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German Pages 280 [281] Year 2001
Risikobasierte Kapitalanforderungen als Instrument einer marktorientierten Bankenaufsicht
Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Herausgeber:
Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein
Band 30
Patrik Pohl
Risikobasierte Kapitalanforderungen als Instrument einer marktorientierten Bankenaufsicht - unter besonderer Berücksichtigung der bankaufsichtlichen Behandlung des Kreditrisikos
Verlag Wissenschaft & Praxis
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Pohl, Patrik: Risikobasierte Kapitalanforderungen als Instrument einer marktorientierten Bankenaufsicht - unter besonderer Berücksichtigung der bankaufsichtlichen Behandlung des Kreditrisikos / Patrik Pohl. - Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2001 (Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim ; Bd. 30) Zugl.: Hohenheim, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-89673-124-6 NE: Stiftung Kreditwirtschaft : Studienreihe der Stiftung ...
ISBN 3-89673-124-6
© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2001 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094
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Printed in Germany
Geleitwort des Herausgebers
Mit der Studienreihe möchte die Stiftung Kreditwirschaft Arbeiten, die an der Universität Hohenheim zu bank- und finanzwirtschaftlichen Themen entstanden sind, einem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Die veröffentlich ten Schriften sollen den Gedankenaustausch zwischen Universität und Praxis fordern.
Das hier vorliegende Buch liefert einen wertvollen Beitrag zur Beantwortung der Frage, wie am Risiko ausgerichtete Kapitalanforderungen für eine marktorien tierte Bankenaufsicht gestaltet und eingesetzt werden können. Die Einstellung zum Eigenkapital der Kreditinstitute und seine Regelung haben in den letzten Jahrzehnten eine besonders intensive Veränderung erfahren. An ihr zeigt sich markant der Wandel in diesem Wirtschaftszweig mit zentraler einzel- und ge samtwirtschaftlicher Bedeutung. Gegenüber traditionellen Richtgrössen wie der 5 %-Regel haben wir heute bankintern und aufsichtlich zunehmend komplexe, grossenteils international ähnliche Instrumente, die ganz unterschiedlichen An forderungen gerecht werden müssen.
Hier setzt der Autor an und greift mit der modernen Entwicklung der Risikosteu erung der Kreditinstitute und dem Wandel in der Aufsichtsphilosophie zwei aktuelle, sehr bedeutsame und miteinander verbundene Phänomene auf. Exemplarisch werden neben dem „Baseler Akkord von 1988“ insbesondere die aktuellen Reformvorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht sowie die in Zukunft denkbare bankaufsichtliche Nutzung bankintemer Kreditrisiko modelle untersucht. Der vom Autor formulierte marktorientierte Ansatz der Bankenaufsicht bildet dabei ein sinnvolles Instrumentarium zur Beurteilung von Regulierungsmöglichkeiten, auch über die in diesem Buch behandelten hinaus.
Ich wünsche diesem Band der Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft reges Interesse und fruchtbare Wirkung.
Hohenheim, im März 2001
Prof. Dr. Joh. Heinr. von Stein
Vorwort des Verfassers
Die vorliegende Arbeit beschliesst einen Lebensabschnitt, dessen persönliche Bedeutung sich nicht nur in der Fertigstellung der Dissertation begründet. Viel mehr sind es die Menschen, die ich kennengelemt habe und mit denen ich zu sammengearbeitet habe, die den besonderen Charakter dieser Zeit geprägt ha ben.
Herm Prof. Dr. Joh. Heinr. von Stein möchte ich danken für die ereignis- und erfahrungsreichen Jalire am Lehrstuhl für Kreditwirtschaft sowie für die Betreu ung der Arbeit.
Meine Freunde und Kollegen vom Lehrstuhl für Kreditwirtschaft haben dafür gesorgt, dass neben dem nötigen Emst auch der notwendige Spass bei der Arbeit nie gefehlt hat: Dann machen wir es wie besprochen! Danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Lothar Vollmer für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Peter Bareis für den Prüfungsvorsitz.
Meinen Freunden in Bitburg und Frankfurt sage ich einfach: Danke für alles. Elke Anderi sage ich einfach: Ich liebe Dich! Auch dieser Lebensabschnitt wäre so nicht möglich gewesen ohne diejederzeiti ge Unterstützung durch meine Eltern und meine Schwester Gabriele, denen ich in tiefer Dankbarkeit diese Arbeit widme.
Tokio, im März 2001
Patrik Pohl
INHALTSVERZEICHNIS 1
PROBLEMSTELLUNG UND GANG DER UNTERSUCHUNG............ 1
2 THEORETISCHE BEGRÜNDUNGEN UND ZIELE EINER MARKTORIENTIERTEN BANKENAUFSICHT............................... 5 2.1
2.2
Marktversagen als Ausgangspunkt der Bankenregulierung....... 5 Marktorientierte Ausrichtung als Grundprinzip der Bankenaufsicht...................................................................................................... II
2.2. / Ziele der Bankenregulierung............................................................. / / 2.2.2 Skizzierung der Extrempositionen der Bankenregulierung............ 13 2.2.3 Marktorientierte Ausrichtung der Bankenregulierung als Verbindung von staatlicher Regulierung und Selbstregulierung der Marktteilnehmer................................................................ / 9 2.2.3.1 Eigenverantwortung von Banken und Marktteilnehmern.................... 20 2.2.3.2 Nutzung von Marktinstrumenten und marktähnlichen Anreizstrukturen................................... 23
2.2.3.3
2.2.3.4
Verbindung von qualitativer Aufsicht und quantitativer Regulierung...........................................................................29 Berücksichtigung der Regulierungskosten im marktorientierten
Ansatz der Bankenaufsicht................................................... 34
3
KAPITALANFORDERUNGEN ALS INSTRUMENT DER BANKENREGULIERUNG..................................................................... 39 3.1
3.2
Warum braucht man bankaufsichtliche Kapitalanforderungen?.................................................................................. 39 Optimale Kapitalausstattung oder Mindestkapital anforderungen als Anknüpfungspunkt DER BANKEN-REGULIERUNG?.......................................................................................... 42
3.3
Zusammenstellung der relevanten Kriterien zur Beurteilung alternativer Ansätze der Kapitalregulierung EINER MARKTORIENTIERTEN BANKENAUFSICHT........................................... 51
Inhaltsverzeichnis
VIII
4
DIE KONZEPTION DER KREDITRISIKOREGULIERUNG DES BASELER AKKORDS VON 1988......................................................... 57 4.1
Der Baseler Akkord von
1988, nachfolgende Zusätze und
WEITERE RELEVANTE NORMEN............................................................................. 57
Die Erfassung des Kreditrisikos als Adressenausfallrisiko des Anlagebuchs............................................................................. 59 4.1.2 Die Erfassung des Kreditrisikos als spezifisches Risiko des Handelsbuches........................................................................ 63 4.1.3 Die Erfassung des Kreditrisikos in Form der Adressenausfallrisiken des Handelsbuches..... ..................... 64 4.1.4 Die Erfassung von Großkreditrisiken................................................. 65 4.1.1
4.2
Kritik der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords und Implikationen für das Kreditrisikomanagement........................... 67
4.2.1
4.2.2
Die Veränderung der Rahmenbedingungen der Kreditrisikoregulierung...........................................................67 Kritische A nalyse der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords................................................................ 70
Was soll durch (Eigen-)Kapital abgedeckt werden?...........................71 Die Einteilung der Risikoklassen und die Adressengewichtung des Baseler Akkords..................................................................... 73 4.2.2.3 Nichtsystematische Berücksichtigung von Diversifikationseffekten.... 78 4.2.2.4 Eingeschränkte Berücksichtigung von Hedging-Maßnahmen............ 81 4.2.2.5 Eingeschränkte Berücksichtigung von Sicherheiten............................ 85 4.2.2.6 Nichtsystematische Berücksichtigung der Fristenstruktur von Kreditrisiken.......................................................................... 86
4.2.2.1 4.2.2.2
4.2.2.7 Bindende Wirkung der bestehenden Kapitalnorm für Kreditrisiken.... 89 4.2.2.8 Anreizwirkung der Kapitalregulierung................................................. 96
4.2.3
Gesamtbewertung der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords.............................................................. 100
Inhaltsverzeichnis
IX
5 DIE REFORM DER KREDITRISIKOREGULIERUNG: DIE VORSCHLÄGE DES BASELER AUSSCHUSSES FÜR BANKENAUFSICHT.............................................................................105
5.1 Der Standardans atz: die modifizierte Form des Baseler Akkords.................................................................... 107 5.1.1 Forderungen gegenüber Zentralregierungen und Zentralbanken.............................................................................108 5.1.2 Forderungen gegenüber Banken..................................................... 109 5.1.3 Forderungen gegenüber sonstigen staatlichen Stellen..................HO 5.1.4 Forderungen gegenüber Wertpapierhäusern.................................110 5.1.5 Forderungen gegenüber Unternehmen.......................................... /// 5.1.6 Risikogewichtung von besicherten Immobilienkrediten............... 113 5.1.7 Risikogewichtung von außerbilanziellen Positionen..................... 114 5.1.8 Kapitalanforderungen für Asset Securitisation- Transaktionen. ...114 5.2 Rating akzessorische Kreditrisikoregulierung............................ 116 5.2.1 Regulierung der Rating-Agenturen................................................ 116 5.2.2 Die A nerkennungskriterien für Rating-Agenturen des Baseler A usscnuß für Bankena ufsicht............... 122 5.2.3 Offene Fragen der ratingakzessorischen Kreditrisikoregulierung......................................................... 124 5.2.3.1 Anerkennungskriterien und Regulierungsdilemma.............................124 5.2.3.2 Die bankaufsichtliche Behandlung von „Split Ratings“.................... 130 5.2.3.3 Vergleichbarkeit von Risikoaussagen und Skalierung von Ratings... 133 5.2.3.4 Welches Rating ist für die Risikogewichtung maßgeblich?.............. 138 5.3 Der Interne-Ratings-basierte Ansatz...............................................140
5.3.1 Anforderungen an interne Kreditratingsysteme der Banken....... 142 5.3.2 Vergleichbarkeit und gemeinsame einheitliche Benchmark.... 145 5.4 Gesamtbeurteilung der vorgeschlagenen Reform der Kreditrisikoregulierung...................................................................... 151 5.4.1 „ Stand-alone “-Bewertung des Standardansatzes........................... 152 5.4.2 „ Stand-alone “-Bewertung des Interne-Ratings-basierten Ansatzes......................................158 5.4.3 Bewertung der vorgeschlagenen Reformen im Gesamtpaket....... 164
X
Inhaltsverzeichnis
6 DIE NUTZUNG INTERNER KREDITRISIKOMODELLE ZUR BESTIMMUNG BANKAUFSICHTLICHER KAPITALANFORDERUNGEN............................................................ 171 6.1 Darstellung und Analyse von Kreditrisikomodellen............... 173 6. /. 1 Interne Kreditratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten.................178 6.1,2 Definition von Kreditverlusten......................................................... 179 6.1.3 Risikotreiber, Volatilität und Korrelationen von Credit Events...................................................................................... 181 6.1.4 Spezifikation und Schätzung der Modell-Parameter...................... 182 6.1.5 Ermittlung der PDF......................................................................... 183 6.1.6 Allokation des ökonomischen Kapitals........................................... 185 6.2 Anforderungen an Kreditrisikomodelle aus Sicht der Bankenaufsicht................................................................................187 6.2.1 Analytische Korrektheitund Validierung der Modelle...................188 6.2.2 Bestimmung eines angemessenen Sicherheitsniveaus...................193 6.2.3 Bestimmung eines angemessenen Zeithorizonts............................. 198 6.3 Beurteilung des Interne-Modelle-Ansatzes im marktorientierten Ansatz der Bankenaufsicht................... 200 6.3.1 Sach- und zielgerechte Konzeption des Interne-Modelle-Ansatzes..................................................... 201 6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.1.3 6.3.1.4
Defizite des verwendeten Risikomaßes.............................................. 201 Vorteile der Risikomessung mit Portfoliomodellen.......................... 204 Interne Kapitalallokation und regulatorische Kapitalanfordcrungen.........................................................................206 Anreizwirkungen des Interne-Modelle-Ansatzes............................... 209
Praktikabilität und Wettbewerbswirkungen des Interne-Modelle-Ansatzes..................................................... 211 6.3.3 Umsetzung und Gesamtbeurteilung des Interne-ModelleAnsatzes der Kreditrisikoregulierung.................................. 217
6.3.2
6.3.3.1 6.3.3.2
7
Der evolutionäre modellbasierte Ansatz der ISDA............................ 217 Beurteilung des Interne-Modelle-Ansatzes im Gesamtzusammenhang.................................................................. 222
ERGEBNISSE UND AUSBLICK.....................................................229
LITERATURVERZEICHNIS........................................................................... 239
Abbildungsverzeichnis
XI
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 3.1: Beurteilungskriterien und mögliche Zielkonkurrenzen........................... 55 Abb. 4.1: Bankaufsichtliche Erfassung von Kreditrisiken (eigene Darstellung)................................................................................ 66 Abb. 5.1: Darstellung der internen Rating-Prozesse............................................... 144 Abb. 5.2: Zusammenhänge bei der Anpassung von Rating-Kriterien................. 147 Abb. 5.3: Bandbreiten der Ausfallwahrscheinlichkeiten von Rating-Graden..... 167
Abb. 6.1: Überblick über Methoden der Risikomessung....................................... 174 Abb. 6.2: Verlustverteilungsfunktion (PDF)............................................................175 Abb. 6.3: Der evolutionäre modellbasierte Ansatz der ISDA............................... 220
XII
Tabellenverzeichnis
TABELLENVERZEICHNIS
Tab. 4.1: Adressengewichtung nach Grundsatz 1...................................................... 60 Tab. 4.2: Jährliche Ausfallraten und Ratings............................................................ 74
Tab. 4.3: Solvabilitälskoeffizienten deutscher Banken für die Jahre 1994-1997. Anzahl der Banken pro eingeteilter’Höhe des Solvabilitätskoeffizienten..... 93 Tab. 5.1: Adressengewichtungsfaktoren im vorgeschlagenen Standardansatz.... 113
Tab. 5.2: Einstufung der Forderungsqualität anhand von Ratings unterschiedlicher Agenturen..................................................................... 136
Tab. 5.3: Bandbreiten der Ausfallwahrscheinlichkeiten von Rating-Graden..... 166 Tab. 6.1: Übergangsmatrix auf der Basis historischer Wanderungshäufigkeiten öffentlich gerateter Untemehmensanleihen......... 178 Tab. 6.2: Vergleich verschiedener Kreditrisikomodelle......................................... 185
Tab. 6.3: Asset-Klassen, Datenanforderungen und Modellierung......................... 221
Abkürzungsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abb. ABS Abs. BAKred Bd. BdB BIS BIZ bzw. CAD CaR CSFP DCR DM EDF etc. EU FAZ FDIC FDICIA FN FRA FRB FRBNY GDP GSI H. Hrsg. hrsg. i.d.R HF insb. IOSCO IPO IRB-Ansatz ISDA Jg-
Abbildung Asset Backed-Securities Absatz Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Band Bundesverband deutscher Banken Bank for International Settlements Bank für Internationalen Zahlungsausgleich beziehungsweise Kapitaladäquanzrichtlinie Capital at Risk Credit Suisse Financial Products Duff & Phelps Credit Rating Agency Default mode Expected default frequency et cetera Europäische Union Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Deposit Insurance Corporation Federal Deposit Insurance Corporation Improvement Act Fußnote Forward Rate Agreement Federal Reserve Bank Federal Reserve Bank of New York Gross domestic product Grundsatz I Heft Herausgeber herausgegeben in der Regel Institute of International Finance insbesondere International Organization of Securities Commissions Initial public offering Interne-Ratings-basierter Ansatz International Swaps and Derivatives Association Jahrgang
XIII
XIV
Kap. KMV KWG LGD MTM NAIC No. Nr. NRSRO OECD o.O. OTC o.V. PAL PCA PDF RAROC S&L S&P S. SEC Sp. SVO Tab. u. u.a. u.U. VaR vgl. Vol. WiSt
z.B. ZBB zfbF ZfgK
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel KMV Corporation Kreditwesengesetz Loss given default Mark-to-market National Association of Insurance Commissioners Numero Nummer Nationally recognized statistical rating organization Organization for Economic Cooperation and Development ohne Ort Over the counter ohne Verfasser Probability of any loss Prompt corrective action Probability Density Function of Losses Risk-adjusted return on capital Savings & Loans Standard & Poor’s Seite Securities and Exchange Commission Spalte Securities Valuation Office Tabelle und und andere unter Umständen Value-at-Risk vergleiche Volume Wirtschaftswissenschaftliches Studium. Zeitschrift für Aus bildung und Hochschulkontakt zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
Problemstellung und Gang
der
Untersuchung
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1 Problemstellung und Gang der Untersuchung Mit der Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Baseler Akkord) von 1988 wurden erstmals einheitliche risikobasierte Mindestkapitalanforderungen in den G-10Ländem eingeführt. Der Erfolg dieses einheitlichen Kapitalstandards zeigt sich darin, daß der Akkord bis heute in über 100 Ländern umgesetzt wurde. Der Baseler Ausschub für Bankenaufsicht verfolgte mit der Formulierung der einheitlichen Kapitalnorm für international tätige Banken zwei Hauptziele: Die Stärkung der Sicherheit und Stabilität des internationalen Bankensystems und die Reduzierung wettbewerbsbeeinflussender Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Die Struktur des Baseler Akkords zielte neben der Einbeziehung außer bilanzieller Geschäfte dabei insbesondere darauf ab, daß die regulatorischen Ka pitalanforderungen die unterschiedlichen Risikoprofile von Banken besser wider spiegeln. Über zehn Jahre nach seiner Einführung haben vor allem die Weiterentwicklun gen von Methoden und Instrumenten im Risikomanagement der Banken dazu geführt, daß die quantitative Normenkonzeption des Baseler Akkords von 1988 zunehmend Schwächen aufweist, die einerseits ein effektives und effizientes Kre ditrisikomanagement behindern, durch die andererseits auch nicht mehr gewähr leistet ist, daß die Kapitalausstattung der Banken einen ausreichenden Schutz darstellt und in unerwarteten Krisensituationen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Weiterexistenz erlaubt.
Eine parallel zu beobachtende - wenn auch in engem Zusammenhang mit den Fortschritten im Risikomanagement stehende - Entwicklungstendenz ist eine stär ker qualitative Ausrichtung der Bankenaufsicht, die nicht zuletzt in den Core Principles for Effective Banking Supervision' Ausdruck gefunden hat und vor allem die Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Risikokultur in den Banken betont. Komplementär zu dieser Entwicklung kommt der Stabilitätssicherung durch gegenseitige Disziplinierung der Marktteilnehmer wachsende Bedeutung zu. Insgesamt weist die sich wandelnde „Regulierungsphilosophie“ in Richtung einer stärkeren Marktorientierung der Bankenaufsicht und -regulierung.
1 Basie Committee on Banking Supervision (1997).
2
Problemstellung und Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit möchte die beiden parallelen Entwicklungsströmungen Weiterentwicklung des Risikomanagements, insbesondere des Kreditrisikomana gements der Banken, und die sich wandelnde Regulierungsphilosophie - aufgrei fen und in einer Synthese der Frage nachgehen, wie risikobasierte Kapitalanfor derungen für Kreditrisiken als effektives und effizientes Instrument einer markt orientierten Bankenaufsicht eingesetzt werden können. Dabei ist ein Ziel der Arbeit, ein normatives Referenzsystem in Form des zu ent wickelnden marktorientierten Ansatzes-der Bankenregulierung zu formulieren. Um den beabsichtigten Realitätsbezug herzustellen, fließen auch immer wieder aufsichtspraktische Überlegungen in die Formulierung von Lösungsansätzen und die Analyse und Bewertung alternativer Ansätze der Kreditrisikoregulierung ein. Insoweit wird für die vorliegende Arbeit ein analytisch-deduktiver Ansatz ge wählt, der sich entsprechend auch in der Gliederung niederschlägt.
Nach einem kurzen Überblick über ökonomische Begründungen für eine geson derte Regulierung von Banken in Kapitel 2.1, wird der gedankliche Bezugsrah men dieser Arbeit in Abschnitt 2.2 mit der Entwicklung eines marktorientierten Ansatzes der Bankenaufsicht und -regulierung festgelegt. Der vorgeschlagene, sich auf vier Grundpfeiler stützende marktorientierte Ansatz der Bankenaufsicht dient als Referenzsystem, auf das insbesondere bei der Bewertung verschiedener Alternativen der Kreditrisikoregulierung zurückgegriffen wird. In Kapitel 3 werden Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung vorgestellt. Dabei wird in Abschnitt 3.1 zunächst der Frage nachgegangen, warum bankaufsichtliche Kapitalanforderungen überhaupt gebraucht werden, in Ab schnitt 3.2 wird ausgeführt, inwiefern die optimale Kapitalausstattung einer Bank als Anknüpfungspunkt der Bankenregulierung dienen sollte, oder ob Mindestkapi talanforderungen die ökonomisch sinnvollere Variante darstellen. Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen zu bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen, wer den in Abschnitt 3.3 die relevanten Kriterien zur Beurteilung alternativer Ansätze der Kapitalregulierung einer marktorientierten Bankenaufsicht zusammengestellt. Zu diesem Zweck werden die Überlegungen aus 3.1 und 3.2 mit dem Referenzsys tem des marktorientierten Ansatzes der Bankenaufsicht aus Abschnitt 2.2 zusam mengeführt, mit dem Ziel einer konsistenten und einheitlichen Bewertungsgrund lage, anhand derer die verschiedenen Alternativen der Kreditrisikoregulierung mit Kapitalanforderungen untersucht werden können.
Problemstellung und Gang der Untersuchung
3
Die bestehende Konzeption der Kreditrisikoregulierung wird - im Sinne einer „Bestandsaufnahme“ - in Kapitel 4 analysiert und bewertet. Dazu wird in Ab schnitt 4.1 zunächst der Baseler Akkord von 1988 und die nachfolgenden Zusätze dargestellt, um dann in Abschnitt 4.2 vor dem Hintergrund der sich verändernden Rahmenbedingungen eine ausführliche Kritik der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords vorzunehmen und Implikationen dieses Kapitalstandards für das Kreditrisikomanagement der Banken aufzuzeigen. Eine Gesamtbewertung anhand der aus dem formulierten marktorientierten Ansatz abgeleiteten Kriterien schließt das Kapitel ab.
Als Reaktion auf die zunehmende Kritik an der Kapitalnorm des Baseler Akkords von 1988 hat der BASELER AUSSCHUB FÜR BANKENAUFSICHT Vorschläge zur Re form der Kreditrisikoregulierung vorgestellt, die in Kapitel 5 eingehend analysiert werden. In Abschnitt 5.1 wird der vorgeschlagene modifizierte Standardansatz dargestellt, der bei der Bestimmung der bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen auf die Einschätzungen externer Rating-Agenturen zurückgreift. Weitgehend unabhängig von der bisher noch wenig konkretisierten Ausgestaltung der Reform vorschläge werden in Abschnitt 5.2 die Voraussetzungen, Wirkungen und offenen Fragen einer solchen ratingakzessorischen Kreditrisikoregulierung auf Basis von Einschätzungen privater Ratingagenturen untersucht und diskutiert. In Abschnitt 5.3 wird der bisher vom BASELER AUSSCHUB nur in Grundzügen angedachte Inteme-Ratings-basierte Ansatz, der parallel zum modifizierten Standardansatz Anwendung finden soll, vorgestellt und - entsprechend der Vorgehensweise in Abschnitt 5.2 - hinsichtlich seiner grundlegenden Konzeption analysiert. Ab schnitt 5.4 bietet wiederum auf Grundlage des marktorientierten Ansatzes der Bankenregulierung eine Gesamtbeurteilung der vorgeschlagenen Reform der Kreditrisikoregulierung, wobei zunächst beide Teilalternativen einzeln bewertet werden, um dann in einer Bewertung des Gesamtpaketes mögliche Wechselwir kungen zwischen den beiden Vorschlägen aufzuzeigen und in die Beurteilung einfließen zu lassen. Noch stärker zukunftsorientiert werden in Kapitel 6 die Möglichkeiten und Aus wirkungen der Nutzung interner Kreditrisikomodelle zur Bestimmung bankauf sichtlicher Kapitalanforderungen im Rahmen des marktorientierten Ansatzes der Bankenregulierung analysiert. In Abschnitt 6.1 erfolgt zunächst eine Darstellung und Analyse der wesentlichen Bausteine portfolioorientierter Kreditrisikomodelle, an die sich in Abschnitt 6.2 eine Diskussion der aus Sicht der Bankenaufsicht notwendigen Anforderungen an Kreditrisikomodelle anschließt. Die Beurteilung
4
Problemstellung
und
Gang
der
Untersuchung
des Interne-Mode Ile-Ansatzes und das Aufzeigen möglicher Lösungsansätze er folgt auch hier auf der Grundlage des entwickelten marktorientierten Ansatzes der Bankenregulierung, wobei als mögliches Umsetzungsszenario der evolutionäre modellbasierte Ansatz der ISDA (International Swaps and Derivatives Asso ciation) verwendet wird.
Kapitel 7 beschließt die vorliegende Arbeit mit einer Zusammenfassung der Er gebnisse und einem Ausblick.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
5
2 Theoretische Begründungen und Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
2.1 Marktversagen als Ausgangspunkt der Bankenregulierung Der Bankensektor unterliegt in fast allen Ländern mit einer marktwirtschaftlichen Grundordnung einer besonderen staatlichen Regulierung.1 Allein der Verweis auf eine Sonderstellung der Banken in einer Volkswirtschaft reicht als Begründung für die Regulierung des Bankenmarktes nicht aus.2 Die besondere Bedeutung von Banken für eine Volkswirtschaft - so könnte argumentiert werden - sollte vor dem Hintergrund einer marktwirtschaftlichen Grundordnung eher dazu führen, daß staatliche Regulierung gegenüber Markt und Wettbewerb zurücksteht.3 Staat
liche Eingriffe in Markt- und Wettbewerbsprozesse des Bankensektors bedürfen folglich einer besonderen ökonomischen Begründung.4 Eine theoretische Fundierung der Bankenregulierung bieten wohlfahrtsökonomi sche Überlegungen. Allgemein ist ein Eingreifen in den Marktprozeß dann öko nomisch sinnvoll, wenn Marktversagen vorliegt, d.h. wenn der Marktmechanis mus nicht zu pareto-optimalen Ergebnissen im Sinne eines Allokations- bzw. Wohlfahrtsoptimums führt. Marktversagen kann verschiedene Ursachen haben. Für die Bankenregulierung sind vor allem zwei Ursachen relevant: Marktversagen aufgrund externer Effekte und Marktversagen aufgrund von Informationsasym metrien.5
1 2 3 4 5
Vgl. z.B. Burghof/Rudolph (1996), S. 18, Terberger (1995a), Sp. 152. Vgl. Büsselmann (1993), S. 16. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 17-18, Bonn (1998), S. 36-37. Vgl. z.B. Zimmer (1993), S. 141, Terberger (1995a), Sp. 152, Bonn (1998), S. 37. Als Ursachen für partielles Marktversagen werden in der Literatur neben externen Effekten und asymmetrischer Informationsverteilung natürliche Monopole und ruinöse Konkurrenz genannt. Vollständiges Marktversagen liegt vor, wenn ein Markt überhaupt nicht zustande kommt. Da die letztgenannten Ursachen für die Bankenregulicrung nicht von Bedeutung sind, wird auf ihre Dar stellung verzichtet. Vgl. zur Diskussion um die Relevanz der verschiedenen Ursachen für die Ban kenregulierung z.B. Baltensperger (1989/90), S. 4-5, Münzer (1992), S. 28-33. Büsselmann (1993), S. 32-40, Burghof/Rudolph (1996), S. 29-33, Bonn (1998), S. 37-51.
6
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
Im Mittelpunkt der verschiedenen Erklärungsansätze für die Notwendigkeit einer speziellen Bankenregulierung steht die Gefahr einer allgemeinen, die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährdenden Bankenkrise. Um Eingriffe in den Bankenmarkt ökonomisch sinnvoll begründen zu können, muß folglich aufgezeigt werden, warum insbesondere der Bankensektor krisenanfällig ist und warum eine Bankenkrise mit besonders schwerwiegenden Folgen für die Gesamtwirtschaft verbunden sein kann.6 Eine Ursache von Bankenkrisen können Bankruns sein, d.h. Einlagenabzüge auf breiter Front durch private Kunden. Die Entstehung eines Bankruns wird begün stigt7 durch die für Banken charakteristische Produktionstechnologie der Kombi nation kurzfristiger, liquider Verbindlichkeiten mit längerfristigen, illiquiden Ban kaktiva mit unsicherem Wert.8 Wenn Einleger z.B. aufgrund negativer Informationen oder unerklärter Paniken ihr Vertrauen in die Solvenz einer Bank verlieren, kann dies einen Run auf die Einlagen der Bank bewirken, der aus Sicht des einzelnen Einlegers auch dann rational ist, wenn er davon ausgeht, daß die Bank unter normalen Umständen solvent wäre. Selbst wenn allen Einlegern bewußt wäre, daß durch das Belassen der Einlagen bei der Bank ihre kollektiven Interessen gewahrt würden9, kann ein solches Run-Szenario nicht ausgeschlossen werden.10 Die Einleger antizipieren,
6 Vgl. Crockett (1997a), S. 6 7 Vor allem in der cnglischsprachigen Literatur wird in der horizontalen Finanzierungsstruktur der Banken die Ursache für Bankruns gesehen.Vgl. z.B. Diamond/Dybvig (1983), Chari (1992), S. 136-137, Dybvig (1992), S. 171-173. - Crockett (1997a), S. 10-11, weist daraufhin, daß aufgrund des sehr hohen Fremdkapitalanteils eine erzwungene Liquidation bei Banken wahrscheinlicher sei als bei Nichtbanken. Crockett bezieht sich also auf die vertikale Finanzicrungsstruktur der Banken. Ich möchte mich der Meinung Bonns anschließen, der einmal entstandene Run-Situationen durch unterschiedliche Liquiditätsgrade auf Aktiv- und Passivseite sowie die vergleichsweise geringen Eigcnkapitalquotcn von Banken verschärft sieht. Vgl. Bonn (1998), S. 21, insb. FN 40. 8 Vgl. Baltensperger (1996), S. 293. In diesem Zusammenhang hat das Modell von Diamond/Dybvig (1983) große Beachtung gefunden, das zu dem Ergebnis kommt, daß eine Einlagensicherung Bankruns verhindern kann; siehe auch Dybvig (1992) S. 171-173. Einlagensicherungen weisen jedoch wiederum spezielle Probleme auf, die zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden. Siehe zum Zusammenhang von Liquiditätsschöpfung und Bankruns auch von Weizsäcker (1987). 9 Der Wert einer Bank (wie auch anderer Unternehmungen) dürfte im allgemeinen im Going-Concern-Fall größer sein als bei einer erzwungenen Liquidation. Vgl. Crockett (1997a), S. 11. 10 Vgl. zu diesen Ausführungen Crockett (1997b), S. 6; siehe auch Bryant (1980), Diamond/Dybvig (1983), Jacklin/Bhattacharya (1988), Baltensperger (1996), S. 293. - Bonn (1998), S. 24-28, macht deutlich, daß für die Erklärung des Run-Phänomens weder auf irrationales Verhalten noch auf besondere Informationsnachteile von Kleinanlegern zurückgegriffen werden muß. Vielmehr
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
7
daß diejenigen, die zuerst ihre Einlagen abziehen, keinen bzw. einen geringeren Verlust erleiden werden. Es kann daher zu einer Art „Windhundrennen“ um den schnellstmöglichen Abzug der Einlagen kommen11, in dessen Folge die Bank
durch sogenannte „fire-sales“ illiquide Aktiva u.U. mit Verlust vorzeitig liquidie ren muß, um dem Ansturm der Einleger begegnen zu können.12 Runs auf einzelne Banken müssen sich nicht automatisch zu Systemkrisen aus weiten.13 Die Wohlfahrtsverluste, die durch einen Run auf eine einzelne Bank entstehen, rechtfertigen jedoch besondere staatliche Eingriffe nicht.14 Ähnliche
Krisen können auch in anderen Branchen beobachtet werden, ohne daß eine spe zielle Regulierung gefordert wird.15 Entscheidend für die Begründung einer be sonderen Bankenregulierung ist vielmehr, daß ein Run auf eine einzelne Bank eine Kettenreaktion hervorrufen kann, in deren Folge über bankenspezifische Übertragungskanäle andere - auch potentiell solvente - Banken „angesteckt“ werden können, bis hin zu einer Krise des gesamten Bankensystems („DominoEffekt“ bzw. systemisches Risiko).16 Zu klären ist, worin die Ursachen eines solchen Domino-Effekts oder System risikos liegen können. Ein Ansatzpunkt ist die asymmetrische Informationsver teilung zwischen Banken und Einlegern hinsichtlich der Solvenz von Banken.17 Einzelne Einleger können die Risikolage einer Bank nur ungenau einschätzen bzw. haben keinen Anreiz, die notwendigen Informationskosten aufzuwenden, um
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stehen die Einleger vor einem Gefangenendilemtna, in dem individuell rationales Verhalten zu kol lektiv irrationalen Ergebnissen führen kann. Vgl. auch Zimmer (1993), S. 165-166. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 20-22, Llewellyn (1999), S. 15-16. Vgl. Baltenspergcr(1996), S. 293, Bonn (1998), S. 15. Vgl. Chari (1992), S. 136, Zimmer (1993), S. 169, Bonn (1998), S. 28. Die Existenzsicherung einzelner Banken, die nicht profitabel arbeiten, kann nicht das Ziel einer ökonomisch sinnvollen Bankenregulierung sein. Bewirkt ein Run, daß einzelne Banken rechtzeitig, d.h. bevor größere Verluste auftreten, aus dem Markt ausscheiden, und beruht dieser Run nicht bloß auf Panik, sondern auf relevanten Informationen z.B. über die Risikopolitik einer Bank, ist dies in einem marktwirtschaftlichen System sogar ein wünschenswerter, die Marktdisziplin stär kender Vorgang. Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 117, Basie Committee on Banking Supervision (1997), S. 9, Burghof/Rudolph (1996), S. 21, Crockett (1997a), S. 9, Münzer (1992), S. 41 -42. Vgl. Crockett (1997a), S. 9, Bonn (1998), S. 16. Vgl. Chari (1992), S. 136-137, Baltensperger (1996), S. 293, Burghof/Rudolph (1996), S. 21-24, Bonn (1998), S. 16-17. - Die BIZ (1992), S. 61, definiert systemische Risiken als „the risk that a disruption (at a firm, in a market segment, to a settlement system etc.) causes widespread difficul ties at other firms, in other market segments or in the financial system as a whole“. Vgt. Eisenbeis (1995), S. 61 und S. 64-69, mit einem Überblick über Bankrun-Modelle, die auf Informationsasymmetrien beruhen.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
sich über die Qualität einer Bank Klarheit zu verschaffen. Die mangelnde boni tätsmäßige Differenzierung der Banken kann dazu führen, „daß Einleger hinter den homogenen Fassaden der Geschäftspolitik der Banken auch vergleichbare Risikostrukturen vermuten und daher von sichtbar gewordenen Problemen einer Bank auf bisher noch nicht erkannte Schwierigkeiten bei anderen Banken schlie ßen (‘Homogenitätsannahme’)“18. Die besondere Vertrauensempfindlichkeit des Bankensektors spiegelt sich hier wider. Verlieren Einleger das Vertrauen in die Bonität einer Bank, kann dadurch das Vertrauen in das gesamte Bankensystem er schüttert werden, mit einer Systemkrise als Folge.19 Im oben dargestellten Szenario eines Bankruns, der über Ansteckungseffekte zu einer Krise des gesamten Bankensystems führen kann, steht das Einlegerverhalten im Mittelpunkt. Der VertrauensVerlust der Einleger in das Bankensystem entsteht aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Banken und Bank kunden.20 Die Übertragung einer solchen Krise erfolgt über den indirekten Kanal „Einlegerverhalten“.21 Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems gehen auch von anderen, direkten22 Übertragungskanälen aus. Eine direkte Ansteckung anderer Banken kann über Interbankenverflechtungen erfolgen. Insbesondere Zahlungsverkehrs- und Ab rechnungssysteme werden als Hauptquellen systemischer Risiken angesehen23, wobei sich Geschwindigkeit und Reichweite der Übertragung von Störungen durch die Entwicklungen der Informationstechnik und die zunehmende Integration der einzelnen Marktsegmente in den letzten Jahren beträchtlich erhöht haben.24
Für die vorliegende Arbeit ist von besonderem Interesse, daß - wie BONN in sei ner Untersuchung von Bankkrisen ausweist - Krisen vor allem durch Probleme im
Burghof/Rudolph (1996), S. 21; vgl. auch Bonn (1998), S. 30. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 21-22, Bonn (1998), S. 18-21. Vgl. Crockett (1997b), S. 6-7. Vgl. Crockett (1997a), S. 11, Bonn (1998), S. 28. Siehe auch Eisenbeis (1997), S. 7-8. Vgl. Bonn (1998), S. 28. Einen Überblick über Systemrisiken auf Finanzmärkten mit besonderer Berücksichtigung von Derivaten gibt Varnholt (1995). Der Zusammenhang von Interbankgeschärten und Systemrisiken wird von Rochet/Tirole (1996) formalisiert. Siehe zu weiteren Quellen systemischer Risiken Cro ckett (1997b), S. 3-22. Ein allgemeiner Überblick über den Stand der Literatur zu systemischen Risiken findet sich in De Bandt/Hartmann (June 1999). 24 Vgl. BIZ (1992), S. 228, Group of Thirty (1997), S. 6. 18 19 20 21 22 23
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
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Kreditgeschäft ausgelöst wurden, die Weiterleitung von Krisenimpulsen also direkt über die Aktivseite erfolgte und nicht indirekt über die Passivseite.25 Die extrem angestiegenen Volumina der Finanztransaktionen mit einer zuneh menden Konzentration des Handels auf eine relativ kleine Anzahl von führenden Instituten haben zur Folge, daß sehr hohe offene Liquiditäts- und Kreditpositionen bestehen, die häufig das Eigenkapital der Institute übersteigen. Der Ausfall eines Marktteilnehmers kann dann dazu führen, daß die Verluste durch die Zah lungsverkehrs- und Abrechnungssysteme weitergereicht werden und das gesamte Finanzsystem in eine Vertrauenskrise gerät. Allein Zweifel an der Bonität eines Marktpartners können Mittel im Interbankenmarkt blockieren, was durch die hohe Übertragungsgeschwindigkeit und den Umfang der betreffenden offenen Positio nen das Risiko eines allgemeinen Rückzugs aus dem Markt bewirken kann.26
Die den bankenspezifischen Übertragungskanälen inhärenten Systemrisiken insbesondere schon die bloße Möglichkeit eines Domino-Effekts in Verbindung mit der spezifischen Vertrauensempfindlichkeit des Bankensektors - lassen eine an der Funktionssicherung27 ausgerichtete Regulierung als ökonomisch gerecht fertigt erscheinen.28 Der Bankensektor ist folglich aus zwei Gründen Gegenstand besonderer Regulie-
25 Vgl. Bonn (1998), S. 35, mit weiteren Quellen. 26 Vgl. zu diesen Ausführungen BIZ (1992), S. 227-228, Group of Thirty (1997), S. 3 u. S. 5-7. - Die BIZ (1992), S. 227, sieht in Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssystemen den wichtigsten institu tionellen Übertragungskanal, durch den sich Krisen ausbreiten können. Vgl. auch BIZ (1994), S. 191-192, Borio/Van den Bergh (1993), S. 29-34, Eisenbeis (1995), S. 74-82, Kaufman (1996), S. 9-11 und Bonn (1998), S. 28-34; siehe auch Hoenig (1996), S. 7, Crockett (1997a), S. 11, Mingo (1998a), S. 62. 27 Gläubigerschutz wird in der Literatur überwiegend als Mittel der Funktionssicherung angesehen und daher an dieser Stelle nicht separat angesprochen. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 18-19. Siche auch die Anmerkungen in FN 34. 28 Vgl. Hoenig (1996), S. 7, Mingo (1998a), S. 62, Burghof/Rudolph (1996), S. 22. - Bonn (1998), S. 36, betont, daß Bankenregulierung aufgrund der bloßen Möglichkeit einer systembedrohenden Kettenreaktion „im Endeffekt eine politische Entscheidung“ darstellt, führt aber auch weiter aus (S. 37, FN 98), daß „Interventionen und Regulierungen des Staates immer Ergebnis politischer Ent scheidungen“ sind. Der politische Charakter dieser Entscheidungen wird auch vom Basie Com mittee on Banking Supervision (1997), S. 13, betont: „Deciding on the appropriate level of syste mic protection is by and large a policy question to be taken by the relevant authorities...“ [Kursivierung im Original]. Ähnlich äußert sich auch Terberger (1995a), Sp. 163: „Über bankauf sichtliche Regelungen wird im Detail immer mit einem gehörigen Maß Pragmatismus entschieden werden müssen.“ Kritisch äußert sich Zimmer (1993), S. 144, der darin eine „Kapitulation der ökonomischen Erklärung“ sieht.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
rung: zum einen ist ein unreguliertes Bankensystem Instabilitäten ausgesetzt, zum anderen können diese Instabilitäten negative externe Effekte Spillover effects'") erzeugen.29 Der Ansteckungseffekt führt dazu, daß Krisen einzelner Banken nicht nur unerwünschte Folgeschäden bei anderen Banken hervorrufen.30 Vielmehr wird auch der reale Sektor in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Funktionsfä higkeit des Bankensystems dergestalt beeinträchtigt wird, daß eine effiziente Kapital- und Risikoallokation nicht mehr gewährleistet ist.31 Zu diesen gesamt wirtschaftlichen Kosten kommen hohe Transferleistungen hinzu, die - zum gro ßen Teil von der öffentlichen Hand - für die Bewältigung finanzieller Krisen aufgewendet werden müssen.32
Das Management einer Bank berücksichtigt in seinem betriebswirtschaftlichen Kalkül diese gesamtwirtschaftlichen Kosten einer Systemkrise ebenso wenig wie der Einleger, der bei einem Run seine Einlagen möglichst schnell abziehen möch te. Markversagen aufgrund externer Effekte sowie Marktversagen aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung können demnach als Begründung bankauf sichtlicher Maßnahmen zur Stabilitätssicherung des Bankensystems herangezogen werden.33
29 Vgl. Crockett (1997a), S. 6. 30 Vgl. Crockett (1997a), S. 11-12, Bonn (1998), S. 39. 31 Vgl. Bonn (1998), S. 39. Die Group of Thirty (1997), S. 3, faßt ihre Definition von systemischen Risken entsprechend weiter als z.B. die BIZ (siehe FN 16): „Systemic risk may be defined as the risk of a sudden, unanticipated event that would damage the financial system to such an extent that economic activity in the wider economy would suffer“ [Kursivierung durch den Autor]. 32 Vgl. Group of Thirty (1997), S. 4. - Die Kosten der Bewältigung der Savings and Loans-Krisc in den USA werden auf 2-4 % des GDP der USA geschätzt. In Frankreich wurden vom Staat allein ftir Credit Lyonnais umgercchnet über 30 Mrd. US-$ aufgewendet. Ein Teil solcher Kosten wird zwar auch von den jeweiligen Bankensystemen und den Bankkunden getragen, die Hauptlast trägt aber meist der Staat. Vgl. Crockett (1997a), S. 12. ” Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 31, Crockett (1997a), S. 11-12.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
2.2
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Marktorientierte Ausrichtung als Grundprinzip der Ban kenaufsicht
2.2.1 Ziele der Bankenregulierung
Die Formulierung klarer Ziele muß an erster Stelle der Gestaltung einer effektiven Bankenregulierung stehen, um unnötige, den Marktprozeß beeinträchtigende oder sogar den eigentlichen Zielen entgegengesetzte Eingriffe in den Bankenmarkt zu vermeiden.34
Die konkrete Ausgestaltung der Bankenregulierung wurde im Zeitablauf durch verschiedene Zielsetzungen beeinflußt. Diese umfassen die Sicherheit der Banken, Maßnahmen im Dienst der Geldmengen- und Preisniveaukontrolle, wettbe werbspolitische Maßnahmen, die Gewährleistung der Staatsfinanzierung sowie sozialpolitische Gründe. Während die Sicherheit der Banken als Ziel einer markt orientierten Bankenaufsicht einer kritischen Prüfung standhalten kann und interna tional akzeptiert ist, stoßen die anderen Motive in der Literatur auf breite Kritik und werden als Rechtfertigung für regulatorische Eingriffe in den Bankenmarkt abgelehnt.35
34 Vgl. Greenspan (1997), S. 1. - Dieser Teil der vorliegenden Arbeit setzt sich vor allem mit der normativen Theorie der Bankenregulierung auseinander; wo es sinnvoll ist, werden aber auch Er kenntnisse der positiven Theorie der Regulierung eingebaut, die Marktstörungen auf Fehler, auf eine zu langsam oder überhaupt nicht tätig werdende Bankaufsicht oder die inadäquate Gestaltung der regulativen Rahmenbedingungen zurückführt. Solche Störungen könnten in ihren Auswirkun gen signifikanter und kostspieliger sein als die oben angesprochenen Marktstörungen durch externe Effekte und Informationsasymmetrien. Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 117. 33 Vgl. Zimmer (1993), S. 141-142, Bonn (1998), S. 38. Zur geldpolitischen Motivation vgl. Baltensperger (1996). S. 292, Baltensperger (1989/90), S. 2, und Münzer (1992). S. 33-39; zur so zialpolitischen Argumentation vgl. Büsselmann (1993), S. 21-23. Wettbewerbspolitisch motivierte Regulierungsmaßnahmen sollen den Bankensektor vor Monopolisierungs- und Konzentralionslendenzen aufgrund von „economies of scale and scope“ schützen. Diese Überlegungen haben bei den „branch banking restrictions“ in den USA eine gewisse Rolle gespielt, sollen hier aber nicht weiter vertieft werden. Vgl. hierzu Baltensperger (1996), S. 292-293, Crockett (1997a), S. 18-19.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
Das bankaufsichtliche Ziel der Sicherheit der Banken umfaßt in erster Linie die Sicherheit und Stabilität des Bankensystems (Funktionssicherung36) und - diesem Oberziel nachgeordnet - den Gläubigerschutz.37
In der praktischen Umsetzung setzt die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität des Bankensystems bzw. die Funktionssicherung an der einzelnen Bank an38. Dies geschieht jedoch nicht mit dem Ziel, gelegentliche Insolvenzen kleine rer Banken oder gelegentliche substantielle Verluste großer Institute zu verhin dern, wenn der ökonomische Schaden auf eine eng begrenzte Gruppe von Kunden bzw. Marktteilnehmern beschränkt ist.39 Sicherheit und Stabilität des Bankensystems wird in dieser Abgrenzung aber zu ungenau umrissen, um die Bankenregulierung ökonomisch sinnvoll und effektiv ausgestalten zu können. Es bedarf folglich einer Konkretisierung in Form einer adäquaten regulatorischen Zielfunktion. Um eine solche Zielfunktion formulieren zu können, muß zum einen geklärt werden, wie „Sicherheit und Stabilität“ defi niert und gemessen werden sollten, zum anderen muß festgelegt werden, welches quantifizierbare Mindestniveau an Sicherheit und Stabilität von den Banken ge fordert werden sollte.40 Implizit dürfte bei Festlegung bestimmter Normen wie den Mindestkapitalanfor derungen des Baseler Akkords von 1988 die Vorstellung von finanzieller Stabi lität als ausreichend geringer Insolvenzwahrscheinlichkeit einer Bank vorherr schend gewesen sein.41 Eine explizite Formulierung und Festlegung einer Zielfünktion, d.h. von quantitativen Mindeststandards für Sicherheit und Stabilität im
36 In der englischsprachigen Literatur wird „bank safety and soundness“, also Sicherheit und finan zielle Stabilität als Ziel der Bankenregulierung formuliert. In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe „Funktionssicherung“ und „Sicherheit und Stabilität“ gleichgesetzt. 37 Vgl. z.B. Gardener (1992), S. 156, Baltensperger (1996), S. 292. - Der Basler Ausschuß formuliert in den „Core Principles of Effective Banking Supervision“ (1997, S. 8): „The key objective of su pervision is to maintain stability and confidence in the financial system, thereby reducing the risk of loss to depositors and other creditors“. In dieser Formulierung wird deutlich, daß das Hauptziel der Bankenregulierung die Funktionssicherung ist, durch die auch die Gläubiger geschützt werden. Vgl. auch Bonn (1998), S. 51, mit weiteren Quellen. Anderer Ansicht ist z.B. Bitz (1996), S. 270, FN 6, der zumindest bei Solvabilitätsvorschriftcn den Gläubigerschutz im Vordergrund sieht. 38 Vgl. Hoenig (1996), S. 8. 39 Vgl. Crockett (1997a), S. 6, Group of Thirty (1996), S. 29. 40 Vgl. Greenspan (1998a), S. 17, Mingo (1998a), S. 63. 41 Vgl. Berger/Herring/Szegö (1995), S. 407, Johanning (1996), S. 289, Greenspan (1998a), S. 17, Mingo (1998a), S. 63.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
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Sinne einer ausreichend niedrigen Insolvenzwahrscheinlichkeit von Banken steht jedoch bisher noch aus. Lediglich bei der Verwendung bankintemer Modelle zur Bestimmung der Mindestkapitalanforderungen für Marktpreisrisiken sind Ansätze einer derartigen Zielfunktion zu erkennen.42
Die Solvenzsicherung durch die Vorgabe einer regulatorischen Benchmark für sichere und finanziell solide Banken wirft weitere Fragen auf. Es muß festgelegt werden, welche Insolvenzdefinition zugrundeliegen soll, welche Insolvenzwahr scheinlichkeit angemessen ist und welcher Zeithorizont gewählt werden sollte. Neben diesen eher technisch anmutenden, aber für die Implementierung effizi enter und effektiver Mindestanforderungen an Sicherheit und Solidität äußerst wichtigen Punkten, ist von entscheidender Bedeutung, ob ein für alle Banken gültiger Ansatz mit einer maximalen Insolvenzwahrscheinlichkeit festgelegt wer den sollte (,,one-size-fits-all“-Ansatz43), oder ob eine Differenzierung der Anfor
derungen - z.B. nach der Komplexität der jeweiligen Geschäftstätigkeiten oder der Bedeutung der jeweiligen Banken für systemische Risiken - den Zielen einer marktorientierten Bankenaufsicht besser entspricht.44
2.2.2 Skizzierung der Extrempositionen der Bankenregulierung
Marktversagen ist zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für staatliche Regulierung. Der Staat sollte nur dann in das Marktgeschehen eingrei fen, „wenn Marktversagen vorliegt und eine genaue Prüfung der Möglichkeiten, Grenzen und Kosten des regulativen Eingriffs erwarten läßt, daß staatliches Han deln tatsächlich zu überlegenen Ergebnissen und nicht lediglich zu Staatsversagen führt“45.
42 Werden bankinterne Modelle auf Valuc-at-Risk-Basis zur Bestimmung der Mindestkapitalanfor derungen für Marktrisiken verwendet, fordert die Bankenaufsicht die Annahme einer Haltedauer von 10 Arbeitstagen und ein Konfidenzniveau von 99%. Durch den Multiplikator von drei wird laut Mingo (1998a), S. 66, FN 6, somit eine Insolvenzwahrscheinlichkeit vorgegeben, die signifi kant unter 1% liegt. Mingo selbst (1998a), S. 64, Johanning (1996), S. 297-298 und Guthoff/Pfingsten/Wolf (1998) verweisen allerdings darauf, daß der Value-at-Risk als aufsichts rechtliches Risikomaß unter Umständen nicht geeignet ist, die Insolvenzwahrscheinlichkeit auf ein bestimmtes Niveau zu begrenzen. Vgl. zur Diskussion des Value-at-Risk als bankaufsichtliches Risikomaß auch Kap. 6.3.1.1. 43 Vgl. Greenspan (1998a), S. 17. 44 Vgl. Mingo (1998a), S. 63-64. 45 Bonn (1998), S. 37-38, FN 101.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
Nach der Festlegung der Ziele der Bankenregulierung ist also zu fragen, wer regu lierend eingreifen sollte - der Staat oder andere geeignete Institutionen. Einer solchen Überlegung muß vorausgeschickt werden, daß sich aus den Eigeninteres sen der Marktteilnehmer heraus immer eine Art privater Marktregulierung - ent weder in formeller und informeller Weise - entwickeln wird, so daß es keine im weiteren Sinne unregulierten Märkte gibt.46 Vor dem Hintergrund einer marktori entierten Ausrichtung der Bankenregulierung ist somit zu entscheiden, ob und in welcher Form staatliche Eingriffe geeignet sein können, zielgerichtete Anreize zur Stärkung der Marktdisziplin zu setzen.
Eine am Grundprinzip der Marktorientierung ausgerichtete Bankenregulierung bewegt sich zwischen zwei Extrempositionen: Staatliche Regulierung, die durch direkte Einflußnahme auf Preis-, Portefeuille- und Standortentscheidungen47 in
erheblichem Umfang in die Geschäftstätigkeit der Banken eingreift, oder Selbst regulierung, im Extremfall im Sinne einer echten Eigenentscheidung der Einzel bank48.
Als Beispiel für direkte und erhebliche staatliche Eingriffe in die Geschäftstätig keit der Banken kann das Konzept des „narrow banking“ angeführt werden. Um Bankruns und ihre Folgen zu vermeiden, schlagen die Vertreter des „narrow banking“-Ansatzes vor, daß Banken Einlagen ihrer Kunden ausschließlich in hochli quide Anlagen wie kurzfristige Staatsanleihen oder äquivalente Wertpapiere in vestieren dürfen.49 An diesem Ansatz erweist sich einerseits als problematisch, daß die Banken keine Liquidiät schöpfen und daher andere Institutionen gefunden werden müßten, die diese Aufgabe übernehmen könnten.50 Andererseits ist bei der weiten Verbreitung des traditionellen Depositenvertrags, die darauf hinweist, daß ein derartiger Vertrag den Wünschen der Einleger entspricht51, auch fraglich, ob solche „narrow banks“ am Markt ausreichend erfolgreich sein könnten. Bei einem
Vgl. zu diesen Ausführungen Greenspan (1997), S. 1. Vgl. Bonn (1998), S. 311. Vgl. Meister (1998a), S. 6. Vgl. Spong (1996), S. 365, mit weiteren Quellen; Baltensperger (1996), S. 294. - „Narrow ban king“ wurde ursprünglich von Irving Fisher vorgeschlagen, fand aber auch weitere, prominente Vertreter wie Simons (1948), Friedman (1959), Tobin (1985) und Miller (1995). 50 Vgl. Dybvig (1992), S. 172-173. Siehe zur Aufgabe der Liquiditätsversorgung auch von Weizsä cker (1987). 51 Vgl. Baltensperger (1996), S. 294. 46 47 48 49
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nur geringen Marktanteil der „narrow banks“, würden sich die Probleme einer adäquaten Regulierung lediglich auf andere Institutionen verlagern.52
Bei direkter und erheblicher staatlicher Beeinflussung der Geschäftstätigkeit der Banken steigt zudem die Gefahr, daß ungeeignete staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus adverse Effekte bzw. regulatorische Risken53 hervorrufen. So kann Überregulierung dazu führen, daß die Innovations- und Anpassungsfähigkeit des Bankensektors gehemmt wird54 und das Bankensystem nicht mehr bereit oder in der Lage ist, die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen in entsprechender Qualität und zu akzeptablen Kosten zu bedienen55. Ebenso können Normen, die ursprünglich risikobegrenzend wirken sollten, in einem dynamischem Umfeld genau das Gegenteil bewirken, und Banken zu erhöhter Risikoübemahme verlei ten.56 Nicht marktgerechte Regulierungsinstrumente erzeugen folglich ökonomi
sche Kosten, denen kein adäquater Nutzen in Form von Sicherheit und Stabilität gegenübersteht.57
Die Selbstregulierung des Bankenmarktes ist die andere Extremposition. Promi nenter Vertreter einer Variante58 dieser Position ist die GROUP OF THIRTY, die vorschlägt, daß die großen, weltweit tätigen Finanzinstitute durch private Gremien beaufsichtigt werden sollen. Auf der Grundlage freiwilliger kollektiver Standards sollen privaten Aufsichtinstitutionen - z.B. eine Gruppe großer internationaler
Vgl. Crockett (1997a), S. 18; anderer Meinung ist Spong (1996), S. 371-372. Vgl. zum Begriff Benston/Kaufman (1988), S. 11. Vgl. Benston/Kaufman (1988), S. 11, Hoenig (1996), S. 10, Bonn (1998), S. 311-312. Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1997), S. 9. Vgl. Benston/Kaufman (1988), S. 11, Padoa-Schioppa (1997), S. 118. Siehe zu Auswirkungen von Kapitalanforderungen auf das Risikoverhalten von Banken Kap. 3.2. 57 Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 117, Greenspan (1998a), S. 17. 58 Weitergehende Ansätze sind der „free banking“- bzw. der „laissez-faire banking“-Ansatz. Hinter grund dieser Ansätze ist die Annahme, daß sich Finanzmärkte nicht von anderen Märkten wie z.B. Gütermärkten unterscheiden, und somit auch nicht einer besonderen Regulierung bedürfen. Der Marktmechanismus allein wird in diesen Ansätzen als Garant für Stabilität und Sicherheit angese hen. Vgl. ausführlich zu diesen Ansätzen und historischen Beispielen Dowd (1992) und Dowd (1993). - Neuseeland hat ein Aufsichtssystem ohne Einlagensicherung implementiert, das vor al lem auf die Marktdisiziplinierung setzt und die Banken verpflichtet, den Marktteilnehmern sehr weitreichende Informationen bereitzustellen. Vgl. Bonn (1998), S. 423. Da sich aber der kleine neuseeländische Bankenmarkt nur aus Auslandsbanken zusammensetzt, die einer Heimatlandauf sicht unterstehen, ist fraglich, ob dieses System auf andere Länder übertragen werden kann. Vgl. Goldstein/Turner (1996), S. 47, FN 83. 52 53 54 55 56
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
Finanzinstitute - Aufsichtskonzepte formulieren und deren Einhaltung über wachen, und somit die staatliche Aufsicht in weiten Teilen ersetzen.59 Selbstregulierung auf der Basis privater Regeln stellt höchste Anforderungen an Kapitalmarkt und Marktteilnehmer.60 So müßte auf Seiten der Banken die Bereit schaft bestehen, alle relevanten Infoimationen, die zur Einschätzung ihrer Risikound Ertragslage notwendig sind, rechtzeitig und vollständig zu veröffentlichen.61
DeYoung/Flannery/Lang/Sorescu62 belegen in einer Studie, daß die Banken aufsicht durch ihre Untersuchungen vor Ort private Informationen über die Si cherheit und Stabilität von Banken erhält, die über die öffentlichen Informationen der anderen Marktteilnehmer hinausgehen.63 Eine effiziente Disziplinierung der Banken durch den Marktmechanismus kann also nur erfolgen, wenn die privaten Informationen, die nur der Bankenaufsicht zugänglich sind, auch den anderen Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt werden.64 Die Veröffentlichung dieser Informationen würde jedoch das Verhältnis zwischen Banken und staatlicher Auf sicht verändern, so daß nicht sicher ist, ob der Bankenaufsicht unter den verän derten Bedingungen in gleichem Umfang Informationen bereitgestellt würden.65 Dies läßt die Vermutung zu, daß die Kombination von staatlicher Aufsicht und privater Analyse hinsichtlich der Informationsproduktion einer rein privaten Auf sicht überlegen sein könnte.66 Die systematische Zusammenfilhrung von Marktund bankaufsichtlichen Informationen könnte daher ein geeigneter Mechanismus
59 Vgl. Group of Thirty (1997), insb. S. 12-18, Meister (1998a), S. 6-7, Meister (1998b), S. B3. 60 Vgl. Meister (1998a), S. 7. Wahrend Meister hier Marktdisziplinierung und Selbstregulierung gleichsetzt, verweist Bonn (1998), S. 421, darauf, daß zwischen „Marktdisziplin, behördlicher Fremdregulicrung und kreditwirtschaftlicher Selbstregulierung“ unterschieden werden muß. Da bei Abwesenheit von staatlicher Regulierung das Verhalten der Marktteilnehmer jedoch nur durch den Markt diszipliniert werden kann, wird im folgenden nicht explizit zwischen Selbstregulicrung und Marktdisziplin unterschieden. 61 Meister (1998a), S. 7, führt dazu aus: „Dies erfordert die Bereitschaft der Banken, eine sehr weit gehende Transparenz interner Betriebsvorgänge, u.U. implizit sogar von Geschäftsstrategicn zu akzeptieren.“ 62 Vgl. DeYoung/Flannery/Lang/Sorescu (1998). Einen sehr guten Überblick über die empirische Literatur zur Marktdisziplinierung von Banken bietet Flannery (1998). 63 Hirschhorn (1987) hingegen kommt zu dem Ergebnis, daß bankaufsichtliche Überprüfungen zwar nützliche Informationen hervorbringen, diese Informationen aber zum großen Teil nicht privat sei en, also den Marktteilnehmern bekannt. 64 Vorschläge, die Ergebnisse bankaufsichtlicher Untersuchungen öffentlich zugänglich zu machen, finden sich bei Kane (1991), Scolt/Jens/Spudeck (1991) und Horvitz (1996). 65 Vgl. DeYoung/Flannery/Lang/Sorescu (1998), S. 23. 66 Vgl. DeYoung/Flannery/Lang/Sorescu (1998), S. 22.
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sein, um „recognition lags" und „action lags" auf Seiten der Bankenaufsicht zu verkürzen, die daraus entstehen, daß die Bankenaufsicht - sei es aus Gründen, die mit der rechtlichen Ausgestaltung des Aufsichtsprozesses Zusammenhängen, oder aus opportunistischem Verhalten der Aufsichtspersonen - erst längere Zeit nach Erkennen einer Problemsituation Initiativen zur Lösung der Probleme ergreift.67 Auch wenn sich eine private Aufsicht hinsichtlich der Informationsbeschaffung der staatlichen Aufsicht bzw. einer Kombination von Markt- und Aufsichtsinfor mationen als gleichwertig erweisen sollte, werden darüber hinaus sehr gut ent wickelte, weitgehend informationseffiziente68 Kapitalmärkte, die in der Lage sind, diese Informationen richtig zu verarbeiten, als unabdingbare Voraussetzung von Marktdisziplinierung und Selbstregulierung angesehen.69 Informationsökonomi sche bzw. neo-institutionalistische Ansätze zeigen jedoch, daß die Existenz von Banken gerade damit erklärt werden kann, daß sie bestimmte Funktionen besser als der Markt erfüllen können.70 Die Existenz von Banken läßt also zumindest
Zweifel daran zu, ob die Kapitalmärkte ausreichend informationseffizient sind, und stellt damit aus theoretischer Sicht die Selbstregulierung auf eine unsichere Grundlage.71 Für eine effektive Marktdisziplinierung müssen über die Fähigkeit
hinaus, Informationen richtig zu verarbeiten, auch verläßliche Mechanismen be stehen, die entsprechende Verhaltensänderungen bei den betroffenen Banken bewirken.72 Die bisher vorliegende geringe Zahl von empirischen Untersuchungen
67 Vgl. Flannery (1998), S. 297-298; ähnlich äußern sich auch Boot/Thakor (1993), S. 212. 68 Vgl. zum Konzept der Kapitalmarktcffizienz Fama (1991). 69 Der Selbstregulierungsansatz wird insbesondere für börsennotierte Banken vorgeschlagen. Nicht börsennotierte Banken müßten weiter traditionell beaufsichtigt werden. Vgl. Meister (1998a), S. 7. 70 Zum einen sorgen Finanzintermediäre durch Risiken-, Fristen- und Losgrößentransformation für eine verbesserte Kapitalallokation, vgl. Terberger (1995a), Sp. 152. Zum anderen läßt sich die Exi stenz von Finanzintermediären auf asymmetrische Informationsverteilungen und damit verbundene Anreizprobleme zurückführen. Vgl. zum Delegated Monitoring-Ansatz Diamond (1984); einen Überblick über weitere Ansätze bietet z.B. Hellwig (1991). 71 Ähnlich argumentiert Terberger (1995a), Sp. 153: „Die Existenz von Banken ist der beste Beweis dafür, daß das Bild vom vollkommenen Kapitalmarkt mit dem realen Finanzmarkt wenig gemein hat.“ 72 Flannery (1998), S. 295, kommt für die USA zwar zu dem Ergebnis, „that market assessments of bank condition are accurate and timely“, betont aber, daß „effective corporate governance (disci pline) requires not only the recognition of a firm’s condition, but also reliable mechanisms by which to reverse or control undesirable changes in firm condition“. Auch Hanekopf (1998), S. 154-155, nennt als Voraussetzungen für eine effektive Marktdisziplin, daß zum einen Anreize für Marktteilnehmer bestehen müssen, sich Informationen zu beschaffen, und zum anderen das Management einer Bank auf die Signale des Marktes reagieren muß. Er
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zur relativen Effektivität von Markt- und Aufsichtsdisziplinierung lassen hier keinen eindeutigen Schluß zu, inwieweit diese Voraussetzungen am Bankenmarkt gegeben sind.73
Eine effektive Marktdisziplin allein kann darüber hinaus Marktversagen und sy stemische Risiken nicht verhindern.74 Eine weitere, grundlegende Voraussetzung einer effektiven Regulierung des Finanzsektors ist daher die eindeutige Zuord nung von Rechtssetzungsautorität und Verantwortung bei der Bewältigung von Systemkrisen.75 Eine anreizwirksame, ökonomisch sinnvolle Ausgestaltung der Selbstregulierung des Finanzsektors würde bedeuten, daß diejenigen Institutionen, die risikobegrenzende Normen setzen dürfen, auch die Verantwortung für die Bewältigung von Systemkrisen tragen müßten.76 Werden diese beiden Funktionen
institutionell getrennt, entstehen - insbesondere vor dem Hintergrund der „too^^-^-/^“■Hypothese77 - Anreize für opportunistisches Verhalten sowohl bei der Normensetzung durch private Institutionen als auch bei der Einhaltung dieser Normen durch die Banken. Diese moral hazard-Problerne würden weiter ver schärft werden, wenn sich die private normensetzende Aufsichtsinstitution aus Finanzinstituten zusammensetzen würde, also aus denjenigen, die auch Regulie rungsobjekt sind.
Die Selbstregulierung der Marktteilnehmer in der dargestellen Form sollte auf grund dieser Überlegungen mit Skepsis betrachtet werden. Während das Recht,
73
74 75 76
77
kommt zu dem Schluß, daß es über die Marktanreize hinaus regulatorischer Normen bedarf, wenn eine oder mehrere der Voraussetzungen nicht gegeben sind. Siehe auch Bösl (1993), S. 20-21. Vgl. Flannery (1998), S. 295-296. Einen Überblick über frühere Untersuchungen bietet Gilbert (1992). Ein direkter Vergleich der Effektivität von Marktdisziplinierung und Disziplinierung durch staatliche Aufsicht findet sich in Billett/Garfinkel/O’Neal (1998), hier S. 335. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß „market discipline ist weakest where regulators arguably need it the most, for banks that rely most hcavely on insured deposit funding“. Weiter: „However, without significant regu latory reform, market discipline may be relatively inefficient in controlling bank risk taking“. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Nagarajan/Sealey (1997). Vgl. Hoenig (1996), S. 12, Crockett (1997a), S. 17, Padoa-Schioppa (1997), S. 127. Vgl. Meister (1998a), S. 7 und Meister (1998b), S. B3. Vgl. Meister (1998a), S. 7, der ausführt, „daß eine Verlagerung der Rcchtssetzungskapazität und der Überwachung der Einhaltung bestehender Regelungen in den Privatsektor nur parallel zu einer freiwilligen und glaubwürdigen Übernahme der Verantwortlichkeiten für die Vermeidung syste mischer Risiken erfolgen könnte“. Anreize für opportunistisches Verhalten seitens der regulierten Banken bestehen vor dem Hinter grund der „too-big-to-fail“-Hypothese natürlich auch bei staatlicher Regulierung. Vgl. Crockett (1997a), S. 17. Der entscheidende Unterschied bei Selbstregulierung liegt darin, daß schon bei der Nonnensetzung für das private Gremium der Anreiz besteht, sich opportunisch zu verhalten.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
19
risikobegrenzenden Nonnen zu setzen, auf ein privates Gremium übergehen wür de, müßte der öffentliche Sektor weiterhin die Hauptlast bei der Bewältigung von Systemkrisen tragen, selbst wenn eine - bisher nicht absehbare78 - Einigung der betreffenden Finanzinstitute über die Einrichtung umfangreicher und dauerhafter internationaler Sicherungsnetze auf privater Ebene erfolgen würde. Zum einen ist es aufgrund des politischen Drucks in Krisenzeiten nicht glaubhaft, daß der Staat sich völlig aus der Bewältigung dieser Krisensituationen zurückzieht.79 Darüber
hinaus könnte sich eine vollständige Verlagerung auf private Sicherungsnetze als ineffizient erweisen, betrachtet man nicht vorhersehbare Ereignisse wie z.B. poli tische Krisen, Erdbeben oder Börsencrashs, die zwar sehr selten und unregelmä ßig auftreten, aber bei ihrem Eintreten das Finanzsystem in eine Krise stürzen können. Um auch solche außergewöhnlichen Ereignisse auffangen zu können, müßten die Banken über eine derartig hohe Kapitalausstattung verfügen, daß in normalen Zeiten ihre ökonomische Funktion stark eingeschränkt wäre.80
2.2.3 Marktorientierte Ausrichtung der Bankenregulierung als Verbindung von staatlicher Regulierung und Selbstregulierung der Marktteilneh mer
Beide dargestellen Extrempositionen sollten aufgrund der aufgezeigten Probleme nicht das Ziel einer Neuorientierung der Bankenregulierung sein. Die geforderte Marktorientierung der Bankenregulierung bedeutet daher, daß staatliche Regulie rung und Selbstregulierung nicht als polare Prinzipien betrachtet werden dürfen, sondern vielmehr als gegenseitige Ergänzung, mit dem Ziel einer möglichst op timalen Verbindung von Selbstregulierungskräften des Marktes und staatlicher Regulierung.81
Der erste Schritt hin zu einer marktorientierten Bankenaufsicht ist die Identifika tion der relevanten Grundstrukturen und Elemente, die den Rahmen für die kon krete Ausgestaltung von Aufsichts- und Regulierungsnormen abstecken. Im fol
78 79 80 81
Vgl. Meister (1998a), S. 7. Vgl. Flannery (1998), S. 297, Llewellyn (1999), S. 29. Vgl. Crockett (1997a), S. 17, Greenspan (1998a), S. 18. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 37-39. Auch Meister (1998b), S. B3, sieht in der Diskussion über Selbstregulierung oder staatlicher Aufsicht keinen Richtungsstreit, vielmehr stelle sich „ein Opti mierungsproblem nach der Maxime ‘Soviel unternehmerische Freiheit wie möglich, soviel Auf sicht über den Markt wie nötig’“.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
20
genden wird ein marktorientierter Ansatz der Bankenaufsicht entwickelt, der auf vier fundamentalen Prinzipien beruht: • • • •
2.2.3.1
Stärkung der Eigenverantwortung von Banken und Marktteilnehmern, Nutzung von Marktinstrumenten und marktähnlichen Anreizstrukturen, Verbindung von qualitativer Aufsicht und quantitativer Regulierung, unter Berücksichtigung einer kosteneffizienten Kontrollverteilung.
Eigenverantwortung von Banken und Marktteilnehmern
Die Disziplinierung der Banken nährt sich aus drei Quellen: internen Kontrollen, Marktdisziplin sowie Regulierung und Aufsicht.82 In erster Linie liegt die Ver antwortung für die Sicherheit und Stabilität der Finanzinstitute bei der Geschäfts führung selbst. Sie muß entscheiden können, in welchen Geschäftsfeldern die Bank tätig sein soll und welches Risikoniveau angemessen ist. Die eigenverant wortliche Festlegung des Risikoniveaus setzt voraus, daß die Grundlage des Bankgeschäfts - die Kenntnis des Geschäftspartners - in Form von Bonitätsprü fungen und regelmäßiger Überwachung beachtet wird. Die Bankenaufsicht kann weder hierfür noch für die Überprüfung der Risikopolitik durch den Markt Ersatz sein. Geht die Bank zu hohe Risiken ein, muß dies genauso durch den Markt dis zipliniert werden, wie die zu geringe Übernahme von Risiken.83 Die Mehrzahl von finanziellen Verlusten und Bankzusammenbrüchen resultiert aus unzureichenden internen Kontrollmechanismen.84 Die Schaffung einer Unter nehmungskultur, die allen Mitarbeitern die Bedeutung effektiver interner Kon trollen bewußt macht, ist daher eine entscheidene Voraussetzung für eine stärkere Eigenverantwortlichkeit der Banken. Der BASELER AüSSCHUß FÜR BANKEN AUFSICHT bringt dies in seinem „ Framework for Internal Control Systems in Banking Organisations“ klar zum Ausdruck: „Principle 3: The board of directors and senior management are re sponsible for promoting high ethical and integrity standards, and for establishing a culture within the organisation that emphasises and demonstrates to all levels of personell the importance of internal controls. All personell at a banking organisation need to understand
82 Vgl. Federal Reserve Bank of Chicago (1996), S. 24. 83 Vgl. zu diesen Ausführungen Greenspan (1998a), S. 18. 84 Vgl. Group of Thirty (1997), S. 12-13, Basle Committe on Banking Supervision (1998c), S. 1.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
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their role in the internal controls process and be fully engaged in the process.“85
Diese Untemehmungskultur muß darüber hinaus eine konkrete Umsetzung erfah ren86, indem ein informiertes und verantwortlich handelndes Management - die grundsätzliche Geschäftspolitik festlegt, die relevanten Risiken kennt, Risikolimite setzt und deren regelmäßige und fortwährenden Überwachung und Kontrolle sicherstellt, - eine Organisationsstruktur implementiert, aus der eine klare und ad äquate Verteilung von Kompetenzen und Funktionen hervorgeht,
- ein adäquates Management-Informationssystem implementiert, das die relevanten Daten zeitnah aufbereitet und über effektive Kommu nikationskanäle den entsprechenden Mitarbeitern zugänglich macht, - und die internen Kontrollmechanismen auf allen Geschäftsebenen ei ner ständigen Überprüfung hinsichtlich ihrer Effektivität unterzieht und eventuelle Schwachpunkte korrigiert.87 Neben internen Kontrollen gehört die Disziplinierung durch den Markt zu den wichtigsten Mechanismen, die das Risikoverhalten der Banken beeinflussen kön nen.88 In funktionierenden Märkten sehen sich Banken, deren Risikoverhalten
nicht mit den Erwartungen der Marktteilnehmer übereinstimmt, mit veränderten Transaktionsbedingungen konfrontiert. Banken, die im Vergleich zu ihren Wett bewerbern erhöhte Risiken eingehen, müssen auch höhere Erträge bieten. Sind Banken aus Sicht der Marktteilnehmer längerfristig nicht in der Lage, risi koadäquate Erträge zu erwirtschaften, wird dies durch verschlechterte Konditio nen bei der zukünftige Mittelaufnahme „bestraft“. Zu den Disziplinierungsme chanismen gehören neben höheren Preisen bei der Kapitalaufhahme auch erhöhte Sicherheitenanforderungen, volumensmäßige Beschränkungen sowie Beschrän
85 Basie Committee on Banking Supervision (1998c), S. 12. 86 Die Group of Thirty (1997), S. 13, läßt keinen Zweifel daran, daß die Unternehmungskultur allein nicht ausreichend ist für eine effektive Kontrolle: „Yet the greatest challenge to address is the ex cessively risky behavior that is the most likely underlying cause of losses to a financial institution. Since no code of ethics is likely to eliminate this tendency, an institution’s control system must at least aim to check the excesses of human nature by establishing an internal vigilance system that will provide early warning of such behavior.“ 87 Vgl. Basle Committee on Banking Supervision (1998c), S. lOff. Siche auch Group of Thirty (1997), S. 14-16, und Brilliant (1995). 88 Vgl. Meyer (1998b), S. 4.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
kungen der Geschäftsbeziehungen auf bestimmte Geschäftsarten, bis hin zur völli gen Weigerung der Marktteilnehmer, überhaupt Geschäfte mit einer als zu riskant eingestuften Bank einzugehen.89 Bei der Diskussion des Selbstregulierungsansatzes wurde gezeigt, daß die zeit nahe und verläßliche Bereitstellung der relevanten Informationen über die Ge schäftstätigkeit der Bank und die eingegangenen Risiken grundlegende Voraus setzung für eine Disziplinierung durch den Markt ist.90 Der BASELER AUSSCHUB FÜR BankenäUFSICHT hat dies in seinen „Core Principles for Effective Banking Supervision“^ aufgegriffen und in Folgeveröffentlichungen präzisiert. Danach werden sechs Informationskategorien92 unterschieden, die die Transparenz der Banken für Marktteilnehmer und Bankenaufsicht erhöhen sollen, und somit zur Sicherheit und Stabilität der Bankensysteme einen entscheidenden Beitrag leisten. Im einzelnen sind dies Informationen über - die Ertragsentwicklung, insbesondere Ertragskraft und Variabi lität der Erträge im Zeitablauf, - die finanzielle Position (mit Informationen über Kapitalausstat tung, Solvenz und Liquidität), - die Strategien und Praktiken des Risikomanagements, - das Risikopotential (Kredit-, Markt-, Liquiditätsrisiken sowie operative, legale und andere Risiken), - die Buchführungspraktiken und - Informationen über Kerngeschäft, Management- und Organisati onsstruktur (Corporate Governance).
Der Bankenaufsicht kommt hier vor allem die Rolle zu, die Bereitstellung und Vergleichbarkeit der relevanten qualitativen und quantitativen Informationen in entsprechender Qualität zu fördern93, da sich die privaten Anreize, Informationen bereitzustellen, häufig als ungenügend erweisen94. Entsprechende Qualität be deutet, daß diese Information in einer Form dargeboten werden müssen, die Ban kenaufsicht und Marktteilnehmern eine fundierte Einschätzung von Geschäfts-
89 90 91 92 93 94
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
zu diesen Ausführungen Basie Committee on Banking Supervision (1998b), S. 6. Abschnitt 2.2.2. Siehe auch Meister (1999b), S. 10. Basie Committee on Banking Supervision (1997), Principle 18 u. 21. ausführlich Basic Committee on Banking Supervision (1998b), S. 17-25. Basie Committee on Banking Supervision (1998b), S. 1. Padoa-Schioppa (1997), S. 126.
Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
23
und Risikoprofilen der Banken erlauben.95 Die erweiterte Offenlegung von Kenn zahlen, Strategien und Strukturen erhöht den Druck seitens der Marktpartner auf die Geschäftsleitung der Banken, effektive Risikomanagement- und Kontrollsy steme zu implementieren, und stellt daher eine wichtige Ergänzung der bankauf sichtlichen Aktivitäten zur Sicherung der finanziellen Stabilität dar.96
In eine ähnliche Richtung zielt die Bereitstellung von Informationen über „best practices“ durch internationale Institutionen wie z.B. den Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht. Diese Veröffentlichungen geben den Stand der Entwicklungen z.B. im Risikomanagement - in den führenden Banken wider und sorgen so in einem sich selbst verstärkenden Prozeß für die Weiterentwicklung und Verbrei tung der Fortschritte auf einen größeren Kreis von Banken.97
2.2.3. Z Nutzung von Marktinstrumenten und marktähnlichen Anreizstruk turen Das Bankgeschäft sieht sich durch die Internationalisierung, den steigenden Wett bewerb und die dynamische Entwicklung innovativer und komplexer Finan zinstrumente wachsenden Risikopotentialen gegenüber, wobei die Gefahr mögli cher Ansteckungseffekte durch die zunehmende Vernetzung von Märkten und Bankensystemen gewachsen ist.98 Traditionelle Regulierungsinstrumente erweisen sich als nicht mehr zieladäquat oder zu kostspielig99, effektive interne Kon
9? Der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht differenziert zwischen Publizität und Transparenz, da „disclosure alone does not necessarily result in transparency. To achieve transparency, a bank must provide timely, accurate, relevant and sufficient disclosures of qualitative and quantitative infor mation that enables users to make proper assessment of the institutions’s acitvities and risk pro file/1 Basle Committee on Banking Supervision (1998b), S. 4. 96 Vgl. Basle Committee on Banking Supervision (1998b), S. 6. - Selbstregulierung, die allein auf der Disziplinierung durch den Marktmechanismus beruht, wurde aus theoretischen und praktischen Gründen zurückgewiesen. Dem entspricht auch die Sichtweise des Baseler Ausschusses für Ban kenaufsicht, der Marktdisziplin lediglich als verstärkende Komponente der Bankenregulierung an sieht: „Banking supervisors’ interest in bank transparency is based on the recognition that markets contain disciplinary mechanisms that, under appropriate conditions, reinforce supervisory efforts by rewarding banks that manage risk effectively and penalising those whose risk management is weak or ineffective.“ Basle Committee on Banking Supervision (1998b), S. 4. Meister (1998a), S. 6, spricht von der „Rolle des Marktes als ‘komplementäre Aufsichtsinstanz’“. 97 Vgl. zu diesen Ausführungen Padoa-Schioppa (1997), S. 127. 98 Vgl. Meister (1998b), S. B2, o.V. (1998). 99 Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 119, Hoenig (1996), S. 9.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
trollsysteme und erweiterte Publizitätsanforderungen erlangen zunehmende Be deutung.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie zieladäquate Anreizstrukturen geschaffen werden können, die dazu führen, daß sowohl Bankmanagement als auch Bankenaufsicht ihre jeweiligen Aufgaben effektiv erfüllen und nicht ge wünschte Verhaltensweisen, übermäßige Risikoübemahme und damit Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems eingeschränkt werden.100 Eine marktorien tierte Bankenaufsicht muß darauf ausgerichtet sein, soweit wie möglich direkte staatliche Eingriffe durch geeignete anreizwirksame Normen zu ersetzen, die die Eigenverantwortlichkeit der Marktteilnehmer und damit die Marktdisziplin stärken.101 Um den Banken soviel unternehmerische Freiheit wie möglich zu geben, dürfen regulatorische Instrumente nur dort eingesetzt werden, wo der Marktme chanismus nicht funktioniert, wobei sie sowenig wie möglich die Ressourcenal lokation beeinflussen sollten102. Maßnahmen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bankensektors sollten aus dem Markt heraus entwickelt werden bzw. markt ähnliche Anreize bieten, die eine übermäßige Risikoübernahme für Banken unatt raktiv machen.103
Warum nun muß die Bankenaufsicht Anreize setzen, um Banken zu einem Ver halten zu bewegen, daß den Zielen der Bankenregulierung entspricht? Sollten Eigenverantwortung der Banken und Disziplinierung durch den Markt nicht aus reichend sein, um übermäßige Risikoübemahme zu verhindern? Die Antwort lau tet ,ja“. Allerdings nur unter der Bedingung, daß es keine impliziten oder explizi ten Sicherungseinrichtungen gibt und alle Marktteilnehmer vollständig informiert sind. Einlagensicherungen und implizite Sicherungseinrichtungen wie die „toobig-to-fail“-Doktrin können jedoch in Verbindung mit Informationsasymmetrien den Marktmechanismus beeinträchtigen, adverse Anreize erzeugen und zu moral hazard-Problemen führen.104
Einlagensicherungen, deren Prämien nicht oder nur in wenig differenzierter Weise risikoabhängig sind, bieten Banken Anreize, das Risiko ihres Portfolios zu erhö
100Vgl. Goodhart (1998a), S. 96. ,ül Vgl. Crockett (1997a), S. 21, Meister (1998b), S. B2 102Vgl. Greenspan (1998a), S. 17. l03Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 119. ,ü4Siehe zur Unterscheidung von expliziten und impliziten Sicherungseinrichtungen z.B. Baltensper ger (1996), S. 294-297.
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hen. Einleger, die durch eine Einlagensicherung geschützt sind, haben keine Ver anlassung mehr, die Banken, denen sie ihre Einlagen anvertrauen, zu kontrollieren und eine risikoadäquate Verzinsung zu fordern. Die Banken wiederum haben dann den Anreiz, in ein riskanteres Portfolio zu investieren, da mögliche Verluste zumindest teilweise von der Einlagensicherung getragen werden, mögliche höhere Erträge jedoch allein der Bank zustehen.105
Ähnliche Anreize bieten implizite Garantien, wie sie im Zusammenhang mit der „too-big-to-fail“-Hypothese bestehen. Finanzinstitutionen, die eine zentrale Be deutung innerhalb des Finanzsystems haben, könnten im Fall eines Zusammen bruchs eine systemweite Krise hervorrufen. Hier ist anzunehmen (auch wenn dies aus gutem Grund kein Bankenaufseher generell bestätigen wird106), daß im Kri senfall öffentliche Einrichtungen - wie z.B. die Zentralbank in ihrer Funktion als Lender of Last Resort - eingreifen werden, um Ansteckungs- und Dominoeffekte zu verhindern.107 Die „too-big-to-fail“-Problematik hat in jüngerer Zeit durch die Vielzahl sogenannter „mega mergers“ an Relevanz gewonnen, da die Zahl der Institute, die als „too big to fail“ einzustufen sind, gestiegen ist.108 Diese „too-bigto-fail-Banken“ haben ebenso wie bei expliziten Sicherungseinrichtungen den Anreiz, risikoreichere Projekte einzugehen, da eventuelle Verluste nicht von der Bank allein getragen werden müssen. Der Anreiz dürfte aber schwächer sein als bei expliziten Sicherungsinstitutionen, da nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß es bei einem drohenden Zusammenbruch zu einem „bail-out“ durch andere private oder öffentliche Institutionen kommen wird.109
105Vgl. ausführlich Hanekopf (1998), insbesondere S. 65-69, mit einer Vielzahl weiterer Quellen zum Zusammenhang von Einlagensicherungen und Risikoverhalten der Banken. Siehe auch Bonn (1998), S. 386-398. IO6In diesem Zusammenhang spricht man auch von „constructive ambiguity“: Auch wenn öffentliche Institutionen im Krisenfall eingreifen würden, werden sie ex ante ihre Bereitschaft dazu nicht si gnalisieren, um moral hazard-Probleme zu vermeiden. Vgl. Crockett (1997b), S. 25. ,07Vgl. z.B. Baltensperger (1996), S. 296-297, Crockett (1997a), S. 7-8. Vgl. zur „too-big-to-fail“Politik in den USA Reiner (1993), S. 82-83 u. S. 93-95. 108Vgl. Meister (1998b), S. B2, OECD (1997), S. 84. 109Vgl. Crockett (1997b), S. 25. - Über diese Anreizwirkungen hinaus führt die „too-big-to-fail“Doktrin zu Wettbewerbverzerrungen zwischen großen Instituten und kleinere Banken, da bei letzte ren der Einleger davon ausgeht, daß der Staat einen möglichen Zusammenbruch nicht verhindern wird. Vgl. Baltensperger (1996), S. 297, Crockett (1997b), S. 24. - Reiner (1993), S. 94, verweist darauf, daß große Banken schon einen natürlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Ban ken haben.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
Die angesprochenen moral hazard-Probleme verursachen einen Effizienzverlust in der Finanzintermediation, insbesondere wird die Risikotransformation durch ver zerrte Prämien für die Risikoübemahme beeinträchtigt.110 Eine marktorientierte Bankenregulierung muß durch geeignete Anreizstrukturen versuchen, diese Marktstörungen zu beseitigen.111 Das fundamentale Ziel beim Design regulatori scher Anreizmechanismen muß daher sein, „to act much as the market would if there were no safety net and all market participants were fully informed“112. Da der Staat bzw. die staatliche Bankenaufsicht durch implizite oder explizite Sicherungseinrichtungen die Rolle eines Kreditgebers gegenüber den Banken einnimmt, können als Orientierungspunkt für die effiziente und effektive Ausge staltung von Regulierungsansätzen die Instrumente und Regeln dienen, die in frei ausgehandelten privaten Verträgen zwischen Kreditgeber und -nehmer unter ver gleichbaren Bedingungen am Markt verwendet werden, um Anreizprobleme zu mildem.113
Ein geeignetes Instrument sind risikobasierte Kapitalanforderungen, die die Ban ken durch die Unterlegung von Risiken mit Kapital davor zurückhalten sollen, übermäßige Risiken cinzugehen.114 Als problematisch für die effektive Ausge
staltung der Bankenregulierung in Form von Kapitalanforderungen erweist sich jedoch der Informationsvorsprung der Banken hinsichtlich des tatsächlichen Risi kogehalts ihrer Portfolios.115 Die Asymmetrie der Informationsverteilung zwischen Banken und Bankenaufsicht wird durch die Weiterentwicklung des bankintemen Risikomanagements ver stärkt. In den letzten Jahren haben vor allem große, international tätige Banken die Entwicklung von Methoden und Instrumenten zur Erfassung und Steuerung von Risiken weit vorangetrieben. Die komplexen, auf neueren finanzierungstheo retischen Erkenntnissen beruhenden internen Risikomodelle der Banken bilden die Risiken genauer ab als die wenig differenzierten Vorgaben der Bankenaufsicht zur Kapitalunterlegung.116 Die unterschiedliche Entwicklung von bankinterner
,,0Vgl. Crockett (1997b), S. 24. 111 Vgl. Kupiec/O’Brien (1998), S. 202. ,12Greenspan (1998a), S. 18. ,,3Vgl. Miller (1995), S. 487. 1,4Vgl. Dewatripont/Tirole (1995), S. 28. Siehe auch hierzu ausführlich Kapitel 3. 1,5Vgl. Parkinson (1998), S. 155. ,l6Vgl. Parkinson (1998), S. 155.
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und bankaufsichtlicher Risikomessung eröffnet den Banken Möglichkeiten zur Regulierungsarbitrage.117 Tendenziell werden sie die Risiken, die aufgrund der zu wenig differenzierenden Kapitalanforderungen von der Bankenaufsicht zu hoch eingestuft werden, aus dem Portfolio nehmen und durch zu niedrig eingeschätzte Risiken ersetzen. Regulierungsarbitrage in dieser Form kann ökonomisch sinnvoll sein, da die be stehenden Kapitalanforderungen auf der Grundlage von vier Risikogruppen die mit den einzelnen Instrumenten und Produkten verbundenen Risiken nur ungenau reflektieren, und daher eine auf dieser Regelung basierende Ressourcenallokation nicht effizient ist.118 Die Umgehung ineffizienter Regelungen kann dann zu wirt
schaftlich effizienten Lösungen führen, wobei jedoch berücksichtigt werden muß, daß mit den Arbitragevorgängen ökonomische Kosten verbunden sind.119 Eine starke Zunahme von Arbitrageaktivitäten der Banken signalisiert der Bankenauf sicht jedoch, daß die betreffenden Regelungen nicht mehr effizient sind. So bietet die bestehende Regulierung den Banken nur schwache Anreize, sich im Sinne der bankaufsichtlichen Ziele zu verhalten.120 Ein „one-size-fits-all“-Ansatz wie der Baseler Akkord von 1988 kann zu verstärkter Risikoübernahme führen, im Ex tremfall sogar zu einer Beschränkung auf Geschäfte, deren tatsächliche Risiken eine Kapitalunterlegung erfordern würden, die über den regulatorischen Anforde rungen liegen.121
Bankenaufsicht und Banken selbst sind dann gefordert, Regulierungsansätze zu entwickeln, die eine direkte effiziente Kapitalallokation ermöglichen, ohne daß Ressourcen lediglich für das Auffinden und Ausnutzen von Arbitragemöglichkei ten verwendet werden, die aus ineffizienten und nicht anreizkompatiblen Rege lungen resultieren.122 Es erscheint daher sinnvoll, daß die Bankenaufsicht sich das
Know-how und die Instrumente, über die die Banken verfügen, zunutze macht und für bankaufsichtliche Zwecke zuläßt.123 Der adäquate Einsatz anreizwirksa
,,7Vgl. Greenspan (1998b), S. 165. Siche ausführlicher zu Möglichkeiten der Regulierungsarbitrage Basie Committee on Banking Supervision (April 1999a), S. 21-26. "*Vgl. Greenspan (1998a), S. 17. ll9Vgl. Greenspan (1998a), S. 17. l2üVgl. Parkinson (1998), S. 156. 121 Vgl. Meyer (1998a), S. 3. Eine andere mögliche Reaktion wäre der Rückzug aus der Kreditvergabe an andere Schuldner als die OECD-Staaten, deren Staatsanleihen mit 0% gewichtet werden. l22Vgl. Hendricks/Hirtle (1997), S. 13, Meyer (1998a), S. 4. l23Vgl. Goodhart (1998a), S. 95-96, Greenspan (1998a), S. 18, Crockett (1997a), S. 19-20.
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mer Regulierungsinstrumente führt dazu, daß es für die Banken vorteilhaft ist, ihren Informationsvorsprung abzubauen, indem sie der Bankenaufsicht bisher private Informationen über den Risikogehalt ihres Portfolios zugänglich ma chen.124
Die bestehende Kreditrisikoregulierung ruft zum einen also Anreizprobleme her vor, die aus der zu undifferenzierten Einteilung von Risikoklassen resultieren. Darüber hinaus ergeben sich aus nicht zieladäquat gestalteten Regulierungsin strumenten Agency-Probleme, die denen der „klassischen“ Principal/Agent-Konstellationen wie Eigentümer/Manager und Kreditgeber/Kreditnehmer ähnlich sind.125 Das Grundproblem der Principal/Agent-Theorie besteht darin, daß der Principal dem Agenten gegenüber bestimmte Anweisungen nicht durchsetzen kann, weil z.B die Umsetzung der Vorgaben nicht beobachtet werden kann oder entsprechende Sanktionen nicht möglich sind.126 Zur Lösung dieser Agency-Pro bleme werden im privaten Sektor anreizkompatible Verträge formuliert.127 Die Übertragung der Principal/Agent-Theorie auf das Verhältnis von Bankenaufsicht und Banken ist nicht unproblematisch, da z.B. die Kapitalaustattung der Banken beobachtet werden kann und bei Nichteinhaltung bestimmter Regeln Sanktionen seitens der Aufsicht erfolgen können. Diese Sachverhalte sprechen dafür, daß in diesem Zusammenhang Anreizprobleme keine bedeutende Rolle spielen sollten.
Diese Einschätzung ändert sich jedoch, wenn man die verwendeten Regulie rungsinstrumente näher beleuchtet. Das Ziel der Bankenregulierung ist die Siche rung der finanziellen Stabilität, hinter der der Gedanke einer ausreichend geringen Insolvenzwahrscheinlichkeit128 der Banken steht. Die Bankenaufsicht delegiert die Einhaltung dieses Ziels zu weiten Teilen an die Banken. Werden nun nicht an reizkompatible Instrumente - wie die Kapitalanforderungen auf Basis des Baseler Akkord von 1988 - eingesetzt, entstehen Freiräume, die die Banken durch Regu lierungsarbitrage mittels Securitization, Derivaten oder anderer Finanzinno vationen ausnutzen können. Diese Freiräume entstehen, da die bestehende Regu lierung nicht direkt auf das eigentliche Ziel ausgerichtet ist, eine ausreichend ge ringe Insolvenzwahrscheinlichkeit zu gewährleisten, sondern durch die geforderte
,24Vgl. 125Vgl. 126Vgl. 127Vgl. l28Vgl.
Parkinson (1998), S. 156. zur Principal/Agent-Theoric z.B. Grossmann/Hart (1983) oder Sprcmann (1987). z.B. Laux (1996), S. 14. Daripa/Varotto (1998), S. 139. z.B. Artopocus (1994), S. 15, Burghof/Rudolph (1996), S. 112.
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Kapitalunterlegung der risikobehafteten Aktiva nur eine Art „Zwischenziel“ for muliert. Zwischen der Einhaltung dieses Zwischenziels und einer bestimmten Insolvenzwahrscheinlichkeit besteht jedoch kein eindeutiger Zusammenhang,129 so daß die bestehende Regulierung den Banken auch nur unvollkommen den Anreiz bietet, sich an einer von der Bankenaufsicht bisher nicht explizit vorgege benen Insolvenzwahrscheinlichkeit zu orientieren.130 Die Bankenaufsicht kann daher allein durch die Überprüfung der bestehenden Kapitalanforderungen nicht beobachten, ob sich die Banken zielgemäß verhalten.131 Nicht zieladäquat gestal tete Instrumente schaffen folglich Anreizprobleme.
Die anreizwirksame Gestaltung von Normen und Aufsichtsprozessen verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll sie den Banken den Anreiz geben, ihre Risiken vor sichtig und sorgfältig zu bestimmen und zu kontrollieren; wenn nötig, sollte durch geeignete Anreize sogar der Anstoß für ökonomisch sinnvolle Weiterent wicklungen geben werden, wenn der private Sektor - z.B. aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft - Lösungen, die gesamtwirtschaftlich vorteilhaft wären, nicht hervorbringt132. Zum anderen sollen moral hazard-Probleme vermieden werden, die vor allem aus der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Banken und Bankenaufsicht resultieren. „Put differently, we need to design stra tegies that encourage banks, in their own self-interest, to work with us, not against
2.23.3 Verbindung von qualitativer Aufsicht und quantitativer Regulierung Die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Banken, die Nutzung von Marktin strumenten und marktähnlichen Anreizstrukturen und die damit verbundene not wendige Flexibilität der Bankenaufsicht verlangt eine adäquate Verbindung von qualitativen und quantitativen Normen. Die Festlegung quantitativer Normen durch die Bankenaufsicht birgt grundsätzlich die Gefahr, daß sich diese Normen aufgrund der dynamischen und sich teilweise sprunghaft verändernden Rahmen,29Vgl. Mingo (1998a), S. 65. ,30Vgl. Mingo (1998a), S. 63, Greenspan (1998b), S. 164-165. ,3,Vgl. Mingo (1998a), S. 65-66, Mingo (1998b), S. 51, Sheldon (1995), S. 777-779. ,32Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 119, der vom „regulator as market creator“ spricht. Hierzu gehört auch die Veröffentlichung von „best practices“ durch Aufsichtsbehörden oder andere Institutionen wie den Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht, wodurch mögliche Koordinierungsproblcme zwi schen Wettbewerbern abgeschwächt werden können. Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. 127. '-’’Meyer (1998b), S. 4.
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und Geschäftsbedingungen als nicht mehr zielführend erweisen.134 Die bestehen den Mindestkapitalanforderungen für Kreditrisiken sind ein Beispiel für quanti tative Normen, die zum Zeitpunkt ihrer Einführung zwar dem Stand der Ent wicklung entsprachen, sich aber trotz laufender Anpassungen als zunehmend inef fizient erweisen.135 Ein ähnliches „Schicksal“ könnten in der Zukunft selbst die quantitativen Anforderungen für interne Risikomodelle erleiden, wie sie z.B. für die Zulassung bankeigener Risikomodelle zur Ermittlung der aufsichtlichen Kapi talanforderungen für Marktrisiken festgelegt wurden.136 Generell erwachsen der artige Probleme aus der Festlegung quantitativer Normen, die für alle Banken Gültigkeit besitzen (,,one-size-fits-all“-Regeln), da die individuellen Gegeben heiten und Charakteristika der einzelnen Institute die jeweiligen Verhaltensweisen sehr stark beeinflussen. Einzelne Normen können dann sehr unterschiedliche, auch von der eigentlichen Zielsetzung abweichende Auswirkungen auf das Bank verhalten haben.137
Quantitative Normen sollten dennoch integraler Bestandteil einer marktorientier ten Bankenregulierung sein. Zum einen können auf ihrer Grundlage Informationen ermittelt werden, die insbesondere als Vergleichsmaßstab bei der Beurteilung von Banken dienen können.138 Der Einsatz quantitativer Normen schränkt auch - vor allem in Verbindung mit regelgebundenen Eingriffen139 - den Spielraum der Ban kenaufseher beim Ergreifen bestimmter Maßnahmen ein.140 Dies kann dazu bei
134Vgl. z.B. Estrella (1998), der sich mit den grundsätzlichen Schwachpunkten quantitativer bankaufsichtlichcr Normen auscinandersetzt. ,35Vgl. z.B. McDonough (1998), S. 4-5, Greenspan (1998a), S. 16. 136Vgl. Mingo (1998b), S. 54. Die quantitativen Anforderungen für Marktrisikomodelle legen u.a. ein Konfidenzniveau von 99%, eine angenommene Mindesthaltedauer von 10 Tagen und einen Beob achtungszeitraum für historische Marktdaten von mindestens 250 Handelstagen fest. Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 73. 137Vgl. hierzu McDonough (1998), S. 5. 138Vgl. Estrella (1998), s" 195.
,39Konkretes Beispiel für die Bindung der Bankenaufsicht an quantitative Normen ist der US-ameri kanische Federal Deposit Insurance Corporation Improvement Act (FDICIA) von 1991, der in Ab hängigkeit von der jeweiligen Kapitalausstattung der Banken bestimmte, obligatorische Maßnah men („PCA“: prompt corrective actions) der Bankenaufsicht festlegt. „The overriding objective of FDICIA was to preclude supervisory forbearence.“ Jones/King (1995), S. 492. Siehe zur Diskus sion regelgcbundener Eingriffe auch Bonn (1998), S. 398-406, sowie Aggarwal/Jacques (1997) und (1998), die vor allem auf den Zusammenhang zwischen „PCA“ und Bankverhalten eingehen. ,4(,Artopoeus (1995), S. 533, sieht beim Übergang zu einer stärker qualitativ ausgerichteten Banken aufsicht „die Gefahr, daß in die Aufsicht mehr subjektive Elemente einfließen und die Aufseher
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tragen, moral hazard-Risiken und Zeitinkonsistenzen auf Seiten der Banken aufsicht einzuschränken, die durch Druck von Politikern und Interessenverbänden sowie individuellen Opportunismus der Bankenaufseher hervorgerufen werden können.141 Wichtiger noch dürften für die Beibehaltung quantitativer Normen in Form von Kapitalanforderungen die unterschiedlichen Zielsetzungen von Ban kenaufsicht und Banken sprechen. Während das Ziel der Bankenaufsicht die Si cherung und Stabilisierung des Finanzsystems ist - festgemacht an einer ausrei chend geringen Insolvenzwahrscheinlichkeit der Banken -, findet die Konkurs vermeidung nur als Nebenbedingung Eingang in das wirtschaftliche Zielsystem der Bankleitung.142 Die Überprüfung der Qualität des Risikomanagements und der
internen Kontrollen der Banken allein ist daher nicht ausreichend, um sicherzu stellen, daß das Finanzsystem insgesamt über eine den gesamtwirtschaftlich rele vanten Risiken entsprechende Kapitalausstattung verfügt.143 Die Orientierung an Marktinstrumenten und marktähnlichen Anreizstrukturen und die notwendige Flexibilität der Bankenaufsicht angesichts der steigenden Komple xität und Dynamik des Bankgeschäftes erfordern jedoch eine stärkere Betonung von qualitativen Elementen. Der marktorientierte Ansatz der Bankenaufsicht muß so angelegt sein, daß Veränderungen im Bankenwesen erfaßt werden können, ohne daß Aufsichtsprozesse und Regulierungsnormen in kurzen Zeiträumen einer Vielzahl von Erweiterungen oder gar grundlegenden Änderungen unterzogen werden müssen. Darüber hinaus muß eine marktorientierte Bankenaufsicht genü gend Freiraum und Flexibilität für die Innovationstätigkeit der Banken zulassen.
Gegenstand der qualitativen Ausrichtung der Bankenaufsicht sind - neben den schon bestehenden qualitativen Elementen wie z.B. der Bewertung der Ge
gegenübcr den einzelnen Instituten weniger einheitlich und gleichmäßig agieren, als das heute der Fall ist“. ,4,Vgl. Bonn (1998), S. 314-316, der in „regulatory forbearance'1 eine der wesentlichen Ursachen von Bankenkrisen in den USA und Japan sieht. - Siehe auch Estrella (1998), S. 196, der darauf hinweist, daß auch informelle Einschränkungen und Konventionen bei der Behandlung von moral hazard-Problcmen und Zeitinkonsistenzen hilfreich sein können. 142Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 112. l4’1Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 117. - Meister (1998a), S. 5, spricht sich angesichts der eher zunehmenden systemischen Risiken auch u.a. für Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften aus. 144Vgl. Hanekopf (1998), S. 44-45, der hinsichtlich der Flexibilität der Regulierung und Innovations tätigkeit der Banken einen funktionalen Ansatz einem institutionellen Ansatz vorzieht. Siche zur Diskussion von institutionellen und funktionalen Ansätzen auch Merton (1995).
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schäftsleiterqualifikation - insbesondere erweiterte Publizitätspflichten und die Organisation des Risikomanagements.145 Vor allem im Zusammenhang mit der
schnell zunehmenden Verbreitung derivativer Instrumente haben die Aufsichts behörden im Laufe der letzten Jahre eine Vielzahl von Aktivitäten ergriffen, die auf den adäquaten Ausbau der bankintemen Risikosteuerungs- und Kontrollme chanismen sowie die Verbesserung der Banktransparenz abzielen.146
Ein zielgerichteter Einsatz qualitativer Normen muß über die bloße Formulierung von Leitbegriffen, an denen sich die Banken orientieren sollen, hinausgehen. An dernfalls würde dies zu willkürlichen Interpretationen sowohl seitens der Aufsicht als auch der Banken einladen.147 Vielmehr muß ein „policy mix" aus qualitativen und quantitativen Normen gebildet werden, der bestmöglich dem Grundprinzip der marktorientierten Bankenaufsicht entspricht: Stärkung der Eigenverantwort lichkeit der Banken und der Marktdisziplin durch den Einsatz von Marktinstru menten und marktähnlichen Anreizstrukturen. Um diesem Grundprinzip zu entsprechen, müssen die Interdependenzen zwischen qualitativen Nonnen, die in erster Linie auf Ziel- und Organisationsrisiken ab zielen, und quantitativen Normen, die die quantifizierbaren Geschäftsrisiken er fassen, berücksichtigt werden. Quantitative Normen wie Kapitalanforderungen können nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn durch qualitative Normen sichergestellt wird, daß eine entsprechende Risikokultur in den Banken entwickelt wird, die sich in einer der jeweiligen Geschäftstätigkeit adäquaten Ausgestaltung der Risikomanagement- und Kontrollsysteme manifestiert. In einem solchen Um
,45Burghof/Rudolph (1996), S. 112-119, setzen sich ausführlich mit einer verstärkt qualitativen Aus richtung der Bankenaufsicht auseinander, die über die schon bestehenden qualitativen Elemente der Aufsicht hinausgeht. Siehe zu den bestehenden qualitativen Aufsichtsnormen der deutschen Bankenaufsicht Artopocus (1996), S. 17-18. Bonn (1998), S. 415ff., faßt den Begriff „qualitativer Aufsicht“ zwar enger und versteht darunter vor allem die Kontrolle des internen Risikomanage ments, er betont daneben aber auch die Bedeutung erweiterter Publizitätspflichten. 146Vgl. Artopocus (1995), S. 533, Meistcr/Oechler (1996), S. 130. Die geänderte „Regulierungsphilo sophie“ dokumentiert sich international neben einer Vielzahl weiterer Verlautbarungen vor allem in den allgemeinen „Core Principles for Effective Banking Supervision“ (September 1997) und den spezielleren Verlautbarungen „Framework for Internal Control Systems in Banking Organisa tions“ und „Enhancing Bank Transparency“ (beide September 1998) des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Konkretes Beispiel für die deutsche Bankenaufsicht ist insbesondere die „ Ver lautbarung über Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinsti tute“, die ebenfalls auf Vorschlägen des Baseler Ausschusses beruht; vgl. BAKred (1995). l47Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 113-114. Insofern ist eine Beschränkung auf „wenige, eher glo bale und flexible Standards“ wie sie Bonn (1998), S. 417, vorschlägt, mit Vorsicht zu genießen.
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feld können dann quantitative Nonnen so eingesetzt werden, daß sie mittels ge eigneter Anreize indirekt über die Rückwirkungen auf die Ziel- und Organisati onsrisiken auf das Bankverhalten einwirken.148 Diese Überlegungen haben bisher kaum Eingang in die konkrete Umsetzung ban kaufsichtlicher Regelungen gefunden. Ausnahme ist hier der „Plus-Faktor“ bzw. Erhöhungsfaktor des Inteme-Modelle-Ansatzes für Marktpreisrisiken. In Abhän gigkeit von methodischen und organisatorischen Aspekten sowie der Güte des verwendeten Risikomeßmodells, die durch das Backtesting-Verfahren überprüft wird, kann die Aufsichtsbehörde den Faktor, mit dem der Value-at-Risk zur Er mittlung der Kapitalanforderungen multipliziert werden muß, insgesamt um bis zu zwei erhöhen.149 Der Erhöhungsfaktor setzt also ökonomische Anreize, beste hende methodische und organisatorische Schwachpunkte im Risikomanagement zu verbessern.150
Im Zuge der stärker qualitativen Ausgestaltung der Bankenregulierung zeichnet sich auch eine anreizkompatible Trennung von bankaufsichtlichen Vorgaben für die Risikomessung und für die Kapitalunterlegung der Risiken ab.151 Während die
Bankenaufsicht bei dem Interne-Modelle-Ansatz zur Messung der Risiken auf die am Markt entwickelten Instrumente zurückgreift, bleibt die Bestimmung der Ka pitalanforderungen - auf Grundlage dieser Modelle - Aufgabe der Aufsichts behörden.152 Weiterführende Ansätze wie der „Pre-Commitment-Ansatz“ gehen darüber hinaus und überlassen auch die Bestimmung der Kapitalanforderungen den Banken. Die Bankenaufsicht greift nach diesem Vorschlag nur dann ein, wenn die Verluste der Bank die selbstbestimmte Kapitalunterlegung übersteigen.153 Der
größere Freiraum, den diese Ansätze bei der Wahl der Instrumente zur Risikomes-
,4gVgI. zu Interdependenzen qualitativer und quantitativer Normen Burghof/Rudolph (1996), S. 53. ,49Vgl. Deutsche Bundesbank (Oktober 1998), S. 74-75. Der Multiplikator beträgt mindestens drei, bei noch akzeptablen methodischen und organisatorischen Schwächen kann er bis auf vier erhöht werden, hinzu kommt in Abhängigkeit vom Backtesting-Ergebnis ein weiterer Erhöhungsfaktor von bis zu eins. 150Vgl. Parkinson (1998), S. 156. 151 Vgl. Crockett (1997a), S. 20. ,52Burghof7Rudolph (1996), S. 117-118, sprechen von einer Trennung der Risikomessung in techni sche und wertende Bestandteile. Die technischen Vorgänge (z.B. Wahl der Methode) werden weit gehend den Banken selbst überlassen, wertende Bestandteile (z.B. das Konfidenzniveau) jedoch von der Bankenaufsicht vorgegeben. ,53Vgl. Crockett (1997a), S. 20.
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sung lassen, verstärkt die Anreize für Banken, ein effizientes und effektives Risi komanagement aufzubauen.154 Die steigende Komplexität und Dynamik des Bankengeschäfts und die in diesem Zusammenhang geforderte Flexibilität der Regulierung spricht zudem für eine weitergehende Differenzierung der regulatorischen Anforderungen an unter schiedliche Gruppen von Finanzinstituten.155 „One-size-fits-all“-Ansätze wie die
bestehenden Kapitalanforderungen für Kreditrisiken, bei denen alle Banken un abhängig von Spezifika hinsichtlich Geschäftsstruktur und Risikoprofil gleich behandelt werden, erweisen sich zunehmend als Quelle von Ineffizienzen und adversen Anreizen, die mit realen ökonomischen Kosten verbunden sind.156 Eine zielgerichtete Kombination qualitativer und quantitativer Normen hingegen führt dazu, daß bei der Risikomessung eine differenziertere, besser auf die individuelle Risikosituation einzelner Banken zugeschnittene Vorgehensweise der Bankenauf sicht möglich wird.157
2.2.3. 4 Berücksichtigung der Regulierungskosten im marktorientierten Ansatz der Bankenaufsicht
Zwischen den Kosten der Finanzintermediation und dem von der Bankenaufsicht angestrebten Sicherheitsniveau besteht ein direkter Zusammenhang, den eine marktorientierte Bankenaufsicht bei der Auswahl und Ausgestaltung ihrer In strumente berücksichtigen muß. Der Baseler Ausscuuß für Bankenaufsicht bringt dies in seinen „ Core Principles for Effective Banking Supervision “ deut lich zum Ausdruck: „Banking supervision should foster an efficient and competitive ban king system that is responsive to the public’s need for good quality financial services at a reasonable cost. Generally, it should be reco gnised that there is a trade-off between the level of protection that supervision provides and the cost of financial intermediation. The 154 Vgl. Martin (1997), S. 23. - Der Intcrne-Modelle-Ansatz wird ausführlich in Kap. 6 besprochen. 155Vgl. Artopoeus (1996), S. 16-17. ,56Vgl. Miller (1995), S. 488. ,57Vgl. Artopoeus (1994), S. 1088, und Artopoeus (1995), S. 533, der auch betont, daß die verstärkte Hinwendung zu qualitativen Normen für Deutschland zumindest eine „Akzentverschiebung“ be deutet, da die direkte Aufsichtstätigkcit vor Ort erweitert werden muß, wobei mit der Prüfung von Risikomodellen auch neue fachliche Anforderungen an die Bankenaufsicht gestellt werden. Vgl. auch Deutsche Bundesbank (Oktober 1998), S. 75.
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lower the tolerance of risk to banks and the financial system, the more intrusive and costly supervision is likely to be, eventually ha ving an adverse effect on innovation and resource allocation.“158
Ein optimales Regulierungssystem müßte so angelegt sein, daß die marginalen sozialen Kosten der Regulierung genau dem marginalen sozialen Nutzen aus er höhter Sicherheit und Stabilität entsprechen.159 Bezogen auf bankaufsichtliche Kapitalanforderungen müßte folglich ein die soziale Wohlfahrt maximierender Regulierer die gesamtwirtschaftlichen Kosten eines Bankenzusammenbruchs, der aufgrund einer zu geringen Kapitalausstattung entsteht, den Kosten gegenüber stellen, die aus höheren Kapitalanforderungen resultieren.160 Ein solches ideales System ist jedoch als Bezugspunkt für die konkrete Ausgestaltung der Banken aufsicht ungeeignet, da die sozialen Kosten und der den Kosten gegenüberste hende soziale Nutzen nicht genau abgeschätzt werden können bzw. die Ermittlung und die jeweilige Anpassung der Anforderungen an geänderte Situationen prohibitiv teuer wäre.161 Im Folgenden wird daher ein eher praktikabler Ansatz vorgeschlagen, der zumin dest als Orientierungshilfe bei der Bewertung bankaufsichtlicher Regelungen die nen kann. Ausgangspunkt ist zunächst die Einteilung der Regulierungskosten in direkte - dies sind vor allem die operativen Kosten der Regulierungsbehörde und indirekte Kosten.162 Die indirekten Kosten umfassen zum einen „Com-
pliance“-Kosten, die die regulierten Unternehmungen z.B. in Erfüllung der auf sichtlichen Anforderungen an Personal und Informations- und Kontrollsysteme aufbringen müssen, zum anderen müssen auch die Opportunitätskosten berück sichtigt werden, die durch bankaufsichtliche Beeinflussung der Geschäftstätigkeit der Banken hervorgerufen werden, sowie die damit zusammenhängende mögliche Mißallokation163 von Ressourcen.164
,58Basle Committee on Banking Supervision (1997), S. 9. ,59Vgl. Goodhart (1998b), S. 218-219, Caprio/Summers (1996), S. 401. ,60Vgl. grundlegend zu optimalen Kapitalanforderungen Santomero/Watson (1977), hier S. 12671268. Siehe auch Vogel (1990), S. 148-157, Sheldon (1995), S. 787-791, und Rudolph (1994), S. 127-128. 161 Vgl. Berger/Herring/Szegö (1995), S. 407, Vogel (1990), S. 162. ,62Elliehausen (1998) unterscheidet in Opportunitätskosten und operative Kosten, wobei beide Ko stenarten jedoch nur aus Sicht der Banken betrachtet werden. ,63Mingo (1998a), S. 63-64, spricht vom „Preis“ für das Erreichen gesellschaftlicher Ziele: „To some extent, if banks are required to be ‘paragons of safety’, such resource misallocations may be a ne cessary price of achieving the social objectives of prudential regulation.“
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In Kapitel 2.2.3.3 wurde eine zielgerichtete Kombination aus qualitativen und quantitativen Normen gefordert. Als Anhaltspunkt für einen ökonomisch sinn vollen „policy mix“ können die unterschiedlichen Auswirkungen qualitativer und quantitativer Regelungen auf die Regulierungskosten - aufgespalten in direkte und indirekte Kosten - herangezogen werden. Bezogen auf die direkten Kosten der Regulierung kommt man zu einem klaren Urteil: Eine stärkere Verlagerung hin zu qualitativen Normen ist mit höheren direkten Kosten verbunden als die bisherige Regulierung. Nimmt man einen „si/pervzsozy4-Ansatz165 als Referenz punkt, der in einer extremen Ausprägung vollständig auf Kapitalanforderungen verzichtet und durch sehr weitreichende Kontrollen der Risikomanagement-Sy steme ersetzt, kann man sich der Einschätzung FAIRLAMBS anschließen, daß „asking regulators to investigate and monitor the internal controls of individual banks in detail - a complex and time-consuming task - would be incredibly ex pensive“166. Aber auch eine Kombination quantitativer und qualitativer Normen Beispiel ist der Interne-Modelle-Ansatz - bringt eine deutliche Erhöhung der direkten Regulierungskosten mit sich. Die Prüfung und Zulassung interner Mo delle durch die Bankenaufsicht erfordert umfangreiche Ausbildungsmaßnahmen, die zusätzliche Einstellung von Spezialisten sowie die Ausweitung der kostenin tensiveren Vorortprüfungen.167
Von größerer Bedeutung sind aber die Auswirkungen auf die indirekten Regulie rungskosten. Empirische Vergleiche zeigen, daß die indirekten Kosten ein Viel faches der direkten Kosten der Bankenregulierung betragen.168 Die Zulassung
164Vgl. Goodhart (1998b), S. 218, Franks/Schaefcr/Staunton (1998), S. 1550-1551. Letztere weisen auf die Probleme bei der Messung von „Compliance“-Kosten hin, die darauf zurückzuführen sind, daß Banken auch ohne regulatorische Anforderungen Kontrollsysteme einrichten oder eine be stimmte Kapitalausstattung vorhalten würden, so daß nicht die gesamten damit in Verbindung ste henden Kosten für die vorliegende Fragestellung relevant sind. Siche auch Elliehausen (1998), S. 3-4, der zwischen Gesamt- und Grenzkosten der Regulierung unterscheidet; an gleicher Stelle wird ein Überblick über verschiedene Methoden der Messung von Regulierungskosten gegeben. 165Vgl. zum „supervisory“-Ansatz Estrella (1998), S. 197, und Estrella (1995), insb. S. 9-10. - Der Vorschlag der Group of Thirty (1997), der auf eine stärkere Selbstregulierung abzielt, entspricht in weiten Teilen dem „supervisory“-Ansatz. 166Fairlamb (1994), S. 26. - Auch Estrella (1998), S. 197, sieht dieses Problem: „One important issue in the supervisory approach is that it places substantial burden both on firms and supervisors“. 167Vgl. Deutsche Bundesbank (Oktober 1998), S. 75, Artopoeus (1994), S. 1088. Bonn (1998), S. 418, weist für Deutschland daraufhin, daß die starren öffentlichen Vergütungssysteme die Aquisition von Spezialisten sehr erschweren dürften. l68Franks/Schacfer/Staunton (1998) zeigen in ihrer Untersuchung für Großbritannien, daß alleine die „Compliance“-Kosten schon ein Vielfaches der direkten Regulierungskosten betragen.
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interner Risikomodelle im Rahmen der stärker qualitativen Ausrichtung der Ban kenaufsicht führt bei adäquater Formulierung und zielgerichtetem Einsatz zu einer Annäherung von bankaufsichtlichen und ökonomischen Kapitalanforderungen, und damit zu einer verbesserten Ressourcenallokation und geringeren indirekten Regulierungskosten. Da die Anreize zur Regulierungsarbitrage gemildert werden, können auch unabhängig von der Kapitalausstattung des Gesamtsystems Effizi enzgewinne realisiert werden.169 Demgegenüber dürften die mit qualitativen Normen verbundenen „Compliance“Kosten über denjenigen von quantitativen Normen liegen. Dies gilt insbesondere für kleinere Banken, für die im Vergleich zu großen Banken z.B. die Einrichtung einer Compliance-Organisation mit relativ höheren Aufwendungen verbunden ist.170 Auch bei den Überlegungen zu einer Neuformulierung der bankaufsichtli chen Kapitalanforderungen für Kreditrisiken müssen die damit verbundenen Ko sten für die Banken berücksichtigt werden. Vor allem darf nicht übersehen wer den, daß die neuesten Entwicklungen der Risikomessung und -Steuerung nur den größten, im Risikomanagement am weitesten fortgeschrittenen Instituten zugäng lich sind. Bezogen auf diese Gruppe von Banken wäre eine qualitative Bankenauf sicht, die sich vor allem auf die Kontrolle der Risikomanagementstrukturen kon zentriert, sicherlich mit gesamtwirtschaftlichen Effizienzgewinnen verbunden, zumal durch die Zulassung von internen Modellen zur Bestimmung der bankauf sichtlichen Kapitalanforderungen die Notwendigkeit entfallen würde, neben der Berechnung des ökonomischen Kapitals auch noch eine zweite Berechnung nach den Vorgaben der Bankenaufsicht durchzuführen. Für die weitaus meisten kleine ren Banken wären jedoch die für den Einsatz von Kreditrisikomodellen notwen digen hohen Investitionen in Know-how und Informationstechnik unzumutbar hoch.171
169Wenn auch das Ziel der Banken in geringeren bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen liegen dürfte, ist dies aus Sicht der Bankenaufsicht nicht unbedingt wünschenswert. Tom de Swaan (1998, S. 233), ein früherer Vorsitzender des Baseler Bankenausschusses, machte dies angesichts der Asienkrise deutlich: „A reduction of capital standards would definitely not be the right signal from supervisors to the industry, nor would it be expedient“. Ähnlich auch Meister (1998b), S. B3: „Denn angesichts tendenziell eher gestiegener Risiken darf eine genauere Risikomessung durch die Banken nicht zu einem Absinken der Eigenkapitalausstattung führen.“ ,70Vgl. Ehrler (1997), hier S. 237-238, der die Compliance-Maßnahmen deutscher Universalbanken vor allem in Zusammenhang mit der Einführung des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes und der Mitarbeiterleitsätze des BAKred untersucht. 171 Vgl. hierzu de Swaan (1998), S. 233.
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Ziele einer marktorientierten Bankenaufsicht
Generell könnte es sinnvoll sein, zwischen „Systemrisiko-Banken“ und kleineren Banken zu unterscheiden.172 Während die negativen externen Effekte eines Zu sammenbruchs einer kleinen Bank gesamtwirtschaftlich eher vernachlässigt wer den können, können Probleme bei großen, international tätigen Banken, die in sehr komplexen Geschäftsbereichen aktiv sind, ein Risiko für das gesamte System darstellen, dessen Eintreten mit hohen sozialen Kosten verbunden ist. Für die Suche nach einer effizienten Kombination von Regulierungsinstrumenten kann man hieraus folgern, daß den im Vergleich zu kleineren Banken höheren sozialen Kosten aus Bankzusammenbrüchen von „Systemrisiko-Banken“ auch höhere Regulierungskosten gegenüberstehen können, z.B. in Form häufiger und intensi ver Kontrollen oder sogar strengerer Kapitalanforderungen173. Diese an den mit verschiedenen Regulierungsformen verbundenen Kosten fest gemachten Überlegungen lassen es insbesondere im Zusammenhang mit bankauf sichtlichen Kapitalanforderungen sinnvoll erscheinen, über eine - im Gegensatz zum „one-size-fits-all“-Ansatz - differenzierende Ausgestaltung der Bankenregu lierung nachzudenken.
,72Vgl. Mingo (1998a), S. 63 u. S. 64. Ähnlich äußert sich auch Hoenig (1996), S. 10. ,73Vgl. zu höheren Kapitalanforderungen Berger/Herring/Szcgö (1995), S. 407, Mingo (1998a), S. 64.
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3 Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
3.1
Warum braucht man bankaufsichtliche Kapitalanforde rungen?
Das Ziel der Bankenaufsicht ist die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabili tät des Bankensystems. Das von den Banken gehaltene Kapital hat aus Sicht der Bankenaufsicht in erster Linie die Funktion des Verlustausgleichs im Going Concem-Fall, und - daraus abgeleitet - die Funktion der Risikobegrenzung.1 Implizit
werden aus gesamtwirtschaftlicher Sicht folgende Ziele mit bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen verfolgt: - Reduzierung der Insolvenzwahrscheinlichkeit, - Schutz der Einleger, der Einlagensicherungsinstitutionen, der Kon kurssicherungsfonds und der Steuerzahler, - Vermeidung von Fehlallokationen von Krediten, - Vermeidung von Kettenreaktionen.2
Ebenso werden die Marktteilnehmer von ihren Geschäftspartnern eine bestimmte Kapitalausstattung fordern, um sich vor den Kosten einer finanziellen Krise zu schützen und um Agency-Probleme zwischen Eigenkapitalgebern und Kreditge bern aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung zu mildern? Bankei
gentümer und Bankmanagement werden auch aus Eigeninteresse Eigenkapital halten, einerseits, um die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz zu begrenzen und die daraus resultierenden Kosten sowie den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Reputation zu vermeiden4, andererseits, um unerwartete Investitionsmöglichkeiten
1 Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 130-131. Aus Sicht der Banken hat (Eigen-)Kapital noch weitere Funktionen, die aber für die Bankenaufsicht von untergeordnetet Bedeutung sind. Vgl. hierzu Vo gel (1990), S. 97-101, Büsselmann (1993), S. 57-62, Burghof/Rudolph (1996), S. 127-131. 2 Vgl. U.S. Treasury Department (1991), S. II-l - II-4. Siehe auch Hanekopf (1998), S. 166. 3 Vgl. Berger/Herring/Szegö (1995), S. 403. 4 Es ist anzunehmen, daß die Bankmanager sogar eine höhere Kapitalausstattung als die Eigentümer anstreben, da sie im Vergleich einen weitaus größeren Teil ihres Vermögens, rechnet man das Hu-
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Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
wahmehmen zu können.5 Wenn Banken aber sowohl aus Eigeninteresse als auch aufgrund von Marktanforderungen Eigenkapital halten, muß begründet werden, warum zusätzlich bankaufsichtliche Kapitalanforderungen gestellt werden müs sen.
Bankaufsichtliche Kapitalanforderungen können vor allem aus zwei Gründen von den Marktanforderungen bzw. dem von der Unternehmung selbst gewählten Ka pitalniveau abweichen. Zum einen muß die Bankenaufsicht berücksichtigen, daß durch die Bereitstellung impliziter und expliziter Sicherungseinrichtungen die Marktdisziplin reduziert wird.6 Die Existenz von Sicherungsinstitutionen bewirkt, daß Einleger geringere bzw. keine Risikoprämien verlangen und gegenüber der Kapitalaustattung der Bank indifferent sind.7 Das wirkt sich auf die „Markt-Kapi talanforderungen“ insofern aus, als eine Bank ihr Risikoniveau - die gewählten Kombination der Portfolio-Zusammensetzung und der Kapitalausstattung8 - durch eine geänderte Portfolio-Zusammensetzung erhöhen kann, ohne sich entsprechend höheren Anforderungen des Marktes an die Kapitalausstattung gegenüberzusehen. Wenn sich nun die erhöhte Risikoübemahme der Banken nicht in höheren Prä mien für die Einlagensicherung niederschlägt, die Kreditgeber der Bank aber aufgrund der Sicherungseinrichtung keine entsprechend höhere Kapitalaustattung fordern, ruft dies moral hazard-Risiken hervor,9 da Einlagensicherungen, deren Prämien nicht risikobezogen sind, das Eingehen höherer Risiken sub ventionieren10. Hinzu kommt, daß der Wert einer Einlagensicherung für die Ei genkapitalgeber bei sinkender Selbstbeteiligung steigt, die Eigenkapitalgeber also den Anreiz haben, die Eigenkapitalquote zu senken.11
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mankapita! hinzu, in ihre Bank investieren.. Vgl. Wall/Pcterson (1996), S. 4, mit weiteren Hinweisen. Zum Eigeninteresse des Bankmanagements siehe auch Terberger (1995b), S. 767. Vgl. Hughes/Lang/Moon/Pagano (1997), S. 2, Bcrger/I lerring/Szegö (1995), S. 395-397 u. S. 424, Boot/Greenbaum (1995), S. 267. Die folgenden Überlegungen gelten unabhängig davon, ob es sich bei den expliziten Sicherungscinrichtungen um staatliche Institutionen - wie z.B. in den USA - oder um private Institutionen wie z.B. in Deutschland - handelt. Vgl. Bergcr/Herring/Szcgö (1995), S. 400. Vgl. Mingo (1998a), S. 62. Vgl. Berger/Herring/Szcgö (1995), S. 406, Mingo (1998a), S. 62. Vgl. ausführlicher Bonn (1998), S. 392. - Die deutschen Sicherungseinrichtungen greifen alle auf sog. flache Risikoprämien zurück, die in linearer Abhängigkeit von bestimmten Bilanzgrößen fest gelegt werden. In den USA werden die Prämien der staatlichen Einlagensicherung FDIC zumindest ansatzweise risikoabhängig bestimmt. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 74. Vgl. Dowd (1993), S. 296-299, hier insb. S. 297. Siehe auch Bonn (1998), S. 392.
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Zum anderen können sich Unterschiede zwischen bankaufsichtlichen Kapitalan forderungen und Marktanforderungen ergeben, wenn die Marktteilnehmer im Gegensatz zur Bankenaufsicht nicht die gesamtwirtschaftlichen Kosten mit in ihr Kalkül ziehen, die aus systemischen Krisen entstehen können.12 Bankaufsichtliche Kapitalanforderungen zielen darauf ab, einen Kapitalpuffer zu schaffen, durch den die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz aufgrund plötzlich eintretender, uner warteter Verluste gesenkt wird.13 Die Reduzierung der Insolvenzwahrscheinlich keit setzt daher zwar am einzelnen Institut an, soll jedoch allgemein möglichen Ansteckungsgefahren und den mit Bankzusammenbrüchen verbundenen negativen externen Effekten Vorbeugen.14 Die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Kosten systemischer Krisen, d.h. die Internalisierung der negativen externen Ef fekte einer Bankinsolvenz, kann die Bankenaufsicht veranlassen, ein höheres Sicherheitsniveaus und damit höhere bankaufsichtliche Kapitalstandards zu for dern, als dies allein für die Vermeidung der adversen Anreize einer Einlagensi cherung notwendig wäre.15
Einige der oben aufgezählten impliziten Ziele der präventiven Bankenregulierung könnten theoretisch auch durch eine Einlagensicherung mit individuellen, korrekt risikoangepaßten Prämien erreicht werden. Risikobasierte Versicherungsprämien würden sowohl die mit Bankkrisen und -insolvenzen verbundenen realen Kosten auf ein Niveau senken, das dem anderer, nicht besonders regulierter Sektoren entspricht, als auch die beschriebenen Mißallokationen und moral hazard-Risiken reduzieren. Somit würden sich die Banken so verhalten, als ob es keine Siche rungseinrichtungen gäbe.16 Dies wurde in Kapitel 2.2.3.2 als eines der Hauptziele der marktorientierten Bankenaufsicht herausgearbeitet. Dieser „first-best-Lösung“, bei der auf weitere Kapitalanforderungen verzichtet werden könnte, stehen jedoch praktische und theoretische Bedenken gegenüber.17 Die individuelle Festlegung risikoadäquater Versicherungsprämien setzt voraus, daß die Bankenaufsicht vollständig informiert ist und die Geschäftstätigkeit der Banken kontinuierlich und vollständig überwacht. Sind diese sehr restriktiven
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Vgl. Bergcr/Herring/Szegö (1995), S. 403-404. Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 125-126. Vgl. Wal I/Peterson (1996), S. 1. Vgl. Berger/Herring/Szegö (1995), S. 404. Vgl. zu diesen Ausführungen Mingo (1998a), S. 62. Vgl. zur Diskussion um die praktische Umsetzung von risikobezogenen Prämien Bonn (1998), S. 394-398, und die dort angegebenen Quellen.
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Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
Informationsanforderungen nicht erfüllt, haben Banken nach Festlegung der Ver sicherungsprämie wiederum den Anreiz, das Risiko ihrer Portfolios zu erhöhen. Zur Lösung dieser Probleme werden in der Literatur anreizkompatible Ver tragsmenüs vorgeschlagen, insbesondere in Form einer Kombination von Min destkapitalanforderungen und Einlagensicherung.18 Darüber hinaus spricht insbesondere die Möglichkeit systemischer Risiken dafür, bankaufsichtliche Kapitalanforderungen zu formulieren. Auch wenn sich die Ban ken so verhalten würden, als ob es kein „Sicherungsnetz“ geben würde, können systemische Risiken nicht ausgeschlossen werden. Eine Einlagensicherung kann zwar einen allgemeinen Bankenrun der Einleger verhindern, schützt aber nicht vor der Ansteckung durch andere Kanäle wie Zahlungsverkehrssysteme und Inter bankverflechtungen.19 Insbesondere wenn Unterschiede in der Risikotoleranz des Marktes und der Regulierer bestehen, können bankaufsichtliche Kapitalan forderungen trotz risikoangepaßter Prämien der Einlagensicherung notwendig sein: „That is, even if a very large bank is acting as it would in the absence of the net, the marketplace’s tolerance for bank risk may be unacceptably high to the regulator, who might wish to place further prudential con straints on the large bank because of systemic concerns.“20
3.2
Optimale Kapitalausstattung oder Mindestkapitab anforderungen als Anknüpfungspunkt der Banken regulierung?
Um die Auswirkungen von bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen auf das Bankverhalten zu untersuchen, ist es sinnvoll, sich zunächst mit der Frage aus einanderzusetzen, wie Banken individuell ihr Kapitalniveau festlegen. Dabei wird angenommen, daß das jeweilige Bankmanagement unter Beachtung der herr schenden Marktbedingungen die optimale Kapitalausstattung anstrebt. Unter der
18 Vgl. hierzu Kupiec/O’Bricn (1998), S. 206-209, mit weiteren Hinweisen, sowie Alworth/Bhattacharya (1998), S. 72. Siehe auch Nagarajan/Sealey (1995), die zeigen, daß eine Kom bination aus Einlagensicherung, Mindestkapitalanforderungen und „a sound regulatory forbearance policy“ anreizkompatibel ist. 19 Vgl. Mingo (1998a), S. 62. Siehe zu den bankspezifischen Übertragungskanälen auch Kap. 2.1. 20 Mingo (1998a), S. 62.
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optimalen Kapitalausstattung wird dabei das Kapitalniveau verstanden, das zu einem gegebenem Zeitpunkt und bei gegebener Risikostruktur zu der vom Bank management gewünschten Insolvenzwahrscheinlichkeit führt, dem Anspruch der Bankeigentümer auf eine risikoadäquate Rendite entspricht und der Bank den Zugang zu Finanzierungsquellen ermöglicht.21 Die optimale Kapitalausstattung ist dabei aufgrund von Quantifizierungsproblemen mehr als ein konzeptionelles Ziel anzusehen, das einem verantwortlich handelnden Management als Orientierungs punkt bei der Auswahl und Kontrolle der Geschäftsaktivitäten dient, denn als objektiv bestimmbares Kapitalniveau.22 Zur Ableitung bestimmter Kriterien für die Beurteilung verschiedener Ansätze der Kreditisikoregulierung in den folgenden Kapiteln ist es sinnvoll, die charakte ristischen Eigenschaften sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von bankauf sichtlichen Mindestkapitalanforderungen und optimalem Kapital zu verdeutli chen.23 Die Bestimmung des optimalen Kapitals erfolgt vorrangig für firmenin
terne Zwecke und ist von firmenindividuellen, subjektiven Bewertungen geprägt, und daher für Außenstehende schwierig nachzuvollziehen und zu beurteilen. Be sonders deutlich wird dies, wenn man berücksichtigt, daß Unternehmungen zur Bestimmung ihres optimalen Kapitalniveaus zum einen interne Informationen verwenden, deren Veröffentlichung u.U. ihren Geschäftsinteressen widerspricht, zum anderen möglicherweise die Berechnungsmethode selbst nicht öffentlich gemacht wird. Dem entspricht auch, daß es bei der Bestimmung des optimalen Kapitals keine große Rolle spielt, inwieweit Vergleiche zwischen Unternehmun gen oder im Zeitablauf möglich sind. Vergleiche zwischen verschiedenen Unter nehmungen sind allein aufgrund der subjektiven Bewertungen, die in die Bestim mung des optimalen Kapitals eingehen, nur sehr eingeschränkt sinnvoll. Des wei teren besteht kein stabiler Zusammenhang zwischen optimalem Kapital und den unterliegenden Instrumenten. Der Risikogehalt ein und desselben Portefeuilles ändert sich z.B. in Abhängigkeit von Konjunkturzyklen oder Volatilitäten einzel ner Instrumente, die sich rasch ändern können, was selbst firmeninterne Verglei che im Zeitablauf erschwert. Charakteristisch für optimales Kapital ist zudem, daß es auf das Bankverhalten jederzeit bindend wirkt, da das Bankmanagement die Anpassung an das optimale Kapitalniveau unter Beachtung der Marktbedingungen
21 Vgl. Shepheard-Walwyn/Litterman (1998), S. 3. 22 Vgl. Estrella (1995), S. 5. 23 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Estrella (1995), S. 6-7.
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so schnell wie möglich vornehmen sollte. Insgesamt sollte daher das Konzept „Optimales Kapital“ vor allem für firmeninteme Zwecke verwendet werden, da für Außenstehende - nicht zuletzt auch für die Bankenaufsicht - die Angemessen heit eines bestimmten Niveaus kaum einzuschätzen ist. Die charakteristischen Eigenschaften der optimalen Kapitalausstattung lassen es ratsam erscheinen, Solvabilitätsnormen nicht als Optimalbedingungen zu formu lieren, sondern - wie es auch in der Praxis geschieht - als Untergrenzen bzw. Mindestkapitalanforderungen. Die Kapitalregulierung in Form von bankaufsicht lichen Mindestkapitalanforderungen sollte dabei dem externen Beobachter einen objektiven Rahmen bieten, innerhalb dessen die Beurteilung der aufgrund von teilweise subjektiven und intransparenten Annahmen gewählten individuellen Kapitalausstattung der Banken möglich wird. Die Grundkonzeption von Solvabilitätsnormen besteht aus drei Komponenten:24
- einer bankaufsichtlichen Definition des Kapitals, das die Risikotrag fähigkeit der Bank ausdrücken soll,25 - einer Risikomcßzahl, die möglichst gut die aus einem Risiko dro henden Verluste abbilden soll, sowie - einem vorgegebenen Verhältnis dieser beiden Beträge (wie z.B. der Solvabilitätskoeffizient der bestehenden Kreditrisikoregulierung) bzw. einer Keimzahl - beispielsweise in Form des Value-at-Risk -, die gleichzeitig als Risikomeßzahl und Kapitalanforderung verstan den wird (wie z.B. bei der Verwendung interner Modelle für Markt preisrisiken).
Mindestkapitalanforderungen weisen bestimmte Merkmale auf, die für ihre Ver wendung sowohl aus Sicht einer marktorientierten Bankenaufsicht als auch der Investoren, der Einleger und weitergehend einer breiteren Öffentlichkeit spre
24 Vgl. Burghof/Rudolph (1996), S. 123-124, Estrella (1995), S. 2, Matzke/Seifert (1998), S. 152153. 25 Die Diskussion um die bankaufsichtliche Definition und Messung des Eigenkapitals ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Siehe zu dieser Diskussion Vogel (1990), S. 101-128, Büsselmann (1993), Berger/Hcrring/Szegö (1995), insb. S. 408-414, Barth/Landsman/Wahlen (1995), Rittich (1995), Kap. 5, Burghof/Rudolph (1996), S. 124-140, Bitz (1996), Gaumert (1997), S. 5-47, Matzke/Seifert (1998), Yonctani/Katsuo (1998).
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chen.26 Die Bestimmung von Mindestkapitalanforderungen sollte im Vergleich
zum optimalen Kapital auf objektiven und nachprüfbaren Informationsgrundlagen und Berechnungsmethoden beruhen, die auch durch externe Fachleute mit Zugang zu den relevanten Daten weitestgehend nachvollzogen werden können. Auf dieser Grundlage sind dann auch Vergleiche zwischen verschiedenen Instituten und im Zeitablauf möglich. Die Vergleichsmöglichkeiten werden weiterhin erleichtert, wenn ein stabiler Zusammenhang mit den unterliegenden Instrumenten besteht, was - wie gesehen - nicht für die Bestimmung des optimalen Kapitals gilt. Dar über hinaus werden Informationen über die Erfüllung bankaufsichtlicher Min destkapitalanforderungen - auch im Eigeninteresse der Banken - öffentlich zu gänglich gemacht. Diese Eigenschaften von Mindestkapitalanforderungen sind für eine marktorientierte Bankenaufsicht von großer Bedeutung, da sie zu einer höhe ren Transparenz beitragen, und somit die Disziplinierung durch den Markt verbes sern können.27 Bislang ist für die Gestaltung von Solvabilitätsnormen auch
typisch, daß sie auf allgemeinen Marktstandards beruhen, wobei der Verständlich keit und vergleichsweise einfachen Anwendbarkeit Vorrang vor einer höheren Genauigkeit gewährt wird.28 Um eine effiziente Kapitalallokation zu ermöglichen, ist wichtig, daß sich Mindestkapitalanforderungen im Gegensatz zum optimalen Kapital in der Regel nicht direkt bindend auf die Geschäftstätigkeit einer Bank auswirken. Sie sind auch weder als Ziel-Kapitalniveau konzipiert, noch sollen die methodischen Grundlagen einen Standard für das interne Risikomanagement darstellen.
Ein verantwortungsvoll handelndes Management wird dafür sorgen, daß die Bank mindestens soviel Eigenkapital hält, daß unter „normalen“ Bedingungen die er wartete Volatilität ihrer Erträge abgedeckt wird.29 Darüber hinaus wird sich die
Bank zu einem gewissen Grad auch vor unerwarteten, extremen Verlustsituatio nen schützen bzw. wird der Markt dies verlangen, so daß die Bank ein Vielfaches der „normalen“ erwarteten Ertragsvolatilität als Eigenkapital halten wird. Hieraus ergibt sich als Untergrenze für die Kapitalausstattung einer Bank folgende Bedin gung: E(QH1)k < Eigenkapital 26 27 28 29
(Bedingung 1),
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Estrella (1995), S. 4-5. Siehe hierzu auch Kap. 2.2.3.1. Vgl. hierzu auch Burghof/Rudolph (1996), S. 142-143. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Shepheard-Walwyn/Litterman (1998), S. 10-12. - Siehe kritisch zur Verwendung von (historischen) Ertragsvolatilitäten Hendricks/Hirtle (1997), S. 17-18.
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Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
mit E(at+i) als erwarteter Standardabweichung30 der Bankerträge und k als Multi
plikator.
Risikobasierte Kapitalanforderungen einer marktorientierten Bankenaufsicht soll ten ebenfalls die vom Markt geforderte bzw. die von der Bank mindestens ange strebte Kapitalausstattung als Untergrenze ansehen:
E(a(H)k < Kapitalanforderungen (Bedingung 2).
Das Management einer effizient geführten Bank wird bestrebt sein, langfristig risikoadäquate Erträge zu generieren und die Kapitalaustattung unter dieser Be dingung zu optimieren. Die Anreize der Eigentümer und des Managements, über mäßige Risiken einzugehen, um möglicherweise kurzfristig höhere Erträge zu erzielen (im Extremfall „gambling for resurrection") bzw. um von nicht risi koadäquat bepreisten Sicherungseinrichtungen zu profitieren, werden umso ge ringer sein, je besser die Eigenkapitalaustattung ist.31 In diesem Zusammenhang spielen auch die Auswirkungen des sogenannten „fran chise value" auf das Bankverhalten eine bedeutende Rolle. Demsetz/Saidenberg/Strahan haben in einer empirischen Untersuchung nach gewiesen, daß Banken mit einem hohen „franchise value“ mehr Kapital und bes ser diversifizierte Portfolios halten als Banken mit einem niedrigen „franchise va lue“.32 Der „franchise value“ ist dabei definiert als der Barwert der erwarteten zukünftigen Erträge, die eine Unternehmung im Going-Concem-Fall erwirt schaftet. Als Erträge werden dabei die Erlöse verstanden, die die gesamten Kosten - inklusive der Kapitalkosten - übersteigen. Während das wettbewerbliche Um feld bei vielen Banken bedingt, daß sie ihre Preise auf ein Niveau senken müssen, das gerade ausreicht, um ihre Kosten zu decken, haben andere Banken Zugang zu überlegenen Technologien bzw. zu knappen Produktionsfaktoren wie z.B. sehr
30 Die erwartete Standardabweichling der Bankerträge kann als Capital at Risk (CaR) interpretiert werden. 31 Vgl. Santomero (1991), S. 65-66, Goldstein/Turner (1996), S. 25, Hoenig (1996), S. 7, Wall/Peterson (1996), S. 7, jeweils mit weiteren Literaturhinweisen. Siehe auch Hughes/Lang/Moon/Pagano (1997). 32 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Demsetz/Saidenberg/Strahan (1996), hier insb. S. 2-4, die für den Zeitraum von 1986-1994 den Zusammenhang zwischen „franchise value“ und Risikoüber nahme von Bank Holding Companies in den USA untersuchen. Zu ähnlichen Ergebnissen für ei nen früheren Zeitraum kommt Keeley (1990).
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gut ausgebildeten Mitarbeitern, was dazu führt, daß diese Banken effizienter sind und ihre Leistungen günstiger als ihre Wettbewerber anbieten können. „Franchise value“ wird auch durch langfristige Kundenbeziehungen generiert, da die Bank im Laufe einer solchen Geschäftsbeziehung Informationen über ihre Kunden ge winnt, die anderen Wettbewerbern nicht zur Verfügung stehen. Diese privaten Informationen senken z.B. die Kosten der Kreditvergabe, wodurch der „franchise value“ der Bank gesteigert wird.
„Franchise value“ wirkt disziplinierend hinsichtlich der angesprochenen moral hazard-Risiken, die insbesondere durch Sicherungseinrichtungen hervorgerufen werden. Banken, die über einen hohen „franchise value“ verfügen, werden versu chen, diesen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern zu wahren. Sie haben daher stärkere Anreize, auf einem höheren Sicherheitsniveau zu agieren, als Banken mit einem geringen oder keinem „franchise value“. DEMSETZ/SAIDENBERG/STRAHAN sprechen hier sehr bildlich von „banks with something to lose“. Diese Banken, „die etwas zu verlieren haben“, wählen Strategien, die ihre Insolvenzwahrschein lichkeit und damit die Gefahr, ihren „franchise value“ zu verlieren, minimieren. Sie halten eher über die regulatorischen Anforderungen hinaus Eigenkapital, sie begrenzen eher ihr Exposure gegenüber hochriskanten Kreditnehmern und sie halten gut diversifizierte Kreditportefeuilles. Insgesamt erzeugt der „franchise value“ starke Anreize, auf eine übermäßige Risikoübernahme zu verzichten, und führt somit die Interessen von Bankenaufsicht und Bank näher zusammen.
Bestehen zudem keine großen Unterschiede in der Risikotoleranz von Banken aufsicht und Bankmanagement bezüglich systemischer Risiken, ergibt sich ex ante folgender normativer Zusammenhang von Gesamtrisiko der Bank, bankaufsicht lichen Kapitalanforderungen und der optimalen Kapitalausstattung: E(oH|)k < Kapitalanforderungen < Optimales Kapital
(Bedingung 3),
wobei das „Optimale Kapital“ der Betrag ist, den die Bank bei Abwesenheit re gulatorischer Anforderungen wählen würde.33 Bedingung (3) sagt aus, das für effizient geführte Banken mit risikoadäquater Ei genkapitalausstattung marktorientierte bankaufsichtliche Kapitalanforderungen keine Beschränkung ihrer Geschäftsaktivitäten darstellen sollten. Insofern erfährt die Annahme eines generellen Zielkonflikt zwischen Banken und Bankenaufsicht
33 Vgl. Shepheard-Walwyn/Litterman (1998), S. 12.
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hinsichtlich der erforderlichen Kapitalausstattung eine Relativierung.34 Darüber hinaus wird durch Bedingung (3) auch klar, daß die bankaufsichtlichen Kapi talanforderungen nicht als Zielniveau angesehen werden sollten, vielmehr sollte das tatsächliche Kapitalniveau einer Bank über den bankaufsichtlichen Kapital standards liegen.35 Stimmen Bankenaufsicht und Banken in diesen grundsätzli chen Überlegungen überein, sind Kapitalstandards in Form von Mindestkapi talanforderungen und das optimale Kapital konsistente Konzepte. Die bankauf sichtlichen Mindestkapitalanforderungen bilden die Untergrenze des optimalen Kapitalniveaus und das tatsächliche Eigenkapital sollte sich so weit wie möglich dem optimalen Kapital annähern, wobei letzteres im Zeitablauf Schwankungen unterliegen kann.36
Ein differenziertes Bild ergibt sich jedoch, wenn Banken in Betracht gezogen werden, die nicht adäquat kapitalisiert sind bzw. „high ris^SVrz^gxm verfolgen. Diese Banken haben im Extremfall starke Anreize, „alles auf eine Karte zu set zen“. Eine Vielzahl von Beispielen für derartige „gambling for resurrection"oder auch „go for broke"-Strategien liefert die S&L-Krise in den USA in den achtziger Jahren. Vor allem ökonomisch insolvente S&L-Institute, die also „nichts mehr zu verlieren“ hatten, deren Schließung durch die Regulierungsbehörden jedoch verzögert wurde, gingen bewußt hochriskante Investitionen ein, die sie im Erfolgsfall aus der Insolvenz führen sollten.37 Auch wenn von diesen Extremfällen abgesehen wird, dürften eine niedrige Kapitalausstattung bzw. ein niedriger „fran chise value“ tendenziell die Neigung zu übermäßiger Risikoübernahme verstär ken.38 Diese Banken erfüllen daher in der Tendenz nicht die oben aufgestellte Bedingung (1), wonach das Eigenkapital einer Bank zumindest ein Vielfaches der
34 35 36 37
Siehe hierzu auch Kap. 4.2.2.7. Vgl. auch Estrella (1995), S. 5. Vgl. zu diesen Ausführungen Estrella (1995), S. 8-9. Hervorgerufen wurde dieses Bankverhalten vor allem auch durch die adversen Anreize der mit einer flachen Risikoprämie ausgestatteten Einlagensicherung. Vgl. hierzu ausführlich Bonn (1998), S. 115-125. Calem/Rob (1996), S. 18, zeigen auch auf, daß „in the case of a severely undercapita lized bank, maximal risk-taking arises because the proportion invested in the risky asset, whether large or small, does not significantly affect the probability of insolvency, since only a small erosion of the bank’s capital suffices for insolvency“. 38 Demsetz/Saidenberg/Strahan (1996), S. 4, beschreiben diese Situation für die Krise in den achtzi ger Jahren: „Since the thrifts had lost much of their franchise value, owners had little incentive to rebuild their capital positions. Instead, many used fully insured deposits to increase their holdings of high-risk assets such as junk bonds and commercial real estate. This risky behavior led to a large number of thrift failures and ultimately to the taxpayer bailout of the thrift insurance fund.“
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„normalen“ erwarteten Ertragsvolatilität betragen sollte. Für Banken, die diese Bedingung nicht erfüllen, müssen bankaufsichtliche Mindestkapitalanforderungen natürlich auf das Risikoverhalten bindend wirken39, da ihre Kapitalausstattung
unterhalb der Mindestanforderungen liegt: Eigenkapital < E(ot+1)k < Kapitalanforderungen
Von Interesse ist nun, wie sich bindende Mindestkapitalanforderungen auf das Risikoverhalten von Banken auswirken und welche Anpassungen von Bankenseite vorgenommen werden.40 Grundsätzlich können dabei zwei Verhaltensweisen unterschieden werden. Zum einen sind „kosmetische“ Reaktionen denkbar, die eingesetzt werden, um die eigentlich intendierten Verhaltensweisen - entweder Erhöhung des Kapitalpuffers oder Risikoreduzierung - zu umgehen. Vor allem nicht-risikobasierte Kennzahlen wie Eigenkapital-zu-Gesamtvermögen, die z.B. ab 1981 die Grundlage der Mindestkapitalanforderungen in den USA bildeten, eröffneten die Möglichkeit, die risikoreduzierende Wirkung von Eigenkapitaler höhungen durch einen Anstieg des Portfoliorisikos zu konterkarieren.41 Die Ein führung von risikobasierten Kapitalanforderungen mit der Umsetzung des Baseler Akkords von 1988 schränkte diese Substitutionsmöglichkeiten auf der Aktivseite ein. Trotzdem sind derartige „kosmetische“ Anpassungen weiterhin möglich, da die von der Bankenaufsicht verwendeten Risikomaße und Kapitalabgrenzungen aufgrund der unvollständigen Information über den tatsächlichen Risikogehalt des Portfolios lediglich Schätzwerte der ökonomisch relevanten Größe darstellen können.42 Ziel einer effektiven Bankregulierung muß daher sein, diese „kosmetischen“ An passungsmaßnahmen möglichst zu verhindern, indem unterkapitalisierte Banken dazu gebracht werden, Anpassungen vorzunehmen, die mit den bankaufsichtlich
39 Dies ist auch im Sinne der bestehenden Regelung, da bei den Ausfallwahrscheinlichkeilen der einzelnen Risikoklassen von breit gestreuten Kreditportfolios ausgegangen wird, was bei „highrisk“-Banken nicht der Fall sein dürfte. 40 Ein ausführlicher Überblick zu Anpassungsmöglichkeiten findet sich in Basle Committee on Banking Supervision (April 1999a), S. 6-21. 41 Koehn/Santomero (1980), Kim/Santomero (1988) und Genotte/Pyle (1991) zeigen, daß ein Anstieg des verlangten Eigenkapital-zu-Gesamtvermögen-Verhältnisses zu einem Anstieg des von der Bank gewählten Portfoliorisikos führen kann. Berger/Herring/Szegö (1995), S. 409, belegen jedoch in ihrem Überblick, daß empirische Untersuchungen den theoretischen Überlegungen widersprechen und höhere Kapitalanforderungcn zu einem geringeren Gesamtbankrisiko führen. 42 Vgl. Wall/Peterson (1996), S. 6.
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angestrebten Zielen im Einklang stehen. Hierzu gehören die Verbesserung der Kapitalausstattung sowie die Anpassung des Risikoexposures durch eine Reduzie rung der risikobehafteten Finanzaktivitäten bzw. durch Hedging-Maßnahmen und Nutzung von Diversifikationseffekten.43
Einer der Hauptpunkte der Kritik, die in der Literatur an Kapitalanforderungen geübt wird, bezieht sich darauf, daß Mindestkapitalanforderungen unter be stimmten Bedingungen die übermäßige Risikoübemahme von Banken nicht ver hindern können bzw. sogar Anreize zur Risikoerhöhung bieten.44 Auch wenn sol che Fälle nicht ausgeschlossen werden können, erfüllen bankaufsichtliche Min destkapitalanforderungen darüber hinaus eine Funktion, die in der Kritik häufig übersehen wird: Interpretiert und verwendet man bankaufsichtliche Mindestkapi talanforderungen als „Frühwarnsystem“, erfüllen sie einen sinnvollen Zweck, indem sie für den Regelfall die untere Grenze zur Unangemessenheit der Kapital ausstattung45 vorgeben. Selbst wenn Kapitalstandards der Bankenaufsicht tatsäch lich adverse Effekte erzeugen sollten, die zu einer erhöhten Insolvenzwahr scheinlichkeit einzelner Banken führen - was in der Literatur umstritten ist46 -, wird dadurch die Sicherheit und Stabilität des Bankensystems nicht beeinträchtigt, solange ein Unterschreiten der Mindestkapitalausstattung der Bankenaufsicht frühzeitig die Notwendigkeit eines Einschreitens signalisiert.47
43 Vgl. Wall/Petcrson (1996), S. 10. Insbesondere die beiden letztgenannten Möglichkeiten der stehen den Banken bei der bestehenden Kreditrisikoregulierung nur in sehr eingeschränktem Umfang zur Verfügung. Siehe hierzu ausführlich Kap. 4.2.2.3 u. 4.2.2.4. 44 Siche z.B. Gehrig (1995). Vgl. auch Kap. 1.2.3.2. 45 Vgl. Gaumert (1997), S. 121-122. 46 Während die theoretischen Ergebnisse nicht einheitlich sind, zeigen empirische Untersuchungen für die USA, daß höhere Kapitalanforderungen zwar häufig durch eine steigende Risikoübemahme zumindest teilweise ausgeglichen werden, daß dabei aber nicht die Insolvenzwahrscheinlichkeit erhöht wird. Vgl. Wall/Petcrson (1996), S. 7. - Ediz/Michael/Perraudin (1998) kommen in einer Untersuchung von Banken in Großbritannien zwar zu dem Schluß, daß bankaufsichtliche Kapitalanforderungen das Bankvcrhalten beeinflussen, Anpassungen aber in erster Linie durch die Er höhung der Kapitalausstattung - und damit im Sinne der Bankenaufsicht - und nicht durch Substi tution innerhalb der Risikoklassen erfolgen. Insofern konstatieren sie (S. 21), daß Kapitalanforde rungen „appear to be an attractive regulatory instrument since they serve to reinforce the stability of the banking system without apparently distorting banks’ lending choices“. 47 Vgl. hierzu Terberger (1995b), S. 765-766, die darauf hinweist, daß „at least capital adequacy rules set a stricter critical limit for starting off the alarm than the limit set by the German insolvency law, which waits until the equity is used up totally“. Siehe zur Frühwarnfunktion von Kapitalanforderungen auch Estrella (1995), S. 5.
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Die Bankenaufsicht steht daher vor dem Problem, Mindestkapitalstandards zu formulieren, die einerseits bei gut geführten und risikoadäquat kapitalisierten Banken die Kapitalallokation so wenig wie nötig beeinflussen, die andererseits aber auch eine übermäßige Risikoübemahme bei „Problembanken“ verhindern bzw. zumindest frühzeitig signalisieren, daß eine Bank unterkapitalisiert ist.
3.3 Zusammenstellung der relevanten Kriterien zur Beurtei lung alternativer Ansätze der Kapitalregulierung einer marktorientierten Bankenaufsicht Im Folgenden werden die relevanten Kriterien im Überblick dargestellt, die zur Beurteilung der noch vorzustellenden verschiedenen Ansätze für die Gestaltung der Kapitalanforderungen für Kreditrisiken herangezogen werden sollen. In Ka pitel 2.2.3.1 wurde als grundlegende Voraussetzung für eine effektive Diszipli nierung des Risikoverhaltens von Banken die Bereitstellung der relevanten qua litativen und quantitativen Informationen gefordert, mit dem Ziel einer erhöhten Transparenz und Vergleichbarkeit.^ Diese Eigenschaften sind daher auch zur Beurteilung alternativer Ansätze der Kreditrisikoregulierung heranzuziehen. Die Bestimmung der bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen muß demnach hinrei chend transparent sein, d.h. sie sollte auf objektiven und nachprüfbaren Informa tionsgrundlagen und Berechnungsmethoden beruhen, so daß sie auch für Außen stehende mit entsprechendem Fachwissen und Zugang zu den relevanten Daten nachvollziehbar ist. In engem Zusammenhang hiermit steht das Kriterium der Vergleichbarkeit, das sich sowohl auf Vergleiche zwischen Banken als auch auf Vergleiche im Zeitablauf bezieht. Als vorteilhaft wurde dabei ein stabiler Zu sammenhang der Kapitalanforderungen mit den unterliegenden Instrumenten angeführt.49 Um internationale Akzeptanz und Anwendbarkeit sowohl für Auf seher und als auch für Banken mit unterschiedlichem Know-how und unter schiedlicher Ressourcenausstattung zu gewährleisten, sollten Kapitalnormen ver-
4S Vgl. Kap. 2.2.3.1.
49 Vgl. Kap. 3.2.
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Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
stündlich und robust sein.50 Insgesamt können diese Kriterien als Unterpunkte des Kriteriums Operationalität aufgefaßt werden.51
Bankaufsichtliche Kapitalanforderungen sollten möglichst flexibel ausgestaltet werden, zum einen, um auf absehbare Zeit Veränderungen im Bankensektor erfas sen zu können, zum anderen, um die Innovationstätigkeit der Banken nicht zu beschränken. Flexibilität bei der Risikomessung würde darüber hinaus eine diffe renziertere Erfassung der individuellen Risikosituationen einzelner Banken erlau ben.52 Ein weiteres Kriterium ist die Wirtschaftlichkeit der angestrebten Regulierungs norm. In Kap. 2.2.3.4 wurde dargelegt, daß unterschiedliche Ansätze der Kredit risikoregulierung mit unterschiedlichen direkten und indirekten Regulierungsko sten verbunden sind. Bei der Beurteilung der verschiedenen Ansätze sollte daher soweit möglich - zumindest eine qualitative Abschätzung von Kosten und Nutzen erfolgen.53
Die bisher zusammengestellten Kriterien sind vor allem unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität zu sehen, der die realen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Bankenaufsicht und der Banken berücksichtigt.54 Neben diesen aufsichtsprakti schen Anforderungen sind Anforderungen an die sach- und zielgerechte Konzep tion der Kreditrisikoregulierung zu berücksichtigen, wobei aufgrund der Zielkon kurrenz zwischen sach- und zielgerechter Konzeption und Praktikabilität Kom promißlösungen wahrscheinlich sind.55 Sachgerechte Risikomessung und -begrenzung bedeutet aufgrund der Tatsache, daß Kapitalnormen als Ermittlungsmodelle anzusehen sind, die nur ein verein fachtes Abbild der relevanten Sachverhalte liefern können, daß die Risikomeß größe zu den tatsächlich übernommenen Risiken lediglich in einem funktionalen Zusammenhang stehen kann. Hierzu ist es notwendig, daß die wesentlichen De
50 Vgl. Davies (1998), S. 15. 51 Vgl. Bösl (1993), S. 43, und Rittich (1995), S. 84, jeweils mit weiteren Quellen, die den Begriff der Operationalität jedoch enger fassen. 52 Vgl. Kap. 2.2.3.3. 53 Vgl. auch Blumer (1996), S. 88-91, Thomas (1991), S. 132. 54 Davies (1997), S. 10, faßt diese Kriterien zusammen: „Of course, we must aim for a credible and comprehensible regime which does not require constant updating and elaboration, is not immen sely costly, and is reasonably consistent“. 55 Vgl. Bösl (1993), S. 39-40. Burghof/Rudolph (1996), S. 152, sehen dies ähnlich: „Mehr als pau schalisierende Meßmethoden sind von der Natur der Sache her daher nicht zu erwarten“.
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terminanten der jeweiligen Risikoposition in Umfang und Struktur hinreichend genau und zuverlässig erfaßt werden.56 Die Forderung einer theoretisch korrekten Kapitalnorm für Kreditrisiken erscheint jedoch nicht zielfuhrend, da die aus theoretischer Sicht notwendigen In formationen zum Teil weder der Bank selbst noch der Bankenaufsicht zur Verfü gung stehen. BURGHOF sieht daher in einem Rückzug auf eine theoretisch zwar nicht korrekte, jedoch dem Informationsstand von Banken und Bankenausicht gerade noch zugängliche Norm, keine Gefahr für die Effektivität der Risikobe grenzung. Solange der jeweilige Entwicklungsstand der Regulierungsnorm den Informationsstand der Bankmanager und deren Handlungsmöglichkeiten hinrei chend berücksichtig, verfügt auch das Bankmanagement nicht über systematische Umgehungsmöglichkeiten.57 Effektivität der Risikobegrenzung bedeutet vor diesem Hintergrund im Idealfall, daß die Risikoübemahme der Banken den Zielen der Bankenaufsicht entspre chend ausfällt. Im vorangegangenen Abschnitt 3.2 wurde daneben ein schwäche res, aber hinreichendes Effektivitätskriterium formuliert. Danach wird eine Risi kobegrenzungsnorm im Sinne eines „Frühwarnsystems“ als effektiv angesehen, wenn ein Unterschreiten der Mindestkapitalanforderungen der Bankenaufsicht frühzeitig die Notwendigkeit eines Einschreitens signalisiert.58 Eng verbunden mit der sachgerechten und effektiven Risikobemessung und Steuerung ist die Ressourcenallokation innerhalb der Banken, die durch eine marktorientierte Kapitalregulierung nur soweit wie notwendig beeinflußt werden sollte. Insbesondere sollte die Regulierungsnorm weitgehend eine direkte effizi ente Kapitalallokation auf Basis der tatsächlichen ökonomischen Risiken ermög lichen und im Regelfall nicht bindend auf das Geschäftsverhalten wirken.
Aus der in Kapitel 2.2.3.2 als weiteres Grundprinzip der marktorientierten Ban kenaufsicht vorgestellten Nutzung von Marktinstrumenten und markähnlichen Anreizstrukturen ergibt sich darüber hinaus als Beurteilungskriterien die anreiz wirksame Formulierung der Regulierungsansätze. Dadurch wird den Banken ei nerseits der Anreiz gegeben, ihr Risikomanagement kontinuierlich zu verbessern und auszubauen, um Risiken vorsichtig und sorgfältig bestimmen und kontrollie
56 Vgl. zu diesen Ausführungen Bösl (1993), S. 43-45. 57 Vgl. zu diesen Ausführungen Burghof (1998) S. 156-157 u. 282. 58 Vgl. Kap. 3.2.
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Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
ren zu können, was andererseits zu einer Annäherung der Interessen von Banken und Bankenaufsicht führen sollte.59 Hinsichtlich der theoretisch wünschenwerten Lösungen dürften für diese Anforderungen insgesamt ähnliche Einschränkungen gelten wie für die sachgerechte Risikomessung und -begrenzung. Diesen Kriterien zur Seite gestellt ist die Anforderung der wettbewerbsneutralen Ausgestaltung der Regulierungsnormen.60 Wettbewerbsneutralität darf jedoch nicht als absolutes Kriterium gesehen werden, da aufgrund der individuellen Ge schäftsstrukturen, Zielsetzungen, Rechts- und Organisationsformen usw. jede Änderung der Normenkonzeption die relative Wettbewerbssituation der einzelnen Banken beeinflussen kann61. Selbst differenzierende Kapitalanforderungen könn ten nur die wesentlichen Charakteristika einzelner Banken erfassen, so daß auch sie nicht ohne Wirkung auf die Wettbewerbspositionen sein würden.62 Wettbe werbsneutralität soll daher als relatives Kriterium verwendet werden, in dem Sin ne, daß bei gleicher Zweckeignung die Kapitalregulierungsnorm vorgezogen wird, die die relativen Wettbewerbspositionen der Banken geringstmöglich beeinflußt.63
Die folgende Abbildung 3.1 faßt die relevanten Kriterien übersichtlich zusammen, die zur Beurteilung der verschiedenen Ansätze der Kreditrisikoregulierung heran gezogen werden. Daneben werden mögliche Zielkonflikte bzw. -konkurrenzen zwischen den Hauptkriterien aufgezeigt. Bankenaufsicht und Banken müssen bei der Anpassung bzw. der Neuformulierung der Kapitalstandards für Kreditrisiken letztendlich zusammen entscheiden, welche Gewichtung die einzelnen Kriterien erfahren sollen. Meinungsunterschiede sind dabei zum einen zwischen Bankenaufsicht und Banken zu erwarten, zum anderen zwischen den verschiedenen Interessenvertretern der unterschiedlichen Gruppen
59 Vgl. Kap. 2.2.3.2 sowie Kap. 3.2. 60 Vgl. Wettbewcrbsncutralität wird z.B. in allen EU-Richtlinien, die den Bankensektor betreffen, als Kriterium angegeben. Vgl. Meister (1998a), S. 6. 61 Vgl. Meister (1998a), S. 5-6. 62 Meister (1998d), S. 5, geht sogar davon aus, daß die Zielsetzung des Baseler Akkords, vergleich bare Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, durch eine stärkere Individualisierung der Kapitalbe messung de facto aufgegeben würde. 63 Vgl. Bösl (1993), S. 42. Siehe zum Kriterium der Wettbewerbsneutralität auch Rittich (1995), S. 84-85 u. 95-96. - Wcilergehend wird Wettbewerbsneutralität nicht nur für die in einem System verwendeten Aufs ich tsinstrumente verlangt, sondern auch im Sinne von internationaler Harmoni sierung der Aufsichtsstandards, um die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Regulierungsar bitrage einzuschränken, sowie im Sinne eines „level playing field' für Banken und Nichtbanken. Vgl. Meister (1998a), S. 6.
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von Finanzinstituten (pauschal: „kleine Banken versus große Banken“), aber auch zwischen einzelnen nationalen Aufsichtsbehörden. Während die Bankenaufsicht im allgemeinen eher die Praktikabilität betonen wird, dürften große, international tätige Banken mit entsprechendem Know-how und der notwendige Ausstattung an Ressourcen komplexere Lösungen bevorzugen, die sich möglichst eng an ihre internen Risikomanagementinstrumente anlehnen. Kriterien und Zielkonkurrenzen
mögliche Zielkonkurrenz
Abb. 3.1: Beurteilungskriterien und mögliche Zielkonkurrenzen6^ Dem gegenüber dürften die kleineren Banken, deren Risikomanagement nicht so gut ausgebaut ist, ähnlich wie die Bankenaufsicht eher für praktikablere, weniger komplexe Ansätze votieren.65
64 Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Bösl (1993), S. 39. 65 Auch Meister (1998a), S. 7, sieht mögliche Konfliktpotentiale, insbesondere im Zusammenhang mit der Forderung einer stärkeren Selbstregulierung: „Bei durch private Gremien (z.B. der Group of Thirty) erlassenen Standards wäre es naheliegend, daß diese in erster Linie die Interessen einer
56
Kapitalanforderungen als Instrument der Bankenregulierung
Zwischen den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden können sich Meinungs verschiedenheiten aus unterschiedlichen „Aufsichtsphilosophien“ heraus ergeben, z.B. zwischen Systemen, die traditionell stärker auf Vorortprüfungen zurückgrei fen (z.B. die USA), und Systemen, die bisher in erster Linie „off-site“-Überprüfungen durchführen (z.B. Deutschland).66 Von Bedeutung sind auch Unterschiede in der jeweiligen Ressourcenausstattung der der Aufsichtsbehörden, so z.B. zwi schen Emerging Markets-Ländem und Industrieländern.
ausgewählten Gruppe von Instituten - typischerweise der großen „global player“ - repräsentieren. Deren Interessen stimmen jedoch nicht zwangsläufig mit den allgemeinen Interessen der Finanz industrie überein. Hierdurch kann es zu Wettbewerbsverzerrungen insbesondere zu Lasten kleine rer Institute kommen. Dies muß in jedem Fall vermieden werden“. Ähnlich äußert sich auch McDonough (1999a), S. 5-6: „Our third [goal] is to develop standards that are fundamentally applicable to banks of varying levels of complexity and sophistication, in cluding those in emerging market nations.“ 66 Insbesondere wenn auf der Grundlage von Vorortprüfungen Kapitalanforderungen individuell bestimmt werden sollen, könnte dies in Deutschland auf Widerstand stoßen. Vgl. Graham (1999), S. 9.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
57
4 Die Konzeption der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988 In diesem Kapitel wird zunächst die Konzeption der Kapitalregulierung für Kre ditrisiken - in erster Linie auf der Grundlage des Baseler Akkords von 1988 und den nachfolgenden Zusätzen, aber auch mit einem Blick auf weitere relevante eu ropäischen Regelungen - in der gebotenen Kürze vorgestellt. Daran schließt sich eine Kritik der bestehenden Konzeption an, wobei vor allem auf die Implikationen dieses Kapitalstandards für das Kreditrisikomanagement eingegangen wird. Diese Ausführungen und die Analyse alternativer Ansätze in den Folgekapiteln konzen trieren sich entsprechend der aktuellen Diskussion auf die jeweilige Bestimmung der bankaufsichtlichen Risikomeßgrößen.1
4.1
Der Baseler Akkord von 1988, nachfolgende Zusätze und weitere relevante Normen
Der Baseler Akkord von 19882 verfolgt zwei grundlegende Ziele: die Stärkung der Sicherheit und Stabilität des internationalen Bankensystems und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.3 Zu diesem Zweck einigte sich der BASELER AUSSCHUß für Bankenaufsicht auf die Einführung von Mindestkapitalanforderungen in Relation zu den eingegangenen Kreditrisiken - nach wie vor das Hauptrisiko der Banken -, die ursprünglich nur für international tätige Banken der G-10Länder vorgesehen waren, im Laufe der Zeit aber auf alle Banken der G-10-
1 Die Diskussion, weiche Kapitalbestandteile zum aufsichtsrechtlichen Verlustdcckungsindikator (in Deutschland das „haftende Eigenkapital) hinzugezählt werden sollen, wird dabei ausgeblendct. Zu diesem Thema ist eine breite Literaturpalette vorhanden. Siehe etwa Vogel (1990), S. 101-128, Büsselmann (1993), Berger/Herring/Szegö (1995), insb. S. 408-414, Barth/Landsman/Wahlcn (1995), Rittich (1995), Kap. 5, Burghof/Rudolph (1996), S. 124-140, Bitz (1996), Gaumert (1997), S. 5-47, Matzke/Seifert (1998), Yonetani/Katsuo (1998). 2 Auch “Baseler Eigenkapitalvereinbarung für international tätige Banken“ bzw. „Baseler Eigen mittelempfehlungen“. 3 Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1988), S. 1. Ediz/Michael/Perraudin (1998), S. 15, nennen als drittes Ziel noch die Senkung der expliziten und impliziten Kosten staatlicher Einla gensicherungen.
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Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
Länder ausgeweitet und darüber hinaus von einer Vielzahl von Nicht-G-10-Ländern übernommen wurden.4
Die entscheidenden Neuerungen des Baseler Akkords waren die Risikobasierung der Kapitalanforderungen und die Einbeziehung aller nicht bilanzwirksamen Posi tionen, zusätzlich zur Berücksichtigung der bilanzwirksamen Risikoaktiva.5 Die risikobasierten Mindestkapitalanforderungen werden dabei auf der Grundlage eines - bewußt6 - einfach strukturierten Gewichtungsschemas ermittelt. Zu diesem Zweck wurden lediglich vier Bonitätsklassen mit unterschiedlicher Adressenge wichtung (0%, 20%, 50%, 100%)7 definiert, die dem relativen Risikogehalt der einzelnen Geschäfte Rechnung tragen sollen. Die Einführung risikobasierter Kapi talstandards anstelle der vorher üblichen einfacheren Bilanzstrukturnonnen, die der Summe der Bilanzaktiva als Risikobegrenzungsgröße das bilanzielle Eigenka pital gegenüberstellen, sollte dabei die internationale Vergleichbarkeit ermögli chen, die Einbeziehung bilanzunwirksamer Geschäfte erleichtern und die Banken nicht davon abhalten, liquide bzw. andere Aktiva mit geringem Risiko zu halten.8
Die folgenden Abschnitte zeigen systematisch auf, in welcher Form das Kreditri siko von bestehenden bankaufsichtlichen Regelungen erfaßt wird. Auch hier zeigt sich der angesprochene Anpassungsprozeß der Bankenregulierung an sich verän dernde technische Bedingungen und Marktverhältnisse. Während die Banken aufsicht zunächst nur die Adressenausfallrisiken des Anlagebuchs regulierte, er fassen die neueren Normen auch Kreditrisiken in Form der spezifische Risiken und der Adressenausfallrisiken des Handelbuches. Die unterschiedlichen Formen, in denen Kreditrisiken bankaufsichtlich erfaßt werden, machen dabei deutlich, daß der Bankenaufsicht - und den Banken!? - zur Zeit noch nicht die Instrumente und Methoden zur Verfügung stehen, die für eine integrierte Betrachtung des Kreditri sikos, das grundsätzlich in allen Aktiva und außerbilanziellen Positionen enthalten ist, notwendig sind. 4 Vgl. etwa Padoa-Schioppa (1997), S. 125. - So beruht z.B. die EU-Solvabilitätsrichtlinie inhaltlich auf den Vorschlägen des Baseler Akkords. 5 Daneben leistete der Baseler Akkord vor allem die internationale Angleichung der als Risikodek??kungspotential anzusetzenden Eigenmittel. 6 Vgl. z.B. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 68. 7 Der deutsche Grundsatz I kennt daneben noch eine Adressengewichtung von 10% für Pfandbriefe der Banken, die die Anforderungen der Investmentrichtlinie erfüllen, und von 70% für Bauspar darlehen, die teilweise durch Grundpfandrechte abgesichert sein müssen. Vgl. z.B. Schierenbeck (1997), S. 347. 8 Vgl. zu diesen Ausführungen Basie Committee on Banking Supervision (1988), S. 8.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
59
4.1.1 Die Erfassung des Kreditrisikos als Adressenausfallrisiko des Anlage buchs
Zur Bestimmung des Risikovolumens werden - hier dargestellt nach den Anfor derungen des deutschen Grundsatzes I BAKred, der eng an den Baseler Akkord angelehnt ist - die anrechnungspflichtigen Risikoaktiva in drei Gruppen eingeteilt: (1) Bilanzaktiva, (2) traditionelle bilanzunwirksame Geschäfte sowie (3) derivative bilanzunwirksame Geschäfte9 (Währungs-, Zins-, Aktien-, Edelmetall- sowie Roh warenkontrakte). Diese Risikoaktiva werden mit spezifischen Bonitätsge wichtungsfaktoren10 versehen, wobei die Bilanzaktiva zu Buchwerten (abzüglich der Wertberichtigungen) angesetzt werden. Die traditionellen bilanzunwirksamen Geschäfte hingegen werden zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage zunächst in Kreditäquivalenzbeträge umgerechnet, wobei sie nach ihrem Risikogehalt in vier Klassen (100%, 50%, 20%, 0%) eingeteilt werden, um dann mit den Bonitätsfakto ren gewichtet werden. Die derivativen bilanzunwirksamen Geschäfte müssen ebenso zunächst in Kreditäquivalenzbeträge umgerechnet werden, da nicht der Kapital- oder Nominalbetrag, sonder vielmehr der Wiedereindeckungsaufwand bei Ausfall des Geschäftspartners als Bemessungsgrundlage herangezogen werden muß. Entsprechend der EU-Solvabilitätsrichtlinie sind dabei als alternative Be rechnungsmethoden die Laufzeit- und die Marktbewertungsmethode" vorgesehen. Diejeweils ermittelten Kreditäquivalenzbeträge werden dann wie die Bilanzaktiva dem vorgegebenen Standardverfahren nach mit den entsprechenden Bonitätsfaktoren12 gewichtet.13
Die folgende Tabelle 4.1 zeigt vereinfacht die sechs Risikoklassen, denen Bank geschäfte mit Adressenausfallrisiken zugeordnet werden.
9 Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 69. 10 Der deutsche Grundsatz 1 definiert sechs Bonitätsklassen (0%, 10%, 20%, 50%, 70%, 100%), die EU-Solvabilitätsrichtlinie hingegen nur vier Bonitätsklassen (0%, 20%, 50%, 100%). 11 Handeisbuch-Institute müssen ab dem 30.9.1999 die Marktbewertungsmethode verwenden. Dies gilt grundsätzlich auch für Nicht-Handelsbuchinstitute, die jedoch die Laufzeitmethode benutzen dürfen, wenn der Eindeckungsaufwand nur auf Änderungen von Zinssätzen, Wechselkursen oder dem Goldpreis beruht. Vgl. Süchting/Paul (1998), S. 504. Eine ausführliche Darstellung dieser Bcrechungsmethoden findet sich z.B. bei Schierenbeck (1997), S. 312-323. 12 Der Baseler Ausschuß setzt bei derivativen bilanzunwirksamen Geschäften für die Adressen, die normalerweise mit 100% gewichtet werden, die Adressengewichtung auf 50% herab, da die Kon trahenten in diesen Geschäften in erster Linie Adressen erster Qualität sind. Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1995), S. 6. 13 Vgl. zu diesen Ausführungen z.B. Schierenbeck (1997), S. 344-349, Dürselen (1994).
60
Risikoklasse
Risikoklasse I
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
Adressen-
Beispiele
gewichtung
0%
Inländ. öffentliche Hand, ausländ. Zentralregierungen und Zentralnotenbanken der Zone A, durch Wertpapiere solcher Stellen oder Bareinlagen besicherte Risikoaktiva
Risikoklasse II
10%
ausgegebene Schuldverschreibungen von Banken
Risikoklasse III
20%
Multilaterale Entwicklungsbanken, Kreditinstitute der Zone A, Sozialvcrsicherungsträger
Risikoklasse IV
50%
Wohnungsbau-Realkredite und gewerbliche Realkredite (letz tere nur noch bis 2006), die durch Grundpfandrechte abgesi chert sind, Mortgage-Backed Securities
Risikoklasse V
70%
Kredite von Bausparkassen, die teilweise durch Grundpfand rechte abgesichert sind
Risikoklasse VI
100%
Privatwirtschaftliche Unternehmen und Privatpersonen, (ab 2001) gewerbliche Realkredite
Tab. 4.1: Adressengewichtung nach Grundsatz Besicherte Risikoaktiva dürfen teilweise entsprechend der Risikoklasse des Ga ranten oder Sicherungsgebers eingestuft werden, wobei nur der jeweils niedrigere Adressengewichtungsfaktor - und nicht etwa zwei miteinander multiplizierte nied rigere Gewichtungsfaktoren - angesetzt wird.15 Hervorzuheben ist bei der Einteilung in Risikoklassen die Privilegierung von Posi tionen gegenüber Ländern der „Zone A“, die alle Vollmitgliedstaaten der OECD und einige Länder mit besonderem Status umfaßt. Entsprechend dem Vorschlag des Baseler Akkords müssen die gemessenen und mit den jeweiligen Bonitätsfaktoren gewichteten Risiken mit Eigenmitteln in Höhe von mindestens 8% unterlegt werden. Daraus ergibt sich, daß in den einzelnen Risikoklassen von einer durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit der jeweili gen Positionen von 8%, 5,6%, 4%, 1,6%, 0,8% und 0% ausgegangen wird. Bei der Festlegung dieser durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten wurde ein risi komäßig breit gestreutes Kreditportfolio unterstellt, in dem sich Risikoüberge14 Quelle: aktualisierte Darstellung in Anlehnung an Burghof/Rudolph (1996), S.150, und Dürselen (1994). 15 Vgl. etwa Dürselen (1994), S. 112, Rolfes (1999), S. 453.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
61
Wichtungen und -untergewichtungen weitgehend ausgleichen sollen. Von großer Bedeutung ist, daß die an den Adressenausfallrisiken festgemachten Mindestka pitalanforderungen implizit auch die bisher noch nicht erfaßten bzw. nur schwer oder überhaupt nicht meßbaren Risiken - z.B. operationale Risiken, wie die Wahr scheinlichkeit und der potentielle Schaden eines Computerausfalls16 - abdecken sollen.17
Die Ermittlung der Risikomeßzahl nach dem vorgegebenen Standardanrechnungs verfahren stellt sich folgendermaßen dar:18
£ T Bemessungsgrundlage I der Bilanzaktiva
2*
(x 100%)
x Adressengewichtungsfaktoren (Risikoklasse 1-VI)
x Gewichtungsfaktoren der Bemessungsgrundlage
x Adressengewichtungsfaktoren (Risikoklasse I-VI)
x Gewichtungsfaktoren nach der Laufzeit- oder Marktbe wertungsmethode
x Adressengewichtungsfaktoren (Risikoklasse I-VI)
Bemessungsgrundlage der traditionellen außer bilanziellen Geschäfte (= Kreditäquivalenzbetrag)
Bemessungsgrundlage der derivativen außer,bilanziellen Geschäfte
(= Kreditäquivalenzbetrag)
Risikomeßzahl für das Adressenausfallrisiko (Summe der gewichteten Risikoaktiva)
16 Vgl. Meister (1998d),S. 5. 17 Vgl. zu diesen Ausführungen Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 68. 18 Darstellung in Anlehnung an Dürselen (1994), S. 13, und Burghof /Rudolph (1996), S. 151.
62
Die Kreditrisikoregulierung
des
Baseler Akkords von 1988
Die ermittelte Risikomeßzahl für Adressenausfallrisiken wird dann in Relation zum haftenden Eigenkapital19 gesetzt:
Solvabilitätskoeffizient = haftendes Eigenkapital / Risikomeßzahl > 8%
Bei der Ermittlung der Adressenausfallrisiken aus derivativen nicht bilanzwirk samen Geschäften werden Nettingvereinbarungen von der Bankenaufsicht aner kannt.20 Beim bilateralen Netting by Novation werden durch Schuldumwand lungsverträge zwischen Bank und Vertragspartner gegenseitige Forderungen mit der gleichen Fälligkeit und in der gleichen Währung laufend verrechnet und durch einen einzigen „Nettokontrakt“ ersetzt. Bei Verwendung der Marktbewertungs methode wird das Adressenausfallrisiko für außerbörslich gehandelte Derivate aus dem aktuellen Eindeckungsaufwand bei angenommenem Ausfall des Vertragspart ners zuzüglich eines Zuschlagwertes („add-on“) bestimmt. Bestehen zweiseitige Aufrechnungsverträge mit Liquiditätsklauseln, können im Zuge des sogenannten Close-out Netting sowohl die positiven und negativen Marktwerte der unter die Vereinbarung fallenden Kontrakte verrechnet werden als auch die Zuschläge („add-ons“) für mögliche zukünftige Adressenausfallrisiken.21 Bei Verwendung der weniger komplexen Laufzeitmethode, die nicht auf die aktu elle Marktbewertung zurückgreift, wird das risikoäquivalente Volumen über pau schale laufzeitbezogene Anrechnungssätze ermittelt.22
19 Darüber hinaus gilt, daß der Kernkapitalkoeffizient größer gleich 4% sein muß. 20 Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1995), S. 3-6, und Basie Committee on Banking Supervision (1994). Siehe ausführlich zu Abwicklung und Risikomanagement von OTC-Derivaten Bank for International Settlements (1998). 21 Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 70. Siehe ausführlich zur Wirkung von Nettingverein barungen Hendricks (1997). 22 Vgl. Boos/Schulte-Mattlcr (1997), S. 476-478. Siehe zu den Nettingvereinbarungen auch Schieren beck (1997), S. 322-323, oder Süchting/Paul (1998), S. 504-505. Eine ausführliche Darstellung fin det sich auch bei Botschen (1998), S. 54-60.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
63
4.1.2 Die Erfassung des Kreditrisikos als spezifisches Risiko des Handelsbu ches
Die Eigenmittelunterlegung der spezifischen Risiken des Handelsbuches soll dieje nigen Risiken aus Marktpreisschwankungen von Zinsinstrumenten, Aktien und Finanzderivaten23 abdecken, die ihre Ursache in der spezifischen Bonität des je weiligen Emittenten haben. Zur Abdeckung des spezifischen Risikos von Zins instrumenten muß die ermittelte Zinsnettoposition allgemein mit 8% Eigenmit teln24 unterlegt werden. Für Emissionen von Staaten und Zentralbanken der Zone
A gilt ein Anrechnungsfaktor von 0%, „qualifizierte“ Emissionen von bestimmten Emittenten (vor allem öffentliche Schuldner, multilaterale Entwicklungsbanken, bei Erfüllung bestimmter Kriterien auch andere Schuldnern) müssen laufzeitab hängig mit 0,25% (bis sechs Monate Restlaufzeit), 1,00% (über sechs Monate bis zwei Jahre) bzw. bei längerer Restlaufzeit mit 1,60% Eigenmitteln unterlegt wer den.25
Der Eigenmittelbedarf für spezifische Risiken von Aktienpositionen wird auf Grundlage der Bruttogesamtposition ermittelt, die grundsätzlich mit 8% unterlegt werden muß, für liquide Aktien hoher Anlagequalität wird ein geringerer Satz von 4% angerechnet, Indexkontrakte müssen mit 2% Eigenmitteln unterlegt werden.26 Eine explizite Unterlegung des spezifischen Risikos von Option wird nur dann - in Höhe von 8% - verlangt, wenn das sogenannte vereinfachte Standardverfahren verwendet wird.27 Im Unterschied zu den Adressenausfallrisiken des Anlagebuchs darf die Eigen mittelunterlegung für spezifische Kursrisiken des Handelsbuches auch mittels bankaufsichtlich genehmigter eigener Risikomodelle ermittelt werden. Der sich
23 Ausgenommen sind Zins- und Währungsswaps, FRA’s, Forward-Devisenkontrakte sowie Futures auf einen Zinsindex und Zinsfutures, für die keine Eigenmittelunterlegung für das spezifische Ri siko gefordert wird. Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1996), S. 17-18. 24 Das Kern- und Ergänzungskapital (haftendes Eigenkapital) bilden zusammen mit den Drittrang mitteln die Eigenmittel, die zur Unterlegung von Marktpreisrisiken verwendet werden können. Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 75. 25 Vgl. hierzu Basie Committee on Banking Supervision (1996a), S. 9-10, Schierenbeck (1997), S. 307-308, Süchting/Paul (1998), S. 551, Tegeder (1998), S. 166-170. 26 Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1996a), S. 19. - Der neue Grundsatz I BAKred weicht insofern von der Baseler Regelung ab, als entspechend der Kapitaladäquanzrichtlinie die Bruttogesamtposition nur mit 4%, „qualifizierte“ Emissionen mit 2% und Aktienindexpositionen mit 0% unterlegt werden müssen. Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 73. 27 Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1996a), S. 32, Schierenbeck (1997), S. 308-309.
64
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
ergebende Risikowert für spezifische Kursrisiken muß mit dem Faktor 4 oder ei nem höheren Faktor multipliziert werden, der auch etwaige Modell- und Orga nisationsrisiken abdecken soll.28 Banken, die interne Risikomodelle für die Bestimmung der Eigenmittelunterlegung für spezifische Risiken nutzen möchten, müssen über die Kriterien für den Einsatz von Modellen für das allgemeine Marktrisiko hinaus zusätzliche Anforderungen erfüllen. Die Risikomodelle müssen die historischen Preisveränderungen im Port folio erklären, nachweisbar Konzentrationsrisiken erfassen, robust gegenüber geänderten Marktbedingungen sein und durch Backtesting dahingehend geprüft werden, daß sie das spezifische Risiko akkurat erfassen. Darüber hinaus müssen die betroffenen Banken nachweisen, daß die verwendeten Methoden in der Lage sind, „event risks“ und „default risks“ der gehandelten Eigen- und Fremdkapital positionen adäquat zu erfassen.29
Die Nutzung interner Modelle zur Ermittlung der Kapitalanforderungen für spe zifische Kursrisiken ist „at the frontier of thinking about regulatory capital and about internal capital allocation“, da die Fragen und Probleme der Modellierung von Kreditrisiken von Anleihen und Aktien denen sehr nahe stehen, mit denen Banken bei der Modellierung von Kreditrisiken in ihren Kredit- und Kreditderi vateportfolios konfrontiert werden. Hinzu kommt, daß das spezifische Risiko Ele mente sowohl des Kreditrisikos als auch des Marktrisikos enthält, so daß sich hier erste Ansätze einer integrierten Kapitalnorm für das Gesamtbankrisiko zeigen.30
4.1.3 Die Erfassung des Kreditrisikos in Form der Adressenausfallrisiken des Handelsbuches Als Adressenausfallrisiken des Handelsbuches werden nach der Kapita ladäquanzrichtlinie Risiken erfaßt, die sich aus dem Ausfall von Kontrahenten ergeben. Im einzelnen sind dies das Abwicklungsrisiko, das Vorleistungsrisiko, das Adressenausfallrisiko von Pensions- und Wertpapierleihgeschäften und aus
28 Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 74-75. 29 Vgl. Das Baseler Marktrisikopapier sieht den Faktor in Höhe von vier für Banken vor, die zwar die Bedingungen für den Einsatz interner Risikomodelle erfüllen, die jedoch nicht über Methoden ver fügen, um „event risks“ und „default risks“ adäquat zu erfassen. Vgl. hierzu und den Kriterien die „textual changes“, Basic Committee on Banking Supervision (1996a). 30 Vgl. zu diesen Ausführungen Hendricks/Hirtle (1997), S. 9.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
65
OTC-Derivaten31 sowie Risiken, die sich aus Einnahmen von Gebühren, Provi sionen, Zinsen, Dividenden und Einschüssen ergeben.32 Da es sich um Risiken des
Handelsbuches handelt, stehen für ihre Unterlegung auch die Drittrangmittel zur Verfügung. Die Eigenmittelunterlegung des Vorleistungsrisikos, des Adres senausfallrisikos von Pensions- und Wertpapierleihgeschäften, des Adressenaus fallrisikos aus OTC-Geschäften und der Risiken aus Gebühren, Provisionen, Zin sen, Divdenden und Einschüssen wird ermittelt, indem die nach der Marktbewertungs- (für OTC-Derivate zwingend) oder Laufzeitmethode berechneten bo nitätsgewichteten Kreditäquivalenzbeträge mit dem Eigenmittelunterlegungssatz von 8% multipliziert werden. Für Abwicklungsrisiken gilt ein vereinfachtes Ver fahren und ein Standardverfahren, die sich beide nach den versäumten Liefertagen richten.33
4.1.4 Die Erfassung von Großkreditrisiken
Das Großkreditrisiko stellt zwar kein eigentliches Kreditrisiko dar, soll hier aber wegen seiner Bedeutung bei Portfoliobetrachtungen erwähnt werden. Während der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht zwar auf die besondere Bedeutung von Konzentrations- und Klumpenrisiken hingewiesen hat, bestehen zur Zeit jedoch keine einheitlichen internationalen Normen, die auf die Begrenzung dieser Risiken ab zielen.34 Die EU-Großkreditrichtlinie definiert Großkredite als Kredite an einen Kreditnehmer, die insgesamt 10% oder mehr der eigenen Mittel (Kern- und Ergän zungskapital) einer Bank betragen. Dabei ist der einzelne Großkredit auf 25% der eigenen Mittel beschränkt, alle Großkredite einer Bank dürfen zusammen nicht mehr als das achtfache der eigenen Mittel betragen. Entsprechend der Solvabili
31 Vgl. zu den Adressenausfallrisiken von Pensions- und Wertpapierleihgeschäften und aus OTCDerivaten des Handelsbuches entsprechend auch die Ausführungen zur Erfassung der Adressen ausfallrisiken aus traditionellen bzw. derivativen bilanzunwirksamen Geschäften des Anlagebuches in Kap. 4.1.1. 32 Der deutsche Grundsatz I BAKred erfaßte die letztgenannten Risiken schon vor der 6. KWGNovelle, lediglich das Abwicklungs- und Vorleistungsrisiko wurden neu aufgenommen. Vgl. Boos/Schulte-Mattler (1997), S. 478-479. 33 Siehe zu den jeweiligen Methoden zur Bestimmung der Eigenmittelunterlegung z.B. Boos/SchulteMattler (1997), Schierenbeck (1997), S. 373-375, oder Süchting/Paul (1998), S. 505-506. 34 Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1991); siehe auch Bonn (1998), S. 381.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
66
tätsrichtlinie ist für bestimmte Geschäfte eine Anrechnung mit einer verminderten Adressengewichtung möglich.35
Die folgende Abbildung 4.1 zeigt die bankaufsichtliche Erfassung von Kreditrisi ken im Überblick.
Bankaufsichtliche Erfassung von Kreditrisiken
Krec^
Kreditrisiken des Handelsbuches
Adressenausfallrisiken aus bilanzwirksamen Geschäf
ten
Spezifische Risiken aus Aktienpositionen
Adressenausfallrisiken aus traditionellen bilanzunwirk samen Geschäften
Spezifische Risiken aus Zinspositionen
Adressenausfallrisiken aus derivativen bilanzunwirksamen Geschäften
Adressenausfallrisiken des Handelsbuches
Abb. 4.1: Bankaufsichtliche Erfassung von Kreditrisiken (eigene Darstellung)
35 Vgl. hierzu Schierenbeck (1997), S. 354, ausführlich auch Botschen (1998), S. 66-74, Boos/Ramloch (1998) oder Rolfes (1999), S. 462-469.
Die Kreditrisikoregulierung
des
Baseler Akkords von 1988
4.2
Kritik der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords und Implikationen für das Kreditrisikomanagement
4.2.1
Die Veränderung der Rahmenbedingungen der Kreditrisikoregulie rung
67
Die Entwicklungsstufen bankaufsichtlicher Eigenkapitalnormen unterliegen nach BURGHOF „einem relativ kontinuierlichen Anpassungsprozeß an sich verändernde technologische Bedingungen und Marktverhältnisse“, wobei sich die Weiterent wicklungen an den Risikogestaltungsmöglichkeiten der Bankmanager orientie ren.36 Vor der Liberalisierung und Deregulierung der nationalen und internatio nalen Finanzmärkte beschränkten sich die Risikogestaltungsmöglichkeiten der Banken in erster Linie auf eine Ausweitung des Geschäftsvolumens. Insofern wa ren einfache Bilanzstrukturnormen in dieser Periode aus Sicht der Bankenaufsicht ausreichend, um die Verhaltensrisiken der Bankmanager zu begrenzen. Die Verän derungen der Marktbedingungen - steigender Wettbewerb und geringeres Wachs tum, die verstärkte Nutzung moderner Finanzinstrumente - verlangen und ermögli chen aber zunehmend eine aktivere Risikopolitik der Banken. Hinzu kommt, daß durch die Liberalisierung der internationalen Märkte Banken und andere Finanzin termediäre miteinander in Wettbewerb stehen, die sich in ihrer Geschäfts- und Risikostruktur unterscheiden.37
Die Einführung risikobasierter Kapitalanforderungen durch den Baseler Akkord war vor diesem Hintergrund die adäquate Weiterentwicklung der bankaufsichtli chen Instrumente, da die Risikogestaltungsmöglichkeiten der Banken berücksich tigt wurden und die neue Nonn auch in der Lage war, Banken mit unterschiedli chen Geschäfts- und Risikostrukturen zu erfassen38. Dies gilt über zehn Jahre nach Einführung des Baseler Akkords von 1988 nicht mehr uneingeschränkt. Zum einen hat sich das Wettbewerbsumfeld stark gewan delt: Der internationale Wettbewerb umfaßt nun gleichermaßen Industrieländer und Emerging Markets-Länder, wobei auch Märkte, die vorher reine Inlands märkte waren, betroffen sind. Dabei hat sich auch die Beziehung zwischen den
36 Burghof (1998), S. 116-117. 37 Vgl. zu diesen Ausführungen Burghof (1998), S. 106-107. 38 Vgl. Burghof (1998), S. 110-111.
68
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
Banken und ihren Kunden geändert: Die Top-Adressen wenden sich verstärkt den Kapitalmärkten zu, wodurch das traditionelle Kreditgeschäft der Banken - in un terschiedlichem Ausmaß in verschiedenen Ländern - zurückgedrängt wird. Hinzu kommt der Eintritt von großen Kapitalsammelstellen und Nichtbanken in den Markt, die den Banken ihren bisherigen komparativen Vorteil bei der Übernahme von Kreditrisiken streitig machen. Beispiel ist hier der Eintritt der Invest mentbanken in das Syndizierungsgeschäft Mitte der neunziger Jahre, wodurch großer Druck auf die Margen entstand. Der steigende internationale Wettbewerb und die Konkurrenz durch Nichtbanken stellen hohe Anforderungen an einen zu künftigen Kapitalstandard für Kreditrisiken, soll weiterhin das Ziel eines „level playing field“ angestrebt werden. Dabei ist zumindest fraglich, inwieweit ein „onesize-fits-all“-Ansatz dies leisten kann.39
Die fortschreitende Entwicklung der Kreditmärkte hin zu liquiden Märkten, der zunehmende Einsatz von Kreditderivaten und die Verbriefung von Kreditforde rungen, die risikobasierte Bepreisung von Krediten, ein aktives Kreditportfolio management und die Integration von Marktrisiko- und Kreditrisikokonzepten zu einem Gesamtrisikokonzept kennzeichnen darüber hinaus die Entwicklungslinien, die der Kreditintermediation neue Konturen geben (werden).40 Grundlage dieser Neuerungen ist vor allem die Entwicklung robusterer und genauerer Methoden der Kreditrisikomessung in den letzten Jahren.41
Nachdem die Banken Anfang der neunziger Jahre hohe Verluste aus dem Kredit geschäft tragen mußten, entwickelten sie neue Methoden und Instrumente, die die Risiken und die Ertragsmöglichkeiten aus dem Kreditgeschäft besser erfassen sollen. Hierzu gehören interne Kreditratingsysteme, die Analyse historischer Ver lustraten, Ausfallwahrscheinlichkeits-Modelle, Kreditportfoliorisikomodelle und Stress-Tests. Diese neueren Ansätze zur Erfassung und Analyse von Kreditrisiken zeichnen sich im Vergleich zu Marktrisikomodellen durch einen hohen Komplexi tätsgrad und hohe Anforderungen an die benötigten Daten aus, da die Erträge im Kreditgeschäft asymmetrisch sind und Zyklen unterliegen.42
39 Vgl zu diesen Ausführungen McDonough (1999b), S. 132-133. 40 Vgl. zu den Entwicklungslinien Krumnow (1999), S. 120,11F (1998), S. 14. 41 IIF (1998), S. 15-19. Einen sehr guten Überblick über die Entwicklung der Kreditrisikomessung geben Altman/Saundcrs (1998). Siehe auch Oelrich/Stocker (1998) und Drzik/Strothe (1997). 42 Vgl. hierzu McDonough (1999b), S. 133-134. - Die Kreditrisikomodelle werden in Kap. 6 genauer erläutert.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
69
Die Fortschritte im Kreditrisikomanagement gehen aber über die Modellierung von Kreditrisiken hinaus. Der Einsatz von Kreditderivaten, die Verbriefung von Kreditforderungen und die risikobasierte Bepreisung von Krediten eröffnen die Möglichkeit der aktiven Kreditportfoliosteuerung. Kreditderivate machen Kredit risiken handelbar, ohne die zugrundeliegende Transaktion und die Kundenbe ziehung zu beeinflussen.43 Durch die Verbriefung werden Kredite aus der Bank bilanz gelöst und handelbar gemacht.44 Beide Instrumente sind geeignet, die Li quidität der Kreditmärkte zu erhöhen, und ermöglichen eine effiziente Risikoal lokation in den Kreditportfolios.
KRUMNOW spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem „Kulturwandel“: „Bedeutet der Übergang von der Einzelkreditfokussierung zur Port foliobetrachtung bereits einen ‘Kulturwandel’, so trifft dies um so mehr auf das aktive Management von Kreditportfolios zum Zweck ih rer Risk-Retum-Optimierung zu. Modernes Kreditrisikomanagement und die Nutzung von Kreditderivaten, ABS-Transaktionen sowie an deren Instrumenten eines aktiven Portfoliomanagments werden [.] zu einer Re-Modellierung der ‘Kreditvergabepolitik’ bei Finanzinstitu ten führen. Die Betrachtung der risikoadjustierten Erträge sowie die effiziente Kapitalnutzung wird in den Mittelpunkt der Überlegungen treten und nicht mehr das Bilanzsummen Wachstum oder das alleinige Streben nach Marktanteilen“.45
Die Fortschritte in der Messung und Steuerung von Kreditrisiken, die Entwicklung und der Einsatz neuer Kreditinstrumente sowie die geänderten Marktbedingungen führen zunehmend dazu, daß die bestehende bankaufsichtliche Regelung die Risi kogestaltungsmöglichkeiten der Banken nur noch in einer für beide Seiten unzurei chenden Weise erfassen können.46 Während aus Sicht der Bankenaufsicht die Ge fahr besteht, daß die entstandenen Umgehungsmöglichkeiten dazu genutzt werden, daß den übernommenen Kreditrisiken nicht mehr in ausreichendem Maß Kapital gegenübersteht, beklagen die Banken, daß die bestehenden Normen eine effiziente Risikosteuerung und die Weiterentwicklung des Risikomanagements behindern.
43 Vgl. zu Kreditderivaten z.B. Hüttemann (1998), Burghof/Henke/Rudolph (1998), Ufer (1998), Spörk(1998). 44 Vgl. zur Verbriefung bankeigener Forderungen z.B. Bund (2000). 45 Krumnow (1999), S. 125. 46 Siehe z.B. Artopoeus (1999a), S. 144.
70
Die Kreditrjsikoreguuerung des Baseler Akkords von 1988
4.2.2 Kritische Analyse der Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords
In den folgenden Abschnitten werden die wesentlichen Schwachpunkte der be stehenden Kreditrisikoregulierung aufgezeigt und diskutiert. Diskussionsbedarf besteht aufgrund der in Kapitel 3.3 aufgezeigten möglichen Zielkonflikte und konkurrenzen - sowohl zwischen einzelnen Kriterien als auch zwischen den ver schiedenen beteiligten Interessengruppen. Die Kritik am Baseler Akkord und den anderen relevanten Regulierungsnonnen wurde bisher naturgemäß am stärksten von den Interessengruppen vorgebracht, die sich durch diese Regelungen am mei sten in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt fühlen: den großen international tätigen Finanzinstituten, die in komplexen Geschäftsbereichen tätig sind und be reits über ein gut ausgebautes Risikomanagement verfügen.47 Auf Seiten der Ban kenaufsicht wird zwar generell bestätigt, daß der Baseler Akkord reformbedürftig ist, jedoch bestehen - nach außen hin weniger sichtbar - vor allem zwischen den europäischen und den US-amerikanischen Institutionen Meinungsunterschiede hinsichtlich der Art und der Geschwindigkeit, in der die Reform durchgeführt werden sollte. Während die europäische Seite wohl eher zunächst eine Anpassung des bestehenden Rahmens favorisiert, sind von US-amerikanischer Seite Stimmen zu vernehmen, denen eine Anpassung innerhalb des bestehenden „one-size-fitsall“-Rahmens - z.B. die Einführung detaillierterer Risikoklassen - als nicht aus reichend erscheint.48 Die Beurteilung des Baseler Akkords und der Alternativen, die in den späteren Kapiteln vorgestellt werden, soll im Rahmen dieser Arbeit anhand der aus dem marktorientierten Ansatz abgeleiteten Kriterien erfolgen.
47 Vor allem zwei Publikationen beschäftigen sich in detaillierterer Form mit den möglichen Kritik punkten am Baseler Akkord: ISDA (1998) „Credit Risk And Regulatory Capital“ sowie Institute of International Finance (1998) „Report of the Working Group on Capital Adequacy: Recommenda tions for Revising the Regulatory Capital Rules for Credit Risk“. Die International Swaps and De rivatives Association (ISDA) ist mit ca. 370 Mitgliedern cine der führenden Handelsvereinigungen, zu der die weltweit größten Institute gehören, die im Derivatebereich tätig sind. Nähere In formationen siehe http://www.isda.org/. Das Institute of International Finance (IIF) vertritt vor allem die Interessen der weltweit größten Commercial Banks, zu ihren Mitgliedern zählen jedoch auch Investmentbanken, Versicherungsunternehmen u.ä. Siehe http://www.iif.com/. 48 Vgl. exemplarisch für die europäische Haltung Meister (1998c) und (1998d), für die Einführung weiterreichender Maßnahmen z.B. Greenspan (1998a) und McDonough (1999b).
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
4.2.2.1
71
Was soll durch (Eigen-)Kapital abgedeckt werden?
Der Baseler Akkord verlangt, daß die gemessenen und nach Risikoklassen ge wichteten Risiken mit mindestens 8% Eigenkapital unterlegt werden müssen. „Dies bedeutet, daß in den einzelnen Risikoklassen von einer Ausfallwahrscheinlichkeit der jeweiligen Adressen von durchschnittlich 8%, 5,6%, 4%, 1,6%, 0,8% bezie hungsweise 0% ausgegangen wird“ [Kursivierung durch den Autor].49 Die Kapitalunterlegung der Kreditrisikopositionen wird hier also in Verbindung mit durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten einzelner Risikoklassen ge bracht. Insofern wird hier vom erwarteten Verlust aus Kreditrisikopositionen aus gegangen, der durch Eigenkapital abgedeckt werden soll. Der erwartete Verlust in Verbindung mit einem Risikofaktor ist das Produkt aus der Ausfallwahrschein lichkeit und dem Verlustbetrag bei Ausfall („loss given default“).50 Der erwartete Verlust ist jedoch kein Risikomaß im engeren Sinne, vielmehr stellt er einen geeig neten Schätzwert für die ökonomischen Kosten dar, die mit dem Exposure gegen über einem bestimmten Risikofaktor - hier dem Kreditrisiko - verbunden sind. Das Kreditrisiko im engeren Sinne umfaßt dagegen nur den Teil der Verluste, der vom Erwartungswert abweicht - ausgedrückt etwa durch die Varianz des erwar teten Verlustes.51
Der erwartete Verlust bzw. die erwarteten ökonomischen Kosten des Kreditrisikoexposures sollte(n) im Sinne eines „Risikoaufschlags“ in die Bepreisung der Kredite eingehen bzw. durch Wertberichtigungen berücksichtigt werden. Aufgabe des (Eigen-)Kapitals dagegen sollte es vielmehr sein, die möglichen unerwarteten Verluste aufzufangen, d.h. die tatsächlichen Ausprägungen der Verluste, die vom Erwartungswert - der nur einen statistischen Durchschnitt repräsentiert - abwei chen, und somit u.U. nicht durch den Risikoaufschlag abgedeckt sind.52
49 Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 68. Die Aussage bezieht sich auf die in Deutschland ver wendeten sechs Risikoklassen, der Baseler Akkord geht nur von vier Risikoklassen aus. Dies hat jedoch für die folgenden Ausführungen keine Bedeutung. 50 Vgl. z.B. Bessis (1998), S. 69 u. 99-100. 51 Vgl. zu diesen Ausführungen Shepheard-Walwyn/Litterman (1998), S. 13. Siehe auch Manz (1998), S. 167-168. 52 Vgl. hierzu etwa Shepheard-Walwyn/Litterman (1998), S. 13, Bessis (1998), S. 69, Burghof (1998), S. 159, FN 161, mit weiteren Literaturangaben, Nishiguchi/Kawai/Sazaki (1998), S. 83. Siehe auch Baetge (1998), insb. S. 21-26.
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Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
Die Aufteilung der möglichen Verluste in erwartete und unerwartete Verluste ent spricht der Methodik der bankintemen Kapitalallokationsmodelle, die das ökono mische Kapital („economic capital“) für das Kreditrisiko bestimmen.53 Das öko nomische Kapital für das Kreditrisiko wird dergestalt festgelegt, daß die geschätzte Wahrscheinlichkeit, daß die unerwarteten Verluste das ökonomische Kapital über steigen, unterhalb der von der Bank angestrebten „Ziel-Insolvenzrate“ liegt. Das adäquate ökonomische Kapital für das Kreditrisiko ist dann der Betrag an Eigen kapital, der über die Abdeckung der erwarteten Verluste hinaus notwendig ist, um die Ziel-Insolvenzrate zu erreichen. Die Methodik dieser internen Kapitalallokati onsmodelle für Kreditrisiken entspricht weitgehend der im Marktrisikobereich verwendeten Value-at-Risk-Methode.54 Diese Unterscheidung in erwartete und unerwartete Verluste wird im Baseler Ak kord nicht systematisch berücksichtigt. Während sich die Kapitalunterlegung an durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten einzelner Risikoklassen orientiert und damit an erwarteten Verlusten, wird an anderer Stelle des Baseler Akkords die Verlustausgleichsfunktion des Kapitals jedoch auf „unidentified losses“ bezogen, was eher den unerwarteten Verlusten entspricht:
„Where, however, provisions have been created against identified los ses or in respect of a demonstrable deterioration in the value of parti cular assets, they are not freely available to meet unidentified losses [Kursivierung durch den Autor] which may subsequently arise else where in the portfolio and do not possess an essential characteristic of capital“.55
Die Bemessung der bankaufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen auf der Grund lage durchschnittlicher Ausfallwahrscheinlichkeiten einzelner Risikoklassen er scheint vor dem diesem Hintergrund nicht sinnvoll. Zur sachgerechten und effekti ven Risikobegrenzung sollten bankaufsichtliche Kapitalanforderungen mit Hin blick auf die Systemsicherung darauf ausgerichtet sein, daß die unerwarteten Ver luste bis zu einem vorgegebenen Sicherungsniveau aufgefangen werden können.56 Dabei ist jedoch unter Praktikabilitätsgesichtspunkten zu bedenken, daß zur Zeit noch längst nicht alle Banken über ausgebaute Kapitalallokationsmodelle verfü 53 Vgl. zum ökonomischen Kapital z.B. Overbcck/Stahl (1998), S. 100-101, Mingo (1998b), S. 50. Bei der Behandlung der Kreditrisikomodclle wird hierauf noch näher eingegangen. 54 Vgl. zu diesen Ausführungen Jones/Mingo (1998b), S. 54. 55 Basie Committee on Banking Supervision (1988), S. 5, § 18. Siehe auch Matten (1997), S. 7. 56 Vgl. Rudolph (1999), S. 114.
Die Kreditrisikoregulierung
des
Baseler Akkords von 1988
73
gen, die die Ermittlung des unerwarteten Verlustes erlauben, und darüber hinaus eine risikoadäquate Bepreisung im Kreditmarkt selten erzielt wird57, so daß das Eigenkapital u.U. auch erwartete Verluste abdecken muß.
4.2.2.2 Die Einteilung der Risikoklassen und die Adressengewichtung des Baseler Akkords
Im Mittelpunkt der Kritik an der bestehenden Kreditrisikoregulierung steht die bei der Ausgestaltung bewußt einfach gehaltene58 Einteilung der Kreditrisikoexposures in Risikoklassen.59 Generell werden die vier Risikoklassen60, in die die einzel nen Instrumente eingeteilt werden, als nicht differenziert genug angesehen. Hinter grund der Kritik ist vor allem die Weiterentwicklung der bankintemen Ratingsy steme, anhand derer die Kreditnehmer im Firmenkundengeschäft in unterschiedli che Bonitätsklassen eingeteilt werden.61 Diese bankinternen Ratingsysteme umfas sen häufig bis zu zehn, teilweise sogar bis zu über zwanzig verschiedene Einstu fungsmöglichkeiten62, so daß im Vergleich zu den bankaufsichtlichen Vorgaben eine wesentlich differenzierte Betrachtung der Kreditnehmer möglich ist. Insbe sondere die bankaufsichtliche Gleichbehandlung aller Kredite an private Kredit nehmer, die generell mit 100% angesetzt werden müssen, macht deutlich, daß eine differenziertere Einteilung der Risikoklassen unabdingbar sein wird: Kredite an ,,AAA“-geratete Unternehmen müssen unter der bestehenden Kapitalnorm genauso mit 8% Eigenkapital unterlegt werden wie Kredite an Unternehmen mit einem hohen Ausfallrisiko oder ungesicherte Kredite an Privatpersonen.63 Die durch diese zu undifferenzierte Einstufung hervorgerufenen Anreize zur Regulierungs-
57 Siehe zum Entwicklungsstand des Kreditrisikomanagements Teschner (1998). - Machauer/Weber (1998), S. 10-12, können jedoch in ihrer Untersuchung von fünf deutschen Großbanken einen sta tistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Qualität des Kreditnehmers und Risikoprämie be legen. 58 Vgl. Basie Committee on Banking Supervision (1998), S. 8. 59 Vgl. z.B. Greenspan (1998a), S. 17, Meyer (1998a), ISDA (1998a), S. 4, Mingo (1998a), S. 65-66, Artopocus (1999a), S. 144, Meister (I998e), S. 102. 60 Hierbei wird die in den jeweiligen nationalen Umsetzungen mögliche weitere Unterteilung (Deutschland hat z.B. sechs Risikoklasscn) nicht betrachtet, da das Grundprinzip des Baseler Ak kords nicht geändert wird. 61 Vgl. IIF (1998), S. 38. 62 Die Angaben beziehen sich auf die Top-50-Banken in den USA. Vgl. Jones/Mingo (1998a), S. 12. Empirische Daten zu internen Ratingsystemen finden sich auch in Treacy/Carey (1998) und Brady/English/Nelson (1998). Siehe für Deutschland Weber/Krahnen/Voßmann (1999), S. 123-125. 63 Vgl. ISDA (1998a), S. 4.
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Die Kredo risikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
arbitrage - die sich z.B. in der Tendenz ausdrücken kann, Kredite mit niedrigeren Ausfallrisiko durch solche mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit, die über den ange setzten 8% liegt, zu substituieren - wurden in Kapitel 2.2.3.2 schon geschildert.
Bezieht man die von der Bankenaufsicht festgelegte Kapitalunterlegung von 8% für Kredite an private Kreditnehmer nur auf das Kreditrisiko, erscheint die damit entsprechend verbundene durschschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit in dieser Risikoklasse von 8% vergleichsweise hoch. Übersetzt in die Kategorien der Ra tingagenturen entspricht diese Ausfallwahrscheinlichkeit ungefähr einem „B“-Rating, während z.B. „A“-geratete Schuldner eine ungefähre jährliche Ausfallrate von ca. 0,08% haben, „Aaa“-geratete Schuldner sogar nur von 0,02%.64
Moody’s Rating
Aaa Aa A Baa Ba B
Jährliche Ausfallraten
0,02% 0,04% 0,08% 0,20% 1,80% 8,30%
Tab. 4.2: Jährliche Ausfallraten und Ratings65
Der Vergleich der jährlichen Ausfallraten von gerateten Unternehmen mit der von der Bankenaufsicht angenommenen durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit von 8% für Kredite an den privaten Sektor ist jedoch nur eingeschränkt aussage kräftig. Zum einen wird die bestehende Kapitalnorm zwar am Adressenausfallri siko festgemacht, sie soll aber auch die bankaufsichtlich nicht erfaßten Risiken implizit mit abdecken.66 Aus diesem Grund ist zu vermuten, daß sich im allgemei nen aus einer derart gestalteten Risikobegrenzungsnorm, die nicht nur ein Risiko umfaßt, höhere Kapitalanforderungen ergeben, als bei der Unterlegung von Expo sures gegenüber nur einem Risikofaktor. Zum anderen muß berücksichtigt werden, daß gerade die Schuldner mit guter bzw. einwandfreier Bonität über Alternativen
64 Diese Angaben beziehen sich auf Daten von Moody’s. Sie können nur einen qualitativen Eindruck vermitteln, da die tatsächlichen Ausfallraten von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein können. Vgl. hierzu Bessis (1998), S. 90-94. 65 Quelle: Bessis (1998), S. 92. 66 Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 68.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
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zum Bankkredit verfügen und sie - zumindest in einigen Ländern67 - verstärkt nutzen. In dem Maße, wie diese Schuldner weniger in den Kreditportfolios der Banken vertreten sind, erhöht sich auch die durchschnittliche Ausfallwahrschein lichkeit der Portfolios.68
Die Einstufung aller Kreditnehmer des privaten Sektors in eine Risikoklasse ohne Berücksichtigung der individuellen Ausfallwahrscheinlichkeiten führt in der Ten denz dazu, daß Banken zwar sehr ähnliche Solvabilitätskoeffizienten aufweisen, ihre Risikoprofile jedoch sehr unterschiedlich sein können. Ist es Banken z.B. möglich, mittels Verbriefung und Kreditderivaten sogenanntes „cherry picking" zu betreiben, können sie Kredite hoher Qualität aus ihrem Portfolio entfernen, für die die bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen die ökonomischen Kapitalanfor derungen übersteigen. Das verbleibende Kreditportfolio setzt sich dann im Ex tremfall nur noch aus Krediten zusammen, deren ökonomisches Kapital den ban kaufsichtlichen Kapitalanforderungen genau entspricht bzw. diese übersteigt. Die achtprozentige Kapitalunterlegung wäre dann für ein solches Kreditportfolio unzu reichend, obwohl der Solvabilitätskoeffizient den regulatorischen Anforderungen entspricht.69
Diese Arbitragemöglichkeiten lassen sich bei standardisierten, bewußt einfach gehaltenen Regelungen nicht vermeiden.70 Eine Erhöhung der Anzahl der Risi koklassen71 kann zwar zu einer Annäherung von ökonomischem Kapital und ban kaufsichtlichen Kapitalanforderungen führen, letztendlich werden aber solange Arbitragemöglichkeiten bestehen, wie nicht jedes Kreditrisiko exakt erfaßt werden kann.
67 Schmidt/Hackethal/Tyrell (1998) haben in einer empirischen Untersuchung festgestellt, daß sich in Deutschland und Großbritannien im Gegensatz zu Frankreich zwar kein Trend zur Disintermedia tion erkennen läßt, jedoch bestätigen sie eine allgemeine Tendenz zur Verbriefung von Vermö genswerten. 68 Mcrton/Bodie (1993) und Grenadier/Hall (1996) verwenden in ihren Untersuchungen JunkbondIndizes als Ersatzvariable für das kommerzielle Kreditgeschäft der Banken, da sie davon ausgehen, daß der typische Kreditnehmer das kleinere, weniger kreditwürdige Unternehmen ist. 69 Vgl. zu diesen Ausführungen Meyer (1998c), S. 5. Eine entsprechende Einschätzung findet sich auch in Basie Committee on Banking Supervision (April 1999b), S. 3-4, an gleicher Stelle, S. 2126, wird auch auf unterschiedliche Formen der Kapitalarbitrage eingegangen. 70 Vgl. ISDA (1998a), S. 4. 71 Dieser Ansatz wird z.B. von Meister (1999a), S. 150, vorgeschlagen, wobei er jedoch zu bedenken gibt, daß geeignete Abgrenzungskriterien für diese erweiterten Risikokategorien gefunden werden müssen.
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Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
Für sich betrachtet erscheint auch die Obergrenze von höchstens 50% bei der Adressengewichtung von Finanzinnovationen inkonsistent, der damit begründet wird, daß in diesem Segment nur Marktteilnehmer erster Bonität agieren, während diese Differenzierung jedoch bei privaten Kreditnehmern erster Bonität - z.B. anhand eines Ratings - nicht vorgenommen wird.72 Sieht man von der natürlich willkürlichen Festlegung der Obergrenze ab, ist dieser Ansatz jedoch zumindest im Rahmen der bestehenden Regulierung, bei der nicht auf Ratings zurückgegriffen wird, vertretbar. Die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit in diesem Markt segment dürfte in der Regel tatsächlich niedriger sein als im Kreditmarkt mit sei nen Schuldnern sehr unterschiedlicher Bonität und die Marktdisziplinierung ist in diesem Bereich im Vergleich zum Kreditmarkt ausgeprägter. Zudem - und das ist vielleicht sogar entscheidend - erscheint im bestehenden Rahmen die Abgrenzung einer Risikoklasse anhand eines gesamten Marktsegments operationaler als z.B. die Einführung einer Risikoklasse für ein Teilsegment „Kredite an Schuldner ho her Bonität“.
Schließlich wird bei der Adressengewichtung des Baseler Akkords nicht berück sichtigt, mit welcher relativen Rangfolge Anleihen ausgestattet sind, die im Anla gebuch gehalten werden. Die bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen werden unabhängig davon bemessen, ob es sich um eine vorrangig oder nachrangig zu bedienende Anleihe handelt, obwohl die „recovery rates“ der beiden Instrumente unterschiedlich sind und damit auch das jeweilige Risiko. Ähnliches gilt auch für die Standardmethoden zur Bemessung des spezifischen Risikos aus Instrumenten, die im Handelsbuch gehalten werden.73 Der Kritik ausgesetzt sind auch die verwendeten Einteilungskriterien für die ver schiedenen Risikoklassen des Baseler Akkords.74 So erscheint die generelle Privi legierung der OECD-Staaten nicht sachgerecht. Während z.B. ein Exposure ge genüber der Türkei als OECD-Staat mit 0% angesetzt wird, wird für Exposures gegenüber China als Nicht-OECD-Staat eine Kapitalunterlegung von 8% verlangt. Die Türkei verfügt dabei jedoch nur über ein „Bl“-Rating von Moody’s, während China ein „A3“-Rating hat und die chinesischen Anleihen mit wesentlich geringe ren Spreads gehandelt werden. Genauso wenig dürfte sachlich zu belegen sein, warum Exposures gegenüber Kreditinstituten aus OECD-Staaten generell nur 20%
72 Vgl. Süchting/Paul (1998), S. 509. 73 Vgl. zu diesen Ausführungen ISDA (1998a), S. 4. 74 Siehe hierzu auch Kap. 3.2.2.5.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
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des Risikos bedeuten, das für Exposures gegenüber Kreditinstituten angesetzt wird, die nicht in einem OECD-Staat ansässig sind.75 Insbesondere wenn hinter dieser Einstufung die Einschätzung steht, daß in den OECD-Staaten im allgemei nen funktionierende Bankenaufsichts- und Einlagensicherungssysteme bestehen,76 könnte es sinnvoller sein, die Einstufung der Kredite an Kreditinstitute direkt an hand der jeweiligen Funktionsfähigkeit der Bankenaufsichtssysteme in den einzel nen Ländern vorzunehmen.
Angriffspunkte liefert auch die statische Messung des Ausfallrisikos im Baseler Akkord. Die Festlegung der Höhe der Kapitalanforderungen auf 8% muß wohl eher als Ergebnis politischer Überlegungen angesehen werden, denn als ökono misch begründet.77 Unabhängig davon sind diese 8% im Jahr 1988 als ausreichend angesehen worden, um die Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems zu gewähr leisten. Dabei ergeben sich jedoch zwei Fragen: Zum einen ist fraglich, ob ein „one-size-fits-all“-Ansatz, der unweigerlich eine statische Bemessung des Ausfall risikos zumindest für einen bestimmten Zeitraum vorgeben muß, auch in ausrei chendem Maß dynamische Veränderungen zumindest der durchschnittlichen Aus fallrisiken erfassen kann. Zum anderen drängt sich dann natürlich die Frage auf, inwieweit gerade diese 8%, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als ausreichend angesehen wurden, noch den tatsächlichen Marktverhältnissen entsprechen, wie sie heute gegeben sind bzw. wie sie sich in näherer Zukunft entwickeln werden.78 Insgesamt ist die absolute Höhe der bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen für Kreditrisiken jedoch nicht als entscheidender Schwachpunkt der bestehenden Re gulierung anzusehen. Von größerer Bedeutung ist zum einen vielmehr, daß sich die Risikogewichtungen des Baseler Akkords innerhalb der jeweiligen Klassen als
75 Vgl. zu diesen Ausführungen ISDA (1998a), S. 4. - Die ISDA geht im Fall von China von Kapi talanforderungen in Höhe von 1,6% aus, nach der europäischen Regelung sind jedoch 8% anzuset zen. 76 Vgl. zu dieser Einschätzung Süchting/Paul (1998), S. 508. 77 Deutlich wird dies auch in den Ausführungen von Peter Cooke, Vorsitzender des Baseler Aus schusses für Bankenaufsicht zur Zeit der Formulierung des Baseler Akkords: „That figure was seatof-the-pants-stuff. Seven and a half percent was what we felt comfortable with, and we added a half a percent cushion for good measure and said 8.“ Zitiert nach Fairlamb (1994), S. 18. 7X Vgl. ISDA (1998a), S. 4. - Vor dem Hintergrund gestiegener systemischer Risiken ist sogar nicht auszuschließen, daß höhere Kapitalanforderungen den tatsächlichen Risiken besser entsprechen würden. Dies könnte zumindest solange der Fall sein, wie die am Adresscnausfallrisiko festge machten Kapitalanforderungcn implizit auch andere, bankaufsichtlich nicht erfaßte Risiken ab decken sollen.
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Die Kreditrjsikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
zu undifferenziert herausgestellt haben - dies gilt wie gesehen insbesondere für Kredite an Nichtbanken. Zum anderen spiegeln die relativen Gewichtungen der einzelnen Risikoklasscn nur unzureichend das Verhältnis der Kreditrisiken der in den jeweiligen Klassen erfaßten Exposures zueinander wider.79
4 .Z.2.3 Nichtsystematische Berücksichtigung von Diversifikationseffekten
Ein weiterer Ansatzpunkt für Kritik an der bestehenden Regulierung ist die nicht systematische Berücksichtigung von Diversifikationseffekten im Kreditportfolio und daraus folgend fehlende regulatorische Anreize für die Banken zur Risikore duzierung durch Diversifikation. Bei der Formulierung des Baseler Akkords sind die Erkenntnisse der Portfoliotheorie80 zwar nicht völlig unberücksichtigt geblie ben, jedoch wurden sic nur in einer sehr pauschalen Weise eingebaut: Die Festle gung der Risikoklassen und der entsprechenden Kapitalanforderungen basiert auf der Annahme, daß Banken risikomäßig breit gestreute Kreditportfolios halten.81 Diese nicht explizite Berücksichtigung von Diversifikationseffekten führt in der praktischen Umsetzung dazu, daß bei der Bestimmung der bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen nicht unterschieden wird zwischen Banken mit gut diversifi zierten Kreditportfolios und solchen, deren Portfolios hohe Konzentrationsrisiken aufweisen.82
Die einfache Aufsummierung der jeweiligen bankaufsichtlichen Kapitalanforde rungen für die einzelnen Adressen zur Gesamtkapitalanforderung für das Adres senausfallrisiko, wie sie die bestehende Norm vorsieht, bietet zum einen den Ban ken aus regulatorischer Sicht keine Anreize, aktiv durch Diversifizierung ihres Kreditportfolios die idiosynkratischen Risiken zu reduzieren. So ist die Höhe der bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen unabhängig davon, ob z.B. das Kredit portfolio einer Bank aus einem einzelnen Kredit in Höhe von 100 Mio. Euro an eine Adresse besteht oder ob es sich um einhundert Einzelkredite in Höhe von 1 Mio. Euro an verschiedene Kreditnehmer aus verschiedenen Branchen handelt.83 Es wird also nicht berücksichtigt, daß die Bank bei dem erstgenannten „Portfolio“ auch das idiosynkratische Risiko des Kreditnehmers in voller Höhe tragen muß,
79 80 81 82 83
Siehe hierzu auch Kap. 4.2.2.7. Siehe zur Portfolio Selcclion-Theorie grundlegend Markowitz (1952) und (1959). Vgl. Deutsche Bundesbank (Mai 1998), S. 68, Houpt (1998), S. 58. Vgl. 1SDA (1998a), S. 9. Vgl. ISDA (1998a), S. 7.
Die Kreditrisikoregulierung des Baseler Akkords von 1988
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während bei dem zweitgenannten Portfolio (außer bei vollständig positiver Kor relation der Risiken) aufgrund des Diversifikationseffektes die idiosynkratischen Risiken zumindest teilweise eliminiert werden können.
Aus diesen Überlegungen folgt zum anderen, daß das bankaufsichtlich relevante Risiko gerade das Risiko ist, daß nicht durch Diversifikation vernichtet werden kann, nämlich das systematische Risiko eines Kreditportfolios. Entscheidend ist also nicht, ob ein Kredit ein hohes idiosynkratisches bzw. unsystematisches Risiko hat, von Bedeutung ist vielmehr, welches systematisches Risiko er aufweist, d.h. wie stark oder schwach die Ausfallrisiken miteinander korreliert sind. Folglich wäre es auch sinnvoll, die Risikogewichtung der mit Kreditrisiken behafteten As sets an ihrem systematischen Risiko zu orientieren und nicht - wie es üblicher weise geschieht - an der Ausfallwahrscheinlichkeit des einzelnen Kredites.84 Die mögliche Schwankungsbreite der Ausfallwahrscheinlichkeit des Einzelkredites in Abhängigkeit von Entwicklungen, die den Gesamtmarkt betreffen, wäre ein mögli cher Ansatzpunkt für die Adressengewichtung, wobei eine niedrige Gewichtung dann nicht für eine niedrige Ausfallwahrscheinlichkeit des Einzelkredits steht, „sondern für eine relative Konstanz der Ausfallwahrscheinlichkeit gegenüber ver änderten Umweltbedingungen.“85
Burghof weist in diesem Zusammenhang daraufhin, daß eine exakte Ermittlung der „theoretisch korrekten“ Risikogewichte86 keine praktikable Lösung darstellt. Die Abgrenzung der Risiken, die durch Diversifikation vernichtet werden können, und der Risiken, die auch im Marktportfolio bestehen bleiben, gestaltet sich in der Praxis sehr schwierig, da sich der relevante Markt kontinuierlich verändert und nur näherungsweise, z.B. über Indizes, beschrieben werden kann. Bei der Schätzung der systematischen und der unsystematischen Komponenten des Risikos ergeben sich daher große Probleme.87 Jedoch hält BURGHOF eine praktikable Lösung in Form einer Orientierung der Risikogewichtung am systematischen Risiko für erstrebenswert, die allerdings durch ein Diverfikationsgebot, das auf das idiosynkratische Risiko abzielt, ergänzt
84 Vgl. zu diesen Ausführungen Burghof/Rudolph (1996), S. 144. 85 Burghof/Rudolph (1996), S. 150. - Das Kreditrisikomodell „CreditRisk+“ verwendet explizit als Input die Volatilität der Ausfallwahrscheinlichkeiten. Siehe hierzu ausführlich Kap. 6.1. 86 Rochet (1992), Kim/Santomero (1988) und Gjerde/Scmmen (1995) haben in Modellen gezeigt, wie die theoretisch korrekten Risikogewichte ermittelt werden sollten. 87 Vgl. hierzu Burghof (1998), S. 159.
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werden müsse. Ein solches Diversifikationsgebot sei notwendig, da selbst bei einer Verwendung von „theoretisch korrekten“ Risikogewichten Bankmanager das Ri siko ihrer Bank über das von der Aufsicht angestrebte Niveau anheben können, indem sie ihr Kreditportfolio nur aus wenigen Krediten zusammenstellen und somit idiosynkratische Risiken übernehmen, die nicht durch die am systematischen Risiko orientierten Risikogewichte erfaßt werden.88 Daher ist zu berücksichtigen, daß eine auf die Solvenz der Einzelinstitute ausgerichtete Bankenaufsicht bei einer Orientierung am systematischen Risiko generell fehllaufen würde, wenn die Ban ken nicht gut diversifizierte Portfolios halten, da in diesen Fällen auch das unsy stematische Risiko die Insolvenzwahrscheinlichkeit einer Bank beeinflußt. Eine Risikozerfällung im Kreditportfolio wird - soweit vorhanden - zwar durch die Beschränkung der Großkreditvergabe auf einen bestimmten Prozentsatz des Eigenkapitals verlangt.89 Damit ist jedoch kein Diversifikationsgebot vorgegeben, da nicht unterschieden wird, ob sich das Portfolio aus z.B. einhundert Einzelkredi ten an Kreditnehmer einer Branche zusammensetzt, die durch die gleichen Risiko eintrittsursachen gefährdet sind, oder aus einhundert Einzelkrediten an verschiede ne Kreditnehmer aus verschiedenen Branchen mit unterschiedlichen Risikoein trittsursachen.90
Insbesondere mit einer zunehmenden Hinwendung zu einer portfolioorientierten Steuerung des Kreditgeschäfts und der wachsenden Verbreitung von Kreditderi vaten und ähnlichen Instrumenten werden derartige Risikozerfällungsgebote an Wirksamkeit verlieren. Sollten die bankaufsichtlichen Kapitalanforderungen für Kreditrisiken weitgehend in der derzeitigen Ausgestaltung beibehalten werden, sollte zumindest über die Einführung von effektiven Diversifikationsgeboten nach gedacht werden.91 Als problematisch erweist sich jedoch die praktische Umsetzung eines solchen Diversifikationsgebotes: Über allgemeine Grundsätze zum Umgang mit Risikokonzentrationen wird eine Regelung nicht hinausgehen können, da sich 88 Vgl. Burghof (1998), S. 159-160. Eine solche Strategie kann sinnvoll sein, da Banken an unvoll kommenen Kapitalmärkten agieren. Eine Konzentration auf bestimmte Kreditnehmer kann daher die Informationskosten senken und eine effizientere Kontrolle der Kreditnehmer ermöglichen. Es besteht hier also ein bankspczifischcr tradc-off zwischen den Vorteilen der Diversifikation und einer Konzentration des Kreditportfolios auf wenige Kreditnehmer. Vgl. hierzu auch Burghof/Rudolph (1996), S. 152-153. 89 In Deutschland ist dies durch § 13 KWG vorgegeben. Siehe hierzu z.B. Burghof/Rudolph (1996), S. 152-157. 90 Vgl. IIF (1998), S. 24. 91 Vgl. zu diesen Ausführungen Burghof (1998), S. 160-161.
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quantitative Normen etwa für Länder- oder Branchenrisiken „nur durch eine fort laufende, individuelle Bewertung gewichten ließen, so daß am Ende jede solche Regelung auf eine staatliche Kreditlenkung hinausliefe“92. Im Bereich der Marktrisiken hat die Bankenaufsicht durch die Anerkennung in terner Risikomodelle zur Bestimmung der bankaufsichtlichen Kapitalanforderun gen eine alternative Lösungsmöglichkeit gewählt. So berücksichtigen diese Valueat-Risk-Modelle bei der Ermittlung der Kapitalanforderungen Diversifikationsef fekte und bieten somit den Banken - auch ohne ergänzende Diversifikationsgebote - Anreize aktiv durch Diversifizierung ihre Risiken zu reduzieren.93 Auch die bisher öffentlich verfügbaren Kreditrisikomodelle zielen darauf ab, Risikozusam menhänge zu berücksichtigen und Konzentrationsrisiken im Kreditportfolio auf zudecken. Inwieweit diese Modelle, die im Gegensatz zur bestehenden Kreditrisi koregulierung Diversifikationseffekte berücksichtigen, auch für bankaufsichtliche Zwecke genutzt werden sollten, ist Gegenstand des sechsten Kapitels.
4 .2.2.4 Eingeschränkte Berücksichtigung von Hedging-Maßnahmen Die in jüngster Zeit voranschreitende Entwicklung von derivativen Instrumenten zur Steuerung von Ausfallrisiken eröffnet den Banken zunehmend auch im Kre ditbereich eine aktive Risikosteuerung, die der im Marktrisikobereich vergleichbar ist.94 Die risikoreduzierende Wirkung von Kreditderivaten wird dabei hauptsäch lich genutzt, um Konzentrationsrisiken in Kreditportfolios zu steuern.95 Im Zu
sammenhang mit der wachsenden Nutzung von Kreditderivaten zeigt sich, daß im Rahmen der bestehenden Regelungen die Hedging-Aktivitäten der Banken, die darauf abzielen, Kreditrisikoexposures abzusichern, nur eingeschränkt berück sichtigt werden.96 Das vorherrschende Prinzip der Anrechnung jedes einzelnen
92 Artopoeus (1999a), S. 144. Siehe zu Problemen bei der Berücksichtigung von Diversifikationswir kungen Professoren-Arbeitsgruppe (1987), S. 299-301, Bösl (1993), S. 112-114. 93 Vgl. ISDA (1998a), S. 7. 94 Vgl. z.B. Spörk (1998), S. 3, Fischer (1999), S. 179; ausführliche Darstellungen verschiedener Instrumente und deren Anwendung im Kreditrisikomanagement finden sich in Tavakoli (1998). 95 Vgl. Henke/Burghof/Rudolph (1998), S. 11, mit weiteren Quellen. 96 Vgl. ISDA (1998a), S. 7. - Zur Zeit (Stand Oktober 1999) liegt noch keine international abge stimmte Lösung der bankaufsichtlichen Behandlung von Kreditderivaten vor; (einen Überblick über international unterschiedliche Usancen bietet Tavakoli (1998), S. 231-238.) Daher sind die derzeit geltenden internationalen bankaufsichtlichen Rahmenbedingungen auch für auf Kreditderivate an zuwendende Regelungen maßgebend. Im folgenden beziehe ich mich auf die vom Bundes
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Risikoaktivum, das sich aus der bestehenden Anrechnungssystematik ergibt, führt dazu, daß „risikomindemde Effekte, die im Rahmen eines aktiven Kreditrisiko managements durch eine Verbesserung der Risikostruktur von Kredit portefeuilles entstehen können, nicht über das Ausmaß hinaus berück sichtigt [werden], das derzeit durch die bereits einen Mischsatz dar stellende Eigenkapitalanforderung besteht“97.
Eine Besicherungsyvirkun^* von Kreditderivaten, die im Anlagebuch gehalten werden, kann bei der Ermittlung der gewichteten Risikoaktiva im Anlagebuch berücksichtigt werden, sofern die vertraglich Ausgestaltung zu einer nach den Kriterien des BAKred hinreichenden Übertragung von Kreditrisiken führt.99 Dies wird als gegeben angenommen, wenn das dem Kreditderivat zugrundeliegende Referenzaktivum dem Risikoaktivum hinsichtlich Schuldner, Währung und Lauf zeit100 entspricht und im Falle der Insolvenz des Schuldners nicht vorrangig ge genüber dem Risikoaktivum bedient werden darf.
Der Sicherungsnehmer - die Bank, die ein Kreditrisikoexposure hedgen möchte darf dann bei der Ermittlung des Risikoaktiva-Anrechnungsbetrages die Risiko gewichtung des Sicherungsgebers - des Derivate-Partners - berücksichtigen. Für eine Bank, die das Kreditrisiko aus einem an eine Nichtbank vergebenem Kredit mittels eines Kreditderivates an eine Bank aus der Präferenzzone A weitergibt, verringert sich somit die Eigenmittelunterlegung von 8% (Risikogewichtung für
aufsichtsamt für das Kreditwesen vorgegebene Behandlung von Kreditderivaten. Vgl. hierzu BAKred (1998), S. 2. 97 BAKred (1998), S. 2. 98 Kreditderivate werden demnach als Credit-enhancement-Produkte (z.B. Garantien, Rückbürg schaften) interpretiert. Siehe zu dieser Interpretation z.B. Renner (1998), S. 95. Die ISDA sieht hier in nur eine Zwischenlösung, die jedoch akzeptabel ist. da so zumindest eine teilweise Berück sichtigung der Hedge-Wirkung erfolgt. Vgl. ISDA (1998b), S. 12. 99 Vgl. zu den Voraussetzungen für die bankaufsichtlichc Anerkennung einer Besicherungswirkung BAKred (1998), S. 6 ff. - Der Bundesverband deutscher Banken (BdB 1998) hat ein Diskussions papier veröffentlicht, in dem Vorschläge zur bankaufsichtlichen Behandlung von Kreditderivaten im Rahmen der Standardmethoden diskutiert werden. ,00Das Laufzeitkritcrium im Anlagebuch gilt nur für Kreditderivate in Form von Credit Default Optio nen und Credit Linked Notes. Für die anrechnungsmindernde Anerkennung einer Besiche rungswirkung von Total Return Swaps ist keine Laufzeitkongruenz erforderlich, weil der Siche rungsnehmer bei Beendigung des Kontrakts das Risikoaktivum ohne Verlust veräußern kann, da Wertminderungen während der Laufzeit ausgeglichen wurden. Vgl. BAKred (1998), S. 7-9.
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Nichtbanken: 100%) auf 1,6% (Risikogewichtung für Banken der Präferenzzone A: 20%) des risikobehafteten Aktivvolumens.101 In den Fällen jedoch, in denen die vollständige Kongruenz von Risikoaktivum und dem zugrundeliegenden Referenzaktivum für das Kreditderivativum nicht gegeben ist - Inkongruenz der Laufzeiten, der Instrumente u.ä. -, erfolgt keine Anerken nung der Besicherungswirkung. Die Verwendung von Kreditderivaten führt dann trotz der zumindest teilweisen risikoreduzierenden Wirkung des Hedgings sogar zu erhöhten Kapitalanforderungen, da sowohl das ursprüngliche Kreditexposure als auch das Hedge-Instrument mit Eigenmitteln unterlegt werden müssen.102
Die Beschränkung der bankaufsichtlichen Anerkennung der risikoreduzierenden Wirkung auf perfekte Micro-Hedges103 kann dann zum einen eine nicht sachge rechte Risikomessung zur Folge haben, da das bankaufsichtlich anzusetzende Ri siko bei partial bzw. unvollkommenen Hedges104 das tatsächliche ökonomische Risiko überzeichnet. Zum anderen ergeben sich adverse regulatorische Anreize, wenn eine aktive Steuerung von Konzentrationsrisiken im Kreditportfolio im Sinne einer Risikoreduzierung von Seiten der Bankenaufsicht „bestraft“ wird.105 Dies gilt
umso mehr, als insbesondere Macro-Hedges, bei denen z.B. mittels Basket-Kon struktionen die Risiken mehrerer Kredite gleichzeitig abgesichert werden, geeignet sind, Risikokonzentrationen durch Branchen oder Regionen im Gesamtportfolio zu steuern.106 Für Kreditderivate, die im Handelsbuch gehalten werden, gelten ähnliche Restrik tionen für die bankaufsichtliche Berücksichtigung der risikoreduzierenden Wir kung. In Deutschland werden zur Zeit die Regelungen für die Ermittlung der An rechnungsbeträge für das allgemeine und das besondere Kursrisiko auf der Grund lage von Nettopositionen auch auf Kreditderivate angewendet.107 Eine risikoredu zierende Wirkung von Kreditderivaten hinsichtlich des spezifischen Risikos wird
101 Vgl. Spörk (1998), S. 14, Ufer (1998), S. 299-300. 102Vgl. ISDA (1998a), S. 9. ,03Micro-Hedge-Strategien werden verwendet, um das Risiko aus einer bestimmten Kreditposition abzusichern, z.B. um die Auslastung intern angesetzte Risikolimite für einzelne Kreditnehmer zu reduzieren. Vgl. Hüttemann (1998), S. 61. Siehe zu Hedging-Strategien allgemein z.B. Kürsten (1997), Schäfer (1995), insb. S. 51-59, Menichetti (1993), S. 88-91. 1