Gesetz aber beschränkte die Urteilsfindung auf mandatserhebliche Wahlrechts Widrigkeiten — arg. A r t . 31 Abs. 1 Satz 1 Weim. Rverf., § 5 Abs. 1 Weim. WPrüfO. Drittens basierte die damalige Praxis auf der Mißachtung des das gerichtliche Verfahren beherrschenden Grundsatzes vom „juristischen M i n i m u m " : der „ K u n s t " wie Pflicht, allein über das Entscheidungsrelevante zu befinden. Wie bereits Kluge i n seiner detaillierten Analyse der Rechtsprechung des Wahlprüfungsgerichts konstatiert 1 2 2 , hat sich das Gericht m i t Rechtsfragen befaßt, die absolut außerhalb seiner prinzipalen Entscheidungszuständigkeit lagen. Dabei hat es dem — contra legem — erweiterten Entscheidungsrecht nicht einmal eine entsprechend weite Entscheidungspflicht korrespondieren lassen 128 . Insgesamt gesehen läßt sich die Praxis des Wahlprüfungsgerichts also wohl erklären, nicht aber rechtfertigen 124 . 3. Von der Weimarer Reichs Verfassung zum Grundgesetz Macht die historische Auslegung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG i n Weimar halt und fügt sie das redtitsrichtige Verständnis des A r t . 31 Abs. 1 Satz 1 Weim. Rverf. i n den geschichtlichen Werdegang der Wahlprüfung ein, so zeigt sich, daß diese bis zum Ende der Weimarer Republik trotz deutlicher Bewegungen i m Prüfungsgegenstand, trotz mancher Verän118

Vgl. Kluge, Diss. S. 34—44. Zitiert nach Hatschek, Parlamentsrecht I S. 503; Leser, Diss. S. 1. 120 Zum Beleg der Behauptung, daß dieser Satz in Deutschland sich nicht durchzusetzen vermochte und zu den Gründen seines Ursprungs, vgl. Leser, Diss. S. 111 ff., 115 ff.; v. Seydel, Verfassungsurkunde S. 208; v. Seydel, in: Vhdlg. 19. DJT I S. 141 f.; jüngst Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 5. 121 Arg. Art. 102 Weim. Rverf. Selbst wenn die Wahlprüfung ein Bestandteil des pouvoir législatif wäre — wie es in Frankreich behauptet wurde — so würde sich auch dann nichts an der Gesetzesbindung der Wahlprüfungsorgane ändern. Denn auch der Gesetzgeber ist an seine Norm gebunden — solange und soweit er diese nicht aufhebt. 122 Diss. S. 34, 48; ferner Picenoni, Kassation S. 183. 123 Dazu in anderem Zusammenhang Bettermann, AöR 92 (1968) S. 530; Festschrift Schima S. 88. 124 Das verkennt Seifert, BWahlG S. 341. 119

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derungen i m Prüfungsorgan gleichwohl hinsichtlich Zweck und Funktion des Verfahrens gleichbleibenden Kurs gehalten hat: nämlich vom Ständestaat bis zur Weimarer Reichsverfassung strikt nach der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit von Mandatserwerben gesucht hat. Wer das für die Wahlprüfung der wilhelminischen und republikanischen Epoche bestreitet, w i r d — wie gezeigt — i m ersten durch A r t . 27 der Bismarck-Verfassung, i m zweiten durch A r t . 31 Abs. 1 Satz 1 der Weimarer Verfassung widerlegt. Deshalb fehlt der Behauptung von der historischen Leitlinie „ i n dubio pro Stimmergebnis" 1 2 5 für die Auslegung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG die Beweiskraft. Genau umgekehrt verhält es sich: nicht das Festhalten, sondern das Abgehen der Auslegung von dem geschichtlich gewachsenen Verfahrenszweck bedarf der Rechtfertigung 1 2 6 — sollte der Grundgesetzgeber die Wahlprüfung des A r t . 41 nicht ohnehin auf die Mandatserwerbsprüfung limitiert haben. Eben das aber ist entgegen anders lautenden Behauptungen 1 2 7 der Fall. IV. Entstehungsgeschichtliches Verständnis der bundesrechtlichen Wahlprüfung Die genetische Auslegung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 wie des § 1 Abs. 1 BWPrüfG läßt keinen Zweifel daran, daß der Verfassungsgeber und einfache Gesetzgeber an die tradierte Funktion der Wahlprüfung angeknüpft und das Verfahren ausschließlich als Legitimationsprüfung konzipiert hat. Insbesondere hat er der i n Weimar contra legem entwickelten Spruchrichterpraxis eine eindeutige Absage erteilt 1 2 8 . 1. Erwägungen des Verfassungsgesetzgebers Denn der Verfassungsgeber hat die Frage, ob der einzelne Abgeordnete sich gesetzmäßig betätigt als Rechtfertigung der Wahlprüfung begriffen. I n der 11. Sitzung des Organisationsausschusses sprach der A b geordnete höbe (SPD) i m Rahmen eines historischen Rückblicks von den „Abgeordneten", die i n der Kaiserzeit (!) „angefochten worden" seien. Insbesondere wurde der Antrag angenommen, die Fassung des A r t . 51 125 Aus dieser Sicht argumentiert Seifert, BWahlG S. 341; D Ö V 1967 S. 235. Ähnlich wohl Maurer, Die Bundestagswahl S. 11. 126 Das anerkennt auch Seifert, BWahlG S. 341. Indessen geht er von falschen Voraussetzungen aus und gelangt daher zu unrichtigen Ergebnissen. 127 Seifert, BWahlG S. 341. 128 Vgl. zum nachfolgenden Text Jb. ö. R. n. F. Bd. 1 (1951) Art. 41 S. 360— 362.

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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i m Herren-Chiemseer Entwurf abzuändern. Hatte dieser noch von der „Gültigkeit einer Wahl" gesprochen, so einigte man sich nunmehr auf die Fassung „Gültigkeit der Wahl eines Abgeordneten" 129. Daß diese nicht Gesetz wurde, hat keine sachlichen, sondern redaktionelle Gründe. Daraus ergibt sich, daß der Grundgesetzgeber m i t der Fassung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 an die Legitimationsprüfung des A r t . 27 der BismarckVerfassung angeknüpft hat — und nur an diese. 2. Erwägungen des einfachen Gesetzgebers Auch die Motive des Verfassungsausführenden Gesetzgebers i m Sinne des A r t . 41 Abs. 3 qualifizieren die Wahlprüfung als das historisch gewachsene „Selbstreinigungsrecht" 130 der Parlamente. Insbesondere hatte der Bundesrat, u m Wiederholungen des Wortlauts des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 zu vermeiden, für § 1 Abs. 1 BWPrüfG die nachfolgende Fassung vorgeschlagen: „Der Bundestag stellt die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten zum Bundestag fest" 1®1. Damit war der personelle Legitimationscharakter der Wahlprüfung eindeutig u m rissen. Daß der Gesetzgeber von dieser Formulierung Abstand genommen hat, geschah nicht bewußt, sondern gedankenlos. Angesichts der geschichtlich gewachsenen Legitimationsfunktion der Wahlprüfung meinte man, auf diese Klarstellung verzichten zu können. Die Begründung des Berichterstatters zum B W P r ü f G 1 8 2 ist Beweis genug. Danach gehört die „Entscheidung, ob der einzelne Abgeordnete sich gesetzmäßig als Abgeordneter betätigt, ebenso wie die Frage der Immunität, zu den althergebrachten Palladien des Parlaments". Diese grundgesetzlich und einfachgesetzlich getroffene Entscheidung läßt sich nicht m i t dem Hinweis i n ihr Gegenteil verkehren, der Bundeswahlgesetzgeber der Jahre 1953 und 1956 hätte „kaum eine solche Zurückhaltung gegenüber einer Kodifikation üben brauchen, wenn sich das materielle Wahlprüfungsrecht auf eine so einfache Formel bringen ließe, wie sie BVerfGE 4, 370 biete" 1 8 8 . Diese Argumentation geht i n mehrfacher Hinsicht fehl: Einmal verkennt sie die Zusammenhänge von Verfahrensfunktion und materiellen Wahlungültigkeitsgründen 1 8 4 . Gerade weil der Grundgesetz129

Die Hervorhebung im Text stammt vom Verfasser. Der Ausdruck stammt von Jekewitz, D Ö V 1968 S. 540. 131 Drs. Dt. Btag 1. W P (1949) 901—1100, Nr. 983 S. 9. Vgl. auch Art. 33 Satz 1 in Gestalt der authentischen Verfassungstextinterpretation des Art. 63 Verfassung Bayern. 182 Ewers , Steno-Berichte Dt. Btag 1. W P (1949) Bd. 6 S. 4326. 183 So Seifert , BWahlG S. 341. 184 Siehe oben Erster Teil, Erster Abschnitt § 4. A. 180

5 Olschewski

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

geber den Verfahrenszweck der Wahlprüfung abschließend fixiert hat, hat er damit zugleich die Gründe für die Ungültigkeit einer Wahl qualifiziert: er hat sie auf mandatserhebliche Rechtswidrigkeiten der Wahlvorgänge limitiert. Zum anderen läßt sich trotz der Legitimationsprüfung als ausschließlichem Verfahrenszweck der Wahlprüfung das materielle Wahlprüfungsrecht keineswegs auf eine „einfache Formel" bringen — wie es die skizzierte Auffassung annehmen möchte. Denn der Grundsatz von der Mandatserheblichkeit als strikte Voraussetzung jeder wahlprüfungsrechtlichen Sanktion ist bei weitem nicht der einzige Inhalt des materiellen Wahlprüfungsrechts 135 . Hierzu rechnen vielmehr ebenso die Fragen nach der A r t der Wahlfehlerberichtigung wie nach dem Grad der Gewißheit über eine rechtswidrige Zusammensetzung des Parlaments, nach dem Verfahren zur Ermittlung der vorhandenen oder nicht vorhandenen parlamentarischen Sitzbeeinflussung — und manches mehr. Auch deshalb ist die berichtete Meinung unschlüssig. Drittens sticht sie auch vor allem deshalb nicht, w e i l sie einen Zusammenhang zwischen dem Verfahrenszweck der Wahlprüfung einerseits und dem lückenhaft gebliebenen materiellen Wahlprüfungsrecht andererseits behauptet, der i n dieser Form weder gesetzlich bezweckt war noch auch nur bezweckt werden konnte. Denn der Grundgesetzgeber hatte den Verfahrenszweck der Wahlprüfung abschließend als Legitimationsprüfung gekennzeichnet. Insofern war das Verhalten des materiellen Wahlprüfungsgesetzgebers — ob A k t i v i t ä t oder Passivität — für das funktionelle Verständnis der Wahlprüfung gleichermaßen irrelevant. Darüber hinaus beruhte die Zurückhaltung des Wahlgesetzgebers hinsichtlich der Normierung materieller Wahlungültigkeitsgründe auf ganz anderen Aspekten, als es die dargestellte Argumentation erkennen läßt 1 3 6 . Man wollte die Tatsache honorieren, daß die Bundeswahlgesetze der Jahre 1949 und 1953 jeweils nur für eine Bundestagswahl Geltung beanspruchten. Die wahlrechtliche Gestaltungsfreiheit des zukünftigen Gesetzgebers sollte garantiert werden, nicht aber das funktionelle Verständnis der Wahlprüfung von der Entscheidung des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 dispensiert werden 1 3 7 . Insgesamt gesehen läßt sich feststellen und daran festhalten, daß der Wille des Grundgesetzgebers allein auf die Schaffung einer parlamentarischen Legitimationsprüfung gerichtet war.

185 188 187

Richtig Schiller, Diss. S. 87. Vgl. Ewers, a.a.O. Ähnlich Schiller, a.a.O.

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion V. Verfassungssystematisches

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Verständnis der Wahlprüfung

Kennzeichnen die historische und die genetische Interpretation des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 die Wahlprüfung lediglich als materielle Mandatserwerbsprüfung, so gilt es, dieses Ergebnis dem Härtetest der verfassungssystematischen Auslegung zu unterziehen. A m Ende w i r d sich die Belastungsprobe als erfolgreich erweisen. 1. Systematischer Standort des A r t . 41 GG Der verfassungssystematische Standort des A r t . 41 bestätigt und rechtfertigt die ausschließliche Legitimationsfunktion der geltenden Wahlprüfung. Die Vorschrift hat trotz der bundesverfassungsgerichtlichen Sekundärzuständigkeit Aufnahme i m I I I . Abschnitt des Grundgesetzes gefunden, der die Rechte und Zuständigkeiten des Bundestages regelt — nicht dagegen i m I X . Abschnitt, der sich m i t der Rechtsprechung befaßt. Die Bestimmung steht i m Umkreis von Normen, die durchweg die Parlamentsautonomie regeln (Art. 39 Abs. 3, 40, 42, 43 Abs. 1, 44, 45, 46) — also dem corpus die Befugnis zuerkennen, i m Rahmen des Grundgesetzes über die eigenen Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Auch A r t . 41 gehört i n diesen Zusammenhang: Er ist Ausdruck und Ergebnis des Kampfes u m die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Parlamente gegenüber Regierung und Krone 1 8 8 . a) Parlamentarische Wahlprüfung als M i t t e l der Bestandssicherung Diesen Gesichtspunkt hat der Verfassungsgeber akzentuiert, wenn er A r t . 41 i m I I I . Abschnitt des Grundgesetzes placierte. Diesen Gesichtspunkt muß die Auslegung honorieren, w i l l sie die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung verfassungskonform fixieren. I n diesem Sinne richtig gesehen kann die Wahlprüfung nur autonomiebezogene Verfahrenszwecke verfolgen: sie ist ein Instrument parlamentarischer Selbstbehauptung — nichts mehr. Was aber Parlamentsautonomie meint und wo ihre Grenzen liegen, kann i n diesem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein: Seit altersher hat dazugehört, daß das corpus über die Legitimation seiner Mitglieder befindet 1 8 9 . Niemals aber fiel es i n die parla188 Ansätze in dieser Richtung auch bei Geiger, § 13 BVerfGG, Anm. 8; Greeve, Diss. S. 14; Badura, in: Bonner Kommentar (2. Bearbeitung) Anhang zu Art. 38, BWahlG Rdn. 42; Jekewitz, D Ö V 1968 S. 540; DVB1. 1969 S. 513; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 40 Rdn.2 , Art. 41 Rdn. 6 F N 2. Ebenso schon früher v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T I S. 136; Rönne, Staatsrecht I S. 249. 189 Davon wurde auch in den Beratungen der Weimarer Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Steno-Berichte Rtag Bd. 327 S. 1285 ausgegangen.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

mentarische Zuständigkeit, isoliert über die Hechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit individueller Wahlzulassungs- und/oder Wahlauswertungsakte zu entscheiden. Zum anderen folgt aus dem Begriff der körperschaftlichen Autonomie, daß es sich stets nur u m Rechte handeln kann, die den Bestand, die Organisation, das Verfahren oder die Verwaltung des corpus selbst betreffen 1 4 0 . Denn die Parlamentsautonomie ist ein M i t t e l der Parlamentssicherung. Das Parlament ist nur dann und dort sicherungsbedürftig, wenn und wo es sich u m Einwirkungen i n seinen Bestand oder Tätigkeitsbereich handelt. A l l e anderen Eingriffe sind unter dem Gesichtspunkt der Parlamentsautonomie uninteressant. Ebenso verhält es sich bei der Wahlprüfung — w e i l sie ein M i t t e l parlamentarischer Selbstbehauptung ist. Sie muß auf alle solche Rechtswidrigkeiten reagieren, die den personellen Bestand des corpus tangieren. Nicht dagegen kann sie schlichte Stimmrechtswidrigkeiten sanktionieren. Denn der Gedanke der Parlamentsautonomie versagt. Ergo bleibt die Waffe der Wahlprüfung auf dieser Seite stumpf. Sie erzwingt den rechtmäßigen Bestand des Parlaments, nicht aber die strikte Beachtung und Einhaltung individueller Rechte 141 . Nicht die schlichten, mandatsunerheblichen Stimmrechtswidrigkeiten sind es, die die Zuständigkeit des Bundestages und den verfassungssystematischen Standort des A r t . 41 erfordern und rechtfertigen. Vielmehr ist es allein der Gedanke der Autonomie, das Recht der Entscheidung über Sitz und Stimme i m „eigenen Haus" 1 4 2 . Nur zu diesem Zweck der „Selbstprüfung" und „Selbstreinigung" gibt A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 dem Bundestag das Wahlprüfungsverfahren an die Hand: damit er feststelle, wer auf Grund der Volkswahlen legitimiertes Mitglied bei i h m ist oder nicht ist. Die Wahlprüfung ist ausschließlich materielle Legitimationsprüfung — w e i l sie autonome Organprüfung durch den Bundestag und für den Bundestag, kurz: Intraorgankontrolle ist. b) Bundesverfassungsgerichtliche Wahlprüfung als M i t t e l rechtmäßiger Bestandssicherung Diesen von dem Gedanken der Parlamentsautonomie geschmiedeten Sachzusammenhang zwischen der parlamentarischen Wahlprüfung und 140

Richtig Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 40 Rdn. 2. Dieser Gesichtspunkt wird zumeist übersehen. 142 Ansätze in dieser Richtung bei Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 6 F N 2. Ähnlich schon Wittmayer, Reichsverfassung S. 96. I n teressant ist in diesem Zusammenhang auch die Vorschrift des § 48 BVerfGG über den Kreis der Beschwerdeberechtigten nach Art. 41 Abs. 2. Danach sind u. a. nur die Gruppierungen solcher politischen Parteien zur Beschwerde legitimiert, die die Hürde des Minderheitenquorums zu überspringen und damit ihren Einzug in den Bundestag durchzusetzen vermochten. Diese Regelung enthält auf einfachgesetzlicher Ebene eine wertvolle Ergänzung der verfassungsrechtlich getroffenen Zweckbestimmung der Wahlprüfung. 141

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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der Wahlprüfung als ausschließlicher Legitimationsprüfung kann die durch A r t . 41 Abs. 2 begründete Sekundärzuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nicht lockern. Einmal hat die Vorschrift des A r t . 41 trotz der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverfassungsgericht gleichwohl i m I I I . Abschnitt des Grundgesetzes ihren Standort gefunden. Die Wahlprüfung ist trotz der sekundären Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts „Sache des Bundestages". Damit hat der Verfassungsgeber die Wahlprüfung als Bestandteil der Parlamentsautonomie konzipiert und zugleich das (historische) Verständnis der Wahlprüfung als reiner Legitimationsprüfung akzeptiert. Er hat die Stimmergebnisprüfung exkludiert. Daran kann A r t . 41 Abs. 2 schwerlich etwas ändern, anderenfalls der Grundgedanke der gesamten Verfassungsnorm, wie er sich aus ihrem Standort ergibt, brüchig w i r d — was nach tradierten Auslegungsmaßstäben 148 kaum richtig sein dürfte. Unabhängig davon w i l l A r t . 41 Abs. 2 nicht das funktionelle Verständnis der Wahlprüfung beeinflussen. Denn die Gründe, die für seine Aufnahme i n das Grundgesetz gesprochen haben, sind andere. A r t . 41 Abs. 2 enthält — wie schon früher A r t . 31 Abs. 1 Satz 1 der Weim. Rverf. 1 4 4 — die Positivierung einer i n den Jahren 1885 bis 1888 145 de lege ferenda entwickelten Rechtsauffassung von der Adaequanz einer richterlichen Legitimationsprüfung. N u r darum ging es den geistigen Vätern der genannten Verfassungsbestimmungen — u m das adäquate Prüfungsorgan bei und trotz ausschließlicher Legitimationsfunktion der Wahlprüfung. Gerade weil die Wahlprüfung allein Legitimationsprüfung war, mußte sich der Gedanke der mißbräuchlichen Verwendung der Wahlprüfung aufdrängen — i n einer Zeit nämlich, als die Emanzipation des Parlaments von Regierung und Krone geglückt w a r 1 4 8 und soeben das Ringen der Parteien u m die parlamentarische Vorherrschaft einsetzte. Dieser Entwicklungsstand war es und seine noch mehr oder weniger i m Verborgenen schlummernden Gefahren, die die Besorgnis der Fachkenner weckten und den Ruf nach einer neutralen, einer rich148 Es besteht der Grundsatz, daß Normen nicht so ausgelegt werden dürfen, daß sie sich selbst paralysieren oder ihre eigene Paralysierung zulassen. Hierzu Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 24 Rdn. 9; H.-J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 141. 144 Vgl. den Nachweis zu F N 139. 145 Vgl. Jaques, Wahlprüfung S. 17 ff.; G. Jellinek, in: Vhdlg. 19. D J T I I S. 121 ff.; Verfassungsgerichtshof S. 3 ff.; v. Seydel, in: Vhdlg. 19. DJT I S. 130 ff. Ferner aus späterer Zeit Leser, Diss. S. 127—135; Eiswaldt,Staatsgerichtshöfe S. 16—19; Braunias , Parlamentarische Wahlrecht I I S. 285; Kaisenberg , in: HdbDStR I S. 400; Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht S. 558; Busse, Diss. S. 18; Lehmann, Recht der Minderheiten S. 72. 148 Vgl die Erwägungen des Weimarer Verfassungsgebers, Steno-Berichte Rtag Bd. 327 S. 1285.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

terlichen Legitimationsprüfung erschallen ließen. Die Wahlprüfung als Legitimationsprüfung sollte bleiben — aber es sollte die nach Gesetz und Hecht betriebene Legitimationsprüfung werden. Nicht parteitaktisches Manövrieren oder Manipulieren sollte die Legitimation verifizieren oder negieren, sondern das rechtlich gebundene richterliche Wort dekretieren. Nicht der Interessierte, sondern der Unparteiische, der neutrale Dritte sollte über Sitzerwerb oder Sitzverlust entscheiden. Die Legitimationsprüfung sollte eine Rechtsfrage sein, nicht eine Parteifrage werden 1 4 7 . Diese Erwägungen waren es, die den Weimarer Verfassungsgeber veranlaßten, die Wahlprüfung als Legitimationsprüfung einem — i n seiner Zusammensetzung gemischten 148 — richterlichen Organ zu übertragen. Deshalb war es nur konsequent, daß die Weimarer Nationalversammlung den Gedanken einer „capitis deminutio" des Reichstags ausdrücklich von sich gewiesen hat 1 4 9 . Das gilt erst recht i m Verhältnis von A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 zu A r t . 41 Abs. 2 1 5 0 . Diese Vorschrift widerspricht der Aussage des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 nicht; sie setzt sie vielmehr gerade voraus. Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages, w e i l das corpus über die Legitimation seiner Mitglieder befindet. Da es aber darüber befindet, kann es nicht allein darüber befinden. Denn das corpus ist nicht nur Ort und Hort parlamentarischer Zuflucht und Einigkeit, sondern auch Forum parteipolitischer Gegensätze und Zwistigkeiten: Austragungsort rivalisierender Gruppen und disparater Interessen 151 . Deshalb bietet es keine hinreichende Gewähr dafür, daß nur über 147

ren.

148

Zu diesen Gesichtspunkten ausführlich die in F N 145 genannten Auto-

Siehe Art. 31 Abs. 2 Weim. Rverf. Steno-Berichte Rtag Bd. 327 S. 1285 ff. 150 Der Grundgesetzgeber hat zwar auch den Richter mobilisiert, aber gleichwohl gegenüber Weimar die Stellung des Parlaments stärker akzentuiert. Das erste Wort gehört dem Parlament — arg. 41 Abs. 1 Satz 1. Die Wahlprüfung ist trotz Art. 41 Abs. 2 „Sache des Bundestages". 151 Solange sich diese annähernd die Waage halten, mag der durch § 48 BVerfGG verfügte Ausschluß der Splitterpartei von der Beschwerde nach Art. 41 Abs. 2 zu verschmerzen sein. Gesundes Konkurrenzdenken unter den Parteien als auch die Variabilität der politischen Szenerie könnten es ermöglichen, diese Lücke zu schließen und dafür Gewähr bieten, daß i m Einzelfall auch i m Drittinteresse, also zum gemeinen Besten, das Bundesverfassungsgericht von einer der bereits i m Bundestag vertretenen Fraktionen angerufen wird, was rechtlich zulässig wäre. Denn § 48 BVerfGG erfordert für die Stellung des Antrags durch eine Fraktion oder qualifizierte Bundestagsminderheit nicht das Vorliegen einer Beschwer — eine Regelung, die der i m Text dargelegten verfassungsrechtlichen Intention des Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 voll und ganz entspricht. — Dagegen müßte die von § 48 BVerfGG getroffene Exemtion der Splitterpartei bedenklich stimmen, wenn die Konkurrenz der Kräfte im Parlament verschwinden und einer allseitigen Harmonisierung und Unitarisierung womöglich mit radikaler Frontrichtung gegen politische „Outsider" Platz machen sollte. Zwar wäre die Regelung des 149

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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die Legitimation, nicht über die (parlamentarische) Machtkonstellation, allein über die Rechtmäßigkeit, nicht über die (politische) Zweckmäßigkeit von Mandatserwerben entschieden wird. Deshalb hat A r t . 41 Abs. 2 die sekundäre Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts begründet 1 5 2 — w e i l er den Bundestag gleichsam vor sich selbst schützen wollte. A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 konstituiert die Legitimationsprüfung durch das Parlament und für das Parlament. Diese Entscheidung w i r d durch A r t . 41 Abs. 2 nicht revidiert, sondern garantiert, indem die Vorschrift verfassungsunerwünschte (Neben-) Folgen exkludiert. Der Verfassungsgeber hat i m Bereich der Wahlprüfung die mahnende Frage nach dem „Quis custodiet custodes?" nicht überhört. 2. Mandatserwerbsprüfung gegen Mandatsbestandsprüfung A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 steht der Annahme nicht entgegen, daß die Wahlprüfung ausschließlich der gesetzmäßigen Zusammensetzung des Bundestages zu dienen bestimmt ist. Auch dann behält das Verfahren nach Satz 2 seinen eigenständigen Sinngehalt 1 5 8 . Zwischen den beiden Instituten des A r t . 41 Abs. 1 bestehen ebenso Gemeinsamkeiten wie Unterschiede. Gemein ist beiden Vorschriften, daß sie Ausdruck der Parlamentsautonomie sind. Denn beide Verfahren dienen der Sicherung des rechtmäßigen Parlamentsbestands. Die Unterschiede liegen i m Entscheidungsgegenstand. Die Wahlprüfung befaßt sich m i t der Frage: Wer ist zu Recht Abgeordneter geworden? Das Verfahren nach Satz 2 untersucht: Wer ist zu Recht Abgeordneter geblieben? Die Wahlprüfung ist Mandatserwerbsprüfung, das Verfahren nach Satz 2 Mandatsbestandsprüfung 154 . § 48 BVerfGG auch dann unter dem Blickwinkel des Art. 41 Abs. 1 (Autonomie!) systemgerecht, indessen unter dem Vorzeichen des Art. 41 Abs. 2 (Gewährleistung einer rechtmäßigen Parlamentszusammensetzung) nicht unproblematisch. Nur allzu leicht könnte die Wahlprüfung erneut Gefahr laufen, zu einem Machtmittel der herrschenden Parteien zu werden, um politisch unerwünschte Splitterparteien vor dem rechtmäßigen Einzug in den Bundestag zu hindern. Sub specie Art. 41 Abs. 2 drohen dem rechtmäßigen Bestand des Parlaments mithin gleichermaßen Gefahren aus einer labilen, in sich zerstrittenen wie aus einer stabilen, in sich gefestigten Vertretungskörperschaft. Entscheidend ist auch hier die persönliche Verantwortung und die Integrität eines jeden Mandatsträgers. 1 M Vgl. Jb. ö. R. n. F. Bd. 1 (1951) S. 360 f. 158 Behält es ihn nicht, dann streitet eine Vermutung für die Unrichtigkeit des Ergebnisses. Hierzu H.-J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 141, 143; BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 104; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 24 Rdn. 9. 154 Vgl. Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 39 f.; Seifert, BWahlG S. 66; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 10; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I I Art. 41 Anm. I I I . 1.; Seifert-Geeb-Steiniger, in: Das Deutsche

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

I m Verfahren nach Satz 2 kann die Entscheidung immer nur auf Bestand oder Verlust der Mitgliedschaft lauten 1 5 5 . Die Frage nach dem Fortbestand der Rechtsträgerschaft ist sein ausschließlicher Entscheid ungsgegenstand. Anders bei der Wahlprüfung. Hier kann zwar auch 1 5 6 die Ungültigkeit des einzelnen Mandatserwerbs festgestellt werden. Aber nicht n u r 1 5 7 . Der Entscheidungsausspruch ist von Gesetzes wegen nicht darauf beschränkt. Vielmehr kann und muß der Wahlakt aufgehoben und seine Wiederholung angeordnet werden 1 5 8 , wenn er — infolge Rechtswidrigkeit i m Wahlverfahren — keine geeignete Grundlage für die Ermittlung und Verteilung der Sitze abgibt. Das Wahlprüfungsverfahren prüft die sachlichen u n d 1 5 9 persönlichen Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit von Mandaten- w e i l es Mandatserwerbsprüfung ist. Das Verfahren nach Satz 2 untersucht nur die persönlichen Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit von Mandaten 1 6 0 — w e i l es Mandatsbestandsprüfung ist. Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit von Mandaten befaßt sich die Wahlprüfung nur m i t solchen, die i m Zeitpunkt des Mandatserwerbs vorliegen müssen. Sie ist ursprüngliche subjektive Mandatserwerbsprüfung. Das Verfahren nach Satz 2 ist immer nachträgliche Mandatsbestandsprüfung 161 . Es untersucht den Wegfall subjektiver Qualifikationen nach Annahme der Wahl — arg. § 15 BWPrüfG. 3. Wahlprüfung und Volkssouveränität Z u untersuchen bleibt, ob der i n dem A r t . 20 Abs. 1, Abs. 2 niedergelegte Grundsatz von der Volkssouveränität 1 6 2 die Verfahrensfunktion Bundesrecht I A 10, S. 140 b; Schneider, in: Bonner Kommentar (1. Bearbeitung) Art. 41 Anm. I I 4. 155 Insoweit irrig Kress von Kressenstein, Diss. S. 54 f. Richtig dagegen Kühn, a.a.O. Vgl. auch Nds. StGH, OVGE Lüneburg und Münster 14 S. 511. 158 Diese Möglichkeit übersieht W. Sdimitt, Diss. S. 20 f. Der Fall des § 46 Nr. 1 BWahlG gehört zu Art. 41 Abs. 1 Satz 1 — arg. § 47 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG. Ebenso Jekewitz, D Ö V 1968, S. 537, 540 und früher schon Gebhard, Verfassung S. 194. 157 Das verkennt Seifert, D Ö V 1967 S. 237; BWahlG S. 62, wenn er meint, daß BVerfGE 4 S. 371 f. zur Konsequenz habe, daß jede Wahlprüfungsentscheidung zur Aufhebung eines Mandats führen müsse. 158 Vgl. § 44 BWahlG. 158 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 5. C. 160 Dazu Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 10; Jekewitz, a.a.O. S. 537; Seifert, BWahlG S. 66. 181 Vgl. Maunz, a.a.O.; Jekewitz, a.a.O.; Seifert, a.a.O.; Grawert, DÖV 1968 S. 751; Goessl, Organstreitigkeiten S. 223; Koban, Diss. S. 115; Schneider, in: Bonner Kommentar (1. Bearbeitung) Art. 41 Anm. I I 4. 182 Hierzu Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 20 Rdn. 46.

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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der Wahlprüfung zu beeinflussen vermag. Dies w i r d i n der Literatur gelegentlich behauptet 1 6 3 . Danach hat sich das Gewicht der Wahlprüfung allmählich auf den Wahlakt als solchen verlagert. Deshalb dürfe die Wahlprüfung die mandatsunerheblichen Stimmergebnisverschiebungen nicht unberücksichtigt lassen. Die Bedeutung der Wahl als fundamentalen Prozesses der Staatswillensbildung sei i m demokratischen Staat nicht hoch genug anzusetzen. Es bestehe nicht mehr nur ein Interesse an der Rechtsgültigkeit der Mandate, dem rechtmäßigen Bestand des Parlaments; vielmehr sei auch die Rechtmäßigkeit des Wahlakts selbst von besonderer Bedeutung. Die rechtmäßige Willensbildung des Volkes sei das Schutzobjekt der Wahlprüfung. Diese Beweisführung beruht auf der unzulässigen Verquickung von Prüfungsgegenstand und Prüfungsziel. Zutreffend ist allein, daß sich der Umfang der Wahlprüfung gegenüber der ursprünglichen formellen Legitimationsprüfung gewandelt hat 1 6 4 . Der Prüfungsgegenstand, nicht das Prüfungsziel hat sich erweitert. Es ist weder belegt noch belegbar, daß m i t dem Anwachsen des Prüfungsobjektes auch die Verfahrensfunktion zwangsläufig zunimmt. Gegenteiliges läßt sich dem i n A r t . 20 Abs. 1, Abs. 2; 28 Abs. 1 Satz 2 niedergelegten Grundsatz von der Volkssouveränität nicht entnehmen. Denn — wie gezeigt 1 6 5 — besteht gerade zwischen materieller Mandatserwerbsprüfung und Volkssouveränität ein enger, historischer Sachzusammenhang. Es muß auch heute noch als richtig anerkannt werden. Die A r t . 20 Abs. 1, Abs. 2; 28 Abs. 1 Satz 1 enthalten verfassungsorganisatorische Normen. Sie befassen sich insgesamt nur m i t der Grundlegung und Verteilung der Staatsgewalt: sie sagen also, von wem staatliche Gewalt ausgeübt wird. Danach ist das Volk Träger der Staatsgewalt, die es „ i n Wahlen" ausübt. A r t . 20 Abs. 2 garantiert die Ausübung staatlicher Gewalt i n bestimmten Formen zum Zwecke der Kreation des Parlaments — arg. A r t . 28 Abs. 1 Satz 2. Nicht dagegen sagt die Vorschrift irgend etwas darüber, was zu geschehen hat, wenn die Ausübung organschaftlicher Befugnisse rechtswidrig beeinträchtigt wird. A r t . 20 Abs. 2 gibt die Befugnis zur freien Organtätigkeit innerhalb des wahlrechtlichen Normengefüges. Die Vorschrift bestimmt aber nichts 198 Vgl. Seifert , BWahlG S. 62, 64; D Ö V 1967 S. 2351; Seifert-Geeb-Steiniger, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 10 S. 140 b; Greeve, Diss. S. 2 9 1 ; Picenoni, Kassation S. 226; Draht, W D S t R L 9 (1952) S. 43; Spanner, österr. Z. öff. R. n. F. 5 (1953) S. 314. I m übrigen läßt sich die gegenwärtige Lehre nur cum grano salis i m Sinne der hier vorgenommenen Stufung der Verfahrensfunktion kanalisieren. Der Grund liegt darin, daß häufig die Rechtmäßigkeit des Parlamentsbestands irrtümlich mit der des Wahlakts identifiziert wird. ie4 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. I I I . 1. b.). iss v g L F N 1 6 4 >

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

für den Fall der Beeinträchtigung dieser Tätigkeit infolge rechtswidrigen Verhaltens anderer Staatsorgane. A r t . 20 Abs. 2 ist Gewährungs-, nicht Gewährleistungs- oder Schutznorm. Die Schutz- oder Sanktionierungsfrage regelt allein A r t . 41 Abs. 1 Satz 1. Der aber beschränkt den Umfang der Rechtmäßigkeitsprüfung auf mandatserhebliche Rechtswidrigkeiten der Wahlvorgänge. 4. Wahlprüfung und Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 Abs. 4 GG Nach Ansicht von Seifert 166 stößt die Lehre von der eingeschränkten Verfahrensfunktion der Wahlprüfung auf die Barriere des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1. Das durch § 50 BWahlG geschaffene „Entscheidungsmonopol" 167 der Wahlprüfungsorgane „ i n allen den Rechtsbestand des Wahlverfahrens irgendwie berührenden Fragen" 1 6 8 lasse sich nur i m System einer erschöpfenden Wahlprüfung halten: nicht aber i m Rahmen der bloß beschränkten Wahlprüfung, die über alle Verletzungen subjektiver Rechte hinweggehe, es sei denn, sie hätten zufällig zu Sitzverschiebungen geführt. Man könne nicht daran vorbei, daß ein effektiver Schutz subjektiver Rechte nur i m Rahmen der Wahlprüfung möglich sei, weil nur hier Änderungen an den Stimmergebnissen vorgenommen werden könnten 1 6 9 . I n der Tat w i r d damit das i m Schnittfeld der A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 und A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 liegende Problem transparent: das Bedürfnis nach einem wirksamen Rechtsschutz bei subjektiven Wahlrechtsverletzungen. Aber die Lösung, die Seifert anbietet, vermag nicht zu überzeugen. Es w i l l scheinen, daß er das Problem grundsätzlich von der falschen Seite aufrollt. a) Einmal beruht seine Auffassung auf einer petitio principii — wenn sie die Notwendigkeit einer funktionell „geöffneten" Wahlprüfung m i t der Regelung des § 50 BWahlG begründet. Denn das ist gerade die Frage: ob verfassungsrechtlich ein „Entscheidungsmonopol" der Wahlprüfung besteht. Wenn das nicht der Fall ist 1 7 0 , fehlt das Bedürfnis für

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BWahlG S. 341; D Ö V 1967 S. 239. Ähnlich die Problemsicht bei Suttner, Diss. S. 213. 187 D Ö V 1967 S. 239. las D Ö V 1967 S. 236; ferner BWahlG S. 224. Die teilweise Hervorhebung im Rahmen des zitierten Textes rührt vom Verfasser. i«9 D Ö V 1967 S. 236. Die Bezugnahme Seiferts a.a.O. F N 24 auf Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337 f. läßt erkennen, auf welche Gründe Seifert seine Auffassung stützen zu können glaubt. Vgl. dazu den anschließenden Text sowie unten den Zweiten, Dritten und Vierten Teil. 170 Dazu unten die Darlegungen im Zweiten und Dritten Teil der Untersuchung.

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eine Extensivierung der Wahlprüfungsfunktion; dann bricht die Beweisführung von Seifert zusammen. I n Wahrheit setzt seine Auffassung also das voraus, was es erst zu beweisen gilt. b) Zum anderen ist sie immanent inkonsequent — ebenso „auctoris" wie „rei causa". Gerade Seifert kann sich auf A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 nicht berufen, da gerade er diese Norm i m Bereich der Wahlverfahrensmaßnahmen des § 50 BWahlG für unanwendbar h ä l t 1 7 1 . Auch kann er sich nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen. Danach steht A r t . 19 Abs. 4 unter dem Ausnahmevorbehalt des A r t . 41 1 7 2 . Eine Norm aber, die i m Bereich bestimmter hoheitlicher Maßnahmen — angeblich — keine Geltung entfaltet, kann nicht dazu herangezogen werden, ein Verfahren umzugestalten, das sich m i t eben diesen Maßnahmen befaßt. Auch sachlich ist die Auffassung Seiferts widerspruchsvoll. Denn es ist wenig logisch, einerseits A r t . 19 Abs. 4 innerhalb der Wahlprüfung zu mobilisieren, andererseits aber die Wahlprüfung auf die Stimmergebnisberichtigung zu limitieren 1 7 3 und damit subjektive Wahlrechtsverletzungen — gravierendster A r t ! — i n Form der Wahlbeteiligungsfehler zu exkludieren. Diese Differenzierung ist i m Hinblick auf A r t . 19 Abs. 4 durch nichts gerechtfertigt. Nicht nur die Wahlbewertungs- und/ oder Wahlauswertungsfehler, auch die Wahlbeteiligungsfehler enthalten rechtswidrige Eingriffe i n subjektive Wahlrechte! Ergo kann die Reaktion der Wahlprüfung — wenn überhaupt •— nur gleich und einheitlich ausfallen. W i l l man A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 innerhalb der Wahlprüfung einsetzen, dann muß man dies auch v o l l und ganz tun. Darüber also muß man sich klar sein, daß die Frage der Anwendung des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 i m Rahmen der Wahlprüfung nur das kategorische „entweder — oder", niemals aber das differenzierende „teils — teils" zur A n t w o r t haben kann. Denn A r t . 19 Abs. 4 kennt nur das „alles" oder „nichts". c) Gerade diese Sachlogik aber streitet entschieden wider die Einsetzung des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 zum Zwecke der Funktionsöffnung der Wahlprüfung. I m Extremfall singulärer Wahlbeteiligungsfehler w i r d das deutlich. Die Wahlprüfung müßte die Nichtzulassung eines einzelnen Aktivbürgers zur Wahl und ihre Rechtswidrigkeit prinzipaliter feststellen. Das Ergebnis aber widerspricht ebenso dem grundgesetzlich und einfachgesetzlich verobjektivierten Verfahrenscharakter der Wahlprüfung wie es den Rechtsschutzanforderungen des A r t . 19 Abs. 4 nicht genügt. 171 BWahlG S. 223 f. Ebenso widersprüchlich sind die Darlegungen von Suttner , Diss. S. 213 u. F N 1291. 172 Zuletzt BVerfGE 22 S. 281. 178 So aber Seifert , D Ö V 1967 S. 238 u. S. 240.

1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

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E i n m a l k ö n n t e dieser i n d i v i d u e l l e W a h l r e c h t s s c h u t z — entgegen d e r A n s i c h t v o n Seifert 174 — n i c h t als e f f e k t i v e r Rechtsschutz q u a l i f i z i e r t w e r d e n . D e r Schutz d e r W a h l p r ü f u n g k ä m e z w a n g s l ä u f i g z u spät. D e n n d e r B u n d e s t a g b e g i n n t seine P r ü f u n g s t ä t i g k e i t nach A b s c h l u ß d e r W a h l , n i c h t v o r h e r — arg. § 2 A b s . 4 B W P r ü f G . N i c h t schon w ä h r e n d d e r gesetzlich zugelassenen W a h l z e i t e n i s t e r z u r W a h l p r ü f u n g b e r u f e n . V i e l m e h r w i r d e r erst nach d e r V e r ö f f e n t l i c h u n g des G e s a m t w a h l e r g e b nisses t ä t i g 1 7 5 . „ W ä h l e n " aber u n d d a m i t sein W a h l r e c h t gebrauchen k a n n d e r A k t i v b ü r g e r n u r a m W a h l t a g z u d e n d a f ü r vorgeschriebenen Z e i t e n . D i e herrschende M e i n u n g l e u g n e t z u Recht d i e M ö g l i c h k e i t der nachträglichen Stimmabgabe i m Wahlprüfungsverfahren 176. Z u m a n d e r e n k a n n d i e W a h l p r ü f u n g auch deshalb n i c h t ü b e r i n d i v i duelle Wahlbeteiligungs-, -bewertungs- u n d -auswertungsfehler entscheiden, w e i l es sich u m k e i n s u b j e k t i v e s , a n d e r V e r t e i d i g u n g oder G e l t e n d m a c h u n g k o n k r e t e r B e r e c h t i g u n g e n interessiertes V e r f a h r e n h a n d e l t . V i e l m e h r i s t d i e W a h l p r ü f u n g e i n überwiegend 177 objektives,

174 175

359.

D Ö V 1967 S. 236. Vgl. auch BayVGHE

n. F. (1953) I S. 103. Dazu Olschewski, JR 1969 S.

176 Vgl. Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht I S. 561; Greeve, Diss. S. 103; Schiller, Diss. S. 62; Rietdorf, K W G S. 272; Suttner, Diss. S. 102; Picenoni, Kassation S. 141 f.; WPrüfG Rtag, Pr. VB1 Bd. 42 (1920/21) S. 208; Hatschek-Kurtzig, Deutsches und Preußisches Staatsrecht S. 460; Hatschek, Parlamentsrecht I S. 534 f.; Bad.-Württ. StGH, ESVGHE 5 S. 170; OVGE Münster 14 S. 261 f.; Becker, D Ö V 1959 S. 706; Seifert, BWahlG S. 55 f. (beide differenzierend); unentschieden BVerfGE 12 S. 127 f. 177 Bei der Abgrenzung der Rechtskontrolle vom Rechtsschutz entscheidet der Schwerpunkt. Dazu Bettermann, in: Festschrift Schima S. 74. Subjektivrechtlichen Charakter hat die Wahlprüfung des Art. 41 insoweit, als sie notwendigerweise — wenn auch nur inzidenter — die Durchsetzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts erzwingt: nämlich die Anerkennung des erfolgreichen Wahlbewerbers als Mandatsträger. Der gewählte, aber nicht für gewählt erklärte Kandidat kann also regelmäßig die (Wieder-)Herstellung seines Rechtsstatus im Wahlprüfungsverfahren vor dem Bundestag realisieren. Hierzu auch Rietdorf, D V 1949 S. 668, der allerdings die Regelung des § 2 Abs. 2 BWPrüfG, § 48 BVerfGG nicht ausreichend berücksichtigt. Danach ist der erfolglose Wahlbewerber vor dem Bundestag nur dann einspruchsberechtigt, wenn er das materielle Wahlrecht besitzt. Beide aber — Wahlrecht und Wählbarkeit — können, müssen aber nicht übereinstimmen — arg. §§ 12—16 BWahlG. Hierzu auch Seifert, BWahlG S. 118; D Ö V 1967 S. 233. Vor dem BVerfG ist der erfolglose Wahlbewerber als solcher nicht beschwerdeberechtigt, sondern nur dann, wenn er selbst form- und fristgerecht den Einspruch betrieben hat und ihm vor dem BVerfG 100 Wahlberechtigte beitreten. Hierzu BVerfGE 2 S. 303 f. Ferner schützt die Wahlprüfung mittelbar das Recht der Abgeordneten auf (Fort-)Bestand ihres Status als Mandatsträger — arg. § 48 BVerfGG. Dazu auch Lechner, BVerfGG § 48 Anm. 2; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I I Art. 41 Bern. I I I 1 c; Nds. StGH, O V G E Lüneburg und Münster 14 S. 511; BayVGHE n. F. 5 (1952) S. 204.

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a n d e r W a h r u n g des o b j e k t i v e n Hechts o r i e n t i e r t e s V e r f a h r e n — w i e d i e p o s i t i v r e c h t l i c h e V e r f a h r e n s a u s g e s t a l t u n g e r g i b t 1 7 8 : d e r gesetzlich fixierte S t r e i t - u n d Entscheidungsgegenstand, d i e G e l t u n g d e r V e r f a h r e n s m a x i m e n u n d d i e A u s w a h l d e r E i n s p r u c h s - u n d Beschwerdeberechtigten 1 7 ®. G e s t r i t t e n u n d entschieden w i r d ü b e r d i e Gültigkeit der Wahl. Subj e k t i v e R e c h t s v e r l e t z u n g e n s i n d n i c h t ( S t r e i t - ) Gegenstand, s o n d e r n k ö n n e n n u r A n l a ß des V e r f a h r e n s s e i n 1 8 0 . D e n I n d i v i d u a l r e c h t s s c h u t z v o n W ä h l e r u n d Partei bezweckt u n d beinhaltet die W a h l p r ü f u n g nicht; a l l e n f a l l s b e w i r k t sie i h n . N i c h t u n m i t t e l b a r , höchstens m i t t e l b a r , n i c h t m o t i v i e r t , s o n d e r n reflexweise, n i c h t p r i n z i p a l i t e r , a l l e n f a l l s i n z i d e n t e r h a t d i e W a h l p r ü f u n g ü b e r s u b j e k t i v e R e c h t s v e r l e t z u n g e n z u befinden. Das V e r f a h r e n w i r d ü b e r w i e g e n d 1 8 1 n i c h t v o n d e r D i s p o s i t i o n s m a x i m e 1 8 2 , s o n d e r n d e r O f f i z i a l m a x i m e 1 8 8 beherrscht, w a s sich aus d e n §§ 1 A b s . 2; 2 A b s . 6; 11 Satz 2 B W P r ü f G e r g i b t . 178 Treffend Bettermann, AöR 86 (1961) S. 144. Die Verfahrensgestaltung erachten ferner für wichtig Babel, Diss. S. 11; Schumann, Verfassungsbeschwerde S. 86; Stephan, Rechtsschutzbedürfnis S. 153 (mit falscher Schlußfolgerung). Dagegen wird vom vorgegebenen Zweck der Wahlprüfung argumentiert von Molitor, AöR 34 (1915) S. 264; Greeve, Diss. S. 94, 95 u. F N 1, S. 122 u. F N 2; O V G Koblenz AS 6 S. 341; Geller-Kleinrahm-Fleck, Verfassung Art. 33 Anm. 2. 179 Z u diesen Kriterien auch Goessl, Organstreitigkeiten S. 174 f. und diesem folgend Stephan, Rechtsschutzbedürfnis S. 90—95. 180 Insoweit richtig BVerfGE 22 S. 281. V g l auch O V G Koblenz AS 2 S. 242 f.; 6 S. 340; J. Becker, D Ö V 1959 S. 706; Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 26. 181 Ein Verfahren kann unter der Geltung der Dispositionsmaxime begonnen und unter der Herrschaft der Offizialmaxime beendet werden. Dazu Stephan, Rechtsschutzbedürfnis S. 92 u. F N 399. 181 Klarer Ausfluß der Dispositionsmaxime ist allerdings § 2 Abs. 1 B W PrüfG. Hierzu Seifert, BWahlG S. 322; Trossmann, Parlamentsrecht S. 289; Schäfer-Jekewitz, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit I I S. 238. Gemäß § 2 Abs. 1 BWPrüfG kann der Einspruchsführer — anders als nach der Regelung der §§ 3 Abs. 1; 5 Abs. 1 Weim. WPrüfO — das tatsächliche Streitprogramm bindend festlegen: also bestimmen, in welchem verfahrensmäßigen und organisatorischen Umfang die Wahl überprüft wird. So auch Seifert, BWahlG S. 321 f.; D Ö V 1967 S. 232; Schäf er-Jekewitz, a.a.O. Gleicher Ansicht offenbar BVerfGE 16 S. 144; WR.-W. VerfGH, OVGE Lüneburg und Münster 19 S. 2951; OVGE Münster 22 S. 66; Bad.-Württ. VGH, ESVGHE 8 S. 73; OVG Koblenz, AS 2 S. 218; Busse, Diss. S. 28 i. V. m. S. 24; Karpenstein, Diss. S. 100; Schiller, Diss. S. 13, 97; Spreng-Birn-Feuchte, Verfassung Art. 31 Anm. 2. A. A. wohl Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 21; Grawert, D Ö V 1968 S. 751; Greeve, Diss. S. 96. Die landesrechtlichen Bestimmungen sind nicht einheitlich. Die hier vertretene Auffassung harmoniert mit der Regelung der §§ 1 Abs. 2 Satz 2, 3; 9 Abs. 2 Satz 2 LWPrüfG Baden-Württemberg. Anders gestaltet ist die Rechtslage durch Art. 59, 61 LWahlG Bayern; § 6 Abs. 1 LWPrüfG Hessen sowie § 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 LWPrüfO Rheinland-Pfalz. 188 So auch Seifert, BWahlG S. 322; D Ö V 1968 S. 751; Kaisenberg, in: HdbDStR I S. 405; Karpenstein, Diss. S. 1001; Cornelius, JW 1921 S. 810;

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

Voraussetzung für den Wahleinspruch nach § 2 Abs. 1 BWPrüfG ist weder ein allgemeines staatspolitisches Interesse 184 noch ein spezifisches Feststellungsinteresse 185 , geschweige denn das Vorliegen einer Beschwer. Jeder Wahlberechtigte kann anfechten ohne Rücksicht auf die Verletzung eigener oder fremder Rechte. Nicht der quivis ex populo, wohl aber der quivis activus ex populo kann anfechten 186 . Der Einspruch nach § 2 Abs. 1 BWPrüfG gibt kein eigentliches Klagerecht 1 8 7 . Ist das Wahlprüfungsverfahren infolge Einspruchs i n Gang gekommen, so läuft es unter der Leitung des Wahlprüfungsausschusses grundsätzlich von selbst weiter. Der Einspruchsführer bleibt auf die Rolle eines Verfahrensbeobachters m i t schlichter Anregungsbefugnis beschränkt — arg. §§ 6 Abs. 2 Satz 1; 5 Abs. 4 Satz 2; 9 BWPrüfG. I m Rahmen der Antragsund Entscheidungsverfahren durch den Ausschuß und das Plenum ist der Wahlanfechter endgültig ausgeschaltet — arg. §§ 10 Abs. 2; 11; 12 BWPrüfG. Hier ist er einflußlos und rechtlos. Selbst das rechtliche Gehör entfällt. Ebenso ist der Verlust des Wahlrechts, der Tod des Anfechtenden oder die Zurücknahme des Einspruchs für den Fortgang der Untersuchung irrelevant — arg. § 2 Abs. 6 BWPrüfG 1 8 8 . Infolgedessen ist der Wahleinspruch weder Interessenten- noch Individualeinspruch 1 8 0 , sondern schlichtes Initiativrecht: ein i m öffentlichen Interesse gewährtes bloßes Verfahrensanstoßrecht 190 . Auch der Kreis der Beschwerdeberechtigten nach § 48 BVerfGG zeigt zur Genüge, daß das Wahlprüfungsverfahren nicht dem Individualrechtsschutz des einzelnen Aktivbürgers oder der noch nicht i m Parlament vertretenen Partei zu dienen bestimmt ist. Vielmehr belegt und bekräftigt die Regelung die bereits gefundene Erkenntnis, daß die Wahlprüfung ausschließlich den rechtmäßigen personellen Parlamentsbestand garantieren soll. Denn nur Organteile oder Molitor, AöR 34 (1915) S. 265; Kluge, Diss. S. 43; Gebhard, Verfassung S. 194. 184 Die Ausübung des Wahlrechts ist nicht erforderlich. iss D e r Kreis der Einspruchsberechtigten ist nicht auf denjenigen Stimmbezirk oder Wahlkreis beschränkt, in welchem Wahlnormwidrigkeiten gerügt werden. 186 Z u den historisch vererbten Gründen dieser — inkonsequenten — Regelung Hatschek, Parlamentsrecht I S. 510 f.; Leser, Diss. S. 68—72. 187 Insofern richtig Seifert, BWahlG S. 322. Ebenso früher v. Seydel, Verfassungsurkunde S. 207; Gebhard, Verfassung S. 194. 188 Die Vorschrift ist auf die übrigen der genannten Fälle analog anwendbar. Die dargestellte Auffassung war schon vor der Einführung des § 2 Abs. 6 BWPrüfG in Praxis und Lehre anerkannt. 189 Dazu Bettermann, in: Festschrift Kyriacopoulos S. 809; Lerche, in: Die Grundrechte I V / 1 S. 517. 190 So schon W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung S. 63; SüsterhennSchäfer, Verfassung Art. 82 Anm. 4; Anschütz, Weimarer Verfassung Anm. 3; Kluge, Diss. S. 43; Picenoni, Kassation S. 238; Greeve, Diss. S. 94; v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht S. 437; Kaisenberg, in: HdbDStR I S. 405.

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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Gruppierungen des Bundestages: beschwerte Abgeordnete, Fraktionen und qualifizierte Bundestagsminderheiten 191 können das Beschwerdeverfahren i n Gang bringen. Dagegen ist der rechtswidrig von der Wahl ausgeschlossenen oder sonstwie beschwerten Splitterpartei und dem einzelnen Aktivbürger dieses Recht versagt. Zwar hat dieser die Möglichkeit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu erzwingen: nicht aber allein, sondern nur zusammen m i t einhundert weiteren Wahlberechtigten. Nicht individueller, allenfalls kollektivierter Rechtsschutz w i r d gewährt. Vor allem aber w i r d kein subjektiver Rechtsschutz gewährt; denn nicht die materielle Beschwer ist erforderlich, sondern die formelle Beschwer, die Zurückweisung durch den Bundestag, ausreichend. Deshalb kann die Wahlprüfung nicht über individuelle Rechtsverletzungen des Aktivbürgers und der politischen Partei i n Form der Wahlbeteiligungs-, Wahlbewertungs- und Wahlauswertungsfehler befinden — wegen ihrer insoweit 1 9 2 konträren positivrechtlichen Ausgestaltung: w e i l sowohl der Streit- und Entscheidungsgegenstand als auch die Verfahrensmaxime und die Regelung der Einspruchs- und Beschwerdebefugnis für ein am objektiven Recht orientiertes, i m öffentlichen Interesse garantiertes Verfahren sprechen. d) Daran kann A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 nichts ändern. Denn es ist verfehlt, diese Vorschrift als M i t t e l zur Funktionsöffnung eines anderen grundgesetzlich konzipierten Verfahrens einzusetzen. Das gibt A r t . 19 Abs. 4 nicht her. Seine Reichweite erstreckt sich auf die Wahlprüfung nicht 1 9 8 . So wenig A r t . 19 Abs. 4 den Rechtsweg gegen Entscheidungen des Bundestags über die Ungültigkeit eines einzelnen Mandats eröffnet 1 9 4 , so wenig er die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen 191 Insoweit werden auch hier wie bei § 76 BVerfGG die Spannungen zwischen Mayorität und Minorität der Rechtskontrolle nutzbar gemacht. Hierzu Kelsen, V V D S t R L 5 S. 75; Spanner , österr. Z. öff. R. n. F. 5 (1953) S. 330; Babel , Normenkontrolle S. 14 f. 192 Anders verhält es sich für den Fall, daß (rechtswidrig) in die Rechtsstellung des erfolgreichen Wahlbewerbers eingegriffen und diesem der Status des Abgeordneten vorenthalten wird. Dazu schon oben F N 177. 193 So auch Maunz-Dürifif-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28; Werbke/Buschbeck, Bad.-Württ. VB1 1969 S. 151; BVerwG , Bad.-Württ. VB1 1969 S. 122. Ebenso wohl Maunz-Sigloch-Schmidt Bleibtreu-Klein, BVerfGG § 13 Nr. 3 Rdn. 33; Greeve, Diss. S. 158—160; Zuck , D Ö V 1961 S. 499; Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 88 und BVerfGE 1 S. 432, wo Art. 19 Abs. 4 Satz 1 als Prüfungsmaßstab innerhalb der Wahlprüfung und ihrer gesetzlichen Ausgestaltung (§ 48 BVerfGG) abgelehnt wird. A. A. offenbar Hoegner, Lehrbuch S. 74; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338; Suttner , Diss. S. 213 (gegen S. 211 f.); Nawiasky-Leusser-Schweiger-Zacher, Verfassung Art. 33 Rdn. 4, die eine Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 innerhalb der Wahlprüfung nicht für ausgeschlossen erachten. 194 Insoweit enthält Art. 41 Abs. 2 eine abschließende Regelung. Hierzu auch Goessl , Organstreitigkeiten S. 223; Seifert , BWahlG S. 65.

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die Wahl als solche zuläßt 1 9 5 , so wenig ist er geeignet, die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung zu beeinflussen. Diese ist durch A r t . 41 m i t geschrieben 196 . Primär durch seine Auslegimg ist sie zu ermitteln. Die historische, genetische und systematische Interpretation aber ergibt eindeutige Indizien für das ausschließliche Bestehen der Mandatserwerbsprüfung. Dann muß der Rückgriff auf A r t . 19 Abs. 4 an dieser Stelle versperrt sein. A r t . 19 Abs. 4 kann dazu dienen, außerhalb eines besonderen, verfassungsrechtlich verankerten Rechtswegs Rechtsschutzlücken zu schließen 197 ; nicht aber kann er dazu bemüht werden, innerhalb desselben Funktion und Charakter des Verfahrens zu modifizieren 1 9 8 . A r t . 19 Abs. 4 ist gegenüber anderen grundgesetzlichen Rechtswegnormen Supplementärnorm, nicht aber Kollisionsnorm: weder Integrations-, noch Invasions- oder gar Friktionsnorm! Deshalb kann A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 die Funktion der Wahlprüfimg nicht beeinflussen. Insgesamt gesehen läßt sich feststellen, daß die immanent und total betriebene verfassungssystematische Auslegung das durch historische und genetische Interpretation des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 gewonnene funktionelle Verständnis der Wahlprüfung nicht verändert — i m Gegenteil immanent sogar eindeutig bestätigt 1 9 9 . VI. Einfachgesetzliches Verständnis der Wahlprüfung Nachfolgend w i r d untersucht, ob sich Gegenteiliges aus einfachgesetzlichen Aussagen ergibt. Dabei kann die Berechtigung der Fragestellung nicht schon m i t der Begründung geleugnet werden, daß A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 nicht unter einfachgesetzlichem Auslegungsvorbehalt steht. So richtig das grundsätzlich ist, so wenig erscheint es praktisch gesichert, den Aussagewert gerade dieser Verfassungsnorm 200 ohne Rücksicht auf 195 Insoweit hat Art. 41 Abs. 1 Satz 1 den Vorrang. Dazu auch Greeve, Diss. S. 160; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28; Zuck, a.a.O.; Suttner, a.a.O. 196 Institutionell betrachtet, hat der Grundgesetzgeber durch Art. 41 (!) die Verfahrensfunktion abschließend festgelegt. Daß die Auslegung — wie so oft — erst die Konturen erkennen läßt, steht dem nicht entgegen. 197 Vgl. etwa die Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 gegenüber Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, 2. Hierzu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 789, 824 einerseits und Bettermann, AöR 86 (1961) S. 154 f. andererseits. Ferner Bachof, AöR 86 (1961) S. 187; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 18; Renck, Gesetzgebungsbefugnis S. 78, 79 u. F N 7; Herzog, BayVBl 1961 S. 371. Wenig überzeugend BVerfGE 24 S. 50, dessen Argumentation nicht widerspruchsfrei erscheint. 198 Etwa kann Art. 19 Abs. 4 Satz 1 nicht dazu benutzt werden, das qualifizierte Antragsrecht in den Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, 2 zu erweitern. Wie im Text auch jüngst Bad.-Württ. VGH, Bad.-Württ. VB1 1970 S. 91. 199 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 1. a), b). 200 Art. 41 darf als ein ebenso historisch wie einfachgesetzlich geprägtes „Konzentrat" im Sinne Lerches, Z Z P 78 (1965) S. 11 f. angesehen werden.

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den unterverfassungsrechtlichen Hechtsstoff samt dessen Verbindungen und Begrenzungen zu bestimmen 2 0 1 . Zumindest als Probe auf das Exempel sind die folgenden Überlegungen zu verstehen. 1. Bedeutung des § 13 Nr. 3 BVerfGG Die Wendung des § 13 Nr. 3 BVerfGG „Entscheidungen des Bundestags, die die Gültigkeit einer Wahl oder den Erwerb der Mitgliedschaft beim Bundestag betreffen" rechtfertigt nicht die funktionelle Erstrekkung der Wahlprüfung auf die Stimmergebnisprüfung 2 0 2 . Einmal ist die Berufung auf den Wortlaut schon i m Hinblick auf die Fassung des § 48 BVerfGG wenig ergiebig. Zum anderen befaßt sich § 13 Nr. 3 BVerfGG m i t der A r t oder dem Inhalt des Beschwerdegegenstandes — nicht dagegen m i t den sachlichen Voraussetzungen seines Ergehens und Bestehens. Die Vorschrift läßt allenfalls erkennen, welche Entscheidung des Bundestags i m Rahmen der Wahlprüfung ergehen kann 2 0 3 , nicht aber sagt sie, wann und unter welchen Bedingungen sie ergehen muß 2 0 4 . § 13 Nr. 3 BVerfGG erlaubt höchstens Rückschlüsse auf den Entscheidungsausspruch, keineswegs aber auf den Entscheidungsgegenstand. Beide können, müssen aber nicht identisch sein 2 0 5 . Deshalb kann aus § 13 Nr. 3 BVerfGG nichts hergeleitet werden. Denn nicht nur die Kassation einzelner Mandate, sondern auch die Feststellung der Ungültigkeit des Wahlakts und seine Aufhebung erfolgen i m Zuge und zum Zwecke der Rechtmäßigkeitsfeststellung der Mandate 2 0 6 — w e i l die Wahlprüfung nicht (mehr) formelle, sondern materielle Mandats201 Vgl. zur Methode Lerche, aaO; Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung (Tübingen 1964) S. 5, 23, 64. Zur Sache Gebhard, Verfassung S. 193. 202 Irrig Seifert, BWahlG S. 62; D Ö V 1967 S. 235 und F N 18. 208 Selbst diese Feststellung, deren Inhalt und Bedeutung nicht unbeträchtlich hinter der Position Seiferts verbleibt, erscheint problematisch. Angesichts der wenig präzisen Formulierung („betreffen") liegt die Annahme nahe, daß § 13 Nr. 3, Halbsatz 2 BVerfGG lediglich die Umschreibung für die Worte „in seiner Eigenschaft als Prüfungsorgan des Art. 41 Abs. 1 GG" enthält. Bei dieser Auslegung würde § 13 Nr. 3 BVerfGG eo ipso der von Seifert behauptete indizielle Bezug zum Entscheidungsgegenstand der Wahlprüfung fehlen. 204 Vgl. auch Schiller, Diss. S. 37 f. I n der Sache ähnlich schon früher Kühn, Formen des Rechtsschutzes S. 37 f.; Kress v. Kressenstein, Diss. S. 95 f. 205 Vgl. Goessl, Organstreitigkeiten S. 197. 206 Das verkennt Seifert, D Ö V 1967 S. 235, wenn er glaubt, BVerfGE 4 S. 372 f. habe zur Konsequenz, daß nur die Rechtmäßigkeitsfeststellung der Mandate möglich sei. Insofern ist auch die Ansicht von v. Seydel, Annalen 1880 S. 387 überholt, wenn er meint: „Streng juristisch gesprochen kann allerdings die Entscheidung des Reichstags nie auf Nichtigerklärung der Wahlhandlung, sondern nur dahin gehen, daß A nicht als erwählter Abgeordneter anerkannt wird." Dieser Satz war nur für § 112 Paulskirchenverfassung und Art. 27 Bismarckverfassung richtig — arg. „seiner Mitglieder".

6 Olschewski

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

erwerbsprüfung ist. Der Wahlakt w i r d nicht prinzipaliter, sondern inzidenter, nicht per se, vielmehr nur durch seine Bedeutung für das personelle Wahlergebnis zum Gegenstand der Entscheidung. Gerade w e i l die Wahlprüfung der Erzielung der materiell rechtmäßigen Parlamentszusammensetzung zu dienen bestimmt ist, muß der Bundestag den Wahlakt — ganz oder teilweise — aufheben und Wiederholungswahl anordnen, wenn auch nur einem aussichtsreichen Wahlbewerber oder einer chancenreichen Partei die Kandidatur rechtswidrig versagt wurde. Denn die Parlamentszusammensetzung ist auf jeden Fall rechtswidrig. Nur weiß man nicht, wie sie rechtmäßig ist. Denn die Entscheidung der Gesamtaktivbürgerschaft ist fehlerhaft und damit als Maßstab für die Bestätigung oder Versagung der Mandate untauglich. Deshalb muß der Bundestag i m Einzelfall, unter Zurückstellung der endgültigen Entscheidung 2 0 7 , die Schaffung neuer, zuverlässiger Entscheidungsgrundlagen anordnen 2 0 8 . Der Wahlakt ist i m Sinne von § 13 Nr. 3 BVerfGG zu kassieren, u m die Gültigkeit der Wahl, also die Rechtmäßigkeit des Parlamentsbestands zu garantieren. 2. Argumentation aus § 43 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG Es w i r d behauptet, die Regelung des § 43 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG spreche gegen die Lehre von der ausschließlichen Verfahrensfunktion der Wahlprüfung 2 0 0 . Die Vorschrift ordnet die Nachwahl an, „wenn i n einem Wahlkreis oder einem Wahlbezirk die Wahl nicht durchgeführt worden ist". Diese Argumentation hält nicht Stich. Richtig ist allein, daß die Norm das Wahlrecht garantiert, obwohl seine Ausübung i m Wahlbezirfc 210 möglicherweise ohne entscheidenden Einfluß auf die personelle Staatsorganbildung bleibt. Das ist sinnvoll. Einmal läßt sich die Bedeutung der Nachwahl für die Mandatsverteilung nicht immer i m voraus m i t Gewißheit feststellen. Selbst dann aber, wenn ihre Bedeutungslosigkeit von Anfang an ersichtlich ist 2 1 1 , macht es einen grundsätzlichen Unter207 Nämlich der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Mandatserwerbe. 208 I n der Sache handelt es sich dabei um einen Zwischenbeschluß materiellen Inhalts. 209 Seifert, BWahlG S. 341. 210 Nachwahlen im Wahlkreis sind stets mandatserheblich. 211 Eine solche Konstellation ist im Einzelfall bei Nachwahlen im Stimmbezirfc denkbar, da das Wahlresultat der übrigen Stimmbezirke des Wahlkreises so eindeutig sein kann, daß der Wahlkreisbewerber ohne Rücksicht auf die noch ausstehende Stimmbezirksnachwahl auf jeden Fall über die Erststimme gewählt ist. Eine solche Irrelevanz der Stimmbezirksnachwahl kann es auch hinsichtlich der Zweitstimme geben. Nur ist die einwandfreie Bedeutungslosigkeit hier noch schwieriger festzustellen.

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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schied, ob die Ausübung des Hechts versagt oder gewährt wird. Denn auf mehr als „ergebnislose" Teilnahme an der Wahl hat der Staatsbürger niemals ein Recht — auch nicht am Wahltag 2 1 2 . Daraus aber folgt für die Wahlprüfung nichts. Der Gedanke, die Ausübimg des Wahlrechts zu erhalten, versagt: Denn i m Zeitpunkt der Wahlprüfung ist gewählt, der Wahlakt liegt vor. Darüber aber, ob und i n welchem Umfang das erhaltene und ausgeübte Recht i m Falle seiner Beeinträchtigung sanktioniert, restituiert werden soll und muß, bestimmt § 43 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG gar nichts. Die Norm garantiert die Wahltätigkeit, nicht die Rechtmäßigkeit behördlicher Wahlauswertung 2 1 3 . 3. Wahlorgane gegen Wahlprüfungsorgane Auch m i t der Regelung der §§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 BWahlG und den Vorschriften der §§ 19 Abs. 5, 28 B W a h l O 2 1 4 sowie der Norm des § 40 Satz 2 BWahlG läßt sich die funktionelle Erweiterung der Wahlprüfung auf die Stimmergebnisprüfung nicht begründen. Nach diesen Vorschriften haben die verschiedenen Wahlorgane — Landeswahlausschuß, Bundeswahlausschuß, Kreiswahlleiter, Kreiswahlausschuß — auf A n t r a g 2 1 5 oder von Amts wegen 2 1 6 das Recht und die Pflicht, über individuelle Wahlbeteiligungsfehler oder Wahlbewertungsfehler zu befinden. Indessen läßt sich diese Befugnis nicht a maiori auf die Wahlprüfungsorgane übertragen. Einmal deshalb nicht, w e i l das Wahlprüfungsverfahren — wie gezeigt 2 1 7 — ein objektives und kein subjektives Verfahren ist. Zum anderen ist der Sinn der Prüfungszuständigkeiten verschieden. Da es Aufgabe der Wahlorgane ist, den K o l lektivwahlakt der Gesamtaktivbürgerschaft gemäß dem objektiven Wahlrecht vorzubereiten und offenbar werden zu lassen, müssen sie diese Pflicht auch so erledigen, wie es der Zweck ihrer Tätigkeit gebietet. Sie müssen den Wahlakt dokumentieren, nicht dürfen sie i h n subjektivieren. Sie müssen den Gesamtwählerwillen manifestieren, sie dürfen nicht eigene, dem objektiven Wahlrecht widersprechende Entscheidungen perpetuieren. Damit würden sie den Umfang ihrer Befugnisse über212 Denn der Aktivbürger wählt zwar allein; er beruft aber nicht allein. Seine Wahl ist mit der Wahlberufung nicht identisch. 218 I m Ergebnis wie hier Schiller, Diss. S. 88. 214 Die genannten Vorschriften enthalten die verwaltungsmäßigen Rechtsbehelfe, auf welche § 50 BWahlG verweist. 215 N U r auf Antrag werden die Wahlorgane in den in FN. 214 genannten Fällen tätig. 216 217

6*

Das gilt für den Fall des § 40 Satz 2 BWahlG. Siehe oben im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 4.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

schreiten. Die Wahlorgane leiten und kontrollieren den Gesamtwahlakt, nicht aber w i r k e n sie daran wählend m i t 2 1 8 . Sie sind gleichsam die „Geburtshelfer" beim Vorgang der primären Staatswillens- und Organbildung. Anders beim parlamentarischen Wahlprüfungsorgan. So wenig der Bundestag gegenüber der Gesamtaktivbürgerschaft und ihrer kollektiven Wahltätigkeit Assistenzpflichten wahrnimmt, so wenig er „Geburtshelfer", sondern „Geburtsfrucht" ist, so wenig w i r d seine Prüfungsund Entscheidungskompetenz durch die Möglichkeit schlichter WahlaktRechtswidrigkeiten legitimiert. Nicht diese sind es, die die Zuständigkeit des Bundestages rechtfertigen; vielmehr ist es seine Autonomie, das Recht der Entscheidung über Sitz und Stimme i m „eigenen Haus" 2 1 9 . 4. Berücksichtigung des § 31 Abs. 3 Satz 1 BWahlG Vordergründig erscheint es, die Wahlprüfung deshalb zur Stimmergebnisprüfung umfunktionieren zu wollen, w e i l § 31 Abs. 3 Satz 1 BWahlG die Reihenfolge der Landeslisten von Parteien auf den Stimmzetteln von der Zahl der bei der letzten Bundestagswahl i m Land erreichten Zweitstimmen abhängig macht 2 2 0 . Denn es reicht nicht jede Stimmverschiebung, u m die Reihenfolge der Landeslisten zu beeinflussen. Vielmehr sind solche erforderlich, die das Kräfteverhältnis unter den Parteien beeinträchtigen. Ist das aber der Fall, dann sind erst recht die für die parlamentarische Sitzvergabe maßgebenden „Höchstzahlen" verändert — ergo ist auch die Sitzverteilung gesetzwidrig 2 2 1 . 5. Einbeziehung des § 18 Abs. 2, Abs. 3 ParteienG Auch m i t der an die Stimmenzahl anknüpfenden Regelung des § 18 Abs. 2, Abs. 3 ParteienG über die Wahlkampfkostenerstattung läßt sich der — angebliche — Funktionswandel der Wahlprüfung nicht belegen 222 . Zwar ist es richtig, daß die Parteien nicht n u r 2 2 3 ein politisches Renommierinteresse, sondern vor allem handfeste finanzielle Interessen an der materiellen Rechtmäßigkeit auch und gerade des Stimmergebnisses haben. Denn wie jedes Wählervotum für eine Partei dieser 2,50 Deutsche Mark bringt, so macht jede durch die Wahlbehörden oder Wahl218

Hatschek, Parlamentsrecht I S. 350. Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 1. a), b). 220 So aber Seifert, BWahlG S. 341. 221 Erkannt von Schiller, Diss. S. 16 f. Verkannt von Karpenstein, S. 27 F N 34. 222 A. A. offenbar Seifert, D Ö V 1967 S. 239. 223 Das verkennt Karpenstein, Diss. S. 27. 219

Diss.

§ 6. Endgültige Bestimmung der Verfahrensfunktion

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organe verursachte Stimmrechtswidrigkeit diese Aussicht zunichte — gleichermaßen der individuelle Wahlbeteiligungs- wie Wahlbewertungsund Wahlauswertungsfehler. a) Unbegründet ist dagegen die Erwartung, die Wahlprüfung müsse diese „spes argentea" zu „harter Münze" verwandeln. Einmal kann sie das bei Wahlbeteiligungsfehlern ohnehin nicht 2 2 4 . Denn die Wahlprüfungsorgane wissen nicht — und dürfen es auch nicht erforschen 225 — welcher Partei der einzelne Aktivbürger seine Stimme geben wollte. Damit aber verliert die Argumentation vom wahlprüfungsrechtlichen Funktionshebel des § 18 ParteienG bereits an Überzeugungskraft. b) Zum anderen steht die Begründung dafür aus, daß nur die Wahlprüfungsorgane eine Korrektur an den Stimmergebnissen vornehmen könnten 2 2 6 . Wenn das wegen A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 nicht der Fall ist 2 2 7 , bleibt den Parteien die Möglichkeit einer (verwaltungs-)gerichtlichen Klage 2 2 8 — sofern dafür ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen sollte 2 2 9 . Die Wahlprüfung jedenfalls kann es nicht befriedigen — was die gesetzliche Abgrenzung der nach § 48 BVerfGG Beschwerdeberechtigten hinreichend erkennen läßt. Danach sind die politischen Parteien gerade nicht für die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht aktivlegitimiert280! c) Schließlich kann § 18 ParteienG auch und vor allem deshalb nicht die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung beeinflussen, w e i l sich die 814 Das übersieht Seifert, a.a.O. Auch hier zeigt sich die Unmöglichkeit, einerseits die Kontrolle der rechtmäßigen Volkswillensbildung zu postulieren, andererseits aber die Wahlprüfung auf die Stimmergebnisberichtigung zu limitieren. 225 Siehe oben die Nachweise zu F N 176. 226 So Seifert, D Ö V 1967 S. 236; BWahlG S. 224. Dazu unten im Text Vierter Teil § 16. B. 227 Jede Partei hat ein subjektiv-öffentliches Recht auf rechtmäßige Verwertung der auf sie entfallenen Stimmen. Ebenso wenig fehlt es an der individualisierbaren Beschwer. Denn jeder rechtswidrig bewertete oder ausgewertete Stimmzettel läßt erkennen, welcher Partei er zukommen soUte. Ergo kann i m EinzelfaU stets festgesteUt werden, wer durch rechtswidrige Maßnahmen der Wahlorgane beschwert ist: ob die eine oder die andere Partei. 228 Gegen Entscheidungen der Wahlorgane ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 V w G O gegeben. Dieses Ergebnis erbringt der Vierte Teil der. Arbeit. Richtige Klageform wäre die Verpflichtungs- oder Leistungsklage, je nachdem, ob man die Entscheidungen der Wahlorgane bei der Wahlergebnisermittlung, d. h. ihre Bewertungs- und Auswertungsakte als Verwaltungsakte oder schlichte Amtshandlungen ansehen will. Auch für den Fall der Leistungsklage wäre analog § 113 Abs. 4 V w G O die rechtswidrige Entscheidimg des Wahlorgans inzidenter aufzuheben. Vgl. auch unten im Text Vierter Teil § 16. B. 229 Vgl. unten i m Text Vierter Teil § 16. B. 280 Hierzu auch BVerfGE 2 S. 303 f.

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

Vorschrift damit überhaupt nicht befaßt. § 18 ParteienG legt der Wahlkampfkostenerstattung das „endgültige Wahlergebnis" zugrunde. Was darunter zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht gesagt 231 . Zwei Möglichkeiten sind denkbar: das ursprüngliche, amtlich festgestellte Wahlergebnis (§§ 73 Abs. 2, 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 BWahlO) 2 3 2 oder das nachträgliche, wahlprüfungsrechtlich korrigierte Wahlergebnis (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 BWPrüfG). Die Entscheidung kann i n diesem Zusammenhang dahinstehen. Zwar mag es denkbar sein, daß §18 ParteienG die Entscheidung der Wahlprüfung nicht ignoriert, sondern honoriert. Undenkbar dagegen ist es, daß er die Voraussetzungen ihres Ergehens tangiert oder qualifiziert. Die Vorschrift bestimmt — wenn überhaupt 2 3 3 — etwas darüber, was zu geschehen hat, wenn die Entscheidung der Wahlprüfung ergangen ist, nicht aber sagt sie irgend etwas dazu, wann und unter welchen Bedingungen sie ergehen muß. § 1 8 ParteienG ist (wahlprüfungsrechtliche) Entscheidungsbefolgungsnorm, nicht aber Entscheidungserzwingungs- oder gar Gestaltungsnorm. Die Bestimmung gibt der Partei das Recht, gemäß dem korrigierten Wahlergebnis zu liquidieren. Dagegen verleiht sie ihr keine Befugnis, das „ob" und „ w i e " der Korrektur zu diktieren. I n der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen die Wahlprüfung reagieren muß, schweigt sich § 18 ParteienG aus. Das regelt allein A r t . 41 Abs. 1 Satz 1. Der aber und seine Auslegung sprechen gegen die schlichte Stimmergebnisprüfung. Insgesamt gesehen läßt sich feststellen, daß die untersuchten einfachgesetzlichen Regelungen der verfassungsrechtlich getroffenen Verfahrenszweckbestimmung der Wahlprüfung nicht widersprechen. Sie berühren sie nicht. § 7. Abschließende Betrachtung zur Wahlprüfung Die Untersuchung der Wahlprüfung auf ihren Gegenstand und ihre Funktion hat die Auffassung der gegenwärtigen Lehre nicht i n ihren Gründen 1 , wohl aber i m Ergebnis bestätigt. 281

Ein Blick in die Materialien — Drs. Dt. Btag 5. W P (1965) S. 1339, 1918, 1974 und Drs. Dt. Brat 364/67 — zeigt, daß sich der Gesetzgeber der Zusammenhänge mit der Wahlprüfung nicht bewußt war. 232 So Irene Maier, Parteiengesetz (Opladen 1968) § 18 Anm. 32. 288 Unter Umständen legt § 18 ParteienG sogar das amtliche Wahlergebnis zugrunde. Dafür spricht der Gedanke der Rechtssicherheit: die Vermeidung der sich aus § 2 Abs. 4 Satz 2 BWPrüfG ergebenden Möglichkeit ständiger Nachzahlungs- und RückZahlungsansprüche. Dagegen sprechen ebenso rechtslogische Erwägungen — bei mandatserheblichen Stimmbewertungsoder Auswertungsfehlern wird das amtliche Wahlergebnis kassiert (!) — wie Gesichtspunkte der (finanziellen) Gerechtigkeit. 1 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. A. I. 2.

§ 7. Abschließende Betrachtung zur Wahlprüfung

87

D i e W a h l p r ü f u n g n i m m t d e n G e s a m t w a h l v o r g a n g i n seiner v o l l e n S p a n n b r e i t e v o m A n b e g i n n d e r W a h l v o r b e r e i t u n g bis h i n z u r e n d g ü l t i gen p a r l a m e n t a r i s c h e n S i t z v e r t e i l u n g z u m Gegenstand i h r e r P r ü f u n g . Diesem größtmöglichen2 Prüfungsgegenstand korrespondiert der engstmögliche Verfahrenszweck. D i e W a h l p r ü f u n g d i e n t w e d e r g e n e r e l l d e r S a n k t i o n i e r u n g des o b j e k t i v e n Wahlrechts, noch g a r a n t i e r t sie i n unbeschränktem U m f a n g die Rechtmäßigkeit der Volkswillensbildung. D i e W a h l p r ü f u n g bezweckt v i e l m e h r d i e E r z i e l u n g rechtmäßiger M a n date, i n t o t o : d e n gesetzmäßigen personellen Parlamentsbestand. D a m i t b e w i r k t sie zugleich i n b e s c h r ä n k t e m U m f a n g d e n Schutz d e r G e s a m t a k t i v b ü r g e r s c h a f t v o r r e c h t s w i d r i g e r B e e i n t r ä c h t i g u n g i h r e r Entscheid u n g : sofern i n f o l g e R e c h t s w i d r i g k e i t des W a h l a k t s auch die M a n d a t s v e r t e i l u n g r e c h t s w i d r i g i s t oder doch sein k a n n 8 . D e r S t r e i t - u n d Entscheidungsgegenstand d e r W a h l p r ü f u n g i s t die Gültigkeit der W a h l , sprich: die R e c h t m ä ß i g k e i t der p a r l a m e n t a r i s c h e n M a n d a t s v e r t e i l u n g — w e i l d i e W a h l p r ü f u n g ausschließlich m a t e r i e l l e L e g i t i m a t i o n s p r ü f u n g , M a n d a t s e r w e r b s p r ü f u n g ist. D a r i n stecken z w e i Entscheidungselemente: R e c h t s w i d r i g k e i t des W a h l v o r g a n g s und 4 nach-

1

An dieser Feststellung ändert es nichts, daß sich die Wahlprüfung nicht nur mit den Maßnahmen und Entscheidungen der Wahlbehörden und Wahlorgane, sondern auch mit sonstigen staatlichen, kirchlichen und privaten Handlungen befaßt, wenn und soweit sie die Rechtmäßigkeit der Wahlausübung als Grundlage einer rechtmäßigen Parlamentszusammensetzung beeinflußt haben oder haben können. Ebenso kann in diesem Zusammenhang die zeitliche Grenze der Wahlprüfung offen bleiben, wobei drei Möglichkeiten in Betracht kommen: Einmal der Abschluß der vorangegangenen Wahl, zum anderen die Eröffnung des (neuen) Wahlkampfes, sofern sich dieses Datum fixieren läßt und schließlich die Anordnung der (neuen) Wahl nach § 17 BWahlG. Alle diese Erwägungen sind für Zahl und Umfang möglicher Wahlungültigkeitsgründe von Bedeutung; sie ändern nichts daran, daß nur das Wahlverfahren total oder partiell Prüfungs- und Aufhebungsgegenstand der Wahlprüfung ist. Gleiches gilt bei der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage im Verhältnis vom Anfechtungsgegenstand zu der Anzahl der Anfechtungs- oder Rechtswidrigkeitsgründe. Hier ging es allein darum zu zeigen, daß sich die Wahlprüfung mit sämtlichen Entscheidungen und Maßnahmen der Wahlbehörden und Wahlorgane befaßt und eben darum die Frage nach der Existenz oder Notwendigkeit individuellen Wahlrechtsschutzes gegen solche Akte präjudiziell sein könnte. Dazu siehe oben im Text § 1. S. 17 und die Darlegungen des Zweiten und Dritten Teils der A r beit. 8 Das Problem der ungewissen Kausalität stellt sich bei der Wahlprüfung zwangsläufig immer dann, wenn es um Beteiligungsfehler geht (anders bei den Bewertungs- und Auswertungsfehlern). Hierzu statt aller BVerfGE 4 S. 371 f.; VGH Kassel , DVB1 1967 S. 630; OVGE Berlin 9 S. 175; MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 38 Rdn. 55; Art. 41 Rdn. 28; v. MangoldtKlein , Grundgesetz I I Art. 41 Bern. I I I 1 e; Seifert, BWahlG S. 339; Kaisenberg, in: HdbDStR I S. 406 sowie § 1 Abs. 1 LWPrüfG Baden-Württemberg. 4 Deshalb ist es unrichtig, wenn Ball, Wahlprüfungsrecht S. 2; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 10 und OVG Lüneburg, OVGE 7 S. 307 die Rechtswidrig-

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1. Teil, 1. Abschnitt: Verweisungsgehalt des § 50 BWahlG

gewiesene oder doch mögliche Erheblichkeit für die Mandatsergebnisse. Damit liegen zugleich die Wahlungültigkeitsgründe und die Erfolgsvoraussetzungen der Wahlanfechtung fest. Wahlungültigkeitsgrund ist jede mandatserhebliche Rechtswidrigkeit des Wahlvorgangs. Der Wahleinspruch nach § 2 Abs. 1 BWPrüfG ist begründet, wenn infolge Normenverstoßes die Parlamentszusammensetzung gesetzwidrig ist 6 . Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab des Verfahrens ist die Rechtswidrigkeit des Wahlvorgangs. Sie reicht aber nicht aus; vielmehr ist Stimmrechtswidrigkeit erforderlich. Schlichte, d. h. wahlunerhebliche Rechtswidrigkeiten des Wahlvorgangs, die die Rechtmäßigkeit des Wahlakts nicht beeinflußt haben, bleiben außer Betracht. Aber selbst Stimmrechtswidrigkeit ist nicht genügend, sondern Mandatsrechtswidrigkeit notwendig. Nicht einfache, sondern qualifizierte gleich mandatserhebliche Stimmrechtswidrigkeit w i r d verlangt.

keit des Wahlvorgangs als „Vorfrage" oder „Nebenfrage" qualifizieren. Ebenso wenig ist es richtig — wie Loschelder, a.a.O. und auf S. 31 meint —, daß der Bundestag in einer bestimmten Reihenfolge prüfen muß. Allerdings wird es — aus verfahrensökonomischen Gründen — regelmäßig zweckmäßig sein, die Rechtswidrigkeit zu unterstellen und nach der Kausalität für die Mandatsergebnisse zu fragen. Zwingend ist das indessen nicht. 5 Hierzu auch das Antragsmuster bei Leibholz-Rupprecht, BVerfGG Anhang I I 2) S. 451 f.

Zweiter

Abschnitt

Der Ausschluß des subjektiven Wahlrechtsschutzes gemäß § 50 BWahlG Nach § 50 BWahlG „können Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, i m Wahlprüfungsverfahren angefochten werden". Damit verweist § 50 BWahlG den gegen solche Akte Individualrechtsschutz suchenden Aktivbürger und die sich i n ihrem passiven Wahlrecht verletzt glaubende politische Partei auf die an anderer Stelle eröffnete Möglichkeit der Wahlanfechtung 6 : also auf ein Verfahren, das es m i t der Rechtmäßigkeit der parlamentarischen Mandatsverteilung zu tun hat. Darauf beschränkt er sie — abgesehen von der i n unserem Zusammenhang 7 bedeutungslosen (zweiten) Verweisung i n den Verwaltungsweg des BWahlG und der BWahlO 8 . Nur i m Wahlprüfungsverfahren können Wahlhoheitsakte des § 50 BWahlG (auch) gerichtlich angefochten und solche Anfechtungsbegehren verfolgt werden. Darin — i n dem Ausschluß sonstiger gerichtlicher Anfechtungsmöglictikeiten — liegt der normative Inhalt von § 50 BWahlG 9 , seine rechtlich brisante Bedeutung.

• Sie ist in den §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 BWPrüfG; §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG geregelt. Dagegen sagt Art. 41 unmittelbar weder etwas über die Anfechtung noch den Kreis der Anfechtungsberechtigten. I m Hinblick auf die Wendung des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 („Sache des Bundestages") und die Rechtslage zu Art. 31 Weim. RVerf. (obligatorisches Amtsprinzip; fakultatives Einspruchsprinzip gemäß § 5 Weim. WPrüfO) ist die Regelung des § 2 Abs. 1 BWPrüfG trotz Art. 41 Abs. 3 (bloßer Konkretisierungsvorbehalt!) mithin nicht so unproblematisch, wie es gemeinhin angenommen wird. 7 Siehe oben im Text die Einleitung zu § 1. 8 Dazu die Angaben oben in § 1 F N 22. 9 Diese Feststellung behält auch dann ihre Richtigkeit, wenn man — entgegen der im Vierten Teil der Arbeit dargelegten Auffassung — Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nach § 50 BWahlG als solche verfassungsrechtlicher Art erachtet und somit § 40 V w G O von Haus aus für unanwendbar hält. Denn einmal ist § 50 BWahlG bereits insoweit konstitutiv, als er die Streitfrage nach der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 40 V w G O verbindlich entscheidet. Zum anderen schließt § 50 BWahlG auch den ordentlichen Rechtsweg aus, wie der anschließende Text (§ 8.) darlegt.

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1. Teil, . Abschnitt:

r i e h a l t des § 50 BWahlG

§ 8. § 50 BWahlG als partielle Rechtsschutzverweigerungsnorm Festzustellen bleibt, i n welchem Umfang § 50 BWahlG subjektiven Wahlrechtsschutz versagt, wenn er sonstige, außerhalb der Wahlprüfung liegende Anfechtungsmöglichkeiten ausschließt. Erst die Lösung dieses Problems w i r d es ermöglichen, das endgültige Fazit unter die Regelung des § 50 BWahlG zu ziehen; erst dann läßt sich sinnvoll die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung stellen 1 . Zwei Überlegungen sind deshalb vorrangig: Einmal müssen die von § 50 BWahlG qualifizierten A k t e interpretiert und fixiert werden. Zum anderen w i r d zu klären sein, was unter dem Begriff der Anfechtung i n § 50 BWahlG zu verstehen ist: ob nur die verwaltungsgerichtliche A n fechtungsklage oder auch sonstige Aufhebungsklagen oder gar jede Form des Rechtsschutzes. A. Die Rechtsakte des § 50 BWahlG

§ 50 BWahlG befaßt sich m i t „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen". Diese Rechtsakte dürfen i m Rahmen der Wahlprüfung, nicht aber i n sonstigen Verfahren (gerichtlich) angefochten werden. Der Ausschluß erstreckt sich auf Rechtsanwendungsakte 2 , nicht auf Normsetzungsakte 3 . Denn ausweislich seiner Entstehungsgeschichte 4 befaßt sich § 50 BWahlG m i t Rechts1 Diese beiden Fragen werden im Schrifttum gelegentlich miteinander vermengt: was § 50 BWahlG ausschließt und was er ausschließen darf. Vgl. etwa Nass, Wahlorgane S. 215—217, 221; Henke, Politische Parteien S. 172. 2 Vgl. Goessl, Organstreitigkeiten S. 113; Lechner, BVerfGG § 13 Nr. 3 Anm. 2; Seifert, BWahlG S. 106 f. 3 Ob Wahlnormen wiederum im Wahlprüfungsverfahren inzidenter auf ihre Gültigkeit überprüft werden dürfen, wird für die Verfahren nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 von den zuständigen Instanzen unterschiedlich beantwortet. Der Bundestag lehnt diese Möglichkeit in ständiger Praxis ab; das BVerfG erachtet sie für sein Verfahren für gegeben. I n der Literatur wird die Praxis des Bundestages kontrovers bewertet. Hierzu statt aller Grawert, D Ö V 1968 S. 748 ff. m. w. N. Ein ausdrückliches Normprüfungsverbot hat § 1 Abs. 2 LWPrüfG Baden-Württemberg verankert (dazu Bad.Württ. StGH, NJW 1970 S. 895). Gleiches dürfte in Berlin (§ 3 Abs. 2 L W PrüfG), Nordrhein-Westfalen (§ 5 LWPrüfG) und im Saarland (§ 55 Abs. 1 LWahlG) gelten, wo der Wahleinspruch jeweils nur auf andere, normativ bestimmte Anfechtungsgründe gestützt werden darf. Die genannten Regelungen hängen in ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit weitgehend von der analogen Anwendbarkeit des Art. 100 ab. Sub specie Art. 100 ist die Regelung für das Berliner Wahlprüfungsgericht (!) trotz des „government — Vorbehalts" bedenklich. 4 Vgl. § 50 BWahlG im Entwurf des Wahlrechtsausschusses, Drs. Dt. Btag 2. W P (1953) Nr. 2206. Die Vorschrift lautete: „Entscheidungen und Maßnahmen von Wahlorganen und sonstigen Wahlbehörden...". Auf diesen Textteil wurde aus redaktionellen Gründen in der 3. Lesung einstimmig verzichtet. Vgl. Steno-Berichte Dt. Btag 2. W P (1953) Bd. 28 (1956) S. 6950, 6952, 6962.

§ 8. § 50 BWahlG als partielle Hechtsschutzverweigerungsnorm

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akten von Vollzugsorganen, nicht von Rechtssetzungsorganen. Er handelt von den Wahlorganen und Wahlbehörden, von ihren Maßnahmen und Entscheidungen 5 , nicht aber vom Gesetzgeber und seinen Normen. Indessen sind nicht alle Wahlverfahrensmaßnahmen für § 50 BWahlG ausreichend, sondern solche m i t unmittelbarem Bezug auf das Wahlverfahren erforderlich. Das sind diejenigen Akte der Wahlbehörden und Wahlorgane, die i m Zuge und zum Zwecke der normierten Wahldurchführung ergehen. Es sind die Wahldurchführungsakte, die Bestandteil des Wahlverfahrens sind 6 : w e i l sie den Wahlakt präparieren, kontrollieren und dokumentieren. Nicht dagegen sind es solche Akte, die nur mittelbar den Wahlakt berühren, lediglich anläßlich der Wahl ergehen, wie es etwa bei der Berufung von ehrenamtlichen Wahlausschußmitgliedern oder bei der Festsetzung von Ordnungsstrafen typisch der Fall ist 7 . Sämtliche Wahldurchführungsakte (der Wahlbehörden und Wahlorgane) werden von § 50 BWahlG erfaßt: nicht nur Entscheidungen, auch Maßnahmen, nicht nur Regelungsakte, vielmehr auch Organisationsakte, ebenso Handlungen wie Unterlassungen 8 . Das bedeutet: jeder Wahldurchführungsakt, der i m Einzelfall das aktive und 9 /oder passive Wahlrecht des Wählers oder der politischen Partei berührt oder beeinträchtigt (Regelungs- oder Eingriffsakt), diese also beschwert, ist als Maßnahme oder Entscheidung i m Sinne des § 50 BWahlG jeder gerichtlichen Anfechtung außerhalb der Wahlprüfung entzogen. Z u diesen für den Fall ihrer Rechtswidrigkeit das individuelle Wahlrecht verletzenden Rechtsakten gehören insbesondere die Entscheidungen über 1 0 : die Aufnahme i n das Wählerverzeichnis, die Erteilung von Wahlscheinen, die Zulassung zum Wahlakt und die Annahme der Stimmzettel. Ferner rechnen hierzu die Entscheidungen über die Zulassung von

6 Daß auch Akte der Wahlbehörden von § 50 BWahlG erfaßt und der Anfechtung entzogen sind, folgt unmittelbar aus den Darlegungen zu F N 4. I m übrigen entspricht das der h. M. Vgl. Nass, Wahlorgane S. 145, 208; Nawiasky-Leusser-ScJuüeiger-Zacher, Verfassung Art. 33 Rdn. 3; Seifert, BWahlG S. 225 f.; D Ö V 1956 S. 260; Zulegg, BayVBL 1962 S. 335 u. F N 14; Goessl, a.a.O. S. 110 u. F N 447, 456, 592, 593. A. A. offenbar BayVerfGH, BayVB1 1969 S. 130 mit kritischer Anmerkung Olschewski, JR 1969 S. 358. 6 Dazu Füßlein-Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 53; Seifert, BWahlG S. 225 f.; D Ö V 1953 S. 368 u. F N 18; D Ö V 1956 S. 260; Goessl, Organstreitigkeiten S. 111. Vgl. auch BayVGHE n. F. 15 (1962) I S. 20; 17 (1964) I S . 184f. 7 Vgl. Seifert, BWahlG S. 226; D Ö V 1953 S. 368 F N 18. 8 Richtig Goessl, Organstreitigkeiten S. 111. Vgl. auch Seifert, BWahlG S. 226. 9 Aktives und passives Wahlrecht werden im Fall der rechtswidrigen Stimmzettelbewertung und -auswertung verletzt. 10 Zum Nachfolgenden auch Nass, Wahlorgane S. 41 ff., S. 168—170; Rietdorf, D V 1949 S. 666 f.; Feneberg-Kreis, BWahlG S. 47; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 335 f., 337; Seifert, D Ö V 1953 S. 366 ff.; G. Fr. Lechner, Diss. S. 50 ff.

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1. Teil, . Abschnitt:

r i e h a l t des § 50 BWahlG

Wahlvorschlägen sowie über die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses. B. Die Anfechtung des § 50 BWahlG

Wenn der Bundesgesetzgeber i n § 50 BWahlG außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens (Art. 41 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1) jede gerichtliche Anfechtung gegen individuell beschwerende Wahldurchführungsakte verbietet, so hat er damit nicht nur die (verwaltungs-)gerichtliche Anfechtungs- oder Aufhebungsklage, sondern schlechthin jede sonstwo eröffnete 1 1 Rechtsschutzform gegen solche Akte verschlossen. § 50 BWahlG ist hinsichtlich anderweitiger Anfechtungsmöglichkeiten nicht nur Klage-, sondern Rechtsweg-Ausschlußnorm, insoweit Rechtsschutzverweigerungsnorm 12 . Nicht nur der Verwaltungsrechtsweg insgesamt, sondern auch der Verfassungsbeschwerdeweg, nicht nur dieser, vielmehr auch der (subsidiäre) Rechtsweg zum ordentlichen Richter ist versperrt 1 8 : weil die Wendung des § 50 BWahlG „angefochten" i m Sinne von „angegriffen" zu verstehen ist 1 4 . Schon technisch ist der Aufhebungsantrag nicht die einzige Form der Anfechtung 1 5 . Dahinter verbergen sich die unterschiedlichsten Rechtsschutzformen — vom echten Kassationsantrag, über den Leistungsantrag bis zum Feststellungsantrag. „Anfechten" heißt nicht mehr als „angreifen", „vorgehen" oder „Bitte um erneute Prüfung und Entscheidung". Das hat jedenfalls der Bundesgesetzgeber m i t der Formulierung des § 50 BWahlG gemeint 1 8 . Denn auch m i t den 11 Das Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 wird durch § 50 BWahlG nicht tangiert, da es schon per se keinen Rechtsschutz gegen Wahldurchführungsakte gewährt. Dazu unten im Text Zweiter Teil § 10. C. I I . 4. 11 Zur Gesamtwürdigung des § 50 BWahlG siehe unten im Text § 9. 18 Zu dieser FeststeUung zwingt der klare Wortlaut von § 50 BWahlG, dem auch entstehungsgeschichtlich jede Limitierung des Anfechtungsausschlusses auf bestimmte Rechtswege fremd ist. Angesichts dieser eindeutig zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Entscheidung läßt sich der im Text vertretenen Auffassung nicht mit dem Einwand der verfassungskonformen Auslegung begegnen. I m übrigen geht er auch deshalb fehl, weil die hier vertretene Auslegung nicht zwangsläufig die Verfassungswidrigkeit von § 50 BWahlG i m Gefolge hat. Dazu bedarf es erst der Feststellung, daß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 auch im Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane Anwendung findet und das Wahlprüfungsverfahren keine andere „Zuständigkeit" im Sinne des Art. 19 Abs. 4 begründet. Hierzu unten im Text Zweiter Teil §§ 10—11. 14 Ebenso Goessl, Organstreitigkeiten S. 110; Seifert, BWahlG S. 226; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 69 f. u. S. 21 F N 22. A. A. Nass, Wahlorgane S. 221 und früher Seifert, D Ö V 1953 S. 368. 15 Hierzu jüngst Bettermann, in: Festschrift Bötticher (Berlin 1969) S. 13 ff.; Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage S. 31, 36, 38. 18 § 50 BWahlG wurde zur Zeit der Geltung des § 35 V G G und des § 24 M R V O 165 geschaffen, die beide die Verpflichtungsklage als eine Form

§ . § 50 BWahlG als t l e

echtsschutzverweigerungsnorm

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Rechtsbehelfen des Bundeswahlrechts w i r d „angefochten". Die aber geben dem Beschwerten primär keinen Aufhebungs-, sondern einen Leistungsanspruch 17 . Ebenso w i r d i n der Terminologie des § 50 BWahlG i m Wahlprüfungsverfahren „angefochten". § 2 Abs. 1 BWPrüfG indessen gibt weder ein Klage- noch ein Gestaltungsrecht, sondern ein bloßes Verfahrensantriebsrecht 18 . Auch deshalb muß das Wort „angefochten" i m Sinne von „angegriffen" verstanden werden. Ein solcher Angriff w i r d nicht nur vom Aufhebungskläger, sondern ebenso vom Verurteilungskläger vorgetragen. Ähnlich geht der Feststellungskläger gegen hoheitliche Maßnahmen m i t der Bitte u m Rechtsschutz vor. Und selbst der Verfassungsbeschwerdeführer ficht an, w e i l auch er sich gegen einen Zwangsakt wendet. Die i n § 50 BWahlG vorgenommene Sperrung anderweitiger gerichtlicher Anfechtungsmöglichkeiten gegen Eingriffe i n subjektive Wahlrechte durch Wahlbehörden oder Wahlorgane bedeutet m i t h i n den Ausschluß aller sonstigen, außerhalb der Wahlprüfung liegenden Rechtsschutzformen 19 . § 9. § 50 BWahlG als totale Rechtsschutzverweigerungsnorm — Gesamtergebnis und Würdigung — Nachdem der ambivalente Bedeutungsgehalt des § 50 BWahlG, sein verweisender und sein normativer Inhalt: der Gegenstand und die Funktion der Wahlprüfung einerseits und der Ausschluß (sonstiger) subjektiver Gerichtsschutz verfahren andererseits dargelegt worden sind, erscheint ein endgültiges Résumé über die Bedeutung der Vorschrift für den Schutz subjektiver Wahlrechte angezeigt 1 . Dabei w i r d sich herausstellen, daß die durch § 50 BWahlG m i t dem Ausschluß aller übrigen gerichtlichen Rechtsschutzformen geschlagene massive Lücke i m Individualrechtsschutz des Wählers und der (Splitter-)Partei nicht m i t tels der Wahlprüfung geschlossen werden kann 2 . Die Gewichte des § 50 der Anfechtung verstanden. Typisch auch § 13 Abs. 2 FreihEntzG v. 29.6. 1956 (BGBl. I S. 599) und dazu Saage, Freiheitsentziehungsverfahren (1958) § 13 Rdn. 16 (S. 171). 17 Vgl. §§ 27, 29 BWahlG; §§ 19, 28, 33, 38 BWahlO. 18 Dazu oben im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 4. 18 So insbesondere das BVerfG in dem unveröffentlichten Beschluß v. 31. 8. 1957 — 2 BvR 4/57 —; BVerfGE 11 S. 329; 14 S. 155; 16 S. 129 f.; 22 S. 281. 1 Vgl. schon oben i m Text zu § 1, Erster Teil a. E. 2 Eine größere Partei, insbesondere eine solche, die bereits zuvor i m Bundestag vertreten war, erreicht die Nachprüfung rechtswidriger Beeinträchtigungen ihres passiven Wahlrechts regelmäßig i m Wahlprüfungsverfahren. Das gilt jedenfalls für Wahlbeteiligungsfehler: die rechtswidrige Zurückweisung des Wahlvorschlags einer größeren Partei wird stets mandatserheblich sein und somit die Aufhebung des Wahlakts mit anschließender Wiederholungswahl zur Folge haben. Allerdings sind auch größere Parteien gegen

94

1. Teil, . Abschnitt:

r i e h a l t des § 50 BWahlG

BWahlG sind allzu ungleich verteilt: dem „damnum" auf der einen korrespondiert kein „lucrum" auf der anderen Seite. Der Hechtsschutzverlust des Wahlbürgers und der Splitterpartei w i r d nicht kompensiert oder austariert, sondern einfachgesetzlich arretiert. A. Subjektiver Wahlrechtsschutz vor Abschluß der Wahl

Eingriffe i n subjektive Wahlrechte erfolgen vor allem vor Abschluß der Wahl, während des Wahlablaufs 8 : der einzelne Wähler w i r d wegen Fehlens der formellen Wahlrechtsvoraussetzungen 4 oder bei und trotz deren Vorliegen nicht zur Wahlausübung zugelassen5. Oder der Wahlvorschlag einer Splitterpartei w i r d zurückgewiesen. Beide sind beschwert 6 ; beide werden versuchen, die Beeinträchtigung abzuwehren, rechtzeitig abzuwehren. Indessen vergeblich. Denn vor Abschluß der Wahl besteht überhaupt kein gerichtlicher Wahlrechtsschutz. Nur i m Wahlprüfungsverfahren können behauptete subjektive Rechtsverletzungen (auch) gerichtlich verfolgt und die sie verursachenden Wahldurchführungsakte angefochten werden. Das Wahlprüfungsverfahren aber setzt den Abschluß der Wahl voraus — arg. § 2 Abs. 4, Abs. 1 BWPrüfG. B. Subjektiver Wahlrechtsschutz nach Abschluß der Wahl

Ergo können der Wahlbürger und die Partei subjektive Wahlrechtsverletzungen erst nach Abschluß der Wahl und nur i m Wahlprüfungsverfahren (auch) gerichtlich geltend machen. Das aber hat folgende Konsequenzen 7 .

Verletzungen ihres passiven Wahlrechts in Form von mandatsunerheblichen Wahlbewertungs- und Wahlauswertungsfehlern durch die Wahlprüfung nicht (ausreichend) geschützt, wie der anschließende Text darlegt. Vgl. auch Seifert, D Ö V 1953 S. 368; D Ö V 1967 S. 239 u. F N 40. Widersprüchlich offenbar Henke, Politische Parteien S. 169 gegen S. 174. 8 Wahlrechtsverletzungen nach Abschluß der Wahl liegen vor, wenn Stimmzettel rechtswidrig bewertet und ausgewertet werden. 4 Wer nicht i m Wählerverzeichnis eingetragen ist oder keinen Wahlschein besitzt, darf nicht wählen — arg. § 15 Abs. 1 BWahlG. 6

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BWahlG wirken nicht rechtsbegründend (h. M.). Vgl. Seifert, BWahlG S. 116 m. w. N. 6 Zur Beschwer Bettermann, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 460 f.; Festschrift Fragistas (Thessaloniki 1967) S. 66. 7 Dazu schon Olschewski, JR 1969 S. 357. Das Ergebnis der folgenden Erwägungen gilt auch für Verletzungen des passiven Wahlrechts von Splitterparteien, da diese i m Wahlprüfungsverfahren nichts erreichen können. Siehe auch oben FN. 2.

§ . § 50 BWahlG als t l e I. Prinzipaler

echtsschutzverweigerungsnorm

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Rechtsschutz

Jede prinzipale Entscheidung über die behauptete Rechtsverletzung ist ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfung ist — wie nachgewiesen wurde 8 — ausschließlich materielle Legitimationsprüfung, nicht Stimmergebnisprüfung. Gegenstand der Wahlprüfung ist nicht der individuelle Wahldurchführungsakt, sondern die Wahl i n ihrer Gesamtheit. Streitund Entscheidungsgegenstand des Verfahrens sind nicht subjektive Rechtsverletzungen, sondern die Gültigkeit der Wahl als solcher. Gestritten und entschieden w i r d nicht schon über bloße Rechtswidrigkeit, noch über dadurch bedingte Rechtsverletzungen. Streit- und Entscheidungsgegenstand ist vielmehr allein die infolge Wahlrechtswidrigkeit hervorgerufene Gesetzwidrigkeit der Abgeordnetenmandate. Nicht schlichte Rechtswidrigkeit, noch Stimmrechtswidrigkeit, sondern ausschließlich Mandatsrechtswidrigkeit ist Prüfungsmaßstab. Nicht unmittelbar, allenfalls mittelbar, nicht prinzipaliter, höchstens inzidenter, nicht motiviert, sondern reflexweise w i r d über subjektive Rechtsverletzungen befunden. IL Inzidenter

Rechtsschutz

Indessen ist auch die Inzidentfeststellung über behauptete subjektive Wahlrechtsverletzungen der Sache nach ausgeschlossen, praktisch unmöglich. Zwar mag die (subjektive) Häufung von Fehlern gegenüber einer Vielzahl, insbesondere das Vorliegen genereller Fehler (z. B. Ausgabe und Verwendung normwidriger Stimmzettel) zur Mandatserheblichkeit führen — obwohl die bisherige Wahlprüfungspraxis des Bundestages diese Hypothese kaum zu stützen vermag 9 . Keineswegs aber läßt sich diese Vermutung für individuelle Wahlrechtseingriffe 10 ernstlich aufstellen. Denn es müßte schon ein Wunder geschehen, wenn die Ausschaltung oder Behinderung des einzelnen Wählers Einfluß auf die Mandatsverteilung haben sollte 1 1 . Eben das, die nachgewiesene oder 8

Siehe oben im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. — § 7. Abgesehen von einem Fall streitiger Listennachfolge (vgl. Drs. Dt. Btag 1 W P (1949) S. 4492; Steno-Berichte S. 13822), hat — soweit ersichtlich — innerhalb von fünf Wahlperioden noch kein einziger Wahleinspruch zum Erfolg geführt. Dieser Befund trübt die optimistische Erwartung Lincks, D Ö V 1970 S. 127. Die rechtspolitischen Konsequenzen, die Seifert, D Ö V 1967 S. 239 aus jener Tatsache zieht, können nicht überzeugen. 10 Sei es in Form von Wahlbeteiligungs- oder Wahlbewertungs- oder Wahlauswertungsfehlern. 11 Ebenso bleiben Verletzungen des passiven Wahlrechts der Splitterpartei durch Rechtswidrigkeiten der in F N 10) genannten Art i m Wahlprüfungsverfahren unrevidiert. Gleiches gilt regelmäßig selbst für größere Parteien, wenn die gerügte Beschwer auf individuellen Wahlbewertungs- oder Wahlauswertungsfehlern beruht. Für die Splitterpartei kommt noch besonders 9

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1. Teil, . Abschnitt:

r i e h a l t des § 50 BWahlG

doch mögliche Beeinflussung der Sitzverteilung durch die Wahlrechtswidrigkeit, ist aber — wie gezeigt — strikte Voraussetzung jeder wahlprüfungsrechtlichen Sanktion 1 2 . Ohne Mandatserheblichkeit trotz Rechtswidrigkeit niemals Begründetheit der Wahlanfechtung; ohne Beeinflussung der Sitzvergabe keine auch nur inzidente Feststellung über das Vorliegen subjektiver Rechtsverletzungen. C. Würdigung und Ausblick

Ergo versagt der einfache Bundesgesetzgeber jede gerichtliche Entscheidung bei individuellen Wahlrechtsverletzungen: weder vor noch nach Abschluß der Wahlen besteht Rechtsschutz. Aktivbürger und Splitterpartei sind Übergriffen der Wahlorgane und Wahlbehörden schütz- und wehrlos ausgesetzt 13 . Das Interesse an einer ihren Rechten entsprechenden M i t w i r k u n g am Ablauf der Wahl w i r d als „quantité négligeable" desavouiert. Die Selbstherrlichkeit staatlicher Gewalt triumphiert. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht vom Wahlrecht als vornehmsten Recht des Bürgers spricht 14 . So scheint sich denn auch hier Erhabenheit nicht m i t Durchsetzungskraft paaren zu wollen. Der vom Bundesgesetzgeber i n § 50 BWahlG verfügte Ausschluß gerichtlichen Individualwahlrechtsschutzes muß sich eine Nachprüfung vor dem verfassungsrechtlichen Forum der A r t . 19 Abs. 4 Satz 1, 93 Abs. 1 Nr. 4 a gefallen lassen. Denn wohl kann § 50 BWahlG vom Verwaltungsrechtsweg des § 40 Abs. 1 VwGO dispensieren 16 ; nicht aber kann erschwerend hinzu, daß ihr — wie jeder Partei — i m Rechtsweg des Art. 41 Abs. 2 die Beschwerdemöglichkeit fehlt und somit allein die Hoffnung darauf verbleibt, daß eine der Bundestagsfraktionen das Beschwerdeverfahren (zu ihren Gunsten) in Gang bringt. Hierzu einerseits BVerfGE 2 S. 303; 14 S. 197, andererseits F N 151 zu § 6. B. V. 1. b). 12 Dazu abschließend oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 7. Unhaltbar ist die Auffassung von OVGE Münster 23 S. 192 f., wonach das Wahlprüfungsverfahren vor dem Landtag und VerfGH des Landes NordrheinWestfalen „umfassenden, auch individuellen Rechtsschutz" gewähren soU. Diese Judikatur steht in eklatantem Widerspruch zu der Regelung der §§ 10 Abs. 2; 7; 5 LWPrüfG i . V . m . §§ 13 Nr. 2; 34 VerfGHG. Danach ist expressis verbis die Beeinflussung der Sitzverteilung Element des Streit- und Entscheidungsgegenstandes, Voraussetzung der Begründetheit des Wahleinspruchs! Dabei wäre es für das Gericht ein leichtes gewesen, die erhobene Klage mangels Beschwer oder infolge fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abzuweisen! 13 Ähnlich jetzt auch Faber, Verfassungs- und Staatsrecht S. 184. Vgl. auch Werbke/Buschbeck, Bad.-Württ. VB1 1969 S. 148. 14 BVerfGE 1 S. 33. 15 § 40 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 V w G O läßt — im Gegensatz zu Satz 2 — auch vor Erlaß der V w G O ergangene zuweisende Bundesgesetze genügen. „Gericht" i m Sinne jener Vorschrift ist das BVerfG — arg. Art. 41 Abs. 2. A n der „ausdrücklichen" Zuweisung durch § 50 BWahlG wird man ange-

§ . § 50 BWahlG als t l e

echtsschutzverweigerungsnorm

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e r d i e G e l t u n g d e r A r t . 19 A b s . 4 Satz 1 u n d 2, 93 A b s . 1 N r . 4 a 1 6 p e r f o r i e r e n : l e x s u p r e m a d e r o g a t l e g i i n f e r i o r i — arg. A r t . 1 A b s . 3, 20 A b s . 3. I m f o l g e n d e n Zweiten Teil w i r d u n t e r s u c h t , ob A r t . 19 A b s . 4 u n d A r t . 93 A b s . 1 N r . 4 a i m B e r e i c h s u b j e k t i v e r W a h l r e c h t s v e r l e t z u n g e n G e l t u n g beanspruchen.

siehts BVerwG, N J W 1963 S. 72 kaum zweifeln können. Zur ähnlichen Problematik im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 V w G O Zuleeg, BayVBl 1962 S. 336. Ob § 50 BWahlG auch gegenüber § 90 BVerfGG den Vorrang besaß — die Frage hat heute angesichts Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a keine entscheidende Bedeutung mehr — ist durchaus zweifelhaft. Vgl. einerseits Seifert, BWahlG (1. Auflage) S. 88, andererseits Nass, Wahlorgane S. 221; Grawert, D Ö V 1968 S. 755. Kritisch zur unbesehenen Übernahme allgemeiner Kollisionsregeln zu Recht Quaritsch, Das parlamentslose Parlamentsgesetz (Frankfurt a. Main 1961) S. 18—21. 16 Die Vorschrift wurde in das Grundgesetz eingefügt durch das 19. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. 1. 1969 (BGBl I S. 97). 7 Olschewski

Zweiter

Teil

Die Geltung der Art. 1 9 Abs. 4 Satz 1, 9 3 Abs. 1 Nr. 4 a GG i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane Der gesamte Zweite Teil der Darstellung befaßt sich m i t der Frage, ob die A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a (auch) i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane den (allgemeinen) Hechtsweg und Verfassungsbeschwerdeweg garantieren. Es geht durchweg allein u m die Geltung dieser Verfassungsnormen — u m ihre „ursprüngliche" A n wendbarkeit, sozusagen „von Haus aus". Nicht dagegen w i r d schon hier der möglicherweise begrenzende und einengende Verfassungsgehalt des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 berücksichtigt. Die Untersuchung darüber, ob A r t . 41 die A r t . 19 Abs. 4 und 93 Abs. 1 Nr. 4 a verdrängt, bleibt dem Dritten Teil der Arbeit vorbehalten. I m Mittelpunkt der folgenden Überlegungen steht A r t . 19 Abs. 4 als der gegenüber A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a vergleichsweise zentraleren Vorschrift. Daraus folgt der weitere Gang der Handlung. Es w i r d i n erster Linie festzustellen sein, ob rechtswidrige Eingriffe i n das aktive oder passive Wahlrecht durch Wahlbehörden oder Wahlorgane die Voraussetzungen aufweisen, von denen A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 die Hechtswegeröffnung abhängig macht: ob es sich dabei also u m Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt handelt. Sollte das der Fall sein, so w i r d es der weiteren Klärung bedürfen, ob die durch § 50 BWahlG vorgenommene Beschränkung des subjektiven Wahlrechtsschutzes gegen rechtswidrige Wahldurchführungsakte m i t der Rechtswegeröffnung des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 harmoniert oder kollidiert: ob also A r t . 19 Abs. 4 einen qualitativ anderen Rechtsweg garantiert als das durch § 50 BWahlG allein zugelassene Wahlprüfungsverfahren. Das Ergebnis dieser Überlegungen setzt den Schlußstrich unter die Nachprüfung des § 50 BWahlG sub specie A r t . 19 Abs. 4. Zugleich w i r d es die Möglichkeit eröffnen, unter Rückgriff auf bereits gewonnene Feststellungen, die Vereinbarkeit von § 50 BWahlG m i t A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a, 94 Abs. 2 Satz 2 zu kontrollieren.

§ 10. Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG

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§ 10. Die Voraussetzungen der Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG Wenn A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 den Rechtsweg nur bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt eröffnet, so ist zu untersuchen, ob die Wahlbehörden und Wahlorgane solche Träger öffentlicher Gewalt sind. A. Wahlbehörden und Wahlorgane als Träger öffentlicher Gewalt

Das ist bei den Wahlbehörden unzweifelhaft der Fall. Entgegen anders lautenden Behauptungen 1 gilt für die i n § 8 BWahlG aufgezählten Wahlorgane nichts anderes. Zwar mag es richtig sein, daß sie keine eigentlichen (Verwaltungs-)Behörden sind 2 . Denn die herrschende Meinung versteht darunter nur solche Institutionen, die i n bestimmter Weise i n die staatliche Organisation eingegliedert sind — zumindest hierarchischer Aufsicht unterliegen 3 . Das ist bei den Wahlorganen nicht der Fall. Sie sind weisungsfrei 4 . Weil das Wahlergebnis den Willen der Gesamtaktivbürgerschaft dokumentieren soll, werden die „zentralen" Aufgaben 5 bei der Durchführung der Wahl den staatlichen Verwaltungsbehörden entzogen und besonderen, von dem Einfluß der Exekutive unabhängigen, aus dem Kreis der Bürger gebildeten (Wahl-)Organen übertragen, die die Wahl i n den entscheidenden Stadien selbst leiten und kontrollieren 6 . Dadurch w i r d die Gefahr der Verfälschung des Gesamtwählerwillens durch verwaltungsbehördliche Einflußnahme 7 auf ein M i n i m u m 8 reduziert. Unrichtig dagegen ist es, aus dem möglichen Fehlen der Behördeneigenschaft den Ausschluß des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 herleiten zu wollen 9 . Denn A r t . 19 Abs. 4 gewährt nicht nur Rechts1 Vgl. Röttgen, Jb. ö. R. n. F. 3 (1954) S. 92 f.; BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 102; BayVGHE n . F . 6 (1953) I S. 179; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130 = JR 1969 S. 355 mit (kritischer) Anm. Olschewski, JR 1969 S. 358; Füßlein, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 39; Badura, in: Bonner Kommentar, Anhang zu Art. 38, BWahlG Rdn. 41; BayVGH t VwRspr. 13 S. 972. 2 Vgl. dazu die eingehende Analyse bei G. Fr. Lechner, Diss. S. 7—14. 8 Dazu Rasch, VerwArch 50 (1959) S. 1 ff.; G. Fr. Lechner, Diss. S. 7—9 jeweils m. w. N. 4 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des BWahlG (§ 12) Drs. Dt. Btag, 1 W P (1949) Bd. 21 Nr. 4090, S. 21. 5 Insbesondere die Entscheidung über die Zulassung von Wahlvorschlägen und über die Wahlauswertung. Einen detaiUierten Überblick über die Tätigkeit der Wahlbehörden und Wahlorgane bietet G. Fr. Lechner, Diss. S. 50—61, 138—147. 6 Vgl. BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 102; BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 179. 7 Gegen die Verwaltung richtet sich die Spitze der gesetzlichen Regelung über die besonderen Wahlorgane. Dazu Olschewski, J E 1969 S. 359; G. Fr. Lechner, Diss. S. 12 sowie unten i m Text Dritter Teil § 13. B. I I . 8 Ganz ohnehin nicht — arg. § 9 Abs. 1 BWahlG. • Wie es offenbar BayVGHE n. F. 6 (1953) S. 179 und BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130 machen wollen. Dazu kritisch Olschewski, JR 1969 S. 358 f.

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1 0 0 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG schütz gegen Behörden, sondern gegen jeden Träger öffentlicher Gewalt. öffentliche Gewalt aber ist weder m i t behördlicher, noch m i t staatlicher Gewalt identisch 10 . Vielmehr ist der Begriff der „öffentlichen" Gewalt gegenüber dem der „staatlichen" Gewalt der weitere. Es gibt zahlreiche außerstaatliche Organe, die gleichwohl i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 öffentliche Gewalt ausüben — so die gesamten Selbstverwaltungsträger und die beliehenen Unternehmer. Träger öffentlicher Gewalt ist jedes m i t Kompetenzen versehene Organ, das dem öffentlichen Hecht angehört und nach öffentlichem Recht verfährt und entscheidet. Deshalb ist die Konfrontierung des staatlichen gegen den „gesellschaftlichpolitischen" Bereich, die Antithese von der „institutionalisierten Staatlichkeit" einerseits und der „Selbstorganisation der Gesellschaft" 11 andererseits für die Frage nach der Anwendbarkeit des A r t . 19 Abs. 4 i m Bereich der Eingriffe von Wahlbehörden und Wahlorganen irrelevant 1 2 . Keineswegs vermag sie die Wahlorgane der Geltung des A r t . 19 Abs. 4 zu entziehen; denn auch diese sind Träger öffentlicher Gewalt, w e i l sie dem öffentlichen Recht angehören und nach öffentlichem Recht verfahren und entscheiden. Wenn die Gesamtaktivbürgerschaft bei der Wahl als öffentlichrechtliches Organ handelt, dann müssen auch Vorbereitung und Vollzug dieses Aktes zumindest 1 3 dem öffentlich-rechtlichen Räume angehören — was BVerfGE 8 S. 51 (63) ausdrücklich anerkannt hat. Denn die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe „Wahl" durch die Gesamtaktivbürgerschaft steht und fällt m i t der Existenz von Organen, die diese organisieren und funktionsfähig machen. Dazu tragen auch und insbesondere die Wahlorgane bei. Dann müssen diese öffentlichrechtliche Stellen sein, anderenfalls die Ausübungsmöglichkeit öffentlichrechtlicher Kompetenzen von nicht öffentlichrechtlichen Faktoren abhängig wäre — was nicht richtig sein kann. Die Wahlorgane werden nach öffentlichem Recht eingesetzt 14 . Ihre Weisungsfreiheit garantiert ihnen Freiheit vor Eingriffen der Legislative 1 5 und Exekutive, nicht aber nimmt sie ihnen die Öffentlichrechtlichkeit. Es verhält sich bei den Wahlorganen nicht anders als bei den Abgeordneten und Richtern (Art. 38 Abs. 1 Satz 2, 97 Abs. 1). Die Wahlorgane 10 So wenig die öffentliche mit der staatlichen Aufgabe identisch ist. Vgl. Hans Peters, in: Festschrift Nipperdey I I (1965) S. 878, 879; H. Klein, DÖV 1965 S. 758; Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht (1967) S. 22 m. w. N. 11 So Röttgen, Jb. ö. R. n. F. 3 (1954) S. 92 f. Zum Terminus siehe auch BVerfGE 8 S. 113. 12 Vgl. Olschewski, JR 1969 S. 358. 18 Dazu meine Darlegungen in JR 1969 S. 358. I n diesem Sinne vor allem jüngst BVerfGE 24 S. 354. Ferner BayVerfGHE n. F. 12 I I S. 76; Suttner, Diss. S. 6, 13, 15. Vgl. auch BayVerfGH, VwRspr. 21 S. 260. 14 Arg. § 9 Abs. 1 BWahlG. 15 I n ihrer Eigenschaft als Wahlprüfungsinstanz.

§ 10. Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG

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sind und bleiben öffentlichrechtliche Stellen — sie stehen im, nicht außerhalb des öffentlichrechtlichen Normengefüges. Sie üben öffentliche oder hoheitliche Gewalt aus, ihre Träger sind Amtswalter 1 6 . B. Art. 19 Abs. 4 GG und die Träger verfassungsrechtlicher Gewalt

I. Sind die Wahlbehörden und Wahlorgane auch Träger öffentlicher Gewalt, so bleibt gleichwohl zu klären, ob A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 gegen jeden Träger öffentlicher Gewalt den Rechtsweg eröffnet und Rechtsschutz gewährt. Es geht u m die Frage, ob A r t . 19 Abs. 4 die A r t des Trägers öffentlicher Gewalt ignoriert oder honoriert — ob er unter den Trägern öffentlicher Gewalt differenziert, diese also qualifiziert. Der Überlegung kommt entscheidende Bedeutung zu, da vor allem i m einschlägigen Schrifttum häufig behauptet wird, daß der Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane außerhalb der von A r t . 19 Abs. 4 gesetzten Garantie liege: w e i l es sich bei den Wahlvorgängen insgesamt 17 — Wahlakt wie Wahldurchführungsakten — um verfassungsrechtliche A k t e 1 8 , bei den Wahlbehörden und Wahlorganen u m Verfassungsorgane 19 handeln soll. Beide Behauptungen sind nicht belegbar. Weder kann man die Wahlbehörden und Wahlorgane und ihre A k t e — und u m diese wie ihre Tätigkeit allein geht es — als Verfassungsorgane und Verfassungsakte qualifizieren noch A r t . 19 Abs. 4 auf Träger materieller Verwaltung limitieren. Die Richtigkeit der ersten These w i r d sich später erweisen 20 , die der zweiten w i r d nachfolgend bewiesen. 16 I m Ergebnis ebenso G. Fr. Lechner, Diss. S. 3, 10, 15, 20, 22, 69, 135, 137 F N 373; Mang-Maimz-Mayer-Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht S. 53; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338; Seifert, BWahlG S. 94; Nass, Wahlorgane S. 150; Henke, Politische Parteien S. 158; Seifert, D Ö V 1961 S. 120; BayVerfGHE n. F. 12 (1959) I I S. 76; Amtl. Begründung zum Regierungsentwurf (BWahlG) v. 19. 2. 1953 zu § 12 Drs. Dt. Btag 1. W P (1949) Bd. 21 Nr. 4090, S. 21. 17 Dazu unten im Text Vierter Teil § 15.1. 18 So — mehr oder weniger deutlich — Seifert, BWahlG S. 94 f., 223, 250; Schiller, Diss. S. 27; Steinbömer, DVB1 1968 S. 273; Nass, Wahlorgane S. 154, 177 f.; Henke, Politische Parteien S. 174; Greeve, Diss. S. 150 f.; Rehmert, Bad.-Württ. VB1 1960 S. 37; Seifert, D Ö V 1953 S. 366; Obermtyer, Verwaltungsakt S. 50, 103; BayVBl 1955 S. 176; Otto Mayer, Verwaltungsrecht I S. 8; Forsthoff, Verwaltungsrecht S. 12 u. F N 1; Füßlein, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 53; Rietdorf, LWahlG S. 33; Goessl, Organstreitigkeiten S. 109, 112; v. Husen, DVB1 1953 S. 71; Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 18; Stern, JuS 1965 S. 186; VGH Freiburg, VerwRspr. 5 Nr. 181 (S. 853); VGH Kassel, DVB1 1953 S. 27; Bad.-Württ. VGH AS 1 S. 22 f.; Scheuner, in: Festschrift Smend (1952) S. 265. Verfehlt v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I I Art. 41 Anm. I I I , 2, der die Frage, ob neben dem Wahlprüfungsverfahren individueller Rechtsschutz besteht, deshalb verneint, weil die Wahlprüfung nicht Sache der vollziehenden Gewalt sei! 19 So expressis verbis Goessl, Organstreitigkeiten S. 109,141. 20 Vgl. die Angaben in F N 17.

1 0 2 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG I I . Soweit die skizzierte Auffassung ihre These vom Ausschluß des A r t . 19 Abs. 4 i m Bereich von Verfassungsakten überhaupt begründet, sind es zwei Gesichtspunkte, die i n das Feld geführt werden. Einmal sei A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 „ n u r eine etwas weitere Fassung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel" 21 , zum anderen dürften die Gerichte trotz A r t . 19 Abs. 4 nicht qua Gestaltungs- oder Verurteilungsentscheidung i n das Verfassungsgefüge von Bund und Ländern eingreifen 22 . Diese Beweisführung ist ebenso unschlüssig wie unrichtig. 1. A r t . 19 Abs. 4 ist i n der Tat gegenüber § 40 VwGO die weitere, nicht die engere Vorschrift. Davon geht die berichtete Meinung aus. Indessen zieht sie daraus die falschen Konsequenzen. A r t . 19 Abs. 4 enthält nur dann eine weiter gehende Rechtswegverbürgung als § 40 VwGO, wenn er auch gegen die Ausübung öffentlicher Gewalt aufgrund verfassungsrechtlicher Befugnisse den Rechtsweg eröffnet. Tut er das nicht, dann ist er gegenüber § 40 VwGO die engere Norm, weil er den Rechtsweg auf subordinationsrechtliche 23 (Verwaltungs-)Streitigkeiten limitiert, also Streitigkeiten koordinationsrechtlicher A r t exkludiert, für die § 40 VwGO gleichwohl den Rechtsweg öffnet. Diese Zusammenhänge übersieht die dargestellte Beweisführung. Darum ist sie unschlüssig. 2. sSie ist auch unrichtig: weil der Vorschrift des A r t . 19 Abs. 4 — i m Gegensatz zu § 40 VwGO — die Begrenzung der Rechtswegeröffnung auf verwaltungsrechtliche Streitigkeiten unbekannt ist. a) Für die Frage der Anwendbarkeit des A r t . 19 Abs. 4 ist allein entscheidend, daß i n Ausübung öffentlicher Gewalt eine Rechtsverletzung begangen wurde. Nicht dagegen kommt es darauf an, von wem und i n welcher Form sie begangen wurde 2 4 . A r t . 19 Abs. 4 garantiert den Rechtsweg gerade unabhängig davon, wer i m Einzelfall öffentliche Gew a l t ausübt. Weder kommt es auf den Träger der öffentlichen Gewalt an, noch ist die A r t und Rechtsnatur des Eingriffsakts erheblich. Nicht w e i l ein Hoheitsakt Verwaltungsakt oder Verfassungsakt ist, unterfällt oder entzieht er sich der Rechtsweggarantie des A r t . 19 Abs. 4. Wedei die Apriorität von Begriffen noch die Qualifikation des Hoheitsträgers, sondern die Auslegung des Rechtsbegriffs „öffentliche Gewalt" entschei21 Seifert, BWahlG (1956), Vorbem. zu § 50; Schiller, Diss. S. 27 jeweils im Anschluß an v. Husen, a.a.O. 22 Vgl. Henke, Politische Parteien S. 172; Nass, Wahlorgane S. 215—217, die außerdem das Verhältnis des Rechtswegs nach § 40 V w G O zu den K l a gearten der §§ 42, 43 V w G O verkennen. Ferner wohl auch BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 179; VGH Kassel, DVB1 1967 S. 630. Ebenso auf anderem Gebiet schon früher BVerwGE 14 S. 76; VG Köln, DVB1 1965 S. 884 f. 2S Dazu auch unten im Text § 10. C. I I . 2., 3. 24 Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 10; Knemeyer, D Ö V 1970 S. 123; Seuffert, in: Festschrift G. Müller (1970) S. 492 f.

§ 10. Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG

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det über die Rechtsschutzgewährung oder -versagung 25 . Der Begriff der „öffentlichen Gewalt" aber ist untauglich, bestimmte Hoheitsträger auszuscheiden 26 . Darunter fallen alle Hoheitsträger, die i m Einzelfall auf Grund öffentlichrechtlicher Befugnisse rechtsverletzend tätig geworden sind — ebenso die Träger verwaltungsrechtlicher, wie die Gewalthaber verfassungsrechtlicher Befugnisse. Das folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Bestimmung, die jeden Qualifikationsmaßstab vermissen läßt, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte des A r t . 19 Abs. 4 2 7 . Danach garantiert die Vorschrift die „allgemeine Verfolgbarkeit" von rechtswidrigen Eingriffen, die Garantie lückenlosen Individualrechtsschutzes. Diese ratio legis aber spricht entschieden für die Einbeziehung auch von Verfassungsakten i n den Geltungsbereich des A r t . 19 Abs. 4. Denn für den Verletzten ist es schlechterdings irrelevant, wer i h n verletzt oder was ihn verletzt. Wichtig ist allein, daß er verletzt ist oder doch zu sein behauptet 2 8 . Diese Sicht des Bürgers oder Rechtsträgers hat A r t . 19 Abs. 4 honoriert, wenn er die „öffentliche Gewalt" von ihrem jeweiligen Träger abstrahiert. Daß gleichwohl nach herrschender Auffassung Einschränkungen i m Anwendungsbereich des A r t . 19 Abs. 4 bestehen — insbesondere die Judikative 2 9 , vielleicht auch die Legislative und ihre A k t e 8 0 nicht angriffsbedürftig oder -fähig sind — resultiert nicht aus dem Begriff der „öffentlichen Gewalt", sondern beruht auf anderen Erwägungen 81 . Darauf braucht i n diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden. Denn die Wahlbehörden und Wahlorgane sprechen weder Recht, noch setzen sie Recht. Ergo gehören sie und ihre Akte nach dem grundgesetzlichen System der Gewaltenteilung zur „vollziehenden Gewalt". Die aber unterfällt nach unbestrittener Auffassung

15 Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.; Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 788; Kassimatis, Bereich der Regierung S. 214; Olschewski, JR 1969 S. 358. M Bettermann, AöR (1961) S. 153. 87 Vgl. Jb. ö. R. n. F. 1 (1951) S. 183 f. 28 Richtig ist allerdings, daß gerade im Bereich der Maßnahmen von Verfassungsorganen u. U. i m Einzelfall keine Rechtsverletzung feststellbar sein wird: etwa weil die Maßnahme sich innerhalb weiter Ermessensgrenzen hält oder aber eine besondere, verfassungsunmittelbare Vorbehaltsnorm existiert. Nur spricht das alles nicht dafür, Träger verfassungsrechtlicher Gewalt a limine aus dem Kreis der öffentlichen Gewalthaber des Art. 19 Abs. 4 auszuscheiden. 29 BVerfGE 11 S. 265; 15 S. 280; Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 790; AöR 86 (1961) S. 153; DVB1 1965 S. 888; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 17. Selbst insoweit weitergehend Lerche, Z Z P 78 (1965) S. 24 und Kirch, Diss. passim. 80 Zum status controversiae Maurer, in: Festschrift Kern S. 279 F N 13, 14 sowie Kirch, Diss. 48—54. 81 Nämlich im Fall der Judikative und ihrer Akte auf Gesichtspunkten der teleologischen Normenreduktion.

1 0 4 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG v o l l und ganz dem Geltungsbereich von A r t . 19 Abs. 4 3 2 — völlig unabhängig davon, ob sie i m Einzelfall auf Grund verwaltungsrechtlicher oder verfassungsrechtlicher Befugnisse tätig geworden ist. Das übersieht die dargestellte Argumentation. Deshalb w i r d sie dem Anliegen von A r t . 19 Abs. 4 nicht gerecht. b) A n dieser Feststellung ändert die Behauptung nichts, wonach es den Gerichten verwehrt sei, gestaltend oder verurteilend i n den Verfasstmgsraum von Bund und Ländern einzugreifen. Dieser Einwand verkennt das gerade von A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 entscheidend (mit)geprägte System der Gewaltentrennung wie Gewaltenhemmung. A r t . 19 Abs. 4 hat nicht nur grundrechtliche, sondern auch verfassungsorganisatorische Bedeutung 3 8 : er enthält den Verteilerschlüssel der Staatsgewalten zueinander. Dabei gewährt er gerade der Judikative — i m Rahmen von Gesetz und Recht — die Prärogative. I n dem Maße, i n dem er dem Bürger (mehr) Freiheitsschutz gibt, verleiht er auch dem Richter (mehr) Macht 3 4 . Wie Bettermann treffend bemerkt 3 5 , kann man „die Gewaltenteilung, den Rechtsstaat und die Gerichtsbarkeit nicht gründlicher mißverstehen, als wenn man deren kassatorische und kondemnatorische Urteile als eigentlich systemwidrige Eingriffe der Justiz deklariert und damit diskreditiert". Das gilt gleichermaßen i m Bereich der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsakten wie von Verfassungsakten 36 . Gerade w e i l A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 den Rechtsweg gegen Akte der anderen Gewalten eröffnet, hat er damit die kontrollierten Gewalten dem Zugriff und der Einwirkung der Dritten Gewalt unterworfen. Die Gerichte des A r t . 19 Abs. 4 3 7 dürfen und sollen i n den Verwaltungs- und Verfassungsraum eindringen, kontrollierend eingreifen. Auch das w i r d von der gegenwärtigen Lehre zum subjektiven Wahlrechtsschutz verkannt. » Vgl. BVerfG, DVB1 1969 S. 956; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I Art. 19 Anm. V I I 2 a; Wernicke, in: Bonner Kommentar Art. 19 Anm. I I 4 e ; Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O. Rdn. 19. 88 Dazu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 783. 84 Bettermann, DVB1 1965 S. 886. Ähnlich Rupp, DVB1 1958 S. 118 f. 85 DVB1 1965 S. 886. 86 Für die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 i m Bereich von Verfassungsakten auch Kassimatis, Bereich der Regierung S. 215; Bettermann, DVB1 1965 S. 887 f.; in: Grundrechte I I I / 2 S. 788 f.; Maunz-Sigloch-Schmidt-BleibtreuKlein, Vorbem. Rdn. 4; Lerche, Z Z P 78 (1965) S. 16; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 17 Rdn. 81; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338 u. F N 81; Claus Arndt, AöR 87 (1962) S. 226; Maurer, JZ 1963 S. 28; Seifert, D Ö V 1953 S. 366; O V G Berlin, OVGE 4 S. 129—131; Zuck, D Ö V 1961 S. 498. 87 Welche Gerichte das sind, wird durch Art. 19 Abs. 4 primär nicht entschieden. Diese Frage regelt vor allem das Gerichtsverfassungsrecht, insbesondere Art. 93 und § 40 VwGO. Subsidiär ist der ordentliche Richter zuständig, insbesondere dann, wenn es sich um eine individuell beschwerende verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, für die keine Zuständigkeit des BVerfG gegeben ist.

§ 10. echtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG

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Insgesamt gesehen läßt sich feststellen, daß die These von der Ausklammerung der Verfassungsakte aus dem Anwendungsbereich des A r t . 19 Abs. 4 durch nichts gerechtfertigt ist. Ergo unterfallen die Wahlbehörden und Wahlorgane wie ihre A k t e selbst dann der Geltung des A r t . 19 Abs. 4, wenn es sich bei ihnen u m Verfassungsorgane und Verfassungsakte handeln sollte: was i n diesem Zusammenhang unüberprüft bleiben darf 3 8 . C. Aktivbürger und Partei als Träger des subjektiven Wahlrechts

Sind die Wahlbehörden und Wahlorgane Träger öffentlicher Gewalt, ihre Akte Ausübung öffentlicher Gewalt, so bleibt zu klären, ob der Aktivbürger und die Partei ein „jemand" i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 sind, die durch diese öffentliche Gewalt i n ihren Rechten verletzt werden können. I. Aktives und passives Wahlrecht als subjektives im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG

Recht

A r t . 19 Abs. 4 setzt den Bestand des subjektiven Rechts voraus 89 . Jeder Träger von Rechten kann sich auf A r t . 19 Abs. 4 berufen 40 , gleichermaßen die natürliche wie die juristische Person 41 , ebenso rechtsfähige wie nicht rechtsfähige Gemeinschaften 42 . Subjektives Recht i m Sinne von A r t . 19 Abs. 4 meint: die seinem Träger durch das objektive Recht eingeräumte Rechtsmacht zum Zwecke der Befriedigung (auch) seiner Individualinteressen 48 . Ob das aktive Wahlrecht auch individuellen Interessen zu dienen bestimmt ist, war noch vor etwa vierzig Jahren Gegenstand lebhafter Erörterungen i n der Wissenschaft 44 . Standen sich 88

Dazu unten im Text Vierter Teil § 15. A. I. BVerfGE 15 S. 281; Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 803. 40 Der Erfolg einer solchen Rechtsschutzbitte hängt allerdings u. a. wesentlich davon ab, ob Art. 19 Abs. 4 durch eine andere Grundrechtsnorm verdrängt wird. Nur ist es wichtig, diese beiden Fragen auseinanderzuhalten. Dazu auch unten i m Text § 10. C. I I . 4. 41 Arg. Art. 19 Abs. 3, der auch für Abs. 4 gilt. 41 „Jemand" im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 ist „jedermann". Hierzu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 786. 48 Vgl. etwa Bachof, in: Gedächtnisschrift Walter Jellinek (München 1955) S. 291 m. w. N.; Forsthoff, Verwaltungsrecht I S. 171; Maunz-Dürip-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 34. 44 Eine differenzierende Übersicht findet sich bei Braunias, Parlamentarische Wahlrecht I I S. 5—11; Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht I S. 544 ff.; Affolter, Die rechtliche Stellung des Volkes in der Demokratie und der Begriff der politischen Rechte (Zürich 1948) S. 102 ff.; Greeve, Diss. S. 41, 46, 49. 89

1 0 6 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG damals i m wesentlichen drei Auffassungen gegenüber, die mehr oder weniger die staatsfunktionelle Seite des Wahlrechts akzentuierten, so gehört die Behauptung vom Fehlen eines subjektiven aktiven Wahlrechts heute der Rechtsgeschichte an. Es ist weder bestritten noch bestreitbar, daß der einzelne Wähler ein subjektiv-öffentliches Recht besitzt: auf bestimmt geartete Teilnahme an der Wahl 4 5 . Daran kann trotz A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 nicht gezweifelt werden. Denn die A r t . 38 Abs. 2, 93 Abs. 1 Nr. 4 a wie das Fehlen einer grundgesetzlich normierten Wahlpflicht beweisen zur Genüge, daß das Wahlrecht — ein Recht aus dem status activus — echte subjektiv-öffentliche Berechtigung ist, ein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht gewährt. Zwar mag es daran, an dem Grundrechtscharakter, bei dem passiven Wahlrecht der Partei fehlen 4 6 . Indessen läßt A r t . 19 Abs. 4 jede Rechtsstellung genügen, auch die nichtgrundrechtliche. Die aber genießt auch die Partei. Das durch A r t . 21 Abs. 1 Satz 1 konstituierte und durch A r t . 38 Abs. 1, 28 Abs. 1 gemeindeutsch konkretisierte Recht zum Einreichen von Wahlvorschlägen gibt der Partei eine Befugnis, die zumindest auch i n ihrem Interesse gewährt ist. Denn trotz der öffentlichen Aufgabe der Partei 4 7 , trotz ihrer Verpflichtung an der Vertretung des Volkes i m Bundestag mitzuwirken 4 8 , ist sie gleichwohl nicht gehalten, an jeder Wahl und i n jedem Wahlkreis m i t eigenen Wahl Vorschlägen teilzunehmen. Vielmehr kann sie darüber i n den Grenzen des § 2 Abs. 2 ParteienG nach eigenem Gutdünken entscheiden. Deshalb ist es richtig, wenn das BVerfG 49 und das Schrifttum 5 6 von einem subjektiv-öffentlichen Recht der Partei auf Einreichung von Wahlvorschlägen ausgehen. II. Art. 19 Abs. 4 GG und der Schutz der Aktivrechte Sind der Aktivbürger und die Partei Träger einer subjektiven Rechtsstellung, so scheint ihre Aktivlegitimation i m Sinne von A r t . 19 Abs. 4 « BVerfGE 1 S. 33; 4 S. 30; O V G Koblenz AS 2 S. 191; 2 S. 220; Goessl, Organstreitigkeiten S. 107; Maimz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 38 Rdn. 29—31; v. Mangoldt-Kiein, Grundgesetz I Vorbem. A I I 3 c; Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung (1914) S. 249 f.; Seifert, BWahlG S. 106 m . w . N.; Suttner, Diss. S. 19. Unrichtig offenbar VGH Kassel, DVB1 1967 S. 630 f. 46 Arg. e contrario Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a. I m übrigen hängt das Problem wesentlich mit der Stellung der Parteien innerhalb des Dualismus (?) von Staat und Gesellschaft zusammen. 47 Vgl. § 1 Abs. 1 ParteienG. 48 Vgl. § 2 Abs. 1 ParteienG sowie BVerfGE 24 S. 260 ff. 48 BVerfGE 4 S. 30 f. 50 Vgl. statt aller Seifert, BWahlG S. 106 m. w. N.; Henke, Politische Parteien S. 159; in: Bonner Kommentar (2. Bearbeitung) Art. 21 Rdn. 13, die allerdings beide keine Begründung geben.

§ 10. Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG

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dargetan. Indessen erweist sich diese Vermutung bei näherem Zusehen als verfrüht. Denn i n der Literatur w i r d — wenn auch nur ganz vereinzelt — die Auffassung vertreten, daß A r t . 19 Abs. 4 den Schutz der (grundgesetzlichen) Aktivrechte nicht zu leisten vermag 5 1 , so daß subjektive Wahlrechtsverletzungen nicht i m Rechtsweg des A r t . 19 Abs. 4 verfolgt werden könnten. Diese These, deren Richtigkeit alsbald nach ihrem Erscheinen i n Abrede gestellt wurde 5 2 , hat sich nicht durchzusetzen vermocht: weder hat sie beim Bundesverfassungsgericht Zustimmung 5 3 noch i m Schrifttum Anklang gefunden 64 . Auch die gegenwärtige Lehre zum subjektiven Wahlrechtsschutz bedient sich ihrer nicht. 1. Passivrechte contra Aktivrechte a) Keineswegs erscheint es möglich, für die Frage der Anwendbarkeit des A r t . 19 Abs. 4 innerhalb der subjektiven Rechte nach dem status passivus und activus zu differenzieren 55 . Diese Qualifikation subjektiver Rechte ist für A r t . 19 Abs. 4 unerheblich. Sie widerspricht nicht nur dem Wortlaut des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 — der eine Begrenzung der subjektiven Rechte auf solche des status passivus nicht kennt und nach ganz herrschender Meinung alle Rechte erfaßt, Grundrechte wie andere Rechte, subjektiv öffentliche wie subjektiv private Rechte 66 , sondern auch der ratio legis — ebenso der „geborenen" wie der „gekorenen". Denn Anliegen des A r t . 19 Abs. 4 ist die „allgemeine Verfolgbarkeit" 6 7 von hoheitlich-rechtswidrigen Eingriffen — wirklichen wie vermeintlichen — i n die individuelle Rechtsstellung des einzelnen, die Garantie lückenlosen Individualrechtsschutzes 58 , die Freiheit von jedem gesetz51 So Goessl, Organstreitigkeiten S. 109. Unentschieden bleibt die Frage bei Bettermann, AöR 86 (1961) S. 143, 182. Vgl. auch Menger, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 749 f. Zutreffend differenzierend zwischen Wahlakt und Wahldurchführungsakten Zuck, D Ö V 1961 S. 499. Zu den Rechten des status activus gehört auch das (passive) Wahlrecht der Partei. 52 Vgl. Jesch, D Ö V 1961 S. 761. 53 BVerfGE 22 S. 281 hat nicht die Geltung von Art. 19 Abs. 4 negiert, sondern Art. 41 als lex specialis oder superior qualifiziert, also die A n wendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 vorausgesetzt. Dafür spricht insbesondere BVerfGE 4 S. 30; 8 S. 11; 13 S. 85. 54 Soweit ersichtlich, gibt es niemand, der der Auffassung von Goessl, a.a.O. gefolgt ist. Wenn er seine Auffassung von der h. M . bestätigt sieht, so ist diese Annahme irrtümlich. Was die h. M. allein verlangt, ist die Subjektion. Die aber gibt es auch im status activus, wie anschließend gezeigt wird. 55 So offenbar Goessl, a.a.O. S. 105. 56 Vgl. etwa Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 785. 57 Vgl. Jb. ö. R. n. F. 1 (1951) S. 183, 184. 58 Vgl. Jb. ö. R. n. F. 1 (1951) S. 184 sowie BVerfGE 8 S. 326; BVerwGE 16 S. 293; Maurer, in: Festschrift Kern S. 275, 280; Maunz-Dürißf-Herzog,

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2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

widrigen Zwang 5 9 . Der aber bedarf auch der Träger des status activus, w e i l auch er hoheitlichen Behinderungen und Eingriffen i n sein Wahlrecht ausgesetzt ist und davor geschützt werden muß. b) Wie wenig die Behauptung von der Restriktion des A r t . 19 Abs. 4 auf Rechte des status passivus richtig ist, zeigt sich daran, daß selbst klassische Freiheitsgrundrechte, wie die Pressefreiheit, Versammlungsund Vereinigungsfreiheit Bezüge zum status activus vel politicus aufweisen 60 — w e i l sie auch politische Freiheiten gewähren oder schützen. Und es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Verletzung dieser (Teil-) Freiheiten den Rechtsweg nach A r t . 19 Abs. 4 eröffnet 6 1 . Ebenso ist es anerkannt, daß rechtswidrige Eingriffe i n das Grundrecht aus A r t . 17 — obschon zumindest auch (Teil-)Recht des status activus 6 2 — die A n rufung des Richters nach A r t . 19 Abs. 4 gestatten 63 . Ja selbst Eingriffe i n Rechte des status activus militaris — als einer gesteigerten oder qualifizierten Form aktiver Zivität — erlauben die Berufung auf A r t . 19 Abs. 4 0 4 . Nicht anders kann es sich bei hoheitlichen Ubergriffen i n das subjektive Wahlrecht verhalten. Denn nicht nur die (Teil-)Rechte des status activus inferior — d. h. die politischen Rechte i m Vorfeld staatlicher Willensbildung —, sondern auch die Rechte des status activus supremus 65 , also die Teilnahme- oder Mitwirkungsrechte an der oberGrundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 9; Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 787. 59 Jb. ö. R. n. F. 1 (1951) S. 184 sowie Thoma, in: HdbDStR I I S. 622 f. Ferner Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 16. 60 Dazu Wilke, Verwirkung S. 18 m. w. N.; Carl Schmitt, Verfassungslehre S. 249; Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung (Berlin 1953) S. 105 f.; BVerfGE 20 S. 98; Schmitt-Glaeser, Mißbrauch S. 105—112; Kubier, Diss. S. 59 u. F N 3, S. 270. A. A. wohl BVerfGE 8 S. 115. 91 Überhaupt bedingen sich Aktiv- und Passivrechte weitgehend gegenseitig. Ohne bürgerliche Freiheit keine politische Freiheit — und umgekehrt. Dazu etwa: Smend, Bürger und Bourgeois S. 314, 317—319; Ehmke, a.a.O. S. 103 f., 105 f., U l f . ; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz (Karlsruhe 1962) S. 18; Kubier, Diss. S. 137 f.; Thormann, Diss. S. 21; H.-J. Wolffy Verwaltungsrecht I S. 183; Schmitt-Glaeser, Mißbrauch S. 104. 82 Kubier, Diss. S. 137; Ehmke, a.a.O. S. 105, 106; Luhmann, Grundrechte als Institution (Berlin 1965) S. 136; Küchenhoff, Allgemeine Staatslehre (1967) S. 43; Maunz-Dürtg-Herzog, Grundgesetz I Art. 17, Rdn. 3, 4, 10, 23. 63 Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O. Rdn. 80, 81; Bettermann, a.a.O. S. 793 u. F N 70; Ehmke, S. 105, 106. 84 Vgl. Lerche, in: Die Grundrechte I V / 1 S. 513 f. 95 Diese Unterscheidung klingt an bei Thoma, in: HdbDStR I I S. 618 und Goessl, Organstreitigkeiten S. 113 — wenn auch mit anderer Tendenz. Für die Aktivrechte des Art. 33 Abs. 1, Abs. 2 w i l l Goessl, a.a.O. S. 113, 134 — widerspruchsvoll — Art. 19 Abs. 4 gewähren. Die Begründung ergibt sich für ihn daraus, daß insoweit Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 keine Anwendung findet. Diese Argumentation ergibt keinen Gesichtspunkt für die „ursprüngliche"

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sten staatlichen Willensbildung sind Rechte i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4. Daran kann für das aktive Wahlrecht angesichts der verfassungsrechtlichen Rezeption des § 90 Abs. 1 BVerfGG durch A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a heute nicht mehr gezweifelt werden. Verfassungsbeschwerde und allgemeiner Rechtsweg nach A r t . 19 Abs. 4 zeigen nur i m Umfang der geschützten Rechte Unterschiede. I m übrigen aber sind sie i n den Voraussetzungen ihrer Eröffnung gleich strukturiert: sie eröffnen beide den Richterweg für den (Wahl-) Bürger gegen rechtswidrige Eingriffe der öffentlichen Gewalt. Was sie beide allein erfordern, ist die Subjektion unter die öffentliche Gewalt. Unter dieser Voraussetzung können beide nicht nur zum Schutz der Rechte des status passivus, sondern auch zur Durchsetzung der Rechte des status activus vel politicus, vor allem des aktiven Wahlrechts benutzt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt 6 6 . Gleiches gilt für das passive Wahlrecht der Partei, abgesehen von dem möglichen Vorrang des Organstreitverfahrens (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1) gegenüber dem Rechtsweg nach A r t . 19 Abs. 4 8 7 . 2. Status activus contra status subjectionis Diese Voraussetzung aber — das Vorliegen der Subjektion ist auch bei Rechtsverletzungen des Aktivbürgers und der Partei gegeben. Wenn das i n der Literatur — wenn auch nur ganz vereinzelt — m i t dem H i n weis bestritten wird, A r t . 19 Abs. 4 gelte „ n u r für Rechtsverletzungen i m status subjectionis ( = passivus), nicht auch für solche i m status activus" 6 8 , so muß dieser nicht näher belegten Behauptung die Gefolgschaft versagt werden. a) Zwar ist es richtig, daß A r t . 19 Abs. 4 ein Über- und Unterordnungsverhältnis voraussetzt 69 — weil er nur bei Übergriffen der öffentlichen Gewalt 70 den Rechtsweg eröffnet und Rechtsschutz gewährt. Die Nichtanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4. Sie kann allenfalls etwas über das Konkurrenzverhältnis von Art. 19 Abs. 4 zu Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 aussagen. Dazu unten im Text Zweiter Teil § 10. C. I I . 4. 66 BVerfGE 4 S. 30; 8 S. 111; 13 S. 85 — jeweils zu dem strukturell gleichgelagerten Fall der Verfassungsbeschwerde. 67 Dazu unten i m Text § 10. C. I I . 4. 68 Goessl, a.a.O. S. 109. 69 Pohle, M D R 1959 S. 826; Maunz-Dürifj-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 22 u. F N 1; Klein, W D S t R L 8 (1950) S. 107, 116; Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 786; AöR 86 (1961) S. 182; Lerche, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 76; Lorenz, AöR 93 (1969) S. 3261; Kassimatis, Bereich der Regierung S. 213; Eyermann-Fröhler, V w G O § 40 Rdn. 61; Redeker-v. Oertzen, V w G O § 40 Rdn. 3. 70 Das — und nicht das Tatbestandsmerkmal „verletzt" — ist der „Aufhänger" für das gesetzlich expressis verbis nicht geschriebene Merkmal der Subjektion.

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2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG

für A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 entscheidende Antinomie ist die zwischen Gewaltträger und Gewaltunterworfenem, zwischen Freiheit und Zwang 7 1 . Das für A r t . 19 Abs. 4 wesentliche Rechtsverhältnis ist die Subjektion. b) Unrichtig dagegen ist es, daraus den Ausschluß des A r t . 19 Abs. 4 für Rechtsverletzungen i m status activus herleiten zu wollen. Dieses folgt aus jenem nicht. Die Konfrontierung des status passivus gegen den status activus trägt nicht die Resultante: Subjektion gegen Koordination. Auch i m status passivus gibt es Koordination, wie es i m status activus Subordination gibt. Denn subordiniert oder subjektioniert ist der Bürger als Träger von Rechten immer dann, wenn er der einseitigen Gestaltung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unterworfen ist: wenn dieser die Rechtsmacht besitzt, auf seinen Rechtskreis nachteilig und für i h n (potentiell) verbindlich einzuwirken 7 2 . I n diesem Sinne aber kann nicht nur der Passivbürger, sondern auch der A k t i v bürger subjektioniert, d. h. fremder Willensmacht unterworfen sein. Er ist es dann und stets dann, wenn die öffentliche Gewalt als solche, „qua Gewalt" gehandelt hat: wenn sie einen einseitig potentiell verbindlichen Hoheitsakt erlassen hat. N u r diese Auslegung w i r d dem Anliegen von A r t . 19 Abs. 4 gerecht: die aus dem Besitz der hoheitlichen Gewalt resultierende Gefahr der Selbstherrlichkeit öffentlicher Rechtsträger zu bannen, wo und wann immer sie auftritt. A r t . 19 Abs. 4 verlangt nichts mehr als die einseitige, potentiell verbindliche Rechtsgestaltung durch einen Träger öffentlicher Gewalt. Erst dann und dort ist sein Geltungsbereich überschritten, wenn und wo der Hoheitsträger auf die Anwendung von Hoheitsgewalt verzichtet und sich wie ein Bürger geriert. A r t . 19 Abs. 4 erfaßt „Untertanenstreitigkeiten", nicht „Bürgerstreitigkeiten" 7 8 . N u r i n dieser Richtung enthält A r t . 19 Abs. 4 ein Differenzierungsgebot; i n jeder anderen verfügt er ein Differenzierungsverbot. A r t . 19 Abs. 4 qualifiziert das Verhalten öffentlichrechtlicher Rechtsträger, nicht aber die A r t subjektiver Rechte oder Rechtsverletzungen. 3. Zivile Subjektion contra hierarchische Subjektion a) Von daher sollten keine Zweifel darüber bestehen, daß das für A r t . 19 Abs. 4 erhebliche Über- und Unterordnungsverhältnis auch i m 71

Vgl. Bettermann, in: Festschrift Hirsch S. 11. Vgl. Lerche, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 76; Kassimatis, Bereich der Regierung S. 213; Bettermann, a.a.O. S. 19; Hans Schneider, in: Evangelisches Staatslexikon, Stichwort „Gewalt, öffentliche" Sp. 660. 78 Zum Terminus vgl. Bettermann, NJW 1969 S. 1326; H.-J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 181 f. Ferner Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten (Diss. Berlin 1969) S. 142 ff. 72

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Bereich der wahlbehördlichen Eingriffe i n subjektive Wahlrechte gegeben ist. Wenn das gleichwohl i n der Literatur gelegentlich m i t der Begründung geleugnet wird, der einzelne Wahlbürger sei „ i m Prinzip gleichberechtigter Teilhaber an der Ausübung der Staatsgewalt" 7 4 , so liegt dieser Auffassung ein unrichtiges Verständnis der Subjektion zugrunde. Denn einmal kommt es nicht auf die prinzipielle, sondern auf die aktuelle Ko- oder Subordination an. Die Subjektion i m Zeitpunkt der Rechtsverletzung ist entscheidend 75 . Zum anderen fragt sich noch, ob der einzelne Aktivbürger wirklich Träger staatlichen Imeriums ist. Denn nach A r t . 20 Abs. 2 geht die Staatsgewalt vom Volke aus; sie w i r d nicht vom einzelnen, sondern von der Gesamtaktivbürgerschaft ausgeübt. Aber selbst, wenn der einzelne Aktivbürger (Mit-) Träger staatlicher Gewalt sein sollte, steht das seiner Gewaltunterworfenheit i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane nicht entgegen. Denn auch der Herrschaft ausübende Machtträger kann seinerseits fremder Herrschaftsmacht unterliegen 7 6 , öffentliche Gewalt w i r d nicht von einem, sondern von vielen Hoheitsträgern ausgeübt. Zwischen ihnen sind Übergriffe und Eingriffe ebenso denkbar wie praktisch. Selbst i m Bereich von Verfassungsorganen 77 besteht nur der Idee nach Koordination. Auch hier gibt es Subjektion, wie die Fälle der A r t . 67 Abs. 1 Satz 2, 68 Abs. 2 Satz 1 beweisen. Daß gleichwohl i m Bereich der Gewaltverhältnisse zwischen Hoheitsträgern nicht jede A r t und Form der Subjektion für A r t . 19 Abs. 4 ausreicht, ist nur konsequent 78 . Denn A r t . 19 Abs. 4 verlangt Eingriffe i n eigene Rechte; nicht dagegen läßt er Eingriffe i n übertragene Zuständigkeiten ausreichen. Die Hoheitsträger untereinander aber stehen zumeist nicht nur i n rechtlichen, sondern auch i n dienstlichen oder amtlichen Gewaltbeziehungen — w e i l sie nicht nur Träger eigener Rechte, sondern auch Adressat amtlicher Weisungen, Objekt staatlicher Oberaufsicht und Oberhoheit sind. Die Subjektionsverhältnisse „innerhalb der öffentlichen Ämterhierarchie, innerhalb des Gefüges von Trägern öffentlicher Gewalt" läßt A r t . 19 74 Goessl, a.a.O. S.109; Claus Arndt, AöR 87 (1962) S. 236. Zurückhaltender Henke, Politische Parteien S. 158. 75 So richtig Kassimatis, Bereich der Regierung S. 213. 76 Dazu grundlegend Bettermann, in: Festschrift Hirsch S. 5 f., 8 f., 11; NJW 1969 S. 1326 f. sub V ; in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 786. Vgl. auch MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 16; Scholz, DVB1 1968 S. 733. 77 Dazu Leibholz, in: Das Bundesverfassungsgericht S. 74; Lauf er, in: Festschrift Leibholz I I S. 450; Gutachten BVerfG in: Jb. ö. R. n. F. 6 (1957) S. 203; Goessl, Organstreitigkeiten, S. 96. Die im Text getroffene Feststellung ist auch i m Hinblick auf die politische Partei und ihren Wahlrechtsschutz wichtig. Denn nach BVerfGE 4 S. 30 hat Art. 21 die politischen Parteien „zu notwendigen Bestandteilen des Verfassungsaufbaus" gemacht. 78 Zum Nachfolgenden Bettermann, NJW 1969 S. 1326 sub. V. Ansätze dazu schon bei Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn.

16.

1 1 2 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG Abs. 4 Satz 1 nicht genügen — w e i l es sich nicht u m eine Gewaltunterworfenheit innerhalb eigener Rechte, sondern u m eine Unterwerfung unter dienstliche Weisungen innerhalb eines verliehenen Kompetenzbereichs handelt. Deshalb ist für A r t . 19 Abs. 4 bei Eingriffen und Übergriffen unter Hoheitsträgern nicht die amtsrechtliche oder hierarchische Subjektion ausreichend, sondern immer die grundrechtliche oder zivile gleich personale Subjektion erforderlich. Es muß sich stets u m eine „bürgerliche", also (subjektiv-) rechtliche Subjektion handeln. Diese zivile Subjektion aber liegt bei Eingriffen von Wahlbehörden und Wahlorganen i n das subjektive Wahlrecht auch dann vor, wenn man den einzelnen Aktivbürger als Mitträger staatlicher Gewalt qualifizieren w i l l . Denn die Ausschaltung oder Behinderung des einzelnen Wählers bei der Wahl t r i f f t diesen immer i n seinem grundrechtlichen Bereich — i n seinem Wahlrecht —, nicht i m organisatorischen Bereich. Sie ruft keinen kompetenziellen, sondern einen grundrechtlichen Konflikt hervor. Denn nur i n dem Zeitpunkt der Stimmabgabe kann man den Wähler — wenn überhaupt — (auch) als Organträger qualifizieren, was bereits Georg Jellinek zu Recht bemerkt hat 7 9 . Zumindest vorher und nachher ist der Aktivbürger schlichter Bürger — nicht mehr! Er ist Rechtsträger, nicht staatlicher Funktionär. b) Deshalb ist der Aktivbürger auch i m Tätigkeitsbereich der Wahlhörden und Wahlorgane grundrechtlich subjektioniert — wenn er nicht zur Wahl zugelassen w i r d oder an der rechtmäßigen Ausübung behindert w i r d 8 0 . Denn auch die Wahlbehörden und Wahlorgane handeln hoheitlich gestaltend, einseitig potentiell verbindlich. Sie bestimmen i m Einzelfall, was für den Aktivbürger rechtens ist — ob er wählen oder nicht wählen darf —, indem sie die generell abstrakten Normen des Bundeswahlrechts auf den Einzelfall anwenden, also das BWahlG und die BWahlO vollziehen. Den einzelnen Aktivbürger t r i f f t die volle Last und Härte hoheitlicher Entscheidung. Sie muß vorbehaltlich gewisser Ausnahmen 8 1 beachtet werden. Widerstand ist nicht nur abwendungsfähig und -bedürftig 8 2 , sondern auch strafbar 8 8 . Eben diese zivile

79 System S. 159. Ferner Giese, Staatsrecht S. 111; Zuck, DÖV 1961 S. 499; Cellier, Jean, Das Verhältnis des Parlaments zum Volke (Diss. Zürich 1936) S. 93, 115. Aufschlußreich auch E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I S. 679; Kind, Klaus, Die rechtliche Stellung des Volkes in der Demokratie (Diss. Frankfurt 1955) S. 36. 80 So auch Feneberg, LWahlG S. 32; Nass, Wahlorgane S. 164, 176; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 90 f.; G. Fr. Lechner, Diss. S. 136. 81 Nichtigkeit, Suspensiveffekt. 82 Arg. § 32 Satz 2 BWahlG (§§ 5 Abs. 6; 51 BWahlO) i . V . m . V w V G . Subsidiär gelangt § 14 P V G zur Anwendung. 88 Es liegt nicht nur Hausfriedensbruch (dazu RGSt 46 S. 404), sondern auch Widerstand gegen die Staatsgewalt vor (dazu Seifert, BWahlG S. 179).

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Subjektion ist auch bei Eingriffen der Wahlorgane i n das Wahlvorschlagsrecht der politischen Parteien gegeben. Denn auch diese sind Träger subjektiver Rechte, nicht Inhaber öffentlichrechtlicher Kompetenzen — was das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt hat 8 4 . 4. A r t . 19 Abs. 4 GG contra A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG Hat sich gezeigt, daß A r t . 19 Abs. 4 auch dem Schutz der Aktivrechte dient, insbesondere zur Durchsetzung des subjektiven Wahlrechts i n Anspruch genommen werden kann, so bleibt die ganz andere Frage zu klären, ob der Rechtsweg nach A r t . 19 Abs. 4 i m Bereich von Rechtsverletzungen i m status activus supremus durch das Organstreitverfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 ausgeschlossen w i r d 8 5 . Indessen ist das nicht der Fall. Denn einmal ist der einzelne Aktivbürger — i m Gegensatz zur politischen Partei — nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts i m Verfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 nicht aktivlegitimiert 8 8 : er ist weder Teil des Verfassungsorgans „ V o l k " noch ein sonstiger „Beteiligter", der durch das Grundgesetz m i t Rechten „aus dem Verfassungsrechtskreis" ausgestattet ist. Aber selbst wenn er es wäre, der Standort des subjektiven Wahlrechts also i m organisatorischen Verfassungsrecht zu finden wäre 8 7 , so scheitert für den A k t i v bürger und die politische Partei gleichwohl die Möglichkeit des Organstreitverfahrens daran, daß die Wahlbehörden und Wahlorgane i m Verfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 nicht passivlegitimiert sind. Richtiger Ansicht nach fehlt ihnen bereits die Eigenschaft als Verfassungsorgan 88 ; zumindest aber liegt keine Rechtsausstattung durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans vor 8®. Auch diese Überlegung zeigt, daß A r t . 19 Abs. 4 den Schutz der A k t i v rechte übernehmen muß — anderenfalls sie rechtsschutzlos sind. Diese Folgerung aber widerstreitet dem betont rechtsstaatlichen Standpunkt

84

BVerfGE 4 S. 30. So Goessl, Organstreitigkeiten S. 133 ff., der die Frage der Passivlegitimation unberücksichtigt läßt. 88 BVerfGE 13 S. 95 f. A. A. Goessl, a.a.O.; Claus Arndt, AöR 87 (1962) S. 235 ff. 87 So vor allem Goessl, a.a.O. S. 133 f.; wohl auch Forsthoff, Verwaltungsrecht I S. 12, 171 F N 1; demgegenüber zu Recht differenzierend schon Thoma, in: Grundrechte und Grundpflichten I S. 26; Carl Schmitt, in: HdbDStR I I S.594. 88 Dazu unten i m Text Vierter Teil § 15. A. I. 89 So auch Goessl, a.a.O. S. 140 f.; Henke, Politische Parteien S. 176. Da das Volk sub specie Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 kein hinreichend formiertes Verfassungsorgan ist, kann das BWahlG auch nicht seine Geschäftsordnung sein. 85

8 Olschewski

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2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

des Grundgesetzes 90 . Die Aktivrechte sind keinesfalls weniger wichtig oder weniger rechtsschutzbedürftig als die Rechte des status passivus. Den Aktivrechten drohen die gleichen Eingriffsgefahren wie den Passivrechten. Deshalb muß ihnen auch gleicher Rechtsschutz zukommen. D. Aktivbürger und Partei als Träger verletzbarer Rechte

Der einzelne Aktivbürger — und ebenso die politische Partei — ist durch einen positiven oder negativen Hoheitsakt der Wahlbehörden und Wahlorgane, durch ein Tun oder Unterlassen der öffentlichen Gewalt, i n seinem subjektiven Wahlrecht auf bestimmt geartete Teilnahme an der Wahl verletzt, wenn er durch diesen Hoheitsakt an der Ausübung seines Rechts rechtswidrig behindert w i r d 9 1 . I, Das subjektive Wahlrecht gewährt seinem Träger die Befugnis zum ungehinderten Wählendürfen und Wählenkönnen. Es ist ebenso Verhaltens- oder Darfrecht 9 2 wie Kannrecht oder Mitwirkungs- gleich Gestaltungsrecht 93 . 1. Einmal w i r d dem Bürger die individuelle Berechtigung gewährt, an der Wahl teilzunehmen oder nicht teilzunehmen, zu wählen oder nicht zu wählen. Ebenso w i r d der Partei i n den Grenzen des § 2 Abs. 2 ParteienG das Recht eingeräumt, sich an jeder Wahl und i n jedem Wahlkreis zu beteiligen oder nicht zu beteiligen. Insofern schützt das aktive und passive Wahlrecht ebenso die positive wie die negative Wahlfreiheit. Diese nicht zu stören ist Verpflichtung der Wahlbehörden und Wahlorgane — arg. A r t . 1 Abs. 3, 20 Abs. 3. Der hier normierten „Bindung" korrespondiert ein Anspruch des Aktivbürgers und der Partei auf Unterlassung jeder staatlichen Behinderung i n Form des D u l dungsanspruchs 94 . 90

Das räumt auch Goessl, a.a.O. S. 134 ein. Vgl. Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 796; AöR 86 (1961) S. 176 (zu dem strukturell gleichgelagerten Fall der Verfassungsbeschwerde) sowie in: Festschrift Schima S. 89 f. 92 Dazu generell Wilke, a.a.O. S. 20 f. M Otto Mayer, Verwaltungsrecht I S. 110 F N 12; Bachof, in: Gedächtnisschrift Walter Jellinek S. 294. Vgl. auch Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz (München 1970) S. 73; Werbke/Buschbeck, Bad.-Württ. VB1 1969 S. 148 f.; Rolf Meyer, Die Wahl und Ernennung der gemeindlichen Wahlbeamten in der BRD (Berlin 1964) S. 91; Suttner, Diss. S. 18 f. 94 So oder ähnlich G. Jellinek, System S. 161; Thoma, in: HdbDStR I I S. 618; in: Grundrechte und Grundpflichten I S. 26; Giese, Staatsrecht S. 111; Walz, Staatsrecht S. 309; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz I, Vorbem. A I I 3. c); Kübler, Diss. S. 259, 271; Picenoni, Kassation S. 221; Nass, Wahlorgane S. 147 f.; Wilke, Verwirkung S. 18; Seifert, BWahlG S. 106; Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage (2. Aufl. Tübingen 1968) S. 67; Rietdorf, D V 1949 S. 667, 668, 669; Greeve, Diss. S. 92, 92 a; Karpenstein, Diss. S. 117, 119; Kelsen, 91

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2. Zum anderen w i r d dem Bürger und der Partei durch das Wahlrecht die Befugnis zuerkannt, an der obersten staatlichen Willensbildung i n bestimmt gearteter Weise mitzuwirken 9 5 . Insofern ist das Wahlrecht Mitwirkungsrecht oder Kannrecht. Es setzt den Bürger und die Partei i n den Stand m i t Wahl und Wahlvorschlag auf die primäre Staatswillensbildung gestaltend Einfluß zu nehmen — i m Rahmen des von A r t . 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 konzipierten und vom Bundeswahlrecht konkretisierten Normengefüges. Daraus resultieren positive A n sprüche, Handlungsansprüche an den Staat auf ein Tätigwerden der zuständigen Wahlbehörden und Wahlorgane 9 8 : auf Eintragung i n die Wählerliste oder Aushändigung eines Wahlscheins, auf Zusendung der Briefwahlunterlagen, auf Erteilung eines die Wahlfreiheit wahrenden Stimmzettels, auf Anerkennung als Partei und Zulassung der Wahlvorschläge, auf eine die Wahlfreiheit sichernde Entgegennahme der Stimmzettel, auf rechtmäßige Mitverwertung der abgegebenen Stimme bei der Ermittlung des Wahlergebnisses. Diesen Handlungsansprüchen des A k tivbürgers, stellenweise der Partei, korrespondieren Handlungspflichten der Wahlbehörden und Wahlorgane. 3. W i r d das Darf recht oder das Kannrecht des Aktivbürgers und der Partei rechtswidrig gestört, werden sie also i n ihrer positiven oder negativen Wahlfreiheit beeinträchtigt oder i n der ihnen zukommenden Mitwirkungsbefugnis bei der obersten Staatswillensbildung rechtsw i d r i g behindert, dann sind Aktivbürger und Partei i m Sinne des A r t 19 Abs. 4 Satz 1 verletzt. I I . Aus dieser Wahlrechtsverletzung, d. h. aus dem rechtswidrigen Eingriff i n ihre materiellen Rechte resultiert für den Aktivbürger und die Partei der materiellrechtliche Störungsbeseitigungsanspruch, die sog. actio restitutoria — arg. § 1004 Abs. 1 BGB, A r t . 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 9 7 . Sie gewährt ihnen als materiellrechtliche Sanktion ihres verletzten Darf- oder Kannrechts den Anspruch auf Herstellung des rechtmäßigen Zustands: also den Anspruch auf Erfüllung der Duldungsoder Nichtstörungspflicht einerseits und den Anspruch auf Vornahme Hauptprobleme S. 679; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 65 ff., 79; Westerath, Wahlverfahren S. 8 ff.; Schmitt-Glaeser, Mißbrauch S. 113; v. Turegg, Lehrbuch S. 195; Quaritsch, Verw. Arch. 51 (1960) S. 344; Suttner, Diss. S. 23; BayVerfGHE n. F. 11 I I S. 107. Offenbar auch BVerfGE 20 S. 105. 95 Für das passive Wahlrecht deutlich Art. 21 Abs. 1 Satz 1. 98 Dazu Thoma, a.a.O.; G. Jellinek, System S. 161; Staatslehre S. 422; Wilke, a.a.O.; Nass, a.a.O.; Seifert, a.a.O.; Bachof, a.a.O.; Rietdorf, a.a.O.; Greeve, a.a.O.; Schmitt-Glaeser, a.a.O.; Kelsen, Staatslehre S. 153. 97 Vgl. dazu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 802—804 m. w. N. Ebenso ausdrücklich für die Wahlrechtsverletzung Eyermann-Fröhler, VGG (1950) S. 134. Ferner Geiger, in: Gedanke und Gestalt des Demokratischen Rechtsstaates (Wien 1965) S. 14 f.



1 1 6 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG positiver Handlungen andererseits, kurz: die actio restitutoria gewährleistet die Ausübung des Wahlrechts. Wenn diese materiellrechtliche Sanktion bei Rechtsverletzungen i m status activus gelegentlich i n der Literatur bestritten w i r d 9 8 , so muß dem widersprochen werden. Denn einmal übernimmt A r t . 19 Abs. 4 — wie gezeigt 99 — auch den Schutz der Rechte des status activus, w e i l auch hier Subjektions Verhältnisse gegeben sein können. Ist das aber der Fall, so gewährt A r t . 19 Abs. 4 auch den Restitutionsanspruch. Mag die Vorschrift auch über das Bestehen anderer 1 6 0 materiellrechtlicher Sanktionen bei subjektiven Rechtsverletzungen nichts aussagen, so ist doch jedenfalls das Bestehen der actio restitutoria aus dieser Vorschrift selbst ableitbar 1 6 1 . Denn es ist gerade das Anliegen von A r t . 19 Abs. 4, subjektive Rechtsverletzungen zu revidieren, also den status quo ante legalis zu restituieren. Zum anderen läßt sich die dargestellte These — entgegen anderen Vermutungen 1 0 2 — auch nicht m i t der von Georg Jellinek begründeten 1 0 8 und von Richard Thoma fortgeführten 1 0 4 „Status-Lehre" rechtfertigen. Denn zwar haben beide die dem einzelnen kraft seiner Zugehörigkeit zum Staat zukommenden verschiedenen „status", seine Gliedstellungen, die er durch ihn empfängt, konfront i e r t 1 0 5 . Nicht aber haben sie die Ansprüche gegen den Staat, die aus Eingriffen i n die statusgründenden Rechte resultieren, auf den status passivus limitiert. Vielmehr haben sie dem Träger des status activus ausdrücklich Unterlassungs- und Handlungsansprüche zuerkannt, wenn und weil seine darauf basierenden Rechte durch staatliche Gewalt verletzt werden 1 0 6 . Denn der Sinn eines jeden der drei Rechtsstatus besteht gerade darin, dem Bürger die Freiheit von jedem rechtswidrigen Zwang zu gewährleisten. Da der Aktivbürger den gleichen Eingriffsgefahren unterliegt wie der Passivbürger, muß er auch die gleichen Rechte haben. Wer das gleichwohl leugnet, verkennt die Systematik der Statuslehre Jellineks. Diese ist primär an der Persönlichkeit, an der das Individuum qualifizierenden Beziehung zum Staat, an ihrem Zustand oder „Status", sekundär an dem Haben oder Nichthaben von diesem Status entspre98

Vgl. Goessl, Organstreitigkeiten S. 105, 109; Müller, Diss. S. 84. Siehe oben im Text § 10. C. I I 1.—4. 100 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 sagt etwa nichts über die Möglichkeit des Schadensersatzes. 101 So auch Bettermann, a.a.O. 102 Goessl, a.a.O. rekurriert für seine Behauptung auf die „Status-Lehre". 108 In: „System der subjektiven öffentlichen Rechte", S. 83 ff. 104 HdbDStR I I S. 618 ff. los v g L F N 1 0 3 , 104. 99

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System S. 161; HdbDStR I I S. 618 u. F N 13; Grundrechte und Grundpflichten I S. 26. Ebenso Giese, Staatsrecht S. 111; Bettermann, AöR 86 (1961) S. 177; Wilke, Verwirkung S. 18.

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chenden Rechten, keineswegs aber einheitlich an den Ansprüchen orientiert, die aus Eingriffen i n solche Rechte resultieren 1 0 7 . Vielmehr liegen der Darstellung insoweit verschiedene Gesichtspunkte zugrunde, die beachtet werden müssen. Weil Jellinek den status negativus und den status positivus wie die darauf gründenden Rechte nach dem Verhalten, das dem Staat geboten ist: i m ersten Unterlassen, i m zweiten positives Handeln, gegliedert und bestimmt hat, ergeben sich daraus Abwehrund Leistungsansprüche. Nicht anders verhält es sich bei Rechtsverletzungen i m status activus. Denn stellt man ebenso auf die A r t des dem Staat gebotenen Handelns ab — und nicht auf den Zweck, dem zu dienen das Recht bestimmt ist — dann zeigt sich alsbald, daß auch die Rechte des status activus Abwehr- und Leistungsansprüche gewähren. E. Eingriffe in subjektive Wahlrechte und Rechtsschutzbedürfnis

Trotz rechtswidriger Eingriffe i n subjektive Wahlrechte durch die öffentliche Gewalt — also trotz Erfüllung der Voraussetzungen des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 — w i r d von der herrschenden Meinung gleichwohl die Rechtswegeröffnung, also die zwingend vorgesehene Rechtsfolge des A r t . 19 Abs. 4 geleugnet: w e i l A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 eine generelle Einschränkung durch das Rechtsschutzbedürfnis erfahre, unter dem „Vorbehalt" des Rechtsschutzbedürfnisses stehe. Dieses fehle i m Bereich subjektiver Rechtsverletzungen stets, da der i n seinen Rechten verletzte Wähler oder die beschwerte Partei niemals vor Abschluß der Wahl eine gerichtliche Entscheidung erlangen könne 1 0 8 . Diese Behauptung ist durch nichts gerechtfertigt. I. Wahl und Wahldurchführungsakte als einheitlicher Kollektivakt Einmal operiert die Lehre m i t der Figur des Kollektivakts und leitet daraus das — angeblich — fehlende Rechtsschutzbedürfnis her, indem 107 Darauf hat bereits Wilke, a.a.O. mit Recht aufmerksam gemacht. Nur in ihrem Vorstadium, nicht i m Stadium der Ausübimg unterscheiden sich die Rechte des status activus von denen des status positivus und negativus. Vgl. Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage S. 67, 86; Rösslein, Der Folgenbeseitigungsanspruch (Berlin 1968) S. 65 ff. 108 Vgl. etwa Seifert, D Ö V 1953 S. 366; D Ö V 1953 S. 148 F N 2; BWahlG S. 224; Nass, Wahlorgane S. 216; G. Fr. Lechner, Diss. S. 158; Maimz-Dürig-Herzog, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 18 u. F N 5; BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 178; Rietdorf, LWahlG S. 33; K W G S. 168; Steinbömer, DVB1 1968 S. 273; Seifert, D Ö V 1956 S. 260; Schiller, Diss. S. 27; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338. Ebenso schon Georg Meyer, Parlamentarische Wahlrecht S. 704. I m übrigen vgl. die F N i m weiteren Text sowie in anderem Zusammenhang BVerwGE 9 S. 250; Ballerstedt-Engelhardt, Personalvertretungsgesetz (2. Aufl. 1963) S. 90, 415; Monz, K W G Saarland (2. Aufl. 1968) S. 48, 81.

1 1 8 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG behauptet w i r d : „Die Ausübung des Wahlrechts des einzelnen und die Entscheidungen und Maßnahmen der Wahlorgane sind unlösbar i n den großen Kollektivakt des Gesamtvolkes eingespannt, i n ein Gesamtwahlverfahren integriert, das unaufhaltsam abrollt und — vom Wahlprüfungsverfahren abgesehen — eine Wiederherstellung der Verhältnisse zu Gunsten des i n seinen Rechten verletzten einzelnen nicht gestatt e t " 1 0 9 . Das ist ein klassisches Beispiel von Konstruktionsjurisprudenz. A u f Grund einer frei erfundenen, durch nichts belegten Konstruktion w i r d die Verletzung des subjektiven Wahlrechts ignoriert und damit A r t . 19 Abs. 4 diskreditiert. 1. Bereits die Auffassung über die Rechtsnatur der Wahl ist unzutreffend. Auch der gerichtliche Prozeß ist ein Gesamtakt, der sich aus vielen Elementen zusammensetzt. Gleichwohl leugnet niemand die Existenz und Selbständigkeit einzelner Prozeßakte, Prozeßhandlungen oder Zwischenentscheidungen. Ähnliches gilt für das Gesetzgebungsverfahren. Auch dieses besteht aus den verschiedensten Rechtsakten und kommt i n einem mehrgliedrigen oder mehrphasigen Verfahren zustande. Dennoch läßt sich auch hier die Selbständigkeit einzelner Rechtsakte nicht bestreiten — was die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der verschiedenen Gesetzgebungsinstanzen hinreichend belegt. Ja selbst der Vertrag besteht aus mehreren selbständigen Rechtsakten: Angebot, A n nahme, Zustimmung eines Dritten, behördliche Genehmigung oder Beurkundung. U n d jeder dieser Rechtsakte folgt eigenen, speziellen Normen, die über seine Anfechtbarkeit, Aufhebbarkeit oder Nichtigkeit entscheiden. Nicht anders verhält es sich bei der Wahl. Auch diese ist ein Verfahren, das sich aus unendlich vielen selbständigen A k t e n zusammensetzt und nach bestimmten „Verfahrensvorschriften" abläuft. Keineswegs erscheint es möglich, aus der Komplexität und Pluralität des Wahlverfahrens, aus der Summe der tatsächlichen Wahlvorgänge einen rechtlich strukturierten Gesamtakt zu machen. Die Tätigkeit des Wahlbürgers ist eben nicht nur Aktelement oder „conditio iuris" eines größeren Ganzen, nicht nur Bestandteil eines Kollektivwahlakts, sondern auch und zunächst selbständiger Individualakt, Ausübung des individuellen Wahlrechts 1 1 0 . Zwar geht die Staatsgewalt vom Volk aus; nicht 109 So Seifert, D Ö V 1953 S. 366. Ähnlich: Henke, Politische Parteien S. 172; Rietdorf, L W a h l G S. 33; K W G S. 168, 263; Bad.-Württ. VGH, VwRspr 1953 S. 853; Steinbömer, a.a.O.; Bad.-Württ. VGH ESVGHE 1 S. 22 f.; BVerfGE 4 S. 387; G. Fr. Lechner, Diss. S. 158 f.; Busse, Diss. S. 10; Seifert, D Ö V 1956 S. 260; Greeve, Diss. S. 148; Nass, Wahlorgane S. 183; Füßlein, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 53; Werbke/Buschbeck, Bad.-Württ. VB1 1969 S. 135. A. A. zu Recht Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28; OVGE Münster 1 S. 89 f.; Rietdorf, D V 1949 S. 669 u. F N 17; Zuck, D Ö V 1961 S. 499; Suttner, Diss. S. 12, S. 210 f. 110 So richtig Hatschek, Parlamentsrecht I S. 349; Karpenstein, Diss. S. 112. Irrig Nawiasky, Allgemeine Staatslehre I I 1 S. 214.

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aber bedeutet das, daß nicht auch der einzelne wählt; vielmehr hat er ein individuelles, höchstpersönliches Recht auf Wahl, auf geheime Wahl. Die Wahl ist gerade nicht eine durch das präsente Volk öffentlich vollzogene Akklamation, sondern Summe und Ergebnis unendlich vieler, zeitlich wie räumlich voneinander getrennter geheimer Individualakte 1 1 1 . Darüber hinaus ist es unzulässig, die einzelnen individuellen Stimmabgaben zusammen m i t den Wahlverfahrensmaßnahmen zu einem einheitlichen Gesamtakt des Staatsvolkes und der Wahlorgane wie Wahlbehörden „einzuschmelzen". Denn die Wahlverfahrensmaßnahmen sind von den Individualwahlakten schon äußerlich deutlich abgesetzt, indem sie ihnen entweder vorangehen oder nachfolgen. Sie werden nicht von Trägern subjektiver Rechte, sondern von Trägern öffentlicher Gewalt erlassen — von den verschiedensten Trägern öffentlicher Gewalt, deren Einsetzung und Zusammensetzung sich nach unterschiedlichen Normen regelt. Ihre Tätigkeit schafft zahlreiche räumlich und zeitlich voneinander getrennte Einzelhandlungen, angefangen von der Bestimmung des Wahltags bis zur Feststellung der Mandatsergebnisse und ihrer Bekanntmachung 1 1 2 . Diese einzelnen Akte finden ihre Rechtsgrundlage jeweils i n speziellen Normen; die Fehlerhaftigkeit des einen muß nicht zur Rechtswidrigkeit des anderen führen. Alles das ignoriert die Lehre vom Gesamtakt. Der Gesetzgeber dagegen hat die Selbständigkeit und Lösbarkeit der einzelnen Wahldurchführungsakte honoriert, wenn er gegen einzelne, den Aktivbürger oder die politische Partei beschwerende Wahldurchführungsakte ausdrücklich subjektiven Verwaltungsschutz gewährt 1 1 3 . Auch hat sich auf dem Gebiet des Wahlprüfungsrechts die Kenntnis von der Selbständigkeit der Wahldurchführungsakte längst durchgesetzt. Hier w i r d — soweit die Mandatsverteilung durch Wahlrechtswidrigkeiten beeinflußt ist — nicht das gesamte Wahlverfahren kassiert, sondern die einzelne rechtswidrige Wahlverfahrensmaßnahme korrigiert 1 1 4 . Es w i r d etwa der einzelne behördliche Mandatszuweisungsakt selbst nach Beendigung des Wahlablaufs als reparabler A k t begriffen. Das aber ist m i t dem Gedanken des einen Gesamtakts nicht zu vereinbaren.

111

Carl Schmitt, Verfassungslehre S. 243—246 hält das für undemokra-

tisch. 118 I m Ergebnis ebenso Karpenstein, a.a.O.; G. Fr. Lechner, Diss. S. 37, 71 ff.; Nass, Wahlorgane S. 166 f.; Obermayer, Verwaltungsakt S. 103; BayVBl 1955 S. 176 (jeweils widerspruchsvoll); Maunz-Dürip-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130; Suttner, Diss. S. 211; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337; Württ.-Hohenz. V G H , D Ö V 1953 S. 282. 113 Vgl. §§ 27, 29 BWahlG; §§ 19, 28, 33, 38 BWahlO. Ferner § 37 Abs. 2 LWahlG Schleswig-Holstein, wonach jeder Verwaltungsakt (!) i m Rahmen des Wahlverfahrens selbständig anfechtbar ist. 114 Dazu etwa Karpenstein, Diss., S. 103 ff. m. w. N.

1 2 0 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG 2. Die berichtete Lehre ist nicht nur i n ihrer Auffassung über die Rechtsnatur der Wahl unrichtig. Sie w i r d auch A r t . 19 Abs. 4 nicht gerecht. Denn nur darauf — auf die Verletzung des subjektiven Rechts durch die öffentliche Gewalt — stellt A r t . 19 Abs. 4 ab. A l l e i n der Rechtseingriff interessiert — nicht die A r t oder Rechtsnatur des Eingriffsakts. W i r d jemand durch die öffentliche Gewalt i n seinen Rechten verletzt, dann steht i h m der Rechtsweg offen — sagt A r t . 19 Abs. 4. Ob die Rechtsverletzung Folge einer selbständigen oder unselbständigen, primären oder akzessorischen Maßnahme, eines Individual- oder K o l lektivakts ist, spielt für A r t . 19 Abs. 4 schlechterdings keine Rolle. Denn daß ein Rechtsakt Teil eines (größeren) Gesamtakts ist, hindert nicht seine selbständige Würdigung, Eingriffsfähigkeit und Anfechtbarkeit und hindert nicht die Anwendung der für Rechtsakte solchen I n halts geltenden Normen. Für A r t . 19 Abs. 4 ist es gleichgültig, ob der verletzende und angefochtene Staatsakt Teilakt eines größeren Gesamtakts ist, i m Zusammenhang m i t anderen Akten steht oder isoliert ergeht. Allenfalls kann bei bloßen Zwischenentscheidungen oder vorläufigen Maßnahmen das Rechtsschutzbedürfnis entfallen — weil für den Anfechtenden das Abwarten der endgültigen Entscheidung zumutbar ist oder weil der Zwischenakt ausnahmsweise nicht isolierbar ist 1 1 5 . Daran aber fehlt es — wie gezeigt — bei individuell beschwerenden Wahldurchführungsakten. Auch kann der Aktivbürger und die Splitterpartei 1 1 6 für den Fall von Wahlbeteiligungsfehlern nicht auf die Möglichkeit der Wahlanfechtung nach Wahlabschluß verwiesen werden. Denn sie führt nicht nur zu einer Verzögerung, sondern zum Ausschluß jeden Rechtsschutzes 117 . Hier liegen die gravierenden Unterschiede zu der Rechtsstellung der Parteien i m Zivilprozeß und ihren Anfechtungsmöglichkeiten gegenüber gerichtlichen Zwischenentscheidungen. Z i v i l kläger und -Beklagter erlangen gegen einzelne Prozeßhandlungen zwar grundsätzlich 1 1 8 verspäteten, gleichwohl aber stets (noch) rechtzeitigen,

115 Dazu Bettermann, rechte I I I / 2 S. 806.

AöR 86 (1961) S. 160, 167. Ferner in: Die Grund-

116 Eine größere, bereits zuvor im Bundestag vertretene Partei erreicht ihren Rechtsschutz auch i m Wahlprüfungsverfahren, wenn sie von der Wahl rechtswidrig ausgeschlossen wird. Gleichwohl wird man ihr das Rechtsschutzbedürfnis nicht absprechen können, wenn sie während des Wahlablaufs den Rechtsweg beschreitet. Denn ihr steht kein anderer Weg offen, auf dem sie einfacher, schneller oder billiger zu ihrem Recht kommen kann. I m Gegenteil: die Entscheidung des angerufenen Gerichts verhindert die spätere Aufhebung des Wahlakts durch das Wahlprüfungsorgan und damit Kosten und tatsächliche Nachteile für Wähler und Parteien in nicht unerheblichem U m fang. 117

Siehe oben im Text § 9. A.—C.

118

Arg. e contrario §§ 275, 302 Abs. 3, 304 Abs. 2 ZPO.

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effektiven Rechtsschutz: w e i l die Anfechtung des Endurteils die w i r kungsvolle Überprüfung der Zwischenakte ermöglicht 1 1 9 . IL Mögliche Beeinflussung der Mandatsergebnisse durch Eingriffe in subjektive Wahlrechte Ebenso unrichtig wie die eben berichtete Auffassung ist die Ansicht, daß Verletzungen des subjektiven Wahlrechts nicht des gerichtlichen Rechtsschutzes bedürfen, wenn und soweit sie nicht die potentielle Veränderung der parlamentarischen Sitzverteilung und damit die Wiederholung des Wahlakts zur Konsequenz haben 1 2 0 . 1. Diese Lehre arbeitet m i t einem Prüfungsmaßstab, der absolut außerhalb des A r t . 19 Abs. 4 liegt. Denn dieser stellt auf Rechtswidrigkeit, nicht auf mandatskausale Rechtswidrigkeit ab. Der Wähler hat ein subjektives Recht zur Wahl, unabhängig davon, ob seine Stimmabgabe mandatserheblich oder -unerheblich ist. Ebenso hat die Partei ein Recht, an der Wahl beteiligt zu werden — auch die Splitterpartei. Zwar mag ihre geringe politische Resonanz die unterschiedliche Behandlung gegenüber politisch erfolgreichen Parteien 1 2 1 sub specie A r t . 3; 38 Abs. 1, Abs. 3 rechtfertigen 1 2 2 ; nicht aber kann sie dazu führen, i h r das grundgesetzlich verbürgte und einfachgesetzlich ausgestaltete passive Wahlrecht schlechthin zu versagen oder das Rechtsschutzrecht des A r t . 19 Abs. 4 zu verweigern. Denn vor A r t . 19 Abs. 4 sind alle subjektiven Rechte gleich: jede Rechtsschutzgewährung oder -versagung nach dem notwendigerweise subjektiven Maßstab der Gewichtigkeit und Bedeutung subjektiver Rechte und ihrer Verletzung ist unzulässig. Allenfalls Bagatellsachen könnten ausgeschlossen werden 1 2 3 . Darum aber handelt es sich bei der Ausschaltung oder Behinderung einer Splitterpartei gewiß nicht. Denn es geht u m die Verletzung eines Rechts, daß die M i t w i r k u n g an der obersten staatlichen Willensbildung gewährleistet! 2. Zum anderen ist die skizzierte Meinung deshalb irrig, w e i l sie den Rechtsschutz des A r t . 19 Abs. 4 versagt auf Grund eines Kriteriums, 119 Darauf stellen in anderem Zusammenhang auch entscheidend ab BVerwG, NJW 1957 S. 116; BFH 1963 S. 404 f.; 1964 S. 619 f. I n der Sache grundsätzlich dergleichen Ansicht schon W. Jellinek, Verwaltungsrecht S. 248. 110 Rietdorf, LWahlG S. 33; K W G S. 168 f., 263; VGH Kassel, DVB1 1967 S. 630. Vgl. auch G. Fr. Lechner, Diss. S. 158. Dagegen Olschewski, JR 1970 S. 316. 121 Vgl. §§ 6 Abs. 4, 19 BWahlG; §§ 5 Abs. 1 Satz 3, 18 Abs. 2 ParteienG. 121 Dazu BVerfGE 3 S. 27 ff.; 3 S. 392 f.; 6 S. 131; 1 S. 247 ff.; 13 S. 243; 24 S. 300. 128 So Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 806.

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2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

über dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen vor Bekanntgabe des Gesamtwahlergebnisses weder entschieden werden kann noch darf. Denn vor Abschluß der Wahl ist es dem Gericht unmöglich, die Erheblichkeit des Wahlfehlers festzustellen. Zum anderen ist dem Richter des A r t . 19 Abs. 4 gerade kraft A r t . 41 die Erheblichkeitsprüfung und -entscheidung versagt — wie noch zu zeigen sein w i r d 1 2 4 . Schließlich ist die dargestellte Auffassung auch deshalb beweislos, w e i l sie das thema probandum auf ein falsches Gleis verschiebt. Denn es geht i n erster L i n i e 1 2 5 u m die rechtzeitige richterliche Nachprüfung von individuell beschwerenden Wahlzulassungsakten, kurz: u m subjektiven Wahlrechtsschutz vor Abschluß der W a h l 1 2 6 . N u r diese A r t des Rechtsschutzes w i r d i n solchen Fällen A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 gerecht, wie noch gezeigt w i r d 1 2 7 . Wer das übersieht, verkennt das Problem. Nach Abschluß des Wahlakts besteht i n der Tat regelmäßig 128 kein Bedürfnis oder berechtigtes Interesse nach Rechtsschutz mehr. Denn die angegriffene Maßnahme, der Nichtzulassungsakt, ist infolge Beendigung der Wahl prozessual überholt, das Rechtsschutzbegehren hat sich erledigt 1 2 9 . Darum aber handelt es sich bei dieser Sachlage i n Wahrheit nicht. Es geht ausschließlich u m die Gewährung solchen Schutzes, den der Aktivbürger und die Partei von Rechts wegen beanspruchen dürfen und auch beanspruchen: die Durchsetzung ihres Rechts auf Teilnahme an der Wahl! I I I . Überholung

der Eingriffe

durch Wahlablauf

A u f die „Unmöglichkeit" der Rechtsschutzgewährung — als Erscheinungsform fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses 160 — scheint das Bundesverfassungsgericht abstellen zu wollen, wenn es ausführt: „Der reibungslose Ablauf einer Parlamentswahl erfordert mf daß die Rechts124

Dazu unten i m Text Dritter Teil § 13. A. I I . Wahlrechtsverletzungen durch rechtswidrige Wahlbewertungs- und -auswertungsakte bleiben hier außer Betracht. 126 Das wird verkannt von Grawert, D Ö V 1968 S. 755; Greeve, Diss. S. 148; Rietdorf, LWahlG S. 33; K W G S. 168 f., 263; Suttner, Diss. S. 213. 127 Dazu unten im Text § 11. B. I I . Ferner Olschewski, JR 1970 S. 316. 128 Z u Ausnahmefällen vgl. etwa BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130 = JR 1969 S. 355 mit Anmerkung Olschewski, S. 357; BayVerfGHE n. F. 12 (1959) I I S. 78 f. — jeweils im Rahmen von Verfassungsbeschwerdeverfahren. 129 Dazu auch Maunz-Dürip-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28; O V G Koblenz AS 6 S. 340; AS 7 S. 6; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338; Seifert, D Ö V 1953 S. 368; Koehler, V w G O § 42 Anm. A I X 4. 180 Ob sie das ist oder nicht vielmehr ein materiell-rechtlicher Mangel (arg. § 306 BGB), also Kriterium der Sachentscheidung ist durchaus zweifelhaft. Vgl. dazu Stephan, Rechtsschutzbedürfnis S. 52; Menger t VerwArch 57 (1965) S. 181; Lerche, in: Die Grundrechte I V / 1 S. 514 F N 229. 181 Die Hervorhebung i m Text stammt vom Verfasser. 125

§ 10. Rechtswegeröffnung nach Art. 19 Abs. 4 GG

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kontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und i m übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüf ungsverfahren vorbehalten b l e i b t " 1 8 2 . I n dessen läßt sich auch damit das Rechtsschutzbedürfnis gegen rechtswidrige Wahlzulassungsakte nicht leugnen. Denn der vom Bundesverfassungsgericht empfundene Zwang zum Ausschluß gerichtlichen Individualwahlrechtsschutzes vor Abschluß der Wahl besteht i n Wahrheit nicht 1 8 8 . Daß die Anfechtung vor Wahlabschluß möglich ist, zeigen die §§ 27, 29 BWahlG i. V. m. §§ 19, 28, 33, 38 BWahlO. Was aber der Staat durch die Wahlorgane i m Verwaltungsweg an Rechtsschutz trotz zeitlicher Terminierung der Wahl gewähren kann, das kann er auch an richterlichem Rechtsschutz geben. Jedenfalls hält der Einwand, die Fristen des Wahlrechts seien für eine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit zu kurz bemessen, i n keinem Fall Stich. Weder ist er — regelmäßig 1 8 4 — zutreffend 1 8 5 noch angesichts A r t . 19 Abs. 4 beachtlich, wie sogleich gezeigt wird. IV. Bedeutung des Rechtsschutzbedürfnisses Art 19 Abs. 4 GG

für

Abgesehen von der Unschlüssigkeit der einzelnen Argumente, leidet die von der herrschenden Lehre vorgetragene Behauptung vom fehlenden Rechtsschutzbedürfnis i m Bereich der Eingriffe von Wahlbehörden und Wahlorgane an einem grundsätzlichen Mangel: sie basiert auf der Verkennung der Grundsätze dieser allgemeinen Prozeßrechtsregel und ihrer Bedeutung für A r t . 19 Abs. 4. 1. Denn die Lehre vom Rechtsschutzbedürfnis ist — richtig«gesehen — ihrer praktischen wie theoretischen Seite nach regelmäßig 1 3 8 eine Lehre der Ausnahmen. Sie sucht nach dem — ausnahmsweisen — Feh188 BVerfGE 16 S. 129 f.; 14 S. 155. Ebenso VGH Kassel, DVB1 1967 S. 630; D Ö V 1966 S. 506. Ferner Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 26. 188 Ansätze in dieser Richtung auch bei Faber, Verfassungs- und Staatsrecht S. 182. Irrig Monz, K W G S. 48, 81. 184 Natürlich kann der einzelne Bürger, der fünf Minuten vor Schließung der WahUokale (rechtswidrig) nicht zur W a h l zugelassen wird, nichts mehr dagegen unternehmen. Indessen hat er auch in diesem Fall regelmäßig seinen Rechtsschutzanspruch nach Art. 19 Abs. 4 verwirkt—dazu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 807 f., 813 —, da er rechtzeitig hätte feststellen können, ob die formellen Wahlrechtsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. I m übrigen vgl. dazu unten i m Text Vierter Teil § 17. A. 185 Dazu unten im Text Vierter Teil § 17. insbesondere sub B. 186 Anders verhält es sich bei vorbeugenden Unterlassungsklagen: weil Art. 19 Abs. 4 grundsätzlich nur repressiven Rechtsschutz gewährt. Hier muß ebenso wie bei Feststellungsklagen (arg. § 43 Abs. 1 VwGO) das Rechtsschutzinteresse positiv festgestellt werden.

1 2 4 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG len des Rechtsschutzbedürfnisses 137 . Wenn der Gesetzgeber materiell bestehende, klagbare Rechte honoriert oder konstituiert, hat er diese auch prozessual als grundsätzlich durchsetzbar qualifiziert und akzeptiert. Die richtige Fragestellung lautet daher stets: ob i m Einzelfall dieses Interesse und Bedürfnis nach Rechtsschutz aus besonderen Gründen ausnahmsweise entfallen ist. Schlagwortartig formuliert: für das Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses streitet bei Verletzung des Rechts eine widerlegbare Vermutung. Diese Überlegung gilt auch für A r t . 19 Abs. 4. Der Verfassungsgeber hat m i t der Eröffnung des Rechtswegs für jeden durch die öffentliche Gewalt i n seinen Rechten Verletzten das Rechtsschutzbedürfnis gegen solche Verletzung grundsätzlich bejaht 1 3 8 . Auch für den i n seinem subjektiven Wahlrecht verletzten Wähler! Niemals läßt sich daher der generelle Ausschluß subjektiven Wahlrechtsschutzes m i t dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis begründen. Dieses kann nicht dazu benutzt werden, a limine dem durch die Wahlbehörden verletzten Aktivbürger oder der Partei jeden Rechtsweg, diesen schlechthin abzuschneiden 139 . Bereits das w i r d von der gegenwärtigen Lehre verkannt. 2. Verkannt w i r d auch das Verhältnis von A r t . 19 Abs. 4 zu den jeweils geltenden Prozeßordnungen. Zwar ist es richtig, daß A r t . 19 Abs. 4 trotz seiner Forderung nach Effektivität 1 4 0 des repressiven Rechtsschutzes weder selbst die A r t des Rechtsschutzes bestimmt 1 4 1 noch einfachgesetzlich gewährte Rechtsschutzformen schrankenlos verlangt 1 4 2 . Über die Zeit, Form und das Ziel des effektiven Rechtsschutzes schweigt er sich aus. Das regelt i n der Tat das positive Recht i n Gestalt der verschiedenen Prozeßordnungen. Diese dürfen aber nicht so beschaffen sein, daß sie den Rechtsschutz des A r t . 19 Abs. 4 generell ausschließen oder auch nur i n unzumutbarer, aus vernünftigen Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren 143 . A r t . 19 Abs. 4 steht unter 137

Vgl. Stephan, Rechtschutzbedürfnis S. 28 m. w. N.; Olschewski, JR 1970 S. 316. 138 Bettermann, AöR 86 (1961) S. 160; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 25; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 48; Olschewski, a.a.O. 139 Vgl. auch Hansjörg Loschelder, Diss. S. 48, 51, 94. 140 Dazu siehe unten im Text § 11. B. I I . 141 Insbesondere trotz Art. 95 Abs. 1 verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht schrankenlos garantiert — arg. Art. 19 Abs. 4 Satz 2. 148 Insbesondere kann die Entscheidung zur Hauptsache von der Einhaltung herkömmlicher Sachentscheidungsvoraussetzungen abhängig gemacht werden. Dazu BVerfGE 10 S. 267; Bettermann, AöR 86 (1961) S. 160; in: Grundrechte I I I / 2 S. 801 f. 148 So ausdrücklich BVerfGE 10 S. 268. Ferner Hansjörg Loschelder, Diss. S. 52; Kirch, Diss. S. 59 u. F N 4. Irrig BVerVG, D Ö V 1965 S. 169. Dagegen zu Recht Renck, JuS 1966 S. 276. Vgl. auch Maurer, in: Festschrift Kern S. 277.

§ 11. Wahlprüfung als Rechtsweg und Rechtsschutzweg des Art. 19 Abs. 4 125 gesetzlichem Ausfüllungs- oder Konkretisierungsvorbehalt, nicht aber unter Beschränkungs- oder Ausschlußvorbehalt — arg. A r t . 1 Abs. 3 1 4 4 . Daß Rechtsweg und effektiver Rechtsschutz bestehen, hat der Verfassungsgeber — i n den Grenzen des A r t . 79 Abs. 3 1 4 5 — m i t A r t . 19 Abs. 4 unabänderlich festgelegt. Die Prozeßgesetze gelten nach Maßgabe und Inhalt des A r t . 19 Abs. 4 — nicht umgekehrt. Das mißachtet die gegenwärtige Lehre zum subjektiven Wahlrechtsschutz, wenn sie gleichwohl den Ausschluß des A r t . 19 Abs. 4 m i t der — angeblich — konträren einfachgesetzlichen Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes begründen zu können glaubt 1 4 6 — ganz abgesehen davon, daß die VwGO den subjektiven Wahlrechtsschutz weder ausschließt noch beschränkt 147 . § 11. Das Wahlprüfungsverfahren als Rechtsweg und Rechtsschutzweg des Art. 19 Abs. 4 GG Haben sich rechtswidrige Eingriffe der Wahlbehörden und Wahlorgane in das Wahlrecht des Wählers und der Partei als Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 erwiesen, so bleibt die andere Frage zu klären 1 , ob das durch § 50 BWahlG gegen solche Verletzungen allein zugelassene Wahlprüfungsverfahren als Rechtsweg des A r t . 19 Abs. 4 qualifiziert werden kann. Das aber ist — entgegen anders lautenden Behauptungen 2 — nicht der Fall. A r t . 19 144

Vgl. Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 811; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 49. Zum Konkretisierungsvorbehalt auch BVerwGE 16 S. 292. 145 Bettermann, a.a.O.; Loschelder, a.a.O.; Lerche, in: Die Grundrechte I V / 1 S. 512. 149 I m Grunde bricht damit die Beweisführung des Schrifttums bereits zusammen. Denn im Gegensatz zur Rechtsprechung wird dort § 50 BWahlG fast durchweg ausschließlich an Art. 19 Abs. 4 Satz 1 gemessen. Art. 41 bleibt unberücksichtigt. Anders jüngst Seuffert, in: Festschrift G. MüUer (1970) S. 496. 147 Dazu siehe unten i m Text Vierter Teil §§ 15.—17. 1 Siehe oben im Text die Einführung zum Zweiten Teil vor § 10. 2 Als Rechtsweg des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und des § 90 Abs. 2 BVerfGG wird das Wahlprüfungsverfahren qualifiziert von Seifert, D Ö V 1956 S. 257; Füßlein-Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 53; Stiefel, D Ö V 1960 S. 22; Koehler, V w G O § 40 Anm. X I 7 S. 213; V G H Kassel, D Ö V 1966 S. 506; DVB1 1967 S. 630; Suttner, Diss. S. 213 u. F N 1291; offenbar auch OVGE Münster 23 S. 192 f. und BayVerfGH, VwRspr. 21 S. 260. Schwankend: Seifert, D Ö V 1953 S. 366; D Ö V 1967 S. 239; BWahlG (1. Auflage) S. 47, 88, 215; BWahlG (2. Auflage) S. 223; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 338. Offenbar irrig auch BVerfGE 3 S. 40. Vgl. dazu auch Lechner, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 675 F N 92. A. A. zu Recht: BVerfGE 1 S. 237 f.; 22 S. 281; BayVerfGHE n. F. 12 (1959) I I S. 78; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130; Greeve, Diss. S. 137; Olschewski, JR 1969 S. 358; JR 1970 S.316; Schiller, Diss. S. 26 f.; Henke, Politische Parteien S. 174.

126

2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG

Abs. 4 läßt nicht jeden Rechtsweg genügen. Vielmehr verlangt er einen spezifischen Rechtsweg. Und das i n zweierlei Hinsicht. A. Das Wahlprüfungsverfahren als Rechtsweg

Einmal garantiert A r t . 19 Abs. 4 den Gerichtsweg: also den Weg zum Richter i m Sinne der A r t . 97, 98. Diese Voraussetzung erfüllt das Wahlprüfungsverfahren nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 nicht. Denn nicht das Gericht, sondern das Parlament, nicht der Richter, sondern der Abgeordnete entscheidet. Zwar ist der Wahlprüfungsweg zum Bundesverfassungsgericht nach A r t . 41 Abs. 2 ein Gerichtsweg; er ist aber für den Verletzten kein offener Gerichtsweg i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1. Denn die Einlegung des Wahleinspruchs beim Parlament durch A k t i v bürger oder Partei reicht nicht aus, u m das Bundesverfassungsgericht anzurufen und damit den Rechtsweg beschreiten zu können. Vielmehr ist erforderlich, daß der Bundestag über die Wahlanfechtungsrüge erstens entschieden und zweitens ablehnend entschieden hat — arg. A r t . 41 Abs. 2; §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG; § 16 Abs. 3, Abs. 1 i. V. m. § 18 BWPrüfG. Eben das Gleiche gilt für den Aktivbürger i m Verfahren nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 2 — arg. § 15 BWPrüfG. Ergo ist die negative Entscheidung des Bundestages Sachentscheidungsvoraussetzung, präziser: Bedingung des Rechtswegs nach A r t . 41 Abs. 2 — w e i l das Bundesverfassungsgericht trotz Anrufung durch den Aktivbürger 8 i m Rahmen der Verfahren nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 immer erst nach ablehnender Entscheidung durch den Bundestag tätig werden darf. Diese Kopplung — die Erschöpfung des Parlamentswegs, also die Erschöpfung eines nichtrichterlichen Verfahrens als zwingende Voraussetzung des Gerichtswegs — entspricht nicht den Rechtsweganforderungen des A r t . 19 Abs. 4 4 . Denn nicht der Beschwerte, sondern das Parlament hat es damit i n der Hand zu bestimmen, ob und wann der i n seinem Wahlrecht Verletzte den Gerichtsweg beschreiten kann.

B. Das Wahlprüfungsverfahren als Rechtsschutzweg

Z u m anderen zwingen die nachfolgenden Überlegungen — wenn auch m i t anderer Tendenz — zum gleichen Ergebnis. Wenn A r t . 19 Abs. 4 den Rechtsweg bei subjektiven Rechtsverletzungen eröffnet, so liegt darin nicht nur die Garantie des Gerichtswegs. Auch der Rechtsschutz 3 Sofern ihm 100 weitere Wahlberechtigte beitreten — arg. § 48 BVerfGG. Die Partei als solche ist überhaupt nicht beschwerdeberechtigt. 4 Vgl. Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 807; BVerwG, Z M R 1954 S. 318 f. Geglückt ist die Regelung des § 7 Abs. 2 LWPrüfG Nordrhein-Westfalen.

§ 11. Wahlprüfung als Rechtsweg und Rechtsschutzweg des Art. 19 Abs. 4 127 w i r d gewährleistet 6 . A r t . 19 Abs. 4 ist nicht nur Rechtswegnorm, sondern auch Rechtsschutznorm — schützt und garantiert subjektive Rechte vor staatlicher Gewalt durch Anrufung und Entscheidung der Gerichte. Soll das Wahlprüfungsverfahren den Anforderungen des A r t . 19 Abs. 4 gerecht werden, so muß es nicht nur Rechtsweg, sondern auch Rechtsschutzweg sein. Auch das aber ist es nicht. I. Individueller

Rechtsschutz

1. Einmal garantiert A r t . 19 Abs. 4 subjektiven, nicht objektiven Rechtsschutz. Wer i n seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, darf den Richterweg beschreiten. A r t . 19 Abs. 4 gewährt individuellen, nicht kollektivierten Rechtsschutz. Er gibt den Rechtsweg zur Sicherung des Individualinteresses, nicht des Allgemeininteresses — des privaten, nicht des öffentlichen Interesses. Deshalb kommt als Rechtsschutzweg des A r t . 19 Abs. 4 nur ein solches gerichtliches Verfahren i n Betracht, i n dem die Feststellung der Rechtswidrigkeit der das subjektive Recht verletzenden Maßnahme der öffentlichen Gewalt Streit- und Entscheidungsgegenstand ist 6 : darüber also — über die Rechtsverletzung infolge Rechtswidrigkeit — p r i n z i p a l e r , nicht inzidenter entschieden wird. Ferner muß es sich u m ein Verfahren handeln, i n dem der Träger des verletzten Rechts aktivlegitimiert ist, ohne daß es für die Zulässigkeit der Klage des persönlichen Beitritts anderer bedarf. 2. Beide Voraussetzungen aber erfüllt das Wahlprüfungsverfahren nach A r t . 41 nicht. Wie gezeigt 7 ist ausschließlicher Streit- und Entscheidungsgegenstand die infolge Rechtswidrigkeit des Wahlvorgangs bewirkte Gesetzwidrigkeit der parlamentarischen Sitzverteilung. Weder ist die einzelne Wahlverfahrensmaßnahme alleiniger Anfechtungs- und Prüfungsgegenstand noch ihre Rechtswidrigkeit genügend. Nicht individuellen, höchstens kollektivierten 8 , nicht unmittelbaren, allenfalls mittelbaren Rechtsschutz gewährt das Wahlprüfungsverfahren. Nicht 5 Dazu Bettermann, a.a.O. S. 783. Verkannt von Wieseler, Vorläufige Rechtsschutz S. 150. Überhaupt sind die gelegentlich anzutreffenden Äußerungen, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 sage über die Art des Rechtswegs nichts, allzu pauschal. Gerade weil Art. 19 Abs. 4 Satz 1 auch Rechtsschutznorm ist, ergeben sich daraus zahlreiche Konsequenzen für die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtswegs. Vgl. dazu auch Kirch, Diss. 59 u. F N 14; Maurer, in: Festschrift Kern S. 277; Renck, JuS 1966 S. 276. • So Nass, Wahlorgane S. 219; Geiger, BVerfGG S. 285; Feneberg, LWahlG S. 32. Vgl. auch Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 784; Henke, Politische Parteien S. 174; Steinbömer, DVB1 1968 S. 273. 7 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B.—§ 7. 8 Siehe oben i m Text Erster Teil, Zweiter Abschnitt § 9. B. I I . Ferner Olschewski, JR 1970 S. 316.

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2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

die Verletzung des subjektiven Rechts interessiert, vielmehr ihre W i r kung auf die Mandatsverteilung. Subjektiver Rechtsschutz ist niemals Absicht, sondern immer Zufall 9 . Nicht die Verletzung eigener Rechte des einzelnen ist jemals ausreichend, sondern auch und stets die Verletzung fremder Rechte notwendig. N u r i n dem Maß und i n dem Umfang, i n dem sich subjektive Wahlrechtsverletzungen kumulieren, besteht für den individuell Beschwerten überhaupt die Möglichkeit, qua Wahlprüfung Rechtsschutz zu erlangen. Selbst dann aber erfolgt er niemals subjektiviert, sondern objektiviert, präziser: mandatsbezogen. Schon deshalb kann die Wahlprüfung nach A r t . 41 nicht als Rechtsschutzweg des A r t . 19 Abs. 4 qualifiziert werden — ganz abgesehen davon, daß A k t i v b ü r g e r 1 0 und Partei i m Rechtsweg des A r t . 41 Abs. 2 nur beschränkt bzw. gar nicht beschwerdebefugt sind 1 1 . I I . Effektiver

Rechtsschutz

1. Zum anderen ist nicht jede prinzipale richterliche Entscheidung über individuelle Rechtsverletzungen für den Rechtsschutz des A r t . 19 Abs. 4 ausreichend. Bereits aus dem Jahre 1805 stammt der Satz von Gönner 12 : „Nicht i m bloßen Ausspruch über das Recht, sondern i n der Realisierung desselben besteht der eigentliche Schutz, welchen der Staat ertheilen muß." Genau das ist das Anliegen von A r t . 19 Abs. 4. Nicht Rechtsschutz schlechthin, sondern effektiver Rechtsschutz 13 w i r d garantiert. Denn A r t . 19 Abs. 4 schützt den Bürger vor der Selbstherrlichkeit staatlicher Gewalt 1 4 ; er verhindert die Gefahr des „fait accompli" 1 5 . 9

Das räumt auch Seifert, D Ö V 1967 S. 239 ein. Irrig OVGE Münster 23 S. 192 f. Vgl. auch Olschewski, JR 1970 S. 316. 10 Vgl. § 48 BVerfGG. 11 Für eine bereits im Bundestag vertretene Partei bleibt die Möglichkeit, über die Fraktion das BVerfG anzurufen. 12 Handbuch I V S.295. Ähnlich BVerwGE 16 S. 293. 18 Zur Effektivität auch i m Sinne von Rechtzeitigkeit etwa BVerwGE 1 S. 11 f.; 16 S. 293; 17 S. 85; 19 S. 161 f.; OVG Lüneburg, DVB1 1961 S. 521; V G H München, N J W 1966 S. 752; V G Saarland, DVB1 1968 S. 264; DVB1 1968 S. 265; V G Berlin, JR 1968 S. 277; OVGE Lüneburg 18 S. 391; Maunz - Dürig - Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 9; v. Mangoldt - Klein, Grundgesetz I Art. 19 Anm. V I I Abs. 1; Rohmeyer, DVB1 1968 S. 267; Einstweilige Anordnung S. 156 ff.; Quaritsch, VerwArch 51 (1960) S. 350 f.; Lerche, Z Z P 78 (1965) S. 16 ff.; in: Die Grundrechte I V / 1 S. 513; Wieseler, Vorläufige Rechtsschutz S. 150f., 197; Ule, DVB1 1959 S. 538; Rupp, DVB1 1958 S. 119; Ringe, DVB1 1958 S. 381; Obermayer, in: Gedächtnisschrift Peters S. 876 f.; Maurer, in: Festschrift Kern S. 277, 287; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 25; Schefold, Verwaltungsrechtsschutz S. 54; Bettermann, W D S t R L 17 (1959) S. 165; Blümel, in: Festgabe Forsthoff S. 137 ff. m. w. N. 14 So expressis verbis BVerfGE 10 S. 26; BVerwGE 16 S. 293. 15 Dazu etwa BVerfGE 1 S. 11; BVerwGE 16 S. 293; Quaritsch, a.a.O.; Wieseler, a.a.O.; Rohmeyer, DVB1 1968 S. 267.

§ 11. Wahlprüfung als Rechtsweg und Rechtsschutzweg des Art. 19 Abs. 4 129 Dann aber muß Effektivität des Rechtsschutzes auch und vor allem als Rechtzeitigkeit verstanden werden 1 6 . Vollendete Tatsachen, irreparable Gestaltungen liegen nicht nur und erst dann vor, wenn überhaupt kein richterlicher Rechtsschutz besteht, sondern auch schon dann, wenn er nicht frühzeitig genug zur Verfügung steht. A r t . 19 Abs. 4 läßt nicht jeden Rechtsschutz genügen, sondern verlangt immer effektiven, noch rechtzeitigen Rechtsschutz 17 . Deshalb ist für A r t . 19 Abs. 4 nicht ausnahmslos repressiver Rechtsschutz ausreichend 18 , sondern unter Umständen präventiver Rechtsschutz erforderlich 19 . Jedenfalls ist repressiver Rechtsschutz „zur Unzeit" niemals der Rechtsschutz des A r t . 19 Abs. 4. Repressiven und doch effektiven Rechtsschutz gibt die und nur die richterliche Entscheidung, die nicht leerläuft — weil sie vollendete Tatsachen vorfindet —, sondern das geltend gemachte Recht ausübungsfähig erhält 2 0 . 2. Auch diesen Voraussetzungen des A r t . 19 Abs. 4 genügt das Wahlprüfungsverfahren nach A r t . 41 nicht. Es gibt weder prinzipalen individuellen Rechtsschutz noch für die gravierenden Fälle rechtswidriger Wahlzulassungsakte rechtzeitigen repressiven Rechtsschutz. Denn das aktive Wahlrecht ist seinem Inhalt nach ein zeitlich begrenztes Recht, kein Dauerrecht — ein Recht „von einem Tage". Es erschöpft sich m i t der einmaligen Ausübung am Wahltag 2 1 . Nur an diesem Tag kann der einzelne wählen, sein Wahlrecht ausüben. Ebenso ist der Gebrauch des passiven Wahlrechts zeitlich terminiert 2 2 . Demzufolge sind diese Rechte irreparabel torpediert, wenn der Wähler oder die Splitterpartei nicht zur Wahl zugelassen werden. Das Wahlprüfungsverfahren kann die Rechtsverwirklichung nicht mehr garantieren. Es kommt zu spät. Denn es setzt den Abschluß der Wahl i n Form der Veröffentlichung des Gesamtwahlergebnisses voraus 23 . Zu diesem Zeitpunkt aber ist das subjektive Wahlrecht temporär verzehrt, die Rechtslage von den Wahlbehörden und Wahlorganen irreversibel gestaltet. Der individuelle Rechts-

16

Dazu die Angaben in F N 13, vor allem Lerche, a.a.O. S. 17, 19, 27, 29. So richtig Lerche, a.a.O.; Wieseler, a.a.O.; Quaritsch, VerwArch 51 (1960) S. 351. 18 Die regelmäßige Begrenzung des effektiven Rechtsschutzes auf den repressiven Rechtsschutz folgt aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 — arg. „verletzt". 10 Dazu Lerche, a.a.O. Etwas enger offenbar Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 814. I n diesen Ausnahme- oder Grenzsituationen erweist sich der teleologische Gesichtspunkt der Effektivität gegenüber dem Wortlaut als überlegen. 80 Lerche, a.a.O. S. 27. 21 BayVGHE n. F. 5 (1952) S. 207; Greeve, Diss. S. 160. 22 Vgl. §§ 20, 27, 29, 19 Abs. 2 BWahlG. 28 Arg. § 2 Abs. 4, Abs. 1 BWPrüfG. 17

9 Olschewski

1 3 0 2 . Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG Verlust ist wahlprüf ungsrechtlich weder feststellungsfähig 24 noch abwendungsfähig. Dem Hechtsträger kann weder autoritativ bescheinigt werden, daß er wahlausübungsberechtigt war, geschweige ist, noch dieses wieder wird. Denn nach Lage der Dinge — einerseits die Wahl i m großräumigen Flächenstaat, andererseits die Sitzbeeinflussung als Voraussetzung jeder wahlprüfungsrechtlichen Sanktion — erscheint die Annahme utopisch, daß der individuelle Wahlbeteiligungsfehler jemals zur Wiederholung der Wahl führen kann. Ergo bleibt die Ausschaltung des einzelnen Aktivbürgers und die Nichtzulassung der Splitterpartei 2 5 trotz Rechtswidrigkeit unrevidiert — w e i l das Wahlprüfungsverfahren zu spät kommt. Genau das aber steht i n schroffem Gegensatz zu dem von A r t . 19 Abs. 4 geforderten effektiven Rechtsschutz — dem Schutz vor vollendeten Tatsachen auch i n zeitlicher Hinsicht. Insgesamt läßt sich also feststellen, daß das Wahlprüfungsverfahren nach A r t . 41 den verfassungsrechtlichen Anforderungen des A r t . 19 Abs. 4 keine Rechnung trägt. Es ist weder Rechtsweg noch Rechtsschutz weg: weder steht der alleinige Gerichtsweg des A r t . 41 Abs. 2 offen, noch bezweckt er individuellen prinzipalen Rechtsschutz, geschweige denn effektiven Rechtsschutz. Deshalb kann das Wahlprüfungsverfahren bei Rechtsverletzungen durch Wahlbehörden oder Wahlorgane nicht das von A r t . 19 Abs. 4 geforderte gerichtliche Verfahren sein. § 12. Die Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a, 94 Abs. 2 Satz 2 GG Haben die Darlegungen zu A r t . 19 Abs. 4 gezeigt, daß diese Vorschrift „von Haus aus" i m Bereich der Eingriffe von Wahlbehörden und Wahlorganen v o l l und ganz anwendbar ist, so gilt Gleiches für A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a. Die zu A r t . 19 Abs. 4 angestellten Erwägungen treffen auch auf A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a zu; denn der Verfassungsbeschwerdeweg nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a und der Gerichtsweg nach A r t . 19 Abs. 4 entsprechen sich i n den Voraussetzungen ihrer Eröffnung: sie erfordern beide die zivile Subjektion unter die öffentliche Gewalt. I. Allerdings hat A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a den Kreis der beschwerdefähigen Rechte gegenüber A r t . 19 Abs. 4 enger gezogen. Indessen ist das 24 Weil die Wahlprüfung — wie gezeigt — weder p r i n z i p a l e r noch inzidenter über individuelle Wahlrechtsverletzungen befindet. Vgl. auch Olschewski, JR 1970 S. 316. 25 Ihre Nichtzulassung ist nach der Wahrscheinlichkeit — und darauf wird bei der Wahlprüfung für den Fall von Wahlbeteiligungsfehlern abgesteüt — stets mandatsunerheblich. Sub specie § 50 BWahlG eröffnet sich damit für die herrschenden Parteien die bequeme Möglichkeit, politische „Outsider" auszuschalten.

§12. Eröffnung der Verfassungsbeschwerde

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Wahlrecht kraft A r t . 38 als Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht i n A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a ausdrücklich erwähnt, also beschwerdefähig. Daran zu zweifeln besteht angesichts des klaren Wortlauts des A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a keine Berechtigung 1 . Das hat auch das BVerfG klargestellt*. I I . Eine ganz andere Frage ist, ob die Verfassungsbeschwerde i m Bereich der Wahlrechtsverletzungen durch das Organstreitverfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 ausgeschlossen wird. Dabei muß zwischen dem (aktiven) Wahlrecht des Wählers und dem (passiven) Wahlrecht der Partei unterschieden werden. 1. Es ist allseits anerkannt, daß Verletzungen des aktiven Wahlrechts trotz A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 (nur) i m Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden können 8 . Zu Recht: der Aktivbürger ist i l n Verfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 nicht aktivlegitimiert. 2. I m Ergebnis nicht anders verhält es sich bei Eingriffen der Wahlbehörden und Wahlorgane i n das (passive) Wahlrecht der Partei. Denn auch sie ist Träger des subjektiven Wahlrechts und kann i m Einzelfall rechtswidriger (ziviler) Subjektion unterliegen —was BVerfGE 4 S. 30 f. bestätigt hat. Wenn dort die Partei gleichwohl regelmäßig auf den Weg des Organstreitverfahrens nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 verwiesen wird, so darf die grundsätzliche Richtigkeit dieser Auffassung dahinstehen 4 : denn das BVerfG hat den grundgesetzlich gewährten Rechtsschutz nicht exkludiert, sondern auf dem adäquaten Rechtsweg garantiert. Insbesondere hat das BVerfG A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 nicht als lex specialis qualifiziert, sondern dem Verfassungsbeschwerdeweg ausdrücklich Raum gelassen. Der aber ist hier ebenso unstreitig gegeben 6 wie nötig. Denn — wie gezeigt 6 — erreicht die politische Partei bei Eingriffen von Wahlbehörden und Wahlorganen i m Organstreitverfahren nicht den bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsschutz, w e i l jene Behörden und Organe für den Organstreit nicht parteifähig sind. Ergo muß sie für diesen Fall nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a beschwerdebefugt sein 7 . 1 So auch Henke , Politische Parteien S. 221; Goessl, Organstreitigkeiten S. 225, 226. 8 BVerfGE 4 S. 30. 8 A. A. Goessl , Organstreitigkeiten S. 227, der (bei Eingriffen durch den Gesetzgeber) auch das Organstreitverfahren für gegeben erachtet. Dagegen BVerfGE 13 S. 95 f. 4 Dazu kritisch mit guten Gründen Henke , a.a.O. S. 220 ff. 8 Die Rechtsprechung des BVerfG gilt nämlich nur für Eingriffe in das passive Wahlrecht durch den Gesetzgeber! Das wird von Goessl , a.a.O. S. 125 übersehen. Vgl. BVerfGE 4 S. 30 f.; 4 S. 378; 5 S. 80; 6 S. 88, 102 f., 372, 375; 11 S. 241, 243; 13 S. 9 f.; 14 S. 129. Anders dagegen konsequent BVerfGE 7 S. 103; 14 S. 129; BVerfG , BayVBl 1970 S. 132. 6 Siehe oben i m Text § 10. C. I I . 4. 7 Ebenso BVerfGE 3 S. 40; Henke , a.a.O. S. 176. 9*

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2. Teil: § 50 BWahlG und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

I I I . Der Träger des subjektiven Wahlrechts kann die Verfassungsbeschwerde i n der Hegel erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erheben. Es handelt sich hierbei u m eine verfassungsrechtlich zugelassene Sachentscheidungsvoraussetzung — arg. A r t . 94 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Ob Fälle des § 90 Abs. 2 Satz 2 (2. Alternative) BVerfGG denkbar sind, hängt vom Einzelfall ab. Keineswegs läßt sich die These aufrechterhalten, daß immer ein „schwerer und unabwendbarer" Nachteil entsteht, wenn der Aktivbürger oder die Partei wenige Tage vor der Wahl aus der Wählerliste gestrichen oder m i t dem Wahlvorschlag zurückgewiesen werden 8 . Denn auch dann können sie (noch) rechtzeitigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz erlangen und damit ihre Zulassung zur Wahl erreichen — wie noch zu zeigen sein wird9.

8

So Geiger, BVerfGG § 90 Anm. 8. Siehe unten i m Text Vierter Teil §§ 15.—17. Nur der Klarstellung halber sei vermerkt, daß auch im Rahmen von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG das Wahlprüfungsverfahren nicht als „Rechtsweg" in Betracht kommt. Zu den Gründen wie zum status controversiae siehe oben § 11. u. F N 2. Irrig daher BVerfGE 3 S. 40. 0

Dritter

Teil

Art. 4 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG als Einschränkung der Art. 1 9 Abs. 4 Satz 1, 9 3 Abs. 1 Nr. 4 a GG Der Zweite Teil der Arbeit hat ergeben: A r t . 19 Abs. 4 und 93 Abs. 1 Nr. 4 a gelten (auch) i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane. Allgemeiner Rechtsweg und Verfassungsbeschwerde sind neben der Wahlprüfung eröffnet. Damit bricht die Beweisführung des Schrifttums 1 0 , seine Behauptung vom verfassungsrechtlichen Ausschluß des subjektiven Wahlrechtsschutzes, i m wesentlichen zusammen: w e i l man dort i n aller Regel allein A r t . 19 Abs. 4 als Prüfungsmaßstab verwendet 1 1 und seine Anwendbarkeit zu Unrecht verneint. Nicht dagegen folgt daraus schon die Verfassungswidrigkeit von § 50 BWahlG. Vielmehr könnten die A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a trotz ursprünglicher Geltung und Anwendbarkeit i m Ergebnis durch A r t . 41 derogiert sein. Ob das der Fall ist, w i r d anschließend untersucht. Die Lösung dieser Frage bringt die endgültige verfassungsrechtliche Entscheidung über das Bestehen des subjektiven Wahlrechtsschutzes. Damit w i r d zugleich das letzte Wort über die Gültigkeit von § 50 BWahlG gesprochen. Denn schließt A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 die Anwendung der A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a aus, so ist die Regelung des § 50 BWahlG — die Versagung des gerichtlichen Wahlrechtsschutzes — verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Läßt dagegen A r t . 41 die A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a unberührt, dann ist § 50 BWahlG wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht verfassungswidrig. § 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG Insbesondere das Bundesverfassungsgericht 1 und vor i h m schon der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2 haben A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 10

Für die Rechtsprechung gilt das nicht. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a konnte von der Literatur naturgemäß (noch) nicht berücksichtigt werden. 1 Dazu der unveröffentlichte Beschluß vom 31. August 1957 — 2 BvR 4/57 — und BVerfGE 22 S. 281. BVerfGE 3 S. 39 f.; 11 S. 329; 14 S. 155; 16 S. 129 f. sagen in der Sache nichts anderes, vermeiden aber eine Bezugnahme auf die verfassungsrechtlichen Rechtsbehelfe. 2 BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 176 (177). Dazu Olschewski, JR 1969 S. 358 f. 11

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

als „Sonder-Regel" gegenüber A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 qualifiziert. Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof 3 scheint sich dieser Auffassung angeschlossen zu haben. Diese Rechtsprechung findet allmählichen Eingang i n die Judikatur der Instanzgerichte, die sich durchweg m i t einer stereotypen Wiederholung der These des Bundesverfassungsgerichts begnügen 4 . Demgegenüber zeichnet sich die Auffassung der eingangs genannten Gerichte durch den Versuch einer Begründung aus. Gleichwohl ist dieser nicht geglückt. A. Zur Rechtsprediung des Bundesverfassungsgerichts

I. Bericht und Kritik 1. a) Bereits i n seinem ersten, unveröffentlichten Beschluß vom 31. August 1957 — 2 BvR 4/575 — hat das Bundesverfassungsgericht A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 als lex specialis gegenüber A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 qualifiziert, wenn es die Regelung des § 50 BWahlG m i t den Worten sanktioniert: „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nur m i t den i m Bundeswahlgesetz und i n der Bundeswahlordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie i m Wahlprüfungsverfahren (Art. 41 GG) angegriffen werden. Es handelt sich u m eine aus der besonderen 6 Natur des Wahlverfahrens sich ergebende Sonderregelung 6 (Art. 38 und 41 GG), die auch die allgemeinen verfassungsrechtlichen Rechtsbehelfe ausschließt. Dieser Rechtslage trägt der § 50 B W G i n einer Weise Rechnung, die zu verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlaß gibt." b) I n seinen späteren Entscheidungen 7 hat das Bundesverfassungsgericht darauf Bezug genommen und ausgeführt: „Der reibungslose Ablauf einer Parlamentswahl erfordertdaß die Rechtskontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und i m übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt. Deshalb* gilt i n Wahlrechtsangelegenheiten der Satz, daß Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur m i t den i n den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und i m Wahlprüfungsverfahren angefochten werden können." 9

BayVBl 1969 S. 130. A. A. BayVerfGHE n. F. 12 (1959) I I S. 77. Vgl. VGH Kassel, D Ö V 1966 S. 506; DVB1 1967 S. 630 jeweils i m Rahmen von Kommunalwahlen. Vgl. aber auch V G Koblenz, JR 1970 S. 315 mit Anmerkung Olschewski. 5 Auch erwähnt in BVerfGE 14 S. 155. • Texthervorhebung vom Verfasser. 7 BVerfGE 11 S. 329; 14 S. 155; 16 S. 129 f. 4

§ 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG

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c) Diese Auffassung hat das Gericht zuletzt i n E 22 S. 281 — scheinbar — aller Skepsis enthoben, wenn es verkündet: „ M i t A r t . 19 Abs. 4 ist diese Regelung vereinbar. A r t . 19 Abs. 4 garantiert den Rechtsweg, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt i n seinen Rechten verletzt ist. Demgegenüber bestimmt A r t . 41 GG, daß die Wahlprüfung ,Sache des Bundestages' und gegen dessen Entscheidung die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig ist. Damit? w i r d die Korrektur etwaiger Wahlfehler einschließlich 6 solcher, die Verletzungen subjektiver Rechte enthalten, dem Rechtsweg des A r t . 19 Abs. 4 entzogen." 2. Die Beweisführung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zwingend. Jedenfalls liegt keine lückenlose Beweiskette vor, die das gefundene Ergebnis als logischen Schlußstein erscheinen läßt. a) Das vom Bundesverfassungsgericht i n seiner Ausgangsentscheidung vorgenommene Schlußverfahren begegnet erheblichen Bedenken. Das Gericht geht nämlich wie folgt vor: Zunächst stellt es eine abschließende lex-specialis-Regelung auf, die sich inhaltlich v o l l und ganz m i t der Norm des § 50 BWahlG deckt; anschließend gibt es jene Sonderregel als verfassungsrechtliche Entscheidung des A r t . 41 aus, u m abschließend die Verfassungsmäßigkeit von § 50 BWahlG zu bejahen. Diese Argumentation ist unschlüssig: Sie beruht ebenso auf einer petitio principii, wie sie das Rangverhältnis von Verfassungsnorm und Gesetzesnorm i n sein Gegenteil verkehrt. Denn es ist gerade die Frage, ob verfassungsrechtlich ein Entscheidungsmonopol der Wahlprüfungsorgane i n allen Wahlangelegenheiten besteht. Die A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a verneinen das, soweit es u m Eingriffe i n subjektive Wahlrechte geht! Daran kann § 50 BWahlG nichts ändern. Die Vorschrift gilt nach Maßgabe der geschriebenen Verfassung, nicht umgekehrt — arg. A r t . 1 Abs. 3, 20 Abs. 3. N u r A r t . 41 kann die A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a ausschließen. Ob er das aber tut, darüber bestimmt A r t . 41 selbst nichts. Insbesondere ist i h m der vom Bundesverfassungsgericht dem § 50 BWahlG wörtlich nachgebildete „Satz" völlig fremd. Es kann nicht die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein, eine einfachgesetzliche Vorschrift (sei. § 50 BWahlG) abzuschreiben und sie als verfassungsrechtliche Entscheidung zu etikettieren. Auch das Bundesverfassungsgericht ist an die ratio scripta des Grundgesetzes gebunden. Das Grundgesetz aber kennt keinen Satz des beschriebenen Inhalts. Das gilt u m so mehr, als der von § 50 BWahlG kreierte und vom Bundesverfassungsgericht unbesehen rezipierte und verfassungsrechtlich sanktionierte Ausschluß des subjektiven Wahlrechtsschutzes die gesetzliche Dokumentation der Ausführungen von Seifert 8 zum Rechtsschutz bei Eingriffen 8

Vgl. D Ö V 1953 S. 365, 368 r. Spalte!

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

i n subjektive Wahlrechte enthält. Die dort verbreiteten Gedanken aber sind nicht die Gedanken des Grundgesetzes — jedenfalls nicht des A r t . 19 Abs. 4 Satz l ö . Das wurde hier ausführlich dargelegt. Wenn das Bundesverfassungsgericht gleichwohl § 50 BWahlG für verfassungsmäßig erachtet hat, mußte es die These von der Spezialität des A r t . 41 belegen: also i n erster Linie darlegen, wann zwei Normen i m Verhältnis der Generalität zur Spezialität stehen und ob diese Voraussetzungen i m Verhältnis von A r t . 19 Abs. 4 zu A r t . 41 gegeben sind. Das hat das Gericht nicht getan; statt dessen hat es sich m i t dem Hinweis auf die „besondere Natur des Wahlverfahrens" begnügt. Das war nicht möglich. Denn weder hängt davon die Geltung des A r t . 19 Abs. 4 ab 1 0 , noch kommt es darauf für die Frage nach der Spezialität des A r t . 41 an. Trotz aller Wahlbesonderheiten — wirklicher oder vermeintlicher — findet A r t . 19 Abs. 4 gleichwohl i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane v o l l und ganz Anwendung: weil es trotz der besonderen Natur des Staatsakts „Wahl", trotz des Wahlverfahrens dennoch weder an der Isolierbarkeit einzelner Wahldurchführungsakte noch an der Möglichkeit und dem Bedürfnis nach rechtzeitiger Rechtsschutzerlangung fehlt. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf die „besondere Natur des Wahl Verfahrens" die Behauptung von der Spezialität des A r t . 41 GG zu begründen. Dafür ist er gänzlich ungeeignet. Denn ob eine Norm gegenüber einer anderen die speziellere ist, richtet sich nach normativen Kriterien, also nach der Quantität und Qualität der Tatbestandsmerkmale beider Normen, nicht aber nach der A r t oder Eigenart des durch eine Norm umschriebenen Substrats. Sub specie Spezialität des A r t . 41 ist es unerheblich, ob das Wahlverfahren eine „besondere" oder „allgemeine" Natur hat. Der Schluß von der Besonderheit auf die Sonderregelung ist deshalb insoweit nicht zu rechtfertigen. Eine ganz andere Frage ist, ob es neben der konkurrenzlösenden Normenspezialität sonstige, andere Gründe gibt, die den Vorrang einer Norm gegenüber einer anderen zu begründen vermögen. Sollte das Bundesverfassungsgericht dieser Auffassung sein, so hätte es dazu nähere Ausführungen machen müssen. Keineswegs konnte es sich m i t dem pauschalen Hinweis auf die besondere Natur des Wahlverfahrens begnügen. Da es das aber getan hat, bleibt seine These eine unbewiesene Behauptung. b) Auch die späteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind nicht beweiskräftig. Hier w i r d von jeder Erwähnung eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes Abstand genommen; weder w i r d A r t . 19 Abs. 4 berücksichtigt noch A r t . 41 als Rechtfertigung des § 50 • Und Seifert, a.a.O. rechtfertigt seine Auffassung und seinen Gesetzesvorschlag allein mit der ursprünglichen Nichtanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4. 19 Siehe oben i m Text Zweiter Teil § 10. E., insbesondere sub I. und I I I .

§ 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG

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BWahlG i n Anspruch genommen. Der Ausschluß des subjektiven Wahlrechtsschutzes soll nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern sogar „erfordert" sein. Alles das w i r d m i t der lapidaren Wendung von dem „reibungslosen Ablauf der Parlamentswahl" begründet. Damit setzt sich das Bundesverfassungsgericht i n souveräner A r t über den Wortlaut der Verfassung hinweg. Weder läßt sich m i t der Berufung auf die Termingebundenheit der Wahlvorgänge A r t . 19 Abs. 4 ausschließen 11 noch der Vorrang von A r t . 41 begründen. Denn die Gewährung richterlichen Rechtsschutzes während der Wahl führt weder zu einer wahlnormwidrigen Verzögerung des Wahlablaufs noch zu Eingriffen i n die Zuständigkeit der Wahlprüfungsorgane: A r t . 41 bleibt unberührt, seine Anordnung realisierbar 12 . Ergo verläßt das Bundesverfassungsgericht das Feld der Auslegung und beschreitet den Weg der freien Rechtsfortbildung contra constitutionem scriptam: auf Grund einer frei geschöpften, durch nichts gerechtfertigten Behauptung w i r d A r t . 19 Abs. 4 aus den Angeln gehoben. Dazu ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt. c) Diesen V o r w u r f kann man BVerfGE 22 S. 281 allerdings nicht machen. Hier hat das Gericht ebenso klar wie apodiktisch judiziert, wenn es A r t . 41 als Einschränkung des A r t . 19 Abs. 4 deklariert. N u r ist es den Beleg seiner These schuldig geblieben. Schon deshalb kann dieses „roma locuta" schwerlich die „causa finita" sein. Denn von selbst versteht sich die These keineswegs. II. Widerlegung:

Art. 41 GG weder lex specialis noch lex superior

Das Bundesverfassungsgericht setzt bereits den Hebel falsch an, wenn es sein Ergebnis aus der bloßen Konfrontation von Richterweg und Parlamentsweg gewinnt. Nicht schon die Anordnung, daß etwas „Sache des Bundestages" und nicht des Richters ist, reicht, um A r t . 19 Abs. 4 generell auszuscheiden. Primär entscheidend ist vielmehr, was „Sache des Bundestages" ist. Denn A r t . 19 Abs. 4 verlangt den Richter nicht unter allen, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen. Vor allem die Kongruenz oder Divergenz der i n A r t . 19 Abs. 4 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 getroffenen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen erlaubt Schlußfolgerungen auf das Verhältnis beider Verfassungsnormen. 1. Nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 ist die Wahlprüfung Sache des Bundestages und gegen dessen ablehnende Entscheidung die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig (Art. 41 Abs. 2). Aber auch nur für die Wahlprüfung sind die Organe des A r t . 41 ausschließlich zu11

Dazu oben im Text Zweiter Teil § 10. E. sub I I I . " Dazu unten § 13. A. I I . S. 140 ff.

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

ständig. Was aber „Wahlprüfung" meint und ist, wurde eingangs ausführlich dargestellt: die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der parlamentarischen Sitzverteilung 13. a) Das bedeutet i m einzelnen: I n keinem anderen als dem Wahlprüfungsverfahren darf die Frage nach der Mandatserheblichkeit des Wahlfehlers gestellt werden. Denn von dem Ausgang dieser Prüfung hängt es ab, ob der einzelne Abgeordnete sein Mandat behält, verliert oder doch fürchten muß, es demnächst zu verlieren 1 4 . N u r das — die endgültige wie vorläufige Entscheidung über den Rechtsbestand der Mandate — behält A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 dem Bundestag und dem Bundesverfassungsgericht vor. Das aber ist nicht der Entscheidungsgegenstand des i n A r t . 19 Abs. 4 eröffneten Rechtswegs. Dort geht es nicht u m die Rechtmäßigkeit der Mandatsverteilung, sondern u m die Rechtmäßigkeit hoheitlicher Eingriffe i n die Rechte des Bürgers 1 5 . M i t dem eben beschriebenen Inhalt regelt A r t . 41 einen ganz anderen F a l l oder Tatbestand als A r t . 19 Abs. 4. Deshalb kann A r t . 41 m i t diesem Inhalt nicht die lex specialis zu A r t . 19 Abs. 4 sein 16 — weil es bereits an der für jede Spezialität erforderlichen Konkurrenz der Normeninhalte fehlt 1 7 . Für A r t . 19 Abs. 4 kommt es weder auf die Mandatserheblichkeit der Wahlrechtswidrigkeit an, noch ist es für den Fall rechtswidriger Wahlzulassungsakte möglich, diese Frage vor Abschluß der Wahl zu stellen, geschweige denn zu beantworten. b) Einen anderen Inhalt aber als die Prüfung und Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Mandate hat A r t . 41 nicht. Damit soll nicht verkannt werden, daß A r t . 41 gewisse Bezüge zu dem einzelnen Wahldurchführungsakt und seiner Rechtswidrigkeit enthält 1 8 : indem er dem 18

Dazu abschließend oben im Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 7. Das gilt für die — über die Zweitstimmen in das Parlament gelangten — „Listen-Abgeordneten", wenn der Wahlakt teilweise kassiert und insoweit Wiederholungswahl angeordnet wird. 15 Zweifelhaft ist, ob ein Wahlbewerber über Art. 19 Abs. 4 seinen Einzug in das Parlament durchsetzen kann. Insoweit, aber auch nur insoweit könnte Art. 41 Schranke des Art. 19 Abs. 4 sein. Vgl. zu diesem Fall auch Rietdorf, D V 1949 S. 668; ferner BVerfGE 6 S. 448 f. sowie F N 177 zu § 6. B. V. 4. samt den sich daraus ergebenden Bedenken hinsichtlich der Aktivlegitimation für den Rechtsweg nach Art. 41 Abs. 2. 16 Ähnlich Hansjörg Loschelder, Diss. S. 33 f.; Maunz-Dürig - Herzog, Grundgesetz I Art. 41 Rdn. 18; Maunz - Sigloch - Schmidt - Bleibtreu - Klein, BVerfGG § 13 Nr. 3 Rdn. 33; Rietdorf, D V 1949 S. 668; Seifert, BWahlG (1. Auflage) S. 322; BWahlG (2. Auflage) S. 65; D Ö V 1953 S. 366; FenebergKreis, BWahlG S. 47, 109 (gegen S. 69); Feneberg, LWahlG S. 32. Treffend ferner OVGE Lüneburg 7 S. 307; OVG Koblenz AS 6 S. 340 f. 17 Denn die Spezialität ist gerade eine Form der Konkurrenzlösung: sie setzt also die Konkurrenz voraus. Vgl. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes (Berlin, Frankfurt a. Main 1968) S. 96, 75, 134. 18 Das wird von den in F N 16 genannten Autoren nicht oder nicht hinreichend beachtet. 14

§ 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG

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Bundestag das Recht verleiht, jede Wahlverfahrensmaßnahme i m H i n blick auf die Rechtmäßigkeit der Mandate zu überprüfen. Das aber reicht nicht, u m dem Richter des A r t . 19 Abs. 4 die Zuständigkeit zu entziehen. Denn nicht jeder Sachbezug zwischen zwei Normen und ihren Gewährleistungen schafft zwischen beiden das Verhältnis der Spezialität. Vielmehr stehen zwei Normen nur dann i n dieser Relation, wenn die eine den Tatbestand der anderen v o l l und ganz erfaßt und darüber hinaus zumindest ein qualifizierendes oder spezialisierendes Tatbestandsmerkmal aufweist 1 9 . Die lex generalis muß also immer umfassend i n der lex specialis enthalten sein. Diese Anforderungen aber erfüllt A r t . 41 gegenüber A r t . 19 Abs. 4 nicht — was die vergleichende Gegenüberstellung beider Verfahrensarten klar erkennen läßt: A r t . 19 Abs. 4 eröffnet den Gerichtsweg zum Schutz des Bürgers vor Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt; A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 dagegen gewährt den Parlamentsweg zum Schutz des Bundestages vor Eingriffen der Exekutive; A r t . 41 Abs. 2 den Weg zum Bundesverfassungsgericht zum Schutz des Parlaments vor parteipolitischer Manipulierung seines personellen Bestands 20 . A r t . 19 Abs. 4 revidiert subjektive Rechtsverletzungen, A r t . 41 garantiert die Kongruenz von Volksw i l l e n und personellem Parlamentsbestand. Hier ist die Gültigkeit der Wahl, d.h. die Rechtmäßigkeit der Mandatsverteilung Entscheidungsgegenstand; dort w i r d u m individuelle Rechtsverletzungen gestritten. Hier ist der einzelne Wahldurchführungsakt nur ein Element des A n fechtungsgegenstandes — dort ist er alleiniger Gegenstand der A n fechtung. Hier ist stets mandatserhebliche Rechtswidrigkeit erforderlich — dort immer schlichte Rechtswidrigkeit genügend. Hier geht es u m die rein objektivrechtliche Frage der Gültigkeit der Wahl — dort u m die subjektivrechtliche nach der Verletzung klägerischer Rechte 21 . Eine Vorschrift aber, die den Parlamentsweg und den Weg zum Bundesverfassungsgericht nicht i m individuellen, sondern körperschaftlichen Interesse, nicht zur Befriedigung subjektiver Rechte des Bürgers, sondern zum Schutze des Parlaments und zur objektiven Klärung der verfassungsrechtlich allein bedeutsamen Frage nach der „richtigen" Reprä19 So richtig Mezger-Blei, Strafrecht I (11. Aufl. 1965) S. 291 f.; Lent, Die Gesetzeskonkurrenz i m Bürgerlichen Recht und Zivilprozeß I (1912) S. 9 ff., insbesondere S. 15. Diese Voraussetzung übergeht nicht nur BVerfGE 24 S. 33 (LS. Nr. 3) gegen S. 50, sondern auch BVerfG, N J W 1969 S. 1896, wo jeweils bedenkliche Aufweichungen des Art. 19 Abs. 4 vorgenommen werden. 20 Siehe oben i m Text Erster Teil, Erster Abschnitt § 6. B. V. 1 b). 21 Und auch das ist anerkannt, daß Beanstandungsverfahren nicht mit Rechtsschutzverfahren, objektive nicht mit subjektiven konkurrieren: ergo sich auch nicht gegenseitig ausschließen. Vgl. etwa Bettermann, a.a.O.; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn.18; Herzog, BayVBl 1961 S. 371; Renck, Gesetzgebungsbefugnis S. 78, 79 u. F N 7; OVGE Lüneburg 7 S. 307; O V G Koblenz AS 6 S. 340 f.

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

sentation des Staatsvolks zur Verfügung stellt: nicht die Einhaltung und Bewahrung individueller Wahlrechte garantiert, sondern die Divergenz von formell und materiell rechtmäßigem Mandatserwerb revidiert, also die Identität von Volkswillen und Parlamentsbestand kontrolliert — eine solche Vorschrift, die dem Bürger weder eine Klage = noch eine Einspruchsmöglichkeit verleiht 2 2 , über die Antragsberechtigung nichts aussagt, kann eine andere Vorschrift nicht verdrängen, die einen Gerichtsweg zum prinzipalen Schutz des Bürgers gegen individuelle Verletzungen seines subjektiven Wahlrechts durch Wahlbehörden und Wahlorgane eröffnet. Wer das Gegenteil behauptet, verkennt das Verhältnis der lex specialis zur lex generalis. Dafür reicht nicht aus, daß sich zwei Normen wie schneidende Kreise verhalten; vielmehr muß es sich u m zwei konzentrische Kreise m i t gleichem Zentralpunkt, aber unterschiedlichem Radius handeln. Daran fehlt es i m Verhältnis von A r t . 41 zu A r t . 19 Abs. 4. A r t . 41 befaßt sich überhaupt nicht m i t dem subjektiv-individuellen Rechtsschutz des Wahlbürgers und der Partei. Diesen regelt A r t . 19 Abs. 4. Umgekehrt beschäftigt sich A r t . 19 Abs. 4 nicht m i t dem Thema des A r t . 41, der Rechtmäßigkeit der Mandatsverteilung. Eine Vorschrift aber, die eine bestimmte Materie nicht erfaßt, kann nicht die lex specialis zu einer anderen sein, die sich ausschließlich eben diesem Sachgebiet widmet. 2. Ist A r t . 41 nicht die lex specialis zu A r t . 19 Abs. 4, so bleibt die andere Frage zu klären, ob es sonstige Gründe gibt, die A r t . 41 den Vorrang gegenüber A r t . 19 Abs. 4 einräumen. Daß eine Norm durch eine andere trotz fehlender Spezialität verdrängt werden kann — sei es aus sachlogischen, sei es aus teleologischen Erwägungen — w i r d man grundsätzlich nicht bestreiten können 2 8 , wenngleich nicht zu übersehen ist, daß diese Annahme nur zu leicht zu einem Einfallstor unkontrollierter und unkontrollierbarer subjektiver Wertungen werden kann. Letztlich kann die Frage dahinstehen: denn es gibt keine besonderen, übergeordneten Gesichtspunkte, die es rechtfertigen würden, A r t . 41 gegenüber A r t . 19 Abs. 4 derogatorische K r a f t zuzuschreiben. a) Die Anwendung des A r t . 19 Abs. 4 i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane führt nicht zu wahlnormwidrigen Behinderungen des gesetzlich geregelten und terminierten Wahlablaufs 24 . Soweit es u m subjektive Wahlrechtsverletzungen infolge rechtswidriger Wahlzulassungsakte geht, steht das richterliche Wort nach A r t . 19 Abs. 4 22 Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nämlich sagen darüber gar nichts. I m Gegenteil: Art. 41 Abs. 1 Satz 1 spricht seinem Wortlaut nach gegen das Einspruchsprinzip des § 2 Abs. 1 BWPrüfG und für das Amts- und Offizialprinzip! 28 Vgl. etwa Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts (München 1967) S. 268 f. 24 So aber vor allem Seifert, D Ö V 1953 S. 366, 368.

§ 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG

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dem termingerechten Wahlabschluß nicht entgegen. Es hindert i h n ebenso wenig, wie es die wahlbehördliche Entscheidung i n den von § 50 BWahlG erfaßten Fällen t u t 2 5 . Denn die Realisierung der richterlichen Anordnung findet vor nicht nach Abschluß der Wahl statt: w e i l es für ihre Vollstreckbarkeit nicht der vorherigen Rechtskraft bedarf 2 6 . Ergo stellt sich die Frage nach der Reversibilität der Wahlvorgänge nicht 2 7 . Diese finden trotz der richterlichen Korrektur termingemäß i h r Ende. Demzufolge fehlt es an jeder Notwendigkeit und Möglichkeit, auf Kosten der Wahlfreiheit des Bürgers und der Partei eine Prioritätsentscheidung zugunsten des A r t . 41 zu treffen. Subjektiver Wahlrechtsschutz auf der einen (Art. 19 Abs. 4) und befristetes Wahlverfahren auf der anderen Seite (Art. 41) harmonieren, sie kollidieren nicht. Gleiches gilt, soweit es sich u m subjektive Wahlrechtsverletzungen infolge rechtswidriger Wahlbewertungs- und -auswertungsakte handelt 2 8 . Auch hier besteht keine Konkurrenz von Recht und Zeit. Der Wahlabschluß ist erfolgt. Die richterliche Entscheidung verzögert oder revidiert i h n nicht: w e i l i h r Entscheidungsausspruch den Schluß der Wahlhandlung voraussetzt. b) Ebenso wenig führt die i m Rechtsweg des A r t . 19 Abs. 4 getroffene Verpflichtung der Wahlbehörden und Wahlorgane, den Wähler und die Partei an der Wahl zu beteiligen, zu kompetenzwidrigen Eingriffen i n den grundgesetzlich verbürgten Zuständigkeitsbereich der Wahlprüfungsorgane 29 . Weder werden diese durch das richterliche Wort i n ihrer (späteren) Prüfung über die Rechtmäßigkeit der durchgesetzten Wahlteilnahme präjudiziert noch i n ihrem Monopol tangiert, über die Rechtmäßigkeit der parlamentarischen Sitzverteilung zu entscheiden. Selbst wenn es i m ersten nicht so wäre, bliebe die Behauptung i m zweiten richtig: w e i l die Überprüfung der richterlichen Entscheidung auf ihre Mandatserheblichkeit nach Lage der Dinge und Praxis des Bundestages weder ex ante 8 0 noch ex post zu einem positiven U r t e i l gelangt 8 1 . N u r das aber, die Freiheit vor Eingriffen i n mandatserhebliche Wahlrechtsangelegenheiten, können die Wahlprüfungsorgane beanspruchen — nichts mehr oder anderes 82 . Darüber hinaus bindet die richterliche Ent25

Dazu oben im Text Zweiter Teil § 10. E. I I I . Dazu unten i m Text Vierter Teil § 17. sub. B. 27 Das übersieht Seifert, a.a.O. (allerdings vor Erlaß des § 123 VwGO) gegen S. 367 r. Sp. 28 Die Frage der Individualisierbarkeit solcher Verletzungen bleibt hier außer Betracht. 29 Darauf spielt Seifert, D Ö V 1953 S. 367 an. 80 Dazu oben im Text Zweiter Teil § 10. E. I I . und Dritter Teü § 13. A. I I . 81 Dazu oben i m Text Erster Teil, Zweiter Abschnitt § 9. B. I I . (u. F N 11) sowie Zweiter Teil § 11. B. I I . 82 Siehe oben Dritter Teil § 13. A. I I . S. 138—140. 26

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

Scheidung nach A r t . 19 Abs. 4 die Wahlprüfungsorgane auch nicht: weil es sich u m eine Verurteilung, nicht u m eine Gestaltung handelt 3 3 . Denn nach materiellem Wahlrecht ist die Aufhebung des beschwerenden Aktes für die Ausübung des Wahlrechts nicht ausreichend, sondern ein (erneutes) positives Tun der Wahlbehörden und Wahlorgane erforderlich 3 4 — sei es i n Form der Eintragung i n die Wählerliste oder der Aushändigung des Wahlscheins oder sei es i n Gestalt der Zulassung zur Wahl. Die Rechtskraft des dazu verurteilenden Richterspruchs aber erstreckt sich auf das Wahlprüfungsverfahren nicht: weil weder der Streitgegenstand noch die Beteiligten des (verwaltungs-)gerichtlichen Verfahrens m i t dem Entscheidungsgegenstand und den Beteiligten des Wahlprüfungsverfahrens identisch sind 3 5 . Besondere Gründe für eine Rechtskrafterstreckung aber gibt es nicht. Die schlichte Existenz eines doppelten Rechtszuges kann sie nicht begründen: w e i l er weder zu Komplikationen f ü h r t 3 6 noch sonst eine singuläre Erscheinung ist. c) Schließlich läßt sich der Ausschluß des A r t . 19 Abs. 4 auch nicht damit begründen, der Grundgesetzgeber habe m i t A r t . 41 (stillschweigend) bewußt jeden gerichtlichen subjektiven Wahlrechtsschutz ausschließen wollen. Dafür fehlt jeder Anhaltspunkt — wie die Entstehungsgeschichte des A r t . 41 beweist 3 7 . Diese Vorschrift macht weder gegen den Richter Front (arg. A r t . 41 Abs. 2) 38 noch richtet sich ihre Spitze gegen die Einhaltung oder Bewahrung subjektiver Wahlrechte. Denn es ist seit altersher bekannt, daß trotz parlamentarischer Wahlprüfungszuständigkeit der Richterweg gegen subjektive, individuelle Wahlrechtsverletzungen beschritten werden konnte 3 9 . Hätte der Grund88 Offenbar wie i m Text auch W. Jellinek, Verwaltungsrecht S. 243 f., 247 f. Ferner Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337. 84 Dazu unten i m Text § 16. sub A. I I . 35 So auch OVGE Lüneburg 7 S. 307; OVG Koblenz AS 6 S. 340 f.; MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 18; Seifert, BWahlG (1. Auflage) S. 322; D Ö V 1953 S. 367. Schwankend Rietdorf, D V 1949 S. 669. 88 Diese befürchtet Seifert, D Ö V 1953 S. 367. Dagegen Maunz - Dürig - Herzog a.a.O. 87 Vgl. Jb. ö. R. n. F. 1 (1951) S. 360—362. I m übrigen ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant die Klarstellungsklausel des Art. 19 Abs. 4 Satz 3, zu deren Einführung sich der verfassungsändernde Gesetzgeber trotz der klaren Regelung des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 gleichwohl veranlaßt glaubte! 88 v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T I S. 136 macht treffend darauf aufmerksam, daß sich die parlamentarische Wahlprüfung ab origine gegen die vollziehende, nicht aber die rechtsprechende Gewalt gerichtet hat — jedenfalls in Deutschland. 89 Vgl. dazu die Gesetzesnachweise bei Wiesmann, AöR 29 (1912) S. 95, 98; G. Jellinek, System S. 160 u. F N 2, S. 163 u. F N 3; W. Jellinek, in: HdbDStR I S. 625 u. F N 18; Rietdorf, D V 1949 S. 669 u. F N 18; Georg Meyer, Parlamentarische Wahlrecht S. 704 u. F N 2, 707 u. F N 1; Sarwey, öffentliches Recht (1880) S. 488 f. sowie O V G Koblenz AS 6 S. 340. Ferner Art. 9 Abs. 4, 12 Abs. 3 LWahlG Bayern i. d. F. vom 6. 7. 1966 (GVB1 205, 314). Ebenso schon zuvor

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gesetzgeber damit brechen wollen, so hätte er es sagen müssen. Das hat er nicht getan. M i t guten Gründen: denn „es haben viel unbedeutendere Individualansprüche den richterlichen Schutz gefunden, es ist daher nicht abzusehen, warum eine Ausnahme zu Ungunsten des parlamentarischen Wahlrechts stattfinden soll". Diese bereits vor mehr als sechzig Jahren getroffene Feststellung von Georg Jellinek 40 hat heute i m Zeichen der A r t . 19 Abs. 4, 92, 93 Abs. 1 Nr. 4 a u m so mehr Gültigkeit. Denn es ist ganz unwahrscheinlich, daß das so überaus rechtswegfreundliche und richterstaatliche Grundgesetz 41 ausgerechnet den subjektiven Wahlrechtsschutz gegenüber früher einschränken wollte. Außerdem ist die Rechtsweg- und Rechtsschutz verbürgung des A r t . 19 Abs. 4 gegenüber der Wahlprüfung des A r t . 41 die neuere verfassungsrechtliche Gewährleistung. M i t A r t . 19 Abs. 4 hat der Grundgesetzgeber gegenüber Weimar eine „terra incognita" beschritten; m i t A r t . 41 hat er sich der Tradition gebeugt. Diese i n ihrem Gewicht unterschiedlichen Akzentsetzungen des Verfassungsgebers müssen honoriert und dürfen nicht ignoriert werden. A r t . 19 Abs. 4 ist für das Gesamtgepräge der Bundesrepublik Deutschland essentiell, A r t . 41 als Relikt einer überkommenen Frontstellung zwischen Parlament und Exekutive, zwischen Volk und Krone vergleichsweise akzidentiell. A r t . 19 Abs. 4 ist gegenüber A r t . 41 die höherrangige oder höherwertige Vorschrift — nicht umgekehrt 4 2 . Auch deshalb vermag die Annahme von dem stillschweigend bewußt getroffenen verfassungsrechtlichen Ausschluß des subjektiven Wahlrechtsschutzes nicht zu überzeugen. Insgesamt gesehen läßt sich also feststellen, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder begründet noch richtig ist. A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ist weder lex specialis zu A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 noch lassen sich sonstige Gründe dafür finden, daß A r t . 41 den A r t . 19 Abs. 4 verdrängt. Die Vorschriften bestehen nebeneinander. Die Ver§§ 6 Abs. 7, 9 Abs. 7 der Bayerischen DurchführungsVO zur Wahl zum ersten Bundestag vom 6. 7.1949 (GVB1 S. 148); § 18 WahlO Baden für die Wahl zum ersten Bundestag (GVB1 1949 S. 231) und § § 1 1 Abs. 3, 18 Abs. 3 SchleswigHolsteinische DurchführungsVO für die Wahlen zum ersten Bundestag vom 28. 6.1949 (GVB1 S. 130). Heute noch Art. 22 Abs. 4 Satz 2, 3 LWahlG BadenWürttemberg. Ferner Nachweise bei Monz, K W G S. 81; Olschewski , JR 1970 S. 316. Dieser historische Befund wird ignoriert von Seifert , BWahlG S. 223, 224 f.; BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 179; Füßlein , in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 53. 40 I m „System der subjektiven öffentlichen Rechte" S. 166. 41 Vgl. dazu statt aller Fritz Werner , Das Problem des Richterstaates S. 1—3. 41 Dieser Gesichtspunkt nötigt nicht zur These von der verfassungswidrigen Verfassungsnorm des Art. 41, verhindert vielmehr gerade eine Auslegung, die unweigerlich diesen Problemkreis ansteuern müßte. Die i m Text getroffene Feststellung wird zusätzlich dadurch erhärtet, daß wohl das Institut des Rechtsschutzes, nicht aber das der Wahlprüfung unter den erhöhten Bestandsschutz des Art. 79 Abs. 3 zu rechnen sein wird.

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

fassung hat sich für die Wahlprüfung und den subjektiven Wahlrechtsschutz entschieden. B. Zur Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsund des Verwaltungsgerichtshofs

Das hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof 43 verkannt, wenn er jüngst auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in E 6 (1953) I S. 176 rekurrierte und sich m i t der dort vertretenen A u f fassung grundsätzlich identifizierte. Danach ist „ f ü r die Wahlen zum Bundestag gegen A k t e der Wahlorgane eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung nicht gegeben". Dieser Leitsatz (Nr. 1) war die Konsequenz der auf S. 177 getroffenen Qualifikation des A r t . 41 als Vorrangnorm gegenüber A r t . 19 Abs. 4. Begründet wurde diese Konkurrenzlösung auf S. 179 — unter Bezugnahme auf BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 102 — m i t dem „allgemeine(n) Grundsatz, daß beanstandete Wahlvorgänge erst nach der Wahl" und nur i m Wahlprüfungsverfahren geltend gemacht und geprüft werden können 4 4 . So wenig diese Rechtsprechung die behauptete Spezialität oder den sonstigen Vorrang des A r t . 41 zu begründen vermag 4 5 , so wenig ist die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgenommene Einschränkung der These von der Exklusivität der Wahlprüfung zutreffend. I. Die Lehre von der eingeschränkten der Wahlprüfung

Exklusivität

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof w i l l die Exklusivität der Wahlprüfung — die Spezialität oder den sonstigen Vorrang des A r t . 41 gegenüber A r t . 19 Abs. 4 — auf Akte von Wahlorgfanen einengen: gegen A k t e von Wählbehörden w i l l er gerichtlichen Wahlrechtsschutz gewähren. Diese Unterscheidung hat keine Berechtigung. 1. a) Einmal ist die Auffassung inkonsequent. Entweder ist A r t . 41 gegenüber A r t . 19 Abs. 4 vorrangig oder er ist es nicht. Wenn er es aber ist — und davon geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus — dann muß er die Geltung des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 i m Bereich subjektiver Wahlrechtsverletzungen ausschließen. Die aber erstreckt sich ebenso auf A k t e der Wahlbehörden wie Wahlorgane. Beide sind, wie

43

BayVBl 1969 S. 130 = JR Dieser Gesichtspunkt ist falsch wie unter B. I I . gezeigt 45 Dazu oben § 13. A. I I . und 44

1969 S. 355 = BayVerfGHE n. F. 21 I I S. 202 ff. sub specie Spezialität irrelevant, i m übrigen wird. Dazu auch Olschewski, JR 1969 S. 358 f. unten sub B. I I .

§ 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG

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gezeigt 46 , öffentlichrechtliche Kompetenzträger; beide üben öffentliche Gewalt aus. b) Ebenso steht die Unterscheidung i m Widerspruch zu § 50 BWahlG und zur Beweisführung des Bundesverfassungsgerichts. Denn wenn man diese Vorschrift wegen der Exklusivität der Wahlprüfung für verfassungsmäßig hält, müssen auch die A k t e der Wahlbehörden gerichtlichem Individualrechtsschutz entzogen sein. Denn auch diese können — wie gezeigt — gemäß § 50 BWahlG i m Wahlprüfungsverfahren angegriffen und geprüft werden. Eben darauf aber: auf den Umfang, nicht die Funktion, auf das Objekt, nicht das Ziel der Wahlprüfung, stellt die gegenwärtige Lehre ab, wenn sie die Wahlprüfung als exklusiv bezeichnet. Gerade m i t dieser Begründung gelangt sie zum Ausschluß des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1, zur Leugnung des subjektiven Wahlrechtsschutzes. Ergo muß die Wahlprüfung soweit exklusiv sein, als i h r Prüfungsgegenstand und Umfang reicht. Der aber erfaßt sämtliche Wahldurchführungsakte — ebenso von Wahlbehörden wie von Wahlorganen! c) Diese Sicht der herrschenden Meinung streitet — wie belegt — insgesamt wider die Richtigkeit der These von der Exklusivität. Sie kann daher nicht ihre Einschränkung rechtfertigen. Die Berücksichtigung des durch die Wahlprüfung geschützten Rechtsguts widerspricht diesen Überlegungen nicht — unabhängig davon, ob man der hier vertretenen Auffassung vom Zweck der Wahlprüfung folgen w i l l oder nicht. Denn unter allen möglichen Aspekten ist es vollkommen gleichgültig, ob die Wahlrechtswidrigkeit von Wahlorganen oder Wahlbehörden begangen wurde. Die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgenommene Differenzierung zwischen Behörden und Organen ist daher willkürlich. 2. Zum anderen ist die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof kreierte oder rezipierte These von der eingeschränkten Exklusivität der Wahlprüfung das Produkt eines Mißverständnisses. Sie ist durch die angezogene Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht gedeckt: weder durch E 6 (1953) I S. 179 noch E 6 (1953) I S. 102 f. a) Daß der „allgemeine Grundsatz" von der Exklusivität der Wahlprüfung bewußt auf Akte der Wahlorgane beschränkt wurde, läßt sich BayVGHE n. F. 6 (1953) IS. 179 nicht allein deshalb unterstellen, w e i l es sich i n dem entschiedenen F a l l u m die Maßnahme eines Wahlorgans handelte. Sollte das gleichwohl die Ansicht oder Absicht von E 6 S. 179 gewesen sein, dann ist die dafür apostrophierte BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 102 f. nicht beweiskräftig 4 7 . Dort ging es u m Fragen der kommu49

Siehe oben im Text Zweiter Teil § 10. A. Die Behauptung von BayVGHE n. F. 6 (1953) I S. 179, die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11.12.1952 Nr. 152 I V 52 sei 47

10 Olschewskl

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

nalen Wahlprüfung. Entscheidungserheblich war, „von welchem Zeitpunkt an die Rechtsaufsichtsbehörde zur Wahlprüfung und damit zur evtl. Ungültigkeitserklärung der Wahl berufen ist". E 6, S. 102 f. ist zu Recht davon ausgegangen, daß die staatliche Behörde sich i n ihrer Eigenschaft als Prüfungsorgan während des Ablaufs der Kommunalw a h l jeglichen Eingriffs i n die Tätigkeit der Wahlorgane und Wahlbehörden zu enthalten hat. Denn die Wahlprüfung ist Mandatsprüfung; sie setzt den Abschluß der Wahl voraus. Vorher besteht kein Raum für ein Einschreiten der Wahlprüfimgsinstanz. Diese Begründung war erforderlich, nicht aber ausreichend, was das Gericht nicht verkannt hat. Es blieb der Einwand aus dem Feld zu schlagen, daß die staatliche Behörde auch nicht als Rechtsaufsichtsbehörde i n ein schwebendes Wahlverfahren eingreifen durfte. Zu diesem Zweck hat E 6, S. 102 auf die Existenz „besondere(r), aus dem Kreis der Bürger (!) gebildete(r) Wahlorgane ohne Eingriffsmöglichkeit von Behörden" rekurriert. Dieses Argument stach für den entschiedenen Fall — es ging u m die A u f hebung der Maßnahme eines Wahlorgans! Denn die Wahlorgane dienen dem Schutz der Aktivbürgerschaft vor Verdunkelungen des Volkswillens durch die Exekutive 4 8 . Die ratio legis würde unterlaufen, wenn einer Exekutiv-Behörde während des Ablaufs der Wahl gegenüber Akten von Wahlorganen eine Kassations- oder Reformationsbefugnis zustünde. Man kann den Wahlakt nicht nur manipulieren, wenn man a priori zuständig ist, vielmehr auch dann, wenn man (noch rechtzeitig) zuständig wird. b) Nur das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof i n E 6 S. 102 gesagt! Er hat Wahlorganen und Wahlbehörden die Freiheit von präventiven Eingriffen der Wahlprüfungsinstanz garantiert, deren Zuständigkeit auf repressives Einschreiten limitiert. Ferner hat er den kommunalen Wahlorganen — und nur diesen — Freiheit vor Eingriffen der staatlichen Rechtsaufsicht konzediert und dadurch die Freiheit des Aktivbürgers wie der Partei honoriert. Nur i n dieser Hinsicht — insoweit es u m die Rechtsauf sieht geht — hat E 6 (1953) IS. 102 zwischen Wahlbehörden und Wahlorganen unterschieden. Zu Recht: Denn es ist nicht einzusehen, wieso exekutive Wahlbehörden vor Eingriffen der exekutiven Rechtsaufsicht geschützt sein sollten. Die Schutzbedürftigkeit des Aktivbürgers und der politischen Partei erfordert i m Gegenteil das Einschreiten der Rechtsaufsichtsbehörde! c) Diese feinsinnige A r t der Differenzierung an richtiger Stelle hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof übersehen, als er sie auch für die Wahlprüfung nutzbar machen zu können glaubte. Dafür ist sie ebenso nicht veröffentlicht, ist falsch. Das Urteil findet sich in demselben Band der Amtlichen Sammlung auf S. 93 ff. 48 Dazu oben i m Text Zweiter Teil § 10. A.

§ 13. Verhältnis des Art. 41 GG zu Art. 19 Abs. 4 GG

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wenig gedacht wie brauchbar. Die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgenommene Einschränkung der These von der Exklusivität der Wahlprüfung ist also nicht vertretbar. II. Die Lehre von der umfassenden der Wahlprüfung

Exklusivität

So wenig die berichtete Lehre i n ihrer Einschränkung zutrifft, so wenig stimmt sie überhaupt. Gegen die Beweisführung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sprechen die gleichen Bedenken wie gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auch hier handelt es sich u m eine rein unterverfassungsrechtliche Deduktion 4 9 , die als Entscheidung des Grundgesetzgebers ausgegeben wird. Weil das BWahlG gerichtlichen (subjektiven) Wahlrechtsschutz versagt, soll es damit von Verfassungs wegen sein Bewenden haben. Diese Argumentation verkehrt nicht nur das Rangverhältnis von Verfassungsrecht und Gesetzesrecht i n sein Gegenteil, sondern verkennt auch die den Gerichten durch A r t . 100 Abs. 1 Satz 1 zugewiesene Aufgabe. Der Grund dieses allzu mühelosen Umgangs m i t der Verfassung liegt i n der unreflektierten Übernahme einer anderen „weißblauen" Entscheidung. I n Wahrheit nämlich ist die von BayVGHE n. F. 6 (1953) IS. 176 kreierte und vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof unbesehen rezipierte These von der Exklusivität der Wahlprüfung ebenfalls ein Produkt gerichtlicher Mißverständnisse. Denn E 6 S. 176 (S. 179) verweist zum abschließenden Beleg seiner Behauptung auf E 6 S. 102 und glaubt daraus den „allgemeinen Grundsatz" entnehmen zu können. Diese Folgerung ist i m H i n blick auf E 6 S. 102 f. durch nichts gerechtfertigt. 1. Einmal befaßt sich E 6 S. 102 f. überhaupt nicht m i t der Frage, ob den Gerichten eine Eingriffs- oder Kontrollbefugnis während des kommunalen Wahlverfahrens zusteht. I n diesem Zusammenhang ist der Satz zu qualifizieren: „Gegen die Entscheidungen dieser Wahlorgane sehen die Wahlgesetze kein Rechtsmittel vor." Damit waren verwaltungsmäßige, nicht richterliche Rechtsbehelfe gemeint 5 0 . Die Eingriffsbefugnis der Exekutive, nicht die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis der Judikative w i r d hier geleugnet. Z u Recht. Es gibt überhaupt keinen Gesichtspunkt, der bei Wahlrechtseingriffen i m Rahmen von Kommunalwahlen gegen die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 sprechen könnte. Wenn das neuerdings vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof 51 — unter Berufung auf die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (!), also unter Berufung auf die Spezialität des Art. 41 (!), d. h. unter Berufung auf eine Norm, die sich mit „Wahlange49 50 61

10*

Vgl. S. 178 der Entscheidung. I n der Terminologie richtig BVerfGE 3 S. 41; 11 S. 329. D Ö V 1966 S. 506; DVB1 1967 S. 630. Dazu Olschewski., JR 1970 S. 315 f.

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

legenheiten" auf kommunaler Ebene nicht im geringsten befaßt (!) — geleugnet wird, so ist diese Jurisdiktion mehr als ein Beispiel einer unhaltbaren Rechtsprechung. Sie offenbart die Unsicherheit und globale Beweisführung der gegenwärtigen Lehre. Diese hat es zu keiner Zeit vermocht, die beiden unterschiedlichen Fragen zu formulieren, geschweige denn zu beantworten: ob Art. 19 Abs. 4 Satz 1 selbst gilt und ob er durch Art. 41 verdrängt wird. Statt dessen zieht sich die herrschende Meinung auf Allgemeinplätze zurück, die die Problematik vernebeln, anstatt zu klären 5 2 . Für den subjektiven Wahlrechtsschutz i m Bereich von Kommunalwahlen kann es auf Art. 41 überhaupt nicht ankommen. Die Frage wird allein durch Art. 19 Abs. 4 entschieden, der unbeschränkt zur Anwendung gelangt. Bei Wahlrechtseingriffen im Rahmen parlamentarischer Wahlen findet Art. 19 Abs. 4 ebenfalls Anwendung, da der behauptete Vorrang des Art. 41 nicht besteht. Das wird vom Schrifttum zumeist auch gar nicht bestritten. Wenn dort gleichwohl zwischen Wahlrechtseingriffen i m Rahmen kommunaler und parlamentarischer Wahlen unterschieden w i r d 5 8 und je nachdem der Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 entweder gewährt oder versagt wird, so ist diese Differenzierung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 in jedem Fall verfehlt 54 . Es gibt keinen Gesichtspunkt, der zu diesem ebenso privilegierenden wie diskriminierenden Vorgehen berechtigt. Denn Fälle der rechtswidrigen (zivilen) Subjektion des Wahlbürgers unter die öffentliche Gewalt der Wahlbehörden und Wahlorgane gibt es ebenso bei kommunalen wie bei parlamentarischen Wahlen. Allein darauf — auf die Subjektion unter die öffentliche Gewalt — stellt Art. 19 Abs. 4 ab. Deshalb muß er bei Kommunal- und Parlamentswahlen gleich und einheitlich zur Anwendung gelangen. 2. Z u m a n d e r e n h a t BayVGHE n . F . 6 (1953) I S. 179 d e n S i n n d e r A u s f ü h r u n g e n v o n E 6 S. 102 a u f e i n falsches Gleis verschoben. M i t d e r Gleichsetzung des Ausschlusses v o n b e h ö r d l i c h e r E i n g r i f f s - u n d g e r i c h t licher Kontrollmöglichkeit w i r d die der Existenz v o n Wahlorganen zug r u n d e l i e g e n d e r a t i o legis p e r v e r t i e r t , d i e F r e i h e i t s h o n o r i e r u n g des A k t i v b ü r g e r s k o r r u m p i e r t 5 5 : A u s der Begünstigung durch — partiellen — Ausschluß der E x e k u t i v e w i r d die Benachteiligung durch — totalen — A u s s c h l u ß d e r J u d i k a t i v e . D i e W a h l o r g a n e schützen d e n A k t i v b ü r g e r 5 6 v o r d e r z w e i t e n , n i c h t v o r d e r d r i t t e n G e w a l t . Sie u n t e r b i n d e n M a n i p u l a t i o n e n d e r z w e i t e n , n i c h t aber E n t s c h e i d u n g e n d e r d r i t t e n Gew a l t . E i n e F r o n t s t e l l u n g g e g e n ü b e r d e r J u d i k a t i v e l i e g t der gesetzlichen R e g e l u n g ü b e r d i e W a h l o r g a n e f e r n 5 7 . Sie v e r h i n d e r t R e c h t s v e r l e t z u n 52 BVerfG: „In Wahlrechtsangelegenheiten gilt der S a t z . . . " ; BayVGH: Es gilt „der allgemeine Grundsatz...". 58 Etwa Obermayer, Verwaltungsakt S. 102; BayVBl 1955 S. 176; Henke, Politische Parteien S. 175. 54 Ähnlich zu Recht Maunz - Dürig - Herzog, Grundgesetz I Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28. Konsequent irrig Stiefel, D Ö V 1960 S. 21 f. 55 Diesem Irrtum unterliegt auch Seifert, BWahlG S. 95. Offenbar auch Henke, Politische Parteien S. 174 F N 18. Vgl. auch BayVerfGH, VwRspr. 21 S. 260. 56 Ferner den Wahlbewerber und die politische Partei — arg. § 9 Abs. 2 Satz 3 BWahlG. 57 So deutlich die Amtliche Begründung zu § 12 des Regierungsentwurfs (BWahlG) v. 19. 2.1953, Drs. Dt. Btag 1. W P (1949) Bd. 21 Nr. 4090, S. 21.

§14. Wahlprüfung und Verfassungsbeschwerde

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gen des Aktivbürgers durch die Exekutive, nicht aber sanktioniert sie solche durch Wahlorgane. Sie verbietet der Exekutive, nicht dispensiert sie die Wahlorgane. Denn es gibt keinen allgemeinen Satz des Inhalts, daß die Schaffung weisungsfreier Organe zugleich den Ausschluß des Gerichtswegs nach sich zieht 5 8 . Angesichts A r t . 19 Abs. 4 kann es i h n auch nicht geben. Ergo enthält der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgestellte „allgemeine Grundsatz", m i t dem der Vorrang des A r t . 41 gegenüber A r t . 19 Abs. 4 begründet wurde, eine reine Behauptung. Sie ist nicht nur unrichtig, sondern auch durch die eigene Rechtsprechung nicht gedeckt. A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 und A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 konkurrieren nicht; sie finden beide — nebeneinander — Anwendung. § 14. Wahlprüfung und Verfassungsbeschwerde Hat sich gezeigt, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verfassungs- wie Verwaltungsgerichtshofs nicht zu halten ist — die Behauptung von dem Vorrang des A r t . 41 gegenüber A r t . 19 Abs. 4 nicht begründbar ist, so gilt Gleiches u m so mehr i m Verhältnis von A r t . 41 zu A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a 1 . Denn m i t der Aufnahme des § 90 Abs. 1 BVerfGG i n das Grundgesetz 2 hat der verfassungsändernde Gesetzgeber des Jahres 1969 die Weichen gestellt. Einmal hat er der Beweisführung vom einfachgesetzlichen Ausschluß der Verfassungsbeschwerde die Grundlage entzogen 8 . Z u m anderen hat er dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit erschwert 4 , den Ausschluß der Verfassungsbeschwerde i m Tätigkeitsbereich der Wahlbehörden und Wahlorgane länger m i t Hilfe einer nicht belegten These von Ähnlich Ritter v. Lex, in: Steno-Berichte BRat (1956), 156. Stzg. v. 23.3.1956, S. 111. 68 Arg. etwa §§ 18, 19 Abs. 2, 32, 33 WPflG; §§ 8, 9, 10, 20 GjS. 1 Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus. Die Verfassungsbeschwerde nach § 90 BVerfGG (!) hielt das Gericht — in gewissem Widerspruch zu BVerfGE 3 S. 40 f. — für ausgeschlossen. Vgl. Beschluß vom 31. 8.1957 — 2 BvR 4/57 —; BVerfGE 11 S. 329; 14 S. 155; 16 S. 130. I n direkter Nachfolge etwa Maunz - Sigloch - Schmidt - Bleib treu - Klein, BVerfG G § 90 Rdn. 180; Giese - Schunck, Grundgesetz Art. 41 Rdn. 3; Maurer, Bundestagswahl S. 10 F N 8; Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 18. A. A. schon zu § 90 BVerfGG Nass, Wahlorgane S. 221. 1 Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a wurde eingefügt durch das 19. Änderungsgesetz v. 29.1.1969 (BGBl I S. 97). 8 Das BVerfG argumentiert (auch) einfachgesetzlich. Dazu oben im Text Dritter Teil § 13. A. I. S. 135. 4 Ausgeschlossen ist sie (wohl) nicht, da Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a im Rahmen der Notstandsgesetzgebung eingeführt wurde und dem Gesetzgeber die sich ergebenden Konsequenzen und Weiterungen — nicht nur für unser Problem — unbewußt blieben.

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3. Teil: Art. 41 GG und Verfassungsrechtsbehelfe

der verfassungsrechtlichen „Sonderregelung" zu sanktionieren. Denn nach objektiver Auslegung — die auch das Bundesverfassungsgericht für maßgebend erachtet 5 — erscheint es, wenn auch nicht unmöglich, so doch fragwürdig, weiterhin den Ausschluß der Verfassungsbeschwerde zu behaupten, deren Eröffnung der Verfassungsgeber gleichwohl ausdrücklich gewährleistet hat. Sollte das Bundesverfassungsgericht sich über diese Zweifel hinwegsetzen und A r t . 41 auch gegenüber A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a den Vorrang einräumen, so wäre ein solches Unterfangen jedenfalls aus den gleichen Gründen abzulehnen, die gegen eine Einengung des A r t . 19 Abs. 4 sprechen. Auch i m Verhältnis von A r t . 41 zu A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a fehlt es an den — beschriebenen — Voraussetzungen, die allein das Verhältnis zweier Normen als das der Spezialität zur Generalität zu kennzeichnen vermögen. Ebenso wenig bestehen sonstige Gründe, die es rechtfertigen würden, den A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a durch A r t . 41 verdrängen zu lassen: w e i l die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde — sofern sie überhaupt einmal vor Abschluß der Wahl ergeht 6 — weder den terminierten Wahlablauf behindert noch sonstwie 7 i n die Zuständigkeit des Bundestages nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 eingreift 8 und schließlich auch A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a gegenüber A r t . 41 die höherrangige oder höherwertige Vorschrift ist 8 . A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a und A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 kommen beide gleichermaßen zur Anwendung.

6

BVerfGE 1 S. 312; 8 S. 307; 10 S. 244; 11 S. 130 f. Dazu oben i m Text Zweiter Teil § 12. 7 Unter Verkehrung der Reihenfolge der nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 zuständigen Prüfungsorgane. 8 Dazu oben im Text § 13. I I . 6

Vierter

Teil

Subjektiver Wahlrechtsschutz und einfachgesetzliche Rechtsschutzgewährung I. Das Fazit der vorangegangenen Erörterungen lautet: A r t . 19 Abs. 4 und 93 Abs. 1 Nr. 4 a gewähren auch i m Bereich der Eingriffe von Wahlbehörden und Wahlorganen richterlichen Rechtsschutz — w e i l beide Vorschriften „von Haus aus" gelten und nicht durch A r t . 41 verdrängt werden. Die Regelung des § 50 BWahlG ist wegen Verstoßes gegen A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie wegen Unvereinbarkeit m i t A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a verfassungswidrig 9 und damit nichtig 1 0 . Die A u f fassung der gegenwärtigen Lehre ist nicht zu halten 1 1 . Sie muß von Grund auf revidiert werden. I I . Können der Aktivbürger und die Partei gemäß A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a (subsidiär) 12 bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsschutz beanspruchen, so bleibt abschließend zu klären, i n welchem einfachgesetzlichen Rechtsweg sie den effektiven Rechtsschutz des A r t . 19 Abs. 4 zu realisieren vermögen. Dabei w i r d es vornehmlich u m die Frage gehen, ob sie kraft positiven Verfahrensrechts vor Abschluß der Wahl gerichtlichen Rechtsschutz erlangen können und damit ihre Teilnahme an der Wahl durchzusetzen i n der Lage sind, was — entgegen der gegenwärtigen Lehre 1 3 — zu bejahen ist. 0 Das Gleiche gilt für Art. 46 LWahlG Hessen; § 48 Satz 2 LWahlG Niedersachsen; § 47 LWahlG Schleswig-Holstein (Art. 3 Abs. 4 Landessatzung Schleswig-Holstein steht nicht entgegen) — arg. Art. 31 i. V. m. Art. 19 Abs. 4. I n den übrigen Bundesländern (vgl. die Angaben in F N 17 zu § 1) könnte u . U . eine verfassungskonforme Auslegung helfen. Zur Frage der totalen oder (nur) partiellen Ungültigkeit des § 50 BWahlG siehe unten i m Text § 15. B. 10 Nach h. M. führen Rechtsverstöße bei der Normsetzung (stets) zur Nichtigkeit. Hierzu statt aller Bettermann, Z Z P 72 (1959) S. 40 f. A. A. vor allem Christoph Böckenförde, Nichtigkeit S. 44 ff., 62 f. Sub specie § 50 BWahlG ebenso Hansjörg Loschelder, Diss. S. 108. 11 Bedenken auch bei Faber, Verfassungs- und Staatsrecht S. 182, 184; Drath, W D S t R L 9 (1952) S. 43; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 34; Greene, Diss. S. 146, 160; Steiribömer, DVB1 1968 S. 273; Nass, Wahlorgane S. 215; Henke, Politische Parteien S. 174; Rietdorf, D V 1949 S. 668 f.; Grawert, D Ö V 1968 S. 755. Vgl. auch OVGE Lüneburg 7 S. 307; O V G Koblenz AS 6 S. 340. 12 Arg. Art. 94 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 90 Abs. 2 BVerfGG. Hierzu auch oben im Text Zweiter Teil § 12. 18 Vgl. die Nachweise in F N 108 zu § 10. E.

152

4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung § 15. Verwaltungsrechtsweg

Streitigkeiten über die Hechtmäßigkeit individueller Wahlrechtseingriffe durch Wahlbehörden oder Wahlorgane gehören vor die Verwaltungsgerichte — nicht vor die ordentlichen Gerichte des A r t . 19 Abs. 4 Satz 2 1 . A. Verfassungsrechtliche Streitigkeiten?

Es handelt sich i m Sinne des § 40 VwGO u m öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher A r t . Solche liegen nach gefestigter Auffassung nur dann vor, wenn zwischen Verfassungsorganen oder Verfassungsorganteilen Streit besteht über Fragen der Anwendung oder Auslegung formellen oder materiellen Verfassungsrechts 2 . Daran aber fehlt es bei Streitigkeiten u m die Rechtmäßigkeit individuell-konkreter Wahlrechtseingriffe von Seiten der Wahlbehörden und Wahlorgane. I. Verfassungsrechtlich

qualifizierte

Beteiligte

Einmal fehlt den am Streit Beteiligten bereits die Eigenschaft als Verfassungsorgan. Denn weder der Träger des aktiven Wahlrechts noch die Wahlbehörde oder das Wahlorgan können als solche qualifiziert werden. Zwar mag das Wahlrecht ein materielles Verfassungsrecht sein 8 . Aber der einzelne Aktivbürger ist nicht Verfassungsorgan (-teil), was BVerfGE 13 S. 95 f. ausdrücklich anerkannt hat. Auch der einzelne Aktivbürger steht dem Staat bei der Ausübung seiner Rechte gegenüber. Zwar ist die Partei als vornehmlicher Träger des passiven Wahlrechts eine i m Sinne des § 40 VwGO verfassungsrechtlich legitimierte Beteiligte 4 . Aber das reicht nicht, u m sie aus dem Rechtsweg des § 40 VwGO zu weisen. Denn die einzelne Wahlbehörde und das Wahlorgan lassen sich nicht als Verfassungsorgane kennzeichnen. 1 Das wäre mangels einer bundesverfassungsgerichtlichen Zuständigkeit die Konsequenz, falls § 40 V w G O nicht eingreifen würde. Eine sicherlich unpassende Folge, was auch Nawiasky-Leusser-Schweiger-Zacher, Verfassung Art. 33 Rdn. 4 nicht verkennen. 2 Vgl. etwa Schunck-De Clerck, V w G O § 40 Anm. 2 a) aa); Eyermann Fröhler, V w G O § 40 Rdn. 61; Ule - Brauchitsch, Verwaltungsgerichtsbarkeit 1/2 § 40 V w G O Anm. I I I S. 92; Kassimatis, Bereich der Regierung S. 180— 188; Maurer, JZ 1963 S. 28; Henke, Politische Parteien S. 171; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 336; Lerche, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 68; V G Köln, DVB1 1965 S. 882; OVG Münster, DVB1 1967 S. 52. 8 Vgl. BVerfGE 20 S. 114; O V G Lüneburg, AöR 76 (1950/51) S. 350; Nass, Wahlorgane S. 155 f.; Goessl, Organstreitigkeiten S. 95,101,140 f. 4 Die Partei ist nach BVerfGE 4 S. 30 f. i m Organstreitverfahren parteifähig.

§ 15. Verwaltungsrechtsweg

153

a) Verfasungsorgane sind „unmittelbare Staatsorgane" 5 oder „Hauptorgane" 6 — sind solche Organe, die i n der formellen Verfassungsurkunde konstituiert sind: w e i l sie wegen ihrer spezifischen Funktion und Wesensart einheitsgründend oder integrierend wirken. Verfassungsorgane haben an der politischen Gesamtgestaltung des Staates Anteil. Sie sind Organe, deren Entstehen, Bestehen und Funktionieren den Staat konstituieren und akzentuieren — i h m sein Gesamtgepräge geben. Anders ausgedrückt: Verfassungsorgane sind solche Organe, die nicht hinweggedacht werden können, ohne daß der spezifische politische und/oder rechtliche Gesamtcharakter des Staates geändert würde. Die Verfassungsorgane sind gleichsam die „conditio sine qua non" staatlicher Besonderheit und Wesensart 7 . Diese Voraussetzungen erfüllen die Wahlbehörden und Wahlorgane nicht 8 . Weder haben sie i m Grundgesetz Aufnahme gefunden, noch ist ihre Existenz für den Gesamtcharakter der Bundesrepublik Deutschland politisch wesens- oder typusbestimmend. Sie können unberücksichtigt bleiben, ohne daß sich dadurch die politische Gesamtgestaltung des Staatswesens i m Sinne des A r t . 20 ändert. b) Damit soll nicht verkannt werden, daß die Wahlen des A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 stets der öffentlichrechtlichen Organisations- und Funktionshilfe bedürfen 9 . Denn die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe „Wahl" durch das Verfassungsorgan „Gesamtaktivbürgerschaft" setzt die Existenz besonderer (Hilfs-)Organe voraus, die diese organisieren und funktionsfähig machen. Aber nicht jeder staatliche Organisationsvorgang gehört dem Verfassungsraum an. Auch i m Bereich der öffentlichen Verwaltung gibt es organisatorische Vorgänge — Handlungen, die nicht schon selbst zur Erledigung der angestrebten Sachaufgabe führen, sondern die Erreichung dieses Ziels erst vermitteln. I n diesem Sinne nehmen die Wahlbehörden und Wahlorgane organisatorische 5

I m Sinne der Unterscheidung von Georg Jellinek, Staatslehre S. 544 ff.; Gesetz und Verordnung S. 206 f. 6 I m Sinne von Albert Haenel, Staatsrecht I S. 92. 7 Dazu: Gutachten BVerfG, Jb. ö. R. n . F . 6 (1957) S. 197 f., 206; Carl Schmitt, Verfassungslehre S. 117; G. Jellinek, Staatslehre S. 544—546; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht S. 139; Forsthoff, Verwaltungsrecht I S. 11 f.; Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht I S. 25; Leibholz, in: Das Bundesverfassungsgericht S. 73 f.; Maunz - Sigloch - Schmidt - Bleibtreu Klein, BVerfGG § 1 Rdn. 8; Lauf er, in: Festschrift Leibholz I I S. 433, 447, 449— 451; Lauf er, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 297, 306; Thoma, Jb. ö.R. n . F . 6 (1957) S. 166. 8 I m Ergebnis ebenso: Nass, Wahlorgane S. 155 f., 177 f., 220; Henke, Politische Parteien S. 176; G. Fr. Lechner, Diss. S. 19—21, 68 ff.; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 336 u. F N 26; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 90 f.; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130. A. A. Greeve, Diss. S. 153, 155 und offenbar auch Goessl, Organstreitigkeiten S. 109, 141. • Vgl Maunz - D ü r i g - Herzog, Grundgesetz I Art. 38 Rdn. 31.

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

Hilfsaufgaben w a h r 1 0 — weil sie der Organisation, Formierung und Funktionalisierung der Gesamtaktivbürgerschaft dienen. Sie üben aber keine verfassungsorganisatorische, sondern verwaltungsorganisatorische Tätigkeit aus 11 . Denn ihr Handeln regelt nicht das Verhältnis und Zusammenspiel zwischen zwei Verfassungsorganen, wie es für den Wahlakt selbst zutrifft 1 2 . Vielmehr beschränkt es sich auf die rein „büromäßige" Effektivierung und Instandsetzung der Gesamtaktivbürgerschaft. Die Wahlbehörden und Wahlorgane nehmen prinzipiell die gleichen Aufgaben wahr, wie sie das Bundestagsamt, die Parlamentsverwaltung für das Verfassungsorgan „Bundestag" leistet. So wenig diese Dienststelle aber Verfassungsorgan ist 1 3 , so wenig sind es die Wahlbehörden und Wahlorgane. Sie sind — ebenso wie jene — Verwaltungsorgane. Sie üben öffentliche Verwaltung aus 14 . Institutionell gesehen nicht Eingriffs- oder Leistungsverwaltung, sondern organisatorische (Hilfs-)Verwaltung, geschäftsbesorgende Verwaltung. Auch diese ist eine wenn auch besondere A r t der Verwaltung 1 5 . c) Daran vermag das von der Lehre beschworene Dogma von der Interdependenz des gesamten Wahlverfahrens, die Behauptung von der Akzessorietät der Wahldurchführungsakte zum Wahlakt 1 6 nichts zu ändern. Gewiß sind die Wahldurchführungsakte zum Wahlakt akzesso10

Vgl. G. Fr. Lechner, Diss. S. 122; Schmitt-Vockenhausen,

Wahlprüfung

S. 17. 11

So auch G. Fr. Lechner, a.a.O. S. 135, 137. Denn dieser regelt die Beziehungen zwischen zwei Verfassungsorganen: Volk und Bundestag. Deutlich differenzierend auch Zuck, D Ö V 1961 S. 499; Suttner, Diss. S. 13—15 f. 18 Vgl. Hatschek, Parlamentsrecht I S. 248 f.; Mattern, D Ö V 1953 S. 9; JZ 1953 S. 106; Jekewitz, DVB1 1969 S. 514; G. Fr. Lechner, Diss. S. 81 f.; MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 40 Rdn. 13; v. Mangoldt - Klein, Grundgesetz I I Art. 40 Vorbem. I I I 1 c). 14 So auch v. Seydel, in: Vhdlg. 19. D J T S. 131; Jerusalem, Staatsgerichtsbarkeit S. 62; BrauniaSy Parlamentarische Wahlrecht I I S. 143, 153; G. Jellinek t Staatslehre S. 612 F N 1; Zuck, D Ö V 1961 S. 499; Suttner, Diss. S. 13; Rehmert, Bad.-Württ. VB1 1960 S. 37; Nass, Wahlorgane S. 170—178; Strupp, Staatsgerichtsbarkeit S. 84 u. F N 3; Hauke, in: Festgabe Laband I S. 454; Hatschek, Parlamentsrecht I S. 354, 504; Außerpreußisches Landesstaatsrecht S. 227; Hansjörg Loschelder, Diss. S. 90; Seifert, D Ö V 1953 S. 148 F N 2; Gravert, D Ö V 1968 S. 753; Olschewski, JR 1970 S. 316. Vgl. auch G. Fr. Lechner, Diss. S. 131; Spiegel, Verwaltungsrechtswissenschaft S. 72 sowie den gesetzlichen Sprachgebrauch in § 37 Abs. 2 LWahlG Schleswig-Holstein, § 8 Abs. 1 Satz 2 LWPrüfG Niedersachsen. Ferner BayVGH, VWRspr. 13 S. 971. 15 Insoweit richtig Seifert, BWahlG S. 95. Zum Ganzen Olschewski, JR 1970 S. 316. 16 So mehr oder weniger deutlich Seifert, BWahlG S. 95; Steinbömer, DVB1 1968 S. 273; Bad. VGH, VwRspr. 5 S. 853; Füßlein - Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 20 S. 53; Greeve, Diss. S. 155 f.; OVGE Münster 23 S. 190 f. (inkonsequent); Obermayer, Verwaltungsakt S. 103; BayVBl 1955 S. 176; Henke, Politische Parteien S. 172; Schmitt-Vockenhausen, Wahlprüfung S. 17; HessVGH, ESVGHE 1 S. 22 f.; BayVGH, VwRspr. 13 S. 972. 12

§ 15. Verwaltungsrechtsweg

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risch; aber daraus, daß sie m i t der Wahl stehen und fallen, also rechtliche Wirkungen nur zusammen m i t dieser entfalten können, folgt nicht, daß beide die gleiche (verfassungs-)rechtliche Qualität haben müßten 1 7 . So wenig der einzelne A k t des parlamentarischen Hilfsdienstes ein Hoheitsakt des Verfassungsorgans „Parlament" ist und den Hegeln über parlamentarische Hoheitsakte unterfällt, so wenig ist der konkrete Wahldurchführungsakt ein Verfassungsakt, w e i l das die Wahl ist. Denn die Wahldurchführungsakte sind nicht Bestandteil des kollektiven Wahlakts, sondern Grundlage und Bedingung desselben und seiner Wirksamkeit. Daher ist es unzulässig, die Wahldurchführungsakte i n Bausch und Bogen als Verfassurigsakte zu qualifizieren und als Verwaltungsakte zu disqualifizieren, w e i l ihr Objekt ein Verfassungsakt ist. Daran kann auch die von Otto Mayer 18 eingeführte und alsbald fortgeführte 1 9 Kategorie der „verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeit" nichts ändern. Einmal ist sie wenig präzise 20 , da sie die unterschiedlichen Zielsetzungen von Wahlakt und Wahldurchführungsakt verdeckt. Zum anderen beruht diese Auffassung auf einer verfehlten Antithese von „fertigem" und „unfertigem" Staat. W i l l man die Tätigkeit der Wahlbehörden und Wahlorgane aus dem Verwaltungsrecht m i t der Begründung ausscheiden, es handle sich u m ein Verhalten jenseits des Punktes, wo der Staat zur Verwirklichung seiner eigenen Zwecke tätig werde 2 1 , dann muß man auch die Besetzung der Staatsämter als verfassungsrechtliche (!) Akte qualifizieren. Das aber kann nicht richtig sein. Vielmehr ist es immer — trotz aller personellen Vakanzen — der „fertige", „verfaßte" Staat, nicht aber der „unfertige" oder i n der Auflösung begriffene Staat, der die Stellenbesetzung vornimmt. Ebenso ist es der „fertige" Staat, der Neuwahlen ausschreibt, leitet und kontrolliert. Jede

17 I m Ergebnis ebenso Maunz, VwEspr 5 S. 859; Rehmert, Bad.-Württ. VB1 1960 S. 37; Zuck, D Ö V 1961 S. 499; Suttner, Diss. S. 13 f.; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130; Wü.-Ho. VGH, D Ö V 1953 S. 282; G. Fr. Lechner, Diss. S. 71 ff. Gegen das Akzessorietätsdogma in anderem Zusammenhang Bettermann, in: Festschrift Nipperdey I I S. 727. Der i m Text getroffenen Feststellung steht die seinerzeit im süddeutschen V G G getroffene Regelung nicht entgegen: dort war nur die Wahlprüfung, d.h. die Mandatserwerb sprüfung als Verfassungsstreitigkeit qualifiziert, nicht dagegen der Streit und die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit individuell-konkreter Wahldurchführungsakte. 18

Verwaltungsrecht S. 7 f. Vgl. etwa Forsthoff, Verwaltungsrecht I S. 11; Obermayer, Verwaltungsakt S. 50; Greeve, Diss. S. 154; Maunz - Dürig - Herzog, Grundgesetz I Art. 20 Rdn. 143; Schmitt-Vockenhausen,Wahlprüfung S. 18. 19

80 Das rügen auch Nass, Wahlorgane S. 155, 214; Maunz - Dürig - Herzog, Grundgesetz I Art. 17 Rdn. 81; Spiegel, Verwaltungsrechtswissenschaft S. 60 f., 64, 71—74. 21 So nämlich Otto Mayer, a.a.O.

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

andere Behauptung übersieht die Kontinuität staatlicher Gewalt trotz personeller Diskontinuität 2 2 . IL Verfassungsrechtlicher

Streitgegenstand

Nicht nur an der für § 40 VwGO erforderlichen Verfassungsorgan(teil)qualität beider Beteiligter fehlt es. Auch das regelmäßige Nichtvorliegen eines ausschließlich 23 verfassungsrechtlichen Streitgegenstandes stempelt subjektive Wahlrechtsstreitigkeiten zu solchen nicht verfassungsrechtlicher, sprich: verwaltungsrechtlicher A r t . Denn i n der Regel werden weder u m das grundgesetzlich gesicherte Wahlrecht noch über die Bedeutung und Tragweite wahlrechtlicher Normen Meinungsverschiedenheiten bestehen. Vielmehr geht es zumeist u m das behauptete und von der Behörde negierte Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer als solchen nicht beschrittenen Wahlrechtsnorm. Das aber reicht für die Annahme einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit nicht 2 4 . B. Ausdrückliche gesetzliche Zuweisung

Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit individueller Wahlrechtseingriffe sind verwaltungsrechtliche Streitigkeiten, die keinem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. A r t . 41 Abs. 2 enthält keine Zuweisung an das Bundesverfassungsgericht, da sich diese Norm — wie gezeigt 25 — nicht m i t subjektiven Wahlrechtsverletzungen befaßt 26 . § 50 BWahlG aber kann den Verwaltungsrechtsweg nicht ausschließen, da diese Vorschrift verfassungswidrig ist. Insbesondere kann der Versuch nicht glücken, zu einer bloßen Teilnichtigkeit des § 50 BWahlG zu gelangen: der Norm also nur insoweit die Gültigkeit zu verweigern, als sie (auch) den subsidiären Rechtsweg des A r t . 19 Abs. 4 Satz 2 ausschließt 27 . Vielmehr w i r d die durch § 50 BWahlG vorgenommene, an sich verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende, Sperrung des Ver22

Deshalb ist es richtig, wenn Stern, JuS 1965 S. 357 gerade die — zumeist enumerierten — sogenannten „verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeiten" als typische Form der öffentlichen Verwaltung qualifiziert. Ähnlich Suttner, Diss. S. 14. 28 So Lerche, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 68. 24 Ähnlich BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130 sowie Hansjörg Loschelder, Diss. S. 92. 25 Siehe oben im Text Dritter Teil § 13. A. I I . S. 137—140. 28 Abgesehen von Koehler, V w G O § 40 Anm. X I 7 wird das in den Kommentierungen zur V w G O allseits übersehen. Irrig und widerspruchsvoll OVGE Münster 23 S. 190 f. 27 Dazu oben i m Text Erster Teil, Zweiter Abschnitt § 8. B.

§ 15. Verwaltungsrechtsweg

157

waltungsrechtswegs 28 ebenfalls von der Nichtigkeit der Norm i m übrigen erfaßt. Das folgt nicht nur aus einer subjektiven Betrachtungsweise, wie sie § 139 BGB entspricht 29 , sondern auch aus der — i m übrigen uneinheitlichen 3 0 — Rechtsprechung des BVerfG, die durch eine Kombination objektiver und subjektiver Erwägungen gekennzeichnet ist 3 1 . Danach überschreitet die richterliche Feststellung der bloßen Teilnichtigkeit des § 50 BWahlG die der Gerichtsbarkeit gesetzten Grenzen und dringt i n den Bereich der allein dem Gesetzgeber zustehenden Rechtssetzung ein. Sie hätte die Ersetzung des § 50 BWahlG durch eine Norm anderen Inhalts zur Folge: weil § 50 BWahlG, der den gerichtlichen Individualwahlrechtsschutz gerade unabhängig von der Rechtswegzuständigkeit pauschal und total, i n Bausch und Bogen ausschließt 32 , inhaltlich neu — w e i l nach Rechtswegen differenziert — formuliert werden müßte 3 3 . Nicht nur diese Konsequenz widerspricht BVerfGE 2 S. 406: hinzu kommt, daß es i n hohem Maße zweifelhaft ist, ob der Bundesgesetzgeber bei Kenntnis der Unvereinbarkeit des § 50 BWahlG m i t A r t . 19 Abs. 4 Satz 2 und A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a gleichwohl die Vorschrift i m übrigen unverändert erlassen hätte. Es ist nicht nur denkbar, sondern i n nicht geringem Grade wahrscheinlich, daß er die Rechtswegforderung des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 auf andere Weise — durch Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs statt des ordentlichen Rechtswegs — erfüllt hätte, wenn er gewußt hätte, daß er den Richter des A r t . 19 Abs. 4 nicht umgehen konnte. Diese Vermutung liegt ungleich näher als die andere: w e i l es dem Gesetzgeber nicht darum ging, gerade und insbesondere den Verwaltungsrichter auszuschalten, sondern darum, jeden Richter, diesen schlechthin fernzuhalten 34 . Hätte der Gesetzgeber die Untauglichkeit dieses Unterfangens gekannt, so hätte er (höchstwahr28 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 erfordert nicht immer und überall den Verwaltungsrichter — arg. Satz 2. Die Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit liegt in der Institutsgarantie des Art. 95 Abs. 1. Dazu auch MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz Art. 19 Abs. 4 Rdn. 3; Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 800, 811, 815 ff. Irrig Monz, K W G S. 48. 29 Für eine Anwendung des § 139 BGB treten implicite ein BVerwGE 4 S. 29 f. und Bettermann, Legislative ohne Posttarifhoheit (1967) S. 9. 80 Dazu bietet Bettermann, a.a.O. S. 9—11 eine eingehende Analyse. 81 I n unserem Zusammenhang besonders wichtig und eindeutig BVerfGE 2 S. 406; 4 S. 234; 10 S. 220. Insoweit der Rechtsprechung zustimmend Bettermann, a.a.O. S. 11. 82 Vgl. FN. 27. 88 § 50 BWahlG müßte dann lauten: „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können neben den in diesem Gesetz und in der BWahlO vorgesehenen Rechtsbehelfen nur i m Wege der Verfassungsbeschwerde, i m ordentlichen Rechtsweg sowie i m Wahlprüfungsverfahren angefochten werden." 84 Dafür sind die Äußerungen Seiferts, D Ö V 1953 S. 365—368 Beweis genug, da die Formulierung des § 50 BWahlG offenbar aus seiner Feder stammt.

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

scheinlich) dem Verwaltungsrichter gegenüber dem ordentlichen Richter den Vorzug gegeben — w e i l die Befassung der Justiz m i t Fragen des subjektiven Wahlrechtsschutzes gewiß systeminadäquat ist. Dieser gesetzgeberische Wille darf nicht ignoriert werden 3 5 , andernfalls das m i t § 50 BWahlG verfolgte Anliegen des Gesetzgebers (zumindest) wesentlich verfälscht und i n seiner Stoßrichtung verändert würde 3 6 . Deshalb kann § 50 BWahlG nicht nur teilweise ungültig sein. Die Vorschrift ist zur Gänze nichtig. Ergo kann sie den Verwaltungsrechtsweg nicht ausschließen. Dieser ist gemäß § 40 VwGO für subjektive Wahlrechtsstreitigkeiten eröffnet. § 16. Klagearten Nach der VwGO stehen dem Aktivbürger und der Partei—abgesehen vom vorläufigen Rechtsschutz1 und den unselbständigen Rechtsschutzformen 2 — gegen beschwerende Wahldurchführungsakte folgende Klagearten zur Verfügung: die Anfechtungsklage, die Verpflichtungsklage, die allgemeine Leistungsklage 3 und die Feststellungsklage. A. Eingriffe in subjektive Wahlrechte vor Abschluß der Wahlhandlung

Eingriffe i n subjektive Wahlrechte können vor allem vor Absdiluß der Wahl erfolgen: vor oder während des Wahltages 4 . Der Wähler ist nicht i n die Wählerliste eingetragen oder der Wahlschein ist i h m verweigert worden 5 . Oder er hat keine den Grundsätzen des A r t . 38 Abs. 1 Satz 1 entsprechenden Briefwahlunterlagen erhalten 6 . Oder der Wähler w i r d infolge Fehlens oder trotz Vorliegens der formellen Wahlrechtsvoraussetzungen (gleichwohl) am Wahltag nicht vom Wahlvorstand zur Wahl zugelassen7. Der Aktivbürger w i r d durch den Wahlvorstand am Betreten des Wahllokals und dadurch an der Ausübung seines Wahlrechts gehindert 8 ; 86 Das aber wäre bei einer Teilnichtigkeit so lange der Fall, bis der Gesetzgeber die Norm aufhebt. 88 Die Vermeidung dieser Konsequenz halten auch BVerfGE 2 S. 406; 10 S. 220; Bettermann, a.a.O. S. 11 für geboten. 1 Dazu unten i m Text § 17. B. 1 Vgl. unten i m Text § 17. A. 8 Ihre Zulässigkeit ist unbestritten und ergibt sich (etwa) indiziell aus den §§43 Abs. 2; 111 VwGO. 4 Vgl. § 17 BWahlG. 6 Vgl. § 15 Abs. 1 BWahlG. 8 Vgl. § 36 BWahlG. 7 Dazu Seifert, BWahlG S. 116. 8 Vgl. § 32 Satz 2 BWahlG i. V. m. §§ 5 Abs. 6; 51 BWahlO und dazu Seifert, a.a.O. S. 178 f., 276.

§ 16. Klagearten

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er erhält Sprechverbot oder w i r d von dem Wahlorgan vor oder nach® seiner Wahl — zwangsweise 10 — aus dem Wahllokal gewiesen. Oder er w i r d sonstwie i n seinem Recht zu wählen beeinträchtigt oder gestört. Die Partei w i r d i n der Zeit der Wahlvorbereitung nicht als solche anerkannt 1 1 und/oder i h r Wahlvorschlag zurückgewiesen 12 — nach Auffassung der zuständigen Wahlorgane etwa wegen Fristversäumung 1 3 oder nicht gehörigen Wahlvorschlags infolge inhaltlicher oder formeller Mängel 1 4 . Die Beispiele ließen sich mühelos vermehren. Ihnen allen ist gemein, daß der Wähler oder die Partei i n ihren Interessen tatsächlich beeinträchtigt, objektiv beschwert sind. Sie werden versuchen, die Beschwer abzuwehren. Dafür gibt ihnen die VwGO je nach dem Klagebegehren verschiedene Rechtsschutzformen. I. Anfechtungsklage 1. M i t der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage muß der A k t i v bürger vorgehen, wenn er sich gegen das Eintrittsverbot, das Sprechverbot i m Wahllokal oder das Ausweisungsgebot und seine Vollstrekkung wendet 1 5 — w e i l die beanstandeten Maßnahmen durchweg störungsabwehrende A k t e der Ordnungs- und Sitzungspolizei des Wahlvorstands sind: es sich also u m den klassischen Fall der Eingriffs Verwaltung handelt. Gegen solche A k t e ist nur die Anfechtungsklage die richtige Klageart, w e i l es allein u m die Aufhebung von (Verwaltungs-) Akten geht und die Anfechtungsklage — i m Gegensatz zur Verpflichtungsklage — auf die (kassatorische) Beseitigung solcher Akte beschränkt ist. 2. Soll die Anfechtungsklage gegen solche ordnungsbehördlichen Maßnahmen zulässig sein, so muß es sich dabei u m Verwaltungsakte handeln: also u m Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde zur Regelung • I n diesem Fall wird allerdings nur in die körperliche Bewegungsfreiheit als Erscheinungsform der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1) eingegriffen. Zum grundrechtlichen Standort der Bewegungsfreiheit jüngst Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts (Berlin 1970) S. 52—58. 10 Diese Befugnis des Wahlvorstands folgt aus § 32 Satz 2 BWahlG i. V. m. VwVG. 11 Vgl. § 19 Abs. 2, Abs. 3 BWahlG sowie die amtliche Überschrift vor § 17 BWahlG. 18 Dazu §§ 27; 29 BWahlG. 18 Vgl. § 20 BWahlG. 14 Dazu §§ 21; 28 BWahlG. 15 Zu den ordnungsbehördlichen Maßnahmen nach § 32 Satz 2 BWahlG auch Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337. Hinsichtlich der Rechtsschutzform insoweit irrig Feneberg - Kreis, BWahlG S. 47. Mißverständlich auch Monz, K W G S. 81.

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

eines Einzelfalls auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts 16 . Nicht nur die Wahlbehörden, sondern auch die Wahlorgane sind i m Sinne der §§ 42, 70, 78 V w G O Verwaltungsbehörden — unabhängig davon, ob man sie als echte Behörden i m Sinne eines allgemeinen Behördenbegriffs qualifizieren kann. Wichtig ist allein, daß sie öffentlichrechtliche Dienststellen sind, die m i t Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betraut sind — arg. § 25 Abs. 2 MRVO 165 17 . Diesen Anforderungen aber entsprechen die Wahlorgane 18 . Weiterhin muß es sich bei ihren Maßnahmen u m „Regelungen", d. h. u m Entscheidungen m i t unmittelbarer rechtlicher Außenwirkung handeln. Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann nicht generell m i t dem Hinweis auf das normativ „ungebändigte" Hausrecht der Wahlorgane geleugnet werden 1 9 . Solche rechtsstaatlichen Leerräume, Reservate unkontrollierter öffentlicher Gewalt gibt es sub specie A r t . 19 Abs. 4 nicht (mehr). Es bedarf nur stets sorgfältiger Prüfung i m Einzelfall: ob sich die Rechtsstellung des A k t i v bürgers infolge der Maßnahme verschlechtert oder sonstwie verändert hat — w a s bei den geschilderten, quasi polizeilichen Verfügungen unzweifelhaft der F a l l ist. Dann liegt auch die erforderliche Beschwer vor 2 0 , womit die Voraussetzungen des § 42 VwGO erfüllt sind, die A n fechtungsklage also zulässig ist. Begründet ist sie dann, wenn eine Beeinträchtigung des Rechts auf freie, ungehinderte und geheime Wahlausübung festgestellt werden kann 2 1 oder die angegriffene Maßnahme den Wähler i n einem anderen subjektiven Recht rechtswidrig beeinträchtigt (Art. 2 Abs. 1). IL Verpflichtungsklage M i t der Verpflichtungsklage muß der Aktivbürger vorgehen, wenn er sich gegen die Nichteintragung i n das Wählerverzeichnis, gegen die Verweigerung des Wahlscheins oder gegen die Nichtzulassung zur Stimmabgabe infolge Fehlens oder trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen wendet. Jede dieser erstrebten Maßnahmen ist ein Verwaltungsakt, w e i l ein Träger öffentlicher Verwaltung damit die Rechtsstellung des ein16 H. M.; vgl. auch die Legaldefinition in § 27 EVwVerfG 1963 sowie § 4 VwVerfG Berlin. 17 Vgl. ferner Rasch, VerwArch 50 (1959) S. 21 f.; E . W . Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung (Berlin 1964) S. 32 F N 36 b; G. Fr. Lechner, Diss. S. 6, 130 f.; OVGE Münster 22 S. 269; Eyermann-Fr Ohler, V G G S. 71. 18 Siehe oben i m Text Vierter Teil § 15. A. I. 19 So Seifert, D Ö V 1953 S. 367. Dagegen schon Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337. 20 Dazu Bettermann, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 460 f.; Festschrift Fragistas S. 66. 21 So auch Zuleeg, a.a.O.

§ 16. Klagearten

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zelnen Aktivbürgers unmittelbar regelt : für diesen verbindlich festlegt, ob er am Wahltag tatsächlich an der Wahl teilnehmen kann oder nicht. Denn der Eintrag i m Wählerverzeichnis oder der Besitz des Wahlscheins ist eine zwingende formelle Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts — arg. § 15 Abs. 1 BWahlG. Ebenso ist die Zulassung zur Wahl durch den Wahlvorstand ein Verwaltungsakt und keine bloße Bestätigung 28 . Denn m i t dem Zulassungsakt des Wahlvorstandes w i r d potentiell verbindlich über das Bestehen oder Nichtbestehen des materiellen Anspruchs auf Wahlteilnahme entschieden 24 . Ebenso muß die Partei m i t der Verpflichtungsklage vorgehen, wenn sie während der Wahlvorbereitung von dem Wahlorgan nicht als solche anerkannt und/ oder i h r Wahlvorschlag deshalb oder aus sonstigen materiellen oder formellen Mängeln zurückgewiesen wird. Denn auch hier bedarf es nach materiellem Wahlrecht des behördlichen Ausspruchs über die Anerkennung der Partei und/oder der Annahme ihres Wahlvorschlags 25 . Und jeder dieser erforderlichen und erstrebten Rechtsakte ist ein Verwaltungsakt, w e i l er das passive Wahlrecht der Partei und i h r daraus resultierendes Wahlvorschlagsrecht potentiell verbindlich feststellt. Deshalb muß ein solcher Rechtsakt m i t der Verpflichtungsklage erstritten werden (können). I I I . Leistungsklage Wenn und soweit sich Eingriffe i n das subjektive Wahlrecht als Verwaltungsakte darstellen, ist dem Aktivbürger die Möglichkeit der allgemeinen Leistungsklage versperrt. Diese ist nach überwiegender A u f fassung 26 die richtige Klageart, wenn schlicht hoheitliches Handeln 22 Vgl. zum Ganzen: Forsthoff, Verwaltungsrecht I S. 203; H.-J. Wolff, Verwaltungsrecht I S. 311; Rietdorf, D V 1949 S. 666; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337; Seifert, D Ö V 1953 S. 367; BayVerfGHE n . F . 12 (1959) I I S. 77; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130 (mit bedenklichem Schluß von § 42 auf § 40 VwGO); Nass, Wahlorgane S. 168—170; G. Fr. Lechner, Diss. S. 154 f.; Hatschek, Außerpreußisches Landesstaatsrecht S. 227; Deutsches und Preußisches Staatsrecht S. 383; Feneberg - Kreis, BWahlG S. 47; OVGE Münster 23 S. 191 (mit unhaltbarem Schluß von der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auf ihre Rechtsnatur und den Rechtsweg); Monz, K W G Saarland (2. AufL 1968) S. 48. 23 Ebenso Rietdorf, D V 1949 S. 667; Seifert, a.a.O.; Zuleeg, a.a.O. 84 Das Fehlen der formellen Wahlrechtsvoraussetzungen wirkt rechtszerstörend, ihr Bestehen dagegen nicht rechtsbegründend (h. M.). Vgl. dazu statt aller Seifert, BWahlG S. 116 m. w. N. 25 Vgl. §§ 19 Abs. 2, 3; 27; 29 BWahlG. 28 Nach Auffassung von Bettermann, NJW 1960 S. 649; DVB1 1969 S. 703; Lerche, in: Staatsbürger und Staatsgewalt I I S. 73—76 und anderen ist mit der Verpflichtungsklage jede subordinationsrechtliche Amtshandlung einklagbar und die Leistungsklage auf koordinationsrechtliche Streitigkeiten beschränkt.

11 Olschewski

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

begehrt wird. Fälle dieser A r t sind denkbar 2 7 . So hat der einzelne Briefwähler etwa einen Anspruch auf Übersendung solcher Briefwahlunterlagen, die den Sicherungen des § 36 Abs. 1 lit. b) BWahlG i. V. m. §§ 25 Abs. 3, 62 Abs. 1 BWahlO entsprechen. Insbesondere hat er i n Übereinstimmung m i t seinem grundgesetzlichen Recht auf geheime Wahl (Art. 38 Abs. 1) den wahlrechtlichen Anspruch auf Erhalt eines gummierten, d. h. verschließbaren amtlichen Wahlumschlags 28 . E r f ü l l t die Gemeindebehörde diese Verpflichtung nicht, sondern übersendet sie Briefwahl^ unterlagen m i t einem nicht verschließbaren Wahlumschlag, so kann der Briefwähler gegen diese Beeinträchtigung m i t Hilfe der allgemeinen Leistungsklage vorgehen — und nur m i t dieser. Denn er erstrebt keinen Verwaltungsakt, keine Maßnahme m i t unmittelbarer rechtlicher Außenwirkung, sondern ein schlicht hoheitliches Verhalten, eine tatsächliche Handlung, eine A r t ordnungsgemäßer Wahlberechtigungsbescheinigung. I V . Feststellungsklage Für die selbständige Feststellungsklage nach § 43 VwGO ist bei Eingriffen i n das individuelle Wahlrecht kein Raum. Das ist die Konsequenz der hier vertretenen Auffassung von der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und der gerichtlichen Verfolgbarkeit von Aufhebungsund Verurteilungsbegehren 29 . Denn zwar mag bei der von den Wahlbehörden oder Wahlorganen einseitig vorgenommenen Wahlbehinderung oder -ausschaltung des Aktivbürgers dessen Aktivstatus ungewiß werden und damit ein konkretes Rechtsverhältnis 80 entstehen 81 — wie es bei entsprechenden Maßnahmen gegenüber der Partei der Fall sein mag. Auch ist es zutreffend, daß Aktivbürger und Partei ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, d. h. Klärung und Entscheidung vor Abschluß der Wahl besitzen. Unrichtig dagegen ist es, deshalb 27 Vgl. etwa den Beschluß des V G Koblenz, JR 1970 S. 315 mit Anmerkung Olschewski. 28 Vgl. dazu OVG Koblenz AS 2 S. 180; Klüber, D Ö V 1958 S. 250; Seifert, D Ö V 1958 S. 513; BWahlG S. 54; Hamann, Grundgesetz Art. 38 Anm. 6; Faber, Verfassungs- und Staatsrecht S. 172; Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung (Berlin 1968) S. 156 u. F N 93; v. Mangoldt - Klein, Grundgesetz I I Art. 38 Anm. I I I 2 g; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz I Art. 38 Rdn. 54; Olschewski, JR 1970 S. 316 f. 20 Insoweit anderer Ansicht Seifert, BWahlG S. 226, der allerdings von seinem Standpunkt die Regelung des § 50 BWahlG nicht hinreichend berücksichtigt. 30 Nach der von der h. M. praktizierten extensiven Auslegung des § 43 V w G O reicht es aus, daß zwischen Bürger und Hoheitsträger Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen einer konkreten Berechtigung bestehen. Vgl. statt aller Eyermann - Fröhler, V w G O § 43 Rdn. 4, 5. 81 So Nass, Wahlorgane S. 217 f.

§ 16. Klagearten

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die Feststellungsklage für gegeben zu erachten. Denn nach hier vertretener Auffassung steht dieser Annahme die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Das gilt auch dann, wenn bei Klageerhebung die Wahl bereits abgeschlossen ist. Denn die Feststellungsklage ist nicht nur dann ausgeschlossen, wenn der Aktivbürger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann, sondern auch dann, wenn er sie auf diese Weise verfolgen konnte. B. Eingriffe in subjektive Wahlrechte nach Abschluß der Wahlhandlung

Eingriffe i n subjektive Wahlrechte durch Wahlorgane können sich auch nach Schließung der Wahllokale ergeben 82 : nämlich infolge rechtswidriger Bewertung und Auswertung der einzelnen, i n den Stimmzetteln verkörperten, Stimmabgaben. I. Entgegen anderen Behauptungen 83 sind die Bewertungs- und Auswertungsakte der Wahlorgane i m Rahmen der Wahlergebnisermittlung Verwaltungsakte: w e i l es sich auch hier u m öffentlichrechtliche Regelungsakte einer m i t Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betrauten Stelle handelt 8 4 . Denn m i t jedem dieser A k t e w i r d die Rechtsstellung des Aktivbürgers dem Gesetz entsprechend oder diesem zuwider beachtet oder mißachtet, der Anspruch auf rechtmäßige (Mit-)Verwertung seiner Stimmabgabe honoriert oder negiert. Auch fehlt es nicht an der Regelung eines Einzelfalls, da dafür ein objektiv bestimmbarer Personenkreis ausreicht und es auch sonst Verwaltungsakte gibt, die sich „ad incertas personas" wenden, an den richten, den es angeht — nicht nur an den Aktivbürger, sondern an jeden Bürger 3 5 . Gleichwohl können objektiv und subjektiv rechtswidrige Wahlbewertungs- oder Auswertungsakte nicht verwaltungsgerichtlich angegriffen werden: weder m i t der Verpflichtungs- noch m i t der allgemeinen Leistungsklage. Denn infolge des Wahlgeheimnisses fehlt es stets an der objektiven Beschwer des Klägers: Beschwer und Beschwerter sind nicht individualisierbar. Beides aber setzt nicht nur § 42 Abs. 1 VwGO, sondern auch A r t . 19 Abs. 4 voraus. Deshalb ist die dem Aktivbürger fehlende Möglichkeit, gegen rechtswidrige Wahlbewertungsakte und -auswertungsakte vorzugehen, verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. 82

aus.

Insoweit scheiden Eingriffe durch Wahlbehörden mangels Zuständigkeit

88 Vgl. Seifert, D Ö V 1953 S. 367; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337; G. Fr. Lechner, Diss. S. 156; Rietdorf, D V 1949 S. 666. 84 Selbst wenn das nicht der Fall wäre, bliebe noch die Möglichkeit der allgemeinen Leistungsklage. 85 Typische Beispiele sind etwa die straßen- und wegerechtliche Widmung und die Verkehrszeichen nach der StVO.

Ii*

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

I L Diffiziler w i r d die Frage nach dem Hechtsschutz gegen solche A k t e dann, wenn man ihr aus der Perspektive der Partei nachgeht. Denn auch diese ist j a i n ihrem (passiven) Wahlrecht verletzt: weil sie einen Anspruch darauf hat, an der Verteilung der Stimmzettel rechtmäßig beteiligt zu werden 3 6 . Ihr Rechtsschutzverlangen läßt sich nicht m i t Gründen fehlender Beschwer abtun. Denn der Stimmzettel läßt regelmäßig erkennen, welcher Partei er zugedacht war. Es kann i m Einzelfall festgestellt werden, wer durch die rechtswidrige Bewertung oder Auswertung beschwert ist: ob die eine oder die andere Partei. Gleichw o h l bleiben auch hier Bedenken — ebenso tatsächlicher wie rechtlicher Natur. Einmal dürfte es der Partei angesichts der Regelung des § 88 Abs. 5 BWahlO i n praxi nur schwer gelingen, ein substantiiertes Klagevorbringen darzulegen, insbesondere die angefochtenen Stimmzettel nach Zahl und A r t der fehlerhaften Behandlung zu benennen. Zum anderen fragt es sich, ob ein solcher Rechtsschutzantrag nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet wäre. Denn nur eine gerichtliche Verurteilung käme i n Betracht, da Anzeichen für das Bestehen eines gerichtlich durchsetzbaren materiellen Anfechtungs- oder Aufhebungsrechts auf seiten der Partei fehlen 3 7 — ganz abgesehen davon, daß es nicht ausreichen würde, u m dieser die erstrebte Neubewertung oder -auswertung der angegriffenen Stimmzettel zu garantieren 88 . Dann aber muß es einen Adressaten des Richterspruches geben, der zur Vornahme der begehrten Handlung verpflichtet w i r d und zu ihrer Ausführung fähig ist. Zwar bestehen die zuständigen Wahlorgane — Kreiswahlund Landeswahlausschuß 89 — auch nach dem Abschluß der Wahlhandlung fort — arg. § 4 Abs. 3 BWahlO. Aber der Kreis ihrer Amtsbefugnisse oder Wahrnehmungszuständigkeiten nach Schluß der Wahlhandlung dürfte restriktiv zu bestimmen sein: als der Inbegriff jener Verhaltensbefugnisse, die i m Rahmen von Nach-, Ersatz- oder Wiederholungswahlen erforderlich werden 4 0 . Darum aber geht es bei dem Rechtsschutzverlangen nach rechtmäßiger Neubewertung oder -auswertung mandatsunerheblicher Stimmzettel nicht. Demzufolge fehlt es an dem Adressaten der richterlichen Verurteilung. Diese ist nicht realisierbar; der Leistungsantrag ist auf eine unmögliche Leistung gerichtet, m i t h i n unbegründet, wenn nicht gar unzulässig 41 . Für einen Feststellungsantrag aber fehlt es der Partei — zumindest — an dem gemäß § 43 38

Dazu siehe oben im Text Zweiter Teil § 10. D. Insbesondere ergibt es sich nicht aus Art. 19 Abs. 4. Dazu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 802—804. 88 Die Anfechtung führt (nur) zur Kassation, nicht (auch) zur Reformation. 89 Vgl. §§ 41; 42 BWahlG. 49 Offenbar ähnlich Seifert, BWahlG S. 237. 41 Dazu auch oben im Text Zweiter Teil § 10. E. I I I . u. F N 130). 87

§ 17. Rechtzeitige Rechtsschutzgewährung

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Abs. 1 VwGO erforderlichen besonderen Rechtsschutzinteresse. Weder politische Renommiersucht noch die durch § 18 ParteienG anerkannten kommerziellen Interessen können es begründen. Denn die Wahlkampfkostenerstattung erfolgt auf der Grundlage der Wahlergebnisfeststellung und nur dieser. Sie zu beeinflussen aber ist ein Feststellungsurteil gänzlich ungeeignet. Ergo fehlt auch der Partei die Möglichkeit, gegen rechtswidrige Wahlbewertungs- und -auswertungsakte gerichtlich vorzugehen 42 . § 17. Rechtzeitige Rechtsschutzgewfihrung Können Aktivbürger und Partei bei Verletzung ihres aktiven und passiven Wahlrechts durch wahlvorbereitende und -durchführende Maßnahmen der Wahlbehörden und Wahlorgane verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gemäß den §§ 40, 42 VwGO erlangen, so bleibt zu klären, ob ihnen seine Realisierung vor Abschluß der Wahl gelingen kann. Das w i r d von der gegenwärtigen Lehre verneint 1 . I m Ergebnis zu Unrecht. A. Hauptverfahren

Richtig ist zwar, daß der Kläger wegen der Notwendigkeit des Vorverfahrens 2 bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen kaum jemals ein verwaltungsgerichtliches U r t e i l vor Abschluß der Wahl erstreiten kann. Darüber kann selbst die — gebotene! — großzügige Anwendung des § 75 Satz 1, 2 VwGO nur bedingt hinweghelfen. Selbst dann aber w i r d das U r t e i l nicht immer 8 vor Beendigung der Wahl rechtskräftig werden. Jedenfalls bleibt der Rechtsschutz des Klägers von der Entscheidung der Behörde über die mögliche Berufung abhängig. Denn 42

Das Ergebnis steht i m Einklang mit Art. 19 Abs. 4. Vgl. dazu die A n gaben in F N 37) u. 41) sowie F N 136) zu § 10. E. I V . 1 Siehe oben i m Text Zweiter Teil § 10. E. und F N 108. 2 Ob die wahlrechtlich vorgesehenen behördlichen Einspruchs- und Beschwerdeverfahren nach der ratio legis Voraussetzung der verwaltungsgerichtlichen Klage oder aber des Einspruchs nach § 2 Abs. 1 BWPrüfG sein sollen — dazu: Stiefel, D Ö V 1960 S. 22; Henke, Politische Parteien S. 169; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 357 — kann dahinstehen. Denn auf Bundesebene sind alle Einspruchs- und Beschwerdeverfahren, deren Entscheidungen Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden können, durch die §§ 68 ff. V w G O ersetzt — arg. § 77 Abs. 2 (h. M.). Diese Voraussetzimg aber liegt vor, da gegen die Maßnahmen der Wahlbehörden und Wahlorgane gemäß § 40 V w G O der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Konsequent a. A. Seifert, BWahlG S. 250; Kratzer, BayVBl 1960 S. 170 f. Wie hier Hansjörg Loschelder, Diss. S. 100 f. Vgl. BayVGH, VwRspr. 13 S. 968. 8 Nur bei Rechtsmittelverzicht der Gegenseite erlangt der in erster Instanz obsiegende Kläger vor Abschluß der Wahl ein rechtskräftiges Urteil.

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

eine Vollstreckung vor E i n t r i t t der Rechtskraft scheidet aus — arg. §§ 168 Abs. 1 Nr. 1,167 Abs. 2 VwGO. Noch weniger kann der Aktivbürger, der fünf Minuten vor Schließung der Wahllokale infolge seiner Nichteintragung i m Wählerverzeichnis nicht zum Wahlakt zugelassen wird, dagegen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz i n der Hauptsache erlangen. Indessen hat er auch für diesen Fall regelmäßig seinen Rechtsschutzanspruch nach A r t . 19 Abs. 4, § 40 VwGO v e r w i r k t 4 , da er rechtzeitig hätte feststellen können, ob die formellen Wahlrechtsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. W i r d er dagegen trotz deren Bestehen rechtswidrig von der Wahl ferngehalten — was i n praxi kaum vorkommen dürfte — so bleibt i h m immer noch die Möglichkeit des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, die auch dann zum Zuge kommt, wenn sich der Verwaltungsakt erstens schon vor Klageerhebung erledigt hat und es sich zweitens nicht u m einen (ursprünglichen) Aufhebungs-, sondern Verurteilungsantrag handelte 5 . Allenfalls das Feststellungsinteresse könnte bei einem (ursprünglichen) Verurteilungsantrag i m Einzelfall zweifelhaft sein 6 . Dagegen wäre es gewiß gegeben, wenn sich der Aktivbürger nachträglich gegen ein i h m gegenüber verhängtes Eintrittsverbot oder Ausweisungsgebot des Wahlvorstands gemäß § 32 Satz 2 BWahlG wendet 7 . Denn infolge der Öffentlichkeit der Wahlhandlung und des Wahllokals beeinträchtigen solche Maßnahmen den Beschwerten zugleich i n seiner persönlichen Ehre und rechtfertigen damit sein späteres, unselbständiges Feststellungsbegehren 8 . B. Vorläufiger Rechtsschutz Die VwGO gibt dem Aktivbürger und der Partei nicht nur verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz i n Form der nachträglichen, unselbständigen Feststellung gemäß den §§ 42; 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO 9 . Es fehlt auch nicht an einer Rechtsschutzform, die die Durchsetzung, also die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts gewährleistet. Das ist nicht nur das verfassungsrechtliche Postulat des A r t . 19 Abs. 4 1 0 , son4

Dazu Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 807 f., 813. H. M. Vgl. statt aller BVerwG, N J W 1963 S. 553; DVB1 1964 S. 278; NJW 1968 S. 1442; M D R 1968 S. 347. • Bei dieser Frage wäre auch Art. 19 Abs. 4 zu berücksichtigen. 7 Hier handelt es sich um ein ursprüngliches Anfechtungsbegehren. Dazu siehe oben i m Text § 16. A. und zu I . 8 Zum Gedanken der „Rehabilitierung" vgl. BVerwGE 12 S. 90; BVerwG, D Ö V 1966 S. 726; BVerwG, Buchholz 310 Nr. 29, 33 und 35 zu § 113 VwGO. 9 Bereits das wird von der gegenwärtigen Lehre zumeist nicht gewürdigt. 10 Siehe oben i m Text Zweiter Teil § 10. E. I V . 5

§17. Rechtzeitige Rechtsschutzgewährung

167 11

dern auch die einfachgesetzliche Realität der §§ 80 Abs. 5 ; 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO 1 2 . Beide Vorschriften haben gerade den von A r t . 19 Abs. 4 geforderten effektiven Rechtsschutz institutionalisiert. Denn der Beschluß nach § 80 Abs. 5 VwGO verschafft dem Aktivbürger trotz des erlassenen Eintrittsverbots oder Ausweisungsgebots die Möglichkeit, sich (weiterhin) i m Wahllokal aufzuhalten. Und der Erlaß der einstweiligen Anordnung setzt ebensowenig die Einlegung des Widerspruchs voraus, wie ihre Vollstreckbarkeit den E i n t r i t t der Rechtskraft — arg. § 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Auch haben die Verwaltungsgerichte die organisatorischen Vorkehrungen getroffen, u m das Schnellverfahren der §§ 80 Abs. 5; 123 VwGO zu jeder Zeit — auch am Sonntag 13 — zügig durchführen zu können. Schließlich kann heute nicht mehr ernstlich bestritten werden, daß die einstweilige Anordnung die Hauptentscheidung vorwegnehmen kann — jedenfalls immer dann, wenn die Wiederherstellung des „status quo ante" möglich ist 1 4 . Aber nicht nur die reparable, auch die irreparable Vorwegnahme der Hauptentscheidung ist — ebenso wie i m Zivilprozeß 1 5 — wegen A r t . 19 Abs. 4 i n Extremfällen möglich: nämlich stets dann, wenn der Rechtsstreit weder durch Gewährung noch Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes i n vollem Umfang entscheidungsfähig erhalten werden kann 1 6 — wie es bei der Nichtzulassung des einzelnen Wahlbürgers und der Partei aus der Sicht des Verwaltungsrichters typisch der Fall ist 1 7 . Hier ist eine Güterabwägung 11 Diese Möglichkeit besteht für den Fall beschwerender Maßnahmen gemäß § 32 Satz 2 BWahlG — weil hier die Anfechtungsklage die richtige Klageart ist. Siehe oben im Text § 16. A. I. 12 Die Vorschrift findet nur i m Bereich von Verpflichtungs- und Leistungsklagen Anwendung. Vgl. statt aller Eyermann - Fröhler, V w G O § 123 Rdn. 10, 15 sowie oben i m Text § 16. A. II., I I I . Die Möglichkeit des § 123 V w G O wird übersehen bei Seifert, D Ö V 1953 S. 367; BWahlG S. 224; Greene, Diss. S. 148; Zuleeg, BayVBl 1962 S. 337; Rietdorf, LWahlG S. 33; Schiller, Diss. S. 26 f.; Nass, Wahlorgane S. 216; G. Fr. Lechner, Diss. S. 158; a. A. zu Recht Feneberg, LWahlG S. 33; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130. 13 Die Verwaltungsgerichte unterhalten eine Bereitschaftskammer. Etwa ist die Entscheidung V G Berlin, M D R 1968 S. 701 (Vietnam-Demonstration) i m Wege des § 123 V w G O am Sonnabend gegen 19.40 Uhr erstritten worden. 14 Dazu Quaritsch, VerwArch 51 (1960) S. 348 m . w . N.; Wieseler, Vorläufige Rechtsschutz S. 190 m . w . N . ; Schunck-De Clerk, V w G O § 123 Anm. 3; Rohmeyer, Rechtsnatur S. 180 m. w. N.; verfehlt VGH Kassel, DVB1 1967 S. 631; D Ö V 1966 S. 506. 16 Dazu Arwed Blomeyer, Zivilprozeßrecht (Berlin - Göttingen - Heidelberg 1963) S. 663; Rosenberg, Zivilprozeßrecht (8. Aufl. 1960) S. 813. 16 So auch Rohmeyer, a.a.O. S. 182; DVB1 1968 S. 267; Quaritsch, a.a.O. S. 350 f.; Redeker-von Oertzen, V w G O § 123 Rdn. 14; Wieseler, Vorläufige Rechtsschutz S. 192 f.; 195, 197; Merten, M D R 1968 S. 624 F N 37; Feneberg, LWahlG S. 33; OVGE Lüneburg 18 S. 387; VGH München, N J W 1966 S.752; V G Berlin, M D R 1968 S. 701; V G Berlin, JR 1968 S. 276; BayVerfGH, BayVBl 1969 S. 130. 17 So auch Quaritsch, a.a.O.; Wieseler, a.a.O. S. 192 f., die allerdings beide das spätere Wahlprüfungsverfahren nicht hinreichend berücksichtigen.

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4. Teil: Einfachgesetzliche Wahlrechtsschutzgewährung

erforderlich, die wegen A r t . 19 Abs. 4 eine irreparable Gestaltung durch einstweilige Anordnung gebieten kann. Geboten ist sie zumindest immer dann, wenn die Weigerung der Wahlbehörde oder des Wahlorgans offenkundig rechtswidrig, ein Rechtsmittel also offensichtlich begründet ist 1 8 . Darüber hinaus ist zu beachten, daß jedenfalls den Organen des A r t . 41 die Möglichkeit verbleibt, den vom Verwaltungsrichter (irreparabel) gewährten Rechtsschutz nachträglich, wenn auch nicht zu korrigieren, so doch i n seiner (weiteren) Wirkung zu ignorieren 1 9 . Auch das muß bei der Güterabwägung nach § 123 VwGO zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigt werden. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Aktivbürger und Partei sehr wohl vor Abschluß der Wahl gerichtlichen Rechtsschutz erlangen können 2 0 — wenn sie von dieser (rechtswidrig) ausgeschlossen werden, also nicht wählen und sich nicht an der Wahl beteiligen dürfen.

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Vgl. Quaritsch, a.a.O.; Wieseler, a.a.O. S. 195, 197; Merten, a.a.O. Indem sie die betreffende Stimmabgabe des Aktivbürgers nicht verwerten, wenn er ihrer Meinung nach nicht wahlberechtigt war. Zu dieser abweichenden Feststellung sind die Organe des Art. 41 befugt. Vgl. oben im Text Dritter Teil § 13. A. I I . 10 Die Klage wäre zu richten gegen den Bund, vertreten durch die Wahlbehörde oder das Wahlorgan. Vgl. Greeve, Diss. S. 145 F N 1 sowie § 20 Satz 2 GjS; irrig offenbar VGH Kassel, DVB1 1967 S. 631. 19

Schlußbetrachtung Die Untersuchung hat gezeigt, daß neben der Wahlprüfung des A r t . 41 die Verfassungsbeschwerde eröffnet ist (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a) und subjektiver Wahlrechtsschutz nach A r t . 19 Abs. 4 besteht und verwaltungsgerichtlich realisiert werden kann. Aktivbürger und Partei können die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts, d. h. die Teilnahme an der Wahl gerichtlich durchsetzen. Die Auffassung der gegenwärtigen Lehre zur eingeschränkten Verfahrensfunktion der Wahlprüfung ist i m Ergebnis richtig. U m so erstaunlicher ist es, daß sie gleichwohl jeden subjektiven Wahlrechtsschutz versagt. Das ist durch nichts gerechtfertigt. Damit leugnet die herrschende Meinung auf einem nicht unbedeutenden Sektor die durch A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a geprägte Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. Dieser wohl einmalige Zustand 1 i m deutschen Verfassungsrecht muß ein Ende finden. Dafür ist und bleibt Zeit. Der „Weg der Umkehr" kann beim Bundesverfassungsgericht nicht vorbeiführen 2 . Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die „sturmreif geschossene" Bastion des §50BWahlG freiwillig zu räumen 3 . Der „Friedensschluß" m i t A r t . 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a sollte i n dieser Form anerkannt und besiegelt werden.

1

M i t dieser FeststeUung beruhigt sich Schiller, Diss. S. 26. Es bleibt zu hoffen, daß die Verwaltungsgerichte bald einen inzidenten Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1) stellen werden. 3 Die in Aussicht genommene Wahlrechtsreform hätte (?) dazu ein geeigneter Anlaß und Boden sein können. 1

Leitsätze I. 1. a) „Wahlprüfung" i m Sinne des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Prüfung und Entscheidung des Bundestages über die Gültigkeit der Wahl(en). b) Das Bundesverfassungsgericht muß i m Rechtsweg nach A r t . 41 Abs. 2 GG (i. V. m. A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG) als (sekundäres) Wahlprüfungsorgan die Verfahrensfunktion der Wahlprüfung (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG) beachten. 2.

Die „Wahl" ist Prüfungsgegenstand, nicht Streit- und Entscheidungsgegenstand des Wahlprüfungsverfahrens. a) „Wahl" i n A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG meint die (Bundes-)Wahlen zum Parlament, nicht Wahlen des Parlaments noch sonstige inner- oder außerverfassungsrechtliche Wahlen. b) Die „Wahl" als Gegenstand der Wahlprüfung bezeichnet das Wahlverfahren vom Beginn der Wahlvorgänge bis zur abschließenden Mandatsverteilung.

3.

A r t . 41 GG beschränkt die Bundes wahlprüf ung auf die Mandatserwerbsprüfung: auf die Kontrolle der rechtmäßigen Zusammensetzung des Bundestages. a) Die Wahlprüfung dient nicht der generellen Wahlrechtssanktionierung; denn sie erfaßt nur Stimmrechtswidrigkeiten, d. h. solche Wahlnormwidrigkeiten, die das Stimmergebnis beeinflußt haben können. b) Die Wahlprüfung schützt die rechtmäßige Volkswillensbildung nur insoweit, als die rechtswidrige Beeinflussung des Gesamtwählerwillens zu einer rechtswidrigen Zusammensetzung des Bundestages geführt hat oder haben kann. c) Streit- und Entscheidungsgegenstand der Wahlprüfung ist die „Gültigkeit" der Wahl, d. h. die Rechtmäßigkeit der parlamentarischen Mandatsverteilung. d) Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab ist die mandatserhebliche Stimmrechtswidrigkeit der Wahlvorgänge.

Leitsätze 4.

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Das historische, genetische und systematische Verständnis des A r t . 41 GG belegt die ausschließliche Funktion der Wahlprüfung als Mandatserwerbsprüfung. a) Die Geschichte der Wahlprüfung vom Ständestaat bis zur Weimarer Reichsverfassung handelt von der Prüfung und Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Mandatserwerbs. b) Die Entstehungsgeschichte des A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG und des § 1 Abs. 1 BWPrüfG dokumentiert, daß Verfassungs- und Gesetzgeber die tradierte Mandatserwerbsprüfung rezipiert haben. c) Der verfassungssystematische Standort des A r t . 41 GG ergibt: Die Wahlprüfung des Bundestages ist Ausfluß der Parlamentsautonomie und damit Intraorgankontrolle. Das Verfahren nach A r t . 41 Abs. 2 GG gewährleistet , daß der Bundestag nur über seine und seiner Mitglieder Legitimation, also über die Rechtmäßigkeit des Mandatserwerbs entscheidet.

5.

Das Verständnis der Wahlprüfung als Mandatserwerbsprüfung steht i m Einklang m i t sonstigen Normen des Grundgesetzes. a) A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG läßt nicht Satz 2 leerlaufen. Satz 1 bet r i f f t die Mandatserwerbsprüfung, Satz 2 die Mandatsbestandsprüfung. b) A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG ist für die Bestimmung der Wahlprüfungsfunktion unergiebig. A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG ist Gewährungsnorm, nicht Gewährleistungs- oder Schutznorm. Die Schutz- oder Sanktionsfrage regelt allein A r t . 41 GG. c) A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG hat keinen Einfluß auf die Wahlprüfungsfunktion. Er ist gegenüber anderen grundgesetzlichen Rechtswegnormen (hier: A r t . 41 GG) Supplementärnorm, nicht Kollisionsnorm.

6.

Das Verständnis der Wahlprüfung als Mandatserwerbsprüfung harmoniert m i t einfachgesetzlichen Normen wahlrechtlichen oder wahlprüfungsrechtlichen Inhalts. II.

7.

§ 50 BWahlG ist hinsichtlich der Anfechtbarkeit von „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das (Bundes-)Wahlverfahren beziehen" eine prozessuale Konkurrenznorm m i t doppeltem Bedeutungsgehalt: teils verweist er auf anderweitige Anfechtungsmöglichkeiten, teils schließt er sie aus.

Leitsätze 8. a) „Entscheidungen und Maßnahmen" i m Sinne des § 50 BWahlG sind alle Organisations- und Regelungsakte (einschließlich ihrer Unterlassung) von Wahlbehörden und Wahlorganen. b) „Unmittelbaren Bezug auf das Wahlverfahren" i m Sinne des § 50 BWahlG haben nur solche „Entscheidungen und Maßnahmen" der Wahlbehörden und Wahlorgane, die den kollektiven Wahlakt präparieren, kontrollieren und dokumentieren (Wahldurchführungsakte) . c) Der Begriff der Anfechtung i n § 50 BWahlG umfaßt sämtliche Rechtsschutzformen. 9.

§ 50 BWahlG beschränkt den gerichtlichen Rechtsschutz gegen individuell beschwerendes Verhalten von Wahlbehörden und Wahlorganen auf das Wahlprüfungsverfahren nach Art. 41 Abs. 2 GG.

10

Die Beschränkung des subjektiven Wahlrechtsschutzes auf das Wahlprüfungsverfahren bedeutet den Ausschluß jeder gerichtlichen Entscheidung über behauptete individuelle Wahlrechtsverletzungen: das Wahlprüfungsverfahren des A r t . 41 GG garantiert weder vor noch nach Abschluß der Wahl den Schutz subjektiver Wahlrechte — weder prinzipalen noch inzidenten Rechtsschutz. III.

11.

Rechtswidrige Eingriffe i n subjektive Wahlrechte durch Wahlbehörden oder Wahlorgane sind Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

12.

Wahlbehörden und Wahlorgane sind Träger öffentlicher Gewalt i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 GG. a) Für A r t . 19 Abs. 4 GG ist es unerheblich, ob die Wahlbehörden und Wahlorgane Verwaltungs- oder Verfassungsorgane und ob ihre A k t e Verwaltungs- oder Verfassungsakte sind. b) Für A r t . 19 Abs. 4 GG genügt es, daß Wahlbehörden und Wahlorgane Träger öffentlicher Gewalt sind, die weder Recht setzen noch Recht sprechen.

13.

Aktivbürger und politische Partei sind Träger von Rechten i m Sinne des A r t . 19 Abs. 4 GG. a) A r t . 19 Abs. 4 GG differenziert innerhalb der subjektiven Rechte nicht zwischen status passivus und status activus.

Leitsätze

173

b) Das i n A r t . 19 Abs. 4 GG vorausgesetzte Subjektionsverhältnis gibt es auch i m status activus, unabhängig davon, ob man den Aktivbürger als (Mit-)Träger hoheitlicher Gewalt ansieht. c) Der Gerichtsschutz der Wahlrechte gegen Eingriffe der Wahlbehörden und Wahlorgane regelt sich nach A r t . 19 Abs. 4 GG, nicht nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. d) Das subjektive Wahlrecht gibt die Befugnis zum ungehinderten Wählendürfen und Wählenkönnen. 14.

Subjektive Wahlrechtsverletzungen sind nicht nur rechtsschutzfähig, sondern auch rechtsschutzbedürftig. a) Das Rechtsschutzinteresse an der Verfolgung individueller Wahlrechtsverletzungen läßt sich nicht über die Konstruktion des Wahlverfahrens als eines einheitlichen Gesamtakts ausschließen. b) Die Versagung des Rechtsschutzbedürfnisses bei mandatsunerheblichen Wahlrechtsverletzungen widerspricht A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG. c) Die Termingebundenheit der Wahl schließt das Bedürfnis nach rechtzeitigem gerichtlichen Wahlrechtsschutz nicht aus. d) Wegen A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht dazu verwandt werden, dem durch Wahlbehörden oder Wahlorgane i n seinem aktiven Wahlrecht verletzten A k t i v b ü r ger oder der i n ihrem passiven Wahlrecht beeinträchtigten Partei jeden Rechtsweg abzuschneiden.

15.

Gemäß A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG sind rechtswidrige Eingriffe i n subjektive Wahlrechte durch Wahlbehörden oder Wahlorgane verfassungsbeschwerdefähig. IV.

16.

Bei Verletzungen subjektiver Wahlrechte durch Wahlbehörden und Wahlorgane ist das Wahlprüfungsverfahren nach A r t . 41 GG nicht der Rechtsweg des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG. a) Der Parlamentsweg nach A r t . 41 Abs. 1 Satz 1 GG ist kein Gerichtsweg. Der Weg zum Bundesverfassungsgericht nach A r t . 41 Abs. 2 GG ist für den Verletzten kein offener Gerichtsweg. b) Die Wahlprüfung des A r t . 41 GG gewährt keinen subjektiven Rechtsschutz: Sie garantiert weder prinzipalen noch effektiven Gerichtsschutz gegen die Verletzung subjektiver Wahlrechte.

174 17.

Leitsätze Bei Eingriffen i n subjektive Wahlrechte durch Wahlbehörden oder Wahlorgane ist die Wahlprüfung nach A r t . 41 GG nicht der Rechtsweg i m Sinne des A r t . 94 Abs. 2 Satz 2 GG und des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.

V. 18.

Der Rechtsschutz des A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG gegen mandatsunerhebliche subjektive Wahlrechtsverletzungen durch Wahlbehörden oder Wahlorgane w i r d durch A r t . 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG nicht ausgeschlossen (gegen BVerfGE 22 S. 281). a) A r t . 41 GG ist nicht lex specialis zu A r t . 19 Abs. 4 GG. b) Es gibt keine sonstigen Gründe dafür, daß A r t . 41 den A r t . 19 Abs. 4 GG verdrängt.

19.

Auch die Verfassungsbeschwerde nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG gegen mandatsunerhebliche, subjektive Wahlrechtsverletzungen durch Wahlbehörden oder Wahlorgane w i r d durch die Wahlprüfung des A r t . 41 GG nicht verdrängt.

20.

§ 50 BWahlG ist wegen Unvereinbarkeit m i t A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 und 2 GG und A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG verfassungswidrig und damit nichtig.

VI. 21.

Für Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit individueller Wahlrechtsverletzungen durch Wahlbehörden oder Wahlorgane ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Diese Streitigkeiten sind: weder verfassungsrechtlicher A r t noch einem anderen Gericht durch Bundesgesetz ausdrücklich zugewiesen.

22.

Individuelle Wahlrechtsverletzungen vor Abschluß der Wahlhandlung können m i t den Klagearten der VwGO — m i t Ausnahme der selbständigen Feststellungsklage nach § 43 V w G O — verfolgt werden. a) Eingriffe i n das aktive Wahlrecht (und/oder Rechte des A r t . 2 Abs. 1 GG) durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen des Wahlvorstands gemäß § 32 Satz 2 BWahlG sind m i t der Anfechtungsklage abzuwehren.

Leitsätze

175

M i t der Verpflichtungsklage müssen Wähler und Partei die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts durchsetzen, wenn es sich bei den begehrten und abgelehnten oder unterlassenen Maßnahmen der Wahlbehörden und Wahlorgane u m Verwaltungsakte handelt — wie es etwa bei der Eintragung i n das Wählerverzeichnis, der Aushändigung des Wahlscheins, der Zulassung zum Wahlakt, der Anerkennung als Partei oder der Zulassung von Wahlvorschlägen der Fall ist. I m Wege der allgemeinen Leistungsklage muß die Verpflichtung der Wahlbehörde zur Vornahme der schlicht hoheitlichen Wahlmaßnahmen erstritten werden (z. B. Übersendung ordnungsgemäßer Briefwahlunterlagen). Individuelle Wahlrechtsverletzungen während der Wahlvorbereitung und der Wahldurchführung können durch einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO und nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig vor Abschluß der Wahl repariert werden.

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