Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre und Rekonstruktion einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik unter besonderer Berücksichtigung subjektiver Wirksamkeitshindernisse [1 ed.] 9783428556724, 9783428156726

Seit mehr als 60 Jahren unterscheidet die deutsche Strafrechtslehre zwischen Einwilligung und Einverständnis. Beide Rech

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German Pages 393 [394] Year 2019

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Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre und Rekonstruktion einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik unter besonderer Berücksichtigung subjektiver Wirksamkeitshindernisse [1 ed.]
 9783428556724, 9783428156726

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Schriften zum Strafrecht Band 339

Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal Dekonstruktion der Zweiteilungslehre und Rekonstruktion einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik unter besonderer Berücksichtigung subjektiver Wirksamkeitshindernisse

Von

Sascha Holznagel

Duncker & Humblot · Berlin

SASCHA HOLZNAGEL

Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal

Schriften zum Strafrecht Band 339

Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal Dekonstruktion der Zweiteilungslehre und Rekonstruktion einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik unter besonderer Berücksichtigung subjektiver Wirksamkeitshindernisse

Von

Sascha Holznagel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15672-6 (Print) ISBN 978-3-428-55672-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85672-5 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Danksagung Die vorliegende Dissertation widme ich meiner Mutter Dorit Holznagel. Du hast mich damals schon als kleinen Steppke, der noch nicht lesen konnte, in Bibliotheken und Büchereien mitgenommen und so meine Leidenschaft zum Lesen geweckt. Ohne diese Leidenschaft wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Danke für alles! Ich liebe dich! Ich danke auch meiner Freundin Beatriz Santiago Belmonte. Mein Leben kann ich mir nur mit dir an meiner Seite vorstellen. Es gibt keine Worte für die Freude, die ich empfinde, denke ich an unsere, bald schon dreisame Zukunft. Te quiero! Danken will ich auch meiner Doktormutter Frau Prof. Tatjana Hörnle für die Betreuung meiner Dissertation und für die Gelegenheit, an ihrem Lehrstuhl zu arbeiten. Dank gilt ebenso Herrn Prof. Luís Greco für die Erstellung seines Zweitgutachtens. Mein besonderer Dank gilt zudem Jan Kockrow für das Korrekturlesen der Arbeit. Eisern! Bedanken will ich mich schließlich auch beim Team am Lehrstuhl, insbesondere bei Rita Vavra, unsere gemeinsame Zeit im Büro war unterstützend wie unterhaltsam, erkenntnis- wie diskussionsreich; nennen möchte ich auch: Lisa Engelbrecht, Sophia Hoffmeister, Johannes Lenzen und Daniela Schölzel. Es war eine tolle Zeit mit euch! Berlin, im Dezember 2018

Sascha Holznagel

Inhaltsverzeichnis Einleitung 

13

Teil 1

Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre 

§ 1 Die Grundlegung durch Geerds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Wesen von Einwilligung und Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einwilligung als Unrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Einverständnis als Tatbestandsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abgrenzung von Einverständnis und Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestände mit ausdrücklich entgegenstehendem Willenselement . . . 2. Tatbestände mit einem kraft ihrer Natur entgegenstehenden ­Willenselement  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung: Die Fälle des Einverständnisses nach Geerds . . . III. Die Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis . . . . . . . . . . 1. Die Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Einwilligungsbefugnis und der Verletzte . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Gegenstand der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Verletzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Willensfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 21 21 25 28 30 33 37 41 41 41 45 46 47 50 50 51 53 55

§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Die Suche nach Kriterien für eine Zweiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Handeln gegen den Willen aufgrund des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . 57 2. Handeln gegen den Willen aufgrund von Deliktscharakter oder Unrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Handeln gegen den Willen aufgrund des geschützten Rechtsguts . . . 59 4. Unterscheidung zwischen verhaltens- und objektsbezogener Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5. Unterscheidung nach dem Bezugspunkt der Zustimmung . . . . . . . . . 60 6. Unterscheidung innerhalb der Einverständnisfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 61 7. Drei- statt Zweiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

8 Inhaltsverzeichnis II. Die Bewertung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Zweierlei Arten der Zustimmung mit zweierlei Voraussetzungen . . . . . . 70 Teil 2

Dekonstruktion der Zweiteilungslehre 

77

§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fremdkörper im Rechtfertigungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Aussagegehalt aus Sittenwidrigkeit nach § 228 StGB . . . . . . . . . . . III. Die historische Bedingtheit der Zweiteilungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die widersprüchliche Durchführung der Zweiteilung . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Relevanz des Streits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 79 81 82 83 86

§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung . . . . . . . . . . . . . I. Zusammenschau der bisherigen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auslegung einer Auswahl an Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Wegnehmen beim Diebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Eindringen beim Hausfriedensbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Misshandeln bei der Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Beschädigen bei der Sachbeschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis: Die Unmöglichkeit einer Zweiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 89 92 93 98 101 103 103

Teil 3

Grundlegung des Begriffsverständnisses 

105

§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Was das Strafrecht schützt – Rechte und Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Die Problematik des systemimmanenten Rechtsgutsbegriffs . . . . . . . 108 a) Rechtsgutsverständnis und Wirkgrund der Einwilligung . . . . . . . . 116 aa) Das personale Rechtsgutsverständnis Roxins . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Die Modellbeschreibung Rönnaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Das Kollisionsmodell: Die Trennung von Wille und Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Das Integrationsmodell: Die Aufnahme des Willens ins Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (a) Die Ausweitung des Strafrechtsschutzes  . . . . . . . . . . 122 (b) Die Entstehung von Strafbarkeitslücken  . . . . . . . . . . 124 (3) Das Basismodell: Das Rechtsgut als Basis personaler Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (4) Zwischenfazit: Das Fehlen eines zustimmenden Willens als hinreichender Grund der Unrechtsbegründung . . . . . . 133 cc) Die Kritik am personalen Rechtsgutsverständnis . . . . . . . . . . 134 (1) Kritikpunkt: Personenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Inhaltsverzeichnis9 (2) Kritikpunkt: Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (3) Überschneidungen der Modelle: Die Unterscheidung zwischen Mensch und Person als Schutzobjekt des Strafrechts bei Amelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 dd) Zwischenfazit: Überschätzung der Leistungsfähigkeit des Rechtsgutsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Rechtsgutsverständnis und sog. Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Die Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Der Verzicht auf den Rechtsgutsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Der Schutz der Rechte anderer gem. Art. 2 I GG als Aufgabe des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Wovor das Strafrecht schützt – Unrecht und Rechtsverletzung . . . . . . . . 155 1. Das scheinbare Schutzparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Die bisherige dualistische Unrechtskonstruktion der Literatur . . . . . . 158 a) Der Streit um die Anerkennung des Unrechtsdualismus . . . . . . . . 158 b) Die inhaltliche Ausgestaltung von Handlungs- und Erfolgsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Keine Dichotomie zwischen subjektiver und objektiver Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Keine Gleichsetzung von Erfolgsunrecht und Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (1) Problem: Identität zwischen Erfolgs- und „Gesamt“Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (2) Problem: Gleichsetzung von Erfolg und Erfolgsunrecht . 166 3. Die doppelt-dualistische Unrechtskonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Die Unterscheidung zwischen tat- und täterbezogener Unrechtskomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Rechtsverletzung als Unrecht, Bewirken eines Eingriffs als Handlungsunrecht und Zustand des Eingriffs als Erfolgsunrecht . 172 c) Ein strafrechtliches Sphärenmodell zur Unrechtsbeschreibung . . . 181 III. Einordnung der Schutzaufgabe in den Deliktsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Wertungs- und Unrechtsrelevanz des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Verhältnis von Unrecht zu Tatbestand und Rechtswidrigkeit . . . . . . . 190 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Teil 4

Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik 

§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verständnis der Zustimmung als Normalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis der Zustimmung zum dualistischen Unrechtsbegriff  . . . 1. Die Bestimmung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 198 199 200 201

10 Inhaltsverzeichnis 2. Die Bestimmung der Rechtsverletzung als Wertungsfrage . . . . . . . . . 3. Das Fehlen des Erfolgsunrechts infolge der Zustimmung . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit: Die Zustimmung hindert die Entstehung von Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich mit ähnlichen Ansätzen aus der Strafrechtslehre . . . . . . . . . . . IV. Einwände gegen einen zweistufigen Aufbau von Eingriff und Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abstraktheit einer normativen Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsverletzung und Rechtfertigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis: Die Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal . . . . . . . .

202 203 206 207 209 209 211 212

§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Zustimmungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Übertragung der Zustimmungsbefugnis auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Zustimmungsbefugnis mehrerer Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Tatbestand der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Kundgabe der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Erfordernis der Willenskundgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Genügenlassen eines inneren Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) Erfordernis einer Entscheidung des Rechtsinhabers . . . . . . . . 226 b) Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Folgerungen für die Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Zeitpunkt der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Gegenstand der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Die Relevanz für sog. Risikoeinwilligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Die Unrechtsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Die Verwechslungen der Lehre von der Erfolgsbezogenheit . . . . . 243 aa) Die Gleichsetzung von Erfolg und Rechtsgutsverletzung . . . 243 bb) Die Vermengung objektiver und subjektiver Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 d) Der Eingriff in die Rechtssphäre als Zustimmungsgegenstand . . . 247 4. Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5. Widerruf der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) Anforderungen an den Widerruf: Kongruenzprinzip . . . . . . . . . . . 257 b) Bindungswirkung bzw. Unwiderruflichkeit der Zustimmung . . . . 258 III. Wirksamkeit der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Objektive Unwirksamkeitsgründe – Gesetzesschranken . . . . . . . . . . . 266 2. Subjektive Unwirksamkeitsgründe – sog. Willensmängel . . . . . . . . . . 268 a) Kritische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Die Verfehltheit der „Willensmängel“-Terminologie . . . . . . . 269 bb) Die Verfehltheit des Rückgriffs auf die Zivilrechtsdogmatik . 272 cc) Die Verfehltheit des Autonomie-Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . 273

Inhaltsverzeichnis11 b) Trennungsmodell bzw. Lehre der Verantwortungsbereiche: Trennung des Unwirksamkeitsurteils von der Zurechnungsfrage . 279 aa) Der Kerngehalt nach Amelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Die Vorzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 cc) Die Systemkonsistenz in einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Konstitutionelles Defizit – Zustimmungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . 286 aa) Problem: Einheitliche oder differenzierende Bestimmung . . . 287 bb) Inhaltliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 d) Kognitives Defizit – Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Der Normalfall der Zustimmung: Kenntnis der eingriffsbezogenen Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Keine Übertragung der Anforderungen des Eventualvorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (2) Bezugspunkt des kognitiven Elements . . . . . . . . . . . . . . . 295 bb) Die Abweichung vom Normalzustand: Irrtum über eingriffsbezogene Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (1) Irrtümer bei der Entscheidungskundgabe . . . . . . . . . . . . . 297 (2) Irrtümer bei der Entscheidungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . 298 (3) Sonderformen von Irrtümern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 e) Voluntatives Defizit – Zwangswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 § 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Die Ermittlung allgemeiner Wertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Verteilung von Verantwortung als Frage angemessener Risikoverteilung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Angemessenheit einer Verantwortungsverteilung anhand von Vertrauensschutz und Eigenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 a) Kerngehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 b) Deliktssystematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 c) Zwischenfazit: Aspekte ohne Leitgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Erweiterter Kriterienkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Schutzzweckzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 c) Plausibilität und Rationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 d) Vermeidemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 4. Entscheidungsherrschaft als zentraler Leitgedanke . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Konstitutionelles Defizit – Zustimmungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 323 III. Kognitives Defizit – Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Die bisherigen Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Lehre der uneingeschränkten Unwirksamkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b) Lehre der autonomen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 2. Die Lösung nach eigener Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

12 Inhaltsverzeichnis a) Differenzierung nach Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 aa) Verantwortungsverteilung kraft Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . 331 bb) Verantwortungsverteilung kraft Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . 334 cc) Berücksichtigung des Interesses an der Person des Eingreifenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Verantwortung des Eingreifenden aufgrund überlegenen Wissens . 339 aa) Bisherige Lösungsansätze: Rechtsmissbrauch und Rechtsgutsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 bb) Entscheidungsherrschaft kraft überlegenen Wissens . . . . . . . . 344 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 c) Verantwortung für die Nichteinhaltung von Bedingungen . . . . . . . 346 aa) Einschränkungen aufgrund des Schutzzwecks der Norm . . . . 348 bb) Sonderproblem: rechtswidrige und diskriminierende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 IV. Voluntatives Defizit – Zwangswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 1. Lösung mittels Zuständigkeit, Herrschaft und Interesse des Rechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Behandlung von Dreieckskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 § 9 Tätervorsatz und Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Unkenntnis von einer Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Irrige Annahme einer Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Zusammenfassung der Thesen 

367

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Einleitung Die Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal. Der Titel der Arbeit mag sachlich erscheinen, trägt jedoch eine Provokation in sich, jedenfalls in Anbetracht der herrschenden Strafrechtsdogmatik. Provozierend ist dabei weder die Einordnung auf tatbestandlicher Ebene noch die Einordnung als negatives Merkmal. Nein: Provokation ist die Zustimmung selbst! Denn für die herrschende Lehre existiert im Strafrecht die Zustimmung nicht. Stattdessen unterscheidet sie zwischen Einwilligung und Einverständnis. Zustimmung ist hierbei ein Oberbegriff, jedoch keine eigenständige Institution.1 Und nicht nur, dass die Lehre begrifflich zwischen zwei verschiedenen Arten der Zustimmung unterscheidet, sie verknüpft mit beiden Arten auch verschiedene Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Das Einverständnis im Tatbestand und die Einwilligung in der Rechtswidrigkeit entfalten ihre Wirkung auf jeweils verschiedenen Ebenen des Deliktsaufbaus und sind verschiedenen Anforderungen unterworfen: niedrigen für das Einverständnis, hohen für die Einwilligung. Es stellen sich Fragen: Warum? Warum erfolgt im Strafrecht eine Zweiteilung der Zustimmung? Welche Zwecke und Interessen stehen dahinter? Und wird sie in der Praxis konsequent berücksichtigt? Diese grundlegenden Fragen stellte die Lehre bislang nicht und so fragt es sich, warum sie nun diese Arbeit erhebt. Deren ursprüngliches Untersuchungsthema war im Sexualstrafrecht angelegt und beschäftigte sich mit ei1  Der Begriff der Zustimmung ist ein strafrechtseigener und darf nicht mit dem zivilrechtlichen verwechselt werden. Im Zivilrecht wird aufgrund der §§ 183, 184 BGB zwischen vorheriger Zustimmung (Einwilligung) und nachträglicher Zustimmung (Genehmigung) unterschieden. Im Zivilrecht selbst ist aber auch der Begriff des Einverständnisses bekannt, etwa beim Scheingeschäft nach § 117 BGB, beim einseitigen Rechtsgeschäft nach § 180 BGB oder der Beweisaufnahme nach § 284 ZPO. Eine nachträgliche Zustimmung hat im Strafrecht aufgrund des Koinzidenzprinzips keine Bedeutung. Dennoch kann und wird Zustimmung als Oberbegriff im strafrechtlichen Diskurs verwendet, vgl. etwa: Hörnle, ZStW 2015, 851 ff.; Lenckner /  Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 29; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 156; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 140. Auch der Strafgesetzgeber bediente sich dieses Begriffs bei der tatbestandlichen Formulierung eines sexuellen Übergriffs in § 177 II Nr. 2 StGB; in der StPO wird der Begriff der Zustimmung sogar häufiger als der der Einwilligung verwendet. Vor Verwechslungen ist auch bei der Arbeit mit fremdsprachigen Texten zu warnen: So ist das englische „consent“ mit Zustimmung, Einverständnis oder Einwilligung zu übersetzen und nicht mit „Konsens“, denn das wäre das englische „consensus“. Gleiches gilt für spanische Texte mit „consentimiento“ (Zustimmung) und „consenso“ (Konsens).

14 Einleitung

ner Reform des Vergewaltigungstatbestands. Die damalige Diskussion drehte sich einerseits um die kriminalpolitische Frage, ob es eines Grundtatbestands bedarf, wie er heute mit dem sexuellen Übergriff in § 177 I StGB Gesetzesfassung ist, und andererseits der dogmatischen Frage, wie eine solche gesetzliche Regelung, die nur auf den Willen des Opfers und nicht auf zusätzliche Nötigungsmittel abstellt, zu formulieren wäre. Der Ansatz bestand darin, jener zweiten Fragestellung nachzugehen. Dabei zeigte sich rasch, dass die Abgrenzung zwischen Einwilligung und Einverständnis problematisch ist.2 Die Arbeit begab sich auf die Suche nach den theoretischen Grundlagen für jene Zweiteilung, um die daraus gewonnenen Erkenntnisse für den Vorschlag einer Neuformulierung von § 177 StGB zu verwenden. Nur: Überzeugende Antworten fehlten. Es blieb einzig die Erkenntnis, dass die Frage, warum das Strafrecht über keine einheitliche Zustimmungsdogmatik verfügt, eine Frage genereller Bedeutung ist, die es wert ist, in einer sich darauf konzentrierenden Dissertation behandelt zu werden, einer Disseration, wie sie hier nun vorliegt. Diese Arbeit bewegt sich dabei auf einem wissenschaftlichen Konfronta­ tionskurs zur etablierten Unterscheidung zwischen Einwillung und Einverständnis. Daher seien die – für die vorliegende Untersuchung passenden – Worte Michael Pawliks angeführt:3 „Daß etablierte Rechtstraditionen Respekt verdienen, kann nicht ernsthaft bestritten werden; deshalb trifft denjenigen die Beweislast, der für ihre Aufgabe plädiert. Dieser Respekt darf aber nicht so weit gehen, ihnen die Konfrontation mit Fundamentalkritik von vornherein zu ersparen […].“

Diese Arbeit bricht mit der etablierten Rechtstradition der Zweiteilung der Zustimmung: Ziel ist ihre Dekonstruktion. Es geht nicht darum, für sie eine Begründung zu liefern, sondern darum, ihre Begründungslosigkeit aufzuzeigen. Mag es auch historische und intentionelle Gründe geben, eines zeigt sich: Die Zweiteilung beruht auf keinem dogmatisch stichhaltigen Konzept. Um das offenzulegen, nimmt die Arbeit im ersten Teil eine Bestandsaufnahme der sog. Zweiteilungslehre vor.4 Es wird Gelegenheit gewährt, das 2  Die Verknüpfung beider Problemkomplexe erkannte damals auch Hörnle, Menschenrechtliche Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention, S. 10 f. 3  Pawlik, Unrecht, S. 155. 4  Hirsch, in LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 98 prägte ab jener Auflage den Begriff der „Differenzierungslösung“. Diese Arbeit bevorzugt hingegen die Bezeichnung „Zweiteilungslehre“, wie er auch u. a. von Rinck, Deliktsaufbau, S. 28 m. Fn. 11 verwendet wird. Die Umschreibung als Differenzierungslösung ist sprachlich nicht überzeugend: Zum einen bietet diese Lehre keine Lösung an, sondern bereitet überhaupt erst Probleme. Zum anderen teilt diese Lehre die Institution der Zustimmung in genau zwei sich gegenüberstehende Arten. Diesen Vorgang lediglich als „Differenzierung“ zu bezeichnen, wäre so euphemistisch wie die Teilung Deutschlands als Differenzie-

Einleitung15

theoretische Fundament, auf dem sie errichtet wurde, zu betrachten. Das ist im Sinne der Wissenschaft erforderlich und entspricht der Fairness: Worte, die es zu widerlegen gilt, sind zunächst zu hören. Das Erkenntnisinteresse ergibt sich aber auch aus dem historischen Umstand, dass die Lehre die theo­ retischen Grundlagen der Zweiteilungslehre nicht in Zweifel zog. Und das hängt vor allem damit zusammen, dass sie ihrem Begründer Friedrich ­Geerds zwar eine hohe Aufmerksamkeit schenkte, indem sie ihn eben als den Urheber dieser Theorie auswies und zitierte, nicht aber seine Aussagen und Argumente zur Diskussion stellte. Da es an einer solchen Auseinandersetzung bislang fehlt, beschäftigt sich diese Untersuchung in ihrem ersten Kapitel mit der die Zweiteilungslehre begründenden Arbeit „Einwilligung und Einverständnis“ von Friedrich Geerds. Eine solche Rezeption ist nicht nur aufgrund ihres bisherigen Fehlens in der Lehre sinnvoll, sondern auch praktisch hilfreich, da Geerds’ Arbeit in der deutschen Bibliothekslandschaft nur vereinzelt vorhanden und sie im Original umfassend zu studieren entsprechend schwierig ist. Dieses Kapitel erfüllt damit auch den Zweck, einen Einblick in die Grundlegung der Zweiteilungslehre zu geben, auch wenn vielen Interessierten ein eigener Blick in das Originalwerk verwehrt ist. Im anschließenden zweiten Kapitel zeigt die Arbeit auf, welche Wirkmacht G ­ eerds’ Thesen in der Lehre zukommt, und geht der Frage nach, ob und wie sie weiterentwickelt wurden. Nachdem es im ersten Teil um die Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre geht, liegt das Ziel des zweiten Teils in deren Dekonstruktion. Dafür stellt die Arbeit zunächst im dritten Kapitel die bisher in der Lehre geäußerte Kritik dar. Diese konzentrierte sich vor allem auf eine ausführliche und vehement geführte Diskussion über das richtige Verständnis vom Rechtsgut und den daraus zu ziehenden Konsequenzen für die Einwilligung – wohlgemerkt nicht für das Einverständnis. Die Arbeit sieht darin eine falsche Schwerpunktsetzung; sie begründet daher im vierten Kapitel, dass die Zweiteilungslehre nicht erst aufgrund eines bestimmten Rechtsgutsverständnisses wenig Überzeugungskraft besitzt, sondern bereits an ihrer praktischen Durchführbarkeit scheitert: Eine Zweiteilung der Zustimmung vorzunehmen ist mangels Unterscheidungskriterien unmöglich. Die Arbeit belässt es aber nicht bei der Dekonstruktion der Zweiteilungslehre. Es wäre ein unbefriedigendes Ergebnis mit einer mehr als einem halrung Deutschlands zu deklarieren. Schließlich führt der Terminus Zweiteilungslehre unumwunden zur Umschreibung für deren Gegenposition: Einheitslösung. Ein Begriff, wie ihn auch Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 97 verwendet. Und wie zu sehen sein wird, lassen sich innerhalb dieser Theorie sehr differenzierende Lösungen ausfindig machen, sodass der Wortbestandteil „Differenzierung“ besser für diesen Bereich aufgehoben werden sollte.

16 Einleitung

ben Jahrhundert bestehenden Dogmatik zu brechen und keine Alternative hierzu anzubieten. Daher entwickelt die Arbeit eine neue einheitliche Zustimmungsdogmatik. Für deren Verständnis klärt sie im dritten Teil grundlegende Fragen zur Schutzaufgabe des Strafrechts und zum Unrechtsbegriff. Darauf aufbauend begründet sie im anschließenden vierten Teil die deliktssystematische Einordnung der Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal und deren Voraussetzungen: Befugnis, Tatbestand und keine Unwirksamkeit. Neben den Fragen, was eigentlich Gegenstand der Zustimmung ist und ob deren Erklärung nach außen erforderlich ist, liegt der Schwerpunkt der Ausführungen bei den Unwirksamkeitsgründen, insbesondere bei den sog. Willensmängeln. Nach Einschätzung der Arbeit war deren nicht befriedigende Behandlung in der Strafrechtslehre ein wichtiger Impuls für die Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis, da „Willensmängel“ bei letzterem nicht relevant sein sollten, wodurch die Lehre ein Teil der Problematik einfach aussondern konnte. Umgekehrt muss daher, wer eine neue einheitliche Zustimmungsdogmatik entwickeln will, einen Ansatz zur Lösung der „Willensmängel“-Problematik anbieten, will er die Überzeugungskraft der eigenen Dogmatik sichern. Aus diesem Grund setzt die Arbeit hier einen Schwerpunkt und spricht sich – um kurz den Kerngehalt des Ansatzes wiederzugeben – dafür aus, zwischen einer weit verstanden Unwirksamkeit der Zustimmung und einer normativ-abwägenden Zurechnung, welche die Verantwortungsbereiche der bei einer Zustimmung beteiligten Personen gegeneinander abgrenzt, zu unterscheiden. Im letzten Kapitel geht die Untersuchung schließlich auf den Zusammenhang zwischen Tätervorsatz und Zustimmung ein, weil hier aufgrund des Wesens der Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal – mit tatsächlichen und teils normativen Voraussetzungen – Besonderheiten zu beachten sind. Das ist der Gang der Untersuchung, wie er sich nachfolgend entfaltet, und der schließlich mit einem Vorschlag für eine Implementierung der Zustimmung und ihrer Voraussetzungen im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches seinen Abschluss findet.

Teil 1

Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre Im ersten Teil nimmt die Arbeit zunächst eine Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre vor. Die wichtigsten Fragen sind zum einen, warum zwischen Einwilligung und Einverständnis zu unterscheiden ist, und zum anderen, wie eine solche Unterscheidung durchzuführen ist. Wer Unterschiede zwischen Einverständnis und Einwilligung behauptet, der muss sagen, worauf die behaupteten Unterschiede beruhen, und der muss auch sagen, anhand welcher Kriterien sich die Unterscheidung durchführen lässt. Die Arbeit begibt sich auf die Suche nach den theoretischen Grundlagen. Der Ausgang der Suche kann nur am Ursprung der Zweiteilung gewählt werden: Wer wäre besser geeignet, Motivation und Kriterien zu benennen, warum und wonach Einwilligung und Einverständnis zu unterscheiden sind, als der Begründer einer solchen Zweiteilung selbst. Die Arbeit beschäftigt sich daher mit den Thesen von Friedrich Geerds und geht den Fragen nach, welches Wesen und welche Voraussetzungen Einwilligung und Einverständnis haben und wie sie voneinander zu unterscheiden sind. Im Anschluss wendet die Arbeit den Blick darauf, wie die Strafrechtswissenschaft Geerds’ Thesen aufnahm, inwieweit sie bis heute anerkannt sind und ob sie weiter entwickelt oder präzisiert wurden.

§ 1 Die Grundlegung durch Geerds Geerds, Einwilligung und Einverständnis, 1953.1 Eine der wirkmächtigsten, meist zitiertesten Arbeiten im Bereich der Zustimmung, aber wahrscheinlich auch zugleich eine der am wenigsten gelesenen. Als Geerds seine Monografie veröffentlichte, war die Idee, zwischen verschiedenen Zustimmungsformen zu unterscheiden, nicht neu gewesen.2 So wies etwa Hellmuth 1  Geerds hat zugleich seine wesentlichen Thesen in einem Aufsatz in GA 1954, 262–269 veröffentlicht, der bis heute zusätzlich als Fundstelle zur Belegung der Zweiteilung angeführt wird; häufiger wird dieser Aufsatz in der neueren Literatur ausschließlich zitiert, was ein Hinweis dafür sein könnte, dass Geerds’ eigentliche Arbeit als Quelle mehr und mehr aus dem Blick der Wissenschaft gerät. 2  So weist auch Rönnau darauf hin, dass „der Sache nach […] diese Differenzierung allerdings schon vorher bekannt“ gewesen ist, Willensmängel, S. 12 m. Fn. 2.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Mayer3 in seinem 1953 erschienenen Lehrbuch auf deren „sehr heterogene[n] Erscheinungen“ hin: Der Wille des Betroffenen könne in „sehr verschiedenartiger Weise von rechtlicher Bedeutung werden“.4 Auch fand sich in der strafrechtlichen Literatur, die sich um die letzte Jahrhundertwende des vergangenen Jahrtausends vor allem mit den Fragen zu Grund und Grenzen der Wirksamkeit der Einwilligung beschäftigte, bereits die Idee, die Einwilligung nur anzuerkennen, wenn das Gesetz in einer bestimmten Weise auf den Willen des Verletzten abstellt.5 Das sind jene Delikte, die Geerds später in seiner Arbeit dem Einverständnis zuordnet. Die Trennung verschiedener Zustimmungsarten schwebte vor Geerds gewissermaßen in der Luft und er griff sie auf, gab ihnen Namen und baute seine Dogmatik darauf auf. Eine Trennung verschiedener Zustimmungsarten klang jedoch allenfalls vage an, wurde aber nicht so vehement und in der begrifflichen Schärfe, wie von Geerds formuliert. Wer nach Kriterien für die Zweiteilung sucht, dessen Suche muss an diesem Ursprung beginnen.6 In seinem Einführungskapitel verspricht Geerds die „Fälle zustimmenden Willens, insbesondere auf ihre strafrechtliche Bedeutung“ zu untersuchen. Bereits im nachfolgenden zweiten Satz stellt er fest, dass es „grundsätzlich zwei Möglichkeiten strafrechtlicher Beurteilung“ gibt. Zum einen handele es sich dabei um die als Rechtsinstitut im Grunde anerkannte Einwilligung des Verletzten, zum anderen stehe dem das Einverständnis gegenüber, das nie ausführlich behandelt worden sei, bezüglich dessen sich aber „gewisse, von denen der Einwilligung abweichende Grundsätze in der Rechtsprechung und Lehre“ finden ließen.7 Geerds will diese Ausnahmen auf einen einheitlichen Grund zurückführen. Einigkeit bestehe darin, dass „in gewissen Fällen, in denen der Verletzte dem Vorgehen des Täters zustimmt, die Strafbarkeit desselben ausgeschlossen ist“. Es werde behauptet, der zustimmende Wille schließe einmal die Rechtswidrigkeit der tatbestandsmäßigen Handlung aus, in anderen Fällen dagegen bereits die Tatbestandsmäßigkeit. Letzteres erscheine nicht unbegründet in Fällen, in denen das Gesetz einen entgegensteEbenso Schlehofer, Einwilligung, S. 1 m. Fn. 2. Fragwürdig jedoch Paul, Einwilligung, S. 81 m. Fn. 372, der ohne Beleg knapp feststellt, dass die Zweiteilungslehre als solche schon im älteren Schrifttum aufzufinden gewesen wäre. 3  Hellmuth Mayer, AT, S. 166. 4  Ebenfalls zu beachten ist, dass Hellmuth Mayer Doktorvater Geerds’ war, was die Eigenständigkeit seiner Feststellung relativieren dürfte. 5  Vgl. dazu Honig, Einwilligung, S.  7 f. m. w. N. 6  Eine genauere Analyse der Fragestellung, inwieweit Geerds für seine Zweiteilung auf bereits vorhandene Ideen der Strafrechtslehre zurückgriff, wäre unter rechtshistorischen Aspekten interessant, kann aber von dieser Arbeit mit ihrem dogmatischtheoretischen Schwerpunkt nicht weiter verfolgt werden. 7  Geerds, Einwilligung, S. 1 f.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds19

henden Willen verlange.8 Geerds beschreibt die Aufgabe seiner Arbeit darin „festzustellen, ob und wann sich ein zustimmender Wille des Verletzten tatsächlich verschieden auf Tatbestand oder Rechtswidrigkeit auswirken kann“.9 Nach diesem kurzen Einführungskapitel kommt Geerds im sich anschließenden ersten Teil „Einwilligung und Einverständnis als Rechtsinstitut“ zur Feststellung, dass er die „grundsätzliche Verschiedenheit beider Möglichkeiten der Wirkung zustimmenden Willens des Verletzten bereits aufgezeigt“ hätte, die zu berücksichtigen ihm zwingend erscheint.10 Daher will er für die Untersuchung der „Einwilligung als Unrechtsausschließungsgrund“ solche Strafgesetze unberücksichtigt lassen, „deren Tatbestand ein Handeln wider Willen des Verletzten, d. h. ein konkret entgegenstehenden Willen, das Merkmal invito laeso, verlangen“.11 Auf dieser Prämisse stellt Geerds die Einwilligung als Unrechtsausschließungsgrund dem Einverständnis als Tatbestandsausschluss gegenüber.12 An späterer Stelle stellt er fest, dass beide Zustimmungsmöglichkeiten „zwei ganz verschiedenartige Erscheinungen des Strafrechts sind“.13 Wer deren „Strukturunterschied“ verkenne und die beiden Fälle gleichsetze, dessen Ergebnisse müssten „notwendig fehlerhaft werden, weil man zwei verschiedene Dinge nicht einheitlich behandeln kann“.14 Der Fehler, diesen Unterschied zu übersehen, sei verhängnisvoll, er habe „die wissenschaftliche Diskussion und damit auch das praktische Verständnis […] schwer beeinträchtigt“.15 Denn Einwilligung und Einverständnis „unterschieden sich nicht nur äußerlich in ihrer Wirkung, sondern auch ganz grundsätzlich in ihrem Wesen un[d] den einzelnen Voraussetzungen“.16 Daher geht Geerds von der „Notwendigkeit klarer Unterscheidung“ aus und äußert nicht nur den „Wunsch nach gesonderter terminologischer Behandlung“,17 sondern fordert die „scharfe Trennung“18 dieser „beiden selbstständigen Rechtsinsti­ tute“19. Der Begründer der Zweiteilungslehre geht damit bereits in seinen ersten einleitenden Ausführungen zu seiner Untersuchung davon aus, dass es zwei 8  Geerds,

Einwilligung, S. 2 f. Einwilligung, S. 3. 10  Geerds, Einwilligung, S. 4. 11  Geerds, Einwilligung, S. 4. 12  Geerds, Einwilligung, S. 5; ders., GA 1954, 262. 13  Geerds, Einwilligung, S. 142. 14  Geerds, Einwilligung, S. 143 f.; ders., GA 1954, 262 f. 15  Geerds, GA 1954, 262 f. 16  Geerds, Einwilligung, S. 145. 17  Geerds, GA 1954, 262, 266. 18  Geerds, Einwilligung, S. 145. 19  Geerds, GA 1954, 262. 9  Geerds,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Formen zustimmenden Willens gäbe. Eine Begründung für die Möglichkeit dieser Unterscheidung und für deren Durchführbarkeit fehlt und erfolgt auch im späteren Verlauf nicht. Dabei erscheint das Erfordernis, einen solchen Nachweis zu erbringen, selbstverständlich. Geerds erkennt schließlich selbst, dass beide Arten des zustimmenden Willens „rein tatsächlich an sich die gleichen Merkmale“ aufweisen: Der Verletzte stimme einem ihn beeinträchtigenden Tun zu. Dieser tatsächlichen Gemeinsamkeit stehe jedoch eine rechtliche Verschiedenartigkeit gegenüber: „rechtlich wirkt sich der zustimmende Wille […] ganz verschieden aus“.20 Dass aber Geerds diese Verschiedenheit von Einwilligung und Einverständnis aufgezeigt hätte, wie von von ihm behauptet,21 ist nicht erkennbar: In seiner Einführung führt er lediglich den Fall auf, in dem das Gesetz einen entgegenstehenden Willen verlangt,22 und weist auf Stimmen der Literatur hin, die einen Unterschied der beiden Fälle eines zustimmenden Willens anerkannt hätten.23 Zugleich erwähnt er aber auch Stimmen, die sich für deren Gleichbehandlung aussprächen.24 Geerds hat damit gerade nicht, wie von ihm behauptet, die Verschiedenartigkeit aufgezeigt. Seine eigenen Quellen scheinen sogar zu keiner einheitlich anerkannten Betrachtung zu gelangen. Vor allem aber hat Geerds nicht begründet, dass es überhaupt zwei veschiedene und voneinander unterscheidbare Arten zustimmenden Willens gibt. Er legt diese Vorstellung als Prämisse seiner Arbeit zugrunde. Eine Prämisse, die er behandelt, als wäre sie allgemein anerkannt. Belege dafür lassen sich jedoch nicht finden. Die These der Möglichkeit einer Unterscheidung wurde vor Geerds in dessen begrifflicher und rechtlich scharfer Trennung nicht vertreten. Das ist schließlich der Grund dafür, dass er als deren Urheber gilt und als solcher bis heute zitiert wird. Wenn jedoch Geerds selbst die Zweiteilung nicht begründet hat und sich nachfolgende Autoren nur auf ihn berufen, ohne eine eigene Begründung aufzuführen, dann wurde für die Zweiteilung der Zustimmung niemals ein dogmatisches Fundament errichtet. Das ist damit die erste wichtige Erkenntnis, die aus der Arbeit Geerds’ zu ziehen ist: Dass zwischen Einwilligung und Einverständnis überhaupt zu unterscheiden ist, ist eine Prämisse seiner Untersuchung, die nicht begründet, sondern nur zugrunde gelegt und inhaltlich weiter angereichert wird. Geerds äußert sich im weiteren Verlauf seiner Arbeit ausführlich zum Wesen, zur Abgrenzung und zu den Voraussetzungen der beiden Zustimmungsarten. 20  Geerds, GA 1954, 262, 263. Die Zustimmung umschreibt Geerds synonym auch mit Erlauben, Gestatten, Billigen und Nichts-dagegen-Haben. 21  Geerds, Einwilligung, S. 4. 22  Geerds, Einwilligung, S. 3. 23  Geerds, Einwilligung, S. 2 m. Fn. 1. 24  Geerds, Einwilligung, S. 2 m. Fn. 2.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds21

Wenn diese Äußerungen nachfolgend ausführlich dargestellt werden, so darf dennoch nicht vergessen werden, dass sie allesamt auf der nicht begründeten Prämisse beruhen, dass es überhaupt zwei Zustimmungsarten geben soll.

I. Das Wesen von Einwilligung und Einverständnis 1. Die Einwilligung als Unrechtsausschluss Zunächst widmet sich Geerds dem Wesen der Einwilligung. Es verbiete sich dieses historisch zu ermitteln, sondern die Frage sei „dogmatisch aus der Natur der Sache“ zu beantworten; daher sei der Begriff der Einwilligung zu klären.25 Diesen gebräuchlichen Begriff übernimmt Geerds ausdrücklich: Der bloße Wortlaut erinnere an den Willen des Verletzten und lege es nahe, diesen als einen rechtserheblichen Willensakt aufzufassen. Dem Wortlaut könne weiterhin entnommen werden, dass der Wille „als etwas außerhalb des objektiven Tatbestands liegendes anzusehen ist, daß demnach nur auf das Unrecht als solches einzuwirken fähig ist“.26 Soweit der Einwilligung ein Willenselement begrifflich enthalten sein soll, kann das noch nachvollzogen werden. Welche Folgerung aber aus dem Begriff der Einwilligung für die Ebene der Strafbarkeit abgeleitet werden soll, schon gar, dass es sich allein begrifflich um etwas Außertatbestandliches handeln soll, ist nicht nachvollziehbar. Selbst wenn dem Begriff die Unrechtsrelevanz immanent wäre, so ist damit noch nichts darüber gesagt, auf welcher Strafbarkeitsebene sich diese Relevanz entfaltet. Dass der Tatbestand dafür nicht in Betracht käme, müsste erst begründet werden und zwar damit, dass der Tatbestand selbst keine Unrechtsrelevanz besitzt. Geerds gibt zu seinen Einschätzungen keine weiteren Begründungen, und das, obwohl er selbst dafür plädiert, dass man für den Begriff der Einwilligung „nicht von dem Wort als solchem oder von der Form der Einwilligung ausgehen“ darf, sondern „der Begriff […] nur vom Wirkungsgrund richtig erkannt werden“ kann.27 Damit stellt Geerds stellt gerade jene formal-begrifflichen Überlegungen an, vor denen er selbst warnt. Der Wirkgrund kann nach seiner Ansicht – da ein Tatbestandsausschluss nicht in Frage kommt – nur darin bestehen, dass die Einwilligung das „regelmäßig durch Tatbestandshandeln indizierte Unrecht verhindert“; wobei Unrecht aber nicht aufgehoben wird, sondern vielmehr „von vornherein undenkbar“ ist.28 Für Geerds muss folgerichtig maßgeblich sein, was unter Unrecht 25  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 27  Geerds, Einwilligung, 28  Geerds, Einwilligung, 26  Geerds,

S. 2. S. 102. S. 6 f. S. 7; ders., GA 1954, 262, 263.

22

Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

zu verstehen ist. Unrecht besage, dass etwas verboten sei und was das sei, werde durch das Urteil der Rechtsgemeinschaft bestimmt. Die Frage, wonach sich wiederum dieses Urteil richte, könne nur „aus dem Wesen der Straftat, dem Verbrechen“ beantwortet werden. Das Urteil knüpfe an ein menschliches Verhalten, das in unerträglichem Widerspruch zur Sittenordnung der Rechtsgemeinschaft stehe. Zwar werde vom Strafrecht auch ein „sehr realer Schutzzweck“ umschlossen, dieser sei jedoch nicht das „eigentliche Wesen“, da das Strafrecht nicht ein „bloßes Schutzrecht ist, sondern vom Sühnegedanken getragen wird“.29 Das Unrechtsurteil knüpfe zunächst an einen Erfolgsunwert, der sich im Wesentlichen mit der im Strafgesetz erfolgten Tatbestandsbeschreibung decke und die Umschreibung des Gesetzgebers eines bestimmten äußeren Geschehens – eines Erfolges – enthalte, welches er dadurch missbilligt habe. Jedoch sei grundsätzlich nicht der angerichtete Schaden, sondern die „Art und Weise der Handlung und damit der personale Gehalt der Tat für das Strafrecht entscheidend“.30 Darunter versteht Geerds den Handlungsunwert, der sich in einer tatbestandlich umschriebenen „überschießende Innentendenz“ zeigen kann. Es sei jedoch „immer auch der Wille des Täters als solcher für das Unrecht der Tat entscheidend“.31 Geerds versteht damit zusammenfassend das Verbrechen als „verwirklichter böser Wille“; das Unrecht umfasse objektive und subjektive Elemente, auch „zugleich den Rechtsgüterschutz, der jedoch nicht als die maßgebende Grundlage des Unwerturteils anzusehen ist“.32 Im Hinblick auf den Aufbau seiner Untersuchung ist es – neben dem unklaren Unrechtsbegriff und dem historisch überholten Strafrechtsverständnis – fragwürdig, warum Geerds anschließend zunächst die Voraussetzungen der Einwilligung darstellt, obwohl er die Frage nach deren Wesen und Wirkgrund bereits eröffnet und unbeantwortet ließ. Im besonderen Maße gilt das, weil der Wirkgrund nach seiner Ansicht maßgeblich für die Auslegung des Rechtsinstituts und dessen Voraussetzungen ist. Erst nach der zwischengeschobenen Darstellung der Einwilligungsvoraussetzungen – die doch seiner Ansicht nach vom Wirkgrund abhängen sollen – widmet sich Geerds wieder dem Wirkgrund der Einwilligung. Das Wesen der Einwilligung – und insoweit gelangt Geerds erst jetzt zu einem Ergebnis – bestehe darin, dass der zustimmende Wille des Verletzten das Unrecht der Tat entfallen lasse, also „der Tat die ihr regelmäßig anhaftende grobe Unsittlichkeit“ nehme.33 Die Einwilligung habe dabei weder etwas mit einem bürgerlichen 29  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 31  Geerds, Einwilligung, 32  Geerds, Einwilligung, 33  Geerds, Einwilligung, 30  Geerds,

S. 7 f. S. 8 f. S. 10. S. 11. S. 39; ders., GA 1954, 262, 263.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds23

Rechtsgeschäft im Sinne einer Verfügung zu tun, noch dürfe sie als Verzicht auf ein Recht, noch als Anstiftung gewürdigt werden.34 Geerds lehnt auch die Erklärung ab, dass mit der Einwilligung das subjektive Interesse des Verletzten wegfalle,35 denn der subjektive Begriff des Interesses sei mit dem Wesen des objektiven Rechts unvereinbar und könne nicht Objekt des Rechtsschutzes sein; nur die Objektivierung des Interesses ergebe das Rechtsgut. Der Ansicht, die das Wesen in der Aufgabe des Rechtsschutzwillens, im Verzicht auf Rechtsschutz sieht,36 scheint Geerds den Vorzug zu geben, kritisiert aber zugleich, dass damit noch nichts über die Erscheinungsform des Willens gesagt ist, d. h. ob es sich um einen tatsächlichen oder rechtserheblichen Willen handelt.37 Jedenfalls die Rechtsgeschäftstheorie lehnt Geerds ab,38 genauso auch den Willen als „bloße Tathandlung, ein Realakt“ aufzufassen, da die Wirkung der Einwilligung „nicht an einen Erfolg anknüpft, den der Verletzte in seiner Person setzt, sondern durch das Verhalten eines Dritten – des Täters – bedingt ist.39 Nach seiner Auffassung handelt es sich bei der Einwilligung um einen „besonderen, gewissermaßen als solchen rechtserheblichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Willensakt“; wobei „nicht der Akt als solcher, sondern der Wille, d. h. der Willenszustand die Grundlage der Einwilligung ist“.40 Scheinbar zurückgreifend auf seine Ausgangsüberlegung, dass das Wesen der Einwilligung „dogmatisch aus der Natur der Sache“ zu beantworten ist, stellt Geerds fest, dass sich die Möglichkeit des Unrechtsausschlusses „aus der Natur der Sache selbst, der Bedeutung des Verhaltens des Rechtsgutsträgers bei mangelndem Interesse der Gemeinschaft“ ergibt. Zusammenfassend sieht er das Wesen der Einwilligung darin, dass „bei mangelndem Interesse des Staates […], das sich aus der Einwilligungsbefugnis bei dem einzelnen Strafgesetz ergibt, die Gemeinschaft kraft Gewohnheitsrechts einen der Beeinträchtigung zustimmenden Willen des Verletzenden für sich als rechtserheblich anerkannt [hat], weil er der Tat das grob Sittenwidrige nimmt“.41 Die Einwilligung „erweist sich als ein rechtsgeschäftsähnlicher Wille, durch den der Verletzte auf das Unrechtsurteil eines Dritten einwirkt“; das Unwerturteil werde dadurch verhindert, dass der Tat „das sittlich Anstößige“ genommen werde; diese Folge beruhe auf dem „Zu34  Geerds,

Einwilligung, S. 43. Keßler, Einwilligung, S. 55 ff. 36  Geerds, Einwilligung, S. 44. 37  Geerds, Einwilligung, S. 45; ders., GA 1954, 262, 263. 38  Geerds, Einwilligung, S. 48; ders., GA 1954, 262, 263. 39  Geerds, Einwilligung, S. 48. 40  Geerds, Einwilligung, S. 48 f. 41  Geerds, Einwilligung, S. 50. 35  So

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

sammenwirken des mangelnden Interesses der Rechtsordnung und […] dem Verzicht des Verletzten auf Rechtsschutz“.42 Geerds spricht damit der Einwilligung einen rechtlichen Charakter zu, er scheint in ihr eine Art von Rechtshandlung zu sehen. Eine andere Auslegung seiner Umschreibung des zustimmenden Willens als „rechtsgeschäftsähnlich“ ist kaum möglich. Und mit diesem Verständnis befindet sich Geerds durchaus im Einklang mit dem damaligen Zeitgeist.43 Die Frage ist jedoch, insbesondere im Hinblick auf die Rezeption von Geerds’ Thesen, inwiefern ein solches Verständnis mit der modernen Strafrechtslehre zu vereinbaren ist. Die moderne Lehre hat die Einwilligung nahezu vollständig von der Rechtsgeschäftslehre emanzipiert. Selbst für einzelne Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie etwa die Einwilligungsfähigkeit bei Vermögensdelikten, stellt die ganz herrschende Ansicht nicht auf Geschäftsfähigkeit ab.44 Dass demgegenüber Geerds’ Arbeit in erheblichem Maße von der Idee eines Rechtsgeschäfts geprägt ist, darf für die Rezeption seiner Thesen nicht unterschätzt werden. Denn gewinnt er seine „scharfe Trennung“ vom Einverständnis gerade daraus, dass die Einwilligung „rechtsgeschäftsähnlicher“ Natur ist. Erst aufgrund dieser Annahme stellt er das Einverständnis „als etwas Tatsächliches“ der Einwilligung gegenüber und begründet damit seine terminologische Unterscheidung; diese sei „unerlässlich, um die aufgezeigten Unterschiede gegenwärtig zu haben und die mit dem Verkennen derselben verbundenen Fehler zu vermeiden“.45 Wenn nun aber Vergleiche mit einem Rechtsgeschäft in der modernen Strafrechtslehre längst überwunden sind, so fällt damit auch die klare Unterscheidung zum Einverständnis weg. Wer an der von Geerds begründeten Zweiteilungslehre in heutiger Zeit festhalten will, der muss sich Gedanken zu dessen historisch überholten Verständnis von der Einwilligung machen. Ebenfalls historisch überholt ist die Vorstellung, dass die Einwilligung der Tat das „grob Sittenwidrige“ nähme. Solche Begriffe haben in einer modernen Dogmatik, die präzise und von Moralvorstellungen gelöste Begriffe verlangt, keinen Platz. Geerds versucht zwar auch mit einer Unrechtsdogmatik sein Verständnis zu untermauern, allerdings bleiben diese Ansätze unterentwickelt. Wenn das Erfolgsunrecht die Tatbestandsumschreibung wäre, dann bleibt unklar, was das Handlungsunrecht umfassen soll, denn die Art und Weise der Handlung wird ebenso vom Tatbestand umschrieben. Sofern freilich das Erfolgsunrecht mit einer Schädigung des Tatobjekts gleichgesetzt 42  Geerds, 43  Vgl.

Einwilligung, S. 142; ders., GA 1954, 262, 263. zu dieser Einschätzung auch Kientzy, Einwilligung, S. 2 f. m. w. N. zur da-

mals h. M. 44  Roxin, AT I, § 13 Rn. 84; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 193 m. w. N. 45  Geerds, Einwilligung, S. 103 f.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds25

wird, bewegt sich Geerds zwar auf Augenhöhe mit der modernen Lehre, die jedoch in diesem Punkt nach Ansicht der Arbeit falsch liegt.46 Die moderne Lehre müsste sich auch zu Geerds’ Einschätzung positionieren, dass das Handlungsunrecht durch die Einwilligung entfalle, positionieren, entscheidet sie doch die Frage zugunsten des Erfolgsunrechts.47 Schließlich hat sich ­Geerds’ Einschätzung, der Rechtsgüterschutz wäre nicht die maßgebende Grundlage des Unwerturteils, als Fehleinschätzung erwiesen, denn ist es vor allem die Auslegung des Rechtsguts, welche zum Einfallstor der Kritik an der Zweiteilungslehre wurde.48 2. Das Einverständnis als Tatbestandsausschluss Im Gegensatz zur Einwilligung ist nach Geerds beim Einverständnis der Wirkgrund des zustimmenden Willens das Gesetz selbst.49 Ein Einverständnis liege in den Fällen vor, bei denen die gesetzlichen Vorschriften einen „konkret entgegenstehenden Willen des Verletzten, das Merkmal ‚invito laeso‘ voraussetzen“. Dieser konkrete Wille dürfe aber nicht mit dem allgemeinen Willen verwechselt werden, dass niemand mit einem ihn beeinträchtigenden Geschehen einverstanden sei. Das Vorgehen des Täters müsse sich vielmehr gegen diesen konkreten Willen richten; dieser sei „typisch für den Tatbestand als solchen und damit entscheidend für die Natur der Straftat“, er sei „als Angriffsobjekt vom Gesetzgeber zum Tatbestandsmerkmal erhoben“.50 Da das Handeln des Täters „wider den tatsächlichen Willen des (angegriffenen) Verletzten“ erfolgen müsse, fehle es „an diesem für die Vollendung des gesetzlichen Tatbestandes erforderlichen Umstandes […], wenn der Verletzte dem Vorgehen des Täters zustimmt“. Und im Gegensatz zur Einwilligung ergebe sich diese Wirkung des zustimmenden Willens aus dem gesetzlichen Tatbestand selbst; der zustimmende Wille schließe logisch das Vorliegen des entgegenstehenden Willens als gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus und damit „rein tatsächlich die volle Verwirklichung des objektiven Tatbestands“, ohne dass es dabei auf die Art der Tätigkeit ankomme.51 Der Tatbestandsausschluss sei eine „reine Tatfrage, die von der Beschaffenheit des betreffenden Straftatbestandes abhängt“.52

46  Siehe

dazu unten S. 166 ff. dazu unten S. 236 f. 48  Siehe dazu unten S. 116 ff. 49  Geerds, Einwilligung, S. 100. 50  Geerds, Einwilligung, S. 98. 51  Geerds, Einwilligung, S. 99, 142; ders., GA 1954, 262, 264. 52  Geerds, Einwilligung, S. 142. 47  Siehe

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Geerds führt zum Begriff der „invito laeso“ an späterer Stelle in seiner Arbeit aus:53 „Wir haben jetzt diesen Begriff des invito laeso zu erfassen und gegen andere abzugrenzen. Da es sich um einen Tatbestandsausschluss handelt, muß dem entgegenstehenden Willen tatbestandliche Natur zu eigen sein […], er müsse vom Gesetzgeber zum konkreten Gegenstand der Tat, zum Tatbestandsmerkmal erhoben sein. Ist aber das Handeln wider den Willen eines anderen wesentliches Tatbestandserfordernis, so muß der Straftat ein gewisses Gewaltelement, das mehr oder weniger stark hervortreten kann, eigentümlich sein […]; der entgegenstehende, widerstrebende Wille dieses anderen muß missachtet und überwunden werden, wenn der Tatbestand verwirklicht sein und der Täter strafwürdig erscheinen soll.“

Diese Ausführungen zeigen einerseits eine zirkuläre Betrachtung des Einverständnisses: Da das Einverständnis ein Tatbestandsausschluss darstelle, müsse der entgegenstehende Wille tatbestandlicher Natur sein. Das begründet nicht, dass das Einverständnis tatbestandsausschließende Wirkung hat; insbesondere dann nicht, wenn sich der entgegenstehende Wille im Tatbestand gar nicht finden lässt. Andererseits offenbart sich hier die eigentlich entscheidende Betrachtungsweise von Geerds, nämlich eine Gleichsetzung, zunächst nur nebenbei erwähnt und erst später – an der hier wörtlich wiedergegebenen Stelle – hervorgehoben: Das maßgebliche Merkmal der „invito laeso“ ergibt sich in erster Linie nicht aus dem Wortlaut des Tatbestands, sondern vielmehr daraus, dass der „Straftat ein gewisses Gewaltelement […] eigentümlich“ sei. Die Gewalt liege darin, dass der Wille der anderen Person überwunden werden müsse. Damit gibt Geerds auch zugleich sein Verständnis zum Merkmal der „Natur der Straftat“ zu erkennen: Mit dem Merkmal der „invito laeso“ setze der Gesetzgeber eine „ganz bestimmte Sachlage“ voraus,54 und diese Sachlage ist jenes Gewaltelement. Und Geerds beweist Voraussicht, indem er zu Recht die Schwierigkeit seines Ansatzes „im Wesentlichen in der Auslegung der einzelnen Straftatbestände und ihrer verschiedenartigen Begehungsformen“ sieht.55 Und so richtig die maßgebliche Frage formuliert ist, nämlich wann Straftatbestände einen entgegenstehenden Willen voraussetzen und wann nicht, so fragwürdig ist Geerds’ Vorgehensweise zu deren Beantwortung: Er will sich damit erst befassen, nachdem er die allgemeinen Merkmale des zustimmenden Willens aufgezeigt hat. Dieses methodische Vorgehen ist deshalb fragwürdig, weil Geerds bislang nichts weiter dargelegt hat, als dass das Strafgesetz in einigen auserwählten Vorschriften einen entgegenstehenden Willen als Tatbestandsmerkmal fordert. Eine Begründung dafür, dass es aus dieser begrenzten 53  Geerds,

Einwilligung, S. 115 f. Einwilligung, S. 116. 55  Geerds, Einwilligung, S. 100. 54  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds27

Auswahl zwingend erscheint, jene Fälle aus der Einwilligungsdogmatik auszuschließen und in einer neuen Rechtsinstitution zusammenzufassen, fehlt in seiner Arbeit. Wenn die Zusammenfassung jener Normen, deren Abgrenzung zu den Einwilligungsfällen sowie die Begründung derer Gemeinsamkeiten fehlt, dann erscheint es unmöglich, gemeinsame Merkmale festzustellen. Auf welcher Grundlage soll denn eine solche Feststellung erfolgen? Anstatt dass Geerds das Naheliegende unternimmt, nämlich die Delikte der Einwilligungsfälle aufzuzeigen, auszulegen und abzugrenzen, legt er die gemeinsamen Merkmale jener Fälle fest, ohne diese Fälle einer näheren Betrachtung unterzogen zu haben. Seine dazwischen geschobenen Ausführungen zum Gegenstand des Einverständnisses sind jedoch durchaus hilfreich, um zu verstehen, aus welcher Motivation heraus er seine Begriffe von Einwilligung und Einverständnis entwickelt. Zum Gegenstand des Einverständnisses stellt er fest, dass sich der zustimmende Wille „auf das gesamte Vorgehen des Täters, d. h. auf Handlung und Erfolg“ beziehen muss. Der Zustimmende müsse sich eines Handelns des Täters immer bewusst sein. In das Bewusstsein müsse „aber auch der Erfolg mehr oder weniger klar erfasst“ eingetreten sein. Der Zustimmende dürfe auch „hinsichtlich der Art des Handelns bestimmte Betätigungsformen herausgreifen oder ausschließen“. Aus dem Begriff des Willens folge somit logisch, dass der Gegenstand des zustimmenden Willens bei Einverständnis und Einwilligung identisch sei. Der Umfang des Tatbestandsausschlusses „richtet sich somit nach der Vorstellung des Verletzten“. Es liege kein Tatbestandsausschluss vor, soweit das erforderliche Bewusstsein fehle.56 Dieses Verständnis des identischen Gegenstands fügt sich nicht in die Konzeption von Geerds ein: Wenn die Einwilligung das Unrecht der Tat ausschließt, indem es deren Sittenwidrigkeit aufhebt, das Einverständnis sich jedoch auf ein bestimmtes Merkmal des Tatbestands bezieht, nämlich das Handeln des Täters gegen den Willen des Opfers, wie kann der Bezugspunkt der gleiche sein? Der zustimmende Wille des Opfers bei der Einwilligung müsste doch konsequenterweise auf das gesamte Unrecht bezogen sein. Dagegen müsste es für den zustimmenden Willen beim Einverständnis genügen, auf das Handeln des Täters Bezug zu nehmen. Ob und inwieweit auch Erfolgseintritte oder sonstige Merkmale umfasst sind, wäre eigentlich unerheblich, da bereits das Einverstandensein mit dem Handeln des Täters das entsprechende Merkmal des Tatbestands und diesen damit insgesamt ausschließen würde.

56  Geerds,

Einwilligung, S. 101.

28

Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Wenn Geerds sogar selbst im zustimmenden Willen ein entscheidendes gemeinsames Merkmal von Einverständnis und Einwilligung erkennt,57 dann stellt sich ferner die Frage, weshalb eine dogmatische und terminologische Unterscheidung erforderlich sein soll. Bezüglich des dogmatischen Erfordernisses verweist er nur auf das Gesetz selbst. Bezüglich der von ihm eingeführten terminologischen Unterscheidung, verwirft er den alternativen Gedanken zwischen einer tatbestandsausschließenden und einer unrechtsausschließenden Einwilligung zu unterscheiden: Die Bezeichnung Einwilligung müsse für den Unrechtsausschließungsgrund als „eingebürgert“ angesehen werden und sei für den Tatbestandsausschluss mangels einer grundlegenden Behandlung nur eine „Verlegenheitslösung“. Vor allem aber werde unter Einwilligung „gerade das rechtsgeschäftsähnliche Tätigwerden des Willens verstanden, ein Wortsinn, der sich […] beim Tatbestandsausschluss verbietet“.58 Es erschließt sich nicht, warum eine vermeintlich mangelnde wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Einverständniskonstellation, es hindert diese Konstellation durch das Hinzufügen eines präzisierenden Adjektivs – nämlich tatbestandsausschließend – an einen gebräuchlichen Begriff – nämlich dem der Einwilligung – zu beschreiben statt einen neuen substantivierten Begriff einzuführen – nämlich den des Einverständnisses. Interessant ist auch Geerds’ Begriffswahl in Bezug auf das Einverständnis. Eine Unterscheidung verschiedener Zustimmungsarten klang wie beschrieben in der strafrechtlichen Literatur bereits vor seiner Arbeit an.59 Aber das gilt nicht nur für jene Unterscheidung, sondern auch für den Begriff des Einverständnisses selbst. So verwendete ihn etwa Honig in seiner Arbeit zur Einwilligung ausgerechnet zur Umschreibung dessen, was eine Einwilligung ist: Sie sei der „Ausdruck des Einverständnisses mit einem bevorstehenden Verhalten eines anderen“.60 Einwilligung und Einverständnis wurden also durchaus synonym verwendet, sodass insoweit – möchte man Geerds beim Wort nehmen – auch das Einverständnis bereits vorbelastet ist, sich „eingebürgert“ hatte.

II. Die Abgrenzung von Einverständnis und Einwilligung Geerds geht auf dieser Grundlage davon aus, den Nachweis für die „begriffliche Möglichkeit des Tatbestandsausschlusses durch zustimmenden 57  Geerds, Einwilligung, S. 103: „[…] könnten wir in dem gemeinsamen Merkmal des zustimmenden Willens einen Oberbegriff finden, der mit „EW“ [Einwilligung, Anm. d. Verf.] zu bezeichnen wäre.“ 58  Geerds, Einwilligung, S. 103. 59  Siehe dazu oben S. 17 f. 60  Honig, Einwilligung, S. 139.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds29

Willen“ erbracht zu haben.61 Die terminologische Unterscheidung an sich ist jedoch nicht das Problem, denn natürlich lassen sich die zwei Begriffe Einverständnis und Einwilligung bilden und gegenüberstellen. In Zweifel steht vielmehr die dogmatisch begründbare Durchführung einer Zweiteilung: Bei welchen Delikten schließt ein Einverständnis den Tatbestand aus und bei welchen Delikten wirkt eine Einwilligung rechtfertigend? Geerds versucht das „Wesen des Einverständnisses und seine praktische Erscheinung im geltenden Recht“ zu untersuchen und beantwortet die Frage, „bei welchen Tatbeständen und in welcher konkreten Weise der Tatbestandsausschluss durchgreift“, dahingehend, dass „das Erfordernis eines entgegenstehenden Willens sich nicht nur ausdrücklich aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch aus der Natur der Straftat ergeben kann“; letzteres sei bei solchen Tatbeständen anzunehmen, die „stillschweigend das Merkmal des konkret entgegenstehenden Willen des Verletzten voraussetzen“.62 Sowohl das zentrale Merkmal der „invito laeso“ als auch das Kriterium der „Natur der Straftat“ findet sich in der älteren Literatur.63 So meinte schon Honig, dass bei einer Reihe von Delikten die Strafbarkeit davon abhängig wäre, dass die Handlung „gegen oder auch ohne den Willen des Verletzten“ begangen werden muss. Es sei gleich, ob der Täter den Willen durch Gewalt, Drohung oder List überwinde. Diese Fälle seien „insofern eigenartig, als bei ihnen die Einwilligung des Verletzten nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern überhaut die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung ausschließt, – daß das Fehlen der Einwilligung des Verletzten Begriffsmerkmal der Handlung ist“. Die Unwertbedeutung beruhe „gerade auf der Nichtachtung des Willens des Verletzten“. Nur soweit die Handlung „gegen oder ohne den Willen des Verletzten begangen wurde“, erscheine sie als strafwürdig.64 Trotz dieser besonderen Fälle der Zustimmung mit Tatbestandsrelevanz stellt Honig klar, dass es „methodisch unrichtig“ ist „diese Fälle der Betrachtung zu ent­ziehen“.65 Auch die Unterscheidung Holers in bedingte und unbedingte Rechtsgüter, verwendet nahezu identische Kriterien wie Geerds später: Das Gesetz hebe entweder ausdrücklich den bedingten Schutz hervor – etwa durch Formulierungen wie ohne Einwilligung, wider bzw. ohne Willen, ohne Genehmigung, ohne Wissen – oder das Gesetz sehe den Willen als solchen als geschütztes Rechtsgut an.66

61  Geerds,

Einwilligung, S. 105. Einwilligung, S. 105 f., 141. 63  Siehe etwa Honig, Einwilligung, S. 1, 7. 64  Honig, Einwilligung, S. 119. 65  Honig, Einwilligung, S. 162. 66  Holer, Einwilligung, S. 101 f. 62  Geerds,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

In dem die Ergebnisse seiner Arbeit zusammenfassenden Aufsatz formuliert Geerds das Prüfungsprogramm für die Abgrenzung des Einverständnisses von der Einwilligung in leicht abgewandelter Form: Der Straftatbestand müsse „ausdrücklich oder seiner Natur nach“ – soweit besteht noch Übereinstimmung – voraussetzen, dass „der Täter gegen oder ohne den tatsächlichen Willen des Verletzten, d. h. gewaltmäßig handelt bzw. den entgegenstehenden Willen eines anderen überwindet“.67 Einerseits lässt er mit dieser Formulierung das bloße Handeln ohne den Willen ausreichen, was nach dem Sprachgebrauch die Überwindung eines entgegenstehenden Willens gerade nicht verlangen würde. Damit ist aber andererseits unklar, in welchem Verhältnis die Alternativen „gegen“ und „ohne“ zueinander stehen. Zudem erscheint die Gleichsetzung von Gewaltmäßigkeit und Willensbezug problematisch. 1. Tatbestände mit ausdrücklich entgegenstehendem Willenselement Zunächst geht Geerds auf die erste Gruppe der Tatbestände mit einem ausdrücklich entgegenstehenden Willenselement ein und zählt eine Reihe davon auf.68 Als erstes nennt er den § 236 I StGB a. F.:69 Danach wurde bestraft, wer eine Frau wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen.70 Und in der Tat schreibt dieser Tatbestand das entgegenstehende Willenselement ausdrücklich vor, jedoch existiert die Norm in dieser Form nicht mehr. Sie wurde durch das 33. Strafrechtsänderungsgesetz vom 1. Juli 1997 aufgehoben und mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat vom 23. Juni 2011 zwar „wiedergeboren“, hat aber trotz ähnlichen Regelungsinhalts eine deutlich anders gestaltete tatbestandliche Fassung erhalten, da es nunmehr auf eine Nötigung ankommt. Damit würde aber die Norm in aktueller Fassung nach der Konzeption von Geerds kein ausdrückliches, sondern allenfalls ein stillschweigendes Willenselement enthalten.

67  Geerds,

GA 1954, 262, 263. Einwilligung, S. 106 ff. 69  Geerds, Einwilligung, S. 106 f.; ders., GA 1954, 262, 265. Geerds widerspricht sich an späterer Stelle seiner Arbeit (S. 125) in seinem Ergebnis und ordnet § 236 StGB a. F. ausdrücklich nicht als Fall eines Einverständnisses ein. 70  In der Fassung bis zum 1. September 1969 lautete der Wortlaut: „Wer eine Frau wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft.“ In der ursprünglichen Fassung vom 1. Januar 1872 bis 1. Oktober 1953 wurde das Tatopfer statt als Frau noch als Frauensperson bezeichnet; bis auf diese kosmetische Änderung blieb die Norm inhaltlich fast 100 Jahre unberührt. 68  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds31

Eine weitere Norm, die ausdrücklich im Tatbestand den entgegenstehenden Willen nennt, entdeckt Geerds in § 370 I Nr. 6 StGB a. F., wonach zu bestrafen ist, wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes bestimmte oder geeignete Gegenstände wider Willen des Eigentümers wegnimmt, um dessen [sic!] Vieh damit zu füttern. Der 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches, in welchem sich die Norm befand, wurde allerdings durch Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 aufgehoben. Das gleiche gilt dementsprechend auch für die von Geerds genannte Anfertigung von Schlüsseln ohne Genehmigung nach § 369 I Nr. 1 StGB a. F. Damit sind die einzigen Normen, welche Geerds als Fälle des Einverständnisses nennt, bei denen sich das entgegenstehende Willenselement ausdrücklich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, gegenwärtig nicht mehr in Kraft. Und eine andere Norm, bei welcher der Gesetzgeber ausdrücklich „gegen den Willen“ in den Tatbestand formuliert hat, nämlich der unbefugte Gebrauch von Kraftfahrzeugen gem. § 248b StGB, existierte zu der Zeit, als Geerds seine Untersuchung verfasste, noch nicht.71 Geerds nennt jedoch noch weitere Normen, insbesondere mit § 237 I StGB a. F. eine weitere aus dem 18. Abschnitt des Strafgesetzbuches: Danach wurde unter Strafe gestellt, wer eine minderjährige, unverehelichte Frau mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern, ihres Vormundes oder ihres Pflegers, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen.72 Hier wirkt der zustimmende Wille der Frau tatbestandsbegründend und nicht -ausschließend, jedoch ist ein Handeln „ohne Einwilligung“ der Eltern erforderlich. Dieses Handeln ohne Einwilligung ordnet Geerds als Fall des Einverständnisses ein. Das ist jedoch in begriffsdogmatischer Hinsicht problematisch. Bei konsequenter Anwendung seiner Terminologie müsste diese gesetzliche Umschreibung als Hinweis auf das Fehlen der Rechtswidrigkeit im Falle der Einwilligung der Eltern interpretiert werden. Denn für den Begriff der Einwilligung soll sich Geerds zufolge das Verständnis eines rechtsgeschäftsähnlichen Tätigwerdens des Willens im Sinne eines Unrechtsausschließungsgrunds eingebürgert haben. Gerade deswegen soll schließlich der Begriff des Einverständnisses erforderlich sein, weil er im Gegensatz zur Einwilligung von etwas 71  Die Norm geht auf das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 zurück und trat erst zum 1. Oktober 1953 in Kraft. 72  In der Fassung bis zum 1. September 1969 lautete der Wortlaut: „Wer eine minderjährige, unverehelichte Frau mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern, ihres Vormundes oder ihres Pflegers, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß bestraft.“ Hier fand ebenfalls nur eine kosmetische Veränderung im Vergleich zur vorherigen Fassung vom 7. September 1896 bis 1. Oktober 1953 statt, in der das Tatopfer statt als Frau noch als Frauensperson bezeichnet wurde.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Tatsächlichem zu beschreiben geeignet wäre.73 Der historische Gesetzgeber vom Strafgesetzbuch ging davon jedoch nicht aus, sonst hätte er „ohne Einverständnis“ schreiben müssen, um die tatbestandliche Bedeutung festzulegen. Indem Geerds die tatbestandliche Umschreibung „ohne Einwilligung“ als Einverständnis auslegt und behauptet, das ergebe sich ausdrüchlich aus dem Gesetzeswortlaut, verfehlt er sein Anliegen einer begrifflich klaren Unterscheidung. Die Einordnung der gesetzlichen Formulierung „Einwilligung“ als Fall des Einverständnisses ist in Geerds’ Konzeption terminologisch inkonsistent. Aus einem anderen Abschnitt entnimmt Geerds den § 297 StGB a. F., wonach sich ein Reisender oder Schiffsmann bzw. Schiffer strafbar macht, wenn er ohne Vorwissen des Schiffers bzw. Reeders Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlagnahme oder Einziehung des Schiffes oder der Ladung veranlassen können.74 Der für die Untersuchung Geerds’ zentrale Aspekt ist das Vorwissen des Schiffers bzw. Reeders. Und in diesem Aspekt unterscheidet sich die aktuelle Fassung der Norm, die weiterhin die Schiffsgefährdung zum Regelungsgegenstand hat, nicht wesentlich von der damaligen: statt von Vorwissen spricht die Norm aktuell von Wissen. Die Normauslegung Geerds’ ist also auch heute noch von Interesse: Es sei „ersichtlich, daß bloße Kenntnis dieser Personen nicht genügt, um den Tatbestand auszuschließen“. Das Merkmal des Vorwissens erfordere es, dass der Schiffer bzw. Reeder das An-Bord-bringen der Gegenstände „billigen, also wirklich zustimmen muß“. Nur der zustimmende Wille könne den Tatbestand ausschließen und dessen Merkmal des Vorwissens genügen.75 Geerds gibt in seiner Untersuchung das Beispiel, dass der Schiffer das An-Bord-Bringen des Gegenstands zwar „verhindern will, aber tatsächlich nicht kann“. Diese Ausführungen Geerds’ sind insgesamt problematisch, denn bringt er Begriffe durcheinander, denen dogmatisch verschiedene Funktionen zukommen. Das betrifft insbesondere das für das Vorwissen erforderliche Billigen, denn dieses weist in der Strafrechtsdogmatik, insbesondere in der Diskussion um die Anforderungen an den Eventualvorsatz, einen voluntativen Bedeutungsgehalt auf. Dem Tatbestandsmerkmal des Vorwissens dagegen kommt – 73  Siehe

dazu oben S. 28. Tatbestand dieser Norm blieb bis zum 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 bis auf redaktionelle Änderungen bezüglich der Rechtsfolge und der Einfügung einer Deliktsüberschrift seit 1872 unverändert: „Ein Reisender oder Schiffsmann, welcher ohne Vorwissen des Schiffers, ingleichen ein Schiffer, welcher ohne Vorwissen des Rheders Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlagnahme oder Einziehung des Schiffes oder der Ladung veranlassen können, wird […] bestraft.“ 75  Geerds, Einwilligung, S. 109. 74  Der



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds33

rein nach seinem Wortlaut – eine ausschließlich kognitive Bedeutung zu. Zwar wird auch für den Eventualvorsatz ein zusätzliches Element – eben jene voluntative Komponente – hineingelesen, jedoch kommt es dort durch dieses zusätzliche Merkmal zugleich zu einer Einschränkung der Strafbarkeit des Täters. Anders jedoch in der vorliegenden Konstellation: Je enger das Merkmal „Vorwissen“ ausgelegt wird, d. h. desto höhere Anforderungen gestellt werden, desto eher liegt es nicht vor und desto großzügiger wird die Grenze der Strafbarkeit zu Lasten des Täters gezogen. Denn wenn Schiffer bzw. Reeder über Vorwissen verfügen, dann handelt der Täter gerade nicht ohne deren Vorwissen. Aber nicht nur, dass Geerds’ Auslegung contra legem erfolgt, es erscheint auch fragwürdig, dass die Begriffe Zustimmung, Billigung und Vorwissen ohne jede Unterscheidung gleichgesetzt werden. Das Beispiel der Schiffsgefährdung zeigt, wie die Zweiteilungslehre allenfalls auf den ersten Blick eine einfache Abgrenzung ermöglicht, jedoch in der konkreten Anwendung erhebliche Probleme bereitet. Für Geerds erscheint das freilich nicht problematisch, er will sogar auf eine genaue Abgrenzung verzichten und sich damit begnügen „die Tatsache des Tatbestandsausschluss als solche zu beweisen“.76 2. Tatbestände mit einem kraft ihrer Natur entgegenstehenden Willenselement Dass die Zweiteilung zwischen Einverständnis und Einwilligung nur auf den ersten Blick eine einfache Handhabung verspricht, bestätigt sich auch darin, dass nach Geerds „beim Ermitteln des invito laeso nicht so sehr der Wortlaut als die Natur der Straftrat selbst zu berücksichtigen ist“.77 Was ist aber die Natur der Straftat? Zunächst einmal ein denkbar dehnbarer und unbestimmter Begriff.78 Geerds selbst nennt keine Kriterien, mit denen er die Natur der Straftat untersuchen will. Er gibt lediglich als Orientierung vor, dass es sich um solche Delikte handele, bei denen das Merkmal des entge76  Geerds,

Einwilligung, S. 109 f. Einwilligung, S. 109 f. 78  Aufschlussreich ist die Kritik Sternberg-Liebens am ähnlichen Begriff und Argumentationstopos der „Natur der Sache“, Einwilligung, S. 75 f.: Es liege der Trugschluss nahe, dass etwas aus dem Wesen abgeleitet werde, was „vorab wertend hineinprojiziert“ worden sei; mit der Natur der Sache werde eine „ideologieanfällige und primär von der eigenen Vorwertung bestimmte Lösung“ getroffen. Die Natur der Sache vermöge angesichts der „relativen Unbestimmtheit“ und der „subjektiven Komponente jeder Erkenntnis“ nicht „entscheidungsanleitend zu wirken, S. 79. Neben der Berechtigung dieser Kritik ist vor allem interessant, dass Sternberg-Lieben sie nur auf die von ihm untersuchten Einwilligungsschranken bezieht, aber nicht auf die von ihm so unkritisch übernommene Zweiteilung von Einwilligung und Einverständnis, die schließlich – von ihm unerkannt – auf der vermeintlichen „Natur der Straftat“ beruht. 77  Geerds,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

genstehenden Willens „zwar nicht unmittelbar vom Gesetzgeber beschrieben ist“, aber „ein nur formaler Unterschied zu den oben genannten Gesetzen sachlich unbegründet wäre“.79 Diese Untersuchung hat aber gezeigt: Entweder sind die von Geerds genannten Gesetze mit einem ausdrücklichen Willenselement nicht mehr existent oder aber das Willenselement hat sich bereits zur damaligen Zeit nicht so eindeutig ergeben, wie von Geerds behauptet. Wie sollen aus selbst nicht eindeutigen bzw. überhaupt nicht mehr existenten Gesetzen sachliche Rückschlüsse für andere Gesetze gewonnen werden? Auf dieser Grundlage benennt Geerds zwei Straftatbestände, bei denen sich das Willenselement aus der Natur der Straftat ergeben soll. Zunächst die Norm, die bis heute primär als typischer Fall eines Einverständnisses aufgeführt wird: der Hausfriedensbruch nach § 123 I StGB. Das entscheidende Merkmal der Norm ist das widerrechtliche Eindringen. Geerds stellt dazu fest:80 „Eindringen heißt aber nichts anderes, als daß beim Hineingelangen in den Raum der Wille des anderen überwunden werden muss. Sonach setzt dieser Tatbestand […] sachlich ein Handeln wider den Willen des Verletzten voraus.“

Der zustimmende Wille des Hausrechtsinhabers schließe das Merkmal des Eindringens und damit den Tatbestand aus; das Verhalten des Täters weise in diesem Falle nicht das erforderliche Gewaltelement auf, welches einen tatsächlich entgegenstehenden Willen verlange.81 Geerds behauptet, dass der entgegenstehende Wille sachlich begründet wäre, belegt das aber nicht, sondern prüft das nur am selbst gewählten Beispiel eines um Einlass bittenden Versicherungsvertreters, der nach Einlass ausfallend wird, aber dann dem Hinausverlangen des Wohnungsinhabers nachkommt. Die Untersuchung eines konkreten Beispiels ist jedoch allenfalls geeignet, ein subjektives Empfinden über ein bestimmtes Ergebnis zu bestätigen, aber nicht die dogmatische Auslegung einer Norm zu begründen. Als weiteren Fall eines Einverständnisses nennt Geerds den Diebstahl nach § 242 StGB; ebenfalls eine Norm, die bis heute als eine der ersten genannt wird. Entscheidend ist auch hier die Tathandlung, nämlich die Wegnahme. Dazu führt Geerds aus:82 „Wegnahme bedeutet Bruch fremden, Begründen neuen Gewahrsams. Ein Bruch fremden Gewahrsams liegt nur vor, wenn dem bisherigen Inhaber der Gewahrsam ohne seinen Willen entzogen wird. Es zeigt sich also, daß Gewahrsamsbruch und Wegnahme sachlich dann ausgeschlossen sind, wenn der Verletzte, d. h. der bishe79  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 81  Geerds, Einwilligung, 82  Geerds, Einwilligung, 80  Geerds,

S. 110. S. 110 f. S. 111; vgl. auch ders., GA 1954, 262, 265. S. 112; vgl. auch ders., GA 1954, 262, 265.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds35 rige Gewahrsamsinhaber, den Gewahrsam mit Willen aufgibt. Wegnahme kann demnach nur gegen den Willen des Verletzten erfolgen.“

Wie schon beim Hausfriedensbruch gibt Geerds auch hier lediglich die Definition der herrschenden Meinung bezüglich der Tathandlung wieder. Die Wiedergabe einer Definition stellt jedoch gerade keine Darlegung der Natur der jeweiligen Straftat und schon gar keine sachliche Begründung für das Erfordernis eines Willenselements dar. Im Gegensatz zum Hausfriedensbruch fügt sich zudem der Diebstahl nicht reibungslos in die Ansicht von Geerds ein, denn gefordert wird nach der Definition lediglich ein Handeln „ohne“ und nicht „gegen“ den Willen, wie es jedoch Geerds für die Einverständniskonstellation fordert. Aber dieses Problem ist nach seiner Ansicht gar keines, beide Fälle lägen gleich, bedeutsam wäre der Unterschied nur für Beweisfragen. Denn „auch ein Handeln ‚wider‘ den Willen des Verletzten ist immer anzunehmen, sofern nicht sachlich festgestellt wird, dass ein zustimmender Wille vorhanden ist“.83 Aber die Gleichsetzung der Begriffe „ohne“ und „gegen“ bzw. „wider“ ist nicht unproblematisch. Zu einem gleichen Ergebnis gelangen die Formulierungen nur, wenn eine Zustimmung vorliegt, da dann der Täter weder gegen noch ohne, sondern nur mit dem Willen des Berechtigten handelt. Wenn es aber an einer Zustimmung fehlt, gelangen die Formulierungen bei korrekter Anwendung des Wortlauts zu unterschiedlichen Ergebnissen: In diesem Fall handelt der Täter zwar erneut ohne den Willen des Berechtigten, aber nicht gegen dessen Willen, da aus dem Fehler eines zustimmenden Willen nicht automatisch auf das Vorliegen eines ablehnenden Willen geschlossen werden kann. Geerds kann diesen Fall nur deshalb gleich behandeln, weil er für „wider den Willen“ eine besondere Auslegung vorgibt: Ein Handeln gegen den Willen wäre solange anzunehmen, wie kein zustimmender Wille festgestellt werden könnte. Geerds meint für den erforderlichen entgegenstehenden Willen bei der Wegnahme, der hier aber nach seiner Ansicht durch die Umschreibung eines Handelns ohne den Willen gekennzeichnet sein soll, eine Stütze durch einen systematischen Vergleich gefunden zu haben; mit einer Norm, die er bereits als Fall eines ausdrücklichen Einverständnisses eingeordnet hat, nämlich § 370 I Nr. 6 StGB a. F., wo der Gesetzgeber ausdrücklich von einer „Wegnahme wider den Willen“ spreche.84 Der Vergleich legt jedoch entgegen Geerds’ Ansicht einen Umkehrschluss näher: Wenn der Gesetzgeber dort dem Begriff der Wegnahme ausdrücklich die Umschreibung zur Seite stellt, dass diese wider den Willen erfolgen muss, dann geht er anscheinend davon 83  Geerds, 84  Geerds,

Einwilligung, S. 112. Einwilligung, S. 113.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

aus, dass sich das Willenselement aus dem Begriff der Wegnahme selbst nicht ergibt, denn ansonsten wäre das Hinzufügen dieser Umschreibung ein überflüssiger Hinweis. Wenn der Gesetzgeber nun für § 242 StGB darauf verzichtet, der Wegnahme das Element „wider den Willen“ zur Seite zu stellen, dann kann sich daraus nur ergeben, dass er das Willenselement hier gerade nicht für erforderlich hält. Eine Auseinandersetzung mit dem Problem, was aus der unterschiedlichen tatbestandlichen Fassung trotz identischer Tathandlung zu schlussfolgern ist, fehlt bei Geerds; genauso wie eine Begründung dafür, inwiefern sich hier eine Stütze für seine Ansicht ergeben soll. Geerds führt keine weiteren Tatbestände mit entgegenstehendem Willenserfordernis kraft ihrer Natur auf, obwohl sich diese Aufführung nach seiner Ansicht „noch erheblich erweitern“ ließe. Er erscheint ihm jedoch ratsamer auf diese „teilweise sehr schwierigen Tatbestandsfragen erst einzugehen, nachdem […] das EV [Einverständnis, Anm. d. Verf.] als solches von der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] abgegrenzt und seine besonderen Merkmale festgestellt“ wurden. Er begnügt sich damit, „gezeigt zu haben, daß der entgegenstehende Wille des Verletzten auch in den Strafgesetzen Tatbestandsmerkmal sein kann, die dieses nicht ausdrücklich hervorheben“.85 Wie diese Arbeit jedoch gezeigt hat, hat Geerds nicht besonders viel aufgezeigt. Das gilt auch für den Grundsatz, dass der „zustimmende Wille des Verletzten in diesen Fällen nicht das Unrecht, sondern die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt“.86 Geerds stellt damit nicht nur dem Einverständnis die Einwilligung gegenüber, sondern auch dem Tatbestand das Unrecht. Mehr noch: Letztere Gegenüberstellung scheint stillschweigend Grundlage für erstere zu sein. Das Problem besteht darin, dass Geerds zwar den Versuch unternommen hat, zu beschreiben, welches Verständnis er dem Unrechtsbegriff zugrunde legt,87 aber nicht darauf eingeht, welche Bedeutung und Funktion er dem Tatbestandsbegriff zumisst. Neben dieser stillschweigenden Gegenüberstellung ist auch die Gleichsetzung von Gewalt und entgegenstehendem Willen kritikwürdig. Geerds nimmt diese Gleichsetzung sowohl beim Hausfriedensbruch88 als auch beim Diebstahl89 vor; schließlich bekennt er sich ganz offen zu ihr: Die Überwindung des entgegenstehenden Willens sei das Gewaltelement. Der entgegenstehende Wille des Verletzten müsse überwunden werden, daraus ergebe 85  Geerds,

Einwilligung, S. 114 f. Einwilligung, S. 115. 87  Siehe dazu oben S. 21 f. 88  Geerds, Einwilligung, S. 111. 89  Geerds, Einwilligung, S. 113. 86  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds37

sich das für den Tatbestand erforderliche Gewaltelement und daran knüpfe auch das Strafwürdigkeitsurteil über den Täter.90 Das offenbart ein sehr weites Verständnis für Gewalt. Und das ist problematisch: Wie soll sich dieser Gewaltbegriff etwa in die Nötigungsstruktur integrieren lassen? Der entgegenstehende Wille kann dort auch durch eine bloße Drohung mit einem Übel überwunden werden, ohne dass die Anwendung von Gewalt erforderlich ist. Geerds misst jedenfalls dem Gewaltelement entscheidende Bedeutung zu und stellt es in den Mittelpunkt der Normauslegung. Auf der Suche nach einem möglicherweise bestehenden Erfordernis eines entgegenstehenden Opferwillens für die Auslegung der Tatbestände gilt: „Entscheidend ist die Natur der Straftat“! Deswegen bliebe eine „bloße Gesetzesänderung, die nicht dieses eigentliche Wesen der Tat verändern würde, […] ohne Einfluss“. Damit widerspricht Geerds auch vorausgreifend dem Vorwurf, dass der Wortlaut „willkürlich, sich nicht eindeutig als sicher erweist“. Die Bindung an den bloßen Wortlaut des Gesetzes erscheint ihm insgesamt bedenklich.91 3. Zusammenfassung: Die Fälle des Einverständnisses nach Geerds Das ist das theoretische Fundament, auf dem Geerds die von ihm entwickelte Institution des Einverständnisses errichtet. Abschließend dazu benennt er all die Fälle, die nach seiner Ansicht dem Anwendungsfeld des Einverständnisses zuzuordnen sind oder eben nicht. Auf die Entführung wider und mit dem Willen nach §§ 236, 237 StGB a. F. ging Geerds bereits ein und hält sich dementsprechend kurz.92 Gleiches gilt für die Tatbestände, die als Tathandlung die Wegnahme enthalten: An erster Stelle der Diebstahl nach § 242 StGB, aber auch der Futterdiebstahl nach § 307 I Nr. 6 StGB a. F. Zu diesen Delikte fügt Geerds ergänzend die Tatbestände des Raubes nach § 249 StGB, der Pfandkehr nach § 289 StGB, der Wegnahme eines Hoheitszeichens nach § 135 StGB a. F., der Wegnahme eines Leichnams oder von Leichenteilen nach § 169 StGB [sic!] und nach § 367 I Nr. 1 StGB a.F zu. Geerds listet hier auch eine Strafnorm auf, die bereits 2 Jahre vor Veröffentlichung seiner Doktorarbeit durch Gesetz vom 30. August 1951 aufgehoben wurde: die Wegnahme eines Hoheitszeichens nach § 135 StGB a. F.

90  Geerds,

Einwilligung, S. 115 f. Einwilligung, S. 116 f. 92  Geerds, Einwilligung, S. 120. 91  Geerds,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Für das Beiseiteschaffen beim Verwahrungsbruch93 nach § 133 I StGB und Arrestbruch94 nach § 137 StGB a. F. ist nach Geerds kein Handeln gegen den Willen des Verletzten erforderlich. Das bloße Verbringen an einen anderen Ort genüge. Deutlich werde dies durch einen Vergleich mit den anderen Tathandlungen des Vernichtens oder Beschädigens. Da kein Handeln gegen den Willen erforderlich sei, könnten diese Delikte auch mit dem Diebstahl nach § 242 I StGB konkurrieren.95 Das ist jedoch eine zu kurze Normenanalyse. Der angedeutete, aber nicht ausgesprochene Umkehrschluss, dass, wenn Vernichten und Beschädigen keinen entgegenstehenden Willen verlangen, dies auch für das Beiseiteschaffen gelten müsse, setzt voraus, dass das fehlende Willenserfordernis der anderen Tathandlungen überhaupt begründet wird. Das unterlässt Geerds jedoch. Eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen Konkurrenzverhältnis und Vorliegen eines Einverständnisses lässt er ebenso vermissen. Als einen Fall des Einverständnisses ordnet Geerds aber die 1. Tatbestandsvariante der Urkundenfälschung nach § 267 I StGB ein: Beim Herstellen einer unechten Urkunde sei der Wille des Verletzten Angriffsobjekt. Nach allgemeiner Ansicht solle der Tatbestand nicht gegeben sein, „wenn der Verletzte als Aussteller dem Unterzeichnen mit seinem Namen zustimmt und der tatsächlich Unterschreibende den Zustimmenden vertreten kann und will“.96 Ebenso wird der bereits von Geerds erwähnte Hausfriedensbruch eingeordnet.97 Die Nötigung nach § 240 StGB ist nach seiner Ansicht ebenfalls ein Fall des Einverständnisses, sogar ein „praktisch sehr wichtiger Fall“. Konsequent ordnet er alle Normen als Fall des Einverständnisses ein, die den Tatbestand der Nötigung voraussetzen; etwa die Beamtennötigung nach § 114 I StGB a. F., die Erpressung nach §§ 253, 255 StGB und der Raub nach § 249 93  Die Norm hat seit ihrem Bestehen keine tatbestandlichen Änderungen erfahren: Strafbar macht sich danach, wer „Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen […] zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der dienstlichen Verfügung entzieht“. 94  Die Norm wurde durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 in den § 136 StGB unter der Deliktsüberschrift „Verstrickungsbruch“ integriert und § 137 StGB aufgehoben. Nach dessen Fassung vom 5. Juli 1912 bis 1. September 1969 machte sich strafbar, wer „Sachen […] vorsätzlich bei Seite schafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder theilweise entzieht“. Im seit 1. Januar 1975 geltenden § 136 I StGB ist die Tathandlung dahingehend umschrieben, dass sich strafbar macht, wer eine Sache […] zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder in anderer Weise ganz oder zum Teil der Verstrickung entzieht“. 95  Geerds, Einwilligung, S. 123. 96  Geerds, Einwilligung, S. 123. 97  Geerds, Einwilligung, S. 124; wobei die Verwendung des Wortes „dagegen“ im Zusammenhang zur vorherigen Einordnung der Urkundenfälschung als Fall des Einverständnisses irritierend ist.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds39

StGB.98 Nicht als Fall des Einverständnisses sieht Geerds jedoch den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 I StGB. Der objektive Widerstand müsse genügen, denn „der Täter leistet auch dann Widerstand, wenn der Beamte sich darüber freut“.99 Es ist wenig überzeugend, über die „Natur der Straftat“ den Gemütszustand des Opfers entscheiden zu lassen. Darüber hinaus fehlt eine Auseinandersetzung mit dem tatbestandlich ausdrücklich vorgesehenen Gewaltelement. Nach Auffassung von Geerds soll dem Gewaltbegriff schließlich eine hervorgehobene Bedeutung für die Ermittlung der „invito laeso“ zukommen. Und gerade in dem Fall, dass der Tatbestand das Merkmal der Gewalt verlangt und Geerds dennoch einen Fall des Einverständnisses ablehnt, wäre eine entsprechende Begründung von Interesse. Geerds greift auf diese Argumentation auch für die Straftaten des 4. Abschnitts des Strafgesetzbuches zurück: Das in den §§ 106100, 107101, 107a102 StGB a. F. umschriebene Verhindern muss „objektiv aufzufassen sein, so daß ein Handeln wider Willen der angegriffenen Person an sich nicht erforderlich ist“. Das gleiche gelte auch für die Verhinderungshandlung bei der Störung der Religionsausübung nach § 167103 StGB und die Freiheitsberaubung nach § 239104 StGB.105

98  Geerds,

Einwilligung, S. 121 f. Einwilligung, S. 121. 100  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 1. Januar 1872 bis 1. Oktober 1953 machte sich strafbar, wer „ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versammlungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen“. 101  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 1. Januar 1872 bis 1. Oktober 1953 machte sich strafbar, wer „einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen“. 102  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 29. Mai 1923 bis 7. / 10. August 1953 machte sich strafbar, wer „nichtverbotene Versammlungen, Aufzüge oder Kundgebungen mit Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen verhindert oder sprengt“. Die Norm wurde zunächst durch das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 aufgehoben und hat dann durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 mit dem Delikt der Wahlfälschung einen anderen Inhalt erhalten. Die Störung einer Versammlung wird nunmehr von § 21 VersG erfasst, wonach bestraft wird, wer „in der Absicht, nichtverbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht“. 103  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 1. Januar 1872 bis 1. September 1969 machte sich strafbar, wer „durch eine Thätlichkeit oder Drohung Jemand hindert, den Gottesdienst einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft auszuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottesdienst oder einzelne got99  Geerds,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Ebenfalls nicht zu den Fällen des Einverständnisses sollen nach Geerds die Tatbestände zu zählen sein, die das Anwenden von List oder Täuschung voraussetzen, wie etwa der Betrug nach § 263 StGB, der Menschenraub nach § 234106 StGB a. F., die Entziehung Minderjähriger nach § 235107 StGB a. F. und die Entführung wider Willen nach § 236108 StGB a. F. „Zwar entfällt der Tatbestand, aber nicht wegen zustimmenden Willens, sondern weil die Kenntnis einen Irrtum bzw. eine List ausschließt.“109 Auch hier lässt es ­Geerds an einer Auseinandersetzung mit den ebenfalls genannten Tathandlungen – Anwendung von Gewalt und Drohung – vermissen. List stellt bei allen genannten Tatbeständen nur eine von drei möglichen Tathandlungen dar. Eine Norm sticht aber aus der Aufzählung besonders heraus: Die Entführung nach § 236 StGB wurde von Geerds als allererste Norm benannt, bei der der entgegenstehende Wille ausdrückliches Tatbestandsmerkmal ist!110 Nunmehr soll dieser Fall nicht als einer des Einverständnisses „anzuerkennen“111 sein? Schließlich geht Geerds auch auf die Möglichkeit des Einverständnisses bei den Sexualdelikten des 13. Abschnitts überblicksartig ein.112 Eine Nachzeichnung ist für diese Arbeit angesichts der umfassenden und mehrfachen Reformierung dieses Abschnitts und der daraus folgenden fehlenden aktuellen Relevanz nicht zielführend. Insbesondere existieren die Mehrzahl der von Geerds „untersuchten“ Tathandlungen nicht mehr und sind mit einem modernen Strafrechts- und Gesellschaftsverständnis nur schwer nachzuvollziehen. Das gilt auch für das Strafrechts- und Sexualverständnis von Geerds: Er tesdienstliche Verrichtungen einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich verhindert oder stört“. 104  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 5. Juli 1912 bis 1. September 1969 machte sich strafbar, wer „vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt“. Damit ist der Tatbestand bis auf das Streichen des überflüssigen Hinweises auf die vorsätzliche Begehungsweise mit der heutigen Fassung identisch. 105  Geerds, Einwilligung, S. 124. 106  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 1. Januar 1872 bis 1. Oktober 1953 machte sich strafbar, wer „sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in hülfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen“. 107  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 5. Juli 1912 bis 1. September 1969 machte sich strafbar, wer „eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern, ihrem Vormund oder ihrem Pfleger entzieht“. 108  Nach dem Wortlaut in der Fassung vom 1. Januar 1872 bis 1. Oktober 1953 machte sich strafbar, wer „eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen“. 109  Geerds, Einwilligung, S. 124. 110  Siehe dazu oben S. 30. 111  Geerds, Einwilligung, S. 125. 112  Geerds, Einwilligung, S. 124–132.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds41

meint zu erkennen, dass „zahlreiche Ausnahmen, wie z. B. die sogenannte vis haud ingrata bei den Sexualdelikten, die schon lange anerkannt sind, auf einen gemeinsamen Rechtsgrund zurückgeführt werden können: das EV [Einverständnis, Anm. d. Verf.]“.113 Bei der vis haud ingrata, der nicht unwillkommenen Gewaltanwendung, handelt es sich um ein unsägliches Relikt einer männerdominierten Strafrechtswissenschaft: Leistet eine Frau in einem Sexualgeschehen Widerstand, so wird mittels dieser Konstruktion die Behauptung des Täters, er habe den Widerstand nicht ernst genommen, ihn nur als bloßes Zieren verstanden, als Tatbestandsirrtum anerkannt.114 Frauen wurde generell eine Art weiblicher „Masochismus“115 unterstellt, weshalb sie durch Gewalt sexuelle erregt werden könnten – oder eben zumindest, dürfte der Gewalt anwendende Täter davon ausgehen. Auf empirische Erkenntnisse ließ und lässt sich diese Ansicht freilich nicht zurückführen.116

III. Die Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis Die Arbeit widmet sich nun den von Geerds aufgestellten Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis. Das Problem hieran:117 Geerds gibt diese nicht in einem einheitlichen Abschnitt wieder, sondern verstreut sie quer über seine Untersuchung. Das Problem ist nicht nur redaktioneller, sondern methodischer Art, denn Geerds’ Ansatz lag darin, die Voraussetzungen beider Institute nach ihrem jeweiligem Wesen zu bestimmen. Diesem Ansatz läuft es zuwider, die Voraussetzungen zu diskutieren, noch bevor man zu Ergebnissen zum Wesen gelangt ist. 1. Die Einwilligung a) Die Einwilligungsbefugnis und der Verletzte Zunächst widmet sich Geerds der Einwilligungsbefugnis, also der Frage, „wie weit der Kreis derjenigen Verletzungen geht, die der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] zugänglich sind, d. h. wann die EW zulässig ist“.118 Er lehnt 113  Geerds,

Einwilligung, S. 132; vgl. auch ders., GA 1954, 262, 265. dazu Hörnle, LK-StGB, § 177 Rn. 24; Renzikowski, MK-StGB, § 177 Rn. 135, 140. 115  Renzikowski, MK-StGB, § 177 Rn. 135. 116  Daher zu Recht ablehnend: Hörnle, LK-StGB, § 177 Rn. 24; Renzikowski, MKStGB, § 177 Rn. 135, 140; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 182 ff.; dies., ZStW 1991, 64 ff. 117  Siehe dazu bereits oben S. 22. 118  Geerds, Einwilligung, S. 13. 114  Vgl.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

es ohne Begründung ab, diese Frage von einem Strafantrag oder einer Nennung der Rechtswidrigkeit im Tatbestand abhängig zu machen.119 Eine Unterscheidung zwischen veräußerlichen und unveräußerlichen Rechten hält er vor, die Frage nicht zu beantworten, sondern an die Stelle des mangelnden Interesses ein anderes Prinzip zu setzen, das „in seiner Subjektivität mit dem Wesen des Strafrechts unvereinbar und daher abzulehnen ist“.120 Nach ­Geerds ist vielmehr die Bestimmung des mangelnden Interesses des Staates nach dem Zweck der Strafvorschrift erforderlich. Dabei sei zwischen Handlungsobjekt sowie Schutzobjekt bzw. Rechtsgut zu unterscheiden, da beide nicht identisch sein müssten: „Handlungsobjekte sind diejenigen Personen oder Gegenstände, auf die sich die einzelne Handlungen beziehen. […] Demgegenüber ist das Schutzobjekt bzw. Rechtsgut nichts anderes als der vom Gesetzgeber in den einzelnen Strafvorschriften anerkannte Zweck in seiner kürzesten Formel.“121 Das Handlungsobjekt gebe „nur die rein tatsächliche Richtung einer Tat“ vor, während das Schutzobjekt „Sinn und Zweck der Strafvorschrift zum Ausdruck“ bringe. Die Grundlage des Rechtsguts sei „der Anstoß, den die Gemeinschaft an der unsittlichen Tat nimmt“. Daher sei es „unmöglich, das Schutzobjekt individuell zu denken oder gar mit einem Einzelnen als Inhaber, der an ihm berechtigt sei, sondern das Rechtsgut wird durch die Anschauung der Allgemeinheit bestimmt“.122 Das Rechtsgut beantworte damit die Frage, warum die Gemeinschaft Anstoß nehme bzw. welchen Gemeinschaftswert sie als verletzt ansehe. Dagegen gebe das Handlungsobjekt „nur einen tatsächlichen Ausschnitt aus dem Rechtsgut wieder“ und sei „formal aus dem Strafgesetz abzuleiten“.123 Das Schutzobjekt könne im Gegensatz dazu nicht formal, sondern „nur im Wege soziologischer Betrachtung festgestellt werden“.124 Diese streng objektivierte, nur auf die Wertung der Rechtsgemeinschaft abstellende Auffassung Geerds’ würde es eigentlich konsequent erscheinen lassen, der Zustimmung des Individuums überhaupt keine Bedeutung zukommen zu lassen. Das Problem sieht auch Geerds, der sich bemüht, einen konstruktiven Weg zur Straflosigkeit infolge einer Zustimmung zu finden, trotz dass „objektive, rein tatsächliche Verletzungen eines Strafrechtssatzes“ vorliegen. Nach seiner Ansicht müsse dazu das Rechtsgut zu seinem Träger in 119  Geerds,

Einwilligung, S. 13 f. Einwilligung, S. 15. 121  Geerds, Einwilligung, S. 16, der sich vor dabei vor allem auf Honig, Einwilligung, S. 29, 86 ff., 94 ff., 109 stützt. 122  Geerds, Einwilligung, S. 16, der sich für diese Konkretisierungen vor allem auf Hellmuth Mayer, AT, S. 81 ff. und dessen Verständnis vom „normmotivierenden Rechtsgut“ stützt. 123  Geerds, Einwilligung, S. 17. 124  Geerds, Einwilligung, S. 17 f. 120  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds43

Beziehung gesetzt werden, „d. h. zu demjenigen Rechtssubjekt, dem der Rechtsschutz unmittelbar zu gute kommt“. Der Träger des Rechtsgutes sei „kein Inhaber oder Berechtigter im gewöhnlichen Sinne […], sondern nur diejenige Person, die durch die Gemeinschaftsordnung geschützt wird“. Der Schutz werde aber „nicht individuell bezweckt, sondern rein tatsächlich bewirkt“. Dennoch sei das Verhalten der geschützten Person „für die sittliche Unerträglichkeit einer Tat maßgebend“.125 Eine Einwilligung sei aber möglich und damit eine Einwilligungsbefugnis gegeben, „wenn eine oder mehrere bestimmte Personen als alleinige Träger des Rechtsguts geschützt werden“.126 Das ergebe sich daraus, dass das Urteil der Gemeinschaft hier „in gewissem Umfang von dem Verhalten dieser geschützten Person abhängig gemacht werden [könnte], weil durch ihre Zustimmung der Tat das un­ erträglich Sittenwidrige genommen würde“. Das gelte aber nur, „soweit der Gemeinschaftswert durch eine Einzelperson verkörpert oder bestimmt wird, d. h. wenn diese allein unmittelbar geschützt wird“.127 Geerds unterscheidet damit, wie er selbst klar stellt, zwei verschiedene Interessen: Das wirkliche und das abstrakte Interesse der Rechtsordnung. Das abstrakte Interesse bestehe bei jedem Strafgesetz als Folge des Verbots, beeinflusse aber nicht die Zulässigkeit der Einwilligung, „weil diese nicht von der Folge, sondern dem Rechtsgut als Grundlage und Voraussetzung abhängig ist“.128 Das ist die theoretische Grundlage, auf der Geerds nicht nur die Einwilligungsbefugnis untersucht, sondern seine gesamte Einwilligungsdogmatik aufbaut. Diese Grundlage erscheint aber wenig gefestigt: Das Rechtsgut soll nach Geerds der vom Gesetzgeber anerkannte Sinn und Zweck einer Strafvorschrift sein, das, was die Gemeinschaft als sittlich anstößig empfindet. Auf diesem Rechtsgutsverständnis soll die Zulässigkeit der Einwilligung beruhen. Aber dann fragt sich, worin der Unterschied zum abstrakten Inte­ resse der Gemeinschaft besteht. Die Zulässigkeit der Einwilligung wäre nicht von der notwendigen Folge des Verbots, dem abstrakten Interesse der Gemeinschaft abhängig, sondern vom Rechtsgut. Aber jenes Rechtsgut wird nach dem durch die Gemeinschaft dem Verbot zugeschriebenen Zweck bestimmt. Geerds kann mit seinem Rechtsgutsverständnis unmöglich Folge und Zweck des Verbots unterscheiden und schon gar nicht unterschiedliche Interessenbegriffe zuschreiben. Es ist der Versuch aus einem streng gemeinschaftsbezogenen Rechtsgutsbegriff noch auf konstruktiven Umwegen zur Zulässigkeit der Zustimmung zu gelangen.

125  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 127  Geerds, Einwilligung, 128  Geerds, Einwilligung, 126  Geerds,

S. 18. S. 20 S. 20. S. 20 f.

44

Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Das Ergebnis von Geerds, die Einwilligungsbefugnis ist bei den Straf­ gesetzen gegeben, die „ihrem Sinn und Zweck nach die Einzelperson (oder mehrere solche) als alleinigen Träger des Rechtsguts unmittelbar schützen“,129 ist ein auch in der modernen Strafrechtsdogmatik anerkannter Grundsatz. Problematisch bleibt, dass dieses Ergebnis unter Zugrundelegeung des Unrechts- und Rechtsgutsbegriffs von Geerds nicht nachvollziehbar ist, da Begründungsmodelle fehlen, warum es der Gemeinschaft an einem wirklichen Interesse mangelt und sie den Gemeinschaftswert insoweit von der Einzelperson abhängig macht. Auf dieser dogmatisch streitbaren Grundlage gelangt Geerds zur Feststellung, dass die Einwilligung für folgende Straftatbestände zulässig ist, wobei sich die Aufzählung der Arbeit auf die Delikte beschränken wird, bei denen nach Geerds’ Systematik auch ein Einverständnis denkbar wäre: Sachbeschädigung nach § 303 StGB, Unterschlagung nach § 246 StGB, die Vollstreckungsvereitelung nach § 288 StGB, Urkundenunterdrückung nach § 274 Nr. 1 StGB, nicht jedoch Jagd- und Fischwilderei nach §§ 292 ff. StGB, hingegen wiederum die Verletzung des Brief- und Berufsgeheimnisses nach §§  299 f. StGB.130 Für die Körperverletzung bejaht Geerds ebenfalls die Einwilligungsbefugnis, weil der Rechtsschutz im Interesse des Einzelnen gewährt wird.131 Allerdings soll in Fällen des lege artis ausgeführten ärzt­ lichen Heileingriffs „nicht das Unrecht ausgeschlossen, sondern bereits der Tatbestand nicht erfüllt“ sein. Es fehle dem Eingriff des Arztes „nach Auffassung der Allgemeinheit die für die Körperverletzung erforderliche Tendenz; das Handeln ist sozial adäquat“. Der konkrete Erfolg sei dabei genauso unerheblich, wie der Umstand, dass „eine andere, physisch gleiche Verhaltensweise demgegenüber tatbestandsmäßig wäre, weil die Qualität der Handlung in den Augen der Allgemeinheit entscheidend ist“.132 Mit der Sozialädquanz führt Geerds einen Begriff ein, dessen Bedeutungsgehalt er so wenig klärt wie dessen Relevanz für die Abgrenzung zwischen Einwilligung und Einverständnis. Dabei hätte es doch nahe gelegen, die für das Vorliegen einer Einverständniskonstellation entscheidende Natur der Straftat darüber zu bestimmen, ob bestimmte Verhaltensweisen sozialadäquat sind oder nicht. Darauf geht Geerds jedoch nicht ein, führt vielmehr den Begriff der Sozialädquanz ohne weitere Erläuterungen ein und greift auf diesen auch für einen Tatbestandsausschluss im Einzelfall bei der Beleidigung nach § 185 StGB zurück. Im Übrigen geht er von einer Einwilligung aus, da die Ehre ein im unmittelbaren Interesse des Einzelnen geschütztes 129  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 131  Geerds, Einwilligung, 132  Geerds, Einwilligung, 130  Geerds,

S. 22. S. 24 ff. S. 31. S. 29 f.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds45

Rechtsgut ist.133 Das gleiche gelte auch für die Freiheitsberaubung nach § 239 StGB: Zwar sei die Freiheit zur Willensbetätigung geschützt, sie müsse jedoch „nicht tatsächlich angegriffen“ werden, da sie durch das „Verbot der objektiven, räumlichen Beschränkung einer anderen Person“ gesichert sei. Daher genüge es, dass „objektiv die Betätigungsmöglichkeit des Verletzten verhindert“ werde, diese müsse aber nicht notwendig den Raum verlassen wollen oder überhaupt Kenntnis vom Einsperren haben. Der Tatbestand könne aber auch hier wegen sozialer Adäquanz ausgeschlossen sein.134 Die Einordnung der Einwilligungsfälle überzeugt nicht. Das gilt im besonderen Maße für die Ausführungen zur Freiheitsberaubung. Nach Geerds’ eigenen Dafürhalten, ergibt sich das Merkmal des entgegenstehenden Willens aus dem Tatbestand, genauer aus der Tathandlung, da schließlich ein Handeln gegen den Willen erforderlich sein soll. Geerds untersucht jedoch nicht die Tathandlung der Freiheitsberaubung, sondern lediglich deren Schut­zobjekt. Bei konsequenter Betrachtung des Wortlauts vom Berauben läge es hingegen nahe, ein Handeln gegen den Willen für erforderlich zu erachten; das dürfte nach dem Sprachgebrauch sogar noch näher liegen als bei Wegnahme oder Eindringen. Und obwohl er eine entsprechende Ansicht sogar erwähnt, die eine Tatbestandsrelevanz mit dem Hinweis auf den Wortlaut bejaht,135 setzt sich Geerds hiermit nicht auseinander. Seine Behauptung, der Schutz der Willensfreiheit werde rein objektiv gewährleistet, bleibt damit nur eine Behauptung ohne Begründung. b) Der Gegenstand der Einwilligung Geerds beantwortet die Frage, „worauf sich der zustimmende Wille des Verletzten bezieht“, was also der Gegenstand der Einwilligung ist,136 damit, dass es „sowohl die Handlung des Täters als auch der Erfolg“ ist. Der Unrechtsausschluss schränke sich je nach Sachlage „einmal mehr hinsichtlich des Handelns, zum anderen mehr hinsichtlich des Erfolges ein“. Willige der Verletzte in eine bestimmte Handlung ein, so lasse er damit „grundsätzlich alle als möglich vorausgesehenen Folgen zu“. Das seien jene, „die nicht außergewöhnlich sind“.137 Daher sei das Bewusstsein des Verletzten bezüglich der „wesentlichen Umstände“ erforderlich, müsse sich aber „nur auf die Verletzung als solche, nicht auf weitere Umstände“ beziehen.138 Der Erfolg 133  Geerds,

134  Geerds, 135  Geerds, 136  Geerds,

137  Geerds, 138  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung,

S. 32. S. 36 f. S. 36 m. Fn. 6; so u. a. Honig, Einwilligung, S. 132 f. S. 53. S. 56, 60. S. 57.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

müsse aber vom Verletzten nicht erwünscht sein, „denn Zustimmen im Sinne von Einwilligen ist nicht gleichbedeutend mit Wollen als Wünschen, sondern ein Gestatten oder Nichts-dagegen-haben“.139 Da der Erfolg nur vorausgesehen werden braucht, ist nach Geerds die Einwilligung auch bei einer fahrlässigen Tat möglich.140 c) Die Einwilligungsfähigkeit Geerds beschäftigt sich auch mit den persönlichen Voraussetzungen der Einwilligung. Dass der Verletzte „gewissen persönlichen Erfordernissen“ genügen müsse, darüber sei man sich einig. Es sei ein „Grundsatz des Rechtes schlechthin, daß ein […] für das Recht beachtlicher Willensakt nur von einem Menschen herrühren kann, dessen Wille von der Rechtsordnung anerkannt wird“. Das werde auch „dadurch erhärtet, daß jede einschlägige Strafvorschrift zugleich den Schutz der Persönlichkeit bezweckt“. Der Verletzte müsse „notfalls gegen sich selbst geschützt werden“.141 Geerds setzt sich mit Ansichten auseinander, die auf die Regeln des bürgerlichen Rechts oder der Straf- oder Antragsmündigkeit zurückgreifen wollen,142 um am Ende – letztlich im Anschluss an die herrschende Ansicht – zum Ergebnis zu kommen, dass es keine festen Altersgrenzen gibt, und will daher „die persönlichen Erfordernisse mit Rücksicht auf den Wirkgrund der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] besonders feststellen“. Der Verletzte müsse das Unrecht in seiner ganzen strafrechtlichen Bedeutung erfassen können. Es müsse einerseits die konkrete Sachlage berücksichtigt werden, andererseits die rein persönliche Einsicht und geistige Reife des Verletzten.143 Danach erfordere die Einwilligungsfähigkeit, dass der Einwilligende im konkreten Fall die erforderliche Einsicht und Reife habe, das Unrecht der Tat und die Wirkung seines eigenen Verhaltens erfassen zu können.144 Eine Stellvertretung lehnt Geerds ab: Nur der Verletzte selbst könne das Unrecht des gegen ihn gerichteten Tuns ausschließen. Allerdings könnten andere Unrechtsausschließungsgründe oder die mittelbare Wirkung des Zivilrechts zur Rechtmäßigkeit des Eingriffs führen.145

139  Geerds, 140  Geerds, 141  Geerds, 142  Geerds, 143  Geerds, 144  Geerds, 145  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung,

S. 55. S. 61. S. 62. S. 62 ff. S. 65. S. 66. S. 69.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds47

d) Die Erklärung Schließlich geht Geerds auch auf die Frage ein, „ob die EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] dem Täter gegenüber erklärt sein muss oder nicht“.146 Die hierzu vertretene Willensrichtungstheorie will er versuchen „allein vom Unrechtsbegriff her zu klären“.147 Dies wirft jedoch in methodischer und strafrechtsdogmatischer Hinsicht Bedenken auf: Er lehnt diese Ansicht mit dem Argument ab, dass sich das Unrecht aus einer Erfolgs- und einer Handlungskomponente zusammensetzt und das objektive Vorliegen des zustimmenden Willens zwar den Erfolgsunwert ausschließt, aber dass für das Entfallen des Handlungsunwerts erforderlich ist, dass „dem ‚bösen Willen‘ des Täters […] ein als gut bewerteter gegenüberstehen“ muss. Und gut sei nur „das Wollen desjenigen zu bewerten, der auf Grund […] eines Unrechtsausschließungsgrundes handelt“. Deshalb müsse der Unrechtsausschluss objektiv und subjektiv begründet sein.148 Die Frage, die Geerds hier beantwortet, ist jedoch nicht die gestellte Ausgangsfrage nach dem Erfordernis einer Einwilligungserklärung, sondern die Frage, ob der Täter in Kenntnis der Einwilligung handeln muss. Das ist der methodische Fehler. Strafrechtsdogmatisch falsch ist die Schlussfolgerung, dass es nach der Willensrichtungstheorie nicht möglich wäre den Handlungsunwert des Täters strafrechtlich zu erfassen und zu sanktionieren: Hierfür besteht die Möglichkeit der Versuchsstrafbarkeit. Aber auch das ist eine andere als die gestellte Ausgangsfrage. Zwar erkennt auch Geerds die Möglichkeit des Versuchs, empfindet es aber „doch als seltsam, daß die EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] einmal Untauglichkeit des Objekts herbeiführen soll, während sie andererseits der Versuchsstrafe nicht entgegensteht“.149 Es ist zweifelhaft, ob das objektive Vorliegen einer Einwilligung zur „Untauglichkeit des Objekts“ führt, aber die Annahme einer Versuchsstrafbarkeit ist nicht seltsam: Für den Versuch kommt es auf die subjektive Vorstellung des Täters an, sodass das objektive Vorliegen eines zustimmenden Willens an sich un­ erheblich ist. Deshalb findet die Auffassung Geerds’, dass „das Unrechtsurteil nur einheitlich erfolgen kann“, keine Stütze im Gesetz. Dass Geerds die Fragen nach Erklärungserfordernis und Kenntnis des Täters vermengt, gibt er schließlich zu erkennen, wenn er auf die sog. Willenserklärungstheorie eingeht. Erklären könne nach seinen „bisherigen Ausführungen nichts anderes besagen, als daß dem Täter der Wille des Verletzten 146  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 148  Geerds, Einwilligung, 149  Geerds, Einwilligung, 147  Geerds,

S. 70. S. 71. S. 72. S. 74.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

bekannt geworden sein muß“.150 Diese Gleichsetzung zwischen Erklären und Kenntniserlangung dürfte nicht die der „überwiegenden Mehrzahl“151 sein. So behandelt etwa der von Geerds zur Belegung aufgeführte Keßler die Fragen zwischen Abgabe einer Erklärung und der Kenntniserlangung des Täters getrennt.152 Ebenso dürfte die Schlussfolgerung Geerds’, die Einwilligung „gewissermaßen als empfangsbedürftig“153 anzusehen, eine Fehlinterpretation darstellen, erinnert sie doch sehr an das Verständnis der zivilrechtlichen Willenserklärung, für deren Wirksamwerden – im Falle von Empfangsbedürftigkeit – Abgabe und Zugang erforderlich ist. Ein solches Verständnis lädt zu Missverständnissen geradezu ein, weshalb sich Geerds auch sofort um den Hinweis bemüht, die Einwilligung nicht als Rechtsgeschäft zu betrachten. Es zeigt sich auch hier wieder, dass Geerds seine Einwilligungsdogmatik nicht konsequent in die Strafrechtsdogmatik integriert, sondern stark von der Rechtsgeschäftstheorie geprägt ist. Für die Frage, wie die Erklärung beschaffen sein muss, stellt Geerds entsprechend der herrschenden Ansicht klar, dass eine ausdrückliche Erklärung nicht erforderlich ist – „derartige Formalien [können] im Strafrecht keinen Platz beanspruchen“ –, sondern es genügt, „wenn das schlüssige Verhalten des Verletzten unzweideutig zum Ausdruck bringt, er stimme dem Vorgehen des Täters zu“. Je nach Schwere des Eingriffs sei größere oder geringere Deutlichkeit zu verlangen. Untätiges Geschehen-Lassen genüge nicht.154 Im Einklang mit der herrschenden Meinung lässt Geerds also auch eine konkludente Erklärung genügen, will aber bei den diesbezüglichen Anforderungen nach der Schwere des Eingriffs differenzieren. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der modernen Lehre,155 aber dennoch sind zwei problematisch erscheinende Punkte in Geerds’ Argumentation herauszugreifen. Zum einen erscheint die Begründung dafür, warum Ausdrücklichkeit „selbstverständlich nicht verlangt“ werden könne, schwach: Eine ausdrückliche Erklärung zu verlangen ist nicht nur eine „Formalie“, sondern durchaus überlegenswert, um den Schutz des Opfers umfassend zu gestalten. Wer wie Geerds ein objektives Verständnis vom Strafrecht hat, seinen Zweck sogar in der Ahndung „sittlich grob anstößiger Verhaltensweisen“ erblickt, für denjenigen müsste doch eigentlich die Aufhebung jenes Sittenverstoßurteils der Gemeinschaft mittels jeden schlüssigen Verhaltens als nicht ausreichend erscheinen. Die Begründung Geerds’ zur Ablehnung 150  Geerds,

Einwilligung, S. 76. Einwilligung, S. 76 m. Fn. 2. 152  Keßler, Einwilligung, S. 105. 153  Geerds, Einwilligung, S. 76. 154  Geerds, Einwilligung, S. 77. 155  Siehe dazu unten S. 221. 151  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds49

des Ausdrücklichkeitserfordernisses wirkt damit unzureichend in sein eigenes Strafrechts- und Unrechtsverständnis integriert. Zum anderen bleibt nach Geerds aber – trotz dass er sich der Willenserklärungstheorie anschließt – die „Grundlage der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] [….] immer der Willenszustand“. Die Einwilligung werde trotz Erklärung kein Rechtsgeschäft, „weil der Ausschluss des Unrechts nicht Inhalt, sondern Folge des zustimmenden Willens ist“.156 Die Begründung für die Ablehnung der Rechtsgeschäftstheorie ist wenig überzeugend, da die Einwilligung auch dann kein Rechtsgeschäft wäre, wenn der Unrechtsausschluss der Inhalt des zustimmenden Willens wäre. Aber auffällig ist, dass Geerds durch den Verweis auf den Willenszustand als maßgebliche Grundlage der Einwilligung eine Begründung gegen das Erfordernis einer Erklärung par excellence gibt: Wenn der Willenszustand die Grundlage bildet, weshalb sollte dann überhaupt noch eine Erklärung erforderlich sein? Diese Frage drängt sich nach Geerds’ Hinweis auf, aber die Problematik lässt er unberücksichtigt. Stattdessen geht er auf die Kenntniserlangung des Täters ein: Die Erklärung müsse nicht „unmittelbar dem Täter gegenüber erfolgen“, sondern es genüge, dass „er vom Verletzten oder mit dessen Willen durch einen Dritten von der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] erfahren hat“. Es genüge weder ein „Zu-Ohren-Kommen“ noch ein „hinterbrachtes Gerede“ noch ein Erkennen ohne den Willen des Verletzten.157 Eine Begründung für diese einschränkende Auslegung gibt Geerds nicht, aber eine mögliche Erklärung dürfte sein, dass er stillschweigend eine Parallele zur zivilrechtlichen Willenserklärung zieht; auch wenn er diesen Vorwurf zurückweist.158 Geerds fasst damit seine Anforderungen an die Einwilligungserklärung dahingehend zusammen, dass die Einwilligung „tatsächlich – wenn auch schlüssig – erklärt ist und der Täter mit Willen des Verletzten von ihr Kenntnis erlangt hat“.159 Weiter müsse die Einwilligung „im Zeitpunkt der Tat erklärt und dem Täter bekannt sein“.160 Eine rückwirkende Kraft der Einwilligung sei ebenso unmöglich wie ein nachträglicher Widerruf.161 Ein vorheriger Widerruf sei aber jederzeit möglich, da die Einwilligung nicht bindend sei. Nur im Einzelfall könne sie nach Beginn der Tatbestandshandlung durch deren Natur eingeschränkt sein.162 Geerds lehnt aber für den Widerruf eine besondere Form ab: 156  Geerds, 157  Geerds, 158  Geerds, 159  Geerds, 160  Geerds, 161  Geerds, 162  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung,

S. 77. S. 77. S. 80. S. 78, 81. S. 83. S. 82 f. S. 84.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

„Wenn die Grundlage der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] der Willenszustand des Verletzten ist, so müssen wir bewußt im Gegensatz zur Erklärung der EW unmittelbar mit dem Aufhören dieses Willenszustandes dessen bestehende Kraft enden lassen. Die Erklärung war dort notwendig, um den Handlungsunwert auszuschließen. Beim Widerruf entfällt aber unmittelbar der zustimmende Wille des Verletzten als Grundlage der EW. Das Aufhören des zustimmenden Willens werden wir oft aus einem mehr oder weniger langen Zeitraum entnehmen können, der seit der Erklärung der EW verstrichen ist, weil das Interesse des Verletzten sich meistens nur auf baldiges Handeln des Täters richtet.“163

Geerds gibt keine weiteren Begründungen oder Erklärungen hierzu. Aber er zeigt, dass für ihn der Willenszustand des Verletzten maßgeblich ist: Wenn „ohne weiteres mit dem Aufhören des zustimmenden Willens“ der Unrechtsausschließungsgrund entfallen soll,164 dann fragt sich, warum er nicht auch ohne weiteres mit Bestehen des zustimmenden Willens begründet werden kann. Das ist ein Widerspruch in der Einwilligungsdogmatik Geerds’, der auf ein unzureichendes Unrechtsverständnis zurückzuführen ist. Er begründet das Erklärungserfordernis mit dem Kenntniserfordernis des Täters, das ­notwendig wäre, um den Handlungsunwert zu beseitigen. Dabei übersieht ­Geerds, dass ein einheitliches Entfallen von Handlungs- und Erfolgsunwert überhaupt nicht erforderlich ist. 2. Das Einverständnis Für die von Geerds vorgetragenen Voraussetzungen vom Einverständnis ergibt sich ebenfalls das redaktionelle Problem, dass diese wenig strukturiert über seine gesamte Untersuchung verteilt sind. Noch gravierender ist, dass Geerds die Voraussetzungen nicht im eigentlichen Sinne herleitet und nicht in Beziehung zu seinem theoretischen Fundament setzt. a) Der Verletzte Der erste Hauptunterschied zur Einwilligung wird bereits darin deutlich, dass Geerds – parallel zur Einwilligungsbefugnis – keine „Einverständnis“Befugnis untersucht. Stattdessen diskutiert er den Begriff des Verletzten. Und während Geerds ursprünglich gegenüber dem gesetzlichen Tatbestand zu einer gewissen Zurückhaltung mahnte, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob ein entgegenstehendes Willenselement erforderlich ist, soll für die „recht­ lichen Grenzen des Einverständnis“165 nunmehr „lediglich das beschriebene 163  Geerds,

Einwilligung, S. 85 f. Einwilligung, S. 86. 165  So die Abschnittsüberschrift bei Geerds, Einwilligung, S. 115. 164  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds51

besondere Tatbestandselement“ bestimmend sein.166 So ist Verletzter „derjenige, dessen zustimmender Wille als EV [Einverständnis, Anm. d. Verf.] beachtlich werden kann, […] diejenige Person, deren Wille gerade durch das Tatbestandshandeln missachtet und überwunden werden soll“.167 Im Gegensatz zur Einwilligung bestimme sich damit der Begriff des Verletzten nicht nach dem „Schutzobjekt“ – „d. h. dem inneren Ziel der Strafgesetze“168 –, sondern nach dem „Handlung- oder Angriffsobjekt“169 – „d. h. dem äußeren Ziel der Tathandlung“170 –, dieses sei durch eine „rein tatsächliche, tatbestandsbezogene Schranke gekennzeichnet“.171 Aus diesem Grunde sei der Wille bei der Einwilligung „ein außerhalb des eigentlichen Tatbestandes liegender Umstand, der als solcher auf die rechtliche Würdigung Einfluss nimmt“, und beim Einverständnis „nur ein Tatumstand wie jeder andere, der rein objektiv zu betrachten ist“.172 Diese Unterscheidung könne auch dazu führen, dass „Angriff- und Schutzobjekt nicht zusammenfallen“. Etwa sei beim Diebstahl der Eigentümer als Träger des Rechtsguts zwar geschützt, also in der Terminologie von Geerds’ Schutzobjektsträger, aber Verletzter sei nur der Gewahrsamsinhaber.173 Diese Ausführungen sind wenig konsistent. Maßgebliches Kriterium zur Ermittlung der Einverständnisfälle soll der Tatbestand sein, aber dieser wäre nicht streng nach seinem Wortlaut, sondern nach der „Natur der Straftat“ zu beurteilen. Wenn es jedoch um konkrete Voraussetzungen des Einverständnisses geht, wie etwa die Ermittlung der verletzten Person, soll es nur auf den Tatbestand im wörtlichen Sinne ankommen. b) Die Willensfähigkeit Geerds untersucht auch, „ob der Zustimmende gewissen persönlichen Erfordernissen genügen muß“.174 Und ähnlich wie für den Begriff des Verletzten, stellt er hier nicht mehr auf die Natur der Straftat ab, sondern allein auf den Willen als Tatsache. Bei der Einwilligung müsse die „Zustimmung als einem rechtserheblichen Willen ganz bestimmte, sehr einschränkende per-

166  Geerds, 167  Geerds, 168  Geerds, 169  Geerds, 170  Geerds, 171  Geerds, 172  Geerds, 173  Geerds, 174  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung,

S. 119. S. 119. S. 143. S. 132. S. 143. S. 119. S. 143. S. 119. S. 132.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

sönliche Voraussetzungen“ erfüllen.175 Zwar sei der Wille beim Einverständnis „auch rechtlich erheblich“, das sei „aber ganz anders aufzufassen als bei dem rechtsgeschäftsähnlichen Willen im Unrechtsausschluss“. Die Erheblichkeit äußere sich „als bloße Tatsache, so daß die aus dem Unrechtsbegriff zu folgernden Grundsätze der EW [Einwilligung, Anm. d. Verf.] hier keine Gültigkeit haben können“. Deshalb könne es auf „das Alter oder die Fähigkeiten […] beim Tatbestandsausschluss grundsätzlich nicht ankommen“. Die Zustimmung müsse „zumindest noch ihrer Substanz nach Wille sein“, wenn „der Wille, wenn auch nur als Tatsache, erheblich werden“ solle. Es müsse ein „tatsächlicher oder natürlicher Wille des Verletzten vorliegen“.176 Geerds entwickelt diese Voraussetzungen zunächst nicht allgemein, sondern aus dem Tatbestand des Diebstahls heraus, zu welchem er den Fall des achtjährigen Mädchen M bildet, das der Bitte des erwachsenen E nachkommt, ihm ihren Ball zu schenken. Geerds fügt dem Fall noch einige soziale Aspekte zu: E ist arbeitslos und will den Ball gerne seiner Tochter schenken, M hingegen ist die Tochter eines reichen Bäckers und schenkt E den Ball aus Mitleid.177 Diese Aspekte sind strafrechtsdogmatisch eigentlich irrelevant, könnten aber dazu dienen, die Straflosigkeit des E unter Gerechtigkeitsaspekten nahe zu legen und hierfür die Wirksamkeit der Zustimmung anzubieten. Auch wenn Geerds die Voraussetzungen des Willensfähigkeit nur auf der Grundlage dieses Falles entwickelt, so kann man seiner Ansicht nach aus dem Fall allgemein entnehmen, dass „beim Tatbestandsausschluss der Zustimmende nur die Mindestvoraussetzungen, die ein Wille überhaupt erfordert, aufweisen muß“, welche erfüllt seien, wenn „er einen natürlichen Willen besitzt“. Das „Erscheinungsbild dieses Willens“ könne natürlich bei den einzelnen Tatbeständen verschiedenartig sein, weil dieses sich auch nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Straftat richtet“.178 Eine Stellvertretung sei hierbei „undenkbar“.179 Der methodische Fehler Geerds’ liegt darin, dass er von den Anforderungen des Diebstahlstatbestands und dessen Auslegung nach herrschender Meinung auf alle anderen, dem Einverständnis zuzuordnenden Straftatbestände schließt, ohne die für eine solche Übertragung erforderliche Vergleichbarkeit der Fälle zu begründen. Der Hinweis auf die dennoch bestehende Möglichkeit eines „verschiedenartigen Erscheinungsbildes“ ändert daran nichts, da Geerds weder auf diese Verschiedenartigkeit eingeht, noch dadurch 175  Geerds,

GA 1954, 262, 263. Einwilligung, S. 134, 141, 143; ders., GA 1954, 262, 265 f. 177  Geerds, Einwilligung, S. 133. 178  Geerds, Einwilligung, S. 135 f. 179  Geerds, Einwilligung, S. 136 (Anm. d. Verf.: diese Seite wurde zweimal hintereinander nummeriert). 176  Geerds,



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds53

wesentlich von dem von ihm aufgestellten Grundsatz des „natürlichen Willens“ abrückt. Entspechend fehlt auch ein solcher Hinweis in seinem Aufsatz.180 Die zweifelhafte methodische Vorgehensweise wird auch in der Auswahl an Fundstellen ersichtlich: Geerds führt ausschließlich Fundstellen auf, die auf den Diebstahlstatbestand Bezug nehmen.181 c) Die Form Weiterhin widmet sich Geerds der Form des Einverständnisses, also der Frage, ob es „erklärt und dem Täter bekannt sein muß oder ob das bloße Vorliegen einer entsprechenden Willensrichtung genügt“.182 Er beantwortet die Frage im letzteren Sinne: Es genüge das „bloße Vorliegen einer zustimmenden Willensrichtung, der Tatsache, daß der Verletzte zustimmt“183; „das tatsächliche Vorliegen des zustimmenden Willens beim Verletzten ohne Rücksicht auf seiner Erkennbarkeit oder gar die Kenntnis des Täters“.184 Erneut bildet Geerds einen Fall zum Diebstahl – A holt heimlich und ungebeten Blumen aus dem Garten von B, der ihn beobachtet und sich freut, dass er die ihn ärgernden, weil von seiner Frau gepflanzten Blumen, endlich los wird – und entwickelt daraus sein Ergebnis: „Beim Tatbestandsausschluss als bloßer Tatbestandssituation kommt es lediglich darauf an, ob alle Tatbestandsmerkmale vorliegen oder nicht.“185 Geerds genügt es festzustellen, dass das „Bestehen einer Tatsache unabhängig davon ist, ob sie anderen Personen bekannt ist oder nicht“. Der Ansicht Keßlers, dass nur ein erklärter Wille rechtlich bedeutsam ist,186 hält er entgegen, dass wenn der „Wille einer Person als Tatsache zu würdigen“ ist, dieser „als solcher ohne Rücksicht darauf bedeutsam [wird], ob er bekannt ist oder nicht.“187 Das ist jedoch keine Begründung, warum eine Erklärung des Willens nicht erforderlich sein und der Wille als Tatsache genügen soll, denn das Ergebnis der eigenen Ansicht kann nicht zugleich als deren Argument bzw. Gegenargument gegen eine andere Ansicht verwendet werden. Geerds lässt damit eine Begründung dafür vermissen, dass bereits der Wille als solcher zu würdigen ist.

Geerds, GA 1954, 262, 265 f. Geerds, GA 1954, 262, 265 m. Fn. 25. 182  Geerds, Einwilligung, S. 136. 183  Geerds, Einwilligung, S. 143. 184  Geerds, Einwilligung, S. 137, 141; ders., GA 1954, 262, 266. 185  Geerds, Einwilligung, S. 136. 186  Keßler, Einwilligung, S. 106, der sich jedoch an betreffender Stelle zum Erfordernis der Kenntnis des Täters von der Einwilligung äußert. 187  Geerds, Einwilligung, S. 136. 180  Siehe 181  Siehe

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Was den Zeitpunkt des Vorliegens dieses zustimmenden Willens angeht, geht Geerds davon aus, dass „grundsätzlich der Beginn der Tatbestandshandlung entscheidend“ ist.188 Da er das Wörtchen „grundsätzlich“ verwendet, fragt es sich, in welchen Fällen ausnahmsweise ein anderer Zeitpunkt relevant sein soll. Geerds geht zwar davon aus, dass „eine nachträgliche Willensänderung des Verletzten die Tatsache des Handelns wider den Willen nicht beseitigen kann“; eine Rückwirkung ist mit dem „Wesen des Strafrechts unvereinbar“ und eine Genehmigung „undenkbar“.189 Statt mit Strafrechtswesen und Denkbarkeiten zu argumentieren, wäre es präziser mit dem Koinzidenzprinzip zu argumentieren, wonach alle Voraussetzungen der Straftat zur Zeit der Tatbegehung vorliegen müssen. Geerds bringt jedoch noch einen anderen Gedanken ins Spiel: „Der spätere Wille könnte […] als Indiz für den wahren Willen bei der Tat zu werten sein.“190 Es müsse irgendein Wille im Zeitpunkt der Tat vorgelegen haben, ohne weiteres könne als dieser nicht der spätere zustimmende Wille betrachtet werden, denn der sei eine Ausnahme. Regelmäßig liege ein entgegenstehender Wille vor, sodass sich das Handeln des Täters regelmäßig gegen den Willen richte, ein zustimmender Wille des Verletzten könne sich überhaupt erst dann bilden, „wenn das Geschehen in seiner Vorstellung existent geworden ist […], wenn wir nicht das Risiko dem Angegriffenen auferlegen wollen“.191 Welches Risiko fragt sich und Geerds scheint es darin zu sehen, dass der Täter „geschickt ausnutzen“ könnte, indem er die „Kenntnisnahme des Verletzten verhindern [würde], die erst einen aktuell entgegenstehenden Willen hervorrufen würde“.192 Geerds beantwortet damit nicht die Ausgangsfrage seiner These, sondern spricht sich erneut dafür aus, dass sich die „Gleichsetzung von Handeln wider ohne ohne [oder ohne, Anm. d. Verf.] des Verletzten als zwingend“ erweist. Er wiederholt sich, indem er erneut auf die Unbeachtlichkeit der nachträglichen Billigung bzw. Genehmigung und auf den Tatbestandsausschluss beim tatsächlichen Vorliegen des zustimmenden Willens verweist.193 Aber wenn der zustimmende Wille des Verletzten im Zeitpunkt der Tat nicht erkennbar war und nach seiner Ansicht auch nicht sein muss, wie ist dann mit nachträglichen Äußerungen des Verletzten umzugehen: Dürfen sie als Indiz verwertet werden oder nicht? Geerds beantwortet diese von ihm selbst aufgeworfene Frage nicht.

188  Geerds, 189  Geerds, 190  Geerds, 191  Geerds, 192  Geerds, 193  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung, Einwilligung,

S. 139; ders., GA 1954, 262, 266. S. 137. S. 138. S. 138. S. 139. S. 139.



§ 1 Die Grundlegung durch Geerds55

IV. Zusammenfassung Geerds fordert eine „scharfe Trennung“194 zwischen Einwilligung und Einverständnis. Nur: Eine Begründung für die Durchführbarkeit dieser Trennung konnte seine Untersuchung nicht aufzeigen, da einerseits die Voraussetzung eines „entgegenstehenden Willenselements aus der Natur der Straftat“ nur vage und unbestimmt formuliert wurde und andererseits die konkrete Ermittlung dieser Voraussetzung in den Straftatbeständen fehlte oder sich als unzureichend bzw. teils oberflächlich erwies. Die Unterscheidung im Wesen beruht vor allem auf einer Gegenüberstellung von Tatbestands- und Unrechtsausschluss einerseits und von tatsächlichem und rechtsgeschäftsähn­ lichem Willen andererseits. Das Unrechtsverständnis von Geerds wird jedoch nicht hinreichend entfaltet und mit der historisch überholten Vorstellung vom Sittenverstoß begründet. Sein Verständnis von Bedeutung und Funktion des Tatbestands legt Geerds überhaupt nicht offen. Die Unterscheidung zwischen tatsächlichem und rechtsgeschäftsähnlichem Willen beruht letztendlich auf dieser nur unvollständigen und wenig überzeugenden Gegenüberstellung zwischen Tatbestand und Unrecht. Die Merkmale des Einverständnisses fasst Geerds auf dieser mangelhaften Grundlage zusammen: Das Einverständnis sei „rein tatsächlicher Natur“; es werde bedeutsam bei Strafgesetzen, die „das Merkmal invito laeso, den konkret entgegenstehenden Willen des Verletzten und damit ein gewisses Gewaltelement aufweisen“; seine Wirkung beruhe darauf, dass „der zustimmende Wille des vom Tatbestand als Angriffsobjekt beschriebenen Verletzten es zwangsläufig ausschließt, dass dessen Wille entgegensteht“; und schließlich genüge ein „natürlicher Wille“, der nicht „dem Täter bekannt zu sein braucht“.195 Damit sind aber die Untersuchungsergebnisse Geerds’ insgesamt für eine Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis nicht hilfreich. Geerds verschafft auch kein „lebendiges Bild von Wesen und der Bedeutung“ von Einwilligung und Einverständnis, indem er allgemeine Probleme des Strafrechts auswählt und an ihnen die Wirkung von Einwilligung und Einverständnis ermittelt.196 Das sind im Einzelnen: die Möglichkeit eines Versuchs, die Auswirkung eines Irrtums des Täters, der Einfluss von Sittenwidrigkeit, Arglist und Zwang, die Möglichkeit einer Konkurrenz von Einverständnis und Einwilligung sowie schließlich der Fall des agent provocateur.197

194  Geerds,

Einwilligung, Einwilligung, 196  Geerds, Einwilligung, 197  Geerds, Einwilligung, 195  Geerds,

S. 145. S. 140. S. 146. S. 146 f.

56

Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre Die Zweiteilungslehre ist „niemals grundlegend angegriffen worden und hat inzwischen als gesichertes Gedankengut Einzug in die meisten Lehrbücher und Kommentare des Strafrechts gefunden“. Zu diesem Fazit gelangte Dieter Kientzy bereits im Jahre 1970.198 Und an jenem Befund hat sich bis in die aktuelle Zeit wenig geändert, im Gegenteil: Die Terminologie hat sich durchgesetzt.199 In nahezu jedem Lehrbuch200, jedem Kommentar201, jeder Monografie202 und jedem Aufsatz203 darf, sobald die Zustimmung zur Sprache kommt, weder der Hinweis auf die Zweiteilung der Zustimmung noch auf deren Urheber fehlen.204 Es handelt sich bei der Arbeit von Geerds um eine der wirkmächtigsten im Bereich der Zustimmungsdogmatik und zugleich um eine, deren Thesen nur lückenhaft und wenig überzeugend begründet sind. Aufgrund dieser Diskrepanz richtet die Arbeit den Blick darauf, welche Rezeption die Thesen Geerds’ in der strafrechtlichen Literatur erfahren haben und ob sie weiter entwickelt wurden.205 198  Kientzy,

Einwilligung, S. 4. auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 28 f., allerdings noch vorsichtig mit „nahezu durchgesetzt“ formuliert. 200  Bockelmann, AT, S.  103 f.; Frister, AT, § 15 Rn. 1 ff.; Jakobs, AT, 7 / 104 ff.; Jescheck / Weigend, AT, S.  372 f.; Köhler, AT, S. 244; Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 655 f.; Kühl, AT, § 9 Rn. 25; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 31; Mitsch, Baumann / Weber /  Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 118 ff.; Murmann, AT, § 25 Rn. 118; Rengier, AT, § 23 Rn. 3; Roxin, AT I, § 13 Rn. 2; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 7 ff.; Wessels /  Beulke / Satzger, AT, Rn. 540. 201  Fischer, StGB, Vor § 32 Rn. 3b; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 96; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 29; Paeffgen / Zabel, NKStGB, § 228 Rn. 5; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 147; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 32; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 140. 202  Arzt, Willensmängel, S. 15; Braun-Hülsmann, Einwilligung, S. 41 f.; Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 4. Teil A. II. 2. (noch nicht veröffentlicht); Disput, Zustimmung, S. 46; Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 87; Göbel, Einwilligung, S. 13; Heinrich, Rechtsgutszugriff, S. 38 f.; Hinterhofer, Einwilligung, S. 10 f.; Kientzy, Einwilligung, S. 1 f., 4; Kußmann, Einwilligung, S. 332; M.-K. Meyer, Autonomie, S.  137 f., 178 f.; Murmann, Selbstverantwortung, S. 369; Neyen, Einwilligungsfähigkeit, S.  1 f.; Paul, Einwilligung, S. 81 f.; Rinck, Deliktsaufbau, S. 26, 28 m.  Fn. 11; Rönnau, Willensmängel, S. 12; Schlehofer, Einwilligung, S. 1; SternbergLieben, Einwilligung, S. 200 f.; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 5 f., 18; Zipf, Einwilligung, S. 13. 203  Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Frisch, Einwilligung, S. 321, 325 f.; Gropp, GA 2015, 5, 13; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135; ders., GA 2010, 490; Kühne, JZ 1979, 241; Küper, JZ 1990, 510, 511; Ludwig / Lange, JuS 2000, 446; Maiwald, Einwilligung, S. 165, 167 f.; Otto, Geerds-FS, S. 603, 604; Rönnau, Jura 2002, 595; Roxin, Noll-GS, S. 275, 276; Schmidhäuser, Geerds-FS, S. 593 f.; Zipf, RZ 1976, 192, 195. 204  Soweit erkennbar greift die Rechtsprechung jedoch nicht ausdrücklich auf Zweiteilungslehre zurück. 199  So



§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre57

I. Die Suche nach Kriterien für eine Zweiteilung Ein wesentliches Ergebnis in der kritischen Auseinandersetzung mit Geerds’ Thesen war, dass es an Kriterien für eine praktische Durchführung der Zweiteilung mangelt. Die vorgeschlagene Vorgehensweise das „invito laeso“ im gesetzlichen Tatbestand zu ermitteln, welches sich dort entweder ausdrücklich oder aus der Natur der Straftat ergeben soll, konnte Geerds selbst nur mit widersprüchlichen und unzureichend begründeten Ergebnissen einhalten. Wendet sich nun der Blick der seine Thesen rezipierenden strafrechtlichen Literatur zu, so lautet die Untersuchungsfrage, wie sie mit dieser grundlegenden Schwäche umgeht: Wie will die moderne Lehre die Abgrenzung des Einverständnisses von der Einwilligung vornehmen und hat sie weitere, ­Geerds’ Ausgangsthesen präzisierende Kriterien entwickelt? 1. Handeln gegen den Willen aufgrund des Tatbestands Nach einer der häufigsten Formulierungen soll ein Einverständnis überall dort vorliegen, wo ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten zum Tatbestand gehört.205 Für diese Umschreibung lassen sich noch verschiedene Ergänzungen finden: Zum einen wird in Bezug auf das Willenselement teilweise ergänzt, dass es um ein Handeln gegen oder ohne den Willen des Berechtigten geht.206 Zum anderen wird der Bezugspunkt des Willenselements verschieden bestimmt: Es könne entweder der Tatbestand ganz generell207 oder ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal208 oder die Tathandlung209 sein.

205  Frisch, Einwilligung, S. 321, 325 f.; Gropp, GA 2015, 5, 13; Heinrich, AT, Rn.  441 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 96; Kühne, JZ 1979, 241; Rengier, AT, § 23 Rn. 3. So auch Maiwald, Einwilligung, S. 165, 167 f. und Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 8, die jedoch zusätzlich auf den „verkörperten Deliktstypus“ bzw. das tatbestandliche Unrecht hinweisen, das dadurch begründet wird. 206  Heinrich, AT, Rn.  441 f.; Rengier, AT, § 23 Rn. 3. Beide Autoren meinen zudem, dass dieses Willenselement „begrifflich“ vorausgesetzt wäre. 207  Frisch, Einwilligung, S. 321, 325  f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 96; Kühne, JZ 1979, 241. 208  Heinrich, AT, Rn.  441 f.; Rengier, AT, § 23 Rn. 3; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 8; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 540. 209  Gropp, GA 2015, 5, 13; Maiwald, Einwilligung, S. 165, 167 f.; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 31, 39 lassen offen, ob ein bestimmtes Merkmal oder die Gesamthandlung Bezugspunkt ist.

58

Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

2. Handeln gegen den Willen aufgrund von Deliktscharakter oder Unrecht Statt auf den Tatbestand wird in anderen Darstellungen auf den „deliktischen Charakter“210, das „tatbestandliche Unrecht“211 oder das „typische Unrecht“212 abgestellt. Woraus sich das ergibt, wird dabei unterschiedlich betrachtet. Die Mehrzahl der Darstellungen geht entweder gar nicht darauf ein213 oder stellt auf die Gesetzesformulierung ab214. Nur vereinzelt wird darauf verwiesen, dass neben der Gesetzesformulierung noch andere Umstände in Betracht kommen: Wenn es um den deliktischen Charakter geht, so kann der sich „aus der besonderen Natur der Straftat“215 oder der „Natur der Sache“216 ergeben. Geht es um das typische Unrecht, so kann dieses auch aus dem „Sinn der Deliktsbeschreibung“217 ermittelt werden. Ohnehin wird auf die Frage, woraus sich die Willenswidrigkeit, der Deliktscharakter, das Unrecht, etc. ergeben soll, allzu oft nicht eingegangen, sondern vielmehr davon ausgegangen, dass es sich aus dem Tatbestand selbst ergibt.218 Nur wenige Darstellungen nennen einen weiteren Anknüpfungspunkt als den Tatbestand selbst. Kühl zufolge kann sich eine Willensverletzung entweder offenkundig oder sinngemäß, d. h. aufgrund einer Auslegung ergeben.219 Nach Frister setzen Straftaten mit Einverständnis schon in ihrer Deliktsbeschreibung ein Handeln gegen den Willen des Betroffenen voraus, was durch die Anwendung der Auslegungsmethoden auf die jeweilige Deliktsbeschreibung zu ermitteln ist.220 Ebenso ist nach Kindhäuser der Willensbruch als formales 210  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 656; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 31; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 540. Ähnlich auch Maiwald, Einwilligung, S. 165, 167 f.: In den Fällen des Einverständnisses ändere die Zustimmung den im Tatbestand verkörperten Deliktstypus, woran es bei der Einwilligung fehle. Den Deliktscharakter zieht Heinrich, AT, Rn. 441 f. ergänzend heran. 211  Murmann, AT, § 25 Rn. 121; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 8. 212  Jescheck / Weigend, AT, S.  372 f. 213  Maiwald, Einwilligung, S. 165, 167 f.; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 540. 214  Murmann, AT, § 25 Rn. 121; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 8, die jedoch zusätzlich die Fälle der Sozialadäquanz ausscheiden lassen wollen, wobei unklar bleibt, ob sie diese als Einverständnis einordnen. 215  Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 31. 216  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 656. 217  Jescheck / Weigend, AT, S.  372 f. 218  So auch für die eingangs aufgeführten Darstellungen, die allein auf die Willenswidrigkeit abstellen: Frisch, Einwilligung, S. 321, 325 f.; Gropp, GA 2015, 5, 13; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 96; Kühne, JZ 1979, 241; Rengier, AT, § 23 Rn. 3. 219  Kühl, AT, § 9 Rn. 25. 220  Frister, AT, § 15 Rn. 2.



§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre59

Element des Tatbestands ausformuliert oder aber durch Auslegung zu ermitteln.221 Dass das Einverständnis „im Grunde nur einen besonderen Fall der Auslegung“ bezeichnet, hat jüngst auch Brunhöber herausgearbeitet.222 Was die Frage angeht, wann typisches Unrecht vorliegen soll und wann nicht, wird vereinzelt mit den Kriterien von Normalität, Typizität und Sozialadäquanz versucht zu beantworten. So argumentieren Jescheck / Weigend, dass, wenn der das Unrecht der Deliktsart begründende Umstand in dem Widerspruch zu dem Willen des Verletzten liegt, sich die strafbare Handlung in einen normalen Vorgang verwandelt, der sich im Rahmen der überlieferten Sozialordnung befindet, wenn der Betroffene einverstanden ist. Die Folge sei, dass in diesen Fällen bei einer Zustimmung kein typisches Unrecht und damit keine tatbestandsmäßige Handlung vorliege. Dagegen sei bei einer Einwilligung das geschützte Rechtsgut selbst dann beeinträchtigt, wenn die Tat mit dem Willen des Berechtigten geschehe. Die Handlung sei gerade kein normaler Vorgang des Soziallebens, sondern führe zu einer vielleicht sogar schmerzlichen Einbuße, die der Träger des Rechtsguts hinzunehmen bereit sei. Da es hierbei jedoch nicht um die Verfügungsmacht des Berechtigten gehe, sondern um einen unabhängig davon geschützten Wert, sei die Zustimmung als Rechtfertigungsgrund zu behandeln.223 Ähnlich argumentieren auch Stratenwerth / Kuhlen, nach denen die Abgrenzung zwischen Einwilligung und Einverständnis nicht nur von der mehr oder minder zufälligen Fassung des gesetzlichen Tatbestands abhängen soll, sondern maßgeblich vielmehr die Gesamtheit der Umstände sind, welche die Einwilligung als normale Disposition über das Gut erscheinen lassen. In diesem Fall bestehe die Konsequenz, dass der Tatbestand bereits wegen Sozialadäquanz ausscheide.224 3. Handeln gegen den Willen aufgrund des geschützten Rechtsguts Andere Darstellungen wiederum differenzieren anhand des geschützten Rechtsguts. Stratenwerth / Kuhlen zufolge bildet bei Tatbeständen mit Einverständnis die Selbstbestimmung des Einzelnen das einzige Schutzobjekt, weshalb dort der Widerspruch gegen den Willen schon zur Begründung des tatbestandlichen Unrechts gehört.225 Ähnlich argumentiert auch Frisch: Bei den Tatbeständen mit Einverständnis werde nicht nur die Herbeiführung ei221  Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135; ders., AT, § 12 Rn. 33; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 190. 222  Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 4. Teil A. II. 2. (noch nicht veröffentlicht). 223  Jescheck / Weigend, AT, S.  372 f. 224  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 10. 225  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 8.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

nes bestimmten naturalistischen Erfolges, sondern eine wirkliche Beeinträchtigung des Interesses oder der Dispositionsbefugnis des Opfers in Bezug auf bestimmte Güter vorausgesetzt. Schließlich sei das Verhalten des Täters oftmals nichts weiter als der Ersatz für Zustandsveränderungen, die das Opfer selbst so nicht herbeiführen könne.226 4. Unterscheidung zwischen verhaltens- und objektsbezogener Autonomie Schmidhäuser nimmt der Sache nach eine ähnliche Unterscheidung vor, nur mit einem kleinen Unterschied: Der Wille des Betroffenen müsse in den Fällen des Einverständnisses als Tatobjekt – und hier liegt der Unterschied: eben nicht als Schutzgut – geschildert werden. Das sei bei allen Delikten der Fall, die eine Nötigung enthalten. Hier richte sich Tathandlung unmittelbar gegen den Willen. Der Täter mute dem widerwilligen Opfer eine gewisse Verhaltensweise zu. Verletzt werde nur die verhaltensbezogene Autonomie. Eine Rechtsgutsverletzung im Hinblick auf den Erfolgsunwert sei von vornherein ausgeschlossen. Daraus folge, dass ein Einverständnis ganz unmittelbar anschaulich die tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung ausschließe.227 Für die Einwilligung bleiben seiner Ansicht nach nur die Güter Besitz, Eigentum, überhaupt das Vermögen, die Privatsphäre, das Hausrecht, die körperliche Bewegungsfreiheit und das körperliche Wohlergehen.228 5. Unterscheidung nach dem Bezugspunkt der Zustimmung Mit dem Rechtsgut lässt sich auch anders argumentieren. So werden Samson zufolge einige Rechtsgüter nur gegen bestimmte Angriffsarten geschützt und beim Einverständnis geht es um genau solche Rechtsgüter. Hier setze die „im Tatbestand beschrieben Angriffsart ein Handeln gegen den Willen des Rechtsgutsinhabers“ voraus.229 Ähnlich ist auch der Ansatz von Zipf, der einen verschiedenen Bezugspunkt der Zustimmung ausmacht. Er gesteht einer Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis „insoweit Bedeutung zu, als es einzelne Tatbestandsmerkmale in verschiedenen Strafnormen gibt, die begrifflich bei einem Handeln in Übereinstimmung mit dem Rechtsgutsträger nicht erfüllt werden können“. Es handele sich um eine „Frage der Tatbestandssubsumtion“. Die Einwilligung hingegen beziehe sich „auf das strafrechtlich geschützte Gut als solches“. Das Problem sieht er gar nicht so 226  Frisch,

Einwilligung, S. 321, 325 f. Studienbuch, 5 / 110; ders., Lehrbuch, 8 / 127. 228  Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 121; ders., Lehrbuch, 8 / 130. 229  Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 36. 227  Schmidhäuser,



§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre61

sehr in der Unterscheidungsmöglichkeit als vielmehr darin, ob sich beide Institute „über ihren Bezugspunkt hinaus […] so wesentlich“ unterscheiden, dass eine verschiedene Einordnung in den Deliktsaufbau erforderlich ist.230 Die Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis erfolgt also nach dem Bezugspunkt der Zustimmung: Während es im Falle der Einwilligung das Rechtsgut ist, bezieht sich das Einverständnis nur auf ein Tatbestandsmerkmal. 6. Unterscheidung innerhalb der Einverständnisfälle In gleicher Weise argumentiert auch Kindhäuser: Während sich die Einwilligung auf die tatbestandsmäßige Gefährdung oder Verletzung des Rechtsguts beziehe, entfalle mit dem Einverständnis bereits begrifflich die Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals.231 Zwei Besonderheiten bestehen in Kindhäusers Dogmatik. Die erste betrifft die Konstruktion der Einwilligungs- und Einverständnisfälle. Nach seiner früheren232 Auffassung sind Einwilligung und mittelbare Täterschaft „spiegelbildliche Konstruktionen“: Während bei ersterer „der Täter fremdhändig für den Verletzten“ handele, agiere bei letzterer „der Verletzte fremdhändig für den Täter“. Beim Einverständnis passe dieses Verständnis jedoch nicht, da „der Verletzte die Handlung des Täters nicht selbst ausführen kann“. Kindhäuser spricht von „Delikten mit tatbestandlich vertypter unmittelbarer Täterschaft im Innenverhältnis von Täter und Opfer […], bei denen das Verhalten des Verletzten dem Täter nicht als eigenes zurechenbar ist“. Könne das Opfer die Handlung selbst nicht ausführen, dann könne sie auch nicht „von einem anderen für ihn vollzogen werden“. Kindhäuser nennt einige Beispiele, die dieses Verständnis verdeutlichen sollen: So wie „der Hausrechtsinhaber bereits begrifflich nicht in seine eigenen Räumlichkeiten eindringen“ könne, so könne der Besitzer „nicht seinen eigenen Gewahrsam brechen“. Entsprechendes gelte „für alle Delikte, deren Tathandlung in der Überwindung eines entgegenstehenden Opferwillens besteht: Man kann sich selbst nicht vergewaltigen“.233 Diese Betrachtung greift jedoch zu kurz und überzeugt nur auf den ersten Blick. So ist zwar die Feststellung, man könne sich selbst nicht vergewaltigen, zutreffend, aber der Begriff der Vergewaltigung bezeichnet nur ein Delikt bzw. 230  Zipf, Einwilligung, S. 28, 31. Später stellte Zipf selbst die Unterscheidbarkeit überhaupt in Zweifel, da keine „sachgerechten Differenzierungskriterien entwickelt worden“ sind, RZ 1976, 192, 195. 231  Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 34; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 191. 232  Kindhäuser breitete diese Gedanken 2004 in Rudolphi-FS, S. 135–149 aus, änderte seine Meinung jedoch in GA 2010, 491, 500 ff., vgl. dort auch Fn. 33. 233  Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 148.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

dessen Qualifikation, stellt also nicht die tatsächliche Tathandlung dar. Stellt man die Fragestellung auf die tatsächliche Tathandlung um, so darf man nicht danach fragen, ob man sich selbst vergewaltigen kann, sondern danach, ob es möglich ist, an sich selbst sexuelle Handlungen auszuführen. Und so wie man an sich selbst sexuelle Handlungen ausführen kann, so kann man seine eigenen Räumlichkeiten betreten und an seinen eigenen Sachen neuen Gewahrsam begründen. Um sein Ergebnis zu stützen, stellt Kindhäuser auf die allgemeine Deliktsbezeichnungen und nicht auf die tatsächliche Tathandlung ab: Die Handlung des Hausfriedensbruchs ist das Betreten der Räumlichkeiten, die des Diebstahls die Begründung neuen Gewahrsams und die der Vergewaltigung die Vornahme einer sexuellen Handlung. Und wenn diese Handlungen nun rein faktisch der Rechtsinhaber selbst vornehmen kann, dann kann er diese auch durch dritte Personen für sich vornehmen lassen und dann lässt sich Kindhäusers Verständnis von der Einwilligung genauso auf die herkömm­ lichen Fälle des Einverständnisses übertragen, womit eine Zweiteilung der Zustimmung gerade widerlegt und nicht begründet wäre. Diesen Aspekt einmal außen vor gelassen, besteht die zweite Besonderheit in Kindhäusers Dogmatik in einer Differenzierung bezüglich jenen Tatbestandsmerkmals, auf welches sich das Einverständnis bezieht. Daraus entwickelt Kindhäuser entsprechende Fallgruppen: Das Merkmal könne zunächst die Überwindung eines entgegenstehenden Opferwillens zum Gegenstand haben, wie etwa bei der Nötigung nach § 240 StGB oder der Freiheitsberaubung nach § 239 StGB. Geschützt werde hier die Freiheit der Willensbildung oder -betätigung. Ferner könne das einverständnisrelevante Tatbestandsmerkmal die Veränderung einer faktischen Position betreffen. Hierfür stehe exemplarisch der Gewahrsamsbruch beim Diebstahl nach § 242 StGB. Schließlich könne sich das Tatbestandsmerkmal auch auf den Eingriff in eine Rechts­ position beziehen, wie etwas beim Hausfriedensbruch nach § 123 StGB.234 Als Ergebnis hält Kindhäuser fest, dass Einverständnis und Einwilligung nicht als konträres Begriffspaar, sondern als Bezeichnungen für funktional unterschiedliche Formen der Zustimmung mit jeweils tatbestandsausschließender Wirkung zu begreifen sind.235 Seiner Meinung nach sind beide Zustimmungsformen normativ gleichwertig, können jedoch formal abgegrenzt werden und erfüllen verschiedene Funktionen. Die erste von Kindhäusers Fallgruppen ist auch in der Darstellung bei Mitsch zu finden: Ein Einverständnis liege danach bei Straftatbeständen vor, deren Schutzgut die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung das 234  Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 36 ff.; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 194 ff.; dem folgend Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 4. Teil A. II. 2. (noch nicht veröffentlicht). 235  Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 137.



§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre63

alleinige oder eines der Rechtsgüter seien. Letztendlich seien das alle Tat­ bestände mit Nötigungskomponenten. Als Beispiele werden die §§ 240, 177, 239 [sic!], 249, 253 StGB aufgezählt. Die zwei weiteren Fallgruppen gewinnt Mitsch dann schlicht aus der gesetzessprachlichen Beschreibung, die entweder ausdrücklich auf ein Handeln gegen den Willen abstellt oder bei der die Willensbruchkomponente durch Auslegung sichtbar wird.236 Aus ausschließlich den letzten beiden Fallgruppen besteht die Systematisierungsbemühung von Otto: Einerseits könne ein Einverständnis bei den Delikten angenommen werden, deren tatbestandsmäßige Handlung sich materiell gegen den Willen des Betroffenen richte, und andererseits bei den Delikten, in denen der Willensbruch als begrifflich-formales Element des gesetzlichen Tatbestands ausdrücklich ausformuliert sei oder sich aus der Auslegung des Tatbestands ergebe. Letzterer Konstellation verleiht Otto die Bezeichnung als „formale Willensbruchdelikte“. Das seien diejenigen Delikte, bei denen die Verletzung eines real entgegenstehenden Willens begrifflich-formale Voraussetzung des objektiven Tatbestands sei. Als Beispiele nennt Otto die §§ 123 I Alt. 1, 242, 177, 178, 237 Alt. 2 und Alt. 3 a. F., 240, 249, 250 StGB.237 7. Drei- statt Zweiteilung Schließlich ist auch der Vorschlag von Jakobs zu nennen, der nicht nur zwei, sondern drei Zustimmungsformen unterscheidet: Einverständnis, tatbestandsausschließende Einwilligung und rechtfertigende Einwilligung.238 Die Einteilung richtet sich danach, ob es sich um zur willkürlichen Disposition geschützte Güter oder zur Disposition stehende Güter – entweder als Entfaltungsmittel oder als Basis von Entfaltung überhaupt – handelt. Ein Einverständnis liegt Jakobs zufolge bei „zur willkürlichen Disposition“ ihres Inhabers geschützten Gütern vor.239 Aber auch „außerhalb des Bereichs des Einverständnisses schließt die Einwilligung in die Verletzung von Gütern, die dem Inhaber zu seiner Disposition stehen, den Tatbestand aus […], aber nur in dem Maß in dem sie Entfaltungsmittels sind […] und nicht Basis von Entfaltung überhaupt“.240 Wenn das „betroffene Gut keine Tauschfunktion hat, also nicht Entfaltungsmittel ist“, dann komme eine rechtfertigende Einwilligung in Betracht.241 Der Unterschied bestehe darin, dass nicht mehr „die 236  Mitsch,

Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 119. Geerds-FS, S. 603, 604 ff.; vgl. auch ders., AT, § 8 Rn. 123 f. 238  Dem folgend: Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 4. Teil A. II. 1. (noch nicht veröffentlicht). 239  Jakobs, AT, 7 / 104. 240  Jakobs, AT, 7 / 111. 241  Jakobs, AT, 7 / 112. 237  Otto,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

Willkür des Einwilligenden für den Eingriff […] hinreichender (rechtlicher anerkannter) Handlungsanlaß ist“, sondern der Eingriff „auch nach allgemeinem Urteil veranlaßt sein“ müsse.242

II. Die Bewertung der Kriterien Diese Übersicht bestätigt zunächst einmal das Ergebnis, dass die Zweiteilung der Zustimmung in der Strafrechtslehre bis heute vollzogen wird und insofern gefestigtes Gedankengut ihrer Dogmatik ist. Die Ausgangsfrage dieses Kapitel war jedoch, ob es der modernen Lehre gelungen ist, die Thesen Geerds’ weiterzuentwickeln und zu präzisieren. Um keine Weiterentwicklung, ja im Vergleich zu Geerds um einen Rückschritt, handelt es sich bei der in der Literatur häufig vorzufindenden Beschreibung des Einverständnisses als einen Fall, bei dem das Handeln gegen den Willen zum Tatbestand gehöre. Denn damit wird nur das Ergebnis präsentiert, nicht aber der zu diesem Ergebnis führende Weg beschrieben. Immerhin erkannte Geerds, dass das Gesetz oftmals überhaupt keine Aussage zu einem Willenselement trifft, sodass er die Natur der Straftat als entscheidender als den bloßen Wortlaut ansah. Auf welchem Wege man zu einer Einordnung als Einverständnis gelangt, ist damit zwingend zu benennen, weil es eben – bis auf die gegenwärtigen §§ 248b I, 177 I StGB – keine Tatbestände gibt, die das Willenselement in ihrer gesetzlichen Formulierung nennen. Es ergibt sich nicht selbstverständlich aus einem bloßen Blick ins Gesetz. An der Rückschrittlichkeit dieser Literaturbeschreibung ändern auch die verschieden vorgeschlagenen Ergänzungen nichts, im Gegenteil, sie lassen Unklarheit darüber entstehen, worauf der Wille bezogen sein soll: Ist es nur die Tathandlung oder irgendein Tatbestandsmerkmal oder vielleicht sogar der gesamte Tatbestand? Die Autoren scheinen sich darüber nicht im Klaren zu sein. Ebenso wenig darüber, ob ein Handeln ohne den Willen genügt oder ein Handeln gegen den Willen erforderlich ist, geschweige denn darüber, ob und welcher Unterschied zwischen beiden Formulierungen besteht, weshalb beide einfach gleichgesetzt werden. Dass nun eine andere Ansicht in der Literatur auf den deliktischen Charakter oder das tatbestandliche bzw. typische Unrecht abstellen will, wird unter jenem Aspekt verständlich, dass der Tatbestand sich selbst nicht zu einer Willenswidrigkeit äußert. Freilich hat diese Ansicht zu kämpfen, eine Beschreibung dafür zu finden, was denn eigentlich der deliktische Charakter oder das typische Unrecht sein soll. Insbesondere müsste diese Ansicht he­ rausarbeiten, dass Deliktscharakter und Unrecht in den jeweiligen Fällen von 242  Jakobs,

AT, 14 / 9.



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Einverständnis und Einwilligung verschieden sind. Auf letzteres Problem wird aber nicht eingegangen und auf ersteres nur von einigen Autoren, jedoch wenig überzeugend, wenn es darum geht, Geerds’ Thesen weiterzuentwickeln und zu präzisieren. Der Hinweis auf die Gesetzesformulierung kann nicht weiterführen, da sich der Gesetzeswortlaut gerade nicht zur Willenswidrigkeit äußert. Und der Hinweis auf die Natur der Straftat bzw. Sache ist mit der Umschreibung von Geerds letztlich gleich. Diejenigen, die speziell auf das typische Unrecht abstellen, versuchen mit nicht minder unbestimmten Kriterien zu arbeiten, wenn sie untersuchen, was normal oder sozialadäquat ist und was nicht.243 Mit der Beantwortung der Frage, was ein normaler Vorgang des Soziallebens ist, kann kaum versucht werden, eine die prägnante Trennung zweier vermeintlich wesensverschiedener Institute erfordernde Dogmatik aufzubauen. Das zeigt sich insbesondere dann, wenn auf subjektive Kriterien wie „schmerzhafte Einbuße“244 oder Empfinden von „Leiden“245 abgestellt wird. Eine dogmatische nachvollziehbare Abgrenzung kann nicht anhand subjektiver Empfindlichkeiten vorgenommen werden. Worauf es allein ankommen kann, haben die Autoren erkannt, die das Problem der Abgrenzung zwischen Einwilligung und Einverständnis als eines der Auslegung einordnen.246 Die Frage bleibt nur, was auszulegen ist. Während eine Ansicht auf die Deliktsbeschreibung abstellt, also schlicht den Wortlaut, will sich eine andere Ansicht auf das Rechtsgut konzentrieren. Freilich ist die Behauptung, dass in den Fällen des Einverständnisses die Selbstbestimmung des Einzelnen das einzige Schutzobjekt bildet,247 schnell widerlegt, betrachtet man die klassischen Fälle von Hausfriedensbruch und Diebstahl, in denen geschütztes Rechtsgut das Hausrecht bzw. das Eigentum ist, also gerade nicht die Selbstbestimmungsfreiheit an sich, sondern – soviel könnte noch zugestanden werden – nur in Bezug auf eine geschützte räumliche Sphäre bzw. Sache. Der einzige Tatbestand, der ausschließlich die 243  Vgl. zur Kritik auch Roxin, Amelung-FS, S. 269, 278 f.: Die im Rahmen der gesetzlich gewährten Dispositionsfreiheit getroffenen Dispositionen seien immer normal und sozialadäquat und unterlägen jedenfalls keiner Bewertung als unrechtstypisch, da sich das Strafrecht sonst unzulässigerweise in die Dispositionsfreiheit des Rechtsgutsträgers einmischen würde; das Prinzip des generellen Tatbestandsausschlusses kraft Einwilligung sei darüber hinaus weitaus präziser als das vage Kriterium der Sozialadäquanz. Vgl. zur Unbestimmtheit der Lehre von der Sozialadäquanz ders., Klug-FS, S. 303 ff. 244  Jescheck / Weigend, AT, S.  372 f. 245  Amelung / Lorenz, Otto-FS, S. 527, 531; vgl. auch Amelung, ZStW 2003, 710, 715. 246  Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 4. Teil A. II. 2. (noch nicht veröffentlicht); Frister, AT, § 15 Rn. 2; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135; ders., AT, § 12 Rn. 33; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 190; Kühl, AT, § 9 Rn. 25. 247  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 8.

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Selbstbestimmungsfreiheit schützt, ist die Nötigung. Insofern räumt Schmidhäuser diesem Delikt zutreffend eine Art Sonderstellung ein. Dennoch hilft seine vorgeschlagene Unterscheidung danach, ob die verhaltensbezogene oder die objektbezogene Autonomie geschützt wird, für die Zweiteilung der Zustimmung nicht weiter, jedenfalls nicht für eine Zweiteilung, wie sie von Geerds und der ihm folgenden herrschenden Lehre verstanden wird. Denn in den klassischen Fällen eines Einverständnisses, also bei Hausfriedensbruch und Diebstahl, ist die Autonomie auf ein Objekt bezogen, die geschützte räumliche Sphäre oder der körperliche Gegenstand. Und auch beim unbefugten Fahrzeuggebrauch bezieht sich die Autonomie des Fahrzeugberechtigten auf ein Objekt, nämlich das Fahrzeug. Der Ansatz Schmidhäuser kann damit die von der herrschenden Lehre vorgenommene Zweiteilung nicht erklären. Ebenfalls mit dem Rechtsgut argumentierten Zipf und Kindhäuser, wenn auch in eine etwas andere Richtung. Der Unterschied beider Institute liegt nach ihrer Ansicht im jeweils verschiedenen Bezugspunkt der Zustimmung: Bei der Einwilligung ist es das Rechtsgut, beim Einverständnis lediglich die Tathandlung. Die weitere Differenzierung Kindhäusers überzeugt jedoch nicht. Soweit der Gegenstand des Tatbestands der Wille des Opfers selbst ist, drückt das nichts anderes aus, als was Schmidhäuser als die verhaltensbe­ zogene Autonomie und Stratenwerth / Kuhlen als das einzige Schutzobjekt des jeweiligen Tatbestands bezeichnet haben. Gemeint sind damit letztlich aber immer Fälle der Nötigung. Interessanter – wenn auch im Ergebnis nicht überzeugend – erscheint die Unterscheidung Kindhäusers danach, ob durch das Täterhandeln eine bloß faktische Position verändert oder aber in eine rechtliche Position eingegriffen wird. Die Frage ist jedoch, ob eine prägnante Unterscheidung zwischen faktischen und rechtlichen Positionen durchführbar ist. Die Wegnahme einer Sache bei § 242 StGB soll laut Kindhäuser nur der Eingriff in eine faktische Position sein, das Eindringen in eine geschützte räumliche Sphäre bei § 123 StGB dagegen der Eingriff in eine rechtliche. Kindhäuser gibt diese Einordnungen nur beispielhaft und begründet sie nicht weiter. Das aber schwächt das Verständnis für seine Abgrenzung. So könnte beim Diebstahl auch eine rechtliche Position angenommen werden, immerhin wird das Eigentum an einer Sache geschützt und das Eigentum ist eine rechtliche Institution. Und umgekehrt könnte die geschützte räumliche Sphäre rein faktisch verstanden werden, denn Wohnungen oder Geschäftsräume sind eher tatsächlicher als rechtlicher Natur. Aber nicht nur, dass Kindhäusers vorgeschlagene Abgrenzung so unsicher durchzuführen ist, wie es auch der Zweiteilungslehre vorzuhalten ist, vor allem verbirgt sich dahinter der gleiche Gedankengang, der als Leitgedanke bereits Geerds’ Arbeit trug: die Gegenüberstellung zwischen faktischer Natur des Einverständnisses und rechtlicher Natur der Einwilligung. Das dürfte



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auch der Anlass sein, warum Kindhäuser den Eingriff in eine rechtliche Position zwar als Fall des Einverständnisses bewertet, aber hierfür die gleichen Voraussetzungen wie für die Einwilligung ansetzt.248 Der Grund dahinter kann nur darin liegen, dass es in beiden Fällen um etwas Rechtliches geht. Letztendlich verbirgt sich hinter dieser Fallgruppenbildung die Intention, einige Fälle des Einverständnisses denen der Einwilligung zuzuschlagen. Das ist weder mit der Geerds-Doktrin vereinbar, da nach dieser das Einverständnis stets rein faktischer Natur ist, noch befindet es sich mit der herrschenden Lehre im Einklang, denn diese ordnet gerade den Hausfriedensbruch als den klassischen Fall eines Einverständnisses ein, wohingegen Kindhäuser ihn zumindest in den Voraussetzungen parallel zu denen der Einwilligung behandeln müsste. Dass damit die funktionale Verschiedenheit beider Zustimmungsformen ersichtlich geworden ist, ist auch nicht einsehbar, sodass der Ansatz insgesamt nicht überzeugt. Die von anderen Autoren vorgeschlagenen Fallgruppenbildung innerhalb der Einverständnisfälle fügt den von Geerds gebildeten Ansätzen ebenso wenig hinzu. Dass ein Einverständnis in den Nötigungsfällen in Betracht zu ziehen ist, sodass § 240 StGB eine Art Sonderstellung einnimmt, wurde bereits bei den oben genannten Autoren dargestellt. Ebenso wenig neu ist die Erkenntnis, zwischen Tatbeständen mit ausdrücklichem Willenselement und solchen Tatbeständen, bei denen sich das Willenselement erst durch Auslegung ergibt, zu unterscheiden. Das gilt genauso für Ottos Ansatz, zwischen formalen und materiellen Willensbruchdelikten zu unterscheiden. Doch ist das größte Problem hier nicht die fehlende Weiterentwicklung der Dogmatik, sondern der verfehlte Bedeutungsgehalt, welcher der jeweiligen Bezeichnung vom Willensbruchdelikt zugemessen wird. Denn Otto bezeichnet solche Tatbestände als formale Willensbruchdelikte, bei denen sich der Willensbruch als begrifflich-formales Element entweder ausdrücklich oder aufgrund einer Auslegung ergibt, und stellt diese den materiellen Willensbruchdelikten gegenüber, bei denen sich die Handlung materiell gegen den Willen richtet. Wenn sich aber ein Element erst durch eine Auslegung ergibt, weil es sich nicht bereits aus Lektüre des Gesetzes erschließt, dann kann dieses Element nicht rein formal sein! Formal kann in diesem Zusammenhang nur so verstanden werden, dass das Gesetz das Erfordernis eines Handelns gegen den Willen selbst bestimmt. Da das Strafgesetz aber eine solche Bestimmung für die überwiegende Anzahl der Delikte nicht vornimmt, ist eine Auslegung erforderlich. Und Auslegung ist alles, aber kein rein formaler Akt. Für die Fälle des Einverständnisses, die Otto als Beispiele formaler Willensbruchdelikte aufführt, kann sich jenes Willenselement nur aufgrund einer Auslegung ergeben, weshalb seine Einordnung unzutreffend ist. Richtiger erschiene es, 248  Kindhäuser,

LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 202 f., 210 ff.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

sie auf Grundlage seiner Systematisierungsbemühung als materielle Willensbruchdelikte einzuordnen. Nur bleibt dann die Frage offen – und Otto geht auf sie nicht ein –, was denn eigentlich „materiell“ bedeutet. Damit wird letztendlich Geerds’ Leerformel von der Natur der Straftat durch eine andere Leerformel ersetzt. Worauf es ankommt, welche Kriterien und Prinzipien relevant sind, bleibt weiterhin ungeklärt. Abschließend ist noch auf den Vorschlag Jakobs’ einzugehen, eine Dreistatt Zweiteilung vorzunehmen. Wenn es schon an Kriterien für eine Zweiteilung der Zustimmung mangelt, dann ist nicht erkennbar, wie dieser Mangel dadurch überwunden werden kann, dass zusätzlich eine weitere Gegenüberstellung zu einer dritten Institution vorgenommen wird. Die Gegenüberstellung von Einverständnis und Einwilligung – gleich ob letztere tatbestandsausschließend oder rechtfertigend ist – fügt den bereits vorstellten Ansätzen keinen neuen Ansatz hinzu, denn der Sache nach unterscheidet Jakobs nach dem Schutzgegenstand und fragt danach, ob die Disposition, also die Selbstbestimmung, selbst geschützt ist – dann Einverständnis –, oder aber ein Gut, das lediglich zur Disposition steht, also ein Gut, das nicht die Selbstbestimmung selbst ist, sondern über das nur selbstbestimmt verfügt werden darf – dann Einwilligung. Die Unterscheidung für letztere danach, ob das Gut noch Entfaltungsmittel oder aber schon Basis von Entfaltung überhaupt ist, verkompliziert die Dogmatik ohne ersichtlichen Mehrgewinn. Letztlich ist es wohl Jakobs’ Bestreben für gravierende Eingriffe in ein Gut, bei denen das Gut droht, verloren zu gehen und entsprechend in Zukunft überhaupt nicht mehr eingesetzt werden zu können, höhere Anforderungen zu stellen, indem er sie nicht mehr nur der Willkür des Einzelnen unterstellt, sondern auf ­allgemeine Bewertungsmaßstäbe der Rechtsordnung zurückgreift. Letzteres Ziel ist zu begrüßen, lässt sich aber einfacher als mit einer Dreiteilung der Zustimmung durch die Unwirksamkeit der Zustimmung lösen; so wie es auch gesetzliche Realität in den §§ 216, 228 StGB ist. Es bleibt noch eine bislang offen gelassene Frage zu klären: Ist die Unterscheidung zwischen Einverständnis und Einwilligung eine Unterscheidung nach dem Bezugsgegenstand der jeweiligen Zustimmungsart: Tatbestandsmerkmal beim Einverständnis und Rechtsgut bei der Einwilligung? Eine ­unvoreingenommene Beantwortung der Frage verlangt, die verschiedene deliktssystematische Einordnung der jeweiligen Zustimmungsart auszublenden. Denn es geht darum, das Vorliegen zwei verschiedener Zustimmungsarten zu begründen, weshalb man nicht sogleich auf das erst noch zu begründende Ergebnis zurückgreifen darf. Daher lässt sich die Frage nicht damit bejahen, dass die Einwilligung einen Rechtfertigungsgrund darstellt, weshalb sie sich, anders als Einverständnis, überhaupt nicht auf ein Merkmal des Tatbestands beziehen kann. Aber ein solches zirkuläres Argumentationsmuster liegt dem nach dem Bezugsgegenstand differenzierenden Ansatz zugrunde. Während



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der Bezugsgegenstand beim Einverständnis tatbestandsbezogen sein müsste, weil sich dessen Relevanz schließlich aus dem Tatbestand selbst ergäbe, müsste er bei der Einwilligung rechtsgutsbezogen sein, weil die Relevanz der Einwilligung sich nicht aus dem Tatbestand ergäbe, sondern mit dem Individualbezug des geschützten Rechtsguts begründet werden müsste. Insoweit hat die Fokussierung auf das richtige Rechtsgutsverständnis, der wesentlichste Argumentationstopos der bisherigen Kritik an der Zweiteilungslehre,249 einen gewichtigen Beitrag zur Zementierung der Zweiteilung geleistet: Denn je mehr sich die Diskussion um den Zusammenhang zwischen Rechtsgut und Einwilligung drehte, desto klarer schien die Abgrenzung zum Einverständnis hervorzutreten. Praktisch dadurch, dass eine Rechtsgutsdiskussion für das Einverständnis nicht stattfand, sodass sich leicht vertreten ließ, das Einverständnis habe keinen Bezug zum Rechtsgut, sondern nur zum Tatbestand und das wäre eine reine Subsumtionsfrage des Besonderen Teils. Dass das nicht stimmen kann, ergibt sich schon für die Fälle der Nötigung: Dort soll einerseits die Selbstbestimmungsfreiheit das geschützte Rechtsgut sein und andererseits ein Einverständnis vorliegen, weil der Wille selbst geschützt sei. Dann aber müsste sich doch in diesem Fall die Zustimmung in Form des Einverständnisses auf das Rechtsgut beziehen. Dem könnte man entgegnen, dass die Selbstbestimmung nicht Bezugspunkt der Zustimmung ist, sondern die Zustimmung die Ausübung der Selbstbestimmung darstellt. Das aber würde nicht erklären, warum diese Zustimmung als Ausübung eines Rechtsguts von einer Zustimmung zu differenzieren sein sollte, die sich nur auf ein Rechtsgut bezieht. Entscheidender gegen eine Unterscheidung nach dem Bezugspunkt der Zustimmung spricht aber etwas anderes: Es wird nur behauptet, der Gegenstand der Zustimmung bei einer Einwilligung wäre das Rechtsgut, aber es fehlt an einer Begründung hierfür. Und das überrascht kaum, denn verkennt diese Ansicht einen wichtigen Mechanismus: Die Zustimmung der strafrechtlich geschützten Person führt dazu, dass ein Rechtsgut nicht verletzt ist, aber die Folge – keine Rechtsgutsverletzung – darf nicht mit deren Voraussetzungen verwechselt werden. An einem einfachen Beispiel für die Körperverletzung erklärt: Wenn jemand seine Einwilligung erteilt, eine Ohrfeige zu erhalten, dann ist Gegenstand seiner Einwilligung eben jene Ohrfeige bzw. etwas ausführlicher: das Ausholen mit der Hand des Täters und dem Auftreffen der Hand auf das Ohr des Einwilligenden. Wo sollte hier der Bezugsgegenstand das Rechtsgut der körperlichen Integrität sein? Was jene Ansicht eigentlich meint: Die Einwilligung führt dazu, dass der Einwilligende nicht in seiner körperlichen Integrität verletzt ist. Und inso249  Siehe

dazu unten S. 116 ff.

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

weit besteht natürlich ein Bezug zum Rechtsgut der körperlichen Integrität und diese ist – und muss auch – in der Einwilligungserklärung enthalten sein: Wer einwilligt, der Täter möge ihm leicht ins Ohr pusten, der willigt nicht zu einen Schlag auf sein Ohr ein, disponiert also nicht über seine körperliche Integrität. Dennoch ist der Gegenstand der Einwilligung nicht das Rechtsgut selbst, sondern die Handlung des Täters, mit welcher dieser in das Rechtsgut eingreift! Aber diese Struktur liegt ebenso den diskutierten Fällen des Einverständnisses zugrunde: Wer einen Gast zu sich in die Wohnung einlädt, erklärt seine Zustimmung mit dem Betreten seiner geschützten Räumlichkeit, also einem Handeln des Täters – das Betreten –, mit dem dieser in das geschützte Rechtsgut – das Hausrecht – eingreift. Es liegt beiden Fällen der Zustimmung also eine identische Struktur zugrunde: Der Zustimmende erklärt sich einverstanden mit dem Handeln des Täters, wodurch eine Verletzung des jeweils betroffenen Rechtsguts ausgeschlossen ist. Wenn die Ansicht dennoch einen Unterschied zwischen verschiedenen Zustimmungsformen anhand eines unterschiedlichen Bezugsgegenstands feststellen will, dann müsste sie zwei Umstände begründen: Erstens dürften die Fälle des Einverständnisses keinen Bezug zum jeweiligen Rechtsgut aufweisen und zweitens müssten umgekehrt die Fälle der Einwilligung ohne Bezug zum Handeln des Täters sein. Erst wenn diese beiden Umstände begründet sind, und zwar ohne die von Geerds unzureichend begründeten Thesen heranzuziehen, wäre eine Verschiedenheit belegt, die es lohnen könnte, über eine Zweiteilung der Zustimmung nachzudenken. An einer solchen Ausarbeitung fehlt es aber, sodass auch diese Ansicht nicht überzeugt.

III. Zweierlei Arten der Zustimmung mit zweierlei Voraussetzungen Die Arbeit hat gezeigt, dass die von Geerds begründete Zweiteilung der Zustimmung bis heute fortwirkt und dass die Strafrechtswissenschaft weitgehend seine Kriterien übernimmt, ohne sie weiterzuentwickeln. Die Arbeit wendet sich nun einer weiteren Fragestellung zu: Angenommen es könnte zwischen Einwilligung und Einverständnis unterschieden werden – was nach den bisher erzielten Ergebnissen zu bezweifeln ist –, dass also eine Zweiteilung der Zustimmung möglich wäre: Würde aus dieser begrifflich-systematischen Zweiteilung auch eine Zweiteilung der jeweiligen Voraussetzungen folgen? Geerds bejaht diese Frage nicht nur, sondern diese Überlegung war sogar sein ausschlaggebendes Motiv zur Vornahme der strikten Trennung von Einwilligung und Einverständnis.250 250  Siehe

dazu oben S. 19.



§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre71

Wer nun eine Auswahl an Stimmen aus der Strafrechtslehre vernimmt, der kann den Eindruck gewinnen, dass einer inhaltlichen Zweiteilung nicht die gleiche Gefolgschaft wie der begrifflich-systematischen zuteil wird. So deuten Maurach / Zipf aufkommende Zweifel in der Lehre an, ob sich die Fälle des Einverständnisses wirklich auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen lassen und werden dann deutlich: Entgegen der herrschenden Meinung könne das Einverständnis keinen gemeinsamen Regeln unterstellt werden.251 Zu gleichem Urteil kommen auch Stratenwerth / Kuhlen: Jede schematische Lösung habe sich als unangemessen erwiesen.252 Und auch für Kindhäuser sind Verallgemeinerungen nicht möglich. Beim Einverständnis hänge die Ausgestaltung des Willens vom jeweiligen Tatbestand ab, es beruhe nicht auf einem allgemeinen Zurechnungsprinzip, woraus sich auch der Unterschied zur Einwilligung ergebe.253 Dass der Ausschluss des Tatbestands aus der jeweiligen Deliktsbeschreibung resultiert, ist auch nach Frister der Grund, warum das Einverständnis kein einheitlichen Regeln unterworfenes Institut des Allgemeinen Teils ist, sondern die Voraussetzungen immer für das jeweilige Delikt und damit im Besonderen Teil zu bestimmen sind.254 Sternberg-Lieben wendet sich mit ähnlicher Argumentation gegen die Aufstellung verschiedener Anforderungen an Einwilligung und Einverständnis: Die deliktsystematische Einordung der jeweiligen Zustimmungsform könne angesichts „fehlender Wertverschiedenheit von Tatbestand und Rechtswidrigkeit […] nicht darüber entscheiden, welche sachlichen Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Zustimmung zu stellen sind“.255 Die Rechtsfolge des Einverständnisses, also der Ausschluss des Tatbestands, ist damit ein wesentlicher Argumentationstopos gegen die Aufstellung allgemeiner Voraussetzungen. Aber zum Teil widersprechen sich die auf diese Argumentation zurückgreifenden Autoren in ihren Ausführungen. Exemplarisch hierfür Sternberg-Lieben: Zwar fehle es der verschiedenen systematischen Einordnung an „relevanten Auswirkungen“256, aber dennoch 251  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 31; vgl. auch Zipf, Einwilligung, S. 15, dessen „Unbehagen“ – zusätzlich zur schweren praktischen Durchführbarkeit – angesichts eines einheitlichen und eigenen Regeln unterworfenen Rechtsinstituts Einverständnis wächst. Vgl. auch Jescheck / Weigend, AT, S. 374, die Streit über die Möglichkeit einer Aufstellung allgemeiner Grundsätze zu den Voraussetzungen eines wirksamen Einverständnis konstatieren. Für eine einzelfallbezogene Bestimmung der Voraussetzungen des Einverständnisses auch Murmann, Selbstverantwortung, S. 376 m. Fn. 229. 252  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 11 f. 253  Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 149. 254  Frister, AT, § 15 Rn. 3. 255  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 59. Deshalb bestehen auch keine praktische Konsequenzen oder relevante Auswirkungen, ders., Einwilligung, S. 71 f. 256  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 72.

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müssten beide Erscheinungsformen „im Hinblick auf Art. 103 II GG auseinander gehalten werden“. Wer Anforderungen zum Einverständnis aufstellen will, der muss beachten, dass eine „wertende Grenzziehung […] ihre unübersteigbare Schrank am Wortlaut der einschlägigen Strafvorschrift finden“ müsste.257 Aber damit ergeben sich dann gerade doch gravierende Unterschiede aus der verschiedenen deliktssystematischen Einordnung. Einmal sind verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten und einmal nicht. Neben diesem Rückschluss aus der tatbestandlichen Einordnung, richtet sich ein weiterer Argumentationsstrang gegen die vermeintlich tatsächliche Natur des Einverständnisses. Nach Maurach / Zipf kann mit einem solchen Hinweis nicht die fehlende Relevanz von Einsichtsfähigkeit oder etwaigen Irrtümern behauptet werden. Denn die Frage, ob ein bestimmtes Merkmal bei einer Zustimmung nicht erfüllt werden könne, richte sich ganz nach der Funktion des jeweiligen Tatbestands und der Bedeutung des angesprochenen Merkmals innerhalb desselben. Das Einverständnis sei nicht als eigenes, selbstständigen Regeln folgendes Rechtsinstitut anzuerkennen, sondern sei lediglich eine Erscheinungsform der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen. Dabei gehe es um die Ermittlung, ob das jeweilige Merkmal bei einem zustimmenden Verhalten des betroffenen Rechtsgutsträgers erfüllbar sei und welche Anforderungen jeweils an die Zustimmung zu stellen seien. Dogmatisch gesehen gehe es beim Einverständnis um ein reines Subsumtionsproblem. Diese Fälle seien von der auf die Gesamthandlung bzw. das preisgegebene Rechtsgut bezogenen Einwilligung zu unterscheiden, da hier die Zustimmung nicht auf ein bestimmtes Merkmal ausgerichtet sei und dessen Erfüllung nicht zulasse. Für die Einwilligungsfälle ließen sich sehr wohl gemeinsame Regeln aufstellen, für die nur die „Rechtsgüterverschiedenheit“ eine Grenze bilde.258 Somit bestehen nach dieser Ansicht unterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen: Für das Einverständnis sind diese tatbestandsbedingt für den Einzelfall zu bestimmen, für die Einwilligung allgemein rechtsgutsbezogen.259 Das kann aber durchaus als eine Zweiteilung der Zustimmungsvoraussetzungen gewertet werden, nämlich danach differenzierend, ob die Voraussetzungen durch den Tatbestand oder durch das Rechtsgut bedingt sind. Und 257  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 73 f. Konkrete Schlussfolgerungen zieht er dann für die Ablehnung von Verfügungsschranken beim Einverständnis, Einwilligung, S.  200 ff. 258  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 39 ff.; Zipf, Einwilligung, S. 17 f., 20, 31. 259  Besonders relevant wird diese Unterscheidung dann bei der Täuschung durch den Eingreifenden: Hier spricht Zipf im Falle einer Einwilligung dieser jede Wirksamkeit ab, im Falle des Einverständnisses ist es hingegen „allein eine Frage der Auslegung des betroffenen Tatbestandsmerkmals aus Sinn und Reichweite der jeweiligen Strafnorm“, Einwilligung, S. 45.



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eine solche Gegenüberstellung, wie sie bei Maurach / Zipf anklingt, ist nicht unumstritten: Denn nach anderer Ansicht ist zur Bestimmung der Voraussetzungen des Einverständnisses im Einzelfall neben dem Tatbestand auch das Rechtsgut heranzuziehen.260 Die Uneinigkeit betrifft also nicht die Feststellung, dass es in jedem Fall auf den jeweiligen Tatbestand ankommt, sondern die Frage, welche Rolle jenem Rechtsgut zukommt, welches Maurach /  Zipf nur für die Einwilligung als relevant ansehen. So ist nach Stratenwerth / Kuhlen eine differenzierende Betrachtungsweise geboten, die wesentlich auf die Natur des betroffenen Rechtsguts und des konkreten Eingriffs abstellt.261 Und nach Sternberg-Lieben folgen die Voraussetzungen des Einverständnisses nicht „in jeder Beziehung“ denen der Einwilligung, „sondern ergeben sich aus der Funktion des jeweiligen Tatbestands und dem Wesen des dort geschützten Rechtsguts“262, sind also „von Fall zu Fall verschie­ den“263. Eine besondere Rolle für die Anforderungen an Einwilligung und Einverständnis spielen vor allem die sog. Willensmängel. Und hier lassen sich in Bezug auf das Einverständnis konträre Aussagen finden: Während eine Ansicht vor allem diesbezüglich von verschiedenen Voraussetzungen ausgeht,264 verbietet sich nach einer anderen Ansicht gerade hier „eine schematische Verallgemeinerung“265. Nach Küper kann es nur als „pragmatische Entscheidungsrichtlinie – sozusagen als ‚Faustregel‘ – zutreffen, daß das Einverständnis […] weniger ‚irrtumsanfällig‘ ist als die rechtfertigende Einwil­ ligung“.266 Kußmann will für die Beachtlichkeit von „Willensmängeln“ nach dem jeweiligen Tatbestand und Rechtsgut differenzieren.267 Dabei lehnt er 260  Frisch, Einwilligung, S. 321, 329; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 32; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 11. 261  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 11. 262  Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 32. 263  Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 33a. Hierfür differenziert er dann grob zwischen Tatbeständen, die eine „natürliche Willensfähigkeit“ genügen lassen, bei denen dann etwa eine gesetzliche Vertretung ausgeschlossen ist, und solchen, die eine „natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ verlangen, Rn. 33a ff. 264  Fischer, StGB, Vor § 32 Rn. 3b; Heinrich, AT, Rn. 447. Differenzierend nach den einzelnen Tatbeständen: Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn.  32 f. 265  Küper, JZ 1990, 510, 514. 266  Küper, JZ 1990, 510, 514. 267  Kußmann, Einwilligung, S. 335; im Übrigen betont er aber die Notwendigkeit, dass die Verschiedenartigkeit der Zustimmungsformen zu verschiedenen Wirksamkeitsanforderungen führen muss. Vgl. auch Jescheck / Weigend, AT, S. 374, nach denen das Einverständnis nicht in allen Fällen rein tatsächlicher Natur ist und sich daher der Einfluss von Täuschung und Zwang nicht allgemein, sondern nur im Rahmen der Auslegung der einzelnen Tatbestände nach deren Sinn und Zweck beantworten lässt.

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aber wiederum eine Anwendung der von ihm unterstützten Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit für die Einverständnisfälle kategorisch ab.268 Der Eindruck, die aktuelle Strafrechtlehre würde die Zweiteilung inhaltlich nicht so streng vornehmen, wie von Geerds ursprünglich vertreten, wäre jedoch falsch. Es gibt auch in der modernen Lehre noch immer Autoren, die eine Zweiteilung genauso streng und absolut vornehmen, wie es Geerds bereits tat. Und es gibt Autoren, die eine inhaltliche Zweiteilung nur mit scheinbaren Einschränkungen versehen und die dabei zumeist demselben Schema folgen: Zuerst wird darauf hingewiesen, dass sich die Anforderungen an das Einverständnis aus der jeweiligen Strafnorm des Besonderen Teils, aus dem Wesen des jeweiligen Rechtsguts und der Funktion des einzelnen Tatbestands ergeben.269 Sodann werden dennoch allgemeine Anforderungen genannt: es sei der natürliche Wille maßgeblich, es genüge die Tatsache seines Vorliegens, er müsse also nicht ausdrücklich erklärt werden und auch nicht zur Kenntnis des Täters gelangt sein, und schließlich seien „Willensmängel“ unbeachtlich.270 Exemplarisch hierfür Rengier: Auf der einen Seite stellt er das Ziel heraus, durch die Differenzierung gewisse unterschiedliche Voraussetzungen deutlich werden zu lassen, welche sich aus der faktischen Natur einerseits und dem rechtlichen Charakter andererseits ergeben. Auf der anderen Seite bezeichnet er dann ein Aufstellen allgemeiner Regeln für das Einverständnis und Pauschalierungen als fehl am Platz und will die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Auslegung der einschlägigen Tatbestände im Besonderen Teil vorbehalten.271 Dann aber nimmt er eben solche Pauschalierungen vor, nämlich zu den Fragen von sog. Willensmängeln – Täuschung unbeachtlich und Nötigung beachtlich – und von Einwilligungsfähigkeit und -erklärung – beides nicht erforderlich.272 Zu dieser widersprüchlichen Ansicht zählt auch Kußmann, der einerseits die Notwendigkeit betont, dass die Verschiedenartigkeit der Zustimmungsformen auch zu verschiedenen Wirksamkeitsanforderungen führen muss, der aber andererseits zumindest im 268  Kußmann,

Einwilligung, S. 337. LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 100; Jakobs, AT, 7 / 107; Murmann, AT, § 25 Rn. 118; Otto, Geerds-FS, S. 603, 606 f.; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 157a; Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 37. 270  Jakobs, AT, 7 / 108 ff.; Murmann, AT, § 25 Rn. 118 ff.; Otto, Geerds-FS, S. 603, 606; Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 37. Einschränkend Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 101 f., der auf die „tatbestandliche Verschiedenheit“ hinweist, weshalb die üblichen geringeren Voraussetzungen nur „in der Regel“ vorliegen müssten. Ebenso einschränkend Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 158 f., der hinsichtlich Auswirkung von Zwang und Einsichtsfähigkeit differenziert sowie hinsichtlich Kundgabeerfordernis und Auswirkungen von Täuschung nur „in der Regel“ von geringeren Anforderungen ausgeht. 271  Rengier, AT, § 23 Rn. 40. 272  Rengier, AT, § 23 Rn. 42 ff. 269  Hirsch,



§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre75

Hinblick auf die Beachtlichkeit von Willensmängeln nach dem jeweiligen Tatbestand und Rechtsgut differenzieren will;273 wobei er aber dann wiederum eine Anwendung der von ihm unterstützten Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit für die Einverständnisfälle kategorisch ablehnt.274 Schließlich gibt es jene Ansicht, die sich bis heute für eine totale Trennung und eine strenge Zweiteilung in begrifflich-systematischer und inhaltlicher Hinsicht ausspricht. So stellen Wessels / Beulke / Satzger in Geerds-Doktrin fest, dass aufgrund der abweichenden systematischen Einordnung sowie der darauf beruhenden unterschiedlichen Funktion und Natur beider Rechtsfiguren grundsätzlich andere Prüfungsmaßstäbe gelten.275 Welche das sind, kann man bei Krey / Esser nachlesen, die explizit die gesteigerten Anforderungen für die Einwilligung aufstellen: sie verlangen ein Handeln in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung des Täters, die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Erklärenden und die Beachtlichkeit von Willensmängeln, sofern nicht nur Motivirrtümer. Die Gründe für die gesteigerten Anforderungen geben sie auch an: Das Einverständnis habe nur einen rein tatsächlichen Charakter, hingegen beruhe die Einwilligung auf dem Prinzip mangelnder Schutzbedürftigkeit. Der Betroffene verzichte auf Rechtsschutz, was jedoch von der Rechtsordnung nur akzeptiert werde, wenn die Einwilligung ein Akt wirk­ licher Selbstbestimmung sei.276 So auch die Begründung Ottos: Die Voraussetzungen der Einwilligung müssten sich wesentlich von denen des Einverständnisses unterscheiden, da ein Rechtsschutzverzicht erheblich mehr erfordere als die bloße Feststellung, dass einem bestimmten Handeln ein Wille nicht entgegenstand.277 Daher führten beide Institute zu unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen – Tatbestandsausschluss und Rechtsschutzverzicht – und hätten unterschiedliche Voraussetzungen, da das Einverständnis nur eine „tatsächliche Gegebenheit“ sei.278 Und mit dieser tatsächlichen Natur begründet auch Rosenau die gesenkten Anforderungen des Einverständnisses, für welches es deshalb „nur auf sein bloßes Vorliegen ankommt“. Ergänzend fügt er hinzu, dass anderenfalls – also das „Aufstellen zusätzlicher Anforderungen“ – „mit Art. 103 Abs. 2 GG in Konflikt zu geraten drohe“, denn immerhin handelt es sich beim Einverständnis um ein Merkmal, wel273  Kußmann,

Einwilligung, S. 335. Einwilligung, S. 337. 275  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 542; zu den konkret verschiedenen Prüfungsmaßstäben siehe Rn. 545 ff., 1143. Dem sich anschließend Heinrich, AT, Rn. 440 m. Fn. 7, 445 ff. und Rengier, AT, § 23 Rn. 40. 276  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 659 ff. Kritisch zur vermeintlich tatsächlichen Natur, weil eine solche Aussage zu weit gehe: Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 100. Vgl. aus der älteren Literatur Bockelmann, AT, S. 104. 277  Otto, Geerds-FS, S. 603, 613. 278  Otto, Geerds-FS, S. 603, 621 f. 274  Kußmann,

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Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre

ches zur Straffreiheit führt. Deshalb müsse die natürliche Fähigkeit zur Willensbildung genügen, eine Kundgabe des Willens sei nicht erforderlich und Willensmängel blieben unbeachtlich.279 Was ist also das Ergebnis der Untersuchungsfrage: Bedeuten zweierlei Arten von Zustimmungen auch zweierlei Arten von Voraussetzungen? G ­ eerds begründete diese Doktrin und stellte die rechtliche Natur der Einwilligung dem tatsächlichen Charakter des Einverständnisses gegenüber, um darauf aufbauend die verschiedenen Voraussetzungen zu begründen. In der aktuellen Strafrechtslehre wird von einer Vielzahl an Autoren an dieser Doktrin festgehalten und das auch gerade in solchen Werken, die an Studenten und Praktiker gerichtet sind, sodass die Doktrin von einer Juristengeneration zur nächsten getragen wird. Und auch wenn einige Autoren kritisch und distanzierend Stellung genommen haben, dürfen dabei zwei Umstände nicht übersehen werden: Zum einen bilden diese Autoren keine herrschende oder sich im Vordringen befindende Ansicht. Zum anderen beschränken sich die Distanzierungen lediglich darauf, dass nicht mehr explizit die gesenkten Voraussetzungen des Einverständnisses genannt werden, sondern die Frage vom Allgemeinen in den Besonderen Teil der Strafrechtsdogmatik verschoben wird. Mit einer solchen Verschiebung ist aber nicht ohne weiteres verbunden, dass Geerds’ Doktrin nicht im Besonderen Teil fortwirkt. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass eine Zweiteilung der Zustimmung in inhalt­licher Hinsicht überwiegend anerkannt ist, wenn auch nicht im gleichen Maße so einheitlich, wie es für die begriffliche und systematische Unterscheidung gilt.280 So dürfte im Ergebnis die Einschätzung Kühls zutreffend sein, dass sich die kategorial verschiedene Wirksamkeitsvoraussetzungen fordernde Ansicht bis heute gehalten hat, wenn auch die Unterschiede zwischen beiden Instituten zunehmend geleugnet werden.281

279  Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 43. So auch schon Sternberg-Lieben, Einwilligung, S.  73 f. 280  So auch Göbel, Einwilligung, S. 13 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 100; Jescheck / Weigend, AT, S. 374; Zipf, Einwilligung, S. 17 f. 281  Kühl, AT, § 9 Rn. 42 ff.

Teil 2

Dekonstruktion der Zweiteilungslehre Nachdem sich die Arbeit im ersten Teil auf eine Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre beschränkte, darauf ihre Aussagen zu Wort kommen zu lassen und sie kritisch zu reflektieren, geht es im zweiten Teil um ihre Dekonstruktion. Es traten bereits im ersten Teil Zweifel an ihrer Richtigkeit zu Tage, weshalb die Arbeit Unstimmigkeiten ansprach, wo sie sich zeigten. In diesem zweiten Teil trägt die Arbeit nun die bisher geäußerte Kritik an der Zweiteilungslehre zusammen, reflektiert sie ebenso kritisch und legt anschließend dar, weshalb eine Zweiteilung der Zustimmung nicht möglich ist. Zum einen geht es darum, die bereits im ersten Teil vereinzelt aufgezeigten Schwachstellen zusammenzutragen. Zum anderen gilt es, die letzte offene Frage zu klären, ob sich eine Zweiteilung aus einer Auslegung der verschiedenen Deliktsbeschreibungen ergeben könnte.

§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre Die Zweiteilungslehre ist im strafrechtlichen Diskurs nicht von Widerworten verschont geblieben. Im Gegenteil: Seit etwa 1970 steht sie im Zentrum intensiver wissenschaftlicher Diskussion. Dieter Kientzy stellte damals die „Berechtigung und die Leistungsfähigkeit“ von Geerds’ Dogmatik in Frage: Sie sei nur „auf den ersten Blick einleuchtend“ und offenbare „bei näherem Zusehen grundlegende Mängel“.1 Erst 30 Jahre später fand sich mit Klaus Rinck und seiner Untersuchung zum zweistufigen Deliktsaufbau erneut ein Vertreter der Strafrechtswissenschaft, der bezweifeln sollte, ob sich die Zweiteilungslehre „auf einen hinreichenden Anlaß berufen kann“. Sie sei „äußerst problematisch“, habe „Strukturen erheblich verkompliziert“ und die von ihr festgestellten „formale[n] Abweichungen [haben] Ansatzpunkte für darauf aufbauende (fragwürdige) inhaltliche Unterscheidungen zu bieten“ vermocht.2 Das Ergebnis seiner Arbeit lässt keinen Raum für Zweifel: Die Zweiteilungslehre könne sich „weder auf begriffliche Gege1  Kientzy, Einwilligung, S. 5, der weiter meint, gegen eine Aufteilung der Zustimmung seien kaum Bedenken erhoben worden, S. 32. 2  Rinck, Deliktsaufbau, S. 28. Im Gegensatz zu Kientzy behauptet das Rinck auch nicht nur, sondern untersucht eingehend, ob sich für eine Differenzierung nicht doch

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

benheiten noch auch inhaltliche Verschiedenheiten noch auf vermeintlich klar definierbare Unterschiede in den Wirksamkeitsvoraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis stützen […] und ist folglich als gescheitert anzusehen“.3 Das der Zweiteilungslehre kritisch gegenüberstehende Meinungsspektrum soll hier zur terminologischen Vereinfachung als Einheitstheorie bezeichnet werden.4 Diese Bezeichnung ist freilich missverständlich, denn die Ablehnung einer Differenzierung erfolgt nicht so einheitlich, wie es der Begriff suggeriert, sondern sehr differenzierend. Die Differenziertheit in der Ablehnung der Zweiteilungslehre hat Roxin herausgearbeitet. Ihm zufolge wird zum einen der systematische Unterschied zwischen Einverständnis und Einwilligung mit der Konsequenz abgelehnt, dass Differenzierungen im subjektiven Bereich entfallen, während die anderen Differenzierungen allenfalls an Gewicht verlieren. Zum anderen werde auch eine strenge Zweiteilung der Wirksamkeitsvoraussetzungen zwischen Einverständnis und Einwilligung mit der Folge abgelehnt, dass zwar an der Unterscheidung festgehalten werde, aber keine generellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für das Einverständnis und teilweise sogar für die Einwilligung getroffen würden.5 Roxin selbst vertritt die Meinung, dass eine Trennung von Einverständnis und Einwilligung an sich nebensächlich und abhängig von sprachlichen Voraussetzungen ist, nämlich ob die deutsche Sprache einen Terminus kennt, der es gestattet, das Eingreifen gegen den Willen schon in der Formulierung der Tatbestandshandlung oder doch wenigstens in einer schlagwortartigen Umschreibung des Deliktstyps auszudrücken.6 Der Frage, ob die gesetzlichen Tatbestände tatsächlich solche Unterschiede in den jeweiligen Beschreibungen aufzeigen, geht Roxin jedoch nicht nach. Die Einheitstheorie behandelt also entweder nur die systematische Einordnung von Einwilligung und Einverständnis oder nur deren jeweilige Voraussetzungen einheitlich. Aber an der begrifflichen Differenzierung hält sie fest. Exemplarisch wird das deutlich bei Rönnau: In Fällen des Einverständnisses „beseitigt die Zustimmung schon den Gegenstand des Strafrechtsschutzes“ und einzelne umstrittene „Detailfragen“ berühren die „konsentierte Grundaussage nicht, wonach jedenfalls bei den sog. Willensbruchdelikten die Zuein „hinreichender Anlaß“ bzw. eine Legitimation ergeben könnte, Deliktsaufbau, S.  29 ff. 3  Rinck, Deliktsaufbau, S. 50. 4  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor §§ 32 ff. Rn. 97 verlieh ihr den Namen Einheitslösung. 5  Roxin, AT I, § 13 Rn. 11; vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S. 13. 6  Roxin, AT I, § 13 Rn. 32; ders., Offene Tatbestände, S. 129 f. Vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S. 157.



§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre79

stimmung des Berechtigten zum Tatbestandsausschluss führt“.7 Dass Rönnau für diese Feststellungen ohne die Zitierung von Primärquellen auskommt, d. h. ohne die Untersuchung Geerds’, sondern ausschließlich dessen rezipierende Literatur heranzieht, unterstreicht, wie sehr sich die terminologische Differenzierung in der Strafrechtswissenschaft verselbstständigt hat. Und das selbst dann, wenn sich eine Differenzierung mit der eigenen Konzeption nur schwer in Einklang bringen lässt. Exemplarisch auch hierfür Rönnau: In den Fällen des Einverständnisses seien „bereits formal die Voraussetzungen des Strafgesetzes nicht erfüllt […], der „tiefere materielle Grund für die Nichtverwirklichung des Tatbestandes besteht aber […] darin, dass schon das Rechtsgut des Berechtigen nicht beeinträchtigt wird“.8 Es drängt sich die Frage auf, warum überhaupt zwischen materiellen und formalen Gründen des Tatbestandsausschlusses kraft Zustimmung zu differenzieren ist, wenn ohnehin stets der materielle Grund greift. Selbst Vertreter der Einheitstheorie stellen also nicht in Frage, ob die Zweiteilung der Zustimmung eine dogmatische sinnvolle Konstruktion ist oder nur einer seit mehr als sechzig Jahren eingeübten Gewohnheit entspricht. Trotzdem lohnt es sich mit der bisher gegen die Zweiteilungslehre vorgebrachten Kritik auseinanderzusetzen; insbesondere um aufzuzeigen, an welcher Stelle diese Arbeit ansetzt und sich dadurch von der bisherigen Diskussion unterscheidet.

I. Fremdkörper im Rechtfertigungssystem Einer der wichtigsten gegen die von Geerds begründete Zweiteilungslehre vorgebrachten Kritikpunkte betrifft die aus der Zweiteilung folgenden Einteilung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund. Diese systematische Kritik pointiert auf einen Nenner gebracht: Zwar lassen sich keine grundsätzlichen Strukturunterschiede zwischen Einverständnis und Einwilligung finden, aber solche Strukturunterschiede bestehen zwischen der Einwilligung und den übrigen Rechtfertigungsgründen. So erklären Maurach / Zipf die Entwicklung, die Einwilligung insgesamt als Problem der tatbestandsmäßigen Rechtsgutsverletzung anzusehen, damit, dass die Einwilligung stets ein Fremdkörper bei den Rechtfertigungsgründen war. Durch die Einordnung als Rechtfertigungsgrund sei es erschwert worden, ein gemeinsames Prinzip aller Rechtfertigungsgründe zu finden.9 Ähnlich wirft Roxin der Zweiteilungslehre vor, nicht nur zu verkennen, dass es an allen Kriterien einer Tatbestandserfüllung fehlt – es entfalle bei einer Einwilligung der Erfolgsunwert und mit ihm auch 7  Rönnau,

Willensmängel, S.  12 f. Willensmängel, S. 12 m. Fn. 4. 9  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 33. 8  Rönnau,

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

der Handlungsunwert, daher liege ein rechtsneutrales, sozialadäquates Verhalten vor10 –, sondern auch, dass die Merkmale einer Rechtfertigung samt und sonders nicht vorliegen, da es an jeglicher Kollision gegenläufiger Interessen mangelt, wenn der Handelnde mit dem Willen des Rechtsgutsträgers tätig wird. Es komme gerade nicht auf die Erforderlichkeit nach gesetzlichen Maßstäben an, sondern ausschließlich auf die freie willkürliche Entscheidung des Rechtsgutsträgers.11 Da die Rechtfertigungsgründe allesamt auf dem Prinzip der Interessenabwägung und der Erforderlichkeit beruhten und es bei der Einwilligung weder um einen Interessenkonflikt zwischen dem Handelnden und Einwilligenden noch um die Erforderlichkeit der Tat gehe, könne die Einwilligung nicht als Rechtfertigungsgrund verstanden werden.12 Mit der Wirkung für das Unrecht begründet auch Zipf die fehlerhafte Einordnung auf Rechtfertigungsebene: Liege eine Einwilligung vor, so entstehe schon gar keine unrechtsindizierende Wirkung der Tatbestandserfüllung, weshalb die Einwilligung kein Problem der Rechtfertigung sei, bei der „eine entstandene Unrechtsindizierung positiv entkräftet werden muß“. Deswegen sei die Einwilligung ein Fremdkörper in der Lehre von den Rechtfertigungsgründen.13 Diese auf systematischen Erwägungen beruhende Argumentation wird versucht umzudrehen, so etwa von Krey / Esser: Die Einheitstheorie laufe Gefahr, den entscheidenden Unterschied zwischen Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit aus den Augen zu verlieren, da ein bloß tatbestandsloses Verhalten nichts darüber aussage, ob es auch erlaubt sei. Zudem führe der gleiche Prüfungsstandort von Einwilligung und Einverständnis zu sachwidrigen Ergebnissen, weil die Anforderungen an das Einverständnis deutlich geringer seien.14 Diese Kritik beruht aber letztlich auf einer verkürzten Prämisse. Zum einen muss mit der Einordnung als tatbestandslos oder gerechtfertigt keine qualitative Bewertung dahingehend einhergehen, dass eine eingewilligte Tat, die zwar tatbestandsmäßig, aber gerechtfertigt ist, eine weitergehende Rechtswirkung entfaltet als eine eingewilligte, aber bloß tatbestandslose Tat. Zum anderen lässt sich keine Stimme in der Strafrechtsliteratur finden, die mit einer „Herabstufung“ der Einwilligung auf Tatbestands­ ebene auch eine „Herabstufung“ von deren Voraussetzungen fordert. Überdies hat die Arbeit bereits gezeigt, dass die These der unterschiedlichen Anforde10  Roxin, AT I, § 13 Rn. 19. Maurach / Zipf sehen sogar generell die Heraus­bildung und Trennung zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht als den wichtigen Faktor an, weshalb die Zweiteilungslehre verstärkter Kritik ausgesetzt ist, AT I, § 17 Rn. 33. 11  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 272. 12  Roxin, AT I, § 13 Rn. 22. So u. a. auch Kühne, JZ 1979, 241, 242; Rönnau, Willensmängel, S. 143, 154. 13  Zipf, Einwilligung, S. 29 f. 14  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 658.



§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre81

rungen an Einwilligung und Einverständnis mittlerweile sehr umstritten und kein anerkannter, unumstößlicher Grundsatz der Strafrechtslehre ist.

II. Kein Aussagegehalt aus Sittenwidrigkeit nach § 228 StGB Vertreter der Zweiteilungslehre bringen noch einen weiteren systematischen Aspekt ein: Wer die Einwilligung auf tatbestandlicher Ebene ansiedle, vernachlässige im Hinblick auf § 228 StGB das geltende Recht.15 Nach dieser Vorschrift handelt derjenige, der eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Wer aber argumentiert, die Vorschrift gebe zwingend vor, die Einwilligung auf Rechtswidrigkeitsebene einzuordnen, der unterliegt einer Reihe von Fehlschlüssen. Erstens wäre es bedenklich, vermeintliche deliktssystematische Aussagen des Gesetzgebers ausgerechnet aus einer Norm zu entnehmen, deren Anwendungsbereich nicht nur auf die Körperverletzung beschränkt ist, die also einen Ausnahmecharakter aufweist, sondern deren Verfassungsmäßigkeit darüber hinaus umstritten ist.16 Zweitens ist zu bezweifeln, ob es Aufgabe des Gesetzgebers ist, der Strafrechtswissenschaft verbindliche Vorschriften zum systematischen Verständnis zu erlassen. Um die Worte Schmidhäusers aufzugreifen: Strafgesetze sind nicht dazu berufen, analytische Erkenntnisse der Straftatmerkmale in die Welt zu setzen.17 Aber vor allem ist drittens nach § 11 Nr. 5 StGB eine solche Tat rechtswidrig, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht. Wenn also § 228 StGB vom Fehlen der Rechtswidrigkeit ausgeht, dann kann dieses Fehlen genauso auf dem Fehlen des Tatbestands beruhen.18 Jäger weist diebsbezüglich darauf hin, dass der Gesetzgeber den 15  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 658; Kühl, AT, § 9 Rn. 22; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 33a; Murmann, AT, § 25 Rn. 123; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 7 f.; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 34; Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 704; vgl. auch Jescheck / Weigend, AT, S. 376. 16  Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken Stree / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, §  228 Rn.  2 ff. m. w. N. 17  Schmidhäuser, Geerds-FS, S. 593, 602. 18  Roxin, AT I, § 13 Rn. 29; Schmidhäuser, Geerds-FS, S. 593, 602. Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 143. So auch: Kühne, JZ 1979, 241; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 66; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 62 m. Fn. 29. Ähnlich Zipf, Einwilligung, S. 26, 35 ff. und ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 31, der zwischen Einwilligung auf Tatbestandsebene und fehlende Sittenwidrigkeit auf Rechtswidrigkeitsebene unterscheiden will. Nur grundsätzlich zustimmend Göbel, Einwilligung, S. 69 f., der Schwierigkeiten darin sieht, dass die Grenzen in §§ 216, 228 StGB eine Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und Selbstbestimmungsrecht verlangen würden und eine solche Abwägung nur auf Rechtfertigungsebene möglich wäre. Ebenfalls möchte Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 12 aus § 228 StGB keine Stellungnahme für

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

Begriff rechtswidrig zur Bezeichnung von „Gesamtunrecht“ verwendet.19 Wem diese Argumentation nicht zwingend erscheint, der muss zumindest den beschränkten Regelungsgehalt von § 228 StGB erkennen. Rönnau fordert zu Recht zwei Konstellationen zu unterscheiden: Die Vornahme der Körperverletzung mit Einwilligung einerseits und die Sittenwidrigkeit der Tat trotz Einwilligung andererseits. Das Gesetz fälle allein in der zweiten Konstellation ein Rechtswidrigkeitsurteil, eine Aussage über den Fall der Körperverletzung mit Einwilligung sei ihm hingegen nicht zu entnehmen.20

III. Die historische Bedingtheit der Zweiteilungslehre Einen Gesichtspunkt, der in der Auseinandersetzung mit der Zweiteilungslehre vernachlässigt und nur sporadisch angesprochen wurde, ist der historische Kontext, in welchem sie entstand. Insbesondere ist entscheidend, welches strafrechtliche Instrumentarium damals zur Hand lag und vor allem: welches nicht. In diesem Sinne erinnert Roxin zu Recht daran dass die Behandlung der Einwilligung als Rechtfertigung aus einer Zeit stammt, in der die Lehre von der objektiven Zurechnung noch nicht einmal ansatzweise entwickelt war.21 Ob der Rechtsgutsinhaber sich eigenverantwortlich selbst gefährdet bzw. verletzt, ihn Dritte einverständlich gefährden bzw. verletzten oder aber der Rechtsgutsinhaber darin einwilligt, dass ihn Dritte gefährden bzw. verletzen, worin in diesen Fällen der Unterschied bestehen soll, ist nicht ohne Weiteres erkennbar. Bezieht man hierin noch die Zweiteilungslehre ein und versucht die Konstellation, dass der Rechtgutsinhaber nicht darin einwilligt, sondern nur damit einverstanden ist, gefährdet bzw. verletzt zu werden, dann wird das System noch unverständlicher. Die Zweiteilungslehre führt unweigerlich zu Wertungswidersprüchen, je nachdem, ob der Rechtsguts­ inhaber selbst in seiner Güter eingreift oder jemand anderen dazu beauftragt. Zumindest ein Vergleich der Einwilligung mit der einverständlichen Fremdgefährdung liegt auf der Hand.22 Eine deliktssystematische unterschiedliche Einordnung beider Rechtsfiguren erscheint in einer modernen Lehre unangebracht. Die Einwilligung ist in dieser Form nicht nur ein Fremdkörper bei den Standort im Deliktsaufbau ableiten, dafür aber aus dem „abstrakten Unrechtsgehalt“ eines solchen Eingriffs und weil es etwa in § 303 StGB kein passendes Tatbestandsmerkmal zur Erfassung der Einwilligung gäbe. 19  Jäger, Zurechnung, S. 15. 20  Rönnau, Willensmängel, S.  155 f. 21  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 273. Vgl. auch Jäger, Zurechnung, S. 22 f.; Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 4; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 162. Auf eine Weniger-MehrArgumentation baut Braun-Hülsmann ihre Einordnung der Einwilligung in die Lehre der objektiven Zurechnung, Einwilligung S. 173. 22  So auch Roxin, Amelung-FS, S. 269, 273.



§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre83

den Rechtfertigungsgründen, ihr Fehlen auf Tatbestandsebene führt auch dort zu dogmatischen Spannungen. Diese Widersprüche resultieren aus der historischen Bedingtheit der Zweiteilungslehre, deren Dogmatik und Systematik von der Lehre der objektiven Zurechnung überholt wurde. Dem muss sich die moderne Lehre bewusst werden und darauf mit einer Anpassung oder Neuordnung reagieren. Eine Schlussfolgerung scheint nahe zu liegen: Ist die Zustimmung nicht vielleicht als Fallgruppe der objektiven Zurechnung zu verstehen? Jäger scheint das so zu sehen und fordert entsprechend die Einwilligungsdogmatik endlich „nicht mehr nur an die unselige Rechtsgutsdiskussion zu binden, sondern als Zurechnungsfrage zu begreifen“.23 Es kann aber nur davor gewarnt werden, in der Lehre der objektiven Zurechnung ein Allheilmittel für die Zustimmungsdogmatik zu sehen. Im Gegenteil: Die moderne Lehre muss Zustimmung und Zurechnung voneinander trennen. Dafür ist neben der Loslösung der Zustimmungsdogmatik von der „unseligen“ Rechtsgutsdiskussion auch eine Verabschiedung von der unseligen Erfolgsbezogenheit zu fordern.24 An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass nicht jedes Delikt einen tatbestandlichen Erfolg im engen Sinne vorsieht, sodass sich für diese – jedenfalls nicht ohne eine Erweiterung des Erfolgsbegriffs – die Anwendung der Lehre objektiven Zurechnung eigentlich verbietet.25

IV. Die widersprüchliche Durchführung der Zweiteilung Schließlich wird auch auf die praktisch schwierige Durchführbarkeit der Zweiteilungslehre hingewiesen.26 Es dürfe nicht auf „stilistische Zufälligkeiten“ bei der Gesetzesformulierung ankommen, je nachdem ob die deutsche Sprache einen Terminus bietet, die Willensrelevanz im Täterverhalten oder der Deliktsumschreibung auszudrücken.27 Und neben dem Aspekt der Zufälligkeit 23  Jäger,

Zurechnung, S. 23. dazu unten S. 166 ff., 247 ff. 25  Dieses Problem verkennt grundlegend der Ansatz von Braun-Hülsmann, Einwilligung, S. 181, die schlicht unterstellt, sämtlichen Delikten wohne der „Grundsatz inne, dass die Zustimmung […] die Haftung für den tatbestandlichen Erfolg aufgrund fehlender Gefahrschaffung ausschließt“. 26  Heinrich, Rechtsgutszugriff, S. 38 f.; Kühne, JZ 1979, 241, 242; Rönnau, Willensmängel, S. 156; Roxin, AT I, § 13 Rn. 24. 27  Kientzy, Einwilligung, S. 40 f.; Kühne, JZ 1979, 241, 242; Rinck, Deliktsaufbau, S. 30; Rönnau, Willensmängel, S. 157; Roxin, AT I, § 13 Rn. 32; ders., Offene Tatbestände, S.  129 f.; Schlehofer, Einwilligung, S. 2; Zipf, Einwilligung, S. 13. Vgl. zur Gegenauffassung Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 33a: Der Hinweis auf stilistische Zufälligkeiten sei nicht zutreffend, da es keine Frage des Zufalls, sondern eine Frage der Sinnhaftigkeit von Tatbeständen sei. Zurückhaltender 24  Siehe

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

gesetzlicher Sprachfassung müsse auch die Frage erhoben werden, ob dem Gesetzgeber bei Erlass der diskutierten Vorschriften eine Zweiteilung überhaupt bewusst war und falls ja, ob es seinem Belieben bzw. seiner Willkür unterworfen ist, quasi mit einem „Federstrich“ so weitgehende inhaltliche Änderungen, wie sie mit Einwilligung und Einverständnis verbunden sind, zu bewirken.28 Zipf stellt fest, dass überhaupt „keine sachgerechten Differenzierungskriterien entwickelt worden“.29 Schlehofer geht mit seiner Kritik in der Diskussion am weitesten: Es seien nicht nur stilistische Zufälligkeiten, vielmehr noch lasse sich „im Wortlaut des Gesetzes keine hinreichende Stütze“ finden. Den meisten Handlungsmerkmalen sei „nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie ein Handeln ohne Zustimmung des Betroffenen voraussetzen oder nicht“.30 Als Beispiele nennt er dafür die umstrittene Auslegung bei der Beleidigung und der Freiheitsberaubung,31 aber „selbst angeblich eindeutige Merkmale“ können seiner Ansicht nach eine umgekehrte Deutung zukommen: Das gelte sowohl für das Eindringen bei § 123 StGB und die Wegnahme bei § 242 StGB als auch das Misshandeln bei den §§ 223, 225 StGB.32 Dass jedoch auch umgekehrte Auslegungen bei scheinbar eindeutigen Einverständnis- oder Einwilligungsfällen möglich sind, dieser Gedanke scheint unter dem Einfluss der herrschenden Zweiteilungslehre kaum noch möglich, weshalb es nicht verwundert, dass sich Schlehofer damit ziemlich allein befindet. Jescheck / Weigend geben in diesem Sinne sogar die Einschätzung ab, dass „über die Unterscheidbarkeit von Einverständnis und Einwilligung im Prinzip Einigkeit besteht“ – und in Bezug auf die Einigkeit dürften sie sogar leider faktisch recht haben.33 Statt die Kritik der Zweiteilungslehre deren gefestigte Terminologie überprüft, unterwirft sie sich dieser und moniert lediglich einige Schwächen bei der Durchführung. So weist Roxin daraufhin, dass bei den Paradebeispielen der Einwilligung – der Körperverletzung und Sachbeschädigung nach den §§ 223 ff, 303 StGB – sogar im Lager der Differenzierungslösung differenziert wird; und das obwohl der Anwendungsbereich der Einwilligung ohnehin verschwindend gering ist.34 Auf die Inkonsequenzen bei der deliktssystematischen Einordnung der Zustimmung – insbesondere bei Jescheck / Weigend35 – äußerte sich Sternberg-Lieben noch in seiner Habilitationsschrift: Dort sprach er noch von einer „mitunter eher zufälligen […] Unterscheidung“, Einwilligung, S. 201. 28  So auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 30. 29  Zipf, RZ 1976, 192, 195. 30  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 142. So auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 29 f. 31  So auch Zipf, Einwilligung, S. 15. 32  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 142. 33  Jescheck / Weigend, AT, S. 374. 34  Roxin, AT I, § 13 Rn. 24. 35  Jescheck / Weigend, AT, S. 374, 376: Die Zustimmung des Onkels an den Neffen, Teile aus seinem Auto auszubauen, damit der Neffe sich mit Reparaturarbeiten



§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre85

weist auch Rönnau hin und gibt hierfür zugleich eine naheliegende Interpretation: Die Einordnung ist durch unterschiedliche Grundverständnisse der jeweiligen Autoren geprägt. Wer eine Gutseinbuße als schmerzlich und nicht normalen Vorgang empfinde, komme eben zur rechtfertigenden Wirkung. Die Verletzung einer Verbotsnorm solle deutlich machen, dass etwas Außergewöhnliches und scheinbares Unrecht stattfinde.36 Beide Autoren haben aber letztlich nur ihre Zweifel bezüglich der praktischen Durchführbarkeit einer Zweiteilung geäußert und auf – in der Tat bestehende – Widersprüche hingewiesen, soweit deren Vertreter sich um eine praktische Anwendung bemühten. Dass für einige Delikte unterschiedliche Auffassungen bezüglich ihrer Einordnung als Fall der Einwilligung oder des Einverständnisses bestehen, ist jedoch kein hinreichendes Argument dafür, dass die Abgrenzung generell nicht durchführbar ist. Dieser Nachweis wurde nicht erbracht. Würde er aber erbracht, würde das Fundament, auf dem die Zweiteilungslehre errichtet ist, in sich zusammenbrechen. Diese Arbeit kann sich auch nicht wie Kühne damit begnügen, dass Einverständnis und Einwilligung „lediglich einen dogmatisch irrelevanten Hinweis auf stilistische Eigenheiten des Gesetzestextes enthalten“37, denn das würde voraussetzen, dass es solche Eigenheiten wirklich gäbe, was zur Folge hätte, dass es schon dezidierter Ausführungen bedürfte, um sich über solche Unterschiede hinwegzusetzen. Die Richtung, in welche eine Auslegung der Tatbestände führen muss, liegt eigentlich auf der Hand, wertet man die bisherigen Zwischenergebnisse aus: Wer versucht die Tathandlung rein objektiv zu betrachten, der wird irgendwann auf eine Ambivalenz stoßen.38 So wie der Einbrecher das Haus genauso betritt wie der Gast des Hausherrn, so schneidet der Messerstecher den Körper seines Opfers genauso auf wie der Chirurg den seines Patienten. Rein objektiv betrachtet liegt stets eine Einwirkung auf das vor, was strafrechtlich geschützt werden soll, aber dennoch – und darüber dürfte Einigkeit bestehen – liegt einmal etwas Unrechtes vor und einmal nicht. Die sich für die Strafrechtslehre stellende Frage lautet, wie solche Ergebnisse unter der Prämisse einer in sich konsistenten Dogmatik begründet werden können. Einer Konsistenz steht es im Wege danach zu differenzieren, ob einmal der Wille desjenigen, dem der Schutz der Strafrechtsordnung zuteil werden soll, zu berücksichtigen ist und einmal nicht.39 vertraut machen könne, erfülle den Tatbestand von § 303 StGB. Die Zustimmung wirke jedoch bereits auf den Tatbestand von § 303 StGB, wenn jemand seinen Schrank zu Brennholz zersägen lasse. 36  Rönnau, Willensmängel, S.  158 f. 37  Kühne, JZ 1979, 241, 242. 38  So auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 32. 39  Darauf weist auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 28 einleitend hin.

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

Auf einen weiteren logischen Widerspruch in der Zweiteilungslehre hat Kindhäuser hingewiesen: Bittet ein unter Schmerzen leidender Patient seinen Arzt um einen medizinischen Eingriff, dann würde der Arzt, gleich wie er sich verhält, stets den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen, durch aktives Tun, nehme er den Eingriff wie gewünscht vor, durch Unterlassen, nehme er den Eingriff ohne Grund nicht vor. Gehe man von der „Widerspruchsfreiheit rechtlicher Wertungen“ aus, so könne ein solcher Widerspruch, Handlung und Unterlassung wären beide tatbestandsmäßig, nicht akzeptiert werden.40 Dennoch hält Kindhäuser an einer Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis fest, wenn auch nicht bezüglich verschiedener Delikts­ ebenen. Denn seiner Ansicht nach ließen sich zum einen Einverständnisse formulieren, die nur den Tatbestand, aber nicht das Unrecht der Tat ausschließen. So bei der Übergabe einer Sache durch List: Hier schließe das Einverständnis, an dessen Wirksamkeit die List nichts ändere, zwar den Tatbestand des Diebstahls aus, aber die Tat werde vom Betrug erfasst. Zum anderen sei etwa die Tathandlung der Körperverletzung „unabhängig vom Willen des Verletzten zu definieren“, denn lasse sich „eine tatbestandsmäßige Körperverletzung bei unwirksamer Einwilligung wegen Sittenwidrigkeit nur konstruieren, wenn der Begriff der Verletzung unabhängig vom Willen des Verletzten definiert wird“.41 Beide Argumente sind jedoch unzutreffend: Das erste Argument ist zirkulär, beruht doch die vermeintliche Abgrenzungsfunktion des Einverständnisses auf dem Exklusivitätsverhältnis zwischen Diebstahl und Betrug, welche wiederum auf der Zweiteilungslehre beruht. Das zweite Argument verkennt, dass die Sittenwidrigkeit bereits für die Beachtlichkeit bzw. Unbeachtlichkeit des Willens und damit für das Vorliegen einer Verletzung relevant sein kann.

V. Die Relevanz des Streits Der Streit um die Zweiteilung der Zustimmung wird mit einiger Vehemenz geführt. Es wird jedoch vermehrt bezweifelt, ob die Vehemenz des Streits auch dessen Relevanz entspricht; insbesondere da außer Streit steht, dass die Einwilligung des Opfers Einfluss auf die Strafbarkeit des Täters hat.42 Mehr noch: Diese Einflussmöglichkeit wird zumeist auch noch einheitlich aus der grundgesetzlich gewährten Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG abgeleitet.43 40  Kindhäuser,

Rudolphi-FS, S. 135, 136. Rudolphi-FS, S. 135, 137. 42  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 92; Rönnau, Willensmängel, S. 6, 11. 43  Amelung, ZStW 1997, 489, 515; Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 73; Göbel, Einwilligung, S. 22; Hinterhofer, Einwilligung, S.  8 f.; Jescheck / Weigend, AT, S. 377; Köhler, AT, S. 247; Kühl, AT, § 9 Rn. 20; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 36; Menrath, Einwilligung, S. 45 f.; Murmann, AT, § 25 41  Kindhäuser,



§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre87

Welche Bedeutung kommt also dem hier skizzierten Streit zu? Nach der Einschätzung von Arzt hat der Aufwand, mit dem über die Zuordnung der Zustimmung des Opfers zur Kategorie des Tatbestandsausschlusses oder der Rechtfertigung diskutiert wird, etwas „Querulantisches“.44 Soweit gehen andere Autoren zwar nicht, verneinen aber immerhin die praktische Relevanz. Die Voraussetzungen der Einwilligung seien hiervon unabhängig; das gelte insbesondere in Anbetracht der herrschenden eingeschränkten Schuldtheorien, wonach im Ergebnis Irrtümer auf Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsebene gleich behandelt werden.45 Andere Autoren schränken die Einschätzung vermeintlich fehlender praktischer Relevanz etwas ein: Unter bestimmten Standpunkten, etwa aus Sicht der strengen Schuldtheorie, bestehe sie durchaus.46 So erinnert Gropp daran, dass die gegenwärtige Konstruktion des Erlaubnistatbestandsirrtums kompliziert, nicht stabil und für Veränderungen im Laufe der Zeit offen ist.47 Deswegen betonen Jescheck / Weigend ausdrücklich, dass die Frage der Einordnung nicht mangels praktischer Relevanz offen bleiben kann.48 Die Relevanz des Streits ergibt sich aber nicht erst aus dem besonderen Blickwinkel der strengen Schuldtheorie, sondern aus der Dogmatik der Zweiteilungslehre selbst: Nach der noch immer überwiegenden Ansicht unterscheiden sich Einverständnis und Einwilligung sowohl hinsichtlich ihrer systematischen Verortung als auch hinsichtlich ihrer Voraussetzungen.49 Gropp gibt die Grundhaltung dieser Ansicht exemplarisch wieder: Rechtfertigung bedeute, „dass man handeln darf, dass man ein Recht zum Handeln hat“. Daraus erkläre sich, dass die Anforderungen an die Einwilligung als Rn. 116; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 8; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 146; ders., Einwilligung, S. 10 m. Fn. 6; ders., Jura 2002, 595; Rosenau, SSW-StGB, Vor § 32 Rn. 31; Roxin, AT I, § 13 Rn. 14; ders., Noll-GS, S. 275; Zipf, Einwilligung, S. 32; ders., ÖJZ 1977, 379, 380; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 28. Abweichend Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 19 f., 30, 57 f., der die Einwilligung in dem Grundrecht verankert sieht, in dessen Beeinträchtigung eingewilligt wurde, wobei er letztlich der Verortung – allgemeine Handlungsfreiheit oder jeweiliges Grundrecht – „keine entscheidende Bedeutung“ beimessen will. 44  Arzt, Kaufmann-GS, S. 839, 875. 45  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 97; Kindhäuser, GA 2010, 490 f.; ders., AT, § 12 Rn. 6; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 163; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 33a; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 34; Rönnau, Willensmängel, S.  19 f.; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 147  f.; Roxin, Amelung-FS, S.  269 f. 46  Roxin, Amelung-FS, S.  269 f. 47  Gropp, GA 2015, 5, 8. 48  Jescheck / Weigend, AT, S. 375. Ähnlich auch Frisch, Einwilligung, S. 321, 328, der aber als praktisch gravierender die Meinungsunterschiede in Bezug auf die einzelnen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung ansieht. 49  Siehe dazu oben S. 74 ff.

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

Rechtfertigungsgrund höher seien.50 Mit Rönnau lässt sich feststellen, dass die „strikte Differenzierung zwischen Einverständnis und Einwilligung […] für die heute noch überwiegende Ansicht kein Glasperlenspiel“ darstellt, denn sie leitet „aus der Zweiteilung unterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen“ ab.51 Eine Auseinandersetzung mit der Zweiteilungslehre erschöpft ihre praktische Relevanz aber nicht nur bezüglich der Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis, sie betrifft vielmehr grundlegende Fragen der Strafrechtsdogmatik. Wer die jeweilige Rechtsfigur auf Tatbestands- oder Rechtswidrigkeitsebene einordnen will, der muss einen Begriff für beide Ebenen bilden und sie voneinander unterscheiden. Gleich, ob die Einwilligung den Rechtfertigungsgründen zuzuordnen oder aus diesen zu lösen ist, es ist ein Verständnis von Wesen und Funktionsweise des Tatbestand und der Rechtfertigung erforderlich. So bedeutet etwa nach Gropp die Verschiebung von der Rechtswidrigkeit zur Tatbestandsmäßigkeit einen fundamentalen Perspektivwechsel. Die Einordnung der Einwilligung als ein Element, dessen Vorliegen die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung ausschließe, könne nur zum Preis der Aufgabe des dreistufigen Aufbaus der Straftat erworben werden.52 Sogar der herrschende Deliktsaufbau soll also, geht es nach dieser Ansicht, mit der Einordnungsfrage stehen und fallen. Und wenn sich die Auffassungen einig darüber sind, dass die „Einwilligung jedenfalls das Unrecht ausschließt“,53 dann bedarf eine solche Feststellung eines Begriffs vom Unrecht und eines Verständnisses dafür, wie Unrecht ausgeschlossen werden kann. Und wie schließlich noch zu sehen sein wird, spielt vor allem ein für das Strafrecht zentraler Begriff auch für die Einwilligungsdogmatik eine überragende Rolle und prägt die Diskussion: Das Rechtsgut.54 Rönnau zufolge umreißt die Standortbestimmung der Einwilligung im Deliktsaufbau nur vordergründig das Hauptproblem, der eigentliche Ursprung des Streits beruhe auf einem unterschiedlichen Rechtsgutsverständnis.55 Die Frage nach der Einordnung der Einwilligung aufzuwerfen, die Zweiteilung zwischen Einwilligung und Einverständnis sogar in Frage zu stellen, das hat also nichts mit Querulanz zu tun, sondern es ist Grundantrieb einer Strafrechtswissenschaft, sich stetig ihres Begriffswerks und ihrer Systematik 50  Gropp, GA 2015, 5, 8 f. Diesen Gedanken formulierte Otto, Geerds-FS, S. 603, 695 wie folgt: „Der Täter mag nicht tatbestandsmäßig handeln, ob er deshalb rechtmäßig handelt, ist damit noch nicht gesagt.“ 51  Rönnau, Jura 2002, 595, 596. 52  Gropp, GA 2015, 5. 53  Murmann, AT, § 25 Rn. 123. 54  Siehe dazu unten S. 116 ff. 55  Rönnau, Willensmängel, S.  19 f.



§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung 89

zu vergewissern und darüber zu reflektieren. Die Bedeutung der Streitfrage liegt im theoretischen Bereich,56 sie betrifft zentrale Begriffe des Strafrechts wie Tatbestand, Persönlichkeitsautonomie und Rechtsgut,57 es geht nicht darum, sich für eine Konstruktion zu entscheiden, sondern darum einen plausiblen Lösungsweg zu finden,58 es geht letztlich um eine „Frage sinnvoller Begriffsbildung“59.

§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung Nachdem die Arbeit im vorangegangen Kapitel auf die bisherigen, von Teilen der Strafrechtswissenschaft der Zweiteilungslehre entgegengebrachten Kritikpunkte eingegangen ist, legt sie nunmehr ihren eigenen kritschen Stand­ punkt dar.

I. Zusammenschau der bisherigen Ergebnisse Es ist zunächst die Wirkmacht Geerds’ Thesen in der Strafrechtswissenschaft bis in die heutige Zeit in Erinnerung zu rufen: Seine Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis ist etabliertes Gedankengut. Selbst die einer Zweiteilung kritisch gegenüberstehenden Autoren halten an der begrifflichen Unterscheidung fest. Eine eingehende und kritische Auseinandersetzung mit diesem Grundansatz von Geerds erfolgte seit der Veröffentlichung seiner Arbeit nicht. Die Frage, ob die Trennung zwischen Einwilligung und Einverständnis sinnvoll und praktisch durchzuführen ist, wurde von der Strafrechtslehre nicht erhoben. Allenfalls vereinzelt wurden Zweifel geäußert und auf Widersprüche hingewiesen. Die herrschende Meinung hat die Zweiteilung sogar ohne jede wissenschaftliche Reflektion übernommen. Ebenso griff sie die von Geerds zur Unterscheidung genannten Kriterien auf, ohne sie zu hinterfragen, ohne sie inhaltlich weiterzuentwickeln. Allenfalls das Kriterium der „Natur der Straftat“ versuchten einige Autoren durch andere, aber ebenso wenig gehaltvolle Begrifflichkeiten zu umschreiben. Teilweise wurde sich um weitere Systematisierungen bemüht, die jedoch letztlich nur die von Geerds genannten Fälle zu Gruppen zusammenschlossen, ohne dass dabei inhaltliche Weiterentwicklungen erfolgten. Wenn sich Widerstand 56  Maurach / Zipf,

AT I, § 17 Rn. 34. Amelung-FS, S.  269 f. 58  Kindhäuser, GA 2010, 490 f.; ders., AT, § 12 Rn. 6; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 163. 59  Murmann, AT, § 25 Rn. 123. 57  Roxin,

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

in der Strafrechtslehre bildete, dann richtete sich dieser nicht gegen die terminologische, sondern nur gegen die systematische Zweiteilung. Der darauf beruhende wissenschaftliche Diskurs konzentrierte sich aber ausschließlich auf die Dogmatik der Rechtsgutslehre und ihre Auswirkungen für die Ein­ willigung,60 wohlgemerkt nicht für das Einverständnis oder die Zustimmung als ein allgemeines Institut. Wenn Geerds’ Thesen in einem gewissen Maß an Wirkmacht einbüßten, dann betrifft das die strikte Zweiteilung der jeweiligen Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis. Aber auch hier ist weiterhin zu beobachten, dass eine gewichtige Ansicht noch immer an der starren Gegenüberstellung von faktischen und rechtlichen Anforderungen bezüglich Einverständnis und Einwilligung festhält. Wenn sich hiergegen Kritik erhob, so bezieht sich diese vor allem auf den Gesichtspunkt, dass es unmöglich sei, allgemeine Voraussetzungen des Einverständnisses festzusetzen, dass diese vielmehr stets anhand des jeweiligen Tatbestands im Besonderen Teil zu ermitteln seien. Dennoch halten auch jene kritischen Stimmen an der begrifflichen Zweiteilung fest. Dabei übersehen sie jedoch, dass gerade die jeweils konträren Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis das für Geerds ausschlaggebende Motiv zur Entwicklung seiner Zweiteilung waren. Wer also eine Zweiteilung der Voraussetzungen ablehnt, der muss eigentlich die Zweiteilung grundsätzlich ablehnen, jedenfalls soweit er sich auf Geerds beruft. Die hier dargestellten Kritikpunkte, welche die Strafrechtswissenschaft der Zweiteilungslehre entgegensetzte, übergehen allesamt die wesentliche Frage, ob die Zweiteilung überhaupt möglich ist, ob es Kriterien gibt, welche die Durchführung einer verschiedenartigen Einordnung der Zustimmung bei den einzelnen Delikten gewährleisten. Wenn aber diese Frage nicht positiv beantwortet werden kann, dann fehlt das Fundament, auf dem die Zweiteilungslehre steht. Diesem Punkt wurde bislang wenig bis keine Bedeutung zugemessen. Dabei stellte bereits Dieter Kientzy in seiner Arbeit – eine der ersten, Geerds kritisch gegenüberstehenden – fest, dass die Definitionen des Einverständnisses „eine gewisse Verlegenheit erkennen“ lassen und „Abgrenzungsbemühungen auch angesichts der als Anwendungsbeispiele […] angebotenen Tatbestände“ versagen.61 Es sei fraglich, ob „die zur Abgrenzung von der Einwilligung vorgeschlagenen Kriterien […] überhaupt tauglich sind“.62 Es müssen sich „Zweifel über die Signifikanz dieser Kriterien […] bereits bei flüchtigem Blick über die Formeln aufdrängen, in die sie gekleidet sind […]:

60  Siehe

dazu unten S. 116 ff. Einwilligung, S. 21. 62  Kientzy, Einwilligung, S. 26. 61  Kientzy,



§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung 91

sie sind außerordentlich diffus geblieben“.63 Die Lehre vom Einverständnis erscheine trotz allen Zuspruchs „wenig durchgebildet“.64 Schablonenhaftes Denken, falsche Betrachtungsweise, oberflächliche Nachprüfung der Paradigmen, diese Vorwürfe erhebt Kientzy gegen die Zweiteilungslehre. Die formulierten Ansichten der Zweiteilungslehre „haben offensichtlich von vornherein die Differenzierungen impliziert, die sie rational nachvollziehen wollen“. Das führte zu „einer polar begriffenen Aufteilung der Schutzobjekte, die sich letztlich offenbar nach deren mehr oder weniger gegenständisch erscheinenden Manifestation richtet“.65 Doch mit dieser Kritik ist Kientzy in der Lehre letztlich ziemlich allein geblieben.66 Stattdessen konzentrierte sich die Lehre auf die Auseinandersetzung um das richtige Rechtsgutsverständnis. Aber die Argumentation, mit der die Zweiteilungslehre wirklich erschüttert werden kann, liegt eigentlich auf der Hand. Vielleicht mangelt es dieser Argumentation an wissenschaftlicher Attraktivität, erfolgt sie doch nicht mit lauten Tönen, sondern verlangt es zunächst einfach nur zuzuhören; und zwar dem zuzuhören, was die Zweiteilungslehre an Aussagen zu ihrer eigenen Dogmatik zu treffen hat. Wer wirklich zuhört, der kann nicht anders als erkennen, dass es der so schneidigen These von der Zweiteilung an scharfen Kriterien zu ihrer Durchführung fehlt. Anders als die dargestellte, vereinzelt gebliebene Kritik in der Lehre es meint,67 ist die Durchführung der Zweiteilung nicht nur einfach widersprüchlich: Nein, sie ist unmöglich! Keiner der Geerds rezipierenden Ansätze aus der Lehre konnte einen Beitrag zur Weiterentwicklung und Präzisierung der Abgrenzungskriterien leisten. Der einzig verbleibende und tragfähige Ansatz wäre es, die Einordnung als Einverständnis- oder Einwilligungskon­ stellation im Wege einer Auslegung des jeweiligen Tatbestands zu ermitteln. Aber auch ein solcher Ansatz gelangt, wie sogleich zu sehen ist, zu keinen Ergebnissen, die zu einer Zweiteilung der Zustimmung führen.

63  Kientzy,

Einwilligung, S. 38. Einwilligung, S. 23. 65  Kientzy, Einwilligung, S. 37. 66  Der Grund dafür dürfte auch darin bestehen, dass Kientzys eigener Ansatz zur Kritik zu komplex konstruiert erscheint: Die Zweiteilungslehre wäre dann widerlegt, würde sich ergeben, dass die „natürliche Betrachtungsweise nicht eigentlich das Ergebnis einer Einwilligung in eine Rechtsgutsverletzung ist, sondern andere Gründe besitzt“, da es dann „zweier vergleichbarer Erscheinungen zustimmenden Willens“ mangeln würde, Einwilligung, S. 26. Die Zweiteilungslehre habe Fallgruppen entstehen lassen, die „sich fälschlich als Konstellationen de Zustimmung gerieren, in Wirklichkeit aber nur Scheinprobleme darstellen“, Einwilligung, S. 55, 62 ff. 67  Siehe dazu oben S. 83 ff. 64  Kientzy,

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

II. Auslegung einer Auswahl an Tathandlungen Die Arbeit sparte im ersten Teil bewusst die Beantwortung einer Frage aus, auf die sie erst an dieser Stelle zurückkommt. Wie gezeigt erkennen einige Autoren zutreffend, dass sich das Erfordernis eines Handelns gegen den Willen nur aufgrund einer Auslegung ergeben kann.68 Der Gegenstand einer solchen Auslegung kann nur der gesetzliche Tatbestand sein, genauer: dessen jeweilige Tathandlung. Das ergibt sich daraus, dass das Einverständnis einen Tatbestand verlangt, der ein Handeln gegen den Willen erfordert. Dann aber muss jenes Handeln im jeweiligen Tatbestand auf seine Willensrelevanz untersucht werden. Die sich stellende und bislang offen gelassene Frage lautet, ob sich die Zweiteilung der Zustimmung aufgrund einer solchen Auslegung der tatbestandsmäßigen Handlung ergeben kann. Eine solche Auslegung wird jedoch von denjenigen Autoren, die sie eigentlich zutreffend als den einzig zielführenden Ansatz erkennen, nicht durchgeführt. Fast immer erfolgt nur eine Aufzählung von Beispielsfällen, bei denen ein Ergebnis ohne dazugehörigen Lösungsweg präsentiert wird.69 Eine Ausnahme hierzu bildet Frister, der seine These, die Voraussetzung eines Handelns gegen den Willen sei eine Frage der Auslegung, am Beispiel des Diebstahls verdeutlicht: Nach dem Wortsinn sei es durchaus möglich die Wegnahme nur als Aufhebung des Gewahrsams zu definieren. Das Handeln ohne den Willen ergebe sich aber aus dem vom Gesetzgeber gewollten Deliktsbild, wonach das „Erschwindeln einer Sache“ allgemein als Betrug und nicht als Diebstahl angesehen werde.70 In dogmatischen Kategorien begründet Frister also sein Ergebnis mit einer Kombination aus einem systematischen Vergleich zum Betrug nach § 263 StGB und einer teleologischen Interpretation des gesetzgeberischen Willens. Wenn Frister am Anfang seiner Auslegung noch zutreffend als – soweit ersichtlich – einziger Autor erkennt, dass ein Handeln gegen den Willen sich nicht zwingend aus dem Wortsinn ergibt, so sind seine weiteren Ausführungen nicht überzeugend, leiden sie doch an drei Schwächen. Die erste davon ist noch eine kleinere und eine in der Strafrechtslehre üblicherweise anzutreffende: Die Gleichsetzung von einem Handeln gegen und ohne den Willen. 68  Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 4. Teil A. II. 2. (noch nicht veröffentlicht); Frister, AT, § 15 Rn. 2; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135; ders., AT, § 12 Rn. 33; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 190; Kühl, AT, § 9 Rn. 25. 69  Vgl. etwa Kühl, AT, § 9 Rn. 25: Beim Hausfriedensbruch stelle die Einladung des Hausrechtsinhabers genauso ein Einverständnis dar wie beim Diebstahl die Zustimmung zum Gewahrsamswechsel, wohingegen bei der Sachbeschädigung eine Einwilligung vorliege, da dort das Eigentum geschützt werde und keine Willensverletzung sei. 70  Frister, AT, § 15 Rn. 2.



§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung 93

Interessanter ist die zweite Schwäche, die einmal mehr zeigt, wie wirkmächtig sich Geerds’ Thesen bis heute erweisen: Frister stellt in seiner Auslegung nicht konsequent auf die tatbestandliche Fassung ab, sondern auf das „vom Gesetzgeber gewollte Deliktsbild“. Weder verrät Frister, was dieses Deliktsbild sein soll, noch woher erkennbar ist, was der Gesetzgeber gewollt habe. Zudem erinnert der Begriff des Deliktsbilds stark an Geerds’ „Natur der Straftat“, sodass letztlich auch bei Frister nur eine Leerformel durch eine andere ersetzt wird. Die dritte und schwerwiegendste Schwäche ist jedoch die Heranziehung des Exklusivitätsverhältnis zwischen Diebstahl und Betrug, auf welches Frister zur Stützung seiner systematisch-teleologischen Auslegung rekurriert. Denn jenes Exklusivitätsverhältnis wird von der Lehre damit begründet, dass sich die Vermögensverfügung als Handeln mit dem Willen des Vermögensinhabers und die Wegnahme als Handlung ohne bzw. gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers gegenseitig ausschließen. Die Auslegung hält also als Begründung das parat, was eigentlich erst die Folge ihres Ergebnis sein sollte: Der Tatbestand des Diebstahls muss ein Handeln gegen den Willen verlangen, weil der Tatbestand des Betrugs ein Handeln mit dem Willen erfordert und sich beide Tatbestände gegenseitig ausschließen. Damit gerät Frister in die Fänge eines Zirkelschlusses. Seine Auslegung erfolgt ergebnisorientiert und lässt erkennen, warum die Geerds folgende Lehre bislang auf eine Auslegung konsequent verzichtet hat: Wer sie betreibt, der verstrickt sich schnell in Widersprüche, die Zweifel an einer Zweiteilung aufkommen lassen. 1. Das Wegnehmen beim Diebstahl Da die Arbeit bereits auf Fristers Auslegung vom Diebstahl eingegangen ist, beginnt sie ihre eigene Auslegung sogleich mit diesem Delikt. Zu Beginn jeder Auslegung steht der Wortlaut.71 Der für den Diebstahl und die Zweiteilung der Zustimmung interessierende Bestandteil des Wortlauts betrifft die Tathandlung: Es gilt die Bedeutung des Wortes „wegnehmen“ zu klären. Es wäre ein leichtes hierfür einfach auf die strafrechtliche Definition zurückzugreifen. Doch kann und darf man sich damit begnügen, schlicht festzustellen, dass Wegnahme nach juristischem Sprachgebrauch Begründung und Bruch fremden, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams wäre, wobei Bruch der Gewahrsamswechsel gegen den Willen des vormaligen Gewahrsamsinhabers bedeuten würde? Natürlich ist in diesem juristischen Sprachgebrauch die Willenswidrigkeit Bestandteil des Wegnahmebegriffs. Doch mit 71  BVerfGE 71, 108, 115; 73, 206, 235; 92, 1, 12; BGHSt 3, 259, 262: 14; 116, 118; 27, 45, 50; 29, 204, 206. Kritisch zur Bedeutung des Wortlauts aufgrund seines „holistischen“ Sprachverständnisses: Kudlich, Puppe-FS, S. 123 ff.

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

dem Hinweis darauf ist nichts bewiesen, da ein solcher Hinweis zirkulär ist: Denn die Definition enthält ja bereits das Ergebnis, welches es erst zu ermitteln gilt. Ein schlichter Rückgriff auf juristische Definitionen kann aber auch allgemein keine Wortlautauslegung darstellen. Geht es um die Ermittlung des gesetzlichen Wortlauts und dessen Sprachgebrauch, so stellt sich die Frage, um welchen Sprachgebrauch es gehen soll: um den juristischen oder um den allgemein-alltäglichen?72 Man könnte auch anders fragen: Wessen Sprache zählt, die des Bürgers oder die des Juristen? Ein Teil der Strafrechtslehre tendiert zwar dazu, ausschließlich oder zumindest in erster Linie den juristischen Sprachsinn als maßgeblich oder vorrangig zu erachten.73 Der allgemeinsprachliche Gebrauch habe nur Auffang- und Kontrollfunktion.74 Diese Ansicht sähe wohl kein Problem darin, einfach auf die strafrechtliche Definition für Wegnahme zurückzugreifen und das Willenswidrigkeitselement als erwiesen anzusehen. Doch eine solche Ansicht kann nicht überzeugen: Würde ihr gefolgt werden, so verlöre die Auslegung ihren Sinn: Wie soll sie ein „Verstehensprozess“75 sein, wenn mit ihr nur juristische Definitionen wiedergegeben werden? Sie wäre nur ein formelles Begründung- und kein mate­ rielles Erkenntnismittel. Eine Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie wäre unmöglich.76 Auch ist die Funktion des Wortlauts als äußerste Grenze der Auslegung im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes zu beachten. Zu Recht fordert deshalb das Bundesverfassungsgericht den Wortsinn aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen. Denn wenn Art. 103 II GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Straf- und Bußgeldandrohung für den Normadressaten verlange, so könne das nur bedeuten, den Wortsinn aus deren Sicht zu ermitteln.77 Es kann damit nach der überzeugenden Ansicht nur auf den allgemeinen Sprachgebrauch ankommen.78 Es kommt daher nicht auf den Fach72  BGHSt 14, 116 (NJW 1960, 829); Jescheck / Weigend, AT, S. 155; Schmitz, MK-StGB, § 1 Rn. 81. 73  So etwa: Eser / Hecker, Sch / Sch, § 1 Rn. 37; Jäger, SK-StGB, § 1 Rn. 63; Jescheck / Weigend, AT, S. 155; Schäfers, JuS 2015, 875, 877; Schmitz, MK-StGB, § 1 Rn. 81. Zu dieser Auffassung sind – trotz anderer Zitierungen – nicht Wessels /  Beulke / Satzger, AT, Rn. 77 zu zählen, da sie sich klar zu einem „allgemeinen Sprachverständnis“ bekennen. Widersprüchlich bleibt Dannecker, LK-StGB, § 1 Rn. 302 ff., der den Wortsinn einerseits „alltagssprachlich“ bestimmen will, andererseits aber auf den „juristischen“ und nicht „allgemeinsprachlichen“ Gebrauch abstellen will. 74  Dannecker, LK-StGB, § 1 Rn. 303; Jäger, SK-StGB, § 1 Rn. 63; Schmitz, MKStGB, § 1 Rn. 81. 75  Dannecker, LK-StGB, § 1 Rn. 298. 76  Roxin, AT I, § 5 Rn. 37. 77  BVerfG, NJW 1986, 1671, 1672; 1995, 1141; 2002, 3693, 3694; 2007, 1666, 1667. 78  BGH NJW 2007, 524, 525; Baumann, MDR 1958, 394, 395  f.; Greco, GA 2016, 138, 147; Lorenz / Pietzcker / Pietzcke, NStZ 2005, 429, 430; Schünemann,



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gebrauch an, sodass der Gesetzgeber, will er vom Alltagsgebrauch abweichende Worte im Sinne des Fachgebrauchs verstehen, dies klarstellen muss.79 Wenn nicht auf den juristischen Wortgebrauch zurückgegriffen werden kann, dann ist die Frage, was der natürliche Wortsinn von Wegnehmen ist. Wenn es um die Ermittlung des allgemeinen Sprachgebrauchs geht, dann spricht für den Zweck der Arbeit nichts dagegen, auf allgemeine Lexika oder Wörterbücher zurückzugreifen. Eine Vorgehensweise, wie sie auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung praktiziert wird.80 Der Duden unterscheidet drei Bedeutungen von Wegnehmen, wobei die Verschiedenheit in Nuancen liegt: etwas von einer Stelle (fort-) zu nehmen; etwas, was ein anderer hat, an sich zu nehmen; etwas, das durch sein Vorhandensein bewirkt, dass etwas anderes nicht mehr verfügbar ist.81 Allen drei Bedeutung ist eines gemeinsam: Es geht um Veränderung. In den ersten beiden Bedeutungen geht es dabei um eine aktive Ortsveränderung in Bezug auf eine Sache, wobei in der zweiten Bedeutung das personale Verhältnis in Bezug auf diese Sache herausgestellt wird. Die dritte Bedeutung gewinnt ihre Besonderheit im Gegensatz dazu lediglich aus der Passivität: Nicht eine aktive Handlung, sondern der bloße Zustand von etwas bewirkt eine Veränderung. Um sich diese Bedeutungen noch klarer zu machen, helfen die vom Duden genannten Beispiele: das oberste Buch wegnehmen, der Vater nimmt dem Kind den Ball weg, der Baum nimmt viel Licht und der Schrank viel Platz Puppe-FS, S. 243; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 77. Vgl. auch Roxin, AT I, § 5 Rn. 37: „den umgangssprachlichen Bedeutungsgehalt, den Sprachgebrauch des normalen Lebens“. 79  Greco, GA 2016, 138, 147. 80  BVerfGE 73, 206, 243; BGHSt 22, 14, 16. Kritisch dazu Lorenz / Pietzcker / Pietzcke, NStZ 2005, 429, 430: Lexika hätten den Nachteil, dass sie nur eine offene Aufzählung von Beispielen enthielten. Sie seien deshalb zwar als Anregungen für bisher nicht bedachte Verständnisvarianten hilfreich, sollen jedoch ihrer Konzeption nach gerade nicht die Grenzen für die zulässige Wortverwendung aufzeigen. Da es dieser Arbeit nicht um das Aufzeigen der Wortlautgrenze im Sinne von Art. 103 II GG geht, sondern nur darum, dass eine Auslegung des Wortes von Wegnehmen durchaus auch willensübereinstimmende Handlungen erfassen kann, ist ihr – der Sache nach zutreffender – Kritikpunkt hier vernachlässigbar. Ihr Vorschlag empirisch vorzugehen und über demoskopische Untersuchungen den natürlichen Wortsinn zu ermitteln, erscheint aber als interessanter Ansatz. Kritisch, aber in der Kritik überzogen Kudlich, Puppe-FS, S. 123, 127: Wörterbücher könnten nur Verwendungsbeispiele aufzählen, nicht aber eine „korrekte und inkorrekte Verwendung dauerhaft und verbindlich festschreiben“. Natürlich kann es kein „Sprachgesetzbuch“ geben, aber niemand verlangt eines, weil es nicht benötigt wird: Denn Sinn und Bedeutung ist immer zu ermitteln und lässt sich nicht festlegen. 81  Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: wegnehmen. Auf die erste Bedeutung hat auch Roxin beiläufig in einer Auseinandersetzung um das richtige Rechtsgutsverständnis verwiesen, Amelung-FS, S. 269, 275.

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weg.82 Die Beispiele ließen sich noch erweitern: Ein Student wird in der Bibliothek von einem Kommilitonen gebeten, seine Bücher vom freien Tisch neben ihm wegzunehmen. Ein Student nimmt seinem Kommilitonen den Platz weg, weil er sich in der Bibliothek mit seinen Büchern stark ausbreitet. Die Bibliothekarin sortiert alte Bücher aus und sagt den Studenten, sie sollten wegnehmen, was sie bräuchten. All diese Beispiele verdeutlichen eines: Eine Willenswidrigkeit existiert im Wortsinn vom Wegnehmen nicht. Die Bibliothekarin will die Bücher herausgeben und trotzdem können sie sich die Studenten wegnehmen. Der Student nimmt die Bücher vom Tisch weg und das mit seinem Willen. Vielleicht könnte man auf die Idee kommen, dass es immerhin dem Willen der Kommilitonen widerspricht, dass ihnen der Student den Platz wegnimmt. Aber das wäre falsch: Der Student könnte ihnen auch ganz allgemein den Platz wegnehmen, wenn diese den Platz gar nicht haben wollten. Der Begriff „wegnehmen“ interessiert sich also wenig für den Willen einer Person. Wer von einer Wegnahme spricht, der sagt nichts über den Willen einer Person, sondern beschreibt nur die Veränderung an einer Sache. Was das für eine Veränderung ist, kommt in den vom Duden gegeben Bedeutungen ebenfalls zum Vorschein: Es geht um eine Veränderung des Ortes einer Sache oder um die Veränderung an einer bestimmten Verfügbarkeit. Beides lässt sich auch kombinieren: Wer eine Sache von jemand anderem an sich nimmt, der verändert sowohl den Ort der Sache als auch die Verfügbarkeit des anderen in Bezug auf diese Sache. Der Wortsinn lässt sich noch weiter dadurch analysieren, dass man „wegnehmen“ in seine Einzelbestandteile aufteilt: Es setzt sich grammatikalisch aus dem Verb „nehmen“ und dem Präfix „weg“ zusammen. Das Verb ist für die hier zu thematisierende Frage der Willenswidrigkeit nicht besonders interessant, da mit ihm andere Problemkreise der Diebstahlsdogmatik betroffen sind.83 Eine Willenswidrigkeit könnte sich also allenfalls aus dem verbalen Präfix „weg“ ergeben. Das nun aber drückt lediglich aus, dass durch den im Verb bezeichneten Vorgang – also vorliegend das Ergreifen der Sache – etwas nicht dort bleibt, wo es sich vorher befunden hat, dass etwas einem anderen nicht mehr zugänglich ist.84 Damit gelangt man aber zur bereits getroffenen Feststellung, dass es um eine Veränderung des Ortes oder der Verfügbarkeit bzw. Zugänglichkeit geht. Das bestätigt sich auch durch einen Blick 82  Duden,

Bedeutungswörterbuch, Stichwort: wegnehmen. Fragen richten sich kurz zusammengefasst darauf, wie die Ortsveränderung genau beschaffen sein muss: Genügt ein Berühren des Gegenstands oder muss er ergriffen oder sogar in Besitz genommen worden sein? 84  Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: -weg (trennbares, betontes verbales Präfix). 83  Die



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in Grimms Wörterbuch: Auch hier wird dem Präfix die Bedeutung zugemessen, die Entfernung von einem Ort durch eine Tätigkeit zu bezeichnen. Zudem wird ergänzt, dass sich mit dem Begriff der Entfernung auch der Begriff der Entziehung berührt. Warum das interessant ist, ergibt sich daraus, dass sich eine Entziehung besonders bei Verben mit persönlichem Dativ zeigen soll. Und für diese Verben wird dann das Beispiel der Wegnahme genannt.85 Dem Wortlaut von § 242 I StGB liegt nun eine solche Struktur zugrunde: „einem anderen“ als der Dativ und „wegnehmen“ als das Verb mit dem Präfix „weg“. Interessant ist nun also, welche Bedeutung dem „Entziehen“ beigemessen wird. Liegt vielleicht hier eine Willenswidrigkeit verborgen? Grimms Wörterbuch zählt nur Beispiele auf: einem die Hand entziehen, die Mutter entzieht dem Kind die Brust, seine Unterstützung entziehen.86 Dass das Entziehen für das Hineinlesen einer Willenswidrigkeit nicht weiter hilft, zeigt ein Blick in den Duden: Dort wird es als „nicht länger gewähren, nicht mehr in jemandes Besitz lassen“ beschrieben und als Synonym „wegnehmen“ genannt. Entziehen drückt also letztlich nur aus, dass einem anderen etwas gegeben, es ihm aber dann nicht mehr gelassen, sondern ihm wieder (weg-)genommen wird. Jemand gibt seine Hand oder Unterstützung und nimmt sie wieder zurück. Die Mutter gab ihrem Kind einmal die Brust und zieht sie wieder zurück. Mit Entziehen werden Konstellationen beschrieben, in denen die Person, die etwas wegnimmt, dieses etwas vorher gegeben bzw. gewährt hat. Das sind nun aber nicht die Konstellationen, welche mit dem Diebstahl erfasst werden, jedenfalls nicht in dessen Kernanwendungsbereich. Aber selbst wenn: Auch aus dem Wortsinn vom Entziehen lässt sich keine Willenswidrigkeit herauslesen. Welche Erkenntnisse ergeben sich nun daraus für die Frage, ob die Tathandlung der Wegnahme ein Handeln gegen den Willen erfordert? Wenn man auf den Wortsinn abstellt, dann zeigt sich, dass mit dem Präfix „weg“ eine Veränderung ausgedrückt wird, und zwar eine Veränderung des Ortes von etwas bzw. der Zugänglichkeit von jemanden in Bezug auf dieses etwas. Das Präfix bezieht sich aber nicht darauf, welche innere Einstellung dieser jemand auf den die Veränderung bewirkenden Vorgang hatte. Es steht in keinem Zusammenhang zu einem Willenszustand irgendeiner Art, sondern ist rein objektiv in Bezug auf die Veränderung zu bestimmen. Damit ist als Ergebnis der Auslegung des natürlichen Wortsinns von Wegnahme festzuhalten, dass sich – anders als von Geerds und der herrschenden Lehre behauptet – das Element der Willenswidrigkeit aus dem gesetzlichen Tatbestand nicht ergibt. Damit fällt bereits der erste Tatbestand weg, welcher der Zweiteilungslehre als Paradebeispiel eines Einverständnisses dient. 85  Grimm, 86  Grimm,

Wörterbuch, Band 27, Spalte 2934 f. Wörterbuch, Band 3, Spalte 665.

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2. Das Eindringen beim Hausfriedensbruch Wenn sich die Arbeit sogleich noch dem zweiten Paradebeispiel widmet, dem Hausfriedensbruch und seiner Tathandlung des Eindringens, dann hat auch hier eine Auslegung beim natürlichen Wortsinn zu beginnen. Beim Blick in das Wörterbuch von Wahrig87 und Duden88 zum Stichwort „Eindringen“ lässt sich eine Vielzahl an Bedeutungen ausmachen. Bei leichten Systematisierungsbemühungen ergeben sich zwei verschiedene Anknüpfungspunkte, die sich nochmals nach aktiven und passiven Aspekten unterscheiden lassen. Die großen zwei Anknüpfungspunkte beziehen sich auf die Art der Tätigkeit, die einerseits physisch und andererseits kognitiv geprägt sein kann. Sowohl physisch als auch kognitiv kann man zum einen in etwas – also sachbezogen – und zum anderen auf jemanden – also personenbezogenen – eindringen. Als Umschreibungen für das physische Eindringen in etwas wird von Wahrig angeboten, mit Gewalt in etwas vorzustoßen oder sich Ein- und Zutritt zu verschaffen. Der Duden nennt ebenfalls das gewaltsame Sich-Verschaffen von Zutritt und nennt als Synonyme das Einschleichen, Einsteigen oder Einbrechen. Es kann nicht verwundern, dass als Beispiel dementsprechend auch der Dieb genannt wird, der in das Haus eindringt. Der Duden geht auf der empfundenen Gewaltskala sogar noch einen Schritt weiter und sieht von der Bedeutung auch Tätigkeiten in einem militärischen Kontext erfasst: Eindringen könne auch im Sinne von Einmarschieren, Einfallen oder Angreifen verstanden werden. Das Beispiel, der Feind sei in die Stadt eingedrungen, ist auch in Grimms Wörterbuch zu finden.89 Physisches Eindringen auf jemanden meint dagegen nach Wahrig jemanden handgreiflich zu bedrohen, zu überfallen. Für das kognitive Element beim Eindringen in etwas werden von Wahrig Bedeutungen genannt, wie sich mit etwas vertraut zu machen, etwas kennenzulernen, etwas zu erforschen. Man könne in ein Problem, in Zusammenhänge, in den Geist einer Sprache, in die Geheimnisse einer Person eindringen. Der Duden nennt unter diesem Aspekt als Synonyme sich mit etwas auseinanderzusetzten, zu befassen, zu beschäftigen oder etwas zu erforschen, zu untersuchen, zu vertiefen. Zum Beispiel könne man in die Geheimnisse der Natur eindringen. So ist es auch Anliegen der Arbeit in das Thema der Zustimmung einzudringen, sich damit intensiv auseinanderzusetzen und zu beschäftigen. Oder wer kennt es nicht, wenn einem der eigentlich vertraute Partner immer noch Rätsel aufgibt: „Manchmal wüsste ich gerne, was in 87  Wahrig,

Deutsches Wörterbuch, S. 417. Bedeutungswörterbuch, Stichwort: Eindringen. 89  Grimm, Wörterbuch, Band 3, Spalte 163. 88  Duden,



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deinem Kopf vor sich geht. Aber ich dring einfach nicht in deine Gedankenwelt ein.“ Natürlich kann man kognitiv – mit Worten – nicht nur in etwas, sondern auch auf jemanden eindringen. Wahrig nennt dafür das nachdrück­ liche Zureden auf jemanden. Während all diese Tätigkeiten aktivgeprägt sind, da das Eindringen aus der Sicht der Person, die den entsprechenden Vorgang vornimmt, beschrieben wird, kann das Eindringen umgekehrt genauso auch aus der Sicht derjenigen Sache oder Person, in die eingedrungen wird, umschrieben werden. Etwas kann in etwas oder jemand hineingelangen. Der Duden umschreibt dies damit, dass etwas durch etwas sich hindurch einen Weg bahnend dringt. Man denke an eine Flutkatastrophe – das Hochwasser drang in den Keller ein – oder an etwas missgeschickliche Laubsägearbeiten – der Splitter drang tief in die Haut ein.90 Diese umfassende Wiedergabe des in Betracht kommenden Bedeutungsgehalts bedarf neben der bereits erfolgten Systematisierung vor allem einer Ausfilterung: Welche der vorgestellten Bedeutungen ist für den Wortlaut des § 123 StGB von Relevanz? Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass es grundsätzlich nur um das Eindringen in etwas und nicht auf jemanden gehen kann, da sich der Wortlaut des Gesetzes auf eine geschützte Räumlichkeit bezieht. Das Eindringen ist also sachbezogen zu verstehen. Da es weiterhin im Strafrecht stets um die Bestrafung der Taten von Personen und nicht deren inneren Gedanken geht, stehen die physischen Aspekte des Begriffsgehalts im Vordergrund. Daher kann im Gesetz nicht gemeint sein, sich mit etwas vertraut zu machen oder auf jemanden intensiv einzureden. Es bleibt also im Ergebnis nur die Umschreibung eines physischen Eindringens in etwas übrig, ob nun aktiv oder passiv beschrieben, ist dabei nicht von herausragendem Interesse: Bei reiner Wortlautbetrachtung kann Eindringen also nur bedeuten mit Gewalt in etwas vorzustoßen, sich gewaltsam Ein- und Zutritt zu verschaffen, einzuschleichen, einzusteigen oder einzubrechen, einzumarschieren, einzufallen oder anzugreifen, etwas durch etwas hindurch einen Weg bahnend. Wenn man diese Umschreibungen liest und sich zurückbesinnt auf die von der Zweiteilungslehre aufgestellte Behauptung, aus dem Wortlaut von § 123 StGB ergäbe sich die formale Voraussetzung der Verletzung eines entgegenstehenden Willens, dann stellt sich nach Betrachtung des Begriffs Eindringens eindringlich die Frage: Wo? Keine einzige Umschreibung stellt auch nur im Entferntesten auf einen entgegenstehenden Willen ab. Es wäre ­wesentlich verständlicher, wenn aufgrund des Wortlauts ein Gewaltelement ­hineingelesen würde, denn darauf wird einstimmig verwiesen; insbesondere 90  Beispiele

so auch bei Duden und Wahrig zu finden.

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wenn man sich das Beispiel der militärischen Invasion vergegenwärtigt. Aber es lässt sich keine Stimme aus Rechtsprechung oder Lehre vernehmen, die ein Gewaltelement zur Erfüllung der Tathandlung für erforderlich erklären wür­de. Das behauptete Willensbruchelement könnte sich bei reiner Betrachtung des Wortlauts allenfalls unter zwei Gesichtspunkten ergeben: Es ließe sich zunächst argumentieren, dass „gewaltsam“ in einem psychischen Moment bestünde: Jede Person, die sich gegen den Willen des Hausrechtsinhabers Zutritt zur geschützten Räumlichkeit verschafft, handelt gewaltsam. Die Rede von „häuslicher Gewalt“ erschiene bei einem solchen Verständnis in neuem Licht. Aber ein solches Verständnis von Gewalt stünde in erkennbarem Widerspruch zur herrschenden Auslegung des Gewaltbegriffs als Anwendung eines Nötigungsmittels. Zwar wird keine große körperliche Kraftentfaltung seitens des Täters gefordert, sehr wohl jedoch eine körperliche Zwangswirkung beim Opfer.91 Dass etwas nur gegen den Willen einer Person geschieht, z. B. jemand den Raum betritt, stellt keine solche Zwangswirkung dar, sondern bedeutet nur psychischen Widerwillen. Bei der Umschreibung des Bedeutungsgehalts des Eindringens kann somit der Gesichtspunkt der Gewalt, jedenfalls nicht ohne Abgrenzungsaufwand zum herkömmlichen Gewaltbegriff, nicht zur Begründung eines Willensbruchelements herangezogen werden. Als zweiter Gesichtspunkt bliebe somit nur die Umschreibung des Eindringens in einem eher natürlichen Sinne: Etwas bahnt sich durch etwas hindurch. Duden und Wahrig geben überstimmend die Beispiele des Eindringens von Hochwasser oder eines Holzspans. Ein Mensch will sowenig Hochwasser in seinem Keller wie Späne in seiner Haut oder Schmutz und Bak­ terien in seiner Wunde. Eindringen könnte also in dem Sinne zu verstehen sein, dass das Hineingelangen der Sache oder Person typischerweise immer damit verbunden ist, dass es als unangenehm empfunden und daher ein dem entgegenstehender Wille gebildet wird. Es widerspräche dem natürlichen Sprachgebrauch zu sagen, dass die Gäste zum gemeinsamen Abendessen in die Wohnung ihres Gastgebers eindrangen oder das Wasser in den Swimmingpool eindrang. Die These wäre, dass alles, was mit dem Willen in etwas hineingelangt, nicht dort eindringen kann. Aber diese These lässt sich nicht aufrecht erhalten, denn es sind Konstellationen denkbar, in denen die Verwendung des Begriffs vom Eindringen trotz der Erwünschtheit des Hineingelangens dem natürlichen Sprachgebrauch nicht widerspricht. Beim Verein der Berliner Unterwelten kann man an Führungen durch Berliner Bunkeranlagen teilnehmen: Die Teilnehmer der 91  Sinn,

MK-StGB, § 240 Rn. 45 m. w. N.



§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung 101

Führung dringen dort tief in den Bunker am Humboldthain ein. Oder einem an Diabetes leidenden Patienten wird eine Spritze mit Insulin gesetzt: die Spritze dringt in die Haut und das Insulin in das Blut ein.92 Und wer einem am Bahnhofskiosk gekauften Groschenroman liest, der findet mit großer Wahrscheinlichkeit einen Satz wie diesen: Sie spürte, wie er tief in sie eindrang und stöhnte vor lauter Lust laut auf. Ein besonderen lyrischen Ansprüchen genügendes Beispiel ist auch in Grimms Wörterbuch zu finden: „diese zeilen sind in mich eingedrungen wie ein erster frühlingsregen“.93 Obwohl in allen Beispielen das Geschehen dem dem Willen der jeweiligen Person entspricht, kann trotzdem von einem Eindringen gesprochen werden, ohne sprachliche Unstimmigkeiten oder Missverständnisse hervorzurufen. Daher kann nur aufgrund der Verwendung des Begriffs vom Eindringen nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass dies gegen den Willen einer Person geschehen ist; im Gegenteil können damit sogar sehr erwünschte Folgen verbunden sein. Der Begriff des Eindringens steht somit in keiner spezifischen Beziehung zum Willen der Person.94 Damit fällt aber auch das zweite Paradebeispiel eines Falles des Einverständnisses hinweg. 3. Das Misshandeln bei der Körperverletzung Wenn die Arbeit damit den vermeintlichen Willensbezug zweier Einverständnisfälle widerlegt hat, fragt es sich noch, zu welchen Ergebnissen eine Auslegung von Tatbeständen führt, die üblicherweise denen der Einwilligung zugeordnet werden. Die Arbeit beginnt mit der Körperverletzung und konzentriert sich dabei auf die Tathandlung des Misshandelns. Der Duden nennt als natürlichen Bedeutungsgehalt für misshandeln, jemandem körperliche Schmerzen zuzufügen, und fügt als Synonyme foltern, martern, peinigen, quälen, tyrannisieren hinzu.95 Schmerzen wiederum werden als eine unange92  Auf einen kleinen Randaspekt sei noch hingewiesen: Das Applizieren der Spritze und die Verabreichung des Insulins können in den Anwendungsbereich der Körperverletzungsdelikte fallen. Obwohl die jeweilige Handlung der Tatsachenwelt als ein Eindringen beschrieben werden kann, lauscht man vergebens nach den Stimmen, die behaupten würden, es bedürfte auch hier der Überwindung einer Willensbarriere. Kann und darf es von der Zufälligkeit abhängen, ob ein Eindringen nun formalen Niederklang in der tatbestandlichen Umschreibung des Handlung gefunden hat oder sich nur aus tatsächlichen Beschreibung eines Verhaltens aus der Wirklichkeit ergibt? Nach Ansicht der Arbeit: Nein! 93  Grimm, Wörterbuch, Band 3, Spalte 163. 94  Zu diesem Ergebnis gelangt auch Kargl, auch wenn er sich etwas vorsichtiger ausdrückt: Dem Begriff des Eindringens sei die Überwindung einer Willensbarriere nicht notwendig eingeschrieben, JZ 1999, 930, 932. 95  Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: misshandeln.

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nehme, körperliche Empfindung beschrieben.96 Wie bei der Wegnahme, so liegt auch hier mit „miss-“ ein verbales Präfix vor, das laut Duden ausdrückt, dass das im Basiswort Genannte in einer Weise geschieht, die das Gegenteil des Basiswortes, nicht richtig oder nicht gut ist.97 Die entscheidende Frage lautet, wer darüber bestimmt, was unangenehm ist, was nicht richtig oder nicht gut ist. Es lässt sich vertreten, dass das, was Schmerzen sind, das, was unangenehm ist, das, was nicht richtig oder gut ist, dass all das objektiv zu bestimmen sein könnte oder sogar müsste. Nur: Wird das dem natürlichen Sinn des Wortes gerecht? Stellt man sich einen Arzt vor, der seinen Patienten fragt, ob und wo er Schmerzen habe, dann ergäbe eine solche Frage keinen Sinn. Denn was Schmerzen sind, ließe sich doch mit einem objektiven Verständnis ohne die Einschätzung des Patienten bestimmen. Freilich ist die soziale Realität und damit der soziale Bedeutungsgehalt des Wortes Schmerzen ein anderer und kommt auch in der oben wiedergegeben Umschreibung zum Ausdruck: Das Empfinden ist subjektiv aus der Sicht der Person zu bestimmen. Jedes andere Verständnis widerspricht dem natürlichen Wortsinn. So beschreibt der Duden „empfinden“ dann auch damit, dass man entweder etwas als einen über die Sinne vermittelten Reiz verspürt bzw. wahrnimmt oder man von etwas im Innern ergriffen wird.98 Dadurch also, dass das Misshandeln auf das Empfinden einer Person nach seinem Wortsinn abstellt, ist es die subjektive Einstellung der Person, die maßgebend für die Tathandlung ist. Das hindert natürlich nicht, dass das Recht das subjektive Empfinden an einer objektiven Erheblichkeitsschwelle misst, aber eine solche bezieht sich auf das Eingreifen vom Strafrecht, nicht darauf, dass das Empfinden objektiv auszulegen ist. Wenn man damit die körperliche Misshandlung in § 223 I StGB betrachtet, dann legt eine Auslegung von deren natürlichem Wortsinn das Hineinlesen eines Willenselements näher als es bei Wegnahme oder Eindringen der Fall war. Denn was mit dem Willen einer Person geschieht, das kann nicht falsch sein, das kann nicht ihrem subjektiven Empfinden widersprechen und unangenehm sein. Würde das Recht es anders beurteilen, also trotz zustimmenden Willens einer Person, eine Misshandlung und damit einen Widerspruch zu ihrem Empfinden bejahen, dann würde es seine objektiven Maßstäbe an einen Begriff anlegen, dessen Wesen nur der subjektiven Einstellung zugänglich ist und damit dessen Wortsinn widersprechen.

96  Duden,

Bedeutungswörterbuch, Stichwort: Schmerzen. Bedeutungswörterbuch, Stichwort: miss- (Präfix). 98  Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: empfinden. 97  Duden,



§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung 103

4. Das Beschädigen bei der Sachbeschädigung Und schließlich wird sich die Arbeit der Sachbeschädigung widmen. Zugebenermaßen lässt sich im Gegensatz zum Misshandeln die Beschädigung einer Sache – ebenso wie deren Zerstörung oder auch eine Gesundheitsschädigung – objektiv beurteilen, jedenfalls nach dem natürlichen Wortsinn, bedeutet der doch nichts anderes, als dass bei der Sache ein Schaden, also eine negative Einwirkung eingetreten ist. Nur muss auch der soziale Kontext beurteilt werden: Wenn der Gärtner den Rasen mäht und die Hecke schneidet, dann beschädigt er weder Rasen noch Hecke, sondern verschönert sie genauso wie der Maler, der die Wände eines Hauses mit neuer Farbe streicht.99 In diesen Fällen widerspräche es dem natürlichen Sprachverständnis von einer Beschädigung zu sprechen. Wer einwendet, ein solch sozialer Kontext könne ohne weiteres in einem rein objektiven Begriff aufgenommen werden, der setzt seinen Fuß in eine argumentative Falle. Denn was ist, wenn Maler und Gärtner ihr Handwerk zwar in den Augen eines objektiven Betrachters perfekt umsetzen, aber der Eigentümer der auf diese Weise objektiv verschönerten Sache etwas dagegen hatte, Maler und Gärtner also eigenmächtig handelten? Würde man eine Ausnahme von der Relevanz des objektiv-sozialen Kontext gestatten wollen, dann würde der Anknüpfungspunkt der subjektive Wille des Betroffenen sein. Aber dann ließe sich – und an dieser Stelle greift die Falle zu – nicht mehr vertreten, dass der Wille des Berechtigten keine Relevanz für die Handlung des Täters habe! Damit wäre aber auch die Sachbeschädigung nicht so eindeutig ein Fall der Einwilligung, wie es behauptet wird.

III. Ergebnis: Die Unmöglichkeit einer Zweiteilung Wenn diese Arbeit die These aufgestellt hat, sie habe jene Schwachstelle offengelegt, die das Fundament der Zweiteilungslehre von Geerds und der herrschenden Lehre zum Einsturz bringt, dann liegt diese hier: Eine Zweiteilung der Zustimmung durchzuführen ist unmöglich, weil der Wortlaut der tatbestandlich ausformulierten Tathandlungen nicht zu den eindeutigen und zwingenden Ergebnissen führt, dass eine Willenswidrigkeit in einigen Fällen enthalten ist und in anderen nicht. Die einzigen Ausnahmen – da das Gesetz hier ausdrücklich „gegen den Willen“ als Tatbestandsmerkmal ausformuliert hat – bilden die Tatbestände des unbefugten Fahrzeuggebrauchs und des ­sexuellen Übergriffs, wobei aber letztere Norm im Geiste der Zweiteilungslehre entstanden ist, also nicht zu deren Begründung herangezogen werden 99  So

auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 30.

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Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre

kann.100 Die für eine Abgrenzung zwischen den verschiedenen Zustimmungsarten herangezogenen Kriterien von Geerds und der ihm folgenden herrschenden Lehre sind zu vage, als dass damit eine Trennung beider Rechtsfiguren sicher gelingen könnte. Eine Auslegung hingegen, die als einzig verbleibende Möglichkeit in Betracht kommt, führt gerade dort, wo nach herrschender Ansicht Fälle eines tatbestandlichen Willenswidrigkeitserfordernis anzunehmen sein sollen, dazu, jede Willensrelevanz zu verneinen. Und umgekehrt kann dort, wo die herrschende Ansicht eine Willensrelevanz der Tathandlung verneint, mit guten Argumenten eine solche angenommen werden. Damit führt die Auslegung nur einer Auswahl an Tatbeständen – aber jenen, die für die Zweiteilungslehre von besonderer Bedeutung sind – bereits dazu, dass deren Behauptung, es müsse zwingend zwischen zwei verschiedenen Formen der Zustimmung mit verschiedenen Voraussetzungen unterschieden werden, widerlegt ist. Daher ist die Zweiteilungslehre aufzugeben, die Zustimmung ist als einheitliche Rechtsfigur des Strafrechts einzuordnen, die einer einheitlichen Dogmatik unterworfen ist. Wie diese Zustimmungsdogmatik beschaffen ist, ist Gegenstand der nächsten Kapitel.

100  Dass die tatbestandliche Neufassung von § 177 StGB sich des Geistes der Zweiteilungslehre nicht erwehren konnte, zeigt Hörnle in ihren Formulierungsvorschlägen während der Reformdiskussion, Menschenrechtliche Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention, S. 10 f.

Teil 3

Grundlegung des Begriffsverständnisses Bevor die Arbeit im nächsten Kapitel auf die Voraussetzungen einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik eingeht, ist es erforderlich, einige grundlegende Begrifflichkeiten zu klären. Es geht um solche Begriffe, die sowohl in Geerds’ Untersuchung als auch in der dessen Zweiteilungslehre rezipierenden Literatur immer wieder auftauchten und für das Verständnis der Zustimmung von Bedeutung sind. Es handelt sich zum einen um den Begriff des Unrechts. Diese Arbeit kann schwerlich Geerds vorwerfen, jenen Begriff unterentwickelt gelassen zu haben, um dann selbst vor der Anstrengung eines eigenen Definitionsversuchs abzusehen. Daher gilt es zu klären, was Unrecht ist. Nur wer der Bedeutung dieses Begriffs auf den Grund geht, kann ermitteln, in welchem Zusammenhang die Zustimmung hierzu steht. Zum anderen geht es um den Rechtsgutsbegriff, der bei Geerds noch keinen herausragenden Stellenwert einnahm, ganz im Gegensatz zur heutigen Diskussion. Und schließlich gilt es den Zusammenhang zwischen Unrecht und Rechtsgut sowie deren Verhältnis zu Tatbestand und Rechtswidrigkeit im Deliktsaufbau zu klären.

§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht Es lassen sich im Sinne einer strukturierten Begriffsentwicklung, ausgehend vom Schutzlegitimationsgedanken, nach welchem dem Strafrecht eine Schutzaufgabe zugesprochen wird, drei zentrale Fragen formulieren: Was soll wovor geschützt und wie soll die Schutzaufgabe in den herkömmlichen Deliktsaufbau eingeordnet werden? Die Frage nach dem Schutzgegenstand betrifft den Begriff des Rechtsguts, der sich zwischen treuer Anhängerschaft1 1  Eisele, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 7 ff.; Hassemer / Neumann, NK-StGB, Vor § 1 Rn. 116 ff., 142 ff.; Hefendehl, Rechtsgut, S. 119 ff.; ders., GA 2007, 1 ff.; M. Heinrich, Roxin-FS II, S. 131, 146 f.; Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 3, 12; Jescheck / Weigend, AT, S.  7 f.; Joecks, MK-StGB, Einl. Rn. 35 ff.; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 1 Rn. 13; ders., AT, § 2 Rn. 6; Roxin, AT I, § 2 Rn. 7, 50; ders., Hassemer-FS, S. 573; ders., GA 2013, 433; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S.  133 ff.; Steinberg, Rüping-FS, S. 91, 108; Swoboda, ZStW 2010, 24, 49 f.; Weber, Baumann / Weber / Mitsch, AT, 11. Aufl., § 3 Rn. 10 ff.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

und herzlicher Feindschaft2 bewegt. In engem Zusammenhang dazu steht der Begriff des Unrechts und dessen Verhältnis zum Rechtsgutsbegriff. Das betrifft die Frage, wovor das Strafrecht schützen soll. Schließlich geht es darum zu klären, wie die Schutzaufgabe in den dreigliedrigen Deliktsaufbau einzuordnen ist. Es sind die Funktionen und das Verhältnis der Ebenen von Tat­ bestand und Rechtswidrigkeit zueinander und im Verhältnis zum Begriff des Unrechts zu klären.

I. Was das Strafrecht schützt – Rechte und Rechtsgüter Was schützt das Strafrecht? Allgemein wird diese Frage mit dem Verweis auf einen schillernden Stützpfeiler des Strafrechtssystems beantwortet und die Aufgabe des Strafrechts im Schutz von Rechtsgütern beschrieben.3 Doch der Rechtsgutsbegriff soll in der Wissenschaft noch viel mehr leisten als Auskunft darüber zu geben, was die Schutzaufgabe des Strafrechts ist: „Es entspricht einer starken Tradition in der deutschen Strafrechtswissenschaft, bei der Untersuchung von problematisch empfundenen Strafnormen beim Rechtsgutsbegriff anzusetzen. […] Zuerst wird der Begriff des Rechtsguts ausführlich erörtert, regelmäßig unter Einbeziehung der Dogmengeschichte. Danach wird geprüft, ob das mit der Norm verfolgte Anliegen unter dieses Rechtsgutsverständnis zu subsumieren ist. […] Diese Untersuchungsmethode beruht auf einer optimistischen Annahme über die Reichweite des Rechtsgutsbegriffs […].“

So leitet Tatjana Hörnle4 ihre Kritik an der Rechtsgutstheorie ein.5 Freilich richtet sich die Kritik nicht gegen den gesamten Rechtsgutsbegriff, sondern lediglich gegen einen Teil; wenn auch einen, in dem manch einer den eigentlichen „Königsweg des Rechtsgüterschutzdenkens“6 erblickt. Denn im Anschluss an Winfried Hassemers Arbeit zur Soziologie des Verbrechens wird in der Lehre zwischen der systemimmanenten und der systemkritischen 2  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 159 ff.; Androulakis, Hassemer-FS, S. 271 ff.; Appel, Verfassung, S.  381 ff.; Dubber, ZStW 2005, 501  ff.; Lagodny, Strafrecht, S.  155 f., 162 f.; ders., Verfassungsdogmatik, S.  83 ff.; Stratenwerth, Lenckner-FS, S.  377 ff.; ders., Verhaltensdelikte, S. 157, 164; Stuckenberg, ZStW 2017, 349; ders., GA 2011, 653 ff. 3  Eisele, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 7; Kindhäuser, LPKStGB, Vor § 1 Rn. 13; ders., AT, § 2 Rn. 6; Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 3, 6; Maurach / Zipf, AT I, § 19 Rn 4 ff.; Otto, AT, § 1 Rn. 21 ff.; Rinck, Deliktsaufbau, S. 26; Roxin, AT I, § 2 Rn. 7; Weber, Baumann / Weber / Mitsch, AT, 11. Aufl., § 3 Rn. 10; Wessels / Beulke / Satzger, AT, § 1 Rn. 9; Wolter, Zurechnung, S. 24. 4  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 11. 5  Schünemann hat versucht nachzuweisen, dass diese Art der Kritik, wie sie von der Arbeit stellvertretend für Hörnle wiedergegeben wurde, ihrerseits „von irrigen methodologischen Voraussetzungen ausgeht“, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133, 137. 6  Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133, 134, 149.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht107

Funk­tion des Rechtsguts unterschieden:7 Während erstere nur die „schlichte Summe der im StGB formulierten Schutzobjekte“ sei, werde bei letzterem das Rechtsgut zum „Instrument der Kritik an diesen Schutzob­ jekten“.8 Hörnle bezieht sich in ihrer Kritik auf die system- bzw. gesetzgebungskritische Rechtsgutsfunktion und befindet sich damit in guter Gesellschaft; manch einem Autoren fällt es sogar schwer „ernst zu bleiben“ angesichts der „Reihe von historischen Fehlschlüssen und Fehlern“ der gesetzgebungskritischen Rechtsgutslehre.9 Die zwei wesentlichen Angriffspunkte sind einerseits die Unbestimmtheit des Rechtsgutsbegriffs,10 da es an einer anerkannten Definition fehle,11 andererseits die fehlende Verbindlichkeit für den Gesetzgeber12. Der Vorwurf der Unbestimmtheit lässt sich dadurch teilweise entschärfen, dass man wie Roxin darauf verweist, dass oberste Rechtsprinzipien stets nur einen „leitenden Maßstab kennzeichnen, der am Rechtsstoff konkretisierend zu entfalten ist“.13 Auch der zweite Kritikpunkt, die aus seinem Begriff gewonnenen Erkenntnisse seien im Verfassungsstaat für den Gesetzgeber nicht verbindlich, greift eigentlich nicht, ist dieser Punkt doch unstrittig. Selbst die Verfechter eines gesetzgebungskritischen Rechtsgutsbegriffs widersprechen

7  Hassemer, Verbrechen, S.  19 f., 24 f.; ders. / Neumann, NK-StGB, Vor §  1 Rn. 113. Vgl. auch Roxin, AT I, § 2 Rn. 4 f. und Engländer, ZStW 2015, 616, 620, die jeweils inhaltsgleich zwischen einem methodischen und kriminalpolitischen bzw. formellen und materiellen Rechtsgutsbegriff unterscheiden. 8  Hassemer, Verbrechen, S. 19. 9  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 159. 10  Romano spricht sogar von einer „naturgegebenen wesentlichen Unbestimmtheit“, Roxin-FS II, S. 155, 166. 11  M. Heinrich, Roxin-FS II, S. 131, 132, 148; Roxin, AT I, § 2 Rn. 2; Rönnau, JuS 2009, 209, 210; Stratemwerth, Lenckner-FS, S. 377, 378, 383, 388; ders. / Kuhlen, AT, § 2 Rn. 7; Suhr, JA 1990, 303, 304, 306 ff.; Swoboda, ZStW 2010, 24, 34; Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 7. 12  Stuckenberg, GA 2011, 653, 656 f.; Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 7. 13  Roxin, GA 2013, 433, 440. Ähnlich argumentiert auch Mir Puig, GA 2003, 866, der auf die Prinzipien der Demokratie und des Gleichheitssatzes hinweist, an deren Geltung, trotz ihrer Allgemeinheit, auch niemand zweifelt. Diese Argumentation ist aber insoweit schief, als dass das Demokratieprinzip ein unabänderliches Staatsstrukturprinzip ist, welches sich unmittelbar aus der Verfassung ergibt, während das Rechtsgutsdogma ohne eine solch unmittelbare verfassungsrechtliche, ja überhaupt ohne gesetzliche Verankerung dasteht, wodurch das Prinzip als solches in Frage steht und nicht nur seine inhaltliche Anreicherung. Dagegen kann man der inhaltlichen Unbestimmtheit nicht dadurch entkommen, dass man wie M. Heinrich, Roxin-FS, S. 131, 148 versucht sie mittels eines „Drei-Stufen-Schema“ und der Frage „Was und wer soll wovor geschützt werden?“ in den Griff zu bekommen, denn diese Fragen lassen sich stellen und beantworten, ohne jemals auch nur eine Idee von Rechtsgütern zugrunde gelegt zu haben; aber vor allem: Die einzig entscheidende Frage nach dem Was? bleibt auch mit diesem Schema weiter offen.

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dem überhaupt nicht:14 Es handele sich nur um „Postulate ohne verfassungsrechtliche Verbindlichkeit“15, nur die Verfassung selbst könne dem Gesetzgeber Grenzen setzen16.17 1. Die Problematik des systemimmanenten Rechtsgutsbegriffs Für diese Arbeit stellt sich nun die hier nur angerissene Problematik nicht, untersucht sie doch dogmatische Fragen der Zustimmung und stellt nicht deren kriminalpolitische Legitimität in Frage. Für den Fortgang dieser Untersuchung ist es weder notwendig, auf den gesetzgebungskritischen Gehalt des Rechtsgutsbegriffs einzugehen, noch eine eigene Position hierzu zu entwickeln, denn selbst wenn ein solch kritischer Rechtsgutsbegriff ermittelt würde, so könnte er dennoch im weiteren Verlauf dieser dogmatischen Untersuchung keine Verwendung finden. Angesichts der Anerkennung der systemimmanenten Funktion des Rechtsgutsbegriffs scheint für diese Arbeit also kein Hindernis zu bestehen, auf den Begriff zumindest in dieser Funktion zuzugreifen, um so strafrechtsdogmatisch bzw. systemimmanent zu argumentieren. Mit der herrschenden Ansicht erscheint das nicht problematisch, denn im gleichen Maße wie die gesetzgebungskritische Funktion umstritten ist, erfreut sich diejenige Funktion, wonach das Rechtsgut zur Auslegung des Gesetzes dienlich, ja notwendig ist, breiter Anerkennung.18 Greco meint sogar, man habe „nicht einmal angefangen“ das „Potential der Rechtsgutslehre für die Konturierung der Straftatbestände […] auszuschöpfen“.19 So erklärt es sich wohl auch, dass zwar eine kaum überschaubare Vielzahl an Beiträgen zur Rechtsgutslehre veröffentlicht werden, die sich aber fast ausschließlich mit der gesetzgebungkritischen Funktion beschäftigen. Dagegen wird die systemimmanente Funktion die Einschätzung Roxins, GA 2013, 433, 448. Hassemer-FS, S. 573, 584 f. 16  Roxin, AT I, § 2 Rn. 12, 94; ders., GA 2013, 433, 449; vgl. auch Eisele, Sch / Sch-StGB, Vor § 13 Rn. 10a; Frister, AT, § 3 Rn. 32; Steinberg, Rüping-FS, S. 91, 99; Sternberg-Lieben, Rechtsgut, S. 65, 79 f. 17  Zur Frage, inwieweit sich ein gesetzgebungskritischer Rechtsgutsbegriff aus der Verfassung her ableiten lässt, Greco, Straftheorie, S. 309 ff. Vgl. auch Engländer, ZStW 2015, 616, 624 ff. und Kudlich, ZStW 2015, 635, 646 ff. Engländer gelangt dabei zum Fazit, die Hoffnung, die Rechtsgutslehre mittels Verfassungsrecht zu „revitalisieren“, sei „eine trügerische“, ZStW 2015, 616, 634; dem sich anschließend Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 353 f. 18  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 156; Androulakis, Hassemer-FS, S. 271; Greco, Straftheorie, S. 353; Kudlich, ZStW 2015, 635, 637 f., 652; Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 6; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133 f.; Swoboda, ZStW 2010, 24, 32; Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 8. Kritisch aber Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 12. 19  Greco, Straftheorie, S. 353. 14  So

15  Roxin,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht109

von der Lehre nicht nur eher stiefmütterlich behandelt,20 sondern noch nicht einmal in ihrem vollen Bedeutungsgehalt erfasst. Hassemer selbst sah die systemimmanente Rechtsgutsfunktion als „Mittel der Auslegung und Mittel der dogmatischen Konstruktion“ an, zugleich relativierte er aber diese Unterscheidung: Auslegung stelle auch „nur eine Etappe der dogmatischen Konstruktion dar“ bzw. „Auslegung ist auch dogmatische Konstruktion“. Deshalb geht er letztlich von einer einheitlichen Funktion aus, die „als ‚dogmatisch‘ [zu] bezeichnen“ ist.21 Wenn nun aber die Strafrechtslehre Bezug zu dieser dogmatischen Funktion nimmt, tritt der Gedanke der dogmatischen Konstruktion hinter den der Auslegung zurück, obwohl sich deren Verhältnis nach Hassemer umgekehrt verhält.22 Und das ist eine prekäre Blickverengung der modernen Lehre, verkennt sie doch die wesentliche Bedeutung des Rechtsgutsbegriffs für die Strafrechtsdogmatik und ihren Konstruktionen, etwa für die Zustimmung und der mit ihr zusammenhängenden Komplexe. Daher ist es auch falsch, wenn Engländer und Stuckenberg diesen Rechtsgutsbegriff als formell23 bzw. deskriptiv24 beschreiben: Denn unter Zuhilfenahme des Rechtsguts werden nicht nur bestimmte dogmatische Zustände beschrieben, sondern überhaupt erst erschaffen. Wenn es um das Rechtsgut als Auslegungsinstrument geht – nur insoweit erscheint es allenfalls vertretbar von einer formal-deskriptiven Funktion zu sprechen –, so wurde dieser Teilbereich der dogmatischen Funktion sicherlich am pointiertesten von Honig und Grünhut zusammengefasst: Das Rechtsgut als der „in den einzelnen Strafrechtssätzen anerkannte Zweck in seiner kürzesten Formel“25 bzw. als die „Abbreviatur des Zweckgedankens“26. Etwas moderner formuliert Hörnle diesen Rechtsgutsgedanken als „verkürzendes Schlagwort für die dahinter stehenden Überlegungen“.27 Andere Au20  Vgl. nur die Themensetzung jüngerer Beiträge, etwa der Referenten der Augsburger Strafrechtslehrertagung Engländer, ZStW 2015, 616 ff. und Kudlich, ZStW 2015, 635 ff. Stuckenberg weist in ZStW 2017, 349 ff. immerhin auf Zweifel bezüglich der Tauglichkeit als Auslegungsmittel hin. Siehe auch aus der Kommentarliteratur Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 6 ff., der nur die Tauglichkeit des Rechtsgutsbegriffs in seiner „strafrechtslimitierenden Funktion“ diskutiert. 21  Hassemer, Verbrechen, S.  57 f. 22  Exemplarisch hierfür Koriath, GA 1999, 561, 574 ff., der nur auf die „Interpretationspraxis“, für die „ein hermeneutischer Rechtsgutsbegriff vermutlich nur wenig“ leistet, nicht aber auf die – in Anlehnung an seine Begriffsbildung – Konstruk­ tionspraxis eingeht. 23  Engländer, ZStW 2015, 616, 620. 24  Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 350. 25  Honig, Einwilligung, S. 94. 26  Grünhut, Frank-FG, S. 1, 8. 27  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 21. Vgl. auch Seher, Strafnormlegitimation, S. 39, 56.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

toren sprechen in vergleichbarer Weise von einer „Chiffre“28 oder einem „rhetorischen Topos“29. Selbst von den schärfsten Kritikern des Rechtsgutsbegriffs wird diese systemimmanente Funktion anerkannt bzw. genauer gesagt: Die Kritiker der Rechtsgutstheorie haben dieses Verständnis in den Vordergrund gerückt. So erachtet etwa Amelung die dogmatische Funktion des Rechtsguts – als „Instrument teleologischer Interpretation“ zu fungieren – für unverzichtbar. Hinzu trete auch die Funktion, das Unrecht auf einer „gleitenden Skala“ abstufen zu können,30 sowie die „Übersetzungsarbeit“ bzw. „Transformationsleistung“: Das Rechtssystem müsse die Informationen der „Außenwelt“ zu seiner eigenen „Rechtsgüterwelt“ umformen, nur so könne es die Informationen „in seiner eigenen Sprache“ aufnehmen und verarbeiten.31 Die „Leere“ des Rechtsgutsbegriffs, seine „völlige Unbestimmtheit“, seine Offenheit „für fast jede Wertung“, dürfe nicht abqualifiziert und verkannt werden, denn darin liege gerade sein „Reichtum“; so werde das Rechtsgut zum „Verbindungsglied der Politik mit der Dogmatik“; nur so können wir heute „strafrechtsdogmatisch argumentieren“.32 Stuckenberg bringt diese Sichtweise prägnant auf den Punkt, wenn er von einer „inten­ sionale[n] Unterbestimmtheit“ spricht.33 Und Hefendehl sieht in der Reduktion der Funktion des Rechtsguts auf ein derartiges Minimum nichts anderes, als einen listigen Versuch die Kontroverse zu schlichten.34 Während die Problematik für den systemkritischen Rechtsgutsbegriff aus „prinzipiellen Gründen“ entsteht,35 da eine allgemeingültige Definition des Rechtsguts, die alle schützenswerte Objekte erfasst, zwangläufig zu einer „Theorie mit einem hohen Abstraktionsgrad und einem minimalen Erkennt­ nisgewinn“36 führen muss,37 ergibt sich das Problem für die systemimma28  Weigend,

LK-StGB, Einleitung, Rn. 8. LK-StGB, Vor § 13 Rn. 16. 30  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 156. 31  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 158. Vgl. zu dieser Transformations- und Skalierungsfunktion auch Pawlik, Unrecht, S. 129. 32  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 158 f. Vgl. auch Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 7 f., der einerseits attestiert, der Begriff hätte „mehr Verwirrung als Klarheit“ geschaffen, „vage und ausfüllungsbedürftig“ wäre er und könnte sowohl „‚naturalistisch‘ als ‚Gegebenheit‘ des sozialen Lebens“ als auch „‚normativ‘ […] als das, was der Gesetzgeber als wertvoll betrachtet“ verstanden werden, der aber andererseits den Rechtsgutsbegriff dennoch als Auslegungsinstrument für „sinnvoll und häufig unverzichtbar“ erachtet. 33  Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 357 f. 34  Hefendehl, Rechtsgut, S. 119. 35  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 17. 36  Hassemer, Verbrechen, S. 101. 37  Engländer, ZStW 2005, 616, 221 verteidigt die Rechtsgutstheorie zumindest gegen Kritik, die sich allein „auf einen unhaltbaren Begriffsrealismus bzw. Begriffsessentialismus“ stützt. 29  Walter,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht111

nente Funktion nicht aus der Abstraktheit der Definitionsversuche, sondern aus der Ergebnisorientiertheit und Beliebigkeit der Begründung. Der Rechtsgutsbegriff lässt sich nicht nur „beliebig mit politisch geprägten Inhalten aller Art auffüllen“,38 sondern auch mit jeglichen dogmatischen Wertungen, ohne einen rechtlich gegebenen Anknüpfungspunkt vorweisen zu müssen. Das einzige, was an Hassemers Vorwurf an die Praxis, für die das Rechtsgut „ein fast inhaltsleerer Topos“ ist, der „je nach dem gewünschten Entscheidungs­ ergebnis mit dieser oder jener Bedeutung aufgefüllt werden kann“39, nicht nachvollzogen werden kann, ist, dass er sich nur an die Praxis richtet, obwohl die Kritik für die Wissenschaft genauso zutrifft. Pawlik attesiert der Rechtsgutslehre eine „inhaltliche Flexibilität“ und stellt zutreffend fest, dass das „Denken in Rechtsgütern […] ohne zugrunde liegende Wertungen inhaltsleer“ ist, diese Wertungen „aber nicht aus der Theorie heraus entwickelt werden“ können, denn sie sind „politischer Natur“.40 Stuckenberg gelangt zum Fazit, dass die Rechtsgutstheorie „kein wissenschaftliches Konzept mit analytischer Potenz [ist], im Gegenteil, eher ein Instrument zur Vernebelung der dahinter stehenden, bisweilen diffusen und eher gefühlten als präzise bestimmten Werthaltungen“.41 Der Mangel an rechtlichen Vorgaben für den Rechtsgutsbegriff wird mitunter versucht dadurch auszugleichen, eine erhöhte Aufmerksamkeit bestimmten Abgrenzungsfragen zu widmen. An vorderster Front steht dabei die Abgrenzung zwischen Rechtsgut und Handlungsobjekt, auf welche kein Beitrag zum Rechtsgutsbegriff zu verzichten scheint.42 Hefendehl unterscheidet nicht weniger als drei verschiedene Gesetzgebungstechniken für das Verhältnis beider Begriffe: Entweder es besteht überhaupt keine Übereinstimmung – wie etwa bei den Urkundendelikten mit dem Tatobjekt der Urkunde und dem Rechtsgut der Sicherheit des Beweisverkehrs – oder nur eine inhaltliche oder eine inhaltliche-formale Übereinstimmung. Letzteres sei der Fall, wenn das Rechtsgut zur Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands 38  Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 251 ff., 257 f.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 14. 39  Hassemer, Verbrechen, S. 14. 40  Pawlik, Unrecht, S. 130 f. 41  Stuckenberg, GA 2011, 253, 257. 42  Amelung, Rechtsgüterschutz, S.  198  ff.; Eisele, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 10; Jescheck / Weigend, AT, S.  259 f.; Koriath, GA 1999, 561, 573; Maurach / Zipf, AT I, § 19 Rn 14 ff.; Schmidhäuser AT, 2 / 30 ff.; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 8 Rn. 12; Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 14; ders., Kern des Strafrechts, S. 22; Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 8; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 14. Vgl. auch Hassemer, Verbrechen, S. 17 f., der zumindest eingesteht, dass eine solche Abgrenzung „über Begriff und Funktion des Rechtsguts nur dürftige Auskunft“ gibt. Weniger kritisch, sondern von einer „vernünftigen begrifflichen Differenzierung“ ausgehend, ders. / Neumann, NK-StGB, Vor § 1 Rn. 121.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

verwandt wird, wie etwa das Rechtsgut Vermögen beim Betrugstatbestand. Nur inhaltliche Übereinstimmung bestehe bei Tötungsdelikten, bei denen das Rechtsgut Leben keinen formalen Niederschlag im Tatobjekt Mensch gefunden habe.43 Eine Unterscheidung zwischen Handlungsobjekt und Rechtsgut scheint noch leicht in den Griff zu bekommen sein, auch wenn sich allein daraus differente Gesetzestatbestände ergeben. Um die Systematik mehr anzureichern, fügen andere Stimmen der Literatur einen zusätzlichen Begriff ein, nämlich den des Rechtsgutsobjekts. Schmidhäuser versteht hierunter das einzelne, konkrete Objekt, an dem der Rechtsgutsanspruch haftet und das in seinem Bestand verletzt oder gefährdet werden kann. Hiervon sei das Handlungs- bzw. Tatobjekt zu unterscheiden, welches den Menschen oder Gegenstand meine, auf den sich eine Tat beziehe, ohne dass man von Rechtsgutsobjekt sprechen könne. Das Rechtsgutsobjekt werde vom Achtungsanspruch aus gesehen, wohingegen das Handlungs- bzw. Tatobjekt nichts anderes als der Gegenstand selbst sei, auf den sich die Tat beziehe.44 Handlungsobjekt. Rechtsgutsobjekt. Rechtsgut. Die dargestellte Abgrenzung erscheint zwar relativ klar, doch besteht das Problem darin, dass andere Autoren sie zwar ebenfalls anerkennen, jedoch anders bestimmen, je nach zugrunde liegendem Rechtsgutsverständnis. So entwickelt Amelung aus der Unterscheidung zwischen rohen und institutionellen Tatsachen zwei verschiedene Rechtsgutsbegriffe, je nachdem, ob auf den Gegenstand des Erfolgsunrechts – dann ist das Rechtsgut der durch die Verhaltensnorm geschützte Gegenstand – oder den des Handlungsunrechts abgestellt wird – dann ist das Rechtsgut die durch Sanktion geschützte Institution, wobei diese wiederum aus Verhaltensnormen besteht, sodass es letztlich diese sind, die das Rechtsgut bilden.45 Rechtsgut und Handlungsobjekt fallen nun dort auseinander, wo der Gesetzgeber „Handlungschancen schützen will, die sich aus ‚institutionellen‘ Tatsachen ergeben“, wo es jedoch um den „Schutz ‚roher‘ Tatsachen“ gehe, mache der Gesetzgeber das „Schutzobjekt zugleich zum Tatobjekt“.46 Dieser abstrakte Ansatz Amelungs wird besser verständlich, nimmt man den lebensnahen Zusammenhang in den Blick: Er wehrt sich 43  Hefendehl, Rechtsgut, S. 119, 120. So auch Roxin, AT I, § 2 Rn. 65. Dass lässt sich allerdings auch anders sehen, ist geschütztes Tatobjekt doch nur ein lebender Mensch und die unter Strafe gestellte Handlung die Tötung, also dem Menschen das Leben zu nehmen; der Gesetzgeber hätte also auch formulieren können: „Wer einem lebenden Menschen dessen Leben nimmt, …“. 44  Schmidhäuser, Lehrbuch, 2 / 31 f.; ders., Geerds-FS, S. 593, 597; ders., Engisch­FS, S. 433, 444. Kritisch dazu: Koriath, GA 1999, 561, 573 f. 45  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 165. 46  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 167 f.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht113

nämlich gegen die – mittlerweile aufgegebene47 – Auffassung Roxins, Rechtsgut sei „das ideelle Gut, das sich in dem konkreten Angriffsgegenstand verkörpert“.48 Es widerstrebt Amelung „nicht in Person durch §§ 211 ff. StGB geschützt“ zu sein, sondern nur eine „potentielle Durchgangsstation einer Missachtung der Idee vom Menschen“. Dogmatisch betrachtet liegt hier die Auseinandersetzung um die Vergeistigung des Rechtsgutsbegriffs vor.49 Denn auch für diese Wertung ist der Rechtsgutsbegriff offen, jeder Grad an realer Konkretisierung oder idealer Abstrahierung ist möglich. Die Entscheidung darüber ist beliebig und hängt nicht von Kriterien wie Prägnanz oder Nachvollziehbarkeit ab, wie Amelung mit seinem gegenständischen, aber dennoch sehr abstrakten und diffusen Rechtsgutsverständnis unter Beweis stellt. Dem steht auch Roxins Begründung seines neuen Verständnisses, Rechtsgüter seien etwas „Reales und keine bloße ideellen Gebilde“, in nichts nach: Rechtsgüter müssten, um gefährdet oder verletzt werden zu können, „zwar kein körperliches Substrat, aber doch eine der Beeinträchtigung zugängliche Wirklichkeit haben“.50 Was diese Wirklichkeit sein soll, wie sie zu beschreiben ist, bleibt genauso offen, wie die Frage, wann sie wirklich genug ist, um einer Beeinträchtigung zugänglich zu sein. Es ist der Widerspruch, indem sich die Rechtsgutstheorie seit Anbeginn verstrickt hat, der Sehnsucht sinnlich-anschauliche – Hassemer spricht von „handgreiflichen“ bzw. „raumzeitlich fixierbaren Dingen“51 – Schutzobjekte zu konstruieren, diese von tatsächlich sinnlich-wahrnehmbaren Tatobjekten abzugrenzen und sie mit abstrakten Schutzobjekten wie bei den Rechtspflege-, Staatsschutz- oder Ehrdelikten irgendwie zu harmonisieren.52 Gerade kollektive Rechtsgüter sind „empirisch schwer greifbar und dem Bürger in seinem Alltag nicht so unmittelbar zugänglich“, wie Greco zutreffend feststellt.53 Es ist dieser innere Widerspruch der Rechtsgutstheorie, empirischen wie normativen Bedürfnissen gerecht zu werden, der das eigentliche Problem zu sein scheint. So fasst Stuckenberg zusammen:54 „Das Denken in Gütern ist aber nicht nur problembezogen unterkomplex, sondern auch erkenntnistheoretisch zweifelhaft, weil es einem naiven Begriffsrealismus 47  Roxin,

AT I, § 2 Rn. 67 m. Fn. 73. AT I, 2. Aufl., § 2 Rn. 24. 49  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 173 f., vgl. auch S. 167 m. Fn. 55 spricht kryptisch von einer „Hypostasierung“. 50  Roxin, AT I, § 2 Rn. 66. 51  Hassemer, Verbrechen, S. 61. 52  Vgl. zu diesem Dilemma auch Hassemer, Verbrechen, S.  61 f. 53  Greco, Straftheorie, S. 334. 54  Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 359. 48  Roxin,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Vorschub leistet, der abstrakte Inhalte mit konkreten Trägern zu juristischen Sub­ stanzen verschmilzt mit der unerfreulichen Folge, dass statt über die zugrundeliegenden normativen Fragen nur noch über die scheinbar konkret-dinghafte Hypos­ tase geredet wird. […] Dieses Denken in Dingen ist beileibe nicht nur ein methodischer Schönheitsfehler, sondern generiert auch inhaltliche Fehlorientierungen […].“

Über das Verhältnis zwischen normativer Abstraktheit und empirischer Konkretheit der Rechtsgüter ist, trotz der Bemühungen der Strafrechtswissenschaft, wenig Klarheit, geschweige denn Einheit erzielt worden.55 Das kann aber nur schwer dahinstehen, soweit der Begriff als Grundlage zur Konstruktion darauf aufbauender Institutionen verwendet wird. Wenn etwa das Rechtsgut nur ein Abstraktum, ein ideeller Wert ist, dann wäre das „Rechts­gut gegen Verletzungen immun“56. Deshalb sollen sich dann Jescheck / Weigend zufolge Rechtsgut und Handlungsobjekt wie Idee und Erscheinung zueinander verhalten. Der Täter könne das Handlungsobjekt zwar verletzen, nicht aber das Rechtsgut. Dieses sei als ideeller Wert seinem Zugriff entzogen. Er könne es nur missachten.57 Erst vor diesem Hintergrund ist verständlich, weshalb die Strafrechtsliteratur teilweise beim Rechtsgut zwar von einem Rechtsbegriff ausgeht, diesen aber in ein realitätsbezogenes Konstrukt hineinzupressen versucht. Wenn Rechtsgüter unverletzlich wären, dann ließe sich nur schwer von einem Schutzauftrag sprechen, denn da sie ja ohnehin unverletzlich sind, benötigen sie auch keinen Schutz. Diese kurzen Ausführungen ließen sich ohne weiteres weiter ausbreiten, nur das Ergebnis bliebe bestehen: Aus einer strafrechtsimmanenten Sicht ist der Begriff vom Rechtsgut nichts weiter als ein Schlagwort, das so leer an Inhalt ist, dass es jedem Verständnis, gleich wie diametral es anderen gegenübersteht, zugänglich ist. Dass es die Leerformel vom Rechtsgut zu füllen gilt, ist sogar seit Hassemer beinahe ein geflügeltes Wort der Rechtsgutstheorie: Das Rechtsgut wäre „von unten zu materialisieren“.58 Die Problematik ergibt sich daraus, dass diese Materialisierung auch für den systemimmanenten Begriff in sehr verschiedener Weise erfolgt und mit Wertungen verbunden werden kann, die sich den Kategorien von richtig oder falsch entziehen und keinen gesetzlichen Vorgaben, sondern nur persönlichen Überzeugungen und Bestrebungen, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, unterworfen sind. Damit kann der so neutral erscheinende Begriff vom Rechtsgut auch auf dog55  Dass dieses Verhältnis gerade nicht geklärt ist, verschweigt Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 8 m. Fn. 39. 56  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 14; ders., Kern des Strafrechts, S. 23. 57  Jescheck / Weigend, AT, S. 260. 58  Hassemer, NK-StGB, Vor § 1 Rn. 288; so auch Hefendehl, GA 2002, 22  ff. Freilich ist zu ergänzen, dass sich Hassemer damit nur auf die Abgrenzung zwischen Rechtsguts- und Handlungsobjekt sowie zwischen Individual- und Universalrechts­ güter bezog.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht115

matischer Ebene mit differenten Wertungen verbunden werden, ohne diese Differenzen offen zu legen. Vielmehr dient der Begriff – und insofern kann Stuckenberg nur zugestimmt werden – mehr als Vernebelungsinstrument denn als wissenschaftliches Analysekonzept, nicht nur in kriminalpolitischer, sondern auch in strafrechtsdogmatischer Hinsicht. Damit kommt dem Begriff in dieser Funktion aber nicht der von Amelung behauptete Reichtum zu, denn er erschwert statt erleichtert dem Recht die Kommunikation. Seine „Un­ sicherheiten und Schwächen“59 sind eklatant: Bei jedem Kommunika­tionsakt, der den Begriff vom Rechtsgut zum Gegenstand hat, muss zunächst – sollen Missverständnisse vermieden werden – der Begriff decodiert und untersucht werden, welches Verständnis der Verwender des Begriffs diesem zugrunde legt. Der Rechtsgutsbegriff erbringt somit nicht eine schlichte „Transforma­ tionsleistung“ der Außenwelt in das Rechtssystem, sondern er erfordert eine stetige Interpretationsleistung innerhalb des Rechtssystems selbst. Das Erfordernis ständiger Interpretation steht dabei aber der eigent­lichen, einzig anerkannten Funktion des Begriffs im Wege, nämlich selbst das Werkzeug für Interpretation zu sein. Und selbst wenn eine vorrangige Interpretation des Begriffs gelänge, also jene Decodierungsleistung erbracht würde, so bliebe der Begriff dennoch diffus, sich widersprechend und schwer auf einen gemeinsamen, anerkannten Nenner zu bringen. Die Hoffnung auf eine zeitsparende und unmissverständliche Kommunikation kann der Rechtsgutsbegriff damit nur schwerlich erfüllen. Zweifel und Skepsis an seiner Leistungsfähigkeit sind in der Tat angebracht, wie selbst Roxin eingestehen muss und wie er sie trotz aller Anstrengung nicht ausräumen kann.60 Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Ertrag des systemimmanenten Rechtsgutsbegriffs lässt sich gerade für das Thema der Arbeit aufzeigen. Der eingangs zitierte Befund Hörnles zur systemkritischen Funktion kann, soweit es um Zustimmung bzw. Einwilligung geht, eins zu eins auch auf die systemimmanente übertragen werden: Es entspricht einer starken Tradition in der deutschen Strafrechtswissenschaft, bei der Untersuchung der problematisch empfundenen Einwilligung beim Rechtsgutsbegriff anzusetzen. Zuerst wird der Begriff des Rechtsguts ausführlich erörtert, regelmäßig unter Einbeziehung der Dogmengeschichte. Danach wird geprüft, ob das mit der Einwilligung verfolgte Anliegen unter dieses Rechtsgutsverständnis zu subsumieren ist. Diese Untersuchungsmethode beruht auf einer optimistischen Annahme über die Reichweite des Rechtsgutsbegriffs.

Warum ist die Zustimmung des Opfers im Strafrecht beachtlich? Wo ist die Zustimmung im Deliktsaufbau zu verorten? Ist für die Zustimmung eine Erklärung erforderlich oder genügt der innere Wille? Ist die Zustimmung 59  Walter, 60  Roxin,

LK-StGB, Vor § 13 Rn. 16. AT I, § 2 Rn. 2, 67.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

widerruflich? Bedarf die Zustimmung bestimmter Fähigkeiten seitens des Zustimmenden? Fragen, auf welche ein bestimmtes Rechtsgutsverständnis verspricht, die jeweils passende Antwort zu liefern. Am Augenscheinlichsten treten die Schwierigkeiten in zwei dogmatischen Diskursen hervor: Zum einen beim Wirkgrund der Einwilligung und zum anderen bei der Relevanz von sog. Willensmängeln. Anhand dieser zwei Diskurse wird die Arbeit die Problematik des systemimmanenten Rechtsgutsbegriffs – von der Strafrechtswissenschaft weitgehend unerkannt61 – aufzeigen und verdeutlichen, wie – um die Worte Stuckenbergs aufzugreifen62 – methodische Schönheitsfehler inhatliche Fehlorientierung generieren. Systemimmanent ist dabei im Sinne von Hassemer zu verstehen: Die Funktion des Rechtsguts als Mittel zur dogmatischen Konstruktion.63 a) Rechtsgutsverständnis und Wirkgrund der Einwilligung Das Verhältnis zwischen einem bestimmten Rechtsgutsverständnis und dem Wirkgrund der Einwilligung beherrscht die wissenschaftliche Diskussion zur Zustimmungsdogmatik. Die richtige Auslegung des Rechtsgutsbegriffs wurde dabei zum Kernargument für die Einheitstheorie und gegen die Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund. Damit wurde für die Wissenschaft mit dem Rechtsgut ausgerechnet derjenige Begriff zentral, dem Geerds nicht allzu viel Bedeutung zumaß und der bei ihm unterentwickelt blieb.64 Die ungefähr seit 1970 geführte Diskussion dreht sich um die Frage, ob das Rechtsgut rein objektiv zu bestimmen oder auch der Wille des Rechtsgutsträgers hierin aufzunehmen ist.65 Es handelt sich damit quasi um die Gretchenfrage der Zustimmungsdogmatik: „Nun sag, wie hast du’s mit dem Willen? Du bist ein Rechtsgut, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ Der wahre Kern dieser Frage scheint jedoch in einem weiteren Problem verborgen zu sein, die jeder Stimme in der Wissenschaft, die sich zur Zustimmung äußern will, zu einer Art Bekenntnis zwingen soll: Welche Funktion 61  Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 350 deutet immerhin Zweifel an: „wohlmöglich zu Unrecht“ gelte das Rechtsgut „als nützlich bei Auslegung und Systematisierung der Straftatbestände“. Freilich interessiert ihn dann dennoch allein der systemkritische Rechtsgutsbegriff und er konzentriert seine Ausführungen hierauf. Vgl. auch Fiolka, Rechtsgut, S. 448 ff., der das Rechtsgut als Auslegungsmittel für untauglich hält; ebenso bereits Koriath, GA 1999, 561, 576. 62  Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 359. 63  Hassemer, Verbrechen, S.  57 f. 64  Siehe dazu oben S. 22 ff. 65  Rönnau, Willensmängel, S. 21 fragt in gleicher Weise danach, wie die „Rechtsgüter inhaltlich auszugestalten sind, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Wille des Berechtigten zum (konstitutiven) Bestandsteil des Rechtsgut wird“.



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hat das Strafrecht und in welcher Beziehung stehen Individuum und Staat zueinander? So bildet für Rönnau die Einwilligung einen Indikator für den Standpunkt, den eine Rechtsordnung zur Stellung des Einzelnen im Spannungsfeld zwischen Individualismus und sozialer Bindung einnimmt. Zum Wirkgrund der Einwilligung könne niemand Stellung nehmen, ohne nicht die inhaltliche Ausgestaltung von Individualrechtsgütern geklärt zu haben.66 Die unterschiedlichen Auffassungen bei der Klärung dieser Frage prägten wie­ derum die „Auseinandersetzung über den ‚inneren‘ Grund der unrechtsausschließenden Kraft der Einwilligung“ und damit auch deren abweichenden deliktssystematischen Einordnungen.67 Die Einordnung der Einwilligung in den Deliktsaufbau korreliere also mit der konkreten Ausgestaltung von Individualrechtsgütern.68 aa) Das personale Rechtsgutsverständnis Roxins Claus Roxin gehört zu jenen Stimmen in der Wissenschaft, welche die Diskussion seit ihren Anfängen begleitet und geprägt haben: Nach seinem Verständnis liegt der Grund für den Tatbestandsausschluss kraft Einwilligung in der Handlungsfreiheit des Einwilligenden. Dieses Verständnis beruht auf einer liberalen, auf das Individuum bezogenen Rechtsgutslehre. Wenn Rechtsgüter der freien Entfaltung des Einzelnen dienten, könne keine Rechtsgutsverletzung vorliegen, wenn eine Handlung auf einer Disposition des Rechtsgutsträgers beruhe, die seine freie Entfaltung nicht beeinträchtige, sondern im Gegenteil dessen Ausdruck sei. So sei etwa das Eigentum nicht ein ideelles Gebilde quasi dinghafter Art, sondern vielmehr handele es sich nur um eine Sammelbezeichnung für die Befugnisse des Rechtsgutsträgers, die ihm gehörende Sache der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Weise dienstbar zu machen, dass er mit ihr nach Belieben verfahren könne. In einer Beschädigung kraft Einwilligung liege keine Verletzung der Eigentümerposition, sondern eine Mitwirkung bei ihrer freien Ausübung. Die Gegenmeinung verwechsle Tatobjekt und Rechtsgut. Berufsgruppen wie Friseure, Fußpfleger, Schönheitschirurgen würden nicht die Freiheit der Kunden im Umgang mit ihrem Körper beeinträchtigen, sondern ihnen bei der körper66  Rönnau, Willensmängel, S. 7; ders., Jura 2002, 595; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 149. 67  Rönnau, Jura 2002, 595, 596. Kritisch zu dieser Ausgangsfrage, die auf einem festen Zusammenhang zwischen Rechtsgutsverständnis und Zustimmungsdogmatik beruht, Murmann, Selbstverantwortung, S. 370, 375 m. Fn. 222: Der Einfluss der Rechtsgutslehre auf den Deliktsaufbau werde überschätzt, das Rechtsgut sei „nur ein Zwischenbegriff; entscheidend ist das Rechtsverständnis“ (Hervorhebung im Original, Anm. d. Verf.). 68  Rönnau, Willensmängel, S. 141; so auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 26 ff.

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lichen Selbstdarstellung helfen. Zwar liege ein Eingriff in die körperliche Substanz des Tatobjekts vor, aber keine Beeinträchtigung der Integrität der fremden Körpersphäre. Die Einwilligung sei mithin ein vom Strafgesetzbuch vorausgesetzter Tatbestandsausschließungsgrund.69 Dieses personale Rechtsgutsverständnis hat in der Literatur eine breite Anhängerschaft gefunden,70 aus der zwei Autoren zum besseren Verständnis herausgegriffen und ihre Ausführungen skizziert werden sollen. Zipf misst der Einwilligung ebenfalls „tatbestandsbeseitigend[e]“ Wirkung mit Über­ legungen zum Rechtsgut zu: „Wo dem einzelnen die Rechtsgutsdisposition  […] eingeräumt ist, nimmt seine Erlaubnis zur Rechtsgutsverletzung das konkrete Rechtsgut aus dem Schutzkreis der Strafnorm heraus“, der Tatbestand könne „mangels einer tauglichen Angriffsfläche beim geschützten Rechtsgut“ nicht erfüllt werden.71 Es entstehe schon gar keine unrechtsindizierende Wirkung der Tatbestandserfüllung, weshalb die Einwilligung kein Problem der Rechtfertigung sei, bei der „eine entstandene Unrechtsindizierung positiv entkräftet werden muß“.72 Das Besondere liegt hier darin, dass die Frage nach dem Vorliegen von Unrecht mit der Frage nach dem Rechtsgut bzw. mit dessen Verletzung verknüpft wird. Die Verknüpfung von Unrecht und Verletzung ist auch bei Stratenwerth / Kuhlen zu finden. Nach ihrer Auffassung wird beim Rechtsgut niemals das körperliche Substrat allein geschützt, sondern die Freiheit des Einzelnen über bestimmte Interessen zu verfügen.73 Die Beeinträchtigung solcher Güter könne kein Unrecht sein, wenn sie sich mit der freien Selbstbestimmung gerade in Einklang und nicht in Widerspruch befinden würden.74 69  Roxin, AT I, § 13 Rn. 12 f.; ders., Noll-GS, S. 275 f. Darauf, dass der „Inhalt der Rechtsgüter doch durchgehende Strukturen einer Willensbezogenheit“ aufweist, ein „voluntatives Element immanentes Merkmal des Rechtsgutsbegriffs“ ist, wies schon Kientzy, Einwilligung, S. 49 ff. hin, ohne aber eine solche Konzeption ausführlich auszuarbeiten. 70  Frister, AT, § 3 Rn. 20, § 15 Rn. 19; Hassemer / Paeffgen, NK-StGB, Vor § 1 Rn.  131 ff.; Maiwald, Einwilligung, S. 165, 170 f.; Marx, Rechtsgut, S. 62, 67, 82; Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 166 ff.; Rinck, Deliktsaufbau, S. 28, 31 f.; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 61 ff., 379 ff. 71  Zipf, Einwilligung, S. 29. 72  Zipf, Einwilligung, S. 30 f. 73  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 4 ff, § 8 Rn. 12. 74  Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 4  ff. Dennoch schließen sie sich nicht der wichtigsten, aus der Einheitstheorie zu ziehenden, Schlussfolgerung an: Der Tatbestand sei bei Vorliegen einer Zustimmung nicht automatisch ausgeschlossen, denn die Auffassung, dass es bei einer Zustimmung dort, wo das Strafrecht die Dispositionsfreiheit des Einzelnen schütze, an jeder Rechtsgutsverletzung fehle, stehe auf schwachen Füßen, da Tatbestandserfolg vielfach gar nicht erfordere, dass das geschützte Rechtsgut verletzt werde. Alles andere stünde im Widerspruch zur anerkannten These, dass die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens durchaus noch kein



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bb) Die Modellbeschreibung Rönnaus Einen dazu im Vergleich ergebnisgleichen, in der konstruktiven Begründung anspruchsvolleren Ansatz zur Rechtsgutsumschreibung verfolgt Thomas Rönnau. Die Frage, ob das Rechtsgut rein objektiv zu bestimmen ist oder ob auch der Wille des Berechtigten zu integrieren ist, beantwortet er mit: weder noch. Nach seiner Ansicht werden Individualrechtsgüter als Basis für die personale Entfaltung geschützt.75 Das lässt sich am besten verstehen, wenn man seine Beschreibung der Alternativen hinzuzieht, worin der Verdienst seiner Arbeit liegt, nämlich die zum Wesen und Wirkgrund der Einwilligung verschiedenen Ansichten in jeweiligen Modellbeschreibungen zusammengefasst und analysiert zu haben.76 Danach stehen sich zwei große Modelle gegenüber, welchen er sein eigenes Modell an die Seite bzw. in die goldene Mitte stellt.77 (1) Das Kollisionsmodell: Die Trennung von Wille und Rechtsgut Diejenigen, die die „Dispositionsfreiheit vom tatbestandlich geschützten Rechtsgut zu trennen“ fordern,78 also das Rechtsgut „unabhängig vom Willen bzw. der Verfügungsbefugnis seines konkreten Inhabers“ zu gestalten,79 „die tatbestandlich umschriebenen Gegenstände ‚um ihrer selbst willen‘, d. h. losgelöst von allen Umweltbeziehungen […] schützen wollen“,80 seien dem sog. „Kollisionsmodell“ zuzuordnen. Diesem liege ein statisches Rechtsgutsverständnis zugrunde; Rechtsgüter – korrekterweise müsse eigentlich von Rechtsgutsobjekten die Rede sein – seien in ihrer Unversehrtheit geschützt, nicht jedoch die Autonomie im Umgang mit diesen Gütern.81 Die Kolli­ sionslage ergebe sich daraus, dass der tatbestandlich geschützte Wert in Gegensatz zur Dispositionsfreiheit trete bzw. dass der Verbotssatz mit dem Erlaubnissatz kollidiere. Die Einwilligung löse diese Kollisionslage auf, indem die Verhaltensnorm hinter den Erlaubnissatz zurücktrete.82 abschließendes Urteil über dessen Rechtswidrigkeit enthalte, sondern nur bedeute, dass es die typischerweise unrechtsbegründenden Merkmale aufweise. 75  Rönnau, Willensmängel, S. 3. 76  Amelung verleiht dieser Modellbildung das Prädikat „brillant“, sie dürfte seiner Ansicht nach „in Zukunft noch vielen zur Orientierung dienen“, ZStW 2003, 710, 714. 77  Rönnau selbst spricht vom Beschreiten eines Mittelweges, Willensmängel, S. 85. 78  Rönnau, Willensmängel, S. 14. 79  Rönnau, Willensmängel, S. 32. 80  Rönnau, Willensmängel, S. 37. 81  Rönnau, Jura 2002, 595, 596; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 150. 82  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 ff Rn. 150 ff.; ders., Willensmängel, S. 14.

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Rönnau übt an dem Kollisionsmodell umfassend und scharfe Kritik. Bereits der Ansatz gehe fehl, da das Urteil über die Rechtsgutseinbuße auf der an der Gesetzesformulierung haftenden Schutzobjektverletzung gegründet sei, dabei jedoch Bedeutung und Anlass der Einwirkungshandlung nach ihrem Stellenwert im sozialen Kontext abgeschnitten und der Blick auf die Beeinträchtigung des wahrnehmbaren Tatobjekts beschränkt werde. Dieses Verschmelzen von Rechtsgut und Tatobjekt ermögliche es das Rechtsgut gegen den Willen seines Inhabers in Stellung zu bringen.83 Zudem falle es schwer, selbst bei höchstpersönlichen Rechtsgütern, diese ohne Beziehung zu dem Willen ihres Trägers zu bewerten. Nicht ohne Grund sei nach Eintritt des Todes mit Auslöschen des menschlichen Bewusstsein keine Körperverletzung oder Tötung mehr möglich. Auch vernachlässige ein Ansatz, der auf den Eigenwert der Gegenstände abstelle, den Sinnzusammenhang von Eingriffen. Wie könne eine Beinamputation zur Rettung des Lebens zugleich das Rechtsgut der körperlichen Integrität nachteilig beeinträchtigen? Worin liege der Eigenwert von privatem Eigentum in unserer heutiger Massenproduktions- und Überflussgesellschaft? Nach der Definition aus § 903 BGB ergebe sich der Wert des Eigentums gerade aus der freien Verfügbarkeit. Ein vom Menschen losgelöstes, nicht auf ihn bezogenes und von ihm definiertes Rechtsgut sei nach alledem schwer vorstellbar.84 Das Kollisionsmodell beschreibe also Individualrechtsgüter „nicht zutreffend“.85 Rönnau zufolge entstehen auch Spannungen lex lata. Nach der Auffassung vom sozialen Eigenwert wäre es selbst dem Rechtsgutsinhabers verboten, die ihm zugeteilten Güter zu beeinträchtigen. In formaler Hinsicht übernähmen dann Merkmale wie fremde Sache oder andere Person die Funktion eines Rechtfertigungsgrundes, obwohl sie zur Beschreibung des vertypten Unrechts eingesetzt seien. Es wäre von Anhängern dieser Auffassung darzulegen, warum der Gesetzgeber bei gleichermaßen sozialschädlichem Verhalten dennoch nach der Rechtsgutsinhaberschaft differenziere und Selbstverletzungen durchweg für tatbestandslos erkläre. Nach einer personalen Rechtsgutsauffassung lasse sich die Straflosigkeit der Selbstverletzung damit erklären, dass es mangels Interpersonalbezugs am Unrecht fehle.86 Die Abspaltung der Güter von ihren Trägern sei zwar konstruktiv möglich, würde aber die Einheit der Rechtsperson als nicht weiter auflösbare Grundlage allen Rechts zerstören. Es liege eine unnatürliche Aufspaltung disponibler Güter in einem 83  Rönnau,

Willensmängel, S.  36 f. Willensmängel, S.  37 ff. 85  Rönnau, Jura 2002, 595, 596; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 152. 86  Rönnau, Willensmängel, S. 39 f. Zum fehlenden Interpersonalbezug vgl. auch: Maiwald, Zueignungsbegriff, S. 106; Renzikowski, Täterbegriff, S. 64 f., 95; Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 26, 63. 84  Rönnau,



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Gegenstands- und einem Freiheitsinteresse vor. Die Zuordnung von Indivi­ dualrechtsgütern habe jedoch gerade die Aufgabe dem einzelnen Freiheitsräume auch für selbstzerstörende Aktivitäten zu garantieren.87 In gleicher Weise hält auch Roxin dem Kollisionsmodell entgegen, dass Selbsthandeln und vom Rechtsgutsträger gewolltes Dritthandeln im Rahmen der freien Verfügbarkeit keinen sozialrelevanten Unterschied begründen. Das sei ein Gesichtspunkt der Lebensrealität. Es könne nicht Zweck strafrecht­ licher Differenzierungsbemühungen sein, sozial gleichbedeutende, vollkommen einwandfreie, niemandes Rechtsgüter verletzende Verhaltensweisen unterschiedlichen strafrechtlichen Systemstufen zuzuweisen. Ob man sich nun selbst die Haare schneide oder durch einen Friseur schneiden lasse, ob man sich vor dem Flug nun selbst die Spritze gegen Thrombose setze oder durch die Ehefrau applizieren lasse, ob man am Polterabend selbst das Hochzeits­ porzellan zerscheppere oder die Hochzeitsgäste dazu auffordere, jeweils bestehe kein sozialrelevanter Unterschied. Dagegen seien das tatbestandlose Töten einer Mücke und durch das durch Notwehr gerechtfertigte Töten eines Menschen heterogene Ereignisse.88 Schließlich trägt das Kollisionsmodell nach Rönnau auch die „Gefahr e­ iner staatlichen Bevormundung“ in sich, denn wer den Eigenwert oder das Interesse der Sozialgemeinschaft als primär geschützt ansehe, der senke ­zugleich die Anforderungen für Beschränkungen des Einzelnen im Umgang mit seinen Gütern, denn diese stehen dem Einzelnen ja eben nicht originär zu.89 (2) Das Integrationsmodell: Die Aufnahme des Willens ins Rechtsgut Das von Rönnau als Integrationsmodell bezeichnete Erklärungsmodell beruht im Gegensatz zum Kollisionsmodell auf einem funktionalen Rechtsgutsverständnis. Dieses Erklärungsmodell stellt die Funktion des Tatobjekts in den Vordergrund: Dessen Schutz sei nicht um seiner selbst willen gewährleistet, sondern damit der Inhaber frei darüber verfügen könne.90 Wer „den Willen des Berechtigten, seine Dispositionsfreiheit bzw. Verfügungsbefugnis neben dem jeweiligen Handlungs- bzw. Tatobjekt zum konstitutiven Bestandteil des Rechtsguts macht“, der nehme den Willen in das Rechtsgut auf, sodass „bei zustimmendem Willen des Berechtigten für eine Straftat keine 87  Rönnau, Willensmängel, S.  40 f.; ders., Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 152. Vgl. hierzu auch Arzt, Willensmängel, S.  45 f. 88  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 273. Letzterer Vergleich nimmt Bezug auf das oft rezitierte Mückenbeispiel von Welzel, ZStW 1955, 196, 210 f. 89  Rönnau, Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 152. 90  Rönnau, Willensmängel, S. 17.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

‚taugliche Angriffsfläche‘ mehr vorhanden ist“ bzw. „bereits keine Rechtsgutsverletzung und damit keine Tatbestandsverwirklichung vorliegt“.91 Rechtsgüter dienten der Befriedigung des menschlichen Grundbedürfnisses nach persönlicher Entfaltung und sollten dafür eine Freiheitssphäre eigenverantwortlicher Lebensgestaltung sichern. Der Schutzgegenstand sei ein sektoraler Freiheitsausschnitt, d. h. geschützt sei die Dispositionsfreiheit in Bezug auf die dem jeweiligen Straftatbestand zu entnehmenden materiellen oder ideellen Gegenständen. Die Vorzüge des Integrationsmodells würden sich daraus ergeben, dass es das Grundbedürfnis nach personaler Entfaltung in den Mittelpunkt stelle und die Freiheit des Rechtsgutsinhabers als besonders werthaft hervorhebe. Der Nachteil bestehe jedoch in gleich zweifacher Hinsicht: Einerseits seien die Rechtsgüter störungsanfälliger, sodass der strafrechtliche Schutz ausgeweitet würde, und andererseits entstünden entweder Strafbarkeitslücken oder aber es sei zu deren Verhinderung auf Willensfik­ tionen zurückzugreifen.92 (a) Die Ausweitung des Strafrechtsschutzes Dass Rönnau ein drittes Modell vorschlägt, obwohl sich eigentlich aus seiner Kritik am Kollisionsmodell ergibt, dass er dem Integrationsmodell nahe stehen müsste, wird verständlich, wenn jene beiden nachteiligen Folgen näher betrachtet werden, die sich seiner Ansicht nach aus der Aufnahme des Willens in das Rechtsgut ergeben. Zum einen müsse die „dem jeweiligen Strafgesetz zugrundeliegende Verhaltensnorm und die materielle Unrechtsbegründung“ anders formuliert werden; zum anderen würde der „Zustimmungsakt den Eintritt einer Rechtsgutsverletzung, nicht aber die Verletzung des Tatobjekts, verhindern“.93 Die erstere Folge werde erkennbar im Bereich der Erfolgsdelikte: Für die Unrechtsbegründung wäre „nicht mehr allein die Einwirkung auf das materielle Substrat ausschlaggebend, sondern auch der durch die Einwirkung (mittelbar) verursachte Willensverstoß“94. Rönnau geht sogar einen entscheidenden Schritt weiter: „Nicht nur der Eingriff in den Verfügungsgegenstand selbst, sondern bereits die Einwirkung auf den gegenstandsbezogenen Willen des Berechtigten sowie die Beziehung zwischen Individuum und Gegenstand stellen […] eine rechtsgutsrelevante Störung ­ dar.“95 Damit sind Rönnau zufolge „selbst reine Willenswidrigkeiten […] 91  Rönnau, Willensmängel, S.  16 f.; ders., Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 154. 92  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 154 f. 93  Rönnau, Willensmängel, S. 21. 94  Rönnau, Willensmängel, S.  22 f. 95  Rönnau, Willensmängel, S. 74.



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rechtsgutsrelevante Störungen“96. Das führe „zu einer erheblichen Ausweitung des vom Rechtsgut abgesteckten Schutzbereiches und einhergehend damit zu einer […] Erweiterung der Strafbarkeit“97. Rönnau führt jedoch keine Belege an, die diese Interpretation des Integrationsmodells stützen würden; vielmehr setzt er sich sogar in Widerspruch zu seiner eigenen Darstellung des Integrationsmodells: „Der Wille oder die Dispositionsbefugnis des Berechtigten werden […] nicht in jedweder Form vor Angriffen geschützt, sondern nur in ihrer Beziehung zu konkreten […]  Werten / Objekten.“98 Weiter: „Es ist unter den Anhängern des Integra­ tionsmodells unbestritten, dass die […] Anreicherung des Individualrechtsgut durch den Willen / die Dispositionsfreiheit des Berechtigten nicht bedeutet, dass die gegenständlich objektive Komponente aus dem Rechtsgut vollständig zu verbannen ist.“99 Und noch klarer: „[Es] stimmen alle Vertreter des Integrationsmodells darin überein, dass die individuelle Dispositionsfreiheit nicht allein, sondern gerade in ihrer Bezogenheit auf einen bestimmten Gegenstand […] zum konstitutiven Bestandteil des Rechtsguts avanciert. […] Schutzgegenstand der Individualrechtsgüter ist nach dem Integrationsmodell demnach nur ein spezieller Freiheitsausschnitt, konkret die Dispositionsbzw. Willensfreiheit in Bezug auf bestimmte, dem jeweiligen Straftatbestand zu entnehmende Gegenstände […].“100 Rönnau sagt also selbst, dass eine Beeinträchtigung des Willens allein nicht ausreicht, eine Rechtsgutsverletzung zu begründen, sondern stets ein Bezug zu einen gegenständischen Komponente erforderlich ist. Das entspricht exakt der Auffassung Roxins – profiliertester Vertreter des Integrationsmodells –, der unmissverständlich klarstellt: „Das Rechtsgut verletzt […] nur, aber auch stets, derjenige, der unter Missachtung der Verfügungsbefugnis des Rechtsgutsträgers auf den Verfügungsgegenstand in tatbestandsmäßiger Weise einwirkt.“ Für die strafrechtliche Beurteilung sei nicht „die Einwirkung auf den ‚Bestand des Rechtsguts‘ als solche“ entscheidend, sondern „die Frage, ob diese sich als Missachtung der dem Rechtsgutsträger zustehenden Verfügungsbefugnis darstellt“.101 Rönnau wirft hier Roxin „Halbherzigkeit“ vor: Dieser sammle „mit der einen Hand wieder ein, was er mit der anderen zuvor ausgeteilt“ habe. Denn die „aus seinem sehr weiten Rechtsgutsbegriff für die Strafbarkeit“ resultierenden Konsequenzen versu96  Rönnau,

Willensmängel, S. 61. Willensmängel, S. 74. 98  Rönnau, Willensmängel, S. 49. 99  Rönnau, Willensmängel, S. 57. 100  Rönnau, Willensmängel, S.  57 f. 101  Roxin, Noll-GS, S. 275, 280. 97  Rönnau,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

che er auf Tatbestandsebene wieder einzuschränken.102 Dieser Vorwurf ist jedoch nicht nachvollziehbar: Roxin teilte mit einer Hand keine Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes durch Schutz bloßer Willenswidrigkeiten aus, sodass es auch nichts gäbe, was er mit der anderen Hand nichts einsammeln könnte. Die eigentlich maßgebliche Frage ist, wann sich das Verhalten des Täters als Missachtung der dem Rechtsgutsträger zustehenden Verfügungsbefugnis darstellt. Die Auslegung, was als solche Missachtung zu verstehen ist, ist der entscheidende Ansatzpunkt. Nach Roxin kann jedenfalls die bloße Einwirkung auf den Willen des Rechtsgutsträgers niemals genügen, stets ist ein Eingriff in den Verfügungsgegenstand in tatbestandlicher Weise erforderlich. Eine Rechtsgutsbeeinträchtigung müsse immer unter Missachtung der Verfügungsbefugnis auf den Verfügungsgegenstand in tatbestandsmäßiger Weise eingewirkt haben, sodass keineswegs jede Beeinträchtigung der Disposi­ tionsfreiheit genüge. Auf eine Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit könne verzichtet werden, wenn sie im Einzelfall fehle oder durch den Eingriff nicht betroffen sei, auf die Verletzung des tatbestandlichen Rechtsguts aber niemals.103 Die Behauptung Rönnaus, die Dispositionsfreiheit wäre das „primäre Schutzobjekt der personalen Rechtsgüter“ nach dem Integrationsmodell, es hätte eine „deutliche Schwerpunktverlagerung zugunsten der Willensfreiheit“ stattgefunden,104 kann damit nicht nachvollzogen werden. Eine Ansicht, die eine Willenswidrigkeit für eine Rechtsgutverletzung allein genügen ließe, lässt sich nicht finden. Insofern lässt sich auch nicht erkennen, wie das „spezielle Individualrechtsgut gegenüber Angriffen erheblich störungsanfälliger ist als ein Schutzobjekt, dessen Wert in einer ungeschmälerten Existenz des Gegenstandes […] gesehen wird“105. (b) Die Entstehung von Strafbarkeitslücken Aber mit der „erheblichen Ausweitung des durch das jeweilige Individualrechtsgut abgesteckten Herrschaftsbereichs“106 ist es nicht genug: Rönnau zufolge ist auf der anderen Seite zu befürchten, dass die Integration des 102  Rönnau,

Willensmängel, S.  74 f. Amelung-FS, S. 269, 281 f. 104  Rönnau, Willensmängel, S. 58; vgl. auch S. 68: „Der Grundgedanke dieses Ansatzes beruht darauf, dass der Wille des einzelnen im Umgang mit seinen Gütern ins Zentrum des Rechtsgutsbegriffs gerückt wird […].“; ders., Jura 2002, 595, 597. 105  Rönnau, Willensmängel, S. 60; ders., Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 155. 106  Rönnau, Willensmängel, S. 61. 103  Roxin,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht125

Willens in den Rechtsgutsbegriff zu „unerträglichen Strafbarkeitslücken“107 führt. Das Integrationsmodell hätte damit sowohl Ausweitung als auch Einschränkung des Strafbarkeitsbereichs zur Folge. Aber auf welchem Wege entstehen diese, angesichts der zuvor dargestellten Ausweitung des Strafrechts überraschenden Lücken im Strafrechtsschutz? Nach Rönnau stellt das Handeln des Täters dann eine Rechtsgutsverletzung dar, wenn „er die tatbestandsmäßige Handlung gegen den Willen des Rechtsgutsträgers ausgeführt hat“.108 Und das setze ein „Zuwiderhandeln gegen eine psychische Realität, also einen aktuell gebildeten Willen“109 voraus. Nun hatte aber schon Keßler erkannt, dass sich „kein Mensch […] auch nur annähernd all’ seiner Interessen in jedem Augenblicke bewusst“ ist und dennoch „des Rechtsschutzes nicht verlustig“ wird.110 Rönnau erkennt das ebenso und zitiert sogar ebenfalls jene Passage.111 Allerdings spart er den nachfolgenden und entscheidenden Satz aus: „Aber ein wider den ausdrücklichen Willen des Interessenten ihm aufgenötigtes Gut würde sofort aufhören ein Gut zu sein, und zu einer Last werden.“112 Diesen Gedanken formulierte bereits Ortmann 1877: Das Haben eines Rechts sei identisch mit dessen Ausübung, daher könne es kein Rechtsgut wider Willen seines Inhabers geben.113 Der von Rönnau zur Unterstützung herangezogene Keßler unterscheidet also für den Willen des Rechtsgutsträgers zwei Anknüpfungspunkte: einerseits denjenigen zur Aufrechterhaltung des Strafrechtsschutzes und andererseits denjenigen zu dessen Aufhebung. Die Aufrechterhaltung des Schutzes ist unabhängig vom Bewusstsein seines Bestehens oder sogar einer Erklärung eines Interesses daran. Anders jedoch dann, wenn der Rechtsgutsträger seinen Willen äußert, den Schutz nicht zu wollen; dieser Wille ist vom Strafrecht zu respektieren, da es keinen Schutz wider den Willen geben darf. Rönnau hingegen verwechselt die Willenswidrigkeit: Während Keßler davor warnt, dass Strafrechtsschutz wider den Willen des Rechtsgutsträgers nicht greifen darf, behauptet Rönnau, Strafrechtsschutz greift nur dann, wenn wider dessen Willen gehandelt wird. Das entscheidende Merkmal im Ver107  Rönnau, Willensmängel, S. 63; ders., Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 155. 108  Rönnau, Willensmängel, S. 68. 109  Rönnau, Willensmängel, S. 63. 110  Keßler, Einwilligung, S. 51. 111  Rönnau, Willensmängel, S. 63; ders., Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 155. 112  Keßler, Einwilligung, S. 51; noch eindringlicher formuliert auf S. 68: „§ 303 StGB [würde] statt einer Wohltat eine Plage für den Eigentümer sein“. Auf diesen Gesichtspunkt stellt auch Rönnau ab, freilich ohne Keßler zu zitieren, Jura 2002, 595. Ähnlich spricht Arzt von einem „Danaergeschenk“, Einwilligung, S. 42. 113  Ortmann, GA 1877, 107 f.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

ständnis einer Rechtsgutsverletzung nach dem Integrationsmodell bei Rönnau ist die Präposition „gegen“ bzw. „wider“: Der Täter müsste gegen den Willen des Rechtsgutsträgers seine Handlung ausgeführt haben. Und wenn eben jener Rechtsgutsträger keinen Willen gehabt habe, sich seines Rechtsguts gar nicht bewusst war, dann müsste eigentlich eine Rechtsgutsverletzung und damit eine Strafbarkeit des Täters ausgeschlossen sein. Und das ließe sich Rönnau zufolge nur dadurch verhindern, dass „diese Ansicht erhebliche Abstriche vom Schutzgegenstand ‚Willen‘ als individueller psychischer Realität“ vornehmen muss und daher gezwungen ist, „auf einen generellen, latenten, vermuteten oder auch potentiellen Willen […] und damit letztlich auf eine bloße Fiktion“ auszuweichen.114 Dadurch werde der „Wille des Berechtigten ein Stück weit normativiert, von der konkreten Person abgelöst“; das wiederum „schmälert die Überzeugungskraft des […] Integrationsmodells erheblich“.115 Die gleiche Problematik stelle sich daneben auch bei faktischer oder rechtlicher Unmöglichkeit der Freiheitsausübung.116 Rönnau denkt dabei zum einen an die Fälle, in denen Menschen „zeitweise oder irreversibel (Apalliker) bewusstlos sind oder aufgrund von körperlichen oder geistigen Gebrechen bestimmte Handlungen nicht vornehmen können“, und zum anderen an Konstellationen, in denen die Verfügungsbefugnis beim Rechtsgutsinhaber fehlt und auf andere Personen verlagert wird, etwa auf Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker oder die das Sorgerecht ihrer Kinder ausübenden Eltern.117 Rönnau hält dem Integrationsmodell entgegen, dass eine „Verlagerung des für die Rechtsgutsbeeinträchtigung danach entscheidenden Willenszentrums auf eine außerhalb des Rechtsgutsträgers zuständige Person […] merkwürdig“ ist, „zwangsläufig immer dort zu Schwierigkeiten führen [muss], wo eine solche Person nicht bereit steht“ und es „unklar [ist], welche ‚Substanz‘ der Dispositionsfreiheit durch das Täterverhalten unbestritten verletzt werden soll“.118 Rönnau befindet sich mit dieser Interpretation der Willenskomponente nicht allein. So mahnt Amelung an, der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB schütze gerade auch Personen, die nicht verfügen können. Es sei eine gekünstelte Konstruktion, hier zur Vermeidung von Schutzlücken auf sog. Vertreter im Willen abzustellen.119 Exemplarisch aus der neueren 114  Rönnau, Willensmängel, S. 68; ders., Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 155. 115  Rönnau, Willensmängel, S. 69; ders., Jura 2002, 595, 597. 116  Rönnau, Willensmängel, S. 70; ders., Jura 2002, 595, 597. 117  Rönnau, Willensmängel, S. 70. 118  Rönnau, Willensmängel, S. 71. 119  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937 f.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht127

Einwilligungsliteratur sei auch Menraths Untersuchung angeführt: Wenn es an einer Rechtsgutsverletzung infolge eines „auf Rechtsgutspreisgabe gerichteten Willen[s]“ fehle, dann müsse auch umgekehrt „ein auf Rechtsgutserhaltung gerichter Wille feststellbar sein“, um – so ist zu ergänzen – eine Rechtsgutsverletzung begründen zu können.120 Aber diese Vorwürfe zielen allesamt ins Leere und beruhen auf der falschen Prämisse, dass die Begründung der Rechtsgutsverletzung ein Handeln gegen den Willen ihres Inhabers bedarf. Das verkennt die Bedeutung der Willenskomponente: Sie ist nur entscheidend, wenn der Täter mit dem Willen der geschützten Person handelt, weil dann eine Rechtsgutsverletzung ausgeschlossen ist. Daraus umgekehrt den Schluss zu ziehen, der Täter müsse stets gegen deren Willen handeln, um dem Erfordernis einer Rechtsgutsverletzung zu genügen, ist zwar möglich, aber nicht zwingend. Nicht der entgegenstehende Wille ist zur Begründung der Strafbarkeit maßgeblich, sondern nur der zustimmende Wille zur Aufhebung der Strafbarkeit, sodass eine Vertretung gar nicht notwendig wird. Die entsprechende Bedeutung der Personenorientierung für die Tatbestandsverwirklichung erkennt auch Roxin.121 Dem Menschen werde eine über seine physiologisch-biologische Existenz hinausreichende Personenqualität zugeschrieben. Die Autonomie als Kern der Persönlichkeit enthalte primär das Recht des Menschen in seiner Körperintegrität und in seinem Eigentum unbeeinträchtigt zu bleiben, soweit nicht ausnahmsweise höhere Interessen einen Eingriff rechtfertigen würden. Erst sekundär erwachse das Recht über seinen Körper oder sein Eigentum nach eigenem Willen zu disponieren. Das zentrale Recht auf Schutz hätten selbstverständlich auch Schlafende, Bewusstlose, Geisteskranke, Sterbende, Apalliker und der Säugling. Wenn diese Menschen von den Handlungsmöglichkeiten, die die ihrer Person zugeordneten Rechtsgüter bieten würden, nicht oder wenigstens nicht einstweilen oder nur eingeschränkt Gebrauch machen könnten, so bewirke das zwar ein Autonomiedefizit, aber der aus der Persönlichkeitsautonomie folgende Eingriffsschutz bleibe uneingeschränkt bestehen. Der Unwert der Verwirklichung strafrechtlicher Tatbestände könne durch Einschränkungen der Handlungsmöglichkeiten nicht betroffen werden, weil diese gerade den Eingriffsschutz bezwecken würden. Die bisherige Diskussion habe an einer Blickverengung gelitten, indem die Persönlichkeitsautonomie ausschließlich unter dem Ge120  Menrath, Einwilligung, S. 50, vgl. auch Fn. 178 f., wo er sich auf die zuvor genannten Autoren bezieht. 121  Die Beitrag hätte in einer kaum geeigneteren Publikation veröffentlicht werden können als in der Festschrift zum 70. Geburtstag für Knut Amelung, dem größten Kritiker des „überangestrengten Personalismus“, ders., Rechtsgutsbegriff, S. 155, 163 und ders. / Eymann, JuS 2001, 937 f.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

sichtspunkt der Dispositionsfreiheit betrachtet worden sei. Ein Grund dafür möge darin liegen, dass man immer nur auf die Einwilligung geschaut habe. Die Tatbestände sollen aber gerade vor Eingriffen schützen, die ohne wirksame Einwilligung erfolgen würden. Die Verfügungsfähigkeit habe nur die Bedeutung, dass sie, wenn von ihr in autonomer Gestaltung Gebrauch gemacht werde, den tatbestandlichen Schutz ausschließe. Wenn sie aber nicht oder zeitweilig nicht bestehe oder der Rechtsgutsträger keinen Gebrauch machen wolle, ändere das nichts daran, dass ein Eingriff in seine Persönlichkeitsautonomie vollumfänglich unrechtsbegründend verletze.122 (3) Das Basismodell: Das Rechtsgut als Basis personaler Entfaltung Die von Rönnau herausgearbeiteten Schwächen des Integrationsmodells lassen sich damit bei näherer Betrachtung und richtigem Verständnis ausräumen. Das von ihm entwickelte Basismodell nimmt letztlich die zutreffende und sorgfältig begründete Interpretation der Willenskomponente vor. Nach dem Basismodell fungieren „die tatbestandlich geschützten Gegenstände […] nicht nur als Bezugs- und Begrenzungspunkte für den Willen, sondern als Speicher für zukünftige Handlungsoptionen“.123 Danach ist das „Schutzobjekt des Strafrechts im Bereich der Individualrechtsgüter nicht primär der Wille des Berechtigten im Umgang mit seinen Gütern (Integrationsmodell) und auch nicht der […] Gegenstand in seinem Eigenwert […], sondern ein dem einzelnen zugeordneter Gegenstand, der als Basis für personale Entfaltung dient“124.125 Die Möglichkeit des Einsatzes jenes Gegenstandes bilde dessen Wert. Das in den Gegenständen gespeicherte Handlungspotential könne – müsse aber nicht – vom Berechtigten zur Freiheitsausübung genutzt werden.126 Die geschützte Funktion des Gutes sei das „Reservoir für Handlungschancen“.127 Diese Handlungsmöglichkeiten sollen der Einzelperson garantiert werden, indem das Strafrecht „um den Gegenstand einen 122  Roxin,

Amelung-FS, S. 269, 282. Willensmängel, S. 69. 124  Rönnau, Willensmängel, S. 85; vgl. auch ders., Jura 2002, 595, 598; ders., LKStGB, Vor § 32 Rn. 156. 125  Es findet sich eine ähnliche Umschreibung bei Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 377: „Dem Strafrecht kommt mithin die Aufgabe zu, seinen Beitrag zur Sicherung personaler Entfaltungsvoraussetzungen zu leisten: Strafrecht also als Mittel zum Schutz derjenigen Gegebenheiten, die sich als personale Entfaltungs­voraussetzungen und Entfaltungsbedingungen darstellen.“ (Hervorhebungen im Original, Anm. d. Verf.). 126  Rönnau, Willensmängel, S. 85; vgl. auch ders., Jura 2002, 595, 598; ders., LKStGB, Vor § 32 Rn. 156. 127  Rönnau, Willensmängel, S. 86. 123  Rönnau,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht129

Schutzwall“ lege, „damit dieser für spätere Dispositionen unversehrt zur Verfügung steht“.128 Der Wille des Rechtsgutsinhabers sei dabei aber kein Bestandteil des Rechtsguts, sondern „tritt vielmehr erst bei der Ausübung der Freiheit an das Rechtsgut“; der „auf Gestaltung drängende Wille setzt Handlungschancen, die im geschützten Gut verkörpert sind, in die Tat (in die Rea­ lität) um – verwandelt also gleichsam Potenz in Wirklichkeit“.129 Auf tatbestandlicher Ebene werde die Freiheit damit nur dann relevant, wenn eine deren Ausübung im Wege einer Einwilligung erfolge.130 Die Zustimmung zu einem Eingriff erscheine somit „nur als eine der […] Möglichkeiten, von seiner Verfügungsfreiheit Gebrauch zu machen“; in Fällen von Eingriffen ohne wirksame Zustimmung – Rönnau spricht von einem „Basisangriff“ – ist mit der „Beeinträchtigung des Gutes […] auch der Entzug von Handlungsmöglichkeiten […] verbunden, der Gestaltungsrahmen für den Rechtsgutsinhaber wird verkleinert, die Strafbarkeitszone überschritten“.131 Damit liegt nach der Einschätzung Rönnaus ein „normativ aufgeladenes Rechtsgut“ vor, denn der „Angriff auf den Gegenstand (die Basis) selbst stellt dabei nur lediglich ein Durchgangsstadium für den entscheidenden Angriff auf die im Gut verkörperten Handlungschancen dar“.132 Eine Rechtsgutsverletzung hat nach diesem Verständnis zwei Voraussetzungen: Zunächst sei die Einwirkung auf das Rechtsgut erforderlich, hierzu müsse dann noch der „Entzug von Entfaltungsmöglichkeiten“ hinzutreten. Stimme der Berechtigte nur der Einwirkung zu, so werde der Schutzzweck personaler Rechts­ güter „nicht vereitelt, sondern vom Berechtigten geradezu realisiert“ und mithin das „das Rechtsgut und damit der Tatbestand nicht tangiert“.133 Welchen Einfluss die Einwilligung in straftatsystematischer Hinsicht hat, ist damit weitgehend vorgezeichnet. Rönnau lehnt die überkommene Belingsche Auffassung des Straftatbestands als wertfreie Kategorie ab,134 und schließt sich der Auffassung an, wonach die „Tatbestandsmäßigkeit den Kern des Unrechts ausmacht“.135 Entscheidende Bedeutung kommt für ihn dem Begriff des Unrechtstatbestands zu, dessen Wesen sich als „strafgesetzliche Beschreibung (formeller Aspekt) einer durch menschliches Verhalten ver128  Rönnau,

Willensmängel, S. 90. Willensmängel, S. 91 f.; vgl. auch ders., Jura 2002, 595, 598. 130  Rönnau, Willensmängel, S. 92; vgl. auch ders., Jura 2002, 595, 598. 131  Rönnau, Willensmängel, S. 93 132  Rönnau, Willensmängel, S. 93. 133  Rönnau, Willensmängel, S. 95; vgl. auch ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 156. 134  Die Ablehnung sei sogar „allgemein anerkannt“, Rönnau, Willensmängel, S. 117. 135  Rönnau, Willensmängel, S. 118 m. w. N. in Fn. 382. 129  Rönnau,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

meidbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung (materieller Aspekt)“136 erfassen lasse. Die Verwirklichung des Tatbestands führe zu einem „vorläufigen Unrechts­ urteil“, das auf der Ebene der Rechtswidrigkeit „beim Fehlen von Rechtfertigungsgründen endgültig bestätigt bzw. beim Eingreifen von Unrechtsausschließungsgründen korrigiert wird“137. Das vom Tatbestand erfasste Unrecht ist nach Rönnaus Basismodell die „Beeinträchtigung personaler Handlungschancen […], dem Rechtsgutsinhaber die aus seinen Gütern erwachsenden Handlungsmöglichkeiten total oder partiell zu vereiteln“138 Wenn der Rechtsgutsinhaber nun aber im Wege der Einwilligung das Verhalten des Täters gestatte, „so nimmt er gerade die Handlungschancen wahr, die ihm das Strafrecht garantieren will“139. Es handele sich hierbei um ein „völlig sozialübliches menschliches Verhalten, das von der Bevölkerung auch in diesem Sinne verstanden wird“. Das erwünschte Verhalten als tatbestandsmäßig und sozial auffällig zu bewerten, würde „Verwunderung“ hervorrufen. Es fehlten Handlungs- und Erfolgsunwert, denn der Wille des Täters sei in einem solchen Fall „in keiner Weise darauf ausgerichtet einen vom Recht […] missbilligten Erfolgsunwert herbeizuführen“. Da bei einem solchen Verhalten schon die Voraussetzungen der Unrechtsbegründung fehlten, stelle sich die Frage nach einem Unrechtsausschluss gar nicht.140 Straftatsystematisch ist die Einwilligung nach Rönnau also auf tatbestandlicher Ebene einzuordnen. Er präzisiert das noch weitergehend dahin, dass es sich bei der Einwilligung um ein negatives Tatbestandsmerkmal handelt.141 In Abgrenzung zur Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen – denen die Funktion zukomme, „die unrechtsbegründende Wirkung des Tatbestandes (im engeren Sinne) zu kompensieren“ – definiert er diese als „solche Merkmale eines Tatbestandes, deren Inhalt durch die Verneinung des Vorliegens eines Sachverhaltes bestimmt wird“, die also „schon zur Ermittlung und Beschreibung des Unrechtstypus benötigt werden“.142 Rönnau weist darauf hin, dass eben jene negativen Tatbestandsmerkmale ihre „Domäne“ im Bereich der „formellen – aber auch der materiellen – Willensbruchdelikte“ finden. Nach herrschender Meinung läge hier ein „vor Angriffen abzuschirmender Wert erst dann vor, wenn die Handlung des Täters […] ohne den Willen des Berechtigten durchgeführt wird“. Ein Angriff auf die „(mittelbar) ge136  Rönnau, 137  Rönnau, 138  Rönnau, 139  Rönnau, 140  Rönnau, 141  Rönnau, 142  Rönnau,

Willensmängel, Willensmängel, Willensmängel, Willensmängel, Willensmängel, Willensmängel, Willensmängel,

S. 123. S. 124. S. 124. S. 124 f., vgl. auch S. 143. S. 125. S. 143; ders., Jura 2002, 595, 598. S. 129 m. w. N. in Fn. 441.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht131

schützte Dispositionsfreiheit“ läge hier nur vor, „wenn die Zustimmung des Rechtsgutsinhabers nicht eingeholt wird“.143 Das Basismodell müsste nun „in gleicher Weise […] allen individualrechtsgüterschützenden Tatbeständen ein (ungeschriebenes) negativ formuliertes und opferbezogenes Tatbestandsmerkmal implementieren“. Ein sozial auffälliges Verhalten liege nur vor, der Unrechtstypus sei nur verwirklicht, „wenn der Täter ‚ohne den Willen des Rechtsgutsinhabers‘ auf dessen Rechtsgüter einwirkt“.144 Die für das Basismodell entscheidende Formulierung ist die Präposition „ohne“, welche Rönnau bewusst und mit klarer Zielvorgabe wählt. Dem Willen des Berechtigten komme nämlich nur dann eine den Tatbestand und das Unrecht ausschließende Bedeutung zu, „wenn er – aktuell gebildet – den Umgang anderer Personen mit seinen Gütern vollumfänglich abdeckt“, jedoch werde das in den Gütern enthaltene „Handlungspotential geschützt, ohne dass ein konkreter Willensbezug zu den Gütern erforderlich wäre“.145 Dagegen wäre nach dem Integrationsmodell der Willensbezug schon zur Unrechtsbegründung erforderlich, dementsprechend müsste das „den Tatbeständen einzufügende Merkmal lauten: ‚Wer gegen den Willen des Berechtigten …‘.“146 Der Unterschied liegt also in der Abgrenzung der Formulierung „ohne“ gegen „gegen“. Straftatsystematisch handelt es sich – wie zutreffend von Rönnau herausarbeitet – bei der „ohne“-Formulierung um ein negatives Tatbestandsmerkmal. Was er unerwähnt lässt, weil es vielleicht auch zu offensichtlich erscheint, ist der Umstand, dass die „gegen“-Formulierung ein normales positives Tatbestandsmerkmal darstellt. Während sich also in dogmatisch-sys­ tematischer Hinsicht der Unterschied zwischen „ohne“ und „gegen“ in negatives und positives Merkmal charakterisieren lässt, gilt bezüglich der inhaltlichen Willensrichtung ein umgekehrtes Verhältnis. Die „ohne“-Formulierung lässt den Willen des Berechtigten in positiver Form relevant werden, da es nur auf dessen zustimmenden Wille ankommt. Dagegen erfordert die „gegen“-Formulierung stets die Entäußerung eines negativen Willensinhaltes, der Berechtigte muss seinen ablehnenden Willen entäußern. Eigentlich! Denn worauf Rönnau ebenfalls zutreffend hinweist, ist der Umstand, dass ein solches Verständnis zu erheblichen Lücken im Strafrechtsschutz führen würde, da sich niemand all seiner geschützten Güter bewusst ist, geschweige denn stets bezüglich bevorstehender Eingriffe seinen Ablehnungswillen äußern 143  Rönnau,

Willensmängel, S. 130. Willensmängel, S. 131; vgl. auch ders., Jura 2002, 595, 598, wonach nur derjenige den Tatbestand verwirklicht, „der ‚ohne den rechtsbeachtlichen Willen des Berechtigten‘ handelt“. 145  Rönnau, Willensmängel, S.  131 f. 146  Rönnau, Willensmängel, S. 132. 144  Rönnau,

132

Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

kann. Deshalb werde „vom Prototyp des aktuellen, entgegenstehenden Willens auf bloße Fiktionen eines hypothetischen, latenten oder potentiellen Willens ausgewichen“.147 So zutreffend die Analyse der Konsequenzen einer „gegen“-Formulierung Rönnaus auch ist, so verfehlt ist es, dem sog. Integrationsmodell diese ­Formulierungsalternative als zwingend vorzuschreiben. Möglicherweise hat Rönnau das später auch selbst erkannt: Sowohl in einem kurz nach der Veröffentlichung seiner Habilitationsschrift erschienenen Aufsatz, der deren Grundthesen zusammenfassend vorstellt, als auch in seinem Beitrag für den Leipziger Kommentar, stellt er nämlich für die Auslegung des Integrationsmodells nicht mehr auf ein Handeln gegen den Willen ab, sondern will die Einwilligung ebenfalls als negatives Tatbestandsmerkmal dergestalt konstruieren, dass den Tatbestand nur erfüllt, „wer ‚ohne wirksame Einwilligung des Berechtigten‘ in fremde Rechtsgüter eingreift“.148 Aber damit ist diese dogmatische Konstruktion mit der des Basismodells identisch! Die Identität der Konstruktion zwingt dann aber zur Frage, welche eigenständige Bedeutung Rönnaus Basismodell dann noch beanspruchen kann.149 Es bleibt unerklärt, weshalb Rönnau in das Integrationsmodell ursprünglich eine „gegen“-Formulierung hineingelesen hat. Und nicht nur, dass für das Ausweichen auf Willensfiktionen lediglich zwei Kommentarfundstellen präsentiert werden, vor allem beziehen sich diese Kommentarfundstellen mit dem unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen nach § 248b StGB und dem Hausfriedensbruch nach § 123 StGB auf zwei klassische Straftatbestände des Einverständnisses. Nach Rönnaus eigener Darstellung gehörten diese damit eigentlich der Domäne negativer Tatbestandsmerkmale, also der „ohne“Formulierung, wodurch sie mit den vom Integrationsmodell diskutierten Delikten nicht im Zusammenhang stünden – legt man jedenfalls das Verständnis Rönnaus zugrunde, der der Zweiteilung zwischen Einverständnis und Einwilligung keine Absage erteilt. Dabei drängt es sich nach dem Rechtsgutsverständnis Rönnaus auf, zu fragen, weshalb an der terminologischen Unterscheidung festzuhalten ist, wenn nicht nur bei allen individualrechtsgüterschützenden Tatbeständen das „Handlungspotential“ geschützt wird, sondern dieser Schutz auch im Hinblick auf die tatbestandliche Formu147  Rönnau,

Willensmängel, S. 132; ders., Jura 2002, 595, 597. Jura 2002, 595, 597; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 154. Rönnau stützt sich hierfür insbesondere auf Samson, SK-StGB, 4. Aufl. Vor § 32 Rn. 18 sowie Göbel, Einwilligung, S. 71 und verweist in Fn. 21 seines Aufsatzes auf weitere Nennungen in Rönnau, Willensmängel, S. 131 m. Fn. 449. Letzteres ist jedoch ungenau, da sich die dortige Darstellung auf die dogmatische Konstruktion seines eigenen Basismodells bezieht und gerade nicht auf das Integrationsmodell. 149  Amelung scheint seine eigene Position dem Basismodell zuzuordnen, da er diese hier wiederzufinden meint, ZStW 2003, 710, 715. 148  Rönnau,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht133

lierung einheitlich erfolgen soll. So erkennt letztlich auch Rönnau an, dass es „keine grundsätzlichen Strukturunterschiede zwischen Einwilligung und Ein­ verständnis“ gibt.150 Diese Erkenntnis mit seiner Konzeption in Einklang zu bringen, davor scheut Rönnau jedoch zurück. So verwundert es auch nicht, dass die von ihm diskutierten Fälle ausschließlich solche sind, die den hergebrachten Einwilligungskonstellationen entnommen sind. (4) Z  wischenfazit: Das Fehlen eines zustimmenden Willens als hinreichender Grund der Unrechtsbegründung Für ein Zwischenfazit ist dem Basismodells in einem Aspekt zuzustimmen: Die Implementierung eines Willensmoments in den Tatbestand kann nur mittels einer „ohne“-Formulierung und damit in Form eines negativen Tatbestandsmerkmals erfolgen. Die Nachteile einer „gegen“-Formulierung, dass der strafrechtliche Schutz auf ein Bewusstsein des Berechtigten von seinen Rechten und sogar deren Geltendmachung in Form einer Ablehnung bevorstehender Eingriffe anderer Personen abhängig wäre, sind insoweit zutreffend von Rönnau herausgearbeitet und mit wesentlichen Grundgedanken des Strafrechts unvereinbar. Die Implementierung eines negativen Merkmals stellt auch – wie Rönnau ebenfalls zutreffend feststellt151 – keinen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 II GG dar, denn es geht vorliegend um die Begrenzung des gesetzlichen Tatbestands, nicht um dessen Ausweitung. Auch ergibt sich für den Normadressaten, also potentielle Täter, aus der Formulierung ohne weiteres, dass Eingriffe in die Güter einer Person ohne deren zustimmenden Willen nicht erlaubt sind, er also Kontakt zu dem Berechtigten aufnehmen und um dessen Erlaubnis ersuchen muss, will er sich nicht dem Risiko einer Strafbarkeit aussetzen.152 Nun hat aber Rönnau selbst stillschweigend eingestanden, dass es auch nach dem Integrationsmodell ausreichen muss, wenn der Täter ohne Einwilligung des Berechtigten handelt, also ein Handeln gegen dessen Willen zur Unrechtsbegründung und Tatbestandserfüllung nicht erforderlich ist. Damit sind aber die Grenzen zum Integrationsmodell aufgehoben. Der Konstruktion des Basismodells kommt Bedeutung daher nur insofern zu, als es sich um die zutreffende Interpretation des Integrationsmodells handelt. Dieses Modell der Rechtsgutsbeschreibung, in welchem dem Willen die richtig verstandene Relevanz für das Unrecht zukommt, nämlich dieses negativ auszuschließen, aber nicht positiv begründen zu müssen, ist nach Ansicht der Arbeit als vorzugswürdig einzustufen. Letztendlich verbirgt sich dahinter 150  Rönnau,

Willensmängel, S. 143. Willensmängel, S. 133. 152  So auch zutreffend Rönnau, Willensmängel, S.  135 f. 151  Rönnau,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

nichts weiter als die richtige Verwendung und Auslegung der auf den ersten Blick so einfach erscheinenden Präpositionen „gegen“ und „ohne“ sowie ihres Bezugs zum Willen. Als erster, noch näher herauszuarbeitender Formulierungsvorschlag, begründet der Täter dann Unrecht, wenn er „ohne den Willen des Berechtigten in dessen Rechtsgüter eingreift“. cc) Die Kritik am personalen Rechtsgutsverständnis Im gleichen Umfang, wie dem personalen Rechtsgutsverständnis nun von einer Seite Sympathiewellen entgegenschlagen, ist es von anderer Seite her einem Kreuzfeuer der Kritik ausgesetzt. Wer diese Kritik betrachtet, für den wird vielleicht spätestens jetzt verständlich, weshalb diese Arbeit die Frage nach dem Rechtsgutsverständnis als Gretchenfrage karikiert und in die Nähe eines Bekenntnisstreits gerückt hat. Einige Autoren setzen sich aber durchaus differenziert auseinander und erkennen positive Aspekte der personalen Rechtsgutslehre an. So hält Gropp ihr zumindest zugute, dass dadurch die zwei Wesenselemente der Einwilligung besonders deutlich zu Tage treten: Auf der einen Seite das Selbstbestimmungsrecht und auf der anderen Seite deren Bezug zur Realität.153 Otto gesteht der Einheitstheorie zu, dass ihre Konzeption durch innere Geschlossenheit besticht. Es seien aber Zweifel an ihrer Sachgerechtigkeit begründet, denn nach ihrem Rechtsgutsbegriff werde die Dispositionsfreiheit als konstitutives Element vorausgesetzt.154 Auch Weigend attestiert der Argumentation, dass Rechtsgüter dem Einzelnen gerade deshalb zur Verfügung stehen, weil er sie funktional einsetzen können soll und dass daher aufgrund einer Einwilligung gar keine für eine Straftat taugliche Angriffsfläche besteht, eine plausible Begründung für die Wirkung der Straflosigkeit. Zu kritisieren sei jedoch, dass damit zwar die Wirkung der Einwilligung erklärt werde, aber nicht deren Begrenzung. Warum der Einzelne manchmal zur Verfügung befugt sei und manchmal nicht, bleibe letztlich offen.155 (1) Kritikpunkt: Personenorientierung Trotz durchaus wohlwollender Stimmen aus dem Lager der Kritiker, so erhitzt ein Aspekt doch beinahe alle Gemüter: die Personenorientierung. Die Subjektivierung des Rechtsguts sei nichts weiter als ein bloßes Glaubensbekenntnis und im Übrigen unvereinbar mit § 34 StGB, in welchem nicht die Dispositionsfreiheit, sondern der Bestand sozial wertvoller Gegenstände ge153  Gropp,

GA 2015, 5 f. Geerds-FS, S. 603, 610. 155  Weigend, ZStW 1986, 44, 47 f. 154  Otto,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht135

schützt sei.156 Sie werde der Bedeutung des Individualrechtsguts als objektiver Wert der Gemeinschaft nicht gerecht.157 Generell verbotene, mit einer Werteinbuße verbundene Eingriffe in fremde Rechtsgüter stellten zunächst einen abstrakten Unwert dar, zu dessen Beseitigung es eines besonderen Rechtfertigungsgrundes bedürfe.158 Die Personenorientierung verkürze die Natur des Rechtsguts auf eine bloße Dispositionsbefugnis. Sie verkenne, dass es bei Strafnormen zum Schutz der Rechtsgüter primär um die Unversehrtheit des angegriffenen Objekts gehe und nur sekundär um die Dispositionsfreiheit des Opfers.159 Jedes Rechtsgut verkörpere „als Bestandteil der Rechtsordnung auch einen abstrakten Wert […], der auch unabhängig vom Willen des Einzelnen schutzwürdig ist“.160 Das personalisierte Rechtsgutsverständnis könne nicht aus der Tradition des Rechtsgutsbegriffs abgeleitet werden.161 Das Menschenbild des Grundgesetzes sei nicht das des selbstherrlichen Individuums, sondern das der in der Gemeinschaft stehenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit.162 Amelung dürfte sich als einer der schärfsten Kritiker am personalen Rechtsgutsverständnis positioniert haben: Er wirft deren Anhängern eine „Überanstrengung des Personalismus“163 bzw. einen „überzüchteten Persona­ lismus“164 vor. Deren Konzeption widerspreche dem positiven Strafrecht. Denn die Tatbestände von Körperverletzung oder Sachbeschädigung – laut Amelung die wichtigsten Anwendungsbereiche der Einwilligung – schützen den Körper bzw. das Sacheigentum und nicht die Möglichkeit den Körper in autonomer Selbstbestimmung zu gebrauchen oder die Befugnis über die Sache zu verfügen. Die Konzeption sei eine von außen an das Gesetz herangetragene Theorie, die nie mit all seinen Anwendungsfällen verglichen worden 156  Hirsch,

Welzel-FS, S. 775, 782 ff.; ders., LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 98. AT, S. 375. 158  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 541; dem sich ausdrücklich anschließend Gropp, GA 2015, 5. 159  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 658. 160  Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 34. 161  Hirsch, Welzel-FS, S. 775, 785 unter Verweis auf die Untersuchung von Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 11 f., 262 f. 162  Hirsch, Welzel-FS, S. 775, 786 unter Verweis auf BVerfGE 12, 45, 51; 28, 175, 189. Freilich kann das nur die Karikatur einer Personenorientierung sein. Rönnau spricht etwas freundlicher von einer Überzeichnung der auf die vermeintlich allein egoistischen Bedürfnisbefriedigung angelegten personalen Komponente; Personenorientierung bedeute nicht, dass nur auf Achtung der eigenen Interessen zu pochen, sondern natürlich ist die Pflicht allgemein anerkannt, wechselseitig fremde Rechtssphären zu achten, Rönnau, Willensmängel, S. 51 f. Vgl. dazu auch Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 168. 163  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 163; ders. / Eymann, JuS 2001, 937 f. 164  Amelung, ZStW 2003, 710, 716. 157  Jescheck / Weigend,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

sei. Die autonome Selbstbestimmung sei nicht in allen, sondern nur in bestimmten Tatbeständen geschützt. Aufgrund der Vermengung von Verfügungsfreiheit und Verfügungsgegenstand bestünde die Gefahr, dass der Autonomiebegriff verkümmere: Autonomie komme nur als Freiheit der Verfügung über den Schutzgegenstand in den Blick, nicht jedoch als Freiheit der Person unter all ihren Werten zu wählen. Die Vorstellungen Roxins von der Autonomie blieben gänzlich unterentwickelt: Autonomie und Selbstbestimmung seien nach dessen Konzeption nicht mehr als undefinierte Rahmenbegriffe für kasuistische Billigkeitserwägungen. Die Grundbegriffe ließen sich in ihr Gegenteil verkehren, so dass ihnen jede Begründungskraft fehle, weil sich aus ihnen alles und nichts ableiten lasse. Es gelinge der personalen Rechtsgutslehre nicht ein theoretisches Fundament zu erarbeiten.165 Stratenwerth bringt neben dogmatischen, noch historisch-soziologische Erwägungen in die Diskussion ein: Die „Verengung des Blickwinkels auf die Interessen des Einzelnen“ stelle einen „kulturgeschichtlich […] reinen Sonderfall“ dar. Der Individualismus sei „eine der Grundpositionen in der abendländischen Auseinandersetzung über die richtige gesellschaftliche Ordnung – aber auch nicht mehr“. Das Problem bestehe darin, dass von allem abstrahiert werde, was den Einzelnen „als diesen Menschen“ geprägt habe – Herkunft, Biografie, soziales Umfeld, gesellschaftliche Stellung, Persönlichkeitsstruktur, familiäre Situation, handlungsleitende Regeln. Der Einzelne wäre „in diesem Sinne asozial“. Das stünde „in unaufhebbaren Widerspruch“ zu unserem Kenntnis „über den Menschen als gesellschaftliches Wesen“. In einer normativen Ordnung zu leben, wäre eine „Notwendigkeit“ und entspräche einem tiefen Bedürfnis des Einzelnen, „der gerade darin seine Identität und seine Sicherheit findet“.166 Es fragt sich eigentlich, die Argumentation wessen Lagers mehr einem Glaubensbekenntnis gleichkommt. Manch ein Vertreter der hier skizzierten Ansicht strengt sich sichtlich an, den Sieg davon zu tragen. Auch Rönnau sieht darin nichts weiter als auf „Suggestionswirkung abzielende Schlagwörter“, die den fürsorgerischen, bevormundenden und staatszentrierten Ansatz offenbaren, der auch ein klares Selbstbekenntnis zur Frage der Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft enthält.167 Letztendlich offenbare der Ansatz nichts anderes als die Furcht, dass durch die Berücksichtigung der Willkür des Einzelnen auf Rechtsguts- bzw. Normebene die ordnende und Orientierung stiftende Kraft des Strafrechts, dessen edukativer Zweck, verloren gehe.168 Es 165  Amelung,

ZStW 1997, 490, 505 ff. Verhaltensdelikte, S. 157, 160. 167  Rönnau, Willensmängel, S.  44 f. 168  Geppert, ZStW 1971, 945, 967 f.; Kargl, JZ 1999, 72, 77; ders., JZ 1997, 283, 287 f.; Noll, ZStW 1965, 1, 6 f. 166  Stratenwerth,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht137

drohe ein „Zufallsstrafrecht, das die Strafbarkeit in das Belieben des Verletzten stellt“, das „den Sinn eines erwartungsstabilisierenden und Rechtsfrieden schaffenden Strafrechts“ verfehle, es „zerbricht das Rückgrat jeder Teleolo­ gie“.169 Würde eine Normenkonkretisierung durch den Willen des Opfers dem Täter das Erkennen des strafbaren Verhaltens wirklich unmöglich machen? Rönnau entgegnet dieser Frage, dass der Vorwurf der Normenerosion merkwürdigerweise bei Tatbeständen mit einem Einverständnis niemals erhoben worden sei. Wen die Berücksichtigung des Opferwillens auf Tatbestands­ ebene störe, der müsse konsequent die Berechtigung der gesetzgeberischen Schutztechnik im Bereich des Einverständnisses generell in Zweifel ziehen.170 Ferner könne auch nicht aus dem im öffentlichen Interesse betriebenen Strafrechtsschutz gefolgert werden, dass die Gegenstände des Rechtsschutzes zwingend Allgemeininteressen seien. Das sei eine Verwechslung der Verwendung des Begriffs des öffentlichen Interesses: Das Interesse am Bestehen eines Gesetzes werde abgeleitet vom Interesse, das durch dieses Gesetz geschützt werde.171 Auch führe eine Aufnahme des Willens in den Rechtsgutsbegriff nicht zu einem reinen Willensschutz und laufe damit auch nicht auf einen Generaltatbestand wie § 240 StGB hinaus.172 Denn der Wille werde nicht vor jedwedem Angriff geschützt, sondern nur in Beziehung zu konkreten Objekten. Somit sei das Vorliegen einer Straftat von zwei Wertungen abhängig: Dem güterkonstituierenden Werturteil des Gesetzgebers und der subjektiven Bewertung des Rechtsgutsinhabers.173 (2) Kritikpunkt: Gesetzeswortlaut Auf der Seite des Kollisionsmodells steht jedoch scheinbar der Gesetzeswortlaut: Nach dem Alltagsverständnis und dem normalen Sprachgebrauch wäre nunmal ein verwundeter Mensch körperverletzt und eine zertrümmerte Vase (sach-)beschädigt. Die gesetzlich vorgegebenen Merkmale wären eben erfüllt.174 Daran könnte – so ist zu ergänzen – die eventuelle Zustimmung nichts ändern. Dieses Wortlautargument ist jedoch bei näherer Betrachtung 169  Kargl,

JZ 1997, 283, 288. Willensmängel, S. 46. 171  Rönnau, Willensmängel, S.  47 f. 172  Diesem Argument steht auch Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 60 m. Fn. 19 kritisch gegenüber. 173  Rönnau, Willensmängel, S.  48 f. 174  Kühl, AT, § 9 Rn. 22; Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 122; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 62 ff. Vgl. auch Murmann, Selbstverantwortung, S. 379: „Die unterschiedliche Behandlung zustimmenden Willensverhaltens wird durch die positivrechtlichen Tatbestände vorgegeben.“ 170  Rönnau,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

ohne Überzeugungskraft, wie es auch schon Roxin darlegte. Eine einschränkende Auslegung sei im Strafrecht nicht nur möglich, sondern auch geboten, wenn eine rechtsgutsbezogene Interpretation das verlange. So sei etwa die Bitte, eine alte Kommode zu Brennholz zu verarbeiten, das Gebrauchmachen vom Eigentumsrecht und nicht dessen Verletzung. Die fehlende Einwilligung könne als negativ gefasstes Tatbestandsmerkmal verstanden werden. Ferner sei die Bedeutung des Alltagssprachgebrauchs weit überschätzt. Denn wie würde das Alltagsverständnis das Engagement eines Gärtners zum Heckeschneiden oder Rasenmähen werten? Schließlich sei gerade auch in den Fällen des Einverständnisses der Wortlaut alles andere als eindeutig. So könne man auch dann in eine unterirdische Höhle eindringen, wenn man vorher um Erlaubnis gebeten habe. Wer in den Duden nach dem Begriff der Wegnahme suche, der finde dort auch die Umschreibung eines von-derStelle-Nehmens.175 Der Gesichtspunkt des Wortlauts spricht also im Ergebnis nicht für, sondern gegen das Kollisionsmodell und der damit im engen Zusammenhang stehenden Zweiteilungslehre. Das erkannte Roxin bereits frühzeitig in seiner Dissertation von 1958: Man frage sich vergeblich nach der „inneren Logik“, die Unterscheidung komme „allein dadurch zustande, dass die deutsche Sprache für ‚Körperverletzung wider Willen des Verletzten‘ kein passendes Zeitwort besitzt, das das Handeln gegen den Willen des Betroffenen schon in der Einzelbestimmung […] auszudrücken erlaubte“.176 Die historisch bedingten und zufälligen Textfassungen sollten nicht über Fragen der systematischen Zuordnung entscheiden.177 Es hänge von schwankenden Deutungen des Sprachgebrauchs ab, ob das eine Tatbestandshandlung kennzeichnende Verbum ein Handeln ohne Einwilligung des Berechtigten in sich einschließe. Darauf ließen sich jedoch strafrechtssystematische Unterscheidungen nicht gründen.178 Der Wortlaut ist damit kein Argument gegen die Relevanz des Willens für die Unrechtsbegründung und für das Rechtsgut; die bestehende Ungewissheit über die Auslegung einzelner Fälle oder sogar einzelner Tatbestandsmerkmale spricht sogar eher für dessen Berücksichti175  Roxin,

Amelung-FS, S. 269, 273 ff. Offene Tatbestände, S. 128 f.; wobei der Hinweis zu geben ist, dass sich Roxin hier nicht explizit zur Einwilligungsdogmatik äußert, sondern seine Argumentation im Kontext der Irrtumslehre steht, genauer in der Auseinandersetzung mit den Folgen der strengen Schuldtheorie. Allerdings erkannte schon Kientzy, Einwilligung, S. 41 m. Fn. 17, dass die Darstellung über die Irrtumsproblematik hinausgeht und gegen die Differenzierung zwischen Einwilligung und Einverständnis in allgemeiner Form gewendet werden kann. In seinem Lehrbuch führt Roxin diesen Gedanken dementsprechend auch explizit gegen die Zweiteilungslehre an, AT I, § 13 Rn. 32. 177  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 275. Vgl. auch Kientzy, Einwilligung, S. 40 f. und Kühne, JZ 1979 241, 242. 178  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 276. 176  Roxin,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht139

gung, um die Unsicherheiten zumindest dann zu beseitigen, wenn der Berechtigte seine Zustimmung erteilt hat. (3) Ü  berschneidungen der Modelle: Die Unterscheidung zwischen Mensch und Person als Schutzobjekt des Strafrechts bei Amelung Die sich konträr gegenüberstehenden Meinungsblöcke sind teilweise aber nicht so unbeweglich und unüberwindlich, wie es manchmal scheint – auch gerade in Anbetracht der teilweise fundamentalistisch anmutenden Wortwahl. So hat selbst Arzt, der seine gesamte Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit maßgeblich auf ein statisches Rechtsgutsverständnis stützt, in der „Dynamik der Rechtsgüter […] eine attraktive Konzeption“ anerkannt.179 Aufschlussreich dafür, dass die Meinungen oftmals nicht so fest zementiert sind, ist auch ein 2007 erschienener Beitrag Amelungs mit dem Titel „Mensch und Person als Schutzobjekt strafrechtlicher Normen“.180 Die Grundüberlegung dieses Ansatzes beruht auf Konzepten der Systemtheorie. Einig sei man sich, dass die Aufgabe des Strafrechts darin bestehe gewisse Realien im weitesten Sinne zu schützen. Das wichtigste und letztlich einzige Schutzobjekt sei der Mensch. Die meisten würden jedoch lieber den Begriff der Person bevorzugen. Mit dem Begriff des Menschen sei dessen biologische Eigenart als Spezies gemeint, die sich von anderen biologischen Wesen unterscheide. Der Begriff der Person meine hingegen die soziale Seite des Menschen als ein Wesen, das von anderen seiner Art besonderen Respekt verlangen dürfe. Zugespitzt formuliert, sei der Mensch durch spezifisches Genom, die Person durch soziale Regeln bestimmt.181 Dieser Entgegensetzung von Mensch und Person entspreche die Aufteilung sozialer Fakten in rohe Tatsachen einerseits und institutionelle Tatsachen andererseits. Letztere verdankten ihre Existenz sozialen Regeln, deren Einhaltung den hiervon Begünstigten Handlungsmöglichkeiten schaffe. Aus dieser Sicht seien Personen Ein-Mann-Institutionen, Menschen hingegen rohe Tatsachen, da deren Existenz nicht der Gestaltung durch die Gesellschaft verdanken, sondern von dieser bereits vorgefunden würden.182 Darauf aufbauend wirft Amelung die Fragestellung auf, ob diejenigen, welche die Aufgabe des Strafrechts im Schutz von Personen sehen, raum-zeitliche Wesen oder nur ein Arrangement von Normen meinen. In der Unrechtslehre werde ein biologisches Ereignis wie die Tötung oder Verwundung anders bewertet als die bloße Missachtung einer Norm. Das biologische 179  Arzt,

Geppert-FS, S. 1, 5. Otto-FS, S. 527–533. 181  Amelung / Lorenz, Otto-FS, S. 527. 182  Amelung / Lorenz, Otto-FS, S. 527 f. Vgl. zur Unterscheidung roher und institutioneller Tatsachen bereits Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 166. 180  Amelung / Lorenz,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Ereignis bezeichnet Amelung als Erfolgsunrecht,183 die Missachtung hingegen als Handlungsunrecht. Die für die Person konstituierten Regeln seien nicht willkürliche Setzungen, sondern knüpften an bestimmte Eigenschaften, die man dem biologischen Wesen Mensch als für ihn typisch zuschreibt. Sie würden dem Schutz von Menschen dienen, die als einmalige Individuen gesehen würden, zu vernünftigen Handeln befähigt seien und autonom entscheiden könnten. Das Problem bestehe darin, dass diese Eigenschaften nicht gleichmäßig verteilt seien, sodass deren Zuschreibung etwas „Fiktives, Kontra-Faktisches“ an sich habe. Daraus folgt für Amelung die entscheidende Frage, ob die die Person schützenden Normen überhaupt dem Postulat der Rechtsgutslehre entsprechen können, nach der nur solche Tatbestände legitim sind, die ein außerhalb ihrer selbst existierendes Realgebilde vor Schaden bewahren.184 Die Normen, die den Menschen als Person konstituieren, bestünden im Wesentlichen darin ihm Rechte zu verleihen. In der sozialen Realität erschienen solche Rechte als Handlungsmöglichkeiten. Normen, die den Respekt vor der Person fordern, verlangen lediglich, diese Möglichkeiten zu respektieren. Ob ein Mensch sie nutze, sei nicht entscheidend. Daraus ergebe sich, dass Normen, die dazu dienten, dem Menschen diese Möglichkeiten zu erhalten, noch immer etwas Reales schützten, eben soziale Handlungschancen. Eine Folge daraus sei die Einebnung der Gegensetzung von Rechtsverletzung und Rechtsgutsverletzungslehre. Nach alledem komme die Person als Schutzobjekt in Betracht, weil die Freiheitsrechte, deren Bezugspunkt die Person sei, sich in reale Handlungsmöglichkeiten transformieren ließen.185 Die Ähnlichkeit dieser Erwägungen mit der Argumentation Rönnaus, mit welcher dieser sein Basismodells stützt, ist offensichtlich: Amelung stellt auf den Schutz von Handlungsmöglichkeiten der Person, sozialen Handlungschancen, als zentrales Wesen von Normen ab. Der Schutz bezieht sich auf die Möglichkeit bzw. Chance, sodass der Schutz unabhängig davon besteht, ob die Person diese nutzt oder nicht. Ein Unterschied zum Basismodell ist insoweit nicht erkennbar. Es zeigt sich, dass sich die Ansichten nicht so unversöhnlich gegenüberstehen, wie sie oftmals versuchen den Eindruck zu erwecken. 183  Amelung verwendet den Ausdruck „gemeinhin“ und verweist auf Jescheck / Weigend, AT, S. 7 f., 238 ff. und Roxin, AT I, § 10 Rn. 88 ff. Es dürfte sich jedoch – wie später zu zeigen sein wird – um eine bloße Behauptung handeln, die ohne eingehende Prüfung so nicht aufrecht erhalten werden sollte. 184  Amelung / Lorenz, Otto-FS, S. 527 f. 185  Amelung / Lorenz, Otto-FS, S. 527, 528  f. Den Gedanken des Schutzes von Handlungschancen hatte Amelung bereits früher angedeutet: Amelung, Rechtsgüterschutz, S.  18 ff., 33 ff., 43 ff.; ders., Rechtsgutstheorie, S. 155, 167 f.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht141

Amelung bleibt an dieser Stelle seines Konzepts nicht stehen, anderenfalls müsste er seine eigene Position revidieren. Deswegen sieht er sich gezwungen, eine Ausnahme für den menschlichen Körper zu machen. Dieser werde von der geschilderten Transformation nicht direkt erfasst. Er lasse sich nicht unter den Begriff der Realmöglichkeiten subsumieren. Das beruhe auf der „ontologischen Sonderstellung des Menschen in der Gesellschaft“. Menschen seien als biologische Organismen die Grundlage jenes Beziehungsnetzes, welches als Gesellschaft bezeichnet werde. Als solche seien sie von einer anderen ontologischen Qualität als die sie erzeugenden sozialen Institutionen. Eine Auffassung, die das Schutzobjekt der Körperverletzungsdelikte nach den §§ 223 ff. StGB dennoch in der Person sehe, gehe davon aus, den Körper ohne weiteres in das personalistische Konzept integrieren zu können. Dies geschehe dadurch, dass der Körper zur Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten der Person erklärt würden, sodass die Körperverletzungs­ delikte dann zwei Werte schützen würden: „den Körper und die Person in Gestalt ihrer Autonomie“.186 An dieser Stelle ist erkennbar, worauf die Differenzierung zwischen Mensch und Person als Schutzobjekt, die Unterscheidung roher und institutioneller Tatsachen abzielt: nämlich die Sonderstellung der Körperverletzungsdelikte zu begründen. Dort geht es um den Körper des Menschen an sich, als rohe Tatsache, und nicht um den Körper als Handlungsmöglichkeit der Person, als institutionelle Tatsache. Nun fragt es sich aber, warum für diese Deliktsgruppe das Abstellen auf die Person ausgeschlossen sein soll. Gerade wenn die terminologische Differenzierung zwischen Mensch und Person ernst genommen wird, so legt der Wortlaut der §§ 223 ff. StGB gerade die Anknüpfung an die Person nahe: „Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt […].“ Der Gesetzeswortlaut spricht also gerade dafür, die Körperverletzungsdelikte in ein personalisiertes Konzept zu integrieren. Welche Schwachstelle hat Amelung aber entdeckt, um sich über diesen Wortlaut hinwegsetzen zu können? Die Antwort hierauf ist ernüchternd. Es entstünden Schutzlücken dort, wo entweder Personen die Verfügungsbefugnis durch die Rechtsordnung abgesprochen werde oder wo Personen keine realen Handlungsmöglichkeiten mehr besäßen. Solche Lücken könnten nur dadurch geschlossen werden, dass die der Lehre vom Rechtsgüterschutz widersprechende Konsequenz gezogen würde, dass die Körperverletzungsdelikte nur eine Fiktion schützen würden.187 Bei der Wahl zwischen der Hinnahme von Schutzlücken und einem bloßen Fiktionsschutz gibt es für Amelung nur eine Lösungsmöglichkeit: „Rechtsgut der §§ 223 ff. StGB ist der menschliche Körper, unab186  Amelung / Lorenz, 187  Amelung / Lorenz,

Otto-FS, S. 527, 530. Otto-FS, S. 527, 530.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

hängig davon, ob und wofür er handelnd eingesetzt wird.“ Eine solche ­Bestimmung des Rechtsguts sei zwar naturalistisch, aber gerade deswegen ethisch überlegen. Die Anknüpfung erfolge nicht an irgendwelche Eigenschaften, die nicht jeder Mensch besitze, sondern an das, was alle verbinde: „die Disposition zum Leiden.“ Daher ist sein Ergebnis: „Der Tatbestand schützt den menschlichen Körper nicht nur als Voraussetzung personaler Autonomie, sondern als Quelle von Leiden, die bei seiner Verletzung ent­ stehen.“188 Die Substanzlosigkeit des Schutzlückenargumentes wurde bereits belegt.189 Es kommt auch nicht, wie ebenfalls gezeigt, auf eine Stellvertretung im Willen an. Die vermeintlich „ethische Überlegenheit“ der Amelungschen Konzeption der Körperverletzungsdelikte, die Anknüpfung an die Fähigkeit des Menschen zum „Leiden“, gibt Anlass zu Widerspruch. So kommt es für eine körperliche Misshandlung gerade nicht auf das Empfinden von Schmerzen an.190 Roxin hält Amelung daher entgegen, dass die vermeintlichen Schutzlücken gerade bei ihm erst entstünden, da eine Tötung oder Körperverletzung nicht immer mit der Zufügung von Leiden verbunden sein müsse.191 Aber neben dem Wortlaut und der Auslegung durch die Strafrechtslehre und Rechtsprechung, weckt schon das theoretische Fundament Amelungs Zweifel: Die Unterscheidung roher und institutioneller Tatsachen verkennt, dass es im Strafrecht niemals um ausschließlich „rohe Tatsachen“ geht. Was ein Mensch im Sinne der Tötungsdelikte darstellt, ist nur auf den ersten Blick einfach zu beantworten, bedarf aber schon in den Grenzbereichen menschlichen Lebens einer normativen Bewertung.192 Dieses Problem sieht zwar auch Amelung, er meint aber, dass es innerhalb der normativen Grenzziehung „das Objekt als solches ist, das strafrechtlichen Schutz genießt“.193 Doch warum das so ist, dafür bleibt er eine Erklärung schuldig. Die Unterscheidung zwischen rohen und institutionellen Tatsachen stellt sich aufgrund einer normativen Durchdringung aller Tatsachen als unbestimmt dar. So bezieht sich etwa auch der Tatbestand des Diebstahls auf eine Sache, also einen körperlichen Gegenstand – z. B. ein Auto –, der doch mehr roh als institutionell erscheint. Dennoch handelt es sich Amelung zufolge um eine institutionelle Tatsache, denn der „‚Gegenstand‘ hinter der Verbotsnorm 188  Amelung / Lorenz,

715.

189  Siehe

Otto-FS, S. 527, 531; vgl. auch Amelung, ZStW 2003, 710,

dazu oben S. 125 ff. MK-StGB, § 223 Rn. 13 f. m. w. N. aus der älteren Literatur. 191  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 282. 192  Vgl. auch Wohlers, Deliktstypen, S. 67, der sogar ein normatives Tatbestandsmerkmal annimmt. 193  Amelung, Rechtsgutsbegriff, S. 155, 166. 190  Joecks / Hardtung,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht143

des § 242 StGB […] ist letztlich nicht das Eigentumsobjekt ‚Auto‘, sondern die Möglichkeit seines Eigentümers mit ihm zu fahren“.194 Die bloße Möglichkeit einer Handlung soll also ein Gegenstand in Form einer institutionellen Tatsache sein? Ja, meint Amelung, der unter den Begriff des Gegenstands räumliche Gegenstände, Handlungsmöglichkeiten, soziale Prozesse und auch Normen fasst.195 Mit einem solch weiten Verständnis vom Gegenstand, erscheint eine Abgrenzung zu bloß rohen Tatsachen unklar. Solche Brüche entstehen jedoch nur dadurch, dass Amelung sich bemühen muss, seine Position in der Rechtsgutsfrage zu halten. Bis er zu diesen Bemühungen ansetzte, konnte man schlechterdings nicht leugnen, dass er sich auf den gleichen Pfaden bewegte wie Rönnau mit seinem Basismodell. Der Ansatz Amelungs wurde hier bewusst gewählt, um zu verdeutlichen wie doktrinär die Diskussion um das Rechtsgutsverständnis geführt wird, und dabei dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – nicht aus ihrer Sackgasse he­ rauskommt. dd) Zwischenfazit: Überschätzung der Leistungsfähigkeit des Rechtsgutsbegriffs Und diese Erkenntnis leitet zum Zwischenfazit über: Der Streit um die Einordnung der Einwilligung und dem richtigen Rechtsgutsverständnis ist letztlich von stark divergierenden Prämissen geprägt, die sich unvereinbar und unversöhnlich gegenüberstehen. Eine Stellungnahme in diesem Streit entzieht sich den Kategorien von richtig und falsch, sondern ist eine Sache der persönlichen Überzeugung zur Frage, wie das Verhältnis zwischen Individualismus und sozialer bzw. staatlicher Bindung zu bestimmen ist. Inwieweit jedoch eine Konzeption konsistent entwickelt ist, gehört nicht zu den Fragen persönlicher Überzeugung, sondern der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit. Und hierzu lässt sich sehr wohl Stellung beziehen: Wie gesehen bescheinigen selbst die Kritiker eines personalen Rechtsgutsmodells diesem eine innere Stimmigkeit. Jedenfalls weist dieses Modell nicht die inneren Widersprüche und Brüche des Kollisionsmodells auf. Nur: Frei von Schwachstellen ist es auch nicht. Nach Ansicht der Arbeit sind es derer mindestens drei: Als erstes ist terminologisch weiterhin vom Rechtsgut die Rede ist. Als zweites fehlt es an einer ausgearbeiteten Verknüpfung zwischen „Rechtsgut“, dessen Verletzung und dem Unrechtsbegriff. Und als drittes gelingt es dem personalen Rechtsgutsmodell nicht, eine konsistente Zustimmungsdogmatik aufzustellen, da noch an einer Zweiteilung der Zustimmung festgehalten wird. 194  Amelung, 195  Amelung,

Rechtsgutsbegriff, S. 155, 167. Rechtsgutsbegriff, S. 155, 165.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

b) Rechtsgutsverständnis und sog. Willensmängel Ein bestimmtes Rechtsgutsverständnis soll nicht nur zur Aufklärung zum Wirkgrund der Einwilligung weiterhelfen, sondern auch zur Lösung der an Komplexität nicht zu unterschätzenden – und von der Arbeit noch eingehend zu untersuchenden – „Willensmängel“-Problematik. Eine solche Hoffnung ist jedoch hier wie dort illusorisch. aa) Die Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit Die Diskussion darüber, welche sog. Willensmängel zur Unwiksamkeit der Einwilligung führen, beschäftigt seit jeher die dogmatische Diskussion. Im Jahre 1970 erfuhr diese Diskussion einen neuen, bis heute fortwirkenden Impuls: Gunther Arzt stellte in seiner Antrittsvorlesung die von ihm entwickelte Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit vor, deren wesentliche Prämisse die Annahme ist, dass das Strafrecht grundsätzlich einen „Bestandsschutz“ gewährt, indem es „bestimmte, als statisch gedachte Rechtsgüter schützt“. Dagegen gewährleiste es eine „Tauschfreiheit“ nur ausnahmsweise, etwa im Sexualbereich oder soweit es um Vermögenswerte gehe.196 Die Einwilligung ist nach Auffassung von Arzt nun aber ein „Instrument des Austauschs von Gütern zwischen Opfer und Täter“.197 Bei ihr erfolge die „Preisgabe eines Rechtsguts […] regelmäßig, vom Einwilligenden aus gesehen, nicht umsonst“, sondern der Einwilligende werde „sich von seinem Ver­ halten etwas versprechen“. Versage man nun der Einwilligung ihre Wirksamkeit wegen einer Täuschung über dieses versprochene Etwas, also die vom Täter „zu erbringende Gegenleistung“, würde die Einwilligung zu einem „weit über die §§ 240, 263, 182 StGB hinausgehende[n] Schutz der Willensbetätigungsfreiheit“ führen und damit auf eine „Erschleichung des strafrechtlichen Schutzes der Tauschfreiheit hinaus[laufen], ein Schutz, den § 240 StGB wie § 263 StGB versagt“.198 Die mit der Einwilligung verbundenen Risiken dürften aber nun nicht dem Täter allein „aufgebürdet“ werden.199 Eine einseitige Berücksichtigung der Opferinteressen einerseits und eine einseitige Belastung der Täterinteressen andererseits ist ein wichtiger Gedanke der Arztschen Lehre und als solcher von der Literatur auch aufge­ griffen, wenn auch teilweise gegen Arzt verwendet worden.200 Um eine „an196  Arzt,

Willensmängel, S. 17; bekräftigend ders., Geppert-FS, S. 1, 3. Geppert-FS, S. 1, 4. 198  Arzt, Willensmängel, S.  18 f. 199  Arzt, Geppert-FS, S. 1, 4. 200  Vgl. etwa. Amelung, ZStW 1997, 490, 492; Göbel, Einwilligung, S. 102; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 26 f.; Rönnau, Willensmängel, S. 210, 222. 197  Arzt,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht145

gemessene Risikoverteilung“ zu erreichen, will Arzt ausschließlich sog. „rechtsgutsbezogene Täuschungen“ als strafrechtlich relevant ansehen, die der Wirk­samkeit der Einwilligung entgegenstehen. Diese seien anzunehmen, wenn sich der Einwilligende „über die Tragweite seiner Einwilligung für das betroffene Rechtsgut“ irre, wenn er „sich nicht darüber im klaren ist, was er aufwendet (preisgibt)“.201 Nicht dagegen werde diejenige Täuschung erfasst, die „einen mit der Preisgabe des Rechtsguts vom Rechtsgutsträger verfolgten rechtsgutsfremden Zweck betrifft“, es „besteht kein Anlaß, dem Rechtsgutsträger die Auswechslung des Rechtsguts zu ermöglichen und das Surrogat […] zu schützen“.202 Arzt warnt davor, dass anderenfalls das Strafrecht zur „wachsenden Kommerzialisierung der persönlichen Güter“ beitragen würde, die dann zu bloßen „Tauschobjekten“ verkämen. Das Strafrecht könnte dann missbraucht werden, um zivilrechtlich nicht durchsetzbare Ansprüche aus der „Veräußerung höchstpersönlicher Güter“ zu erzwingen. Zudem wäre die „mühsame Trennung der einzelnen Rechtsgüter voneinander im Besonderen Teil des StGB nicht mehr recht verständlich“, würde das reine „Tauschinte­ resse geschützt“. Das liefe auf einen Art „Generaltatbestand“ des Personengüterschutzes hinaus, allerdings mit dem Unterschied, „daß über die Frage, ob das Saldo stimmt, anders als beim Betrug völlig die Entscheidung des Opfers entscheidet“.203 Arzt bezieht seine Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit sowohl auf Täuschungen als auch auf schlichte Irrtümer.204 Auch die Drohung führt seiner Ansicht nach immer zu einem rechtsgutsbezogenem Willensmangel, „weil der wirkliche Wille des Bedrohten der Verletzung entgegensteht“.205 Eine Einschränkung zieht Arzt nur, wenn die Drohung von einem Dritten ausgeht, also nicht vom Eingreifenden. In diesen Fällen liege ein rechtswidriger – also entsprechend nicht wegen Einwilligung gerechtfertigter – Angriff des Eingreifenden vor, gegen den der Einwilligende Notwehr üben könne, wobei der Widerruf der Einwilligung das relativ mildeste Mittel sei.206 Neben dem statischen Rechtsgutsverständnis ist eine weitere Grundannahme der Arztschen Theorie, dass sich ein Irrtum entweder auf die für den Bestandsschutz des Rechtsguts bedeutsamen Umstände oder auf die Tausch201  Arzt, Willensmängel, S. 20, 22. Nach seiner Einschätzung habe die zunehmende Formalisierung des Rechtsguts zu einer Abnahme der Möglichkeit rechtsgutsbezogener Täuschungen geführt. 202  Arzt, Willensmängel, S.  22 f. 203  Arzt, Willensmängel, S.  20 f. 204  Arzt, Willensmängel, S. 29. 205  Arzt, Willensmängel, S. 32. 206  Arzt, Willensmängel, S. 32. Als weitere Einschränkung zieht Arzt als Anforderungen für die Drohung diejenigen aus § 240 StGB heran, Willensmängel, S. 33 m. Fn. 47 und S. 35.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

barkeit verschiedener Güter bezieht, wobei eben nur eine rechtsgutsbezogene Fehlvorstellung zur Strafbarkeit führen darf.207 Das wird von Anhängern dieser Lehre auch explizit als Exklusivität bezeichnet: Bestand oder Austauschbarkeit, ein weiterer Bezugspunkt für eine Fehlvorstellung existiere nicht.208 Einige Anhänger von Arzt bildeten auch Fallgruppen zur Rechtsgutsbezogenheit heraus. So unterscheidet M.-K. Meyer den Irrtum über die Qualität einer Sache als Rechtsgutsobjekt,209 die Unkenntnis über die faktische Freigabe,210 den Irrtum über den Umfang der Rechtsgutsobjektsver­ letzung,211 sowie den Irrtum über das Ausmaß der Gefahr212. Demgegenüber zählen ihrer Ansicht nach der Irrtum über den Wert des Gutes213 und über das Motiv der Preisgabe214 nicht dazu. Auch Sternberg-Lieben unterscheidet nach bestimmten Fallgruppen, die zum Teil den eben genannten widersprechen und damit verdeutlichen, wie schwierig die Grenzen der Rechtsgutsbezogenheit festzulegen sind: Seiner Ansicht nach zählen zu den rechtsgutsbezogenen Fehlvorstellungen – und insoweit besteht noch Einklang mit M.-K. Meyer – der Irrtum über Art und Umfang der Verletzung oder Gefährdungen, die Fehlvorstellung über die Bedeutung des Rechtsguts und die dem zivilrechtlichen Erklärungs- und Inhaltsirrtum entsprechenden Fälle. Nicht erfasst sind hingegen Fehlvorstellungen über die Begleitumstände der Tat und bloße Motivirrtümer. Er will dafür aber im Gegensatz zu M.-K. Meyer auch Fehlvorstellungen über „die preisbildende Eigenschaften und den Marktwert einer Sache“ und von „Schaden und Nutzen beidem verletzten Gut“ erfassen.215 bb) Kritik Bei Betrachtung dieser Fälle zeigt sich, dass eine Abgrenzung danach, wann ein Rechtsgutsbezug vorliegt und wann nicht, nur mit Schwierigkeiten durchzuführen ist. Besonders scharfe Worte hat Mitsch der Rechtsgutsbezo207  Kußmann,

Einwilligung, S. 38 ff.; 60 f. Einwilligung, S. 62, 66. Vgl. aber auch M.-K. Meyer, Autonomie, S. 205 und 217, die für die Beachtlichkeit von Motivirrtümern verlangt, dass diese rechtsgutsbezogen sein müssen, was jedoch nach dieser Lehre aufgrund der Exklusivitätsannahme von vornherein nicht denkbar ist. 209  M.-K. Meyer, Autonomie, S. 167  f.; anders jedoch für „relativ verfügbare Rechtsgutsobjekte“, ein solcher Irrtum „ist bei Körperverletzung nicht denkbar, S. 204. 210  M.-K. Meyer, Autonomie, S.  168 ff. 211  M.-K. Meyer, Autonomie, S. 170. 212  M.-K. Meyer, Autonomie, S.  170 f. 213  M.-K. Meyer, Autonomie, S.  172 ff. 214  M.-K. Meyer, Autonomie, S.  174 ff. 215  Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 46; dem folgend Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 40. 208  Kußmann,



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genheit entgegengebracht. Er spricht von einer „schwach ausgeprägten Konturenschärfe“, mit der eine „überzeugende willkürfreie Ausgrenzung unbeachtlicher Irrtümer […] kaum möglich zu sein“ scheint. Die „Vagheit“ des Begriffs ergebe sich sowohl aus dem Rechtsgut, über dessen Bedeutungsgehalt generell schon „viel Unklarheit herrscht“ und über den konkret auch bei einigen Straftatbeständen Streit bestehe, als auch „durch die extreme semantische Elastizität des Wortes ‚bezogen‘“.216 Aber vor allem hat Mitsch einen Aspekt erkannt, der in der Auseinandersetzung mit Arzt nie in Frage gestellt wurde: Ist das Kriterium der „Rechtsgutsbezogenheit“ wirklich korrekt bezeichnet? Mitsch verneint die Frage: Der Gegenstand „rechtsgutsbezogener Irrtum“ sei „falsch etikettiert“, „[t]reffender wäre die Bezeichnung ‚tatbestandsbezogen‘“. Denn die entsprechenden Irrtümer „richten sich auf Tatbestandsmerkmale und können daher als opferbezogenes Spiegelbild des Tat­ umstandsirrtums i. S. des § 16 I 1 StGB apostrophiert werden“.217 Andere Autoren bezweifeln ebenfalls das von Arzt aufgestellte Kriterium des Rechtsgutsbezugs. Es solle in Wahrheit gar nicht die Wirksamkeit der Zustimmung, sondern ihren Gegenstand betreffen. Bei einem rechtsgutsbezogenem Irrtum liege nämlich schon gar keine Zustimmung vor.218 Etwas, das nicht vorliegt, kann weder wirksam noch unwirksam sein, sondern liegt eben nicht vor. Die Arztsche Lehre scheint also eigentlich gar keine Lösung der „Willensmängel“-Problematik bereitzuhalten, sondern nur eine Auslegung des Zustimmungsgegenstands. Doch so einfach verhält es sich nicht: Betrachtet man etwa als Beispiel das häufig Erwähnung findende, aber wenig Lebensnähe erfreuende Holzkugelbeispiel219 – jemand lässt sich im Rahmen eines Silvesterscherzes eine schwere Metallkugel auf den Fuß in dem Glauben fallen, es handele sich um eine leichte Holzkugel –, so liegt objektiv eine Zustimmung vor, die jedoch mit einem – in der Arztschen Terminologie: rechtsgutsbezogenen – Irrtum behaftet ist. Denn wenn der Zustimmende auf die konkrete Kugel zeigt und dem Eingreifenden sagt: „Es ist Silvester. Lass uns einen Scherz machen: Lass mir diese Kugel auf den Fuß fallen!“, dann kann eine Auslegung dieser Aussage zu keinem anderen Ergebnis kommen, als dass die Zustimmung – eigentlich ja sogar ein ausdrück216  Mitsch,

Rechtfertigung, S. 507 ff. Rechtfertigung, S. 509. Entsprechend stellt Mitsch dann auch die Forderung auf, dass „die ‚Rechtsgutsbezogenheit‘ aus der Willensmangeldoktrin verabschiedet werden“ sollte, Rechtfertigung, S. 516. 218  Göbel, Einwilligung, S. 86; Jakobs, AT, 7 / 117; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 146; Kußmann, Einwilligung, S. 69 f.; Rönnau, Willensmängel, S. 227, 410; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 199; ders., Jura 2002, 665, 671; Roxin, Noll-GS, S. 275, 283. 219  Das Beispiel wurde soweit ersichtlich von Schmidhäuser erstmals genannt, Studienbuch, 5 / 129 und Lehrbuch, 8 / 137. 217  Mitsch,

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liches Verlangen – vorliegt, diese bestimmte Kugel auf den Fuß fallen zu lassen. Dieser objektiv gegebenen Zustimmung liegt aber eine Fehlvorstellung über die Eigenschaft der Kugel zugrunde. Die Abweichung der vorgestellten von der tatsächlichen Eigenschaft des Eingriffsmittels führt zu einer Veränderung der Qualität und Intensität des Eingriffs selbst und damit auch zu einer Änderung der darauf beruhenden Folgen. Dennoch ist zuzugeben, dass es in einigen Fällen, an die wohl auch Arzt dachte, bereits objektiv an einer Zustimmung fehlen kann. Im Holzkugelbeispiel bereits dann, wenn der Zustimmende zum Eingreifenden sagt: „Wollen wir nicht einen Silvesterscherz machen: Lass mir doch eine Holzkugel auf den Fuß fallen!“ Dann ist es möglich den objektiven Zustimmungsgegenstand ausschließlich auf das Eingriffsmittel „Holzkugel“ zu beziehen, sodass, wenn der Eingreifende eine Metallkugel hervorzückt und diese fallen lässt, für diesen Eingriff objektiv schon gar keine Zustimmung vorliegt. Das gleiche gilt etwa auch dann, wenn sich zwei Personen infolge einer verbalen Auseinandersetzung entschließen ihren Disput in einem „ehrlichen Faustkampf“ zu klären: Die Zustimmung beider Parteien bezieht sich nur auf einen schlagenden Einsatz der Fäuste, sodass die Zustimmung es bereits objektiv nicht erfassen kann, wenn einer der beiden Beteiligten seine Faust plötzlich mit einem Schlagring bewaffnet.220 Es stellt sich keine Irrtums-, sondern nur eine Auslegungsfrage! Aber eine solche Auslegung muss stets alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen: Wenn etwa der Zustimmende, nachdem der Eingreifende die Metallkugel hervorgeholt hat, nochmal extra sagt: „Ja diese Kugel ist doch perfekt! Mach schon!“, dann müsste der Gegenstand der Zustimmung eben diese konkrete Kugel sein, sodass sich wieder das Irrtumsproblem stellt. Genauso im Faustkampf: Wenn einer der Beteiligten sich nicht plötzlich einen Schlagring, sondern Quarzhandschuhe überzieht und der andere darauf reagiert: „Na komm schon! Ich mach dich fertig!“, dann bezieht sich seine Zustimmung auch auf den Einsatz der behandschuhten Fäuste, wobei sich ein Irrtumsproblem dann stellt, wenn der andere nicht erkennt, dass es sich nicht um normale, sondern um schlagverstärkende Handschuhe handelt. Die Kritik an Arzt beschränkt sich aber nicht auf den Rechtsgutsbezug, sondern richtet sich auch auf das zugrunde liegende Rechtsgutsverständnis. Mit seinem statischen Verständnis erfasse Arzt nicht die „dynamische Bezie­ hung“221, in denen diese Güter zur Person stünden. Es wird eine Vernachlässigung der Interessen des Einwilligenden bemängelt.222 Wer für sein Rechts220  So auch Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 146: „Wer, aus welchem Grund auch immer, bereit ist einen Faustschlag zu ertragen, will nicht von einem Schlagring getroffen werden.“ 221  Otto, AT, § 8 Rn. 112.



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gut einen relativen Wert zu erkennen gebe, werde von Arzt so behandelt, als habe es überhaupt keinen Wert. Demgegenüber gewähre er dem Eingreifenden einen Schutz, den dieser nicht verdiene oder auch auf anderem Wege erlangt werden könne.223 Amelung greift in diesem Zusammenhang besonders die „Isolierung der Einwilligungsentscheidung vom Wertsystem des Einwilligenden“ an: Arzt blende die Ziele des Berechtigten aus, um derentwillen die Rechtsgutspreisgabe erfolge, und beurteile Zustimmungen so ohne den sinnstiftenden Wertzusammenhang.224 Trotz dieser Schwächen wird der Arztschen Lehre aber zumindest zugute gehalten, mit der Grundidee einer Einschränkung der „Willensmängel“-Relevanz und dem teilweisen Appell an die Selbstverantwortung des Opfers einen wichtigen Beitrag in der Diskussion geleistet zu haben.225 Neben der Rechtsgutsbezogenheit und dem Rechtsgutsverständnis, besteht noch eine innere Schwäche der Arztschen Lehre, lassen sich doch voluntative Defizite mit dem Kriterium der Rechtsgutsbezogenheit kaum lösen. Daran fehlt es bei der Drohung nämlich immer: Schließlich bedroht der Nötigende stets ein anderes als das vom Opfer preisgegebene Rechtsgut.226 Wenn Arzt hier auf den „wirklichen Willen“ rekurriert, so ist das nur das Eingeständnis, dass sein Lösungsmodell jedenfalls für voluntative Defizite keinen tauglichen Ansatz bietet. Dieser Gedanke steht hinter dem Hinweis von Brandts /  Schlehofer, dass man „die Dispositionsfreiheit in gewissem Umfang in die Rechtsgutsdefinition einbeziehen“ müsste, um im Nötigungsfall von einem rechtsgutsbezogenen Willensmangel sprechen zu können. Deshalb definieren sie als Rechtsgut das Interesse an der unversehrten Erhaltung des Angriffsobjekts und meinen damit, die Verfügungsfreiheit nur insoweit zum Tatbestand gezogen zu haben, „als es um die Disposition über die Integrität des Angriffsobjektes geht“. Das Interesse falle nur bei „autonomer Opferpreisgabe“ weg, weshalb man „die Qualität des Willensmangels, nicht die Art seines Zustandekommens entscheidend sein lassen“ müsse. Deswegen erachten sie als rechtsgutsbezogenen Willensmangel auch die „zwangserzeugende Täuschung“, etwa wenn sich jemand die Haare abrasieren lasse, weil er darüber getäuscht werde, Kopfläuse zu haben.227 222  Amelung, Willensmängel, S.  20 f.; ders., ZStW 1997, 490, 499 f.; Otto, AT, § 8 Rn. 112; Rönnau, Willensmängel, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 199; ders., Einwilligung, S.  282 ff.; ders., Jura 2002, 665, 671; Roxin, Noll-GS, S. 275, 279 f. 223  Amelung, Willensmängel, S.  23 f., 60 f.; ders., ZStW 1997, 490, 492, 501. 224  Amelung, ZStW 1997, 490, 500. 225  Amelung, Willensmängel, S. 25; ders., ZStW 1997, 490, 502 f. 226  So auch Amelung, Willensmängel, S. 22; ders., ZStW 1997, 490, 500. Daher zieht wohl Dach, Einwilligung, S. 91 die Konsequenz, dass sich die „Frage der Rechtsgutsbezogenheit […] bei der Drohung also nicht“ stelle. 227  Brandts / Schlehofer, JZ 987, 442, 446 f.

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Eine weitere Schwäche zeigt sich bei Drohungen in Dreieckskonstellationen: Nach Arzt soll der von einem Dritten bedrohte Einwilligende zwar einem rechtswidrigen Angriff des Eingreifenden ausgesetzt sein, aber zugleich als erforderliches Verteidigungsmittel nur der Widerruf seiner Einwilligung in Betracht kommen. Wie soll nun aber etwas widerrufen werden, dem die Wirksamkeit abgesprochen wird? Ein rechtswidriger Angriff auf den Einwilligenden kann nur angenommen werden, indem der Einwilligung die Wirksamkeit abgesprochen wird, anderenfalls würde sie den Angriff rechtfertigen, sodass dieser nicht rechtwidrig wäre. Wenn die Einwilligung aber schon unwirksam ist, dann kann der Einwilligende doch zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffs nicht verpflichtet sein, seine ohnehin schon unwirksame Einwilligung zu widerrufen. Der Widerruf einer unwirksamen Einwilligung müsste doch als ungeeignetes Mittel eingeordnet werden. Neben dieser Inkonsistenz im Detail ist vor allem eine Erkenntnis aus Arzts Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit mitzunehmen: Mit einem bestimmten Rechtsgutsverständnis – hier: statisch – wird eine umfassende und einfache Lösung für ein bestimmtes Problem der Strafrechtsdogmatik – hier: Relevanz von sog. Willensmängeln – versprochen. Einfach ist die Lösung jedoch nur, solange man sich an die Ausgangsthese zum statischen Rechtsgutsverständnis hält. Verlässt man hingegen diesen Ausgangspunkt, dann wird der Lösungsansatz überaus komplex. Wann bestünde denn ein rechtsgutsbezogener „Willensmangel“ nach einem personalisierten Rechtsgutsverständnis? Wenn das Selbstbestimmungsrecht im Rechtsgut enthalten ist, dann wäre jede täuschende Einwirkung rechtsgutsbezogen und die so verstandene Arztsche Lehre würde ihren Charakter von restriktiv zu uferlos wandeln. Ein bestimmtes Rechtsgutsverständnis führt also für die Behandlung sog. Willensmängel zu völlig verschiedenen Ergebnissen, obwohl der Schlüsselbegriff, nämlich der des Rechtsgutsbezugs, identisch ist. Auch für die Lösung der „Willensmängel“-Problematik ist damit das Rechtsgut mehr Schleier- als Schlüsselbegriff. 2. Der Verzicht auf den Rechtsgutsbegriff Die Arbeit hat damit anhand der Diskussionen zum Wirkgrund der Einwilligung und zur Behandlung sog. Willensmängel gezeigt, dass der Rechtsgutsbegriff in seiner dogmatischen Funktion keinen wissenschaftlichen Wert hat, da er Probleme nicht zu lösen, sondern sie zu verschärfen geeignet ist. Die Arbeit verzichtet deshalb auf die Verwendung des Rechtsgutsbegriffs. Auch auf alternative Begriffe wie Schutzgut228 oder Schutzzweck stellt sie nicht 228  So

etwa Weigend, LK-StGB, Einleitung Rn. 8.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht151

ab, da sie nur die Hülle der Begrifflichkeit, seine äußere Erscheinungsform wechseln, aber im Kern gleich bleiben, ohne das wirkliche Problem zu beheben: Die Begriffe können mit divergierenden Inhalten gefüllt werden, ohne dies offen zu legen, sondern gerade zu verdecken. Auch erscheint mit solchen Ausweichbegriffen die Umschreibung der Funktion des Strafrechts nicht nur stilistisch eine Zumutung, sondern angesichts der Zirkularität auch inhaltlich: Während es leicht über die Lippen geht davon zu sprechen, die Aufgabe des Strafrechts bestehe darin Rechtgüter zu schützen, fällt es schwer zu sagen, die Aufgabe bestehe darin Schutzgüter zu schützen. Eine Verdopplung der Zirkularität ist die Behauptung Zweck des Strafrechts ist es Schutzwecke zu schützen. Die inhaltliche Unklarheit des Rechtsgutsbegriffs wird damit nicht überwunden, sondern fällt dahinter zurück.229 3. Der Schutz der Rechte anderer gem. Art. 2 I GG als Aufgabe des Strafrechts Neben einer umfassenden Kritik am systemkritischen Rechtsgutskonzept, hat Hörnle in ihrer Arbeit auch einen Lösungsweg vorgeschlagen, dessen Charme vor allem darin besteht, eine Brücke zwischen einem historischen Ansatz aus dem 19. Jahrhundert und der modernen Verfassung des Grundgesetzes zu schlagen. Sie knüpft für ihre Lösung an die Lehre Feuerbachs an, stellt diese Lehre jedoch auf verfassungsrechtlichen Boden: Die Verletzung der Rechte anderer in Art. 2 I GG ist „als Schranke der Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die wesentliche materielle Vorgabe für das Strafrecht“.230 Dass diese Vorgabe in der Literatur nur eine untergeordnete Rolle spielt, erkennt auch Hörnle, sieht jedoch auch eine ­ überzeugende Erklärung hierfür im besonderen Betrachtungsstandpunkt: Die Vorschrift werde vor allem aus der Perspektive – insbesondere der des Bundesverfassungsgerichts – der Prüfung und Kontrolle von Verwaltungsmaßnahmen betrachtet. Nehme man jedoch die Perspektive des an die Grundrechte gebundenen Gesetzgebers ein, so ergebe sich, dass „beim Entwurf von Strafgesetzen die ‚Rechte anderer‘ von besonderer Bedeutung sind“.231 Der Vorzug dieses Ansatzes liegt darin, dass sich aus dem Begriff der „Rechte anderer“ bereits eine starke Akzentuierung der Person ergibt. Hierfür liefert Hörnle zufolge auch der Wortlaut des Grundgesetzes starke Indizien, denn danach soll „gerade dem Schutz individueller Rechte eine herausragende 229  Vgl. auch Weigend, ZStW 1986, 44, 50, der einem normativen Rechtsgutsverständnis Tautologie vorwirft: „Die Aufgabe des Strafrechts ist der Schutz dessen, was es schützt.“ 230  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 65. 231  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 65 f.

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Bedeutung zukommen“.232 Dass Hörnle einem personalen Rechtsgutsverständnis ihre Sympathie und vor allem ihre Einschätzung kundgibt, „eine beim Schutz menschlicher Interessen verankerte Herangehensweise“ dürfe weitgehend konsensfähig sein“, überrascht insofern nicht.233 Denn diese Ansicht sei in der Lage, „ihre Prämissen bruchlos aus der Verfassung zu übernehmen und diese in das Zentrum ihrer Überlegungen zu stellen“.234 Eine solche verfassungsrechtliche Verankerung eines personalen Rechtsgutsverständnis ist in der Strafrechtsliteratur bereits mehrmals unternommen worden;235 und deren Argumente überzeugen Hörnle: Die herausgehobene Stellung der Grundrechte in den Art. 1 bis 19 GG, insbesondere die Hervorhebung der Würde des Menschen in Art. 1 I GG als unantastbar und die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt sie zu achten und zu schützen, sowie die Unabänderlichkeitsbestimmung in Art. 79 III GG, legen eine Ausrichtung des Grundgesetzes als eine auf die einzelne Person ausgerichtete Verfassung nahe. Diese Ausrichtung werde auch unterstützt durch den historischen Kontext, in welchem die Verfassung entstanden sei, als bekanntlich bewusster Gegenentwurf zum menschenverachtenden Regime der Nationalsozialisten. Diese Ausrichtung des Grundgesetzes lege eines auf die Person ausgerichteten Strafrechtsverständnis näher als eines, welches die Gemeinschaftsbezogenheit, den Wert der Güter einer Person als Wert für sich bzw. die Gemeinschaft, in den Vordergrund stelle.236 Während damit der Rechtsgutsbegriff sowohl für ein personales als auch ein gemeinschaftsbezogenes Verständnis offen ist, und nur die Heranziehung der Verfassung eine Argumentationslinie eröffnet, die diese Beliebigkeit einschränkt, ermöglicht ein direktes Abstellen auf die Verfassung als Ausgangspunkt, dass überhaupt erst gar keine Beliebigkeit entsteht, sondern von vornherein die personale Grundausrichtung besteht. Und in sprachlicher Hinsicht weist Greco zutreffend daraufhin, dass der Wortbestandteil „Gut“ einen Gegenstand suggeriere, „der als positiv bewertet wird und der grundsätzlich auch ohne Bezug zu einem bestimmten Inhaber bestehen könnte“, die Werthaftigkeit der Gegenstände sei weitgehend unabhängig vom Indivi232  Hörnle,

Grob anstößiges Verhalten, S. 66. Grob anstößiges Verhalten, S. 68. 234  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 70. 235  Vgl. etwa: Hohmann, Umweltdelikte, S. 66 ff.; Stächelin, Strafgesetzgebung, S.  80 ff.; Marx, Rechtsgut, S. 24 ff.; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133, 137, 141; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 368 ff.; Rudolphi, Honig-FS, S. 151, 158. Die Vorwürfe Stuckenbergs, die Rechtsgutstheorie wäre verantwortlich für die „Verfassungsferne“ der Strafrechtslehre, die Strafrechtswissenschaft hätte sich nicht um eine Einbindung in die Verfassungsdogmatik gekümmert, erscheinen damit überzogen, GA 2011, 653, 654 f. 236  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 69. 233  Hörnle,



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duum; die Bezeichnung „subjektives Recht“ weise „dagegen unmittelbar auf ein berechtigtes Subjekt hin“.237 Der Nachteil des auf die subjektiven Rechte abstellenden Ansatzes liegt – scheinbar – darin, dass er – so Hörnle – „aus der Perspektive der deutschen Rechtsgutsdiskussion […] einen Schritt zurück“ bedeutet.238 Denn er schlägt eine Brücke zur Lehre Feuerbachs, seiner Idee von der Verletzung subjektiver Rechte,239 und damit zu eben j­ener Theorie, welche durch das Rechtsgutskonzept ersetzt wurde.240 Zumeist wird die Ablösung durch das Rechtsgutskonzept in optimistischer Weise überzeichnet, als die Hinwendung des Strafrechts zu einem „modernen Unrechtsverständ­ nis“241. Verständlich, dass eine Abwendung von dem, was modern sein und einem – mittlerweile stark angezweifelten242 – „liberalen Geist“ entsprechen soll, als Nachteil empfunden wird. Aber dieser Nachteil ist nur scheinbarer Natur: Denn die Kritik an der Lehre von den subjektiven Rechten fußt auf den vermeintlichen Vorteilen des Rechtsgutskonzepts, doch die Behauptung von dessen vermeintlicher Überlegenheit ist bis heute ihren Beweis schuldig geblieben. Insofern hat sich aber die Idee vom Rechtsgut selbst aufgelöst. Nach mancher Auffassung wäre der Rechtsgutslehre sogar die Verteidigung des freiheitlichen Raums des Individuums zu verdanken, „als dieser durch eine Überinterpretation des Verbrechens als Pflichtverletzung in den dreißiger Jahren beseitigt zu werden drohte“.243 Mit den dreißiger Jahren ist der Beginn der menschenverachtenden Terrorherrschaft der Nationalsozialis237  Greco,

Straftheorie, S. 335. Grob anstößiges Verhalten, S. 70 (Hervorhebung im Original, Anm. d.

238  Hörnle,

Verf.).

239  Feuerbach,

Lehrbuch, § 9, § 27. dazu Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 28  ff.; Sina, Dogmengeschichte, S. 19 ff., 41 ff. Einen Erklärungsansatz für die Ersetzung Feuerbachs Theorie durch das Rechtsgutskonzept gibt von Hirsch und widerspricht damit dessen so viel behaupteten liberalen Geist: Diesem Konzept sei es eigentlich um eine Ausdehnung dessen gegangen, was „harm to others“ bedeute und damit im Ergebnis um eine Ausdehnung der Strafbarkeit, Harm Principle, S. 13, 18. 241  Kientzy, Einwilligung, S. 5. 242  Vgl. dazu grundlegend Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 39 ff., 49.; ders. / Lorenz, Otto-FS, S. 527, 529. Dem sich anschließend Greco, Straftheorie, S. 321 ff., der zudem die Prämisse widerlegt, die Aufklärung hätte den liberal-individualistischen Geist aufgewiesen, der unterstellt wird, und daher eine „Revidierung des Mythus der liberalen Aufklärung“ einfordert, S. 332. Pawlik, Unrecht, S. 130 meint, „die Dinge geradezu auf den Kopf zu stellen“, schriebe man der Rechtsgutslehre Liberalität zu; es wohne dem Rechtsgutsdogma sogar eine Expansionslogik inne, S. 139. Stuckenberg, ZStW 2017, 349, 361 fragt sich, „wie ein Begriff unklaren Inhalts, eine bloße Hypostase, ‚liberal‘ sein kann“, das wäre „an sich ein logisches und rechtspolitisches Rätsel“. 243  Otto, JZ 1999, 668; dem sich anschließend Roxin, AT I, § 2 Rn. 8 m. Fn. 22. 240  Vgl.

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ten gemeint, das auch vor dem Strafrecht nicht Halt machte. Und wer nun von einer Rechtsverletzung spräche, der würde eigentlich eben jene Pflichtverletzung meinen, wie sie die Nationalsozialisten hervorhieben, denn beide stünden in „engem Zusammenhang“. Nur dass der Nachweis jenen behaupteten Zusammenhangs nicht aufgezeigt wird, noch weniger wie er die Be­ drohung der Freiheitssphäre des Individuums bewirken könnte.244 In der Tat dürfte es schwierig sein, den Nachweis zu erbringen, dass ein auf dem ­freiheitlichen Grundgedanken des Grundgesetzes beruhendes Konzept einen Rückfall in das menschenverachtende Zeitalter vor der Entstehung des Grundgesetzes bedeuten soll. Den behaupteten Zusammenhang zwischen Rechtsguts- und Pflichtverletzung stellen im Übrigen selbst die Vertreter einer Rechtsgutsverletzung für ihre eigene Konzeption ausdrücklich her. Exemplarisch dafür Jescheck / Weigend: „Das Verbrechen stellt sich darum als Rechtsguts- und Pflichtverletzung in einem dar.“245 Oder auch Wessels / Beulke /  Satzger: „Ihrem Wesen nach ist die Straftat Rechtsguts- und Pflichtver­ letzung.“246 Renzikowski, der für das Unrecht die Verletzung einer Rechtsbeziehung verlangt, warnt zugleich davor, dies mit einer Rückkehr zur Pflichtverletzungslehre misszuverstehen. Vielmehr seien Rechtsguts- und Pflichtverletzungslehre zu vereinigen. Unrecht sei daher die Verletzung einer durch ein rechtlich geschütztes Interesse begründeten Pflicht.247 Die individuelle Freiheitssphäre ist also ziemlich immun gegen Rechts- und Rechtsgutsverletzung; ihre Verteidigung oder Bedrohung erfolgt an anderer Stelle. Dass das Abstellen auf die Rechte anderer an sich nicht ausreichend ist, um die Probleme, die sich für die Rechtsgutsdogmatik stellen, von sich aus zu lösen, soll nicht verschwiegen werden. Die Fragen, welche Rechte der Staat mittels Strafrecht schützen darf, inwieweit bloße Moralitäten erfasst werden dürfen, welchen Schranken der Gesetzgeber unterworfen ist, bleiben mit diesem Ansatz genauso zu stellen und zu beantworten. Und interessanterweise treffen sich die Antworten auf die Frage nach dem Was? an einem gemeinsamen Punkt: Wenn Hörnle als vom Strafrecht zu schützende Rechte nur „gewichtige Interessen“248 bzw. „gewichtige Abwehrinteressen“249 anerkennen will, bewegt sie sich gar nicht weit entfernt von Schünemann, einem 244  Umgekehrt ließe sich sogar einwenden, die Rechtsgutslehre war tatsächlich auch nicht in der Lage, dem nationalsozialistischen Strafgesetzgeber etwas entgegenzusetzen; so Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 91 f.; ablehndend Kudlich, ZStW 2015, 635, 641 f. 245  Jescheck / Weigend, AT, S. 8 (Hervorhebung im Original, Anm. d. Verf.). 246  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 29 unter Berufung auf BGHSt 2, 364, 368. 247  Renzikowski, Täterbegriff, S. 64 m. Fn. 52. 248  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 74. 249  Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 78.



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vehementen Befürworter des Rechtsgutsdogmas, der „nur ein dringendes Interesse des gedeihlichen Zusammenlebens“250 schützen will. Diese Arbeit stellt damit bei den zu untersuchenden Delikten nicht die Frage nach dem geschützten Rechtsgut, sondern nach dem geschützten Recht. Es geht damit auch nicht um individualrechtsgüterschützende Tatbestände, sondern um die Rechte der einzelnen Person schützende Tatbestände. Ein solches Verständnis hat den Vorteil, dass es die Person selbst in den Mittelpunkt strafrechtlichen Schutzes rückt, also per se personenorientiert ist. Mit einem solchen Verständnis fällt es schwer, überhaupt die Frage zu formulieren, wie sie sich für die Entscheidung zwischen Kollisions- und Integrationsmodell stellt. Wenn es denkbar und begründbar ist, ein Rechtsgut mit dem Willen der Person kollidieren zu lassen, so erscheint es ausgeschlossen, ein subjektives Recht gegen seinen Inhaber in Stellung zu bringen. Der „Wille“ des Rechtsinhabers muss beachtet werden, wenn sein Recht nicht ad absurdum geführt werden soll. Nur sollte – und an dieser Stelle kommt die Arbeit nicht umhin einige klarstellende Vorbemerkungen anzustellen, die es im späteren Verlauf noch näher zu substantiieren gilt – nicht vom Willen gesprochen werden, sondern von der Ausübung eben jenen Rechts. Eine solche Ausübung eines Rechts kann grundsätzlich nicht zugleich dessen Verletzung sein, will sich das Recht nicht zu sich selbst in Widerspruch setzen. Aber andererseits ist es für die Verletzung des Rechts nicht notwendig, dass sich der Rechtsinhaber sich seines Rechts bewusst ist, dass er den Willen hat, von der Rechtsordnung geschützt und von seinen Rechtsgenossen respektiert zu werden. Würde es da­ rauf ankommen, würde das Bestehen des Rechts von fragilen Bewusstseinsund Emotionszuständen abhängen. Mit diesem Verständnis zum Schutze der Rechte anderer ist eine erste wichtige grundlegende Begrifflichkeit geklärt.

II. Wovor das Strafrecht schützt – Unrecht und Rechtsverletzung „Was wird durch deliktisches Handeln ‚verletzt‘, oder – umgekehrt – was wird durch die Strafrechtssätze geschützt?“ – so bringt Maiwald die auch für diese Arbeit interessierende Fragestellung auf den Punkt.251 Wenn die Aufgabe des Strafrechts im Schutz der Rechte anderer gesehen wird,252 dann stellt sich die Frage, wovor es schützt.253 Das kann nicht anders beantwortet 250  Schünemann,

Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133, 141 f. Zueignungsbegriff, S. 82. 252  Dass Verhaltensnormen subjektive Rechte schützen, davon geht auch Renzikowski, HRRS 2009, 347, 353 aus. 253  Ähnlich auch Horn, Gefährdungsdelikte, S. 70, der danach fragt „wogegen Rechtsgüter geschützt werden“. 251  Maiwald,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

werden als vor Verletzungen dieser Rechte – oder eben Rechtsgüter, womit es insoweit nicht entscheidend ist, ob das strafrechtliche Schutzobjekt als Recht oder Rechtsgut definiert wird. So hat auch schon Hassemer präzisiert, dass die Frage nach dem Rechtsgut eigentlich nach dem fragt, dessen Verletzung eine Handlung zum Verbrechen macht.254 Kann die Frage aber auch anders gestellt werden, ohne dass sich dabei die Antwort ändert? Was ist das strafrechtliche Unrecht? Die Rechts(guts-)Verletzung?! Eine solche Beschreibung des Unrechts als Rechtsgutsverletzung255 oder als „Verletzung rechtlich garantierter Freiheit“256 wird tatsächlich so in der Strafrechtsliteratur vorgenommen. Roxin erscheint das noch nicht einmal als wirkliche Frage-, sondern als bloße Feststellung, die für andere sogar „trivial und selbstverständlich“ erscheinen mag.257 Rechtsgüterschutz bezeichne nicht nur die Aufgabe des Strafrechts, sondern beherrsche auch die Systematik seiner Unrechtslehre.258 Eine solche Schlussfolgerung liegt nahe, denn mit dem Rechtsgutsbegriff ist gerade auch die Hoffnung auf die Konstruktion eines materiellen Verbrechensbegriffs verbunden.259 1. Das scheinbare Schutzparadoxon Zunächst ist klarstellend auf einen scheinbaren Widerspruch zwischen der Schutzaufgabe des Strafrechts und deren Durchführung einzugehen. Dieser Widerspruch kann als „Schutzparadoxon“ oder vielleicht etwas plastischer als „Brunnentheorie“ bezeichnet werden: Wenn das Strafrecht mittels Sank­ tionierung der Verletzungen von Rechten jene Rechte schützen will, dann kommt dieser Schutz schlicht und ergreifend zu spät: „das Kind ist in den Brunnen gefallen“260. Gerade jenes Ereignis, vor dessen Eintreten das Strafrecht schützen soll, die Verletzung von Rechten, ist schon erfolgt. Soll nun 254  Hassemer,

Verbrechen, S. 28. AT, S. 234; Paul, Einwilligung, S. 22 ff., 81; Schmidhäuser, Lackner-FS, S. 77, 78, 90; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 4 ff. Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 136 spricht in der Terminologie dieser Arbeit ebenso von einer Rechtsverletzung. 256  Murmann, AT, § 25 Rn. 116. 257  Roxin, ZStW 2004, 929, wobei er von einer Beeinträchtigung als Oberbegriff für Verletzung und Gefährdung des Rechtsguts spricht. Später ergänzt er, Unrecht sei die Rechtsgutsbeeinträchtigung durch Verwirklichung eines unerlaubten Risikos, ZStW 2004, 929, 931. 258  Roxin, ZStW 2004, 929, 944. 259  Kritisch gegenüber der Beschreibung des Verbrechens als Rechtsgutsverletzung: Pawlik, Unrecht, S. 127 ff. 260  So auch Freund, AT, § 1 Rn. 6: „Wenn Strafe verhängt wird, ist ‚das Kind bereits in den Brunnen gefallen‘. […] Für das konkret betroffene Rechtsgut kommt die Strafe immer zu spät.“ 255  Jescheck / Weigend,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht157

die Aufgabe des Strafrechts weiterhin als Schutz von Rechten oder Rechts­ gütern definiert werden, ohne von einer bloßen Leerformel auszugehen, so muss erkannt werden, dass dieser Schutz immer nur zukunftsorientiert gewährleistet werden kann.261 Vor in der Vergangenheit liegende Rechtsverletzungen, mit denen es das Strafrecht in seiner Anwendung ausschließlich zu tun hat, kann ersichtlich nicht mehr geschützt werden. Allerdings kann das Strafrecht durch die Sanktionierung entsprechender Verletzungen zum Ausdruck bringen, dass die Rechte anderer missachtende und verletzende Verhaltensweisen missbilligt werden, und so darauf hinwirken, dass diese in Zukunft unterbleiben. Um diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen wird in der Strafrechtsliteratur vorgeschlagen, die „Geltungskraft der übertretenen Verhaltensnorm“ als entweder einzig262 oder aber als zusätzlich263 geschütztes Rechtsgut zu betrachten. Strafe wird entsprechend als „Widerspruch gegenüber dem Verhaltensnormverstoß zur Beseitigung der Gefahr eines Normgeltungsschadens“ verstanden.264 Aus der Erkenntnis, dass für das konkret verletzte Recht der Schutz zu spät kommt, wird also maßgeblich nicht nur die Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorm hergeleitet, sondern auch ein weiterer Schutzgegenstand. Ob es wirklich erforderlich ist, einen dualen Schutzgegenstand zu konstruieren – Schutz der Verhaltensnorm und Schutz der Sanktionsnorm – oder sogar die Normgeltung für sich allein als ausschließlichen Schutzgegenstand aufzufassen, ist zweifelhaft, aber eine Entscheidung hierüber ist für den Fortgang der Arbeit nicht erforderlich. Es genügt den Hinweis zu geben, dass, insoweit vom Strafrechtsschutz die Rede ist, dieser Schutz nur mittelbar einsetzt: Die Verletzung von Rechten wird sanktioniert, um dadurch vor zukünftigen Rechtsverletzungen zu bewahren. Für das Verständnis der Arbeit ist dieser Verweis auf die zukunftsorientiert-mittelbare Schutzwirkung für die Rechte anderer gegenüber der Verletzung von Verhaltensnormen, d. h. von Ver- oder Geboten, hinreichend.265 Mittelbar ist dieser Schutz für die Rechte anderer insoweit, als dass es unmittelbar zunächst nur 261  Freund,

AT, § 1 Rn. 6; Sancinetti, Jakobs-FS, S. 583, 599 f. AT, 1 / 9 ff.; ders., Norm, Person, Gesellschaft, S. 103 ff.; ders., Staat­ liche Strafe, S. 28 ff. 263  Freund, AT, § 1 Rn. 9, 11a. 264  Freund, AT, § 1 Rn. 10, der entsprechend dann auch zwischen primärer (Verhaltensnorm) und sekundärer (Sanktionsnorm) Normenordnung differenziert, Rn. 12 . 265  Freund, AT, § 1 Rn. 9. Dass ders., AT, § 1 Rn. 12 annimmt, diese Ver- und Gebote gehören der „primären Normenordnung des rechtlich richtigen Verhaltens“ zu, die nicht von den Strafgesetzen geregelt wird, sondern dass Strafgesetze nur regeln, „auf welche Verhaltensnormverstöße unter welchen weiteren Voraussetzungen strafrechtlich reagiert werden soll“, erscheint als kriminalpolitische Konzession: Denn dadurch, dass die Verhaltensnormen der Regelungsgewalt des Strafgesetzgebers entzogen werden, können dessen Gesetze auch kritisch geprüft werden. 262  Jakobs,

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um die „Erhaltung der Geltungskraft von Verhaltensnormen geht“, aber jene Verhaltensnormen eben dem Schutz der Rechte anderer dienen.266 2. Die bisherige dualistische Unrechtskonstruktion der Literatur Das Schutzparadoxon hat sich also als nur scheinbares Problem herausgestellt, sodass sich die Arbeit nun mit dem Verständnis der Rechtsverletzung als Unrecht beschäftigt. Wenn damit der Begriff vom Unrecht in den Mittelpunkt der Untersuchung rückt, so ist auf eine gebräuchliche Differenzierung in der Strafrechtswissenschaft einzugehen: Die begriffliche und dogmatische Untergliederung des Unrechts in Handlungs- und Erfolgsunrecht.267 Erst das Vorliegen beider Komponenten begründet nach der heute herrschenden Lehre vom „personalen Unrecht“268 das Unrecht. Die Erfüllung des Tatbestands erfordert die Verbindung beider Elemente, beide stehen gleichrangig nebeneinander, beide sind voneinander abhängig.269 a) Der Streit um die Anerkennung des Unrechtsdualismus Diese dualistische Unrechtskomposition in Form von Erfolgs- und Handlungsunrecht ist jedoch nicht ganz unumstritten. So lehnt Walter das Begriffspaar schlechthin ab, es wäre „dogmatisch kaum ergiebig“.270 Nach einer anderen Ansicht sind nicht die Begriffe an sich abzulehnen, sondern deren Dualismus. Danach komme es nur auf das Handlungs-, aber nicht auf das Erfolgsunrecht an.271 In einer kurzen historischen Nachzeichnung272 der Dis266  Freund,

AT, § 2 Rn. 10. Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 73; Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 52 / 53; Freund, AT, § 2 Rn. 4; Heinrich, AT, Rn.  153 ff.; Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 56; Jescheck / Weigend, AT, S. 8, 51; Kühl, AT, § 3 Rn. 3 f., 6; Maurach / Zipf, AT, § 17 Rn. 1 ff.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 88; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 29. Inhaltlich gleichbedeutend ist das Begriffspaar Handlungs- und Sachverhaltsunrecht, vgl. dazu Jakobs, AT, 6 / 75 f. und Rudolphi, Maurach-FS, S. 51, 55. Ebenfalls ohne inhaltlichen Unterschied wird teilweise auch der Begriff Unwert für die Erfolgsund Handlungskomponente verwendet, vgl. etwa Jescheck / Weigend, AT, S.  239 f. 268  Zur dogmatisch-historischen Entwicklung dieser Lehre vgl. die Darstellung bei Roxin, AT I, § 10 Rn. 89 ff. 269  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 52 / 53, 60; Maurach / Zipf, AT, § 17 Rn. 1, 5 f.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 88. 270  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 19: Unrecht könnte als Prädikat streng genommen nur einem Verhalten verliehen werden, nicht aber einem „verhaltensgelösten“ Erfolg. Er übersieht dabei, dass niemand von einem verhaltensgelösten Erfolg ausgeht, sondern stets das Aufeinanderbezogensein beider Komponenten hervorgehoben wird. 271  Als deren namhafteste Vertreter gelten vor allem: Hirsch, Lüderssen-FS, S. 253; ders., ZStW 1982, 239 ff.; ders., Lampe-FS, S. 515 ff.; Horn, Gefährdungsde267  Eisele,



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kussion fällt erstaunlicherweise auf, dass noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts genau umgekehrt argumentiert wurde: Damals erachtete man allein die Erfolgsverursachung als ausreichend; eine eng mit der Theorie des kausalen Handlungsbegriffs verknüpfte Ansicht.273 Deren Ablösung durch die Lehre von der finalen Handlung zog dann die in der Nachbetrachtung logisch erscheinende Entdeckung der subjektiven Seite des Unrechts und die Begründung der personalen Unrechtslehre nach sich.274 In der Folge trat ein häufig anzutreffendes Phänomen der Strafrechtswissenschaft auf, nämlich einer Schwarzweißkategorisierung zu verfallen, in der sich alles auf die absolute Frage „entweder-oder“ zuspitzt. In einer Art extremen Gegenbewegung zur strikten Erfolgsverursachung wurde der Erfolg aus dem Unrechtsbegriff zu verbannen versucht,275 die sog. „streng-monistische Handlungslehre“ war geboren und beherrschte fortan die Unrechtsdiskussion. Freilich bestand von Anfang an kaum Aussicht darauf, dass sie jemals aus den Kinderschuhen herauswachsen würde. Die Skepsis gegenüber dieser Theorie beruht auf ihrer Konsequenz, ein revolutionär anmutender Umsturz des Strafgesetzbuches: die Einebnung von Versuch und Vollendung276 sowie die Einführung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ohne Erfolgseintritt277.278

likte, S.  78 ff.; Armin Kaufmann, Welzel-FS, S.  393 ff.; Lüderssen, ZStW 1973, 288, 291 ff.; Sancinetti, Unrechtsbegründung; Zielinski, Unrecht. Heute aktuell wieder vertreten von Freund, AT, § 2 Rn. 52 ff., 57 ff. Differenzierend zwischen Vollendung und Versuch: Rudolphi, Maurach-FS, S. 51, 70, 73. 272  Vgl. dazu auch die Darstellung bei Gallas, Bockelmann-FS, S. 155 f.; Roxin, ZStW 2004, 929, 937 f.; Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 18. 273  Armin Kaufmann, Welzel-FS, S. 393, 395. 274  Hirsch, ZStW 1982, 239, 243; Roxin, Offene Tatbestände, S. 183; Rudolphi, Maurach-FS, S. 51. 275  Von einer Verbannung wird tatsächlich in der Strafrechtswissenschaft gesprochen, vgl. nur Stratenwerth, Schaffstein-FS, S. 177. Lüderssen formuliert die Forderung dahingehend, dass „nicht die Streichung, sondern die Exmittierung aus dem Unrechtsbegriff“ die Parole wäre, Bockelmann-FS, S. 181, 186. 276  Armin Kaufmann, Welzel-FS, S. 393, 403; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 282. 277  Armin Kaufmann, Welzel-FS, S. 393, 410 f., 413; vgl. auch Welzel, Strafrecht, S. 136, der jedoch die Erfolgskomponente nicht aus dem Unrecht verbannen, sondern in das Handlungsunrecht integrieren will, dem sich anschließend Hirsch, ZStW 1982, 239, 248, 251. 278  Ob das Konzept wirklich revolutionäre Wirkung für die Strafrechtslehre hätte, kann durchaus bezweifelt werden. So weist Horn, Gefährdungsdelikte, S. 80 f. auf eine jeweils verschiedene Fragestellung hin: Die Frage des „ob“ der Bestrafung hänge von einem konkret eingetretenen Erfolg ab und das sei „nur dem Gesichtspunkt der Strafwürdigkeit von Bedeutung“, davon sei aber die Frage unabhängig, „weswegen“ die Bestrafung erfolge, und das sei eben nur die Handlung.

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Dagegen richtete sich die gesamte dogmatische Argumentationskraft und schon schnell befanden sich die Monisten auf verlorenem Posten. Und wenn sich ihre Lehre auch nicht durchsetzen konnte, so ist es ihr Verdienst, zwei Argumente in die Strafrechtsdiskussion eingeführt zu haben,279 denen damals wie teilweise auch heute zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird: Zum einen ist das rechtsstaatliche Strafrecht Tatstrafrecht, das nur Handlungen und weder böse Gesinnungen noch schlichte Erfolgsereignisse unter Strafe stellt.280 Zum anderen darf nicht allein auf den Eintritt des Erfolges abgestellt werden, denn dessen Eintritt oder Nicht-Eintritt kann eine Frage von Zufälligkeiten sein und gerade eine Zufallshaftung darf es im Strafrecht nicht geben.281 Die Warnung ist berechtigt, aber daraus die Konsequenz zu ziehen, der Erfolg spiele überhaupt keine Rolle, erscheint zu extrem. Der Eintritt eines Erfolges kann, aber muss nicht vom Zufall abhängen. Entscheidende Aufmerksamkeit verdient entsprechend die Fragestellung, wann der Täter für den Erfolg haften muss, wann er sich als sein Werk und nicht als Werk des Zufalls darstellt. Die Argumentation der Monisten dürfte damit ein entscheidender Impuls­ geber zur vertiefenden Herausarbeitung der Lehre von der objektiven Zurechenbarkeit gewesen sein, deren Zweck gerade darin besteht, den erforder­ lichen Zusammenhang zwischen der Vornahme einer Handlung und dem Eintritt eines Erfolgs zu konkretisieren.282 Die Erkenntnis von Zufallsabhängigkeiten führte folglich nicht zur Leugnung einer Erfolgsrelevanz, sondern zur Herausarbeitung des Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg. Hinzukommt die wenig überzeugende Alternative der subjektiv-monistischen Theorie: Mit dem Abstellen allein auf das Handlungsunrecht verlagern sie die Unrechtsbegründung nicht etwa auf die Tat, sondern nur auf den Willen des Täters. Das widerspricht aber gerade dem modernen Verständnis des Strafrechts als Tatstrafrecht. Die Straftat ist mehr als nur eine subjektive Intention, sie ist das Vollziehen der subjektiven Vorstellung in der objektiven zur Argumentation die Darstellung bei Roxin, ZStW 2004, 929, 938. Gefährdungsdelikte, S. 71; Armin Kaufmann, Welzel-FS, S. 393, 395 f.; Lüderssen, Bockelmann-FS, S. 181, 182. 281  Freund, AT, § 2 Rn. 53, 55; Hirsch, Lampe-FS, S. 515, 519; Krauß, ZStW 1964, 19, 62; Zielinski, Unrecht, S. 142, 153. Armin Kaufmann argumentiert leicht abgewandelt: Es sei nicht erfindlich, warum sich Handlungsunrecht erhöhen sollte, wenn das Opfer lange nach der Tat dem Tatplan entsprechend im Krankenhaus stirbt, Welzel-FS, S. 393, 403. Siehe auch Welzel, Strafrecht, S. 136. 282  Auf die Herausarbeitung dieses Zusammenhangs verweisen Gallas, Bockelmann-FS, S. 155, 163 und Hirsch, ZStW 1982, 239, 254. Die Relevanz der Lehre von der objektiven Zurechnung erkennt auch Roxin, ZStW 2004, 929, 938. Den Zusammenhang versucht er insbesondere dadurch herzustellen, dass er auf die Kategorien der Schaffung eines unerlaubten Risikos und des Schutzzwecks zurückgreift. Problematisch daran ist, dass die Lehre der objektiven Zurechnung für Erfolgsdelikte konzeptioniert wurde und nur dort Anwendung findet. 279  Vgl.

280  Horn,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht161

Lebenswelt. Diese Lehre verkürzt entsprechend den Gegenstand des Unrechts bzw. „der rechtlichen Missbilligung“283. b) Die inhaltliche Ausgestaltung von Handlungs- und Erfolgsunrecht Wenn also heute die Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens von Handlungs- und Erfolgsunrecht als anerkannt gilt, so hat sich die Strafrechtswissenschaft um eine inhaltliche Herausarbeitung beider Komponenten zwar bemüht, aber kaum eine Einigung über den Gehalt erzielen können.284 Im gleichen Maße wie über deren Erfordernis Klarheit herrscht, liegt deren Inhalt im begrifflichen Schleier verborgen.285 aa) Keine Dichotomie zwischen subjektiver und objektiver Komponente Ein sprachliches Kunstwerk ist es, aus den Begriffen Handlung und Erfolg eine Gegenüberstellung zwischen Subjektivem und Objektivem zu konstruieren. Vielleicht ist es historisch verständlich, dass mit der Entdeckung der Finalität der Handlung auch eine Subjektivierung des Begriffs an sich einherging. Den Begriff der Handlung jedoch mit Subjektivität gleichzusetzen und jegliche objektive Komponente hieraus zu verbannen und allein dem Begriff des Erfolgs zuzuschieben,286 dürfte eines der größten Missverständnisse in der Unrechtslehre sein. Ein Missverständnis, das dazu führte, das Handlungsunrecht allein als Frage der subjektiven Zurechnung, also als Vorsatzfrage, zu begreifen; im Gegensatz zum Erfolgsunrecht, welches allein eine Frage der objektiven Zurechnung sei.287 Eine solche Dichotomie verkennt nicht nur das Handlungsunrecht, sondern auch die Lehre von der objektiven Zurechnung. Diese erfordert einerseits die Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos, welches sich andererseits im konkreten Erfolg realisieren muss. Die 283  Hirsch, ZStW 1982, 239, 242. Allerdings differenziert Hirsch zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten – konstruiert dabei eine wenig überzeugende Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Unrecht – und kritisiert die Identität objektiven Unrechts, wie von der herrschenden Ansicht angenommen, ZStW 1982, 239, 256 und Lampe-FS, S. 515, 518 f., 523, 536. 284  Eisele meint, es bestünde zwar Streit, aber betroffen wären nur Einzelheiten, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 52 / 53. Roxin geht ebenfalls nur von Definitionsproblemen aus, AT, § 10 Rn. 101. 285  Eine wenig neue Erkenntnis, siehe etwa Hirsch, ZStW 1982, 239, 243. Auch Stratenwerth, Schaffstein-FS, S. 177, 178 spricht vom unabweisbaren Eindruck weitreichender Missverständnisse. 286  Bockelmann, AT, S.  53 ff.; Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 56 f.; Rudolphi, Maurach-FS, S. 51, 64 f. 287  Heinrich, AT, Rn.  154 f.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Schaffung jenes Risikos erfordert ersichtlich eine (Un-)Tätigkeit und kann logischerweise nicht ausgerechnet das Ereignis sein, welches sie erst hervorrufen soll. Damit muss auch das Handlungsunrecht eine Frage der objektiven Zurechnung sein. Dennoch versteht ein großer Teil der Lehre das Handlungsunrecht subjektiv oder wie sie es nennen: „personal“.288 Der Vorsatz sei deren „Kernstück“289, das personal verstandene Handlungsunrecht umfasse „alle diejenigen Faktoren, die die rechtsgutsverletzende Willensrichtung der tatbestandsmäßigen Handlung betreffen“290. Es handele sich beim personalen Handlungsunrecht um die „Eigenart der den jeweiligen Tatbeständen zugrundeliegenden Verhaltensnormen“, deren Zweck es ist, „den Einzelnen zu einem im Hinblick auf das durch die Norm geschützte Rechtsgut ‚inhaltlich richtigen Wollen‘ zu bestimmen“.291 Rudolphi spricht beim Handlungsunrecht von einem „Unwert des Strebens“ und meint damit – wie er selbst zugibt – einen „Intentionsunwert“.292 Wer das Handlungsunrecht rein subjektiv bestimmt, für den ergibt sich allein aus dieser Unrechtskomponente die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit.293 Und mehr noch: Einzelne Äußerungen legen die Vermutung nahe, dass der Handlungsunwert allein die Rechtswidrigkeit begründet,294 der Erfolgsunwert ändere nichts daran. Einem solchen Verständnis wurde bereits früh und entschieden widersprochen: Gallas verstand das Handlungsunrecht – nach seiner Auffassung „Kern des Unrechts“ – als den „Inbegriff objektiver und subjektiver Merkmale“ und erteilte einer allein subjektiven Bestimmung eine scharfe Ablehnung.295 Und auf eine subjektive und objektive Aspekte einschließende Definition greift die Mehrzahl der Autoren zurück: Hirsch spricht von einer „Symbiose von subjektiver und objektiver Seite“296, Jakobs beschreibt die Handlung als „Gestalt aus objektiven und subjektiven Momenten“, Kühl sieht das Handlungsunrecht zum einen durch die äußerliche Art und Weise der Erfolgsherbeiführung bestimmt, zum anderen aber auch durch subjektive Elemente 288  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 54; Jescheck / Weigend, AT, S.  241 f.; Wessels /  Beulke / Satzger, AT, Rn. 199. 289  Jescheck / Weigend, AT, S. 242. 290  Jescheck / Weigend, AT, S. 244. Allerdings werden zuvor auch die „äußeren Modalitäten des Verhaltens“ in den Handlungsunwert miteinbezogen, S. 240. 291  Eisele meint insofern konsequent, dass für Vorsatzdelikte allein der „objektiv ins Werk gesetzte ‚Intentionsunwert‘ […] Handlungsunrecht begründet“, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 56. 292  Rudolphi, Maurach-FS, S. 51, 64 f. 293  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 54 f. 294  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 54, 58, denn nach seiner Ansicht ändert der Erfolgsunwert nichts an der durch den Handlungsunwert begründeten Rechtswidrigkeit. 295  Gallas, Bockelmann-FS, S. 155, 160 f., 165 f. 296  Hirsch, ZStW 1982, 239, 250.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht163

mitkonstituiert, nämlich den Vorsatz und sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale.297 Statt von Erfolgsherbeiführung sprechen andere Stimmen von der Art und Weise des Handlungsvollzugs298 oder schlicht von der das Angriffsobjekt gefährdenden Handlung299. Roxin umschreibt das Handlungsunrecht als die „Täterhandlung mit ihrer Finalität, ihren sonstigen Eigenschaften und subjektiven Tendenzen sowie die oft von der Strafvorschrift geforderten weiteren Absichten“.300 An anderer Stelle sieht er sogar den „Erfolg vom Handlungsunwert als einer subjektiv-objektiven Sinneinheit umfasst an“, sodass neben Vorsatz und subjektiven Tatbestandsmerkmalen, auch die „Art und Weise der Begehung […] und die objektiv-täterschaftlichen Merkmale dazu gehören“.301 Das Problem, ob solche objektiven Merkmale nun dem Handlungs- und Erfolgsunrecht oder sogar einer dritten Kategorie zuzuordnen sind, wertet er als reine „Definitionsfrage“.302 Das spielt die Problematik jedoch herunter. Wenn zwei Begriffe gegenüber gestellt werden, sei es etwa Einwilligung und Einverständnis oder wie hier Handlungs- und Erfolgsunrecht, dann impliziert eine solche Dichotomie eine Unterscheidbarkeit und Verschiedenheit. Wie sollte es beliebig sein, wie diese Begriffe zu verstehen sind? Ja, wenn es beliebig wäre, warum sollte überhaupt unterschieden werden? bb) Keine Gleichsetzung von Erfolgsunrecht und Rechtsverletzung Und in der Tat muss der Sinn und Zweck einer von der herrschenden Lehre so einmütig vertretenen „dualistischen Unrechtskonzeption“303 hinterfragt werden, wenn die inhaltliche Ausgestaltung des Erfolgsunrechts betrachtet wird. „Während über die Frage, was der richtige Begriff der Handlung ist, ganze Bibliotheken geschrieben worden sind […], findet sich in den allgemeinen Lehren des Strafrechts kaum ein Wort darüber, was ein strafrechtlich relevanter Erfolg eigentlich ist.“ So die Einschätzung Puppes zur Frage des tatbestandsmäßigen Erfolgs als Gegenstand der Zurechnung.304 Antwort auf die Frage zu geben, „was das strafrechtlich relevante äußere 297  Kühl,

AT, § 3 Rn. 4 f. Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 48; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 29. So auch Heinrich, der dann aber dennoch nur von einer Frage der subjektiven Zurechenbarkeit ausgeht, AT, Rn. 155. 299  Jescheck / Weigend, AT, S. 8. Vgl. auch Roxin, ZStW 2004, 929, 930, der auf die Schaffung eines unerlaubten Risikos abstellt. 300  Roxin, AT I, § 10 Rn. 88. 301  Roxin, AT I, § 10 Rn. 101. 302  Roxin, AT I, § 10 Rn. 101. 303  Kühl, AT, § 3 Rn. 7. 304  Puppe, AT, § 1 Rn. 10. 298  Eisele,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Unrecht ist“, dazu sind „nicht die Natur, nicht das Leben und auch nicht die Umgangssprache“ berufen, „sondern allein der Gesetzgeber“. Deswegen ist der Erfolg „die i. S. des jeweils geschützten Rechtsguts (Interesse) nachteilige Veränderung an einem Rechtsgutsobjekt“.305 Die Kritik an der Lehre ist vollmundig, aber eine Verbesserung bietet Puppe nicht, bewegt sie sich doch auf Linie der von ihr kritisierten Lehre. So sieht Kühl ebenso im Erfolgsunrecht die Rechtsgutsverletzung und im Erfolg den „Schaden, den der verletzte Rechtsgutsträger erleidet“.306 Und so versteht allgemein die Strafrechtslehre einmütig das Erfolgsunrecht als die Verletzung oder Gefährdung des „jeweiligen Schutzobjekts“307 bzw. des „strafrechtlich geschützten Rechtsguts“308. Etwas allgemeiner spricht nur Roxin von der „Herbeiführung eines rechtlich missbilligten Zustands“309, meint damit jedoch im Ergebnis ebenso die Rechtsgutsverletzung.310 Ähnlich geht auch Hirsch von einem „Zustandsunrecht“ aus, bei dem es um den „Widerspruch, in dem der Zustand einer objektiven Rechtsgutsverletzung zur Rechtsordnung steht“, geht.311 Auf den Begriff der Rechtsgutsverletzung verzichtet hingegen Eisele: Stattdessen stelle sich der Erfolgsunwert als ein „durch die Handlung verwirklichte[r] äußere[r] Sachverhalt […] als ein unterschiedlich wertwidriges ‚Nicht-seinsollen‘ dar“.312 (1) Problem: Identität zwischen Erfolgs- und „Gesamt“-Unrecht Das Problem an diesen Definitionen des Erfolgsunrechts ist nun aber das folgende: Die Rechtsgutsverletzung wäre danach sowohl ein Teil des Ganzen – nämlich das Erfolgsunrecht – als auch das Ganze selbst – nämlich das Unrecht. Das ist jedoch ein logischer Widerspruch: Das Ganze ist die Summe seiner Teile, ein Teil kann aber für sich allein nicht das Ganze sein, weil das Ganze dann nicht mehr die Summe seiner Teile, sondern der Teil allein wäre. Wenn die Rechtsgutsverletzung das Erfolgsunrecht wäre, dann dürfte das 305  Puppe,

AT, § 1 Rn. 12. AT, § 3 Rn. 3. 307  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 29. Ähnlich sprechen Jescheck / Weigend, AT, S. 240 vom Handlungsobjekt. 308  Heinrich, AT, Rn. 154; Maurach / Zipf, AT, § 17 Rn. 25; Rudolphi, Maurach-FS, S. 51, 53; Welzel, Strafrecht, S. 62. So auch Paul, Einwilligung, S. 18, 22, allerdings ohne Auseinandersetzung, sondern nur unter Berufung auf ältere Literaturmeinungen. 309  Roxin, AT I, § 10 Rn. 88. 310  Denn den Begriff der Rechtsgutsverletzung verwendet Roxin ausschließlich in der Auseinandersetzung mit der streng-monistischen Handlungslehre, AT, § 10 Rn. 95, 98. 311  Hirsch, ZStW 1982, 239, 253. 312  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 57. 306  Kühl,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht165

Unrecht als Ganzes nicht als Rechtsgutsverletzung beschrieben werden. Anderenfalls würde sich das Unrecht im Erfolgsunrecht erschöpfen und es bedürfte keines Handlungsunrechts. Das würde den Rückfall in die Theorie der reinen Erfolgsverursachung bedeuten. Diese wird aber heute nicht mehr vertreten oder angestrebt.313 Deshalb müsste die herrschende Ansicht, die einerseits mit dem Begriff der Rechtsgutsverletzung arbeitet, andererseits einen dualistischen Unrechtsbegriff konstruiert, entweder das Unrecht oder das Erfolgsunrecht anders beschreiben als mit Rechtsgutsverletzung. Dieses Paradoxon, dass ein eigentlicher Teil des Ganzen das Ganze selbst wäre, wird bislang nicht erkennbar besprochen, aber vielleicht unbewusst erkannt, denn daraus lässt sich der bereits angesprochene Hinweis verstehen, die Straftat bzw. das Verbrechen wäre „Rechtsguts- und Pflichtverletzung“.314 Würde man diese Ergänzung nicht vornehmen, so bestünde das Paradoxon, dass die Rechtsgutsverletzung sowohl „Gesamt“-Unrecht als auch Erfolgsunrecht wäre. Wenn also von einer Pflichtverletzung neben der Rechtsgutsverletzung die Rede ist, dann bedeutet das nicht den befürchteten historischen Rückfall in ein dunkles Zeitalter, sondern unbewusste Intention scheint es zu sein, am dualistischen Unrechtsbegriff festzuhalten und den Aspekt hervorzuheben, dass Unrecht auch ein ge- oder verbotswidriges Verhalten benötigt.315 Wenn die Arbeit auch Verständnis für diese Lösung entgegenbringt, so kommt sie nicht umhin sie als das zu charakterisieren, was sie in Wahrheit ist: Eine Verlegenheitslösung, die das Resultat eines unzureichenden Begriffs vom Erfolgsunrecht ist. Die Verlegenheit dieser „Lösung“ wird offenkundig, weil doch eigentlich die Pflichtverletzung als ein verbotswidriges Verhalten dem Handlungsunrecht zuzuordnen wäre. Wenn aber die Pflichtverletzung dem Handlungsunrecht zuzuordnen ist, dann hilft die Verlegenheitslösung nicht weiter: Dann würde mit der Aussage, Unrecht sei Rechtsguts- und Pflichtverletzung, nichts anderes besagt werden, als dass Unrecht aus Erfolgs- und Handlungsunrecht bestehe, was aber nichts anderes als einen Rekurs auf die dualistische Unrechtskonstruktion darstellt. Die bloße Benennung von Bestandteilen eines Begriffs kann aber nicht als Definition jenen Begriffs herhalten.

313  Hirsch hält die Unrichtigkeit für so evident, dass man sich „rückblickend wundert […], wie eine solche Auffassung sich überhaupt so lange halten konnte“, LampeFS, S. 515, 517. 314  BGHSt 2, 364, 368; Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 8; Geppert, ZStW 1971, 947, 974; Jescheck, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 13 Rn. 9 ff.; ders. / Weigend, AT, S. 8; Spendel, Weber-FS, S. 3, 6 ff.; Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 15; Wessels / Beulke /  Satzger, AT, Rn. 29. Otto erhebt die Pflichtverletzung sogar „zum entscheidenden Kriterium“, ZStW 1975, 539, 558. 315  Spendel, Weber-FS, S. 3, 6; Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 15.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

(2) Problem: Gleichsetzung von Erfolg und Erfolgsunrecht Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem vorschnellen Verständnis bezüglich einer Rechtsgutsverletzung, welches auf eine Gleichstellung von Erfolg, Erfolgsunrecht und eben jener Rechtsgutsverletzung hinausläuft. Zwei Umschreibungen dazu aus der Literatur: Das Erfolgsunrecht ist „insbesondere durch den durch die Tat verursachten Erfolg gekennzeichnet (d. h. durch die Verletzung oder Gefährdung des jeweiligen Rechtsguts)“.316 Die „natürliche Erscheinungsform einer Rechtsgutsverletzung in der realen Welt ist der Schädigungserfolg, der an einem Objekt (Person, Sache) eingetreten ist“.317 Diese Gleichstellung führt aber zu einem logischen Widerspruch in Bezug auf die anerkannte Strafrechtsaufgabe: Wenn das Strafrecht vor Rechtsgutsverletzungen schützen will, dann muss eine solche Verletzung oder zumindest Gefährdung jedem Delikt zugrunde liegen, unabhängig von der jeweiligen Deliktsart. Wenn der Erfolg im Zusammenhang mit der Unrechtsumschreibung als Rechtsgutsverletzung definiert wird, dann muss für die Beschreibung von Erfolgsdelikten ein anderer, nämlich engerer Erfolgsbegriff verwendet werden.318 Nach herkömmlicher Umschreibung wird bei diesen Delikten der Eintritt eines von der Tathandlung gedanklich abgrenzbaren Erfolges in der Außenwelt vorausgesetzt.319 Davon sind sog. schlichte Tätigkeitsdelikte abzugrenzen, „bei denen die Tatbestandserfüllung mit dem letzten Handlungsakt zusammenfällt, ein davon abtrennbarer Erfolg also nicht eintritt“320, bei denen der „Tatbestand allein durch die Handlung als solche erfüllt wird, ein konkreter Erfolg also nicht erforderlich ist“321, das „Tätigwerden als solches genügt“322. Wenn einerseits jede Straftat eine Rechtsgutsverletzung voraussetzt und andererseits das Erfolgsunrecht diese Rechtsgutsverletzung sein soll, dann darf als Erfolgsunrechtsbegriff nicht derjenige aus 316  Heinrich,

AT, Rn. 154. Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 47. 318  Eine Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten lehnt hingegen Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 63 ab, denn es „folgen alle Delikte dem Muster Handlung – Kausalverlauf – Vollendung (Erfolg)“. Vielmehr bevorzugt er allein die Unterscheidung zwischen Verletzungs- und Gefährdungsdelikt, denn hierbei steht die Auswirkung der Handlung auf das Angriffsobjekt in Frage, wohingegen die Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikt für die Ereignisstruktur unabhängig vom jeweiligen Objekt ist, Rn. 66. 319  Eisele, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 2 Rn. 73, § 6 Rn. 47; Heinrich, AT, Rn. 158; Jescheck / Weigend, AT, S. 260; Rengier, AT, § 10 Rn. 3; Rönnau, JuS 2010, 961; Roxin, AT I, § 10 Rn. 102; Weigend, LK-StGB, Einleitung, Rn. 9; Wessels /  Beulke / Satzger, AT, Rn. 37. 320  Roxin, AT I, § 10 Rn. 103; ähnlich Jescheck / Weigend, AT, S. 263. 321  Heinrich, AT, Rn. 159. 322  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 39. 317  Eisele,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht167

der Abgrenzung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten verwendet werden. Denn die Tätigkeitsdelikte erfordern schließlich keinen Erfolg, sodass es bei diesen am Erfolgsunrecht und damit an einer Rechtsgutsverletzung fehlen würde. Ein Ergebnis, welches im Widerspruch zur so einmütig vertretenen Ansicht zur Aufgabe des Strafrechts stünde. Dieses Problem für den Begriff des Erfolgsunrecht ergibt sich allein aus der von der herrschenden Meinung vorgenommen Einteilung der Delikte in Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte. Somit wäre das Problem schon dann gelöst, würde auf eine solche Einteilung verzichtet werden.323 Und in der Tat wird das vereinzelt vorgeschlagen. So hält sie Walter für unzutreffend und „durchweg schädlich“. Tatsächlich folgten „alle Delikte dem Muster Handlung – Kausalverlauf – Vollendung (Erfolg)“. Unterschiede ergäben sich nur aus der verschiedenen Länge der Kausalkette.324 Die Arbeit stimmt mit der Einschätzung der fehlgehenden Einteilung in Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte überein: Sie hilft der Strafrechtsdogmatik nicht nur nicht weiter, sondern führt zu Missverständnissen, wie sie für den Unrechtsbegriff offenkundig werden. In der Tat haben alle Delikte einen Erfolg, das Ereignis, welches die Vornahme der Tathandlung bewirkt.325 Der Unterschied zwischen den Delikten besteht – wie Walter zutreffend erkennt – lediglich in der „Ereignisstruktur“326. Die Arbeit schlägt zur Beschreibung dieser verschiedenen Ereignisstruktur die Unterscheidung zwischen „monosukzessiven“ und „multisukzessiven“ Delikten vor. Beispielsweise erfordert der Tatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB lediglich ein Ereignis: Die körperliche Anwesenheit infolge des Betretens. Als weiteres Ereignis käme eine Störung des Hausfriedens in Betracht, die das Gesetz aber nicht verlangt. Ebenso verlangt der Diebstahl nur das Ereignis des Gewahrsamsübergangs; ein weiteres Ereignis wie etwa die Sicherung des Gewahrsams ist für § 242 StGB nicht relevant, kann es aber für Teilnehmer an der Tat oder andere Delikte wie § 252 StGB werden. Der Betrug nach § 263 StGB hingegen ist als Beispiel für ein multisukzes­ sives Delikt mit mehreren tatbestandlich vorgesehenen Ereignissen prädes­ tiniert: Einwirkung auf das Vorstellungbild eines anderen, Irrtum und Ver­ mögensverfügung des anderen sowie Vermögensschaden. Bei der Körper­ verletzung nach § 223 StGB kommt es hingegen darauf an: Es kann eine multisukzessive Ereignisstruktur bestehen – der Schlag ins Gesicht als das 323  Eine andere Lösung ergibt sich daraus, den Erfolg i. e. S. auf das reale Handlungsobjekt zu beziehen und das Erfolgsunrecht auf das ideale Rechtsgut; so etwa Jescheck / Weigend, AT, S. 260. 324  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 63; ders., Kern des Strafrechts, S. 16. 325  Nach Ansicht von Walter ist der Erfolg die Vollendung eines Delikts, Kern des Strafrechts, S. 19, 21. 326  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 66; ders., Kern des Strafrechts, S. 21.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Wohlbefinden beeinträchtigende Behandlung und das Entstehen einer Beule als Gesundheitsschädigung –, muss es aber nicht – der Schlag ins Gesicht führt nur zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens. Der Totschlag nach § 212 StGB erfordert zwangsweise zunächst als dem Tod vorgeschalteten Ereignis die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, ist also multi­ sukzessiv. Wenn auch die Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte als dogmatischer Irrweg zu bezeichnen ist, so darf das nicht dahingehend missverstanden werden, dass auch die Unterscheidung zwischen Verletzungs- und Gefährdungsdelikten abzulehnen wäre. Beides hängt nicht miteinander zusammen, weil die zugrunde liegenden Fragestellungen verschieden sind: Die Einteilung nach Gefährdungs- und Verletzungsdelikten fragt nach der qualitativen Auswirkung der Handlung auf das Angriffsobjekt.327 Bei der Körperverletzung ergibt sich der Charakter als Verletzungsdelikt schon aus der Deliktsbeschreibung. Beim Totschlag ist die Verletzung des Angriffsobjekts Mensch so gravierend, dass es vernichtet wird. Bei der Sachbeschädigung kann es sowohl zu einer bloßen Beschädigung als auch Vernichtung kommen; jedenfalls ist eine Verletzung erforderlich. Betrug und Erpressung verlangen ebenfalls eine Schädigung, dort des Vermögens. Beim Diebstahl hingegen bedarf es keiner Verletzung des Angriffsobjekts Sache; der bloße Entzug der Zugriffsmöglichkeit genügt; ja im Gegenteil kann eine von vornherein beabsichtigte Vernichtung der Sache den Tatbestand gerade ausschließen. Es zeigt sich also, dass eine Einteilung von Verletzungs- und Gefährdungsdelikten möglich ist, ohne dass es einer Einteilung in Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte bedarf, diese sogar vielmehr einer sauberen Unterscheidung im Wege steht. Dennoch hält die herrschende Meinung an der auf Irrwege führenden Einteilung in Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten fest; und diese Arbeit muss, will sie ihre Ansätze kompatibel und verständlich beschreiben, das herausgearbeitete Spannungsfeld zwischen Erfolg, Erfolgsunrecht, Rechtsgutsverletzung, Verletzungs- und Erfolgsdelikte auf anderem Wege lösen. Einige Autoren sehen die Lösung darin einfach nur klarzustellen, dass der Erfolgsbegriff für das Unrecht und der Erfolgsbegriff für die Erfolgsdelikte jeweils verschieden ist. Stratenwerth hat bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass die rein subjektive Unrechtslehre „den von der tatbestandsmäßigen Handlung abtrennbaren äußeren Erfolg (im Sinne der Gegenüberstellung von Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte) mit dem Erfolg im Sinne der Unrechtslehre“ verwechselt.328 327  Walter,

LK-StGB, Vor § 13 Rn. 66. Schaffstein-FS, S. 177, 192 f. Welche Bedeutung er aber dem Erfolg im Sinne der Unrechtslehre beimisst, ist ebenso wenig überzeugend: Der Erfolg stellt nicht nur lediglich das „objektive Gegenstück zum Handlungsunwert“ dar. 328  Stratenwerth,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht169

Wie sehr sich die Unrechtslehre in ihren eigenen Begriffen verworren hat, zeigt die Rezeption, die Stratenwerth bei Lüderssen329 erfahren hat. Der wirft ihm seinerseits Verwechslung vor: „Es gibt überhaupt keinen Tatbestand ohne Erfolgsmoment. Beim Tätigkeitsdelikt ist der äußerliche Vorgang des Tätigwerdens der Erfolg, beim Erfolgsdeliktein bestimmtes, über die bloße Tätigkeit hinausgehendes Ereignis […]. Das ist eine durchgehende Linie strukturell gleicher, nur in der Erscheinungsform wechselnder Erfolge.“ Nicht nur die Erfolge befinden sich auf einer Linie, sondern auch die Autoren. In Wahrheit erkennen beide zutreffend, dass der Erfolg beim Unrechtsbegriff ein verschiedener sein muss. Der Streit beider Autoren entpuppt sich als Scheinriese. Roxin mahnt, die in Rede stehende Unterscheidung zwischen Erfolgs – und Tätigkeitsdelikte auch nur dort zu gebrauchen – also nicht zwischen Erfolgs- und Handlungsunrecht. Er warnt zudem vor Missverständnissen: Zum einen habe jedes Delikt einen Erfolg, der bei schlichten Tätigkeitsdelikten in der Handlung selbst liege.330 Zum anderen umfasse die Tatbestandshandlung selbst bei Erfolgsdelikten noch den „Erfolg im Sinne der Zurechnungslehre“. Die Abtrennung des Erfolgs habe nur relative Bedeutung. Schließlich ließen sich auch nicht alle Tatbestände eindeutig zuordnen. Während etwa die Körperverletzung bei einer Ohrfeige ein schlichtes Tätigkeitsdelikt sei, werde sie bei einem Steinwurf zu einem Erfolgsdelikt.331 Dass Tätigkeitsdelikte auch einen Erfolg im Sinne von Erfolgsunrecht haben, wird oftmals betont,332 aber oftmals eben auch nicht,333 und manchmal wird sogar ausdrücklich der Hinweis gegeben, dass das Erfolgsunrecht „im Wesentlichen […] nur bei den Erfolgsdelikten eine Rolle“334 spielen würde. Wie schwierig der Begriff selbst für diejenigen in den Griff zu bekommen ist, die das Problem eigentlich erkannt haben, zeigt Jakobs, der eine strafrechtseigene Rosinentheorie aufstellt: Erfolge sind als Bestandteil von Handlung und Unrecht so notwendig wie Rosinen, die „Bestandteil eines Kuchens 329  Lüderssen,

Bockelmann-FS, S. 181, 188. auch Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 19, nach dem jedes Delikt eine Verhaltensweise und einen durch dieses Verhalten hervorgerufenen Erfolg aufweist. 331  Roxin, AT I, § 10 Rn. 104. 332  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 57; Maurach / Zipf, AT, § 17 Rn. 26; Roxin, AT I, § 10 Rn. 88, 104. Nicht eindeutig hingegen Jakobs, AT, 6 / 75 f., 78, der vom Erfolg im Sinne einer Körperaktion ausgeht und davon einen darüber hinausgehenden, vom Handlungsvollzug bedingten Erfolg unterscheidet, aber das Erfolgsunrecht nicht als notwendigen Bestandteil auffasst, also für den Unrechtsbegriff nicht im Erfolgsbegriff differenziert. 333  Jescheck, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 13 Rn. 44; ders. / Weigend, AT, S.  50 f., 240, 263, 274; Kühl, AT, § 3 Rn. 7 f.; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn.  29 f. 334  Heinrich, AT, Rn. 154. 330  Vgl.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

sein können, ohne daß jeder Kuchen Rosinen enthalten müßte“.335 Natürlich spricht Jakobs nur beispielhaft, aber das Beispiel hinkt: In seinem Vergleich steht der Kuchen für das Unrecht und die Rosinen für den Erfolg, doch mit jenen Rosinen wählt Jakobs eine Zutat, zu der eine klare und unmissverständliche Vorstellung besteht, unter einer Rosine versteht jeder das Gleiche. Und deswegen passt Jakobs’ Beispiel nicht für die Illustrierung des Problems: Denn es versteht gerade nicht jeder das Gleiche unter Erfolg. Wenn also das Problem anhand eines Beispiels wirklich verdeutlicht werden soll, dann sollte nicht vom Kuchen allgemein gesprochen werden, sondern besser vom Pfannkuchen: Berliner verstehen darunter ein Gebäck, das Schwaben Berliner nennen, wohingegen der Pfannkuchen für Schwaben ein Palatschinken ist, was wiederum Berliner als Eierplins bezeichnen. Der Kontext entscheidet über die Bedeutung des Begriffs; ohne Kontext kann der Begriff nicht verstanden werden; ohne Angabe von Kontext lädt der Begriff zu Missverständnissen ein. Das gilt im gleichen Maße für Pfannkuchen und Erfolg. 3. Die doppelt-dualistische Unrechtskonstruktion Es bieten sich zur Vermeidung von Missverständnissen solcher Art verschiedene Lösungsstrategien an: Erstens: Eine Klarstellung wie bei Roxin, in der Hoffnung sie würde Anklang und Verbreitung finden. Zweitens: Die Ablehnung einer dualistischen Unrechts- und Deliktstruktur wie bei Walter. Drittens: Eine inhaltlich genauere Ausarbeitung der Unrechtsstruktur. Eine Klarstellung hat diese Arbeit allein schon dadurch erreicht, dass sie den Unrechtsbegriff überhaupt unter Aufzeigung seiner Schwachstellen darstellt. Es bleibt aber die Frage offen, ob aufgrund der beschriebenen Problematik eine dualistische Unrechtskonstruktion aufzugeben ist oder ob nicht doch inhalt­ liche, die Problematik entschärfende Ausgestaltungsmöglichkeiten bestehen. a) Die Unterscheidung zwischen tat- und täterbezogener Unrechtskomponente Eine Möglichkeit inhaltlicher Ausgestaltung bestünde darin, die Unrechtskonzeption um weitere Elemente aufzustocken. Diesen Weg geht Jakobs, der selbst erhebliche Zweifel an der dualistischen Unrechtskonstruktion äußert. Für eine „genauere Analyse“ erachtet er sie als nicht ausreichend. Seine Lösung sieht eine strukturelle Verfeinerung der Konstruktion in vier statt nur zwei Komponenten vor. Daher stellt er einerseits dem Erfolgsunrecht – von ihm verstanden als nicht näher erklärten Sachverhaltsunwert – den „Verlaufs­ unwert als Unwert eines erfolgsbringenden Handlungsvollzugs“ und anderer335  Jakobs,

AT, 6 / 75.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht171

seits dem Handlungsunrecht – von ihm verstanden als Intentions- bzw. Vermeidbarkeitsunwert – den Unwert der „Objektivierung dieser Intention“ zur Seite.336 Diese Verdopplung der Unwertanalyse fügt aber dem herkömm­ lichen Modell inhaltlich nichts hinzu. Denn die Objektivierung der Intention eine Handlung zu vollziehen, ist nun einmal der Handlungsvollzug, zu welchem – sofern der Vollzug der Handlung in ihrem Verlauf einen Erfolg erbringt, auch ein Erfolgsunwert hinzutritt. Worin Jakobs’ den Unterschied zwischen einem Sachverhaltsunwert und einem Erfolgsunwert sieht, bleibt offen, wohingegen sein Verständnis des Handlungsunwerts als Intentionsunwert ohne objektives Element zu eng ist und ihn nur deshalb zu seinem Intentionsobjektivierungsunwert veranlasst, der sich letztlich auf dem Boden der von Gallas entwickelten Konzeption bewegt. Die Konzeption einer Differenzierung im Unrechtsbegriff erhält – entgegen Jakobs’ Ansicht – keinen Mehrwert durch eine Aufstockung möglichst vieler Untergruppen, sondern durch die Herausarbeitung des inhaltlichen Gehalts jener Untergruppen. Und hier hat die Strafrechtswissenschaft schon genug Not mit ihrem dualistischen Konzept. Dem Unrechtsbegriff weitere Komponenten hinzuzufügen ergibt nur dann einen Sinn, wenn mehr Klarheit im begrifflichen Schleier der bisherigen Konzeption geschaffen wird und die Komponenten dadurch gegeneinander abzugrenzen sind. Das einzige jedoch, was Jakobs’ System leistet, ist eine Verschärfung der bereits bestehenden Problematik: Sachverhalts-, Verlaufs-, Intentions- und Vermeidbarkeits- sowie deren Objektivierungsunwert bleiben begrifflich und strukturell unklar. Dennoch zeigt Jakobs’ System in eine richtige Richtung: Das Hinzufügen weiterer Komponenten ist der Schlüssel zur Lösung. Welche Anzahl an Komponenten hinzuzufügen erforderlich ist, ergibt sich daraus, welche Schwachstellen in der bisherigen Unrechtskonzeption bestehen und welche Leistung sich die Strafrechtswissenschaft von einem differenzierenden Unrechtsbegriff versprechen kann. Eine dieser Schwächen ist, dass die bisherige Begrifflichkeit an entscheidender Stelle überhaupt nicht leisten kann, was sich die Lehre von ihr erhofft: die Gegenüberstellung zwischen Objektivem und Subjektivem. Eine solche Gegenüberstellung können die Begriffe Handlung und Erfolg nicht leisten, jedenfalls nicht ohne überhöhte Auslegungsanstrengung, die aber den Wortlaut überstrapazieren müsste. Daher muss dem Erfolgs- und Handlungsunrecht als dritte Komponente eine solche zur Seite gestellt werden, die die Subjektivität des Unrechts ausdrücklich erfasst. Und hier setzt Jakobs mit dem Begriff des Intentions- und Vermeidbarkeitsunrechts grundsätzlich zutreffend an. Allein die Bezeichnung ist irreführend: Während mit Intention grundsätzlich ein Verständnis von Absichtlichkeit verbunden ist, entstammt der Begriff der Vermeidbarkeit aus dem Fahrlässig336  Jakobs,

AT, 6 / 76.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

keitsbereich.337 Die Begrifflichkeit Jakobs’ ist damit nicht hinreichend geeignet den erstrebten Zweck zu erreichen. Um objektives und subjektives Unrecht begrifflich zu erfassen, schlägt die Arbeit stattdessen die Unterscheidung in objektive und subjektive bzw. tatund täterbezogene Unrechtselemente vor.338 Wichtig ist: Die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht erfolgt in beiden Komponenten, darf also weder ausschließlich der einen noch der anderen Seite zugeordnet werden. Der Vorteil am Begriff des subjektiven bzw. täterbezogenen Unrechtselements liegt darin, dass damit sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige Delikte beschrieben werden können. Wenn als Beispiel die Tötung eines Menschen herangezogen wird, so erfolgt eine solche Umschreibung folgendermaßen: Tatbezogenes Unrecht ist die Vornahme einer Handlung, die den Tötungserfolg in einer bestimmen Weise bewirkt hat. Täterbezogenes Unrecht fragt danach, wie sich das objektive Unrecht aus der Perspektive des Täters ereignet hat, welches seine Beziehung hierzu ist, ob er die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat, ob er den Erfolg angestrebt oder zumindest dessen Eintritt dem Zufall überlassen oder ob er ihn verkannt hat oder er sogar für ihn unvorhersehbar war. Im Klartext: Handlungs- und Erfolgsunrecht spiegeln sich sowohl auf objektiver als auch subjektiver Seite wider. b) Rechtsverletzung als Unrecht, Bewirken eines Eingriffs als Handlungsunrecht und Zustand des Eingriffs als Erfolgsunrecht Es bleibt jedoch zu klären, wie der Inhalt vom Handlungs- und Erfolgsunrecht bestimmt werden kann, ohne sich in die Nähe von Umschreibungen zu begeben, welche für Erfolgsdelikte verwendet werden. Wer sich schon bei der Begriffsbestimmung nicht in eine solche Nähe wagt, der muss auch nicht darauf hinweisen, dass Nähe nicht mit Identität verwechselt werden darf. Für die Frage, was der Erfolg im Erfolgsunrecht ist, muss die Strafrechtswissenschaft lernen blind zu werden für die „verführerische Anschaulichkeit sinnlich greifbare[r] Bezugsobjekte aus der Lebenswelt“339. Ein schwieriges Unterfangen freilich, wenn man die gewachsenen historischen Strukturen der strafrechtlichen Denkweise betrachtet: 337  Diese Problematik erkennt Jakobs auch selbst. Wenn allerdings eine neue Begrifflichkeit zur Präzisierung einer Konzeption bereits bei seiner Einführung einer Fußnote zur Vermeidung von Missverständnissen bedarf, dann sollte das Zweifel an der Geeignetheit der Begrifflichkeit wecken. 338  Einen ähnlichen Ansatz bilden auch Jescheck / Weigend, AT, S. 240, allerdings beziehen sie diese Unterscheidung nur auf das Handlungsunrecht. 339  So die Formulierung Stuckenbergs zur ungebrochenen Wirkmacht der Rechtsgutslehre, GA 2011, 653, 657.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht173 „Wie Raum und Zeit unsere kategorialen Anschauungsformen für die Erscheinungen des Lebens, so ist der Begriff des Verbrechens die kategoriale Denkform für eine vom Staat unter Strafe gestellte Verletzung. […] Mit dem Begriff des Verbrechens denken wir notwendigerweise die Gefährdung oder Verletzung eines Objekts, und auf diese Notwendigkeit ist die Theorie vom Schutzobjekt zurückzuführen.“

Richard Honig schrieb diese apodiktischen Sätze im Jahre 1919.340 Vielleicht hatte er sich nicht mit den Entdeckungen Einsteins beschäftigt, aber so wie Raum und Zeit keine Strukturprinzipien mit absolutem Ordnungsanspruch sind, sondern der Relativität unterworfen sind, so gilt das auch für das Verständnis vom Verbrechen und der Notwendigkeit von gegenständischen Verletzungen. Die Erfolgskomponente darf nicht mit einer Schädigung im naturalistischen Sinn gleichgesetzt werden, ebenso wenig mit der Verletzung von Rechten – bzw. nach der herrschenden Ansicht von Rechtsgütern. Denn dann könnte das Unrecht nicht mehr als Rechts- bzw. Rechtsgutsverletzung beschrieben werden, will man nicht den Teil eines Ganzen zum Ganzen selbst erheben. Damit muss die Unrechtsanalyse ein Stück weit von dem gegenständischen Bereich der Lebenswelt herausgelöst und einer normativen Konzeption unterworfen werden.341 Dies ist mit dem Ansatz der Arbeit schon vorgezeichnet. Denn normativ ist die Konzeption dadurch, dass Unrecht die Verletzung von Rechten ist. Ein weiterer wesentlicher Grund, warum die Rechtsgutslehre abgelehnt wurde, liegt darin, dass der Begriff vom Rechtsgut sowohl für ein normatives als auch ein gegenstandsbezogenes Verständnis offen ist. Eine normativ begründete Theorie, wie sie die Rechtsgutslehre ist, kann nicht in ein gegenstandsbezogenes Gewand gezwängt werden. Die hervorgerufenen Missverständnisse sind auch Resultat dessen, dass einem normativen Begriff ein solch realitätsbezogenes Zwangskorsett übergezogen wurde. Die Lebenswelt ist zu berücksichtigen, aber nur in dem Sinne, dass sie in die Rechtswelt mit ihren normativen Begriffen zu transformieren ist. Die dafür erforderliche Abstraktheit ist keine Schwäche, sondern das Wesen des Rechts. Die Transformation dessen, was in der Lebenswelt als Unrecht wahrgenommen wird, in die strafrechtliche Dogmatik, erfolgt dadurch, dass es sich um die Verletzung von Rechten handelt. Wie verhält sich nun aber die Verletzung von Rechten zur Unterscheidung in Handlung- und Erfolgsunrecht? Um den Fehler einer Gleichsetzung von Erfolgs- und Gesamtunrecht zu vermeiden, um also den Begriff der Rechtsverletzung für das „Gesamt“-Unrecht zu reservieren, führt die Arbeit neben dem Begriff der Verletzung einen 340  Honig,

Einwilligung, S. 69. eine Normativierung spricht sich zwar auch Roxin, ZStW 2004, 929, 931 aus, bezieht sich allerdings auf das Handlungsunrecht und dessen Frage, ob ein unerlaubtes Risiko geschaffen wurde. Nach seiner Auffassung ist das Erfolgsunrecht so etwas wie das „empirische Substrat“. 341  Für

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

weiteren Begriff ein, der für eine differenziertere Analyse unerlässlich ist, aber in der bisherigen Strafrechtsliteratur keine bewusste Verwendung fand. Die herkömmliche Sicht des Strafrechts auf den Schutz eines Gegenstands und seiner Verletzung erfolgt zu eindimensional, als dass sie das Lebensereignis in seiner ganzen Bandbreite vollständig abbilden könnte. Dass die Arbeit den Begriff des subjektiven Rechts aus Art. 2 I GG gegenüber dem des Rechtsguts bevorzugt, ermöglicht neben der verfassungsrechtlich verankerten Personenorientierung auch einen naheliegenden Rück­ griff auf grundrechtliches Differenzierungsvermögen: Die Unterscheidung zwischen dem Eingriff in ein Grundrecht und dessen Verletzung.342 Beide Schritte fallen nicht zusammen und sind daher voneinander zu trennen. Diese Selbstverständlichkeit im Verfassungsrecht ist nach Ansicht der Arbeit auch für das Strafrecht fruchtbar zu machen. Die Arbeit wird daher zwischen dem Eingriff in das Recht einer Person und der Verletzung jenen Rechts unterscheiden. Die Unterscheidung zwischen Eingriff und Verletzung klingt durchaus in der strafrechtlichen Literatur an, ohne dass dabei jedoch ein bewusster Gebrauch zu erkennen wäre.343 Im Gegenteil ist mehr ein synonymer als ein differenzierender Gebrauch zu verzeichnen.344 Die bewusste Verwendung eines Eingriffsbegriffs ist jedoch in der Lage, die naturalistische Fehldeutung zu umgehen, die mit der Verwendung eines Verletzungsbegriffs einhergeht: Wer von Verletzung spricht, der denkt beinahe automatisch an eine Schädigung, so wie es auch in der Strafrechtsliteratur unterschwellig und teilweise offen anklingt. Der Strafrechtsschutz greift jedoch in einer 342  Herdegen,

Maunz / Dürig, Art. 1 III GG Rn. 29, 39. u. a. Arzt, Geppert-FS, S. 1, 7; Gallas, Bockelmann-FS, S. 155, 174; Grünewald, Tötungsdelikt, S. 294; dies., GA 2012, 364, 365; Jakobs, AT, 7 / 114; Armin Kaufmann, Welzel-FS, S. 393, 400; Kientzy, Einwilligung, S. 83; Köhler, AT, S. 244; Kühne, JZ 1979, 241, 245; Kußmann, Einwilligung, S. 332; Maiwald, Zueignungsbegriff, S. 106; Neyen, Einwilligungsfähigkeit, S. 44 f.; Pawlik, Unrecht, S. 144, 148; Rinck, Deliktsaufbau, S. 32; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 164, 175, 180, 186, 195; ders., Einwilligung, S. 199; Roxin, AT I, § 13 Rn. 75, 94 f.; ders., Noll-GS, S. 275, 279; ders., Amelung-FS, S. 269, 282; Stefanopoulou, ZStW 2012, 689; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S.  5 ff.; Stratenwerth, Schaffstein-FS, S. 177, 180; ders. / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 5, 21, 24. Vgl. auch Renzikowski, HRRS 2009, 347, 353, der auf die „Einwirkung auf eine fremde Rechtssphäre“ abstellt. Interessant auch Jakobs, AT, 14 / 9 f., der in seinen Ausführungen immer von der Einwilligung in ein „Gut“ spricht, dann aber an benannter Stelle von einem Eingriff. Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 144 scheint zwischen Einwirkung auf ein Rechtsgut und dessen Verletzung zu differenzieren, führt diese Unterscheidung aber nicht fort, sondern stellt dann in Anlehnung an § 34 StGB die Interessenbeeinträchtigung in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. 344  Offenkundig wird der synonyme Gebrauch bei Rönnau, der von Gutseingriff und Gutsverletzung spricht, interessanterweise benutzt er letzteren Begriff gerade im Zusammenhang mit sog. rechtsgutsbezogenen Irrtümern. 343  Siehe



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht175

Vielzahl von Fällen ein, ohne dass es zu einer Schädigung im alltäglichen Sinne gekommen sein muss. Der Gedanke einer zweistufigen Betrachtung zur Umschreibung von Unrecht ist in der strafrechtlichen Literatur in terminologischen Ansätzen vorhanden, ohne dass jedoch bislang der Terminologie ein bewusst-dogmatischer Gebrauch zugrunde gelegen hätte. Schon Horn wies darauf hin, dass „das Wort ‚ Rechtsgutsverletzung‘ […] sowohl für ‚Verletzungsereignis‘ als auch für ‚Verletzungszustand‘ stehen“ kann. Damit wollte er auf den Umstand hinweisen, dass jeder Sachverhalt einen ihn zustande bringenden Sachverhalt verlangt, also dass „jeder Erfolg ‚Geschehens-Folge‘ ist“.345 Auch wenn Horn letztlich diese Unterscheidung nur als Frage eines Zeitablaufs abtut und ihr die Relevanz „unter Wertaspekten“ abspricht, so enthält sie jedoch zumindest den unmittelbaren Hinweis, dass der Verletzungsbegriff zweideutig verwendet werden kann: einmal für den Zustand der Verletzung als solche, einmal für den diesen Zustand hervorrufenden Akt. Wenn es nun um die hier vorgeschlagene Differenzierung zwischen Eingriff und Verletzung geht, so bewegt sich Kühl zumindest begrifflich sehr nahe an der Ansicht der Arbeit: Die Rechtsgutsverletzung erfasse den „Übergriff in die vom Recht geschützte Freiheitssphäre eines anderen“.346 Nur dass die Verletzung jenen „Übergriff“ erfasst, aber – und das bleibt bei Kühl eben unausgesprochen – mehr als nur dieser Übergriff ist. Allerdings verwendet Kühl mit seiner Umschreibung des Übergriffs in die rechtlich geschützte Freiheitssphäre eine Terminologie, die auch dem Strafgesetzbuch nicht fremd ist. So ist in der Deliktsüberschrift des reformierten § 177 StGB von einem „sexuellen Übergriff“ die Rede. Unter systematischer Hinzuziehung der 13. Abschnittsüberschrift ließe sich inhaltlich identisch auch von einem „Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung“ sprechen. Auch aus aktuelleren Monografien lassen sich Anklänge zum hier vertretenen Verständnis finden. So begreift Menrath den „Hauptbestandteil des Unrechts“ im „Einbruch in den Freiheitsbereich eines anderen Menschen“347 und beschreibt wiederum die Einwilligung als „die Erlaubnis eines Eingriffes in das Tatobjekt“348. Ob nun Einbruch, Übergriff oder Eingriff, die Wörter erscheinen austauschbar, aber nicht deren inhaltliche Bedeutung, denn diese hat stets den Sachverhalt vor Augen, dass der Täter von außen in eine strafrechtlich geschützte Zone des Opfers hineingreift. 345  Horn,

Gefährdungsdelikte, S. 67. AT, § 3 Rn. 3. 347  Menrath, Einwilligung, S. 49 unter Anschluss an Stratenwerth, ZStW 1956, 41, 44 f. 348  Menrath, Einwilligung, S. 46. Wobei der Zusammenhang zur Frage, ob die Autonomie ein Teil des Rechtsguts ist, etwas unerklärlich ist, jedenfalls soweit nicht der Zusammenhang zwischen Rechtsgut und Tatobjekt aufgezeigt wurde. 346  Kühl,

176

Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Was nun aber das „Mehr“ gegenüber einem Eingriff ist, ergibt sich aus einer differenzierten – aber nicht nur dualistischen – Unrechtsbetrachtung, die nach Erfolg und Handlung einerseits und subjektiv und objektiv bzw. tat- und täterbezogen andererseits aufzugliedern ist. Die Zusammenschau dieser Elemente ergibt das Unrecht. Ein wesentlicher Punkt ist das richtige Verständnis vom Erfolgsunrecht. Die Warnung, dieses in der schlichten Schädigung eines Schutzgegenstands zu sehen, sprach die Arbeit bereits aus.349 Wenn eine Person eine blutende Platzwunde erleidet, dann ist der Schutzgegenstand menschlicher Körper in der Tat genauso geschädigt wie der Schutzgegenstand körperlicher Gegenstand, wenn eine Fensterscheibe zu Bruch geht. Aber auch ohne Schädigung des Schutzgegenstands kann sowohl eine Körperverletzung als auch eine Sachbeschädigung gegeben sein, etwa im Falle einer heftigen, aber keine Wunden hervorrufenden Ohrfeige oder das Entfernen der Luft aus einem Autoreifen in einsamer Gegend. Das Verletzungs- und Schädigungsdogma gerät also schon bei einfach-anschaulichen Fällen strafrechtlichen Unrechts in Schwierigkeiten. An seine Grenzen gelangt es bei der Betrachtung anderer Delikte: Worin liegt etwa eine Schädigung bei einem Diebstahl oder einer Freiheitsberaubung? Es genügt der Entzug der Zugriffsmöglichkeit auf den Schutzgegenstand oder die Aufhebung der Fortbewegungsmöglichkeit der geschützten Person. Von einer Schädigung lässt sich weder ein Wort finden noch verlieren. Die gleichen Schwierigkeiten bestehen auch für diejenigen, die von einer Rechtsgutsverletzung in einem gegenständischen Sinne sprechen. Denn Sache oder Person bleiben unverletzt und nur die jeweilige Zugriffs- oder Fortbewegungsmöglichkeit wird aufgehoben, aber – und das belegt die Notwendigkeit eines normativen Verständnisses – diese Möglichkeit lässt sich nicht in einem gegenständischen Sinne erfassen und schon gar nicht deren Verletzung. Die Verletzung von Freiheit, Eigentum, etc. lässt nicht ohne Verwendung normativ-abstrakter Wertungen beschreiben. Wer von einer Verletzung der Zugriffsmöglichkeit sprechen will, ist notwendigerweise auf eine abstrakt-normative Idee angewiesen. Denn wann eine solche Möglichkeit noch besteht und wann sie aufgehoben ist, lässt sich nicht mit einem schlichten Blick auf die Lebenswelt feststellen, sondern muss normativ bestimmt werden. Wenn es also nicht um die Verletzung, Schädigung etc. eines Schutzgegenstands im anschaulichen Sinne gehen kann, worum handelt es sich dann 349  Vgl. hier auch den von Schmidhäuser vorgeschlagenen Ansatz für Erfolgs- und Handlungsunrecht auf die Unterscheidung zwischen Rechtsgut- und Rechtsgutsobjekt zurückzugreifen, Engisch-FS, S. 433, 445: Das Handlungsunrecht sei gleichbedeutend mit der Rechtsgutsverletzung, die Verletzung des Rechtsgutsobjekts gehöre zum Erfolgsunrecht. Eine solche Unterscheidung gerät in Schwierigkeiten, wo es am Erfordernis der Verletzung eines Rechtsgutsobjekts oder gar an einem solchen Objekt überhaupt fehlt.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht177

beim Erfolgsunrecht? Die Verletzung des Rechts der Person kann es ebenfalls nicht sein, da sonst erneut Erfolgs- und Gesamtunrecht identisch wären. Allerdings – und jetzt wird die Zweckmäßigkeit der Einführung einer zusätzlichen Begrifflichkeit ersichtlich – lässt sich auf den Eingriff in das Recht abstellen: Der Eingriff in das Recht eines anderen ist das Erfolgsunrecht. Die Zufügung einer Wunde ist der Eingriff in das Recht auf körperliche Inte­ grität, das Einschlagen einer Fensterscheibe und die Wegnahme einer Sache sind Eingriffe in das Eigentumsrecht, das Einsperren einer Person ist der Eingriff in dessen Recht auf körperliche Bewegungsfreiheit, das Betreten der Wohnung eines anderen ist der Eingriff in dessen Hausrecht. Aber diese Umschreibung ist noch in einem Detail ungenau, denn unverkennbar wohnt dem Eingreifen, Einschlagen, Einsperren, Wegnehmen, Betreten etc. ein Handlungsmoment inne. Wie lässt sich so das Handlungs- vom Erfolgsunrecht unterscheiden? Es ist eine Ergänzung der Umschreibung erforderlich: Gemeinsam ist beiden Komponenten der Eingriff in ein Recht, verschieden ist jedoch die jeweilige Betrachtung des Eingriffs. Während das Handlungsunrecht die Vornahme des Eingriffs betrachtet, blickt das Erfolgsunrecht auf die Folge des Eingriffs. Damit müssen die Begriffe Handlung und Erfolg in ihrem Zusammenhang, in ihrer Aufeinander-Bezogenheit verstanden werden. Der Erfolg ist der in ein Recht eingreifende Zustand, die Handlung die Vornahme des diesen Zustand bewirkenden Eingriffs. Damit wird auch das Missverständnis behoben, das im Zusammenhang mit dem Erfolgsbegriff schnell entsteht: Mit Erfolg ist kein Taterfolg gemeint, also kein von der Tathandlung abtrennbarer Außenweltserfolg, wie es etwa typischerweise das Hervorrufen der Gesundheitsschädigung oder des Todes darstellt. Vielmehr ist ein weiter Erfolgsbegriff in dem normativen Sinn gemeint, dass ein in die geschützten Rechte eines anderen eingreifender Zustand besteht, sei es dessen Recht auf körperliche Integrität oder sogar auf Leben, sei es dessen Eigentumsrecht oder Vermögensrecht. Es ist also zu unterscheiden zwischen dem Bewirken eines rechtseingreifenden Zustands und diesem Zustand selbst.350 Eine solche Unterscheidung klingt auch bei Eisele an, der zwischen „Nicht-tun-sollen“ und „Nicht-sein-sollen“ differenziert.351 Nur auf den letzten Aspekt stellt hinge350  Greco, Straftheorie, S. 340 meint, die Rechtsverletzungstheorie hätte es leichter, die „sehr natürliche Unterscheidung zwischen Begehung der verbotenen Handlung und Beeinträchtigung des Gutes zu verwischen“ und damit auch „die Grenzen zwischen Verletzungsereignis und gefährdender Handlung“. Dass eine solche Annahme, die geeignet ist, die Ausweitung von bloßen Gefährdungsstraftaten zu legitimieren, vertretbar ist, mag nicht zu bestreiten sein; zwingend ist sie freilich nicht. Dogmatisch verfehlt ist sie insoweit – wie Greco, Straftheorie, S. 341 zutreffend anmerkt –, als dass die Fragen nach dem Gegenstand des Strafrechtsschutzes mit denen nach dessen Struktur vermengt. 351  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 48, 56 f.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

gen Greco ab: Für ihn ist die Frage, was eine Straftat bilden darf, „nichts anderes als die Frage nach den Zuständen, die nicht sein sollen und um deren Verhinderung willen der Staat auf die Strafen zurückgreift“, es gehe um die Frage „nach den Zuständen, deren Förderung einen guten Grund zum Strafen gibt“.352 In vergleichbarer Weise, aber weniger genau differenziert Freund zwischen dem Verhalten und der darauf beruhenden Folge oder eine „gleichwertige Gegebenheit“. Die letzteren Komponenten versteht er jedoch nur als „zusätzliche Sanktionserfordernisse“, die „nicht notwendiges Kriterium jeder Straftat“ sind.353 Damit lehnt er einen dualistischen Unrechtsbegriff ab und unterliegt dabei dem bereits herausgearbeiteten Missverständnis, dass Erfolgsunrecht im Sinne der Erfolgsdelikte auszulegen.354 Die Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Handlungsunrecht lässt sich zudem von einem verschiedenen Betrachtungsstandpunkt erfassen: Während das Handlungsunrecht aus der Perspektive des Täters zu bestimmen ist, muss das Erfolgsunrecht die Perspektive des geschützten Rechtsinhabers einnehmen. Während das Handlungsunrecht beschreibt, welche Tätigkeit der Täter vorgenommen oder unterlassen hat, beschreibt das Erfolgsunrecht, welche Wirkung in der Rechtssphäre des geschützten Rechtsinhabers eingetreten ist. Liegt für beide Komponenten das subjektiv-täterbezogene Unrechtselement vor und stehen beide in einem bestimmten (objektiven Zurechnungs-)Zusammenhang, dann wurde Unrecht begründet, dann liegt eine Rechtsverletzung vor. Für die verschiedenen Perspektiven des Unrechtsbegriffs, einmal aus Täter-, einmal aus Opfersicht, lassen sich auch Alltagsumschreibungen anführen: Es lässt sich sagen, dass einerseits jemand Unrecht begeht und andererseits jemandem Unrecht geschieht.355 Es bleibt anzumerken: Beide Komponenten des dualistischen Unrechtsbegriffs müssen vorliegen, also Handlungs- und Erfolgskomponente. Insbesondere kann es ohne Handlungsunrecht kein Unrecht geben.356 Aber das gilt auch umgekehrt: Kein Unrecht ohne Erfolgsunrecht.357 Der Versuch bildet 352  Greco, Straftheorie, S. 303. An späterer Stelle stellt er dann aber klar, dasss die Rechtsgutsverletzung als Ereignis nicht Gegenstand einer Norm sein kann, da solche Ereignisse nicht angeordnet oder verboten werden können, sondern nur die sie bewirkenden menschlichen Handlungen, S. 339. 353  Freund, AT, § 2 Rn. 4 f. 354  So dann auch ausdrücklich Freund, AT, § 2 Rn. 46 ff. 355  Die Umschreibung des passiven Parts vom Unrecht – „Unrecht, das einem anderen geschieht“ – verwendet auch Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 63. 356  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937, 945; Freund, AT, § 2 Rn. 5; Grünewald, GA 2012, 364, 372 f.; Renzikowski, HRRS 2009, 347, 353. 357  Das verkennt Grünewald, GA 2012, 364, 372 f., die dem Fehler unterliegt, Erfolg im Sinne der Abgrenzung Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte und nicht im Sinne der Unrechtslehre zu verstehen.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht179

dazu keine Ausnahme: Dort stellt das Erfolgsunrecht die Wirkung auf die Opfersphäre dar, wenn dessen Rechtssphäre tangiert oder sogar konkret gefährdet ist. Hierfür ist es gerade nicht erforderlich, dass ein Erfolg im Sinne einer Schädigung des Tatobjekts vorliegt. Dass es an einer Schädigung fehlt, darf aber nicht zur Fehlannahme führen, es läge kein Erfolgsunrecht vor. Dass dieser Zusammenhang beim Versuch nicht erkennt wird, sondern undifferenziert mit inhaltlich verschiedenen Erfolgsbegriffen gearbeitet wird, zeigt die bereits angesprochene Problematik deutlich auf. Indem der Gegenüberstellung von Erfolgs- und Handlungsunrecht ein Perspektivwechsel zwischen Rechtsinhaber und Eingreifendem zugrunde gelegt wird, wird die Straftat als sozialer Vorgang aufgefasst, der sich zwischen Täter und Verletztem ereignet. Diese soziale Dimension ist kein neuer Gedanke, weder in der Strafrechtswissenschaft generell noch in der Unrechtslehre speziell. In der aktuellen Strafrechtslehre existiert eine starke Strömung, die sich bemüht, die „interpersonalen Beziehungen“358 zwischen Täter und Verletztem herauszuarbeiten.359 Zazcyk umschreibt diese näher damit, dass es sich dabei um wechselseitige Verhältnisse handelt, die durch Handlungen hergestellt werden.360 Bemerkenswert an dieser Beschreibung ist zweierlei: Erstens wird die Handlung in den Vordergrund gestellt und gerade nicht der Erfolg. Zweitens weicht die Wechselseitigkeit des Verhältnis zwischen Täter und Opfer von der üblichen Vorstellung der Straftat als ein einseitiges „Einbahnstraßen“-Verhältnis ab. Dem liegt die Idee zugrunde, dass die Rechtsordnung dem Einzelnen eine Rechts- oder Freiheitssphäre gewähre, der Einzelne darauf vertraue in dieser Sphäre von anderen respektiert und anerkannt zu werden und dass die Straftat die Negierung dessen sei.361 Der Täter nimmt sich quasi die Freiheit heraus, die Freiheit eines anderen zu unterdrücken. Oder um es mit Zazcyk zu sagen: Im Unrecht wird das bestehende Gleichheitsverhältnis vom Täter in ein „Verhältnis der Über- und Unterordnung verkehrt“, Unrecht ist „die tätige Verletzung fremder Freiheit“ – und nicht ein bloßer „Normverstoß“.362 Die Überordnung des Täters komme in der Unterdrückung fremder Freiheit im Terminus hat u. a. Zaczyk geprägt, Selbstverantwortung, S. 22. Tötungsdelikt, S.  294 f.; dies., GA 2012, 364 f.; Murmann, Selbstverantwortung, S. 199, 316; ders., AT, § 25 Rn. 125 m. Fn. 133; Renzikowski, Täterbegriff, S. 64; Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 22 f., 28. Lampe spricht von einem Beziehungsunwert, Unrecht, S. 211 ff., 223 ff. Darauf nimmt auch Stratenwerth Bezug, Schaffstein-FS, S. 177, 186 m. Fn. 34. 360  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 23. 361  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 25 f. und S. 30: „Unrecht ist die Negation des Rechts.“ 362  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 31. 358  Diesen

359  Grünewald,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Erfolg als auch in der Handlung zum Ausdruck, indem der Täter das Geschehen beherrsche.363 Wer versucht die Straftat auf diese Weise zu betrachten, dem eröffnet sich leichter sowohl Möglichkeit als auch Notwendigkeit die jeweiligen Beiträge aus diesem Verhältnis zu gewichten. Im Normalfall einer Straftat, der Täter tötet etwa anlasslos das Opfer, fällt eine solche Gewichtung angesichts der klaren Verteilung eines eindeutig aktiven und eines eindeutig passiven Parts leicht.364 Aber selbst bei Passivität des Opfers kann das Recht besondere Wertungen daran knüpfen, etwa wenn die Passivität darauf beruht, dass es arg- und wehrlos war und der Täter dies ausgenutzt hat.365 Offenkundig wird die Notwendigkeit der Vornahme von Gewichtungen in den Fällen, in denen das Opfer ebenfalls Handlungen in Bezug auf den Täter vornahm oder um es mit Zazcyk zu sagen: „Das Opfer kann aus der im Unrecht implizit mitgedachten Passivität heraustreten und damit die Beurteilung des Täterverhaltens wandeln.“366 Es lässt sich dafür an vielfältige Sachverhalte denken: eine tatprovozierende Beleidigung, eine ausgesprochene Bitte, die Handlung auszuführen, oder gar die Vornahme eines eigenen Handlungsbeitrags durch das Opfer. Für diese Arbeit wird zu untersuchen sein, welche Folgerungen für das Unrecht aus einer Bitte oder eben aus einer Zustimmung des vermeint­ lichen Opfers für das Vorliegen von Unrecht zu ziehen sind. Das ist also das Verhältnis zwischen Erfolg und Handlung beim Unrechtsbegriff, der in objektiver Hinsicht weiterhin dualistisch im Einklang mit der herrschenden Ansicht konzeptioniert bleibt, dem jedoch eine subjektive Komponente zur Seite gestellt wird, die sich auf beide Elemente des dualistischen objektiven Unrechtsbegriffs bezieht. Damit kann das Unrecht als Rechtsverletzung definiert werden. Der logische Widerspruch, dem die bisherige Konzeption der herrschenden Ansicht verfangen ist, wird dadurch aufgehoben, dass das Erfolgsunrecht nicht die Verletzung, sondern der in das Recht eingreifende Zustand ist. Damit ist hinlänglich begründet, in welcher Weise und aus welchen Gründen nach Ansicht der Arbeit streng zwischen dem Eingriff in ein Recht und dessen Verletzung zu unterscheiden ist. Es zeigt sich, dass eine normative Konstruktion des strafrechtlichen Schutzge363  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 32. Vgl. auch Naucke, KritV 1993, 135, 137, der von einer „Gefährdung individueller Freiheit“ durch die „Machtausübung durch den Straftäter gegenüber dem Opfer“ spricht. 364  Zur Gegenüberstellung zwischen aktiven und passiven Teils, siehe auch Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 26. 365  Umgekehrt kann dann aber genauso eine aktivere Verhaltensweise des Opfers – es wehrt sich gegen den zuvor erkannten Angriff des Täters – gerade darauf Rückschlüsse zulassen, dass bei ihm keine Arglosigkeit vorhanden war und dies zur Wertung führen muss, dass das Verhalten des Täters immerhin nicht heimtückisch war. 366  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 32.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht181

genstands und des Unrechtsbegriffs zu terminologisch klarer Unterscheidungsmöglichkeit führt, die in den nächsten Kapiteln bei der Entwicklung einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellt. c) Ein strafrechtliches Sphärenmodell zur Unrechtsbeschreibung Wenn ein strikt normatives Verständnis von Unrecht und Schutzgegenstand zugrunde gelegt wird, dann ist der Einwand zu erwarten, dass diese Begrifflichkeiten zu abstrakt bestimmt werden und die Lebensrealität nicht hinreichend abzubilden geeignet sind. Ein Einwand, der allerdings angesichts der aufgezeigten Schwächen – logische Widersprüche und begriffsimmanente Missverständnisse – der bisherigen gegenstandsbezogener Bestimmungsversuche wenig Schlagkraft besitzt. Um solche Einwände gegen ein normatives Verständnis weiter zu entkräften und weiteres Differenzierungspotential auszuschöpfen, kann das Zusammenspiel zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht unter Hinzufügung einer weiteren Begrifflichkeit beschrieben werden, die den Begriff des Rechts ergänzt. Auch wenn es nach Ansicht der Arbeit unumgänglich ist, den strafrechtlichen Schutzgegenstand normativ zu bestimmen, so bleibt es dennoch möglich, das Verständnis anschaulich zu umschreiben. Ein geeigneter Begriff hierfür fand nicht nur bereits in der Arbeit, sondern auch – ähnlich wie beim Begriff des Eingriffs – in der strafrechtlichen Literatur viel Anklang, jedoch mit ebenso wenig dogmatisch-bewussten Gebrauch: Es handelt sich um den Begriff der Sphäre.367 Statt vom Eingriff in ein Recht, lässt sich auch vom Eingriff in eine Rechtssphäre sprechen. Wenn sich das Strafrecht an den Erscheinungen der Lebenswelt orientieren, diese Erfahrungen in seiner Begrifflichkeit verarbeiten will, dann bietet sich ein solcher Sphärenbegriff an. In Grundzügen erkannte das auch schon Honig anfangs des letzten Jahrhunderts: Die Abgrenzung der Machtsphären der Gemeinschaftsmitglieder gegeneinander gehöre zur wichtigsten Erscheinung des Gemeinschaftslebens. Diese Machtsphäre, ein dem Einzelnen zu367  Amelung, Willensmängel, S. 9, 59; ders., ZStW 1997, 490; ders., ZStW 2003, 710, 711; Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 85; Grünewald, Tötungsdelikt, S.  302 f.; dies., GA 2012, 364 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 96; Honig, Einwilligung, S.  98 f.; Maiwald, Zueignungsbegriff, S. 88 f., 92, 99, 106; Menrath, Einwilligung, S. 49; Mitsch, Rechtfertigung, S. 518, 525 530; Niedermair, Einwilligung, S. 130; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 27, 31; Pawlik, Unrecht, S. 144, 174, 220; Renzikowski, Täterbegriff, S. 64; ders., HRRS 2009, 347, 353; Rinck, Deliktsaufbau, S. 32; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 186; ders., Willensmängel, S.  51 f., 226, 245 f.; Roxin, AT I, § 12 Rn. 118. § 13 Rn. 13; ders., Noll-GS, S. 275, 286; Schlehofer, Einwilligung, S. 40 f.; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 22, 202; Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 14; Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 25 f., 32; Zipf, Einwilligung, S. 52; ders., ÖJZ 1977, 379, 382.

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stehendes persönliches Herrschaftsgebiet, habe unterschiedliche Erscheinungsformen. Sofern es um die freie Betätigung innerhalb dieser Sphäre gehe, handele es sich um ein subjektives Recht. Sofern es um die Durchsetzung der freien Betätigung anderen gegenüber gehe, trete die Machtsphäre als Anspruch auf. Und sofern es um die Verletzung der Machtsphäre gehe, erscheine sie als Schutzobjekt.368 Honig hat damit erkannt, dass Recht, Anspruch und Schutzobjekt „ein und dieselbe Rechtswirklichkeit, nämlich ein rechtlich geregeltes Herrschaftsgebiet“ erfassen. Herrschaftsgebiet, Machtsphäre, Freiheitssphäre oder schlicht: Rechtssphäre. Dieser Begriff erweist sich als eine Art Brückenbegriff, der alle Verständnisse und Bedürfnisse in sich zu vereinen geeignet ist, nämlich den Spagat zwischen normativer Bestimmung unter Beibehaltung einer natürlichen Anschaulichkeit zu meistern. Und er ist dazu geeignet, die „interpersonale Struktur“, deren Heraus­arbeitung mehr und mehr in den Mittelpunkt strafrechtlicher Abhandlungen rückt, zwischen Opfer und Täter zu erfassen. Die praktische Verwendung eines solchen Sphärenbegriffs fällt beim Hausfriedensbruch am leichtesten: Wer die Wohnung eines anderen betritt, der betritt dessen Haussphäre und greift in dessen Hausrecht ein. Doch auch andere Delikte lassen sich bei näherer Betrachtung nicht minder anschaulich beschreiben. So umschreibt etwa Fateh-Moghadam den ärztlichen Heileingriff als „das Eindringen des Arztes in die körperliche Sphäre des Patienten“.369 Ebenfalls im Zusammenhang zu § 223 StGB erklärt Mitsch, dass eine Einwilligung in die Blutentnahme „das Unrecht, nicht aber den Eingriff in die Körpersphäre, entfallen“ lässt.370 Ebenso trifft es Kühl mit seiner Umschreibung sprachlich gut, wenn er vom Übergriff in eine Freiheitssphäre spricht. Rönnau liegt mit seiner Umschreibung von „Eingriffen, die den Persönlichkeitskern (insbesondere die Körpersphäre) betreffen“, auf Augenhöhe zur Terminologie der Arbeit;371 ebenso Jescheck / Weigend und Zipf, die von einem „Eingriff des Täters in die Rechtssphäre des Betroffenen“372 bzw. einem „Eingriff in die fremde Rechtssphäre“373 sprechen; vergleichbar auch Pawliks Umschreibung des „Verbots, in fremde Rechtskreise einzugreifen“. Roxin umschreibt die Einwilligung in seinem Beitrag zur Willensmängeldogmatik damit, dass „jemand Eingriffe in seine Rechtssphäre gestattet“,374 ähnlich auch Grünewald, die da368  Honig,

Einwilligung, S. 98 f. Einwilligung, S. 85. Auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 32 spricht bei § 223 StGB von körperlicher und bei § 177 StGB von sexueller Sphäre. 370  Mitsch, Rechtfertigung, S. 518. 371  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 186. 372  Jescheck / Weigend, AT, S. 383. 373  Zipf, Einwilligung, S. 52. 374  Roxin, Noll-GS, S. 275, 286. 369  Fateh-Moghadam,



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von spricht, dass der „Einwilligende dem anderen gestattet, in seine rechtlich an sich (also prinzipiell) geschützte Sphäre einzugreifen“375 und Renzikowski: „Der Einwilligende gestattet einem Außenstehenden, in seinen Rechtskreis einzudringen.“376 Und Zazcyk findet sogar im allgemeinen Gesetz die „Befestigung der Rechtssphären der einzelnen“377; Unrecht ist seiner Ansicht nach das „Bewirken eines Einbruchs in die fremde Rechtssphäre“378. Freilich irrt er in diesem Punkt bzw. unterliegt dem Fehler mangelnder Differenzierung: Der Eingriff bzw. die Einwirkung bzw. die Tangierung der fremden Rechtssphäre ist nur ein erster Schritt zur Bewertung eines Sachverhalts als Unrecht. Unrecht kann jedoch nur die Verletzung dieser Rechtssphäre sein, nicht aber schon die Einwirkung an sich. Am ehesten hat diesen Zusammenhang bisher Rinck erkannt, wenn er meint, dass „die eigentliche Bewertung immer erst unter Einbeziehung des Willens des Verfügungsberechtigten möglich wird“, im ersten Schritte lasse sich hingegen „objektiv nur konstatieren, daß der Handelnde jedenfalls in potentiell rechtlich relevanter Weise auf Güter eingewirkt“ habe.379 Wie eng Handlungs- und Erfolgsunrecht zusammenliegen und aufeinander bezogen sind, wird mit dem Sphärenbegriff ebenfalls anschaulich beschrieben. Denn der Moment, ab welchem eine Unrechtsrelevanz anfängt, ist jener des Überschreitens der Sphärengrenze. Menschen begehen viele Verhaltensweisen, aber die wenigsten davon haben irgendeine Unrechtsrelevanz, denn sie überschreiten nur selten die Grenzen fremder Rechtssphären. Maiwald äußert sich dahingehend, dass der „Mensch als sittlich autonome Person auch einer äußeren Sphäre bedarf, in der allein sein Wille bestimmt, um sich selbst verwirklichen zu können“. Deshalb weise die Rechtsordnung dem Individuum eine „Realsphäre“ zu, die kein anderer antasten dürfe.380 Das baut auf Gedanken auf, die Stratenwerth vertrat, wonach das Unrecht den Charakter einer Missachtung des anderen als autonome Persönlichkeit habe.381 Und eine Art von Sphärenmodell und die dahinterstehende Idee lässt sich schon frühzeitig in der Diskussion um den Unrechtsbegriff bei Gallas382 finden: Für die Bedeutung des Erfolgsunrechts unterscheidet er den „finalen Akt“ von dem „Ablauf eines kausalen Geschehens“ bzw. das Stadium des 375  Grünewald,

Tötungsdelikt, S. 302. Täterbegriff, S. 96, der den Begriff „Rechtskreis“ synonym mit dem der „Organisationssphäre“ verwendet. 377  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 25. 378  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 31. 379  Rinck, Deliktsaufbau, S. 32 f. 380  Maiwald, Zueignungsbegriff, S. 89. 381  Stratenwerth, ZStW 1956, 41, 44 ff. 382  Gallas, Bockelmann-FS, S. 155, 161 f. 376  Renzikowski,

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

beendeten Versuchs von der dadurch bewirkten Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs. Diese Umschreibung beruht zwar auf einem Verständnis klassischer Erfolgs- und Verletzungsdelikte, wie Gallas selbst zugibt, aber dennoch bemüht er sich – und dieser Aspekt ist hier von Inte­ resse – um die Beschreibung einer besonderen „Polarität“ bzw. eines „Dualismus“ im Verbrechensbegriff zwischen Täter und Verletztem. Der Täter gebe „mit Abschluß seiner als willensgesteuerte Körperbewegung verstandene Handlung die Tat aus der Hand“ und überlasse den „weiteren Verlauf des durch seinen Handlungsimpuls ‚angestoßenen‘ Geschehens nunmehr der möglichen Einwirkung anderer Faktoren“. Damit seien zwei Bereiche bzw. Sphären zu unterscheiden, die aufeinanderstoßen: einerseits die „Wirkungssphäre des Täters“ und andererseits der „Bereich der Schutzbedürftigkeit des Verletzten“. Damit liegen „zwei – aufeinander bezogene – Bewertungsnormen“ zugrunde: einerseits „als Verhaltensnorm die Vornahme der den Verletzten bedrohenden Handlung“ und andererseits „als Schutznorm die Beeinträchtigung der dem Verletzten gewährten Unversehrtheit“. Gallas verwendet den Begriff der Schutznorm synonym mit Gewährleistungsnorm; letztere liegen nach seiner Auffassung insbesondere subjektiven Rechten zugrunde. Was Gallas aber als Gegenstand dieser Schutznorm betrachtet, überzeugt wenig: Im Strafgesetz selbst danach zu suchen, ist zwar methodisch nicht zu beanstanden, das gilt jedoch nicht für die Beschränkung auf den Fall, dass das Strafgesetz „neben der Handlung einen davon geschiedenen Erfolg vo­ raussetzen“ muss. Damit beschränkt Gallas, wie er auch ausdrücklich feststellt,383 den Begriff des Erfolgsunrechts auf Erfolgsdelikte. Lässt man diesen Aspekt außer Betracht, dann ist die Ähnlichkeit zum Sphärenmodell der Arbeit unverkennbar. Die Unterscheidung zwischen den Sphären des Wirkens vom Täter und der Auswirkung des Wirkens beim Verletzten ist eine entscheidende Stelle im Unrechtsaufbau. Wenn Unrecht damit verstanden werde als „Nicht-sollen“, dann lasse sich der Dualismus auch als „Nicht-tunsollen“ einerseits und als „Nicht-sein-sollen“ andererseits beschreiben.384 Der Sphärenbegriff ist zwar zur Unrechtserfassung nicht zwingend erforderlich, ja er ist ein Stück weit gefährlich, wenn er missverstanden wird und zu einem gegenstandsbezogenen statt normativen Unrechtsverständnis führt. Trotz dieser Gefahr kann er dennoch dienlich sein. So schrieb Amelung dem Rechtsgutsbegriff auch die Funktion einer Skalierung des Unrechts zu. Das Gewicht des Unrechts lässt sich mit dem Begriff der Sphäre besser abbilden; zumindest wenn hierfür ein weiterer Gedanke aus dem Verfassungsrecht in terminologischer Hinsicht fruchtbar gemacht wird, nämlich den der Sphären383  Gallas, 384  Gallas,

Rn.  48, 56 f.

Bockelmann-FS, S. 155, 163. Bockelmann-FS, S. 155, 162; siehe auch Eisele, Sch / Sch, Vor § 13



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht185

theorie.385 Nach diesem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kon­ strukt ist zwischen Intim-, Persönlichkeits- und Öffentlichkeitsphäre zu unterscheiden. Eine solche verfassungsrechtliche Systematik muss nicht eins zu eins auf das Strafrecht übertragen werden; doch den dahinter stehenden Gedanke heranzuziehen, kann sich lohnen. Das Gewicht vom Eingriff hängt von der geschützten Sphäre, von ihrer Bedeutung für den betroffenen Inhaber ab. Wer die Delikte nach solchen verschiedenen Sphäreneingriffen strukturiert, dem fällt es leichter die Bedeutung zu erfassen, die der jeweilige Inhaber einem Eingriff beimisst. Wenn etwa erneut der Hausfriedensbruch betrachtet wird, dann fällt bei der Auslegung des Tatbestands ein unterschiedliches Schutzniveau auf, welches Wohn- und Geschäftsräumen zugesprochen wird.386 Dass das nicht widersprüchlich ist, ergibt sich – ohne an dieser Stelle in die breite Diskussion des Besonderen Teils einzusteigen – mit einem einfachen Blick auf die unterschiedlichen Schutzsphären: Während die Wohnung der Intim- und Privatsphäre zuzuordnen ist, bewegen sich Geschäftsräume – zumindest während der Öffnungszeiten – in einer Öffentlichkeitssphäre. Insofern erscheinen Eingriffe in letztere weniger gewichtig als in erstere, sodass es auch vertretbar erscheint, höhere Anforderung für eine Unrechtsrelevanz zu stellen. Und wenn einmal die behauptete Kommunikationserleichterung der Rechtsgutstheorie ins Gedächtnis gerufen wird, so fragt es sich, ob es wirklich dieses Dogmas bedarf, um sich etwa über das verschiedenartige Unrecht beim Hausfriedensbruch zu verständigen oder ob es nicht vielmehr einer Verständigung im Wege steht. Die Anschaulichkeit eines Sphärenverständnisses lässt sich auch für die kriminalpolitische Debatte gewinnbringend einsetzen: Es dürfte angesichts der Gewichtigkeit eines Eingriffs in die Intimsphäre, wie es etwa ein sexueller Übergriff darstellt, schwer zu begründen sein, warum ein solcher Eingriff trotz dieses Gewichts nur unter erhöhten, besonders gewichtigen Voraussetzungen unrechtsrelevant sein soll, nämlich nach alter Gesetzeslage nur bei Anwendung qualifizierter Nötigungsmittel. Wer sich hinter einem abstrakten Rechtsgutsbegriff versteckt, wie etwa dem Rechtsgut der sexuellen Selbst­ bestimmung, dem fällt es leicht davon zu sprechen, dass die Kehrseite der Selbstbestimmung auch die Selbstverantwortung ist und deshalb erhöhte Anforderungen für eine unrechtsrelevante Handlung gerechtfertigt sind. Wer jedoch den Blick für das Wesen dessen schärft, was ein solcher Eingriff in der Lebensrealität darstellt, nämlich den Eingriff in eine Sphäre, wie sie höchstpersönlicher, intimer und verletzlicher kaum sein kann, dem dürfte dazu Di Fabio, Maunz / Dürig, Art. 2 I GG Rn. 158 ff. zur diesbezüglichen Diskussion: Bernsmann, Jura 1981, 403, 409; Schall, Schutzfunktionen, S. 148; Schild, NStZ 1986, 346, 349. 385  Vgl. 386  Vgl.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

sich ein solcher Argumentationsweg wesentlich steiniger präsentieren. Die Abstraktheit des Rechtsgutsbegriffs steht einer solchen Einsicht eher im Wege. Wenn also Unrecht als Verletzung der Rechte anderer zwar normativ bestimmt wird, so ist es dennoch möglich, einerseits anschaulich das zu beschreiben, was als Unrecht in der Realität wahrgenommen wird, andererseits eine Skalierung der Unrechtsintensität vorzunehmen; jedenfalls in keinem geringeren Maße als die bisherigen Rechtsgutstheorien.

III. Einordnung der Schutzaufgabe in den Deliktsaufbau Damit ist das grundlegende terminologische Fundament beinahe vollständig errichtet. Eine letzte Frage bleibt noch zu klären: An welcher Stelle im Deliktsaufbau erlangt das Unrecht, also die Verletzung der Rechte einer Person, Relevanz? Wenn sich die Arbeit an den herkömmlichen dreistufigen Deliktsaufbau hält,387 dann kommen dafür nur die Ebenen von Tatbestand und Rechtswidrigkeit in Betracht. Das Problem erwächst nun daraus, dass es zwar allgemein anerkannt ist, in einem Geschehen kein Unrecht zu sehen, wenn zugleich für das Geschehen ein Rechtfertigungsgrund eingreift, dass es aber ungeklärt ist, in welchem Verhältnis dieses Geschehen zur Rechtfertigung steht. Dieses Problem erkannte schon Schmidhäuser in einem Beitrag zum Unrechtstatbestand. Um die Frage nach der Rechtfertigung überhaupt erst zu stellen, müsse zunächst einmal ein Geschehen vorliegen, dass diese Frage auszulösen vermöge. Und wie beide Momente miteinander verknüpft seien, also „des die Frage auslösenden und des rechtfertigenden Geschehens“, das „ist durchaus ungeklärt“.388 1. Wertungs- und Unrechtsrelevanz des Tatbestands Die Schwierigkeit folgt auch daraus, dass es überhaupt eines Begriffs vom Tatbestand bedarf. Der Begriff des Tatbestands wird in vielerlei Funktion in der Strafrechtswissenschaft verwendet,389 die Arbeit interessiert sich vorlie387  Eisele, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 8 Rn. 1 ff.; ders., Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 15; Frister, AT, § 7 Rn. 8 ff.; Kühl, AT, § 1 Rn. 22 ff.; ders., Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 6, 17; Murmann, AT, § 12 Rn. 1 ff.; Roxin, AT I § 10 Rn. 16 ff.; Weber, Baumann / Weber / Mitsch, AT, 11. Aufl., § 12 Rn. 1 ff. 388  Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433, 434 f. 389  Vgl. zur Unterscheidung verschiedener Tatbestandsbegriffe: Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 43 / 44; Jakobs, AT, 6 / 53; Roxin, AT I, § 10 Rn. 1 ff.; Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433, 434; Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40; ders., Kern des Strafrechts, S.  61 f.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht187

gend jedoch nur für deren dogmatischen und systematischen Aspekte. Was ist in diesem Sinne unter Tatbestand zu verstehen und in welchem Verhältnis steht er zum Unrecht? Schon Armin Kaufmann stellte fest: „die Tatbestandsverwirklichung ist ein Element des Unrechts“.390 Genauso Roxin: „Die Tatbestandserfüllung ist […] stets Unrecht.“391 Und den Zweck des Tatbestands umschreibt Roxin mit dem Schlagwort „Eingriffsschutz“: Aus der Persönlichkeitsautonomie folge das „zentrale Recht auf den Schutz der Körper- und Eigentumssphäre“.392 Und Stratenwerth: „Es gibt kein strafrechtliches Unrecht ohne Tatbestand.“393 Der von Beling eingeführte Begriff des Tatbestands wird damit von der neueren Strafrechtsliteratur entgegen der Ansicht seines Schöpfers nicht mehr wertfrei verstanden.394 Im Tatbestand liegt nach der überwiegenden Ansicht eine „erste Wertungsstufe“395, ein „vorläufiges Unrechtsurteil“396, der „Kern des Unrechts“397, die „ratio essendi […] für die Zugehörigkeit der Tat zum Unrechtstypus“398 bzw. ist „typisiertes Unrecht“399. Für ein endgültiges Unrechtsurteil sei dann ein zweiter Schritt auf die Ebene der Rechtswidrigkeit erforderlich, bei welchem ein Unrechtsausschluss aufgrund eines Rechtfertigungsgrunds geprüft werde.400 Das ist nicht unumstritten. Es gibt eine starke Ansicht – Walter sieht sie sogar als herrschend an401 –, die im Tatbestand keine Wertungsstufe 390  Armin Kaufmann, Welzel-FS, S. 393, 394, der als Vertreter der streng-monistischen Unrechtslehre konsequent feststellt: „Tatbestandsvertypung ist Handlungsumschreibung“, S. 396. 391  Roxin, Offene Tatbestände, S. 181. 392  Roxin, Amelung-FS, S. 269, 282. 393  Stratenwerth, Schaffstein-FS, S. 177, 180. 394  Duttge, Schroeder-FS, S. 179, 185 ff.; Eisele, Strätz-FS, S. 163, 174 f.; Puppe, GA 2003, 764, 770; Roxin, AT I, § 10 Rn. 10; Schlehofer, Puppe-FS, S. 953, 960 ff.; Sowoda, NStZ 2012, 1, 9. Widersprüchlich Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 67: Der Tatbestand könne zwar nicht als wertfreies Gebilde angesehen werden, bilde aber auch „keine eigenständige, strafrechtlich relevante Bewertungsstufe“; wahrscheinlich ist das entscheidende Wort in seiner Ausführung die „Eigenständigkeit“, er spielt darauf an, dass Tatbestand und Rechtswidrigkeit eine „Funktionseinheit“ (S. 68) bzw. „normative Bewertungseinheit“ (S. 70) bilden. Vgl. noch zur Auffassung von Beling, Verbrechen, S. 112, 145, 147, 150. 395  Kühl, AT, § 3 Rn. 1; so auch Braun-Hülsmann, Einwilligung, S. 130. 396  Schmidhäuser, Lackner-FS, S. 77, 78; Roxin, AT I, § 10 Rn. 12. 397  Rönnau, Willensmängel, S. 118 m. w. N. in Fn. 382. 398  Gallas, ZStW 1955, 1, 23 m. Fn. 53a. 399  Murmann, AT, § 12 Rn. 7. 400  Jakobs, AT, 6 / 59; Kühl, AT, § 3 Rn. 2; Roxin, AT I, § 10 Rn. 13. 401  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 41. So auch die Einschätzung von Menrath, Einwilligung, S. 50: Die Erfüllung des Tatbestandes habe „noch keine eigenständige Bedeutung für das schlussendliche Unrechtsurteil“, so werde es „in der modernen Strafrechtslehre mehrheitlich praktiziert“. Deswegen kann man seiner Ansicht auch

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sieht.402 „Der entscheidende Sprung eines Verhaltens ist nicht der in der Tatbestandsmäßigkeit, sondern der in der Rechtswidrigkeit.“403 Aber warum das Strafrecht zum Sprung erst auf der Rechtswidrigkeit ansetzt und wohin es eigentlich springt, warum es überhaupt springt und nicht etwa Schritt für Schritt voranschreitet, das erklärt er nicht. Ebenso wenig klärt er den Widerspruch auf, der sich daraus ergibt, dass die Aufgabe des Tatbestands darin bestehe, „Unrecht zu vertypen“.404 Denn wenn im Tatbestand schon das Unrecht beschrieben wird, liegt darin keine Wertung? Das dürfte die eigentliche Frage sein; und es hat den Anschein, dass die Wissenschaft daran vorbei diskutiert. Wer in Frage stellen will, dass der Tatbestand eine eigene Wertungsstufe im Deliktsaufbau darstellt, der muss zunächst klarstellen, welches Verständnis von „Wertung“ zugrunde gelegt wird. Die Notwendigkeit einer solchen Klärung legt Walter offen: Er weigert sich den Tatbestand als Wertungsstufe anzuerkennen, schiebt die Wertung allein der Rechtswidrigkeit zu, aber zugleich sieht er im Tatbestand das Unrecht als vertypt an. Die Schwierigkeit das Verhältnis zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit zu bestimmen, erwächst vor allem daraus, dass beide in einem engen Zusammenhang zum Unrechtsbegriff stehen. Wenn aber die Rechtswidrigkeit eine Wertungsstufe ist und für das Unrecht von Bedeutung ist, dann liegt es nahe, dem Tatbestand, sofern er von Unrechtsrelevanz ist, ebenfalls eine Wertung zuzusprechen. Eine solche Schlussfolgerung versucht Walter dadurch zu umgehen, dass er bei der Unrechtsvertypung auf Tatbestandsebene nur von einer „methodischen – dann auch: didaktischen – Regelhaftigkeit“ ausgeht, der Tatbestand gebe nicht mehr vor „als einen frühen gedanklichen Schritt bei der Anwendung des materiellen Strafrechts“, das sei damit „losgelöst von statistischen nicht sagen, dass „ein Einverstandensein mit der Einwirkung auf eigene Güter auch bereits typischerweise keine Rechtsgutsverletzung und damit kein Unrecht zur Folge“ habe. Besser wäre es „die ausfilternde Funktion des Tatbestandes nach einem Regel- / Ausnahme-Prinzip möglichst umfassend zu betonen“. 402  Rinck, Deliktsaufbau S. 88 ff.; Schünemann, GA 1985, 341, 349; Walter, LKStGB, Vor § 13 Rn. 41; Wolter, Zurechnung, S. 143 f. Widersprüchlich dagegen Eisele, Sch / Sch, Vor § 13, der zunächst von „zwei Wertungsvorgängen“ (Rn. 18) ausgeht, aber dann im Tatbestand keine materielle Wertkategorie sehen will (Rn. 45). 403  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 41. 404  Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 41; ders., Kern des Strafrechts, S. 63. Dem Tatbestand die Funktion einer „Unrechtsvertypung“ zuzuschreiben, ist eine in der Strafrechtslehre sehr gebräuchliche Formulierung geworden, vgl. etwa: Murmann, AT, § 12 Rn. 7, § 14 Rn. 1; Rönnau, Willensmängel, S. 40; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 64; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 7 Rn. 4 ff.; Wolter, Zurechnung, S. 38. Vgl. auch Menrath, Einwilligung, S. 50, der nur die Bedeutung des Tatbestands für ein endgültiges Unrechtsurteil ablehnt, aber nicht klar herausarbeitet, ob das auch für die Typisierung von Unrecht gilt.



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Betrachtungen“.405 Es fragt sich, in welchem Zusammenhang die von ihm angesprochene Vertypung, Regelhaftigkeit, Statistik – und später auch noch Sozialadäquanz – zur Frage steht, ob der Tatbestand eine Wertungsstufe darstellt. Regelhaftigkeit, Üblichkeit und Statistik erscheinen Fragen der Empirie. Aber wie verträgt sich das mit dem von Walter hergestellten Zusammenhang zum Unrechtsbegriff? Die eigentliche Frage ist nicht, ob der Tatbestand eine Wertungsstufe darstellt, sondern präziser müsste die Frage dahingehend formuliert werden, ob die Festlegung als Unrecht – und sei es nur „typisierend“ – eine Wertung darstellt. Wenn ja, so enthält der Tatbestand ebenfalls eine Wertung, sofern in ihm das Unrecht enthalten ist – was Walter annimmt. Es lässt sich nun aber schwerlich begründen, dass die Festschreibung eines Sachverhaltes als Unrecht wertungsneutral wäre. Einer solchen Festschreibung muss eine negative Wertung zugrunde liegen, soll der Unrechtsbegriff nicht sinnentleert werden. Walter muss also, wenn er dem Tatbestand Unrechtsrelevanz zumisst, von einer ersten Wertungsstufe des Tatbestands ausgehen. Und das gilt selbstverständlich für jeden anderen Autoren, der dem Tatbestand eine Unrechtsrelevanz beimisst. Wie schwer ein wertungsneutraler Unrechtsbegriff zu konstruieren wäre, das verdeutlichen Walters Ausführungen dazu, inwiefern der Tatbestand eigentlich Unrecht vertypt. Der Typus bestimme sich nicht nach seiner „Häufigkeit“, sondern nach seiner „Urbild-Funktion“, die darin bestehe, „das Urbild eines Übels zu zeichnen“. Untersage das Gesetz ein bestimmtes Verhalten, „dann verkörpert dieses Gesetz typisches Unrecht“, es zeichne „das ­Urbild eines Übels“. Bestimmte Umstände – Walter nennt als Beispiel das Einverständnis – könnten ein Übel „erträglich oder vernünftig (Haft) machen, aber nie gut“. Walter versucht das zu verdeutlichen anhand eines Masochisten, der durch Ankettung Lust gewinne, der aber – so jedenfalls die Einschätzung Walters – auf die Ankettung verzichten würde, könnte er sich die Lust auch anders verschaffen, denn „hätte man das Gute, wenn dies nur ginge, lieber ohne das Übel“. Das Übel verliere nie diese Eigenschaft, nämlich ein Übel und nichts Gutes zu sein.406 Wer sich in einer Dichotomie zwischen Übel und Gut verstrickt, wer sogar soweit geht, dass alles, was der Straftatbestand erfasse, etwas Übles wäre und diese Eigenschaft nie verlieren könnte, der kann schwerlich versuchen zu behaupten, solche Aussagen wären nicht durch wertende Elemente geprägt. Vielmehr scheint doch die Etikettierung eines Sachverhalts als gut, nicht gut oder „übel“ die Königin aller Wertungen zu sein. Wenn man im Tatbestand also die Umschreibung von Unrecht erkennt, dann enthält der Tatbestand notwendig eine Wertung. Eine andere Frage ist 405  Walter, 406  Walter,

LK-StGB, Vor § 13 Rn. 41. Kern des Strafrechts, S. 63.

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jedoch, ob dem Tatbestand wirklich eine solche Unrechtsrelevanz zukommt. Wer die Stellungnahmen aus der strafrechtlichen Literatur dazu betrachtet, kann einen gewissen Grad an Unsicherheit hierüber erkennen. Dass mit dem Tatbestand ein Unrechtstypus festgelegt wird, scheint jedoch allgemein anerkannt. So meint Eisele, dass Gesetz gehe bei der Umschreibung deliktischen Verhaltens in den Tatbeständen zunächst von bestimmten „Leitbildern“ oder „Deliktstypen“ aus.407 Er macht dann jedoch eine kleine Einschränkung: „sofern“ diese durch Unrechtsmerkmale geprägt würden, sei der Tatbestand „Unrechtstypus“ in dem Sinne, dass er die Umstände zusammenfasse, die für das Unrecht einer bestimmten Deliktsart spezifisch seien.408 Das kann nur so verstanden werden, dass im Tatbestand nicht in jedem Fall, sondern nur in bestimmten Fällen – wenn man nämlich „sofern“ im Sinne von „im Falle dass“ versteht – der Deliktstypus auch Unrechtstypus ist. Es müsste danach also Strafgesetze geben, in denen der Gesetzgeber zwar ein Delikt bestimmt hat, aber ohne dabei zugleich Unrecht festgelegt zu haben. Delikte ohne Unrecht also. Dass es die gibt, belegt Eisele nicht und da sich deren Existenz auch der Erkenntnis der Arbeit verschließt, liegt die Vermutung näher, dass der Tatbestand stets als Unrechtstypus aufzufassen ist. Beispielhaft Jescheck / Weigend: Im Tatbestand sind alle Merkmale aufzunehmen, die den „materiellen Unrechtsgehalt der Straftat begründen“409. In diesem Sinne versteht auch Roxin den Begriff vom „Deliktstypus“ als die „jeweils deliktsspezifischen Unrechtsmerkmale“.410 2. Verhältnis von Unrecht zu Tatbestand und Rechtswidrigkeit Das Problem der Strafrechtswissenschaft ergibt sich eigentlich gar nicht so sehr aus dem Begriff des Unrechts und auch nicht aus dem des Tatbestands, sondern vielmehr aus deren Verhältnis zur Rechtswidrigkeit. Wenn ein und derselbe zentrale Begriff für zwei verschiedene Ebenen relevant ist, können diese zwei Ebenen dann überhaupt noch Eigenständigkeit für sich beanspruchen? Mit einer Verneinung dieser Frage wäre der dreistufige Deliktsaufbau nicht mehr zu halten. Und diese Konsequenz scheint auch die Wissenschaft erkannt zu haben und daher bestrebt zu sein, sie zu vermeiden. So sieht Eisele Rechtswidrigkeit und Schuld als die „maßgeblichen Wertkategorien“ an 407  Unter Anschluss an: Gallas ZStW 1955, 1, 17, 27 ff.; Jescheck / Weigend, AT, S.  244 ff.; Kühl, Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 17; Roxin, AT I, § 10 Rn. 19; Wolter, Zurechnung, S.  144 f. 408  Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 17. 409  Jescheck / Weigend, AT, S. 245. An anderer Stelle wird der Tatbestand als die „Zusammenfassung der den Unrechtsgehalt der betreffenden Deliktsart begründenden Merkmale“ definiert, S. 256. 410  Roxin, AT I, § 10 Rn. 19.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht191

und erkennt im Tatbestand „demgegenüber […] keine selbstständige, zusätzlich zu Unrecht und Schuld hinzutretende Verbrechenseigenschaft, sondern lediglich eine Erscheinungsform schuldhaften Unrechts“.411 Das aber bedeutet nichts anderes als eine unzulässige Gleichsetzung von Unrecht und Rechtswidrigkeit. Eisele spricht stets inhaltlich gleichbleibend von Schuld, wechselt aber zwischen den Begriffen Rechtswidrigkeit und Unrecht hin und her, schreibt diesen anscheinend den gleichen Inhalt zu.412 Das verkennt einen wesentlichen Unterschied der Begriffe, der in der Absolutheit einerseits und in der Relativität andererseits liegt. Während es größeres und kleineres Unrecht in qualitativer und quantitativer Hinsicht gibt, kann es stets nur eine Form von Rechtswidrigkeit geben: Entweder ist ein Verhalten rechtswidrig oder nicht, aber es gibt kein mehr oder weniger starkes rechtswidriges Verhalten; das Rechtswidrigkeitsurteil lässt keine Skalierungen oder Differenzierungen zu.413 Wenn es also um das Verhältnis zwischen Rechtswidrigkeit und Unrecht geht, dann ist festzuhalten: Es besteht keine Identität.414 Wenn die Rechtswidrigkeit nicht das Unrecht ist, kann sie es auch logischerweise nicht begründen. Es besteht zwar ein Zusammenhang, aber keine Identität beider Begriffe, weshalb Unrecht mehr voraussetzt als die bloße Rechtswidrigkeit. Aber es lässt sich auch festhalten: Es kann kein Unrecht ohne Rechtswidrigkeit geben. Wenn die Rechtswidrigkeit also infolge eines Rechtfertigungsgrundes ausgeschlossen ist, dann ist auch das Unrecht ausgeschlossen. Daher lässt sich das Verhältnis zwischen Rechtswidrigkeit und Unrecht am besten über diesen Aspekt begreifen: Das Nicht-Vorliegen der Rechtswidrigkeit, also das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, ist ein Unrechtsausschließungsgrund. Und hierin liegt auch der Kern der Lösung verborgen: Denn wenn umgekehrt das Vorliegen der Rechtswidrigkeit und damit das Vorliegen von Unrecht voraussetzt, dass ein Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt, dann stellt sich die Frage, wo das Unrecht liegen soll, wenn doch die Rechtswidrigkeit nichts weiter voraussetzt als das, was bereits vorliegt. Und das, was bereits vorliegt, kann nur der Tatbestand selbst sein!

411  Eisele,

Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 45. Annahme bestätigt sich zunächst in Sch / Sch, Vor § 13 Rn. Rn. 46, wo Eisele beständig die Formulierung „rechtswidrig bzw. Unrecht“ verwendet. 413  So zwar an späterer Stelle schließlich auch Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 51, aber inkonsequent in seiner vorhergehenden Darstellung. 414  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 11; Jescheck / Weigend, AT, S. 233; Kühl, Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 18; Lenckner, Sch / Sch, 26. Aufl., Vor §§ 13 ff. Rn. 51; Roxin, AT I, § 14 Rn. 3; Walter, Kern des Strafrechts, S. 81. 412  Diese

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

Das ist eine Argumentation, wie sie bereits bei Reinhard Frank im Jahre 1907 anklang:415 „wenn ein Gesetz an eine Handlung, d. h. an eine Summe von Tatumständen, die zusammen einen Tatbestand bilden, eine Strafdrohung knüpft, so findet diese Anwendung, sobald die in ihm (dem Gesetz) bezeichnete Handlung gegeben ist. Denn sie ist mir ihrem Vorliegen eine rechtswidrige, ohne daß ein Plus hinzutreten brauchte, das man – Gott weiß woher! – zu nehmen hätte. Kommt aber von anderer Seite etwas, nämlich ein Rechtssatz, der unter besonderen Umständen die Rechtswidrigkeit beseitigt, so hebt diese Beseitigung, […] den Deliktsbegriff (den Tatbestand) auf.“

Schmidhäuser entfaltete 1969 diese Argunemtation in prägnanteren Worten: Das Fehlen der Rechtswidrigkeit setze einen zusätzlichen Sachverhalt voraus, etwa eine Notwehrlage innerhalb deren erlaubter Grenzen gehandelt wird, „wogegen das Gegebensein der Rechtswidrigkeit bei gegebener Tatbestandsmäßigkeit nichts weiter als den damit schon beschriebenen Sachverhalt voraussetzt, denn das notwendige Fehlen eines Unrechtsausschließungsgrundes besagt ja gerade, daß kein weiterer Sachverhalt zu dem der Tatbestandsmäßigkeit hinzukommt“. Es bleibe somit letztlich die „Frage, woher denn die Rechtswidrigkeit des Verbrechens kommen soll, wenn sie nicht schon im tatbestandlich geschilderten Geschehen steckt“. Es könne ja zugleich auch kein weiteres, die Rechtswidrigkeit begründendes Geschehen sein und es dürfe auch kein weiteres, die Rechtswidrigkeit ausschließendes Geschehen hinzukommen.416 Und Schmidhäuser fragt zurecht: „Wenn gar kein Unwert da wäre, warum fragte man dann überhaupt nach einer Rechtfertigung?“417 Und deshalb sei eine „Materialisierung des Unrechtstatbestands“ erforderlich, in dem der „Unwert zunächst einmal ohne den Hinweis auf das Fehlen einer Rechtfertigung, also für sich schon ‚positiv‘ begründet sein muß“, und zwar „nicht nur formal“, sondern durch „Herausholen der materialen Gehalte“. Denn für eine Rechtfertigung könne „nur ein Geschehen in Betracht kommen, das überhaupt der Rechtfertigung bedarf, also für sich schon einen Unwert enthält“.418 Und auch mit der Rede von der Indizwirkung der Tatbestandsmäßigkeit für die Rechtswidrigkeit habe es wenig Gehaltvolles auf sich, denn „die Tatsache, daß ein dem Tatbestand entsprechendes Geschehen vorliegt, ist kein Indiz dafür, daß kein dem Rechtfertigungsgrund entsprechendes Geschehen gegeben ist“.419 415  Frank,

Gießen-FS, S. 519, 535 f. Engisch-FS, S. 433, 436. 417  Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433, 438 f.; so auch: Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 68. 418  Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433, 441. 419  Schmidhäuser, Lackner-FS, S. 77, 81: Es handele sich bei der „Rede vom Indiz“ um ein „verfehlendes Spiel ohne Erkenntniswert“. 416  Schmidhäuser,



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht193

Was gilt aber für das Verhältnis zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit? Die Selbstständigkeit des Tatbestands im dreistufigen Deliktsaufbau wird stets betont, aber es bestehen gewisse Zweifel, wie sie begründet und aufrecht erhalten werden kann.420 Es hat den Anschein, dass die Eigenständigkeit dadurch zu gewinnen versucht wird, dass die Bedeutung des Tatbestands heruntergespielt und der Unterschied der Ebenen in der Gegenüberstellung „Wertungsstufe: Ja versus Nein“ gesucht wird. Eine solche Dichotomie hilft nicht nur nicht weiter, sondern führt zu gekünstelten Konstruktionen. Denn konsequent angewendet, müsste eine solche Sichtweise dazu führen, dass etwa die Tötung eines Menschen ihre negative Wertung nicht durch die Tötung selbst, sondern durch das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen erhalten würde. Wenn am Unrechtsbegriff festgehalten werden soll, müsste das Unrecht allein auf die Ebene der Rechtswidrigkeit verlagert werden. Mehr noch: Es wäre die eben abgelehnte Gleichsetzung von Unrecht und Rechtswidrigkeit erforderlich. Bei einer solchen Gleichsetzung und einer zeitgleichen Entleerung des Tatbestands um die Unrechtskomponente hätte der Tatbestand keine andere Funktion als eine Prüfung der Rechtswidrigkeit zu ermöglichen. Plastisch ausgedrückt: Der Tatbestand wäre der bloße Türöffner für die Rechtswidrigkeit.421 Ein solches Verständnis steht in Widerspruch zu jedwedem Gesichtspunkt, der in Betracht zu ziehen ist. Es spricht schon allein das Sprachempfinden dafür, das Vorliegen von Unrecht positiv zu begründen und nicht allein von der negativen Voraussetzung der Abwesenheit von Rechtfertigungsvoraussetzungen abhängig zu machen. Es anders zu betrachten, widerspricht der Lebensrealität: Die Gesellschaft sieht die Tat an sich als Übel an, also die Tötung, die Beleidung, die Wegnahme der Sache etc., nicht dass die Tat ohne Vorliegen rechtfertigender Umstände erfolgt. Es widerspricht auch der Dogmatik: Denn das Unrecht wird in der Verletzung von Rechtsgütern – oder nach Ansicht der Arbeit: von Rechten – gesehen. Rechtsgüter werden aber nicht erst durch das Nichtvorliegen rechtfertigender Tatsachen verletzt, sondern durch die Taten an sich! Es widerspricht auch den kriminalpolitischen Debatten der Gesellschaft: Diskutiert wird über Reformierungen, Neu- und Abschaf420  Nach Roxin hat die Einsicht der Normativität des Tatbestand zur Frage nach dessen Selbständigkeit gegenüber den anderen Ebenen geführt, AT I, § 10 Rn. 12. 421  Um im Bild zu bleiben, wäre der Begriff „Türsteher“ dann schon nicht mehr korrekt: Denn der Türsteher trifft aufgrund seiner eigenen Wertung die Entscheidung, wer in die Einrichtung eintreten darf, deren Zugang er bewacht. Die Entscheidung mag auf Vorgaben des Betreibers der Einrichtung beruhen; das ändert aber nichts daran, dass die Entscheidung eine Wertungsfrage ist. Ob der Eintretende in der Einrichtung bleiben darf, diese Entscheidung hängt wiederum von anderen Faktoren ab und ist erneute Wertungsfrage, aber eine von anderen Verantwortungsträgern zu treffende.

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Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

fungen von Tatbeständen, nicht von Rechtfertigungsgründen. Das Echauffieren gesellschaftlicher Akteure über wahlweise Neu- oder Entkriminalisierungen bestimmter Verhaltensweisen stünde in Widerspruch zu deren strafrecht­ licher Bedeutung, wäre der Tatbestand so wertungsneutral wie behauptet. Um schließlich zu keinen dogmatischen Widersprüchen zu führen, dürfte eine solche Sichtweise Rechtfertigungsgründe nicht als Ausschlussgründe des Unrechts, sondern als Entstehungshindernisse von Unrecht verstehen. Wenn jedoch die Wirkung von Rechtfertigungsgründen im Unrechtsausschluss gesehen wird, dann ist eine zweistufige Unrechtsprüfung – und damit eine zweistufige Wertung – letztlich das zwingende Ergebnis einer logischen Schlussfolgerung. Die Rechtfertigungsebene kann nur dann das Unrecht ausschließen, wenn jenes Unrecht überhaupt erst begründet worden ist, sodass die Ebene der Unrechtsbegründung vorgeschaltet sein muss. Fehlt es aber an einem Rechtfertigungsgrund, so begründet nicht erst jenes Fehlen das Unrecht, sondern der Tatbestand selbst. Oder um es mit Jakobs auszudrücken: „[Es] ist der verwirklichte Tatbestand im Fall des Fehlens von Rechtfertigungsgründen das Unrecht.“422 Anderenfalls könnte auch nicht erklärt werden, wie das Vorliegen von Rechtfertigungsvoraussetzungen das Unrecht ausschließen soll. Denn das Unrecht wäre gar nicht zum Entstehen gelangt; und wo nichts ist, dort kann auch nichts ausgeschlossen werden. Es bliebe also als einzige Alternative, Rechtfertigungsgründe nicht als Unrechtsausschließungsgründe, sondern als Unrechtsentstehungshindernisse zu verstehen. Dann entsteht Unrecht erst durch das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen. Die Tötung eines Menschen, das Abbrennen eines Hauses, das Einsperren eines Menschen, all das müsste dann wertungsmäßig neutral sein und würde seinen Unrechtscharakter erst aus dem Nichtvorliegen eines Rechtfertigungsgrundes gewinnen. Ein theoretisch begründbares, aber absurdes Strafrechts- und Unrechtsverständnis, bei welchem auch nicht erkennbar ist, welcher Mehrwert dadurch für die Dogmatik erzielt werden kann. Ein Mehrwert besteht jedenfalls nicht in der Eigenständigkeit der Ebenen von Tatbestand und Rechtswidrigkeit. Denn daran können trotz des mit dem Unrecht gemeinsamen Anknüpfungspunkts keine Zweifel bestehen. Dass manche Vertreter der Strafrechtswissenschaft sich darüber sorgen, dürfte vielleicht auch der typisch deutschen Angewohnheit geschuldet sein, sich vor allem auf Substantive zu konzentrieren.423 Dabei übersieht man leicht, welche entscheidende Bedeutung zwei verschiedene Verben trotz gemeinsamen 422  Jakobs, AT, 6 / 53, 66: Die Verwirklichung des Tatbestands ist die „einzige posi­ tive Unrechtsvoraussetzung“. 423  Insbesondere die deutsche Amtssprache ist in der Lage ganze Sätze nur mit Substantiven und Substantivierungen – als würde ein Verb mehr Schönheit im sub­ stantivierten Gewande ausstrahlen – zu konstruieren.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht195

Substantivs haben können: Die Ebene des Tatbestands begründet das Unrecht, dagegen wird das Unrecht auf der Ebene der Rechtswidrigkeit entweder aufrechterhalten oder – sofern Rechtfertigungsgründe vorliegen – ausgeschlossen. Um es in einem Bild auszudrücken: Das Unrecht ist der Anker im Strafrecht, der Tatbestand wirft diesen Anker aus, die Ebene der Rechtswidrigkeit zieht den Anker im Einzelfall wieder ein oder belässt ihn, wo er ist. Es ist die Tätigkeit, die die jeweils eigenständige Funktion jeder Ebene bestimmt. 3. Zusammenfassung Wenn in der Arbeit damit vom Tatbestand gesprochen wird, so im Sinne von „Unrechtstatbestand“.424 Der Tatbestand umfasst die das Unrecht einer Tat charakterisierenden Merkmale. Er beschreibt die Umstände, die das tatund täterbezogene Handlungs- und Erfolgsunrecht des jeweiligen Deliktstypus begründen.425 Systematisch ist der Begriff insoweit, als dass durch die Nennung des spezifischen Unrechtsgehalts einer bestimmten Deliktsart eine Abgrenzung zu anderen Deliktsarten möglich ist.426 Liegt der gesetzliche Tatbestand vor, dann ist Unrecht begründet; und einer solchen Unrechtsbegründung liegt eine gesetzgeberische Wertung zugrunde. Genauso wie es auch eine Wertungsfrage ist, das Unrecht beim Eingreifen rechtfertigender Umstände auszuschließen – wie eben auf Rechtswidrigkeitsebene. Damit ist auch klar, dass der Unrechtstatbestand nicht mit dem Begriff des Unrechts identisch ist.427 Denn sein Vorliegen besagt nur, dass Unrecht begründet ist, trifft aber kein endgültiges Urteil über das Vorliegen von Unrecht.428 Für eine endgültige Bewertung ist die Rechtswidrigkeit und deren Frage nach Unrechtsausschließungsgründen erforderlich.429 Ebenso wenig darf aber Unrecht mit Rechtswidrigkeit verwechselt werden: Während das Unrecht relativ auch Kientzy, Einwilligung, S. 83 f. SK-StGB, Vor § 1 Rn. 56. 426  Zu diesem systematischen Aspekt: Eisele, Sch / Sch, Vor § 13 Rn. 43 / 44. 427  Roxin, AT I, § 10 Rn. 23. Siehe auch Jakobs, AT, 6 / 51, der die fehlende Identität mittels Vergleiches zwischen einer Handlung, die nicht die Merkmale einer Unrechtshandlung aufweist, und einer solchen, die zwar diese Merkmale aufweist, aber gerechtfertigt ist, begründet. 428  So stellt dann auch Menrath, Einwilligung, S. 52 fest, dass ein „abschließendes Unrechtsurteil […] mit dem Befund der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens nicht gefällt“ werde. Als hätte das irgendjemand jemals behauptet! Wer das als Ergebnis seiner Diskussion feststellt, verdeutlicht nur, wie sehr er am Thema vorbei diskutiert hat. 429  Ob deshalb von einem „Gesamt-Unrechtstatbestand“ gesprochen werden sollte – wie bei Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 59 –, erscheint angesichts der Nähe zur Lehre der negativen Tatbestandsmerkmale – bei Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 180 424  So

425  Jäger,

196

Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses

ist, es also höheres und geringeres Unrecht gibt, ist die Rechtwidrigkeit absolut, d. h. entweder ist ein Verhalten rechtswidrig oder nicht, aber Formen gesteigerter oder geringerer Rechtswidrigkeit gibt es nicht.430 Gleiches gilt für den Tatbestand: Entweder ein Verhalten ist tatbestandsmäßig oder nicht, aber es gibt kein mehr oder weniger tatbestandsmäßiges Verhalten – freilich kann es jedoch einem qualifizierenden oder privilegierenden Tatbestand unterfallen, aber auch wieder nur absolut. Für das Verhältnis zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit ist es damit entscheidend, den wichtigen gemeinsamen Anknüpfungspunkt zu erkennen: Das Unrecht. Trotz dieser Gemeinsamkeit sind beide Ebenen voneinander zu unterscheiden, denn beide betrachten das Unrecht jeweils von zwei verschiedenen Standpunkten: Einerseits einem positiven auf Seiten des Tatbestands, der das Unrecht begründet, und andererseits einem negativen auf Seiten der Rechtswidrigkeit, die das Unrecht ausschließen kann.431 Damit kann ein Unrechtsurteil erst auf der Grundlage beider Ebenen getroffen werden.432 Es lässt sich also nicht sagen, der Tatbestand treffe das Unrechtsurteil allein. Daraus aber zu schließen, der Tatbestand wäre mangels Unrechtsurteils im Deliktsaufbau eine neutrale Zone, würde verkennen, dass der Tatbestand durch das Aufstellen der das Unrechtsurteil begründenden Merkmale der jeweiligen Deliktsart eine negative Wertung der geregelten Verhaltensweise trifft, nur eben noch nicht endgültig. Aber ebenso wenig wie der Tatbestand trifft auch die Rechtswidrigkeit das Unrechtsurteil allein, denn diese enthält nur die Wertung, dass ein Verhalten nicht in Einklang mir der Rechtsordnung und ihren Prinzipien steht. Tatbestand und Rechtswidrigkeit treffen vielmehr zusammen das Unrechtsurteil, und jenes Zusammenspiel zwischen Tatbestand und Rechtwidrigkeit in Bezug auf das Unrecht entspricht dem Verständnis der Arbeit.433 erfolgt sogar eine Gleichsetzung – zweifelhaft. Vgl. dazu Walter, LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40. 430  Jescheck / Weigend unterscheiden ähnlich zwischen materieller und formeller Rechtswidrigkeit, wobei erstere das Unrecht ist, AT, S. 233 f. 431  So auch Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433, 452 und ders., Lackner-FS, S. 77, 78, 90. Der einzige Unterschied besteht darin, dass dort von einer tatbestandlichen Rechtsgutsverletzung zur Unrechtsbegründung ausgegangen wird. Die Gegenüberstellung von Begründung und Ausschluss, Positivität und Negativität, haben auch Jakobs, AT, 6 / 51 und Roxin, AT I, § 10 Rn. 20 herausgearbeitet. Wolter, Zurechnung, S. 38 bezeichnet die Rechtfertigungsgründe recht anschaulich als „negatives Spiegelbild“ der Unrechtsbegründung. 432  Auf den Unterschied zwischen vorläufigem und vollständigem Unrecht geht auch Murmann, Puppe-FS, S. 767, 776 m. Fn. 46 ein. 433  Wenn im Strafgesetzbuch in den §§ 26, 27 StGB von „vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat“ die Rede ist, dann ließe sich die gesetzliche Umschreibung nach dem Verständnis dieser Arbeit durch die Formulierung „unrechtmäßiger Tat“ ersetzen.



§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht197

Es bleibt nur noch zu klären, wie sich der doppelt dualistische Unrechtsbegriff – Handlung und Erfolg einerseits, tatbezogen und täterbezogen andererseits – zum Tatbestand verhält. Zumindest was den Objektiv-SubjektivDualismus betrifft, ist die Frage einfach zu beantworten: Diesem Aspekt trägt die Tatbestandslehre durch die Einteilung in objektive und subjektive Tatbestandsmäßigkeit, also dem Vorliegen objektiver und subjektiver Merkmale Rechnung.434 Für den richtig verstandenen Handlung-Erfolg-Dualismus – also das Bewirken eines rechtseingreifenden Zustands und diesem Zustand selbst – ist folgender Gesichtspunkt der Tatbestandsanalyse zu betrachten: Um den Unrechtstypus eines Delikts festzulegen, kann das Gesetz seine Anforderungen entweder auf die Unrechtsbegehungsweise oder auf die Unrechtswirkungsweise beziehen. So enthält das Gesetz zum Totschlag einfach nur die Umschreibung der Wirkung einer Handlung, ohne die Handlung selbst näher einzugrenzen. Bei der Körperverletzung wird die Wirkungsweise dahingehend eingegrenzt, dass es erstens eine körperliche, die zweitens von einer gewissen Erheblichkeit sein muss. In anderen Normen wird hingegen auch die konkrete Art und Weise des Handlungsvollzugs umschrieben: So etwa in § 224 I StGB mittels eines Giftes oder einer Waffe oder gemeinschaftlich etc. Manchmal sieht das Gesetz das Unrecht auch nur dann verwirklicht, wenn ein bestimmter Täter die Tathandlung vollzieht, verlangt also eine besondere Täterqualifikation. Das Gesetz kann also zusammenfassend bestimmte Anforderungen an das Erfolgs- und Handlungsunrecht stellen; bei letzterem kommen insbesondere Einschränkungen für die Fragen wer, was, wie tun soll in Betracht.

434  Vgl.

dazu auch Jäger, SK-StGB, Vor § 1 Rn. 57 f.

Teil 4

Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik Nachdem die Arbeit in den vorangegangenen Teilen die Zweiteilung der Zustimmung dekonstruiert sowie den Bedeutungsgehalt der grundlegenden Begriffe von Unrecht und Rechtsverletzung sowie deren Zusammenspiel mit den Ebenen von Tatbestand und Rechtswidrigkeit herausgearbeitet hat, widmet sie sich nunmehr der Rekonstruktion einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik. Es geht in diesem Teil maßgebend darum, die Ergebnisse aus der vorangegangen Analyse derart zusammenzuführen, dass der einheitlichen Institution der Zustimmung eine einheitliche Dogmatik zugrunde gelegt wird. Dazu zählt die Frage, an welcher Stelle im Deliktsaufbau die Zustimmung einzuordnen und welchen Voraussetzungen sie unterworfen ist. Ein Schwerpunkt der Ausführungen liegt bei den subjektiven Unwirksamkeitsgründen. Wenn die Zustimmung als einheitliche Rechtsfigur rekonstruiert werden soll, dann hängt die Überzeugungskraft ihrer Dogmatik davon ab, wie sie die Problematik sog. Willensmängel in den Griff bekommt. Der Ansatz der Arbeit besteht darin, diese Problematik aus dem Bereich der Zustimmungsdogmatik herauszulösen und als Frage einer normativen Abgrenzung der Verantwortungsbereiche neu aufzuwerfen.

§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau Die Beantwortung der ersten Frage, an welchem Standort die Zustimmung in den Deliktsaufbau einzuordnen ist, überrascht in Anbetracht des Titels dieser Arbeit nicht: Im Tatbestand selbst! Freilich ist dieses Ergebnis noch zu begründen, wurde doch bislang nur gezeigt, dass eine Differenzierung zwischen Einwilligung und Einverständnis nicht durchführbar ist. Damit geht jedoch noch keine Begründung für den hier vertretenen Prüfungsstandort der Zustimmung einher. Möglicherweise ließe sich trotz des Verständnisses der Zustimmung als einheitliche Rechtsfigur dennoch vertreten, diese Rechts­ figur als eine der Rechtfertigung anzusehen.



§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau199

I. Das Verständnis der Zustimmung als Normalität Dass seit Anbeginn die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund eingeordnet wird, dürfte damit zusammenhängen, dass man bei ihr von einer „charakteristischen Ausnahmefunktion“1 ausging. Es entspreche „traditioneller und zutreffender Dogmatik“ die Zustimmung auf die Rechtswidrigkeitsebene bei solchen Tatbeständen zu verlagern, „zu deren typisiertem Unrechtsgehalt – in normativer, nicht unbedingt in tatsächlicher Hinsicht – ein Handeln gegen den Willen des Opfers nicht gehört“.2 Dass eine solche Betrachtung zutreffend wäre, folgt jedoch eher der Tradition der Dogmatik als ihrer inneren Konsistenz. Blendet man einmal jene Tradition aus, welche Frage müsste sich eine Dogmatik stellen, die mit der Zustimmung als Erscheinungsform der realen Lebenswelt konfrontiert ist? Die Konzentration auf die reale Erscheinungsform der Zustimmung und die Ausblendung traditioneller strafrechlicher Betrachtung, das wäre ein Fortschritt in der wissenschaftlichen Diskussion. Den „Ausgangspunkt vom Verlangen als der Normalform der Einwilligung“ vermisste bereits Arzt. Alles sei Verlangen und fast nichts nur Einwilligung. Als Rechtfertigungsgrund sei die Einwilligung nahezu inexistent. Die Strafrechtswissenschaft sei „durch das im Rechtfertigungsgrund kategorisch angelegte Denken in Regel und Ausnahme blind geworden für diese Normalität“.3 Was die Normalität ist, dass es speziell Verfügungen über den eigenen Körper am „Ausnahmecharakter“ fehlt, das versucht FatehMoghadam zu verdeutlichen: „Haarschneiden, Ohrlochstechen, Piercing, Tätowierungen, einverständliche Sexualpraktiken, Blutspenden, […] ärzt­ liche Eingriffe“, all das zeige, dass „Verfügungen das Leben in ganz erheb­ lichem Ausmaß prägen“.4 Und auch Murmann erkennt, dass eine Willenswidrigkeit bei der Mehrzahl der „Körperverletzungen“ und „Sachbeschädigungen“ tatsächlich bzw. statistisch gerade nicht typisch ist, da sie gerade auf Wunsch des Berechtigten vorgenommen werden – Besuch beim Friseur, Masseur, Tätowierer, Arzt oder das Engagement des Handwerkers, Gärtners etc. Dennoch besteht er auf eine normative Auslegung, sodass „die Verletzung des Rechtsgutsobjekts […] grundsätzlich ein Unrecht darstellt“.5 Und hier wird das ganze Problem deutlich: Selbst wenn erkannt wird, dass die Zustimmung einen normalen Vorgang in der Lebenswirklichkeit darstellt, so wird dennoch versucht diese Lebenswirklichkeit in ein Korsett dogmati1  Kientzy,

Einwilligung, S. 11. Puppe-FS, S. 767, 773. 3  Arzt, Geppert-FS, S. 1 f. Zutreffend dürfte auch der Hinweis sein, dass manche Rechtsgüter „überhaupt erst dank der Eingriffe Dritter wertvoll werden“, S. 8. 4  Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 89 f. 5  Murmann, Puppe-FS, S. 767, 773 m. Fn. 32. 2  Murmann,

200

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

scher Argumentation zu zwängen, das nur traditionell-dogmatischen, aber nicht praktisch-nachvollziehbaren Vorstellungen gerecht wird. Eine virtuose Vermischung tatsächlicher und normativer Argumentation: Warum sollte im Unrechtsbegriff die Tatsache einer Verletzung eines natürlichen Gegenstands – seien es Haare, Haut oder Hecke – erfasst werden, nicht aber die Tatsache, dass dieser Verletzung eine Zustimmung derjenigen Person zugrunde lag, in deren Interesse der Strafrechtsschutz doch betrieben wird? Es müsste begründet werden, warum diese Lebenswirklichkeit für den Unrechtsbegriff nur partiell erfasst werden darf. Und dass keine Unklarheiten bestehen: Das ist zu begründen, davon darf nicht einfach ausgegangen werden.

II. Das Verhältnis der Zustimmung zum dualistischen Unrechtsbegriff Wenn es um die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau geht, verbietet sich also die Anknüpfung an jegliche Tradition. Der Tradition entspricht es aber nicht nur die Zustimmung als etwas Außergewöhnliches anzusehen, sondern bereits die grundlegende Fragestellung an sich: Danach zu fragen, ob die Zustimmung als Tatbestandsausschluss oder Rechtfertigungsgrund einzuordnen ist, erfasst den Untersuchungsgegenstand nicht hinreichend. Maßgeblich ist vielmehr, welche Auswirkung die Zustimmung auf den gemeinsamen Anknüpfungspunkt von Tatbestands- und Rechtswidrigkeits­ ebene hat: dem Unrecht. Dass die Zustimmung eine Wirkung in Bezug auf das Unrecht entfaltet, kann als anerkannt gelten.6 Die präzise formulierte Frage lautet also: Schließt die Zustimmung des Berechtigten entstandenes Unrecht aus oder hindert die Zustimmung bereits die Entstehung von Unrecht?7 Die bisherige Betrachtung des Unrechts durch die Strafrechtswissenschaft leidet an zwei Gleichsetzungen und verliert damit an Differenzierungsvermögen: So wenig wie Ausschluss und Entstehungshindernis von Unrecht gleichzusetzen sind, so wenig sind es der Eingriff in ein Recht und dessen Verletzung. Hier zeigen sich die Schwächen einer Dogmatik, die über kein hinreichendes Verständnis in Bezug auf das Zusammenspiel des Unrechts mit den 6  Vgl. etwa Grünewald, GA 2012, 364, 371; Hinterhofer, Einwilligung, S. 65; Jakobs, AT, 7 / 111; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135; Köhler, AT, S. 244; Murmann, Selbstverantwortung, S. 369; ders., AT, § 25 Rn. 116, 123; Paeffgen / Zabel, NKStGB, § 228 Rn. 3; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 146; Weber, GA 2000, 77. 7  So auch Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 96 für Körperverletzungsdelikte, wonach die „relevante Frage lautet […], ob die Körperverletzung mit Einwilligung in der Regel strafrechtliches Unrecht begründet“; was wiederum verneint wird. Ähnlich auch Sowoda, NStZ 2012, 1, 9 m. Fn. 115, der jedoch ungenau fragt, ob die Zustimmung das Unrecht ausschließt oder erst das Fehlen der Zustimmung das tatbestand­ liche Unrecht begründet.



§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau201

Deliktsebenen von Tatbestand und Rechtswidrigkeit verfügt. Es kommt da­ rauf an, das dargelegte Unrechtsverständnis in die Zustimmungsdogmatik einzuarbeiten. 1. Die Bestimmung des Eingriffs Als erste wichtige Erkenntnis ist festzuhalten, dass die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung den Eingriff in das geschützte Recht seines Inhabers darstellt und dass das Vorliegen dieses Eingriffs unabhängig davon ist, ob der geschützte Rechtsinhaber dem Handeln nun zustimmt oder nicht. So nimmt beim Diebstahl der Täter die Sache an sich, egal ob der bisherige Gewahrsamsinhaber dem zustimmt oder nicht. Ebenso betritt beim Hausfriedensbruch der Täter die geschützten Räume, die Zustimmung des Berechtigten ändert daran nichts. Und wenn im Auftrag des Kunden der Gärtner ihm dessen Hecke, der Friseur ihm dessen Haare schneidet oder der Tätowierer ihm ein Tattoo in die Haut sticht, dann ändert der Auftrag nichts daran, dass Hecke und Haare geschnitten und in die Haut gestochen wurde. Um all diese Beispiele in der Terminologie der Arbeit zu abstrahieren: Der Eingriff wurde vorgenommen, ohne dass die Zustimmung des Berechtigten hierauf Einfluss hätte. Es lässt sich auch formulieren, dass es für das Vorliegen eines Eingriffs nur auf die Vornahme der Eingriffshandlung durch den Täter ankommt. Dabei enthält der Eingriff ein wertendes Element dadurch, dass er sich auf ein strafrechtlich geschütztes Recht einer Person beziehen muss. In der zur Ergänzung vorgeschlagenen Terminologie formuliert: Es muss die geschützte Rechtssphäre einer Person betroffen sein, was voraussetzt, dass einerseits die Grenzen dieser Sphäre umschrieben werden und andererseits untersucht wird, ob diese Grenzen überschritten wurden. Insoweit als es um die Grenzen dessen geht, was als die geschützte Rechtssphäre anzusehen ist, was der strafrechtliche Schutzbereich ist, liegen dem normative Überlegungen zugrunde und müssen das auch, denn das geschützte Recht ist schließlich nach Ansicht der Arbeit gerade normativ zu bestimmen. Wenn ein Eingriff in ein geschütztes Recht vorliegt, dann steht zwar fest, dass der Täter die geschützte Sphäre betreten hat. Aber dieses Betreten an sich erlaubt noch keine Aussage darüber, ob es mit der negativen Wertung einer Verletzung verbunden ist. Nach Einschätzung dieser Arbeit müsste die Ansicht, die im Tatbestand keine Wertungsstufe erblickt und damit konsequenterweise keine Unrechts­ relevanz annehmen dürfte, an dieser Stelle bereits ihre Prüfung beenden, das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmäßigkeit bejahen und alle Unrechtsund Wertungsfragen der Rechtswidrigkeitsstufe vorbehalten. Nur auf diese Weise ließe sich konsequent eine formal-objektive Betrachtung des Gesche-

202

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

hens gewährleisten. Sobald jedoch für einzelne Delikte bereits auf tatbestandlicher Ebene Wertungsentscheidungen getroffen werden – wie etwa, dass das typische Unrecht eine Willenswidrigkeit verlange –, ist es kaum noch zu begründen, wieso das nicht für alle die individuellen Rechte der Person schützenden Delikte gelten sollte; die Zweiteilungslehre bietet hierfür wie gesehen keine tragfähige Anknüpfung. 2. Die Bestimmung der Rechtsverletzung als Wertungsfrage Die zweite wichtige Erkenntnis ist, dass die Frage nach dem Vorliegen einer Verletzung rein normativer Natur ist, die sich nicht empirisch aus bloßer Betrachtung der Lebenswirklichkeit beantworten lässt. Verletzung darf insbesondere nicht mit Schädigung oder Schaden gleichgesetzt werden. Die Verletzung hat vielmehr Bezug darauf zu nehmen, wovor das Strafrecht schützt. Das, was geschützt wird, sind nun aber nach Ansicht der Arbeit die Rechte einer Person, sodass die Frage nach der Verletzung ausschließlich normativ sein muss. Wer weiterhin dagegen am Rechtsgutsbegriff festhalten will, dem bleibt offen, diesen nicht normativ zu verstehen, sondern mit den Gütern der Lebenswelt gleich zu setzen. Dieser Weg ist aber – wie diese Arbeit gezeigt hat – nur bei einzelnen Delikten wie der Sachbeschädigung oder Körperverletzung noch halbwegs begehbar, aber selbst dort oftmals nur unter Schwierigkeiten. Eine konsequente Umsetzung eines objektiven, an den Lebensrealien ausgerichteten Rechtsgutsverständnisses erscheint jedoch kaum möglich. Wenn nun aber das Vorliegen einer Verletzung des jeweils geschützten Rechts – oder nach herkömmlicher Ansicht: Rechtsguts – normativ zu bestimmen ist, dann ist eine Begründung, die lediglich darauf abstellt, dass irgendein Gegenstand oder Objekt geschädigt wäre, unzureichend. Denn das etwas in der Lebenswirklichkeit geschädigt und in diesem Sinne verletzt ist, sagt noch nichts darüber aus, dass auch eine Verletzung im normativen Sinn vorliegt und damit Unrecht entstanden ist. Vor allem fügt eine solche Begründung, die ihre Betrachtung auf Schädigungsfolgen einengt, dem bisher erreichten Prüfungsstadium nichts hinzu: Denn dass ein Eingriff vorliegt, das wurde schließlich schon festgestellt, indem das tatsächliche Geschehen erfasst wurde. Eine Verletzung im normativen Sinne der Unrechtslehre verlangt aber mehr. Wer mit der Ansicht dieser Arbeit auf die Verletzung von Rechten statt Rechtsgütern abstellt, für den liegt die Begründung, dass in Fällen der Zustimmung keine Verletzung des Rechts vorliegen kann, auf der Hand: Die Ausübung eines Rechts kann nicht zugleich dessen Verletzung sein. Eine vergleichbare Argumentation liegt auch einer die Zustimmung grundrechtsdogmatisch verortenden Auffassung zugrunde. So gewinnt Fateh-Moghadam das Recht zur freien Verfügung des Rechtsinhabers aus dem jeweiligen indi-



§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau203

viduellen Freiheitsrecht selbst.8 Bezogen auf Leben und Gesundheit ergebe sich das entsprechend körperbezogene Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 II 1 GG. Die Einwilligung in einen körperbezogenen Eingriff sei daher weder Grundrechtsbeeinträchtigung noch Grundrechtsverzicht, sondern vielmehr Grundrechtsausübung.9 Daher entfalle bereits die Tatbestandsmäßigkeit, wenn das „körperbezogene Verfügungsrecht durch Einwilligung in einen körperlichen Eingriff ausgeübt“ werde.10 Selbstverständlich kommt auch die Auffassung eines personalen Rechtsgutsverständnisses zur gleichen Einordnung, da das Rechtsgut nicht gegen seinen Inhaber in Stellung gebracht werden kann.11 3. Das Fehlen des Erfolgsunrechts infolge der Zustimmung Um zu verstehen wie sich die Unterscheidung zwischen Eingriff und Verletzung in ein Recht in der Gegenüberstellung von Handlungs- und Erfolgsunrecht widerspiegelt, ist sich Folgendes klar zu machen: Zwar hat der Täter „etwas“ begangen und dem Opfer ist „etwas“ geschehen, aber damit ist noch nicht entschieden, ob dieses „etwas“ auch Unrecht ist. Alles, was bislang gezeigt werden konnte, ist, dass der Rechtskreis des Opfers betroffen ist, seine Rechtssphäre betreten wurde. Würde die Rechtsordnung jedes derartiges Geschehen mit der Wertung „Unrecht“ versehen, dann würden nicht nur Zweifel entstehen, welcher praktische Wert dem Begriff noch zukommt, sondern vor allem wäre es für die dem Recht unterworfenen Personen schwierig, miteinander in Beziehung zu treten, da in jedem interpersonalem Kontakt, der mit dem Betreten fremder Rechtssphären einhergeht, Unrecht begründet läge. Wenn dem Geschehen die Zustimmung des Berechtigten zugrunde liegt, dann bietet es sich an – um das Vorliegen von Unrecht zu bestimmen – zunächst aus Sicht des geschützten Rechtsinhabers zu fragen, ob ihm Unrecht geschehen ist. Diese Perspektive des Rechtsinhabers ist jene, welche vom Erfolgsunrecht abgebildet wird. Das an vorderste Position zu stellen, erscheint deshalb verständlich, weil schließlich der Rechtsinhaber selbst etwas dafür unternommen hat, dass überhaupt die Situation entstanden ist, in der seine Rechte betroffen sind.

auch Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 19 f., 30, 57 f. Einwilligung, S. 82 f. Für Grundrechtsausübung spricht sich auch Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmung, 2. Teil C. III. 5. (noch nicht veröffentlicht) aus. 10  Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 88. 11  Siehe dazu oben S. 228 ff. 8  So

9  Fateh-Moghadam,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Dass dem Zustimmenden Unrecht geschehen ist, erscheint unter mehreren Gesichtspunkten zwingend zu verneinen. Da wäre zunächst das natürliche Sprachverständnis: Es dürfte nur schwer vermittelbar sein, von geschehenem Unrecht zu sprechen, wo das Geschehene auf der Entscheidung der geschützten Person beruht, um derentwillen der Strafrechtsschutz betrieben wird. Es muss weiterhin begriffsanalytisch die Folge bedacht werden, die daraus entsteht, eine Unrechtsbegründung trotz Übereinstimmung zwischen Täter und Opfer anzunehmen: Denn wenn in Konstellationen der Zustimmung das Urteil getroffen würde, es wäre jemandem Unrecht geschehen, obwohl dieser mit dem Geschehen einverstanden war, dann wird der Begriff Unrecht entwertet. Nicht nur, dass solche Übereinstimmungen in der sozialen Lebens­ realität häufig anzutreffen sind, sodass der Kreis der Sachverhalte, denen man zunächst das Verdikt „Unrecht“ anheften müsste, überaus weit zu ziehen wäre. Der Unrechtsbegriff würde seinen Herausstellungscharakter verlieren, denn das Strafrecht will nur solche Verhaltensweisen erfassen und pönalisieren, die als besonders auffällig und schädlich erachtet werden. Das Unrecht wäre zunächst blind für den Unterschied zwischen Einbrecher und Besucher, zwischen Messerstecher und Chirurg, zwischen Folterknecht und Masseur. Es wäre für das Vorliegen von Unrecht zunächst egal, ob das Opfer seinen Peiniger anfleht, mit dem Martyrium aufzuhören, oder der Rechtsinhaber seine helfende Hand bittet, mit dem Eingriff fortzufahren. Es sollten solche Konstellationen, die bereits mit bloßem Blick auf das Lebensereignis erkennen lassen, dass nichts Unrechtes geschehen ist, dem Unrecht auch nicht rechtlich zugeordnet werden. Ob eine Zustimmung vorlag oder nicht, kann nun aber gerade mit bloßem Blick auf die Tatsachen der Lebenswelt festgestellt werden, sodass deren Einbeziehung die Komplexität, ein Unrechtsurteil zu treffen, nicht steigert. Schließlich ergibt sich die Relevanz der Zustimmung aus der Erfolgskomponente im Unrechtsbegriff durch die Fragestellung selbst. Denn die Frage danach, ob jemandem Unrecht geschehen ist, verdeutlicht eine passive Konstruktion. Der Täter nimmt eine Handlung vor, die dann eine bestimmte Wirkung beim Opfer entfaltet; er bringt einen Stein ins Rollen, der dann beim Opfer auftrifft. Was gilt nun aber, wenn der Rechtsinhaber selbst Hand an den Stein legt, wenn er den Täter auffordert, die Handlung vorzunehmen oder zumindest seine Zustimmung dazu erteilt? Lässt sich dann wirklich sagen, jemandem sei bloß etwas geschehen? Eine rhetorische Frage, denn die Antwort liegt auf der Hand. Wer seine Zustimmung zum Handeln des Täters erteilt, dem geschehen die daraus resultierenden Folgen nicht nur, sondern er hat sie durch sein eigenes Handeln bewirkt. Es kann ihm schon nichts geschehen sein, weil sein eigenes Handeln dem Handeln des Täters durch erteilte Zustimmung vorgeschaltet war; er wurde selbst aktiv tätig.



§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau205

Auf diesen Aspekt der Opferaktivität geht Arzt dadurch ein, dass er das den Eingriff verlangende Opfer als „Quasi-Täter“ und den Eingreifenden als „Quasi-Gehilfen“ beschreibt.12 Rönnau verwendet zur Illustrierung dieses Vorgangs die Metapher vom Eingreifenden als „verlängerter Arm des Einwilligenden“, dessen Freiheit werde dadurch gerade nicht eingeschränkt, sondern vielmehr erweitert.13 Ähnlich auch Kindhäuser: Der Eingreifende handele „für den Berechtigten und ist damit dessen ausführendes Organ.14 Maiwald spricht vom fehlenden „Beziehungsunwert“: Da der Eingriff auf dem Willen des Betroffenen beruhe und damit als „Akt seiner Selbstverwirklichung“ erscheine, sei es der Betroffene selbst, der seine „Realsphäre“ verändert habe.15 Inhaltlich gleichbedeutend spricht Renzikowski von einem „Interpersonalbezug“. Das „tatbestandliche Unrecht“ liege in einer „Verletzung einer zwischen Personen bestehenden Rechtsbeziehung“. An einer solchen fehle es bei einer Selbstverletzung, denn ein solches Verhalten überschreite nicht die „eigene Rechtssphäre“. Bei einer Fremdverletzung mit Einwilligung liege hingegen der Interpersonalbezug vor, könne jedoch gerechtfertigt sein, indem der Rechtsgutsinhaber die „Rechtsbeziehung zum Täter gestaltet und modifiziert“.16 Die Strafrechtslehre geht also durchaus auf den Aspekt ein, dass zwischen Eingreifendem und Zustimmenden eine besondere Beziehung besteht. Diese Beschreibung des interpersonalen Verhältnis hat es jedoch bislang vermissen lassen, in eine Unrechtskonzeption eingearbeitet zu werden. Nach Ansicht dieser Arbeit findet sich der interpersonale Bezug beim Eingriff in indivi­ duelle Rechte im dualistischen Unrechtsbegriff selbst wieder: Denn während das Erfolgsunrecht aus Perspektive des geschützten Rechtsinhaber fragt, ob diesem Unrecht geschehen ist, untersucht das Handlungsunrecht aus Sicht des Täters, ob dieser Unrecht begangen hat; wobei die Perspektive sowohl objektiv tatbezogen als auch subjektiv täterbezogenen zu verstehen ist. In der so verstandenen Gegenüberstellung von Erfolgs- und Handlungsunrecht kommt der interpersonale Bezug zum Ausdruck. Fehlt es bereits an einer dieser Komponenten, so fehlt der interpersonale Unrechtsbezug und das Unrecht insgesamt.

12  Arzt,

Geppert-FS, S. 1, 7. LK-StGB, Vor § 32 Rn. 146; ders., Einwilligung, S. 245. So auch ­M.-K. Meyer, Autonomie, S. 149 und Mitsch, Rechtfertigung, S. 535. 14  Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 162. 15  Maiwald, Zueignungsbegriff, S. 106. 16  Renzikowski, Täterbegriff, S. 64 f., 95. 13  Rönnau,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

4. Zwischenfazit: Die Zustimmung hindert die Entstehung von Unrecht Wenn also der Täter in die geschützte Sphäre des Rechtsinhabers eingreift, so liegt in diesem Eingriff dann keine Verletzung der Rechtssphäre vor, wenn deren Inhaber dem Eingriff zugestimmt hat.17 Wenn sich das Urteil über das Vorliegen einer Verletzung eines Rechts und damit über das Vorliegen von Unrecht auf den Eingriff in das Recht bezieht und sich dieser Eingriff wiederum in der Tathandlung abbildet, dann folgt daraus die Relevanz der Zustimmung auf tatbestandlicher Ebene: Die Zustimmung hindert damit bereits die Unrechtsentstehung. Es lässt sich nicht sagen, die Zustimmung schließe das Unrecht aus, weil dieses Unrecht schon gar nicht begründet wurde.18 Die Frage, ob nun das Erfolgs- oder Handlungsunrecht ausgeschlossen ist, wäre eigentlich falsch formuliert. Es ist weder die Handlungs- noch die Erfolgskomponente allein, sondern beide zusammen und damit das Unrecht insgesamt! Wie gesehen führt die Zustimmung dazu, dass nicht davon gesprochen werden kann, dem Zustimmenden wäre Unrecht geschehen, sodass in jedem Fall kein Erfolgsunrecht vorliegt. Das Fehlen einer Unrechtskomponente führt aber dazu, dass das Unrecht insgesamt nicht vorliegen kann, weil das Erfordernis eines kumulativen Vorliegens aller Komponenten besteht. Aber für den Fall der Zustimmung ist zu erkennen, dass ohnehin nicht nur das Erfolgsunrecht, sondern auch das Handlungsunrecht fehlt. Der Täter begeht zwar einen Eingriff, aber eben nur aufgrund der zuvor erteilten Zustimmung des Berechtigten, er führt also nur den Auftrag des Zustimmenden aus, er ordnet sich dessen Herrschaft unter. Damit kann sowohl Erfolgs- als auch Handlungskomponente das Verdikt „Unrecht“ nicht zugeschrieben werden. Ein Eingriff in ein Recht liegt zwar vor, aber diesem fehlt der Verletzungsund damit der Unrechtscharakter. Diese zweistufige Unrechtsprüfung nach Eingriff und Verletzung wird besonders gut deutlich beim Hausfriedensbruch: Der Täter betritt zwar die Haussphäre, aber dieses Betreten stellt dann kein tatbestandliches Eindringen dar, wenn es mit der Zustimmung des Hausrechtsinhabers erfolgt. Der Gesetzgeber hatte sich bei Tatbestandsfassung des Hausfriedensbruchs – es könnte als unglücklicherweise bezeichnet werden – dafür entschieden die Verletzung des Hausrechts als Eindringen zu umschreiben. Nach dem Verständnis dieser Arbeit bedürfte es dieser Umschreibung gar nicht: Der maßgebliche Eingriff stellt das Betreten der Haussphäre dar, welcher nur dann 17  Ähnlich auch Kientzy, Einwilligung, S. 81 f.: Es liege zwar ein Eingriff in den Schutzbereich eines Rechtsguts vor, jedoch fehle es am Kriterium der Rechtsgutsverletzung. 18  So auch Rönnau, Willensmängel, S. 125: Die Voraussetzungen der Unrechtsbegründung fehlten, womit sich die Frage nach einem Unrechtsausschluss gar nicht stelle.



§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau207

nicht deren Verletzung darstellt, wenn es mit Zustimmung des Sphäreninhabers erfolgt. Wenn es nun auch beim Hausfriedensbruch am augenscheinlichsten ist, so liegt doch – vielleicht weniger offensichtlich – dieselbe Struktur auch anderen Tatbeständen zugrunde. Wer einen Brief öffnet, der greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das jedoch nicht verletzt wird, wenn der Rechtsinhaber einer Öffnung zustimmt. Wer in die körperliche Unversehrtheit oder in die Gesundheit einer anderen Person eingreift, der greift in dessen Recht auf körperliche Integrität ein, aber er verletzt dieses Recht nicht, wenn der Inhaber der körperlicher Sphäre dem Eingriff zustimmt.19 Wer einen Menschen einsperrt, der greift in dessen Recht auf körperliche Bewegungsfreiheit ein, aber eine Verletzung scheidet aus, wenn Rechtsinhaber der Einsperrung zustimmt. Wer den Gewahrsam an einer Sache eines anderen aufhebt und neuen begründet, der greift genauso in das Recht auf Eigentum ein, wie derjenige, der diese Sache beschädigt oder zerstört, jedoch verletzt er das Recht nicht, wenn der Rechtsinhaber dem jeweiligen Eingriff zustimmt.

III. Vergleich mit ähnlichen Ansätzen aus der Strafrechtslehre Rönnau konstruiert das Verhältnis zwischen Einwilligenden und Eingreifenden in vergleichbarer Weise: Die vom Strafrecht geschützte „Freiheitssphäre“ bestimme den zur freien Entfaltung des Individuums zur Verfügung stehenden Raum. In dieser „Autonomiesphäre“ bestimme deren Inhaber allein über Sinn und Zweck des „Gutseinsatzes“. Mit der „Zuweisung von Freiheitsbereichen“ habe der Gesetzgeber den jeweiligen Inhabern die Möglichkeit eröffnet, die Strafbarkeitsgrenzen zu konkretisieren; und zwar mittels Bedingungen, die mit der Zustimmung verknüpft seien und vom Eingreifenden beachtet werden müssen. Wer nun in einem fremden „Rechtskreis“ tätig werde, der signalisiere sein Handeln auf die „Zwecksetzungen des Gutsinhabers“ auszurichten, der akzeptiere während seines Aufenthalts in der Sphäre dessen Zweckvorgaben.20 Eine ähnliche Betrachtung der Zustimmungskonstruktion liegt auch der Ansicht Murmanns zugrunde: Der geschützte Rechtsinhaber gestalte „sein konkretes Rechtsverhältnis zum Täter in der Weise“ um, dass „ein grundsätzlich verbotenes Verhalten erlaubt wird“.21 Das Rechtsverhältnis werde „durch 19  Der Begriff der Körpersphäre ist auch in strafrechtlichen Abhandlungen zur Zustimmung häufiger zu finden, vgl. etwa Amelung, Willensmängel, S. 9. 20  Rönnau, Willensmängel, S.  245 f. 21  Murmann, Selbstverantwortung, S. 357 f., 428 f.; ders., AT, § 25 Rn. 116, 139; ders., Puppe-FS, S. 767, 776 ff. Ähnlich auch Grünewald, Tötungsdelikt, S.  302 f.; dies., GA 2012, 364, 372; Renzikowski, Täterbegriff, S. 64.

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Respektierung der Freiheit des je anderen in deren konkreten Daseinselementen konstituiert“.22 Jedoch übersieht Murmann ein kleines Detail: Die Zustimmung „korrigiert“ nicht das „vorläufige Urteil über das Bestehen eines Handlungsunwertes“,23 sondern sorgt dafür, dass noch nicht einmal Unwert bzw. Unrecht entsteht, auch nicht vorläufig. Ebenfalls in eine ähnliche Richtung geht die Ansicht Schlehofers: Terminologisch spricht er statt von Erfolgsunrecht vom „tatbestandlichen Folge­ unwert“ und sieht diesen in einer „Interessenverletzung“. Dieses Merkmal gewinnt er aus § 34 StGB und lässt sich wohl von dem Gedanken leiten, dass diese Norm üblicherweise einem personalen Rechtsgutsverständnis entgegen gehalten wird. Nach seiner Ansicht ergibt sich hieraus, dass nicht nur ein Rechtsgut betroffen sein muss, sondern auch ein Interesse beeinträchtigt. Die Zustimmung habe nun – gleich ob Einverständnis oder Einwilligung – zur Konsequenz, dass eine solche Interessenverletzung ausgeschlossen sei.24 Die Zustimmung schließe ein „tatbestandliches Verhalten“ aus, denn die Verhaltensmerkmale – gleich ob Handlung, Unterlassen oder Fahrlässigkeit – verlangen ein „strafrechtlich missbilligtes“ bzw. „pflichtwidriges“ Verhalten. Und wenn das Verhalten nun kein Interesse beeinträchtige, bestehe auch keine Missbilligung.25 Wenn auch ein überzeugender Ansatz Schlehofers darin liegt, sich auf das Verhalten des Täters und die Folgen für das Opfer zu konzentrieren, so überzeugt die dogmatisch-terminologische Konstruktion wenig: So bleibt er – und auch das Gesetz – eine Erklärung schuldig, in welchem Verhältnis das geschützte Interesse zum geschützten Rechtsgut stehen soll. Überhaupt ist die Heranziehung des Rechtfertigungsgrundes aus § 34 StGB zu sehr von der überkommenen Ansicht geprägt, die Zustimmung als Rechtfertigung zu begreifen. Wer eine neue Zustimmungsdogmatik entwickeln will, die sich auf tatbestandlicher Ebene befindet, der sollte nicht auf Rechtfertigungsaspekte zurückgreifen. Weiterhin erscheint das Merkmal der „Pflichtwidrigkeit“ überaus problematisch. Schlehofer gewinnt es aus einem Vergleich zu Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikte und meint es auch für Vorsatztaten verlangen zu können. Die erste sich bei einer Pflichtwidrigkeit stellende Frage ist diejenige, welche Pflicht relevant sein soll, wer diese überhaupt festlegt. Schlehofer geht davon aus, dass die tatbestandlich geschützte Person dies wäre. Aber diese Schlussfolgerung ist keinesfalls zwingend, kommt doch auch die Rechtsordnung als solche in Betracht. Aus dem Merkmal der „Inte22  Murmann, Selbstverantwortung, S. 358. So auch Grünewald, Tötungsdelikt, S.  302 f.; dies., GA 2012, 364, 372; Hauck, GA 2012, 202, 212. 23  Murmann, Puppe-FS, S. 767, 776 m. Fn. 46. 24  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 144 f. 25  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 146.



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ressenverletzung“ ergibt sich ebenfalls nichts anderes; es sei denn man setzt – wie es Schlehofer auch vornimmt – Interessen und Pflichten gleich: Was einem Interesse entspreche, könne keine Pflicht verletzen. Nach Ansicht der Arbeit ist es jedoch falsch, das Merkmal der Pflichtwidrigkeit in der Lehre der objektiven Zurechnung aufgehen zu sehen. Schlehofer zufolge sei die Pflichtwidrigkeit nichts weiter als die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr.26 Damit wird aber die Zustimmung im Ergebnis ebenso als Frage der objektiven Zurechnung begriffen. Und das ist ein aus mehreren Gründen nicht überzeugender Ansatzpunkt, wie im Folgenden noch gezeigt wird.27

IV. Einwände gegen einen zweistufigen Aufbau von Eingriff und Verletzung Es ist nun gegen das hier vorgetragene Verständnis vom Zusammenspiel zwischen Eingriff und Verletzung mit einigen Einwänden zu rechnen, von denen eine Auswahl herausgegriffen wird, um sie von Anfang an zu entkräften. Dass es überhaupt einer Verletzung in irgendeiner Form bedarf, dürfte kaum zu bestreiten sein. Leider fehlt es an einer Diskussion in der Strafrechtslehre darüber, wie diese Verletzung beschaffen sein muss, ob sie normativ oder faktisch zu bestimmen ist. Mannigfaltigen Diskussionsbedarf sah die Lehre nur für die Frage, wie das zu bezeichnen ist, vor dessen Verletzung das Strafrecht schützen soll. Diese Arbeit hat hierfür den Begriff des geschützten Rechts gewählt, das in einem mehr gegenständischen Sinne auch als Rechtssphäre bezeichnet werden kann, ohne dass sich aber etwas an der Normativität des Begriffs ändert. Die Arbeit spricht sich damit für eine normative Bestimmung des strafrechtlichen Schutzobjekts aus. 1. Abstraktheit einer normativen Rechtsverletzung Daraus ergibt sich dann auch schon der erste Einwand, mit dessen Erhebung gegen die hier vorgeschlagene Differenzierung zwischen Eingriff und Verletzung zu rechnen ist, nämlich dass die hier vorgeschlagene Verknüpfung von Zustimmung und Rechtsverletzung abstrakt, gekünstelt und überhaupt vor allem eines wäre: nicht erforderlich. Denn ein Gegenstand wäre nun einmal genauso beschädigt oder zerstört, wie der Körper einer Person misshandelt oder deren Gesundheit geschädigt, also verletzt, woran nun auch die Zustimmung des geschützten Rechtsinhabers nichts ändern könnte. Und in der Tat ist ein Abstellen auf den hier vorgeschlagenen Rechtsbegriff abstrakt, aber das bewusst und mit gutem Grund. Denn er versucht sich davon zu lö26  Schlehofer, 27  Siehe

MK-StGB, Vor § 32 Rn. 147. dazu unten S. 314 f.

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sen, den Blick der strafrechtlichen Schutzfunktion nur auf die in der Außenwelt wahrnehmbaren Gegenstände zu richten, und bemüht sich stattdessen die Betrachtungsweise zu abstrahieren. Wer von Schutzobjekten spricht, der unterliegt der Versuchung sich bei der Herausarbeitung der jeweiligen delikts­abhängigen Schutzzwecke vorschnell auf die im Tatbestand erwähnten Tatobjekte zu konzentrieren und vergisst dabei, teleologische und systematische Aspekte einzubeziehen. Und materiell führt der Einwand, die Zustimmung könne an der – gegenständlichen – Verletzung der jeweiligen Objekte nichts ändern, dazu, dass der Zweck individualschützender Strafnormen außer Betracht rückt. Strafrechtsschutz ist aber nun nicht bloßer Objektschutz, sondern Rechtsschutz. Dass sich die Strafrechtswissenschaft im vergangenen Jahrhundert vor allem auf Objekte konzentrierte, dürfte in Anbetracht der vielfältigen, aufgeführten Missverständnisse als dogmatischer Irrweg einzuordnen sein.28 Das gilt auch dafür diese Objekte mit allem gleichzusetzen, was der juristische Begriffsbaukasten herzugeben hat, ob nun Schutzobjekt, Rechtsgut, Angriffsobjekt, Verbrechensgegenstand.29 Dieser Irrweg hat vor allem die Zustimmungsdogmatik in einen Irrgarten verwandelt. Es kommt nicht, wie Honig noch meinte und sich dabei im Einklang mit dem gemeinsamen Nenner aller Ansichten wähnte,30 darauf an, welchen Einfluss der Zustimmende auf ein bestimmtes Objekt hat, sondern darauf, ob dem Zustimmenden ein individuelles Recht zusteht. Wer die Verletzung in dem bloßen Eingriff auf das geschützte Objekt – den Körper einer Person oder eine Sache – sehen möchte, der sollte ein solches Verständnis zumindest konsequent anwenden: Dann liegt auch in jedem Betreten einer geschützten Haussphäre oder in jeder Gewahrsamsaufhebung und -begründung an einer Sache eine Verletzung. Denn es kann schlechterdings nicht geleugnet werden, dass auch in diesen Fällen eine Zustimmung nichts daran ändern würde, dass das Haus nun einmal betreten oder der Gewahrsam neu begründet wurde. Wer hier zu differenzieren versucht, der begibt sich in den Bereich der Beliebigkeit; denn wonach zu differenzieren ist, das bleibt im Ungefähren. Wer zu differenzieren sucht, der sollte sich daher besser auf die hier vorgeschlagene Differenzierung zwischen Eingriff und Verletzung einlassen, sofern Wert auf Bestimmtheit gelegt wird. Alles andere erscheint im Hinblick auf eine in sich konsistente Dogmatik nicht zielführend.

28  Pawlik sieht hierin den Ausdruck „besitzbürgerlichen Denken, das alle Rechtsgüter nach Maßgabe des Eigentums konstruiert“, Unrecht, S. 148. 29  Vgl. etwa Honig, Einwilligung, S. 29. 30  Honig, Einwilligung, S. 29.



§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau211

2. Rechtsverletzung und Rechtfertigung Es ist in diesem Zusammenhang auch zu erwarten, dass die Frage aufkommt, ob denn auch von einer Verletzung einer Rechtssphäre die Rede sein kann, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Die Antwort darauf kann nur lauten: Nein, natürlich nicht. Unrecht verlangt die Verletzung eines Rechts, das Vorliegen des Tatbestands begründet eine solche Verletzung, das Nichtvorliegen der Rechtswidrigkeit schließt sie aus. Der Unterschied zwischen einem Eingriff mit Zustimmung und einem Eingriff mit Rechtfertigung liegt darin, dass die Zustimmung der Entstehung von Unrecht entgegensteht, wohingegen die Rechtfertigung das bestehende Unrecht beseitigt. Dass letztlich sowohl bei der Zustimmung als auch bei der Rechtfertigung kein Unrecht vorliegt, darf nicht zu einer Gleichsetzung führen, weil es den Unterschied zwischen Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluss verkennen würde. Dass zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit mit dem Unrecht ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt besteht, darf nicht missverstanden werden: die Eigenständigkeit beider Ebenen begründet sich durch die verschiedene Wirkungsweise in Bezug auf diesem Anknüpfungspunkt. Aus dieser Abgrenzung zur Ebene der Rechtswidrigkeit ergibt sich dann eigentlich auch schon ein anderer zu erwartender Einwand: Selbst wer sich auf eine Differenzierung zwischen Eingriff und Verletzung einlässt, der könnte vertreten, dass die im Zusammenhang mit der Verletzung stehenden Fragen einheitlich als solche der Rechtswidrigkeit zu behandeln sind. Daran wären selbst diejenigen nicht gehindert, die sich sogar auf die Differenzierung zwischen Entstehung und Aufhebung von Unrecht einlassen. Scheinbar jedenfalls. Denn eine solche Sichtweise wäre nur unter einer entscheidenden Voraussetzung vertretbar: Das Außerachtlassen jeglicher Wertungsrelevanz auf der Ebene des Tatbestands. Wer sich also Belings Postulat von der „Wertneutralität des Tatbestands“ unterwirft, der kann es – muss es freilich nicht – für die Bejahung des jeweiligen Tatbestands genügen lassen, dass ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre vorliegt. Bedingung wäre dann aber konsequent vorzugehen, also nicht nach Eingriffen in verschiedene Sphären zu differenzieren: Ob Gewahrsams-, Haus- oder körperliche bzw. sachliche Integritätssphäre, stets sollte ein Eingriff und damit der Tatbestand bejaht werden. Wer konsequent verfährt, der kann die Zustimmung auch als Frage der Verletzung auf Rechtswidrigkeitsebene behandeln, sofern – und das wäre die zweite Bedingung – die Voraussetzungen von der Prüfungsebene unabhängig sind, also die gleichen sind, wie sie nachfolgend dargestellt werden. Wer diesen Weg einschlägt, der muss dem Unrecht konsequent nur auf Rechtswidrigkeitsebene Geltung zugestehen. Diese Ebene kann dann sowohl das Unrecht begründen, als auch das Unrecht ausschließen.

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Die gegen ein solches Verständnis erhobenen Einwände hat die Arbeit bereits erbracht: Das bloße Fehlen von Rechtfertigungsgründen würde das Unrecht begründen. Danach wäre nicht die Tötung eines Menschen das ­Unrecht, sondern dass die Tötung ohne Rechtfertigung erfolgte. Das widerspricht sowohl dem natürlichen Verständnis als auch den Anforderungen der einer konsistenten Dogmatik: Das positive Vorliegen eines Umstands – wie das Unrecht – sollte vom ebenfalls positiven Vorliegen eines anderen Umstands – nämlich des Tatbestands mit tat- und täterbezogenen Handlungs- und Erfolgsunrecht – abhängig sein. Deshalb ist es schlüssiger und dogmatisch stringenter, die Zustimmung als Umstand einzuordnen, der bereits der Begründung von Unrecht entgegensteht.

V. Ergebnis: Die Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal Damit kann abschließend das Ergebnis zur Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau zusammengefasst werden. Da erstens die Zustimmung die Entstehung von Unrecht hindert und die Begründung von Unrecht der Ebene des Tatbestands zuzuordnen ist, hat die Zustimmung folgerichtig tatbestandliche Wirkung.31 Da zweitens das Vorliegen der Zustimmung die Begründung von Unrecht und damit den Tatbestand hindert, also eine negative Wirkung hat, handelt es sich bei der Zustimmung um ein negatives Tatbestandsmerkmal.32 Und da sich schließlich drittens die Zustimmung auf den Eingriff in das geschützte Recht bezieht und der Eingriff in der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung besteht, bezieht sich das negative Tatbestandsmerkmal der Zustimmung notwendigerweise ebenso auf die Tathandlung.33 31  Für Tatbestandsausschluss auch Kientzy, Einwilligung, S. 67 f.; Jäger, Zurechnung, S.  22 f.; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 162; ders., Rudolphi-FS, S. 135, 136 ff.; Kretschmer, NStZ 2012, 177, 182; Kühne, JZ 1979, 241, 242; Maiwald, Zueignungsbegriff, S.  106 f.; Rönnau, Willensmängel, S. 16 ff.; 143; ders., Jura 2002, 595, 598; Roxin, AT I, § 13 Rn. 32; ders., Amelung-FS, S. 269; ders., Noll-GS, S. 275; Schmidhäuser, Lehrbuch, 8 / 123 ff.; ders., Studienbuch, 5 / 106 ff.; ders., Lackner-FS, S. 77, 90 f.; ders., Geerds-FS, S. 593, 602; Seelmann, Verantwortungsstreuung, S. 138, 142; Wolters, SK-StGB, § 228 Rn. 2; Zipf, Einwilligung, S. 28 ff. 32  Ebenfalls ausdrücklich für die Einordnung als negatives Tatbestandsmerkmal: Rönnau, Willensmängel, S. 143; ders., Jura 2002, 595, 598; Wolters, SK-StGB, § 228 Rn. 2. 33  M. Heinrich kritisiert an der bisher entwickelten Tatbestandslösung, dass sie ihre Auffassung nicht konkret im Tatbestandsaufbau festmachen könnte, Rechtsgutszugriff, S.  40 f. Auch Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 62 bemängelt, dass die Zustimmung nicht „unter die vom Gesetzgeber vorgegebene Norm und deren konkrete Merkmale zu subsumieren“ wäre und daher drohen würde „das gesetzte Recht […] zu



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung213

§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung Welche Voraussetzungen die Zustimmung hat, diese Frage wird seit jeher in der Strafrechtswissenschaft nicht einheitlich beantwortet. Dass sich der Strafgesetzgeber auf eine Regelung der Zustimmung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches verzichtet hat, dürfte damit zusammenhängen. Hirsch geht sogar so weit, dass sich Voraussetzungen und Anwendungsbereich „einer allgemeinen Vertypung entziehen“.34 Eine bemerkenswerte Einschätzung am Ende einer langen Reihe von Ausführungen zu den allgemeinen Voraussetzungen und zu dem Anwendungsbereich der Einwilligung. Und auch Zipf meint der Gesetzgeber ginge nur deshalb einer Regelung der Zustimmung aus dem Weg, weil eine solche Regelung „viel zu umfangreich und kom­ pliziert ausfallen“ müsste, weswegen „es von vorneherein sachgerechter erscheint, sie gar nicht erst im Gesetz zu versuchen“.35 Die Arbeit zeigt in diesem Kapitel auf, dass sich die Strafrechtswissenschaft über die Grundzüge der Einwilligung durchaus einig ist und sich nur über einzelne Voraussetzungen im Streit befindet. Wobei dieser Streit gar nicht immanent mit der Einwilligung verbunden ist, sondern mit der nicht hinreichenden Ausarbeitung anderer Begrifflichkeiten zusammenhängt. Und sowieso stellt sich die Frage, ob überhaupt eine einzige Institution der Strafrechtsdogmatik existiert, die sich einer einheitlichen Anerkennung in all ihren Facetten erfreuen kann. Unabhängig davon ist die Frage zu beantworten, ob es auch gelingen kann, die Voraussetzungen einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik festzusetzen, die auch die herkömmlichen Einverständnisfälle mit einschließt. Die Möglichkeit einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik ist für die bisherige Strafrechtswissenschaft ein innovativer Ansatz, der bisweilen in der Diskussion lediglich anklang. Soweit erkennbar hat nur Schlehofer die klare Aussage getroffen, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen von Einverständnis und Einwilligung gleich sein müssen.36 Dass er für diese Ansicht auch auf die Unterstützung Rönnaus und Roxins bauen kann,37 dürfte deren Aussagen wiederum überschätzen. So glaubt etwa Rönnau nur zu erkennen, dass mittverfehlen“. Auch Braun-Hülsmann kritisiert den „Rückzug auf ein ungeschriebenes […] Tatbestandsmerkmal“, Einwilligung, S. 55; freilich bleibt sie selbst mit ihrer unausgereiften Arbeit hinter ihrem Versprechen – die Einwilligung in die Zurechnungsdogmatik einzugliedern, S. 60, 94 – weit zurück. Die Haltlosigkeit solcher Vorwürfe – zusammengefasst: die Zustimmung wäre tatbestandlich nicht vorgesehen und deren Hineinlesen widerspräche dem Bestimmtheitsgebot – sollte diese Arbeit allerdings hinreichend aufgezeigt haben. 34  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 92. 35  Zipf, ÖJZ 1977, 379; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26. 36  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 148. 37  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 148 m. Fn. 212.

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lerweile ein Konsens darüber besteht, dass die Voraussetzungen des Einverständnisses tatbestandsbezogen definiert werden müssen. Die Ansicht, die aus einer strikten Differenzierung schematisch unterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen ableite, habe stark an Bedeutung verloren.38 Was Rönnau freilich nicht sagt, ist, dass dies auch für die Fälle der Einwilligung gilt.39 Und darüber hinaus hat die Arbeit in ihrem ersten Teil gerade gezeigt, dass alles andere als der behauptete Konsens ersichtlich ist. Noch immer wird von vielen Autoren in der Strafrechtswissenschaft vertreten, dass sich aus der Differenzierung zwischen Einwilligung und Einverständnis unterschiedliche Voraussetzungen ergeben. Die Autoren, die sich entschieden dagegen aussprechen, sind weiterhin nur vereinzelt anzutreffen. Dagegen dürfte es auf entschiedene Ablehnung stoßen, die Voraussetzungen der Einwilligung in Bezug auf den jeweiligen Tatbestand zu bestimmen. Wozu sollte auch für die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes, als welche die Einwilligung nach überwiegender Ansicht schließlich behandelt wird, auf den Tatbestand zurückgegriffen werden? Das läge nur dann nahe, wenn diese auf tatbestandlicher Ebene eingeordnet würde. Woran es in der Strafrechtswissenschaft aber fehlt, selbst bei Zugrundelegung der Differenzierung zwischen Einwilligung und Einverständnis, ist eine Dogmatik der Fälle des Einverständnisses. Zu dieser Frage wird nur insoweit konsequent Stellung bezogen, als dass darauf verwiesen wird, dass eine solche Dogmatik nicht besteht, sondern allenfalls für die jeweilige Strafnorm einzeln zu entwickeln ist. Somit liegt im Bezug auf eine Einverständnisdogmatik allenfalls eine im Allgemeinen Teil des Strafrechts erhobene Frage vor, deren Beantwortung aber dem Besonderen Teil vorbehalten wird. Selbst die Ansicht, welche Einwilligung und Einverständnis einheitlich auf tatbestandlicher Ebene prüfen will, nimmt damit noch nicht zugleich auch diese Prüfung einheitlich vor, sondern stellt sie in Abhängigkeit vom jeweiligen Tatbestand. Nach Ansicht der Arbeit ist die Zustimmung an die drei grundlegenden Voraussetzungen Befugnis, Kundgabe und Wirksamkeit geknüpft: Der Rechtsinhaber muss erstens zur Zustimmung befugt sein, zweitens muss die Zustimmung zum Eingriff nach außen kundgegeben werden und drittens darf die Zustimmung nicht unwirksam sein.

38  Rönnau,

LK-StGB, Vor § 32 Rn. 157a m. w. N. in Fn. 623. weisen Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 13 einleitend darauf hin, dass die Anforderungen „nur für den praktischen Regelfall“ gelten. 39  So



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung215

I. Zustimmungsbefugnis Die Zustimmungsbefugnis verlangt zum einen die generelle Disponibilität und zum anderen die konkrete Befugnis des Zustimmenden. Die erste Voraussetzung ist ohne weiteres bei allen Delikten erfüllt, die ausschließlich individuelle Rechte schützen.40 Problematisch ist die Bestimmung dessen dann, wenn die Strafnorm zusätzlich noch dem Schutz allgemeiner Interessen dient, wie etwa die Sicherheit des Rechts- oder Straßenverkehrs; als Frage der Auslegung des Besonderen Teils gehört diese Frage aber nicht zum vorliegenden Untersuchungsgegenstand. Die zweite Voraussetzung der konkreten Zustimmungsbefugnis ist in ihrer grundsätzlichen Bestimmung noch unproblematisch: Konkret befugt ist diejenige Person, die gerade Inhaber des geschützten Rechts ist.41 Vereinzelt ist die Ansicht von Mitsch geblieben, der in seiner Bestimmung der Zustimmungsbefugnis, welche er selbst als Einwilligungszuständigkeit bezeichnet, differenziert vorgeht, ohne eigentlich zu anderen Ergebnissen zu gelangen: Erstens müsse der Zustimmende an dem Tatobjekt eine Rechtsstellung inne haben und zweitens müsse diese Rechtsstellung das von dem verwirklichten Straftatbestand geschützte Rechtsgut sein. So habe der Entleiher zwar eine Rechtsstellung, nämlich den Besitz an der entliehenen Sache, aber diese sei nicht das geschützte Rechtsgut des Diebstahls oder der Sachbeschädigung, nämlich das Eigentum.42 Die Verwechslung der Begriffe von Tatobjekt, Rechtsgutsobjekt und Rechtsgut, die Mitsch als Synonyme verwendet, ist symptomatisch für die hergebrachten Rechtsgutsdogmatik und ihrem undurchsichtigen Begriffsbaukasten. Die zweistufige Vorgehensweise erscheint 40  Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Frister, AT, § 15 Rn. 25; Heinrich, AT, Rn. 455; Jescheck / Weigend, AT, S. 278; Köhler, AT, S. 248; Kühl, AT, § 9 Rn. 27; Lenckner /  Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 36; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 42; Otto, Geerds-FS, S. 603, 614; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 176; Rosenau, SSWStGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 36; Roxin, AT I, § 13 Rn. 33 ff.; Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 40; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 151; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 81; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 14; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 552; Zipf, Einwilligung, S. 32. 41  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937, 940; Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Heinrich, AT, Rn. 458; Jakobs, AT, 7 / 114; Jakobs, AT, 7 / 114; Kientzy, Einwilligung, S. 17, 90 f.; Menrath, Einwilligung, S. 137; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 162; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 83; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 553; Zipf, Einwilligung, S. 32. Wohl auch Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 130, wobei er die Begriffe Tatobjekt, Rechtsgutsobjekt und Rechtsgut scheinbar synonym verwendet und daher der Bezugspunkt der Rechtsstellung des Inhabers ungenau bleibt. Schmidhäuser definiert die Person des Zustimmenden in ähnlicher, wenn auch etwas allgemeiner Weise als diejenige, um deren Güter es geht, Studienbuch, 5 / 123 und Lehrbuch, 8 / 143. 42  Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 130.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

zudem unnötig kompliziert, weil es an sich selbstverständlich ist, dass für die Zustimmungsbefugnis bzw. -zuständigkeit nicht jede Rechtsinhaberschaft genügt, sondern nur eine solche, die einen Bezug auf das geschützte Recht aufweist. Wer sein Fahrrad zur Reparatur in eine Fahrradwerkstatt bringt, der hat weiterhin ein Recht an seinem Fahrrad inne, aber dadurch, dass sich das Fahrrad in der Werkstatt befindet, erlangt er natürlich noch keine Inhaberschaft an dem Hausrecht der Werkstatt. Der von Mitsch vorgeschlagene Prüfungsweg fängt letztlich von der falschen Richtung an: Zuerst ist zu fragen, welches das geschützte Recht der Strafnorm ist, und im Anschluss daran ist zu untersuchen, ob der Zustimmende der Inhaber eben jenes Rechts ist. Andersherum vorzugehen ist zwar an sich nicht falsch, aber wenig praktikabel. Hier zeigt sich aber auch letztendlich, zu welchen Fehlkonstruktionen die Dogmatik tendieren kann, wenn der Bezugspunkt der Zustimmung mit einem bloßen Objektsschutz falsch gesetzt wird. Somit bleibt festzuhalten: Konkret zur Zustimmung ist der ­Inhaber des von der Strafnorm geschützten Rechts befugt. Zwei größere Probleme können jedoch auftreten: Einerseits, wenn nicht der Berechtigte selbst, sondern ein Dritter die Zustimmung erklärt, sodass fraglich ist, ob die Zustimmungsbefugnis auch übertragen werden kann. Andererseits dann, wenn in derselben Rechtssphäre mehrere Berechtigte existieren, sodass die Frage aufkommt, ob alle gemeinsam die Zustimmung erklären müssen oder dem Einzelnen die Befugnis zukommt, auch im Namen der anderen zu handeln. 1. Übertragung der Zustimmungsbefugnis auf Dritte Der erste problematische Fall der Zustimmungserklärung durch Dritte, also solchen Personen, die selbst nicht Inhaber der betroffenen Rechtssphäre sind, berührt die Frage, ob eine Stellvertretung bei der Zustimmung möglich ist. Diese Frage ist von derjenigen nach der Möglichkeit einer Botenschaft abzugrenzen. Die Abgrenzung erfolgt danach, ob der konkrete Rechtsinhaber selbst seine Zustimmung erklärt und nur durch einen anderen Dritten ausrichten lässt, oder ob der Dritte selbst für den eigentlichen Rechtsinhaber handelt. Die Botenschaft ist damit kein Problem der Zustimmungsbefugnis, sondern eine Frage der Art und Weise von deren Ausübung durch den Berechtigten.43 Die Frage nach der Möglichkeit einer Stellvertretung betrifft hingegen das Problem, ob der Dritte selbst das Recht für den Berechtigten ausüben darf. 43  Vgl. auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 186: „Stellvertretung in der Erklärung (durch Boten) […] unproblematisch möglich“; so auch Hinterhofer, Einwilligung, S. 71; Roxin, AT I, § 13 Rn. 96; Zipf, Einwilligung, S. 43.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung217

Eine Stellvertretung wird von einem Teil der Literatur uneingeschränkt zugelassen, gleich ob kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäft.44 Teilweise wird aber auch differenziert. So will Kientzy die gewillkürte Stellvertretung zwar zulassen, aber sie nicht der Einwilligung auf Tatbestandsebene zuordnen, sondern als besonderen Rechtfertigungsgrund erfassen.45 Im Ergebnis ist damit eine rechtsgeschäftliche Stellvertretung seiner Ansicht nach bei der Zustimmung nicht zulässig. Und das entspricht wohl einer Ansicht in der Strafrechtswissenschaft, die nur von einer Zulässigkeit der gesetzlichen Vertretung – insbesondere im Falle fehlender Zustimmungsfähigkeit – ausgeht und überhaupt gar nicht auf eine rechtsgeschäftliche Vertretung eingeht.46 Die Lösung der Problematik muss sich streng auf den berechtigten Rechtsinhaber selbst konzentrieren. Da Eingriffe in dessen Rechtssphäre nur mit seiner Zustimmung nicht verletzenden Charakter aufweisen, müssen Handlungen Dritter in irgendeiner Form auf ihn zurückzuführen sein. Denn die Zustimmung eines nichtberechtigten Dritten zu dem Eingriff eines anderen in die Sphäre des Rechtsinhabers stellt selbst einen Eingriff des Dritten dar. Besteht keine Rückführbarkeit dieser Zustimmung des Dritten auf den Rechtsinhaber, hat also der Berechtigte die Handlung des Dritten nicht veranlasst, so liegt eine Verletzung vor. Die Veranlassung der Zustimmung eines Dritten durch den Rechtsinhaber selbst, ist also in diesem Fall das entscheidende Kriterium, welches dem Eingriff – sowohl des Dritten als auch des unmittelbar Eingreifenden – den verletzenden Charakter nimmt. Dieses Veranlassungsprinzip trägt zwei Anforderungen an die Zustimmung des Dritten heran: Der Berechtigte muss die Befugnis an den Dritten übertragen und dieser muss mit dem äußerlich erkennbaren Willen, im Namen des Berechtigten zu handeln, die Zustimmung erklären. Ein klarstellender Hinweis in diesem Zusammenhang: Übertragen wird die Befugnis das Recht auszuüben, nicht jedoch das Recht selbst. Zur Verdeutlichung sei ein Beispiel an einen öffentlichen Veranstaltungsort verlegt, etwa ein Konzert, eine Dis44  Heinrich, AT, Rn. 458; Jakobs, AT, 7 / 131; Kühl, AT, § 9 Rn. 30a; Maurach /  Zipf, AT I, § 17 Rn. 60; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 179, 186; Roxin, AT I, § 13 Rn.  92 ff.; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 162; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 123; ders., Lehrbuch, 8 / 143; Zipf, Einwilligung, S. 32, 43 m. Fn. 84; ders., Pro­ bleme der Gegenwart, S. 26, 42. 45  Kientzy, Einwilligung, S. 114 f. Eine Unterscheidung zwischen Einverständnis und Einwilligung lehnt er dagegen konsequent ab und spricht sich für Gleichbehandlung aus, Einwilligung, S. 119. 46  Honig, Einwilligung, S. 169 f.; Jescheck / Weigend, AT, S. 382; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 41 ff.; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 37. Vgl. auch Hinterhofer, Einwilligung, S. 75, der danach unterscheidet, ob der Persönlichkeitskern betroffen ist oder nicht; dazu auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 186.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

kothek oder ein Stadion: Wer den Einlasskontrolleur beauftragt die Einlasskontrolle für seine öffentliche Veranstaltung durchzuführen, der überträgt diesem nicht die Haussphäre an diesem Ort, sondern nur das Ausübungsrecht, wer diesen Ort betreten darf und wer nicht. Ein Problem, welches in der Strafrechtswissenschaft diskutiert wird, ist die Uneinigkeit zwischen Vertretenem und Vertreter.47 Eine solche Uneinigkeit muss schon im Zeitpunkt der Eingriffsvornahme bestanden haben, anderenfalls ist sie unbeachtlich. Wenn in diesem Zeitpunkt der Rechtsinhaber einem Eingriff widerspricht, während sein Vertreter seine Zustimmung erklärt, dann ist zu prüfen, ob dem Vertreter überhaupt die Ausübung der Zustimmungsbefugnis zustand. Falls nicht, so kann schon keine Zustimmung vorliegen und ebenso wenig ein Konflikt. An der entsprechenden Befugnis kann es insbesondere bei rechtsgeschäftlichen Vertretungen dann fehlen, wenn der Widerspruch gegenüber dem Eingriff durch den Berechtigten als Widerruf der Vertretungsbefugnis zu werten ist. Und ein solcher Widerruf muss jederzeit möglich sein. Das ergibt sich aus einem Umkehrschluss: Wenn schon der Widerruf der Zustimmung jederzeit und bedingungslos möglich ist,48 dann gilt das auch für die Erteilung der Ausübungsbefugnis der Zustimmung. Liegt ein gesetzliches Vertretungsverhältnis vor, so ist zu prüfen, ob die entsprechende Grundlage auch Zustimmungen gegen den Willen des eigentlich Berechtigten zulässt.49 Im umgekehrten Fall, dass der Berechtigte seine Zustimmung erteilt, der Vertretene aber dem Eingriff widerspricht, ist im Falle der rechtsgeschäftlichen Vertretung zu erkennen, dass der Berechtigte trotz Übertragung der Ausübung der Zustimmungsbefugnis, weiterhin zustimmungsbefugt bleibt. Es liegt damit die Fallgruppe mehrerer Zustimmungsbefugter vor, die sich allerdings in einem nachrangigen Verhältnis zueinander und zugunsten des Berechtigten befinden. Daraus folgt, dass die Verweigerung der Zustimmung durch den Vertreter keine Wirkung entfaltet, da sie von der übergeordneten Zustimmung des Berechtigten verdrängt wird. Im Falle der gesetzlichen Vertretung gilt grundsätzlich gleiches, allerdings kann sich hier aus der gesetz­ lichen Grundlage ergeben, dass das Verhältnis zwischen Berechtigtem und Vertreter anders ausgestaltet ist.

47  Schlehofer,

MK-StGB, Vor § 32 Rn. 163 ff. dazu unten S. 257. 49  So zwar auch Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 163, allerdings ohne Differenzierung zwischen gesetzlichen und rechtlichen Vertretungsverhältnissen. 48  Siehe



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung219

2. Zustimmungsbefugnis mehrerer Berechtigter Das Problem einer Mehrheit an Sphärenberechtigten kann etwa beim Hausfriedensbruch im Falle von Wohngemeinschaften, Ehe- oder Mietwohnungen oder beim Diebstahl für Miteigentum oder Mitgewahrsam auftreten. Die Einordung dieser Mehrheitskonstellationen als Problem findet allerdings nur dann ihre Berechtigung, sofern ein Konfliktfall vorliegt, d. h. zwischen den Berechtigten keine Einigung über die Erteilung der Zustimmung besteht. Der Vermieter will etwa den Mieter nicht mehr in der Wohnung haben, der Ehepartner empfängt eine Affäre in der ehelichen Wohnung, ein WG-Bewohner lässt zum Ärger seiner Mitbewohner unliebsamen Besuch in die Wohnung. Genauso kann der Ehemann den Schmuck seiner Frau an seine Geliebte verschenken und die Ehefrau aus Rache das gemeinsame Familienauto in der Schrottpresse zerstören lassen. Wenn alle Berechtigten sich jedoch ­einig sind, dann kann nicht das Lösungsergebnis, sondern allenfalls der Lösungsweg fraglich sein. Nicht so einfach ist ein Ergebnis zu erzielen, geschweige denn der Weg dorthin zu finden, wenn sich die Beteiligten gerade nicht einig sind. Wer sich der Lösung einer solchen Konfliktlage mehrerer Zustimmungsberechtigter annähern will, muss zunächst danach fragen, ob die Berechtigten in einem gleichrangigen Verhältnis zueinander stehen. Sofern dies zu verneinen ist, muss danach differenziert werden, ob der Zustimmende in einem unter- oder übergeordnetem Verhältnis zum anderen Berechtigten steht. Liegt aus Sicht des Zustimmenden ein untergeordnetes Verhältnis vor, so ist zu erkennen, dass die Zustimmung in den Eingriff eines Dritten ihrerseits einen Eingriff in die Rechtssphäre des anderen – übergeordneten – Berechtigten darstellt. Denn die untergeordnete Rechtssphäre findet ihre Grenze in der übergeordneten; wird diese Grenze überschritten, so wird zugleich in die Sphäre des anderen Teils eingegriffen und dieser Eingriff stellt eine Verletzung dar, sofern keine Zustimmung vorliegt. Daher ist stets die Zustimmung des übergeordneten Berechtigten erforderlich; für den untergeordneten Teil fehlt es hingegen an der konkreten Befugnis zur Zustimmung zu Eingriffen in die übergeordnete Rechtssphäre des anderen Teils. Wenn der Zustimmende jedoch selbst in der übergeordneten Sphäre steht, so entfaltet seine Zustimmung auch Wirkung für den untergeordneten Berechtigten. Denn die untergeordnete Sphäre ist zugleich auch Bestandteil der übergeordneten. Wenn also ein Fall der Über- und Unterordnung der Sphären vorliegt, so ist die Lösung einer konfligierenden Zustimmung eindeutig. Problematisch ist jedoch einerseits die Abgrenzung zu einem gleichgeordneten Verhältnis des Neben- oder sogar Miteinander und andererseits, wie ein solches Verhältnis zu behandeln ist. Das Problem erwächst aus der Frage, ob die Zustimmung aller gleichrangig Berechtigten erforderlich ist oder die Zustimmung

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eines einzigen genügt. Sollte die Zustimmung aller Teile als erforderlich erachtet werden, so besteht auch hier die Möglichkeit einer Übertragung der Zustimmungsbefugnis. Für eine solche Übertragung wäre aber fraglich, ob diese tatsächlich konkret von den Beteiligten vorgenommen werden muss oder auf eine solche Übertragung nicht auch allgemein aus dem zugrunde liegenden gemeinsamen Verhältnis geschlossen werden kann, diese also generell angenommen werden darf. Soweit sich Stimmen aus der strafrechtlichen Literatur zu diesen Fragen im Rahmen der Einwilligung äußern, ist leider zu beobachten, dass zumeist ohne nähere Begründung behauptet wird, dass die gemeinsame Zustimmung aller Rechtsinhaber erforderlich ist.50 Da der Rechtssphäreneingriff nur dann keine Verletzung darstellt, wenn eine Zustimmung des Berechtigten vorliegt, ist es erforderlich, dass alle Sphärenberechtigten ihre Zustimmung erteilt haben. Die Tatsache allein, dass es mehrere Berechtigte an der Sphäre gibt, rechtfertigt keine Ausnahme hiervon. Keine Voraussetzung ist es jedoch, dass alle Beteiligten tatsächlich gemeinsam ihre Zustimmung zum Eingriff in ihre gemeinsame Sphäre erteilen. Das wäre zum einen eine überspannte Anforderung, die den Erfordernissen der Lebenswirklichkeit nicht gerecht würde. Zum anderen läge erneut eine Ausnahme für den Fall der gemeinsamen Berechtigung vor, die kaum zu rechtfertigen ist. Wenn in den Normalfällen ­eines einzigen Sphärenberechtigten die Möglichkeit einer Übertragung der konkreten Zustimmungsbefugnis auf Dritte besteht, dann muss das auch in den Fällen einer Mehrheit an Berechtigten gelten. Erforderlich ist also auch hier zunächst, dass der Zustimmende mit dem Willen, im Namen des anderen zu handeln, die Zustimmung erklärt. Jedoch – und nur insoweit ist eine Ausnahme in diesen Fällen begründet – muss der Besonderheit einer gemeinsamen Rechtssphäre insoweit Rechnung getragen werden, als dass hier die Zustimmungsbefugnis nicht auf einen außerhalb der Sphäre stehenden Dritten, sondern auf einen ebenfalls Sphärenberechtigten übertragen wird. Aufgrund dieser gemeinsamen Sphärenberechtigung liegt zwischen den Beteiligten bereits ein Verhältnis vor, das für die Frage der Übertragung der Zustimmungsbefugnis berücksichtigt werden muss. Denn anders als in den Fällen der Übertragung auf Dritte, bei welcher die Übertragung überhaupt erst die Berechtigung des Dritten begründet, bestand bereits bei der gemeinsamen Sphäre ein rechtlich relevantes Verhältnis.

50  Hirsch, LK-StGB, 11.  Aufl., Vor § 32 Rn. 116; Jakobs, AT, 7 / 114; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 43; Mitsch, Baumann / Weber /  Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 131. So wohl auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 178 und ders., Jura 2002, 665, 667, demzufolge die „Einwilligung des einen die Rechtswidrigkeit (bzw. Tatbestandsmäßigkeit) des Verhaltens gegenüber dem anderen unberührt“ lasse.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung221

Die Frage, ob das gemeinsame Sphärenverhältnis die Vertretungsbefugnis miteinschließt, ist nicht allgemein, sondern für den jeweiligen Einzelfall zu beantworten. Es kommt nicht auf die rechtliche Art der Sphäre an, also ob es sich etwa um die Haus-, Gewahrsams- oder Ehrsphäre handelt, sondern die tatsächliche Art der Gemeinsamkeit: Aus deren Wesen muss sich ergeben, dass der eine für den anderen über die jeweilige gemeinsame Sphäre disponieren kann. Auf eine Übertragung der konkreten Zustimmungsbefugnis im Einzelfall kommt es also nicht zwingend an.

II. Tatbestand der Zustimmung Nachdem nun die Vorfrage der generellen und konkreten Zustimmungsbefugnis geklärt wurde, widmet sich die Arbeit dem Tatbestand der Zustimmung, der im Kern aus der Kundgabe der Zustimmung besteht, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen und sich auf einen bestimmten Gegenstand erstrecken muss. 1. Kundgabe der Zustimmung Die Frage, ob die Zustimmung überhaupt einer Kundgabe bedarf, ist Gegenstand einer zentralen strafrechtlichen Debatte, bei welcher die hergebrachte Differenzierung zwischen Einverständnis und Einwilligung eine he­ rausragende Rolle spielt. a) Einwilligung aa) Erfordernis der Willenskundgabe Für die Einwilligung erachtet die bislang herrschende Ansicht die zumindest konkludente Kundgabe für erforderlich, welche jedoch nicht notwendigerweise gegenüber dem Eingreifenden erfolgen muss.51 Diese Vorausset51  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937, 941; Bockelmann, AT, S. 105; Fischer, StGB, Vor § 32 Rn. 3c; Heinrich, AT, Rn. 457; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 109; Honig, Einwilligung, S.  139  f., 145; Jescheck / Weigend, AT, S.  381 f.; Kientzy, Einwilligung, S. 18; Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 13; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 172; Köhler, AT, S. 249; Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 669e; Kühl, AT, § 9 Rn. 31; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 43; M.-K. Meyer, Autonomie, S. 164; Murmann, AT, § 25 Rn. 125; Otto, Geerds-FS, S. 603, 617; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 13; Roxin, AT I, § 13 Rn. 71 ff.; Rosenau, SSWStGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 39; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 17; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 29; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 566; Zipf, Einwilligung, S. 48 f.; ders., ÖJZ 1977, 379, 381; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 32. Für eine Erklä-

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zungen werden teilweise noch näher bestimmt. Mitsch etwa ergänzt, dass nicht die innere Billigung genügt, sondern ein Kundgabeakt erforderlich ist, der unmissverständlich erkennen lässt, dass der Rechtsgutsinhaber mit der Tat „einverstanden“ ist. Eine bestimmte Erklärungsform sei hingegen nicht notwendig, ausreichend sei auch eine konkludente Willensäußerung. Der ­ Rechtsgutsinhaber lege Grenzen und Reichweite fest, d. h. er bestimme Person des Täters, das Objekt und die Ausführungsmodalitäten der Tat wie etwa Zeit und Ort.52 Interessant sind die begrifflichen Brüche, welche einige Vertreter der Zweiteilungslehre entstehen lassen, wenn es darum geht das Kundgabeerfordernis der Einwilligung zu umschreiben: Es gehe um das „Deutlichwerden des inneren Einverstandenseins mit der Tat“53 bzw. darum, dass der Berechtige erkennen lasse, mit der Tat „einverstanden“54 zu sein. Damit schafft es die Zweiteilungslehre nicht nur nicht im Ausgangspunkt, Einwilligung und Einverständnis von einander zu trennen, sondern auch dann nicht, wenn es um die Umschreibung der jeweiligen Voraussetzungen geht. Im Übrigen ist das von Mitsch aufgestellte Unmissverständlichkeitserfordernis nicht unumstritten. So spricht sich Arzt gegen eine solche Anforderung aus: Der Auffassung liege das Missverständnis zugrunde, die Einwilligung sei ein Privileg des Täters, doch vielmehr gewähre das Strafrecht sie „dem Opfer in dessen Interesse“.55 Zipf hingegen geht eine Art von Kompromiss ein: Einerseits sei der objektiven Erklärungssinn maßgeblich, eine unklare Ausdruckweise sei dem Erklärenden und nicht dem Empfänger anzulasten, andererseits solle letzteren bei Zweifeln über die Reichweite der Einwilligung eine „Rückfragepflicht“ treffen.56 Ansonsten widmet sich die Strafrechtslehre oftmals der Frage, ob aus einer bloßen Passivität, einem bloßen Geschehenlassen durch den Berechtigten auf rung auch Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 133, allerdings muss seiner Ansicht nach diese an den Täter gerichtet sein, denn die Erklärung ist für ihn die „primäre orientierungsgebende Instruktion“ und nur so könne der Einwilligende die Kontrolle über das in Gang gesetzte Geschehen behalten. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Habilitationsschrift Mitschs, aus der von einigen Autoren der Schluss gezogen wird, er wäre gegen ein Erklärungserfordernis, obwohl er sich dort für eine „Beschränkung der Rechtfertigung auf erklärte Einwilligungen“ ausspricht, zugleich aber eben auch dafür, dass die Erklärung an den Täter gerichtet sein muss, Rechtfertigung, S. 623 m. Fn. 34. 52  Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 133. So bereits Geerds, Einwilligung, S. 77. Für Eindeutigkeit der Kundgabe sprechen sich ebenfalls aus: Amelung, Grundrechtsgut, S. 97; Kühl, AT, § 9 Rn. 31; Murmann, AT, § 25 Rn. 125; Zipf, Probleme der Gegenwart, S. 26, 28. 53  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 111. 54  Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 133. 55  Arzt, Willensmängel, S. 48, 50 f. 56  Zipf, Einwilligung, S. 49; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 33.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung223

eine konkludente Kundgabe der Zustimmung geschlossen werden kann. So stellt etwa Roxin heraus, dass im bloßen Nichteinschreiten nur dort eine Einwilligung gesehen werden kann, wo sie auf einem freien Entschluss des Rechtsgutsinhabers beruht. Wenn jemand einen Eingriff in seine Rechtsgüter nur deshalb geschehen lasse, weil er ein Einschreiten für zwecklos halte oder sich vor den Angreifern fürchte, sei das hingegen keine wirksame Einwilligung. Mit Verweis auf das Reichsgericht57 fasst Roxin zusammen, dass die Einwilligung zwar nur Ausdruck der Übereinstimmung der eigenen inneren Stellungnahme mit der des anderen ist, aber dennoch mehr als ein bloßes Hinnehmen oder Geschehenlassen.58 bb) Genügenlassen eines inneren Willens Dieser herrschenden Ansicht steht eine Ansicht gegenüber, deren Anhänger sich bereits mit einer bloßen innerlichen Zustimmung begnügen.59 So fasst Schmidhäuser seine Auffassung zum Erfordernis einer Erklärung der Zustimmung und damit im Zusammenhang stehenden Fragen wie folgt zusammen: Es sei unerheblich, ob der Täter die Einwilligung kenne oder erkennen könne 57  RGSt

68, 307. AT I, § 13 Rn. 75. So auch Amelung, Grundrechtsgut, S. 97; Hirsch, LK-StGB, 11.  Aufl., Vor § 32 Rn. 111; Honig, Einwilligung, S. 146  ff.; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 43, 45; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 163; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 27. 59  Dach, Einwilligung, S. 97; Frister, AT, § 15 Rn. 5 ff.; Göbel, Einwilligung, S.  135 ff.; Hinterhofer, Einwilligung, S. 83 ff.; Jakobs, AT, 7 / 115; Menrath, Einwilligung, S. 138; Rinck, Deliktsaufbau, S. 50; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 161 f.; Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 42; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 125; ders., Lehrbuch, 8 / 144 f. Vgl. auch Schlehofer, MüKo-StGB, Vor § 32 Rn. 173; ders., Einwilligung, S. 79 f.; allerdings will er aus einer zwar nicht erforderlichen, aber tatsächlich vorliegenden Zustimmungserklärung folgern, dass der Zustimmende „durch die Erklärung seine Schutzwürdigkeit einbüßen“ kann, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 179. Fälschlicherweise wird Mitsch, Rechtfertigung, S. 623 ebenfalls dem Lager der ablehnenden Ansicht eines Erklärungserfordernis zugeordnet – so etwa bei Menrath, Einwilligung, S. 138 m. Fn. 197 –, obwohl er sie für unverzichtbar hält, um den Täter zur Tat bestimmen und um den Opfer die Steuerungsherrschaft über das Geschehen zu erhalten; vgl. auch die Ausführungen zur formellen Anpassungslast des Täters an die Einwilligungserklärung, Rechtfertigung, S. 439, sowie deren Funktion als Verhaltensmaßstab, S. 547 ff. Dieses Missverständnis hat Mitsch aber zum Teil selbst zu verantworten, da er sich in S. 623 m. Fn. 34 unklar gegen die Sinnhaftigkeit einer Einwilligungserklärung äußert, wenn sie nicht auch dem Täter zugegangen sein muss. Hieraus schließen manche Autoren wohl, dass Mitsch gegen die Erklärung als Wirksamkeitsvoraussetzung schlechthin wäre. Richtig verstanden spricht er sich aber vielmehr dafür aus, dass die Erklärung an den Täter gerichtet sein müsse. Im Übrigen positioniert er sich klar für eine „Beschränkung der Rechtfertigung auf erklärte Einwilligungen“, S. 623. 58  Roxin,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

und ob der Berechtigte sie ausdrücklich, konkludent oder überhaupt erklärt habe. Die Unerheblichkeit dessen begründe sich daraus, dass es nur um die Frage gehe, ob objektiv gegebene Interessen des Berechtigten verletzt seien oder nicht. Die materielle Betrachtung dessen, was das Rechtsgut und der aktuelle Achtungsanspruch in der konkreten Situation des Handelns bedeuten würde, könne nur dazu führen, irgendeine Form für die Beachtlichkeit der Einwilligung nicht vorauszusetzen.60 Der Kernpunkt der Argumentation ist also letztlich ein schlichter Hinweis auf den Grund der strafbarkeitsausschließenden Wirkung der Einwilligung: Wenn dieser im autonomen Willen des Zustimmenden gesehen wird, dann kann es nur auf diesen – den Eingriff deckenden – Willen ankommen und nicht darauf, ob dieser Wille auch noch zusätzlich kundgetan worden ist. In der Tat erscheint es widersprüchlich, einerseits die Institution der Einwilligung als Ausfluss der Autonomie zu begreifen und andererseits die Wirkung einer autonomen Entscheidung von äußeren Voraussetzungen abhängig zu machen, die nicht die Autonomie selbst zum Gegenstand haben, sondern ­lediglich die Art und Weise, wie sie in die Welt tritt. Wenn sich der Rechts­ inhaber entschieden hat, dass er einen Eingriff in seine Rechtssphäre wünscht, dann erscheint es zweifelhaft, wie eine Verletzung der Sphäre konstruiert werden kann. Die Tatsache allein, dass es an einer Kundgabe fehlt, kann für sich genommen diese Zweifel kaum ausräumen. Die herrschende Ansicht tut sich schwer daran, diese Argumentation zu entkräften. Zumeist werden zwei Gegenargumente genannt: Zum einen existiere das, was nicht nach Außen getreten sei, eben nicht und könne daher auch keine Berücksichtigung bei der Rechtsanwendung finden. So ausdrücklich Roxin: Ein nicht hervorgetretener Gedanke sei nicht Ausdruck des ­Willens und mangels Feststellbarkeit nicht zur Anknüpfung von Rechtsfolgen geeignet. Ein im forum internum verbleibender Gedanke sei keine rechtlich relevante Willensbetätigung. Das Recht könne seine Entscheidungen vernünf­ tigerweise nur an Kriterien orientieren, die wenigstens prinzipiell beweisbar seien.61 Zum anderen wird auf den Aspekt der Rechtsunsicherheit in der Praxis hingewiesen.62 Dabei gerät vor allem die Praxis vor Gericht ins Blickfeld: Ein nur intern gebliebener Wille kann nur schwierig festgestellt und bewiesen werden. Gerade die Argumentation Roxins als ein entschiedener Anhänger eines personalen Rechtsgutsverständnisses ist wenig konsequent: Für die Bestimmung des Rechtsguts wird die Bedeutung der Autonomie in den Vordergrund 60  Schmidhäuser,

Studienbuch, 5 / 125. AT I, § 13 Rn. 73 f. 62  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937, 941; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 43. 61  Roxin,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung225

gestellt, um dann eben jenen Grundgedanken der Freiheitsbetätigung für die Einwilligung zu vernachlässigen, indem nicht mehr auf die Autonomie an sich, sondern auf ihre formale Erscheinung abgestellt wird. In diesem Zusammenhang ist es auch bedenklich das Vorliegen einer an der Freiheit der Person orientierten Einwilligung von bloßen Beweisfragen abhängig zu machen; insbesondere wenn sie vom Ausdrucksverhalten einer Person abhängen sollen, das eher den Gesetzen des Zufalls, als denen der Autonomie unterworfen ist.63 Die Argumentation der schwierigen Beweisbarkeit und Unsicherheiten bei rein inneren Vorgängen in der gerichtlichen Praxis könnte, würde sie beim Wort genommen und konsequent gedacht werden, zu erheblichen Verwerfungen im Strafrecht führen. Noch harmlos erscheint der Hinweis auf die hergebrachten Einverständnisfälle, bei denen die herrschende Ansicht auf eine Kundgabe verzichtet, ohne zugleich einen Mangel an Rechtssicherheit zu beklagen.64 Aber nimmt man eine grundlegende strafrechtliche Institution in den Blick, nämlich den Vorsatz, dann sucht man vergebens nach Stimmen, welche eine vermeintliche Rechtsunsicherheit beklagen und daher die Abschaffung dieser Institution fordern, da es sich um einen bloß inneren und damit schwer beweisbaren Vorgang handeln würde.65 Doch die herrschende Ansicht verteidigt sich und widerspricht: Die Situationen seien nicht vergleichbar, da das Vorliegen des Vorsatzes im Gericht entschieden würde, wohingegen die Unsicherheit darüber, ob jemand dem Eingriff in seine Rechtsgüter innerlich zustimme, bereits vor der Tat beseitigt werden müsse. Der Grund dafür liege darin, dass das Risiko nicht konsentierter Rechtsgutsverletzungen vermieden werden müsse.66 Dieses Argument lässt sich noch ergänzen: Die mangelnde Vergleichbarkeit der Situationen resultiert auch daraus, dass vom Vorsatz einer Person andere Beteiligte ihr Verhalten nicht abhängig machen, ganz im Gegensatz zur Einwilligung! Wer aber die Argumentation der herrschenden Ansicht etwas genauer betrachtet, kommt nicht umhin zu erkennen, dass ihr eine Abwägung verschiedener Interessen und Risiken zugrunde liegt. Eine Kundgabe läge im Inte­ resse des Täters, weil er so das Risiko vermeidet, in die Rechte des Berechtigten einzugreifen, obwohl dieser dem gar nicht zugestimmt hat. Eine solche 63  Vgl. zur Kritik auch Hinterhofer, Einwilligung, S. 83  f.; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 162; ders., Jura 2002, 595, 666. 64  Vgl. zu diesem Widerspruch auch Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 173. 65  Darauf weisen auch Göbel, Einwilligung, S. 136 und Hinterhofer, Einwilligung, S. 84 hin. Freilich sollte dieses Argument nicht missverstanden werden: Gerade im Grenzbereich zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit kämpfen Wissenschaft und Praxis erheblich mit der schwierigen Feststellbarkeit innerer Tatsachen, sodass sich die Frage stellt, ob die Institution des Vorsatzes nicht einer grundlegenden Neuausrichtung bedarf. 66  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937, 941.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Argumentation erscheint auf den ersten Blick täterfreundlich: Denn eine äußerliche Kundgabe zu verlangen, beseitigt für den Täter schließlich die Unsicherheit, ob er in die Rechtssphäre des vermeintlichen Opfers eingreifen darf oder nicht. Aber im rechten Licht betrachtet, liegt eine Täterbelastung aufgrund einer Strafausweitung vor: Denn die Anforderungen an die Strafbarkeit des Täters werden durch die Anhebung der Anforderungen an die Zustimmung des Rechtsinhabers gesenkt. Und mehr noch liegt dem sogar eine ­paternalistische Grundhaltung zugrunde: Die Anforderungen der Zustimmung des Rechtsinhabers sind höher anzusetzen, weil dieser davor geschützt werden soll, Eingriffe aufgrund eigener unklarer Äußerungen zu erleiden. Jedoch ist vor allem zu erkennen, dass mit dem Praxis-Argument zwei verschiedene Fragestellungen miteinander vermengt werden: Auf der einen Seite geht es um die Frage nach dem Vorliegen einer wirksamen Zustimmung und auf der anderen Seite um die Frage, wie eine solche Zustimmung im gerichtlichen Prozess festgestellt werden kann. Beide Fragen sollten aus­ einander gehalten werden.67 So vertritt Frister in diesem Zusammenhang, dass die Feststellung eines zustimmenden Willens auch nachträglich dadurch erfolgen kann, dass der Betroffene offenbart, dass die Tathandlung schon bei ihrer Vornahme seinem Willen entsprochen hat. Die Ermittlung, ob eine solche innere Zustimmung vorgelegen habe, erfolge generell unter Berücksichtigung der Erklärungen und des Verhaltens des Verletzten nach der Tat. Unabhängig davon, wann der zustimmende Wille nun nach außen getreten sei, könne jedenfalls das geschützte Interesse zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt gewesen sein.68 cc) Erfordernis einer Entscheidung des Rechtsinhabers Es ist zuzugeben, dass eine Trennung zwischen dem Vorliegen des Zustimmungstatbestands und dessen Ermittlung durchaus praktisch durchführbar ist. Die Ansicht, die das innere Vorliegen genügen lässt, hat jedoch mit zwei Problemen zu kämpfen: Erstens wäre für die Einhaltung des Koinzidenzprinzips allein auf die Opferangaben abzustellen und diesen Glauben zu schenken, ohne dass auch auf objektive Umstände Rückgriff zu nehmen wäre. Damit wäre die Prüfungsmöglichkeit, ob die Zustimmung wirklich zum Tatzeitpunkt vorgelegen hat, von erheblichen Unsicherheitsfaktoren geprägt. Zweitens ist die Konstellation zu bedenken, die vorzutragen eigentlich jedem Beschuldigten zu raten wäre, würde der Ansicht des Genügenlassens eines inneren Einverständnisses gefolgt werden. Nämlich die Konstellation, in welcher der Täter nur irrig davon ausging, dass der Berechtigte innerlich 67  So

auch Frister, AT, § 15 Rn. 5 ff.; Menrath, Einwilligung, S. 138. AT, § 15 Rn. 5 ff.

68  Frister,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung227

zugestimmt hätte. Es stellt sich die Frage, wie eine solche Schutzbehauptung entkräftet werden kann, wenn nicht auf das äußere Erscheinungsbild zum Zeitpunkt der Tat abzustellen ist. Der zu prüfende fehlende Vorsatz des Täters würde sich auf einen inneren Umstand des Opfers beziehen, der zwar nach dieser Ansicht auch durch nachträgliche Verhaltensweisen und Feststellungen ermittelt werden darf, aber das kann selbstverständlich nicht für die subjektive Tatseite des Täters gelten: Denn dessen Vorsatz muss im Zeitpunkt der Tat vorliegen, sodass sich der Rückgriff auf nachträgliche Feststellungen verbietet. In Abhängigkeit davon, welche Angaben das vermeintliche Opfer macht, müsste diese Ansicht unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe ansetzen. Ist das Opfer innerlich einverstanden und der Täter geht richtigerweise davon aus, dann besteht noch unproblematisch Straflosigkeit. Nimmt der Täter hingegen irrigerweise an, gegen den Willen des vermeintlichen Opfers zu handeln, wäre ein untauglicher Versuch zu bejahen. Ist das Opfer hingegen innerlich nicht einverstanden, nimmt der Täter aber irrtümlich dessen innere Zustimmung an, dann müsste eigentlich konsequent der Vorsatz des Täters verneint werden. Denn es liegt die umgekehrte Konstellation eines untauglichen Versuchs vor. Da dem Täter die Behauptung, er habe an das innere Einverstandensein des Opfers geglaubt, stets offen steht, muss die Gefahr einer Straf­ losigkeit aufgrund von bloßen Schutzbehauptungen in den Blick genommen und in den Griff bekommen werden. Wie das diese Ansicht erreichen will, bleibt offen. Den Vorsatz des Täters mit der Begründung zu bejahen, dass die Annahme eines inneren Einverstandenseins des Opfers nicht genügt, sofern sie sich nicht auf nachvollziehbare objektive Umstände stützt, wäre versperrt, wenn man konsequent auf den rein inneren Vorgang beim Opfer abstellen will. Es darf nicht einmal auf die streng subjektive Sicht des Opfers ankommen und ein anderes Mal die objektiv erkennbare Außenwelt herangezogen werden. Eine solche Beliebigkeit, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, d. h. die Strafbarkeit des Täters doch noch zu erreichen, wäre für ein rechtsstaatliches Strafrecht schädlich. Einen differenzierten der eigenen Art präsentiert Amelung: Eine Erklärung ist nach ihm gleichermaßen erforderlich und bedeutungslos. Die Einwilligungserklärung sei zwar Voraussetzung für die Zustimmung, habe allerdings für die Frage von Willensmängeln keine Bedeutung. Der Umstand, dass eine Erklärung in die Welt gesetzt sei, bilde keinen Grund den Einwilligenden daran festzuhalten, wenn die Einwilligung seinen Interessen widerspreche. Die Einwilligung sei ein bloßes Informationsmittel. Der Erklärung komme deshalb für die Beurteilung der Wirksamkeitsfrage keine selbstständige Bedeutung zu. Sie sei vielmehr Kriterium für die Frage, was dem Täter zuzurechnen sei. Dennoch stelle dies keine Rückkehr zur Willensrichtungstheorie dar, weil die Kundgabe oftmals die einzige sichere Informationsquelle für

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den Täter sei.69 Es drängt sich die Frage auf, warum eine Erklärung keine Bedeutung für die Wirksamkeit der Zustimmung haben soll, wenn sie zugleich ihre notwendige Voraussetzung sein soll. Amelung betont, dass eine Kundgabe der Zustimmung die einzig sichere Informationsquelle für den Täter ist. Dem ist inhaltlich zwar beizupflichten, nicht jedoch was die daraus gezogenen Konsequenzen angeht. Denn würde man der Logik Amelungs folgen, dann wäre nur eine Zustimmung wirksam, deren erfolgte Kundgabe dem Eingreifenden so präzise wie möglich die Bedingungen des Eingriffs nennt. Denn schließlich ist sie ja die einzige Informationsquelle für den Eingreifenden und eine Informationsquelle ist nur so gut, wie es die gegebenen Informationen sind. Die Absurdität einer solchen Argumentation liegt auf der Hand: Der Eingreifende soll dadurch geschützt werden, dass seine einzige Informationsquelle aufrechterhalten und als notwendig erachtet wird. Je höher die Anforderungen an dieses „Kriterium“ gesetzt werden, desto geringer zugleich die Anforderungen an die Strafbarkeit der Täters. Denn die Zustimmung ist ein täterbegünstigendes Institut. Im Klartext: Der höhere Schutz des Eingreifenden wird durch die niedrigere Schwelle von dessen Strafbarkeit erkauft. Das ist der Wolf im Schafspelz! Amelung kann sich zwar damit behelfen, dass nach seiner Konzeption – und auch der hier vorgestellten Tatbestandslösung im Allgemeinen Teil – die Zurechnungsfrage offen bleibt,70 sodass trotz unwirksamer Zustimmung eine Strafbarkeit mangels Zurechenbarkeit der Rechtsgutsverletzung ausscheidet. So gesehen dürfte Amelung der Kritik nicht zu Unrecht den Vorwurf einer Vermengung von Fragen der Strafbarkeit mit denen der Wirksamkeit der Zustimmung entgegen halten. Dennoch sollte ein dogmatisches Modell, soweit wie möglich, dem Streben nach widerspruchsfreien Lösungen folgen. Die Deklarierung einer Erklärung als zugleich bedeutungslos und erforderlich befriedigt das nicht. Die Idee der Zustimmungserklärung jede Bedeutung abzusprechen, ist aber vor allem im Interesse des Berechtigten sehr fragwürdig, bedenkt man die praktischen Konsequenzen, die das nach sich ziehen würde. Die Lösung mit Blick auf den Zustimmenden selbst zu finden, ist auch der dogmatisch und argumentativ sicherere Weg. Die Zustimmung ist ein Instrument in seinem Interesse, sodass erst einmal begründet werden müsste, weshalb man die Interessen des Eingreifenden auch noch in Betracht ziehen will. Nicht zu begründen ist es aber, die Anforderungen an die Zustimmung im vermeint­ lichen Interesse des Eingreifenden zu erhöhen. Dessen Interesse kann nur darauf gerichtet sein, dass die Anforderungen an die Strafbarkeit seines Verhaltens so hoch wie möglich ausfallen. Dem würde es widersprechen, setzte 69  Amelung,

ZStW 1997, 490, 516 f. dazu § 7 III. 2. b) Die Trennung zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage. 70  Vgl.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung229

man die Anforderungen an die eine Strafbarkeit ausschließende Zustimmung höher. Wer jedoch die Interessen des Zustimmenden in den Blick nimmt, der vermeidet solch widersprüchlichen Begründungsmuster. Die Wirkung einer Zustimmungserklärung besteht darin, dem Eingreifenden eine Art Startsignal zu geben, sie sagt ihm „Jetzt geht’s los!“, du darfst die Rechtssphäre betreten. Was würde der vorsichtige Täter unternehmen, der fremde Rechtssphären respektiert und sich von einem drohenden Strafausspruch – wie von Straf­ theorien gewünscht – beeindrucken lässt, der aber nicht auf die Gültigkeit der Erklärung vertrauen darf, weil sie sowieso bedeutungslos wäre? Die Antwort ist bei lebensnahem Verständnis offenkundig: Ein solcher Täter würde nichts tun. Das Risiko einer Strafbarkeit würde ihn abschrecken, weil er nie sicher sein könnte, dass der Wille des Berechtigten mit seiner Erklärung übereinstimmt. Wer die Erklärung für bedeutungslos erklärt, der läuft Gefahr die reale Wirkmacht der Zustimmung im Normalfall zu untergraben.71 Und diese Argumentation stellt den entscheidenden Gesichtspunkt heraus: Die Kundgabe der Zustimmung zu verlangen und ihr bloß inneres Vorliegen nicht genügen zu lassen, liegt im Interesse des Rechtsinhabers selbst. Damit besteht gerade kein Widerspruch zu einem personalen Rechtsgutsverständnis und dem in den Mittelpunkt gestellten Selbstbestimmungsrecht des Rechts­ inhabers. Es liegt auch und gerade in seinem Interesse, dass von ihm eine Zustimmungskundgabe verlangt wird, weil er nur auf diese Weise praktisch seine Rechte durch die Hilfe Dritter wahrnehmen kann. Wenn keine Erklärung verlangt würde, dann müssten sich dritte Personen die Mühe machen, den wahren inneren Willen des Rechtsinhabers zu erforschen. Nicht nur, dass dadurch eine besondere Mühe abverlangt würde, vor allem wären Dritte der Unsicherheiten eines solchen inneren Willens ausgesetzt: Sie könnten nie mit Sicherheit sagen, ob sie sich dem Willen entsprechend verhalten oder nicht. Es liegt nahe, dass dann die Wahrscheinlichkeit steigen würde, dass Dritte von der Vornahme eines Eingriffs absehen würden. Das Kundgabeerfordernis ist also notwendig, um den Tatentschluss beim Dritten zu wecken und dessen Hemmungen, in fremde Rechtssphären einzugreifen, abzubauen.72 Die Kundgabe ist aber auch notwendig, damit der Rechtsinhaber die Herrschaft über seine Rechtssphäre ausüben kann: Nur so kann er die Modalitäten des Eingriffs gestalten sowie Einschränkungen und Bedingungen aussprechen. Während die Kundgabe auf Seiten des Rechts­ inhabers Instrument der Herrschaftsausübung ist,73 zeigt sie sich auf Seiten 71  Mit einer „Verhinderung unerwünschte Ausstrahlungseffekte auf Einwilligungsfälle ohne Willensdefekt“ argumentiert auch Mitsch, Rechtfertigung, S. 549 f. 72  Vgl. dazu auch Mitsch, Rechtfertigung, S. 622 f. 73  Ebenso Mitsch, Rechtfertigung, S. 625: „Auf diese Weise sichert sich der Rechtsgutsinhaber eine weitgehende Herrschaft über die Tat des Einwilligenden.“

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des Eingreifenden als Instrument zur Informationsgewinnung. Nur durch die Kundgabe ist es ihm möglich, seinen Eingriff den Wünschen des Rechtsinhabers entsprechend anzupassen.74 Diejenigen, welche auf die Kundgabe der Zustimmung verzichten wollen, konnten in der bisherigen Diskussion nicht überzeugend erklären, warum auf diese wesentlichen Funktionen der Zustimmung verzichtet werden sollte bzw. auf welch andere Weise sie sichergestellt werden könnten. b) Einverständnis Sofern sich die Vertreter der Zweiteilungslehre zu Fragen der allgemeinen Dogmatik für das Einverständnis äußern, so lehnen diese die Notwendigkeit einer Entäußerung ab, da es sich beim Einverständnis um einen rein inneren Vorgang handelt.75 Es genüge eine „bewusste innere Zustimmung“.76 Wer die Möglichkeit eines Aufstellens allgemeiner Regeln für das Einverständnis ablehnt, der äußert sich zu dieser Frage nicht, sondern verweist auf die Auslegung der jeweiligen Normen des Besonderen Teils. Einige Autoren nennen dennoch, trotz eines solchen Verweises, pauschal gewisse Anforderungen, wozu neben der Unbeachtlichkeit von sog. Willensmängeln und die Maßgeblichkeit des natürlichen Willens stets auch die Festlegung zählt, dass eine Erklärung nicht erforderlich sei.77 Es werden aber auch differenzierende Ansichten vertreten. Kindhäuser etwa fragt danach, ob das Einverständnis mit rechtlichen oder tatsächlichen Folgen verbunden ist oder ob es nur das Merkmal der Überwindung eines entgegenstehenden Willens aufhebt. Nur im ersten Fall sei wie bei der Einwilligung eine Kundgabe erforderlich. Im zweiten Fall gehe es hingegen um die Frage, ob der Täter die Freiheit der Willensbildung oder -realisierung tatsächlich aufgehoben habe, weshalb es nur darauf ankomme, was das Opfer tatsächlich gewollt habe.78 Rönnau differenziert ebenfalls, wenn auch unter einer anderen Fragestellung: Grundsätzlich genüge beim Einverständnis ein inneres Einverstanden­ sein,79 ausnahmsweise sei jedoch eine Kundgabe bei solchen Tatbeständen Damit sei die Erklärung „das Instrument, mit dem der Rechtsgutsinhaber die Tat beherrscht“, S. 624. 74  Der Berechtigte verschaffe dem Eingreifenden auf diese Weise die Informationen, „die dieser benötigt, um sein Tatverhalten auf die optimale Interessenbefriedigung zugunsten des Einwilligenden einzustellen“, Mitsch, Rechtfertigung, S. 625. 75  Heinrich, AT, Rn. 446, 448; Ludwig / Lange, JuS 2000, 446, 447. 76  Heinrich, AT, Rn. 446, 448. 77  So etwa Murmann, AT, § 25 Rn. 119 f., 125. 78  Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 58 f.; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 212 f. 79  BayOLG NJW 1979, 729; OLG Düsseldorf NJW 1988, 83.



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erforderlich, die eine rechtsgeschäftlich bedeutsame Position schützten.80 Als Beispiele werden hierfür die Unfallflucht nach § 142 StGB und die Untreue nach § 266 StGB genannt.81 Keine Differenzierung nimmt hingegen Roxin vor, der stattdessen stets auch für die Fälle des Einverständnisses eine zumindest konkludente Kundgabe verlangt. Denn die gegen die Willensrichtungstheorie vorgetragenen Argumente würden genauso auch für die Einverständnisfälle Geltung beanspruchen.82 c) Folgerungen für die Zustimmung Nach Ansicht dieser Arbeit ist eine Differenzierung zur Frage des Kund­ gabeerfordernisses der Zustimmung nicht vorzunehmen, sondern einheitlich hierzu Stellung zu beziehen. Damit wird auch eine Absage an die Ansichten erteilt, die zwar nicht nach Art der Zustimmung differenzieren, aber danach, ob mit der Zustimmung Folgen tatsächlicher oder rechtlicher Art verbunden sind bzw. ob die Zustimmung eine rechtsgeschäftlich bedeutsame Position zu ihrem Gegenstand hat. Die Anforderungen an die Zustimmung nur im rechtsgeschäftlichen Bereich heraufzusetzen und damit den Rechtsinhaber poten­ tiell stärkeren Schutz zu gewähren, überzeugt nicht, da es dem Geiste eines antiquierten Strafrechts entstammt, das dem Vermögensschutz größere Bedeutung zumaß als anderen personenbezogenen Rechten. Ebenso wenig überzeugend ist die Differenzierung nach einem Verbundensein der Zustimmung mit tatsächlichen oder rechtlichen Folgen. Jede Zustimmung zeitigt Folgen tatsächlicher Art: Der Besucher ist in der Haussphäre anwesend, die Sache in eine andere Gewahrsamssphäre übergegangen, die Fortbewegungsfreiheit aufgehoben. Und jede Zustimmung zeitigt auch Folgen rechtlicher Art: Denn jeder Eingriff erfolgt in eine rechtlich geschützte Sphäre! Letztendlich liegt hier gar keine Differenzierung im eigentlichen Sinne vor, sondern die Schaffung einer Ausnahmefallgruppe für die Nötigung, welche als Delikt aufgefasst wird, das sich allein gegen die Willensentschließungsfreiheit richtet. Jedoch ist auch die Straftat der Nötigung mit tatsächlichen Konsequenzen verbunden, die stets im jeweiligen Nötigungserfolg bestehen. Letztendlich läuft diese Differenzierung ins Leere. Stattdessen ist zur Voraussetzung einer Kundgabe der Zustimmung folgendes festzustellen: Die Zustimmung bedarf einer Erklärung nach außen. Bereits der Begriff der Zustimmung legt es nahe, dass die Stimme zu etwas 80  Rönnau,

LK-StGB, Vor § 32 Rn. 159. weitere Konsequenz zeigt sich bei der Frage nach der Auswirkung von „Willensmängeln“: Nur bei diesen Ausnahmen sind Rönnau zufolge Täuschungen und Irrtümer relevant. 82  Roxin, AT I, § 13 Rn. 76. 81  Eine

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erhoben werden muss. Daher kann ohne eine Kundgabe begrifflich überhaupt keine Zustimmung existent sein. Die sog. Willensrichtungstheorie, nach welcher eine bloß innere Zustimmung genügt, ist somit begrifflich verfehlt, soweit auf den Begriff der Zustimmung abgestellt wird. Die Argumentation, der autonome Wille des Berechtigten stehe der Strafbarkeit entgegen, ist zwar als Kritik an der herrschenden Meinung berechtigt, die von ihr in den Vordergrund gestellte Autonomie des Berechtigten nicht konsequent zu beachten, stellt aber im Ergebnis auf den falschen Bezugspunkt ab. Es kommt nicht auf den Willen des Berechtigten, sondern auf dessen Erscheinung in der Außenwelt an. Der eine Strafbarkeit hindernde, einer Verletzung der Rechtssphäre ihres Inhabers entgegenstehende Grund ist das Gebrauchmachen des Rechtsinhabers von seinem Recht. Wer nur einen Willen bildet, der hat noch lange nicht verfügt, der hat noch lange nicht das Recht an der Sphäre ausgeübt. Der Aspekt, dass dem Gebrauch eine autonome Entscheidung zugrunde liegen muss, ist zwar nicht bedeutungslos – natürlich nicht! –, entfaltet aber seine Relevanz erst für die Frage der Wirksamkeit der Zustimmung, nicht für deren Vorliegen. Und wie gezeigt wurde, wird mit einem Kundgabeerfordernis die Autonomie gerade gestärkt: Die autonome Entscheidung kundzutun, bedeutet die Herrschaft an seiner Sphäre auszuüben, die Bedingungen und Grenzen für Eingriffe festzulegen und eingriffsbereiten Dritten eine sichere Informationsgrundlage zu schaffen, die diese motiviert, den fremden Rechtskreis zu betreten, weil diese über die Sicherheit verfügen, dass sie kein Unrecht begehen und sich keinem Strafbarkeitsrisiko aussetzen, solange sie sich an die ihnen erteilten Vorgaben halten. Damit ist nach Ansicht dieser Arbeit eine Ausübung des Rechts an der jeweils geschützten Sphäre erforderlich. Das bedeutet, dass der Rechtsinhaber nach außen in irgendeiner Form, d. h. ausdrücklich oder konkludent, kundtun muss, in welcher Weise er über die Sphäre verfügt. Konkludente Zustimmung bedeutet auch, dass grundsätzlich eine stillschweigende Erklärung möglich ist. Die Zustimmung besteht dabei aus einer positiven sowie negativen Komponente: Zum einen liegt für den Täter positiv die Erlaubnis zum Eingriff in die Sphäre vor und zum anderen hebt der Berechtigte negativ den Schutz der Sphäre in Bezug auf den Täter auf. Allerdings – und diese Einschränkung ergibt sich sowohl aus dem Begriff der Zustimmung als auch dem Zweck des Strafrechts – muss der Rechtsinhaber lediglich dem Eingriff in die Sphäre zustimmen. Die nach außen kundgetane Zustimmung ist zur Begründung der Straf­ losigkeit erforderlich, aber es bedarf umgekehrt zur Begründung der Strafbarkeit keines Widerspruchs, d. h. keiner Verweigerung einer Zustimmung. Denn die Sphäre selbst legt den Schutzbereich fest, der von Außenstehenden



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung233

zu respektieren und dessen Aufrechterhaltung nicht gesondert vom Berechtigten einzufordern ist. Um es vereinfacht auszudrücken: Ungefragt darf niemand die Sphäre betreten; der Hinweis darauf muss nicht vom Berechtigten erteilt werden, weil das Strafrecht selbst durch die Anerkennung von dessen Rechtssphäre den Schutzbereich festgelegt hat. Aber wie verhält es sich nun mit dem Einwand, dass auch bei einem innerlich einverstandenem Willen keine Autonomieverletzung – in der Begrifflichkeit dieser Arbeit formuliert: keine Rechtsverletzung – vorliegen kann? Dem ist entgegen zu halten, dass der Täter, dem gegenüber keine Zustimmung zu dessen Eingriff erteilt wurde, auch wenn der Berechtigte innerlich einverstanden sein mag, in die fremde Rechtssphäre eingegriffen hat, ohne zuvor die Ausübung des Rechts durch den Berechtigten respektiert zu haben. Um es in einem Bild auszudrücken: Der Zutritt zur Sphäre ist durch eine Schranke versperrt und die Zustimmung stellt die Betätigung in Form der Anhebung eben jener Schranke dar. Wenn der Berechtigte nur innerlich damit einverstanden ist, die Schranke zu heben, sie aber tatsächlich nicht hebt, dann versperrt die Schranke weiterhin den Zutritt. Wenn der Täter sie nun überwindet, dann hat er in die fremde Rechtssphäre eingegriffen, ohne die fremde Berechtigung zu respektieren. Damit liegt eine objektive Verletzung der Sphäre vor, da der Zutritt zu dieser dem Täter versperrt war. Was der Berechtigte dabei wollte oder nicht, ist unbeachtlich für die Frage des Vorliegens einer Zustimmung. Diese muss objektiv und nicht nur subjektiv nach der Vorstellung des Berechtigten gegeben sein. Es könnte weiterhin eingewendet werden, dass die Konstellation, in welcher der Berechtigte innerlich einverstanden ist, der Täter hiervon aber keine Kenntnis hat, also irrig davon ausgeht gegen den Willen des Berechtigten zu handeln, der Einordnung als untauglicher Versuch näher steht als eines vollendeten Delikts. Gegen einen solchen Einwand ist jedoch bereits der Hinweis notwendig, dass die einzelnen Voraussetzungen der Zustimmung nicht mit Erwägungen vermengt werden sollten, welche Art der Strafbarkeit am Ende als Ergebnis herauskommen soll. Im Übrigen würde die typische Konstellation eines Versuchs voraussetzen, dass der Täter sich subjektiv mehr vorstellt als er objektiv erreicht. So verhält es sich aber gerade nicht, da der Täter schließlich tatsächlich objektiv wie subjektiv die fremde Rechtssphäre überschreitet, ohne dass ihm die Zustimmung erteilt wurde. Dass eventuell aus Strafwürdigkeitserwägungen eine Versuchsstrafbarkeit als angemessener erscheint, kann daran nichts ändern. Doch auch wenn man eine Vollendung annimmt, bleibt eine angemessene strafrechtliche Erfassung des Sachverhalts auf der Strafzumessungsebene offen. Denn es ist sich in Erinnerung zu rufen: Ob ein Tatbestand erfüllt ist oder nicht, ist eine absolut zu beantwortende Frage. Das gilt jedoch in dieser Strenge nicht für das Vorliegen von Unrecht, dieses kann relativ bestimmt werden, es gibt schwereres und leichteres Un-

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recht. Und natürlich ist es überlegenswert, Sachverhalte einer vom Eingreifenden nicht erkannten inneren Zustimmung zwar als tatbestandlich erfüllt, aber zugleich als Formen leichteren Unrechts mit einer Strafmilderungsmöglichkeit einzuordnen. Zusammenfassend verlangt der Tatbestand der Zustimmung als wesent­ liches Merkmal die ausdrückliche oder konkludente, nach außen getretene Kundgabe des berechtigten Sphäreninhabers. Der Gegenstand dieser Kundgabe ist noch genauer zu untersuchen, allerdings wurde bereits gesehen, dass dieser positiver Natur insoweit ist, als dass dem Täter der Eintritt in die Sphäre gestattet wird. Negativer Natur ist die Zustimmung unter dem Gesichtspunkt, dass der Sphärenschutz in Bezug auf den Täter aufgehoben ist. Allerdings haben die bisherigen Ergebnisse auch klargestellt, dass es keiner negativen Kundgabe in Form einer Verweigerung der Zustimmung, eines Einforderns des Berechtigten in Bezug auf die Respektierung der Schutzsphäre bedarf. 2. Zeitpunkt der Zustimmung Durch die Festlegung auf das Erfordernis einer Kundgabe der Zustimmung nach außen in irgendeiner Form, ist zugleich deren nächste Voraussetzung festgelegt: Der Zeitpunkt, zu welchem die Zustimmung vorgelegen haben muss, ist derjenige, in welchem der Täter in die Rechtssphäre eingreift. Spätestens im Moment des Überschreitens der fremden Sphäre muss die Zustimmung ihres Inhabers an den Täter kundgetan werden. Erfolgt die Zustimmung erst nach diesem Zeitpunkt, so kann sie nichts mehr an dem Ergebnis ändern, dass in die Sphäre verletzend eingegriffen wurde. Eine nachträgliche Zustimmung ist demnach unbeachtlich. Das gilt nach Auffassung dieser Arbeit selbst dann, wenn der Berechtigte zum Zeitpunkt des Eingriffs zumindest innerlich einverstanden war, ohne dass bereits in äußerlicher Form kundgetan zu haben. Insgesamt entspricht dieses Ergebnis der allgemeinen Ansicht zur bisherigen Dogmatik der Einwilligung.83 Das ergibt sich letztlich aus der 83  Fischer, StGB, Vor § 32 Rn. 3c; Heinrich, AT, Rn.  459 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 112; Jakobs, AT, 7 / 131; Kientzy, Einwilligung, S. 18, 120 f.; Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 665; Kühl, AT, § 9 Rn. 32; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 44; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 57; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 13, 32a; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 171; Rosenau, SSWStGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 39; Roxin, AT I, § 13 Rn. 79; Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 44; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 185; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 124; ders., Lehrbuch, 8 / 135; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 18; Stratenwerth /  Kuhlen, AT, § 9 Rn. 27; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 566. Unverständlich hingegen Mitsch, Rechtfertigung, S. 595, 598 ff.: Gegenwärtig wäre nur der „Nicht-Widerruf“, weshalb es in Wahrheit zu einer „Asynchronität von Erklärung und Tat“ käme.



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schlichten Beachtung des Koinzidenzprinzips:84 Alle Voraussetzungen der Strafbarkeit müssen zum Zeitpunkt der Tat vorliegen. In seinem Kernbereich gilt dieses Prinzip für die Vorsatzanforderungen an den Täter, aber es beansprucht genauso Beachtung für die übrigen Voraussetzungen der Strafbarkeit, auch deren negative Voraussetzungen, wie eben das Nichtvorliegen einer Zustimmung. Wer hingegen eine Kundgabe für nicht erforderlich erachtet, sondern das bloße innere Einverstandensein genügen lässt, der muss folglich auf diesen Zustand der inneren Zustimmung abstellen, der aber ebenfalls zum Tatzeitpunkt vorliegen muss.85 Schmidhäuser definiert – im Ergebnis nicht anders – den Zeitpunkt der Zustimmung weniger als Zeitpunkt als vielmehr als Zeitraum: Die Zustimmung müsse vorliegen bevor der Täter handele, sie dauere nur solange sie als seelisch-interner Vorgang vorliege und schließlich könne sie jederzeit beendet werden, ohne dass es etwa eines ausdrücklichen Widerrufs bedürfe.86 Die sich hier aufdrängende Frage lautet: Wie lässt sich eigentlich feststellen, ob der „seelisch-interne Vorgang“ auch wirklich zum Tatzeitpunkt vorgelegen hat? Wer nicht dessen Erscheinung in der Außenwelt für erforderlich hält, der muss auch konsequent solchen äußeren Erscheinungsformen jegliche Beachtlichkeit absprechen und kann folglich nur den Träger des Seelenvorgangs befragen und muss diesem vor allem eines: Glauben schenken. Damit ist die Einhaltung des Koinzidenzprinzips nur schwer zu gewährleisten, was – der Hinweis erscheint fast zu offensichtlich – bedenklich im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist, sowohl für den Rechtsanwender als auch für den Rechtsbetroffenen, nämlich den Täter. Denn es liegt ja nicht nur in der Hand des vermeintlichen Opfers zu behaupten, seine innere Zustimmung habe zum Eingriffszeitpunkt vorgelegen, um so den vermeintlichen Täter vom Strafübel zu befreien, sondern genauso kann es behaupten, dem Eingriff zwar zunächst innerlich zugestimmt, aber zum Tatzeitpunkt doch noch innerlich widersprochen zu haben. Wenn es nach Schmidhäuser ginge, wäre schließlich niemals irgendeine Kundgabe erforderlich: weder für Zustimmung noch für deren Widerruf. Diese Unsicherheiten führen nochmals vor Augen, weshalb eine äußere Kundgabe für die Zustimmung erforderlich ist. Das führt nicht nur dazu, dass der Zeitpunkt der Zustimmung präzise ermittelt werden kann, sondern auch 84  Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 185 meint wohl genau jenes Prinzip, wenn er sich für eine „zeitliche Kongruenz von Tat und Zustimmung ausspricht. Amelung stützt sich dagegen argumentativ darauf, dass der einmal gezeigte Ungehorsam gegenüber einer Norm nicht mehr aus der Welt zu schaffen sei, ders. / Eymann, JuS 2001, 937, 941. 85  So explizit etwa Frister, AT, § 15 Rn. 7. Für das Einverständnis Heinrich, AT, Rn. 446, 448. 86  Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 124; ders., Lehrbuch, 8 / 135.

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dazu, dass sowohl Rechtsanwender als auch der rechtsbetroffene Täter Sicherheit darüber haben, ob ein Eingriff in die fremde Rechtssphäre verletzend ist oder nicht. Wie sogleich zu zeigen sein wird, ergibt sich ein weiterer Vorteil eines Kundgabeerfordernis daraus, dass ebenfalls präzise bestimmt werden kann, welchen Inhalt die Zustimmung hat, sodass auch ohne weiteres festgestellt werden kann, ob der Eingriff des Täters in die Sphäre von der Zustimmung erfasst wurde oder nicht. 3. Gegenstand der Zustimmung Wer typische Kommentierungen und Untersuchungen zum Gegenstand der Zustimmung liest, der wird zumeist folgende Ausgangsfrage vorfinden: Worauf bezieht sich die Zustimmung, auf die Handlung, den Erfolg oder beides? Honig hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Fragestellung eigentlich unrichtig ist und nur dann einen Sinn ergibt, wenn damit der Erfolgsbegriff im engen Sinne gemeint ist. Da dieser enge Erfolgsbegriff ohnehin nur relevant für die Abgrenzung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten ist, überrascht es nicht, dass Honig entsprechend differenzierend den Gegenstand der Einwilligung bestimmt: Bei Tätigkeitsdelikten beziehe sich die Einwilligung nur auf die Handlung, bei Erfolgsdelikten müsse sie auch den Erfolg umfassen.87 Hirsch will ebenfalls unterscheiden, allerdings zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Delikten und bei letzteren die Einwilligung in die sorgfaltswidrige Handlung genügen lassen. Er begründet dies mit dem Unrechtsverständnis der fahrlässigen Tat, bei welcher der Erfolg „eine Auswirkung des Handlungsunrechts, nicht aber ein Teil desselben“ sei.88 Der heute überwiegende Teil der Literatur vertritt meist ohne Hinweis auf eine solche Differenzierung, dass Handlung und Erfolg den Gegenstand der Einwilligung bilden.89 Teilweise wird die Einschränkung vorgenommen, dass der Erfolg im Zeitpunkt der Einwilligung zu übersehen gewesen sein 87  Honig,

Einwilligung, S. 172 f. LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 107 unter Verweis auf ders., ZStW 1982, 239, 251 ff. 89  Hellmann, Roxin-FS I, S. 271, 275; Jescheck / Weigend, AT, S. 382; Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 7; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 166; Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 670; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 34; Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 133; Otto, Geerds-FS, S. 603, 621, wobei anzumerken ist, dass der Verfasser versehentlich auf den Täter statt des Berechtigten abstellt; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 164; ders., Willensmängel, S. 194; Roxin, AT I, § 13 Rn. 78; ders., GA 2012, 655, 661; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 13. So nur bei vorsätzlichen Delikten Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 106. Nur von Erfolgsbezogenheit spricht Niedermair, Einwilligung, S. 130. Vgl. auch Kientzy, Einwilligung, S. 120 m. Fn. 101: Der Gegensatz von Handlung oder Erfolg sei weder „praktisch noch rechtlich zu halten“. 88  Hirsch,



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muss.90 Zur Handlungskomponente wird zum Teil die Ergänzung vorgenommen, dass die Zustimmung die Art und Weise ihres Vollzugs umfassen muss.91 Hirsch weist darauf hin, dass sich die Einwilligung auf ein „bestimmtes Tun oder Unterlassen“ beziehen und sich der Täter „nach Art und Maß im Rahmen der Einwilligung“ halten muss, anderenfalls ein Exzess vorliegt.92 Manchmal lassen sich auch Begründungen für das Erfordernis dieses doppelten Bezugspunkts finden. So ist nach Otto nur in diesem Fall die Einwilligung als Ausdruck der Autonomie des Einzelnen zu werten.93 Und für Roxin ergibt sich das Erfolgserfordernis daraus, dass der Erfolg ein essentieller Bestandteil des Tatbestands ist.94 Ebenso ist es für Rönnau unumgänglich, wenn man den materiellen Grundgedanken der Einwilligung in einer Freiheitsgestaltung unter bewusster Aufopferung eines Rechtsguts sieht, dass sich diese bei vorsätzlichen Erfolgsdelikten sowohl auf die Eingriffshandlung als auch auf den tatbestandsmäßigen Erfolg erstrecken muss. Erforderlich sei es, dass der Einwilligende den Erfolgseintritt zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe.95 Eine andere Ansicht sieht als Gegenstand der Einwilligung allein den Erfolg an. Maurach /  Zipf sehen die Fragestellung, ob sich die Einwilligung auf den Erfolg, auf die Handlung oder auf beides gleichzeitig bezieht, mit dem zusätzlichen Problem belastet, dass nicht ausreichend klar zwischen der rechtlichen Relevanz der Einwilligung und ihrer faktischen Begrenzung unterschieden wird. Mit rechtlicher Relevanz meinen sie, dass sich unbestreitbar die Einwilligung auf das jeweilige Rechtsgut bezieht, da nur von diesem her beurteilt werden kann, ob ein Rechtsgutsverzicht überhaupt möglich ist und welchen Anforderungen dieser unterliegt. Daher sei die Einwilligung immer dergestalt rechtsgutsbezogen, dass ein bestimmtes Rechtsgut aus dem Schutzbereich der jeweiligen Strafnorm herausgenommen werde. Daher könne sich Einwilligung immer nur auf den Gefährdungs- oder Verletzungserfolg beziehen. Mit der faktischen Begrenzung meinen sie hingegen, dass 90  Jescheck / Weigend,

AT, S. 381; Kientzy, Einwilligung, S. 120. LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 166, der im übrigen nur gegebenenfalls die Handlungskomponente für erforderlich hält. 92  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 108. 93  Otto, Geerds-FS, S. 603, 621, wobei anzumerken ist, dass Otto versehentlich auf den Täter statt des Berechtigten in seinem Aufsatz abstellt. 94  Roxin, AT I, § 13 Rn. 78. 95  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 164; ders., Willensmängel, S. 194; so ausdrücklich auch Ostendorf, JuS 1982, 426, 432. Rönnaus Verweis auf Hirsch, LKStGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 107 geht jedoch fehl, da sich an benannter Stelle nur Ausführungen zum Erfolgserfordernis bei fahrlässigen Taten finden. Das verdeutlicht nur die eigentliche Problemlage: Das Erfolgserfordernis ist keine Frage des Zustimmungsgegenstands, sondern des inneren kognitiven Elements des Zustimmenden. 91  Kindhäuser,

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die Einwilligung zumeist in einem konkreten Situationsbezug steht. Die Kennzeichnung ihres gegenständlichen, örtlich-zeitlichen Wirkungsbereichs lasse sich durchaus als Handlungsbezug ansprechen. Der rechtliche Bezugspunkt der Einwilligung sei jedoch immer ein Erfolgssachverhalt, d. h. die Verletzung oder Gefährdung eines disponiblen Rechtsguts. Erst für die konkrete faktische Umgrenzung des Rechtsgutsverzichts nach der konkreten ­Situation trete der Handlungsbezug ins Blickfeld, d. h. die Umgrenzung der Einwilligung in personeller, sachlicher und örtlich-zeitlicher Hinsicht.96 Zipf hat an anderer Stelle begründet, dass sich die Erfolgsbezogenheit aus der Rechtsgutsbezogenheit ergibt. Die Einwilligung liege nur als Rechtsgutsverzicht „überhaupt im Machtbereich des Rechtsgutsträgers“. Dieser könne „nicht aber die Handlungsweise des Täters allgemein erlaubt“ machen. Deshalb dürfe sich die Einwilligung auch „nur auf das jeweilige Rechtsgut beziehen“.97 Zu diesem Ergebnis gelangt Zipf, wie er ausdrücklich feststellt, aufgrund der Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht, die sich seiner Meinung nach „gerade hier bewährt“.98 Dass die Handlung nicht Gegenstand sein darf, weil sie nicht zum Machtbereich des Zustimmenden gehört, begründet Zipf an anderer Stelle mit Beispielen: Wem ein Auto gehöre, der könne dessen Benutzung auch jemanden gestatten, der keinen Führerschein besitze, aber das hindere nur die Strafbarkeit wegen unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs nach § 248b StGB, nicht jedoch die wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG. Ebenso könne der Jagdberechtigte die Ausübung der Jagd auch in der Schonzeit gestatten und so die Strafbarkeit wegen Jagdwilderei nach § 292 StGB hindern, nicht aber die wegen Jagens in der Schonzeit nach §§ 38, 22 BJagdG. So kommt Zipf zu dem Schluss, dass die Einwilligung dem Täter „keine Handlungsbefugnis, sondern eine Verletzungsbefugnis“ verleihe.99 Die Beispiele tragen aber weder Ergebnis noch Begründung. Denn Jagdwilderei und unbefugter Fahrzeuggebrauch sind weder Delikte, die einen Erfolg im engen Sinne tatbestandlich vorsehen, noch sind es Delikte, die eine Verletzung eines Objekts voraussetzen. Jeweils genügt der bloße Gebrauch bzw. die bloße Nachstellung des Wildes. Dementsprechend kann sich die Einwilligung gar nicht auf einen Erfolg beziehen – weil ein solcher schon gar nicht vorgesehen ist –, sondern nur auf die tatbestandlich umschriebene 96  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 53 ff.; vgl. auch Zipf, Einwilligung, S. 22, 26 f.; ders., RZ 1976, 192, 195; ders., ÖJZ 1977, 379, 382; ders., Probleme der Gegenwart, S.  26, 34 f. 97  Zipf, RZ 1976, 192, 195; ders., ÖJZ 1977, 379, 382; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 34 f. 98  Zipf, ÖJZ 1977, 379, 382; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 34 f. 99  Zipf, Einwilligung, S. 21 (Hervorhebung im Original, Anm. d. Verf.).



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung239

Handlung. Ein anderes Ergebnis lässt sich nur dann vertreten, wenn man auf einen Erfolg im weiten Sinne abstellen wollte. Das aber will Zipf gerade nicht tun, sondern stellt ausdrücklich klar, dass „von einem engeren Begriff des Erfolges auszugehen“ wäre, weshalb sich die Einwilligung „auf den tatbestandsmäßigen Erfolg“ beziehen müsste, der in „Verletzung oder Gefährdung des jeweils […] geschützten Rechtsgutes“ bestünde.100 Diese Begriffssystematik ergibt aber keinen Sinn: Nach herkömmlicher Dogmatik ist der tatbestandsmäßige Erfolg etwas anderes als die Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung. Wer das gleichsetzen möchte, der braucht zumindest eine andere Begrifflichkeit, um „Außenweltserfolge“ wie etwa die Schädigung an einem Tatobjekt zu bezeichnen. Insofern verkennt Zipf, dass er gerade keinen engen, sondern einen weiten Erfolgsbegriff zugrunde legt. Mit einem solch weiten Verständnis ergibt nun aber die Fragestellung, ob Handlung oder Erfolg Gegenstand der Einwilligung ist, keinen Sinn mehr, weil ein weit verstandener Erfolgsbegriff immer auch von der Handlung umfasst ist. Es zeigt sich wie eine unklare Zusammenschau von Rechtsgutsverletzung, Erfolg, Handlung, Erfolgs- und Handlungsunrecht zu einem ungenauen Begriffswerk führt. Nach einer anderen Ansicht soll sich die Zustimmung nicht auf den Erfolg, sondern allein auf die Handlung des Täters beziehen.101 Murmann argumentiert damit, dass das Recht eine Verhaltensordnung enthält – er unterscheidet zwischen primären Verhaltensnormen und sekundären Sanktionsnormen im Strafrecht102 –, weshalb der Einwilligende „das zur Erfolgsvermeidung bestehende Verhaltensverbot aufheben muss“, den Eingreifenden also nicht von einer „Erfolgsherbeiführungsverbot“ befreien kann. Es ist der Grundgedanke der Einwilligung – diese gestalte ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Opfer und Täter um, und zwar in dem Sinne, dass eine Verhaltensnorm suspendiert werde –, den Murmann entwickelt hat und hier seiner Dogmatik zugrundelegt. Fehle aufgrund der Einwilligung der Handlungsunwert, so komme dem durch die Handlung verursachten Erfolg kein Unwert zu. Erfolgsunwert sei nämlich ein „konkretisierter Handlungsunwert“.103 100  Zipf,

Einwilligung, S. 22 f. Einwilligung, S. 59; Frister, AT, § 15 Rn. 12 f.; Keßler, Einwilligung, S. 25; Menrath, Einwilligung, S. 136 f.; Murmann, Selbstverantwortung, S. 358; ders., AT, § 25 Rn. 139; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 12; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 130; ders., Lehrbuch, 8 / 138 ff.; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 27; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 568. Nur für fahrlässige Taten Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 107. 102  Murmmann., AT, § 8 Rn. 5 ff. 103  Murmann, Selbstverantwortung, S.  358  f.; ders., AT, § 25 Rn. 139; ders., Puppe-FS, S. 767, 776 f. Diesem Ausgangspunkt zustimmend Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 695. 101  Dach,

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Und so argumentiert auch Satzger: Die Einwilligung suspendiere das Verhaltensverbot und damit falle das Verhaltensunrecht weg.104 Auch für Frister ist eine auf den tatbestandlichen Erfolg gerichtete Absicht des Verletzten keine notwendige Voraussetzung. Zur Veranschaulichung nennt er als Beispiel die Bitte einen verbogenen Autoschlüssel mit dem Hammer gerade zu biegen, im Bewusstsein der daraus entstehenden Gefahr. Die Zustimmung zur tatbestandsmäßigen Handlung sei bereits als Einwilligung in die Tatbestandsverwirklichung zu bewerten, wenn der Betroffene den die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung begründenden Sachverhalt kenne und über das zur Erkenntnis der Gefahr notwendige Erfahrungswissen verfüge. Auf die Subsumtion des Erfahrungswissens unter den Sachverhalt komme es anders als beim Täter nicht an. Denn zur autonomen Lebensgestaltung gehöre es auch die Möglichkeit des Erfolgseintritts zu verdrängen und aufgrund dessen in gefährliche Handlungen einzuwilligen.105 Dass es nun das Handlungsunrecht ist, welches infolge der Zustimmung wegfällt, wird nicht im eigentlichen Sinne bestritten. So führt Roxin aus, dass „bei einer wirksamen Einwilligung der Erfolgsunwert und mit ihm der Handlungsunwert und Deliktstyp entfallen“. Es fehle von vornherein an jedem Erfolgsunwert und da der Wille des Eingreifenden ebenso wenig auf die Herbeiführung eines Erfolgsunwertes gerichtet sei, mangele es auch am Intentionsunwert.106 Problematisch ist nur, dass bei einer solchen Darstellung der Unrechtsrelevanz objektive und subjektive Kriterien vermengt werden, so wie es auch bezüglich der Anforderungen an den Zustimmungsgegenstand zu beobachten ist. Wie die Arbeit bereits herausgearbeitet hat, kann mit den Begriff Erfolgs- und Handlungsunrecht keine Gegenüberstellung zwischen Objektivem und Subjektivem verbunden werden. a) Die Relevanz für sog. Risikoeinwilligungen Welche Relevanz der Frage nach dem Gegenstand der Einwilligung zukommt, wird deutlich, wenn die Folgen unterschiedlicher Anknüpfungspunkte betrachtet werden. Hinter der Fragestellung verbirgt sich nämlich eigentlich der Streit darüber, ob eine Risikoeinwilligung, d. h. eine Einwilligung in eine bloße Fahrlässigkeitstat möglich ist.107 So fasst es auch Weigend zu104  Wessels / Beulke / Satzger,

AT, Rn. 568. AT, § 15 Rn. 12 f. Einen anderen Begründungsweg schlagen Paeffgen / Zabel: Die Richtigkeit der Ansicht würde sich daran zeigen, dass es dem Einwilligenden, auch wenn er zwar in einen Erfolg einwillige, in der Regel „dennoch gerade auf die Person des Erklärungs-Empfängers ankomme“, Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 12. 106  Roxin, AT I, § 13 Rn. 19. 105  Frister,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung241

treffend für den Fall der fahrlässigen Tötung zusammen: Wer die Einwilligung auf die Handlung beziehe, gelange bei einer bloßen Gefährdung zur Rechtfertigung. Wer dagegen den Gegenstand der Einwilligung im Erfolg sehe, müsse die Wirksamkeit konsequent an § 216 StGB scheitern lassen. Nach seiner Ansicht muss sich die Einwilligung auf die Beeinträchtigung des Rechtsgutsobjekts beziehen.108 Diese Folge hat auch Frister nicht verkannt, sondern ist sich darüber im Klaren, dass seine Ansicht zur Möglichkeit einer Risikoeinwilligung führt. Wobei diese keine Frage der Zurechnung im Sinne einer einverständlichen Fremdgefährdung sei, denn wenn schon eine Einwilligung in eine Rechtsgutsverletzung den Tatbestand nicht ausschließe, dann könne eine Einwilligung in die bloße Gefährdung erst recht nicht diese ­Wirkung haben.109 Diese Argumentation ist zumindest konsequent, gilt aber nicht, wenn die Zustimmung ihre Wirkung auf Tatbestandsebene entfaltet. Der Zusammenhang zur einverständlichen Fremdgefährdung weist aber eigentlich auf eine andere Problematik hin, die in der historischen Bedingtheit110 der Zweiteilungslehre begründet ist. Die Zweiteilungslehre entstand zu einer Zeit, in der die Lehre von der objektiven Zurechenbarkeit noch nicht einmal in ihrem Keim angelegt war. Beide Lehren stehen in Widerspruch zueinander, wenn einerseits eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Betroffenen und ein Dazwischentreten Dritter heute anerkanntermaßen Fragen des Tatbestands sind, während andererseits das Dazwischentreten eines Dritten im Auftrag des Betroffenen, also der Sache nach eine Kombination zweier anerkannter Fallgruppen der objektiven Zurechnung, erst auf der Rechtfertigungsebene Wirkung entfalten soll. Ein solcher Widerspruch ist für eine Konsistenz anstrebende Strafrechtsdogmatik ein misslicher Zustand. Wer an der Zweiteilungslehre festzuhalten gedenkt, dem obliegt es entweder darzulegen, weshalb kein Widerspruch besteht, oder diesen Widerspruch aufzuheben. b) Die Unrechtsrelevanz Eingangs wurde die Frage aufgeworfen, ob sich die Zustimmung auf die Handlung oder den Erfolg bezieht. Diese Frage entspricht der üblichen Vor107  Göbel, Einwilligung, S. 24; Menrath, Einwilligung, S. 120 ff.; Murmann, AT, § 25 Rn. 139; ders., Puppe-FS, S. 767, 776 f.; Paeffgen, NK-StGB, 4. Aufl., § 228 Rn. 12; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 165; Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 693. Dieser Zusammenhang scheint historisch in der Strafrechtswissenschaft fest verankert zu sein, meinte ihn so schon Honig, Einwilligung, S. 174 f. zu erkennen. 108  Weigend, ZStW 1986, 44, 70. 109  Frister, AT, § 15 Rn. 14 f. 110  Siehe dazu oben S. 82 f.

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gehensweise in einschlägigen Darstellungen zur Einwilligungsdogmatik und damit fast einer strafrechtlichen Gewohnheit. Die Frage ist jedoch falsch gestellt! Wer den Gegenstand der Zustimmung bestimmen will, der muss die Wirkung der Zustimmung berücksichtigen. Wenn die Zustimmung die Entstehung von Unrecht hindert, dann muss sie sich auf das beziehen, was Unrecht ist.111 Die richtig formulierte Frage muss also zum einen den Blick darauf richten, was Unrecht ist, und zum anderen darauf, was erforderlich ist, um ein Entstehen von jenem zu hindern. Damit ist auf die Ergebnisse zum Unrechtsbegriff zurückzugreifen. Der hier vorgeschlagene doppelt-dualistische Unrechtsbegriff setzt sich aus tatund täterbezogenem Handlungs- und Erfolgsunrecht zusammen. Fehlt es an einer dieser Komponenten, so liegt Unrecht insgesamt nicht vor. Soll die Zustimmung also ihre Wirkung entfalten und das Unrecht mit jenen Komponenten an der Entstehung hindern, so muss es lediglich eine dieser Komponenten erfassen. Und eine weitere wichtige Weichenstellung ist vorwegzunehmen: Es geht mit dem Zustimmungsgegenstand um eine objektive Voraussetzung der Zustimmung! Daraus folgt, dass es weder um die subjektive Einstellung des Eingreifenden noch um die subjektive Einstellung des Zustimmenden geht, sondern einzig und allein um den objektiven Gegenstand der Zustimmung. Der Gegenstand der Zustimmung kann danach nur das objektiv-tatbezogene Handlungs- und Erfolgsunrecht sein. Auf die subjektiv-täterbezogenen Komponenten kann der Zustimmende keinen unmittelbaren Einfluss ausüben; er kann nur seinem eigenen Willen Ausdruck verleihen und hinsichtlich dieses ausgedrückten Willens haben sowohl der Zustimmende als auch der Eingreifende eine subjektive Einstellung. Das täterbezogene Unrecht ist eine Frage des Vorsatzes des Eingreifenden und bedarf besonderer Behandlung. Gleiches gilt aber auch für den „Vorsatz des Zustimmenden“, d. h. ob er kognitiv und voluntativ alle wesentlichen Umstände seiner Zustimmung erkannt und gewollt hat. Das ist eine Frage der subjektiven Voraussetzungen der Zustimmung, die jedoch leider – wie gleich zu sehen sein wird – in der Zustimmungsdogmatik mit dem Gegenstand der Zustimmung vermengt wird.

111  So auch explizit Jakobs, nach dem es um eine „Einwilligung in das, was an sich Unrecht ist“, geht, AT, 7 / 111. Ähnlich, aber ungenau Menrath, Einwilligung, S. 129 ff.: Nach seiner Ansicht wird der Streit um den Erfolgsbezug mit Argumenten aus der Unrechtslehre „ausgefochten“. Tatsächlich geht es aber nach Ansicht dieser Arbeit nicht nur um die Heranziehung von Argumenten, sondern im Kern um die Unrechtslehre selbst.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung243

c) Die Verwechslungen der Lehre von der Erfolgsbezogenheit Im Nachfolgenden zeigt die Arbeit zwei wesentliche Schwachstellen in der Lehre von der Erfolgsbezogenheit der Zustimmung auf. Gemeinsam ist diesen Schwächen, dass sie auf Verwechslungen beruhen: Zum einen zwischen Erfolg und Rechtsgutsverletzung und zum anderen zwischen objektiven und subjektiven Anforderungen. aa) Die Gleichsetzung von Erfolg und Rechtsgutsverletzung Die Ansicht, welche den Erfolg als notwendigen objektiven Gegenstand ansieht, steht in engem Zusammenhang zur Rechtsgutstheorie. Die Lehre von der „Erfolgsbezogenheit der Einwilligung“112 kann damit nur solange aufrecht erhalten werden, wie auch an der Rechtsgutstheorie festgehalten wird.113 Wer damit die Rechtsgutstheorie ins Wanken bringt, der bringt auch die Erfolgsbezug in Schieflage. Es ist jedoch noch nicht einmal erforderlich, die Überzeugungskraft der Rechtsgutstheorie selbst anzugreifen, um die Lehre vom Erfolgsbezug zu erschüttern. Zur Erschütterung gelangt auch die Überprüfung danach, inwieweit die Rechtgutstheorie überhaupt konsistent Anwendung findet. Das Schema der Lehre vom Erfolgsbezug offenbarte sich schon bei Zipf114 und ist recht simpel aufgebaut: Die Einwilligung wird als Rechtsgutspreisgabe, -verzicht, – etc. gedeutet und entsprechend der Erfolg als ihr notwendiger Gegenstand angesehen.115 Es gehe um die Preisgabe ­eines Gutes, nicht um die Erlaubnis einer Handlung. Zur Disposition des 112  So die Bezeichnung bei Göbel, Einwilligung, S. 25; Grünewald, GA 2012, 364, 371; Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 691. 113  So ausdrücklich auch Grünewald, GA 2012, 364, 372. 114  Zipf, RZ 1976, 192, 195; ders., ÖJZ 1977, 379, 382; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 34 f. 115  Andere sprechen auch von einem Verzicht auf Rechtsschutz, vgl. Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 662; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 33; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 36; Niedermair, Einwilligung, S. 130; Otto, Geerds-FS, S. 603, 621; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 3; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 551. Hingegen sprechen Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 6 explizit von einem „Verzicht auf das Rechtsgut (und nicht nur den Rechtsschutz)“. So auch Zipf, Einwilligung, S.  28 f.; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 28, der aber meint, es bestünde kein Unterschied zur Ansicht, die auf ein Rechtsschutzverzicht abstellt. Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54 spricht wiederum davon, auf den „Rechtsgüterschutz zu verzichten“. Vgl. auch Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 31, der von Fiktion spricht, da der Rechtsgutsinhaber „nicht in (straf-)rechtlichen Kategorien denken dürfte“. Jakobs, AT, 14 / 2 attestiert dem Abstellen auf den Rechtsfolgewillen eine „deutliche zivilrechtliche Befangenheit“. Kritisch zum Verzichtsbegriff im Zusammenhang zu Einwilligung und Einverständnis: Rinck, Deliktsaufbau, S. 33 f.: Worin solle der Verzicht auf Schutz liegen, einen Handwerker zu beauftragen, den Putz abzuschlagen, um ein

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Rechtsgutsinhabers stehe allein die Aufgabe des Rechtsguts, nicht aber das Außer-Kraft-Setzen der Verhaltensnorm, diese richte sich an alle.116 Die Einwilligung könne sich also nicht auf die Handlung beziehen, sondern nur auf die Beeinträchtigung des Rechtsgutsobjekts.117 Exemplarisch dafür auch Göbel: Es gehe bei der Einwilligung um die Möglichkeit des Umgangs mit zugewiesenen Gütern in einer Art von Bitte um deren Zerstörung oder Verletzung, weshalb die „innerliche Billigung des Erfolges das Charakteristische der Einwilligung“ sei, dass er dem Willen des Gutsinhabers entspricht und sich nicht nur als unerwünschte Folge herausstelle. Begründet sei das mit dem Grundgedanken der Einwilligung: Das Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf Rechtgüter.118 Ein solches Verständnis, welches auf die Schädigung von Gütern abstellt und darauf auch die Zustimmung beziehen will, unterliegt der verführerischen Anschaulichkeit der Wirklichkeit. Die Gleichsetzung der Rechtsgutsverletzung mit einer Schädigung im naturalistischen Sinne stellt letztlich eine Verwechslung von Tatobjekt und Rechtsgut dar. Neben diesem klassischen Missverständnis, welches die Rechtsgutstheorie von Anfang begleitet und ihr immanent zu sein scheint, unterlaufen der Lehre vom Erfolgsbezug dieselben Fehler, wie sie bereits von der Bestimmung des Unrechtsbegriffs bekannt sind119: Die Beschreibung der Erfolgskomponente als erlittener Schaden und die Gleichsetzung von Erfolg, Erfolgsunrecht und Rechtsgutsverletzung.120 Die Probleme bereiten zum einen Straftatbestände ohne Erfolg in engem Sinne, da diese nach der Konzeption dann weder Erfolgsunrecht noch Rechtsgutsverletzung aufwiesen. Zum anderen besteht der innere, nicht auflösbare Widerspruch, dass die Rechtsgutsverletzung sowohl mit dem Unrecht als auch mit dem Erfolgsunrecht identisch und damit ein eigentlicher Teil des Ganzen, nämlich das Erfolgsunrecht, das Ganze selbst wäre, nämlich das Unrecht. Die Lehre von der Erfolgsbezogenheit der Einwilligung verkennt jedoch nicht nur die systematische Bedeutung ihres Erfolgsbegriffs, sondern auch seine tatbestandliche. Wer den Erfolg aus dem Umfang der Einwilligung verbanne, schaffe die „verborgene Gefahr einer Strafbarkeitsausdehnung“, so die Warnung Stefanopoulous.121 Damit werden jedoch positive Umstände, die im Tatbestand die Strafbarkeit einschränken, mit solchen, die die StrafStromkabel zu verlegen? Darin liege so wenig Verzicht wie darin, einen Gast zu sich in die Wohnung einzuladen. 116  Roxin, GA 2012, 655, 661 f. 117  Weigend, ZStW 1986, 44, 70 m. Fn. 91. 118  Göbel, Einwilligung, S. 25. Ähnlich auch Hellmann, Roxin-FS I, S. 271, 276 f. 119  Siehe dazu oben S. 163 ff. 120  Vgl. auch Zipf, ÖJZ 1977, 379, 380. 121  Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 693.



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barkeit ausschließen, sei es als negatives Tatbestandsmerkmal oder als Rechtfertigungsgrund, vermischt. Es wird der unrichtige Eindruck erweckt, dass, wer sich für eine Absenkung der Anforderungen an die täterbegünstigende Einwilligung einsetzt, durch die Hintertür auch eine Absenkung der Anforderungen des täterbelastenden Tatbestands einführen will. Es gilt sich die Bedeutung besonderer Außenweltserfolge im Tatbestand bewusst zu machen: Der Tatbestand legt den strafrechtlich gewährten Schutzbereich der jeweiligen Sphäre fest, aber die eigentliche Sphäre kann viel weiter reichen. Wer einen Stein durch das Fenster einer fremden Wohnung wirft, der greift ohne weiteres in die Haussphäre ein und wenn der Hausrechtsinhaber dem Wurf nicht zugestimmt hat, dann verletzt er sie auch, allerdings eben nicht in strafrechtlich relevanter Weise. Wer einer anderen Person eine leichte Ohrfeige erteilt, der greift in dessen Recht auf körper­ liche Integrität ein und verletzt dieses, wenn die Person nicht ihre Zustimmung erteilt hat, eine Verletzung in strafrechtlich relevanter Weise liegt jedoch mangels Erheblichkeit nicht vor. Der Schutzbereich der jeweiligen Sphäre kann also durchaus verletzt sein, ohne dass überhaupt ein Erfolg im strafrechtlichen Sinne eingetreten sein muss. Dass es eines solchen überhaupt bedarf, ist der Notwendigkeit einer rechtsstaatlich gebotenen Begrenzung des Strafrechts geschuldet. Aus dieser Notwendigkeit heraus ergibt sich aber nicht zugleich eine Notwendigkeit, die Zustimmung auch auf tatbestandsbegrenzende Umstände zu beziehen. Vielmehr erscheint eine solche Verknüpfung sinnlos, denn die Zustimmung ist selbst strafbarkeitseinschränkend. Indem die Anforderungen an diese täterbegünstigende Institution zu senken gefordert wird, geht keine Forderung einher, die Anforderungen an den täterbelastenden Tatbestand ebenfalls zu senken. Die Zustimmung ist ein negativer Umstand des Tatbestands, der Eintritt von Außenweltserfolgen ein positiver. Auch wenn der Tatbestand zusätzliche oder höhere Anforderungen zu seiner Verwirklichung stellt, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er bereits aus anderen Gründen nicht verwirklicht werden kann, etwa dass, wie im Falle der Zustimmung, negative Umstände vorliegen, die ihn ausschließen. Eine Begründung dafür, die Zustimmung dennoch auf den engeren strafrechtlichen Schutzbereich zu beziehen, dürfte schwierig zu finden sein. Denn es ist fernliegend, aus den einer Begrenzung des Strafrechts dienenden Voraussetzungen auf eine Erweiterung der Voraussetzungen der Zustimmung zu schließen, die im Ergebnis zu einer Ausweitung des Strafrechts führen würde, da eben die Anforderungen für einen strafbarkeitseinschränkenden Umstand angehoben würden. Im Übrigen müsste die Zustimmung konsequenterweise dann auch als rechtliche Erklärung aufgefasst werden: Zugestimmt würde dann nicht einem bestimmten Lebenssachverhalt, sondern der Vermeidung

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einer bestimmten Rechtsfolge, nämlich des Strafausspruchs. Es wäre dann auch konsequent, die Zustimmung nicht auf ein bestimmtes Merkmal des Tatbestands zu beziehen, sondern auf den gesamten Tatbestand als solchen bzw. seiner Rechtsfolge. Dann müsste aber Gegenstand der Zustimmung konsequent alles sein, was im Tatbestand als Voraussetzung genannt wird. Es dürfte also nicht nur auf Erfolg und Handlung abgestellt werden, sondern einzubeziehen wären sämtliche Umstände des gesetzlichen Tatbestands. Eine solche Vorgehensweise wäre wenig überzeugend und beruht auf einem Missverständnis: Nur weil die Rechtsfolge der Zustimmung rechtlicher Natur in dem Sinne ist, dass mit ihr der Straftatbestand und damit die Strafbarkeit entfällt, bedeutet das nicht, dass ihre Voraussetzungen und insbesondere ihr Gegenstand sich auf diese Rechtsfolge beziehen müssen. Wer das anders sieht, der missversteht das generelle Zusammenspiel zwischen Tatbestand und Rechtsfolge: Das Vorliegen eines bestimmten Tatbestands führt zum Eintritt einer dafür vorgesehenen Rechtsfolge, ohne dass der Tatbestand diese Rechtsfolge selbst wäre oder sich darauf beziehen müsste. bb) Die Vermengung objektiver und subjektiver Voraussetzungen Damit haben die Verwechslungen der Lehre vom Erfolgsbezug aber noch nicht ihr Ende gefunden. Es kommt hinzu, dass die von ihr verwendeten Kriterien der Vorsatzproblematik entstammen. Der objektiven Ausgangsfrage „Was ist Gegenstand der Einwilligung?“ entgegnet sie eine Antwort aus dem subjektiven Bereich „Der Einwilligende müsse den Erfolg gebilligt ha­ ben!“.122 So fordern Rönnau und Sternberg-Lieben einen Erfolgsbezug für die Zustimmung und differenzieren für dessen Vorliegen danach, ob der Zustimmende den Erfolg erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen oder aber auf dessen Ausbleiben vertraut hat.123 Ähnlich verlangen auch Paeffgen / Zabel die „Kenntnis der Guts-Gefährdung“ und die „Bereitschaft diese Gefährdung / Verletzung hinzunehmen“. Dass sie damit die „Lösung in Parallele zur Vorsatz-Abgrenzung“ suchen und damit „die dortigen Streitigkeiten in diesen Bereichen hineinträgt“, gestehen sie ein, nehmen es aber „aus Gründen der Systemökonomie“ in Kauf.124 Jakobs stellt sogar als Er122  Vgl. exemplarisch Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 34; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 164; Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 693. 123  Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 34; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 164; ders., Einwilligung, S. 192. So auch Dach, Einwilligung, S. 88 m. Fn. 58, der ausdrücklich an die Einwilligung „die gleichen Mindestanforderungen“ stellen will, „wie sie nach herkömmlicher Ansicht auch an den dolus eventualis zu stellen sind“. 124  Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 19 f. Wie schwierig die Streitigkeiten aus dem Vorsatzbereich in die Zustimmungsdogmatik zu integrieren sind, stellen sie



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung247

gebnis seiner Überlegungen offen fest: „Einwilligung entspricht dem Vor­ satz“!125 Die bisherige Zustimmungsdogmatik leidet darunter, dass nicht hinreichend zwischen den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Zustimmung unterschieden wird.126 Die Frage nach ihrem objektivem Vorliegen und ihrem Bezugsgegenstand wird mit der Frage nach dem individuellen Bezug des Zustimmenden auf seine objektiv kundgetane Zustimmung vermengt. Inwieweit der Zustimmende den Erfolgseintritt voraussieht, inwieweit sogar ein voluntatives Element erforderlich ist, gehört zur Frage nach der subjektiven Wirksamkeit der Zustimmung, einer Frage sog. Willensmängel. Weshalb dennoch diese Frage so einhellig als eine des objektiven Gegenstands der Zustimmung behandelt wird, bleibt unverständlich.127 Diesem Vorwurf sind freilich nicht diejenigen ausgesetzt, die ohnehin nur auf den subjektiven Willen abstellen und überhaupt keine Kundgabe nach außen fordern. Wer so argumentiert, muss den Zustimmungsgegenstand allein aus der inneren Sicht des Zustimmenden bestimmen. So unterscheidet dann Jakobs konsequent zwischen finalen Einwilligungen, bei denen die Verhaltensfolgen beabsichtigt bzw. gewollt sind, und nicht finalen Einwilligungen, bei denen es um die „Zuständigkeit für unerwünschte Kosten eines sozialen Kontakts“ geht.128 Dass eine rein subjektive Zustimmungsdogmatik verfehlt ist, wurde bereits begründet,129 sodass es hier bei diesem Hinweis zu belassen ist. d) Der Eingriff in die Rechtssphäre als Zustimmungsgegenstand Wer den Gegenstand der Zustimmung richtig bestimmen will, der muss zwei Aspekte berücksichtigen, die sich aus deren tatbezogener Unrechtsrelevanz ergeben: Es geht sowohl um den Eingriff als auch um die Rechtssphäre selbst unter Beweis, wenn sie Begriffe wie „intellektuell-emotive Basis“ mit einer „(gemischt emotiv-intellektuellen) Vorsatz-Definition“ verwenden und zugleich an Herzbergs Konstruktion von der unabgeschirmten Gefahr anknüpfen wollen. 125  Jakobs, AT, 7 / 129. 126  Kritisch hierzu zwar auch Menrath, Einwilligung, S. 124 ff., allerdings nur in Bezug auf die Heranziehung der Abgrenzungskriterien zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit. 127  Zumal teilweise in entsprechenden Abhandlungen durchaus anklingt, worum es der Sache nach geht, nämlich um das „Problem, wem der Erfolg zuzurechnen ist“ und damit um eine Abgrenzung von Verantwortungsbereichen, so etwa Göbel, Einwilligung, S. 26, allerdings nur für die Risikoeinwilligung. 128  Jakobs, AT, 7 / 125 f. 129  Siehe dazu oben S. 226 ff.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

des Betroffenen. Beides kann aber nicht voneinander getrennt betrachtet werden, denn ein Eingriff kann nicht im leeren Raum erfolgen, sondern ­bedarf eines lokalen Ziels, welches jene Rechtssphäre ist. Dass die Rechtssphäre betroffen sein muss, darf aber nicht damit verwechselt werden, dass diese auch verletzt sein müsste. Nicht die Verletzung, sondern die Betroffenheit der Rechtssphäre durch den Eingriff bedarf der Zustimmung. Denn die Verletzung der Sphäre ist dadurch gekennzeichnet, dass der Eingriff ohne Zustimmung erfolgt. Bezugspunkt und damit Gegenstand der Zustimmung ist folglich der Eingriff in die jeweilige Rechtssphäre.130 Was zu diesem Eingriff zählt, ergibt sich aus dem jeweiligen Tatbestand, genauer gesagt: aus der tatbestandlichen Umschreibung der Tathandlung. Auf die Tathandlung allein bezieht sich damit die Zustimmung: Dass dem Täter gestattet wird, durch seine Handlung die eigene Rechtssphäre zu betreten, in sie einzugreifen. Sei es das Betreten einer fremden Haussphäre, die Aufhebung fremden Gewahrsams oder fremder körperlicher Bewegungsfreiheit, der Eingriff in fremde körperliche Integrität etc. Diese Arbeit erteilt damit der herrschenden Auffassung, wonach Gegenstand zusätzlich der Erfolg sein müsse, eine Absage. Wenn der Tatbestand einen Erfolg festschreibt, so knüpft das Gesetz die Strafbarkeit an zusätzliche Voraussetzungen in gleicher Weise, als würde es das Vorliegen besonderer Umstände voraussetzen: etwa eine besondere Tatsituation, eine besondere Täterqualifikation, eine besondere Ausführung der Tathandlung, besondere subjektive Merkmale des Täters etc. Jedes zusätzliche Merkmal im Tatbestand hebt letztlich die Voraussetzungen, an denen eine Strafbarkeit des Täters geknüpft wird, zu dessen Gunsten an und begrenzt damit zugleich die strafrechtlich gewährte Schutzsphäre für das potentielle Opfer. Eine solche Beschränkung des strafrechtlichen Schutzes führt aber nicht zugleich zu einer Erweiterung des Zustimmungsgegenstands. Für diesen sind alle möglichen zusätzlichen Umstände unerheblich. Maßgeblich ist stets die Vornahme der Handlung des Täters, die allein den eingreifenden Charakter darstellt. Stimmt der Berechtigte der Handlung zu, so liegt von vornherein keine Verletzung und damit kein Unrecht vor. Ob das Gesetz zudem noch weitere Voraussetzungen zur Einschränkung strafbaren Verhaltens stellt, ist damit von vornherein unerheblich, da es ohnehin an einer Verletzung fehlt. Damit hat Stefanopoulou zumindest teilweise Recht, wenn sie meint, dass von einer Trennung zwischen Erfolgs- und Handlungsunrecht bei der Einwilligung nicht mehr die Rede sein kann, sondern nur „von einer Rechtsgutsver-

130  Vgl. etwa für die Einwilligung bei § 4a BDSG die Ausführung von Franzen, wonach sich die Zustimmung „nur auf eine tats[sächliche] Handlung, den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, bezieht“, ErfK, § 4a BDSG Rn. 1.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung249

letzung gesprochen werden“ kann, die „in ihrer Gesamtheit“ gestattet wird.131 Unrecht hat sie freilich darin, dass die Rechts(guts-)verletzung erlaubt werde: Vielmehr bezieht sich die Zustimmung auf den Eingriff und hindert somit eine Verletzung und damit das Unrecht.132 Aber – so ließe sich vielleicht einwenden – würde das alleinige Abstellen auf die Handlung nicht zu unbilligen Ergebnissen führen? Etwa wenn jemand seine Zustimmung zu einem Schlag ins Gesicht erteilt und der Zustimmungsempfänger daraufhin so heftig den Schlag ausführt, dass die Nase des Zustimmenden gebrochen wird. Eine Zustimmung zur Handlung – Schlag ins Gesicht – liegt ja immerhin vor, aber gilt das auch für die daraus entstandene Folge, den Bruch der Nase? Ohne jeden Zweifel lässt sich festhalten, dass eine ausdrückliche Anweisung, die Nase zu brechen, nicht vorliegt. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Zustimmung den konketen Schlag objektiv – ungeachtet der Folgen! – auch unter dem Gesichtspunkt nicht erfassen, dass die Art und Weise der Ausführung – heftige Ausholbewegung statt „leichter Klapps“ – von der erteilten Zustimmung abweicht. Doch wenn das nicht der Fall sein sollte – die Art und Weise der Ausführung wurde nicht konkret eingeschränkt –, bedeutet dann eine Zustimmung zur Vornahme einer Handlung, dass damit zugleich alle daraus resultierenden Folgen erfasst sind? Würde also ein Abstellen allein auf die Handlung dazu führen, dass die Zustimmung uferlos und damit der Berechtigte, gibt er einmal seinen zustimmenden Willen kundt, schutzlos gestellt wäre? Natürlich darf der Umstand allein, dass der Berechtigte eine Erklärung in die Welt setzt, nicht dazu führen, dass sich der strafrechtliche Schutz aus der Welt des Berechtigten zurückzieht und ihn dort allein zurücklässt. Aber die Frage beruht auf der Verwechslung von objektiven und subjektiven Zustimmungsvoraussetzungen, wird also in einem falschen Zusammenhang gestellt: Vorliegend beantwortet die Untersuchung allein die Frage nach dem Gegenstand der Zustimmung. Wer diesen nur auf die Handlung des Eingreifenden bezieht und damit alle dadurch bewirkten Erfolge zunächst grundsätzlich von der Zustimmung als erfasst ansieht, der hat noch nicht darüber entschieden, ob diese Zustimmung tatsächlich alle Voraussetzungen erfüllt, um dem Eingriff den verletzenden Charakter zu nehmen. Der Gegenstand der Zustimmung stellt schließlich nur eine ihrer Voraussetzungen dar, zumal nur eine ihrer objektiven. Dass möglicherweise der Berechtigte mit seiner Zustimmung zur Handlung des Eingreifenden den tatsächlich bewirkten Erfolg gar nicht gewollt oder sogar dessen Eintritt noch nicht einmal vorausgesehen hat,

131  Stefanopoulou,

ZStW 2012, 689, 696. hat sie ebenso damit, die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund einzuordnen; aber hierzu hat diese Arbeit bereits ausführlich Stellung bezogen. 132  Unrecht

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

ist eine Frage, die aus der subjektiven Sicht des Zustimmenden zu beantworten ist. Es handelt sich quasi um den Vorsatz auf Zustimmungs­seite.133 Diese Betrachtung des Zustimmungsgegenstands ist nur konsequent: Der Berechtigte nimmt kraft seiner Zustimmung dem Eingriff des Täters den verletzenden Charakter. Der Eingriff ist aber nun eben an sich nur die Vornahme der Tathandlung, das Betreten der fremden Rechtssphäre und nicht ein dort darüber hinaus eingetretener Erfolg. Die Vornahme der Tathandlung für sich allein trägt schon das Potential einer Rechtssphärenverletzung in sich; nur potentiell deswegen, weil der Tatbestand neben der Umschreibung der Tathandlung weitere Voraussetzungen stellen kann. Das Potential der Rechtsverletzung ist damit grundsätzlich allein durch die Zustimmung zur Tathandlung beseitigt, sofern auch die weiteren Voraussetzungen der Zustimmung vorliegen. Weiterhin ist die Zustimmung der Ausdruck einer Beziehung zwischen der Befugnis des Berechtigten über seine Rechtssphäre zu verfügen und der angestrebten Befugnis des Täters darin einzugreifen: Eine Beziehung zwischen Berechtigtem und Eingreifendem und deren jeweiligen Machtsphären. Während dem Berechtigten kraft Rechts die Macht, also die Entscheidungshoheit über seine Sphäre zusteht, resultiert die Macht des Täters darin einzugreifen grundsätzlich aus seiner reinen Willkür heraus. Einer Willkür freilich, die mit keiner Verletzung einhergeht, soweit sich der Täter die Zustimmung des Berechtigten verschafft. Aber eines steht fest: Der Eingriff des Täters muss auf dessen Machtbereich, auf dessen Entscheidungshoheit zurückzuführen sein. Dass jedoch ein objektiver Umstand, wie der eines Erfolgs eingetreten ist, kann nicht unmittelbar auf seinen Machtbereich zurückgeführt werden, sondern einzig und allein auf seine Handlung, die aufgrund einer Kausalkette zu eben jenem Erfolg führte. Der Erfolgseintritt ist damit nur ein Glied in einer Kausalkette, die der Täter zwar durch sein Handeln in Gang setzt, aber auf die er nach Vornahme seines Kausalbeitrags keinen Einfluss mehr ausübt. Dass er strafrechtlich dennoch die Verantwortung für den Erfolgseintritt tragen soll, hängt von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab: In objektiver Hinsicht muss Kausalität und ein normativer Zurechnungszusammenhang vorliegen, in subjektiver Hinsicht bedarf es vorsätzlichen Handelns. Wenn auf Täterseite der Zusammenhang zwischen Eingriff und Erfolg von derart vielen Faktoren abhängt, fragt sich ganz augenscheinlich, warum auf Seiten des 133  Dagegen sieht Murmann, Selbstverantwortung, S. 447 die Einstellung des Entscheidenden zum Erfolgseintritt selbst für das Vorliegen eines subjektiven Entscheidungsdefizits als irrelevant an: Eine solche könne kein Defizit sein, sondern sei „nur Ausdruck einer bestimmten individuellen Haltung“. Eine solche Verbannung der Folgen bzw. Erfolge einer Handlung aus der strafrechtlichen Bewertung überzeugt jedoch nicht, geht sie doch erkennbar an den Bedingungen der Lebenswirklichkeit vorbei.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung251

Berechtigten die Zustimmung ohne weiteres auch den durch den Eingriff herbeigeführten Erfolg umfassen sollte? Wer so einfach Handlung und Erfolg als erforderlichen Zustimmungsgegenstand verlangt, der vereinfacht bestehende Kausal- und Zurechnungsbedingungen, wenn er sie nicht auch auf die Zustimmungsebene überträgt. Eine Vereinfachung der Zusammenhänge ohne Not. Sofern die strafbarkeitsausschließende Zustimmung nicht uferlos und die Strafbarkeit nicht zu stark eingeschränkt werden soll, bietet es sich an, dem Erfolgseintritt dort Relevanz beizumessen, wo er in der Lebenswirklichkeit erfahren und im Strafrecht am präzisesten behandelt werden kann: auf der Ebene des subjektiven Tatbestands. Auf dieser Ebene geht es nicht um die grobschlächtige Fragestellung, ob die Zustimmungserklärung auch den Erfolg umfasst. Die Frage kann differenzierter gestellt und damit eine Kategorisierung vorgenommen werden. Es kann danach unterschieden werden, ob die Möglichkeit des Erfolgseintritts für den Zustimmenden vorhersehbar war oder ob er sie vielleicht erkannt oder sogar gewollt hat. Mit dieser Fragestellung, die den Abgrenzungsfragen für Fahrlässigkeit und Vorsatzformen auf Täterseite entsprechen, kann die Problematik auf strafrechtlicher Ebene präziser als mit der zu wenig Differenzierungen einladenden Untersuchung erfasst werden, ob die Zustimmungserklärung auch den Erfolg umfasst hat. Eine solche Untersuchungsfrage führt faktisch nur zu einer objektiven Auslegung des Sachverhalts der Zustimmungserklärung, beantwortet aber nicht die viel entscheidendere Frage, ob die Rechtsverletzung dem Berechtigten oder dem Eingreifenden zurechenbar ist. Die Fragestellung auf die subjektive Zurechenbarkeit auszurichten und den Erfolgseintritt aus dem Zustimmungsgegenstand auszuklammern, ist auch dogmatisch konsequent: Die Zustimmung gewährt dem Täter die Erlaubnis in die Rechtssphäre des Berechtigten einzugreifen. Aber wie sollte der Berechtigte dem Täter seine Erlaubnis für etwas gewähren, worauf dieser keinen unmittelbaren Einfluss hat? Der Täter greift durch sein Handeln ein, ob er dadurch zurechenbare Erfolge herbeiführt, ist eine Frage der Zurechenbarkeit, aber nicht seines unmittelbaren Machtbereichs. Das gleiche muss dann auch auf Berechtigtenseite gelten: Die Frage ist nicht, ob er objektiv seine Zustimmung zum Erfolgssachverhalt erteilt hat, sondern ob seiner Zustimmung subjektiv jener Erfolgssachverhalt zurechenbar ist. Somit ist festzuhalten: Die Zustimmung bezieht sich allein auf den Eingriff des Täters, d. h. dessen Vornahme der tatbestandlich umschriebenen Handlung.134 Damit sind zwei weitere Gegenstände der Zustimmung ebenfalls angedeutet: Zum einen bezieht sich die Zustimmung auf die Person, 134  So

explizit auch Wolters, SK-StGB, § 228 Rn. 3, 6.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

welche den Eingriff vorzunehmen hat, und zum anderen auf die tatbestandlich umschriebene Handlung. Der erste Gesichtspunkt erscheint auf den ersten Blick eindeutiger, als er sich tatsächlich darstellt: Wenn der Hausrechtsinhaber Person A den Zutritt erlaubt, dann hat natürlich Person B keine ­Zutrittserlaubnis. Was gilt jedoch, wenn der Hausrechtsinhaber die Person B für die Person A – entweder aufgrund einer Verwechslung oder einer Täuschung – hält und ihr daher Zutritt gewährt? Oder was gilt, wenn Person B Zutritt gewährt wird, der Hausrechtsinhaber ihr zwar keine falsche Identität, aber eine falsche Eigenschaft beimisst – etwa ist der Eintretende statt Bankkunde ein Bankräuber oder statt Drogenkäufer vom Drogendezernat der ­Polizei. Zwei Fragen sind hierbei auseinander zu halten: Zunächst geht es in objektiver Hinsicht zu klären, ob sich die Zustimmung zum Eingriff auf den Eingreifenden bezog. Welche Identitäten oder Eigenschaften aus welchen Gründen dabei dem Eingreifenden zugeschrieben werden, ist unerheblich, da der Zustimmungsgegenstand rein objektiv zu bestimmen ist. Mögliche Irrtumsfragen sind davon zu unterscheiden und erst auf subjektiver Ebene relevant. Der letzte Gesichtspunkt – die Zustimmung bezieht sich auf die tatbestandlich umschriebene Handlung – bedeutet, dass zum Gegenstand der Zustimmung zwar nicht der Umstand eines Erfolgseintritts gehört, aber sehr wohl die Umstände, die mit der Vornahme der Eingriffshandlung selbst verbunden sind. Wenn etwa A einem Faustkampf mit B zustimmt, dabei aber von B Verletzungen zugefügt bekommt, die auf die Verwendung eines Schlagrings zurückzuführen sind, dann wurde die körperliche Integritätssphäre des A verletzt, weil sich seine Zustimmung auf die konkrete Handlung, d. h. einen Faustkampf unter Verwendung von Waffen bzw. gefährlichen Werkzeugen, nicht bezog. Dabei kommt es auf die Umstände zur Zeit der Vornahme der Tathandlung an. 4. Bedingungen Die vorangegangen Ausführung griffen bereits einer weiteren Frage voraus, die im Zusammenhang zur Zustimmung auftaucht: Kann die Zustimmung mit Bedingungen verknüpft werden und wenn ja, mit jeder beliebigen Bedingung oder sind Einschränkungen geboten?135 Dass die Zustimmung unter Bedingungen erteilt werden darf, kann nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr dürfte es sich sogar um den Normalfall der Zustimmung handeln. Arzt sieht in der Möglichkeit die Zustimmung unter Bedingungen zu erteilen, einen wesentlichen Vorteil für den Rechtsinhaber.136 Der Rechtsinhaber 135  Zu

diesem Problemaufriss vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S.  418 f. Geppert-FS, S. 1, 7.

136  Arzt,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung253

wird in seinem eigenen Interesse in den seltensten Fällen dem Eingreifenden eine Art Blankoscheck erteilen. Wer wann wie einen Eingriff vornehmen soll, das sind Modalitäten oder eben Bedingungen, die er üblicherweise in seiner Zustimmung miterklären wird. Dass die Lehre solche Bedingungen getrennt vom Zustimmungsgegenstand behandelt, dürfte Folge der starren Ausrichtung auf den Erfolgsbezug sein. Nach Ansicht der Arbeit, die vorangehend den Eingriffsbezug des Zustimmungsgegenstands herausgearbeitet hat, sind solche Bedingungen jedoch ein selbstverständlicher Teil einer Zustimmung. Neben der systematischen Verortung von Bedingungen, liegt eine weitere Schwäche der Lehre darin, dass sie die Fragen nach der Zulässigkeit und nach den Folgen von Bedingungen, wenn sie nicht eingehalten, sie einzuhalten aber vorgetäuscht wird, nicht hinreichend auseinander hält.137 Hält der Eingreifende eine Bedingung nicht ein, ist das dann folgenlos, wenn die Bedingung ohnehin keine Wirkung entfaltet, also vom Eingreifenden nicht zu beachten ist. Eine solche Unbeachtlichkeit einer Bedingung erscheint wiederum nur dann möglich, wenn Bedingungen gerade nicht uneingeschränkt möglich sind. Daher muss auf die Frage, welche Konsequenzen die Nichteinhaltung einer Bedingung der Zustimmung hat, bereits bei der Frage, ob eine zulässige Bedingung vorliegt, eingegangen werden. Zusätzlich wird die Diskussion dadurch erschwert, dass die Lehre bislang den Bedeutungszusammenhang zweier Fragen nicht erkannt hat: Die Zulässigkeit beliebiger Bedingungen und die Konsequenzen einer Nichteinhaltung jener Bedingungen stehen in engem Zusammenhang zur Frage des Umgangs mit Irrtümern über sog. Begleitumstände. Die Arbeit geht in ihrer Einschätzung sogar so weit zu sagen, dass es sich hierbei um die identische Fragestellung handelt, da jene „Begleitumstände“, die diskutiert werden, vor allem die Person des Eingreifenden und die Art und Weise des Eingriffs, zumeist als Bedingungen der Zustimmung formuliert werden. Diese Einschätzung bestätigt sich in Darstellungen zu den sog. Willensmängeln. So diskutiert Kühne seine Fallgruppen zu Erklärungs- und Inhaltsirrtümern des Zustimmenden unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt, dass „äußere Einschränkungen“ der Zustimmung „unvollständig oder fehlerhaft zum Ausdruck gebracht werden“.138 Und den Begriff der äußeren Einschränkung versteht er synonym zu dem der faktischen Begrenzung, wie er bei Maurach / Zipf Verwendung findet.139 Auch Schlehofer bespricht unter dem Stichwort der „Bedingungen“ vor allem die „Willensmängel“-Problematik, indem er danach fragt, ob der 137  Erkennbar geht nur Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 146 f. auf den Zusammenhang zwischen Zustimmungsgegenstand, Bedingungen und Irrtümer ein. 138  Kühne, JZ 1979, 241, 243. 139  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 55 f.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Zustimmende trotz Nichteinhaltung einer Bedingung sich eine „tatbestandsmäßige Gefahr vorstellt und […] mit ihr einverstanden ist“.140 Wenn das Thema der Zulässigkeit von Bedingungen bislang auch keine breite und vertiefte Auseinandersetzung in der Strafrechtswissenschaft gefunden hat, so lassen sich dennoch einige Anmerkungen finden. So geht Amelung davon aus, dass der „Einwilligende die Freiheit besitzt, nach Belieben zu bestimmen, wer in seine Güter eingreifen darf“; das gelte auch für „andere Begleitumstände“. Allerdings sei damit noch nicht die Frage beantwortet, „ob derjenige, der eine solche Bestimmung missachtet, für eine Güterverletzung haften soll“.141 Das entspricht seiner Konzeption, zwischen Wirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage zu unterscheiden. Auch für Hirsch und Rönnau liegt die „Reichweite der Einwilligung […] im Belieben des Einwilligenden“; dieser könne seine Einwilligung „durch Bedingungen oder Befristungen modifizieren“.142 Mitsch zieht einen Vergleich zur „Nicht-Einwilligung“: Die erklärte bedingte Einwilligung habe die gleiche Wirkung wie eine nicht erklärte Einwilligung. Falle die Bedingung aus, bestehe „keine Deckung durch die Einwilligung“. Und fast ein wenig unzufrieden wirkend fügt er hinzu, dass er keine Möglichkeit sehe, „den Rechtsgutsinhaber an einer Einwilligung festzuhalten, von der bekannt ist, daß er sich von ihr unter den gegebenen Umständen distanziert“.143 Daher könne eine Einwilligung „in bezug auf Täterperson und Tatvollzugsmodalitäten mannigfaltig modifiziert werden“.144 Und eine Möglichkeit hat Mitsch bis heute nicht entdeckt, weshalb er an anderer Stelle klar Stellung bezieht: Der Rechtsgutsinhaber legt Grenzen und Reichweite fest, d. h. er bestimmt Person des Täters, das Objekt und die Ausführungsmodalitäten der Tat wie etwa Zeit und Ort.145 Auch Maurach / Zipf gehen von einer uneingeschränkten Möglichkeit aus, die Einwilligung „örtlich, zeitlich und personell“ zu beschränken; sie sei „zumeist kein absolut, sondern relativ wirkender Rechtsgutsverzicht“. Die Erteilung der Einwilligung unter solchen Begrenzungen fassen sie zusammen unter den Begriff der Handlungsbezogenheit. Dieser Handlungsbezug ändere aber nichts daran, dass die Einwilligung rechtsgutsbezogen sei, nur dass auf das Rechtsgut „nicht generell, sondern spezifiziert“ verzichtet werde.146 Ähnlich 140  Schlehofer,

MK-StGB, Vor § 32 Rn. 184. Willensmängel, S.  63 f. 142  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl.,Vor. § 32 Rn. 108; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 170. So auch Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 130; ders., Lehrbuch, 8 / 138. 143  Mitsch, Rechtfertigung, S. 527. So auch die Argumentation bei Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 146. 144  Mitsch, Rechtfertigung, S. 540. 145  Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, § 15 Rn. 133. 146  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 55 f.; vgl. auch Zipf, Einwilligung, S. 26 f. und ders., ÖJZ 1977, 379, 382. 141  Amelung,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung255

zu einer Art Handlungsbezug äußert sich auch Kühne: Er hält es für selbstverständlich, dass die Einwilligung „situativ bezogen und deshalb nach Ausmaß, Ort, Zeit und Person begrenzt ist“.147 Insgesamt lassen sich nur wenige Autoren finden, die sich in unterschiedlicher Reichweite für leichte Einschränkungen aussprechen. Göbel beschränkt die Zulässigkeit von Bedingungen wohl am stärksten: Sie müssen „im Zusammenhang mit der Gutsverwaltung“ stehen. Anderenfalls würden Interessen außerhalb vom Schutzzweck des Straftatbestandes geschützt.148 Sternberg-Lieben sieht dagegen die einzige Beschränkung darin, dass sich die Bedingung nicht auf künftige ungewisse Ereignisse beziehen darf. Denn die Strafbarkeit müsse im Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs feststehen.149 Ansonsten will er jedoch jede beliebige Bedingung zulassen. Wenn der Berechtigte aus jedem beliebigen Grund seine Zustimmung verweigern könne, dann sei es ihm auch erlaubt, seine Zustimmung von jedem beliebigen Grund abhängig zu machen.150 Dem folgt auch Rönnau, demzufolge die Zustimmung auch „mit nicht auf den Bestand des Rechtguts bezogenen Bedingungen zulässig ist“.151 Eine Einschränkung ergebe sich nur aus § 228 StGB, wenn die Bedingung rechtlich missbilligt sei; in diesem Fall sei die Zustimmung unwirksam und der Eingriff dürfe überhaupt nicht vorgenommen werden.152 Das Problem einer uneingeschränkten Zulässigkeit von Bedingungen ergibt sich nun aber aus dem Vergleich zur „Willensmängel“-Problematik: Dort wird vertreten – grundsätzlich auch von den genannten Autoren, insbesondere von Sternberg-Lieben153 –, dass nur rechtsgutsbezogene Fehlvorstellungen des Zustimmenden beachtlich sind. Damit werden dann aber vergleichbare Fälle ungleich behandelt: Einerseits ist ein nichtrechtsgutsbezogener Irrtum des Zustimmenden unbeachtlich, andererseits soll aber eine nichtrechtsgutsbezogene Bedingung des Zustimmenden beachtlich sein. Eine solche Lehre, die die Einschränkung der Beachtlichkeit von „Willensmängeln“ nicht anwenden will, wenn der „Willensmangel“ in Beziehung zu 147  Kühne, JZ 1979, 241, 243, wobei der Hinweis auf den „partiellen Rechtsgutsverzicht“ nur wieder verdeutlicht, wie sehr das Verständnis vorherrschend ist, in der Zustimmung etwas Verlustbehaftetes zu sehen. 148  Göbel, Einwilligung, S. 90. 149  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 535 m. Fn. 128. So auch Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 140. 150  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 535  ff. So auch Mitsch, Rechtfertigung, S. 527 und Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 146. 151  Rönnau, Willensmängel, S. 423. 152  Rönnau, Willensmängel, S. 423 m. Fn. 45. 153  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 532 ff., 535 ff.

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einer zuvor gestellten Bedingung der Zustimmung steht, führt zu erheblichen Widersprüchen. Sternberg-Lieben versucht – trotz Erkennens der Widersprüchlichkeit seiner Ungleichbehandlung – das damit zu verteidigen, dass beim Irrtum „das Opfer sein Rechtsgut beeinträchtigen lassen“ wollen würde, während es bei einer Bedingung „nicht aktuell (wenn auch irrtumsbeeinträchtigt) in die Beeinträchtigung seines Guts eingewilligt“ hätte, kurzum: Beim Irrtum wäre „eine Einwilligung objektiv gegeben“, bei einer bedingten Einwilligung läge „diese objektive Rechtsgutspreisgabe nicht vor“.154 Doch diese Argumentation versucht Unterschiede zu konstruieren, wo keine erkennbar sind.155 In beiden Fällen liegt objektiv eine Zustimmung vor, auch im Falle einer Bedingung, denn hier ist – wie eingangs darauf hingewiesen – zu unterscheiden, einerseits zwischen der Zulässigkeit der Bedingung und andererseits der Frage, was im Falle von deren Nichteinhaltung passiert. Geht das Opfer davon aus, der Eingreifende werde sich an die Bedingung halten, ist dem Eingreifenden aber von Anfang an die Bedingung egal und will er sich nicht daran halten, dann liegt subjektiv ein Irrtum vor, aber zugleich ist objektiv eine Zustimmung gegeben. Wie Sternberg-Lieben versucht das anders zu sehen, ist nicht einsichtig. Als Ergebnis ist mit Rönnau festzuhalten, dass es „nur eine einheitliche Behandlung der Problematik in der einen oder anderen Richtung“ geben kann.156 Welche Richtung das sein muss, das geben die bislang gefundenen Ergebnisse zum Gegenstand der Zustimmung bereits vor. Zum einen ist SternbergLieben darin beizupflichten, dass die Bedingung einen spezifischen Zeitbezug erfordert. Sie muss einen Umstand der Vergangenheit oder Gegenwart betreffen, da anderenfalls das Unrechts- und Strafbarkeitsurteil solange in der Schwebe hinge, bis die Bedingung in der Zukunft eintritt oder nicht. Zum anderen muss sich eine Einschränkung daraus ergeben, dass der Zustimmungsgegenstand eingriffsbezogen ist. Dieser Eingriffsbezug muss entsprechend auch für Bedingungen gelten, d. h. sie können sich nur auf den Eingriff, die den Eingriff vornehmende Person, die Art und Weise des Eingriffs sowie Zeit und Ort seiner Vornahme beziehen. Die Arbeit vertritt damit die Auffassung, dass nicht jede beliebige Bedingung bei der Zustimmung zulässig ist, sondern nur solche, die sich auf den Eingriff beziehen. Liegt dieser Eingriffsbezug der Bedingung vor, hält sich aber der Eingreifende hieran nicht, so ist sein Eingriff nicht von der Zustimmung gedeckt. Dennoch bleibt 154  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 537 f. Ein weiteres Argument zieht er aus einem Vergleich zur arglistigen Täuschung, bei der ein Irrtum trotz fehlendem Rechtsgutsbezug beachtlich sein soll, Einwilligung, S. 538. Jedoch nennt Sternberg-Lieben weder eine Quelle für diese Erkenntnis aus einen seiner eigenen Aufsätze, noch erklärt er, was er unter einer arglistigen Täuschung verstehen will. 155  Kritisch dazu auch Rönnau, Willensmängel, S.  419 ff. 156  Rönnau, Willensmängel, S. 423.



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die Möglichkeit bestehen, dass der Eingreifende kein Unrecht begeht. Ein solches Unrechtshindernis kann sich nach Auffassung der Arbeit aber nur aus einer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der Personen ergeben, weshalb sie entsprechende Konstellationen auch erst in jenem Zusammenhang diskutiert. 5. Widerruf der Zustimmung Schließlich muss die Zustimmung zum Zeitpunkt des Eingriffs noch vorliegen und darf nicht widerrufen worden sein. Dass die Zustimmung frei widerruflich ist, darüber besteht Einigkeit.157 Allerdings ist der Satz der freien Widerruflichkeit unter zwei Aspekten zu präzisieren. Eine Präzisierung ergibt sich einmal daraus, dass selten genauer betrachtet wird, welche Anforderungen an einen solchen Widerruf zu stellen sind. Kaum diskutiert wird das Problem, ob es einen mutmaßlichen Widerruf geben kann.158 Nach Ansicht dieser Arbeit ist stets die Kundgabe des Widerrufs erforderlich (Kongruenzprinzip, dazu sogleich), weshalb eine bloße Mutmaßung nicht genügt. Ebenfalls nur von wenigen wird die Frage erörtert, wann ausnahmsweise die Zustimmung nicht widerruflich sein kann bzw. darf, wann sich also der Zustimmende an seine Erklärung bzw. seinen Willen festhalten lassen muss. Hierauf wird die Arbeit gesondert eingehen, nachdem die Anforderungen an den Widerruf festgelegt wurden. a) Anforderungen an den Widerruf: Kongruenzprinzip Soweit es um die Anforderungen geht, so gilt nach Ansicht der Arbeit das Prinzip der Kongruenz zwischen Zustimmung und Widerruf.159 Das bedeutet, dass der Berechtigte, der eine Zustimmung in die Welt gesetzt hat und diese 157  Amelung, Willensmängel, S. 16; ders., ZStW 1997, 490, 495; Fischer, StGB, Vor § 32 Rn. 3c; Göbel, Einwilligung, S. 137, 143; Heinrich, AT, Rn. 460; Hinterhofer, Einwilligung, S. 107 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 113; Honig, Einwilligung, S. 149; Jakobs, AT, 7 / 110, 131; Jescheck / Weigend, AT, S. 383; Kientzy, Einwilligung, S. 18; Kühl, AT, § 9 Rn. 32; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 44; Murmann, AT, § 25 Rn. 125; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 173; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 39; Roxin, AT I, § 13 Rn. 79; Samson, SKStGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 44; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 124; ders., Lehrbuch, 8 / 135; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 18; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 566; Zipf, Einwilligung, S. 46. 158  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 113; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 44a; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 175 f. m. w. N. in Fn. 725–729. 159  In ähnlicher Weise spricht Mitsch, NZA 2013, 417, 419 vom „Widerruf als rechtlicher actus contrarius“.

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wieder aus der Welt schaffen will, beim Widerruf dieselben Anforderungen erfüllen muss, wie sie auch für die Zustimmung gelten.160 Es ist also die ausdrückliche oder konkludente, nach außen getretene Kundgabe erforderlich, dass der Berechtigte nicht mit mehr dem Eingriff in seine Rechtssphäre zustimmt. Insoweit die Zustimmung positiver Natur ist, als dass dem Täter der Eintritt in die Sphäre gestattet wird, ist deren Widerruf negativer Natur, als dass die Schranke zum Betreten der Sphäre wieder gesenkt wird. Damit genügt ein bloß innerlich gebliebener Entschluss des Berechtigten, die Sphärenschranke nach unten zu senken, nicht. Kongruenz besteht aber auch in zeitlicher Hinsicht: Der Widerruf muss ebenso wie die Zustimmung spätestens bis zum Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung erfolgen. Ein nachträglicher Widerruf ist unbeachtlich. Der Satz, die Zustimmung sei frei widerruflich, ist also dahingehend zu präzisieren, dass der Zustimmende frei in seinen Motiven und Gründen ist, warum er die Zustimmung wieder aufheben will, er ist jedoch nicht frei in der Art und Weise, wie und wann er die Zustimmung aufheben kann. b) Bindungswirkung bzw. Unwiderruflichkeit der Zustimmung Problematisch ist weiterhin, ob der Zustimmende nicht ausnahmsweise in bestimmten Konstellationen an seine einmal erklärte Zustimmung gebunden ist, ob sie also unwiderruflich sein kann.161 Die Autoren in der Strafrechtslehre, die auf diese Frage eingehen, nennen zumeist das Flugreisebeispiel: Wer bei einer Fluggesellschaft einen Flug von Berlin nach New York bucht, das Flugzeug betritt und seinen Sitzplatz einnimmt, für denjenigen beginnt eine Beraubung seiner Freiheit spätestens dann, wenn die Türen der Flugzeugkabine verschlossen werden.162 Entweder aufgrund der Buchung des Flugtickets oder konkludent durch Betreten des Flugzeugs und Einnahme des Sitzplatzes liegt eine Zustimmung und damit kein verletzender Eingriff in die körperliche Freiheitssphäre vor. Was gilt aber, wenn dem Fluggast mitten über dem Atlantik einfällt, doch nicht in die Staaten einreisen zu wollen, und vom Flugpersonal verlangt, auszusteigen? Natürlich muss das Flugpersonal diesem Verlangen nicht nachkommen und muss dabei keine Anklage wegen Freiheitsberaubung befürchten. Das Ergebnis der Straflosigkeit des Flugper160  So auch Roxin, AT I, § 13 Rn. 79. Umgekehrt, aber ebenso konsequent Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 173, der keine Kundgabe des Widerrufs verlangt, da diese auch für die Zustimmung nicht erforderlich ist. Vgl. auch: Hinterhofer, Einwilligung, S. 111; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 124; ders., Lehrbuch, 8 / 135; jedenfalls für das Einverständnis Mitsch, NZA 2013, 417, 419. 161  Vgl. zu dieser Frage auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 174 m. w. N. 162  So auch Fahl, JR 2009, 100, 101, der darauf hinweist, dass Fluggesellschaften den Fluggast bei geöffneten Türen wohl noch aussteigen ließen.



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sonals steht nicht in Streit, die dieses Ergebnis tragende Konstruktion aber sehr wohl. Nicht nur Lösungsweg, sondern auch Lösung werden dann streitig, wenn sich das Geschehen noch am Boden abspielt. So schildert Fahl den Fall des Flugzeugunglücks am Flughafen Madrid-Barajas im Jahr 2008, bei welchem eine Spanair-Maschine während des Startens verunglückte und 154 Menschen in den Tod riss. Einer der getöteten Passagiere schrieb nach einem ersten missglückten Startversuch und vor dem Unfall eine SMS, in der er mitteilte, dass das Bordpersonal die Passagiere nicht herausließe, dass alles verschlossen sei.163 Unterstellt man die Richtigkeit dieser Angaben, so zogen wohl einige Passagiere ihre Zustimmung zum Aufenthalt im Flugzeug zurück und verlangten den Ausstieg. Dass ihrem Verlangen vom Bordpersonal nicht gefolgt wurde, hatte vorliegend neben der unbequemen Konsequenz, dass die Passagiere gegen ihren Willen eingesperrt waren, sogar tödliche Folgen. Wer saß nicht schon mal in einem Flugzeug, dessen Start sich aufgrund technischer oder witterungsbedingter Probleme verzögerte und fragte sich, ob es nicht besser sei, auszusteigen und seine Reise lieber mit einem anderen Flugzeug oder zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten. Wie wäre ein solcher Aussteigewunsch strafrechlich zu werten: Wäre man an seine einstmalige Zustimmung gebunden oder hätte man das Recht, das Flugzeug wieder zu verlassen?164 Ob sich das Flugzeug nun bereits in der Luft oder noch am Boden befand, im einen wie im anderen Fall zieht der Fluggast seine Zustimmung ausdrücklich zurück und verlangt die Aufhebung seiner „Einsperrung“. Ein Rückgriff auf die Zustimmung zur Erreichung des Unrechtsausschluss ist somit eigentlich versperrt. Dennoch wird in der Literatur vertreten, die ursprünglich erteilte Zustimmung zum Flug fortwirken zu lassen, indem dem Widerspruch die Wirksamkeit aberkennt und der Zustimmende an seine Erklärung gebunden wird. Eine Unwiderruflichkeit soll zum einen anzunehmen sein, wenn eine Handlung soweit fortgeschritten ist, dass eine Rückgängigmachung praktisch ausscheidet.165 Zum anderen soll die Einwilligung bindend sein, wenn sie zugleich als rechtswirksame Erklärung nach allgemeinen Grundsätzen des BGB bindet, etwa wenn die Einwilligung Bestandteil eines zivilrechtlichen Vertrages ist.166 Jakobs nennt als weiteren Ausscheidungsgrund 163  Fahl,

JR 2009, 100. Frage stellt sich eigentlich für jedes öffentliche Transportmittel, ob nun Bus, Straßenbahn, Zug, Schiff oder Flugzeug. 165  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 113; dem folgend: Hinterhofer, Einwilligung, S. 109. 166  Hinterhofer, Einwilligung, S. 109  f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 113; Jakobs, AT, 7 / 110, 114; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. 164  Diese

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für einen Widerruf den Verlust der Dispositionsmöglichkeit; etwa wenn jemandem eine Wohnung vollständig überlassen wird und insofern kein Hausrecht im Sinne von § 123 StGB besteht.167 Einer solchen Einschränkung tritt diese Arbeit entgegen: Auf das BGB abzustellen, wenn zugleich die Zustimmung nicht als zivilrechtliche Willenserklärung aufzufassen ist, erscheint weder sachnah noch widerspruchsfrei. Wer für die Zustimmungsdogmatik einen Rückgriff auf das Zivilrecht eigentlich verschmäht, aber dennoch darauf zurückgreifen will, wenn es sich gerade kein anderer Weg ersichtlich ist, setzt sich selbst in Widerspruch. Die Entwicklung einer eigenständigen strafrechtlichen Zustimmungsdogmatik sollte ohne einen solchen Rückgriff auskommen. Und nach Ansicht der ­Arbeit verbietet sich ein solcher Rückgriff umso mehr, da die Zustimmung keine rechtliche, sondern eine rein tatsächliche Erklärung ist. Dagegen kommt das Kriterium des Fortschritts einer Handlung bis zum praktischen Ausscheiden ihrer Rückgängigmachung zwar ohne zivilrechtlichen Rückgriff aus, ist aber auch zugleich wenig hilfreich. Wann eine Handlung praktisch nicht rückgängig gemacht werden kann, ist im Einzelfall schwierig zu bestimmen. Im Flugbeispiel müsste etwa das Flugpersonal nachweisen, dass eine Rückkehr zum Ausgangsflughafen – sofern der Fluggast nicht sofort aussteigen will – oder das Verändern der Flugroute, um die nächstgelegene Landemöglichkeit wahrzunehmen, praktisch nicht durchführbar war. Es wäre fraglich, ob wirtschaftliche Gesichtspunkte oder die Interessen Dritter – etwa der anderen Fluggäste, deren Aufenthalt im Flugzeug sich verlängert – hierbei zu berücksichtigen sind. Um die Konstruktion einer überzeugenden Lösung besser verdeutlichen zu können, soll ein anderer, weniger komplexer Beispielfalls gebildet werden, mit einer einfachen Fragestellung: Darf jemand, der seine Freunde zu Besuch in seine Wohnung einlädt, diese einfach so aus seiner Wohnung wieder he­ rausbeten? Wer diese Frage vorschnell bejahen will, der sollte sich zuvor vom Normalfall abweichende Konstellationen vor Augen führen. Was ist, wenn das Geschehen in einer frostigen Winternacht stattfindet und der Besucher außerhalb der Haussphäre – einem einsam gelegenem Landhaus – keinen geschützten Ort erreichen kann. Darf der Hausinhaber wirklich frei darin sein, seine Zustimmung zum Betreten zu widerrufen? Es ließe sich vielleicht argumentieren, dass eine Ausübung des Hausrechts unbillig erscheint, wenn sie zur Folge hat, dass der von der zunächst erteilten Zustimmung Profitierende in eine Situation gerät, in welcher er erheblichen Rn. 44; Roxin, AT I, § 13 Rn. 79; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 18; Weber, GA 2000, 77 f. 167  Jakobs, AT, 7 / 110.



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Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt ist. Eine solche Argumentation leuchtet aber nur vordergründig ein, bei näherem Hinsehen muss erkannt werden, dass der Hausrechtsinhaber bis zum Einlassen seines Besuchers frei war, seine Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern. Wer etwa das Beispiel dahin abwandelt, dass der Hausinhaber nicht seine Freuende zum Besuch einlud, sondern eine fremde Person wegen der kalten Winternacht um Einlass bat, um sich vor dem Frost zu schützen, der muss die Frage dahingehend anpassen, ob der Hausinhaber frei darin ist, seine Zustimmung zum Betreten zu erteilen, auch wenn die Verweigerung eines Einlass mit einer erheblichen Gefährdung für den Einlassbetenden einherginge. Wer den Widerruf der Zustimmung bei einer Gefährdung für Leib und Leben des in die Rechtssphäre Eingreifenden nicht zulassen will, der müsste ebenso in konsequenter Weise auch für die Nichterteilung der Zustimmung entscheiden. Die Nichtzulassung der Nichterteilung einer Zustimmung könnte dann etwa über deren Fingierung zu erreichen sein. Das ist jedoch ein im Hinblick auf Ergebnis und Dogmatik fragwürdiger Weg, der nur in seiner Konsequenz überzeugend erscheint: Der bisherige maßgebliche Anknüpfungspunkt der Argumentation war die Gefährdungslage des Eingreifenden, die identisch ist, unabhängig davon, ob die um Eintritt bittende Person nun die Zustimmung vor Eintreten verweigert oder nach Eintreten wieder entzogen wird: Am Ende sitzt die Person in der Kälte. Unter dem Aspekt der Gefährdung des Eingreifenden verbietet sich also eine Differenzierung. Dieser Aspekt ist nicht für die Zustimmung und deren vermeintliche Unwiderruflichkeit relevant, sondern kann ausreichend von Notwehr- und Notstandsrechten berücksichtigt werden. Es könnte jedoch eine andere Behandlung der Verweigerung einer Zustimmung damit begründet werden, dass in diesem Falle der Rechtsinhaber von seinem Recht noch keinen Gebrauch gemacht und damit auch kein Vertrauen für die um Eintritt bittende Person geschaffen hat. Könnte also die Schaffung einer Art von Vertrauenstatbestand der ausschlaggebende Gesichtspunkt für eine Einschränkung der freien Widerruflichkeit der Zustimmung sein? Nein, denn eine solche Argumentation verkennt das Wesen der Zustimmung: Sie ist die Ausübung eines Rechts des Berechtigten und konzentriert sich allein auf dessen Rechtssphäre. Es geht nur darum festzustellen, ob der Eingriff in ein Recht eine Verletzung darstellt oder nicht. Sie stellt keine Abwägung der Interessen verschiedener Personen dar. Maßgeblich ist nur, wie der Rechts­ inhaber selbst seine Interessen bewertet und einer Entscheidung zuführt. Für die Lösung entscheidend ist der zeitliche Aspekt: Es wurde bereits festgestellt, dass die Zustimmung frei widerruflich nur bis zur Vornahme der Tathandlung ist. Ein nach diesem Zeitpunkt ergehender Widerruf ist unbeachtlich, es sei denn – und das ist die weitere erforderliche Präzisierung – der

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Eingriff erschöpft sich nicht in einem Zeitpunkt, sondern erstreckt sich über einen Zeitraum, d. h. besitzt einen Dauerdeliktscharakter. Der Widerruf einer Zustimmung bei einem solchen Dauerdelikt stellt die Aufforderung dar, gerichtet an einen bereits Eingreifenden, aber kraft bisheriger Zustimmung nicht in verletzender Art, das eingreifende Verhalten zu beenden. Der Eingriff bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zustimmung stellt aufgrund jener Zustimmung kein verletzendes Verhalten dar, da der Widerruf nicht rückwirkend wirkt. Nach diesem Zeitpunkt kommt aber als eingreifendes Verhalten lediglich ein Unterlassen in Betracht, nämlich das Unterlassen der Aufforderung des Berechtigten nachzukommen und den Eingriff zurückzunehmen. In dem Fall nun, dass ein Nachkommen der Aufforderung mit einer Gefährdung für Leib und Leben des Aufforderungsadressaten einhergehen würde, ist diesem die Vornahme der Handlung entweder bereits faktisch nicht möglich oder aber zumindest normativ nicht zumutbar. Das bedeutet, dass auch nach Vornahme der Tathandlung die Zustimmung zwar frei widerruflich ist, aber dass bei erfolgtem Widerruf die Strafbarkeit erneut zu prüfen ist, und zwar unter dem Gesichtspunkt eines Unterlassens mit dessen gesonderten Voraussetzungen bezüglich des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Statt auf das Zivilrecht oder die Rückgängigmachbarkeit abzustellen, dürfte also der Weg, den Widerruf der Zustimmung uneingeschränkt zuzulassen, dogmatisch stringenter zu beschreiten sein. Trotz widerrufener Zustimmung kann dann aber die Strafbarkeit auf tatbestandlicher Ebene an der Durchführbarkeit der durch den Widerruf erstrebten Handlung scheitern. Und tatsächlich geht das – wenn auch auf dogmatisch anderer Ebene – in eine ähnliche Richtung, die Hirsch vorgeschlagen hat: Was er mit praktischer Durchführbarkeit meint, ist für das Unterlassen relevant für die Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit der unterlassenen Handlung. Somit bleibt festzuhalten: Die Frage nach einer möglichen Bindungswirkung der Zustimmung stellt sich überhaupt nur bei einem über einen Zeitraum erstreckenden Eingriff mit Dauerdeliktscharakter. Bei allen anderen Eingriffen ist die Zustimmung bis zum Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs frei widerruflich. Ein nach Abschluss des Eingriffs kundgegebener Widerruf ist unbeachtlich. Für einen Eingriff, bei welchem die Zustimmung zwischen Beginn und Beendigung des Eingriffs widerrufen wird, gilt im Ergebnis keine Besonderheit: Der Widerruf der Zustimmung stellt eine Zäsur dar, wobei der Widerruf für die bereits begonnene Eingriffsvornahme ohne Auswirkung und nur für die anschließende Eingriffsaufrechterhaltung als beachtlich anzusehen ist, sodass diesbezüglich keine Zustimmung vorliegt. Jedoch knüpft in diesem Fall die Strafbarkeit an einen Unterlassensvorwurf, sodass dessen besonderen Voraussetzungen gesondert zu prüfen sind. Aber auch bei Eingriffen mit Dauerdeliktscharakter gilt, dass die Zustimmung frei widerruflich und nicht bindend ist.168



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung263

Diese Ergebnisse auf das Winternacht-Beispiel angewendet, zeigt, dass der Gesetzgeber selbst ein Gespür für die Problematik hat: Denn nach dem Betreten der Räumlichkeit mit Zustimmung des Berechtigten, kommt eine Strafbarkeit nur noch nach der zweiten Tatalternative in Betracht: ein Verweilen in der Räumlichkeit trotz Aufforderung sie zu verlassen. Diese Tataltnative stellt nun aber dogmatisch eine solche Unterlassensstrafbarkeit dar, wie sie auch diese Arbeit zur Problemlösung herausgearbeitet hat, nur dass sie hier gesetzlich geregelt ist und damit ein echtes Unterlassungsdelikt vorliegt. Für den Flugreise-Fall ist dagegen auf § 13 I StGB abzustellen, sobald die Tathandlung der Freiheitsberaubung und damit der Eingriff in die Freiheitssphäre vorgenommen wurde. Den Eingriffszeitpunkt exakt zu bestimmen, ist wichtig, um feststellen zu können, ob der Widerruf noch Wirkung entfalten kann oder zu spät kommt. Wenn man einen Eingriff in dem Moment annimmt, in welchem die Türen geschlossen werden und der Fluggast erst danach um ein Aussteigen bittet, so liegt für den Eingriff eine Zustimmung vor und der Widerruf ist als Bitte um die Vornahme einer den Eingriff aufhebenden Handlung einzuordnen. Ist dem Flugpersonal die Vornahme jener Handlung möglich, etwa weil sich das Flugzeug noch am Boden befindet und ohne weiteres eine Treppe zum Aussteigen und Personal zur Begleitung zum Flughafen zur Verfügung steht, so muss die Handlung vorgenommen werden, weil anderenfalls zumindest tatbestandlich – möglich bleiben Rechtfertigungsgründe, insbesondere wären hier auch mögliche zivilrechtliche anzudenken – eine Unterlassensstrafbarkeit gegeben ist. Befindet sich dagegen das Flugzeug bereits in der Startphase oder sogar in der Luft, ist die Vornahme der gewünschten Handlung nicht möglich und somit eine Unterlassensstrafbarkeit nicht gegeben.169 Die Beispiele verdeutlichen damit: Die Problematik betrifft die Zustimmungsdogmatik nur bis zur Vornahme des Eingriffs. Für alle Sachverhalte, die sich nach diesem Zeitpunkt ereignen, ist 168  Für den Rückgriff auf die Unterlassungsdogmatik auch: Göbel, Einwilligung, S.  140 ff.; Mitsch, NZA 2013, 417, 418; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 174. Einschränkend Fahl, JR 2009, 100, 104, der eine Lösung sowohl über eine ausnahmsweise Unwiderruflichkeit der Zustimmung als auch über Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens sieht, bei letzter aber die Begründung der Unzumutbarkeit für schwierig erachtet. 169  Ein Problem ergibt sich aus der für unechte Unterlassungsdelikte erforderlichen Garantenstellung. Mitsch, NZA 2013, 417, 418 zufolge fehlt es daran: Ingerenz scheide – zutreffend von ihm erkannt – mangels pflichtwidriger Gefahrbegründung aus, da für das Einsperren ja ein Einverständnis zugrunde lag. Allerdings liegt, wie Fahl, JR 2009, 100 zutreffend erkennt, eine Garantenstellung aus dem Beförderungsvertrag zugrunde. Mitsch, NZA 2013, 417, 418 m. Fn. 6 zieht diese zu eng: Denn zwar liegt kein Vertrag mit dem Piloten, Busfahrer, Stewardess, etc. persönlich vor, doch sind diese ja in den jeweiligen Beförderungsvertrag mit dem jeweiligen Verkehrsunternehmen als Ausführungspersonen der Dienstleistung miteinbezogen.

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eine sachgerechte Lösung nicht über die Rechtsfigur der Zustimmung, sondern über die Unterlassungsdogmatik zu suchen.

III. Wirksamkeit der Zustimmung Die Zustimmung muss als letzte Voraussetzung wirksam sein. Da dafür jedoch – wie gleich zu sehen sein wird – nur Umstände in Betracht kommen, welche die Wirksamkeit ausschließen, wäre es treffender diese Voraussetzung negativ zu formulieren und so auch zu prüfen: Die Zustimmung darf nicht unwirksam sein. Damit wird die Voraussetzung der Wirksamkeit zu einer Art negativem „Tatbestands“-Merkmal des negativen Tatbestandsmerkmals der Zustimmung. Als Gründe für den Ausschluss der Wirksamkeit kommen einerseits solche in Betracht, die in der Person des Rechtsinhabers selbst begründet liegen (subjektive Unwirksamkeitsgründe), und andererseits solche, die aus dem Gesetz herzuleiten sind (objektive Unwirksamkeitsgründe). Bei letzteren ist zu beachten, dass diese von der überwiegenden Ansicht als Aufhebung bzw. Einschränkung der Zustimmungsbefugnis betrachtet werden.170 Nach Ansicht der Arbeit ist das aber nicht überzeugend, denn der Einzelne darf sehr wohl über sein Leben und seinen Körper frei verfügen. Ob jemandem die Befugnis an einem Recht zusteht, bestimmt sich zum einen nach der Art dieses Rechts – d. h. ob es ein individuelles oder ein Recht der Allgemeinheit ist – und zum anderen nach der Person des Eingreifenden – d. h. ob es sich um ein individuelles Recht gerade des Verfügenden handelt. Warum die Befugnis auch noch davon abhängen soll, dass der Eingriff nicht einen bestimmten Schweregrad erreicht, wie er für die §§ 216, 228 StGB maßgeblich ist, bleibt unerfindlich. Das ist keine Frage der Verfügungsbefugnis an sich, sondern ob der jeweiligen Verfügung rechtliche Wirksamkeit zukommt. Erreicht der ­Eingriff einen gewissen Schweregrad, so wird der Verfügung die rechtliche Wirkung eines Unrechtsentstehungshindernis aberkannt, nicht aber die Befugnis zur Verfügung an diesem Recht überhaupt. Denn damit würde zugleich der unzutreffende Anschein erweckt werden, dass jenes Recht der Disposition entzogen wäre. Die Frage, ob die Dispositionsbefugnis selbst eingeschränkt oder aber der Disposition ihre Wirksamkeit abgesprochen und 170  Krey / Esser, AT, § 17 Rn. 663 f.; Kühl, AT, § 9 Rn. 28 ff.; Lenckner / SternbergLieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 37; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 47 f.; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 36; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 152 ff., 159 ff. Rönnau diskutiert hingegen die absolute und relative Einwilligungssperre gesondert neben der Dispositionsbefugnis als Frage der objektiven Wirksamkeit, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 188 ff. So auch Roxin, AT I, § 13 Rn. 37, allerdings nur für § 216 StGB, in Bezug auf § 228 StGB spricht er hingegen von einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis.



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dadurch faktisch eingeschränkt wird, erscheint nicht als derart wesentliche Fragestellung, dass eine über diese Anmerkung hinausgehende Vertiefung erforderlich wäre. Wenn auch nicht wesentlich, doch als Erklärung interessant ist, dass es vor allem Unwirksamkeitsfragen gewesen sein dürften, die für den Siegeszug der Zweiteilungslehre in der Strafrechtsdogmatik sorgten. Dass es zur Zeit ihrer Entstehung die Lehre der objektiven Zurechnung noch gar nicht und das Unrechtsverständnis nicht in der ausdifferenzierten Form wie heute entwickelt waren, dürften wie gesehen weitere Erklärungen sein. Vor allem aber wer die Unwirksamkeitslehre der Zustimmung betrachtet, wird den wichtigsten Impulsgeber für die Wirkmacht der Zweiteilungslehre erkennen: Denn dadurch, dass man sog. Willensmängel für die Wirksamkeit eines Einverständnisses als unerheblich erklärte, ermöglichte man es, problematische Fallgruppen aus dem Zustimmungsbereich auszugliedern und auf diese Weise zu nachvollziehbaren Ergebnissen zu gelangen. Wenn nach der damaligen Lehre jede Täuschung und jeder Irrtum die Zustimmung unwirksam machen sollte, dann dürfte man es als schwierig empfunden haben, zu diesen Ergebnissen auch in jenen Fällen zu gelangen, die später dem Einverständnis zugeteilt wurden, etwa erschlichene Zutrittserlaubnisse und Gewahrsamsübertragungen.171 War damit die Lehre von der uneingeschränkten Unwirksamkeit im Falle sog. Willensmängel ein wichtiger Impulsgeber, um der Zweiteilung der Zustimmung zu ihrer raschen Anerkennung zu verhelfen, so war die Zweiteilung selbst wenige Jahre später der wichtige Impulsgeber für die Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit, die sich zum härtesten Gegenspieler der Lehre einer uneingeschränkten Unwirksamkeit der Zustimmung aufschwang. Für deren Begründer, Gunther Arzt, war gerade die Zweiteilung der Zustimmung Anlass, um zu einer differenzierenden Betrachtung der sog. Willensmängel zu gelangen. Wie Arzt später Einblick gewährte, so erschien ihm „die unterschiedliche Behandlung des abgelisteten Einverständnisses (z.  B. § 123 StGB) gegenüber der erschlichenen Einwilligung erklärungsbedürftig“.172 Er sieht die Ausdehnung der Einverständnisfälle gerade darin begründet, wirksame Zustimmungen trotz Fällen der „Zweckverfehlung“ oder „Täuschung über finanzielle Folgen“ zuzulassen.173 Entsprechend stellt er – und verneint zugleich – die Frage, ob nicht seine Lehre darauf hinausläuft, die „Einwilligung nach den Grundsätzen zu behandeln, die Geerds und die ihm folgende h. M. für das Einverständnis entwickelt hat“.174 Maßgebend ist seiner Ansicht dazu auch Kientzy, Einwilligung, S. 59 ff. Geppert-FS, S. 1, 2. 173  Arzt, Willensmängel, S. 15, 23. 174  Arzt, Willensmängel, S. 24. 171  Vgl.

172  Arzt,

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nach nicht die Einordnung als Tatbestandsausschluss oder Rechtfertigungsgrund, sondern allein die Rechtsgutsbezogenheit des Irrtums.175 Damit schränkt Arzt natürlich nur die Rechtsfolgen des Einverständnisses ein, hält aber weiterhin an einer Trennung fest. Das ist jedoch inkonsequent:176 Wenn man davon ausgeht, dass die Behandlung der sog. Willensmängel maßgeblicher Anlass zur Zweiteilung waren, wofür es Anhaltspunkte bei Geerds gibt, dann kann an einer solchen Zweiteilung nicht festgehalten werden, wenn man sich wie Arzt für eine Gleichbehandlung der „Willensmängel“-Problematik ausspricht. Um die hier vorgestellte These abschließend in einem Vergleich zu illustrieren: Die Entdeckung des Einverständnisses war so etwas wie das dogmatische Zwischenlager der Zustimmungsdogmatik. So wie die Gesellschaft noch keine Lösung zur Entsorgung atomar belasteten Mülls gefunden hat und diesen bis zur Entwicklung einer zufriedenstellenden Lösung erst einmal zwischenlagert, so ging die Strafrechtsdogmatik bei willensmängelbehafteten Zustimmungskonstellationen vor und lagerte zumindest einige aus, indem sie sie beim Einverständnis unterbrachte. Insofern ließe sich die Zweiteilungslehre auch als Zwischenlagertheorie bezeichnen. 1. Objektive Unwirksamkeitsgründe – Gesetzesschranken Wenn es um die der Wirksamkeit einer Zustimmung entgegenstehenden Gründe geht, sind zunächst einmal die objektiven zu nennen, also solche, die sich aus dem Gesetz ergeben. Als gesetzliche Einschränkungen der Zustimmung ist de lege lata einerseits das (Fremd-)Tötungsverbot und die damit einhergehende Einwilligungssperre des § 216 StGB und andererseits die Sittenwidrigkeitsschranke des § 228 StGB zu nennen.177 Es würde den Rahmen dieser Untersuchung überschreiten, würde die kriminalpolitische Notwendigkeit dieser gesetzlichen Einschränkungen hinterfragt bzw. begründet werden. Die Diskussion ist hier im Fluss und würde eine eigenständige Untersuchung erfordern. Da Eingriffe in das Leben unumkehrbar sind, ist es nach Ansicht dieser Arbeit aber ein rational nachvollziehbares Interesse der Rechtsgemein175  Arzt,

Willensmängel, S. 28. dieser Einschätzung gelangt auch Schlehofer, Einwilligung, S. 4, 83 f.: Arzt habe die Konsequenzen seiner Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit für die Einverständnisfälle „nur halbherzig“ gezogen. Auf diesem Vorwurf beruht die Grundprämisse Schlehofers Arbeit: Die konsequente Anwendung der Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit würde das Problem der Abgrenzung von Raub und Erpressung „entschärfen“. 177  Frister, AT, § 15 Rn. 27 ff.; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 144; Lenckner /  Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 37; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn.  187 ff.; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 152 ff., 159 ff. 176  Zu



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schaft, entsprechende Entscheidungen des Einzelnen, die auf die Vernichtung seiner selbst gerichtet sind, ihre Wirksamkeit abzusprechen.178 In Bezug auf die Absolutheit des Lebensschutzes ist jedoch die Strenge des Gesetzes durch die Grundsätze vom straffreien Behandlungsabbruchs zu Recht aufgeweicht worden, ohne dass dies aber in Einklang mit der Regelung in § 216 StGB gebracht worden ist.179 Daneben ist die weite und damit unbestimmte Fassung von § 228 StGB problematisch, weshalb sie ein Teil der Lehre für verfassungswidrig hält.180 Die herrschende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung legt die Norm in einer Weise aus, wie sie zwar einem rechtsstaatlichen Strafrecht entspricht, indem sie, statt auf moralische Erwägungen auf Art und Gewicht des Verletzungserfolgs bzw. die Lebensgefährlichkeit der Handlung abstellt,181 aber dabei die Wortlautgrenze doch arg strapaziert.182 Es wäre daher de lege ferenda begrüßenswert, den Wortlaut des § 228 StGB seiner in Literatur und Rechtsprechung doch mittlerweile anerkannten Aus­legung anzupassen. Diese Arbeit – ausgehend von der grundsätzlichen kriminalpolitischen Berechtigung der Einschränkungen – spricht sich dafür aus, eine solche Anpassung nicht im Besonderen Teil, sondern bei der Zustimmung selbst als Regelung des Allgemeinen Teils zu implementieren. Für eine Neuformulierung bietet sich als gemeinsamer Anknüpfungspunkt beider Einschränkungen der Lebensschutz an: „Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist unwirksam, wenn sie auf eine Verletzung oder Gefährdung seines Lebens gerichtet ist.“ 178  Jescheck / Weigend, AT, S.  378 f.; Kühl, Lackner / Kühl, § 216 Rn. 1; Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 139; Rönnau, Jura 2002, 665, 668; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 114 ff.; Stratenwerth, Amelung-FS, S. 355, 359; ders. / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 16 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 553. Kritisch jüngst: Hauck, GA 2012, 202, 210 f.; Neumann, Kühl-FS, S. 569 ff.; Pawlik, Unrecht, S.  225 ff. Vgl. auch Roxin, AT I, § 13 Rn. 44, der gleiches Argument auch zur Legitimation des § 228 StGB heranzieht. 179  Vgl. hierzu die Leitentscheidung BGHSt 55, 191. Vgl. zur strafrechtlichen Diskussion Kühl, AT, § 9 Rn. 28, § 18 Rn. 29; Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 154 ff. 180  Daher ordnet ein Teil der Lehre sie als verfassungswidrig ein: Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 145 m. Fn. 615; Paeffgen / Zabel, NKStGB, § 228 Rn. 53 f.; Rönnau, Willensmängel, S.  165 ff.; ders., Jura 2002 665, 668; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 136, 144, 162; ders., ZIS 2011, 583, 587; wohl auch Knauer, HRRS 2015, 435, 439 ff. Für eine verfassungskonforme Auslegung sprechen sich u. a. Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 65 ff. und Roxin, AT I, § 13 Rn. 38 aus. 181  BGHSt 53, 55, 62 f.; 58, 140, 142 ff.; Frister, AT, § 15 Rn. 29; Kühl, AT, § 9 Rn. 30; Krey / Esser, AT, Rn. 664a; Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 145; Murmann, AT, § 22 Rn. 48 ff., § 25 Rn. 142; Roxin, AT I, § 13 Rn. 40 f., 56 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 562. 182  Die Auslegung der Rechtsprechung entspricht nicht dem Wortlaut, so die Einschätzung Kühls, AT, § 9 Rn. 30; ders., JA 2009, 833, 839 f.; ders.; Puppe-FS, S. 653, 658 ff.; ders., Achenbach-FS, S. 251, 254 ff.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Damit würde das Gesetz kraft seines Wortlauts den Lebensschutz in den Mittelpunkt und zudem die Frage der Einschränkung der Zustimmung als eine der Unwirksamkeit klar stellen. Soweit es um Eingriffe in die körper­ liche Integrität geht, ist es denkbar, die Schranken der Unwirksamkeit niedriger anzusetzen und etwa auf das Eintreten schwerer Folgen im Sinne von § 226 StGB abzustellen. Dann ist jedoch zu bedenken, dass eine Regelung im Allgemeinen auf eine im Besonderen Teil verweisen müsste und der Regelungsgegenstand sich nur auf diese in Bezug genommene Norm erstrecken würde. Es wäre dann sinnvoller die Unwirksamkeit in § 226 StGB selbst zu regeln und die allgemeine Regelung lediglich mit einer öffnenden Klausel zu ergänzen: „Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, ist die Zustimmung des Rechtsinhabers unwirksam, wenn sie auf eine Verletzung oder Gefährdung seines Lebens gerichtet ist.“

Damit könnte auch das Problem der Einordnung der Grundsätze vom Behandlungsabbruch einer Lösung zugeführt werden. Da angesichts der Zielrichtung der Todesherbeiführung für die Straflosigkeit eigentlich nicht auf die Zustimmung des Patienten abgestellt werden dürfte, könnte in den zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1901a ff. BGB eine andere gesetzliche Bestimmung gesehen werden, auf welche durch die Klausel in der allgemeinen Unwirksamkeitsregelung verwiesen wird. 2. Subjektive Unwirksamkeitsgründe – sog. Willensmängel Bei diesen Ausführungen muss es die Arbeit bewenden lassen und setzt ihren Schwerpunkt auf die subjektiven Unwirksamkeitsgründe, also jenen, die sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Person des Zustimmenden ergeben. Als allgemeiner Grundsatz ist weitgehend anerkannt, dass die Einwilligung bzw. Zustimmung Ausdruck der Autonomie des Einwilligenden sein muss.183 Gleichbedeutend wird auch gefordert, die Einwilligung müsse „ernsthaft und freiwillig“ abgegeben worden sein.184 Manchmal, aber zu 183  Amelung, Willensmängel, S. 40; Göbel, Einwilligung, S. 15, 21 ff.; Murmann, AT, § 25 Rn. 124; Otto, Geerds-FS, S. 603, 614; Rönnau, Willensmängel, S. 200; Stefanopoulou, ZStW 2012, 689, 702. 184  Honig, Einwilligung, S. 145; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 59. Nur auf die Fälle der Unwirksamkeit wegen Nötigung bezieht das Freiwilligkeitskriterium Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 48; mit der Ernstlichkeit werden hingegen Schein- und Scherzerklärungen ausgesondert, wobei bloßer Leichtsinn aber nicht genügt, Rn. 49; so auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 196. Kritisch und ablehnend Schlehofer, MK-StGB, Vor § 32 Rn. 180 ff. mit der Begründung solche Einschränkungen vertrügen sich nicht mit den §§ 119, 123 BGB und wären außerdem „strafrechtsintern nicht konsistent“. Allerdings überzeugt weder der Vergleich zum



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Missverständnissen einladend, wird auch verlangt, die Einwilligung müsse „dem wahren Willen des Einwilligenden entsprechen“.185 Zumeist wird der Grundsatz der Autonomie sowohl als Ausgangspunkt als auch als Lösungsweg für die aufgestellte Anforderung gewählt, dass der Zustimmung keine wesentlichen „Willensmängel“ zugrunde liegen dürfen.186 Bevor die Arbeit aber auf die verschiedenen Konstellationen sog. Willensmängel und ihrer rechtlichen Behandlung eingeht, sind zunächst einige kritische Anmerkungen und der hier vertretene, zur Lösung der „Willensmängel“-Problematik tragende Grundansatz voranzustellen. a) Kritische Vorbemerkungen In den wenigen Vorgaben der Strafrechtslehre – die Zustimmung müsse Ausdruck der Autonomie sein, ernsthaft und freiwillig abgegeben werden und dem wahren Willen des Einwilligenden entsprechen – steckt nach Ansicht der Arbeit bereits dogmatischer wie terminologischer Zündstoff. Zur Lösung der „Willensmängel“-Problematik ist es daher erforderlich, diesen zu entschärfen, weshalb grundlegende Überlegungen zum Begriffsverständnis und zu den Lösungsansätzen der Strafrechtslehre anzustellen sind. aa) Die Verfehltheit der „Willensmängel“-Terminologie Die typischen Abhandlungen zur „Willensmängel“-Dogmatik richten ihren Untersuchungsgegenstand zumeist darauf zu bestimmen, welche „Willensmängel“ so wesentlich wären, dass sie zur Unwirksamkeit der Zustimmung führen müssten. Das Problem wird bei der Wesentlichkeit des „Willensmangels“ verortet. Doch greift eine solche Problemsetzung zu kurz und bezeugt nur mangelndes Problembewusstsein. Denn es ist bereits der Begriff des „Willensmangels“ selbst, der Probleme aufwirft und das unter gleich mehreren Gesichtspunkten. Die Schwierigkeiten resultieren aus dem Mangelbegriff und seinem Bezug zum Willen. Wenn das Recht von einem Mangel spricht, Zivilrecht noch der erstrebte Nachweis mangelnder Konsistenz, da dieser nur begründet, warum es in Dreieckskonstellationen widersprüchlich ist von einer relativen Unwirksamkeit auszugehen. Ablehnend zum Freiheits- bzw. Freiwilligkeitskriterium auch Mitsch, Rechtfertigung, S. 558: Dieser „psychologisch befrachtete“ Begriff lenke von den „strafrechtlich relevanten Sachgesichtspunkten“ ab. 185  Hirsch, LK-StGB, 10.  Aufl., Vor § 32 Rn. 119; dieses Erfordernis strich Hirsch jedoch in der darauffolgenden 11. Auflage. Heute wieder vertreten von Murmann, Selbstverantwortung, S. 445. Zu Recht kritisch zu diesem Maßstab Rönnau, Willensmängel, S.  224 f. 186  Vgl. etwa Göbel, Einwilligung, S. 85; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 119; Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 532.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

so beschreibt es damit die negative Abweichung eines tatsächlichen (Ist-) Zustands von seinem gewünschten (Soll-)Zustand. Die entscheidende Frage ist, was dieser Soll- bzw. Wunsch-Zustand eigentlich sein soll. Entsprechend muss, wer von einem „Willensmangel“ spricht, erklären, worin der gewünschte Zustand eines Willens bestehen soll. Es ist also unerlässlich den Idealzustand eines Willens zu definieren. Doch wie sieht der ideale Wille aus? Wie und womit kann er bestimmt werden? Die Suche nach Antworten darauf müsste den Boden der Rechtswissenschaft verlassen und sich auf Ausflüge in Philosophie, Psychologie, etc. begeben, worauf die Strafrechtswissenschaft freilich bislang verzichtete. Und vielleicht ein Verzicht, der sich durchaus gelohnt hat. Denn wie umfangreich auch jene Ausflüge ausfallen würden, am Ende könnte doch zum Willen nichts weiter festgestellt werden, als dass jener in einem konkreten Fall vorlag oder nicht.187 Und es stellt sich die Frage, ob der Bezugspunkt mit dem Willen überhaupt richtig gewählt wurde. Das Problem betrifft damit auch den Begriff des Willens selbst. Durch diesen Bezugspunkt wird der Eindruck erweckt, dass die Willenskomponente alleiniger Gegenstand der Untersuchung wäre. Das ist aber angesichts des Umstands missverständlich, dass im Zentrum der „Willensmängel“-Dogmatik vor allem die Diskussion um Irrtümer des Rechts­inhabers steht. Der Anknüpfungspunkt für Irrtümer ist nun aber nach gängiger Strafrechtdogmatik das intellektuelle Vorstellungsbild der Person. Würde man auf Täterseite den subjektiven Tatbestand prüfen, so wäre damit die kognitive und nicht die voluntative Komponente des Vorsatzes angesprochen, welche eigentlich das – umstrittene – Willenselement enthält. Wenn also im Zentrum der Diskussion gerade Defizite auf Wissensebene stehen, dann wäre es insoweit treffender von Wissens- statt von Willensmängeln zu sprechen.188 Allerdings wären dann nicht die Konstellationen erfasst, in welchen durch Zwangssituationen auf den Willen der Person eingewirkt wird, und für welche der Begriff des „Willensmangels“ ausschließlich passend erscheint. Der Willensbegriff sollte daher aufgegeben werden und durch den Begriff der Entscheidung ersetzt werden. Das Strafrecht interessiert sich nicht für den Willen der Menschen, weder von Tätern noch von Opfern, sondern für ihre Entscheidungen. Die Entscheidung, eine bestimmte Tathandlung zu voll187  So auch Rönnau, Willensmängel, S. 185 f., der unter Berufung auf die personale Würde des Menschen zum Ergebnis der absoluten Gleichwertigkeit der Willensentschlüsse gelangt. 188  Vgl. etwa exemplarisch Mitsch, Rechtfertigung, S. 495, der zwar Irrtümer zutreffend als „Wissensmängel“ bezeichnet, diese aber als Spezialfall der Willensmängel einordnet. Das übergeht aber die herkömmliche Begriffssystematik, wie sie aus der Vorsatzlehre bekannt ist, in welcher Wissen und Wille zwei gleichrangige Begriffe sind, die in keinem Subordinationsverhältnis zueinander stehen.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung271

ziehen oder eben die Entscheidung einer bestimmten Tathandlung seine Zustimmung kundzutun. Vom Begriff des Willens, der schon in seiner psychologischen, philosophischen oder neurowissenschaftlichen Dimension nur schwer zu greifen ist, kann sich eine Strafrechtsdogmatik nicht viel versprechen. Schließlich kommt, wer die typischen „Willensmängel“ im Strafrecht betrachtet, nicht umhin festzustellen, dass es sich dabei ausschließlich um Faktoren handelt, die zwei Kategorien zugeordnet werden können: Solchen Faktoren, die sich in der Entscheidungs- bzw. Willensbildung zeigen, und solchen Faktoren, die sich in der Entscheidungs- bzw. Willenskundgabe ausdrücken. Maßgeblich ist also eigentlich gar nicht die Entscheidung bzw. der Wille an sich, sondern der Prozess, der seiner Bildung voraus- und nachgeht: Jedem gebildeten Willen geht einerseits dessen Bildung voraus, andererseits dessen Entäußerung nach. Es geht damit nicht darum zu bestimmen, wie ein bestimmter Zustand des Willens auszusehen hat und ob eine Abweichung hiervon wesentlich wäre, sondern darum, sich mit den diesem Zustand voran- und nachgehenden Prozesse zu beschäftigen. Für die Dogmatik kommt es darauf an, diese Prozesse in den Blick zu nehmen, auf die Faktoren einwirken, die dazu führen, dass die Zustimmung als unwirksam zu qualifizieren ist. Um jene Prozesse und die sie beeinflussenden Faktoren zu betrachten und zu bewerten, ist es, anders als zur Beschreibung eines Idealzustands des Willens, nicht erforderlich, den Bereich des Rechts zu verlassen. Der Begriff des „Willensmangels“ ist also irreführend, weil nicht der Wille des Rechtsinhabers, sondern seine Entscheidung mangelhaft sein kann, wobei der Grund nicht in der Entscheidung selbst liegt, sondern in der vorausgehenden Entscheidungsbildung oder der nachgehenden Entscheidungskundgabe.189 Somit lässt sich festhalten, dass der Begriff des „Willensmangels“ für die dafür diskutierten Fälle als Oberbegriff nicht passt. Trotz seiner inhaltlichen Ungenauigkeit und Ungeeignetheit, ist er mittlerweile so gebräuchlich geworden, dass auf seine Erwähnung zu verzichten beinahe ausgeschlossen erscheint. Die Arbeit hat ihn daher zwar aufgegriffen, vermeidet jedoch im Nachfolgenden eine übermäßige Benutzung und bevorzugt stattdessen den Begriff der „subjektiven Unwirksamkeitsgründe“ bzw. „Entscheidungsdefizite“. Damit wird klargestellt, dass es auf Faktoren ankommt, die in der Person des Zustimmenden als Hindernisse der Wirksamkeit seiner Zustimmung entgegenstehen. Für die systematische Erfassung bietet es sich an, auf die Faktoren abzustellen, die einen subjektiven Unwirksamkeitsgrund begründen können. Als solche kommen konstitutionelle, kognitive und volunta189  Zur Begriffsfindung nur auf den Willensbildungsprozess stellt Rönnau, Willensmängel, S. 186 f. ab.

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tive Faktoren in Betracht.190 Konstitutionell ist das Defizit, wenn der Rechtsinhaber schon gar nicht über die Fähigkeit verfügt, seine Zustimmungsbefugnis auszuüben. Damit zeigt sich, dass der Begriff vom subjektiven Unwirksamkeitsgrund weiter zu verstehen ist als der herkömmliche vom „Willensmangel“, da zu diesem allgemein nicht die Zustimmungsunfähigkeit gehört, um die es bei konstitutionellen Mängeln geht. Zu den kognitiven Defiziten sind Irrtümer und zu den voluntativen Defiziten Zwangswirkungen aufgrund von Drohung oder Gewalt zu zählen. Auf dieser Grundlage untersucht die Arbeit die verschiedenen Arten von „Willensmängeln“ im Hinblick auf deren Auswirkungen für die Wirksamkeit der Zustimmung. bb) Die Verfehltheit des Rückgriffs auf die Zivilrechtsdogmatik Die Terminologie vom „Willensmangel“ ist eng mit derjenigen aus der Zivilrechtsdogmatik verknüpft. Doch beschränkt sich das nicht nur auf den terminologischen Aspekt, sondern betrifft auch Schlussfolgerungen inhaltlicher Art. Die aus der Rechtsgeschäftslehre bekannte Abgrenzung von beachtlichen Irrtümern – insbesondere auch Erklärungs- und Inhaltsirrtümern – von unbeachtlichen sog. Motivirrtümern ist auch in der Strafrechtslehre en vogue. Das Problem liegt zunächst nicht so sehr darin, dass die zivilrechtliche Dogmatik im Strafrecht Anwendung findet. An und für sich ist ein Rückgriff auf das Zivilrecht nicht unzulässig. Aber da weder Einwilligung noch Einverständnis noch Zustimmung als Willenserklärungen verstanden werden, ist eine direkte Anwendung der §§ 119 ff. BGB ausgeschlossen, sodass allenfalls deren analoge Anwendung in Betracht kommt. Der Nachweis einer vergleichbaren Interessenlage zwischen Einwilligung und Willenserklärung wurde bislang jedoch nicht erbracht. Und auch diese Arbeit nimmt eine solche Anstrengung nicht auf sich, ist doch sowohl die Verschiedenheit beider Institute als auch die Notwendigkeit einer strafrechtseigenen Zustimmungsdogmatik offenkundig. Amelung begründet eine Verschiedenheit unter Heranziehung des verschiedenen Normenkontexts, in dem die Institute Zustimmung und Willenserklärung stehen.191 Zurückhaltender weist Kühne darauf hin, dass sich ein Rückgriff auf das Zivilrecht nur insoweit verbietet, als damit die Unterschiede zwischen Straf- und Zivilrecht betroffen sind, die er vorliegend in der „zeitlichen Fixiertheit des Strafrechts“ sieht und damit der Sache nach auf das Koinzidenzprinzip hinweist, wonach alle Voraussetzungen eines 190  Eine vergleichbare begriffliche Systematik legt auch Murmann, Selbstverantwortung, S. 433 zugrunde, wenn er zwischen konstitutionellen und situativen Entscheidungsdefiziten unterscheidet. Den Begriff des Entscheidungsdefizits verwendet er wohl als Synonym oder Oberbegriff für „Willensmangel“, ohne jedoch auf die Problematik dieses Begriffs einzugehen. 191  Amelung, Willensmängel, S.  14 ff.; ders., ZStW 1997, 490, 492 ff.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung273

strafbaren Verhaltens sich zur Zeit der Begehung bestimmen.192 Und angesichts dieser Verschiedenheit dürfte es in der Tat schwierig sein, eine analoge Anwendung zivilrechtlicher Regelungen zu begründen. Freilich lassen sich kaum Autoren finden, die überhaupt offen für eine Heranziehung der Zivilrechtsdogmatik eintreten. Vielmehr hat das Zivilrecht in seiner Terminologie und den dadurch geprägten Vorverständnissen wie selbstverständlich Einzug in die Zustimmungsdogmatik des Strafrechts gehalten. Und das, obwohl es kaum geeignet ist, mit seiner holzschnittartigen Abgrenzung von Motivirrtümern gegen andere Formen der Irrtümer dem Vorantreiben einer überzeugend-differenzierenden Problemlösung zu dienen, ist doch der Begriff des Motivirrtums inhaltsleer. In diesen Begriff kann der Rechtsanwender je nach Gutdünken hineinstecken, was auch immer in seinem Belieben steht, und zugleich den Anschein erwecken, eine trennscharfe Abgrenzung zu einem beachtlichen Irrtum vorzunehmen. Denn das ist sich vor Augen zu führen: Der Begriff des Motivirrtums ist in der Rechtsdogmatik fast unzertrennbar mit der Feststellung verbunden, dass dieser – zumindest grundsätzlich – unbeachtlich ist. Die Behandlung von Irrtümern erfordert aber ein differenzierteres Vorgehen, als es die Dichotomie zwischen unbeachtlichen Motivirrtümern und beachtlichen Irrtümern ermöglicht. cc) Die Verfehltheit des Autonomie-Maßstabs Problematisch ist weiterhin der von der Strafrechtslehre gewählte Ausgangspunkt der Autonomie, die nicht nur Beginn des Lösungsweges ist, sondern zugleich der Weg selbst und auch noch sein Ziel. So hält Rönnau am Begriff des Mangels fest und erkennt zurecht, dass er einen Maßstab, die Beschreibung eines Idealzustands benötigt, wenn er den Mangel als negative Abweichung des realen vom erwünschten Zustand definiert. Und nach ihm ergibt sich dieser Maßstab aus Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Zustimmung, welches im Freiheitsgedanken, in der autonomen Disposition des Gutsinhabers liegt.193 Das Problem besteht nun darin, dem Begriff der Autonomie einen präzisen Inhalt zu geben. Denn wenn er „Leitgedanke“194 zur Lösung der „Willensmängel“-Problematik sein soll, dann steht und fällt die Güte der Lösung mit der Güte der Begriffsdefinition. Und es bedarf kaum einer Erwähnung, dass die Autonomie eine herausragende Rolle in anderen geisteswissenschaftlichen Bereichen, insbesondere der Philosophie spielt. 192  Kühne, JZ 1979, 241, 243. So auch Roxin, AT I, § 13 Rn. 97, der zu Recht daran erinnert, dass im Straf- anders als im Zivilrecht „im Augenblick des Eingriffs feststehen muss, ob die Tat strafbar ist, die Einwilligung also wirksam ist oder nicht“. 193  Rönnau, Willensmängel, S.  187 f. 194  Rönnau, Willensmängel, S. 200.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Dementsprechend müsste die Strafrechtswissenschaft den philosophischen Diskurs durchdringen, um einen fundierten Begriff der Autonomie zu erhalten und diesen dann für die strafrechtliche Problemlösung fruchtbar zu machen.195 Nun ist es aber nicht unbedingt nur der Rechtswissenschaft vorbehalten, sich in einer unversöhnlichen Meinungsvielfalt zu verirren, sondern das Phänomen eines gewissen Pluralismus an Lösungsmodellen ist auch in anderen Geisteswissenschaften anzutreffen. Zu hoffen oder gar vorzugeben, dass es für den Begriff der Autonomie einen breiten wissenschaftlichen Konsens gäbe, wäre naiv. Es stellt sich die Frage, ob der Lösung der „Willensmängel“Problematik wirklich geholfen ist, wenn man versucht, den bereits im Strafrecht umstrittenen Begriff vom „Willensmangel“ mit dem zusätzlichen, nicht minder kontrovers diskutierten Begriff der Autonomie anzureichern. Das bedeutet eine Aufladung und keine Entschärfung der Problematik. Freilich lassen sich die Autoren, die auf die Autonomie als Leitgedanken abstellen wollen, gar nicht auf philosophische Grundlagenforschung ein, sondern stellen sich auf das Standpunkt, dass es einer „kontextspezifischen Begriffsdefinition“, einer „teleologischen Begriffsbildung“ bedarf,196 um „teleologisch handhabbare Wirksamkeitserfordernisse“197 ableiten zu können. Was dann als Begriff der Autonomie gefunden wird, entspringt meist mehr dem sprachlichen Geschick des jeweiligen Autoren als einer wissenschaftlichen Fundierung. Autonom ist etwa Rönnau zufolge eine Zustimmung, wenn der „Gutsinhaber die Ziele seiner Gutspreisgabe selbst bestimmt, sie also nach eigenen Wertmaßstäben setzt“.198 In gleicher Weise – wie auch Rönnau erkennt – gilt nach Amelung die Zustimmung als autonom, wenn der Zustimmende „in Übereinstimmung mit seinem Wertsystem entscheidet“.199 Göbel geht von einer „rechtlich prinzipiell anerkannten Möglichkeit des einzelnen“ aus, „mit den Gütern, die ihm nach den Regeln unserer Verfassungsund Privatrechtsordnung zustehen, nach seiner freien Entscheidung zu verfahren“; wobei zur Selbstbestimmung auch „das Prinzip der Selbstverantwortung“ gehöre, dessen normative Grundlage in Art. 2 I GG zu finden sei.200 M.-K. Meyer vermeidet jegliche Definition, was angesichts ihres Untersuchungsthemas „Ausschluss der Autonomie“ fragwürdig erscheint. Sie zieht 195  Für eine solche Durchdringung genügt eine kurze Abgrenzung zur „sittlichen Autonomie im Sinne der Lehre Kants“ nicht, wie sie bei M.-K. Meyer, Autonomie, S. 133 f. zu finden ist. 196  So jeweils Rönnau, Willensmängel, S. 200. 197  Amelung, Willensmängel, S. 40. 198  Rönnau, Willensmängel, S. 206. 199  Amelung, Willensmängel, S. 41. 200  Göbel, Einwilligung, S. 21 ff.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung275

lediglich einen Vergleich zur Freiwilligkeit des Rücktritts und verlangt dort „eine echte oder doch wenigstens praktisch noch wirkliche Wahl, eine Verhaltensalternative“. Und das gilt ihrer Ansicht nach auch für die Autonomie, denn seien „die Begriffe Handlungsfreiheit und Freiwilligkeit letztlich nur ein anderes Wort für die Autonomie der Person“.201 Wobei dann doch nicht klar wird, welchen Begriff sie nun zugrunde legt, denn im Zusammenhang zur Nötigung stellt sie fest, dass damit der „Freiheitsraum einer Person generell als die von Rechtsordnung gewährte ungehemmte Fähigkeit, sich zu verhalten“ gemeint sei. Autonomie bedeute also „nicht schlechthin ‚freies Belieben‘, sondern eine durch die Ordnungsprinzipien unserer Gesellschaft eingeschränkte Handlungskompetenz“.202 Das entspricht damit einem normativen Autonomiebegriff, in welchen die durch das Recht gesetzten Grenzen aufzunehmen sind. Inwieweit sich das mit der schlichten Gleichsetzung mit Freiwilligkeit im Sinne vom Bestehen einer Verhaltensalternative verträgt, bleibt genauso schleierhaft, wie die Antwort auf die Frage, was nun unter Autonomie konkret zu fassen ist. Wenn der Begriff „seinem materialen Kern nach verstanden [wird] als Freiheit der Person, zu handeln […], das zu tun, was man gerne tun möchte, oder genauer: daß der einzelne tun und lassen kann, was und wie er will“,203 dann ist damit wenig gewonnen, der „materiale Kern“ bleibt weiterhin tief verborgen. In der Literatur wurde der Autonomiebegriff M.-K. Meyers entsprechend harsch attackiert: Er bleibe „auffallend unscharf“, er wechsle „im jeweiligen Zusammenhang so ‚chamäleonhaft‘ seine Bedeutung, daß sein Inhalt geradezu beliebig wird“.204 Die Berufung auf das Autonomieprinzip hafte ein „Moment des Rhetorischen, des Unverbindlichen“ an.205 Autonomie als rethorisch-unverbindliches Chamäleon, ein Etikett, das man eigentlich jedem bislang unternommen Versuch der Begriffsbestimmung verleihen könnte. Jedenfalls sind die vorgestellten Begriffsbestimmungen der Autonomie, um als einziger materieller Grundgedanke einer darauf aufbauenden Dogmatik zu dienen, doch wenig bis oberflächlich ausgearbeitet.206 Die Oberflächlichkeit der Begriffsfindung ist ein Problem. Ein anderes die zirkuläre Begriffsfindung, wie sie vor allem bei Rönnau vorzufinden ist: 201  M.-K.

Meyer, Autonomie, S. 122, 132. Meyer, Autonomie, S. 124. 203  M.-K. Meyer, Autonomie, S. 132. 204  Küper, JZ 1986, 219, 229, der weiterhin meint, dass „mehr begriffliche Präzision dringend notwendig gewesen“ wäre, die aber „ohnehin nicht die Stärke der Arbeit ist“. 205  U. Neumann, GA 1985, 474, 476. 206  Allgemein kritisch zur Autonomie auch Heinrich, AT, Rn. 471: „Der Autonomiegedanke ist zudem zu unbestimmt, um ein tragfähiges Kriterium abzugeben.“ 202  M.-K.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Wenn nach seiner Ansicht sowohl der Maßstab für einen „Willensmangel“ als auch dessen Inhalt aus dem Sinn und Zweck der Zustimmung zu gewinnen ist, dann dreht sich die wissenschaftliche Darlegung letztlich im Kreis. Rönnau fügt den Voraussetzungen der Zustimmung keine neuen Grundlagen hinzu, wenn er zu deren Konkretisierung Maßstäbe heranzieht, die er wiederum innerhalb der Zustimmungsdogmatik zu konkretisieren versucht. Wer die Probleme in einem Kontext zu lösen sucht, der sucht entweder innerhalb dieses Kontextes oder versucht Lösungsansätze aus anderen Kontexten auf den vorliegenden zu übertragen. Eine Übertragung setzt aber voraus, einen inhaltlich gehaltvollen Ansatz aus dem anderen Kontext und nicht nur eine leere Hülle heranzuziehen, die mit dem Inhalt des eigenen Kontext angereichert wird. Wer den Begriff der Autonomie zustimmungsspezifisch auslegen will, um spezifische Probleme Zustimmung zu lösen, der kann ebenso gut auf den Begriff der Autonomie verzichten. Die Alternative zu diesem Weg bestünde nur darin, der Autonomie kein zustimmungsspezifisches Verständnis zu Grunde zu legen, sondern den philosophischen Diskurs aufzunehmen und zu durchdringen. Im Ergebnis zeigen aber die Autoren, welche dennoch die Autonomie als Leitgedanken der Zustimmung in den Vordergrund stellen, im Ausgangspunkt Einigkeit in ihrem Begriffsverständnis:207 Grundsätzlich liegt eine autonome Entscheidung vor, wenn der Zustimmende in Übereinstimmung mit seinem Wertesystem, seinen selbst gesetzten Zwecken handelt. Scheinbare Unterschiede zeigen sich erst bei der Frage, ob die so verstandene Autonomie als Idealgebilde für die strafrechtliche Problemlösung zu verwenden ist oder ob es nicht einer normativen Einschränkung bedarf.208 So geht Amelung vom Idealbegriff der Autonomie aus und stützt seine Lösung der „Willensmängel“Problematik auf ein entsprechend weites, weil unbeschränktes Verständnis der Autonomie: Ein Mangel an Autonomie liege vor, sobald die Zustimmung im Widerspruch zum Wertesystem des Einwilligenden stehe.209 Rönnau dagegen bezweifelt die Leistungsfähigkeit eines solch ideal verstanden Auto­ nomiebegriffs. Dieser verliere dadurch seine „Maßstabs- und Selektions­ funktion“.210 Dem idealen Autonomiebegriff mangele es an Überzeugungskraft, da er sich zu weit von der Lebenswirklichkeit entferne und zu einem kaum erreichbaren „Idealtopos“ verkümmere.211

207  Das dürfte aber eben auch mit der begrifflichen Unschärfe jedes Begriffsverständnisses zusammenhängen. 208  So die aufgeworfene Frage von Rönnau, Willensmängel, S. 207. 209  Amelung, Willensmängel, S.  41 f.; ders., ZStW 1997, 490, 515. 210  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 201; ders., Willensmängel, S. 222, 224. 211  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 201; ders., Jura 2002, 662, 672.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung277

In der Tat stellt sich die Frage, wenn Amelung die Autonomie zu dem entscheidenden Wirksamkeitsmaßstab erhebt,212 welchen Wert dieser Maßstab haben soll, wenn er aufgrund seiner Weite kaum eine Abgrenzung ermöglicht. Man stelle sich einen Zollstock als Maßstab vor, um die Größe eines Atoms zu messen. Ein solcher Messvorgang dürfte sich als schwieriges Unterfangen erweisen; und nichts anderes gilt für den Amelungschen Autonomiemaßstab. Allerdings, und das übersieht Rönnau, geht die Kritik an diesem Maßstab genauso fehl wie der Maßstab selbst: Der Maßstab für die eigentlich interessierende Frage nach der Strafbarkeit des Eingreifenden ergibt sich bei Amelung nicht aus der Zustimmung, sondern aus einer allgemeinen Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Zustimmenden und Eingreifendem. Indem Amelung die Frage nach der Strafbarkeit aus dem Bereich der Zustimmung auslagert, kommt es logischerweise auch nicht mehr auf den dort geltenden Autonomiebegriff an. Dieser hat allenfalls Bedeutung, sofern es um die von ihm vorgeschlagene Trennung zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage geht. Der Ansatz von Amelung hat ein starkes Argument auf seiner Seite: Wie soll das Recht eine Entscheidung als autonom und wirksam erachten, die den Wertungen des Berechtigten widerspricht, insbesondere, wenn das Recht gerade jene Wertungen durch die Gewährung von Verfügungsfreiheit schützt? Das Recht würde sich in einen Widerspruch verwickeln.213 Könnte es ferner jeder Lebensrealität liegen, eine Entscheidung als autonom zu bezeichnen, die dem Wertesystem des Entscheidenden widerspricht, die irrtums- oder gar täuschungsbehaftet ist? Letztlich hängt der Streit aber gar nicht so sehr mit dem gewählten Autonomiebegriff zusammen, sondern ist lediglich die in einem anderen dogmatischen Gewand verpackte Frage, ob jeder „Willensmangel“ zur Unwirksamkeit der Zustimmung führt oder ob es nicht einer normativen Einschränkung bedarf. Und entgegen Rönnau ist die Frage, ob die Autonomie im vorliegenden Einwilligungskontext nun ideal oder normativ zu bestimmen ist, unerheblich. Denn wenn der Begriff der Autonomie ohnehin zustimmungsspezifisch auszulegen ist, dann kommt es lediglich darauf an, ob die Zustimmung normativ auszulegen ist. Ob im Falle der Bejahung dieser Frage die normative Auslegung nun im Rahmen der Autonomie oder gesondert bei der Zustimmung diskutiert wird, ist allenfalls unter formalen Gesichtspunkten von Interesse. Um die Autonomie wird letztlich nur ein wissenschaftliches

212  Amelung,

Willensmängel, S.  40 ff. ZStW 2003, 710, 717. Dass die Autonomie eher Anlass dazu bietet, jeden Willensmangel als erheblich einzustufen, erkennen auch Paeffgen / Zabel, NKStGB, § 228 Rn. 29. 213  Amelung,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Scheingefecht ausgetragen. Im Ergebnis dürften sich die strafrechtlichen Ergebnisse nicht unterscheiden. Rönnau selbst tritt dafür ein, für den Autonomiebegriff diejenigen Umstände zu berücksichtigen, unter denen Menschen ihre Entscheidungen treffen. Insoweit seien Entscheidungen immer durch die natürliche oder soziale Umwelt vorbelastet. Auf Irrtümern und Zwängen beruhende Zustimmungen wären daher nichts Außergewöhnliches, sondern der Normalfall.214 Da Menschen immer unter solchen Vorbelastungen entscheiden, dürfe die Freiheit nicht ideal verstanden werden, sondern es sei von einem relativen Freiheitsbegriff auszugehen, der die entsprechenden sozialen und natürlichen Faktoren berücksichtige. Im Ergebnis folgert Rönnau daraus, dass die Fragen der Zurechnung das Wirksamkeitsurteil bestimmen.215 Technisch gesehen, will Rönnau damit all seine Begriffe normativ durchformen: Sowohl Zurechnung als auch Wirksamkeit als auch Autonomie sind normativ. Jedoch wird sich zeigen, dass die Kriterien, die Rönnau für sein normatives Verständnis zur Autonomie heranzieht, die gleichen sind, welche Amelung losgelöst von der Autonomie für die Zurechnung diskutiert. Der Unterschied beider Autoren erschöpft sich damit allein in der Aufbaufrage, ob Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage zu trennen oder zusammenzuziehen sind. Die Forderung Rönnaus jedoch, dass die einer zustimmenden Entscheidung zugrunde liegenden Umstände zu berücksichtigen sind, sollte eigentlich außer Frage stehen. In der strafrechtlichen Beurteilung sind stets alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob sie zu berücksichtigen sind, sondern welche Relevanz und welche Konsequenzen den jeweiligen Umständen zuzumessen sind. Allein dass sie Rönnau für seinen Autonomiebegriff fruchtbar machen will, erscheint zweifelhaft. Denn es ist eben nicht zwingend der gewonnene Autonomiebegriff allein, aus dem ein tauglicher Maßstab zur Abgrenzung der jeweiligen Verantwortungsbereiche zu gewinnen ist. Und die Behauptung Rönnaus, der Normalfall der Zustimmung wäre der einer von Irrtümern und Zwängen vorbelasteten Entscheidung,216 erscheint übertrieben. Die von ihm selbst aufgeführten Beispiele für Zustimmungen, die „Verschönerung des Hauses“ oder der „Gang zum Hairstylisten oder zum Schönheitschirurgen“ widersprechen dieser Einschätzung.217 Und wer in Zeiten des modernen Massenverkehrs an die täglich mit Bus, Bahn oder Flugzeug reisenden Millionen von Menschen denkt, der hat kaum Millionen von Opfern schlimmster Täuschun214  Rönnau,

Willensmängel, S.  209 ff. Willensmängel, S.  220 f.; ders., Jura 2002, 662, 672. 216  Rönnau, Willensmängel, S. 210; dem zustimmend Murmann, Selbstverantwortung, S. 440 m. Fn. 489. 217  Rönnau, Willensmängel, S. 204. 215  Rönnau,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung279

gen und Zwangswirkungen vor Augen. Das widerspräche jeder Lebenserfahrung.218 Der Normalfall der Zustimmung ist nicht von Irrtümern, Täuschungen, Drohungen oder Gewalt geprägt, sondern eine unspektakuläre, unauffällige und millionenfache Erscheinung unserer täglichen Lebenswelt. Wer den Normalfall vor Augen hat, der kann auch mit einem größeren Maß an Genauigkeit bestimmen, wann Abweichungen vorliegen und welches Gewicht diesen beizumessen ist. Für diese Arbeit gilt es festzustellen, dass der Hinweis auf die Autonomie zwar richtig und wichtig, aber nicht zielführend ist, sofern der Begriff selbst nicht wissenschaftlich ernsthaft fundiert wird. Ohne eine solche Fundierung fällt jeder Versuch einer Begriffsfindung letztlich doch wieder darauf zurück, entweder zu weit und damit unpraktikabel zu sein oder bereichsspezifisch ausgelegt und damit zirkulär verwendet zu werden. Dann kann aber der Umweg über die Autonomie erspart und die Prämisse zugrunde gelegt werden, dass die Zustimmung – allgemein anerkannt – Ausdruck der Selbstbestimmung des Rechtsinhabers ist. Ohne Ausflüge in philosophische Grundlagendiskussionen kann in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Handlungsfreiheit der Person nach Art. 2 I GG hingewiesen werden, was für die Zwecke einer Untersuchung der „Willensmängel“-Problematik ebenso ausreichend erscheint. Was nun die Frage nach einer normativen Auslegung angeht, so ist diese die entscheidende und die im Kern eigentlich kontrovers diskutierte Frage. Den schneidigsten Ansatz hierzu hat Knut Amelung ins Spiel gebracht: Das Urteil über die Wirksamkeit der Zustimmung ist von der Frage nach der Zurechenbarkeit der Rechtsverletzung zu trennen.219 Im Gegenzug dazu behandelt Rönnau die Zurechenbarkeit bereits als Frage der Autonomie.220 Im Ergebnis unterscheiden sich beide Autoren nicht, treten sie doch jeweils für eine normative Einschränkung im Sinne einer Zurechenbarkeit ein. Dennoch sprechen mehr Gründe für eine Trennung der Zustimmung von normativen Abwägungsfragen, wie sogleich zu sehen sein wird. b) Trennungsmodell bzw. Lehre der Verantwortungsbereiche: Trennung des Unwirksamkeitsurteils von der Zurechnungsfrage Nach Ansicht der Arbeit kann das Erfordernis einer normativen Bewertung zur Lösung der „Willensmängel“-Problematik nicht in Zweifel stehen. Die 218  Ein Urteil, das besonders denjenigen trifft, der Wert darauf legt, anderen Autoren vorzuwerfen, sie würden sich zu weit von der Lebenswirklichkeit entfernen, Rönnau, Jura 2002, 662, 672. 219  Amelung, Willensmängel, S.  36 ff. 220  Rönnau, Willensmängel, S.  210 f.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Frage bleibt, wie diese normative Bewertung vorzunehmen ist, welche Kriterien hierfür heranzuziehen sind und wie diese in die Zustimmungsdogmatik eingeordnet werden können. Die Arbeit spricht sich dabei für einen Ansatz aus, den Knut Amelung im Jahr 1997 das erste Mal vorgestellt und der erstaun­licher- und bedauerlicherweise nur wenig konstruktive, wissenschaftliche Resonanz erfahren hat. aa) Der Kerngehalt nach Amelung Amelungs Ansatz besteht darin, Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage voneinander zu trennen.221 Eine Zustimmung als unwirksam zu beurteilen, hat nach Amelung nur die Funktion festzustellen, dass der Wille des Rechtsinhabers nicht mehr als „Zurechnungsgrundlage“ in Betracht kommt, sondern dass die Zurechnungsfrage, d. h. die Frage, wem die „Rechtsgutsverletzung“ zuzurechnen ist, wieder offen und damit neu zu stellen ist.222 Nach diesem Ansatz führt jeder „Willensmangel“ zur Unwirksamkeit der Zustimmung.223 Von der Frage der Wirksamkeit wird aber die Frage der Zurechnung abgekoppelt. Diese Frage ist im Wege einer gesondert durchzuführenden Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Zustimmendem und Eingreifendem zu beantworten. Erst in diesem zweiten Schritt ist eine Abwägung und Bewertung der Interessen zwischen Zustimmendem und Eingreifendem vorzunehmen. Für diesen Interessensausgleich sind nach Amelung 221  Amelung, Willensmängel, S. 36 ff. und zusammenfassend S. 44 f. Ein im Aufbau vergleichbarer, wenn auch in begrifflicher und systematischer Schärfe zurückfallender Ansatz ist bei Murmann, Selbstverantwortung, S. 443 ff. zu finden, der zwischen einer psychisch-defizitären Entscheidung und ihrer normativen Relevanz unterscheidet, wobei er für letzteres der Sache nach eine Abgrenzung bzw. „Konkretisierung“ von Verantwortungsbereichen vornimmt. Murmann würde freilich jede Ähnlichkeit bestreiten, ist seiner Ansicht nach die Frage nach der normativen Relevanz bereits „bei der Frage nach der Wirksamkeit der Einwilligung zu verorten“, Selbstverantwortung, S. 459. 222  Amelung, Willensmängel, S.  37 f.; ders., ZStW 1997, 490, 512: Zur Beantwortung dieser Frage müsse man sich darauf konzentrieren, ob der Eingreifende einen haftungsbegründenden Tatbestand setze; die Frage, ob dem Zustimmenden „Fehler gegen sich selbst“, also Obliegenheitenverletzungen vorzuwerfen seien, müsse dagegen nicht gestellt werden, da nur aus der Verneinung dieser Frage keine hinreichende Begründung für die Zurechnung der Verletzung zulasten des Eingreifenden bestehe. 223  So auch Köhler, AT, S. 254. Einen scheinbar anderen Weg geht Jakobs, AT, 7 / 118, der die Unwirksamkeit auf rechtsgutsbezogene Irrtümer oder Drohungen beschränkt, aber die Möglichkeit einer Zurechnung und damit einer Strafbarkeit des Eingreifenden über die Grundsätze der mittelbaren Täterschaft erreichen möchte. Damit aber stellt sich für ihn genauso die Frage nach der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen mit dem zentralen Kriterium der Zuständigkeit.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung281

die Zurechnungsregeln entwickelt worden, für deren Beurteilung sich die Handlung des Eingreifenden in den Vordergrund stellen soll.224 Dieses Konzept der Trennung zwischen Unwirksamkeitsfrage und Zurechnungsurteil ist – soweit es rezeptiert wurde – auf ein leises und geteiltes Echo in der Strafrechtswissenschaft gestoßen: Die einen sehen darin schwerwiegende Systembrüche und Vernachlässigungen von Täterinteressen. Die anderen attestieren Amelung, „die Dogmatik der irrtumsbehafteten Einwilligung aus der Sackgasse […] wieder auf den geraden Weg zurück“ geführt zu haben.225 Mehr als dieses leise Echo rief Amelungs Konzept kaum hervor, es blieb vielmehr unter dem Radarschirm der Strafrechtswissenschaft. Es scheint sich die Hoffnung von Mitsch ins Negative umgeschlagen zu haben:226 Amelung blieb doch der einsame Rufer in der Wüste, dem es nicht vergönnt war, zu seinen Lebzeiten auf eine große Zahl von Anhänger seiner Lehre zu blicken. Dennoch – oder gerade deswegen – wird diese Arbeit Amelungs Ruf in die Wüste folgen, nicht um dort zu verdursten, sondern um die dogmatischen Wasseradern frei zu legen, die die Vorzüge seiner Konzeption aufzeigen. bb) Die Vorzüge Der Ansatz Amelungs, die Zustimmung in ihrer Wirksamkeit mit einer niedrig angesetzten Schranke zu beurteilen und im Gegenzug die Zurechnungsfrage von den Zustimmungsvoraussetzungen losgelöst zu stellen, bedeutet einen erheblichen Fortschritt in der strafrechtlichen Diskussion.227 Denn dadurch ist die Argumentation von den dogmatischen Zwängen befreit, ihre Ergebnisse den Voraussetzungen der Zustimmung anpassen zu müssen. Ein gerechter Interessenausgleich zwischen Zustimmendem und Eingreifendem im Falle subjektiver Unwirksamkeitsgründe darf zu keinen einseitigen Belastungen oder Bevorteilungen führen, sondern muss dem „interaktionistischen Charakter“228 in Zustimmungskonstellationen gerecht werden. Die 224  Amelung, Willensmängel, S. 45. Allerdings spricht er zuvor ungenau von der „Zurechnung einer Rechtsgutsverletzung“ und stellt letztere in den „Mittelpunkt“, S. 17, 44; damit unterliegt er der von dieser Arbeit kritisierten Gleichsetzung von Eingriff und Verletzung. 225  Mitsch, JZ 1999, 513. 226  Mitsch, JZ 1999, 513: „Es ist zu hoffen, daß Amelung kein einsamer Rufer in der Wüste bleibt, sondern bald auf eine große Zahl von Anhängern seiner Lehre blicken kann.“ 227  Dass Amelungs Ansatz durch seine „klare Gegenposition“ zur Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit „die Eiwilligungsdiskussion befruchten wird“, erkennt mit Weber, GA 2000, 77, 78 selbst einer seiner Kritiker. 228  Amelung, Willensmängel, S. 45; ders., ZStW 1997, 490, 518.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Interaktion zwischen Zustimmendem und Eingreifendem kann nur ein Lösungsmodell erfassen, dass die jeweiligen Verantwortungsbereiche der Beteiligten umschreibt und gegeneinander abgrenzt. Diese Abgrenzung von Verantwortungsbereichen ist die Antwort auf die Frage, wer den Eingriff in die Sphäre des Berechtigten zu verantworten hat, d. h. wem sie zuzurechnen ist. Damit wird auch klar gestellt, dass die eigentlich zu entscheidende Frage normativen Gehalts ist.229 Diese Frage aber in der Zustimmungsdogmatik im engen Sinne zu integrieren, d. h. die Voraussetzungen der Zustimmungen daran auszurichten, muss die Dogmatik notwendig überfordern. Der Grund dafür liegt zum einen im Wesen der Zustimmung, die ausschließlich ein Institut des Rechtsinhabers ist, die dessen Interessen dient, die dieser allein zu seiner Interessensbefriedigung einsetzt. Der Zustimmung liegt zwar eine Interaktion zwischen Rechtsinhaber und Eingreifendem zugrunde, aber diese Interaktion kann die Zustimmung selbst als rechtliches Institut nicht erfassen. Sie ist ein Instrument des Rechtsinhabers, das dieser in seinem Interesse einsetzt und das gerade auch zu diesem Zweck rechtliche Anerkennung findet. Die Interessen des Eingreifenden sind zwar faktisch vorhanden und deshalb auch von der Dogmatik zu verarbeiten, aber nicht im Rahmen der Zustimmung. Als Instrument des Rechtsinhabers zu dessen Interessenbefriedigung kann die Zustimmung nicht zugleich den Interessen desjenigen dienen, der als dessen „Werkzeug“ dient.230 Für eine Trennung zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage spricht zum anderen der Wesensunterschied beider Fragestellungen: Die Zustimmung fragt allein danach, ob der Rechtsinhaber dem Eingriff in seine Rechtssphäre zugestimmt hat. Das ist eine rein tatsächliche Fragestellung. Eine Bewertung der mit der Zustimmung verfolgten Interessen, Motive, etc. findet nicht statt und darf es auch nicht, denn das hieße, die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zu bewerten. Es genügt das bloß faktische Vorliegen einer Zustimmung, der zwar die Wirksamkeit abgesprochen werden kann, sodass insoweit eine teilweise normative Bewertung vorgenommen wird, das aber allein im Interesse des Rechtsinhabers, vor allem zu dessen eigenem Schutz. Demgegenüber ist die Zurechnungsfrage eine durchweg 229  So auch Paeffgen, NK-StGB, 4. Aufl., § 228 Rn. 29. Kritisch hierzu Weber, GA 2000, 77, 78, der eine Vernachlässigung der Täterinteressen sieht, weil diesem mit einem Ausschluss von Vorsatz, Fahrlässigkeit oder objektiver Zurechnung nicht ausreichend geholfen ist. 230  Eine andere Ansicht vertritt Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 79: Die Einwilligung entstünde als Institut erst infolge der Notwendigkeit die Interessensphären von zwei oder mehr Personen zu koordinieren. Eine solche Einschätzung erscheint begründungsbedürftig, da Sternberg-Lieben ja selbst das Selbstbestimmungsrecht der Einwilligung hervorhebt und dessen grundrechtliche Verankerung herausarbeitet, Einwilligung, S.  17 ff.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung283

normative Fragestellung, die eine bewertende Abwägung zwischen den Interessen des Rechtsinhabers und denen des Eingreifenden vornimmt. Welches Gewicht den sich gegenüberstehenden Interessen zukommt, kann nicht tatsächlich festgestellt werden, sondern bedarf einer Bewertung, die sich auf normative Kriterien stützt. Für die Lösung der „Willensmängel“-Problematik kommt es darauf an, sich erstens des grundlegend normativen Gehalts der Fragstellung bewusst zu sein, zweitens die sich gegenüberstehenden Interessen zu erkennen und drittens die normativen Kriterien herauszuarbeiten, um die Interessen gegen­ einander abzuwägen. Es ist erkennbar, dass dieser Prüfungskatalog weit über das hinausgeht, was dem Wesen der Zustimmung entspricht. Daher folgt diese Arbeit Amelung darin, zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage zu trennen. cc) Die Systemkonsistenz in einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik Wenn die Arbeit auch dem Ansatz Amelungs folgt, so erfolgt die Gefolgschaft nicht uneingeschränkt. Zunächst wäre der Hinweis zu geben, dass sich das Unwirksamkeitsurteil aufgrund der Weite des Autonomiebegriffs ohne einen Rückgriff auf diesen begründen lässt. Insoweit ist der Ratschlag Rönnaus, es wäre besser auf die Autonomie als Maßstab bei einem derart weiten Verständnis zu verzichten, durchaus zutreffend. Um den Grundsatz aufzustellen, dass jedes Defizit des Zustimmenden die Wirksamkeit seiner Zustimmung aufhebt, bedarf es nicht der Errichtung eines philosophischen Fundaments; auch wenn es im wissenschaftlichen Sinne sicherlich wünschenswert wäre, so ist es eben solange als wertlos einzuschätzen, als dass dieses Fundament nicht tiefgreifend den philosophischen Diskussionsstand zur Autonomie aufgreift.231 Während also der Streit um die Weite des Autonomiebegriffs irrelevant ist, muss, wer gegen Amelung einen Vorwurf erheben will, dem auch dogmatisches Gewicht zukommt, auf ein Aufbauproblem seiner Konzeption hinweisen: Amelung hält nämlich an der Zweiteilung zwischen Einwilligung und Einverständnis fest und diskutiert seine Konzeption ausdrücklich für die Einwilligungsfälle, also auf der Ebene der Rechtswidrigkeit. In Anbetracht dessen, hätte er eine Erklärung dafür geben müssen, wie er die Zurechnungsfrage neu stellen will, wenn doch allgemein anerkannt ist, dass nach der Feststellung der Rechtswidrigkeit das Unrecht der Tat endgültig feststeht. Würde man Amelungs Konzeption folgen, so müsste in der strafrechtlichen Prüfung zunächst die objektive Zurechenbarkeit sowie der Vorsatz des Ein231  Siehe

dazu oben S. 273 ff.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

greifenden bejaht und eine Rechtfertigung aufgrund einer Einwilligung mangels Wirksamkeit verneint werden, um dann entweder auf die tatbestandliche Ebene zurückzuspringen oder aber eine neue Prüfungsebene nach der Rechtswidrigkeit und vor der Schuld einzuschieben, um dort erneut die Fragen der objektiven und subjektiven Zurechnung zu behandeln.232 Das „Hinund Herwenden des Blickes“233 sah Amelung eigentlich nur in Bezug auf die interagierenden Personen im Falle einer Zustimmung als erforderlich an, nicht aber in Bezug auf das Durcheinanderwirbeln der Deliktsebenen. Rönnau spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von „erheblichen Friktionen mit der herkömmlichen Strafrechtsdogmatik“.234 Und diesem Vorwurf kann Amelung nichts entgegensetzen. Er versucht es auch gar nicht erst, sondern erblickt hierin „allenfalls ein ästhetisches Pro­ blem“ und verweist im Übrigen auf die Unzulänglichkeit der Strafrechtslehre, die „auf die Bewertung zweipoliger Vorgänge“ – wie sie der „Einwilligung als einem interaktiven Geschehen“ zugrunde liegen – nicht eingerichtet wäre. Deshalb bleibe „gar nichts anderes übrig, als die Grenzen der Tradition zu überschreiten“.235 Aber das verengt den dogmatisch-konstruktiven Blick übermäßig und unnötig. Die Trennung zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage ist ohne jeden dogmatischen Bruch und innerhalb der „Grenzen der überkommenen Zurechnungslehre“236 möglich. Wenn die Konzeption dieser Arbeit Amelungs Ansatz folgt, so trifft sie Rönnaus Friktions-Vorwurf jedoch nicht nur nicht, sondern zeigt gerade ihren Vorzug auf: Wenn die Zustimmung als Frage der Tathandlung auf tat­ bestandlicher Ebene relevant und zu diskutieren ist,237 dann ist im Falle der unwirksamen Zustimmung die Frage der Zurechnung nicht erneut, sondern erstmals zu stellen. Die Konzeption dieser Arbeit fügt sich also harmonisch in die Strafrechtsdogmatik ein. Und es ist verwunderlich, dass Rönnau, obwohl er zumindest von der Tatbestandsrelevanz der Einwilligung ausgeht, diese Konsequenz übersieht: Amelungs Ansatz würde sich perfekt in seine eigene Konzeption einfügen. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass Rön232  Murmann, Selbstverantwortung, S. 455 ff.; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 201; Roxin, AT I, § 13 Rn. 109; Weber, GA 2000, 78. Die Aufbauproblematik erkennen auch Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 32 m. Fn. 116, die aber – obwohl sie wie Amelung die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund einordnen – keine Lösung vorschlagen, obwohl sie „Amelungs Ansatz weiterverfolgen“ wollen und sich zugleich der hieran erhobenen Kritik anschließen. 233  Amelung, Willensmängel, S. 45. 234  Rönnau spricht in diesem Zusammenhang von „erheblichen Friktionen mit der herkömmlichen Strafrechtsdogmatik“, Jura 2002, 662, 672. 235  Amelung, ZStW 2003, 710, 716 f. 236  Amelung, ZStW 2003, 710, 716. 237  Siehe dazu oben S. 206 f., 212 f.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung285

nau, der den Amelungschen Autonomiebegriff noch ausschließlich unter Zugrundelegung seines eigenen Verständnis der Autonomie der Kritik unterzog, in der Auseinandersetzung mit Amelungs Trennungsmodell nunmehr ausschließlich dessen Verständnis von der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund abstellt und seinen eigenen Ansatz, die Einwilligung als negatives Tatbestandsmerkmal zu behandeln, ausblendet. Seine Kritik am Amelungschen Ansatz misst mit zweierlei Maß und gerät dadurch in Schieflage. Warum die Trennung zwischen Wirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage für die Zustimmung auf Tatbestandsebene abzulehnen sein könnte, auf diese Frage geht Rönnau nicht ein, sondern begnügt sich mit der allgemeinen, aber nicht belegten Behauptung, dass die angeblich herrschende Meinung die Zurechnungsfrage bewusst in ihrem Urteil über die Wirksamkeit mitverarbeitet hätte, da beide Aspekte nicht isoliert betrachtet werden könnten.238 Warum das nicht geht, erklärt Rönnau nicht. Ein weiterer Vorzug der Amelungschen Konzeption wird bei der Behandlung von Dreieckskonstellation ersichtlich.239 Ein zentraler, aber nicht in den Mittelpunkt gestellter theoretischer Ansatz Rönnaus besteht darin von einer nur relativen (Un-)wirksamkeit der Zustimmung auszugehen.240 Das bedeutet folgendes: Wenn Person A den Rechtsinhaber R mit einem Nachteil bedroht, wenn R nicht einen Eingriff von Person B vornehmen lässt – etwa sagt der Vater seinem Sohn, er bekomme keine finanzielle Unterstützung mehr, wenn er nicht zum Friseur gehe –, dann ist Rönnau zufolge die Wirksamkeit der Zustimmung zum körperlichen Eingriff infolge des Haarschnitts relativ zur eingreifenden Person zu bestimmen. Das hat zur Konsequenz, dass ein und dieselbe Entscheidung sowohl als autonom als auch als nicht autonom bewertet werden kann, denn von der Autonomie hängt Rönnau zufolge schließlich die Wirksamkeit der Zustimmung ab. Damit vertritt er aber nicht nur einen relativen Wirksamkeits-, sondern auch einen relativen Autonomiebegriff. Eine Konsequenz, die den Begriff ad absurdum führen und einen schwerwiegenderen Bruch bedeuten dürfte, als das, was – vermeintlich – gegen Amelungs Konzeption spricht. Im Ergebnis – und das zeigt, dass es vorliegend „nur“ um Fragen grundlegender dogmatischer Konstruktion geht – bewertet Rönnau die Fälle der Dreiecksbeziehungen zutreffend, wie die Arbeit an späterer Stelle noch zeigen wird. Allerdings sollten eben normative Fragestellungen gesondert behandelt und nicht mit Fragen anderen Inhalts vermengt werden, insbesondere wenn dadurch zentrale Begrifflichkeiten, wie die der Autonomie, in ihrem 238  Rönnau,

Jura 2002, 662, 672. dazu unten S. 361 ff. 240  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 209; so auch Frister, AT, § 15 Rn. 24. 239  Siehe

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Verständnis beeinträchtigt werden: Entweder eine Entscheidung ist autonom oder nicht, aber sie darf nicht indifferent sein! Somit bleibt festzuhalten: Gegen einen Ansatz, der sich für die Trennung zwischen Wirksamkeit und Zurechnung ausspricht, kann nicht der Vorwurf erhoben werden, dass der gewählte Autonomiemaßstab es nicht gewährleisten könne, bei der Unwirksamkeitsfrage eine Abschichtung von Verantwortungsbereichen zu berücksichtigen, wenn gerade dieser Aspekt unberücksichtigt bleiben soll.241 Die Arbeit spricht sich damit dafür aus, das Urteil über die Wirksamkeit der Zustimmung und die Frage der Zurechenbarkeit des Rechtseingriffs voneinander zu trennen. Die verschiedenen Quellen für Irrtümer und deren Konsequenzen werden nachfolgend dargestellt. Mit dem Ansatz dieser Arbeit ist jedoch zwischen primären und sekundären Konsequenzen zu differenzieren. Primär sind sie insoweit, als dass es um das Urteil der Unwirksamkeit einer Zustimmung geht. Die sekundären Konsequenzen haben hingegen die Frage zum Gegenstand, wem der Rechtseingriff zuzurechnen ist, in wessen Verantwortungsbereich er fällt. Diese Frage behandelt die Arbeit in einem eigenständigen Kapitel zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche. Zuvor bereitet sie die verschiedenen in Betracht kommenden subjektiven Unwirksamkeitsgründe systematisch auf. c) Konstitutionelles Defizit – Zustimmungsunfähigkeit Zunächst muss der Rechtsinhaber konstitutionell überhaupt in der Lage sein, seine Zustimmungsbefugnis auszuüben.242 Hierfür wählt die Arbeit den Begriff der Zustimmungsfähigkeit, mit welchem Konstellationen erfasst werden, die für Einwilligung und Einverständnis unter den Begriffen der Einwilligungs- bzw. Einsichtsfähigkeit diskutiert wurden. Diese Voraussetzung wird als Aspekt subjektiver Unwirksamkeitsgründe bzw. herkömmlicher „Willensmängel“ behandelt, da bei deren Fehlen ein konstitutionelles Defizit des Rechtsinhabers gegeben ist. Die Besonderheit eines solchen konstitutionellen Defizits liegt darin, dem Rechtsinhaber generell die Fähigkeit, seine Rechte auszuüben, abgesprochen wird, ohne dass die konkrete Entscheidung defizitär sein muss.243 Wenn es um eine generelle Betrachtung des Rechtsinhabers selbst geht, dann kommt es darauf an, einen Maßstab zu bilden, an dem die Person zu messen ist. Die Rechtsordnung muss bestimmen, welche Fähigkeiaber der Vorwurf Rönnaus, Willensmängel, S. 222. Umschreibung dieser Voraussetzung als konstitutionelle Fähigkeit nimmt auch Menrath, Einwilligung, S. 137 vor. 243  Vgl. auch Murmann, Selbstverantwortung, S. 435: Konstitutionelle Defizite seien „lediglich ein Gesichtspunkt, aus dem sich der defizitäre Charakter einer konkreten Entscheidung ergeben kann“ (Hervorhebung im Original, Anm. d. Verf.). 241  So

242  Die



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung287

ten sie für den Rechtsinhaber für erforderlich erachtet, damit dieser selbstbestimmt über seine Rechte entscheiden kann. Demgegenüber kommt es für die kognitiven und voluntativen Defizite auf die situativ-konkrete Entscheidung selbst an. Der Maßstab hierfür kann nur in der entscheidenden Person und ihrer Selbstbestimmung zu finden sein.244 aa) Problem: Einheitliche oder differenzierende Bestimmung Als erstes stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen der Zustimmungsfähigkeit überhaupt einheitlich bestimmt werden können oder ob nicht eine Differenzierung geboten ist. Die bisherige Strafrechtsdogmatik tendiert in letztere Richtung und grenzt schlagwortartig die „natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ von der „natürlichen Willensfähigkeit“ ab.245 Dass beide Umschreibungen das Kriterium der Natürlichkeit vorangestellt ist, hat dabei den Sinn, die Einwilligungsfähigkeit von der Geschäftsfähigkeit abzugrenzen, die von der herrschenden Ansicht gerade nicht für erforderlich erachtet wird.246 Eine schroffe Gegenüberstellung zwischen Einverständnis und Einwilligung verbietet sich zwar nach Ansicht dieser Arbeit, womit aber nicht zugleich entschieden ist, nicht andere Arten der Differenzierung in Betracht zu ziehen. Selbst diejenigen, welche die Zweiteilungslehre scharf angreifen, gelangen zu keinen einheitlichen Voraussetzungen der Zustimmungsfähigkeit. Roxin etwa gibt als Leitlinie vor, dass dort, wo die Einwilligung schon die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals ausschließt, nur die Auslegung des konkreten Merkmals die Anforderungen an die Einsichtsfähigkeit bestimmen kann. Wo die Einwilligung als Tatbestandsauschließungsgrund neben die übrigen Tatbestandsmerkmale trete, ließen sich jedoch generalisierbare Aussagen machen, weil die Einwilligung sich hier jenseits der Besonderheiten einzelner Tatbestandsmerkmale nur als Ausdruck der allgemeinen Hand244  So zwar auch Murmann, Selbstverantwortung, S. 438 ff., der es aber deshalb als unproblematisch ansieht, von der Maßgeblichkeit des „wahren Willens“ zu sprechen, S. 445. 245  Göbel, Einwilligung, S. 75; Heinrich, AT, Rn. 445; Jakobs, AT, 7 / 114; Jescheck / Weigend, AT, S. 382; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 37; M.-K. Meyer, Autonomie, S. 164; Murmann, AT, § 25 Rn. 119; Neyen, Einwilligungsfähigkeit, S. 4, 44 f. Ablehnend Kientzy, Einwilligung, S. 100 f. 246  Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Hinterhofer, Einwilligung, S. 66; Hirsch, LKStGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 118; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 40; Otto, Geerds-FS, S. 603, 614; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 193; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 127; ders., Lehrbuch, 8 / 134. Nach anderer Ansicht gilt eine Ausnahme für Eingriffe in Vermögen und Eigentum: Jakobs, AT, 7 / 114; Lenckner, ZStW 1960, 446 ff.; ders., Sch / Sch, 26. Aufl., Vor §§ 32 ff. Rn. 39 f.; Samson, SKStGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 41.

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lungsfreiheit darstelle.247 Da sich jedoch die Zustimmung stets auf die Tathandlung und damit auf ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal und nicht auf den Tatbestand als Ganzes bezieht,248 geht die Differenzierung Roxins fehl. Die von ihm aufgestellten Fall- bzw. Deliktsgruppen249 mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen an die Zustimmungsfähigkeit – ein bloß natür­ licher Willen bei allen Nötigungsdelikten, beim Diebstahl und Hausfriedensbruch; ein hinreichendes Verständnis für Bedeutung und Folgen der Einwilligung bei der Beleidigung nach § 185 StGB und den §§ 201 ff. StGB; rechtsgeschäftliche Qualität bei der Untreue nach § 266 StGB; die Einsichts- und Urteilsfähigkeit in den herkömmlichen Fällen der Einwilligung, wo ein natürlicher Wille deshalb nicht genügen könne, weil die Zustimmung der freien Entfaltung der Persönlichkeit nur dann diene, wenn sie von hinreichendem Verständnis für Bedeutung und Tragweite des Eingriffs getragen sei – lassen nicht erkennen, woher diese differenten Anforderungen gewonnen werden. Die gleiche Kritik muss auch Rönnau entgegengehalten werden: Nach ihm genügt ein natürlicher Wille bei den Freiheitsdelikten und bei den an ein faktisches Herrschaftsverhältnis anknüpfenden Tatbeständen, wohingegen eine natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei den Straftatbeständen der Unfallflucht nach § 142 StGB und der Beleidigung nach § 185 StGB erforderlich ist.250 Das trifft im Ergebnis auch auf Kindhäuser zu, der für die Zustimmungsfähigkeit auf die von ihm gebildeten Fallgruppen der Einverständnisfälle – Überwindung eines entgegenstehenden Opferwillens, Veränderung einer faktischen Position und Eingriff in eine Rechtsposition – zurückgreift.251 Da nach Kindhäuser der Eingriff in eine Rechtsposition der Konstellation der Einwilligung entspricht, zwischen beiden also keine sachlichen Unterschiede bestehen, sind bezüglich der Einsichtsfähigkeit die gleichen Anforderungen zu stellen.252 Wie gezeigt ist die Fallgruppenbildung Kindhäusers nicht überzeugend, da etwa der Eingriff in das Hausrecht als Eingriff in eine Rechtsposition einzuordnen wäre, sodass die verschärften Voraussetzungen der Einwilligung gelten würden, was weder von Kindhäuser noch anderen Autoren vertreten wird. Aber die Differenzierung Kindhäusers ist noch aus einem anderem Grund nicht überzeugend: Sie geht genauso wie der Ansatz von Roxin fehl. So wie sich die Zustimmung stets auf ein bestimmtes Tat­ 247  Roxin, AT I, § 13 Rn. 80; dem zustimmend Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 192; ders., Jura 2002, 665, 669. 248  Siehe dazu oben S. 247 ff. 249  Roxin, AT I, § 13 Rn. 81 ff. 250  Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 158. 251  Siehe dazu oben S. 62 f. 252  Kindhäuser, AT, § 12 Rn. 46; ders., LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 203.



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bestandsmerkmal, nämlich die Tathandlung bezieht, so bezieht sich dieses Merkmal auch stets auf eine (straf-)rechtlich geschützte Rechtssphäre. Es geht somit in allen Fällen um Eingriffe in eine „Rechtsposition“. Das gilt selbst für den entgegenstehenden Opferwillen: Die Freiheit zur Willensentschließung und -betätigung ist eine strafrechtlich geschützte Sphäre, in die der Täter eingreift, wenn er sie überwindet. bb) Inhaltliche Voraussetzungen Wenn damit keine Anknüpfungspunkte für eine Differenzierung vorhanden sind, so ist auf eine Differenzierung zu verzichten und die Zustimmungs­ fähigkeit einheitlich zu bestimmen.253 Aber was erfordert diese nun? Jedenfalls weder Schuld- noch Geschäftsfähigkeit, so die herrschende Meinung. Amelung begründet das damit, dass es bei der Zustimmung um die Fähigkeit geht, mit eigenen Rechten vernünftig umzugehen, und nicht darum die fremde Rechte schützenden Normen zu befolgen; ebenso wenig komme es auch auf die Fähigkeit an, die Folgen der Bindung künftigen Verhaltens abzuschätzen.254 Dass letztere Fähigkeit irrelevant ist, ergibt sich daraus, dass die Zustimmung bis zur Vornahme des Eingriffs nicht bindend ist.255 Wenn es an einer Bindungswirkung der Zustimmung fehlt, dann bedarf es eben auch nicht der Fähigkeit, die Folgen einer – gerade nicht – bindenden Zustimmung zu erkennen. Das ist zugleich auch der entscheidende Punkt, weshalb für die Konkretisierung der Zustimmungsvoraussetzungen nicht auf die Regeln von Willenserklärungen zurückzugreifen ist. Damit wäre zwar geklärt, was nicht zur Zustimmungsfähigkeit zu zählen ist, aber weiterhin bleibt ungeklärt, was sie positiv verlangt. Die Rechtsprechung beantwortet diese Frage nicht generell, sondern macht sie vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Das Reichsgericht256 fragte danach, ob die Zustimmenden die „zutreffende Beurteilung und ausreichende Würdigung der gegen sie gerichteten Handlung besaßen“; der 4. Strafsenat257 des Bundesgerichtshofs verlangte „volles Verständnis der Sachlage, namentlich vom voraussichtlichen Verlauf und den möglichen Folgen des zu erwartenden Angriffs“, insbesondere muss der Zustimmende „die nötige Urteilskraft und Gemüts253  So auch Hinterhofer, Einwilligung, S. 64 f., der ohnehin der Ansicht der deutschen Strafrechtslehre, verschiedene Wirksamkeitsvoraussetzungen für Einwilligung und Einverständnis zu fordern, kritisch gegenübersteht, S. 60 f. 254  Amelung / Eymann, JuS 2001, 937, 941 f.; so auch Hinterhofer, Einwilligung, S. 65. 255  Siehe dazu oben S. 258 ff. 256  RGSt 41, 392, 394. 257  BGHSt 4, 88, 90; 12, 379, 382.

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ruhe besitzen, um die Tragweite seiner Erklärung und das Für und Wider verständig gegeneinander abzuwägen“; der 6. Zivilsenat258 des Bundesgerichtshofs forderte, dass der Zustimmende „nach seiner geistigen und sitt­ lichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag“; nach dem 2. Strafsenat259 des Bundesgerichtshofs kommt es schließlich darauf an, dass der Zustimmende „die ausreichende Urteilsfähigkeit über Wesen, Bedeutung und Tragweite der gegen sie gerichteten Handlung besaß“. Diese Umschreibungen der Zustimmungsfähigkeit sind bis heute sowohl in Rechtsprechung als auch der Strafrechtswissenschaft gebräuchlich.260 Zusammenfassend wird auf eine gewisse Urteilskraft und einen gewissen Reifegrad abgestellt, der zum einen darauf bezogen ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zu erkennen und zum anderen die gewonnenen Erkenntnisse zu beurteilen, zu bewerten, zu würdigen, abzuwägen etc. Im Ergebnis ist damit aber nichts weiter gesagt, als dass die Zustimmungsfähigkeit eines kognitiven Elements bedarf. Der Rechtsinhaber muss allgemein in der Lage sein, sich zutreffende Kenntnis von allen für den Eingriff in seine Rechtsphäre relevanten Informationen zu verschaffen und zu bewerten. Im Gegensatz zu kognitiven Defiziten kommt es hierfür noch nicht da­ rauf an, ob er tatsächlich über die zutreffende Kenntnis verfügt. Entscheidend ist nur, ob er konstitutionell dazu in der Lage ist, nicht aber, ob er es konkret umsetzt. Wenn die kognitive Fähigkeit mehr oder minder einheitlich, wenn auch in der Formulierung stilistisch abwechslungsreich bestimmt wird, so ist damit jedoch nur ein Teil der Zustimmungsfähigkeit zutreffend umschrieben.261 Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung bleibt in 258  BGHZ

29, 33, 36. 23, 1, 4. 260  Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Bockelmann, AT, S. 106; Fischer, StGB, Vor § 32 Rn. 3c; Frister, AT, § 15 Rn. 8; Heinrich, AT, Rn. 456; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 118; Jescheck / Weigend, AT, S. 382; Köhler, AT, S.  249 f.; Kühl, AT, § 9 Rn. 33; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 40; Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 57; M.-K. Meyer, Autonomie, S. 164; Otto, Geerds-FS, S. 603, 614; Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 14 f.; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 193; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 38; Samson, SK-StGB, 4. Aufl., Vor § 32 Rn. 41; Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 127; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 24; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 554; Zipf, Einwilligung, S. 38; ders., Pro­ bleme der Gegenwart, S. 26, 40. Kritisch Kientzy, Einwilligung, S. 106, der dieser Beschreibung vorwirft „zu unspezifiziert“ zu sein und stattdessen eine Ausrichtung an der Bedeutung des Rechtsguts und dem im Tatbestand zum Ausdruck kommenden Schutzzweck vorschlägt, S. 110. Das dürfte jedoch nicht weniger unspezifisch sein, da Schutzzweck und Rechtsgut letztlich das gleiche meinen. 261  Amelung spricht drastischer in seiner Kritik sogar von einer „Verkümmerung“, einem „geringen Informationsgehalt“ und einem „trügerischen Wohlklang“ jener Definitionsbemühungen, hinter der sich die Gefahr verbirgt, dass die Zustimmungsfähig259  BGHSt



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung291

ihrer Definitionsbemühung auf halbem Wege stehen. Was nützt es einer Person zwar in der Lage zu sein, sich zutreffende Kenntnisse zu verschaffen, wenn sie nicht zugleich in der Lage ist, ihr Handeln an der gewonnenen Kenntnis auszurichten, ihre Entscheidung von ihrer Erkenntnis abhängig zu machen? Deshalb ist es nicht nur wichtig, dass der Rechtsinhaber fähig ist, sich die für den Eingriff in seine Sphäre relevanten Informationen zu verschaffen und sie zu verstehen, sondern auch, dass er fähig ist, die daraus gezogenen Kenntnisse in seine Entscheidungen einzubeziehen und sich von ihnen leiten zu lassen. Kurz gesagt: Der Rechtsinhaber benötigt eine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit.262 Aber auch mit der Ergänzung der Steuerungsfähigkeit ist die Umschreibung der Zustimmungsfähigkeit noch nicht vollständig, lässt sie doch noch außer acht, wozu der Rechtsinhaber sie überhaupt aufweisen muss, was also deren Funktion ist. Sternberg-Lieben weist zu Recht auf die soziale Funktion der Einwilligung hin: Sie erweitere den Handlungsspielraum des Rechtsinhabers, indem er sich anderer bedienen kann, um eigene Interessen zu befriedigen, die er aus eigener Hand nicht erreichen kann oder will.263 Die Errichtung von Schranken bei der Einwilligung habe eine Freiheitsbeeinträchtigung sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite zur Folge. Werde eine bestimmte Verhaltensweise des Täters unter Strafe gestellt, indem man der Einwilligung des Opfers die Wirksamkeit abspreche, so sei die Handlungsfreiheit des Täters unmittelbar und die des Opfers mittelbar eingeschränkt, denn dieses könne zur Verfolgung seiner Ziele nicht mehr auf das Verhalten des Täters zurückgreifen.264 Im Falle einer Verneinung seiner Zustimmungsfähigkeit ist es dem Rechtsinhaber nicht nur faktisch erschwert, einen Dritten zur Vornahme der gewünschten Verhaltensweise zu finden, nein, ihm wird sogar abgesprochen, überhaupt wirksame Entscheidungen in seiner Sphäre zu treffen, sodass er in seiner Selbstbestimmungsfreiheit unmittelbar eingeschränkt wird. Eine solche Bevormundung kann sich nur legitimieren, wenn tatsächlich eine Schutz-

keit nur verwendet wird als „Etikett, dessen Einsatz andere, unausgesprochene Entscheidungsgründe verdeckt“. Als Beispiele führt er hierfür die uneinheitliche Rechtsprechung in Fällen der Alkohol- und Drogenbeeinflussung sowie der Minderjährigkeit der Zustimmenden an, ZStW 1992, 525, 537 f. 262  Vgl. auch Amelung, ZStW 1992, 525, 537 ff.; ders. / Eymann, JuS 2001, 937, 941: Der Rechtsgutsträger müsse die entscheidungsrelevanten Tatsachen sowie die Folgen und Risiken angemessen erfassen, diese nach seinen Wertmaßstäben bewerten und mögliche Alternativen prüfen können, sowie imstande sein nach seiner Einsicht zu steuern. 263  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 20 f. 264  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 24 ff.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

bedürftigkeit des Rechtsinhabers besteht.265 Die Schutzbedürftigkeit ist aber nicht nur zwingender Legitimationsgrund, sie ist auch für die Zielrichtung der Definition entscheidend: Es kommt nicht darauf an, dass das Strafrecht bestimmt, wann eine Person zustimmungsfähig ist, sondern es genügt festzustellen, in welchen Fällen sie es nicht ist. Denn die Zustimmungsfähigkeit ist nicht der Prüfungspunkt, um die Selbstbestimmungsfreiheit zu begründen, sondern ihre Funktion ist es festzulegen, in welchen Fällen die Selbstbestimmungsfreiheit eingeschränkt wird und damit nicht gegeben ist. Es handelt sich also – und damit bestätigt sich der Ausgangspunkt der Unwirksamkeitsgründe – um ein negatives Merkmal des negativen Tatbestandsmerkmals der Zustimmung. Amelung sieht die die Funktion der Zustimmungsfähigkeit ebenfalls negativ, da sie nur dazu dient dem Rechtsinhaber den Umgang mit seiner Sphäre zu untersagen. Dementsprechend definiert er dann auch die Zustimmungsunfähigkeit. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und zählt explizit die Personengruppen auf, denen es daran mangelt: Einwilligungsunfähig sei, wer wegen Minderjährigkeit, geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung nicht erfassen könne, welchen Wert oder Rang die von der Einwilligung berührten Güter und Interessen für ihn haben, um welche Tatsachen es gehe, welche Folgen und Risiken sich aus der Einwilligungsentscheidung ergeben und welche anderen Mittel es zur Erreichung der mit der Einwilligung erstrebten Ziele gebe, die ihn möglicherweise weniger belasten. Das Gleiche gelte, wenn der Minderjährige, geistig Behinderte oder psychisch Erkrankte zwar die erforderliche Einsicht besitze, aber nicht in der Lage sei, sich nach ihr zu bestimmen.266 Ob diesem Ansatz so gefolgt werden kann, also eine abschließende Fallgruppenbildung vorzunehmen und nur in diesen Fällen überhaupt die weiteren Fragen nach der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu stellen, ist zweifelhaft. Der Ansatz ist aber angesichts der von Amelung scharf kritisierten Schwammigkeit der Rechtsprechung nachvollziehbar. Es dürfte jedoch bereits dem Fortschritt der Dogmatik dienen, wenn zum einen der negative Charakter der Zustimmungsfähigkeit, dass also deren Fehlen und nicht deren Vorliegen begründet werden muss, und zum anderen die kumulative Relevanz von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit herausgearbeitet wurden. 265  Rönnau weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich um eine Form des weichen Paternalismus handelt, Einwilligung, S. 216. Auch Paeffgen, NKStGB, 4. Aufl., § 228 Rn. 14 weist auf den „Konflikt zwischen Anspruch auf Selbstbestimmung […] und paternalistischer Behütung“ hin; vgl. zu diesem „Spannungsfeld“ auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 192. Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 79 f. stellt heraus, dass durch eine entsprechend „indirekt-paternalistische Norm“ ein mittelbarer Grundrechtseingriff beim betroffenen Rechtsinhaber bewirkt wird. 266  Amelung, ZStW 1992, 525, 537 ff.; ders. / Eymann, JuS 2001, 937, 941.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung293

d) Kognitives Defizit – Irrtum Neben konstitutionellen kommen auch kognitive Defizite als Hindernis einer wirksamen Zustimmung in Betracht. Dabei ist das Wörtchen „auch“ untertrieben angesichts der Tatsache, dass sich die Arbeit nunmehr dem Kernbereich der so inflationär und kontrovers diskutierten „Willensmängel“ widmet. Es geht um die Frage, ob und in welchem Umfang Irrtümer des Rechtsinhabers die Wirksamkeit seiner Zustimmung ausschließen. Bevor die Arbeit aber diesen schillernden Schauplatz der Strafrechtsdogmatik betritt, hält sie ein wenig inne und nimmt erst einmal den Normalfall einer Zustimmung in den Blick. Denn dieses Phänomen der wissenschaftlichen Diskussion sticht ins Auge: Es werden im Schwerpunkt defektbehaftete Zustimmungen analysiert und darüber die Betrachtung des Normalfalls der Zustimmung, dass sich nämlich der Zustimmende über alle relevanten Umstände im Klaren befindet, außen vor gelassen. Es ist aber unabdingbar, um einen Defekt zu beschreiben, also eine Abweichung von einem als normal definierten Zustand, eben jenen Normalzustand, von dem eine Abweichung vorliegen könnte, zu definieren. Diese Beschäftigung mit dem Normalzustand tritt in der strafrechtlichen Diskussion häufig in den Hintergrund. Das ist umso misslicher, als dass schon die Zustimmung selbst nicht als normale Erscheinung des alltäglichen Lebens begriffen wird: Nicht nur, dass die Zustimmung eine Ausnahme sein soll, nein, auch noch soll die Zustimmung, wenn sie denn ausnahmsweise einmal vorliegt, nur ausnahmsweise nicht irrtumsbehaftet sein. Mit einem solchen Verständnis wird der reale Lebensgehalt ins Absurde gerückt. aa) Der Normalfall der Zustimmung: Kenntnis der eingriffsbezogenen Tatsachen Diese Arbeit beschäftigt sich daher zunächst einmal mit dem Normalfall der Zustimmung, damit, wovon der Zustimmende normalerweise Kenntnis hat bzw. haben sollte. Nach Ansicht der Arbeit ist die tatsächliche Kenntnis erforderlich, aber zugleich genügend. Das meint, dass Kenntnis einerseits mehr als ein bloßes Bewusstsein verlangt, dass aber andererseits mehr als dieses kognitive Element nicht erforderlich ist, also insbesondere auch keine billigende Inkaufnahme. (1) Keine Übertragung der Anforderungen des Eventualvorsatzes Insoweit ist der u. a. von Rönnau vertretenen Auffassung zu widersprechen: Dieser lässt einerseits ein Einwilligungsbewusstsein genügen und will andererseits eine Parallele zwischen Einwilligung und Vorsatz ziehen. Es sei

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

erforderlich, dass der Rechtsinhaber „sein Gut bewusst preisgibt und mit der Gutseinbuße auch einverstanden ist (sich mit ihr abfindet)“.267 Ähnlich ist auch der Ansatz Schlehofers, nach dem sich der Zustimmende „die Schaffung einer tatbestandsmäßigen Gefahr vorstellen und mit ihr einverstanden sein“ muss. An der Vorstellung von der Gefahr fehle es bei einem „einwilligungsrelevanten rechtsgutsbezogenen Irrtum“, wenn der Zustimmende „die tatbestandsmäßige Rechtsgutsbeeinträchtigung oder -gefährdung nach Art und Ausmaß nicht richtig erfasst“. Das „Einverständnis“ will er „aus den Prinzipien des Strafunrechtsauschlusses“ herleiten und nennt als Fallgruppen dann vor allem solche, die Ähnlichkeiten zu denen aus der Eventualvorsatzdiskussion aufweisen: Eindeutig seien die Fälle, in denen Rechtsgutsbeeinträchtigung „erstrebt“ werde. Für das Einverstandensein genüge aber auch, dass „nur das gefahrschaffende Verhalten erstrebt“ werde und der Zustimmende „hofft, dass die Verletzung ausbleibt“. Und selbst wenn „weder die Gefahrschaffung, noch die Rechtsgutsbeeinträchtigung beabsichtigt“ seien, könne von einem Einverständnis auszugehen sein, etwa wenn dem Zustimmenden „die Rechtsgutsgefährdung gleichgültig ist“.268 Wann das darüber hinaus noch der Fall ist, sagt Schlehofer nicht und bleibt damit in seinen Fallgruppen unbestimmt. Diese Unbestimmtheit kommt nicht von Ungefähr, handelt es sich doch bei der Problematik der Anforderungen an den dolus eventualis um eine der schwierigsten in Wissenschaft und Praxis. Warum sollte man die Zustimmungsdogmatik damit ohne Not belasten? Die Schwierigkeiten hierbei stechen bei den Autoren, die eine Übertragung der Kriterien vorschlagen, ins Auge. So ergeben sich bei Rönnau schon Probleme bei der Auslegung des bloß kognitiven Elements. Begnügt er sich hierfür anfangs noch mit dem bloßen „Bewusstsein“ – bzw. Für-möglich-Halten269 –, führt er an späterer Stelle den Begriff vom „Wissen“270 ein. Auf diese Weise bleibt unklar, welcher der beiden Begriffe nun Geltung beansprucht und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Das ist insbesondere dadurch problematisch, dass Rönnau selbst bewusst die Parallele zum Vorsatz zieht. Dann muss er sich aber auch an der dortigen scharfen Trennung verschiedener Vorsatzformen messen lassen. Das Durcheinanderbringen von „Wissen“, also strafrechtlich der sicheren Kenntnis, und dem bloßen Bewusstsein wird dem nicht gerecht. Aber vor allem bedarf es einer Begründung, warum auf die voluntative Komponente des bedingten Vorsatzes zurückgegriffen werden soll, gerade auch deshalb, weil deren Erfordernis und Ausgestaltung umstritten ist. Rön267  Rönnau,

Willensmängel, S. 191. MK-StGB, Vor § 32 Rn. 173. 269  Rönnau, Willensmängel, S. 192. 270  Rönnau, Willensmängel, S.  212 f. 268  Schlehofer,



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung295

nau versucht es mit der Funktion der Einwilligung als Instrument eines selbstbestimmten Umgangs mit eigenen Gütern zu begründen, was es erforderlich machen soll, dass der Berechtigte mit der Einbuße an seinen Gütern einverstanden ist.271 Es zeigt sich auch hier, wie die Wahl von Begrifflichkeiten ein bestimmtes Vorverständnis weckt. Da häufig – und so auch bei Rönnau – von Gutspreisgabe oder Gutseinbuße die Rede ist, liegt dem Zustimmungsakt das Verständnis eines Verlustes zugrunde. Aber das ist – wie bereits gezeigt272 – eine verkürzte Betrachtungsweise, nach welcher der Normalfall der Zustimmung außer Acht gelassen wird. Die Zustimmung bezieht sich gerade nicht zwingend auf den Verlust eines Gutes, sondern darauf, dass der Täter in eine strafrechtlich geschützte Sphäre eingreift. Der Gegenstand der Zustimmung ist die Handlung des Täters als solche. Dass aus dieser Handlung heraus bestimmte Folgen im Form des Eintritts strafrechtlicher Erfolge im engen Sinne resultieren können, darf zwar nicht unbeachtlich sein, aber es darf auch nicht dazu führen, dass sich die strafrechtliche Beurteilung ausschließlich auf diese Fälle beschränkt. Und erst recht darf es nicht dazu führen, dass lebhaft umstrittene Rechtsfiguren, wie die des Eventualvorsatzes, ohne Notwendigkeit auf die Zustimmung übertragen werden. Gegen eine Übertragung der für die Bestimmung des Eventualvorsatzes vorgeschlagenen Kriterien spricht zudem der Sinn und Zweck, zu dem diese entwickelt wurden: Denn es geht dort um eine für den Täter gravierende Grenzziehung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, die im Extremfall nicht nur mit einer erheblich divergierenden Strafhöhe zusammenhängen kann, sondern damit, ob überhaupt ein strafbarbares Verhalten vorliegt – nämlich in den Fällen, wo das Gesetz eine Fahrlässigkeit nicht unter Strafe stellt. Die Zwecksetzung bei der Zustimmung reicht an die vom Eventualvorsatz nicht heran: Derart gewichtige Abgrenzungen und Divergenzen sind mit ihr nicht verbunden. Dass eine Vergleichbarkeit beider Rechtsfiguren bestünde, die eine Übertragung der Voraussetzungen verlange, müsste erst einmal versucht werden zu begründen. Für diese Arbeit ist ein vergleichbarer Telos jedoch nicht erkennbar. (2) Bezugspunkt des kognitiven Elements Statt das kognitive Element mit dolus eventualis-Problemen aufzuladen, ist es wichtiger herauszuarbeiten, worauf sich genau die Kenntnis des Zustimmenden beziehen muss. Die Arbeit spricht sich für eine eingriffsbezogene Aus271  Rönnau, 272  Siehe

Willensmängel, S.  191 f. dazu oben S. 293ff.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

legung aus. Erforderlich ist danach die Kenntnis des Zustimmenden von den eingriffsbezogenen Tatsachen. Das bedeutet, dass der Zustimmende erkennen muss, dass ein Eingriff in einer bestimmten Art und Weise in seine geschützte Sphäre durch eine bestimmte Person erfolgt und bestimmte Folgen dadurch eintreten können, ohne dass diese Folgen beabsichtigt oder als sicher vorausgesehen sein müssen. Je weiter man darüber hinaus den Kreis dessen zieht, was zu den eingriffsbezogenen Tatsachen zu zählen ist, desto mehr ist die Zustimmung für Unwirksamkeit anfällig. So zählt Rönnau zum Wissenserfordernis noch „die zur Zustimmung motivierenden Umstände […] sowie Alternativen zum konsentierten Gutseingriff“ hinzu.273 Was den Zeitpunkt der Kenntnis anbelangt, so kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs an. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wann ein Irrtum entstehen kann. Hier kann in zeitlicher Hinsicht zwischen den Stadien der Entscheidungsbildung und der Entscheidungskundgabe differenziert werden; womit freilich erforderlich bleibt, dass der Irrtum bei Vornahme des Eingriffs vorliegen muss, da es auch auf die Kenntnis zu diesem Zeitpunkt ankommt. bb) Die Abweichung vom Normalzustand: Irrtum über eingriffsbezogene Tatsachen Wann nun ein Irrtum bei der Zustimmung vorliegt, ist im Ausgang einfach zu beantworten. Als Irrtum wird gemeinhin jede Abweichung der Vorstellung von der Wirklichkeit verstanden, sodass sich daraus für die Zustimmung ergibt, dass jede Abweichung des tatsächlichen Vollzugs des Eingriffs von der auf diese Tatsachen bezogenen Vorstellung des Berechtigten einen Irrtum darstellt. Die Erscheinungsformen eines Irrtums werden weiterhin in die irrige Annahme und der schlichten Unkenntnis von der Wirklichkeit unterteilt.274 Der Begriff der Wirklichkeit kann dabei nur als gemeinsamer Nenner verstanden werden.275 Wenn sich die Kenntnis des Zustimmenden auf die eingriffsbezogenen Tatsachen bezieht, dann folgt daraus, dass nicht die gesamte Wirklichkeit relevant ist, sondern nur ein bestimmter Ausschnitt aus ihr, nämlich die auf den Eingriff bezogenen Tatsachen. Wer eine solche Einschränkung nicht vornimmt, der würde seine systematischen und begriff­ lichen Überlegungen in einen zu großen Kontext einordnen und die spezifischen Zusammenhänge zur Zustimmung verkennen.276 273  Rönnau,

Willensmängel, S. 219. dazu auch: Amelung, Willensmängel, S. 46; M.-K. Meyer, Autonomie, S.  4 ff.; Rönnau, Willensmängel, S. 213. 275  Rönnau bietet als Definition für die Wirklichkeit die „Summe der objektiv real gegeben Gegebenheiten“ an, Willensmängel, S. 212. 276  So vor allem Rönnau, der nicht auf die Kenntnis der relevanten Tatsachen abstellt, sondern zunächst allgemein das Wissen definiert als „die dem Menschen 274  Vgl.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung297

Die Frage, worauf sich ein Irrtum beziehen kann und welche Folgen jeweils daraus zu ziehen sind, war bisher vielfältigen dogmatischen Durchdringungsversuchen ausgesetzt. Deren vollständige Nachzeichnung kann und will diese Arbeit gar nicht erst versuchen. Sie wird sich darauf beschränken, den Kerngehalt bisheriger Lösungsansätze wiederzugeben, sich aber insbesondere auch um eine systematische Darstellung verschiedener Irrtumsformen bemühen, bevor sie ihre Konzeption einer Trennung zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage vollständig ausbreitet. Doch zuvor ist ein Zwischenschritt einzulegen: Die Behandlung der sog. Willensmängel ist nicht nur bezüglich ihrer Rechtsfolgen unübersichtlich, sondern bereits in der grundlegenden begrifflichen Systematik, insbesondere was die verschiedenen Erscheinungsformen von Irrtümern betrifft. Daher widmet sich die Arbeit zunächst diesen Erscheinungsformen und teilt hierfür in einem ersten Schritt den Zustimmungsprozess gedanklich in die zwei Stadien auf, wie sie auch denen im Entscheidungsprozess entsprechen, auf welche Defizite hervorrufende Faktoren einwirken können: Dem Stadium der Entscheidungsbildung und demjenigen der Entscheidungskundgabe.277 Aus dieser Unterscheidung im Zustimmungsprozess ergeben sich die in Betracht kommenden Quellen für Irrtümer und ihrer Erscheinungsformen.278 (1) Irrtümer bei der Entscheidungskundgabe Chronologisch am Ende dieses Prozesses angefangen, können Fehler bei der Kundgabe der Entscheidung entstehen oder um es mit Amelung zu sagen „bei der Überschreitung der Trennlinie zwischen der Entscheidung und ihrer Übermittlung an Dritte“.279 In Anlehnung an das Zivilrecht hat sich in der mögliche Erkenntnis von der Wirklichkeit“ (Willensmängel, S. 213) und dann im Anschluss auf den „gesamten einwilligungsrelevanten Sachverhalt“ abstellt (Willensmängel, S. 219). Missverständlich ist jedoch, dass Rönnau den „einwilligungsrelevanten Tatsachen“ die „Einschätzung künftiger Kausalverläufe“ und die „sinnvolle Konfliktentscheidung“ gegenüberstellt, obwohl Bezugspunkt stets die Tatsachen darstellen. 277  Siehe dazu oben S. 269  ff. Wer mit der sog. Willensrichtungstheorie keine Kundgabe der Zustimmung fordert, für den zeigt sich an dieser Stelle, dass die Zustimmung nur aus dem Stadium der Entscheidungsbildung besteht. Dass eine solche Ansicht jedoch abzulehnen ist, hat diese Arbeit dargelegt. 278  Auch Murmann, Selbstverantwortung, S.  442 unterscheidet zwischen dem Zustandekommen einer Entscheidung und der konkreten Entscheidung selbst. Ähnlich auch die Darstellung bei Kühne, JZ 1979, 241, 243 ff., der jedoch nicht explizit vom Stadium der Willenskundgabe spricht – freilich mit Inhalts- und Erklärungsirrtum identische Konstellationen bespricht – und das Stadium der Willensbildung ausschließlich mit Motivirrtümern gleichsetzt. 279  Amelung, Willensmängel, S. 46.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Strafrechtslehre die Terminologie vom Erklärungs- und Inhaltsirrtum herausgebildet: Beim Erklärungsirrtum erklärt der Zustimmende etwas anderes als er eigentlich will – etwa durch Verschreiben oder Versprechen – und beim Inhaltsirrtum erklärt der Zustimmende zwar, was er will, misst dem jedoch eine falsche – weil nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende – Bedeutung zu.280 Kühne umschreibt den Inhaltsirrtum darin, dass eine „faktische Begrenzung“ der Zustimmung „nicht oder nicht umfassend verbalisiert“ wird und nennt als Beispiele den Holzkugelfall und den Fall mehrdeutiger Erklärungen, die vom Erklärenden anders als vom Empfänger verstanden werden. Dass für die Beschreibung der Irrtumsform auf zivilrechtliches Begriffsmaterial zurückgegriffen wird, kommt nicht von Ungefähr. Denn in einem zweiten Schritt grenzen viele Autoren den beachtlichen Erklärungsund Inhaltsirrtum vom bloßen Motivirrtum ab, wobei letzterer – ganz wie im Zivilrecht – grundsätzlich unbeachtlich ist.281 Dass die Arbeit den Rückgriff auf das Zivilrecht ablehnt, und sei es auch nur, dass Anleihen genommen und bestimmte Begriffe übernommen werden, wurde bereits eingangs begründet.282 Es zeigt sich gerade hier, wie sehr die Wahl der Terminologie den Inhalt prägt. (2) Irrtümer bei der Entscheidungsbildung Im chronologisch gesehen ersten Stadium der Entscheidungsbildung lassen sich mit Amelung drei Fehlerquellen herausfiltern: Es geht um Wert-, Prognose- und Konfliktentscheidungen.283 Der Bezugspunkt jeder Quelle muss dabei stets eine eingriffsbezogene Tatsache sein.284 Wichtig ist deshalb nicht einen jeden Fehler in diesem Bereich als Irrtum einzuordnen. So gilt nach Amelung bei Wertentscheidungen der Grundsatz, dass man über seine eigenen Werturteile nicht irren, sondern sie nur ändern kann.285 Was gilt aber, wenn der Zustimmende sein Werturteil geändert hat? Jemand lässt etwa von 280  Vgl. dazu Amelung, Willensmängel, S.  46  f.; so auch Hirsch, LK-StGB, 10. Aufl., Vor § 32 Rn. 121; Rönnau, Willensmängel, S. 410 f.; ähnlich Kühne, JZ 1979, 241, 243 f. 281  Hirsch, LK-StGB, 10. Aufl., Vor § 32 Rn. 121. 282  Siehe dazu oben S. 272 f. 283  Amelung, Willensmängel, S. 50. 284  Das verkennt Rönnau in seiner Wiedergabe der Amelungschen Systematik, Willensmängel, S.  218 f. 285  Amelung, Willensmängel, S. 51. Irreführend Rönnau, der meint Irrtümer über Werturteile würden in der Strafrechtsdogmatik als unbeachtlich eingeordnet werden, Willensmängel, S. 218 m. Fn. 163. Nicht über das Werturteil selbst kann man sich irren, sondern über die diesem Werturteil zugrunde liegenden Tatsachen. Die missverständlichen Äußerungen Rönnaus sind die Folge einer ungenauen Festlegung des Bezugspunkts eines Irrtums.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung299

einem Malermeister die Wände seines Hauses pink anstreichen und stellt fest, nachdem ein Teil der Fassade bereits fertig in neuer Farbpracht erstrahlt, dass diese Farbe doch nicht seinem Geschmack entspricht. Oder jemand lässt sich seine Haare pink färben und stellt beim Färbevorgang fest, dass Pink ihm doch nicht gut zu Gesicht steht. Oder jemand lässt sich ein Tattoo auf dem Rücken über dem Gesäß stechen, von dem er bald feststellt, dass das „proletarische Motiv“ nicht konform mit seinem intellektuellen Charakter geht. Dass sich der Malermeister nicht wegen Sachbeschädigung sowie der Friseur und der Tätowierer sich nicht wegen Körperverletzung strafbar gemacht haben, ergibt sich aus der Zustimmung des jeweils Berechtigten. Ändert sich während des Eingriffsvorgangs die Wertung des Berechtigten, dann ändert das allein an der Wirksamkeit der Zustimmung nichts. Es gibt lediglich die Möglichkeit die Zustimmung zu widerrufen. Ein solcher Widerruf lässt aber – wie bereits gezeigt286 – nicht nachträglich, sondern nur für die Zukunft die Wirkung der Zustimmung entfallen. Soweit der Eingriff in die Rechtssphäre bereits erfolgte, so ist bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zustimmung eine Veränderung der Wertentscheidung unerheblich.287 Dennoch ist es möglich sich auch im Bereich von Wertentscheidungen zu irren, nämlich soweit sich die fehlerhafte Vorstellung des Zustimmenden auf solche Tatsachen bezieht, welche seiner Wertentscheidung zugrunde liegen. Ein Beispiel hierfür: Jemand lässt sich auf den Rücken den Satz „Jedem das Seine“ tätowieren, hat aber keine Kenntnis darüber, dass dem Satz nicht nur ein philosophischer Gehalt zukommt, sondern in Deutschland aufgrund seines besonderen historischen Hintergrunds – er wurde von den Nationalsozialisten im Vernichtungslager Buchenwald über dem Eingangstor angebracht – mit einer negativen Konnotation belegt ist.288 Die negative Konnotation ist natürlich eine Wertung, genauso wie es eine Wertung wäre, den Satz als Ausdruck eines guten Gerechtigkeitsprinzips anzusehen. Darüber kann man sich nicht irren, sondern eben nur seine Bewertungen vornehmen und gegebenenfalls anpassen oder ändern. Irren kann man sich jedoch über die diesem Satz zugrundeliegenden Tatsachen, in dem Fall über die historischen Tatsachen, nämlich von wem dieser Satz in welchem Zusammenhang mit welcher Aussage verwendet wurde. Kommt man aufgrund der Unkenntnis dieser Tatsachen zu der Bewertung, dass der Satz harmlos ist, so liegt ein Irrtum 286  Siehe

dazu oben S. 258 ff. auch Amelung, Willensmängel, S. 51. 288  Der Fall ist inspiriert vom Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 12. April 2017 – (1) 53 Ss 17 / 17 (13 / 17) –, juris. Dort hatte die Tätowierung des Angeklagten aber auch noch eine Abbildung der Rampe zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zum Gegenstand. Das Gericht sah in dem Fall den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 III StGB als erfüllt an, indem der Angeklagte die Tätowierung in einem Freibad zur Schau stellte. 287  So

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

vor. Wer die zivilrechtliche Dogmatik bevorzugt, der könnte wohl von einem Inhaltsirrtum sprechen: Der Zustimmende sagt zwar, was er will, nämlich zum Tätowierer „Stich mir ‚Jedem das Seine‘ auf den Rücken“, misst dem jedoch eine falsche Bedeutung zu, nämlich mit diesem Satz eine philosophische Gerechtigkeitsvorstellung auszudrücken und gerade nicht eine nationalsozialistische Grundhaltung. Wem das Ergebnis einer infolge des Irrtums unwirksamen Zustimmung unbillig erscheint, der muss den systematischen Grundansatz der Arbeit berücksichtigen, wonach in diesem Ergebnis noch nicht die normative Fragestellung nach der Verantwortungszuschreibung verarbeitet und damit noch nicht über die Strafbarkeit entschieden ist. Dass man sich über die einer Wertung zugrundeliegenden Tatsachen irren kann, erkennt zwar auch Amelung,289 allerdings ordnet er diesen Irrtum als Motivirrtum ein;290 einem Begriff, der – ungeachtet der Problematik, dass er dem Zivilrecht entnommen ist –, in der Rechtsdogmatik fast unzertrennbar mit der Feststellung verbunden ist – zumindest grundsätzlich – unbeachtlich zu sein. Einem Ergebnis, zu welchem Amelung gerade nicht gelangen will.291 Schließlich dürfte der Begriff im konkreten Fall, selbst wenn er nicht grundlegend abgelehnt wird, nicht passen, da der Bezugspunkt des Irrtums gerade nicht die Wertentscheidung, also das Motiv des Zustimmenden, sondern die dem Motiv zugrunde liegenden Tatsachen ist. Das Motiv wird durch den Irrtum allenfalls mittelbar betroffen, sodass der Begriff vom Motivirrtum den zu bezeichnenden Sachverhalt nicht klar genug aufzeigt. Für Prognoseentscheidungen gilt nach Amelung Vergleichbares wie für Wertentscheidungen: Irrtümer können nur insofern relevant werden, als dass sich die fehlerhafte Vorstellung des Zustimmenden auf Tatsachen bezieht. Wichtig ist, dass es sich dabei um gegenwärtige Tatsachen handeln muss, da die Voraussetzungen der Zustimmung im Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs vorliegen müssen, sodass zukünftige Tatsachen keine Auswirkung haben können bzw. dürfen.292 Unter Konfliktentscheidungen schließlich versteht Amelung Situationen, in welchen der Zustimmende widerstrebend ein 289  Amelung,

Willensmängel, S. 51. auch Kühne, JZ 1979, 241, 246, der nur bei einem gegenwartsbezogenenunentgeltlichen Motivirrtum die Wirksamkeit der Einwilligung ausschließen will, da nur in diesem Fall einerseits die „zeitliche Fixiertheit des Strafrechts“, anderseits § 263 StGB dem Rechtsmissbrauchsgedanken nicht entgegenstehe. 291  Amelung, Willensmängel, S.  51 f. 292  Amelung, Willensmängel, S. 54. Erneut ist die Darstellung bei Rönnau verwirrend, der von „Einschätzungen künftiger Kausalverläufe“ ohne jeden gegenwärtigen Tatsachenbezug spricht und darunter versteht, dass der Zustimmende entweder den Eintritt des erstrebten Vorteils oder Art und Umfang der bevorstehenden Bestandseinbuße erfassen muss, Willensmängel, S. 218. Damit stellt Rönnau nicht auf gegenwärtige Tatsachen für das Vorliegen eines Irrtums ab, sondern auf die Prognose selbst. 290  So



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung301

Gut seiner Rechtssphäre preisgibt, um dadurch ein anderes zu retten. Nach Amelung kommt es darauf an, dass diese Aufopferung erforderlich ist. Irrtümer können insoweit bestehen, als dass der Zustimmende eine fehlerhafte Vorstellung von Tatsachen bezüglich der Erforderlichkeit hat. Entweder erkenne der Zustimmende darauf beruhend die Ungeeignetheit des Eingriffs nicht oder er übersehe eine mildere Alternative zum Eingriff.293 Klassische Beispiele für solche Konfliktentscheidungen sind etwa die Zustimmung des Patienten an seinen Arzt zu einer schmerzvollen Behandlung, um eine Krankheit zu besiegen, oder die Zustimmung des Inhabers eines aktuell in Flammen stehenden Hauses an die Feuerwehr, sein Haus zu betreten – möglicherweise sogar mittels Einbrechen der Haustür – und Löschmaterialien zu versprühen. Auch wird öfters der Fall genannt, sich die Haare abzurasieren, weil man irrig glaubt, Kopfläuse zu haben und sie nur auf diese Weise loszuwerden. Dieser Fall zeigt zugleich, dass Amelung eine wichtige Erscheinungsform übersieht. Da die Kopfläuse nur irrig angenommen werden, sie also gar nicht existieren, besteht überhaupt keine Konfliktsituation, die einer Entscheidung bedürfte. Der Zustimmende kann sich also auch über Tatsachen irren, die überhaupt einen Konflikt begründen. Der Patient nimmt etwa irrig eine schwerere als eigentlich vorliegende Krankheit an oder der Haus­ inhaber hält ein flackerndes Licht in seinem Haus für einen Brand. (3) Sonderformen von Irrtümern Diese bisherigen Erscheinungsformen von Irrtümern wären nach der Einschätzung Amelungs als sog. „rechtsgutsbezogene“ Irrtümer einzuordnen, sofern man sich auf die Begrifflichkeit der Arztschen Lehre einlässt.294 Dass Amelung nun diese Begrifflichkeit aufgreift und auf die scheinbaren gesonderten Erscheinungsformen des Irrtums über die Gegenleistung295 und über Begleitumstände des Eingriffs296 als „nichtrechtsgutbezogene“ Irrtümer ein­ geht,297 anstatt diese in seine bereits bestehende Systematik zu integrieren, ist angesichts des Umstands unverständlich, dass Amelung ein Gegner der Arztschen Lehre ist. Wer mit dessen bipolarer Irrtumsdogmatik brechen will, der muss eine konsistente eigene Dogmatik anbieten.298

293  Amelung,

Willensmängel, S. 54 f., 58. Willensmängel, S. 56; so auch Rönnau, Willensmängel, S.  410 f. 295  Amelung, Willensmängel, S.  58 ff. 296  Amelung, Willensmängel, S.  61 ff. 297  Amelung, Willensmängel, S. 56 ff.; so auch Rönnau, Willensmängel, S.  415 ff. 298  Ein Missverhältnis, das nicht nur bei Amelung, sondern auch bei Rönnau zu verzeichnen ist, Willensmängel, S. 410 ff. 294  Amelung,

302

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Wer die erste scheinbare Sonderkonstellation des Irrtums über eine für den Eingriff versprochene Gegenleistung betrachtet, der stellt fest, dass das einzige Sonderbare hieran ist, dass sie sonderbar sein soll. Sphäreneingriffe, denen ohne jeden Gedanken an eine irgendwie geartete Gegenleistung zugestimmt werden, dürften bei richtiger Betrachtung den Ausnahmefall darstellen. Selbst der Begriff der Gegenleistung ist bei genauer Betrachtung schlecht gewählt, weil er zu eng gefasst und zu stark von der Arztschen Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit geprägt ist. Es geht nicht nur um eine Gegenleistung, sondern generell um das Interesse, welches der Zustimmende mit seiner Zustimmung verfolgt. Die Zustimmung ist ein Rechtsinstitut, dass der Befriedigung der Interessen des Zustimmenden dient; es ist dessen Herrschaftsmittel, das er in seinem Interesse einsetzt. Die vom Zustimmenden verfolgten Interessen auszublenden, dürfte für eine konsistente Zustimmungsdogmatik zumindest begründungsbedürftig sein. Amelung hat zutreffend herausgearbeitet, dass derjenige, der in die Preisgabe eines Gutes aus seiner Sphäre einwilligt, das typischerweise um eines Nutzens willen tut. Jedem Gut komme ein relativer (Tausch-)Wert zu. Es könne dabei nicht darauf ankommen, ob das preisgegebene Gut zum Erhalt eines eigenen oder zum Erwerb eines fremden Guts eingesetzt werde.299 Es darf also in der rechtlichen Bewertung keinen Unterschied machen, ob der Zustimmende einer schmerzhaften Zahnbehandlung zustimmt, um langfristig die Gesundheit seiner Zähne zu erhalten, oder ob er einer schmerzhaften Blutabnahme zustimmt, um eine geldwerte Entlohnung zu erhalten. Wenn also die verfolgten Interessen des Zustimmenden für die Frage nach dem Vorliegen eines subjektiven Unwirksamkeitsgrundes zu berücksichtigen sind, so muss erkannt werden, dass sich niemand über seine Interessen irren kann. Vielmehr kann man Interessen nur ändern, verlieren oder neue gewinnen. Dennoch ist es möglich, sich zu irren, nicht aber über das Interesse selbst, sondern über die dem Interesse zugrundeliegenden Tatsachen. Ein Beispiel: Wer dem Eingreifenden seine Zustimmung erklärt, dass er einem für 10 Euro eine Ohrfeige verpassen oder für 100 Euro an einem eine sexuelle Handlung ausüben dürfe, der hat ein finanzielles Interesse, über welches man sich selbst dann nicht unmittelbar irrt, wenn der Eingreifende nicht bereit ist, die Zahlung zu leisten. Allerdings irrt man sich über die Tatsache der Zahlungsbereitschaft und damit ist mittelbar auch das Interesse von einem Irrtum behaftet. Wenn das verfolgte Interesse anlassbestimmend zur Erteilung der Zustimmung in den Eingriff war, dann müssen Irrtümer bezüglich der für das Interesse relevanten Tatsachen die subjektive Wirksamkeit der Zustimmung ausschließen. Auf die Zustimmung als Unrechtsentstehungshin-

299  Amelung,

Willensmängel, S. 60.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung303

dernis kann nicht abgestellt werden, wenn man sie konsequent als Herrschaftsinstrument im Interesse des Rechtsinhabers versteht. Einschränkend ist jedoch zum einen zu verlangen, dass sich der Irrtum auf eine Tatsache der Gegenwart oder Vergangenheit beziehen muss, da anderenfalls die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung wirksam ist oder nicht, solange in der Schwebe läge, bis die Tatsache in der Zukunft eingetreten ist oder nicht. Zum anderen muss das Interesse anlassbestimmend zur Erteilung der Zustimmung gewesen sein. Diese Einschränkung ergibt sich daraus, dass sowohl die objektiven Zustimmungsvoraussetzungen als auch die sonstigen subjektiven Unwirksamkeitsgründe eingriffsbezogen ausgelegt werden und daher eine solche Eingriffsbezogenheit in irgendeiner Weise auch für die verfolgten Interessen und darauf bezogene Irrtümer relevant sein muss, soll die Zustimmungsdogmatik konsistent sein. Da den verfolgten Interessen beinahe wesensimmanent ist, über den bloßen Eingriff, ja sogar über die jeweils betroffene Rechtssphäre hinauszugehen – in den Beispielen hat das finanzielle Interesse nichts mit der körperlichen oder sexuellen Sphäre zu tun – muss die Eingriffsbezogenheit als Voraussetzung in anderer Weise in die Dogmatik integriert werden. Hierfür schlägt die Arbeit das Kriterium der „Anlassbestimmung“ vor: Das Interesse muss der den Zustimmenden bestimmende Anlass zur Abgabe seiner Zustimmung gewesen sein. Daran fehlt es, wenn bei der Entscheidungsbildung das Interesse nur einen Randaspekt von untergeordneter Rolle darstellt. Dass es richtig ist, die Interessen des Zustimmenden einzubeziehen, zeigt auch die Konstellation der Konfliktentscheidung. Dort ist das Interesse darauf gerichtet, den Konflikt aufzulösen: Das Haus zu löschen, die Gesundheit wiederherzustellen oder die Kopfläuse los zu werden. Wenn ein Konflikt gar nicht vorlag, sondern nur irrig vom Zustimmenden angenommen wurde, dann erscheint es ausgeschlossen, das Unrecht damit zu verneinen, dass eine wirksame Zustimmung vorlag, obwohl diese gar nicht dem verfolgten Inte­ resse des Zustimmenden dienen konnte, da das Interesse auf falschen Tatsachen beruhte. Eine andere Frage bleibt natürlich, ob das Unrecht nicht damit zu verneinen ist, dass der Zustimmende seine irrige Annahme der Konfliktlage selbst zu verantworten hat, sodass das Unrecht und damit die Strafbarkeit des Eingreifenden unter diesem Gesichtspunkt zu verneinen wäre. Aber das ist eine normative Frage, die nach dem Konzept dieser Arbeit losgelöst von der Zustimmung in einer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zu beantworten ist. Eine weitere Sonderkonstellation sieht Amelung in Irrtümern über Begleitumstände, bei denen es mehr um das „Wie“ als um das „Ob“ des Eingriffs geht. Als Hauptbeispiel wird hierfür von vielen Arbeiten, die sich zu „Willensmängeln“ äußern, auf die Famuli-Entscheidung des Bundesgerichtshofs

304

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

verwiesen. Dort gaben Patienten ihre Zustimmung zur ärztlichen Behandlung in der irrigen Annahme, sie werde durch bereits approbierte Ärzte vorgenommen; tatsächlich erfolgte dann aber eine Behandlung durch famulierende Medizinstudenten.300 Vordergründig liegt ein Irrtum über die Person des Eingreifenden vor, welcher wiederum als klassisches Beispiel für einen Irrtum über Begleitumstände gilt.301 Doch weder überzeugt die Herausstellung der sog. Begleitumstände als Sonderkonstellation eines Irrtums,302 ist doch an einem Irrtum über die Person des Eingreifenden bzw. über dessen Qualifikationen keine Sonderbarkeit erkennbar, da der Zustimmende seine Zustimmung stets an eine bestimmte Person richtet, sodass das Auftreten von Irrtümern genauso möglich ist wie bezüglich anderer für die Zustimmung relevanter Umstände. Während also bereits die Einordnung des Irrtums im Famuli-Fall einige Schwierigkeiten bereitet, so ist auch die generelle Einordnung eines Irrtums über die Person des Eingreifenden als bloßer Begleitumstand wenig überzeugend.303 Für den Inhaber einer geschützten Sphäre stellt oftmals die Person desjenigen, der in die geschützte Sphäre eindringt, nicht nur einen begleitenden, also nach allgemeinen Sprachgebrauch einen eher nebensächlichen Aspekt dar, sondern steht im Zentrum seiner Zustimmungsentscheidung. Nicht nur was jemandem, sondern wem etwas gestattet wird, spielt in den Überlegungen eine wichtige Rolle. Wer das lediglich als Begleitumstand bezeichnet, der verkennt nicht nur den realen Lebenskontext, in dem eine Zustimmung erteilt wird, sondern lenkt auch durch die gewählte Bezeichnung das Ergebnis in die präferierte Richtung, dass ein solcher Irrtum für die Wirksamkeit der Zustimmung irrelevant ist. Ein Ergebnis, welchem sich etwa Amelung gerade nicht anschließen will, sondern dem Zustimmenden die Freiheit zuerkennt, „nach seinen Belieben zu bestimmen, wer in seine Güter eingreifen darf“.304 Und es steht nicht nur im Belieben des Zustimmenden darüber zu entscheiden, wer in seine Sphäre eingreifen darf, sondern auch in welcher Art und Weise der Eingriff erfolgen soll. Das soll sogar so weit gehen – um ein Beispiel von Amelung aufzugreifen –, dass ein abergläubischer Patient die 300  BGHSt

16, 309 ff. bei Amelung, Willensmängel, S. 61 und Rönnau, Willensmängel, S.  416 f. 302  Kritisch zur Einordnung als Motivirrtum auch Brunhöber, Informationelle Selbstbestimmungrecht, 4. Teil, A. II. 3. b. (1). Rönnau weist zu Recht darauf hin, dass es oftmals an jedem Irrtum in diesen Konstellationen fehlt, weil sich der Zustimmende überhaupt gar keine Vorstellungen über die macht, Einwilligung, S. 417. 303  Kritisch zum Begriff des Begleitumstands auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 47 m. Fn. 58 mit dem Argument, dass der Kernbereich der Dispositionsbefugnisse betroffen ist. 304  Amelung, Willensmängel, S. 63. 301  So



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung305

irrige Vorstellung hat, der Chirurg werde das gleiche Skalpell verwenden, mit welchem bereits seine Ehefrau erfolgreich operiert wurde.305 Das soll bei Sternberg-Lieben auch für den von ihm gebildeten Fall gelten, dass der Pa­ tient die Vornahme des Heileingriffs unter die Bedingung stellt, dass am Vorabend der Operation der Lieblingsfußballverein sein Spiel gewinnt.306 Oder um noch einen eigenen Fall aus dem Bereich „Aberglauben und Patienten“ vorzuschlagen: Das abergläubische Unfallopfer bittet den behandelnden Arzt, die erforderliche Operation nicht am Freitag den 13ten durchzuführen, woraufhin der Arzt vorschlägt, die Operation bereits am nächsten Tag vorzunehmen, womit sich das Unfallopfer in der irrigen Annahme einverstanden erklärt, dass das der Donnerstag wäre, obwohl es sich in Wahrheit um Freitag den 13ten handelt. Letzter Fall ist auch deswegen interessant, weil er vor Augen führt, wie eng die Auslegung der objektiven Zustimmung und das Vorliegen subjektiver Irrtümer beieinander liegen. Eine Auslegung kann im letzten Fall zu zwei Ergebnissen führen: Entweder der Zeitpunkt des Eingriffs sollte ohne weiteres der nächste Tag sein oder aber der nächste Tag nur unter der Bedingung, dass es kein Freitag der 13te ist. In letzterer Alternative wäre die Bedingung nicht eingehalten worden, womit es objektiv an einer den Eingriff deckenden Zustimmung fehlen würde, da sich die Bedingung auf den Zeitpunkt des Eingriffs bezieht und damit wegen ihres Eingriffsbezugs zulässig ist. In der ersten Alternative läge zwar eine Zustimmung vor, aber zugleich ein Irrtum über die kalendarische Eigenschaft des nächsten Tages, nämlich nicht der 13te im Monat zu sein, sodass die Zustimmung im Ergebnis unwirksam ist. Es ist also gleich, welche Alternative vorliegt, da jedenfalls keine Zustimmung gegeben ist, entweder mangels objektiven Vorliegens oder mangels Wirksamkeit. Eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche ist in beiden Alternativen erforderlich.307 Das Ergebnis von Sternberg-Lieben ist unter diesem Aspekt nicht sachgerecht, nimmt er doch, im Gegensatz zum Ansatz von Amelung und dieser Arbeit, keine weiteren normativen Einschränkungen vor. Der bloße Aberglaube des vermeintlichen Opfers soll nach ihm also über die Strafbarkeit des Eingreifenden entscheiden. Ein bedenkliches Ergebnis! Wenn sich dagegen die Arbeit für die Beachtlichkeit des Irrtums in Fällen seiner Eingriffsbezogenheit ausspricht, so ist damit noch kein abschließendes Urteil über die Strafbarkeit des Eingreifenden getroffen. Denn der Umstand 305  Amelung, Willensmängel, S. 64. So auch Rinck, Deliktsaufbau, S. 47 m. Fn. 58, der die Strafbarkeit des Eingreifenden dann über den subjektiven Tatbestand einschränken bzw. über die Annahme bloßer Fahrlässigkeit mildern will. 306  Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 536 m. Fn. 129. 307  Siehe dazu unten S. 348 f.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

allein, die Strafbarkeit nicht bereits aufgrund wirksamer Zustimmung auszuschließen, genügt nicht zur Begründung der Strafbarkeit. Es können weitere Umstände in Betracht kommen, welche die Zurechenbarkeit zugunsten des Eingreifenden ausschließen. (4) Zusammenfassung Nach Ansicht der Arbeit sind Begriffe wie Begleitumstände, Rechtsgutsbezogenheit sowie Motivirrtümer zu überwinden. Stattdessen sollte durch die Wahl der Begrifflichkeit unvoreingenommen versucht werden, einerseits den Sachverhalt des jeweiligen kognitiven Defizits zu beschreiben und andererseits die Vorwegnahme von Ergebnissen oder auch nur gewissen Erwartungen zu vermeiden. Jegliche Irrtumskonstellation muss sich auf eine Tatsache beziehen und diese Tatsache wiederum auf den Eingriff, d. h. dessen Vollzug durch eine bestimmte Person in einer bestimmten Art und Weise zu einem bestimmten Zeitpunkt mit bestimmten Folgen. Geht der Zustimmende von einer falschen Tatsachengrundlage in Bezug auf das anlassbestimmende Interesse aus, so begründet eine solche Fehlvorstellung ebenfalls einen die Wirksamkeit der Zustimmung ausschließenden Irrtum. e) Voluntatives Defizit – Zwangswirkung Das Vorliegen eines voluntativen Defizits beim Zustimmenden kommt im Falle des Bestehens von Zwangswirkungen in Betracht. Im Gegensatz zur bereits skizzierten Irrtumsproblematik ist diese Art von subjektivem Unwirksamkeitsgrund bzw. „Willensmangel“ in der Literatur weniger umstritten. Uneinigkeit besteht nur bei Detailfragen, wohingegen die Leitlinien relativ klar gezogen sind. Besteht eine Zwangslage, so gilt die Zustimmung als unwirksam. Für die Anforderungen an die Zwangslage wird zumeist auf den Nötigungstatbestand verwiesen, d. h. auf dessen Voraussetzungen von Gewalt und Drohung.308 Unterhalb dieser Schwelle wird einer Zwangslage keine 308  Brandts / Schlehofer, JZ 987, 442, 446; Frister, AT, § 15 Rn. 23; Hirsch, LKStGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 120; Jescheck / Weigend, AT, S. 383; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 48; Otto, Geerds-FS, S. 603, 614; Rinck, Deliktsaufbau, S.  43 f.; Rönnau, Willensmängel, S.  436 f.; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 207; Rosenau, SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 40; Zipf, Einwilligung, S. 44. Rönnau, Willensmängel, S. 439 moniert aber die Konturenlosigkeit des Nötigungstatbestands, jedoch dürfte sein Lösungsweg, eine Konturenschärfung über eine Rechtsgutsdiskussion zu erreichen, ziemlich optimistisch gewählt sein. Vereinzelt ist die Meinung Rudolphis geblieben, § 35 StGB heranzuziehen, ZStW 1974, 82, 85. Gleiches gilt für den Vorschlag M.-K. Meyers in Bezug auf § 34 StGB, Autonomie, S.  161 f.



§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung307

Bedeutung für die Wirksamkeit der Zustimmung beigemessen. Das gilt insbesondere für lediglich sozialen Zwang, der nicht unerlaubt und damit nicht rechtswidrig zugefügt wird.309 Eine Ausnahme davon macht Hirsch für den Fall, dass der Täter die Zwangslage gerade mit dem Ziel, die Zustimmung zu erlangen, geschaffen hat.310 Eine andere Ansicht vertritt nur Schmidhäuser, welche sich jedoch konsequent aus seiner Position zur Frage des Erfordernisses einer Zustimmungserklärung ergibt:311 Die Freiheit von Drohung sei unerheblich, da es sowieso nur auf die innere Zustimmung ankomme.312 Dahinter steht der Gedanke, dass der Eingreifende rein faktisch nur zur Erklärung der Zustimmung nötigen kann, nicht jedoch zu einem zustimmenden Willen, weil sich das genötigte Opfer stets zumindest innerlich sträuben wird, sodass gerade kein Fall der Zustimmung vorliegt. Wer also keine Zustimmungs­ erklärung verlangt, sondern auf den innerlich zustimmenden Willen des Berechtigten abstellt, für denjenigen liegt im Falle der Zwangswirkung bereits keine Zustimmung vor. Im Rahmen der auf den Nötigungstatbestand zurückgreifenden herrschenden Meinung sind Differenzen erst zu verzeichnen, wenn es um die Frage geht, welche genauen Anforderungen an die Nötigungswirkung zu stellen sind. Die herrschende Ansicht stellt auf die objektive Intensität ab, wobei keine Einigkeit darüber besteht, ob es auch auf das Kriterium der Verwerflichkeit ankommen soll.313 Nach Mitsch ist hingegen allein die subjektive Einschätzung des Einwilligenden und seine interne Interessenabwägung entscheidend. Nicht der Intensitätsgrad, sondern die Rechtswidrigkeit sei maßgebend.314 Nach Ansicht der Arbeit gilt auch für voluntative Defizite nichts anderes als für kognitive: Die Zustimmung ist unwirksam. Beachtlich sind jedoch nur 309  Rönnau,

Willensmängel, S.  436 ff.; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 202. LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 121. 311  Siehe dazu oben S. 223 f. 312  Schmidhäuser, Studienbuch, 5 / 128; ders., Lehrbuch, 8 / 136. Freilich will Schmidhäuser dennoch nicht jede Drohung mit einem leichten Übel zum Ausschluss einer autonomen Entscheidung ausreichen lassen und nimmt dabei eine Unsicherheit in der Grenzziehung bewusst hin. 313  Arzt, Willensmängel, S.  33 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 120 f.; Kühl, AT, § 9 Rn. 36 m. Fn. 56; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor § 32 Rn. 48; Otto, Geerds-FS, S. 603, 614 f.; ders., AT, § 8 Rn. 109; Roxin, AT I, § 13 Rn. 113 spricht allgemein vom Erfordernis, dass die „Drohung als Nötigung strafbar“ sein muss. Ebenso allgemein Jescheck / Weigend, AT, S. 383, die lediglich ein erheb­ liches Übel fordern. Schmidhäuser, AT, 8 / 136 gesteht die Unsicherheit seiner Grenzziehung ein: Zustimmung dürfe unter massiven Eindruck der Drohung nicht als autonom erscheinen. 314  Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 139; so auch Amelung /  Eymann, JuS 2001, 937, 944 und Rinck, Deliktsaufbau, S. 44. 310  Hirsch,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

solche Zwangslagen, die den Tatbestand der Nötigung erfüllen, also auf Gewalt oder Drohung zurückzuführen sind. Wenn die Arbeit zwar mit der herrschenden Ansicht auf die Nötigung als Einschränkung der Beachtlichkeit von voluntativen Defiziten abstellt, dann muss sie zugleich dieser Ansicht darin widersprechen, dass es bei Drohungen auf eine objektive Betrachtung ankommen soll. Die Zustimmung ist als Institut des Rechtsinhabers aus dessen Sicht zu bestimmen. Die Interessen Dritter oder gar eine Interessenbewertung durch die Allgemeinheit spielen keine Rolle. Deshalb darf es bei Drohungen nicht auf die objektive Betrachtung eines Durchschnittsmenschen ankommen, da anderenfalls die Interessen des Rechtsinhabers bewertet würden. Insofern folgt die Arbeit der Ansicht von Mitsch, wonach auf die subjektive Interessenabwägung des Einzelnen abzustellen ist. Das ist auch der Grund, warum es nicht widersprüchlich zum Ansatz dieser Arbeit ist, für die Beachtlichkeit voluntativer Defizite auf die zusätzlichen Schranken des Nötigungstatbestands zurückzugreifen, obwohl die Unwirksamkeitsgründe weit verstanden werden. Auch bei den kognitiven Defiziten wurden Einschränkungen mittels des Kriteriums der Eingriffsbezogenheit vorgenommen. Die Eingriffsbezogenheit spiegelt sich letztlich bei voluntativen Defiziten im Nötigungserfolg des § 240 StGB wider, der in der Zustimmung zur Duldung des Eingriffs liegt. Dass zusätzlich auf Drohung und Gewalt abgestellt wird, ist deshalb erforderlich, weil sonst eine Vielzahl an Zwangslagen aus der Lebenswelt mit der Konsequenz erfasst würden, dass einem wichtigen Mittel des Rechtsinhabers, sich aus einer solchen Zwangslage zu befreien, nämlich der Zustimmung, die Wirksamkeit abgesprochen würde. Die Zustimmung etwa zu einem ärztlichen Eingriff, dessen Vornahme aufgrund des Erleidens einer schweren Krankheit erforderlich ist, könnte dann nicht mehr auf die Zustimmung des Erkrankten gestützt werden, wenn ohne Einschränkung jede Zwangssituation ihrer Wirksamkeit entgegen stünde. Oder man denke an die Zustimmung eines Hausberechtigten an einen Handwerker, damit dieser ein durch einen Einbruch zu Bruch gegangenes Fenster repariert. Aufgrund des Einbruchs brachte der Einbrecher den Hausberechtigten in eine Zwangssituation, denn mit kaputtem Fenster konnten sowohl Kälte als auch weitere unerwünschte Personen Einzug in die Räumlichkeiten des Hausberechtigten einhalten. Dennoch wäre es widersinnig die Wirksamkeit der Zustimmung zum Betreten des Hauses – Hausfriedensbruch nach § 123 StGB – und zur Reparatur des Fensters – eventuell Sachbeschädigung nach § 303 StGB, aber mit dem zusätzlichen Problem der Verbesserung einer Sache – abzusprechen. In beiden Beispielsfällen ist ersichtlich, dass ein solches Ergebnis dem Sinn und Zweck der Zustimmung als Instrument der Interessenbefriedigung des Rechtsinhabers widersprechen würde. Die Berücksichtigung dieser Interessen für die Frage der Wirksamkeit lässt sich insoweit ohne Bruch in die von der Arbeit vorgeschlagene Zustim-



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche309

mungsdogmatik einfügen, als dass ausschließlich auf die Interessen des Rechtsinhabers abgestellt und keine Bewertung mit Interessen Dritter vorgenommen wird.

§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche Während das Vorliegen eines kognitiven oder voluntativen Defekts, der die Wirksamkeit der Zustimmung ausschließt, als tatsächliche Sachverhaltsfrage noch verhältnismäßig leicht festgestellt werden kann, ist die Frage, welche Konsequenzen mit dem Vorliegen eines solchen Defekts verbunden sind, schwer zu beantworten. Im eigentlichen Sinne dreht sich die wissenschaftliche Diskussion der „Willensmängel“ auch ausschließlich um diese Fragestellung. Ihre Schwierigkeit erwächst daraus, dass die Beantwortung von normativen Wertmaßstäben abhängt, die nicht nur gefunden, sondern auch miteinander abgewogen werden müssen. Das Problem der bisherigen wissenschaftlichen Diskussion liegt darin, dass die grundlegend normative Fragestellung mit den tatsächlichen Fragen der Zustimmung vermengt und in dieser Vermengung zusätzlich die Wertmaßstäbe entweder nur unterschwellig oder aber allzu pauschalierend verarbeitet wurden. Dass die Lösung der „Willensmängel“-Problematik in der Frage zu suchen ist, in wessen Verantwortungsbereich der Defekt zuzuordnen ist, dass eine Lehre der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen zu entwickeln ist, klang in der strafrechtlichen Literatur durchaus an, allerdings ohne dass hierfür eine dogmatische Konstruktion ausgearbeitet wurde.315 Die zentrale Rolle der Verantwortungsverteilung als Frage der Zurechnung betont etwa von Hirsch in seiner Auseinandersetzung mit der deutschen Rechtsgutstheorie. Er wirft ihr vor, zu übersehen, dass es nicht ausreichen kann, „schutzwürdige Rechtsgüter zu bestimmen“, denn diese werden grundsätzlich „nicht gegen alle, sondern allein gegen bestimmte Arten von Handlungen geschützt“, womit es eigentlich um die „Strafwürdigkeit von Handlungen“ und damit um ein „Problem der Zurechnung“ geht, darum dass „Gefährdungen oder Beeinträchtigungen Teil des Verantwortungsbereichs des Handelnden sind“.316

315  Brandts / Schlehofer, JZ 987, 442, 446  f.; Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 85; Grünewald, Tötungsdelikt, S.  301 f.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 122; Murmann, Selbstverantwortung, S. 44 ff.; Zipf, Einwilligung, S. 61 f.; ders., ÖJZ 1977, 379, 381 f.; ders., Probleme der Gegenwart, S. 26, 33. Zu ambitioniert erscheint es jedoch unter dem „Gedanken der Zuordnung von Verantwortungsbereichen“ alle Rechtfertigungsgründe fassen zu wollen, wie es Kretschmer vornimmt, NStZ 2012, 177. 316  von Hirsch, Harm Principle, S. 13, 20 f.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Pawlik erblickt in der Rechtsgutstheorie einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler: Dadurch dass die Frage auf das Vorliegen eines „schutzwürdigen Substrats“ zugeschnitten sei, werde das „weitaus bedeutsamere Problem, in welchem Umfang andere Personen für die Integrität dieses Rechtsguts verantwortlich gemacht werden können“, vernachlässigt; dadurch blieben „Zuständigkeitserwägungen“ äußerlich.317 Über die Benennung eines konkreten Rechtsguts hinaus gehe es darum, „weshalb und in welchem Umfang andere Personen zur Wahrung von dessen Integrität in Anspruch genommen werden dürfen, wie weit also in sachlicher, aber auch in zeitlicher Hinsicht […] ­deren Zuständigkeit reicht“. In dieser „Zuständigkeitsverteilung zeigt sich die Freiheitlichkeit einer Strafrechtsordnung“.318 Die Eindimensionalität der Rechtsgutslehre ergebe sich daraus, dass sie „die Sozialschädlichkeit und Strafwürdigkeit eines Verhaltens nicht als Störung der Beziehungen zwischen Rechtspersonen beschreibt, sondern […] ‚als Schädigung externer Objekte‘“, dadurch verdunkele sie den „gesellschaftlichen Horizonts des Rechts, seine Bezogenheit auf soziale Interaktion“.319 Dass sich hier tatsächlich zwei Sphären gegenüberstehen, die des Eingreifenden und die des Zustimmenden (sog. Interpersonalbezug320), welche voneinander abzugrenzen sind, klingt ebenso vereinzelt in der Literatur an. Ganz allgemein beschreibt Grünewald die „normative Einschränkung der Relevanz einer Einwilligung“ als eine Frage der „Abgrenzung der Verantwortungssphären von Rechtspersonen zueinander“.321 Roxin begründet die Unbeachtlichkeit von enttäuschten Erwartungen des Zustimmenden, deren Erfüllung nicht vom Täter abhängen, damit, dass diese Erwartungen „außerhalb der Handlungssphäre des Täters“ liegen.322 Und Rönnau argumentiert – wie sogleich noch genauer zu sehen sein wird – mit den „interne[n] Orga­ nisationsfehler[n]“ des Zustimmenden, der „seine Herrschaftssphäre“ selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu gestalten habe, weshalb in diesen Fällen eine Strafbarkeit des Eingreifenden ausscheidet.323 Und laut Zipf fällt die Mehrdeutigkeit einer Zustimmungserklärung in den „Verantwortungsbereich des Einwilligenden“, weshalb auf den objektiven Erklärungssinn abzustellen ist, d. h. wie sie der Empfänger „nach den Umständen […] und bei objektiver, vernünftiger Betrachtungsweise verstehen mußte“.324 317  Pawlik,

Unrecht, S. 127, 139. Unrecht, S. 138. 319  Pawlik, Unrecht, S. 140. 320  Siehe dazu oben S. 179, 182, 203 ff. 321  Grünewald, Tötungsdelikt, S. 302. 322  Roxin, Noll-GS, S. 275, 288. 323  Rönnau, Willensmängel, S.  412 f. 324  Zipf, ÖJZ 1977, 379, 381 f.; ders., Einwilligung, S. 48 f. 318  Pawlik,



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche311

Mehr als erste Richtungsweisungen sind mit den hier wiedergegebenen Aussagen nicht verbunden. Dass für die Verteilung bzw. Abgrenzung von Verantwortungsbereichen „differenziertere Instrumente entwickelt werden müssen, als sie bisher, etwa in Gestalt des ebenso pauschalen wie beliebten angeblichen ‚Autonomieprinzips‘, diskutiert werden“, fordert Schünemann ein.325 Die Arbeit nimmt einen solchen Versuch hier nun in Angriff.

I. Die Ermittlung allgemeiner Wertungskriterien Wenn die Arbeit nunmehr versucht, die von der Wissenschaft genannten Wertungsgesichtspunkte in ihre Konzeption ein- und herauszuarbeiten, dann muss berücksichtigt werden, dass sich jene Gesichtspunkte eigentlich auf die Frage beziehen, ob die Zustimmung wirksam ist oder nicht, also unmittelbar keine Antwort darauf geben, in wessen Verantwortungsbereich der Rechtseingriff fällt. Wenn also im Nachfolgenden bisherige Ansätze dargestellt werden, so ist stets in Erinnerung zu halten, dass es in diesem Abschnitt nicht mehr um Wirksamkeit der Zustimmung geht, sondern um die Zurechnung von Eingriffen. Bei dieser Zurechnung geht es um die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen und hierfür kommt es allein auf normative Wertungen an. 1. Verteilung von Verantwortung als Frage angemessener Risikoverteilung? Statt von Verantwortungsverteilung ist in der Literatur immer wieder von einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Eingreifendem und Zustimmenden die Rede oder beide Umschreibungen werden mehr oder wenig synonym verwendet.326 Das ist irreführend, wenn nicht sogar falsch. Denn es stellt sich die Frage, welcher der Beteiligten welchem Risiko ausgesetzt sein soll. Aus der Sicht des Rechtsinhabers kann nichts anderes festgestellt werden, als dass der Eingriff in sein geschütztes Recht vorgenommen wurde. Geht es um das Risiko eines Eingriffs, so hat sich dieses Risiko also realisiert. Und anders als im Zivilrecht bleibt der Rechtsinhaber im Strafrecht auf jeden Fall „auf seinen Kosten sitzen“, gleich ob der Eingreifende für seinen 325  Schünemann,

Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133, 149, 154. AT, § 15 Rn. 20; Mitsch, Rechtfertigung, S. 441; ders., JZ 1999, 513; Murmann, Selbstverantwortung, S. 449; Rönnau, Willensmängel, S. 414; ders., LKStGB, Vor § 32 Rn. 175a, 198. Vgl. auch Roxin, Amelung-FS, S. 269, 273, der die Einwilligung als „Risikoübernahme“ deutet. Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 85 sieht die Einwilligung ähnlich als „Verschiebung der Risikozuständigkeit“. Auch ­Geerds argumentierte vereinzelt mit einer Risikozuweisung, Einwilligung, S. 138. 326  Frister,

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Eingriff nun bestraft wird oder nicht. Welches Risiko soll also für den Rechtsinhaber bestehen? Wer hier von Risiko spricht, der bleibt im Unklaren. Allenfalls ließe sich auf die ausbleibende Genugtuung des Opfers abstellen, wenn der Täter „ohne Strafe davon kommt“. Aber kann diese Genugtuung wirklich geeigneter Anknüpfungspunkt sein, wenn es um die Verteilung zwischen Eingreifenden und Zustimmenden geht? Einem wirklichen Risiko ist hingegen der Eingreifende ausgesetzt: Ihm ist schließlich das Strafbarkeitsrisiko aufgebürdet. Und es besteht der Eindruck, dass, wenn manche Autoren von Risiken im Zusammenhang mit der Zustimmung sprechen, sie eigentlich nur an das der Strafbarkeit bzw. Straflosigkeit denken. Aber dieses Risiko ist keines, welches es angemessen zu verteilen gilt, weil sich das Risiko von vornherein nur bei einem der Beteiligten realisieren kann. Es ist also falsch, eine angemessene Risikoverteilung zu fordern. Es geht nicht um die Verteilung von Risiken, sondern von Verantwortung. Die Frage lautet, wer die Verantwortung für den Eingriff in die geschützte Rechtssphäre tragen soll. Und der Bezugspunkt der Verantwortung – und hier lauert die nächste Gefahr eines Missverständnisses – ist der Eingriff selbst. Es darf gerade nicht um die strafrechtliche Verantwortung gehen, denn diese kann von vornherein – ebenso wie das Strafbarkeitsrisiko – nicht verteilt werden, da sie nur den Eingreifenden treffen kann. Wenn also von Verantwortung gesprochen wird, so geht es unmittelbar um den Eingriff. Wird diese Verantwortung dem Eingreifenden zugeschrieben, so geht damit mittelbar – in Abhängigkeit der weiteren Voraussetzungen – auch dessen strafrechtliche Verantwortung einher. Für den Rechtsinhaber gilt das jedoch nicht. Und daher untersucht diese Arbeit – ganz genau gesprochen – die Verteilung der eingriffsbezogenen Verantwortung. 2. Angemessenheit einer Verantwortungsverteilung anhand von Vertrauensschutz und Eigenverantwortlichkeit a) Kerngehalt Wenn es auch nicht um eine Risiko-, sondern um eine Verantwortungsverteilung geht, so bleibt dennoch interessant, wie die Lehre die Angemessenheit einer solchen Verteilung bestimmt. Zumeist treten dabei zwei Topoi hervor: die Eigenverantwortung des Erklärenden und das Vertrauen des Empfängers.327 Eine gewisse Brisanz dieser Kriterien steckt in ihrem Anknüpfungs327  Vgl. dazu: Bichlmeier, JZ 1980, 53, 55; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 147; Rönnau, Willensmängel, S. 411 ff. Nur auf den Vertrauensschutz des Täters rekurrieren: Grünewald, Tötungsdelikt, S. 307; Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch,



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punkt: Die Zustimmung selbst wird dazu in Abhängigkeit gestellt. Wer wiederum die Zustimmung in Abhängigkeit zur Autonomie bestimmt, der dürfte die Autonomie ad absurdum führen. Für die Eigenverantwortlichkeit lässt sich durchaus noch vertreten, dass die „Autonomie nicht sinnvoll ohne Berücksichtigung des Gedankens der Eigenverantwortung definiert werden“328 könnte, wenn auch diese Arbeit anderer Ansicht ist. Aber die Autonomie vom Vertrauen Dritter abhängig zu machen, dürfte dem Begriff der Autonomie widersprechen: Wie soll das Vorliegen selbstbestimmten Handelns vom Vertrauen Dritter abhängen? Solche Widersprüche zu vermeiden, ist der Vorteil vom Ansatz dieser Arbeit: Zurechnungsfrage und Wirksamkeitsurteil sind zu trennen, die Vermengung von Autonomie, Wirksamkeit und Zurechenbarkeit ist zu vermeiden. Gerade für die Aspekte, auf welche mit dem Vertrauensschutz angespielt wird, hält auch das Strafgesetzbuch ein Instrumentarium bereit, das unabhängig von der Zustimmung ist, das den Eingreifenden ausreichend schützt und zu der geforderten „angemessenen Risikoverteilung“ führt: Mit der Irrtumsregelung in § 16 I StGB wird eine Vorsatzstrafbarkeit ausgeschlossen, wenn der Eingreifende keine Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustimmung hat. Der Weg über § 16 I StGB ist für diese Arbeit eröffnet, da nach ihrer Ansicht die Zustimmung ein Umstand ist, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört.329 Dazu sind auch negative Tatbestandsmerkmale – wie eben die Zustimmung – zu zählen, deren Vorliegen den Tatbestand ausschließen. Nimmt der Täter in diesen Fällen irrtümlich an, es liege eine wirksame Zustimmung vor, so ist sein Vorsatz ausgeschlossen.330 Selbst wer die Zustimmung als Rechtfertigungsgrund begreift, kann auf § 16 I StGB zurückgreifen, sofern er den herrschenden eingeschränkten Schuldtheorien folgt. Zwei Einschränkungen sind aber bei der Anwendung dieser Norm zu beachten: Erstens muss der Bezugspunkt der irrigen Annahme ein tatsächlicher sein und darf nicht auf Bewertungsebene liegen. Zweitens besteht selbst bei Vorsatzausschluss die Möglichkeit einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, für deren Prüfung wiederum objektive und subjektive Zurechnungskriterien heranzuziehen sind und damit auch die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen relevant wird. Vor §§ 32 ff. Rn. 50; Mitsch, JZ 1999, 513; Murmann, Selbstverantwortung, S. 450; Pawlik, Unrecht, S. 219. Den Vertrauensschutz des Eintretenden beim Hausfriedensbruch stellt Bohnert, GA 1983, 1, 11 heraus. 328  Rönnau, Willensmängel, S. 414. 329  Wer die Zustimmung als Rechtfertigungsgrund begreift, der müsste entsprechend einen Erlaubnistatbestandsirrtum bzw. eine „Putativeinwilligung“ annehmen, für den jedoch nach h.A. § 16 StGB ebenfalls entsprechend anzuwenden ist, vgl. dazu etwa Lenckner / Sternberg-Lieben, Sch / Sch, Vor §§ 32 ff. Rn. 50, 52. 330  So auch Rönnau, Willensmängel, S.  411 f.

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Wenn weiterhin das Kriterium der Eigenverantwortlichkeit genannt wird, dann stellt zwar nicht das Strafgesetzbuch, aber die strafrechtswissenschaft­ liche Dogmatik mit ihrer Lehre von der objektiven Zurechnung jenes Kriterium in ihrem Katalog bereit. Das darf nur nicht zu einem Fehlschluss führen, wie ihm ein Teil der Lehre unterliegt:331 Die Zustimmung ist keine Fallgruppe der objektiven Zurechnung! Die Zustimmung ist ein tatsächlicher Sachverhalt, der aus der Perspektive des Rechtsinhabers zu betrachten ist, der sich mit dem Handeln des Täters, mit dessen Eingriff in seine Rechte einverstanden erklärt. Während die Zustimmung damit für alle individuellen Rechte schützenden Delikte relevant wird, erlangt die Lehre von der objektiven Zurechnung nur für bestimmte Delikte Bedeutung, nämlich für solche, die einen Erfolg im engen Sinne tatbestandlich umschreiben. Das ergibt sich auch schon aus der ihr zugrunde liegende Fragestellung: Es geht darum zu bestimmen, wie der Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem darauf kausal beruhenden Erfolg beschaffen sein muss. Und dieser Zusammenhang ist normativer Natur. Bei der Zustimmung hingegen geht es um einen rein tatsächlichen Zusammenhang, nämlich dem zwischen der Handlung des Täters und der Entscheidung des „Opfers“. Während damit die Zustimmung allein die Perspektive des Rechtsinhabers einnimmt, fragt die Zurechnung aus der allgemeinen Betrachtung der Rechtsgemeinschaft und deren Wertungen heraus. Wer damit Zustimmung und Zurechnung zusammenwirft, der übersieht deren grundlegende Verschiedenheit. b) Deliktssystematische Einordnung Nach diesen Klarstellungen stellt sich als weitere Frage, wie die aufgeführten Kriterien von Vertrauensschutz und Eigenverantwortung ihre straftatsystematische Relevanz entfalten. Jedenfalls sind sie weder für die Wirksamkeit der Zustimmung selbst noch für die Frage relevant, ob der Vorsatz des Eingreifenden ausgeschlossen ist oder nicht.332 Beides sind reine Tatsachenfragen, die durch Subsumtion unter dem jeweiligen Sachverhalt zu entscheiden sind. Relevant werden die Kriterien jedoch zum einen für die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Eingreifenden, der das Nichtvorliegen oder die Unwirksamkeit der Zustimmung nicht erkennt. Neben diesem Anwendungsfeld 331  Braun-Hülsmann, Einwilligung; Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 88; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 140 ff.; Kretschmer, NStZ 2012, 177, 182. Wie hier auch ausdrücklich Menrath, Einwilligung, S. 127 f.: Die Einwilligung gründe sich „auf eine tatsächliche psychische Übereinstimmung zwischen dem Opferwillen und dem Täterhandeln“. 332  Rönnau hingegen vermengt die Begriffe Zurechnung und Wirksamkeit: Willensmängel führten zur Unwirksamkeit, wenn sie dem Täter „objektiv zuzurechnen“ seien, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 199.



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kommt zum anderen auch das der objektiven Zurechnung bei Erfolgsdelikten in Betracht. Den letzten Gesichtspunkt übersieht Rönnau, der in Fällen der Unwirksamkeit der Zustimmung infolge von Irrtümern des Berechtigten sofort auf den Vorsatzausschluss und eine etwaige Fahrlässigkeit abstellt. Das beruht wohl auf einer gewissen Unsicherheit in Bezug auf die Konsequenzen der deliktssystematischen Einordnung der Zustimmung. Es ist sich klar zu machen: Wenn die Zustimmung ein negatives Tatbestandsmerkmal ist, dann besteht bei Erfolgsdelikten bereits auf objektiver Ebene des Tatbestands die Möglichkeit, Kriterien wie das der Eigenverantwortung heranzuziehen. Auf den Vorsatzausschluss als nachgeschaltete Frage der subjektiven Zurechenbarkeit kann es nur dann ankommen, wenn man die objektive Zurechenbarkeit bejaht, was voraussetzt, dass man deren Ausschluss und damit eine Eigenverantwortung des Zustimmenden verneint. Die Darstellung Rönnaus ist dadurch nicht nur unvollständig, sondern führt zu sich widersprechenden Ergebnissen: Bei eigenerzeugten Irrtümern des Rechtsinhabers sei dessen Einwilligung unwirksam, aber der Eingreifende, der den Irrtum nicht erkenne, mache sich weder eines vorsätzlichen noch eines fahrlässigen Delikts strafbar. Der Vorsatz sei mangels Kenntnis vom Irrtum ausgeschlossen. Dass der Eingreifende den Irrtum hätte erkennen können, begründe grundsätzlich auch keine Fahrlässigkeit, weil ihn „interne Organisationsfehler“ des Rechtsinhabers nichts angehen, jedenfalls soweit er nicht Garant sei. Der Berechtigte habe „selbstbestimmt, aber auch selbstverantwortlich, seine Herrschaftssphäre“ zu gestalten. Vom Eingreifenden könne „nicht mehr Sorgfalt verlangt werden, als der Gutsinhaber im Umgang mit eigenen Gütern aufbringt“.333 Der Fehler Rönnaus besteht darin, dass er im Falle des Nichterkennens eines Irrtums seine Ausführungen zu Selbstverantwortung und Vertrauensschutz auf die Frage einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bezieht. Richtigerweise sind diese Gesichtspunkte jedoch schon für die Frage der objektiven Zurechnung bei der Prüfung des vorsätzlichen Delikts anzusprechen, soweit es sich um ein Erfolgsdelikt handelt, wie es aber bei den angesprochenen Sachbeschädigungs- und Körperverletzungsdelikten der Fall ist. Wenn Rönnau den Vorsatz ausschließen will, bedeutet dies, dass er die objektive Zurechnung im objektiven Tatbestand bejaht, weil er anderenfalls überhaupt nicht zum subjektiven Tatbestand gelangen kann. Den objektiven Tatbestand zu bejahen bedeutet aber zugleich die Eigenverantwortung des Rechtsinhabers zu verneinen. Dann kann man aber gerade nicht die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ausschließen, indem die Eigenverantwortung hier bejaht wird. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Maßstab der Eigenverantwortung des Opfers bei Fahrlässigkeits- und Vorsatzstrafbarkeit des Täters verschieden ge333  Rönnau,

Willensmängel, S.  412 f.

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wichtet würde. Wahrscheinlicher als ein verschiedener Maßstab ist jedoch, dass Rönnau die Konsequenzen seiner Einordnung der Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal nicht konsequent berücksichtigt hat.334 Für diese Arbeit ist es daher wichtig diese Konsequenzen klar zu stellen: Die Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal der Handlung ist der Prüfung der objektiven Zurechnung vorgelagert. Diese Zurechnungsprüfung untersucht den Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg im engen Sinne nach – im Gegensatz zur Zustimmung – normativen Gesichtspunkten. Damit ist aber das Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Handlung für die Eröffnung der Zurechnungsfrage notwendig. Wenn aber das Vorliegen der Handlung notwendig ist, dann gilt das auch für das Nichtvorliegen von deren negativem Merkmal: der Zustimmung. Liegt eine wirksame Zustimmung des Rechtsinhabers vor, so stellt sich die Zurechnungsfrage nicht mehr. Fehlt es hingegen an einer wirksamen Zustimmung, dann ist die Zurechnungsfrage noch offen. Bevor dann vorschnell auf den subjektiven Tatbestand und eine Fahrlässigkeit eingegangen wird, ist zuerst die Zurechnungsfrage im objektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts zu beantworten. c) Zwischenfazit: Aspekte ohne Leitgedanke Die zur Angemessenheit der Verantwortungsverteilung genannten Kriterien – Vertrauen und Eigenverantwortung – dürfen damit im Ergebnis nur als Kriterien der Zurechnung Verwendung finden, für die Bestimmung der Zustimmung sind sie dogmatisch untauglich. Aber was ist eigentlich von diesen Wertungskriterien zu halten und lassen sich eventuell noch weitere heranziehen? Während die Eigenverantwortung des Rechtsinhabers zu Recht als eines der wichtigsten Kriterien in der wissenschaftlichen Diskussion in den Vordergrund gestellt wird, erscheint das Vertrauen des Eingreifenden in die Wirksamkeit der Zustimmung mehr Hintergedanke denn Kriterium. Wie gesehen ist dieser Gedanke selbst in der gesetzlichen Regelung in § 16 I StGB enthalten: Wer in Unkenntnis der Umstände handelt, die die Unwirksamkeit der Zustimmung begründen, der handelt ohne Vorsatz und allenfalls fahrlässig. 334  Nicht nur die Konsequenzen der deliktssystematischen Einordnung bereiten Rönnau Probleme, auch seine Normativierung der Autonomie kommt nicht ohne inneren Bruch aus: Wenn doch die Zustimmung, insbesondere ihre Wirksamkeit, unter Berücksichtigung eines normativen Autonomiebegriffs ausgelegt werden soll, dann drängt sich die Frage auf, wieso Rönnau seine Ausführungen zu den normativen Kriterien der Eigenverantwortung und des Vertrauensschutzes nicht bereits bei der Bestimmung, ob eine autonome Entscheidung vorliegt, einbringt. Sie von der Autonomie und der Zustimmung losgelöst zu diskutieren, ist nach Ansicht dieser Arbeit der zutreffende dogmatische Weg, allerdings fügt sich dieser Weg nicht mit dem von Rönnau selbst gewählten Ausgangspunkt zusammen.



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Der Vertrauensaspekt steht als Gedanke sogar hinter der Eigenverantwortlichkeit: Der Eingreifende darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass derjenige selbst verantwortlich für seine selbstbestimmten, in seiner Rechtssphäre getroffenen Entscheidungen ist. Und wie gleich noch genauer zu sehen sein wird, besteht auch ein schützenswertes Vertrauen des Rechtsinhabers, dass der Eingreifende seine Rechtssphäre respektiert und sich an seine Anweisungen hält. Vertrauen ist also ein durchaus facettenreicher Begriff, den jeder der Beteiligten für sich geltend machen kann. Nach Ansicht der Arbeit können jedoch Eigenverantwortung und Vertrauen nur einzelne Aspekte einer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche sein. Insbesondere für die Eigenverantwortung ist das offensichtlich: Wenn es um die Verantwortungsbereiche vom Rechtsinhaber und vom Eingreifenden geht, dann kann deren Abgrenzung voneinander kaum gelingen, wenn nur einseitig die (Eigen-)Verantwortlichkeit des Rechtsinhabers herangezogen wird. Eine Heranziehung des Vertrauensschutzgedankens des Eingreifenden kann an dieser Einseitigkeit kaum etwas mildern, da dieser zum einen nur eine Kehrseite der Eigenverantwortung ist und zum anderen auch der Zustimmende schützenswertes Vertrauen geltend machen kann. 3. Erweiterter Kriterienkatalog a) Schutzzweckzusammenhang Welche weiteren Kriterien kommen also in Betracht? Erfolg verspricht ein Blick darauf, an welchen Stellen des Deliktsaufbaus die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche relevant wird: Das ist einerseits die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit an sich und andererseits die objektive Zurechnung. Ein dort wichtiger Ausschlussgrund der Zurechnung des Eingreifenden, der aber in der bisherigen Diskussion kaum Erwähnung findet, ist der Schutzzweck der Strafnorm. Der Schutzzweckzusammenhang darf aber nicht mit der Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit verwechselt werden. Es geht nicht darum, ob der Irrtum des Rechtsinhabers rechtsgutsbezogen war, sondern es geht darum, ob das Verhalten des Täters den Unrechtsgehalt aufweist, der von der jeweiligen Strafvorschrift erfasst wird. Dieser Aspekt ist allein schon deshalb von Bedeutung, weil die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche normativ erfolgt und daher nicht außer Betracht gelassen werden darf, dass es nicht um irgendeine Verantwortung geht, sondern in Bezug auf eine bestimmte rechtlich-geschützte Sphäre. Dieser normative Gehalt unterscheidet den Schutzzweckzusammenhang vom Bedeutungsgehalt der Eingriffsbezogenheit des Irrtums: Letzterer schränkt die Beachtlichkeit einer Fehlvorstellung des Berechtigten nur in tatsächlicher Hinsicht bezüglich des Eingriffs ein.

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b) Zuständigkeit Ein weiteres, speziell für die kognitiven Defizite genanntes Unterscheidungskriterium ist das der Zuständigkeit: Derjenige, in dessen Zuständigkeitsbereich der Irrtum fällt, soll dafür auch verantwortlich sein.335 Letztlich steht dahinter nichts anderes als die Aussage, dass zwischen einfach-schlichten und durch Täuschung hervorgerufenen Irrtümern zu unterscheiden ist.336 Unmittelbar geht es dabei um die Zuständigkeit für den Irrtum, aber mittelbar um die Zuständigkeit für den Eingriff, das tatbestandliche Geschehen.337 Diese Unterscheidung steht in engem Zusammenhang zu den Kriterien von Vertrauensschutz und Eigenverantwortung, ja sie dürfte sogar deren Ausfluss sein: Wer täuscht, verdient keinen Schutz seines – gar nicht vorhandenen – Vertrauens. Wer sich von selbst irrt, der ist selbst verantwortlich, Dritte sind in ihrem Vertrauen auf die Irrtumsfreiheit zu schützen. Die Argumentation ist eingängig, aber in ihrer Schlichtheit auch anfällig. Die formale Untersuchung nach dem Ursprung gerät sofort in Schwierigkeiten, wenn der Eingreifende den Rechtsinhaber zwar nicht täuscht, aber dessen Irrtum erkennt: Zwar fällt sein Vertrauen weg, aber die Eigenverantwortung des Rechtsinhabers bleibt bestehen. Wer hier wirklich angemessen – wie es ja die eingangs dargestellten Äußerungen versprechen – die Verantwortungsbereiche abgrenzen will, der benötigt mehr Kriterien als nur die formale Zuständigkeit des Irrtums. Vor allem dann, wenn trotz der Tatsache, dass der Rechtsinhaber formal für seinen Irrtum zuständig war, dennoch dem Eingreifenden die Verantwortung zugeschrieben wird. Wer die Zuschreibung in dieser Weise vornimmt, der knüpft ja gerade nicht an die Zuständigkeit an, sondern an das fehlende Ver335  Arzt, Willensmängel, S.  48 ff.; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 119; 122; Jakobs, AT, 7 / 118 ff.; Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 147; Kühne, JZ 1979, 241, 243 ff.; Kußmann, Einwilligung, S. 188 ff.; Roxin, AT I, § 13 Rn. 97, 111; Zipf, Einwilligung, S. 61. Die Zuständigkeit „in den dogmatischen Mittelpunkt“ stellen, wollen auch Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 32; freilich ohne bereits ein Konzept hierfür vorlegen zu können. Auch Kühl, AT, § 9 Rn. 40 will eine Zurechnung zulasten des Täters verneinen, „wenn der Fehler beim irrtümlich einwilligenden Rechtsgutsträger liegt“. Ähnlich auch Zipf, Probleme der Gegenwart, S. 26, 33 f., der danach fragt, von wem der Irrtum ausgeht bzw. wer die Verantwortung trägt. Vgl. auch Kindhäuser, AT, 3. Aufl., § 12 Rn. 4, der von der Einwilligung als die Übernahme der „Zuständigkeit für das erfolgsverursachende Geschehen“ spricht: Der Berechtigte übernehme die „Verantwortung für einen Eingriff in eigene Güter“, weshalb der Tatbestand „unter dem Aspekt fehlender Risikozuständigkeit des Täters“ einzuschränken sei. Kritisch und ablehnend zur Unterscheidung nach der Urheberschaft des Irrtums: Rinck, Deliktsaufbau, S. 45. 336  So wird es jedoch zumeist in der Strafrechtswissenschaft gehandhabt, vgl. etwa Otto, Geerds-FS, S. 603, 617 f. Auf die Besonderheiten der erschlichenen Zustimmung geht Mitsch, Rechtfertigung, S. 533 ff. ein. 337  Mitsch, Rechtfertigung, S. 534 m. Fn. 5.



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trauen des Eingreifenden, dem ein größeres Gewicht als der Eigenverantwortung des Rechtsinhabers beigemessen wird. Die entscheidende Frage ist, mit welcher Begründung eine solche Gewichtung vorgenommen werden kann. Die Zuständigkeit des Irrtums scheidet hierfür aus, ebenso Vertrauen und Eigenverantwortung, da es ja gerade um deren Gewicht selbst geht. Dass die formale Zuständigkeit als ein übergeordnetes Wertungskriterium für die allgemeine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche ausscheidet, ergibt sich aber auch daraus, dass sie nur für kognitive, aber nicht für voluntative und konstitutionelle Defizite passt. Beispielhaft verdeutlicht: So wie die Zuständigkeit für Minderjährigkeit immer in den Bereich des Minderjährigen fällt, fällt sie bei Drohungen immer in den Bereich des Drohenden. Könnte zumindest im letzten Fall immerhin noch das Ergebnis überzeugen, gilt das nicht im Falle des konstitutionellen Defizits: Eine Strafrechtsordnung, die die normative Verantwortung desjenigen bejaht, der gar nicht in der Lage ist, tatsächlich Verantwortung auszuüben, wäre in höchstem Maße ungerecht und dürfte kaum Akzeptanz erwarten. Hinzu kommt, dass eine Abgrenzung nach der Zuständigkeit zu formal wäre, um den Bedürfnissen nach einer normativen Abgrenzung gerecht zu werden. Das entscheidende, alle zur Unwirksamkeit der Zustimmung führende Defizite erfassendes Wertungskriterium ist mit der Zuständigkeit nicht gewonnen. c) Plausibilität und Rationalität Zwei weitere, aber im Ergebnis nicht überzeugende Kriterien hat Grünewald ins Spiel gebracht: Für kognitive und voluntative Defizite will sie für den erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Einwirkung des Eingreifenden und der Einwilligung des Rechtsinhabers danach fragen, ob letztere „noch einigermaßen plausibel“ und „als noch irgendwie rationale Entscheidung“ erklärt werden kann.338 Plausibilität und Rationalität sind aber terminologisch zu unbestimmt – die jeweilige Voranstellung des „irgendwie“ unterstreicht diese Einschätzung –, um wirklich eine „Konturierung der Verantwortungsbereiche“ vorzunehmen, wie es Grünewald verspricht. Insbesondere würde man auf diesem Wege durch die Hintertür doch noch eine Art der „Vernunfthoheit“ über die Entscheidung des Rechtsinhabers einführen. Denn wenn diese Kriterien normative Anwendung finden, so kann 338  Grünewald, Tötungsdelikt, S. 304 f. Ähnlich will Pawlik, Unrecht, S. 235 für Zwangsituationen prüfen, ob die unter Zwang getroffene Entscheidung des Verletzten „einen objektiv nachvollziehbaren Umgang“ darstellt oder „rechtlich unvernünftig“ ist. Das sind bemerkenswerte Maßstäbe, bedenkt man, dass zuvor noch der Autonomiebegriff für als „nahezu einhellig von überindividuellen Vernünftigkeitsmaßstäben entlastet“ erklärt wurde (Unrecht, S. 224) und nun genau jener Vernunftmaßstab he­ rangezogen wird.

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es nicht mehr auf die Sicht des Opfers ankommen, sodass auch nicht dessen Rationalitäts- oder Plausibilitätsmaßstab entscheidend sein kann. d) Vermeidemacht Murmann hat für seine „Konkretisierung von Verantwortungsbereiche“ das Prinzip der „Vermeidemacht“ vorgeschlagen und fragt, inwieweit „der Entscheidende dazu in der Lage ist, die defizitäre Entscheidung (sei es auch durch entsprechende Vorsorge bevor es zur Entscheidungssituation kommt) zu vermeiden“. Er schwächt dieses Prinzip dadurch etwas ab, dass weder das Bestehen einer solchen Vermeidemöglichkeit automatisch Verantwortung begründet, noch das Fehlen einer solchen automatisch Verantwortung ausschließt.339 Mehr als diese Ansätze lassen sich bei Murmann leider nicht finden,340 aber es scheint doch, dass er einen wichtigen Argumentationstopos eingeführt hat. Betrachtet man nämlich die herrschende Unterscheidung nach der Zuständigkeit für das Defizit – eigenerzeugter Irrtum oder Täuschung – so lässt sich mit der Vermeidemacht das Ergebnis argumentativ stützen, dem Rechtsinhaber für nicht durch Täuschung hervorgerufene Irrtümer die Verantwortung zuzuweisen, denn lag es ja in seiner und nicht des Eingreifenden Macht, die defizitäre Entscheidung zu vermeiden, indem er etwa die Tatsachengrundlagen, auf denen seine Entscheidung beruht, überprüft. 4. Entscheidungsherrschaft als zentraler Leitgedanke Es treten damit zwar eine Reihe von Kriterien für die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche in der wissenschaftlichen Diskussion auf, doch ein übergeordneter Leitgedanke ist nicht erkennbar. Bei der Suche nach einem solchen weist die Arbeit erneut darauf hin, wie hilfreich es für eine konsistente Dogmatik sein kann, im Ausgangspunkt den Normalfall einer Rechtsfigur zu betrachten, und das gilt auch für die Suche nach einem übergeordneten Wertungskriterium für die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche. Dieser Weg ist nicht deshalb verschlossen, weil es zu einer Verantwortungsverteilung nur dann kommen kann, wenn die Zustimmung unwirksam ist und damit schon gar kein Normalfall vorliegen kann. Denn es liegt zwar eine Ab339  Murmann,

Selbstverantwortung, S. 445. lässt sich ohnehin nicht der Eindruck vermeiden, dass Murmann mehr eine Ideensammlung präsentiert und sich vor konkreten Festlegungen scheut: Die Beurteilung hänge „von der Berücksichtigung komplexer Interessenlagen und rechtlicher Vorwertungen ab“, die Überlegungen bedürften „einer spezifisch strafrechtlichen Ergänzung“, welche „Sichtweise im Einzelnen sachgerecht ist […] würde den Umfang der vorliegenden Untersuchung sprengen“, Selbstverantwortung, S. 459, 461, 340  Es



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weichung vom Normalfall vor, aber damit ist noch nicht gesagt, wie erheblich jene Abweichung ausfällt. Und hierin liegt der tragende Gesichtspunkt verborgen: Je geringer die Abweichung vom Normalfall einer Zustimmung ist, desto eher fällt sie in den Verantwortungsbereich des Rechtsinhabers. Man könnte insoweit auch von einem „zustimmungsähnlichen“ Sachverhalt sprechen; nur ähnlich deshalb, weil die Zustimmung unwirksam ist. Die Frage ist aber, was den Normalfall einer Zustimmung in dogmatischer Hinsicht kennzeichnet. Dass die Zustimmung eine normale Erscheinung des täglichen Lebens ist, ergibt sich aus einem unvoreingenommenen Blick auf die Lebensrealität.341 Um aber in dogmatischer Hinsicht den Normalfall der Zustimmung zu verstehen, ist auf deren Wesen abzustellen. Der Rechts­ inhaber nimmt mittels Zustimmung seine Rechte wahr und bedient sich dabei eines Werkzeugs, nämlich des Eingreifenden als seinen „verlängerten Arm“.342 Wenn der Eingreifende aber der Sache nach das Werkzeug des Rechtsinhabers ist, mit dem jener seinen Rechtsbereich gestaltet, wenn jener den Eingriff insbesondere auch von jedweder Bedingung abhängig machen, ihn modifizieren und gestalten kann, dann lässt sich der Normalfall der Zustimmung nicht anders umschreiben als damit, dass der Rechtsinhaber das Eingriffsgeschehen mittels seiner Zustimmung beherrscht.343 Und wer auf der anderen Seite in eine fremde Rechtssphäre eingreift, wer den Rechtsinhaber bei der Ausübung seines Rechts als „dessen verlängerter Arm“, als dessen „Werkzeug“ unterstützt, der bringt zum Ausdruck, diesen fremden Herrschaftsbereich zu respektieren, sich der Herrschaft eines anderen, dessen Bedingungen und Anweisungen unterzuordnen. Dadurch, dass sich der Eingreifende an die objektiven Vorgaben der Zustimmung hält, akzeptiert er den Herrschaftsanspruch des Sphäreninhabers.344 Beispielhaft sei der Zusammenhang zwischen der Herrschaft des Zustimmenden und der Unterordnung des Eingreifenden verdeutlicht: Derjenige, der einen Friseur beauftragt seine Haare einen Zentimeter kürzer zu schneiden und blond zu färben, der kann erwarten und wird in der Realität darin bestätigt, dass sich der Friseur an die Vorgaben hält und sie nicht zehn Zentimeter kürzt und zur grünen Farbe greift. Genauso verhält es sich mit der Erwartung, dass der Gartenbauer die Hecke wie beauftragt stutzt und nicht den Baum fällt. Und wer den Masseur zu einer Thai-Massage beauftragt, der 341  Siehe

dazu oben S. 293. zur Metapher des verlängerten Arms: Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 146; ders., Einwilligung, S. 245. So auch Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 162; ders., AT, § 12 Rn. 4; M.-K. Meyer, Autonomie, S. 149; Mitsch, Rechtfertigung, S. 535; Pawlik, Unrecht, S. 222. 343  Diese Entscheidungshoheit erkennt auch Pawlik, Unrecht, S. 222. 344  Ähnlich auch Rönnau, Willensmängel, S.  246 f. 342  Siehe

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darf und muss sich sicher sein, dass seine Anweisung befolgt wird und er keine Tantra-Massage erhält. Wer sich also bildlich gesprochen in die Hände eines anderen begibt, dem bleibt als einziges die Entscheidungsmacht darüber übrig, was diese Hände unternehmen sollen. Könnte der Zustimmende nicht darauf vertrauen, dass seine Anweisungen befolgt werden, würde jener seine Zustimmung nicht erteilen und sich nicht in die Hände eines anderen begeben. Und der Eingreifende respektiert in all diesen Fällen jene Entscheidungsmacht; und das noch nicht einmal aus einer ethisch-wertvollen oder altruistischen Geisteshaltung heraus, sondern es entspringt einer rationalen Geschäftspolitik, ja es ist den genannten Dienstleistungen wesensimmanent. Dass der Kunde bekanntlich König ist, hat insoweit einen wahren und dogmatisch verwertbaren Kern. Nach Ansicht dieser Arbeit ist die Entscheidungsherrschaft der zentrale Leitgedanke, um die Verantwortungsbereiche zwischen Eingreifendem und Zustimmenden angemessen zu verteilen. Die zu untersuchende Frage ist, ob trotz unwirksamer Zustimmung dennoch von einer Herrschaft des Rechtsinhabers auszugehen ist oder ob sie in den Händen des Eingreifenden liegt. Das von dieser Arbeit vorgeschlagene Kriterium der Herrschaft darf nicht mit dem der Tatherrschaft verwechselt werden, welche die Strafrechtslehre für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme verwendet.345 Da­ rauf kann es schon allein deshalb nicht ankommen, weil diese faktisch gerade beim Eingreifenden liegt, der ja das Geschehen tatsächlich in den Händen hält. Herrschaft in dem hier interessierenden Kontext reicht jedoch über eine bloße faktische Betrachtungsweise hinaus, geht es doch um eine wertende Betrachtung der Verantwortungssphären.346 Daher sollte besser im vorliegenden Kontext von einer Entscheidungsherrschaft gesprochen werden.347 Wichtig ist auch, dass aus der Feststellung, der Rechtsinhaber habe keine Herrschaft ausgeübt, nicht abgeleitet werden kann, dass damit zugleich die Herrschaft in den Händen des Eingreifenden lag. Freilich kann der Eingreizur Tatherrschaftslehre Roxin, AT II, § 25 Rn. 27 ff. Kindhäuser, Rudolphi-FS, S. 135, 141: Das Kriterium der Tatherrschaft sei erheblich, wenn man es „in einen normativen und sinngebenden Kontext einbettet und nicht schon das bloße Faktum zum Maßstab nimmt“. 347  Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 38 f., 64 kommt – wenn auch weder thematisch, da er sich nicht mit Zustimmung, sondern mit der Selbstverantwortung des Opfer beschäftigt, noch in der Ausführlichkeit, noch in der ausdifferenzierten Ausarbeitung – dem Verständnis dieser Arbeit recht nahe, wenn er die Kriterien von „Entscheidung“ und „Herrschaft“ in den Mittelpunkt rückt und als entscheidend ansieht, dass „das Opfer auch beim Vorliegen von Willensmängeln um die Herrschaft über den entscheidenden Handlungsvollzug weiß und ihn jedenfalls abbrechen kann“. Freilich will er wohl seine Ausführung zur eigenverantwortlichen Selbstschädigung nicht auf Einwilligung und Einverständnis übertragen, welche sich ihm zufolge unterscheiden würden. 345  Vgl.

346  Ähnlich



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fende jedenfalls dann keine Herrschaft inne halten, wenn diese beim Rechtsinhaber liegt; diese Aussage kann sehr wohl getroffen werden. Welche weiteren Ergebnisse sich aus der Anwendung des Herrschaftsprinzips ergeben bzw. begründet werden können, untersucht die Arbeit nachfolgend für die verschiedenen Defizite.

II. Konstitutionelles Defizit – Zustimmungsunfähigkeit In Fällen der Zustimmungsunfähigkeit – konstitutionelle Defizite – fällt die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche am leichtesten: Wem die Fähigkeit abgesprochen wird, selbstbestimmt seine Rechte auszuüben, der kann auch nicht die entsprechende Rechtssphäre beherrschen, dem kann normativ entsprechend keine Verantwortung zugeschrieben werden. Wer den Eingriff trotz konstitutionellen Defizits des Rechtsinhabers dennoch vornimmt und auch keine Zustimmung eines Vertretungsbefugten hat, der beherrscht das Eingriffsgeschehen, weil der Rechtsinhaber keine Herrschaft ausüben kann und Vertretungsberechtigte die Herrschaft auch nicht ersatzweise ausüben. Ein Ausschluss der Verantwortung des Eingreifenden ist nur unter dem ­Gesichtspunkt fehlender subjektiver Zurechenbarkeit möglich, wenn er die Umstände, die das konstitutionelle Defizit begründen, nicht erkannt hat und auch nicht hätte erkennen können. Letzterer Gesichtspunkt wäre gesondert im Rahmen einer etwaigen Fahrlässigkeit zu prüfen.

III. Kognitives Defizit – Irrtum Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche für die Fälle kognitiver Defizite fällt hingegen überaus komplex aus, weshalb sich wohl die Strafrechtslehre gerade hiermit intensiv beschäftigt hat. Sie sind der Kernbereich der „Willensmängel“-Problematik. Bevor der Lösungsansatz der Arbeit vorgestellt wird, werden die bisherigen Lösungsansätze der Strafrechtswissenschaft in den Blick genommen. Eine jedes Detail nachzeichnende Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, sodass es vor allem um die wesentlichen Kerngedanken geht und wie sie eventuell für diese Arbeit fruchtbar zu machen sind bzw. weshalb sie die Vorzüge dieser Arbeit belegen. 1. Die bisherigen Lösungsansätze Es lassen sich drei größere Strömungen an Lösungsansätzen der Strafrechtslehre beschreiben, wobei die Beschreibung dadurch erschwert wird, dass diese drei Strömungen zwei verschiedene Richtungen aufweisen und

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nicht immer ganz klar ist, in welche Richtung welche Strömung fließen will. Die zwei Richtungen sind klar: Die eine führt zu einem möglichst weit gesteckten Wirksamkeitshindernis infolge von Irrtümern – nach Ansicht der Arbeit also zu einem möglichst weit gesteckten Verantwortungsbereich des Eingreifenden –, die andere grenzt diese Unwirksamkeitsgründe – und damit den Verantwortungsbereich des Eingreifenden – mehr oder weniger stark ein. Wenn es nun um die Einordnung der drei verschiedenen Strömungen geht, so fällt das für zweien von ihnen noch recht einfach: Die sog. Lehre der uneingeschränkten Unwirksamkeit erblickt in jedem Irrtum ein Wirksamkeitshindernis und würde damit stets eine Verantwortung des Eingreifenden bejahen. Demgegenüber steht die Ansicht von Arzt und seinen Anhängern, die sich für eine Einschränkung eines solchen Wirksamkeitshindernis ausspricht, und zwar mittels des Kriteriums der Rechtsgutsbezogenheit des Irrtums.348 Diese Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit würde also den Verantwortungsbereich des Rechtsinhabers weiter und den des Eingreifenden enger ziehen. Schließlich lässt sich noch eine dritte Strömung finden und aus ihr erwächst die Komplexität. Sie argumentiert mit einem Topoi, zu dem die Arbeit ihre kritische Haltung bereits Ausdruck verliehen hat. Dennoch ist darauf einzugehen unumgänglich, weil diese Strömung mittlerweile die Hauptwasserader ist, der die „Willensmängel“-Diskussion ihre Lebenskraft verdankt: Die Autonomie des Opfers. Mit ihr zu argumentieren erhöht die Komplexität der Diskussion dadurch, dass es weder gelingt, die ihr zugrunde liegenden Prinzipien und Kriterien herauszustellen, noch überhaupt die Richtung vorzugeben, in welche sie steuert. a) Lehre der uneingeschränkten Unwirksamkeit Die älteste – und anscheinend wieder modern gewordene349 – Lehre ist die der uneingeschränkten Unwirksamkeit der Zustimmung im Falle des Vorliegens eines „Willensmangels“.350 Auf den ersten Blick scheint das mit der hier vertretenen Konzeption übereinzustimmen. Allerdings nur auf den ersten 348  Siehe

dazu oben S. 144 ff. zu dieser Einschätzung auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 198. 350  Heute vertreten von: Heinrich, AT, Rn. 469 m. w. N. in Fn. 57; Mitsch, Rechtfertigung, S. 544; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 26. Vgl. aus der älteren Literatur: Baumann / Weber, AT, 9. Aufl., S. 325 f.; Bockelmann, AT, S. 106; Maurach / Zipf, AT I, 6. Aufl., § 17 Rn. 59; Stratenwerth, AT, 3. Aufl., Rn. 382. Einige Autoren weisen jedoch auf die Unbeachtlichkeit des „Irrtums im Motiv“ hin, so etwa Blei, AT I, S.  135 f. und Hirsch, LK-StGB, 10. Aufl., Vor § 32 Rn. 119, 121, der in dieser Auflage den Motivirrtum grundsätzlich als unbeachtlich einordnet; anders jedoch Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 122, der grundsätzlich in einem nicht täuschungsbedingten Irrtum kein Wirksamkeitshindernis erblickt. 349  Vgl.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche325

Blick: Denn entscheidend ist, dass nach dieser Lehre gerade nicht in einem zweiten Schritt eine Abgrenzung von Verantwortungsbereichen stattfindet. Wenn ein Irrtum vorliegt, dann führt dieser zur Unwirksamkeit der Zustimmung und der Eingreifende trägt die Verantwortung für den Eingriff. Ein Ausschluss der objektiven oder subjektiven Zurechnung scheidet von vornherein aus. Neben dieser strengen Variante wird auch nach der Zuständigkeit für den Irrtum differenziert:351 Handelt es sich um einen eigenerzeugten Irrtum, so ist die Zustimmung wirksam; nur bei Täuschungen ist die Zustimmung unwirksam. Übersetzt in die hier vertretene Konzeption trägt der Täter also nur dann die Verantwortung für kognitive Defizite, wenn er sie selbst hervorgerufen hat. Die Unterscheidung zwischen eigenerzeugten und durch Täuschung hervorgerufenen Irrtümern ist also eine erste maßgebliche – und weitgehend anerkannte – Weichenstellung für die Unwirksamkeit der Zustimmung bzw. Zurechenbarkeit des Eingriffs. Die eigentliche Frage, um deren Beantwortung sich die Diskussion in der Wissenschaft kreist, ist diejenige, ob wirklich jede Täuschung zur Unwirksamkeit bzw. Verantwortungslast des Täters führt oder nicht doch Einschränkungen geboten sind. So gesteht dann auch Roxin dieser Ansicht zwar zu, dass eine durch Täuschung beeinflusste Zustimmung gerade keine Handlungsfreiheit bekundet, sondern das Produkt einer Manipulation ist. Die Freiheit der Entscheidung dürfe nicht durch außerhalb von der Sache liegende Einflüsse genommen werden. Jedoch hänge die Gültigkeit dieses Grundsatzes davon ab, ob wirklich jede einwilligungsmotivierende Täuschung die Selbstbestimmung aufhebe.352 Neben der Frage, ob jede Täuschung des Eingreifenden in dessen Verantwortungsbereich fällt, ist eine nicht minder wichtige, aber etwas im Schatten stehende Frage, ob umgekehrt der Eingreifende von jeder Verantwortung befreit sein soll, wenn ein eigenerzeugter Irrtum des Rechtsinhabers vorliegt. b) Lehre der autonomen Entscheidung Die diesem weit gezogenen Unwirksamkeitshindernis entgegentretende und von Arzt begründete Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit353 befindet sich, nachdem sie einige Jahre in der Diskussion herrschend war, mittlerweile auf dem Rückzug, seit dem eine sich mit verschiedenen Nuancen entwickelnde Ansicht vordringt, die hier aufgrund ihres gemeinsamen Nenners zusammenfassend als Lehre der autonomen Entscheidung bezeichnet werden soll. Eine vollständige Rückkehr zur Lehre der uneingeschränkten Unwirk351  Siehe

dazu bereits oben S. 318 f. Noll-GS, S. 275, 276 f. 353  Siehe dazu oben S. 144 ff. 352  Roxin,

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samkeit der Zustimmung soll mit ihr nicht verbunden sein.354 Dennoch geht die Tendenz unverkennbar hin zu einer stärkeren Ausweitung der zur Unwirksamkeit der Zustimmung führenden Gründe. Die verschiedenen Nuancen dieser Ansicht ergeben sich vor allem daraus, dass die Anforderungen an die Autonomie verschieden definiert werden. Mit jener Anknüpfung an die Autonomie lässt sich eigentlich so ziemlich jedes Ergebnis vertreten. Selbst die Anhänger der Arztschen Lehre stellen zum Teil auf die Autonomie als entscheidendes Merkmal ab. Insbesondere M.-K. Meyer hebt den Autonomiebegriff hervor: Die Einwilligung versteht sie als „Willensäußerung des Rechtsgutsträgers, das Rechtsgut aufzugeben, […] freizugeben“, der dadurch „seine Handlungsfreiheit realisiert“. Deshalb gehe es „um Fragen nach der Realisierung der Handlungsfreiheit des Rechtsgutsträgers“, woran es in Fällen eines erheblichen Irrtums fehle.355 Und wann ein Irrtum erheblich ist, das bestimmt M.-K. Meyer anhand ihrer Fallgruppen zur Rechtsgutsbezogenheit.356 Unter Rückgriff auf die Autonomie lässt sich also sogar die Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit und ihre einseitig täterbegünstigenden Aussagen begründen. Umgekehrt kann mit der Autonomie auch eine einseitig täterbelastende Argumentation aufgebaut werden. So ist etwa nach Otto die Autonomie bei jeder Art der Täuschung verletzt, gleichgültig ob sie nun rechtsgutsbezogen oder auf den Grund der Preisgabe bezogen ist. Autonomie betreffe nämlich keineswegs in erster Linie das Wissen um das, was man tue, sondern auch das Wissen über das Warum einer Handlung. Autonom seien die Handlungen, die in der Autonomie des Handelnden ihren Grund haben. Deswegen sei jede Verfälschung über das Warum einer Handlung durch heteronome Einflussnahme schädlich.357 Indem er „mit dem strafrechtlichen Schutz der Autonomie ernst gemacht“ hat,358 bewegt sich Otto letztlich auf denselben Pfaden, die schon die Lehre von der uneingeschränkten Unwirksamkeit vorgab und die auch Amelung beschreitet, der freilich den Weg an dieser Stelle nicht als beendet, sondern das entscheidende Teilstück erst als eröffnet ansieht.

354  Vgl. etwa Roxin, Noll-GS, S. 275, 281: „Das bedeutet keine Rückkehr zu der ursprünglichen Auffassung, wonach jede Täuschung die Wirksamkeit der Einwilligung hindert.“ 355  M.-K. Meyer, Autonomie, S.  152 f. 356  M.-K. Meyer, Autonomie, S.  167 ff. 357  Otto, Geerds-FS, S. 603, 615 f. Interessanterweise führt ihn Roxin als Anhänger seiner eigenen Ansicht auf, obwohl ein grundlegend anderes Autonomie- und Einwilligungsverständnis besteht, AT I, § 13 Rn. 99 m. Fn. 158. 358  Otto, Geerds-FS, S. 603, 616.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche327

Ein sehr weites Verständnis der Autonomie und eines diesbezüglichen Defizits legt auch Mitsch zugrunde. Der Rechtsgutsinhaber dürfe „zu einer gegen seine Rechtsgüter gerichteten Tat aus beliebigen Erwägungen erteilen oder verweigern“. Was der hinter diesen Erwägungen stehende „soziale Sinn“ sei, „ist rechtlich gleichwertig und daher als Ansatzpunkt für rechtliche Ungleichheiten ungeeignet“. Deshalb sei es auch egal, ob der Berechtigte mit seiner Zustimmung „eine hochwertige karitative Leistung erbringen will oder hedonistisch nach einem ‚niederen‘ Genußerlebnis strebe“. Eine Zustimmung sei im einen wie im anderen Falle unwirksam. Es widerspräche dem Bevormundungsverbot, die „persönlichen Sinngebungen […] nach Maßgabe der sozialen Wertschätzung in zwei Klassen einzuteilen und den Strafrechtsschutz von der einen abzuziehen“.359 Der Vorwurf einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in Bezug auf die Einwilligungsmotive richtet sich gegen Roxin und seine Fallgruppenbildung.360 Dessen Lehre wird auch als normative Autonomietheorie361 bezeichnet und ist als eine Art Gegenentwurf362 zur Arztschen Lehre zu verstehen. Für Roxin ist die entscheidende Frage, ob die Rechtsgutspreisgabe noch als Ausdruck der Autonomie und der freien Verfügungsgewalt angesehen werden darf.363 Sofern durch die Täuschung Art und Ausmaß der Rechtsgutspreisgabe betroffen sei, so beziehe sich die Einwilligung auf eine solche Art der Rechtsgutverletzung überhaupt nicht. Dabei gehe es im eigentlichen Sinne jedoch gar nicht um die Unwirksamkeit der Einwilligung, sondern um deren Fehlen. Sofern die Täuschung die versprochene Gegenleistung für die Rechtsgutspreisgabe betreffe, die der Täter nicht erbringen wolle, so sei diese Täuschung grundsätzlich unerheblich für die Wirksamkeit. Wer einen gegenseitigen Vertrag abschließe, gehe immer das Risiko der Nichterfüllung ein. Die Gefährdung des Erfüllungsanspruchs werde durch Betrug sanktioniert. Die Interessen des Getäuschten seien vollkommen durch die freie Widerruflichkeit der Einwilligung geschützt.364 Sofern jedoch mit der Rechtsgutspreisgabe ein altruistischer Zweck verfolgt werde, den der Täter von vorn­ herein verhindern wolle, so sei die Straflosigkeit unangemessen und die 359  Mitsch,

Rechtfertigung, S. 530 ff. Rechtfertigung, S. 524 f. 361  So bei Hillenkamp / Cornelius, Probleme, S. 62. 362  Allerdings sollte der Begriff „Gegenentwurf“ nicht in dem Sinne falsch verstanden werden, dass die Autonomietheorie nicht auch auf Aussagen der Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit zurückgreift, was sie vielmehr sogar tut. Ein Gegenentwurf ist sie aber insoweit, als dass die durch den Rechtsgutsbezug eng gezogenen Unwirksamkeitsgrenzen wieder erweitert werden. Und diese Erweiterung wird eben unter Rückgriff auf den Autonomiegedanken versucht zu erreichen. 363  Roxin, Noll-GS, S. 275, 281, 284; ders., AT I, § 13 Rn. 99. 364  Roxin, Noll-GS, S. 275, 283 ff.; ders., AT I, § 13 Rn. 99 ff. 360  Mitsch,

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Einwilligung daher als unwirksam anzusehen. Das freie und selbstlose Opfer werde in eine sinnlose Schädigung umfunktioniert und die Zweckerreichung sei im Gegensatz zur ausbleibenden Gegenleistung endgültig ausgeschlossen. Die Einwilligung sei in diesem Fall nicht Ausdruck von Autonomie, sondern von Fremdbestimmung. Das gleiche Ergebnis bestehe, sofern mit der Rechtsgutspreisgabe das Ziel einer vorgeblich zu erreichenden Schadensabwendung verfolgt werde. Wer Eingriffe in seine Rechtssphäre gestatte, um von anderen Schaden abzuwenden, handele ebenso altruistisch. Die Vortäuschung eines Unheils werde benutzt, um den Getäuschten in eine psychische Zwangslage zu bringen, die derjenigen einer unter Drohung erfolgten Nötigung entspreche.365 Unerheblich seien jedoch wiederum Täuschungen über motivationsrelevante Begleitumstände oder Erwartungen, deren Erfüllung nicht vom Täter abhingen.366 Dieser Fallgruppenbildung wird nun zwar attestiert, durchaus „in eine richtige Richtung“ zu weisen, aber zugleich und zu Recht kritisiert, dass das „entscheidungsleitende Kriterium“ für die Auswahl der Fallgruppen „undeutlich“ bleibe. Auch seien innerhalb der Fallgruppen Abgrenzungen kaum zu präzisieren.367 Vor allem aber muss die Frage gestellt werden – und auf diesem Wege gelangt man zur Kritik von Mitsch zurück –, was diese Fallgruppen eigentlich mit der Autonomie zu tun haben sollen. Wie soll das Vorliegen einer autonomen Entscheidung davon abhängen, ob sie durch altruistische Motive bestimmt wurde oder nicht? Dahinter stehen letztendlich Billigkeitserwägungen, ein im Ergebnis vielleicht sogar zutreffendes Gerechtigkeitsempfinden. Aber mit Autonomie hat das wenig bis gar nichts zu tun; und daran ändert sich auch nichts, stellt man das Adjektiv „normativ“ voran. Ebenfalls einen normativen Autonomiebegriff vertritt Rönnau, wobei er das Merkmal der Normativität – anders als Roxin – nicht auf die genannten Fallgruppen aufbaut, sondern allgemeingültiger vorzugehen versucht. So lässt nach seiner Ansicht ein schlichter Irrtum die Wirksamkeit der Zustimmung „unberührt“. Die Zustimmung sei trotz des Irrtums als autonom einzuordnen. Auf Irrtümer beruhende Zustimmungen seien „dem – in einem weiteren Sinne verstandenen ‚allgemeinen Lebensrisiko‘ zuzuschlagen, mit dem jede Person selbst fertig werden muß“.368 Als Begründung wird nachgeschoben, dass „zur Freiheit als Kehrseite der Selbstbestimmung auch die Selbst365  Roxin, Noll-GS, S. 275, 285 ff.; ders., AT I, § 13 Rn. 104 ff.; dem folgend: Jescheck / Weigend, AT, S. 383. 366  Roxin, Noll-GS, S. 275, 288 ff.; ders., AT I, § 13 Rn. 101. 367  Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 29; so auch Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 199. 368  Rönnau, Willensmängel, S. 221.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche329

verantwortung“ gehöre.369 Der Zustimmende sei „für die Entscheidungsbasis, aufgrund derer er die Zwecke seines Gutseinsatzes definiert, zunächst einmal selbst verantwortlich“.370 Und noch klarer: „Auto­nomie als normativer Begriff schließt […] immer auch die Risikotragung durch die entscheidende Person mit ein.“371 Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn der Irrtum dem Täter zugerechnet werden könne. Von einer solchen Zurechnung geht Rönnau aus, „wenn Irrtümer durch Täuschung erzeugt werden oder die Aufklärung des Irrtums unter Verstoß gegen eine (Garanten-)Pflicht ausbleibt“.372 Eine weitere Ausnahme betrifft nach seiner Ansicht „überlegenes Sachwissen“ des Eingreifenden: Kenne dieser den Irrtum des Zustimmenden, müsse er entweder den Zustimmenden auf seinen Irrtum hinweisen oder zumindest Abstand vom Eingriff nehmen. Das gilt nach Rönnau jedoch nur für rechtsgutsbezogene Irrtümer, wenn also „der Einwilligende sich unzutreffende Vorstellungen darüber macht, was er überhaupt preisgibt“.373 Das überrascht nun: Rönnau gehört nämlich ebenfalls zu den Autoren, die meinen, dass im Falle eines rechtsgutsbezogenen Irrtums schon gar keine Zustimmung für den Eingriff vorliegt. Wie sollte es jetzt also doch auf die Wirksamkeit der Zustimmung, auf das Vorliegen einer autonomen Entscheidung und die Frage des Rechtsmissbrauchs kraft überlegenen Sachwissens ankommen? All diese Aspekte sind für die Lösung unerheblich: Eine Zustimmung scheidet als Strafausschließungsgrund aus und wenn der Eingreifende vom Irrtum Kenntnis hat, dann handelte er auch vorsätzlich. Das von Rönnau aufgeführte überlegene Sachwissen ist also ein Umstand, der einen denkbaren Vorsatzausschluss des Eingreifenden nach § 16 I StGB ausschließt. Mit der Autonomie des Rechtsinhabers, seiner Eigenverantwortung oder angemessenen Risikoverteilung hat das aber nichts zu tun. 2. Die Lösung nach eigener Ansicht Für die Lösung nach eigener Ansicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es zwar richtig ist, Differenzierungs- und Wertungskriterien herauszuarbei369  Rönnau, Willensmängel, S. 223; vgl. auch ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 169 m. w. N. in Fn. 691. Vgl. zur Korrespondenz von Selbstbestimmungsrecht und Selbstverantwortung auch: Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54; Geilen, Einwilligung, S. 29, 101 m.  Fn. 256; Pawlik, Unrecht, S. 219 f., 234; Stief, Einwilligungsfähigkeit, S. 8; Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 20. Ähnlich auch Jakobs, AT, 7 / 120: Der Gutsinhaber als Verwalter seines Organisationskreises sei originär zuständig für diese Sphäre und damit auch für Organisationsfehler. 370  Rönnau, Willensmängel, S. 415. 371  Rönnau, Willensmängel, S. 226. 372  Rönnau, Willensmängel, S. 221. 373  Rönnau, Willensmängel, S. 414.

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ten, aber dass die von der überwiegenden Strafrechtslehre vorgeschlagene Unterscheidung zwischen rechtsgutsbezogenen Irrtümern, Motivirrtümern und Irrtümern über Begleitumstände abzulehnen ist. Insbesondere die Arztsche Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit geht mangels ihres fehlenden Bezugspunkts zu der „Willensmängel“-Problematik fehl – und damit auch für die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Zustimmendem und Eingreifendem. Auf welche Irrwege diese Differenzierung führt, wenn sie mit weiteren Kriterien kombiniert wird, ist bei Rönnau zu verzeichnen: Nach seiner Ansicht hängt die Wirksamkeit der Zustimmung davon ab, dass eine autonome Entscheidung zugrunde liegt. Weshalb eine autonome Entscheidung nun aber davon abhängen soll, ob eine rechtsgutsbezogene oder eine sonstige Fehlvorstellung zugrunde liegt, insbesondere für Fälle überlegenen Wissens des Eingreifenden,374 bleibt unerfindlich. Den Leitgedanken für die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche hat die Arbeit mit der Entscheidungsherrschaft bereits formuliert. Es bleibt zu untersuchen, welche Ergebnisse und Begründungen sich daraus für die kognitiven Defizite ergeben und wie sich diese mit den bisherigen Ansätzen der Lehre vertragen. a) Differenzierung nach Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungsherrschaft Nach der Zuständigkeit für den Irrtum zu differenzieren, also zu fragen, ob das kognitive Defizit durch den Rechtsinhaber selbst erzeugt oder durch den Eingreifenden mittels Täuschung hervorgerufen wurde,375 kann allenfalls ein erster Anhaltspunkt sein. Wer in einem ersten Schritt feststellt, dass die Verantwortung für die Folgen eines Irrtums derjenige zu tragen hat, aus dessen Sphäre der Irrtum stammt, trifft keine unvertretbare Aussage, solange nicht bei diesem ersten Schritt stehen geblieben wird. Liegt der Irrtum beim Rechtsinhaber selbst, so trägt er auch grundsätzlich die Verantwortung.376 Umgekehrt trägt der Eingreifende grundsätzlich die Verantwortung, wenn er den Irrtum mittels Täuschung hervorgerufen oder einen bestehenden Irrtum 374  Rönnau,

Willensmängel, S.  414 ff. dazu oben S. 318 ff. 376  So auch ausdrücklich Zipf, ÖJZ 1977, 379, 381 f.; vgl. für die Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungssinns ders., Einwilligung, S. 48 f. Anders argumentieren Paeffgen / Zabel, NK-StGB, § 228 Rn. 31, denen zufolge „dem Täter (EinwilligungsEmpfänger) das Orientierungsrisiko zuzuweisen“ ist: Es sei „Sache des Erklärungsempfängers und allfälligen Täters, sich über die Stichhaltigkeit des Präferenz-Entscheidung des Einwilligenden und späteren ‚Opfers‘ zu orientieren“, denn der Täter intendiere schließlich ein strafbewährtes Verbot zu überscheiten und greife damit „in eine der anderen Rechtsperson zugewiesene Sphäre hinein, deren Wertsystem und […] Motive er nicht genau kennt und gar nicht genau kennen kann“. 375  Siehe



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche331

des Zustimmenden als Garant nicht aufgeklärt hat. Die Zuständigkeit für den Irrtum ist aber nur ein erster Anhaltspunkt, nach ihr zu fragen nur ein erster Schritt, bei dem nicht stehen geblieben werden darf. Während nicht jede Täuschung zur Verantwortung des Eingreifenden führen kann, kann umgekehrt nicht allein der Umstand der Selbsterzeugung durch den Berechtigten den Eingreifenden von jeder Verantwortung befreien. Es sind Konstellationen denkbar, in denen zu anderen Ergebnissen gelangt werden muss. Wichtig für diesen zweiten Schritt ist eine jeweils unterschiedliche Vorgehensweise der Verantwortungszuschreibung. Liegt ein eigenerzeugter Irrtum des Rechtsinhabers vor, so ist zu untersuchen, ob ein Umstand vorliegt, der eine Verantwortung des Eingreifenden positiv begründet. Liegt umgekehrt eine Täuschung des Eingreifenden vor, so ist auch umgekehrt danach zu fragen, ob ein Umstand vorliegt, der seine Verantwortung negativ ausschließt. Während sich zwar die jeweiligen Umstände aus dem tatsächlichen Sachverhalt ergeben, so sind die daraus zu folgernden Wertungskriterien normativer Natur. aa) Verantwortungsverteilung kraft Zuständigkeit Dass der Rechtsinhaber für eigenerzeugte Irrtümer grundsätzlich die Verantwortung trägt, scheint in der wissenschaftlichen Diskussion weitgehend anerkannt. Die dafür vorgetragene Begründung lässt sich plastisch als „Medaillen“-Theorie bezeichnen: Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer selbstbestimmt in einer ihm eingeräumten Sphäre entscheiden darf, der muss auch die Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen tragen. Neben diesem Gleichlauf von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ist zu erkennen, dass es bei Irrtümern aus der Sphäre des Zustimmenden an jedem Umstand fehlt, um eine Verantwortung des Täters positiv zu begründen. Allein die Vornahme des Eingriffs an sich käme in Betracht. Es ließe sich mit ähnlichem Begründungsmuster wie bei der „Medaillen“-Theorie sagen, jeder müsse die Verantwortung für sein Handeln tragen, also auch der Eingreifende für seinen Eingriff. Eine solche Begründung würde jedoch den Kontext der Zustimmung außer Betracht lassen. Zum einen geht es nämlich um die Verantwortung für den Rechtseingriff. Dann aber kann das Abstellen darauf, wer den Eingriff vorgenommen hat, kein tauglicher, weil keine Differenzierung ermöglichender Anknüpfungspunkt sein. Denn den Eingriff nimmt natürlich immer der Eingreifende vor. Zum anderen ist zu sehen, dass eine objektive – wenn auch wegen Irrtums unwirksame – Zustimmung vorlag, der Zustimmende also ebenfalls eine Handlung vorgenommen hat, für die er die Verantwortung tragen muss, nämlich die objektive Kundgabe seiner Zustimmung.

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Soweit es um die Verantwortlichkeit aufgrund der Vornahme einer Handlung geht, liegt also gewissermaßen ein Gleichstand vor. Nur gewissermaßen aber, denn im Normalfall der Zustimmung nimmt der Eingreifende den Eingriff nur und erst aufgrund der Zustimmung vor. Das Handeln des Eingreifenden folgt chronologisch dem des Zustimmenden nach und steht qualitativ in Abhängigkeit davon. Der Eingreifende ordnet sich dem Zustimmenden unter, er respektiert dadurch, dass er sich an die objektiven Vorgaben der Zustimmung hält, den Herrschaftsanspruch des Sphäreninhabers.377 Wer sich also an die objektiven Vorgaben der Zustimmung hält, selbst wenn diese irrtumsbehaftet sind, der erbringt seinen eigenen Beitrag in Abhängigkeit und unter Achtung der fremden Rechtssphäre. Ein solch sich unterordnender Beitrag kann nicht herangezogen werden, um normativ die Verantwortung demjenigen zuzuschreiben, der ihn erbringt. Es bedürfte anderer Umstände, um die Verantwortung zu begründen. Umgekehrt fällt die Begründung der Verantwortlichkeit des Eingreifenden im Falle seiner Täuschung aus. Wenn er den Rechtsinhaber täuscht, dann lässt sich schwerlich davon sprechen, dass der Rechtsinhaber die Herrschaft über das Geschehen inne hat. Vielmehr ist der Eingreifende der Herrscher über das Geschehen, er steuert es.378 Diese Herrschaft gründet sich vor allem auf drei Umstände. Zunächst liegt im Falle einer Täuschung nicht nur eine einfache Fehlvorstellung des Rechtsinhabers vor, sondern er unterliegt gleich mehreren Irrtümern: Zum einen über den Gegenstand der Täuschung selbst, zum anderen aber auch über die Tatsache, dass er getäuscht wird.379 Mitsch spricht plastisch von einer „Täuschung über die Täuschung“380 und Hirsch vom Zustimmenden, dem „die Einflussnahme auf die Motivation nicht bewusst wird“381. Dieser Aspekt ist für sich genommen aber gar nicht ausschlaggebend, denn auch bei einem schlichten, nicht durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum irrt sich der Zustimmende streng genommen ja auch über die Irrtumsfreiheit seiner Entscheidung. Der entscheidende Unterschied bildet aber das Verhalten des Eingreifenden: Im Falle der Täuschung weiß er vom doppelten Irrtum des Berechtigten und nutzt diesen planvoll aus. Was aber bedeutet planvoll in diesem Zusammenhang? Mitsch zufolge kommt es dem Eingreifenden gar nicht auf die Erklärung der Zustimmung an. Diese könne weder seinen Tatentschluss weauch Rönnau, Willensmängel, S.  246 f. zur dieser umgekehrten Machtverteilung auch Mitsch, Rechtfertigung,

377  Ähnlich 378  Vgl.

S.  535 f. 379  So auch Geilen, Einwilligung, S. 103; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 119; Mitsch, Rechtfertigung, S. 534. 380  Mitsch, Rechtfertigung, S. 534. 381  Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 119.



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cken, noch sein Verhalten lenken, da er den fremden, wahren Willen gerade nicht anerkennen, sondern gegen diesen Willen handeln wolle.382 Der Eingreifende täusche nicht um der Zustimmungserklärung willen, sondern um eine „widerstandslos-passive Haltung“ des Berechtigten dem Eingriff gegenüber zu erreichen, „um seine Verteidigungsbereitschaft zu lähmen“. Die vorgetäuschten Tatsachen seien „das trojanische Pferd, mit dem der Täter auf ‚sanfte‘ Art den Schutzwall des Rechtsgutsinhabers überwindet“. Indem der Täter dem Berechtigten ein Grund zur Zustimmung gebe, entziehe er diesem zugleich einen Grund zur Gegenwehr. Der Täter untergrabe dadurch die „natürliche Wachsamkeit und Abwehrbereitschaft“ des Berechtigten und versetze ihn dadurch in eine „Lage gesteigerter Schutzlosigkeit“.383 Und dieses Vorgehen führt dazu, dass der Berechtigte sich zwei weiterer Umstände nicht bewusst ist. Zunächst über eine Eigenschaft des Eingreifenden selbst: Wer die Zustimmung zum Eingriff in seine Rechtssphäre erklärt, der geht davon aus, dass der Eingreifende sich an die in der Zustimmung erklärten Voraussetzungen hält und die fremde Rechtssphäre entsprechend respektiert, sich dem fremden Herrschaftsbereich unterordnet. Wenn der Eingreifende jedoch mittels Täuschung versucht, Einlass in die fremde Rechtssphäre zu erlangen, dann respektiert er gerade nicht den fremden Herrschaftsbereich. Er ist nicht bereit sich an die ihm gesetzten Voraussetzungen und Bedingungen zu halten, sondern er versucht, seine eigenen Bedingungen und Voraussetzungen dem Berechtigten zu diktieren, aber nicht offen, sondern verschleiernd mittels Täuschung. Diese Fehlvorstellung über jene Eigenschaft des Eingreifenden, bezeichnet Mitsch treffend als „Irrtum über die Subordinationsbereitschaft“. Der Täter mache sich den Willen des Berechtigen untertan und schwinge sich selbst zum Herrn über das Geschehen auf.384 Und mit diesem Irrtum über die Bereitschaft des Eingreifenden sich vermeintlich unterzuordnen, hängt der weitere Irrtum des Berechtigten zusammen: Er hat eine fehlerhafte Vorstellung von der Rollenverteilung zwischen ihm und dem Eingreifendem. Mitsch beschreibt das plastisch: Der Berechtigte nehme irrig an, der Eingreifende würde als sein „verlängerter Arm“ agieren, während er sich in Wahrheit „wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden hängend“ nach dem Willen des Täters bewege.385 Amelung umschreibt das in ähnlicher Weise, wenn er sagt, dass der „Täuschende sich zum Herrn über die Einwilligung aufwirft“, dass er „nicht erst den „rechtsgutsverletzenden Eingriff, sondern bereits das Zustandekommen der Eingriffserlaubnis“ 382  Mitsch,

Rechtfertigung, Rechtfertigung, 384  Mitsch, Rechtfertigung, 385  Mitsch, Rechtfertigung, 383  Mitsch,

S. 540 f. S. 543; ähnlich auch für die Drohung, S. 589 f. S. 536. S. 535.

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beherrsche und sich das „Wertsystem des Einwilligenden zunutze macht“ und diesen manipuliere.386 Die drei zusätzlichen Fehlvorstellungen sind es nach Ansicht der Arbeit, die die Herrschaft des Eingreifenden über das Geschehen maßgeblich begründen. Wer aber die Herrschaft inne hält, der trägt auch die Verantwortung. Wenn der Normalfall der Zustimmung durch die Respektierung der fremden Rechtssphäre durch den Eingreifenden gekennzeichnet ist, es aber an dieser Respektierung fehlt, mehr noch eine bewusste Missachtung, ja sogar Manipulation vorliegt, dann besteht eine erhebliche Abweichung vom Normalfall und der Eingreifende trägt die Verantwortung. bb) Verantwortungsverteilung kraft Schutzzweck Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Verantwortung des Eingreifenden trotz Täuschung nicht dennoch ausgeschlossen sein kann. Im Falle einer Täuschung erscheint ein Ausschluss der subjektiven Zurechnung ausgeschlossen: Jemanden zu täuschen, ohne zu erkennen, jemanden zu täuschen, dürfte schwer vorstellbar sein. Wohl deshalb hält Amelung vor allem die „objektiven Zurechnungsgrenzen“387 für relevant. So solle die Verantwortung ausgeschlossen sein, wenn eine Täuschung über die Person des Eingreifenden vorliege, aber der tatsächlich Eingreifende über die gleiche Qualifikation wie der vorgetäuschte verfüge.388 Das gleiche gelte auch in dem Fall, dass einem zur Blutspende bereits Bereitwilligenden eine Bezahlung versprochen werde, das Doppelte vom üblichen Marktpreis zu bezahlen, denn hier diene die Täuschung nicht dazu den Zustimmenden zur Preisgabe des Rechtsguts zu bewegen, sondern dass er „es gerade dem Täuschenden opfert“. Dieser Fall liege nicht im Schutzbereich der Norm, da das Täuschungsverbot den Zustimmenden nur in seiner körperlichen Unversehrtheit bewahren und nicht seine ökonomischen Erwartungen schützen soll. Die „Aufopferung“ sei nur dann zuzurechnen, wenn der Eingreifende „über Fakten täuscht, die dafür maßgeblich sind, ob überhaupt das Rechtsgut aufgeopfert werden soll“.389 Amelung bringt hier mit dem Schutzbereich ein wichtiges Kriterium ins Spiel, das sich auch gut mit dem Leitgedanken der Entscheidungsherrschaft erklären lässt. Der Rechtsinhaber hat in seiner geschützten Rechtssphäre die Herrschaftsgewalt, der sich diejenigen unterordnen müssen, die in diese Rechtssphäre eingreifen wollen, diese müssen die Anweisungen des Rechts386  Amelung,

Willensmängel, Willensmängel, 388  Amelung, Willensmängel, 389  Amelung, Willensmängel, 387  Amelung,

S. 72. S. 78. S.  76 f. S. 79.



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inhabers respektieren. Die Herrschaft des Rechtsinhabers bezieht sich jedoch nur auf eine rechtlich geschützte Sphäre. Das Recht definiert also selbst die Grenzen des Schutzes und der Rechtsinhaber kann seinen Schutz nicht eigenmächtig erweitern oder einen größeren Schutz dadurch erhalten, dass der Eingriff mit einer Zustimmung verknüpft ist. Geht die Herrschaftsausübung über den Bereich hinaus, der noch dem rechtlichen Schutz untersteht, dann ist kein Grund erkennbar, warum der Eingreifende, der diese Herrschaft insoweit nicht mehr respektiert, die Verantwortung tragen soll. Die entscheidende Frage ist natürlich, was vom Schutzbereich noch erfasst wird und was nicht. Das ist umso schwieriger zu beurteilen, als dass ja immerhin ein Eingriffsbezug des Irrtums vorlag. Wichtig ist sich die Unterscheidung klar zu machen: Der Eingriffsbezug kann rein tatsächlich ermittelt werden, indem gefragt wird, ob sich der Irrtum rein faktisch auf den Eingriff, die Person des Eingreifenden, die Art und Weise des Eingriffs, Ort oder Zeit des Eingriffs bezieht. Eine normative Frage ist es jedoch, ob der Eingriff infolge des Irrtums noch den Unrechtsgehalt aufweist, den der Telos der Norm erfassen will. Falls nicht, so kann dem Eingreifenden auch keine Verantwortung für den Eingriff zugeteilt werden. Wie lässt sich nun trotz Eingriffsbezugs die Einhaltung des Schutzbereichs ermitteln? Die Arbeit schlägt hierzu vor, die Konsequenzen des Irrtums in Bezug auf Qualität und Intensität sowie auf mögliche Folgen des Eingriffs zu betrachten. Wie eine solche Betrachtung aussehen kann, kann leicht am Holzkugelbeispiel gezeigt werden,390 welches zwar als wenig Lebensnähe ausstrahlender Lehrbuchfall daher kommt, doch aufgrund seiner schlichten Anschaulichkeit in der Lage ist, entscheidende Gesichtspunkte zu illustrieren. Jedem leuchtet ein, dass das Fallenlassen einer schweren Metallkugel auf einen Fuß deutlich mehr Schmerzen verursacht und mit größeren gesundheitlichen Risiken verbunden ist, als wäre es eine vergleichsweise leichte Holzkugel. Die Eingriffsintensität ist aufgrund der verschiedenen Beschaffenheit des Eingriffsmittels eine viel höhere und infolgedessen können auf dem Eingriff beruhende Folgen gravierender ausfallen als es sich der Zustimmende vorstellt. Wer den Irrtum beschreiben will, der muss darauf abstellen: Der Irrtum bezieht sich auf eine Eigenschaft des Mittels, mit dem der Eingriff vorgenommen wird, und ist insoweit eingriffsbezogen. Mit dieser Eigenschaft ändert sich zugleich Qualität und Intensität des Eingriffs selbst. Und mit dieser Änderung nehmen auch mögliche, mit dem Eingriff verbundene Folgen eine andere Gestalt an. Insofern liegt der eingriffsbezogene Irrtum innerhalb des Schutzbereichs der Norm. 390  Siehe

dazu oben S. 147 f.

336

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Eine solche Umschreibung des Irrtums ist genauer als diejenige, für die das Holzkugelbeispiel eigentlich gebildet wurde: Die Feststellung des Vorliegens eines rechtsgutsbezogenen Irrtums. Eine solche Feststellung ist zu unpräzise als dass damit die Dogmatik sinnvoll arbeiten könnte. Wandelt man das Holzkugelbeispiel jedoch leicht ab und lässt den Eingreifenden statt einer Metall- eine Plastikkugel auf den Fuß fallen, die dasselbe Gewicht aufweist wie eine Holzkugel, so liegt zwar erneut ein eingriffsbezogener Irrtum vor, da das Eingriffsmittel ein anderes als das vorgestellte ist. Jedoch wirkt sich dieser Irrtum nicht auf die Qualität oder Intensität des Eingriffs aus: Dieser erfolgt in gleicher Weise als wäre er mittels einer Holzkugel vorgenommen worden. Die hier ausgearbeitete Umschreibung des Irrtumsgegenstands kann auch gewinnbringend auf einen anderen, auf den ersten Blick fernliegenden Fall übertragen werden: die Famuli-Entscheidung des Bundesgerichtshofs.391 Vordergründig lag ein Irrtum über die Person des Eingreifenden vor, bei genauerer Betrachtung jedoch ein Irrtum über dessen berufliche Funktion und Qualifikation. Das ist deshalb wichtig, weil der Bundesgerichtshof danach differenziert, ob es sich um einen einfachen Eingriff handelt, der auch von einem Nichtarzt hätte vorgenommen werden können, oder um einen komplizierten, für welchen es den Medizinstudenten an einer hinreichenden Ausbildung fehlen würde.392 Der Unterschied zum Holzkugelbeispiel besteht lediglich darin, dass sich der Irrtum der Patienten nicht auf das Eingriffsmittel, sondern auf denjenigen, der den Eingriff vornehmen sollte, also den Eingreifenden bezog. Die Lösung ist jedoch identisch, wenn man in das Zentrum der Betrachtung die Auswirkungen des Irrtums auf Qualität bzw. Intensität des Eingriffs stellt. Im Famuli-Fall fällt das konkret daraus gewonnene Ergebnis diesbezüglich jedoch anders aus: Der Irrtum über die Eigenschaft – famulierende Studenten statt approbierte Ärzte – war ohne Auswirkung auf Intensität oder Qualität des Eingriffs und damit auch ohne Auswirkung darauf, welche Folgen mit dem Eingriff verbunden sein könnten, denn die Studenten verfügten über dieselben, für den Eingriff erforderlichen Qualifikationen wie die Ärzte. Letztlich liegt im Famuli-Fall eine Abwandlung des Holzkugelbeispiels vor: Der Zustimmende nimmt irrig an, es handele sich um eine Holzkugel – Ärzte –, obwohl es sich in Wahrheit um eine ebenso leichte Plastikkugel – Studenten – handelt. Für den Eingriff aber, also das Fallenlassen der Kugel und den medizinischen Eingriff, spielt es keine Rolle, ob es Holz- oder Plastikkugel bzw. Arzt oder Student ist: Intensität und Qualität des Eingriffs und darauf beruhende Folgen ändern sich nicht. Würde es sich jedoch im 391  Siehe

dazu oben S. 303 f. 16, 309, 310 ff, 314 ff.

392  BGHSt



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche337

Famuli-Fall um einen Eingriff handeln, für welchen die Studenten nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügten, so läge eins zu eins die Kon­ stellation des Holzkugelbeispiels vor: Die Ärzte wären in der Analogie die Kugeln aus Holz und die Studenten die aus Metall, Qualität und Intensität des Eingriffs ändern sich mit der jeweiligen Eigenschaft des hierfür verwendeten Mittels. cc) Berücksichtigung des Interesses an der Person des Eingreifenden Beiden Beispielsfällen ist grundlegend gemeinsam, dass vor allem Qualität, Intensität und Risiken des Eingriffs eine Rolle spielen; wohlgemerkt nicht für das Vorliegen eines Irrtums an sich, sondern nur für dessen Auswirkungen in Bezug auf den Schutzbereich. Die Qualität eines Eingriffs kann sich mit einer Änderung der den Eingriff vornehmenden Person – oder des den Eingriff ausführenden Mittels – jedoch auch aus anderen Gründen verändern. Zu denken wäre etwa daran, dass der Zustimmende ein Interesse daran hat, dass wirklich nur der Eingreifende höchstpersönlich den Eingriff vornimmt, unabhängig davon, ob eine andere Person über die gleichen oder sogar bessere Qualifikationen verfügt. Bei Ärzten kann ein solches Interesse des Patienten etwa dann bestehen, wenn die Untersuchung oder Behandlung ein Eingriff in die höchstpersönliche Intimsphäre darstellt, wie es zum Beispiel im Bereich der Gynäkologie der Fall sein kann. Dort könnte auch die Vornahme des Eingriffs nicht an einen Arzt als bestimmte Person, sondern nur an einen Arzt mit einer bestimmten (nicht-medizinischen) Eigenschaft geknüpft sein: die Patientin will nur von einer Ärztin oder der Patient nur von einem Arzt behandelt werden. Auch in der psychiatrischen Betreuung kann aufgrund der besonderen Vertrauensbasis ein Interesse an höchstpersönlicher Vornahme des Eingriffs bestehen. Verlässt man den medizinischen Bereich und widmet sich dem Alltag, dann trifft man auch dort auf Interessen, die auf eine höchstpersönliche Vornahme durch den Eingreifenden gerichtet sind. Wer seine Nachbarin bittet sich während der urlaubsbedingten Abwesenheit um die Post zu kümmern, d. h. Briefe aus dem Briefkasten zu holen und gegebenenfalls auch zu öffnen und zu lesen, aber sie zugleich ausdrücklich bittet, an dieser Aufgabe nicht ihren Mann teilhaben zu lassen, weil bekannt ist, dass dieser ein „Tratschmaul“ ist, dessen Zustimmung bezieht sich allein auf die Person der Nachbarin. Täuscht diese vor, sich an die Bedingung zu halten, tauscht sich dann aber regelmäßig mit ihrem Mann über den Briefverkehr aus, so liegt ein Irrtum über die Bedingung einer höchstpersönlichen Vornahme des Eingriffs in das Briefgeheimnis vor.

338

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Ein Interesse an höchstpersönlicher Vornahme dürfte auch bei Eingriffen mit Sexualbezug vorliegen. Kommt etwa eine Frau mit ihrem Freund darin überein, ein wenig Abwechslung in ihr Sexualleben hineinzubringen, und stimmt daher zu, sich von ihm die Augen verbinden und anschließend sexuell „verwöhnen“ zu lassen, dann liegt ein Irrtum über die Person des Eingreifenden vor, wenn ihr Freund, nachdem er ihr die Augen zugebunden hat, heimlich seinen Kumpel in die Wohnung einlässt und dieser die sexuellen Handlungen ausführt, zu denen sich die Frau bereitwillig in der irrigen Annahme hingibt, es wäre ihr Freund, der sie ausführt. Es kann hier nicht nur darauf ankommen, ob sich die einzelnen Modalitäten des Eingriffs im Rahmen des Gewünschten halten und natürlich auch nicht – vergleichbar zum Famuli-Fall – ob der Eingriff vom Kumpel qualitativ gleichwertig bzw. mit gleicher Intensität wie durch den Freund vorgenommen wurde. Vielmehr hat die Frau ein Interesse daran, dass der Eingriff höchstpersönlich durch denjenigen vorgenommen wird, dem sie ursprünglich auch ihre Zustimmung erteilt hat, denn betroffen ist mit ihrer Intimssphäre eine höchstpersönliche Rechtssphäre. Auf eines ist aber auch hinzuweisen: Die dogmatische Verortung der Lösung solcher – und auch anderer für subjektive Unwirksamkeitsgründe relevanter – Fälle kann variieren, ist also von Fall zu Fall verschieden: Es kann sich um ein Problem der Auslegung handeln, d. h. um die Frage, ob der konkrete Eingriff überhaupt von der Zustimmung objektiv erfasst war. Ist das bereits nicht der Fall, dann stellt sich ein Irrtumsproblem natürlich nicht, sehr wohl kann aber auch in diesem Fall eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche erforderlich sein. Ist jedoch der Eingriff objektiv von der Zustimmung erfasst, so kommt es dann darauf an, ob er auch subjektiv von der Vorstellung des Zustimmenden gedeckt ist und falls nicht, wer die Verantwortung zu tragen hat. Neben dem Kriterium des Schutzzwecks kommt auch das der Vermeidemacht in Betracht. Es erscheint diskussionswürdig, die Verantwortung des Eingreifenden trotz seiner Täuschung in solchen Fällen zu verneinen, wo die Täuschung für den Zustimmenden offenkundig erkennbar und es für ihn damit vermeidbar war, seine Entscheidung auf eine unzutreffende Tatsachengrundlage zu stellen. Dieser Gedanke soll hier aber nur als Diskussionsanstoß aufgeworfen werden, eine endgültige Lösung auszuarbeiten, erscheint jedoch nicht leicht, da die Grenzziehung, wann offenkundige Erkennbarkeit besteht, schwierig ist und die Gefahr der Willkürlichkeit besteht. Im Zweifel sollte daher bei einer Verantwortungsverschiebung zu Lasten des Rechtsinhabers aufgrund der Vermeidemacht in Fällen von Täuschung Zurückhaltung geboten sein.



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b) Verantwortung des Eingreifenden aufgrund überlegenen Wissens Ob in Fällen von Irrtümern aus der Sphäre des Rechtsinhabers auch eine besondere Verantwortung des Eingreifenden besteht, der keine Garantenstellung inne hat, ist umstritten. Muss derjenige, der den Irrtum des Rechtsinhabers erkennt, den Irrtum aufklären und vom Eingriff absehen oder darf er den Irrtum zum Eingriff ausnutzen?393 Rönnau bringt zur Illustrierung solcher Fälle des „Wissensvorsprungs“ zwei Beispiele: Im ersten Fall reinigt B auf Bitten von A dessen wertvolle Bronzebüste, obwohl er erkennt, dass der von A gereichte Lappen mit einem scharfen Lösungsmittel getränkt ist und dadurch ein Schaden an der Büste entsteht. Im zweiten Fall tritt ein Passant auf Bitten einer Rentnerin deren Haustür ein, weil diese aufgrund einer flackernden Lampe von einem Brand ausgeht; zwar erkennt der Passant den wahren Sachverhalt, kommt der Bitte aber nach, um die Rentnerin zu bestehlen.394 aa) Bisherige Lösungsansätze: Rechtsmissbrauch und Rechtsgutsbezogenheit Der mehrheitlich in der Literatur vorgeschlagene Lösungsweg erscheint widersprüchlich: Es wird die Wirksamkeit der Zustimmung – in den genannten Beispielsfällen die jeweiligen Bitten – bejaht, aber dem Täter die Berufung auf die Zustimmung verweigert: Der den Irrtum kennende – und ausnutzende – Täter handele rechtsmissbräuchlich.395 Kühne zufolge könne das Verhalten des den Irrtum kennenden Täter nicht anders gewürdigt werden als das eines gewöhnlichen Täters, der wisse, dass das Opfer den Eingriff nicht dulden wolle und es deshalb täusche oder bedrohe.396 Otto gewinnt den Gedanken des Rechtsmissbrauchs daraus, dass er bei einem schlichten Irrtum des Opfers dessen Autonomie hinter die Rechtssicherheit zurücktreten lässt: auch die Fragestellung bei Rönnau, Willensmängel, S. 238. Willensmängel, S.  238 f. 395  Arzt, Willensmängel, S. 48; Kühne, JZ 1979, 241, 243  f.; Otto, Geerds-FS, S. 603, 618; Roxin, AT I, § 13 Rn. 111. Ähnlich auch Zipf, Einwilligung, S. 49, der bei Zweifeln des Eingreifenden eine ihn treffende Rückfragepflicht sieht. Daraus kann geschlossen werden, dass, wenn sogar positive Kenntnis vorliegt, eine strafausschließende Wirkung der Einwilligung von Zipf kaum angenommen werden kann. Hirsch nimmt nur in Bezug auf die Kenntnis von Täuschungen Dritter Stellung und erachtet die Einwilligung in diesen Fällen als unbeachtlich, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 122. 396  Kühne, JZ 1979, 241, 244, der sogar von einer nur relativen Unwirksamkeit ausgeht, nämlich nur in Bezug auf den Täter, der über überlegenes Wissen verfüge, täusche oder bedrohe. 393  Ähnlich

394  Rönnau,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Wer erkenne, dass die Erklärung des Opfers nicht Ausdruck von dessen Autonomie sei, könne sich nicht auf die Rechtssicherheit berufen.397 Rönnau zufolge soll die Unbeachtlichkeit eines Wissensvorsprungs nur für nichtrechtsgutsbezogene Irrtümer gelten. Denn nur bei diesen sei von der Selbstverantwortung des Berechtigten auszugehen. Bei rechtsgutsbezogenen Irrtümern müsse der Eingreifende, der diesen erkannt, wenn auch nicht hervorgerufen habe, den Zustimmenden über den Irrtum aufklären, selbst wenn er als Garant dazu nicht verpflichtet sei. Anderenfalls mache er sich wegen eines Vorsatzdelikts strafbar. Denn ein eigenverantwortlicher und damit autonomer Einsatz des Gutes setze voraus, dass der Gutsinhaber überhaupt wisse, dass bzw. in welchem Umfang er sein Gut preisgebe.398 Eine Differenzierung nach der Rechtsgutsbezogenheit verbietet sich jedoch nach Ansicht dieser Arbeit. Dass es wichtiger ist, den Irrtum und seinen Bezugspunkt genau zu umschreiben, verdeutlicht gerade Rönnaus zweiter Beispielsfall, liegt dem doch die Konstellation einer Konfliktentscheidung zugrunde, denn die zustimmende Rentnerin opfert die sachliche Integrität ihrer Haustür, um die sachliche Integrität ihres Hauses zu retten. Es liegt gleich ein zweifacher Irrtum der Rentnerin vor: Zum einen nimmt sie irrig an, es liege ein Brand und damit ein Konflikt vor, der eine Entscheidung erforderlich mache. Zum anderen erkennt sie nicht die wahren Motive des Eingreifenden, der ihr nicht helfen, sondern die Situation ausnutzen und sie bestehlen will. Es liegen damit zwei Anknüpfungspunkte vor, mit denen sich normativ sowohl eine Entscheidungsherrschaft der Rentnerin verneinen (Wo es gar nichts zu entscheiden gilt, weil gar kein Konflikt vorliegt, dort besteht auch keine Herrschaft!) und eine Entscheidungsherrschaft des Eingreifenden bejahen lässt (Nicht nur steuert er das Geschehen mit seinem überlegenen Wissen, sogar lenkt er es aufgrund seiner eigenen Motive und nutzt die Situation planvoll aus). Wie es in der Situation weiterhelfen soll, nach dem Rechtsgutsbezug zu fragen, bleibt unerfindlich. Denn weder in einer Konflikt­ entscheidung noch bei rechtlich missbilligten Motiven des Eingreifenden liegt jemals ein Rechtsgutsbezug vor! Wer normativ das Problem lösen will, der würde sich damit jeder Bewertungsmöglichkeit berauben, da das Ergebnis von vornherein feststünde. Allenfalls in solchen Beispielsfällen, wie dem des Silvesterscherzes mit einer Holzkugel oder des Putzens der Bronzebüste, 397  Otto, Geerds-FS, S. 603, 618. Unverständlicherweise bildet Otto zwei Ausnahmen, die aber identischen Inhalt sind: Zum einen, wenn der Eingreifende aufgrund überlegenen Wissens rechtlich verpflichtet sei, die Fehlvorstellung aufzuklären, und zum anderen, wenn der Eingreifende den Irrtum erkennt und gleichwohl ausnutze. Nur: Wer den Irrtum erkennt, der hat überlegenes Wissen, sodass Otto zwei Ausnahmen für den identischen Fall konstruiert. Das zeigt exemplarisch, wie unklar sich die Strafrechtswissenschaft über ihre eigene Dogmatik ist. 398  Rönnau, Willensmängel, S. 414.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche341

ließe sich, wenn der Eingreifende erkennt, dass es sich bei den jeweiligen Eingriffsmitteln um andere als die angenommenen handelt, vertreten, seine Verantwortung zu begründen. Wenn mögliche Lösungsansätze systematisch aufbereitet werden sollen, dann ist zunächst festzuhalten, dass nach dem Ansatz der Arbeit die Verantwortung des Eingreifenden positiv begründet werden muss, da ein Irrtum aus der Rechtssphäre des Rechtsinhabers vorliegt, der grundsätzlich dessen Verantwortung begründet. Allein deshalb ist der einfache Weg über § 16 I 1 StGB nicht eröffnet, weil hierüber nur die Verantwortung mangels Vorsatzes ausgeschlossen, aber nicht positiv begründet werden kann.399 Da der Eingreifende weder täuschend eingegriffen hat, noch als Garant verpflichtet war, den Irrtum aufzuklären, greifen die bereits bekannten Umstände nicht ein. Es fragt sich also, ob es daneben noch weitere Umstände geben kann, die ein rechtlich missbilligtes Verhalten begründen. Die Antwort Rönnaus lautet: Ja, nämlich der Umstand der Rechtsgutsbezogenheit des Irrtums. Aber die Begründung deckt den systematischen Fehler auf: Wer rechtsgutsbezogen irre, der handele nicht eigenverantwortlich und damit nicht autonom. Die Begründung sagt also nur, dass der Rechtsinhaber nicht eigenverantwortlich handelt, aber sie sagt nicht, dass und warum der Eingreifende die Verantwortung tragen soll. Und darauf kommt es an: Im Falle von Irrtümern aus der Sphäre des Rechtsinhabers ist die Verantwortung des Eingreifenden positiv zu begründen. Umgekehrt benötigt man keinen Rechtsgutsbezug, um die Verantwortung des Rechtsinhabers zu begründen, wenn der Irrtum doch aus seiner Sphäre stammt und damit dessen Verantwortung bereits grundsätzlich begründet ist. Wenn hier das Heranziehen der Rechtsgutsbezogenheit nur unnötig ist, ist es für die Verantwortungszuschreibung des Eingreifenden sogar falsch. Denn dadurch würde aus dem Rechtsgut eine Pflichtenstellung für Dritte, dieses Rechtsgut zu schützen und zu bewahren, konstruiert. Das Rechtsgut selbst kann aber keine solche Pflichtenstellung begründen, sondern die Pflichtenstellung für das Rechtsgut muss sich aus Umständen ergeben, die außerhalb vom Rechtsgut liegen. Konstruktiv müsste für Rönnau das Abstellen auf das Rechtsgut auch wesentlich schwieriger sein, als es seine Darstellung suggeriert: Im Gegensatz zu Arzt bestimmt er das Rechtsgut schließlich dynamisch, will potentielle Handlungschancen mitumfassen, die Autonomie konstruktiv im Rechtsgut zumindest als Basis integrieren. Die Fragestellung für ihn 399  Die Norm ist nur insoweit relevant, bereitet aber auch keine besonderen Schwierigkeiten, als dass der den Irrtum kennende Täter gerade auch Kenntnis des Umstands hatte, dass er nicht mit wirksamer Zustimmung des Berechtigten handelt, sodass sein Vorsatz gegeben ist. Den Weg über § 16 I 1 StGB geht Mitsch, Rechtfertigung, S. 551.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

müsste also präzise lauten: Bezieht sich der Irrtum des Berechtigten auf das Rechtsgut im Sinne von potentiellen Handlungschancen? Wann das der Fall ist und wann nicht, diese Antwort kann diese Arbeit nicht geben, sondern es wäre die Aufgabe Rönnaus gewesen sein Rechtsgutsmodell mit der Arztschen Lehre zu harmonisieren. Ebenso hätte er darauf aufbauend begründen müssen, warum sich aus dem Schutz der Handlungschancen des Berechtigten eine Pflicht für Dritte ergeben sollte, diese Handlungschancen zu bewahren, obwohl der Berechtigte von ihnen Gebrauch gemacht hat. Dass der Rechtsgutsbegriff mehr Vernebelungsinstrument als dogmatisch handfestes Institut ist, zeigt sich also einmal mehr. Die Arbeit hat sich deshalb schon in ihren grundlegenden Strukturen von ihm emanzipiert.400 Sie hat ferner den Hintergedanken, der hinter dem Schlagwort vom Rechtsgutsbezug steht, bereits für die Beschreibung des Irrtums verwendet: Die Fehlvorstellung des Rechtsinhabers – gleich ob durch Täuschung hervorgerufen oder selbst erzeugt – muss sich stets auf den Eingriff beziehen.401 Fehlt es an diesem Eingriffsbezug, so liegt schon gar kein wirksamkeitsrelevanter Irrtum vor. Liegt der Eingriffsbezug hingegen vor, so bedarf es keiner weiteren Differenzierung am Irrtumsgegenstand für die Frage der normativen Verantwortungszuschreibung. Für die Frage, ob es neben Täuschung und Garantenstellung weitere Umstände gibt, die eine Verantwortung des Eingreifenden begründen, bildet der Irrtumsgegenstand insofern keinen geeigneten Anknüpfungspunkt. Wenn damit eine Differenzierung nach dem Rechtsgutsbezug fehlgeht, bleibt noch zu klären, was es mit dem vermeintlichen Rechtsmissbrauch durch den Täter auf sich hat. Mitsch hält den Rechtsmissbrauchsgedanken für eine „ausfüllungsbedürftige Leerformel“ bzw. eine „leere Hülle ohne argumentatives Gewicht“. Damit zu argumentieren erscheint ihm als „Umweg zu einem Urteil, das man ebenso auf geradem Wege erreichen könnte“.402 Rönnau hält den Rechtsmissbrauchsgedanken und den Appel an eine Art von Mindestsolidarität innerhalb der Gemeinschaft ebenso für nicht stichhaltig: Zwar spreche nicht das Gesetzlichkeitsprinzip dagegen, da die Zustimmung überhaupt nicht gesetzlich geregelt sei,403 aber es bestehe eine Zurückhaltung des liberalen Strafrechts, wenn es darum gehe „Solidaritätspflichten“ aufzulegen. Der Zustimmende trage die Verantwortung, er habe sich „nicht nur um den Zweck des Gutseinsatzes, sondern auch um eine ausreichende und zutreffende Entscheidungsgrundlage zu bemühen“. Anderenfalls würde es auch 400  Siehe

dazu oben S. 150 f. dazu oben S. 295 f. 402  Mitsch, Rechtfertigung, S. 498 f., wobei er zugibt zu polemisieren. Vgl. auch Kußmann, Einwilligung, S. 109 und Roxin, Noll-GS, S. 275, 292. 403  Rönnau, Willensmängel, S. 249. 401  Siehe



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die „Einstellung fördern, ‚sich möglichst dumm zu halten‘“.404 Zudem würde dann die Wirksamkeit der Zustimmung, also deren objektiver Tatbestand, von der Kenntnis des Täters abhängen.405 Damit bleibt nach seiner Ansicht die Kenntnis des Eingreifenden vom „Willensmangel“ ohne Auswirkung.406 Zumindest letztes Argument – die subjektive Kenntnis des Täters dürfe nicht für objektive Voraussetzungen relevant sein – ist nicht stichhaltig. So wird etwa in anerkannter Weise in bestimmten Konstellationen der mittelbaren Täterschaft die Tatherrschaft des Hintermanns ausschließlich mit dessen überlegenem Wissen begründet.407 Zudem passt das Argument für den hier vorgeschlagen systematischen Aufbau nicht: denn Zurechnung und Wirksamkeit sind zwei voneinander zu trennende Voraussetzungen. Aber vor allem zielt die Behauptung, man dürfte dem Täter keine Solidaritätspflichten auferlegen, ins Leere: Dem Täter, von dem man verlangt im Falle seiner Kenntnis vom Irrtum den Eingriff nicht vorzunehmen, legt man keine Pflichten auf, die über das Maß hinausgehen, welches auch ansonsten mit den Strafnormen zugrundeliegenden Verhaltensnormen verbunden ist. Es wird von ihm nur, wie von jedem anderen auch, verlangt, in fremde Rechtsphären anderer nicht einzudringen. Im Falle überlegenen Wissens geht es gerade nicht darum, den Täter zu verpflichten, den sich im Irrtum befindenden Zustimmenden aufzuklären, sondern lediglich darum ihn anzuhalten, den Eingriff zu unterlassen. Es geht also um ein Unterlassungs- und kein Handlungsgebot, sodass das Einfordern einer Garantenstellung oder die Warnung vor dem vermeintlich liberalen Geiste des Strafrechts widersprechenden Solidaritätspflichten fehlgehen.

404  Rönnau,

Willensmängel, S. 252; vgl. auch ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 202. LK-StGB, Vor § 32 Rn. 202. 406  Rönnau, Willensmängel, S. 263, 415  f.; ders., LK-StGB, Vor § 32 Rn. 202. Dass es nicht auf die subjektive Kenntnis des Täters ankommen kann, versucht auch Grünewald, Tötungsdelikt, S. 307 argumentativ zu verwerten: Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche erfolge nach objektiven Zurechnungskriterien, weshalb „nicht recht zu sehen“ sei, warum einem subjektivem Umstand allein eine herausgehobene Bedeutung zukommen solle. Dass das nicht einsichtig sein soll, liegt aber nicht an der Ungeeignetheit des subjektiven Umstands, sondern daran, dass Grünewald ein übergeordnetes Leitprinzip zur Verantwortungsverteilung fehlt. Wer ein solches in der Entscheidungsherrschaft sieht, der erkennt auch die Einsichtigkeit der Verantwortungszuschreibung zulasten des Eingreifenden im Falle seines überlegenen Wissens, wie gleich zu sehen sein wird. 407  Siehe dazu Roxin, AT II, § 25 Rn. 61 ff. 405  Rönnau,

344

Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

bb) Entscheidungsherrschaft kraft überlegenen Wissens Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand, wird aber durch die bisherigen unzutreffenden Differenzierungsvorschläge verdeckt: Die besondere Verantwortung des Eingreifenden in Fällen „überlegenen Wissens“ kann sich nur aus jenem Wissensvorsprung selbst ergeben. Dass eine besondere Verantwortung des Eingreifenden in der Wissenschaft mit dem Rechtsmissbrauchs­ gedanken bejaht wurde, ist außerordentlich misslich. Denn nach Ansicht dieser Arbeit besteht überhaupt kein „Recht“ des Eingreifenden, das er missbrauchen könnte, da die Zustimmung infolge des Irrtums unwirksam ist. Es geht also nicht um Rechtsmissbrauch! Der wesentliche Gedanke ergibt sich aus der Rechtssphäre: Dem Rechts­ inhaber wird eine Sphäre gewährt, ein Raum, in dem er bestimmen und entscheiden kann, kurz: seine Herrschaftssphäre. Im Normalfall der Zustimmung ordnet sich der Eingreifende diesem Herrschaftsanspruch unter, er stellt sein Handeln in Abhängigkeit zur Zustimmung. Die Frage für die Fälle des Wissensvorsprungs lautet, ob hier noch eine ausreichende Nähe zu einem Normalfall der Zustimmung auszugehen ist. Natürlich ist die Zustimmung unwirksam, sodass eigentlich überhaupt kein Fall, geschweige denn ein Normalfall vorliegt. Aber immerhin objektiv war eine Zustimmung gegeben. Betrachtet man jenes objektive Geschehen und dessen tatsächliche Umstände, so kann schwerlich von einem Herrschen des Rechtsinhabers in seiner Sphäre gesprochen werden. Der Umstand, der das Geschehen bestimmt, ist das Wissen des Eingreifenden. Hätte der Zustimmende über die Kenntnis des Eingreifenden verfügt, dann hätte er seine Zustimmung nicht erteilt, und das wusste der Eingreifende und machte sich das zunutze. Der Eingreifende beherrscht auf diese Weise das Geschehen durch die Zurückhaltung seines Wissens. Die Herrschaft des Eingreifenden in Fällen eines Wissensvorsprungs lässt auch aus einem Vergleich mit Täuschungsfällen begründen: Auch in diesen Fällen verfügt er über überlegenes Wissen, mit dem einzigen Unterschied, dass dieser Überlegenheit in seinem aktiven Tun, nämlich seiner Täuschung ihren Ursprung hat. Für die Frage, wem die Herrschaft und damit die Verantwortung zufällt, kann es aber keine Rolle spielen, ob das überlegene Wissen kraft eigener Täuschungshandlung oder schlicht als solche vorhanden ist. Eine Verantwortung des Eingreifenden nur im Falle einer Garantenstellung anzunehmen überhöht die Anforderungen, ohne dass das zwingend wäre: Denn die strafrechtliche Verantwortung knüpft immer noch an den aktiven Eingriff, nicht an die unterlassene Zurückhaltung des überlegenen Wissens. Deshalb ist es wichtig, nicht den Schluss zu ziehen, der Eingreifende müsste den Irrtum des Zustimmenden aufklären. Dazu ist er gerade nicht verpflich-



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tet, wenn er kein Garant ist. Aber er ist sehr wohl verpflichtet, seinen Eingriff zu unterlassen, wenn er erkennt, dass sich der Zustimmende bezogen darauf in einem Irrtum befindet. Und um diesen Eingriff zu unterlassen, dafür bedarf es keiner besonderen Pflichtenstellung, da das Unrechtsverhalten gerade kein Nicht-Handeln, sondern ein aktives Tun darstellt. Wer im Fall des überlegenen Wissens zu einem anderen Ergebnis gelangen will, dem bleibt nur übrig die Herrschaft des Eingreifenden zu verneinen. Es ließe sich durchaus auch folgend argumentieren: Es könne derjenige nicht durch die Zurückhaltung seines überlegenen Wissens beherrschen, wenn er nicht zugleich rechtlich verpflichtet ist, sein Wissen zu offenbaren. Freilich überzeugt das nicht: Im Strafrecht wird eine Garantenstellung nur benötigt, wenn es um die Verpflichtung zu einem aktivem Tun geht und sich die Strafbarkeit an ein Unterlassen knüpft. Wenn die Herrschaft des Eingreifenden kraft überlegenen Wissens von seiner Garantenstellung abhängig gemacht würde, dann würde der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit seines Verhaltens nicht in der Vornahme des Eingriffs, sondern in der Zurückhaltung seines Wissens gelegt werden. Eine solche Schwerpunktsetzung erschiene aber mehr als fragwürdig. Die Unbilligkeit eines solchen Ergebnis verdeutlicht auch der „BlindSex“-Fall, den die Arbeit im Zusammenhang zum Interesse des Rechtsinhabers an höchstpersönlicher Vornahme des Eingriffs beschrieben hat.408 Dort ließ sich eine Frau die Augen zubinden und ging irrig davon aus, es wäre ihr Freund, der sexuelle Handlung an ihr ausführen würde, obwohl es in Wahrheit dessen Kumpel war. Wenn dieser Kumpel selbst zwar nicht den Irrtum mittels Täuschung hervorrief und auch nicht in die Planung der Täuschung durch den Freund eingeweiht war, sondern zunächst tatsächlich davon ausging, die Frau wäre mit ihm als Sexualpartner einverstanden, aber während des Geschehens erkannte, dass die Frau irrig davon ausging, er wäre ihr Freund, dann liegt eine Konstellation überlegenen Sachwissens vor. Wer für eine Verantwortungszuschreibung – bzw. nach herrschender Ansicht für die Unwirksamkeit der Zustimmung – eine Täuschung oder Garantenstellung verlangt, müsste mangels deren Vorliegens entsprechend die Verantwortung – bzw. Unwirksamkeit der Zustimmung – verneinen. Wer mit dem Rechtsmissbrauch argumentieren will, könnte wohl einen Missbrauch umgangssprachlich bejahen, aber gerade der Fall führt es doch vor Augen: Welches Recht soll überhaupt bestanden haben, das missbraucht werden könnte? Der Kumpel hatte nie das Recht sexuell übergriffig zu werden! Und schließlich müsste, wer überlegenes Wissen nur im Falle eines Rechtsgutsbezugs für eine Zurechnung beachten will, begründen, dass die personelle Verschiedenheit zwischen Kumpel und Freund einen solchen Rechtsgutsbezug aufweist, 408  Siehe

dazu oben S. 338 f.

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mit all den Schwierigkeiten, die sich aus dem variantenreichen Rechtsgutsbegriff ergeben. Nach Ansicht der Arbeit ist die Lösung hingegen einfach und nachvollziehbar: Ein Irrtum über die Person desjenigen, der den Eingriff vornimmt, ist eingriffsbezogen und schließt damit die Wirksamkeit der Zustimmung aus, sofern ein berechtigtes Interesse an höchstpersönlicher Vornahme des Eingriffs besteht. Der Umstand, dass der Kumpel diesen Irrtum weder hervorgerufen hat, noch verpflichtet war, diesen aufzuklären, hindert zwar unter diesen Aspekten eine Verantwortungszuschreibung für den Eingriff. Allerdings begründet sein Erkennen darüber, dass die Rechtsinhaberin einem Irrtum über die Person des Eingreifenden unterliegt, die Verpflichtung weitere sexuelle Eingriffe nicht vorzunehmen. Anders zu entscheiden, ihm keine Verantwortung zuzuschreiben, sondern die Rechtsinhaberin auf ihre Selbstverantwortung zu verweisen, erscheint nicht nur unbillig, sondern würde das interpersonale Verhältnis der Beteiligten auf den Kopf stellen. cc) Zusammenfassung Die normative Verantwortung des Eingreifenden ergibt sich somit aus seinem überlegenem Wissen, welches das Verhältnis zum Zustimmenden beherrscht. Wenn der Eingreifende in einer solchen Situation nicht den Eingriff unterlässt, sondern stattdessen, obwohl er dazu mangels Garantenstellung nicht verpflichtet ist, den Zustimmenden über seinen Irrtum aufklärt, dieser aber – aus welchen Gründen auch immer – an seiner Zustimmung festhält und der Eingreifende dann doch den Eingriff vornimmt, so scheidet eine Strafbarkeit aus. Denn entweder befindet sich der Zustimmende nicht mehr in einem Irrtum oder aber der Eingreifende verfügt nicht mehr über überlegenes Wissen, da er sein Wissen dem Zustimmenden schließlich mitgeteilt hat.409 In diesem Fall fällt der die Herrschaft und damit die Verantwortung des Eingreifenden begründende Umstand weg. c) Verantwortung für die Nichteinhaltung von Bedingungen Eine weitere problematische Gruppe ist die Nichteinhaltung von Bedingungen bzw. die sog. „Irrtümer über Begleitumstände“.410 Diese Arbeit hat 409  Dieses Ergebnis entspricht dem Amelungs, der gerade darin auch den Vorzug gegenüber Arzts Lehre sieht, Willensmängel, S. 57. Amelung fordert einschränkend lediglich einen „Bedingungszusammenhang“ zwischen Aufopferung des einen und Erhaltung des anderen Gutes, S. 58; allerdings meint er damit genau jene Fälle, in denen aufgrund von Aufklärung gar kein Irrtum mehr besteht. 410  Vgl. hierzu Amelung, Willensmängel, S.  61 ff.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche347

einerseits gezeigt, dass Begleitumstände eng mit Bedingungen der Zustimmung verknüpft sind,411 und andererseits, dass der Begriff der Begleitsumstände aufgrund seiner misslichen Konnotation aufzugeben ist412. Gerade wer von Autonomie spricht, sollte nicht durch die Hintertür die Selbstbestimmung des Opfers einschränken und vermeintliche „Begleit“-Umstände aus der Entscheidungsgewalt bzw. -relevanz auszuklammern versuchen.413 Die Arbeit hat ebenfalls bereits festgestellt, dass eine zulässige Bedingung zunächst einmal einen Umstand der Gegenwart oder Vergangenheit betreffen muss, der sich auf den Eingriff bezieht. Das Vorliegen einer solchen Bedingung ist objektiv zu bestimmen, d. h. sie muss sich objektiv erkennbar aus dem Zustimmungsgegenstand ergeben.414 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt eine zulässige Bedingung vor, die der Eingreifende beachten muss. Erfüllt er die Bedingung nicht, dann lässt sich zur Unrechtsverneinung nicht mehr auf die Zustimmung abstellen, da der Eingriff von der objektiven Zustimmung nicht erfasst ist. Doch auch in diesem Fall ist eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche erforderlich, müssen doch Bedingungen und Irrtümer bei der Zustimmung gleich behandelt werden,415 weil die Beurteilung nicht vom Zufall abhängen darf, ob eine Bedingung objektiv erkennbar noch Gegenstand der Zustimmung war oder sie die subjektive Innenwelt des Zustimmenden nicht verließ. Die Frage ist, wer einerseits im Falle der Nichterfüllung der Bedingung und andererseits im Falle der bloß subjektiv vorgestellten, aber objektiv nicht zum Gegenstand der Zustimmung gewordenen Bedingung, die Verantwortung für den Eingriff tragen soll. Im letzten Fall ergeben sich keine Abweichungen zur bisherigen Lösung nach dem Grundansatz dieser Arbeit: Der Rechtsinhaber ist für den Irrtum über die Bedingung, d. h. dass sie nicht zum Gegenstand seiner Zustimmung wurde, zuständig. Er hat die diesbezügliche Vermeidemacht und der Eingreifende darf auf die Gültigkeit der objektiven Zustimmung vertrauen und sein Handeln daran ausrichten. Eine Verantwortungszuschreibung zulasten des Eingreifenden kommt nur im Falle eines überlegenen Wissens in Betracht, d. h. wenn er erkennt, dass der Zustimmende subjektiv seine Zustimmung von einer Bedingung abhängig machen will, ohne das aber objektiv erkennen zu geben. Das gilt aber nur, wenn es sich bei der subjektiv vorgestellten Bedingung um eine zulässige, d. h. ge411  Siehe

dazu oben S. 253f. dazu oben S. 304 f. 413  Auch Amelung empfindet es als „befremdlichen Umgang“ mit dem Autonomiebegriff, dass sich auf Freiheit nur „jene berufen [können], die sich den Geboten einer von dritter Seite vorgegebenen Vernunft unterwerfen“, Willensmängel, S. 63. 414  Siehe dazu oben S. 256. 415  Siehe dazu oben. S. 255 f. 412  Siehe

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

genwarts- / vergangenheits- und eingriffsbezogene Bedingung handelt, die auch vom Schutzzweck der Norm erfasst wird. Für den ersten Fall hingegen trägt grundsätzlich der Eingreifende die Verantwortung, denn es lag in seiner Macht sein Handeln an der objektiven Bedingung auszurichten und Abweichungen davon zu vermeiden, der Zustimmende muss darauf vertrauen können, dass seine Anweisungen befolgt werden. aa) Einschränkungen aufgrund des Schutzzwecks der Norm Allerdings müssen hiervon Ausnahmen gelten, die sich maßgeblich aus dem Schutzzweckgedanken ergeben. Denkt man etwa an die von der Arbeit beschriebenen Aberglauben-Fälle,416 dann ist zu erkennen, dass der Eingreifende in keinem der Fälle Verantwortung tragen kann, bewegen sich doch sämt­liche Bedingungen außerhalb vom Schutzbereich der Norm. Qualität und Intensität des operativen Eingriffs beim Unfallopfer sind nicht davon abhängig, nicht an einem Freitag den 13ten vorgenommen zu werden. Das gleiche gilt auch für die Beispiele Sternberg-Liebens, denn die Qualität oder Intensität einer Operation hängt nicht von dem Ergebnis eines Fußballspiels ab, und Amelungs, da die Eigenschaften eines Skalpells nicht davon abhängig sind, dass seine Verwendung in vorangegangenen Operationen bereits mit einem erfolgreichen Verlauf einherging, sondern davon, dass es den üblichen medizinischen und hygienischen Standards entspricht. Den Schutzzweck der Norm für eine Bedingung nicht zu berücksichtigen, hätte bedenkliche Folgen: Mittels Zustimmung könnte der geschützte Rechtsinhaber den Schutzbereich seiner Rechtssphäre über die vom Gesetz gesteckten Grenzen erweitern. Wie gesehen könnte das dazu führen, dass man den Eingreifenden im Ergebnis für den Aberglauben des Rechtsinhabers bestrafen würde. Ein weiteres Beispiel: Der Hausfriedensbruch nach § 123 StGB erfasst nur solche Verhaltensweisen, bei denen das Betreten der geschützten Räumlichkeiten zu einer körperlichen Anwesenheit führt; das bloße Verbringen von Sachen genügt hingegen nicht.417 Würde man den Schutzzweck nicht beachten, dann könnte der Hausinhaber mittels Verknüpfung seiner Zustimmung mit einer Bedingung seinen strafrechtlichen Schutz dadurch erweitern, dass er seine Besucher etwa wie folgt zum Hereintreten bittet: „Komm doch rein. 416  Siehe

dazu oben S. 304. BT I, Rn. 669; Geppert, Jura 1989, 378, 379; Hilgendorf, Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, BT, § 8 Rn. 9; Kuhli, Matt / Renzikowski, § 123 Rn. 27; Maiwald, Maurach / Schroeder / Maiwald, BT I, § 30 Rn. 13; Ostendorf, NK-StGB, § 123 Rn. 26; Schäfer, MK-StGB, § 123 Rn. 25; Sternberg-Lieben, Sch / Sch, § 123 Rn. 12; kritisch gegenüber dem Erfordernis körperlicher Anwesenheit Bernsmann, Jura 1981, 337, 340. 417  Eisele,



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche349

Aber bitte: Schuhe ausziehen!“. Man denke auch an das Verbot, in öffent­ lichen Verkehrsmitteln alkoholische Getränke zu konsumieren, an welches sich – zumindest im Berliner Raum – doch kaum jemand hält. Aber sowohl der Fahrgast, der in der S-Bahn sein Feierabendbier genießt, als auch der Besucher, der seine Schuhe beim Betreten anbehält, verbringen jeweils eine bloße Sache in die Räumlichkeiten des Hausrechtsinhabers. Das aber erfüllt den Unrechtsgehalt des § 123 StGB nicht. Das kann auch nicht dadurch umwunden werden, dass das Verbringen gegen die Bedingung der Zustimmung zum körperlichen Betreten verstößt. Die Zustimmung ist zwar ein Rechtsinstitut des Einzelnen in dessen Interesse, aber der Schutz einer bestimmten Rechtssphäre und der Herrschaft hierüber bedeutet nicht, dass der Einzelne diese Herrschaft und den Schutz seiner Sphäre willkürlich erweitern dürfte. Natürlich darf er rein tatsächlich seine Zustimmung von jeder eingriffsbezogenen Bedingung abhängig machen, aber das heißt nicht, dass deren Einhaltung rechtlich geschützt ist. Strafrechtlich geschützt ist nur eine bestimmte Rechtssphäre vor bestimmten Eingriffen. Ebenfalls ein weiteres Beispiel aus dem Bereich des Hausfriedensbruchs, in welchem eine Bedingung an das Verhalten des Eingreifenden anknüpft: In dem vom Hilgendorf gebildeten Fall – Lilie bewertet ihn sogar als „scharf­ sinnig“418 –, geht es um einen Mathematik-Studenten namens Theo, der einer Minderjährigen namens Olga Nachhilfeunterricht gibt, und das sowohl in geometrischer als auch in sexueller Hinsicht, wobei sich alles im Haus der Eltern von Olga abspielt, die nur mit ersteren Unterrichtseinheiten einverstanden sind.419 Das Beispiel dient Hilgendorf zur Verdeutlichung der Gefahr, dass eine Bestrafung von „Unbotmäßigkeiten“420 drohe, würde man in solchen Fällen der Bedingung bzw. dem Irrtum des Hausberechtigten Beachtung schenken und der Zustimmung zum Betreten daher keine Relevanz beimessen. Als anderes Beispiel dienen etwa auch Handwerker, die die Wohnung in der Absicht betreten, Zeitung zu lesen statt Wasserhähne zu reparieren.421 Im Ergebnis mag das richtig sein, aber die Begründungen tragen nicht, stellen die meisten Autoren doch schlicht auf das Vorliegen eines Einverständnisses ab, für welches „Willensmängel“ unbeachtlich wären. Habe der Hausrechtsinhaber seine Zustimmung zum Betreten erteilt, dann komme es nicht mehr darauf an, dass seine Bedingung nicht eingehalten wurde. Das Vorliegen des natürlichen Willens genüge.422 Das ist nicht nur ein weiterer 418  Lilie,

LK-StGB, § 123 Rn. 50 m. Fn. 62. Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, BT, § 8 Rn. 12. 420  Bernsmann, Jura 1981, 403, 404. 421  Bernsmann, Jura 1981, 403, 404. 422  Bernsmann, Jura 1981, 337, 403 f.; Fahl, SSW-StGB, § 123 Rn. 7; Hartmann, HK-GS, § 123 Rn. 16; Kuhli, Matt / Renzikowski, § 123 Rn. 31; Lilie, LK-StGB, 419  Hilgendorf,

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Beleg dafür, welche Wirkmacht der Zweiteilungslehre im Besonderen Teil zukommt, sondern auch welche fatalen Folgen damit einhergehen: Die Strafrechtswissenschaft sollte sich nicht damit begnügen, auf die bloß formale Zweiteilung hinzuweisen. Die Lösung eines solchen Falles verlangt eine differenziertere Vorgehensweise. Zunächst sollte einmal umschrieben werden, worum es in der Bedingung geht: Die Eltern stellen ihre Zutrittserlaubnis in Abhängigkeit davon, dass nur mathematische Nachhilfe erteilt wird, aber keine Intimitäten ausgetauscht werden. Damit liegt eine Bedingung vor, die an ein Verhalten des Eingreifenden knüpft. Allerdings, und hierin liegt der erste Teil der Lösung, geht es sowohl beim erwünschten als auch beim nicht erwünschten Verhalten, um ein solches, welches erst nach Vornahme des Eingriffs relevant wird. Die Zustimmung darf aber gerade nicht von zukünftigen Gegebenheiten abhängig sein, weil über ihr Vorliegen und ihre Wirksamkeit im Zeitpunkt des Eingriffs Klarheit bestehen muss, diese Fragen dürfen nicht in der Schwebe hängen. Somit ist eine Bedingung, die an ein späteres Verhalten knüpft, wie vorliegend keine Intimitäten auszutauschen, für die Zustimmung unbeachtlich. Bleibt nur noch eine Möglichkeit offen: Die Bedingung könnte auch in der Weise ausgelegt werden, dass die Eltern ihre Zustimmung unter die Bedingung stellen, dass Theo im Zeitpunkt des Eingriffs die Bereitschaft hat, Mathenachhilfe zu geben, nicht aber Intimitäten auszutauschen. Stellt man auf die Absichten des Eingreifenden im Zeitpunkt des Eingriffs ab, so kann die Beachtlichkeit der Bedingung nicht mit einem Hinweis auf das Koinzidenzprinzip abgelehnt werden. Ein Teil der Lehre hat daher folgenden Lösungsansatz entwickelt: Bei „bösen“ bzw. den gesetzten Bedingungen widersprechenden Absichten des Eintretenden komme es darauf an, ob diese Absichten aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes erkennbar seien. Beim Hausfriedensbruch hat sich die fallgruppenorientierte Gegenüberstellung des heimlich vorgehenden Ladendiebes einerseits und des maskiert-bewaffneten Bankräubers andererseits etabliert. Beim Diebstahl stellt man in Fällen, in denen der Täter einen Automaten „missbraucht“, etwa die Zapfsäule einer Tankstelle oder den Geldautomaten einer Bank, darauf ab, ob eine äußerlich ordnungsgemäße Bedienung vorliegt, die bloß innere Absicht nicht zu zahlen oder die innere Eigenschaft, nicht der berechtigte Karteninhaber zu sein, allein genügt nicht.423

§ 123 Rn. 50; Ostendorf, NK-StGB, § 123 Rn. 32; Rackow, Heintschel-Heinegg, § 123 Rn. 14; Schäfer MK-StGB, § 123 Rn. 29; Sternberg-Lieben, Sch / Sch, § 123 Rn. 22. 423  Eser / Bosch, Sch / Sch, § 242 Rn. 36a m. w. N.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche351

Wendet man diese Grundsätze auf den Nachhilfe-Fall an, so müsste sich die subjektive Willenswidrigkeit des Eintretenden objektiv in dessen Verhalten manifestiert haben. Es müsste also untersucht werden, ob es objektive Anzeichen für das sexuelle Ansinnen von Theo gab. Müsste es dann darauf ankommen, ob Theo etwa sichtbar Kondomen beisich trug oder eine sexuelle Erregung bzw. Motivation erkennbar war? Der Relevanz solcher Anhaltspunkte haftet ein Moment des Lächerlichen an. Doch das gilt auch für die Fälle, in denen danach differenziert wird, ob ein Bankräuber bereits vor oder erst nach Betreten der Bank sich als solcher zu erkennen gibt: Es kann für das Unrecht keinen Unterschied machen, ob er sich die Maske davor oder danach überzieht, seine Eigenschaft ein Bankräuber zu sein, seine innere Absicht die Bank zu überfallen, der Widerwille der Bankinhaber keine Bankräuber in ihrer Bank haben zu wollen, all das bleibt gleich! Die Lehre vom objektiven Erscheinungsbild ist für eine überzeugende Problemlösung nicht geeignet. Im Rahmen der überkommenen Einverständnisdogmatik, nach der das bloße Vorliegen eines inneren Einverständnisses genügen soll, also keine Entäußerung vorliegen muss, erscheint sie zudem dogmatisch inkosistent, denn wenn das Einverständnis nicht nach außen treten muss, warum sollte es das Verhalten, auf das sich eine Bedingung bezieht? Die Lösung ist stattdessen beim Schutzzweck der Norm zu finden. Im Fall des Nachhilfeunterrichts liegt das Verhalten des Theo außerhalb des von § 123 StGB geschützten Bereichs, denn tangiert seine fehlende Bereitschaft, keinen sexuellen Kontakt zur Tochter der Hausinhaber aufzunehmen, überhaupt nicht deren Hausrecht, sondern deren Sorgerecht bezüglich ihrer Tochter. Während Theo das Hausrecht also sehr wohl respektiert, missachtet er lediglich das elterliche Sorgerecht. Genauso respektiert auch der zeitungslesende Handwerker das Hausrecht des Wohnungsinhabers und erfüllt lediglich werkvertragliche Pflichten nicht, ob diese pflichtverletzende Absicht nun beim Eintreten nach außen in Erscheinung trat oder nicht, ist unerheblich. bb) Sonderproblem: rechtswidrige und diskriminierende Bedingungen Neben dieser Schutzzweck-Betrachtung sind weitere Besonderheiten in Fällen zu beachten, in denen der Rechtsinhaber seine Zustimmung von einem bestimmten Verhalten des Eingreifenden abhängig macht. Einfach nachzuvollziehen ist es, dass das gewünschte Verhalten selbst nicht rechtswidrig sein darf. Wenn der Zustimmende seinen Schutzbereich schon nicht eigenmächtig über die vom Strafgesetz vorgesehenen Grenzen ausdehnen darf, dann darf er das erst recht nicht in einer dem Gesetz widersprechenden Weise. Zwei simple Beispiele: Ein Gastwirt macht die Zutrittserlaubnis zu seiner Kneipe davon abhängig, dass Gäste beim Eintreten dem Türsteher den Hitlergruß zeigen. Der Patient stimmt dem ärztlichen Eingriff zu, aber nur

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

unter der Bedingung, dass dieser zur Narkose verbotene Betäubungsmittel einsetzt. In beiden Fällen ist die Bedingung rechtswidrig und der Eingreifende zu ihrer Einhaltung nicht verpflichtet, weshalb er sich auch nicht wegen seines Eingriffs strafbar machen kann. Schwieriger als die Bewertung solch rechtswidriger Bedingungen sind Konstellationen, in denen Bedingungen an bestimmte Merkmale oder Eigenschaften des Eingreifenden als Menschen geknüpft werden. Die dahinter stehende Frage lautet, ob auch solche Bedingungen vom Schutzzweck erfasst werden, die einen diskriminierenden Charakter aufweisen. Zu denken wäre etwa an „selektive“ Betretungserlaubnisse424 beim Hausfriedensbruch. Bringt der Betreiber eines Restaurants an die Eingangstür ein Schild mit dem Text „Ausländern ist der Zutritt untersagt!“ an,425 so sieht man sich mit dem Problem konfrontiert, ob sich eine nicht aus Deutschland stammende Person, die dennoch das Restaurant betritt, strafbar macht, nämlich dadurch, dass sich die Zustimmung des Restaurantbetreibers nicht auf sie bezogen hat, weil sie die Bedingung „Zutritt nicht für Ausländer“ nicht erfüllt. Oder ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Sexualdelikte: Jemand fühlt sich einer bestimmten Religion verpflichtet und unterliegt dem Glauben, dass er oder sie sexuelle Handlungen nur mit Personen ausüben dürfe, die ebenfalls seiner oder ihrer Religion angehören. Wenn eine andere Person mit ihm oder ihr schläft, aber trotz Nachfragens wahrheitswidrig behauptet, der voraussetzgesetzten Religion anzugehören, macht sich die Person wegen eines sexuellen Übergriffs strafbar, weil die Bedingung der Zustimmung nicht erfüllt ist?426 Zwar beziehen sich die Bedingungen auf den Eingriff, nämlich auf die Person des Eingreifenden selbst, aber da Qualität oder Intensität des Eingriffs, also des Betretens vom Restaurants oder der Ausübung der sexuellen Handlung, unabhängig davon ist, aus welchem Land der jeweils Eingreifende stammt oder welcher Religion er zugehörig ist, könnte man unter diesem Aspekt bereits begründen, dass die Bedingung außerhalb des Schutzzwecks liegt. Es bliebe aber noch zu klären, ob nicht ein höchstpersönliches Interesse so auch bei Bernsmann, Jura 1981, 403, 409. so auch bei Bernsmann, Jura 1981, 403, 408 f., der für seine Lösung auf Art. 3 GG oder alternativ auf eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis abstellt. Vgl. dazu ebenso Ostendorf, NK-StGB, § 123 Rn. 37 und Sternberg-Lieben, Sch / Sch, § 123 Rn. 19. 426  Über einen solchen Fall berichtete Spiegel-Online am 20. Juli 2010, online unter http: /  / www.spiegel.de / panorama / gesellschaft / urteil-araber-gab-sich-als-judeaus-haft-a-707600.html (abgerufen am 27. März 2018): Ein Palästinenser gab sich gegenüber einer Israelin als Jude aus, obwohl er Araber war; die Frau führte eine einvernehmlich-sexuelle Beziehung mit ihm, zeigte ihn jedoch an, nachdem sie von seiner wahren Identität erfuhr; das Gericht verurteilte ihn wegen Vergewaltigung. 424  Terminologie 425  Beispiel



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche353

daran besteht, dass nur Personen mit der gewünschten Eigenschaft den Eingriff vornehmen. Und hier geht mit dem Interesse – Sexualkontakt nur mit Menschen der gleichen Religion – eine Diskriminierung von Menschen anderer Herkunft oder Religion einher. Letztendlich würde eine Strafbarkeit dann nicht mehr an den Eingriff knüpfen, sondern an das Innehaben einer bestimmten Eigenschaft, etwa einer bestimmten Religion anzugehören. Die hier angesprochenen Fälle unterscheiden sich vom Gynäkologen-Fall,427 in dem Patienten ein berechtigtes und nachvollziehbares Interesse zugesprochen werden kann, nur von Ärzten desselben Geschlechts behandelt zu werden, ohne dass in einer solchen Bedingung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegen würde. Allgemeingültige Aussagen zu treffen, ist jedoch unmöglich, vielmehr ist für jeden Einzelfall zu entscheiden, wie die Betrachtung anderer Beispiele verdeutlichen mag. Legt man etwa die Bedingung im Gynäkologen-Beispiel, der Eingriff soll nur von Menschen eines bestimmten Geschlechts vorge­ nommen werden, zugrunde und setzt sie in einen anderen Kontext, so zeigen sich die Schwierigkeiten. Zwei Fälle dazu, angelehnt an Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Im ersten Fall428 suchte ein Gymnasium für sein Mäd­ cheninternat eine Erzieherin, Sportlehrerin oder Sozialpädagogin, die bereit war, Hausaufgabenbetreuung zu übernehmen und das Sport- und Freizeitangebot durchzuführen. Ein männlicher Sozialpädagoge bewarb sich auf die Stelle und wurde mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass die neue Stelleninhaberin auch Nachtdienste im Mädcheninternat leisten müsse, sodass generell keine männlichen Bewerber berücksichtigt werden könnten. Strafrechtlich wäre dieser Fall dann interessant geworden, hätte das Gymansium den Sozialpädagogen tatsächlich eingestellt und hätte dieser seine ­Tätigkeit aufgenommen, insbesondere die Nachtdienste im Mädcheninternat, welche laut Urteilsgründen unter anderem die Kontrolle umfasste, ob alle Mädchen in ihren Zimmern waren, weshalb gegebenenfalls auch die Duschund Sanitärräume aufgesucht werden mussten; ebenso oblag dem Nachtdienst das Wecken am Morgen, wobei dafür die Zimmer der Mädchen betreten werden mussten; und ohnehin bewegten sich die Mädchen „zum Aufsuchen der Duschen oder Sanitäreinrichtungen im Nachthemd und kommen häufig mit umgeschlungenem Handtuch in die Zimmer zurück“.429 Wäre der Sozialpädagoge eingestellt worden und hätte zwecks Ausübung seiner Nachtdiensttätigkeit die Wohnräume im Mädcheninternat betreten, läge dann ein strafbarer Hausfriedensbruch vor, wäre eine Schülerin dieser Wohnräume nur mit dem Betreten weiblichen Personals einverstanden gewesen? 427  Siehe

dazu oben S. 337. NZA 2009, 1016 ff. 429  BAG NZA 2009, 1016, 1021. 428  BAG

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

Zieht man die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts heran, dann müsste eine Strafbarkeit wegen Nichteinhaltung dieser Bedingung bejaht werden. Denn das Gericht erachtete das weibliche Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für den Arbeitsplatz und damit als gerechtfertigte Diskriminierung gem. § 8 AGG, da es sonst nicht möglich wäre, die genannten Tätigkeiten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Es komme nicht darauf an, ob ein Mann rein tatsächlich die anfallenden Aufgaben erbringen könnte. Entscheidend sei, dass die Tätigkeit im Nachtdienst einen direkten Bezug auf die Schülerinnen aufweise, deren sich aus Art. 1 GG und Art. 2 I GG ergebenden Rechte, namentlich der Schutz der Intimsphäre, durch den Einsatz einer männlichen Person für die im Nachtdienst anfallenden Aufgaben gefährdet und gegebenenfalls beeinträchtigt werden. Dabei spiele das Schamgefühl der jungen Frauen eine Rolle, das durch ein unbekleidetes bzw. nicht vollständig bekleidetes Auftreten gegenüber dem anderen Geschlecht im Regelfall berührt und ein unbefangenes und freies Verhalten beeinträchtigt werde, denn es entspreche der Lebenserfahrung, dass eine natürliche und freie Bewegung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingeschränkt sei, wenn eine erwachsene Person des anderen Geschlechts die Wasch- und Sanitärräume bzw. die Schlafzimmer betreten könne. Schließlich sei bei einer männlichen Aufsichtsperson, die im Nachtdienst eingesetzt werde, auf Grund möglicherweise entstehender sexueller Interessen wesentlich eher mit Komplikationen zu rechnen als dies bei einer weiblichen Aufsichtsperson der Fall sei.430 Die Grenze zwischen vermeintlicher Lebenserfahrung und eigentlichen Vorurteilen sind bekanntlich fließend. Dass ein natürliches Schamgefühl gegenüber einer gleichgeschlechtlichen Aufsichtsperson weniger stark berührt als bei einer andersgeschlechtlichen ist, wäre nachzuweisen gewesen; ebenso dass bei männlichen Aufsichtspersonen eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit von „Komplikationen“ aufgrund „entstehender sexueller Interessen“ bestünde. Hinter solchen Erwägungen steht letztlich selbst eine Diskriminierung, wird doch unterstellt, eine männliche, ausgebildete Fachkraft könnte ihrem Beruf nicht professionell nachgehen, sondern wäre aufgrund ihres Geschlechts sexuellen Gelüsten unterworfen, jedenfalls mehr als es weib­ liche Fachkräfte wären. Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass es durchaus gute Gründe geben kann, die für ein besonderes persönliches Interesse an der Einhaltung eines bestimmten Geschlechts geknüpft sind. Wenn man jedoch diese berechtigten Interessen berücksichtigt, namentlich Schamgefühl und die Gefahr von sexuell motivierten Übergriffen, stellt sich die Frage, ob deren Sicherstellung auf diskriminierende Bedingungen angewiesen ist oder ob es hierzu nicht Alternativen gibt. Zu denken wäre etwa daran, dass das Betreten der der 430  BAG

NZA 2009, 1016, 1021 f.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche355

I­ntimssphäre unterstehenden Räume, also der Schlaf- und Duschräume, nur nach vorheriger Ankündigung, also etwas mittels Anklopfens an der Tür und Abwartens eines Zeichens, erlaubt ist, und zwar unabhängig davon, welchen Geschlechts die Aufsichtsperson ist. Dagegen wäre es einfältig, den Schutz vor sexuellen Übergriffen mittels generellen Ausschlusses bestimmter Geschlechter erreichen zu wollen; hier kann nur eine ständige und eingehende Kontrolle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zwecktauglich sein; aber kein Geschlecht ist frei von Angehörigen, die sexuell übergriffig gegenüber Schutzbefohlenden werden. Der Fall verdeutlicht, wie sorgfältig die Gesichtspunkte abgewägt werden sollten, stehen Bedingungen diskriminierenden Gehalts zur Debatte. Der zweite Fall431 ist nach Dafürhalten dieser Arbeit leichter zu beurteilen: Michaela ist transsexuell, früher hieß sie noch Michael, änderte aber ihren Namen durch rechtskräftigen Gerichtsbeschluss in Michaela und tritt äußerlich als Frau auf, obwohl sie biologisch nach dem Gesetz noch ein Mann ist, da entsprechende operative Eingriffe an den äußeren, männlichen Geschlechtsmerkmalen noch nicht vorgenommen wurden. Michaela wurde als Arzthelferin von einem Chirurgen in dessen Durchgangspraxis beschäftigt. Als dieser vom wahren Geschlecht erfuhr, fochte er den Arbeitsvertrag wegen eines Irrtums über die Geschlechtszugehörigkeit an. Das Bundesarbeitsgericht erkannte einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft gem. § 119 II BGB an. Gerade im Hinblick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis sei es von erheblicher Bedeutung, ob der Patient bzw. die Patientin seinen bzw. ihren Intimbereich dem Arzt in Gegenwart eines weiblichen oder männlichen Arzthelfers offenbare. Dies dürfe nach der Verkehrsanschauung generell und nicht erst speziell im Hinblick auf die besondere Situation gelte. Die Besonderheit der Situation ergab sich daraus, dass die vorliegende Durchgangspraxis einen Patientenstamm überwiegend ausländischer Abstammung verfügte, mit einer, aufgrund der gesellschaftlichen und religiösen Einstellung (Moslems), besonderen Sensibilität. Eine Diskriminierung liege nicht vor, da aufgrund der Praxisnotwendigkeiten die Eigenschaft als Frau für den Chirurgen und seine Patienten_innen unverzichtbare Voraussetzung des Arbeitsverhältnisses war.432 Lag es im Mädcheninternat-Fall noch nahe, mit dem Intimbereich zu argumentieren, führt es zu weit, dieses Argument generell für jegliches Arzt-Patienten-Verhältnis anzuführen. Die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit, noch nicht einmal des Arztes selbst, sondern nur seiner Assistenzkraft, hat das Gericht nicht begründet, sondern einfach unterstellt – und damit selbst die betroffende Person diskriminiert. Wandelt man 431  BAG 432  BAG

NJW 1991, 2723 ff. NJW 1991, 2723, 2725 f.

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den Fall für strafrechtliche Belange ab und zieht einen Patienten aus der Praxis des Chirurgen heran, der nach einem chirurgischen Eingriff, etwa der Amputation des linken Zeigefingers, bei der auch Michaela in Ausübung ­ihrer Tätigkeit als Arzthelferin anwesend war, davon erfährt, dass Michaela biologisch ein Mann ist, dann fragt es sich, worin man die Notwendigkeit bzw. – nach Terminologie dieser Arbeit – das besondere persönliche Interesse des Patienten an einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit sehen will. Man stelle sich vor, der Patient sagt explizit zum Chirurgen, er wolle sich nur von Frauen Spritzen amplizieren lassen, bekanntlich seien Frauen ja behutsamer und einfühlsamer als Männer. Legt man die Argumentation des Gerichts auch für eine strafrechtliche Beurteiltung zugrunde, so wäre die Bedingung nicht erfüllt worden und der Chirurg hätte sich wegen Körperverletzung strafbar gemacht und Michaela wegen einer Beihilfe hierzu.433 Nach Ansicht der Arbeit besteht jedoch bei einem herkömmlichen Arzt-PatientenVerhältnis kein anerkennenswertes persönliches Interesse daran, dass Eingriffe und Eingriffe unterstützende Handlung von Personen eines bestimmten Geschlechts vorgenommen werden. Der Michaela-Fall lässt sich auch auf ein Geschehen im Sexualbereich übertragen: Wie ist zu entscheiden, wenn jemand die Auswahl seiner Sexualpartner vom Geschlecht – und nicht von der Religion – abhängig macht? Diese Bedingung dürfte die denkbar größte praktische Relevanz haben, denn die meisten Menschen haben eine sexuelle Präferenz, die der Auswahl ihrer Sexualpartner zugrunde liegt. Es ist klar, dass sich die Geschlechtszugehörigkeit in einem zwischenmenschlichen, auf Sexualität bezogenen Handlungsablauf ab einem gewissen Moment erkennbar offenbart; aber davor gibt es unzählige Stadien, in denen sich das nicht erkennbar zeigen muss, trotzdem aber eine sexuelle Handlung vorliegt, etwa intensive Küsse, Berührungen oder einseitige Ausführungen sexueller Handlungen. Konkret an einem Beispiel gezeigt: Jemand lässt sich von einer Person in der irrigen Annahme, es handele sich dabei um eine Frau, oral befriedigen. Liegt ein sexueller Übergriff dieser Person vor, wenn es sich in Wahrheit um einen Mann handelt und diesem in einem vorherigen Gespräch auch klar kommuniziert wurde, dass sexuelle Aktivitäten mit Männern unerwünscht seien? Allein die Frage, ob diese Bedingung noch vom Schutzzweck erfasst ist, also ob es Einfluss auf Qualität oder Intensität hat, ob eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechts die orale Befriedigung ausübt, dürfte 433  Wusste der Chirurg bei Vornahme des Eingriffs nichts von Michaelas „wahrem“ Geschlecht, dann hätte er in Unkenntnis eines die Wirksamkeit der Zustimmung ausschließenden Umstands und damit ohne Vorsatz gem. § 16 I 1 StGB gehandelt, weshalb auch eine Beihilfe von Michaela mangels vorsätzlicher Haupttat ausschiede; jedoch käme zumindest theoretisch eine mittelbare Täterschaft in Betracht.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche357

schwierig zu beantworten sein. Vorsicht ist insoweit geboten, dass die Beantwortung selbst nicht Gefahr laufen darf, auf diskriminierende Erwägungen abzustellen. Daher wäre der Eingriffsbezug, berücksichtigt man rein biologische Tatsachen – Mund ist Mund – eher zu verneinen, sodass nur noch die Frage offen bleibt, ob nicht dennoch ein Interesse daran besteht, dass nur die Person mit jener bestimmten Eigenschaft, also mit dem bestimmten Geschlecht, den Eingriff vornimmt. Die Arbeit tendiert dazu, die Frage ebenfalls zu verneinen, da keine Gründe ersichtlich sind, die nicht ihrerseits auf diskriminierenden Prämissen beruhen. Die Probleme konnten hier nur angedeutet und auf die zu ihrer Lösung entscheidenden Kriterien hingewiesen werden, ohne dass es möglich ist, auf jeden Einzelfall und jeden in Betracht kommenden Aspekt einzugehen und apodiktische Ergebnisse festzustellen. Als Leitgedanke ist jedoch Folgendes festzuhalten: Erstens kommt es auf die Umstände in jedem Einzelfall an. Und zweitens sollte für an Eigenschaften von Menschen knüpfende Bedingungen gelten: im Zweifel gegen Diskriminierung – in dubio contra con­ temptionem. Wenn in einer zwischenmenschlichen Interaktion eine Person ihr Verhalten an den diskriminierenden Bedingungen einer anderen Person ausrichten soll, dann sollte nach Ansicht der Arbeit die Einhaltung solcher Bedingungen keinen rechtlichen Schutz erfahren. Das Verhalten der diskriminierten Person unter Strafandrohung zu stellen, hieße nicht das Verhalten an sich als Übel anzusehen, sondern dass die Person die Diskriminierung nicht akzeptiert. Diskriminierung darf jedoch nicht in den Genuss vom Schutz der Rechtsordnung gelangen. Das widerspräche einem von gegenseitiger Anerkennung und Respekt geprägtem Gesellschaftsbild, welches durch das Strafrecht gefördert und nicht konterkariert werden sollte.

IV. Voluntatives Defizit – Zwangswirkungen In ähnlicher Weise wie bei kognitiven Defiziten wird auch bei voluntativen nach der Zuständigkeit für die Zwangswirkung differenziert. Hat sie der Eingreifende selbst hervorgerufen – oder garantenwidrig nicht beseitigt – so trägt er grundsätzlich die Verantwortung. Stammt sie hingegen aus der Sphäre des Zustimmenden, so muss diesem auch die Verantwortung zugeschrieben werden. Während die erste Gruppe kaum Schwierigkeiten bereitet – und wohl die überwiegende Mehrzahl der Fälle ausmacht –, wird in der zweiten Gruppe diskutiert, ob auch das bloße Bestehen einer nicht durch den Täter herbeigeführten Zwangslage zur Unwirksamkeit der Zustimmung bzw. nach Ansicht dieser Arbeit zur Verantwortungslast des Eingreifenden führen kann. Rönnau weist auf den Normalfall solcher Situationen hin, etwa den „naturbedingten Zwang“ einer Krankheit. Das Eingreifen des Täters, etwa eines Arz-

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tes, ermöglicht gerade den Ausweg aus der Zwangslage.434 In der Tat entspricht es allgemeiner Zurechnungsdogmatik: Für ein allgemeines Lebens­ risiko, wie das einer Krankheit, kann keinem Dritten die Verantwortung aufgebürdet werden. So wird dann auch die Forderung aufgestellt, dass die Zustimmungsvoraussetzungen dem Zustimmenden nicht die allgemeinen Lebensrisiken und die sich daraus ergebenden Zwänge abnehmen könne.435 Hierauf abzustellen, kritisiert Mitsch scharf: Es sei einerseits schon unklar, was dem Berechtigten überhaupt abgenommen werde, andererseits handele es sich um eine „nichtssagende (Leer-)Formel“, die „keinerlei definitorischen Wert“ habe, denn „Allgemeines Lebensrisiko kann alles sein“.436 Ob dem in dieser Schärfe gefolgt werden muss, lässt die Arbeit offen. Zutreffend ist es jedenfalls, dass das Kriterium nicht weiter hilft. Besonders wenn man ohnehin nur solche Zwangswirkungen zur Unwirksamkeit der Zustimmung führen lässt, die Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel darstellen, kann es ohnehin nur um menschliche Verhaltensweisen gehen. Ist es nicht der Eingreifende, von dem die Zwang bewirkende menschliche Verhaltensweise ausgeht, dann besteht auch keine Zuständigkeit und damit keine Verantwortlichkeit. 1. Lösung mittels Zuständigkeit, Herrschaft und Interesse des Rechtsinhabers Wie erfolgt nun aber die Behandlung der Fälle, in denen der Eingreifende den Rechtsinhaber zu seiner Zustimmung nötigt? Die Zustimmung ist unwirksam, aber ist es denkbar, dass die Verantwortung des Eingreifenden ausgeschlossen ist, obwohl er für den Zwang zuständig ist, indem er ihn hervorgerufen hat? Für Zwangswirkungen ist es nun wichtig zu beachten, dass die Interessenlage des Rechtsinhabers eine andere als bei kognitiven Defiziten ist. Sein Interesse ist hier nämlich in jedem Fall auf einer Beendigung der Zwangswirkung gerichtet. Und um dieses Ziel zu erreichen, kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder die Vornahme des konsentierten Eingriffs durch den zwangszuständigen Eingreifenden ist die einzige Möglichkeit oder aber es besteht auch die Möglichkeit, dass dieser den Zwang zurücknimmt, ohne den Eingriff in die Rechtssphäre vornehmen zu müssen. Im letzten Fall hat der Eingreifende noch die Herrschaft über die Zwangswirkung.437 Und aus Sicht 434  Rönnau,

LK-StGB, Vor § 32 Rn. 208. Einwilligung, S. 88; Lenckner, Sch / Sch, 26. Aufl., Vor §§ 32 ff. Rn. 48. Kritisch zum Kriterium allgemeiner Lebensrisiken dagegen Mitsch, Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, AT, § 15 Rn. 138 m. Fn. 574. 436  Mitsch, Rechtfertigung, S. 559. 437  Auf die Herrschaft über den Ursprung der Zwangswirkung stellt auch Mitsch ab, Rechtfertigung, S. 567, 569 ff. Anders als diese Arbeit operiert er dabei jedoch 435  Hinterhofer,



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche359

des Rechtsinhabers ist es die beste Lösung den Zwang zu beseitigen, ohne dass es zu einem Eingriff in die geschützte Rechtssphäre kommt.438 Entscheidet sich der Täter dennoch zur Vornahme des Eingriffs, dann liegt dieser in seiner Verantwortung. Dem Rechtsinhaber hier eine Verantwortung zuzuschreiben, dafür ist kein Grund ersichtlich. Die Besonderheit im ersten Szenarium liegt nun darin, dass die Gefahr besteht, das Interesse des Berechtigten an der Zwangsbeendigung zu vereiteln, würde man die Verantwortung des Eingreifenden bejahen und damit zu seiner Strafbarkeit gelangen.439 Denn in diesem Fall würde man ja verlangen, den Eingriff nicht vorzunehmen. Und das würde bedeuten, dass die Zwangswirkung fortbestünde, was dem Interesse des Rechtsinhabers widerspräche.440 Das entscheidende Abgrenzungskriterium ist also, ob der Eingreifende die Herrschaft über den Zwang in der Art und Weise hatte, dass er ihn auch anders als durch Vornahme des Eingriffs hätte beenden können. Hat er diese Herrschaft, so begründet diese auch die Zuschreibung der Verantwortung zu seinen Lasten. Die Lösung der Arbeit wird aber mit einer Schwierigkeit konfrontiert: Sie privilegiert scheinbar ausgerechnet den Täter, der die Zwangswirkung quasi absolut hervorgerufen hat, d. h. in einem solchen Maße, dass er sie nicht „aus eigener Kraft zurücknehmen könnte“441. Besonders deutlich vor Augen führt das ein Beispielsfall von Mitsch, in welchem der Täter dem Opfer ein tödlich wirkendes Gift beibringt und ihn sein Opfer, nachdem er es über seinen Zustand aufgeklärt hat, um die Injektion des rettenden Gegengifts bittet.442 Mitsch meint nicht zu Unrecht, das Rechtsgefühl sträubt sich gegen die Straflosigkeit in diesem Fall, es ist ein „inakzeptables Ergebnis“.443 Doch Straflosigkeit ist nur das Ergebnis, wenn es um den Eingriff in der Körpersphäre durch die Injektion des Gegengiftes geht. Keine Straflosigkeit besteht jedoch für die ursprüngliche Verabreichung des tödlichen Giftes: Das stellt einen nicht konsentieren Eingriff in die Gesundheit dar, aufgrund der konkreten Lebensgefahr sogar in qualifizierter Form. Je nach Vorstellung des Täters unter der Maßgabe einer optimalen Interessenbefriedigung für den Rechtsinhaber, d. h. es bestimmt die „Optimalität (oder Suboptimalität) der Rechtsgutsaufopferung zugunsten der alternativen Befriedigung des Interesses an der Aufhebung des Drucks die Gültigkeit (oder Ungültigkeit) der Einwilligung“, S. 569. 438  So auch Mitsch, Rechtfertigung, S. 570. 439  Auf diese „suboptimalen Interessenbefriedigung“ weist Mitsch hin, Rechtfertigung, S. 565 f., 570: „Wenn es dem Rechtsgutsinhaber nützt, hat das Recht seine Schranken auch gegenüber schadensbeseitigendem Handeln des Schadensverursachers zu öffnen.“ 440  Auf die nachteilige Auswirkung auf die Interessenlage des Rechtsinhabers stellt auch Mitsch ab, Rechtfertigung, S. 566. 441  Mitsch, Rechtfertigung, S. 570. 442  Mitsch, Rechtfertigung, S. 565. 443  Mitsch, Rechtfertigung, S. 566

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(Wollte er in jedem Fall das Gegengift spritzen oder wollte er es von der Zustimmung des Opfers abhängig machen?) kann auch ein versuchter Totschlag oder sogar Mord vorliegen. Es gibt also keinen Grund, dass sich das Rechtsgefühl gegen irgendetwas sträuben müsste. Es ist kaum ein Fall denkbar, in welchem der Täter eine absolut wirkende Zwangslage schafft, ohne dadurch nicht zugleich strafbares Unrecht zu verwirklichen. Es geht also darum, dass vollkommen berechtigte Strafbedürfnis auf die richtige Tat zu lenken, nämlich die Herbeiführung der Zwangslage, in welcher der Rechts­ inhaber zur Abgabe seiner Zustimmung gezwungen ist, um „seine eigene Haut zu retten“.444 Bleibt nur noch eine letzte dogmatische Frage zu klären: Wie lässt sich im Falle der Zwangszuständigkeit normativ die so vorgenommene Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Eingreifendem und Rechtsinhaber begründen? Bei kognitiven Defiziten hat die Arbeit die Ansicht vertreten, dass es eines positiven Umstands bedarf, der die Verantwortung des Täters ausschließt, wenn er für den Defekt zuständig war. Das darf auch bei voluntativen Defekten nicht anders gehandhabt werden. Was ist aber nun ein solcher Umstand, der die Verantwortung des Täters ausschließt, wenn er den Zwang hervorgerufen hat? Wenn dem Rechtsinhaber eine Wahlmöglichkeit verbleibt in dem Sinne, dass auch eine dritte Person den Eingriff hätte vornehmen können, dann könnte ein solch verantwortungsausschließender Umstand die verbleibende Herrschaft des Berechtigten sein, der zwar gezwungen ist, dem Eingriff seine Zustimmung zu erteilen, aber eben nicht ausgerechnet durch den Täter. In dem Fall aber, dass der Täter noch die Herrschaft über den Zwang in der Weise hat, dass er ihn zurücknehmen kann, ohne in die Rechtssphäre des Berechtigten einzugreifen, dann überlagert dieses Herrschaftsvermögen die Entscheidungsherrschaft des Berechtigten. Ein positiver Umstand, der die Verantwortung des Täters ausschließt ist also gerade nicht gegeben. Wenn schließlich der Täter keine Herrschaft über den Zwang mehr inne hält und der Eingriff auch nicht von dritten Personen vorgenommen werden kann, dann ist wie gesehen das Interesse der Berechtigten daran zu berücksichtigten, dass der Zwang beseitigt wird. Nach Ansicht der Arbeit ist in solch einer Lage zwar die Zustimmung unwirksam, aber eine Verantwortung des Täters normativ ausgeschlossen und zwar unter dem aus der Lehre der objektiven Zurechnung bekannten Gesichtspunkt der Risikoverringerung. Besonders anschaulich wird das in dem oben genannten Gift-Fall: Die Injektion des Gegengiftes greift zwar in die körperliche Integrität ein, verringert aber zugleich das Risiko einer tödlichen Wirkung des ursprünglichen Giftes auf Null. Dass der Täter selbst dieses ursprüngliche Gift verabreicht hat, 444  Auf die „Pönalisierung der actio praecedens“ stellt auch Mitsch ab, Rechtfertigung, S. 567.



§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche361

muss unbeachtlich bleiben, soll das Interesse des Berechtigten auf Erhaltung seines Lebens nicht vereitelt werden. Die Richtigkeit dieses Ergebnis wird auch durch einen Vergleich mit der Situation bestätigt, in welchem der Täter den Eingriff gerade nicht vornimmt und das Opfer stirbt: In diesem Fall bestünde eine Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen, indem der Täter die erforderliche und gebotene Handlung, nämlich das Verabreichen des Gegengiftes nicht vornimmt, obwohl es ihm möglich ist, wobei die Garantenstellung aus Ingerenz folgen würde – die Verabreichung des Giftes stellt ein rechtswidriges Vorverhalten dar. Würde man nun trotz Zustimmung zum Eingriff – die Verabreichung des Gegengiftes – zu einer diesbezüglichen Strafbarkeit des Täters gelangen, so würde sich der Täter stets strafbar machen, gleichgültig wie er sich verhält, also egal, ob er den Eingriff nun vornimmt oder aber unterlässt. Das wäre jedoch dogmatisch unmöglich: Entweder die Vornahme des rettenden Eingriffs ist rechtmäßig oder rechtswidrig, aber der Eingriff kann nicht beides zugleich sein, je nach dem, ob nun ein aktives Tun oder aber ein Unterlassen des Täters den Gegenstand der Vorwerfbarkeit bildet. Das ist der entscheidende Grund, weshalb die Verantwortung des Täters ausgeschlossen sein muss, denn würde man sie bejahen und damit den Eingriff als rechtswidrig einordnen, dann könnte der Täter auch nicht verpflichtet sein, ihn vorzunehmen, was wiederum zur Folge hat, dass ein Täter, der das Opfer pflicht- bzw. rechtswidrig in eine Zwangslage bringt, nicht strafbar wäre, wenn er diesen Zwang nicht beseitigt.445 2. Behandlung von Dreieckskonstellationen Darauf aufbauend ist die Lösung für die Fälle, in denen eine dritte, vom Zwangszuständigen verschiedene Person den Eingriff vornimmt, recht einfach nachzuvollziehen: Wenn der Dritte nicht für den Zwang zuständig ist, dann müsste ein positiver Umstand vorliegen, der seine Verantwortung begründet. Daran fehlt es jedoch, denn es liegt gerade in der Entscheidungsherrschaft des Rechtsinhabers, wen er mit der Beseitigung des Zwanges „beauftragt“. Rönnau nennt für solche Dreieckskonstellationen als einfachen Fall den Vater, der seinem Sohn droht, das Taschengeld zu streichen, wenn er sich nicht beim Friseur seine langen Haare abschneiden lässt. Selbst wenn der Friseur nun von der Zwangssituation des Sohnes weiß und die Haare schneidet, kann ihm dennoch keine Verantwortung zugeschrieben werden. Erstens ist nicht er, sondern der Vater für den Zwang zuständig. Zweitens widerspräche es dem Interesse des Sohnes, würde man den Friseur rechtlich verpflichten, den Eingriff zu unterlassen, weil ihm dann die Möglichkeit ab445  So

auch Mitsch, Rechtfertigung, S. 565.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

geschnitten würde, sich selbst aus der Zwangslage zu befreien. Drittens hat der Friseur im Verhältnis zum Sohn keine Herrschaft über das Geschehen: Es liegt nicht in seinen Händen, ob der Zwang bestehen bleibt oder nicht, sondern der Sohn entscheidet darüber, wie er dem Zwang begegnet, ob er entweder das Übel des Taschengeldverlustes oder des Haarverlustes in Kauf nehmen will, und falls er für die zweite Option votiert, dann entscheidet er darüber, wer in welcher Weise und aus welchen Gründen den Frisiereingriff vornimmt und der Friseur ordnet sich dem unter. Im Verhältnis zum Vater hingegen ist eine Herrschaft des Sohnes hingegen zu verneinen, weil es in den Händen des Vaters liegt, ob der Zwang aufrecht erhalten bleibt oder nicht, und zwar unabhängig von dem Eingriff durch den Friseur. Das Beispiel ist gar nicht so fern von der Lebensrealität wie sonst übliche Lehrbuchfälle. Dennoch strahlt der Fall etwas Harmlosigkeit aus, weshalb noch ein weiteres, gesellschaftlich, menschlich und kriminalpolitisch brisanteres Beispiel gebildet werden soll: Der Zuhälter Z droht der für ihn als Prostituierte arbeitenden P an, sie auf das Schlimmste zu verprügeln, wenn sie nicht über das Wochenende Geld durch Sexarbeit heranschafft. Wie ist es strafrechtlich zu bewerten, wenn P tatsächlich über das Wochenende einvernehmlichen Sex mit zehn Freiern hat und, wie gefordert, das dadurch erhaltene Geld bei Z abgibt? Wenn unterstellt wird, dass die Dienstleistungen tatsächlich im Einvernehmen mit P stattfanden und sich die Freier an alle Bedingungen hielten und Zahlung leisteten, könnte es einer wirksamen Zustimmung nicht dennoch entgegenstehen, dass P zu diesen entgeltlichen Sexualkontakten genötigt wurde? Nach Ansicht der Arbeit steht die Nötigung durch Z auf jeden Fall der Wirksamkeit der Zustimmung zu sexuellen Handlungen gegenüber den Freiern entgegen. Insbesondere wer hier versucht, mit der Autonomie zu argumentieren, müsste sich schnell in Widersprüche begeben, wollte er anders urteilen. Dennoch begehen die Freier kein strafrechtliches Unrecht, wenn sie sich an die Bedingungen der ihnen durch P vorgegeben objektiven Zustimmung halten, weil sie sich insoweit der Herrschaft der P unterordnen, ihre Rechtssphäre respektieren.446 Es ließe sich darüber streiten, ob man wirklich sagen will, dass P die Verantwortung für die sexuellen Eingriffe trägt, aber jedenfalls ist sie nicht den Freiern zuzuschreiben. Und auch diese Arbeit muss zugestehen, dass sie nicht frei von zynisch anmutender Argumentation ist, aber die Freier dienen insoweit dem Interesse von P, als dass sie durch 446  Der Wortlaut des reformierten § 177 II Nr. 4 StGB gibt jedoch eine dem entgegenstehende gesetzgeberische Wertung zu erkennen: Danach wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt und der Täter dabei eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht.



§ 9 Tätervorsatz und Zustimmung363

die entgeltlichen Sexualkontakte aus ihrer Zwangssituation befreit wird. Im Verhältnis zu Z aber liegt die Herrschaft ganz eindeutig nicht bei P, sondern bei Z, der es in den Händen hält, die Zwangssituation zu beenden und dadurch die Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung zu verhindern. Insbesondere in den Fällen der Dreieckskonstellationen werden die Vorzüge des dogmatischen Ansatzes dieser Arbeit ersichtlich, zum einen zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage zu unterscheiden, zum anderen die normative Zurechnung von Kriterien wie Autonomie oder Freiwilligkeit unabhängig zu gestalten. Denn wer mit der Autonomie argumentiert, der kann eine solche Argumentation nur in absoluter Weise aufbauen: Entweder eine Entscheidung ist autonom oder sie ist es nicht. Es ist nicht möglich zu differenzieren, es sei denn man will den Begriff ad absurdum führen. Das führt dazu, dass es einer auf die Autonomie aufbauenden Argumentation an Differenzierungsvermögen fehlt.447 Insbesondere wird das in Mehrpersonenverhältnissen ersichtlich: Wenn die Entscheidung des Rechtsinhabers gegenüber dem Zwangsausübenden als nicht autonom bewertet wird, dann muss das auch gegenüber Dritten gelten. Wer hingegen die Frage als eine der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen einordnet, der muss begriffsnotwendig die Frage stets für das jeweilige Personenverhältnis neu stellen, welches gerade Gegenstand der Untersuchung ist. Die Frage ist also notwendigerweise relativ!

§ 9 Tätervorsatz und Zustimmung Schließlich ist auf den Zusammenhang zwischen subjektiver Tatseite und Zustimmung einzugehen. Dabei sind zwei Konstellationen auseinander zu halten: Einerseits die Unkenntnis von einer objektiv vorliegenden und wirksamen Zustimmung, andererseits die irrig Annahme einer Zustimmung.

I. Unkenntnis von einer Zustimmung Die Frage für die erste Konstellation ist einfach formuliert und noch einfacher ist eine Antwort gefunden: Muss der Eingreifende Vorsatz auf das Vorliegen einer wirksamen Zustimmung des Rechtsinhabers haben? Die Antwortet lautet: Nein. Denn wenn eine wirksame Zustimmung vorliegt, so ist bereits der objektive Tatbestand zu verneinen; die Zustimmung ist schließlich ein negatives Tatbestandsmerkmal und ob der Täter von ihrem Vorliegen Kenntnis hat oder nicht, ist dafür unerheblich. Eine Vollendungsstrafbarkeit 447  In die gleiche Richtung geht auch die Kritik bei Mitsch, Rechtfertigung, S.  569, 572 f.

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

kommt von vornherein nicht in Betracht.448 Es ist also gerade nicht erforderlich, dass der Täter in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung gehandelt haben muss; eine Anforderung, wie sie von einem Teil der Strafrechtslehre erhoben wird.449 Der Grund dafür liegt darin, dass dieser Teil der Lehre die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund begreift, sodass sich das Problem des Erfordernisses eines subjektiven Rechtfertigungselements stellt.450 Folgerichtig kann sich aber dieses Problem nach Ansicht dieser Arbeit nicht stellen, da die Zustimmung auf tatbestandlicher Ebene zu verorten ist. Daher kommt es in jedem Fall nicht auf die Kenntnis des Eingreifenden von der Zustimmung an. Es kann jedoch sehr wohl eine etwaige Unkenntnis relevant werden und zwar für einen strafbaren Versuch. Das mag mit der herkömmlichen Irrtumsdogmatik auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheinen, führt die Unkenntnis von einem Tatbestandsmerkmal doch eigentlich zum Ausschluss des Vorsatzes nach § 16 I 1 StGB. Freilich ist die Ungewöhnlichkeit nur Konsequenz dessen, dass es sich um ein Tatbestandsmerkmal negativer Natur handelt. Daher führt gerade nicht dessen irrige Annahme zur Versuchsstrafbarkeit, sondern die Unkenntnis davon. Maurach / Zipf versuchen diese Versuchskonstellation für die Einwilligung unter Einbeziehung der Unrechtslehre zu begründen: Beim Vorliegen einer wirksamen Einwilligung entfalle das Erfolgsunrecht, wenn der Täter jedoch diesen Sachverhalt nicht kenne, so bleibe das Handlungsunrecht voll ausgebildet, sodass eine Versuchssituation vorliege.451 Nach Ansicht der Arbeit entfällt sowohl das Erfolgs- als auch das Handlungsunrecht, aber jeweils nur objektiv-tatbezogen: Der Täter greift zwar in eine Rechtssphäre ein, aber aufgrund der Zustimmung ist diese für ihn geöffnet, sodass der Eingriff keinen verletzenden Charakter hat. Da der Täter aber subjektiv keine Kenntnis von der Zustimmung hat, geht er davon aus, verletzend in die geschützte Sphäre einzugreifen, wodurch das subjektiv-täterbezogene Erfolgs- und Handlungsunrecht gegeben ist. 448  Deshalb stellt sich die Frage, sich zwischen den Alternativen von Versuchsoder Vollendungsstrafe zu entscheiden, entgegen Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 9 Rn. 30 überhaupt gar nicht. 449  Heinrich, AT, Rn. 462; Hirsch, LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 57; Jescheck /  Weigend, AT, S. 383; Rengier, AT, § 23 Rn. 38; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 567. Kein Handeln „aufgrund der Einwilligung“ für erforderlich halten: Kühl, AT § 9 Rn. 41; Otto, Geerds-FS, S. 603, 620; ders., AT, § 8 Rn. 117; Rönnau, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 211. 450  Darauf weisen auch ausdrücklich Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 63 hin. 451  Maurach / Zipf, AT I, § 17 Rn. 63. Sie ergänzen zutreffend, dass dieser Lösungsweg auch demjenigen der herrschenden Meinung beim Einverständnis entspricht.



§ 9 Tätervorsatz und Zustimmung365

II. Irrige Annahme einer Zustimmung Umgekehrt kann der Eingreifende aber auch irrig eine Zustimmung annehmen, obwohl eine solche nicht vorliegt. Die Frage ist, ob in diesem Fall der Vorsatz gem. § 16 I 1 StGB ausgeschlossen ist. Die Anforderungen hierfür in dessen Wortlaut übersetzt: Der Eingreifende müsste Unkenntnis vom Nichtvorliegen des negativen Tatbestandsmerkmals der Zustimmung haben. Wie soll man nun aber eine Nichtkenntnis von einem Nichtvorliegen prüfen? Die Antwort ist einfach: Gar nicht. Um das nachzuvollziehen, ist sich das Wesen eines negativen Tatbestandsmerkmals zu vergegenwärtigen: Der Tatbestand wird nur dann ausgeschlossen, wenn ein bestimmter Umstand – nämlich das Vorliegen einer Zustimmung – positiv vorliegt. Wenn es daran objektiv fehlt, dann ist es auch unmöglich davon Kenntnis zu haben: Von etwas, das nicht existiert, kann auch niemand Kenntnis haben. Wenn aber keine Kenntnis möglich ist, dann gilt das auch umgekehrt: Auch eine Unkenntnis ist nicht möglich. Das ergibt sich auch daraus, dass es im Falle des Vorliegens einer wirksamen Zustimmung genauso wenig auf die Kenntnis des Eingreifenden ankommt. Dann kann aber auch nichts anderes gelten, wenn keine Zustimmung vorliegt. Für eine vorsätzliche Vollendungsstrafbarkeit kommt es also weder auf die Kenntnis noch die Unkenntnis des Eingreifenden an. Dem Beschuldigten, der in die Rechtssphäre eines anderen eingegriffen hat und später behauptet, er habe nicht gewusst, dass eine Zustimmung nicht vorlag, dürfte kein Gehör geschenkt werden. Er müsste mehr vortragen als sich auf eine bloße Unkenntnis vom Nichtvorliegen zu stützen. Ein Vorsatzausschluss kommt aber durchaus in Betracht, nämlich dann, wenn sich der Eingreifende positive Vorstellungen über tatsächliche Umstände gemacht hat, die das Vorliegen einer wirksamen Zustimmung aus seiner Sicht begründen. Denn mangels objektiver Tatsachen, die eine wirksame Zustimmung begründen und damit den Tatbestand positiv ausschließen, müssen solche Tatsachen zumindest subjektiv in der Tätervorstellung bestanden haben. Der Eingreifende müsste Vorsatz auf all jene Merkmale gehabt haben, die den Tatbestand der Zustimmung bilden, also dass eine Zustimmung bis spätestens zur Vornahme des Eingriffs in zumindest konkludenter Weise kundgetan wurde und die Art und Weise des Eingriffs durch den Täter umfasst. Lässt sich die Tätervorstellung nicht auf solche Tatsachen stützen oder stützen die Tatsachen der Tätervorstellung nicht das Vorliegen einer Zustimmung, so ist sein Vorsatz nicht ausgeschlossen. Eine irrige Annahme der Zustimmung durch den Eingreifenden geht ins Leere. Das gilt nun freilich nicht, wenn sich das Nichtvorliegen einer wirksamen Zustimmung aus dem Vorliegen eines Unwirksamkeitsgrundes ergibt. Wie

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Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik

beschrieben,452 handelt es sich hierbei um eine Art „negatives Tatbestandsmerkmal“ der Zustimmung: Liegt ein solcher Grund vor, so fehlt es an einer wirksamen Zustimmung und der Tatbestand ist gegeben, sofern dessen weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Das aber bedeutet, dass eine Prüfung des Vorsatzausschlusses nach § 16 I 1 StGB in gewohnter Weise, d. h. wie vom Wortlaut vorgegeben, abläuft: Hat der Eingreifende keine Kenntnis von dem tatsächlichen Umstand, der zur Unwirksamkeit der Zustimmung führt, so ist sein Vorsatz ausgeschlossen. Zu beachten ist lediglich, dass es um die Nichtkenntnis des tatsächlichen Umstands geht, nicht aber um das Nachvollziehen der rechtlichen Wertung, die mit dem Vorliegen dieses Umstands verbunden ist. Beispielhaft verdeutlicht: Es genügt, dass der Eingreifende von der Minderjährigkeit des Zustimmenden irgendwie Kenntnis hat, nicht erforderlich ist, dass er die rechtliche Schlussfolgerung daraus zieht, dass dessen Zustimmung unwirksam ist. Ebenso genügt, dass der Täter von dem Irrtum des Zustimmenden weiß, nicht erforderlich ist, dass er ihn als wirksamkeitsausschließend bewertet, obwohl er ihn selbst nicht durch Täuschung hervorgerufen hat.

452  Siehe

dazu oben S. 264.

Zusammenfassung der Thesen Damit ist die Arbeit an ihrem Ende angelangt. Die Zustimmung ist eine komplexe Institution der Strafrechtsdogmatik. Diese Komplexität konnte auch die Arbeit nicht auflösen; ebenso wenig konnte sie jeden Aspekt der Dogmatik bis ins kleinste Detail ausleuchten. Dennoch ist mit dem Abfassen der Arbeit die Hoffnung verbunden, einen Beitrag zu leisten, die Komplexität der Zustimmung zu mildern. Der wichtigste Schritt besteht darin, deren Zweiteilung aufzugeben. Das ist die erste wesentliche These: Die Zweiteilung in Einwilligung und Einverständnis ist unmöglich durchzuführen und lässt sich nicht überzeugend begründen. Es sind keine klaren Kriterien vorhanden, um eine Abgrenzung vorzunehmen, insbesondere lässt sie sich nicht auf den angeführten Wortlaut der Tatbestände stützen. Daher bedarf es einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik. Damit ist auch ein Plädoyer verbunden, ein Plädoyer für mehr wissenschaftliche Reflektion, die auch scheinbar gefestigten Rechtsfiguren keinen falschen Respekt zollt. Es ist in der Nachbetrachtung erstaunlich, dass die Thesen Geerds’ über mehr als ein halbes Jahrhundert von der herrschenden Lehre kritiklos hingenommen und sie gefestigtes, unumstößliches Gedankengut der Strafrechtsdogmatik wurden. Wenn auch Erstaunen darüber besteht, so hat die Arbeit auch mögliche Erklärungsansätze gegeben, welche zugleich ihre zweite wesentliche These darstellen: Der Siegeszug der Zweiteilungslehre ist mit historisch bedingten Schwächen zu erklären, neben dem damaligen Fehlen einer differenzierten Unrechts- und „Willensmängel“-Dogmatik sowie das Fehlen einer Lehre der objektiven Zurechnung. Davon ausgehend hat die Arbeit versucht, diese Schwachstellen in Vorbereitung der Entwicklung einer eigenständigen Zustimmungsdogmatik zu beheben. Zunächst – und das führt zur dritten These – ist die Schutzaufgabe des Strafrechts normativ, personenorientiert und auf der Grundlage des Verfassungsrechts zu bestimmen. Hierfür sollte nicht auf den Rechtsgutsbegriff zurückgegriffen werden. Dieser ist nicht nur in seiner systemkritisch-kriminalpolitischen, sondern auch in seiner dogmatisch-systemimmanenten Funktion problematisch und damit aufzugeben. Stattdessen sollte auf die subjektiven Rechte der Person abgestellt werden: Damit wird die Schutzaufgabe sowohl normativ als auch personenorientiert bestimmt und kann zudem verfassungsrechtlich mit den Rechten anderer in Art. 2 I GG verknüpft werden. Die Verletzung dieser Rechte stellt das Unrecht im strafrechtlichen Sinne dar.

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Zusammenfassung der Thesen

Für die nähere Bestimmung des Unrechts – und das führt zur vierten These – ist zum einen zwischen dem Eingriff in ein Recht und der normativ, d. h. nicht empirisch zu bestimmenden Verletzung dieses Rechts zu unterscheiden. Zum anderen ist die interpersonale Beziehung zwischen dem Inhaber eines Rechts und dem darin Eingreifenden dadurch aufzugreifen, dass dem Erfolgs- das Handlungsunrecht gegenüberzustellen ist. Diese Gegenüberstellung ist jedoch keine zwischen objektiver und subjektiver Komponenten, diese sollten vielmehr als solche klar kenntlich gemacht werden, weshalb die Arbeit vorschlägt zwischen objektiv-tatbezogenem und subjektiv-täterbezogenem Unrecht zu differenzieren. Das Erfolgsunrecht darf weder mit dem Erfolgsbegriff aus der Deliktssystematik verwechselt werden, weil es sonst bei Tätigkeitsdelikten am Erfolgsunrecht fehlen würde, noch mit der Rechtsverletzung gleichgesetzt werden, weil diese das Unrecht ist und ein Teil des Ganzen nicht das Ganze selbst sein darf. Vielmehr sollte es bei ­Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Handlungsunrecht um einen Perspektivenwechsel gehen: Während das Handlungsunrecht die Position des Täters einnimmt und dessen Verhaltensweise untersucht, bezieht sich das Erfolgsunrecht auf die Wirkung jener Verhaltensweise und untersucht, ob sie zu einem Eingriff in die Sphäre des Rechtsinhabers führt. Die Gegenüberstellung lässt sich auch einfach dahingehend formulieren, dass es einerseits um die Frage geht, ob jemand Unrecht begeht, und andererseits um die Frage, ob jemandem Unrecht geschieht. Das Verhältnis des so verstandenen Unrechtsbegriffs zu den Deliktsebenen von Tatbestand und Rechtswidrigkeit sowie das Verhältnis dieser beiden Ebenen zueinander, lässt sich – und das ist die fünfte These der Arbeit – in der Gegenüberstellung von absolut und relativ beschreiben: Tatbestand und Rechtswidrigkeit sind absolut zu verstehen und insofern von ihrem gemeinsamen Anknüpfungspunkt, dem Unrecht als relative Größe, zu unterscheiden. Entweder ist ein Verhalten tatbestandsmäßig bzw. rechtswidrig oder nicht, aber es kann keine größere oder geringere Tatbestandsmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit geben. Im Gegensatz zum Unrecht, das schwerwiegender oder auch leichter sein kann und insofern quanti- und qualifizierbar ist. Wenn es um den Bezugspunkt der beiden Deliktsebenen geht, so begründet der Tatbestand Unrecht und die Rechtswidrigkeit schließt Unrecht entweder aus oder hält es aufrecht. Geht es um die Einordnung der Zustimmung in den so verstandenen Unrechts- und Deliktsaufbau, so ist – und das ist These Nummer sechs – die Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal einzuordnen. Sie steht somit einer Entstehung von Unrecht entgegen. Die Ausübung eines Rechts kann nicht zugleich dessen Verletzung sein. Erforderlich ist aber, dass das Recht tatsächlich ausgeübt wird, was bedeutet, dass es einer Kundgabe der Zustimmung in irgendeiner Weise bedarf, und zwar spätestens bis zum Zeitpunkt



Zusammenfassung der Thesen369

der Vornahme der Handlung. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Zustimmung frei widerruflich. Für einen danach erteilten Widerruf ist zu beachten, dass dieser für die Zustimmung ohne Wirkung ist und allenfalls eine Unterlassensstrafbarkeit desjenigen begründen kann, der den Eingriff nicht zurücknimmt. Den Gegenstand der Zustimmung bildet der Eingriff des Täters in die geschützte Rechtssphäre, also die Tathandlung. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Zustimmende den möglichen Eintritt von Erfolgen erkannt hat. Das ist nach dem Verständnis der Arbeit vielmehr dem Bereich der Irrtümer und damit den subjektiven Unwirksamkeitsgründen zuzuordnen. Liegen die Voraussetzungen der Zustimmung vor, also deren Tatbestand, so ist anschließend zu untersuchen, ob Gründe bestehen, die zur Unwirksamkeit führen. Diese Unwirksamkeitsgründe sind nach dem Verständnis der Arbeit – und das ist These Nummer sieben – negativ zu prüfende Umstände der Zustimmung, d. h. es ist nicht zu prüfen, ob die Zustimmung wirksam ist, sondern lediglich, ob sie aufgrund besonderer Umstände unwirksam sein könnte. Zu unterscheiden sind dabei objektive und subjektive Unwirksamkeitsgründe: Während sich erstere aus gesetzlichen Schranken ergeben, finden letztere ihre Grundlage in der Person des Zustimmenden selbst. Jene subjektiven Unwirksamkeitsgründe werden in der bisherigen Dogmatik gemeinhin dem Bereich der sog. Willensmängel zugeordnet. Die Arbeit spricht sich in ihrer achten These dafür aus, diesen Begriff zugunsten einer Unterscheidung zwischen konstitutionellen, kognitiven und voluntativen Entscheidungsdefiziten aufzugeben. Liegt ein solches Defizit vor, so ist nach Ansicht der Arbeit – und das ist die neunte These – zwischen Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage zu unterscheiden. Während das Unwirksamkeitsurteil aufgrund tatsächlicher Umstände in der Person des Zustimmenden zu treffen ist, kommt es für die Zurechnungsfrage darauf an, die Verantwortungsbereiche zwischen Zustimmenden und Eingreifenden abzugrenzen, sog. Lehre der Verantwortungsbereiche. Der Leitgedanke für eine solche normative Abgrenzung ist die Entscheidungsherrschaft, welche durch die Kriterien von Eigenverantwortung, Vertrauensschutz, Zuständigkeit und Schutzzweck der Norm näher bestimmt werden kann. Schließlich ist zehnte und letzte These der Arbeit, dass die Zustimmung als anerkannte Rechtsfigur des Strafrechts einer Regelung im Allgemeinen Teil zugänglich ist. Eine solche Regelung muss hinsichtlich einzelner Voraus­ setzungen zwischen inhaltlicher Offenheit einerseits und inhaltlicher Konkretheit andererseits abgewogen werden. Einer gesetzlichen Regelung steht nicht entgegen, dass einzelne Zustimmungsvoraussetzungen den Besonderheiten der Tatbestände des Besonderen Teils unterworfen sein können; vielmehr ist eine solche Tatbestandsbezogenheit wesentlich für die Zustimmung.

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Zusammenfassung der Thesen

Wie eine Regelung der Zustimmung im Allgemeinen Teil aussehen könnte, soll zum Abschluss der Arbeit kurz skizziert werden. Sie hat bereits bei den objektiven Unwirksamkeitsgründen erste Ideen zu einer solchen Regelung entwickelt, indem sie vorschlug die Sittenwidrigkeitsklausel des § 228 StGB zu streichen und eine Regelung, wie sie inhaltlich auch der Auslegung der aktuellen Gesetzeslage entspricht, in den Allgemeinen Teil zu implementieren. Als Wortlaut wurde hierfür vorgeschlagen: „Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt wird, ist die Zustimmung des Rechts­ inhabers unwirksam, wenn sie auf eine Verletzung oder Gefährdung seines Lebens gerichtet ist.“

Eine solche Regelung wäre um mindestens zwei Aspekte zu ergänzen: Erstens müsste zuvor die Zustimmung an sich gesetzlich bestimmt werden und zweitens wären auch die subjektiven Unwirksamkeitsgründe zumindest als solche zu erwähnen. Anderenfalls könnte der Umkehrschluss gezogen werden, dass, wenn der Gesetzgeber nur auf gesetzliche Gründe und eine Verletzung oder Gefährdung des Lebens hinweist, darüber hinaus keine weiteren Gründe in Betracht kämen, also Irrtümer, Nötigungen und Zustimmungsunfähigkeit unerheblich wären. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass eine gesetzliche Regelung auf eine teilweise problematische Dogmatik, insbesondere zu den sog. Willensmängel, zumindest indirekt Bezug nehmen muss, sodass die Formulierung möglichst vorsichtig zu wählen ist, da diese Fragen von der Wissenschaft nicht abschließend geklärt sind, sodass der Gesetzgeber sich selbst kaum positionieren kann bzw. will. Zugleich besteht aber auch die Schwierigkeit, dass mit den konstitutionellen, kognitiven und voluntativen Entscheidungsdefiziten ein sehr breites und heterogenes Feld an Unwirksamkeitsgründen erfasst werden müsste. Insgesamt bewegt sich eine solche Formulierung auf einem sehr schmalen Grat, für deren Bewältigung die Arbeit folgenden Vorschlag hat: „Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt wird, ist die Zustimmung des Rechtsinhabers unwirksam, wenn sie auf eine Verletzung oder Gefährdung seines Lebens gerichtet ist. Daneben kann eine Unwirksamkeit auf in der Person des Zustimmenden liegenden Gründen beruhen; insbesondere wenn die Person konstitutionell nicht in der Lage ist, über das geschützte Recht zu verfügen, sie die mit der Tat verbundenen Umstände nicht erkennt oder zu ihrer Zustimmung genötigt wird.“

Diese Formulierung ist detailliert, was aber nach Ansicht der Arbeit unvermeidlich ist, sobald auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund eingegangen wird. Die Alternative hierzu bestünde darin, auf eine Implementierung des § 228 StGB in den Allgemeinen Teil zu verzichten und damit zugleich auf die Benennung von Unwirksamkeitsgründen insgesamt. Dann ließe sich die gesetzliche Regelung der Zustimmung einfacher formulieren, indem bei ihrer Implementierung einfach von einer „wirksamen Zustimmung“ die Rede wäre. Nach Ansicht der Arbeit ist aber zum einen eine im Allgemeinen



Zusammenfassung der Thesen371

Teil zu verortende Neuformulierung von § 228 StGB wünschenswert und zum anderen gibt der Wortlaut nicht unmittelbar wieder, dass es nicht auf die Wirksamkeit der Zustimmung ankommt, sondern dass lediglich Gründe der Unwirksamkeit zu prüfen sind. Aber es ist zuzugeben, dass es dem Gesetzgeber durchaus entgegenkommen kann, sich in dieser Frage nicht festzulegen, um der sich im Fluss befindenden wissenschaftlichen Diskussion nicht vorzugreifen. Jenes nachvollziehbare Interesse wäre insgesamt für eine Zustimmungsregelung im Allgemeinen Teil zu berücksichtigen. Die Frage lautet, welche Formulierung der Gesetzgeber wählen kann, um zu den Problemen (Wie ist die Zustimmung deliktssystematisch einzuordnen? Wie verhält sie sich zum geschützten Recht bzw. Rechtsgut? Welche Voraussetzungen muss sie im Einzelnen erfüllen? Welche Folgen haben welche Unwirksamkeitsgründe?) keine Entscheidungen treffen zu müssen. Nach Ansicht der Arbeit würde diesen Anforderungen folgende Formulierung gerecht werden: „Das Unrecht der Tat verwirklicht nicht, wer mit der wirksamen Zustimmung der durch die Strafnorm geschützten Person handelt.“

Durch die Bezugnahme auf das Unrecht kann der Gesetzgeber einen Begriff wählen, der weder ausschließlich der Tatbestands- noch der Rechtswidrigkeitsebene zuzuordnen ist und auf diese Weise die Frage der deliktssystematischen Einordnung offen lassen. Dass die Zustimmung auf die durch die Strafnorm geschützte Person bezogen wird, erfüllt einerseits ebenso den Zweck, sich nicht auf eine Prüfungsebene festzulegen – es könnte schließlich auch formuliert werden: „der durch den Tatbestand geschützten Person“ –, und andererseits geht es darum, dass sich der Gesetzgeber nicht zur Rechtsgutstheorie äußern muss. Natürlich besteht aber auch die Möglichkeit auf den Rechtsgutsinhaber abzustellen: „Das Unrecht der Tat verwirklicht nicht, wer mit der wirksamen Zustimmung des Rechtsgutsinhabers handelt.“

Selbstverständlich dürfte es nach den Ausführungen der Arbeit sein, dass diese den Begriff des „Rechtsinhabers“ bevorzugen würde, so wie sie es auch für objektive Unwirksamkeitsgründe in der Formulierung vorschlug. Das sind jedoch für eine Regelung der Zustimmung keine entscheidenden Fragen. Wichtig erscheint es jedoch, dass gesetzlich festgelegt wird, dass einerseits der Gegenstand der Zustimmung die Handlung des Täters ist, und dass andererseits die Wirkung der Zustimmung im Ausschluss des Unrechts besteht, und zwar des Unrechts der Tat. Nach Ansicht der Arbeit dürfte über diese beiden Punkte auch in der Lehre Einigkeit herrschen. Streitig ist nur, in welchem Verhältnis das Unrecht zu den Deliktsstufen steht. Doch hierzu muss sich eine gesetzliche Formulierung der Zustimmung als Unrechtsausschluss nicht zwingend äußern. Ebenso ist der Gegenstand der Zustimmung

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Zusammenfassung der Thesen

mit der Handlung des Täters unstreitig. Streit besteht nur darin, ob bei Delikten, die einen Erfolg im engen Sinne erfordern, ein solcher ebenfalls Gegenstand der Zustimmung sein muss. Aber wie diese Arbeit aufgezeigt hat, ist das keine Frage des Zustimmungsgegenstands, sondern der subjektiven Seite des Zustimmenden und eine Frage, ob der Zustimmende den möglichen Eintritt von solchen Erfolgen erkannt hat. Wenn das nicht der Fall ist, so dürfte es nach Ansicht der Arbeit unstreitig sein, dass eine Zustimmung als Unrechtsausschluss nicht in Betracht kommt. Ob nun bereits der Zustimmungsgegenstand verneint wird oder aber nach Ansicht der Arbeit ein subjektiver Unwirksamkeitsgrund vorliegt, kann für eine gesetzliche Regelung dahinstehen. Das war eine realpolitischen Gesichtspunkten Rechnung tragende Skizzierung eines Formulierungsvorschlags. Bleibt die Realpolitik außer acht, so schlägt diese Arbeit, und damit wird sie ihre Untersuchung nun abschließen, folgende, ihre Ergebnisse und Ansichten konsequent berücksichtigende Formulierung vor: „Den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht nicht, wer mit der Zustimmung der tatbestandlich geschützten Person handelt. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt wird, ist die Zustimmung unwirksam, wenn sie auf eine Verletzung oder Gefährdung seines Lebens gerichtet ist. Daneben kann die Unwirksamkeit auch auf in der Person des Zustimmenden liegenden Gründen beruhen; insbesondere wenn die Person konstitutionell nicht in der Lage ist, über das geschützte Recht zu verfügen, sie die mit der Tat verbundenen Umstände nicht erkennt oder zu ihrer Zustimmung genötigt wird.“

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Literaturverzeichnis383 – Strafrecht Allgemeiner Teil. Band II. Besondere Erscheinungsformen der Straftat, München 2003 (zitiert: AT II). – Das strafrechtliche Unrecht im Spannungsfeld von Rechtsgüterschutz und individueller Freiheit, ZStW 2004, 929–944. – Die durch Täuschung herbeigeführte Einwilligung im Strafrecht, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, Zürich 1984, S. 275–294. – Bemerkungen zur sozialen Adäquanz im Strafrecht, in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Köln 1983, S. 303–314. – Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale, 2. Auflage, Berlin 1970 (zitiert: Offene Tatbestände). Rudolphi, Hans-Joachim: Literaturbericht zu Arzt, Gunther: Willensmängel bei der Einwilligung, ZStW 1974, 82–89. – Inhalt und Funktion des Handlungsunwertes im Rahmen der personalen Unrechtslehre, in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, Karlsruhe 1972, S. 51–73. – Die verschiedenen Aspekte des Rechtsgutsbegriff, in: Festschrift für Richard M. Honig zum 80. Geburtstag, Göttingen 1970, S. 151–168. Sancinetti, Marcelo: Risikoverringerungsprinzip versus Relevanz des Erfolgsunwerts in der Unrechtslehre, in: Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag, Köln 2007, S. 583–600. – Subjektive Unrechtsbegründung und Rücktritt vom Versuch, zugleich eine Untersuchung der Unrechtslehre von Günther Jakobs, Köln 1995 (zitiert: Unrechtsbegründung). Satzger, Helmut / Schluckebier, Wilhelm / Widmaier, Gunter: Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage, Köln 2016 (zitiert: Bearbeiter, SSW-StGB). Schäfers, Dominik: Einführung in die Methodik der Gesetzesauslegung, JuS 2015, 875–880. Schall, Hero: Die Schutzfunktionen der Strafbestimmung gegen den Hausfriedensbruch. Ein Beispiel für die soziologisch fundierte Auslegung strafrechtlicher Tatbestände, Berlin 1974 (zitiert: Schutzfunktionen). Schild, Wolfgang: „Eindringen“ (§ 123 I StGB) bei individuellem Betretungsverbot, NStZ 1986, 346–351. Schlehofer, Horst: Einwilligung und Einverständnis – dargestellt an der Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung, Köln 1985 (zitiert: Einwilligung). – „Pflichtwidrigkeit“ und „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“ als Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen? Insbesondere zur Frage des Unrechtsausschlusses bei hypothetischer Einwilligung, in: Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion. Festschrift für Ingeborg Puppe zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 953–970. Schmidhäuser, Eberhard: Handeln mit Einwilligung des Betroffenen. Strafrechtlich eine scheinbare Rechtsgutsverletzung, in: Kriminalistik und Strafrecht. Festschrift für Friedrich Geerds zum 70. Geburtstag, Lübeck 1995, S. 593–602.

384 Literaturverzeichnis – Zum Begriff der Rechtfertigung im Strafrecht, in: Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag, Berlin 1987, S. 77–94. – Strafrecht. Studienbuch, 3. Auflage, Tübingen 1982 (zitiert: Studienbuch). – Strafrecht. Lehrbuch 2. Auflage, Tübingen 1975 (zitiert: Lehrbuch). – Der Unrechtstatbestand, in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, Frankfurt am Main 1969, S. 433–455. Schönke, Adolf / Schröder, Horst: Kommentar zum Strafgesetzbuch, 29. Auflage, München 2014 (zitiert: Bearbeiter, Sch / Sch). Schünemann, Bernd: Vagheit und Porosität der Umgangssprache als Horizont extensionaler Rechtsfortbildung durch die Strafjustiz, in: Festschrift für Ingeborg Puppe zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 243–261. – Das Rechtsgüterschutzprinzip als Fluchtpunkt der verfassungsrechtlichen Grenzender Straftatbestände und ihrer Interpretation, in: Die Rechtsgutstheorie. Legi­ timationsbasis des Strafrechts oder dogmatisches Glasperlenspiel? (hrsg. von Roland Hefendehl), Baden-Baden 2003, S. 133–154 (zitiert: Rechtsgüterschutzprinzip). – Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars. 1. Teil: Tatbestandsund Unrechtslehre, GA 1985, 341–380. Seelmann, Kurt: Verantwortungsstreuung als Strafbegrenzung, in: Mediating Principles: Begrenzungsprinzipien bei der Strafbegründung (hrsg. von Andrew von Hirsch, Kurt Seelmann, Wolfgang Wohlers), Baden-Baden 2006, S. 138–147 (zitiert: Verantwortungsstreuung). Seher, Gerhard: Prinzipiengestützte Strafnormlegitimation und der Rechtsgutsbegriff, in: Die Rechtsgutstheorie. Legitimationsbasis des Strafrechts oder dogmatisches Glasperlenspiel? (hrsg. von Roland Hefendehl), Baden-Baden 2003, S. 39–56 (zitiert: Strafnormlegitimation). Sick, Brigitte: Sexuelles Selbstbestimmungsrecht und Vergewaltigungsbegriff. Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion einer Neufassung des § 177 StGB unter Berücksichtigung der Strafbarkeit de lege lata und empirischer Gesichtspunkte, Berlin 1993 (zitiert: Sexuelles Selbstbestimmungsrecht). – Zweierlei Recht für zweierlei Geschlecht. Wertungswidersprüche im Geschlechterverhältnis am Beispiel des Sexualstrafrechts, ZStW 1991, 43–91. Sina, Peter: Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, Basel 1962 (zitiert: Dogmengeschichte). Sowada, Christoph: Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, NStZ 2012, 1–10. Spendel, Günter: Der Begriff des Unrechts im Verbrechensaufbau, in: Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2004, S. 3–16. Spiegel-Online: Urteil. Araber gab sich als Jude aus – Haft, online erschienen am 20.07.2010 unter: http: /  / www.spiegel.de / panorama / gesellschaft / urteil-arabergab-sich-als-jude-aus-haft-a-707600.html (abgerufen am 27.03.2018).

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386 Literaturverzeichnis Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch: Band I. §§ 1–37 StGB (hrsg. von Jürgen Wolter), 9. Auflage, Köln 2017 (zitiert: Bearbeiter, SK-StGB) – Band 1. §§ 1–45b StGB (hrsg. von Hans-Joachim Rudolphi), 4. Auflage, Neuwied 1983 (zitiert: Bearbeiter, SK-StGB, 4. Aufl.). – Band 2. §§ 174–241a StGB (hrsg. von Jürgen Wolter), 9. Auflage, Köln 2017 (zitiert: Bearbeiter, SK-StGB) Wahrig, Deutsches Wörterbuch (hrsg. von Renate Wahrig-Burfeind), 6. Auflage, Gütersloh 2006. Walter, Tonio: Der Kern des Strafrechts. Die allgemeine Lehre vom Verbrechen und die Lehre vom Irrtum, Tübingen 2006 (zitiert: Kern des Strafrechts). Weber, Ulrich: Besprechung von Knut Amelung, Irrtum und Täuschung als Grundfrage von Willensmängeln bei der Einwilligung des Verletzten, GA 2000, 77–79. Weigend, Thomas: Über die Begründung der Straflosigkeit bei Einwilligung des Betroffenen, ZStW 1986, 44–72. Welzel, Hans: Das deutsche Strafrecht. Eine systematische Darstellung, 11. Auflage, Berlin 1969 (zitiert: Strafrecht). – Die Regelung von Vorsatz und Irrtum im Strafrecht als legislatorisches Problem, ZStW 1955, 196–228. – Studien zum System des Strafrechts, ZStW 1939, 491–566. Wessels, Johannes / Beulke, Werner / Satzger, Helmut: Strafrecht Allgemeiner Teil. Die Straftat und ihr Aufbau, 47. Auflage, Heidelberg 2017 (zitiert: AT). Wohlers, Wolfgang: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts. Zur Dogmatik „moderner“ Gefährdungsdelikte, Berlin 2000 (zitiert: Deliktstypen). Wolter, Jürgen: Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem, Berlin 1981 (zitiert: Zurechnung). Zaczyk, Rainer: Strafrechtliches Unrecht und die Selbstverantwortung des Verletzten, Heidelberg 1993 (zitiert: Selbstverantwortung). Zielinski, Diethart: Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff. Untersuchungen zur Struktur von Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluß, Berlin 1973 (zitiert: Unrecht). Zipf, Heinz: Die Bedeutung und Behandlung der Einwilligung im Strafrecht, in Strafrechtliche Probleme der Gegenwart, Wien 1978, S. 26–54 (zitiert: Probleme der Gegenwart). – Die Bedeutung und Behandlung der Einwilligung im Strafrecht, ÖJZ 1977, 379– 387. – Zur Einwilligung im neuen Strafrecht, RZ 1976, 192–196. – Einwilligung und Risikoübernahme im Strafrecht, Neuwied 1970 (zitiert: Einwilligung).

Personenregister Amelung, Knut  110–113, 115, 119, 126, 132, 135, 139–143, 149, 184, 207, 227, 228, 254, 272, 274, 276–281, 283, 284, 289–292, 297, 298, 300–305, 326, 333, 334, 346–348 Arzt, Gunther  87, 125, 139, 144, 145, 147–150, 199, 205, 222, 252, 265, 266, 325, 341 Eisele, Jörg  164, 177, 188, 190, 191, 195 Engländer, Armin  107–110 Fateh-Moghadam, Bijan  182, 199, 200, 202, 292, 311 Frank, Reinhard  192 Freund, Georg  178 Frisch, Wolfgang  59 Frister, Helmut  58, 71, 92, 93, 226, 240, 241

Holer, Oskar  29 Honig, Richard  28, 29, 42, 109, 173, 181, 182, 210, 236 Hörnle, Tatjana  13, 14, 41, 104, 106, 107, 109, 115, 151–154 Jäger, Christian  81, 83, 109, 195, 197 Jakobs, Günther  63, 68, 162, 169–172, 194, 246, 247, 259 Jescheck, Hans-Heinrich  59, 71, 73, 84, 87, 114, 154, 158, 162, 165, 167, 172, 182, 190, 196, 307

Gallas, Wilhelm  162, 171, 183, 184 Geerds, Friedrich  15, 17–26, 28, 30–44, 46–54, 57 Göbel, Alfred  81, 225, 243, 244, 247, 255, 274 Greco, Luìs  94, 95, 108, 113, 152, 153, 177, 178 Gropp, Walter  134

Kaufmann, Armin  160, 187 Keßler, R.  23, 48, 53, 125 Kientzy, Dieter  24, 56, 57, 77, 90, 91, 118, 138, 195, 206, 217, 236, 265, 290 Kindhäuser, Urs  58, 61, 62, 66, 67, 71, 86, 148, 156, 205, 230, 237, 253–255, 288, 318, 322 Koriath, Heinz  109, 112, 116 Kühl, Kristian  58, 76, 162, 164, 175, 182 Kuhlen, Lothar  59, 66, 71, 73, 118 Kühne, Hans-Heiner  85, 253, 255, 272, 297, 298, 300, 339 Kußmann, Michael  73, 74

Hassemer, Winfried  106, 109, 111, 113, 114, 116, 156 Hefendehl, Roland  110, 111 Heinrich, Manfred  107, 212 Hirsch, Andrew von  309 Hirsch, Hans-Joachim  14, 15, 74, 75, 78, 135, 159, 161, 162, 164, 165, 213, 236, 237, 254, 262, 269, 307, 324, 332, 339

Maiwald, Manfred  57, 58, 155, 183, 205 Maurach, Reinhart  57, 71–73, 79, 80, 237, 253, 254, 364 Mayer, Hellmuth  18, 42 Menrath, Marc  127, 175, 187, 188, 195, 223, 242, 247, 286, 314 Meyer, Maria-Katharina  146, 274, 275, 326

388 Personenregister Mir Puig, Santiago  107 Mitsch, Wolfgang  62, 63, 146, 147, 182, 215, 216, 222, 223, 229, 230, 234, 236, 254, 257, 263, 269, 270, 281, 307, 308, 318, 327, 328, 332, 333, 342, 358, 359 Murmann, Uwe  71, 88, 89, 117, 137, 196, 199, 207, 208, 239, 250, 272, 280, 286, 287, 297, 320 Otto, Harro  63, 67, 75, 134, 237, 326, 339 Paeffgen, Hans-Ullrich  240, 246, 277, 284, 318, 330 Pawlik, Michael  14, 111, 182, 310, 319 Puppe, Ingeborg  163, 164 Rengier, Rudolf  74 Rinck, Klaus  14, 77, 183 Rönnau, Thomas  17, 78, 79, 82, 85, 88, 117, 119–126, 129–133, 136, 137, 140, 143, 182, 205, 207, 213, 214, 230, 237, 246, 254–256, 264, 273–279, 283–285, 288, 293–296, 310, 315, 316, 328–330, 339–342, 357, 361 Rosenau, Henning  75 Roxin, Claus  78, 79, 82, 84, 95, 107, 108, 113, 115, 117, 121, 123, 124, 127, 136, 138, 142, 156, 158, 160, 161, 163, 164, 169, 170, 173, 182, 187, 190, 193, 223, 224, 231, 237, 240, 267, 273, 287, 310, 311, 325–327

Rudolphi, Hans-Joachim  162 Samson, Erich  60 Satzger, Helmut  240 Schlehofer, Horst  84, 149, 174, 208, 209, 213, 218, 223, 225, 235, 253, 266, 268, 294 Schmidhäuser, Eberhard  60, 66, 81, 112, 147, 176, 186, 192, 196, 215, 223, 235, 307 Schünemann, Bernd  106, 154, 311 Stefanopoulou, Georgia  244, 248 Sternberg-Lieben, Detlev  33, 71–73, 76, 83, 84, 87, 128, 137, 146, 187, 188, 192, 203, 212, 246, 255, 256, 282, 291, 305, 348 Stratenwerth, Günter  59, 66, 71, 73, 118, 136, 168, 169, 183, 187 Stuckenberg, Carl-Friedrich  109–111, 113, 115, 116, 152, 153, 172 Walter, Tonio  158, 166, 167, 169, 170, 187–189 Weigend, Thomas  59, 71, 73, 84, 87, 110, 114, 134, 151, 154, 158, 162, 167, 172, 182, 190, 196, 240, 307 Zabel, Benno  240, 246, 277, 284, 318, 330 Zaczyk, Rainer  179, 180, 183 Zipf, Heinz  57, 60, 61, 66, 71–73, 79–81, 84, 118, 182, 213, 222, 237–239, 243, 253, 254, 310, 318, 330, 339, 364

Sachwortregister Auslegung  58, 59, 65, 67, 92, 338 –– Wortlaut  93 Autonomie  60, 66, 136, 224, 237, 268, 269, 273, 324, 326, 327, 362, 363 –– Begriff  273–276, 278 –– Relevanz  277, 278 Behandlungsabbruch  267, 268 Beleidigung  44, 84, 288 Betrug  86, 167 Deliktsaufbau  13, 61, 77, 88, 105, 106, 117, 186, 188, 190, 193, 196, 198, 200, 212, 317, 368 Deliktscharakter  58, 64 Diebstahl  34, 51–53, 61, 62, 65, 66, 86, 93, 142, 167, 201, 288, 350 –– Exklusivität  86, 93 –– Wegnahme  34, 61, 62, 66, 84, 92–97 Einheitstheorie  15, 78, 116 Einverständliche Fremdgefährdung  82, 241 Einverständnis –– Anwendungsbereich  18, 30, 37, 67 –– Bezugspunkt  68 –– Fallgruppen  62, 66, 67, 288 –– Gegenstand  27, 60, 69 –– Kenntnis des Täters  53 –– Kundgabe  53, 230 –– Verletzter  50 –– Voraussetzungen  41 –– Wesen  29, 55, 74, 349 –– Willensfähigkeit  51 –– Wirkgrund  25, 55, 60 –– Zeitpunkt  54 –– Zweiteilung  13, 18, 20, 24, 28, 57, 90

Einwilligung –– Anwendungsbereich  44 –– Befugnis  41, 44 –– Begriff  21, 28 –– Bezugspunkt  68 –– Einsichtsfähigkeit  286–288 –– Fähigkeit  24, 46, 74, 286, 287 –– Gegenstand  27, 236, 240 –– Erfolg  23, 25, 237 –– Handlung  23, 69, 70 –– Rechtsgutsbezug  59, 61, 66, 68, 72, 237–239, 241, 249 –– Geschäftsfähigkeit  24, 287, 289 –– Kundgabe  47, 49, 70, 74, 221 –– mittelbare Täterschaft  61 –– rechtsgeschäftsähnlich  24 –– Risikoeinwilligung  46, 240, 241 –– Stellvertretung  46 –– Tätervorsatz  47, 49, 364 –– Unrechtsbezug  21 –– Voraussetzungen  22, 41 –– Wesen  21–23, 41, 237 –– Widerruf  49 –– Wirkgrund  18, 21, 22, 46, 116, 117, 119, 144, 150 –– Anstiftung  23 –– Interessenwegfall  23 –– Rechtsausübung  117, 128, 129, 203, 243 –– Rechtsgeschäft  23, 49 –– Rechtsgutspreisgabe  59, 127, 144–146, 149, 243, 256, 274, 295, 302, 326–328, 334 –– Rechtsschutzverzicht  23, 24, 75, 243 –– Rechtsverzicht  23, 237, 238, 243, 254, 255

390 Sachwortregister –– Zweiteilung  13, 18, 20, 28 Entscheidungsdefizit  369, 370 –– Entscheidungsbildung  271, 296–298, 303 –– Konfliktentscheidung  300, 303, 340 –– Prognoseentscheidung  300 –– Wertentscheidung  298, 299 –– Entscheidungskundgabe  271, 296, 297 –– kognitiv  271, 272, 287, 293, 319, 323, 369, 370 –– konstitutionell  271, 272, 286, 319, 323, 369, 370 –– voluntativ  272, 287, 306, 319, 357, 369, 370 Fahrlässigkeitsstrafbarkeit  314, 317 Fallbeispiele –– Aberglauben-Fälle  305, 348 –– Blind-Sex-Fall  338, 345 –– Bronzebüsten-Fall  339, 340 –– Famuli-Fall  303, 336, 337 –– Flackernde-Lampe-Fall  339, 340 –– Flugreise-Fall  258, 263 –– Friseur-Fall  361 –– Gift-Fall  359 –– Gynäkologen-Fall  337, 353 –– Holzkugel-Fall  147, 148, 335–337, 340 –– Kopfläuse-Fall  301 –– Mädcheninternats-Fall  353 –– Michaela-Fall  355, 356 –– Nachhilfe-Fall  349, 351 –– selektive Betretungserlaubnis  352 –– Sex und Geschlecht  356 –– Sex und Religion  352 –– Spanair-Fall  259 –– Tätowierung-Fall  299 –– Winternacht-Fall  260, 263 –– Zuhälter-Fall  362 Freiheitsberaubung  45, 62, 84, 258, 259, 263

Hausfriedensbruch  34, 61, 62, 65–67, 167, 182, 201, 206, 260, 263, 288, 348, 350, 352 –– Eindringen  34, 61, 62, 66, 84, 85, 98–101 Irrtum –– Abgrenzung zur Auslegung  305, 338 –– Bezugspunkt  297, 306 –– Definition  296 –– durch Täuschung  72–74, 145, 318, 320, 325–334, 338, 342, 344 –– Erklärungsirrtum  146, 253, 272, 298 –– Erscheinungsformen  296, 297, 301 –– Inhaltsirrtum  146, 253, 272, 298, 300 –– Motivirrtum  75, 146, 272, 273, 298, 300, 306, 330 –– rechtsgutsbezogen  145–147, 150, 255, 266, 294, 301, 306, 317, 324, 329, 330, 336, 340, 341 –– selbst erzeugt  315, 320, 325, 330, 331, 339, 342 –– über Begleitumstände  146, 253, 254, 301, 303, 304, 306, 328, 330, 346, 347 –– über Gegenleistung  144, 301, 302, 327 –– Wissensvorsprung  329, 330, 339, 340, 344–347 Körperverletzung  44, 69, 82, 84, 86, 118, 141, 167, 197 –– Heileingriff  44, 86, 182, 305 –– Misshandlung  84, 85, 101, 102 Lehre der autonomen Entscheidung  325 Lehre der uneingeschränkten Unwirksamkeit  324 Lehre der Verantwortungsbereiche  198, 309–311, 320, 325, 330, 369 –– Entscheidungsherrschaft  322, 340, 358, 359, 361, 362, 369 –– Kriterien  320

Sachwortregister391 –– Eigenverantwortung  312, 314, 316, 317, 369 –– Plausibilität und Rationalität  319 –– Schutzzweckzusammenhang  317, 334, 335, 338, 348, 351, 352, 356, 369 –– Eingriffsfolgen  335 –– Eingriffsintensität  148, 335–338, 348, 352, 356 –– Eingriffsqualität  44, 148, 335–337, 348, 352, 356 –– Vermeidemacht  320, 338, 347, 348 –– Vertrauensschutz  312, 313, 316, 317, 347, 348, 369 –– Zuständigkeit  318–320, 325, 330, 331, 347, 357, 358, 360, 361, 369 –– Risikoverteilung  311 Lehre vom objektiven Erscheinungsbild  350, 351 Lehre von der objektiven Zurechenbarkeit  83, 160, 161, 241, 314, 315, 317, 367 Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit  74, 75, 139, 144, 265, 302, 317, 324, 325, 330 Medaillen-Theorie  331 Natur der Sache  21, 23, 58 Natur der Straftat  25, 29, 33, 58, 65, 68, 89, 93 Normative Autonomietheorie  327 Nötigung  38, 62, 66, 67, 69, 231, 288, 362 Pfannkuchentheorie  170 Rechtsgut –– Abgrenzung –– Handlungsobjekt  42, 60, 111, 112, 114, 117, 120, 175 –– Rechtsgutsobjekt  112 –– Begriff  15, 23, 42, 43, 88, 105, 106, 109–116, 147, 150, 342, 367 –– Funktion

–– Interpretation  110 –– Skalierung  110, 184 –– systemimmanent  25, 106, 108–111, 114–116, 367 –– systemkritisch  107, 108, 110, 115, 116, 151, 367 –– Transfomierung  110 –– Kritik  309, 310 –– Modelle –– Basismodell  119, 140, 143 –– Integrationsmodell  121–126, 128, 131–133, 155 –– Kollisionsmodell  119–122, 137, 138, 143, 155 –– Personale Rechtsgutslehre  117, 118, 134–136, 143, 150, 152 –– Pflichtverletzung  153, 154, 165 –– Schutzobjekt  42, 45, 51, 59 –– Verletzung  60, 69, 79, 114, 117, 118, 122, 125–127, 129, 154, 156, 164–168, 173, 175, 176, 228, 239, 243, 244, 249, 280 Rechtsmissbrauch  339, 342, 344 Rechtswidrigkeit  13, 18, 80, 87, 105, 186, 191, 368 Risikoverringerung  360 Rosinentheorie  169 Sachbeschädigung  44, 84, 103 Sanktionsnorm  157, 239 Schutzaufgabe des Strafrechts  16, 22, 106, 139, 151, 155–157, 167, 367 Selbstbestimmungsrecht  66, 69, 117, 118, 134, 136, 244, 279 Selbstverantwortung  149, 185, 274, 315, 329, 331, 340, 346 Sexualstrafrecht  13, 40, 352, 356, 362 –– sexueller Übergriff  103, 185 –– Vergewaltigung  14, 61 –– vis haud ingrata  41 Sittenwidrigkeit  81, 82, 86, 266, 370 Sozialadäquanz  44, 45, 59, 65 Subjektive Rechte  151, 153, 155, 367 –– Eingriff  174, 177, 368

392 Sachwortregister –– Rechtssphäre  181, 182 –– Verletzung  174, 279, 367 Tatbestand  13, 18, 21, 36, 80, 105, 129, 186 –– Ausschluss  19, 25, 26, 28, 29, 117, 118 –– Erfolg  22, 27, 45, 60, 164, 236–239, 243, 244, 368 –– Erfolgsdelikt  122, 166–169, 172, 178, 184, 236, 237, 315 –– Gefährdungsdelikt  168 –– Handlung  27, 29, 45, 62, 92, 236, 237, 239, 248, 369 –– negatives Tatbestandsmerkmal  13, 16, 131–133, 138, 212, 245, 264, 315, 364, 365, 368 –– positives Tatbestandsmerkmal  245 –– Tätigkeitsdelikt  166–169, 236, 368 –– Unrechtsrelevanz  187–190 –– Verletzungsdelikt  168, 184 –– Wertungsrelevanz  187–189, 194, 201 Tatherrschaft  322, 343 Totschlag  168, 197, 360 Trennungsmodell  198, 277, 278, 280, 282–284, 297, 300, 303, 313, 363, 369 Unbefugter Fahrzeuggebrauch  66, 103, 238 Unrecht –– Ausschluss  19, 21–23, 28, 36, 45, 130, 196 –– Begriff  16, 21, 22, 47, 105, 106, 158, 170, 188, 197, 242, 367 –– Begründung  80, 118, 122, 130, 196 –– Einordnung in Deliktsaufbau  186, 371 –– Entstehungshindernis  212 –– Erfolgsunrecht  22, 24, 47, 60, 79, 80, 112, 130, 140, 158, 161–173, 176–181, 183, 184, 195, 197, 203, 205, 206, 208, 212, 238–240, 242, 244, 248, 364, 368

–– Handlungsunrecht  22, 24, 47, 50, 80, 112, 130, 140, 158, 160–163, 165, 169, 171, 172, 177–179, 181, 183, 195, 197, 203, 205, 206, 208, 212, 236, 238–240, 242, 248, 364, 368 –– Interpersonalbezug  120, 179, 182, 205, 239, 250, 310, 368 –– Lehre vom personalen Unrecht  158, 159 –– Rechtsgutsbezug  22, 118, 156 –– Sittenverstoß  22–24, 42, 43 –– tatbestandlich  58, 64 –– Tatbestandsbezug  129 –– tatbezogen  172, 197, 368 –– täterbezogen  172, 197, 368 –– typisch  58, 59, 64 –– Wertungsrelevanz  189 –– Zweistufenbetrachtung  175, 206 Unterlassensstrafbarkeit  262, 263 Verhaltensnorm  155, 157, 158, 162, 184, 239, 244, 343 Versuchsstrafbarkeit  47, 233, 364 Wille des Verletzten  21, 23, 52, 64 –– entgegenstehender  19, 25–27, 29, 30 –– Erscheinungsform  23, 28 –– gegen  30, 35, 54, 57, 58, 60, 64, 78, 92, 125–127, 131–133, 138, 199 –– Gewaltelement       26, 30, 34, 36, 39, 100 –– invito laeso  19, 25, 26, 29, 33, 39, 55, 57 –– ohne  30, 35, 54, 57, 64, 92, 134 –– zustimmender  18–22, 25, 26, 28, 34, 35, 60, 127 Willensmängel  16, 73–76, 116, 144, 145, 149, 150, 198, 227, 230, 253, 255, 265, 266, 269–274, 276, 277, 279, 280, 283, 286, 293, 297, 303, 306, 309, 323, 324, 330, 343, 349, 367, 369, 370 Zustimmung –– Abgrenzung zur objektiven Zurechnung  314

Sachwortregister393 –– Bedingungen  207, 229, 252–256, 346–357, 362 –– diskriminierend  352 –– rechtswidrig  351, 352 –– Befugnis  215, 216 –– Begriff  13, 20 –– Eingriffsbezug  248, 251, 256 –– Einordnung in Deliktsaufbau  198, 200, 212, 315, 316, 368 –– Fähigkeit  286, 287, 289, 290, 292 –– Einsichtsfähigkeit  290 –– Funktion  291 –– Steuerungsfähigkeit  291 –– Gegenstand  16, 212, 236, 242, 247–249, 252, 256, 295, 369, 371 –– Kenntnis der eingriffsbezogenen Tatsachen  293, 295 –– Kundgabe  16, 221, 231, 234, 235, 368 –– Mehrheit von Zustimmungsbefugten  219 –– Normalfall  199, 229, 252, 278, 279, 293, 295, 321, 332, 334, 344, 357 –– Stellvertretung  216, 217 –– Tätervorsatz  16, 227, 313, 363 –– irrige Annahme einer Zustimmung  363, 365 –– Unkenntnis von Zustimmung  233, 363

–– Übertragung der Vorsatzdogmatik  32, 246, 247, 293–295 –– Unwirksamkeitsgründe  16, 264, 279, 369, 370 –– objektiv  264, 266, 268, 369 –– subjektiv  198, 264, 268, 369, 370 –– Veranlassungsprinzip  217 –– Vorsatz des Zustimmenden  242, 250 –– Wesen  273, 282, 302, 321 –– Herrschaft  321, 322, 332, 334, 344 –– Rechtsausübung  125, 155, 202, 229, 232, 233, 261, 282, 321, 368 –– Respektierung  322, 332–335 –– Unterordnung  321–333, 344 –– Widerruf  257, 369 –– Bindungswirkung  258, 262, 289 –– Kongruenzprinzip  257 –– Zeitpunkt  234, 368 Zwangswirkung  270, 357 Zweiteilungslehre  13–15, 19, 20, 33, 56, 64, 66, 69, 78, 81, 84, 89, 132, 222, 265, 283 –– Bestandsaufnahme  17 –– Dekonstruktion  77, 367 –– Entstehungsgründe  82, 241, 265 –– Kritik  25, 79, 82, 83, 86, 91 –– Zwischenlagertheorie  266