Wahlkampf in Deutschland und Österreich: Ein Langzeitvergleich der Presseberichterstattung (1949-2006) 9783412215613, 9783412209599


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Wahlkampf in Deutschland und Österreich: Ein Langzeitvergleich der Presseberichterstattung (1949-2006)
 9783412215613, 9783412209599

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Medien in Geschichte und Gegenwart Herausgegeben von Jürgen Wilke Band 28

Melanie Magin

Wahlkampf in Deutschland und Österreich Ein Langzeitvergleich der Presseberichterstattung (1949–2006)

2012 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Inneruniversitären Forschungsförderung Pro Geistes- und Sozialwissenschaften sowie des Forschungsschwerpunkts Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Bundestagswahl 2009 im Wahllokal Zentralschule Dorfen. © miniTV Dorfen GbR.

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: General Druck, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-412-20959-9

Vorwort

Diese Studie wurde im Jahr 2011 vom Fachbereich 02 – Sozialwissenschaften, Medien und Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unter dem Titel „Wahlkampfberichterstattung im langfristigen Systemvergleich. Eine Untersuchung deutscher und österreichischer Tageszeitungen (1949 – 2006)“ als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philiosophie (Dr. phil.) angenommen. Ich möchte allen danken, die mich bei meiner Dissertation begleitet haben und ohne deren Unterstützung es diese Dissertation nicht gäbe. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Jürgen Wilke. Er hat mich mit einem Dissertationsthema betraut, an dem ich wachsen konnte, und er hat mich bei meiner Arbeit daran stets umsichtig, kompetent und motivierend begleitet. Desweiteren haben er und Prof. Dr. Carsten Reinemann mir dankenswerterweise die Daten aus ihrem Projekt „Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung“ zur Verfügung gestellt, ohne die meine Dissertation nicht hätte entstehen können. Prof. Dr. Roland Burkart danke ich für seine Bereitschaft, das Zweitgutachten zu übernehmen, und für die angenehme und konstruktive Zusammenarbeit im Projekt „Kontinuität und Wandel der österreichischen Wahlkampfkommunikation seit 1966“. Mein großer Dank gilt DDr. Gabriele Melischek und Dr. Josef Seethaler für die Möglichkeit, während meiner Tätigkeit an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien an diesem Projekt mitarbeiten zu dürfen. Sie haben mich in vielerlei Hinsicht unterstützt und mir dadurch die Chance gegeben, mich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln. Auch ihnen danke ich ganz besonders, dass ich die Daten aus dem genannten Projekt verwenden durfte. Der Inneruniversitären Forschungsförderung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und dem Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz danke ich für die Druckkostenzuschüsse, die den Druck dieser Publikation ermöglicht haben. Für die gute Zusammenarbeit danken möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen an der Kommission für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien sowie im Projekt „Kontinuität und Wandel der österreichischen Wahlkampfkommunikation seit 1966“. Ganz besonders danke ich Prof. Dr. Birgit Stark, MMag. Oliver Gruber, Dr. Christian Oggolder und Dr. Uta Rußmann, die immer ein offenes Ohr für mich hatten. Danke an Prof. Dr. Carsten Reinemann für seine Hilfsbereitschaft bei meinen Fragen zur Studie „Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung“. 5

Dank sagen möchte ich daneben meinem Codierer-Team – Agnes Rieder, Anna und Claudia Gabler, Daniela Georgiev, Edith Hammami, Felix Hofmann, Florian Hainz und Patrick Moser – für die engagierte Mitarbeit bei der Datenerhebung im Rahmen der österreichischen Studie. Meinen Freunden danke ich für ihre Hilfe bei meiner Dissertation, vor allem aber auch dafür, dass sie mich von Zeit zu Zeit daran erinnert haben, dass es ein Leben außerhalb der Arbeit gibt. Danke an Anne Rückschloss und Martin Krieg für ihre hilfreichen Anmerkungen zu einer ersten Fassung der Arbeit, an Elke Kienl, die mir bei der Auszählung der Zeilen eine große Hilfe war, und an Karin Lenhard, Christine Altenhöfer und Ingeborg Hartner, ohne die Vieles sehr viel schwieriger gewesen wäre. Last, but not least danke ich meiner Familie: Meinem Verlobten Stefan Geiß für seinen inhaltlichen Rat, viel mehr aber noch für seine liebevolle Unterstützung und sein Verständnis. Meinen Geschwistern Angela, Elisabeth und Nikolas, meinem Schwager Lars, meinen Nichten Felicia und Berenike und vor allem meinen Eltern Edith und Wolfgang Magin, die mich gelehrt haben, dass ich nichts leisten muss, um geliebt zu sein, dass ich aber alles schaffen kann, wenn ich will. Ihnen ist meine Dissertation von ganzem Herzen gewidmet.

Mainz, im Juli 2012

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Melanie Magin

Inhalt

Vorwort ...............................................................................................................

5

Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................... 10 1.

Einleitung ..................................................................................................... 13

2.

Wahlkampfberichterstattung im Zeit- und Ländervergleich: Forschungsstand .......................................................................................... 2.1 Langzeitvergleiche in Deutschland und Österreich............................ 2.2 Ländervergleiche zwischen Deutschland und Österreich .................. 2.3 Kombinierte Zeit- und Ländervergleiche ............................................

3.

4.

20 21 24 25

Politik- und Wahlkampfberichterstattung im Wandel .............................. 3.1 Erklärungsansätze.................................................................................. 3.1.1 Amerikanisierung, Modernisierung, Globalisierung, Medialisierung ............................................................................... 3.1.2 Boulevardisierung......................................................................... 3.1.3 Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit .................................. 3.1.4 Massenmedien als intermediäre Akteure.................................... 3.2 Indikatoren des Wandels....................................................................... 3.2.1 Sachthemen .................................................................................. 3.2.2 Journalistische Autonomie .......................................................... 3.2.3 Negativität..................................................................................... 3.2.4 Personalisierung ........................................................................... 3.3 Zwischenfazit .........................................................................................

27 28

Determinanten der Wahlkampfberichterstattung ..................................... 4.1 Politische Systeme ................................................................................. 4.1.1 Konsens und Konflikt im Elitenverhalten................................. 4.1.1.1 Konkordanzdemokratie................................................... 4.1.1.2 Konflikt und Kooperation bei der Gesetzgebung ........ 4.1.2 Wählermärkte ............................................................................... 4.1.2.1 Wahlbeteiligung ................................................................ 4.1.2.2 Parteimitgliedschaft.......................................................... 4.1.2.3 Parteiidentifikation und dealignment ................................. 4.1.3 Parteiensysteme ............................................................................ 4.1.3.1 Fragmentierung ................................................................

44 45 46 48 54 56 57 59 60 65 68

28 30 31 33 36 36 37 38 40 43

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4.1.3.2 Asymmetrie....................................................................... 4.1.3.3 Volatilität........................................................................... 4.1.3.4 Polarisierung ..................................................................... 4.1.4 Zwischenfazit ............................................................................... 4.2 Mediensysteme....................................................................................... 4.2.1 Mediensysteme im Vergleich ...................................................... 4.2.2 Pressepolitik.................................................................................. 4.2.2.1 Deutschland ...................................................................... 4.2.2.2 Österreich ......................................................................... 4.2.3 Entwicklung der Tageszeitungsmärkte ...................................... 4.2.3.1 Zeitungstypologie ............................................................. 4.2.3.2 Pressekonzentration ......................................................... 4.2.4 Politischer Parallelismus .............................................................. 4.2.5 Rolle und Verbreitung des Fernsehens ...................................... 4.2.6 Zwischenfazit ............................................................................... 4.3 Journalistische Systeme ......................................................................... 4.3.1 Entwicklung des Journalismus im 19. Jahrhundert................... 4.3.2 Journalistisches Selbstverständnis............................................... 4.3.3 Journalistische Ausbildung .......................................................... 4.3.4 Journalistische Selbstregulierung ................................................ 4.3.4.1 Der Deutsche und der Österreichische Presserat ......... 4.3.4.2 Erfolgsfaktoren der Presse-Selbstregulierung................ 4.3.5 Journalistische Qualität................................................................ 4.3.5.1 Vielfalt ............................................................................... 4.3.5.2 Transparenz ...................................................................... 4.3.5.3 Unparteilichkeit ................................................................ 4.3.6 Zwischenfazit ............................................................................... 4.4 Situative Einflüsse auf die Wahlkampfberichterstattung ................... 4.4.1 Deutschland.................................................................................. 4.4.2 Österreich ..................................................................................... 4.4.3 Zwischenfazit ............................................................................... 4.5 Analyserahmen ......................................................................................

69 71 73 75 77 77 80 80 83 88 88 93 99 101 103 105 105 107 110 111 112 114 116 117 118 119 123 124 126 135 145 146

5.

Anlage der Untersuchung ........................................................................... 5.1 Forschungsfragen und Annahmen....................................................... 5.1.1 Umfang ......................................................................................... 5.1.2 Themen ......................................................................................... 5.1.3 Wandel und Kontinuität.............................................................. 5.1.4 Journalistische Qualität................................................................ 5.2 Methode und Durchführung der Inhaltsanalyse.................................

148 148 148 149 150 153 154

6.

Ergebnisse .................................................................................................... 163 6.1 Umfang................................................................................................... 163

8

6.1.1 Menge der Berichterstattung ....................................................... 6.1.2 Beitragslänge................................................................................. 6.1.3 Zwischenfazit ............................................................................... 6.2 Themen .................................................................................................. 6.2.1 Themenschwerpunkte ................................................................. 6.2.2 Themenentwicklung im Zeitverlauf ........................................... 6.2.2.1 Wahlen und Wahlkampf .................................................. 6.2.2.2 Wahlkampfthemen im Detail .......................................... 6.2.2.3 Sonstige Themenbereiche................................................ 6.2.3 Zwischenfazit ............................................................................... 6.3 Wandel und Kontinuität ....................................................................... 6.3.1 Sachthemenanteil ......................................................................... 6.3.2 Journalistische Autonomie .......................................................... 6.3.2.1 Beitragsurheber................................................................. 6.3.2.2 Darstellungsformen.......................................................... 6.3.2.3 Authentizität ..................................................................... 6.3.2.4 Bewertungsurheber .......................................................... 6.3.3 Negativität..................................................................................... 6.3.3.1 Gesamttendenzen............................................................. 6.3.3.2 Tendenzen der wertenden Aussagen .............................. 6.3.4 Personalisierung ........................................................................... 6.3.4.1 Präsenz .............................................................................. 6.3.4.2 Prominenz......................................................................... 6.3.4.3 Zentralität.......................................................................... 6.3.4.4 Darstellung........................................................................ 6.3.5 Zwischenfazit ............................................................................... 6.4 Journalistische Qualität ......................................................................... 6.4.1 Vielfalt ........................................................................................... 6.4.1.1 Thematische Vielfalt ........................................................ 6.4.1.2 Akteursvielfalt................................................................... 6.4.1.3 Meinungsvielfalt ............................................................... 6.4.2 Transparenz .................................................................................. 6.4.3 Unparteilichkeit ............................................................................ 6.4.3.1 Neutralität ......................................................................... 6.4.3.2 Ausgewogenheit ............................................................... 6.4.4 Zwischenfazit ............................................................................... 7.

164 175 177 178 178 182 182 186 189 194 194 195 203 204 206 209 217 220 221 225 227 228 237 240 244 252 254 254 255 257 259 262 265 265 269 296

Determinanten der Wahlkampfberichterstattung – ein Modell............... 298

Literatur ................................................................................................................ 311 Anhang ................................................................................................................. 350 9

Abkürzungsverzeichnis

APA APO ARD AZ B.Z. BAWAG P.S.K. BDZV BMI BZÖ bzw. CDU CSU d. h. DDR DDVG DFP dju DJV DKP DP DU etc. EU EWG FAZ FDP FPÖ FR FWF

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Austria Presse Agentur Außerparlamentarische Opposition Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Arbeiter Zeitung Berliner Zeitung Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Bundesministerium für Inneres Bündnis Zukunft Österreich beziehungsweise Christlich Demokratische Union Deutschlands Christlich-Soziale Union in Bayern das heißt Deutsche Demokratische Republik Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft Demokratisch-Fortschrittliche Partei Deutsche Journalisten-Union Deutscher Journalisten-Verband Deutsche Kommunistische Partei Deutsche Partei Die Unabhängigen et cetera Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Freiheitliche Partei Österreichs Frankfurter Rundschau Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

GB/BHE GfK ggf. Herv i. O. IfD Allensbach IFES IG IVW k. A. KPÖ Krone LIF MDSD MSSD NATO NEWAG NGO NIOGAS NPD n. s. o. ä. o. J. ÖAK ÖAW ÖGB OGM ORF ÖS OTS ÖVP ÖZV PDS PE

Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Gesellschaft für Konsumforschung gegebenenfalls Hervorhebung im Original Institut für Demoskopie Allensbach Institut für Empirische Sozialforschung Industriegewerkschaft Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern keine Angabe Kommunistische Partei Österreichs (Neue) Kronen Zeitung Liberales Forum Most Different Systems Design Most Similar Systems Design North Atlantic Treaty Organization Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts AG Nichtregierungsorganisation (Non-Governmental Organization) Niederösterreichische Gasvertriebs-GmbH Nationaldemokratische Partei Deutschlands nicht signifikant oder ähnliches ohne Jahresangabe Österreichische Auflagenkontrolle Österreichische Akademie der Wissenschaften Österreichischer Gewerkschaftsbund Österreichische Gesellschaft für Marketing Österreichischer Rundfunk Österreichischer Schilling Original Text Service Österreichische Volkspartei Österreichischer Zeitschriften-Verband Partei des Demokratischen Sozialismus Publizistische Einheit

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RTR SED SN SPD SPÖ SWJV SZ taz TV tz u. a. UNO USA usw. v. a. VdU VDZ ver.di VÖZ WASG WAZ WdU z. B. ZDF

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Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Salzburger Nachrichten Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Österreichs (1945 bis 1991: Sozialistische Partei Österreichs) Südwestdeutscher Journalisten-Verband Süddeutsche Zeitung die tageszeitung Fernsehen (television) Tageszeitung (Münchner Boulevardzeitung) unter anderem Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation) Vereinigte Staaten von Amerika (United States of America) und so weiter vor allem Verband der Unabhängigen Verband Deutscher Zeitschriftenverleger Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verband Österreichischer Zeitungen (bis 1996: Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber und Verleger) Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative Westdeutsche Allgemeine Zeitung Wahlpartei der Unabhängigen zum Beispiel Zweites Deutsches Fernsehen

1. Einleitung

Politikvermittlung in demokratischen Gesellschaften stützt sich heute weitgehend auf die Massenmedien, die gerade in Wahlkämpfen in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen haben. Meist wird davon ausgegangen, dass damit nachhaltige Veränderungen der medialen Berichterstattung über Wahlkämpfe einhergegangen sind, z. B. eine zunehmende Dethematisierung bzw. Entpolitisierung politisch-inhaltlicher Diskussionen (Lengauer/Pallaver/Pig 2004: 180), journalistische Autonomie, Negativität und Personalisierung. Verbunden damit sind häufig Befürchtungen, dass die Medien ihrer demokratischen Aufgabe so nicht mehr hinreichend nachkommen können – nämlich den Bürgern eine fundierte Grundlage für ihre politische Meinungs- und Willensbildung zu liefern (Schulz 2008: 155). Mögliche dysfunktionale Folgen für den demokratischen Prozess sind etwa Wahrnehmungsverzerrungen seitens der Rezipienten, eine zunehmende Politikverdrossenheit, ein sinkendes Vertrauen in das politische System, eine Entfremdung der Bürger von der Politik und eine nachlassende politische Partizipation der Bevölkerung (z. B. in Form einer sinkenden Wahlbeteiligung). Falls diese Befürchtungen zutreffen, würden die langfristigen Veränderungen der Wahlkampfberichterstattung die Demokratiequalität beeinträchtigen (z. B. Wolling 1999; Maurer 2003). Wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit den vermuteten Entwicklungen der Wahlkampfberichterstattung im Zeitverlauf befassen, sind bisher allerdings rar, und wenn es sie gibt, können sie nicht immer lineare Trends in die vermutete Richtung zeigen (z. B. Wilke/Reinemann 2000). Vermutet wird daneben, dass diese Entwicklungen die Berichterstattung in vielen Ländern weltweit ergriffen haben, dass sie aber durch strukturelle Unterschiede zwischen den nationalen Systemen politischer Kommunikation modifiziert werden. Inwiefern und in welchem Ausmaß das geschieht, ist aber ebenfalls weitgehend unerforscht (Gurevitch/Blumler 2003: 381). Um diese Annahmen prüfen zu können, braucht es Analysen, die eine länder- mit einer zeitvergleichenden Perspektive verbinden. Nur auf einer solchen Basis können Veränderungen und Zusammenhänge angemessen untersucht werden (Blumler/ McLeod/Rosengren 1992: 9). Doch bisher besteht an solchen komparativen Studien ein eklatanter Mangel. Oft scheitern sie am sehr hohen damit verbundenen Arbeits- und Kostenaufwand. Die vorliegende Dissertation möchte zur Schließung dieser Forschungslücken beitragen. Sie untersucht in einem Zwei-Länder-Vergleich zwischen Deutschland

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und Österreich die Berichterstattung überregionaler Elitetageszeitungen1 zu 34 nationalen Parlamentswahlkämpfen über fast 60 Jahre hinweg (1949-2006) – ein in der Kommunikationswissenschaft bisher einzigartiges Vorhaben. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Berichterstattung über die Kanzlerkandidaten bzw. die Spitzenkandidaten der beiden jeweils größten Parteien. Hauptziel ist es, lang- und kurzfristige, sowohl strukturelle als auch situative Determinanten der Wahlkampfberichterstattung in einem Modell zu systematisieren. Für dieses Vorhaben eignen sich Deutschland und Österreich sehr gut: Beide Länder ähneln einander in vielerlei Hinsicht, sind historisch miteinander verbunden und nach dem Zweiten Weltkrieg zu westlichen Demokratien gereift. Gerade durch die großen Ähnlichkeiten werden die Auswirkungen der wenigen unterschiedlichen Kontextfaktoren auf die Berichterstattung besonders deutlich erkennbar. Die inhaltsanalytischen Daten, auf die sich die Untersuchung stützt, stammen für Deutschland aus einer Studie von Wilke und Reinemann (2000; 2001; 2003; 2004; 2006; 2009; Reinemann/Wilke 2003; 2007; Wilke/Leidecker 2010)2 zur Berichterstattung über die Kanzlerkandidaten3 in den Bundestagswahlkämpfen seit 1949. Für Österreich werden Daten aus einer Studie der Kommission für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften verwendet, die sich mit Agenda Building-Prozessen in österreichischen Nationalratswahlkämpfen befasst – also mit Versuchen der politischen und der medialen Akteure, mediale Aufmerksamkeit für bestimmte (für sich selbst vorteilhafte) Themen zu schaffen bzw. zu verstärken (Seethaler/Melischek 2010; Melischek/Rußmann/Seethaler 2010). Da sich die österreichische Studie methodisch eng an die deutsche anlehnt, bot sich die einmalige Möglichkeit, die Wahlkampfberichterstattung zweier Länder auf Basis direkt vergleichbarer Daten über einen langen Zeitraum hinweg komparativ untersuchen zu können. Die rein zeitlich vergleichende Untersuchung von Wilke und Reinemann wird damit um eine räumliche Komponente erweitert. Ziel der Arbeit ist es, im Vergleich zwischen beiden Ländern und im Lauf der Zeit Erkenntnisse über den „systematischen Zusammenhang mit makroanalytischen Struktur- und Kontextvariablen“ (Pfetsch 2005: 72) zu ge1

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3

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Die meisten der hier untersuchten Tageszeitungen gelten als Qualitätszeitungen. Da im Sample aber auch ein Parteiblatt (die Arbeiter Zeitung) enthalten ist, das unter diesem Begriff nicht subsummiert werden kann, wird nicht von Qualitätszeitungen, sondern von Elitezeitungen gesprochen. „Elite“ bezieht sich darauf, dass diese Zeitungen vielfach von den Angehörigen der gesellschaftlichen Führungsschichten rezipiert werden (Kapitel 4.2.3.1). Im Folgenden wird diese Studie als Wilke/Reinemann (2000) zitiert, sofern nicht explizit eine der nachfolgenden Veröffentlichungen gemeint ist. Dieser Beleg schließt sämtliche Folgepublikationen ein. Wenn im Folgenden von „Deutschland“ die Rede ist, so ist damit stets die Bundesrepublik gemeint. Die DDR ist nicht Gegenstand der Studie. Eingeführt wurde der Begriff „Kanzlerkandidat“ im deutschen Wahlkampf 1961, als die Sozialdemokraten Willy Brandt zu einem „deutschen Kennedy“ machen wollten. Um ein formelles Amt handelt es sich aber weder im deutschen noch im österreichischen Wahlund Parteiensystem (Forkmann/Richter 2007: 16).

winnen. Am Ende der Arbeit soll ein Modell der Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung von Elitetageszeitungen stehen. Der wissenschaftliche Vergleich4 ist für die vorliegende Untersuchung mithin von zentraler Bedeutung. Vergleichen ist eine „universelle Kategorie menschlichen Verhaltens“ (Kleinsteuber 2003b: 78), die auch im Alltag große Relevanz besitzt, beispielsweise bei Preis- und Qualitätsvergleichen im Konsumbereich oder beim Vergleich persönlicher Erfahrungen mit denen anderer. Denn erst der Vergleich einer Beobachtung oder eines Sachverhalts mit anderen verleiht ihnen Bedeutung (Aarebrot/Bakka 2006: 57). Daher ist der Vergleich auch eine zentrale wissenschaftliche Erkenntnismethode: Um Beobachtungen verallgemeinern, zu theoretischen Aussagen verdichten und relevante Kontextfaktoren identifizieren zu können, ist ein Vergleich mit anderen Beobachtungen auch hier unumgänglich (Pelinka 2005: 11; Abromeit/Stoiber 2006: 18). Wissenschaftliche Vergleiche haben eine lange Tradition. Als ihr „Urahn“ kann Aristoteles gelten, der in seiner Politeia mittels eines systematischen Vergleichs zwischen damaligen Herrschaftsformen eine Typologie bildete (Abromeit/Stoiber 2006: 25; Berg-Schlosser/Müller-Rommel 2006: 15-16). Seine systematische Vorgehensweise blieb jedoch lange einzigartig. Zwar bezogen sich auch die neuzeitlichen politischen Philosophen wie Machiavelli (1532 [1976]), Rousseau (1762 [1971]), de Tocqueville (1835/1840 [2004]) und Marx (1867-1894 [2009]) in ihren Werken zu Fragen guten bzw. vernünftigen Regierens oft auf andere Völker, Gebräuche und Sitten. Meist diente das aber nur zur Illustration oder als abschreckende oder nachahmenswerte Beispiele, gerade in politischen Krisen und Umbruchsituationen, in deren Kontext solche Werke häufig entstanden (Berg-Schlosser/Müller-Rommel 2006: 16). Eine Schlüsselrolle erhielten wissenschaftliche Vergleiche erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als sich die modernen Wissenschaftsdisziplinen herauszubilden begannen. „An die Stelle der vertikalen Rangordnung von ‚mathematischer’, ‚philosophischer’ und ‚historischer’ Form der Welterkenntnis trat nunmehr ein entwicklungsoffenes Spektrum von horizontal geordneten und prinzipiell gleichrangigen einzelwissenschaftlichen Disziplinen.“ (Schriewer 2003: 10) Erste Beispiele dafür waren die vergleichenden Wissenschaften vom Recht, der Sprache, der politischen Verfassung, der Religion und der Erziehung. Nach und nach ergriff dieser Prozess immer mehr Wissenschaftsbereiche. Das methodische Instrumentarium wissenschaftlichen Vergleichens wurde den Naturwissenschaften entlehnt und auf die sich herausbildenden Human- und Sozial4

Ein wissenschaftlich präziserer Begriff als „Vergleich“ ist „komparativer Ansatz“, weil ein Vergleich über die Suche nach Gleichem hinausgehen muss (Kleinsteuber 2003b: 79). Bezogen auf räumliche Vergleiche bringt der Terminus „komparativ“ (im Unterschied zu „international vergleichend“) zum Ausdruck, dass Nationalstaaten nicht die einzig mögliche Vergleichsebene sind (Esser 2010: 4). In der vorliegenden Arbeit werden beide Begriffe – „vergleichend“ und „komparativ“ – synonym verwendet.

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wissenschaften übertragen (Schriewer 2003: 10-11; Melischek/Seethaler/Wilke 2008: 11-12). Einen entscheidenden Beitrag für die im engeren Sinne vergleichende Methode lieferte der britische Philosoph John Stuart Mill (1843 [1965]), der als erster Wissenschaftler „den Vergleich konzeptionell durchdacht und systematisch begründet hat“ (Kleinsteuber 2003a: 384): Mit der Frage nach Gemeinsamkeiten (method of agreement) und Unterschieden (method of difference) beschrieb er zwei Herangehensweisen, die bis heute den Kern jedes vergleichenden Ansatzes bilden, auch wenn sie im Lauf der Zeit verfeinert wurden (Berg-Schlosser/MüllerRommel 2006: 17; Berg-Schlosser 2003: 127; Kleinsteuber 2003b: 79). Die vermutlich erste groß angelegte empirische Vergleichsstudie war Émile Durkheims „Der Selbstmord“ (1897 [2006]), in der er die Selbstmordraten verschiedener Gesellschaften einander gegenüberstellte. Nachhaltig begann der vergleichende Ansatz die Sozial- und Geisteswissenschaften aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu beeinflussen (Hanitzsch/Altmeppen 2007: 186-187). Mittlerweile ist der Vergleich in den meisten sozialwissenschaftlichen Disziplinen gut etabliert, allen voran in der Politikwissenschaft, wo sich sogar ein eigener Teilbereich (comparative politics) ausdifferenziert hat.5 Auch an der Entwicklung theoretischer und methodischer Grundlagen komparativer Forschung wurde in den meisten sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen – zum Teil seit langem – intensiv gearbeitet, wie z. B. einführende Standardwerke für die Politikwissenschaft (Przeworski/Teune 1970; Landman 2000), die Psychologie (van de Vijver/Leung 1997) und die Soziologie (Kohn 1989; Øyen 1990) zeigen. In der Medien- und Kommunikationswissenschaft hingegen, zumal in der deutschsprachigen, führte die vergleichende Forschung lange nur ein „Schattendasein“ (Kleinsteuber 2003b: 78). Obwohl vergleichende Untersuchungen auch hier nicht prinzipiell neu sind, beklagten Blumler und Gurevitch (1975) noch Mitte der 1970er Jahre selbst in der politischen Kommunikationsforschung – die traditionell stärker vergleichend ausgerichtet ist als andere kommunikationswissenschaftliche Bereiche – einen eklatanten Mangel an international vergleichenden Untersuchungen (Schulz 2008a: 17). Zurückzuführen ist dieses Defizit einerseits auf das immer schon geringe Interesse der vergleichenden Politikwissenschaft für politische Kommunikation. Andererseits glaubte man lange, politische Kommunikation allein „anhand von Einzelphänomenen oder historischen Studien beschreiben zu können“ (Pfetsch/Esser 2003: 9) – entsprechend der 5

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Der Begriff comparative politics wird im Deutschen sehr unterschiedlich wiedergegeben, z. B. als „vergleichende Analyse politischer Systeme“, „vergleichende politische Systemforschung“, „vergleichende Politik“ oder „vergleichende Politikwissenschaft“. Der Begriff ist nicht gleichzusetzen mit dem Vergleich als Methode, denn in diesem Forschungszweig kommen neben dem Vergleich auch andere, z. B. historische oder sozialanthropologische Methoden zumindest ergänzend zum Einsatz, und auch in anderen politikwissenschaftlichen Teilbereichen können Vergleiche angestellt werden (Berg-Schlosser/Müller-Rommel 2006: 14).

generell fehlenden internationalen Ausrichtung des Fachs. Gerade politische Kommunikation, die maßgeblich durch kulturelle und nationale Eigenheiten geprägt ist, kann aber ohne vergleichende Perspektive wissenschaftlich nicht angemessen untersucht werden (Pfetsch 2005: 65). Im Rückblick verwundert es, „wie lange es dauerte, bis die vergleichende Forschung als notwendige und nützliche Erkenntnisstrategie der Kommunikationswissenschaft erkannt wurde.“ (Pfetsch/Esser 2003b: 9) Erst seit Mitte der 1990er Jahre hat sie sich im deutschsprachigen und europäischen Raum immer stärker zu einem zentralen Forschungsbereich entwickelt. Besonders häufig wird dabei, wie in der vorliegenden Studie, Wahlkampfkommunikation untersucht (Kleinsteuber 2003b: 89-91). Doch obwohl die Zahl wie auch die Qualität der Studien zusehends steigen (Stark/Magin (in Druck); Hanitzsch/Altmeppen 2007: 185, 199; Esser 2010), mangelt es noch immer an einer Systematisierung des Forschungsfeldes (Melischek/Seethaler/Wilke 2008: 12; Stark et al. (in Druck)). Bislang sind nicht einmal Definition und Gegenstand komparativer Forschung eindeutig festgelegt. Der Diskurs bewegt sich zwischen zwei Extrempositionen: Während traditionelle Begriffsbestimmungen komparative Forschung auf den Vergleich zweier oder mehrerer territorial abgrenzbarer Grundgesamtheiten beschränken (z. B. Edelstein 1982), betrachtet eine radikale Sichtweise alle sozialwissenschaftliche Forschung als komparativ, weil jede wissenschaftliche Tätigkeit auf Vergleichsoperationen angewiesen ist (z. B. Beninger 1992). Konsens besteht darin, räumliche und zeitliche Vergleiche sowie eine Kombination aus beiden darunter zu fassen, wobei „räumlich“ nicht zwangsläufig nur Nationalstaaten als Vergleichseinheiten meint (Hanitzsch/Altmeppen 2007: 187; Esser 2010: 3-4; Hanitzsch 2008). „Als Definition lässt sich formulieren: Komparative Kommunikationsforschung liegt immer dann vor, wenn zwischen mindestens zwei Systemen oder Kulturen (oder deren Teilelementen) Vergleiche auf mindestens einen kommunikationswissenschaftlich relevanten Untersuchungsgegenstand gezogen werden.“ (Esser 2010: 4; Herv. i. O.)

Hanitzsch und Altmeppen (2007: 187-188) schlagen vier Kriterien vor, die erfüllt sein müssen, um eine Studie als komparativ zu bezeichnen: (1) Die Vergleichsabsicht steht im Vordergrund und ist im Forschungsdesign angelegt, (2) die sozialen Vergleichseinheiten sind klar bestimmt und unterscheiden sich im Hinblick auf mindestens ein kulturelles Merkmal, (3) die Vergleichspopulationen werden hinsichtlich mindestens einer funktional äquivalenten Dimension verglichen und (4) explizit aufeinander bezogen. Charakteristisch sind weiterhin ein grenzüberschreitendes Vorgehen, das Bemühen um eine system- und kulturübergreifende Reichweite der Schlussfolgerungen und die Erklärung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen Untersuchungsobjekten durch die Kontextbedingungen der umgebenden Systeme bzw. Kulturen (Esser 2010: 4). Angebracht ist ein komparatives Vorgehen demnach vor allem, wenn beobachtete Phänomene systematisch über Einzelbeobachtungen hinaus erweitert und erklärt, Handlungsanweisungen vorgeschlagen oder Theorien konstruiert bzw. 17

überprüft werden sollen (Lauth/Winkler 2006: 45; Abromeit/Stoiber 2006: 27; Berg-Schlosser/Müller-Rommel 2006: 59). Wissenschaftliche Vergleiche streben die Ordnung empirischer Phänomene an und tragen so zur Komplexitätsreduktion der realen Welt bei (Lauth/Winkler 2006: 39). Sie setzen voraus, dass die zu vergleichenden Objekte weder völlig identisch noch völlig verschieden sind und dass sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten betrachtet werden (Kleinsteuber 2003b: 79). Dabei gibt es zwei grundsätzliche Forschungsstrategien, die auf die Vergleichsstrategien von Mill (1843 [1965]) zurückgehen: Das Most Different Systems Design (MDSD) fokussiert auf Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen Systemen, das Most Similar Systems Design (MSSD) auf Unterschiede zwischen ähnlichen Systemen (Przeworski/Teune 1970). Eng im Zusammenhang damit stehen die Konkordanzmethode, die sich auf Ähnlichkeiten konzentriert, und die Differenzmethode, die auf Divergenzen abzielt (Kleinsteuber 2003a: 387). Hierbei werden bestimmte Rahmenbedingungen konstant gehalten, um Schlüsselvariablen zu identifizieren, die Differenzen und Ähnlichkeiten bedingen (Berg-Schlosser 2003: 127). Vergleichende Studien können daher als quasi-experimentell betrachtet werden. Kausale Ursachenattributionen sind auf dieser Basis zwar nicht zulässig. „Eine ‚weiche Kontrolle’ der Varianz kann aber durch die systematische Kontextbeschreibung der institutionellen und kulturellen Besonderheiten erfolgen.“ (Pfetsch/Esser 2003b: 16) Idealtypisch bauen beim wissenschaftlichen Vergleich drei Schritte aufeinander auf: (1) Die Beschreibung der beobachteten Phänomene, (2) ihre Systematisierung mittels Klassifikationen oder Typologien 6 und (3) ihre Erklärung (Lauth/Winkler 2006: 45; Abromeit/Stoiber 2006: 27; Berg-Schlosser/MüllerRommel 2006: 59). Erst dieser letzte Schritt stellt den eigentlichen Vergleich dar, der im Idealfall sechs zum Teil miteinander zusammenhängende Funktionen erfüllt: Er erweitert den Blick über Einzelfälle hinaus (Entgrenzung), erlaubt die kontextabhängig unterschiedliche Wahrnehmung von Beobachtungen (Kontrastierung), macht unterschiedliche Verhältnisse bewusst (Relativierung), zeigt alternative Handlungsmöglichkeiten auf (Alternativen) und ermöglicht gesetzmäßige Aussagen (Verallgemeinerung) sowie die Identifikation kausaler Randbedingungen (Erklärung) (Melischek/Seethaler/Wilke 2008: 10-11). Damit sind zugleich wichtige Anliegen der vorliegenden Dissertation beschrieben. Zu deren Beginn steht ein Überblick über den gegenwärtigen Forschungsstand und über theoretische Ansätze, die von langfristigen Veränderungen der politischen und der Wahlkampfberichterstattung ausgehen (z. B. von einer Zunahme der Dethematisierung bzw. Entsachlichung, der journalistischen Autonomie, der Negativität und der Personalisierung). Daraus lassen sich erste 6

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Eine Klassifikation meint lediglich die Einordnung von Objekten hinsichtlich eines Vergleichskriteriums in unterschiedliche Klassen. Eine Typologie dagegen bezieht mindestens zwei Merkmale ein und hat damit einen höheren Informationsgehalt als eine Klassifikation (Lauth/Winkler 2006: 39).

strukturelle Faktoren ableiten, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Medieninhalten in Deutschland und Österreich erklären könnten. Weitere werden in einem systematischen Ländervergleich dreier gesellschaftlicher Teilsysteme – der politischen Systeme, der Mediensysteme und der journalistischen Systeme – identifiziert. Gerade in einer historischen Studie gilt es, daneben die situativen Konstellationen der einzelnen Wahlkämpfe zu berücksichtigen, welche die Berichterstattung in hohem Maß prägen können (Wilke/Reinemann 2000: 182). Da in den drei Teilsystemen jeweils die Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern die Unterschiede überwiegen, folgt die Untersuchung dem MSSD und der Differenzmethode. Dennoch sollen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern und über die Zeit hinweg nicht völlig ausgeklammert werden. Untersucht werden Unterschiede zwischen den Ländern und/oder Veränderungen im Zeitverlauf von fast 60 Jahren (1) in den politischen Systemen hinsichtlich der Konsens- und Konfliktorientierung des Elitenverhaltens sowie hinsichtlich der Wählermärkte und der Parteiensysteme, (2) in den Medien-, vor allem den Pressesystemen hinsichtlich der Pressepolitik, der Entwicklung der Tageszeitungsmärkte, des politischen Parallelismus und der Rolle und Verbreitung des Fernsehens und (3) in den journalistischen Systemen hinsichtlich der historischen Entwicklung des Journalismus im 19. Jahrhundert, des journalistischen Selbstverständnisses, der journalistischen Ausbildung und Selbstregulierung und der journalistischen Qualität. (4) Die situativen Einflussfaktoren werden in einem historischen Überblick über alle 34 Wahlkämpfe beschrieben und systematisiert. Auf diesen vier Säulen fußt das Analyseraster für die Inhaltsanalyse. Die Studie erfüllt damit die Forderung von Gurevitch und Blumler (2003: 380) nach „Systemempfindlichkeit“: Komparative Analysen sollen demnach nicht nur den Untersuchungsgegenstand selbst (hier: die Wahlkampfberichterstattung) in den Blick nehmen, sondern auch die Systeme, in denen er betrachtet wird. Darauf aufbauend werden zwei Forschungsfragen und 16 Annahmen für die Inhaltsanalyse entwickelt, die sich zu vier Themenbereichen bündeln lassen: (1) Der Umfang und die Menge der Wahlkampfberichterstattung lassen Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Bedeutung der einzelnen Wahlkämpfe zu. (2) Die Themen zeigen, um welche gesellschaftlichen und politischen Streitfragen sich die Auseinandersetzung im Wahlkampf jeweils drehte. (3) Überprüft wird weiterhin, ob die Wahlkampfberichterstattung durch die oben genannten langfristigen Trends geprägt war, die häufig unterstellt, aber selten in Langzeitstudien empirisch überprüft werden. (4) Die Qualität der Berichterstattung schließlich ist entscheidend für die Qualität des öffentlichen Diskurses, gerade in Wahlkämpfen als zentralen Ereignissen im demokratischen Prozess. Auf Basis der inhaltsanalytischen Ergebnisse wird abschließend das Analyseraster überprüft und zu einem empirisch gesättigten Modell modifiziert, das als Grundlage für künftige Untersuchungen dienen kann.

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2. Wahlkampfberichterstattung im Zeit- und Ländervergleich: Forschungsstand

Die vorliegende Studie befasst sich mit Wahlkampfberichterstattung und ist somit in der Wahlkampfkommunikationsforschung angesiedelt, einem zentralen Teilbereich der politischen Kommunikationsforschung. Politische wie auch Wahlkampfkommunikation können aus drei Perspektiven betrachtet werden: (1) Zum einen gilt es, die politischen Akteure und ihre kommunikativen Aktivitäten in den Blick zu nehmen. Betrachtet werden dabei sowohl individuelle (einzelne Politiker) als auch kollektive politische Akteure (Organisationen wie z. B. Parteien, Interessenverbände oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs)). (2) Der zweite zentrale Bereich ist die mediale Berichterstattung über Politik und Wahlkämpfe in sämtlichen Massenmedien. (3) Zum dritten werden die wahlkampfbezogenen Aktivitäten der Wähler und die Wirkungen der medialen Berichterstattung auf sie untersucht, z. B. das politische Informationsverhalten der Bevölkerung und die Rolle der Medien für ihre politische Meinungsbildung oder ihr Wahlverhalten (Reinemann 2008; Dahlem 2001). Diese drei Teilbereiche hängen eng miteinander zusammen und beeinflussen sich wechselseitig. Wissenschaftlich betrachtet werden können sie entweder einzeln oder in Kombination miteinander, entweder anhand einer einzelnen Wahl oder im Vergleich, z. B. zwischen verschiedenen Ländern und/oder über die Zeit hinweg. Die vorliegende Studie legt ihren Fokus auf den zweiten Bereich, die Wahlkampfberichterstattung, im Vergleich zwischen zwei Ländern über einen Zeitraum von nahezu sechs Jahrzehnten hinweg. Weil Wahlkampfberichterstattung aber immer im Kontext der politischen Strukturen und der Wählermärkte entsteht, sind auch Entwicklungen im Bereich der politischen Akteure und der Wähler als Kontextfaktoren Teil der Analyse. Ohne deren Kenntnis können die Befunde der Inhaltsanalyse nicht angemessen erklärt werden. Langzeituntersuchungen von Wahlkampfkommunikation wie die vorliegende versuchen, Wandlungsprozesse im Handeln der politischen Akteure, der Medien und der Wähler in Wahlkämpfen zu beschreiben, zu erklären und zu prognostizieren (Reinemann 2008: 181). Bisher sind solche Studien, wie eingangs erwähnt, allerdings rar. Im deutschsprachigen Raum galt dieser Mangel lange „als eines der schwerwiegendsten Defizite der kommunikationswissenschaftlichen Wahlkampfforschung“ (Reinemann 2008: 179; Schönbach 1998: 119). Besonders problematisch erscheint er, weil nur mittels longitudinalen Forschungsdesigns langfristige Veränderungen wie die in Kapitel 3 skizzierten nachgezeichnet und

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Befunde von Querschnittstudien in einen Zusammenhang gestellt werden können (Saxer 2000: 33).7 Erst in jüngster Zeit ist das Interesse an Langzeitanalysen gestiegen, maßgeblich aufgrund der dramatischen Veränderungen der Wahlkampfkommunikation in den 1980er und 1990er Jahren. Der Forschungsstand hat sich dadurch nachhaltig verbessert (Reinemann 2008: 179). Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über (1) Längsschnittuntersuchungen8 der Berichterstattung im Vorfeld nationaler Parlamentswahlkämpfe in Deutschland und Österreich. Daneben werden die wenigen vorhandenen Untersuchungen betrachtet, (2) die beide Länder im Querschnitt vergleichen bzw. (3) die Länder- und Zeitvergleich von Wahlkampfberichterstattung kombinieren, unabhängig von den untersuchten Ländern. Mit Blick auf den Gegenstand der Dissertation liegt der Schwerpunkt im Folgenden auf Analysen der medialen Berichterstattung, vor allem von Tageszeitungen.

2.1 Langzeitvergleiche in Deutschland und Österreich Eine der ersten Langzeitstudien zur Wahlkampfberichterstattung in Deutschland war die Untersuchung von Wilke und Reinemann (2000), die einen Teil der empirischen Grundlage für die vorliegende Dissertation bildet und insbesondere zwei US-amerikanische Untersuchungen zum Vorbild nahm: Patterson (1994) zeigte vor allem, dass die Print- und Fernsehberichterstattung über die US-Präsidentschaftskandidaten seit den 1960er Jahren kontinuierlich negativer geworden ist und dass Sachthemen (policy schema) darin gegenüber Wahlstrategien und Wahlerfolg (game schema) an Bedeutung verloren haben. Weiterhin hat die Länge der Kandidatenzitierung abgenommen und die Berichterstattung ist insgesamt interpretativer geworden. Wattenberg (1999) belegte, dass in amerikanischen Qualitätszeitungen und Nachrichtenmagazinen die Präsidentschaftskandidaten als Akteure zwischen 1952 und 1992 zunehmend an Bedeutung und Raum gegenüber den Parteien gewannen und sie schließlich fast völlig aus den Medien verdrängten (Personalisierung). Wilke und Reinemann (2000) untersuchten die Berichterstattung der vier überregionalen deutschen Qualitäts- bzw. Elitetageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Rundschau (FR) und Die 7

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Saxer (2000: 33) verweist auf ein weiteres Ungleichgewicht: Untersuchungen von Wahlkampfkommunikation seien stark auf das Fernsehen fixiert, während Printmedien trotz ihres größeren Beitrags zur Vermittlung strukturierten politischen Wissens bisher vernachlässigt würden. In der jüngsten Vergangenheit wird die Online-Wahlkampfkommunikation als Forschungsgegenstand zunehmend wichtig, z. B. Online-Wahlkampagnen und die Berichterstattung darüber im Web 2.0 (z. B. Heigl/Hacker 2010; Wolling/Seifert/Emmer 2010). Auf Studien zu einzelnen Wahlkämpfen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Für einen Überblick zu Deutschland siehe Wilke/Reinemann (2000) und Maurer/Reinemann (2006), für Österreich Wochesländer (2002).

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Welt über die Kanzlerkandidaten in sämtlichen Bundestagswahlkämpfen seit 1949. Ihr zentrales Erkenntnisinteresse war die Frage, ob sich die Berichterstattung auch in Deutschland langfristig linear verändert hat. Bestätigen konnten sie das jedoch nur für die Zunahme der interpretativen gegenüber den tatsachenbetonten journalistischen Stilformen, für eine sinkende Authentizität (gemessen an den Zitaten) und für eine ab 1980 überwiegend negative Kandidatendarstellung. Die meisten anderen Berichterstattungsmerkmale (z. B. Umfang, Themen, Personalisierung) blieben dagegen stabil oder differierten stark von Wahl zu Wahl, sodass kaum von kontinuierlichen Trends gesprochen werden kann. Die Autoren schlussfolgerten daraus, dass „weniger langfristige medieninterne Trends die Struktur der Wahlberichterstattung prägen als vielmehr die Ereignislage und die jeweiligen Kandidatenkonstellationen.“ (Wilke/Reinemann 2003: 55; Sarcinelli 2011: 230) Als weitere Studien zur medialen Berichterstattung über deutsche Bundestagswahlkämpfe sind folgende zu nennen: Römmele (2005) untersuchte die Bedeutung politischer Inhalte, Parteien und Kandidaten in der Wahlkampfberichterstattung überregionaler Tageszeitungen 1972, 1987 und 2002. Semetko und Schönbach (2003) analysierten die Berichterstattung der Bild-Zeitung über die Bundestagswahlkämpfe 1990 bis 2002, insbesondere mit Blick auf die Kanzlerkandidaten. Brettschneider (2003) betrachtete die Berichterstattung über Umfrageergebnisse in Tageszeitungen in den Bundestagswahlkämpfen 1980 bis 2002. Die Fernsehberichterstattung über Bundestagswahlkämpfe analysierten z. B. Genz, Schönbach und Semetko (2001), Donsbach und Büttner (2005), Schulz, Zeh und Quiring (2005) und Schulz (2010) in längerfristiger Perspektive.9 Auf formaler Ebene betrachteten Wilke und Spiller (2006) die Entwicklung der wahlbezogenen Fernsehformate von 1953 bis 1983, und um die Fernseh- und Printberichterstattung über die Bundestagswahlkämpfe 1998 und 2002 ging es bei Noelle-Neumann, Kepplinger und Donsbach (2005). In der Zusammenschau dieser Studien ist nicht festzustellen, „dass sich die Wahlkampfberichterstattung zu Bundestagswahlen ab einem bestimmten Zeitpunkt insgesamt linear entwickelt hätte.“ (Reinemann 2008: 183) Auf einige Merkmale trifft das zwar tatsächlich zu. Diese Trends – eine Zunahme des interpretativen Journalismus, der Dramatisierung (horse race journalism), der Visualisierung und des Negativismus sowie ein Verschwinden des Kanzlerbonus – setzten aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Bei anderen Merkmalen – etwa dem Umfang der Berichterstattung, der Zitierung und der Personalisierung – ergeben sich dagegen starke Schwankungen oder sie blieben zumindest in gewissen Zeitabschnitten stabil, auch in Abhängigkeit von den jeweiligen Indikatoren.10 9

Für die Zeit vor 1990 besteht das Problem mangelnder systematischer Archivierung der relevanten Fernsehsendungen (Reinemann 2008: 183). 10 Neben den Medieninhalten wurden auch verschiedene andere Aspekte der bundesdeutschen Wahlkampfkommunikation longitudinal untersucht, z. B. die kommunikativen Ak-

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Während der Forschungsstand in Deutschland gerade in jüngster Zeit deutliche Fortschritte gemacht hat, muss er in Österreich nach wie vor als stark defizitär bezeichnet werden. Hier mangelt es nicht nur an Langzeitstudien, sondern auch an theoretisch und methodisch fundierten Arbeiten über einzelne Wahlkämpfe. Viele Aspekte wurden bislang – wenn überhaupt – nur im Rahmen studentischer Abschlussarbeiten untersucht. Eine Synopse allgemeiner langfristiger Trends fällt daher schwer. Stattdessen soll im Folgenden nur auf einzelne Studien verwiesen werden, die bestimmte Aspekte der österreichischen Wahlkampfkommunikation im Zeitverlauf betrachtet haben. Die derzeit laufende Langzeitanalyse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu Agenda-Building-Prozessen in österreichischen Wahlkämpfen (1966 bis 2008), in deren Kontext auch die vorliegende Dissertation steht, widmet sich als eine der ersten umfassend dieser Thematik. Publikationen erster Ergebnisse verweisen auf „eine Reihe von Anzeichen für einen – auch im journalistischen Selbstverständnis zum Ausdruck kommenden – Autonomiegewinn des österreichischen politischen Journalismus, aber keinen durchgängigen Trend in diese Richtung.“ (Seethaler/Melischek 2010: 155) Seit den 1970er Jahren haben sich die Bindungen zwischen Medien und Parteien abgeschwächt und die Medien verhielten sich zunehmend selektiv und selbstreferenziell. Auf diese erschwerten Bedingungen des Agenda Buildings haben die politischen Akteure mit einer Professionalisierung ihres Themenmanagements reagiert. Eine abschließende Beurteilung fällt aber zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer (Melischek/Rußmann/Seethaler 2010: 137). In einer der wenigen weiteren Langzeituntersuchungen zur Wahlkampfberichterstattung österreichischer Medien haben Plasser und seine verschiedenen Mitautoren (zuletzt: Plasser 2000b) thematische Schwerpunkte der innenpolitischen Berichterstattung über die Nationalratswahlkämpfe von 1983 bis 1999 untersucht. Als transnationale Muster bzw. Trends der Wahlkampfberichterstattung sahen sie Personalisierung, Dethematisierung, Negativismus und Dramatisierung bestätigt. Allerdings erschweren spärliche Informationen zum Forschungsdesign, das zwischen den Untersuchungsjahren variierende Mediensample und die mangelnde Differenzierung zwischen den Mediengattungen in der Ergebnisdarstellung die Nachvollziehbarkeit und Einordnung dieser Befunde. 11 Dagegen fanden Lengauer, Pallaver und Pig (2007) in österreichischen Print-, Fernseh- und Hörfunknachrichten über die Nationalratswahlkämpfe 1999 tivitäten der politischen Akteure in Form von Wahlprogrammen, Wahlkampfstrategien und Wahlkampfwerbung (z. B. Keil 2003; Hetterich 2000; Michel 2005; Holtz-Bacha 2000; Huh 1996) und das wahlkampfbezogene Handeln der Wähler bzw. Rezipienten (Schulz et al. 2005; Schrott 1990; Schmitt-Beck 2003). 11 Beispielsweise ist nicht dokumentiert, welche Artikel in die Analyse einbezogen wurden, wie viele Beiträge in den einzelnen Jahren untersucht wurden und wie viele und welche Merkmale bei der Codierung überhaupt erfasst wurden. Auch sind die Untersuchungszeiträume (zwischen vier Wochen und drei Monaten vor der Wahl) sehr unterschiedlich und schwer vergleichbar.

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und 2006 hinsichtlich Personalisierung, Negativismus, Dethematisierung, journalistischer Autonomisierung und Frames mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Einige langfristige Entwicklungen der Wahlkampfberichterstattung von Tageszeitungen sind in studentischen Abschlussarbeiten analysiert worden, die allerdings zum Teil erhebliche methodische Mängel aufweisen. Als (weitgehend) gesichert können folgenden Befunde gelten: Prochart (1996) fand in der Berichterstattung des Boulevardblattes Kronen Zeitung (Krone) über die Wahlkämpfe 1966, 1975, 1986 und 1995 Belege für eine zunehmende Dethematisierung sowie für eine wachsende Personalisierung im Sinne einer steigenden Kandidaten- und abnehmenden Parteienzentrierung. Sengseis (2006) zeigte, dass in Boulevardzeitungen in den 1970er Jahren stärker über die Wahlprogramme der Parteien, in den 1990er Jahren stärker über Spitzenkandidaten und Parteivorsitzende berichtet wurde.12 Birgmann (2003) stellte in überregionalen Tageszeitungen von 1990 bis 2002 (mit Ausnahme des Wahlkampfs 1995) keine Ausweitung der Umfrageberichterstattung als Element des horse race journalism fest. Und für das Auftrittsverhalten der Politiker in den Fernsehkonfrontationen von 1994 bis 1999 fanden Posselt und Rieglhofer (2000) eine weitgehende Angleichung der anfangs noch unterschiedlichen Präsentationsstile von Regierungs- und Oppositionspolitikern.13

2.2 Ländervergleiche zwischen Deutschland und Österreich Alle bisher genannten Longitudinaluntersuchungen konzentrierten sich auf die Wahlkampfkommunikation jeweils eines Landes. Studien, die den Längs- und Querschnittvergleich zwischen Deutschland und Österreich kombinieren, gibt es bislang nicht. Der bisher einzige deutsch-österreichische Vergleich von Wahlkampfberichterstattung ist eine Querschnittsanalyse von Lengauer (2007). In der nationalen Berichterstattung über den deutschen Bundestagswahlkampf 1998, den österreichischen Nationalratswahlkampf 1999 und den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2000 ermittelte er eine starke Homogenität der allgemeinen politischen wie auch der Wahlkampfberichterstattung und deutete das als Anzeichen einer transnationalen Nachrichtenlogik. Mit einer reinen Querschnittsanalyse können die von ihm behaupteten transnationalen „Meta-Trends“ jedoch nicht untersucht werden. Dazu bedarf es der Ergänzung um den Zeitvergleich. 12 Um eine echte Trendanalyse handelt es sich hierbei jedoch nicht, weil die Berichterstattung nur summarisch für je drei Wahlen in beiden Jahrzehnten verglichen wird. 13 Einige (Abschluss-)Arbeiten befassten sich daneben mit der Entwicklung der Wahlwerbung (Lederer 2010), z. B. Inhalten von Werbeinseraten (z. B. Gruber 1994; Schöpf/ Seebacher 1993) und Wahlkampfplakaten (z. B. Kremser 1997; Lepuschitz 1996), und mit der Entwicklung des Wahlkampfmanagements österreichischer Parteien (z. B. Oberreiter 2001; Rachbauer 2005; Simons 2004) über mehrere Wahljahre hinweg.

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2.3 Kombinierte Zeit- und Ländervergleiche Ländervergleichende Langzeitstudien medialer Politikberichterstattung gab es lange Zeit nur vereinzelt, erst in jüngster Zeit steigt ihre Zahl. Sie beschäftigen sich zum Beispiel mit der Berichterstattung über die Wahlen zum Europäischen Parlament 1999, 2004 und 2009 in zahlreichen EU-Ländern (de Vreese et al. 2006; Boomgarden et al. 2011), mit dem Themenkomplex „Europäische Öffentlichkeit“ (für einen Überblick über den Forschungsstand Kleinen-von Königslöw (in Druck)), mit der Politikberichterstattung US-amerikanischer und französischer nationaler Elitetageszeitungen in den 1960er und 1990er Jahren (Benson/Hallin 2007), mit der Parlamentsberichterstattung in Deutschland und Großbritannien von 1983 bis 2008 (Jainsch 2012), mit dem Zusammenhang zwischen dem Wandel von Medienstrukturen und -inhalten (Udris/Lucht 2011) oder den Zusammenhang zwischen national unterschiedlichen Journalismusmodellen und Mustern der Berichterstattung (Umbricht/Esser 2012). Eine der wenigen zeit- und zugleich ländervergleichenden Studien zu Wahlkampfberichterstattung stammt von Semetko et al. (1991) bzw. Blumler und Gurevitch (2001). Sie untersuchten die Entstehung der Wahlkampf-Agenda in der Print- und Fernsehberichterstattung in britischen Parlaments- (1983, 1997) und US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfen (1984, 1996) unter Berücksichtigung politischer und medialer Einflüsse. Identifiziert wurden verschiedene Systemunterschiede zur Erklärung von Länderunterschieden in den Agenda-Building-Prozessen, die einleitend in Kapitel 4 erläutert werden. Im Zeitverlauf waren einerseits in einigen Dimensionen Annäherungen des britischen an das amerikanische System erkennbar, während sich in anderen Dimensionen das amerikanische System vom britischen entfernt zu haben schien. „Es war also nicht so, dass man das amerikanische System als fest gefügte Größe betrachten muss, an die sich die anderen annäherten. Vielmehr war auch das amerikanische System in dynamischen Veränderungsprozessen gefangen.“ (Gurevitch/Blumler 2003: 377-378) Eine zeit- und ländervergleichende Studie von Jucknat (2007) befasste sich mit Frage, ob sich die Berichterstattung über deutsche Bundestagswahlkämpfe zwischen den 1950er Jahren und dem Beginn des 21. Jahrhunderts hinsichtlich Personalisierung und Dethematisierung an die Berichterstattung über US-amerikanische Präsidentschaftswahlkämpfe angeglichen hat. Untersucht wurden dazu die Titelseiten überregionaler Tageszeitungen aus beiden Ländern in fünf Jahrzehnten. Für jede Dekade wurde ein Wahlkampf pro Land analysiert. Die vermuteten Angleichungstendenzen konnten jedoch nicht bestätigt werden. Vielmehr wurden in beiden Ländern politische Akteure in der Berichterstattung mit Sachthemen verbunden, wobei die deutschen Zeitungen ihren Fokus auf mehr verschiedene und andere politische Akteure legten. Die Unterschiede zwischen beiden Ländern sind erklärbar durch ihre unterschiedlichen politischen Strukturen. 25

Auch wenn in diesen Studien nur jeweils zwei Messzeitpunkte pro Land bzw. nur je ein Wahlkampf pro Jahrzehnt verglichen wurden, machen sie deutlich, wie wichtig eine Kombination beider Vergleichsdimensionen ist und welchen systematischen Erkenntnisgewinn sie bringen kann. Die vorliegende Dissertation leistet mit insgesamt 34 Messzeitpunkten, die sämtliche Wahlen im Untersuchungszeitraum abdecken, somit Pionierarbeit für die politische Kommunikationsforschung.

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3. Politik- und Wahlkampfberichterstattung im Wandel

Die beschriebenen Langzeitstudien nehmen Bezug auf den (vermuteten) nachhaltigen Wandel der politischen und insbesondere der Wahlkampfkommunikation in den westlichen Demokratien im Lauf der vergangenen Jahrzehnte und dessen Folgen. Moderne Wahlkämpfe weisen dort spezifische, in vielen Ländern ähnliche Charakteristika auf, bedingt durch die Professionalisierungsstrategien, mit denen sich politische und mediale Akteure an gesellschaftliche und mediale Veränderungen anzupassen versuchen (Holtz-Bacha 2002b: 47). Besonders wichtig sind in diesem Kontext der steigende Parteienwettbewerb aufgrund nachlassender Parteibindungen der Wähler (Kapitel 4.1.2, 4.1.3) und der sich verstärkende Medienwettbewerb um Leser und Zuschauer (Kapitel 4.2.3). Die Wahlkampfkommunikation verändert sich auf zwei Ebenen: (1) Für die Wahlkampforganisation sind die massenmediale Berichterstattung und der Versuch, sie zu beeinflussen, zentral geworden. Organisation und Gestaltung moderner Wahlkämpfe werden nach Marketing-Gesichtspunkten zentral gesteuert. Die Parteien und Kandidaten bedienen sich Kommunikationsexperten aus PR-, Media- und Werbeagenturen und basieren ihre Kampagnen auf Erkenntnissen der Markt- und Meinungsforschung (Radunski 1996: 34-35; HoltzBacha 2002a: 27; Holtz-Bacha 2002b: 47-48; Römmele 2002: 451-452; Donges 2000: 29-35). (2) Angenommene Veränderungen der Wahlkampfberichterstattung sind wie schon erwähnt z. B. ihre zunehmende Personalisierung, Emotionalisierung, Boulevardisierung, Dethematisierung, Negativität und Entauthentisierung. Der kommunikationswissenschaftlichen Literatur zufolge sind diese Merkmale erst in jüngerer Zeit entstanden oder haben sich während der letzten Jahrzehnte verstärkt (Radunski 1996: 34-35; Holtz-Bacha 2002a: 27-28; Holtz-Bacha 2002b: 47-50; Plasser 2000b: 214-215; Römmele 2002: 452-453). Verschiedene Erklärungsansätze versuchen, diese Prozesse theoretisch zu fassen und in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext einzubetten. Über einige davon, die später für die Einordnung der inhaltsanalytischen Befunde relevant sind, geben die folgenden Kapitel einen Überblick: (1) Amerikanisierung, Modernisierung, Globalisierung und Medialisierung, (2) Boulevardisierung, (3) neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und (4) ein Ansatz, der die Massenmedien als intermediäre Akteure versteht. Anschließend werden vier in der Inhaltsanalyse betrachtete Indikatoren des Wandels – Sachthemenanteil, journalistische Autonomie, Negativität und Personalisierung – beschrieben, von denen all diese Erklärungsansätze ausgehen.

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3.1 Erklärungsansätze 3.1.1 Amerikanisierung, Modernisierung, Globalisierung, Medialisierung Im Kontext der politischen und besonders der Wahlkampfkommunikation westlicher Demokratien ist der Begriff Amerikanisierung zu einem zwar äußerst populären, zugleich aber „mehr als mehrdeutige[n] Schlagwort“ (Donges 2000: 27) geworden. Unterschiedlichste Entwicklungen werden darunter subsummiert, sowohl in der Politikherstellung als auch in ihrer Darstellung, etwa die eben genannten. Einigkeit herrscht aber zumindest darüber, dass die Veränderungen nicht monokausal erklärbar sind, sondern durch miteinander verbundene Wandlungsprozesse im politischen System, im Mediensystem und in der Wählerschaft hervorgerufen werden (Holtz-Bacha 2002b: 42-43). Was an ihnen spezifisch amerikanisch sein soll, bleibt meist unklar und wird auch empirisch kaum untersucht (Donges 2000: 29; Lengauer 2007: 27-29). 14 In der kommunikationswissenschaftlichen Literatur finden sich vier recht ähnliche Ansätze, die diese Entwicklungen aus einem jeweils eigenen Blickwinkel betrachten (Schulz 2008b: 243). Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie als Prozesse nur mittels Langzeitanalysen untersucht werden können. (1) Die Amerikanisierungsthese im engeren Sinne, die allerdings vielfach kritisiert wurde und in der Kommunikationswissenschaft mittlerweile so nicht mehr vertreten wird (Holtz-Bacha 2003b: 253; Schulz 2008b: 244), argumentierte diffusionstheoretisch. Sie ging davon aus, dass Entwicklungen der Wahlkampfpraxis in den USA ihren Anfang nehmen und sukzessive von anderen, vor allem europäischen Ländern übernommen werden. Dieser Konvergenzprozess, so die Annahme, erfolge gerichtet und einseitig, unabhängig von den institutionellen Gegebenheiten im übernehmenden Land. Allerdings würden dabei meist nur die in den USA angewandten Techniken und Strategien der Wahlkampfführung imitiert, wodurch die Übernahme oberflächlich bleibe und allenfalls geringe Effekte auf Institutionen oder Akteure des politischen Systems habe (Esser/Pfetsch 2003: 48; Plasser 2000a: 50; Donges 2000: 35; Hallin/Mancini 2003: 37). (2) Der Modernisierungsansatz hingegen führt die Entwicklungen nicht auf den externen Einfluss eines einzigen Landes zurück, sondern sieht sie durch einen langfristigen, allgemeinen Strukturwandel verursacht, der die Gesellschaft als Ganzes, insbesondere aber die Teilsysteme Politik und Medien betrifft und durch die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften verursacht wird (Swanson/Mancini 1996a: 253; Schulz 2008b: 243). Er vollzieht sich in allen modernen Repräsentativdemokratien, die unter Berücksichtigung der nationalen Rahmenbedingungen ähnlich darauf reagieren. Die Veränderungen der Wahlkampfkommunikation haben demnach interne (endogene) Ursachen und werden 14 Eine kurze Übersicht über verschiedene in der Literatur angeführten „Amerikanisierungsmerkmale“ liefert Müller (1999: 40).

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„somit als substantieller und strukturbildender angenommen als im Konzept der ‚Amerikanisierung’.“ (Donges 2000: 36) Die USA haben dennoch eine Vorbildfunktion, weil die Differenzierungsprozesse dort am weitesten fortgeschritten sind und einige Veränderungen besonders deutlich zutage treten. In der Folge werden neue soziale Praktiken oft „als amerikanisch wahrgenommen“ (Kamps 2000: 19; Plasser 2000a, Swanson 2003, Esser/Pfetsch 2003: 48-49, Donges 2000: 35-36). (3) Auch das Konzept der Globalisierung bzw. der globalen Standardisierung betrachtet die Veränderungen nicht als einseitig von den USA ausgehend, sondern nimmt einen „wechselseitigen, freien, auch widersprüchlichen Austausch von Werten, Normen und Praktiken zwischen Kulturen“ (Esser/Pfetsch 2003: 49) an. Nicht nur Wahlkampftechniken amerikanischer, sondern auch europäischer Parteien oder Politiker dienen politischen Akteuren in anderen Ländern zur Orientierung. Die internationale Vernetzung moderner Kommunikationssysteme sowie enge Interaktionen und Interdependenzen zwischen den einzelnen Ländern erleichtern und verstärken diesen Austausch (Hallin/Mancini 2003: 37-38; Esser/Pfetsch 2003: 49; Donges 2000: 36-37; Swanson 2003). (4) Medialisierung15 schließlich bezeichnet „die Anpassung der Akteure in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und zahlreichen anderen gesellschaftlichen Subsystemen an die Erfolgsbedingungen der Medien“ (Kepplinger 2008: 327). Sie beruht auf einer Wechselwirkung zwischen medialem und gesamtgesellschaftlichem Wandel (Schulz 2008b: 31). Die anderen gesellschaftlichen Subsysteme orientieren sich zunehmend an der Medienlogik bzw. der medialen Aufmerksamkeitsökonomie, z. B. durch eine steigende Ausrichtung an medialen Nachrichtenfaktoren, spektakuläre Sprache und Inhalte sowie Versuche, die mediale Agenda zu beeinflussen (Pfetsch/Marcinkowski 2009: 16; Mazzoleni 2008: 3048). In der Politik sind die Medien für kollektiv bindende Entscheidungen wichtiger als früher und zugleich wichtiger als andere Faktoren (z. B. Parteiapparate, Experten, Interessengruppen) geworden (Vowe 2006: 441). „Der entscheidende Punkt der Entwicklung ist aber nicht, dass eine weitgehend politikfremde, kommerzielle Medienlogik die Auswahlkriterien und Regeln dessen, was als Politik öffentlich wird, diktiert. Wesentlich ist vielmehr, dass politische Akteure diese Regeln und medialen Formatkriterien verinnerlichen bzw. in ihrem Handeln antizipieren“ (Pfetsch/ Marcinkowski 2009: 16).

Die Regeln der Medien werden somit im politischen System institutionalisiert, die Politik verliert ihre Autonomie und wird in ihren zentralen Funktionsbereichen von den Massenmedien abhängig. Befürchtet werden dadurch medial verursachte 15 Der englische Begriff mediatization wird ins Deutsche sowohl mit „Medialisierung“ als auch „Mediatisierung“ übersetzt und häufig synonym gebraucht (Schulz 2008b: 32). In der vorliegenden Arbeit wird ausschließlich von Medialisierung gesprochen. Diese umfasst einen technischen und einen inhaltlichen Aspekt, wobei ersterer letzteren vorantreibt (Steinmaurer 2003b: 107).

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dysfunktionale Folgen für die Demokratie (Mazzoleni/Schulz 1999; Pfetsch/ Marcinkowski 2009: 13-15; Kepplinger 2008: 327).

3.1.2 Boulevardisierung In eine ähnliche Richtung argumentiert der Ansatz der Boulevardisierung von Massenmedien und ihren Inhalten. Bei diesem „catch-all term“ (Esser 1999: 292) handelt es sich um einen relativ diffusen, mehrdimensionalen und vieldeutigen Ansatz, auf den häufig Bezug genommen wird, ohne klar zu definieren, was damit gemeint ist.16 Wichtige Merkmale der Boulevardisierung sind zum Beispiel eine Zunahme von soft news auf Kosten von hard news17 bzw. die Ausweitung von infotainment in allen Sparten der Berichterstattung, eine Bevorzugung gefühlsbetonter Themen (human interest), ein stark durch visuelle und farbige Elemente geprägtes Layout, eine Verkürzung der Beiträge, eine emotionalisierte Sprache und ein Fokus auf Sensationellem (Boenisch 2007: 91; Kurtz 1993: 143-147; Landmeier/Daschmann 2011: 178-180). Allerdings stellt Sensationsjournalismus, wenngleich in der Literatur vielfach mit Boulevardjournalismus gleichgesetzt, nur einen Teilbereich bzw. eine Extremausprägung desselben dar (Dulinski 2003: 91-94). Die Anfänge des Boulevardjournalismus lassen sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausmachen, als Zeitungen begannen, eigene Bereiche für Sport, Unterhaltung, Sensationelles und Bilder einzurichten (Esser 1999: 291-292; Donsbach/Büttner 2005: 24). Als Ursachen der Boulevardisierung gelten vor allem zwei Entwicklungen: Zum einen, so die Annahme, führe der ökonomische Druck durch Anzeigenkunden und Investoren zu einer verstärkten Orientierung an den Konzepten der ökonomisch sehr erfolgreichen Boulevardpresse, zumal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Zum anderen wird Boulevardisierung als Reaktion auf die steigende intermediäre Konkurrenz und als Annäherung an das visuelle Medium Fernsehen betrachtet. Kritisiert wird sie vor allem, weil dadurch eine Gefahr für die Qualität journalistischer Inhalte und damit für die öffentliche Aufgabe und die Funktion der Medien in Demokratien befürchtet wird: Mit ihrer Berichterstattung

16 Zeitungen im Tabloid-Format haben die Maße 279 x 439 mm (Kühner/Sturm 2001: 237). Die englische Bezeichnung für Boulevardzeitungen (tabloid) geht zurück auf die pharmazeutische Bezeichnung für rasch einzunehmende Tabletten mit narkotisierendem Effekt. Diese Eigenschaften wurden ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in London auf die kleinformatigen Zeitungen übertragen, die unterwegs in öffentlichen Verkehrsmitteln schnell zu lesen waren (Fang 1997: 103). Der Begriff tabloidisation dagegen ist relativ neu, erste Belege finden sich im angloamerikanischen Bereich 1991 (Esser 1999: 292). Bezogen auf deutsche Fernsehnachrichten tauchte das deutsche Pendant „Boulevardisierung“ erstmals Mitte der 1980er Jahre in der wissenschaftlichen Literatur auf (Krüger 1985). 17 Für die Begriffe hard news und soft news gibt es ebenfalls keine klare Begriffsbestimmung, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionsversuche (Reinemann et al. 2012).

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den Bürgern eine fundierte Grundlage für ihre politische Meinungs- und Willensbildung bereitzustellen (Landmeier/Daschmann 2011: 181).18 Boulevardisierung kann als Prozess auf zwei Ebenen betrachtet werden: Auf der Mikro-Ebene passen traditionelle Zeitungen und andere Medienformate ihre Inhalte aufgrund ökonomischer Erfordernisse den Bedürfnissen des Publikums an. Auf der Makro-Ebene stellt Boulevardisierung ein soziales Phänomen dar, das tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche sowohl symbolisiert als auch hervorruft, z. B. die steigende Wichtigkeit politischen Marketings auf Kosten der politischen Bildung mit dem Ergebnis zunehmender Politikverdrossenheit (Esser 1999: 293). Ein empirischer Test von Boulevardisierung setzt viererlei voraus: (1) Als Prozess kann sie nur in Langzeituntersuchungen adäquat analysiert werden. (2) Weil sie das Übergreifen boulevardesker Merkmale von Boulevard- auf seriöse Qualitätsmedien meint, muss sie anhand letzterer betrachtet werden. (3) Der Boulevardisierungsprozess läuft nicht in allen Ländern gleichförmig ab, sondern differiert in Abhängigkeit von den nationalen Rahmenbedingungen und muss daher ländervergleichend untersucht werden, unter Berücksichtigung historischer und kultureller Länderunterschiede. (4) Aufgrund der Vagheit und Diffusität des Konzepts sollten bei der Analyse Mehrmethodendesigns zum Einsatz kommen, welche die verschiedenen Dimensionen der Boulevardisierung in den Blick nehmen (Esser 1999: 293-294) – z. B. eine Kombination aus einer Befragung von Journalisten, einer quantitativen und einer qualitativen Inhaltsanalyse und einer Strukturanalyse der umgebenden Mediensysteme. Im deutschsprachigen Raum konzentriert sich die empirische Forschung zur Boulevardisierung bislang vor allem auf das Fernsehen, wo sie vorwiegend im Rahmen der Konvergenz-Debatte diskutiert wird, also im Kontext der Angleichungsprozesse öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehnachrichten (Donsbach/Büttner 2005: 23-24). Boulevardisierung in Printmedien wird oft nur am Rand erwähnt oder es wird – häufig ohne empirische Belege – schlicht davon ausgegangen, dass selbige mittlerweile auch auf Qualitätsprintmedien übergreife (Dulinski 2003: 236; Esser 1999: 292). Zwar beschäftigt sich gerade in jüngster Zeit eine zunehmende Zahl an Studien mit Boulevardisierungsprozessen in Printmedien (für einen Überblick über den Forschungsstand siehe Magin (in Druck)). Es mangelt aber noch immer an Untersuchungen, die diese Tendenzen im Langzeitvergleich zwischen verschiedenen Ländern analysieren.

3.1.3 Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit Während sich die eben dargestellten Ansätze vor allem mit inhaltlichen Merkmalen der medialen Berichterstattung befassen, stellen die beiden folgenden Modelle stärker strukturelle Aspekte in den Vordergrund, die sich auch auf die 18 Landmeier und Daschmann (2011: 183) haben gezeigt, dass viele Boulevardisierungsmerkmale den Kriterien journalistischer Qualität zuwiderlaufen bzw. diametral entgegenstehen.

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medienvermittelte (politische) Kommunikation nachhaltig auswirken. Auch wenn sich diese Ansätze ebenfalls nicht speziell auf die Wahlkampfkommunikation beziehen, dürften die von ihnen beschriebenen Entwicklungen diese nachhaltig beeinflussen. Zunächst wird ein soziologischer Ansatz, der von Imhof (z. B. 2006a, 2006b) beschriebene neue Strukturwandel der Öffentlichkeit vorgestellt. Er besteht in der „Ausdifferenzierung des Mediensystems vom politischen System und der Koppelung der Medien an die Marktlogik“ (Imhof 2006a: 4; Herv. i. O.). Das Konzept nimmt Bezug auf Habermas’ (1962) „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ – einen umfassenden gesellschaftlichen Prozess, in dem sich Bedingungen und Formen öffentlicher Kommunikation verändert haben – geht aber deutlich darüber hinaus. Treibende Kräfte des in den 1960er Jahren einsetzenden neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit sind die Ausdifferenzierung eines parteiunabhängigen Mediensystems, der Aufstieg des Fernsehens und der Bedeutungsverlust der Parteimilieus in der Gesellschaft (Imhof 1999: 43). Die Medien lösten sich sozial und ökonomisch von ihren traditionellen intermediären Trägern (Parteien, Verbänden, Kirchen) ab. Zudem entstanden immer mehr von Beginn an rein ökonomisch orientierte Medien (z. B. Geschäfts- und Generalanzeigerpresse). Dadurch wie auch durch die Dualisierung des Rundfunks wurden die Medien zunehmend an die Marktlogik gekoppelt. Die Medienorganisationen sind dadurch zu reinen Dienstleistern mit einer beliebigen Finanzierungsgrundlage und hohen Renditeerwartungen geworden. Um ein großes Publikum zu gewinnen, richten sie ihre Selektions- und Interpretationslogiken (vor allem in der politischen Berichterstattung) nach dessen Aufmerksamkeitsbedürfnissen aus (Imhof 2006b: 9-10). Einer Ausdifferenzierung der Medien vom politischen System steht also eine Entdifferenzierung in Richtung des ökonomischen Systems gegenüber. Vor allem Medien und Politik versuchen sich immer stärker gegenseitig zu instrumentalisieren. Die politischen Akteure müssen sich nach dem Verlust ihrer eigenen, direkten Vermittlungsorgane an die veränderten Vermittlungs- und Produktionslogiken der Medien anpassen, und damit konstituiert sich auch die Politik moderner Gesellschaften neu (Imhof 2006b: 2; Imhof 2008: 49). Ablesbar ist der Strukturwandel an fünf Indikatoren, die vor allem seit den 1960er Jahren und noch klarer seit der Dualisierung des Rundfunks in den 1980er Jahren (Imhof 2008: 37) auf einschneidende Veränderungen der öffentlichen politischen Kommunikation verweisen: (1) Das Phänomen medienorientierter sozialer Bewegungen und Protestparteien verstetigt sich. Deren an medienwirksamen Aktionen orientierte öffentliche Kommunikation entspricht den (veränderten) medialen Selektions- und Interpretationslogiken. Dagegen muss die Kommunikation der etablierten Akteure, die sich traditionell an (partei-)politischen Selektions- und Interpretationslogiken ausrichtete, den veränderten Bedingungen angepasst werden, z. B. durch ver-

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stärktes medienwirksames Eventmanagement, eine starke Personenzentrierung und Konfliktinszenierungen (Imhof 2006a: 6). (2) Skandalisierungen haben im Zeitverlauf zugenommen und zugleich ihre Struktur verändert: Anders als beim klassischen Skandal mit seinem Nebeneinander von Skandalisierer, Skandalmedium und Skandalisierten kommt in modernen Skandalen dem Skandalmedium zugleich die Rolle des Skandalisierers zu. Auch erweitern sich die skandalisierungsfähigen Themen um moralische Verfehlungen aus dem privaten Bereich (Imhof 2006a: 7). (3) Weiterhin wird die öffentliche Sphäre in beispiellosem Maß privatisiert und die politische Kommunikation personalisiert (Imhof 2006a: 7), vor allem im Fernsehen und zumal seit der Etablierung des Privatfernsehens. Dies geschieht u. a. durch die Etablierung neuer, boulevardesker Nachrichtenformate. „Politikdarstellung gleicht sich strukturell der Unterhaltung an, und politische Argumente werden durch Charakterdarstellungen im privaten Lebensraum und medienattraktive Konfliktinszenierungen ergänzt“ (Imhof 2006a: 7). (4) Daneben verschiebt sich die intermediale Themen- und Meinungsresonanz deutlich. Während sich die früheren Parteizeitungen (Kapitel 4.2.3.1) als intellektuelle „Speerspitzen der Parteien“ (Imhof 2006b: 8) einen publikumsoffenen Meinungsstreit lieferten und so den politischen Diskurs vom Parlament in die Öffentlichkeit trugen, beschränkt sich die Resonanz innerhalb der (Leit-) Medien heute weitgehend auf eine rein thematische Konvergenz. Eine publizistische Auseinandersetzung um unterschiedliche Meinungen findet kaum noch statt (Imhof 2008: 38). (5) Schließlich hat sich die Vermittlungslogik der politischen Kommunikation umgekehrt: Die politische Agenda und die Entscheidungspolitik werden zunehmend von den Selektions- und Aufmerksamkeitsregeln des Mediensystems (mit-)bestimmt (Imhof 2006b: 8). Der Strukturwandel, der sich in all diesen Entwicklungen manifestiert, hat „die demokratische Entscheidungsfindung, die Steuerung und Legitimation moderner Gesellschaften grundlegend“ (Imhof 2006b: 9) verändert. Zu der Frage, inwiefern er sich auf die Inhalte der Medien auswirkt, liegen bisher allerdings nur wenige systematische und aussagekräftige Zeitreihenanalysen vor (Imhof 2006b: 5).

3.1.4 Massenmedien als intermediäre Akteure Die Entkopplung der Massenmedien von ihren traditionellen Trägern und ihre immer stärkere Kopplung an die Marktlogik stehen auch im Zentrum eines Ansatzes von Jarren (z. B. Jarren 1996a; 2001; Jarren/Donges 2006b), der aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive die Massenmedien als Teil des intermediären Systems betrachtet. In seinem Mittelpunkt steht der Wandel der Massenmedien hin zu einem eigenen Institutionentypus bzw. zu eigenständigen Akteuren. Politische Kommunikation wird dabei als Handlungssystem begriffen 33

und als Ergebnis sowohl der Medienstrukturen als auch der ständigen politischen Interaktionsprozesse zwischen Journalisten und politischen Akteuren verstanden (Jarren/Donges 2006b: 31). Durch die Verknüpfung system- und handlungstheoretischer Überlegungen versucht der Ansatz, die Grenzen systemtheoretischer Ansätze (z. B. trennscharfe Abgrenzung von Medien- und politischem System, mangelnde Erklärungskraft für Differenzierungsprozesse, Schwierigkeiten bei der empirischen Überprüfung) zu überwinden (Jarren 1996a: 80; Jarren/Donges 2006b: 36).19 Ausgangspunkt sind wiederum die Wandlungsprozesse, die sich kurz als Entkopplung des Mediensystems vom politischen System bei einer gleichzeitigen immer engeren Anbindung an die Eigenlogik des Wirtschaftssystems umschreiben lassen. 20 Medien und Politik werden zu eigenständigen oder wenigstens teilautonomen Systemen. Durch den Zwang, selbst als Wirtschaftsunternehmen zu agieren, entwickeln die Medien ein institutionelles, auf Markterfolg gerichtetes Eigeninteresse und eine spezifische Handlungslogik. Sie lösen sich von ihrer bisherigen Mediatisierungsfunktion (Krotz 1998: 101-102) und begreifen sich zunehmend als eigenständige Akteure. In der Berichterstattung schlägt sich das u. a. nieder in einer Verwischung der Grenzen zwischen Information und Unterhaltung (vor allem im Fernsehen), einem Bedeutungsgewinn unterhaltender Formen der Politikvermittlung, einem gestiegenen Ausmaß an Selbstreferenzialität (Reinemann/Huismann 2007) und einem zunehmend interpretativen Journalismus (Patterson 1997; Houston 2008).21 Die Medien „werden damit zu innengeleiteten Systemen, die sich immer weniger von außen durch politisch-kulturelle Vorgaben beeinflussen und beeindrucken lassen.“ (Jarren 1996a: 86) Da sie zugleich aber aufgrund ihrer historischen Entwicklung, den nach wie vor gültigen normativen Vorgaben und ihrer „Selbstbindung gegenüber dem Prinzip Öffentlichkeit“ (Jarren 1996a: 81) nicht völlig der Marktlogik unterworfen sind, repräsentieren sie einen eigenständigen Institutionentypus, der zu den übrigen Institutionen des intermediären Systems (Abbildung 1) quer liegt und sich im intermediären Gefüge neu positioniert. Das intermediäre System ist ein Vermittlungs- und Aushandlungsraum für die Akteure des politischen Prozesses, die an der Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen beteiligt sind (Jarren/Donges 2006b: 119): politische Parteien, Vereine bzw. Verbände, Bürgerinitiativen bzw. Neue Soziale Bewegungen und 19 Mit der Tatsache, dass Massenmedien selbst zu politischen Akteuren werden und als solche agieren können (Page 1996), befassen sich hauptsächlich drei Forschungsrichtungen: Die politische Ökonomie, die Handlungstheorie und der Neo-Institutionalismus. Einen Überblick über diese Ansätze und den gegenwärtigen Forschungsstand geben Pfetsch und Adam (2008). 20 Geblieben sind bis auf wenige Ausnahmen nur politisch profilierte Richtungsmedien, z. B. die überregionalen Qualitätszeitungen in Deutschland (Kapitel 4.2.3.1). 21 Zum Problem wird das, wenn Mediennutzer aufgrund einer zu starken Publikums- und Werbemarktorientierung der Medien nur noch als Rezipienten bzw. „Kunden“ und nicht mehr als politisch zu informierende Bürger angesehen werden (Jarren 2001: 16).

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Massenmedien. Als intermediär gelten allgemein Bindeglieder zwischen externen Systemen oder Elementen, „zwischen denen Kommunikationsschranken existieren oder die sogar in einem spannungsreichen bzw. widersprüchlichen Verhältnis zueinander stehen“ (Rucht 1991: 5). Das intermediäre System entwickelt eine eigene Kommunikationsweise, die es für beide externen Systeme anschlussfähig macht. Die Vermittlung verläuft dabei in zwei Richtungen: Zum einen werden Interessen von der Gesellschaft bzw. der Lebenswelt an das politische System (Input-Kommunikation), zum anderen Entscheidungen von der Politik an die Bevölkerung vermittelt. Doch das intermediäre System transportiert nicht einfach Interessen und Entscheidungen, sondern entwickelt darüber hinaus auch ein „Eigenleben und Eigeninteresse“ (Jarren/Donges 2006b: 121). In traditionellen Vorstellungen vom intermediären System standen die genannten Institutionen als gleichberechtigte Vermittlungsinstanzen zwischen der Bevölkerung und den politischen Entscheidungsträgern nebeneinander. Doch infolge des Entkopplungsprozesses repräsentieren die Massenmedien im Unterschied zu allen anderen intermediären Institutionen in der Regel keine Mitgliederinteressen mehr. Aufgrund dieser Sonderstellung haben sie sich im intermediären System eigenständig positioniert: Sie schieben sich „zunehmend zwischen die Bürgerinnen und Bürger und die übrigen Akteure des intermediären Systems.“ (Jarren 2001: 15; Jarren/Donges 2006b: 123) Deshalb verorten Jarren und Donges (2006b: 124) die Massenmedien in ihrem mediatisierten intermediären Modell als eigene Ebene zwischen den Bürgern und den anderen intermediären Akteuren. Abbildung 1: Modifiziertes intermediäres Modell

Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Jarren/Donges (2006b: 124).

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Allerdings sind die Medien nicht nur Akteure, sondern auch institutionalisierter Handlungskontext für andere politische und gesellschaftliche Akteure und beeinflussen damit deren Handlungsmöglichkeiten (Jarren 1996a: 81; Jarren 2001: 16). Die politischen Akteure haben an direkten Einflussmöglichkeiten auf die Medien eingebüßt und müssen, um ihre Ziele durchsetzen zu können, strategisch handeln. Damit steigen der Aufwand für die Medienarbeit und die Bedeutung von politischer PR (z. B. PR-Abteilungen, „Medienpartnerschaften“), symbolischer Politik, Pseudoereignissen, Personalisierung und „Intimisierung“ kontinuierlich. In den Organisationen selbst kommt es zu einer stärkeren Elitendominanz, Hierarchisierung und „Professionalisierung“ (Jarren 2001: 17), was sich wiederum auf die mediale Politikvermittlung auswirkt, etwa in Form eines stärkeren „Elite-“ und „Kanzlerbonus“ (z. B. Bruns/Marcinkowski 1997). Die Massenmedien schieben sich also nicht nur als zusätzliche Instanz zwischen die Bürger und die anderen intermediären Akteure, sondern beeinflussen auch die Beziehungen zwischen letzteren und den politischen Entscheidungsträgern massiv. Abbildung 1 modifiziert das mediatisierte intermediäre Modell von Jarren und Donges (2006b: 124) entsprechend.

3.2 Indikatoren des Wandels Alle Ansätze zur Erklärung des Wandels der politischen und der Wahlkampfkommunikation gehen von ähnlichen Entwicklungen im Zeitverlauf aus, durch die sich die Berichterstattung langfristig nachhaltig verändert haben soll. Plasser (2008: 172) bezeichnet sie als „transnationale Muster und Perspektiven der redaktionellen Vermittlung von Wahlkämpfen“. Empirisch geprüft sind diese Trendannahmen bisher aber nur unzureichend. Die vorliegende Dissertation untersucht anhand von inhaltsanalytischen Daten, ob vier Langzeittrends in der Wahlkampfberichterstattung der deutschen und der österreichischen Elitetageszeitungen von 1949 bis 2006 festzustellen sind und inwieweit sie durch strukturelle und situative Einflussfaktoren verstärkt, abgeschwächt oder unterbrochen werden: Ein sinkender Sachthemenanteil (Dethematisierung), eine wachsende journalistische Autonomie, eine steigende Negativität und eine zunehmende Personalisierung. Was darunter verstanden wird, zeigt das folgende Kapitel.

3.2.1 Sachthemen Die Dethematisierung bzw. Entpolitisierung der Berichterstattung meint eine „Marginalisierung der Politik- und Wahlkampfberichterstattung“ (Lengauer/Pallaver/Pig 2004: 180) und eine Entsachlichung politisch-inhaltlicher Diskussionen. Hervorgerufen wird sie einerseits durch die politischen Akteure selbst, die in ihrer Wahlkampfgestaltung verstärkt auf symbolische Politik (Sarcinelli 1987), politische Inszenierungen (Meyer 2001) und Pseudo-Ereignisse (Boorstin 1961) setzen, andererseits – aus den beschriebenen ökonomischen Motiven 36

heraus – durch die Medien und Journalisten (Bennett 2001; Patterson 1994, 2000). Analytisch sind zwei Dimensionen zu trennen: (1) Quantitativ bedeutet Entpolitisierung, dass sich das politische Informationsangebot vermindert und politische Nachrichten zunehmend in ein unpolitisches Informationsangebot (soft news) eingebettet werden. Der Anteil politischer Nachrichten und Inhalte an der Gesamtberichterstattung sinkt und wird dadurch publizistisch marginalisiert (Bruns/Marcinkowski 1997; Lengauer 2007: 175). (2) Qualitativ rücken in der politischen Berichterstattung immer stärker unpolitische Inhalte (infotainment, z. B. Katastrophen, Kriminalität, Privates und Persönliches, Sport) in den Vordergrund (Bennett 2001). Politische Informationen werden dadurch dekontextualisiert bzw. episodisch gerahmt (Iyengar 1991): Komplexe politische Sachfragen, z. B. Arbeitslosigkeit; werden anhand von Einzelschicksalen dargestellt und dadurch „anschaulicher gemacht, personalisiert, dramatisiert wie emotionalisiert, gleichzeitig aber auch vom gesellschaftspolitischen Kontext isoliert“ (Lengauer/Pallaver/Pig 2004: 181). Dadurch werden sachpolitische und programmatische Diskurse (policy schema) immer stärker durch Diskussionen um politische Strategien, Taktiken und (Wahl-)Erfolge (game schema) verdrängt (Patterson 2000). Der Schwerpunkt der Wahlkampfberichterstattung liegt dann auf dem Wettkampf um Wählerstimmen, der Darstellung von Gewinnern und Verlierern, Koalitionsspekulationen und Wahlumfragen („horse race-Themen“) (Plasser/Lengauer 2009: 335; Brettschneider 2008a; Lengauer/Pallaver/Pig 2004: 181). Bezogen auf die Berichterstattung über Politiker meint Entpolitisierung eine Betonung privater Eigenschaften und des äußeren Erscheinungsbildes statt der sachpolitischen Kompetenz (Lengauer 2007: 174). Eine steigende Entpolitisierung wurde bisher vor allem für die Berichterstattung über US-amerikanische Präsidentschaftswahlkämpfe festgestellt (z. B. Farnsworth/Lichter 2003; Patterson 1994). Entpolitisierungstendenzen in der medialen Wahlkampfberichterstattung haben für Deutschland Rettich und Schatz (1998), für Österreich ab den 1980er Jahren Plasser, Ulram und Sommer (2000: 157) gezeigt. Wilke und Reinemann (2000) dagegen kamen zu einem anderen Ergebnis, allerdings betrachteten sie nur einzelne Themen, nicht den Gesamtanteil aller Sachthemen.

3.2.2 Journalistische Autonomie Die wachsende Autonomie der Journalisten resultiert aus der zunehmenden Entkopplung der Medien von ihren traditionellen Trägerorganisationen bzw. der Ausdifferenzierung des Mediensystems vom politischen System. Weitere Gründe sind veränderte Rollenvorstellungen der Journalisten (Kapitel 4.3.2), eine schärfere Konkurrenz auf dem Medienmarkt und schlechte Erfahrungen der Journalisten mit professionalisierter politischer PR. Das Ergebnis ist eine Machtverschiebung zugunsten der Journalisten und zulasten der politischen Akteure, auch

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in der Berichterstattung (Reinemann/Wilke 2003: 188). Gleichzeitig sinkt die Autonomie der Journalisten gegenüber ökonomischen Einflüssen. Wie weit die Emanzipation der Journalisten von den politischen Akteuren reicht, kann anhand verschiedener Berichterstattungsmerkmale gemessen werden: Je mehr die Journalisten und Redaktionsmitglieder als Urheber von Beiträgen (gegenüber Nachrichtenagenturen) und Werturteilen über politische Akteure und Themen auftreten, desto stärker kann davon ausgegangen werden, dass sie sich selbst als eigenständige Akteure definieren (Patterson 1994; Kepplinger 1998). Ein weiterer Indikator ist ein steigender Anteil kommentierender und subjektiv gefärbter Stilformen (interpretive journalism) gegenüber tatsachenbetonten Beiträgen (Wilke/Reinemann 2003: 189; Houston 2008). Schließlich ist die Authentizität der Berichterstattung, also das Ausmaß der Kandidatenzitierung, ein Indikator für die Autonomie der Journalisten, weil darin zum Ausdruck kommt, ob sie eher als „mediales Sprachrohr“ der Politiker oder als eigenständige, autonome Vermittler fungieren (Patterson 1997: 451). Dabei geht es um die Chance der Kandidaten, in den Medien im O-Ton wiedergegeben zu werden und den Wählern ihre Botschaften weitgehend unverfälscht und glaubwürdiger als in der Wahlwerbung übermitteln zu können (Magin 2009: 51). „Der Zitierungsgrad könnte somit als ein Maß der Authentizität gelten, obwohl die Auswahl wörtlicher Aussagen selbstverständlich wiederum der subjektiven Entscheidung des Journalisten unterliegt und je nach Opportunität getroffen wird. Deshalb kommt es zu dem nicht selten gehörten Vorwurf, Zitate seien ‚aus dem Zusammenhang gerissen’.“ (Wilke/Reinemann 2000: 128)

Eine sinkende Authentizität kann als Veränderung der politischen Berichterstattung „from a relatively passive role to a more mediated form of news“ (Vos 2008: 4741) gedeutet werden. Die Authentizität bemisst sich am Gesamtumfang und an der durchschnittlichen Länge der Zitate. In US-amerikanischen Fernsehnachrichten und Tageszeitungen ist beides seit den 1960er Jahren zurückgegangen (z. B. Hallin 1992; Patterson 1994), während sich in deutschen Fernsehnachrichten zwar die durchschnittliche Zitatlänge reduziert, der Gesamtumfang der Zitierung aber ausgeweitet hat (Schulz/Zeh 2006; Donsbach/Jandura 2005). Für die deutschen Qualitätszeitungen belegten Wilke und Reinemann (2000: 128-136; Reinemann/Wilke 2007: 104-105) einen sinkenden Zitatumfang von 1980 bis 1998 und eine Verkürzung der Zitate von 1980 bis 2005. Erst 2009 stieg die durchschnittliche Zitatlänge wieder an (Wilke/Leidecker 2010: 355).

3.2.3 Negativität Negativität ist ein wichtiger Nachrichtenfaktor. Die Medien fokussieren besonders auf Ereignisse, die durch Konflikt, Kontroverse und Aggression bestimmt sind (Galtung/Ruge 1965). Dass dadurch in der Berichterstattung – insbesondere in Boulevardpresse und Fernsehen – negative Aspekte der Wirklichkeit überbe-

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tont werden, ist empirisch vielfach belegt (Schulz 2008b: 69; de Vreese 2008: 497). Auch die Aufmerksamkeit der Rezipienten orientiert sich stark an negativen Nachrichten – ein Grund, warum sich ein ausgeprägter Negativismus-bias besonders in Medien, die sich stark am Publikumsgeschmack orientieren, nachweisen lässt (Kleinnijenhuis 2008: 3190).22 Die obigen Ansätze zum langfristigen Wandel der Politik- und Wahlkampfberichterstattung gehen davon aus, dass sie im Zeitverlauf immer negativer wird. Als Ursachen gelten Veränderungen im politischen und journalistischen System. (1) Im politischen System, so die Annahme, setzen Parteien und Politiker immer stärker auf Negativkampagnen (negative campaigning), eine vor allem in den USA weitverbreitete Wahlkampftechnik, die mit Angriffen auf politische oder persönliche Schwächen und Fehler des Konkurrenten arbeitet. Auch in deutschen und österreichischen Parlamentswahlkämpfen seit 1949 gab es immer wieder Negativkampagnen einzelner Parteien, z. B. von der SPD 1980 und 1998, von beiden österreichischen Großparteien bis 1966 und von der SPÖ 2006. Vor allem ressourcenschwache politische Akteure versuchen oft, auf diese Weise Ereignissen Nachrichtenwert zu verleihen und die Aufmerksamkeitsschwelle der Medien zu überwinden, um so das Image des Gegners zu schädigen (Kleinnijenhuis 2008: 3190; Zeh 2005: 26). Dahinter steht der Gedanke, dass es einfacher ist, die Anhänger eines Konkurrenten mittels negativer Botschaften zu demobilisieren als sie mittels positiver Botschaften von den eigenen Qualitäten zu überzeugen. Zudem werden negative Botschaften mit höherer Wahrscheinlichkeit wahrgenommen und erinnert als positive (Brettschneider 2008b: 3186-3187; Donsbach 1991). Allerdings gibt es empirische Belege dafür, dass Wahlkampagnen weltweit nicht zunehmend negativ werden (Pinkleton 2008: 489). Zudem werden die Einsatzmöglichkeiten von Angriffswahlkämpfen durch die politische Kultur beeinflusst: In Ländern mit einer wettbewerbsorientierten politischen Kultur, z. B. den USA, stoßen Negativkampagnen auf breitere Akzeptanz als in konsensorientierten Ländern, z. B. Österreich (Brettschneider 2008b: 3186). (2) Die zweite Ursache für eine zunehmend negative Berichterstattung wird in veränderten journalistischen Selektions- und Nachrichtenwert-Kriterien gesehen, das heißt in einer stärkeren Orientierung der Journalisten an Negativem (Kepplinger 1998: 178-205; Kleinnijenhuis 2008: 3191). Empirische Belege für die USA lieferte dazu z. B. Patterson (1994), der das zunehmende Übergewicht negativer Nachrichten als Reaktion der Journalisten auf ihre schlechten Erfahrungen mit den Politikern während der Watergate-Affäre und des Vietnam-Krieges sieht. Hinzu kommt die schon erwähnte zunehmende Orientierung der Medien an der Marktlogik und damit am ökonomischen Erfolg. Für die deutschen Tageszei22 Der Begriff bias bezeichnet Einseitigkeiten bzw. Verzerrungen. „The tendency to pay selective attention to negative events, as well as the tendency to report selectively about them, probably arouse from the need of Homo sapiens to use the human language as a warning system when predators or competing tribes entered the scene.” (Kleinnijenhuis 2008: 3189; Herv. i. O.)

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tungen ab 1949 allerdings haben Wilke und Reinemann (2000: 140-145) gezeigt, dass die Negativität der Wahlkampfberichterstattung nicht linear zunahm, sondern dass die Kandidaten durchweg eher negativ als positiv bewertet wurden. Ab 1980 fielen die Bewertungen zwar noch negativer aus als zuvor, gerade in jüngster Zeit zeichnet sich hier aber wieder eine Angleichung der Anteile positiver und negativer Bewertungen ab (Wilke/Leidecker 2010: 361-363). Länderdifferenzen im Grad der Negativität dürften auch mit national unterschiedlichen Nachrichtenkulturen zusammenhängen (de Vreese 2008: 497). Aus demokratietheoretischer Sicht wird befürchtet, dass eine übertrieben und zunehmend kritische Politikdarstellung bei den Rezipienten, die sich vor allem mittels der Medien über den Zustand der Politik informieren, zu Politikverdrossenheit führen könnte, „die durch die tatsächliche Ereignislage unter Umständen nicht gerechtfertigt ist.“ (Maurer/Reinemann 2006: 132) Allerdings ist die Forschungslage zum Zusammenhang zwischen negativer Berichterstattung und Politikverdrossenheit nicht eindeutig. Während einige Studien die Befürchtungen eines sinkenden Vertrauens in Parteien und Politiker bestätigen, zeigen andere mobilisierende Effekte negativer Nachrichteninhalte auf die politische Partizipation und eine Steigerung des Interesses am Wahlkampf gerade durch Negativkampagnen (Brettschneider 2008b: 3187; Norris 2003; Kleinnijenhuis 2008: 3192; de Vreese 2008: 500). Bezogen auf das Fernsehen kam Robinson (1976) für die USA zu dem Ergebnis, dass häufige Mediennutzung (insbesondere des Fernsehens) den Bürgern langfristig das Gefühl vermittle, keinen Einfluss auf die Politik nehmen zu können, woraufhin sie sich von der Politik abwenden (videomalaise). Auf Deutschland scheinen sich diese Befunde jedoch nicht einfach übertragen zu lassen. Holtz-Bacha (1989; 1994a) fand heraus, dass dort vielmehr eine „Unterhaltungsmalaise“ in dem Sinne bestehe, dass nur die häufige Nutzung von Unterhaltungsangeboten im Fernsehen zu politischer Entfremdung führe, während das häufige Ansehen von Informationssendungen eher einen umgekehrten Effekt habe.

3.2.4 Personalisierung Der Begriff Personalisierung wird in der politischen Kommunikationsforschung23 häufig verwendet. Er bezeichnet eine Entwicklung, in deren Verlauf konkrete Einzelpersonen – in der Regel Spitzenpolitiker, z. B. die Kanzler(kandidaten) – „immer stärker zum Deutungsmuster komplexer politischer Sachverhalte und Anker politischer Bewertungen werden“ (Maurer/Reinemann 2006: 122). Das gilt für die Politik, für die Berichterstattung darüber und für deren Wahrnehmung durch die Rezipienten (Adam/Maier 2010: 213; Burmester 2010: 50). 23 Personalisierung findet nicht nur in der Politik, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen und der Berichterstattung darüber statt, z. B. in Wirtschaft, Sport, Kultur und Wissenschaft (Blöbaum 2006: 215).

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Anders als oft angenommen ist Personalisierung kein neues Phänomen, sondern „so alt wie die Politik selbst“ (Radunski 1980: 15); war in vordemokratischen Staatsformen war sie zum Teil sogar ausgeprägter als heute, wie das Beispiel Ludwigs XIV. zeigt (Wilke 1998: 284; Adam/Maier 2010: 215; Karvonen 2007: 1). Weil eine einheitliche Definition des Begriffs bislang fehlt, variieren Studiendesigns, Operationalisierungen und Ergebnisse (Rahat/Sheafer 2007: 69). Dennoch sind aber einige Gemeinsamkeiten auszumachen: Meist wird Personalisierung als Veränderung im Zeitverlauf verstanden, als Prozess, den es mittels Langzeitstudien zu untersuchen gilt. Sie beinhaltet zwei Perspektiven: Einerseits einen Bedeutungsgewinn von Einzelpersonen gegenüber politischen Parteien, Institutionen und Themen, andererseits eine zunehmende Relevanz nichtpolitischer, persönlicher Eigenschaften bei der Darstellung und Bewertung dieser Personen (Adam/Maier 2010: 216, 226; Burmester 2010: 51; 55). Ersteres konnten Wilke und Reinemann (2000) – anders als Studien zu zahlreichen westlichen Demokratien (z. B. Patterson 1994; Kaid/Strömbäck 2008; Rahat/Sheafer 2007; Poguntke/Webb 2005; Schulz/Zeh 2006) – für die deutschen Zeitungen nicht zeigen. Sie belegten jedoch, dass die Kanzlerkandidaten in den Wahlkämpfen 2002 und 2005 stärker als zuvor auf Basis ihres Auftretens und ihrer äußeren Erscheinung bewertet wurden, was die Autoren auf die Einführung der Fernsehduelle 2002 zurückführen (Reinemann/Wilke 2007). Wie die Negativität ist auch die Personalisierung zugleich ein journalistischer Nachrichtenfaktor und ein journalistisches Stilmittel. Entstehen kann sie in der Berichterstattung einerseits durch die bevorzugte Auswahl von Ereignissen, die sich durch Handeln oder Schicksale von Personen darstellen lassen, andererseits durch die personalisierte Darstellung von Ereignissen, die vordergründig nicht personalisiert sind (Scherer 1998: 698). Eine Steigerungsform der Personalisierung ist die Präsidentialisierung, die vor allem in Wahlkämpfen parlamentarischer Demokratien festzustellen ist. „Gemeint ist damit eine starke Konzentration der Kampagne auf den Spitzenkandidaten und zugleich ein relativ hohes Maß an Autonomie des Kandidaten gegenüber seiner Partei.“ (Schulz 2008b: 252-253; Poguntke/Webb 2005) Ein spezifischer Aspekt der Personalisierung ist daneben die Privatisierung, die zunehmende Fokussierung auf persönliche Eigenschaften und das Privatleben der Politiker (Rahat/Sheafer 2007: 68; Holtz-Bacha 2001). Personalisierung kann von allen drei oben erwähnten „Initiatoren“ – politischen Akteuren, Medien und Rezipienten – ausgehen (Holtz-Bacha/Lessinger/ Hettesheimer 1998: 241). Vermutet wird, dass Personalisierungsprozesse auf allen drei Ebenen miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig stimulieren. Empirische Untersuchungen zur Richtung dieser Zusammenhänge fehlen bislang aber weitgehend, ebenso wie systematische ländervergleichende Studien (Rahat/Sheafer 2007: 66; Karvonen 2007; Wilke/Reinemann 2000: 80). Klar ist aber, dass der Grad der Personalisierung zwischen verschiedenen politischen und Mediensystemen variiert. Zum Beispiel sind seitens der politischen Systeme präsidentielle Demokratien aufgrund ihrer Kandidatenfokussierung stärker persona41

lisiert als auf Parteien ausgerichtete parlamentarische Demokratien, und die Kandidatennominierung durch die Parteimitglieder (z. B. in Primaries in US-Präsidentschaftswahlkämpfen) führt zu stärkerer Personalisierung als die Nominierung durch die obersten Parteigremien. Seitens der Mediensysteme nimmt der Personalisierungsgrad zu, je stärker die Medien am Publikumsgeschmack ausgerichtet sind. Darin kommt die ökonomische Dimension der Personalisierung zum Ausdruck: Die Aufmerksamkeit des Publikums steigt durch die Konzentration der Berichterstattung auf Personen, und folglich steigert Personalisierung den Verkaufserfolg (Wilke 1998: 290). Aufgrund seiner Visualität begünstigt vor allem das Medium Fernsehen Personalisierung, denn es fokussiert weitaus stärker auf Personen als auf kollektive, abstrakt darzustellende Akteure wie etwa Parteien und Interessengruppen. Stärker noch als für öffentlich-rechtliche gilt das für privatwirtschaftliche, vorrangig an ökonomischem Erfolg orientierte Sender (z. B. Rahat/Sheafer 2007: 69-71; Blumler/Kavanagh 1999; Mazzoleni/Schulz 1999). Das Gleiche trifft auf Boulevardzeitungen zu: Personalisierung gilt als eines von deren wesentlichen Charakteristika (Scherer 1998; Blöbaum 2006). Auch eine eventuelle Zunahme der Personalisierung im Zeitverlauf kann sowohl mit politischen als auch mit medienstrukturellen Veränderungen zusammenhängen: Einerseits können institutionelle Veränderungen die Personalisierung der Politik verstärken, z. B. die Einführung des Vorzugsstimmensystems in Österreich 1970 und sein Ausbau 1992, durch das die Wähler mehr Einfluss auf die Zusammensetzung der Abgeordneten bekamen, oder eine Demokratisierung der Kandidatennominierung wie die erstmalige Urabstimmung in der SPD über ihren Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl 1994. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die sich auflösenden Parteibindungen der Bevölkerung, welche die Parteien zunehmend zwingen, aktiv Wähler zu gewinnen (Kapitel 4.1.2). Dazu setzen sie u. a. auf Personalisierungsstrategien – auch mit Blick auf die Selektionskriterien der Massenmedien.24 Medienstrukturelle Entwicklungen, welche die Personalisierung steigern, sind die Einführung des Fernsehens, die Dualisierung des Rundfunksystems und personalisierte Sendeformate wie z. B. TV-Duelle (Reinemann/Wilke 2007; Adam/Maier 2010: 217-219; Karvonen 2007: 3). Aber auch situative Faktoren, vor allem stark personalisierte Wahlkampagnen wie die der SPÖ in den 1970er Jahren oder die der SPD 1980 und 1998 spielen hier eine Rolle. Aus demokratietheoretischer Sicht wird Personalisierung ebenso wie die zunehmende Negativität der Berichterstattung kritisch betrachtet, weil befürchtet wird, dass mit zunehmender Bedeutung der Politiker und ihrer persönlichen und medialen Fähigkeiten Sachfragen und -kompetenzen an Bedeutung verlieren. „Überspitzt formuliert: Wenn ein einzelner Kandidat wichtiger wird als das 24 Sowohl die Parteiidentifikation als auch die Orientierung an Personen dienen als Heuristiken (information shortcuts) bei der Wahlentscheidung. Bei sinkender Parteiidentifikation gewinnen folglich andere shortcuts wie eben Personen an Bedeutung (Adam/Maier 2010: 221).

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Programm seiner Partei oder sympathisches Auftreten wichtiger als Kompetenz, dann muss man sich um die Funktionsfähigkeit des politischen Systems sorgen.“ (Maurer/Reinemann 2006: 132; Wilke 1998: 286) Allerdings betrachten andere Autoren Personalisierung gerade als funktional für die Demokratie, weil sie die Reduktion der Komplexität politischer Sachfragen ermöglicht (z. B. Römmele 2005; Adam/Maier 2010; Schulz 2008b: 251). Auch ist umstritten, ob Personalisierung und die Diskussion von Sachthemen einander tatsächlich ausschließen (Maurer/Reinemann 2006: 123).

3.3 Zwischenfazit Sämtliche beschriebenen Ansätze verweisen darauf, dass vor allem drei gesellschaftliche Teilsysteme einen Einfluss auf die mediale Politik- und Wahlkampfberichterstattung haben: Das politische System (inklusive der Veränderungen in der Wählerschaft), das Mediensystem und das journalistische System. Sie sind im Zeitverlauf Wandlungsprozessen unterworfen, von denen sich die wichtigsten als sinkende Bindung von Wählern und Medien an die politischen Akteure und als wachsende Wettbewerbsorientierung sowohl von Medien als auch politischen Akteuren beschreiben lassen. Häufig wird angenommen, dass sich dadurch die Berichterstattung in einer bestimmten Richtung verändert: Sie soll immer weniger sachthemenorientiert, immer negativer und immer stärker personalisiert werden und immer weniger Zitate enthalten. Ob das auf die Wahlkampfberichterstattung der deutschen und österreichischen Elitetageszeitungen zutrifft, wird in der Inhaltsanalyse überprüft. Um hierfür ein Analyseraster zu entwickeln, werden in den folgenden Kapiteln die drei gesellschaftlichen Teilsysteme und ihre Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Deutschland und Österreich verglichen und ein historischer Überblick über alle Wahlkämpfe ab 1949 gegeben. Ziel ist dabei, mögliche strukturelle und situative Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung zu identifizieren und zu systematisieren.

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4. Determinanten der Wahlkampfberichterstattung

Komparative Untersuchungen von Wahlkampfberichterstattung können an unterschiedlichen Aspekten ansetzen. Die Forschung auf diesem Gebiet ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, weil es dabei eine Vielzahl an Kontextvariablen zu berücksichtigen gilt (Holtz-Bacha 2003b: 243-244). Einige Modelle, welche die Gestalt der Wahlkampagnen und der Wahlkampfberichterstattung mithilfe unterschiedlicher Einflussfaktoren zu erklären versuchen, werden im Folgenden kurz vorgestellt. Swanson und Mancini (1996b) machten auf Basis einer international vergleichenden Studie von elf Ländern in ihrem Modell moderner Wahlkampagnen die Personalisierung und „Verwissenschaftlichung“ der Politik, die Entfernung der Parteien von der Wählerschaft, eine Akteursrolle der Massenmedien und eine reine Zuschauerrolle der Bürger als Charakteristika moderner Wahlkampfkommunikation aus. Über Ländergrenzen hinweg ähnlich sind die veränderten Beziehungen der Wähler zu den Parteien als Ursache der Kampagneninnovationen und die daraus folgende Notwendigkeit für die Parteien, die mediale Politikvermittlung im eigenen Sinne zu beeinflussen. Länderdifferenzen zwischen den Kampagnen werden hervorgerufen durch unterschiedlich ausgeprägte nationale Kontextfaktoren: die Parteiensysteme, den Parteienwettbewerb, die Regulierung von Wahlkämpfen, die politische Kultur und die Mediensysteme. Für das Wahlkampfmanagement in verschiedenen Ländern ermittelten Plasser und Plasser (2003) etliche Kontextfaktoren, die dazu führen, dass internationale Trends auf nationaler Ebene modifiziert werden: Das Wahlsystem, das System der Parteienkonkurrenz, die gesetzliche Regulierung sowie den Professionalisierungsgrad der Wahlkampagnen, das Mediensystem, die politische Kultur und den Modernisierungsgrad der Gesellschaft. Diese Kontextfaktoren dürften auf die Wahlkampfberichterstattung ähnlich modifizierende Effekte haben. Semetko et al. (1991) bzw. Blumler und Gurevitch (2001) identifizierten in ihrem „Modell des diskretionären Medieneinflusses“ (Esser 2003: 449) auf der Makro-Ebene fünf Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung: (1) Die gesellschaftliche Position von Politik und Politikern, (2) die Einstellung der Journalisten ihnen gegenüber, (3) den Professionalisierungsgrad der politischen Kampagnen, (4) das Ausmaß des Wettbewerbs zwischen den Medien und (5) die öffentlich-rechtliche vs. privat-kommerzielle Ausrichtung der Medien. Ein Ländervergleich zwischen Großbritannien und den USA bestätigte die Gültigkeit dieser Faktoren, führte daneben aber zur Ergänzung des Modells um drei Faktoren auf der Mikro-Ebene: (1) Die Parteilichkeit der Medienorganisationen, (2) den Status der Kandidaten als Amtsinhaber oder Herausforderer und (3) den für die Berichterstattung verfügbaren Raum (news hole size). 44

Esser (2008) stützt sein Modell von Nachrichtenkulturen auf Einflussfaktoren innerhalb des politischen und des Mediensystems auf Makro- und Mesoebene. Makrofaktoren sind bestimmte politische Strukturen (Position der Parteien, Stärke der Parteibindungen, ideologischer Einfluss der Parteien auf die Gesellschaft) und Medienstrukturen (öffentlich-rechtliche vs. privat-kommerzielle Orientierung des Rundfunks, Medienwettbewerb). Als Mesofaktoren bezieht er die politische Kultur (Vertrauen der Bevölkerung in politische Institutionen), die Medienkultur (pragmatische vs. weltanschaulich geprägte Orientierung) und den Professionalisierungsgrad des Journalismus (Autonomie von politischen Akteuren, Entwicklung journalistischer Qualitätskriterien, journalistisches Rollenselbstverständnis) ein. Zwischen Deutschland und Österreich sind einige der in den Modellen angeführten Kontextfaktoren sehr ähnlich, z. B. die Wahlsysteme und die gesetzliche Regulierung von Wahlkampagnen. Sie werden daher in den folgenden Vergleich nicht einbezogen. Andere Kontextfaktoren unterscheiden sich dagegen erkennbar zwischen den beiden Ländern, etwa der Parteienwettbewerb und die Parteilichkeit der Medien. Einige davon werden im Folgenden vergleichend betrachtet, um anschließend ihren modifizierenden Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung überprüfen zu können. Darüber hinaus gilt es im Vergleich der Systeme auch mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren, die in den bisherigen Modellen nicht berücksichtigt werden.

4.1 Politische Systeme Obwohl die mediale Berichterstattung immer ein Konstrukt ist und die Realität nie originalgetreu abbilden kann, gibt sie diese doch bis zu einem gewissen Grad wider. Gegenstand der Wahlkampfberichterstattung sind vor allem Themen, Akteure und Prozesse im politischen System. Um die Merkmale und Veränderungen der Politik- und Wahlkampfberichterstattung erklären zu können, braucht es also die Kenntnis der politischen Realität. Sie ist Gegenstand des folgenden Kapitels. Vergleiche politischer Systeme können sich auf alle politikwissenschaftlichen Dimensionen – Institutionen und Normen (polity), Prozesse (politics) und Inhalte bzw. Themen (policy) – und Teilaspekte beziehen (Abromeit/Stoiber 2006: 43; Ismayr 2003b; Pelinka 2005; Berg-Schlosser/Müller-Rommel 2003). Im Folgenden gilt es – dem MSSD folgend – aus der Bandbreite möglicher Vergleichskriterien diejenigen zu identifizieren, die zwischen Deutschland und Österreich und/oder im Zeitverlauf variieren, also nicht als weitgehend konstante Rahmenbedingungen anzusehen sind. Damit können viele institutionelle Eigenschaften (polity) außer Acht gelassen werden, denn auf dieser Ebene ähneln sich die Länder stark. Beides sind föderalistische Staaten, deren politische Institutionen (z. B. Bundestag/Nationalrat, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler, (Bundes-)Regierung) sehr ähnliche Funktionen erfüllen. Von den wenigen vorhandenen institutionellen Unter45

schieden ist kein starker Einfluss auf die Berichterstattung in Parlamentswahlkämpfen zu erwarten. Ein Beispiel dafür sind die Regierungssysteme: In der präsidentiell-parlamentarischen Demokratie Österreich wird das Staatsoberhaupt, der Bundespräsident, direkt vom Volk gewählt, in der parlamentarischen Demokratie Deutschland dagegen durch die Bundesversammlung. Wichtiger als dieser Unterschied dürfte für die Wahlkampfberichterstattung aber sein, dass im politischen Alltagsgeschäft der Bundeskanzler eine größere Rolle spielt als der Bundespräsident mit seinen vor allem repräsentativen Funktionen – und der Bundeskanzler wird in beiden Ländern nicht direkt, sondern vom nationalen Parlament gewählt (Rudzio 2006: 241-246, 293-295; Ismayr 2003a: 448; Pelinka/Rosenberger 2003: 127-136). Ein weiteres Beispiel für Unterschiede auf institutioneller Ebene, welche die Wahlkampfberichterstattung vermutlich nicht beeinflussen, sind die Parlamente: Beide Länder haben ein Zwei-Kammer-System. In Deutschland sind Bundestag und Bundesrat verfassungsrechtlich nicht gleichwertige Kammern eines einheitlichen Gesetzgebungsorgans, der Bundesrat als Vertretung der Bundesländer kann aber zustimmungspflichtige Gesetze blockieren (Rudzio 2006: 274-277). Dagegen verfügt der österreichische Bundesrat bei Beschlüssen des Nationalrats nur über ein aufschiebendes Vetorecht und kann keine Gesetze verhindern, weshalb das österreichische System auch als „unechtes“ Zweikammersystem bezeichnet wird (Pelinka/Rosenberger 2003: 110). Auch hier dürfte für die Wahlkampfberichterstattung zu den nationalen Parlamentswahlkämpfen aber wiederum eine Gemeinsamkeit entscheidender sein als die Differenz: Das jeweils vom Volk gewählte Parlament (Bundestag bzw. Nationalrat) ist die dominantere Kammer. Entsprechend groß ist die Bedeutung der nationalen Parlamentswahlen im politischen Prozess und in der medialen Berichterstattung.25 Zudem bilden die konstitutionellen Merkmale der Regierungssysteme immer nur den institutionellen Rahmen, innerhalb dessen sich politische Prozesse, z. B. Machtteilung und -verteilung, vollziehen (Croissant 2006: 121). Auf letztere wird daher der Blick im Folgenden gelenkt: auf das Elitenverhalten, die Wählermärkte und die Parteiensysteme.

4.1.1 Konsens und Konflikt im Elitenverhalten Eine entscheidende Rolle für die Wahlkampfberichterstattung spielt die Konsens- bzw. Konfliktorientierung der politischen Systeme und Eliten. Denn zum einen reflektieren die Medieninhalte reale politische Konflikte, deren Intensität und den Umgang der politischen Akteure damit. Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Politikjournalisten der politischen Elite nahestehen oder sich 25 Auch die meisten anderen Elemente auf der polity-Ebene (z. B. Verfassung, Wahlsystem, Verwaltung) weisen zwischen Deutschland und Österreich weitaus mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf (siehe für Deutschland z. B. Rudzio (2006) und Ismayr (2003a), für Österreich Pelinka und Rosenberger (2003) sowie Pelinka (2003)).

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(z. B. im Extremfall der Parteipresse) sogar als ein Teil von ihr verstehen. Die Art und Weise, wie sie über Politik und Politiker berichten, sollte sich daher an den im politischen System vorherrschenden Verhaltensmustern orientieren – wenngleich die Berichterstattung daneben natürlich durch Nachrichtenfaktoren wie Negativismus und Kontroverse beeinflusst wird. Wahlkämpfe sind zentrale Konfliktsituationen in modernen Demokratien, in denen die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien einen Höhepunkt erreichen. Das Verhalten der Medien in politischen Konflikten dürfte daher in der Wahlkampfberichterstattung besonders deutlich zum Ausdruck kommen. Um den Grad der Konsens- bzw. Konfliktorientierung politischer Systeme zu bestimmen, eignen sich politikwissenschaftliche Ansätze, die sich mit den dominanten Mustern der Konfliktregelung – entweder durch Wettbewerb und Mehrheitsregel oder durch Aushandeln (bargaining) – befassen. Österreich galt lange Zeit als Musterfall einer Konsensdemokratie. Dieses idealtypische Demokratiemodell zeichnet sich durch Machtteilung (Herrschaft möglichst vieler) aus, während das Gegenmodell, die Konkurrenzdemokratie, auf Machtkonzentration (Herrschaft der Mehrheit) basiert (Schmidt 2008: 319; Müller-Rommel 2008: 79-80). „Der zentrale Unterschied zwischen beiden Modellen liegt in der Breite der Teilhabe von politischen und gesellschaftlichen Gruppen an politischen Entscheidungen.“ (Croissant 2006: 122) Der bekannteste Ansatz dazu stammt von Lijphart (1984; 1999).26 Er untersucht theoretisch und empirisch den Zusammenhang struktureller bzw. institutioneller Merkmale von Demokratien mit ihrem politischen und sozioökonomischen Leistungs- und Partizipationsniveau (z. B. Zentralität des Staatsaufbaus, Pluralismus der Interessenvertretung, Machtverteilung in der Exekutive).27 In Konkurrenzdemokratien sind politische Entscheidungen und Konfliktregelungen vom Mehrheitsprinzip bestimmt. Demokratie wird als Wettbewerb zwischen Parteien und Politikern um die politische Macht begriffen. Der Regierung steht jeweils eine starke Opposition gegenüber, „die sich als alternative Regierung im Wartestand begreift.“ (Schultze 2001b: 260) Als Musterbeispiel gilt das britische Regierungssystem, weshalb man auch vom Westminster-Modell spricht. In Konsensdemokratien hingegen werden Konflikte in erster Linie durch Verhandlung, Kompromiss und Proporz und nicht (primär) durch Parteienwettbewerb und Mehrheitsentscheid gelöst. Sie fußen auf Machtdiffusion und adäquater Repräsentation aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen, was z. B. in Koalitionsre26 Auf Lijpharts Analyse nehmen Hallin und Mancini (2004: 50-53) in ihrer Darstellung der politischen Kontextfaktoren von Mediensystemen Bezug. Czada (2006: 262) zufolge stellen Mehrheits- und Konsensdemokratie bei Lijphart (1984; 1999) keine Idealtypen, sondern vielmehr empirisch-analytische Konstrukte dar, denn: „Wissenschaftliche Idealtypen sind bekanntlich theoretisch konsistente Gedankengebilde, die um begriffliche Reinheit, weniger aber um empirische Repräsentation bemüht sind.“ (Czada 2006: 262; Herv. i. O.) 27 Für eine Übersicht über die Merkmale der idealtypischen Modelle siehe Lijphart (1999: 3-4) und Müller-Rommel (2008: 81-83).

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gierungen, Föderalismus, Politikverflechtung und (Neo-)Korporatismus zum Ausdruck kommt (Schultze 2001a: 259). In der Realität entspricht diesem Modell am ehesten die Schweiz, aber auch Österreich kommt ihm sehr nahe. Deutschland weist zwar eine stärkere Konkurrenzorientierung auf als Österreich (Luthardt 1988: 243; Schmidt 2008: 325; Abromeit 1989: 165), ist im internationalen Vergleich insgesamt aber ebenfalls relativ konsensorientiert und wird daher von Lijphart (1989: 34) ebenso wie Österreich der (föderalistischen) Konsensdemokratie zugeordnet. Die Zuordnung beider Länder zum selben Demokratietyp überdeckt jedoch wichtige Unterschiede zwischen ihnen bzw. bestimmte österreichische Spezifika. Sprichwörtlich ist z. B. der „typisch österreichische Kompromiss“ (Lehmbruch 1967: 15). Diese Charakteristika können allein mittels struktureller bzw. institutioneller Kriterien nicht hinreichend beschrieben werden. Dazu bedarf es „der Einführung von Variablen des politischen Verhaltens.“ (Lehmbruch 1967: 7; Herv. i. O.)28 Auf solche Variablen nehmen Beschreibungen des Demokratietyps der Konkordanzdemokratie Bezug. Für die Identifikation von Unterschieden zwischen den politischen Systemen Deutschlands und Österreichs ist dieser Ansatz also zielführender als die Unterscheidung von Konkurrenz- und Konsensdemokratie. Um die Differenzen zwischen beiden Ländern, aber auch die Veränderungen im Zeitverlauf noch genauer zu beleuchten, wird anschließend das tatsächliche Ausmaß von Konsens und Konflikt anhand des Anteils an Gesetzen betrachtet, die in den nationalen Parlamenten einstimmig verabschiedet wurden.

4.1.1.1

Konkordanzdemokratie

Das Konzept der Konkordanzdemokratie ist ein demokratietheoretischer Vorläufer des Ansatzes von Lijphart (1968; Müller-Rommel 2008: 79). Auch dieser Demokratietyp ist eine Alternative zur Konkurrenzdemokratie (Schmidt 2008: 308), die sich aber von der Konsensdemokratie in einigen Punkten unterscheidet, vor allem in ihren Entstehungsbedingungen und der stärkeren Intensität konsensualer Elemente (Croissant 2006: 121; Lijphart 1989: 39-41).29 Österreich galt (ebenso wie Belgien, die Niederlande und die Schweiz) im Unterschied zu Deutschland nach 1945 über weite Strecken des hier betrachteten Zeitraums als Musterfall einer Konkordanzdemokratie. Deren erste Beschreibungen in den 1960er Jahren (Lehmbruch 1967; Lijphart 1968) widersprachen der in der Politikwissenschaft weit verbreiteten Vorstellung, dass die Konkurrenzdemokratie

28 Zum Teil wird das politische Verhalten (auch umgangssprachlich) als politische Kultur (z. B. Bretschneider/Ulram 1992) oder als politischer Stil (z. B. Sarcinelli 2011: 105-117) bezeichnet. Aufgrund der Diffusität beider Begriffe werden sie im Folgenden aber nicht verwendet. 29 Zu den Vor- und Nachteilen von Konkurrenz- und Konkordanzdemokratie siehe Schmidt (2008: 310-318).

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unter allen Umständen der überlegene, leistungsfähigere Regierungsmodus sei (Schmidt 2008: 306).30 Vor allem für den Schutz und die Integration von Minderheiten bietet die Konkordanzdemokratie bessere Chancen. Die politischen Eliten kooperieren dort auf besondere Weise miteinander (Schedler 1995: 32): Zentral ist vor allem ein spezifisches Muster der Konfliktregelung – nicht durch Parteienwettbewerb, alternierende Regierungen und Mehrheitsprinzip, sondern durch Aushandeln und gütliches Einvernehmen (Schmidt 2008: 308). Konkordanzdemokratien entstehen in tief zerklüfteten, meist kleinen Gesellschaften 31 mit einer tief verwurzelten gesellschaftlichen Konfliktstruktur (Schmidt 2008: 309; Czada 2000: 4): Die Gesellschaft ist stark in unvereinbare, homogene, geschlossene Subkulturen (z. B. kulturell, konfessionell, ethnisch, sprachlich, politisch-ideologisch oder sozioökonomisch) fragmentiert. Die Rede ist auch von Segmentierung, Lagern (Österreich) oder Versäulung (Niederlande) (Lehmbruch 1992: 208). Repräsentiert werden die rivalisierenden Gruppen u. a. durch politische Parteien und Verbände, die personell und organisatorisch stark miteinander verflochten sind.32 Aufgrund der hochgradig stabilen Bindungen der Wähler an ihre Lager und Parteien resultieren Wahlen stets in denselben strukturellen Mehrheitsverhältnissen, weshalb Stimmenmaximierungsstrategien den politischen Parteien keine Gewinne versprechen (Lehmbruch 1992: 210; Pelinka 1988: 39). Die drohende Instabilität solchermaßen fragmentierter Gesellschaften hat in der Vergangenheit oft bereits zu bewaffneten Konflikten zwischen den beiden Lagern geführt, z. B. in Österreich 1934 (Lehmbruch 1991: 18). Um weitere dramatische Auseinandersetzungen zu verhindern und die Stabilität zu sichern, versuchen die politischen Eliten, die Fragmentierung in einer Art „Elitenkartell“ durch Aushandeln von Konfliktlösungen und Kompromisse zu überbrücken. Die Entscheidung für diese politische Technik erfolgt freiwillig und zielgerichtet (Pelinka 1991: 32; Lijphart 1968: 17-18; Czada 2000: 4; Lehmbruch 1992: 208-209). Die starke Kompromiss- und Kooperationsbereitschaft der po30 Andere Bezeichnungen für die Konkordanzdemokratie sind Verhandlungsdemokratie (Neidhart 1970), Proporzdemokratie (Lehmbruch 1967) und – als englischsprachiges Äquivalent – consociational democracy (Lijphart 1968). In all diesen Begriffe kommen zentrale Charakteristika des Demokratietyps zum Ausdruck: Das lateinische concordantia bedeutet Übereinstimmung, consociatio steht für eine enge, feststehende Verbindung (Schmidt 2008: 308-309), und „Proporz“ umschreibt den für diesen Demokratietyp charakteristischen Modus der Ämtervergabe (Lehmbruch 1992: 15). 31 Der auffällige Zusammenhang zwischen Konkordanzdemokratie und Landesgröße bzw. (-kleinheit) kann spieltheoretisch darauf zurückgeführt werden, dass in kleinen Gemeinschaften die „Bedingungen für Wiederholungen des Spiels mit denselben Partnern“ (Lehmbruch 1991: 22) eher gegeben sind als in großen Staaten. 32 Dem (Neo-)Korporatismus kommt in Konkordanzdemokratien eine stabilisierende Rolle zu: Er trägt einerseits zur Integration der organisierten Arbeiterschaft in die politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse bei. Zum anderen besteht eine Affinität beider Regelsysteme, die gleichermaßen am Verhandlungsprinzip orientiert sind (Lehmbruch 1991: 23-24; Lehmbruch 1992: 210-211).

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litischen Eliten hat vermutlich auch historisch weiter zurückreichende Wurzeln, denn in allen Konkordanzdemokratien waren kompromissorientierte Konfliktregelungsformen historisch schon seit langem eingeübt und etabliert (Lehmbruch 1992: 209).33 Das Aushandeln zielt nicht auf Einstimmigkeit, sondern auf Interessenausgleich in Form von Kompromisslösungen, die für alle Beteiligten zumutbar sind (Lehmbruch 1991: 17). Daher haben Kompromisstechniken (z. B. politische „Tauschgeschäfte“, Junktim – also das Koppeln von Gesetzentwürfen etc., die eigentlich unabhängig voneinander sind) eine große Bedeutung (Lehmbruch 1992: 207; Lehmbruch 1967: 45). Alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen, auch Minderheiten, werden in politische Willensbildungsprozesse eingebunden, z. B. mittels Regierungsbeteiligungen (meist große Koalitionen oder Allparteienregierungen), Veto-Rechten und Einstimmigkeitsprinzip. Abgesichert werden die Kompromissverfahren durch formelle Paritäts- oder Proporzregeln (z. B. Wahlvorschriften, informelle Übereinkünfte) bei der Besetzung wichtiger Positionen in Politik und Staatsorganisation, staatlich kontrollierten Wirtschaftssektoren und oft auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Schmidt 2008: 309; Lehmbruch 1991: 16; Lehmbruch 1992: 207). Weiterhin werden Politikfelder nach dem Proporz aufgeteilt (Luthardt 1988: 231). Verfassungsmäßig institutionalisiert sind die konkordanzdemokratischen Verfahren meist nicht (Lehmbruch 1992: 208).34 Zur Dauerhaftigkeit von Konkordanzdemokratien trägt vermutlich ein sozialpsychologisches Phänomen bei: Mit dem Eintritt in politische Elitegruppen ist ein spezifischer Sozialisationsprozess verbunden, in dessen Zuge das jeweilige typische Elitenverhalten und die Rollen(selbst)wahrnehmung der politischen Eliten internalisiert werden – in Konkordanzdemokratien also eine ausgeprägte Verhandlungs- und Kompromissorientierung (Lehmbruch 1967: 26-29). Zwar hat die konkordanzdemokratische Färbung in Österreich wie auch in allen anderen Ländern dieses Typs ab den 1960er Jahren sukzessive nachgelassen. Bedingt war das durch die immer schwächere Integrations- und Bindungskraft der politisch-ideologischen Lager und ihrer Organisationsnetzwerke (Kapitel 4.1.2) und durch das Auftreten neuer Akteure (z. B. grünalternative Parteien), die quer zu den bisherigen gesellschaftlichen Konfliktlinien lagen (Lehmbruch 1992: 210; Schmidt 2008: 309). Dennoch ist aber zu vermuten, dass die tief verwurzelte Kompromissorientierung erst allmählich an Prägekraft verlor und dass die politischen Eliten in Österreich im Vergleich zu Deutschland stärker konsensorientiert waren und nach wie vor sind. Das könnte auch das Verhalten der Politikjournalisten betreffen. 33 Uneinigkeit herrscht darüber, ob das konsensorientierte Verhalten der politischen Eliten Voraussetzung (Lehmbruch 1967) oder Ergebnis (Lijphart 1968) der Konkordanzdemokratie ist. 34 Eine Ausnahme bilden hier die Proporzregierungen (nach dem Parteienproporz zusammengesetzte Allparteienregierungen), die in den meisten österreichischen Bundesländern von der Verfassung vorgeschrieben sind oder lange Zeit waren (Pelinka 2003: 546-547).

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Österreich: Die Konkordanzdemokratie in Österreich entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Hintergrund der traumatischen Erfahrungen der Ersten Republik (1918-1938). Die tiefgreifende Spaltung der österreichischen Gesellschaft in das sozialistische und das konservative Lager hatte damals zu immer dramatischeren Auseinandersetzungen und schließlich zum Bürgerkrieg 1934 geführt.35 Damit sich das nicht wiederholen sollte, einigten sich die politischen Parteien zu Beginn der Zweiten Republik auf „ein kompromissorientiertes politisches System auf der Basis intakter subkultureller Niveaus“ (Pelinka/Rosenberger 2003: 13) – ein Elitenkartell auf Partei- und Parlamentsebene. Politische Repräsentanten der großen gesellschaftlichen Lager waren die SPÖ und die ÖVP. Die ungleich kleinere FPÖ als Vertreter des „deutschnationalen“ oder „dritten Lagers“ blieb davon weitgehend ausgeschlossen (Lehmbruch 1967: 24-26). Ein sichtbares Zeichen der österreichischen Konkordanzdemokratie ist die Häufigkeit großer Koalitionen: Insgesamt fast 35 Jahre des hier betrachteten Zeitraums (1945-66 und 1987-2000) wurde das Land von einer schwarz-roten Koalition regiert (Abbildung 2). Alleinregierungen gab es insgesamt 17 Jahre lang, kleine Koalitionen waren mit insgesamt nur neun Jahren bis 2006 die seltenste österreichische Regierungsform. Allerdings blieben SPÖ und ÖVP auch während ihrer gemeinsamen Regierungen die „Hauptkontrahenten des parteipolitischen Wettbewerbs“ (Kéri 1997: 98). Auch wenn die erste große Koalition 1966 endete, spricht einiges dafür, dass die Konkordanzdemokratie darüber hinaus noch lange Bestand hatte. Denn parallel zu und in Verbindung mit dem Elitenkartell der Parteien entwickelte sich die Sozialpartnerschaft zu ihrem zweiten essentiellen Bestandteil, „die spezifisch österreichische Form des (Neo-)Korporatismus – also jenes Beziehungsgeflechtes zwischen dem (demokratischen, liberalen) Staat, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern.“ (Pelinka/Rosenberger 2003: 193) Die Verbände sind dem Staat gegenüber weitgehend autonom. Getragen von den mit den Parteien politisch und personell stark synchronisierten Gewerkschaften (SPÖ) und Arbeitgeberverbänden (ÖVP), bot sie als „Ersatzkoalition“ ab 1966 den Rahmen für die Fortführung der großen Koalition mit anderen Mitteln nach deren Ende im Nationalrat und erleichterte deren Neuauflage 1987 (Pelinka 1991: 31-32; Lehmbruch 1991: 24). Die Motive, aus denen heraus die große Koalition gebildet wurde, unterschieden sich jedoch in den beiden Phasen: Wurde sie zunächst als Regel- und Normalfall betrachtet, entstand ihre Neuauflage in den späten 1980er Jahren eher aus Zwang bzw. aus Mangel an Alternativen, weil der FPÖ „als (teilweise) 35 Weiter zurückliegende historische Wurzeln sieht Lehmbruch (1991: 21-22) in der parlamentarischen Kompromisskultur im österreichischen Reichsrat vor 1918, vor allem im Umgang mit ethnischen Konflikten. Weiterhin habe die österreichische Monarchie nie die Voraussetzungen für die Herausbildung einer parlamentarischen Mehrheitsregierung geboten (Lehmbruch 1967: 20).

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rechtsextremer Partei lange Zeit die Bündnisfähigkeit“ (Pelinka 2003: 536) fehlte und die Grünen zu wenige Mandate im Nationalrat hatten. Zu diesem Zeitpunkt widersprach die große Koalition aber bereits den in Gesellschaft und Politik vorherrschenden Präferenzen. Eine Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Mustern der Mehrheitsbildung, die in anderen Ländern üblich war, konnte dadurch vorerst nicht entstehen, sondern erst verspätet an der Wende zum 21. Jahrhundert (Schedler 1995: 31; Strohmeier 2009: 13-15). Abbildung 2: Regierungsmuster in Deutschland und Österreich

Quellen: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Darstellung. * Die CDU/CSU hatte bei der Bundestagswahl 1957 die absolute Mehrheit erreicht, regierte zunächst aber trotzdem zusammen mit drei Ministern von der DP. Diese Minister traten im September 1960 zur CDU über, die daraufhin bis November 1961 die bisher einzige bundesdeutsche Alleinregierung stellte (Schindler 1999: 1060-1109).

Die nachlassende konkordanzdemokratische Färbung zeigen auch die Stimmenanteile der Regierungskoalitionen im Parlament (Abbildung 3): Während der großen Koalitionen vereinigten SPÖ und ÖVP jeweils mindestens 60 Prozent der Stimmen auf sich, nach Czada (2006: 252) ein Indikator für eine Konkordanzdemokratie. Deutlich wird hier aber der oben beschriebene Unterschied zwischen den beiden Phasen großer Koalitionen: Bis zur ÖVP-Alleinregierung (ab 1966) kamen die beiden Großparteien in der ersten großen Koalition gemeinsam meist auf über 90 Prozent. Im Vergleich dazu war der parlamentarische Rückhalt der zweiten großen Koalition schon zu ihrem Beginn 1987 geringer und sank danach fast kontinuierlich noch weiter ab. Auch die nach der Wahl 2006 erneut gebildete große Koalition kam nur noch auf knapp drei Viertel der Parlamentsstimmen.

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Grund für den sinkenden Rückhalt waren u. a. die in Kapitel 4.2.1 dargestellten nachlassenden Parteibindungen der Bevölkerung (Plasser/Ulram 2006a: 361). Abbildung 3: Stimmenanteil der Regierung im Parlament

Quellen: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen.

Gleichwohl hatten die tief verwurzelten konsensorientierten Verhaltensmuster der politischen Eliten vermutlich auch nach 1966 Bestand, selbst in der parlamentarischen Arena. Von einer nennenswerten Erhöhung der Konfliktintensität der österreichischen Politik wird in der Literatur jedenfalls erst ab den 1980er Jahren gesprochen (Gehler 2006: 43). Als tiefer Einschnitt wird vor allem der Beginn der ÖVP-FPÖ-Koalition (2000) betrachtet, ab dem sich Österreich endgültig an die Wettbewerbsmuster anderer westeuropäischer Demokratien anzugleichen begann (Pelinka/Plasser/Meixner 2000; Schmidt 2008: 310). Deutschland: Deutschland gilt als Mischform zwischen Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie. Denn obwohl aufgrund des parlamentarischen Regierungs- und des bipolaren Parteiensystems eher die Dominanz konkurrenzdemokratischer Elemente zu erwarten wäre, trägt es auch Züge einer Konkordanzoder Verhandlungsdemokratie (Abromeit 1989; Rudzio 2006: 447-448). Anders als in Österreich sind verhandlungserzwingende Elemente jedoch vor allem institutionell, durch Formen der Politikverflechtung bedingt, z. B. hohe Hürden für Verfassungsänderungen, im Bundesrat zustimmungspflichtige Gesetze oder die Patronagepraxis in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (Schmidt 2008: 310; Lehmbruch 1992: 208; Czada 2003: 193; Rudzio 2006: 271-301).

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Auf der Parlaments- und Regierungsebene hingegen sind Verhandlungsmechanismen in Deutschland weitaus schwächer als in Österreich verankert, und auch das deutsche Parteiensystem verfügt über deutlich geringere „Konsensreserven“ (Czada 2003: 193) als das österreichische (Lehmbruch 1992: 208; Schmidt 2008: 310). Denn hier wird von den politischen Akteuren erwartet, Streitfragen nach rein sachrationalen Aspekten zu bewerten und zu entscheiden. Ein offenes und offensives Junktimieren bei sachlich unverbundenen Fragen wie in Österreich widerspräche dieser Erwartungshaltung und ist daher unüblich (Lehmbruch 1967: 45; Nienhaus 1985: 167). Weiterhin hat die Vorstellung, dass Politik der Austragung und nicht der Vermeidung von Konflikten diene, eine lange Tradition. Der Kompromiss wird als „faul“, als Zeichen von Unentschiedenheit und als Ausdruck von Charakter- und Willensschwäche gering geschätzt (Greiffenhagen/Greiffenhagen 1997: 205). Die dominierende Regierungsform in Deutschland ist bis heute die kleine Koalition – auf Bundesebene von 1949 bis 1960, von 1961 bis 1966 und von 1969 bis 2005, insgesamt also über 50 Jahre lang (Abbildung 2). Große Koalitionen gab es bisher nur neun Jahre lang (1966-1969 und 2005-2009). Die einzige Alleinregierung – die der Union 1960/61– dauerte nur etwas mehr als ein Jahr. Folglich überschritt der Anteil der Regierungsparteien an den Stimmen im Parlament nur während der großen Koalitionen und von 1953 bis 1955 sowie 1961 bis 1965, als die Union unter wechselnder Beteiligung kleinerer Parteien (FDP, DP, GB/BHE) regierte, die 60-Prozent-Marke (Abbildung 3). Die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände spielen im politischen Prozess zwar eine wichtige Rolle (Rudzio 2006: 55-92), sie sind aber weitaus weniger zentral als die österreichischen Sozialpartner. Vor allem die personellen und organisatorischen Verflechtungen zwischen ihnen und den politischen Parteien sind viel schwächer ausgeprägt als in Österreich.

4.1.1.2

Konflikt und Kooperation bei der Gesetzgebung

Weiteren Aufschluss über die Konsensorientierung der politischen Systeme und ihre Entwicklung im Zeitverlauf gibt das Abstimmungsverhalten im Parlament, das heißt Konflikt und Kooperation bei der Gesetzgebung (Müller 2006: 301-303). Ein Indikator dafür ist der Anteil der konsensual verabschiedeten Gesetze. Direkt vergleichbare Daten aus beiden Ländern liegen dazu allerdings nicht vor, und die vorhandenen sind lückenhaft, decken unterschiedliche Zeiträume ab und stützen sich auf abweichende Definitionen. Der Indikator für Deutschland – der Anteil der im Bundestag tatsächlich einstimmig, das heißt ohne Gegenstimme verabschiedeten Gesetze (Schindler 1999: 1953-1955) – ist strenger als der für Österreich – der Anteil der Gesetze, die von allen Fraktionen gemeinsam verabschiedet wurden. Weil abweichendes Stimmverhalten innerhalb einzelner Fraktionen dabei nicht berücksichtigt wird, dürfte der Anteil der in Österreich wirklich einstimmig verabschiedeten Gesetze etwas geringer sein als dieser Indikator anzeigt, selbst wenn man bedenkt, dass Beschlüsse während der 54

großen Koalitionen nach Möglichkeit einstimmig gefasst wurden (Lehmbruch 1992: 207). Zu bedenken sind weiterhin die Rahmenbedingungen parlamentarischer Abstimmungen: Je größer die Zahl der (oppositionellen) Parteien bzw. Fraktionen im Parlament ist, desto unwahrscheinlicher findet ein Gesetz einstimmige Zustimmung. Die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt außerdem, wenn der Regierung eine bilaterale Opposition gegenübersteht, wenn sich also die Regierungsparteien im Zentrum des politischen Spektrums befinden und es sowohl rechts als auch links von ihnen mindestens eine Oppositionspartei gibt (Müller 2006: 301). Ein Beispiel dafür sind die großen Koalitionen in Österreich ab 1986: Ideologisch rechts der Regierungsparteien stand die FPÖ, links von ihnen die Grünen. Abbildung 4 zeigt, dass in Deutschland der Anteil der einstimmig verabschiedeten Gesetze bis zur 4. Legislaturperiode (1961-1965) stark zunahm, maßgeblich aufgrund der sinkenden Anzahl der im Bundestag vertretenen Parteien.36 Aber auch die „Entideologisierung“ der SPD Ende der 1950er Jahre und ihre Öffnung zu einer Volkspartei mögen dazu beigetragen haben. Für Österreich fehlen Daten für die Zeit vor 1966, so dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob sich mit dem Ende der ersten großen Koalition der Anteil der im Konsens aller Fraktionen verabschiedeten Gesetze verminderte. Auffällig ist in beiden Ländern ein Rückgang an Einstimmigkeit in den 1970er Jahren. Die Rahmenbedingungen – Parteienkonstellation und Regierung(skoalitionen) – blieben in diesem Zeitraum in beiden Ländern gleich. Das Absinken deutet also auf eine (wenn auch moderat) nachlassende Konsensorientierung hin. Inwieweit der weitere, deutliche Rückgang in den 1980er Jahren nur durch die Ausweitung der Parteienspektren auf grünalternative Parteien bedingt ist oder ob die Konsensorientierung der Parteien per se sank, muss offen bleiben. Ebenso wie die Frage, ob die insgesamt höheren Werte für Österreich allein durch die methodischen Unterschiede oder darüber hinaus auch durch stärker konsensorientiertes Verhalten der österreichischen Parlamentarier verursacht sind. Die sinkende Konsensorientierung im Zeitverlauf sollte sich aber in jedem Fall in der Wahlkampfberichterstattung widerspiegeln. Aufgrund ihrer unterschiedlich starken konkordanzdemokratischen Prägung bieten beide Länder dafür unterschiedliche Voraussetzungen: Konkurrenzdemokratien betonen und verstärken den Wettbewerbs- und Konfliktcharakter der Politik, die als Wettkampf begriffen wird. Die Medien können entsprechend ihre Berichterstattung ganz auf die offen ausgetragenen politischen Konflikte ausrichten und Politik für das Publikum unterhaltsam darstellen. In Konkordanzdemokratien hingegen verläuft der politische Prozess vorwiegend „hinter verschlossenen Türen“ und ist 36 Von 1949 bis 1953 waren zwölf Parteien im Bundestag vertreten, von 1953 bis 1957 nur noch neun. Zwischen 1957 und 1961 reduzierte sich die Zahl weiter auf vier, und von 1961 bis 1983 gab es nur mehr drei Bundestagsparteien (CDU und CSU jeweils zur Union als einer „Partei“ bzw. Bundestagsfraktion zusammengefasst) (Schindler 1999: 156-163).

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aufgrund seiner Verhandlungsorientierung „wenig geeignet für ein Arrangement der Politik als Erlebnis oder als Spektakel.“ (Schmidt 2008: 315-317) Wie die Medien damit tatsächlich umgehen, ist eine bisher offene empirische Frage, der in der vorliegenden Untersuchung nachgegangen wird. Abbildung 4: Einstimmig verabschiedete Gesetze im nationalen Parlament

Quelle: Müller (2006); Schindler (1999: 1953-1955). Eigene Darstellung.

4.1.2 Wählermärkte Die allmähliche Auflösung der Konkordanzdemokratie hängt wie auch viele andere Entwicklungen der politischen Systeme in den vergangenen Jahrzehnten eng zusammen mit den Veränderungen der Wählermärkte. In Deutschland und Österreich haben wie in allen westlichen Demokratien tiefgreifende gesellschaftliche Modernisierungsprozesse und ein weitreichender, sich ab den 1970er Jahren beschleunigender sozioökonomischer und soziokultureller Strukturwandel die Bedingungen für Wahlkämpfe von Grund auf verändert (Plasser 1987). Sichtbare Zeichen dessen sind z. B. steigender Wohlstand, ein wachsendes Bildungsniveau, eine Abschwächung und Verlagerung der gesellschaftlichen Konfliktlinien in Richtung postmaterialistischer Wertvorstellungen, ein Bedeutungsgewinn des tertiären auf Kosten des primären und sekundären Wirtschaftssektors, eine gestiegene soziale und geografische Mobilität, nachlassende Kirchenbindungen und eine Ausweitung der Freizeit.

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Infolge dieser Entwicklungen schrumpften die „sozialen Kerngruppen der Traditionsparteien (…) zahlenmäßig, die traditionellen Sozialmilieus brachen auf, wodurch sich auch die integrierenden Netzwerke sozialer Kontakte und persönlicher Beziehungen, die eine soziale Konsonanz politischer Einstellungen sicherten, auflösten“ (Plasser/Ulram 2006a: 354). Traditionelle, früher stabile Parteiloyalitäten und -bindungen der Wähler schwächten sich ab, weshalb sozialstrukturelle Faktoren das Wahlverhalten immer weniger erklären können (Müller 2000: 20; Haerpfer 1987: 173-174; Plasser/Ulram 2006a: 363; Dalton/Wattenberg 2002: 10-14; Greiffenhagen/Greiffenhagen 1997: 207). Die Zahl der Nichtwähler und der Wechselwähler nimmt immer weiter zu, und ein wachsender Teil der Bevölkerung trifft seine Wahlentscheidungen kurzfristig und auf Basis politikfremder Faktoren (Holtz-Bacha 2006b: 11-12). Der steigende Bildungsgrad und das zunehmende Informationsangebot haben die kognitiven und informationstechnischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich die Bevölkerung umfassend über Politik informieren kann.37 Auch die Rolle der Medien hat sich verändert: Sie haben die früher den Parteien zukommende Funktion als primäre politische Informationsquelle weitgehend übernommen. Damit wächst die Bedeutung des Wahlkampfes für die Parteien und Politiker: Sie müssen sich stärker engagieren, um Wechsel- und Nichtwähler zur Stimmabgabe für die eigene Partei bzw. die eigenen Kandidaten zu motivieren – und in der Folge verändert sich mutmaßlich auch die Wahlkampfberichterstattung darüber. Die wichtigsten Veränderungen in diesem Zusammenhang sind die sinkende Wahlbeteiligung und die Entstrukturierung der Wählerschaft in organisatorischer (Parteimitgliedschaft) und affektiver Hinsicht (dealignment), die im Folgenden umrissen werden.

4.1.2.1 Wahlbeteiligung Die Wahlbeteiligung, der einfachste und generelle Indikator politischer Partizipation (van Deth 2003: 173), kann „als Indikator für die allgemeine Akzeptanz der Parteiensysteme“ (Haerpfer 1987: 179) gedeutet werden. In Deutschland und Österreich war sie nach 1945 im internationalen Vergleich durchgängig hoch. Geschuldet ist das u. a. der Tatsache, dass die Teilnahme an Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden Ländern als neue Bürgerpflicht bzw. als „neuerdings geforderte politische Aktivität in der Demokratie“ (Greiffenhagen/Greiffenhagen 1997: 180) galt. In Österreich kam verstärkend noch die – wenngleich nicht sanktionierte – Wahlpflicht bei Bundespräsidentenwahlen (in allen Bundesländern 1929 bis 1982; in einigen darüber hinaus bis maximal 2004) und in

37 Bevölkerungsbefragungen zufolge ist das politische Interesse der Bevölkerung von den 1970er Jahren bis 2005 in Deutschland bzw. bis 1996 in Österreich angestiegen (Reitze/ Ridder 2006: 253; Plasser/Ulram 1999: 243). Dabei sind allerdings Verzerrungseffekte durch sozial erwünschtes Antwortverhalten wahrscheinlich.

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einigen Bundesländern auch bei Nationalratswahlen (längstens 1949 bis 1992) hinzu (BMI o. J.). Vermutlich auch aufgrund dieser ähnlichen Ausgangsbedingungen hat sich die Wahlbeteiligung in beiden Ländern über die betrachteten sechs Jahrzehnte hinweg relativ ähnlich entwickelt (Abbildung 5). Abgesehen von einer noch etwas niedrigeren Wahlbeteiligung 1949 nahmen an den Bundestagswahlen zwischen 1953 und 1983 durchgängig über 85 Prozent der Wahlberechtigten teil, 1972 und 1976 sogar jeweils mehr als 90 Prozent. Noch etwas höher war die Beteiligung an den österreichischen Nationalratswahlen bis 1983 mit über 90 Prozent. In den 1980er Jahren ging sie dann aber in beiden Ländern zurück und stabilisierte sich in den 1990er Jahren bei rund 80 Prozent. Unterschritten wurde diese Marke in Deutschland erstmals 1990, in Österreich 1999. Die Trendentwicklungen entsprechen denen in den meisten anderen westeuropäischen Demokratien (Mair 2002; Wattenberg 2002: 71-76). Abbildung 5: Wahlbeteiligung bei Bundestags- und Nationalratswahlen

Quelle: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen. Angaben in Prozent der Wahlberechtigten.

Auch wenn die Wahlbeteiligung zu Beginn des 21. Jahrhunderts im internationalen Vergleich immer noch hoch ist, hat die Zahl der Nichtwähler erkennbar zugenommen. Ihr Anteil hat sich z. B. in Deutschland im Durchschnitt der sechs Bundestagswahlen 1987 bis 2005 gegenüber den sechs vorangegangenen (1965-83) von 11 auf 20 Prozent fast verdoppelt, in Österreich hat er sich im Vergleich der je sieben Nationalratswahlen 1962 bis 1983 gegenüber 1986 bis 2005 von 8 auf 18 Prozent sogar mehr als verdoppelt (Müller 2000: 17).

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Die Motive, nicht zur Wahl zu gehen, reichen von technischer Nichtwahl aufgrund äußerer Umstände (z. B. Krankheit, fehlerhafte Wählerverzeichnisse) über konjunkturelle Nichtwahl nur bei bestimmten Wahlen bis hin zu grundsätzlicher Nichtwahl aufgrund weltanschaulicher Überzeugungen oder struktureller Opposition gegen das politische System (Zinterer 1998: 423; Ismayr 2003a: 463). Eine zunehmende Rolle spielt daneben die sinkende Mobilisierungsfähigkeit der Parteien (Gabriel/Völkl 2004).

4.1.2.2 Parteimitgliedschaft Zum Ausdruck kommt letztere auch im Anteil der Parteimitglieder. Diese sind für Parteien in Wahlkämpfen in verschiedener Hinsicht wichtig: Sie mobilisieren durch ihre Beteiligung an der Wahlkampagne andere Wähler und bilden selbst eine sichere Wählerbasis. Zwar sichert Mitgliederstärke allein noch keinen Wahlerfolg (Rudzio 2006: 153). Dennoch müssen die Parteien aber, je weniger Mitglieder sie haben, im Wahlkampf umso stärker versuchen, Nicht-Mitglieder für sich zu gewinnen. Ihre intensivierten Wahlkampfaktivitäten verändern auch die Wahlkampfberichterstattung. Österreich weist im internationalen Vergleich „den mit Abstand höchsten Anteil eingetragener Parteimitglieder“ (Plasser/Ulram 2002: 96) auf. Sich organisatorisch an eine Partei zu binden, ist hier sehr viel verbreiteter als in Deutschland. Das hängt zusammen mit der Aufspaltung der österreichischen Gesellschaft in politische Lager, die lange Zeit selbst den Alltag der Bevölkerung beeinflusste (Pelinka/Rosenberger 2003: 53-70). Infolge der gesellschaftlichen Modernisierung sind die Mitgliederzahlen der Parteien mittlerweile aber wie in sämtlichen westeuropäischen Demokratien rückläufig. Von 1960 bis 1990 blieb die absolute Zahl der Parteimitglieder in den meisten europäischen Ländern weitgehend konstant oder stieg sogar, konnte aber mit der deutlichen Vergrößerung der Wählerschaft im selben Zeitraum nicht Schritt halten und sank somit in Relation zur Zahl der Wahlberechtigten (Katz/Mair 1992; Mair/van Biezen 2001). Tabelle 1 zeigt diese Entwicklung in Deutschland und Österreich. Der Mitgliederanteil an allen Wahlberechtigten in Deutschland stieg bis Mitte der 1980er Jahre zwar an, allerdings auf einem sehr geringen Niveau (Katz/Mair 1992: 333). Offensichtlich war die Fähigkeit der deutschen Parteien, Wähler organisatorisch an sich zu binden, schon immer gering. In den 1990er Jahren gingen die organisatorischen Parteibindungen in beiden Ländern (wie in allen westlichen Demokratien) weiter zurück, jetzt aber verringerte sich nicht nur der Anteil, sondern auch die Zahl der Parteimitglieder (Mair/van Biezen 2001). In Deutschland war das auch eine Folge der Wiedervereinigung, weil die Ostdeutschen zu einem deutlich geringeren Anteil einer politischen Partei angehören als die Westdeutschen. Ein weiterer zahlenmäßiger und damit zugleich anteiliger Rückgang der Parteimitglieder in Deutschland lässt sich zu Beginn des neuen Jahrtausends nachweisen (Niedermayer 2007b: 25).

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In Österreich ist der sinkende Organisationsgrad als Zeichen der beginnenden Normalisierung bzw. Angleichung an westeuropäische Standards zu deuten, wenngleich die Mitgliederzahlen der Parteien bis heute weiterhin hoch sind.38 Allerdings beschränkt sich die Mehrheit der Parteimitglieder auf eine „loyalpassive Beobachterrolle“ (Plasser/Ulram 2002: 96), was die faktische Kommunikations- und Mobilisierungsfähigkeit der österreichischen Parteiorganisationen deutlich relativiert. Tabelle 1: Anteil der Parteimitglieder in Deutschland und Österreich Deutschland (bis 1989 Westdeutschland) 1961 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1989 % % % % % % % % % 2.5 2.8 3.2 3.7 4.5 4.5 4.4 4.2 3.9 Österreich 1962 1966 1970 1971 1975 1979 1980 1983 1986 1990 % % % % % % % % % % 21.8/ 26.2 26.0 25.9 26.0 25.6 25.4 28.5 24.2 22.6 23.7*

1999 % 2.9 1999 % 17.7

Quelle: Katz/Mair (1992); Mair/van Biezen (2001). Angaben in Prozent der Wahlberechtigten, gerundet auf eine Nachkommastelle. *Der erste Wert gibt das Ergebnis von Katz und Mair (1992) an, der zweite das abweichende Ergebnis von Mair und van Biezen (2001).

4.1.2.3 Parteiidentifikation und dealignment Ein weiterer Indikator für die Entwicklung der Wählermärkte ist die Parteiidentifikation (affektive Parteibindung). Die Erkenntnis, dass das Wahlverhalten nachhaltig durch stabile politische Prädispositionen geprägt ist, reicht zurück bis zu den Anfängen der politischen Wahlforschung in den 1940er Jahren (Lazarsfeld/Berelson/Gaudet 1944). Dieser Erkenntnis folgend beschreibt das sozialpsychologische Modell des Wahlverhaltens (Michigan-Modell) die Parteiidentifikation als den zentralen von drei Aspekten, von denen die Wahlentscheidung abhängt (Campbell et al. 1960; Schmitt-Beck 2008: 157). Im Gegensatz zu den beiden anderen, kurzfristigen Faktoren – der Einstellung zu politischen Sachthemen und der Kandidatenorientierung – wirkt sich die Parteiidentifikation langfristig aus. Sie beeinflusst die Wahlentscheidung sowohl direkt (häufigere Wahlbeteiligung, stabileres Stimmverhalten) als auch indirekt durch Effekte auf die kurzfristigen Faktoren (Sichelstiel 2007: 45). Es wird davon ausgegangen, dass die Parteiidentifikation – ähnlich wie religiöse Orientierungen – in frühkindlichen, 38 Umfragedaten bestätigen die sinkende organisatorische Bindung der österreichischen Wählerschaft an die Parteien, auch wenn die darin erfassten Anteile (Prozent der Befragten, die angeben, Mitglied in einer politischen Partei zu sein) durchgängig etwas unter den Zahlen der offiziellen Mitgliederstatistiken liegen (Plasser/Ulram/Seeber 2003: 102).

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vor allem familiären Sozialisationsprozessen wurzelt, psychologisch tief in der Persönlichkeit des Individuums verankert ist und daher langfristig stabil bleibt. Bei der persönlichen Wahrnehmung und Bewertung politischer Ereignisse und Sachverhalte wirkt sie als Filter (Schmitt-Beck 2008: 157; Sichelstiel 2007: 43). Bindungen an Parteien erfüllen verschiedene Funktionen. Auf der Mikroebene dienen sie den Wählern zur Komplexitätsreduktion, indem sie einen Rahmen zur Verarbeitung politischer Informationen, zum Verständnis politischer Themen und für politische Entscheidungen bieten. Sie prägen die normativen Vorstellungen des Einzelnen über die Rolle der politischen Parteien im demokratischen System und stärken seine Bindung an selbiges. Auf der Makroebene gewährleisten sie die Stabilität des Parteiensystems, indem sie die Wähler zur Teilnahme an Wahlen und der Stimmabgabe für „ihre“ Partei mobilisieren, (Dalton 2002: 20-22; Schmitt-Beck/Schrott 1994: 544; Müller 2000: 21). Häufig wird angenommen, dass von den komplexitätsreduzierenden Funktionen der Parteibindungen vor allem Personen mit geringen kognitiven Kompetenzen profitieren, während besser gebildete, kognitiv mobilisierte 39 Wähler eine schwächere Parteibindung aufweisen (Schmitt-Beck/Schrott 1994: 544-545; Dalton 2002: 31-34). Letztere zählen zur Kernzielgruppe der Elitetageszeitungen. Falls sie ihre Wahlentscheidung tatsächlich stärker auf Basis kurzfristiger als langfristiger Faktoren treffen, lässt das einen gewissen Einfluss der in der Inhaltsanalyse untersuchten Zeitungen auf das Wahlergebnis vermuten. Ob das wirklich zutrifft, ist aber unklar. Denn z. B. Falter, Schoen und Caballero (2000) stellen im Widerspruch dazu gerade für Bürger mit höherer formaler Bildung in Deutschland überdurchschnittlich starke Parteibindungen fest. Langfristig erodieren die Parteibindungen in fast allen westeuropäischen Ländern und den USA (Dalton 2002; Dalton/McAllister/Wattenberg 2002). Im Lauf dieser als dealignment bezeichneten Entwicklung lockern sich die „über Sozialstruktur, Milieus und Parteiidentifikation vermittelten strukturellen und stabilen Bindungen in der Wählerschaft an die Parteien“ (Schultze 1998: 106) oder lösen sich vollkommen auf (Schmitt-Beck/Schrott 1994: 544). Für die dauerhafte Entkopplung von sozialen Schichtmerkmalen und Wahlverhalten werden zwei Ursachenbündel diskutiert: Einerseits die gesellschaftliche Modernisierung, andererseits genuin politische Faktoren, insbesondere die generelle und wachsende Unzufriedenheit mit der Leistung der Parteien und dem demokratischen Prozess (Dalton 2002: 29; Sichelstiel 2007: 58-59). Aber auch die Massenmedien, vor allem das Fernsehen, haben durch ihr Informationsangebot das dealignment befördert, weil sie die Wähler unabhängiger von den Parteien als Vermittlern politischer Informationen gemacht haben (Schmitt-Beck/Schrott 1994: 544). 39 Die kognitive Mobilisierung wird operationalisiert mittels einer Kombination aus politischen Fähigkeiten (gemessen am Bildungsgrad) und politischem Engagement (gemessen an der Häufigkeit, mit der der Einzelne politische Diskussionen führt). Kognitiv mobilisierte Wähler finden sich verstärkt in den jüngeren Altersgruppen (Dalton 2002: 33-34).

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Durch die sinkende Häufigkeit, Intensität, Stabilität und Effektivität der Parteibindungen bei der Bestimmung des Wahlverhaltens wird selbiges zunehmend instabil, wobei aber nicht von einem monokausalen Zusammenhang auszugehen ist (Schoen 2003: 295; Zelle 1995). Indikatoren dafür sind ein steigender Anteil an Wechselwählern, sich zeitlich immer weiter nach hinten verschiebende Wahlentscheidungen und ein zunehmendes Stimmensplitting (Haerpfer 1987: 173; Schmitt-Beck/Schrott 1994: 546). Deren Betrachtung basiert im Folgenden auf Ergebnissen von Bevölkerungsbefragungen, womit sich die Veränderungen im Wählerverhalten präziser messen und beschreiben lassen als auf Basis der Wahlergebnisse (Dalton/McAllister/Wattenberg 2002: 42).40 Parteiidentifikation: Betrachtet man zunächst die Parteiidentifikation bzw. die affektiven Parteibindungen in (West-)Deutschland und Österreich vom Beginn der 1970er bis zum Ende der 1990er Jahre, finden sich trotz „saisonaler Schwankungen, politischer Konjunkturzyklen und punktueller Mobilisierungseffekte“ (Gluchowski/Plasser 1999: 10) in beiden Ländern Belege für eine graduelle Abschwächung. Sie vollzog sich in Österreich um ein bis zwei Jahre verzögert, aber ausgeprägter und nachhaltiger. In Deutschland sank die Parteiidentifikation zwischen 1972 und 1997 insgesamt nur moderat um 7 Prozentpunkte (von 68 auf 61 Prozent). Dabei haben sich die affektiven Parteibindungen insbesondere vor 1984 abgeschwächt, während ihre Stabilität und Intensität danach bis 1990 weitgehend konstant blieben. In Österreich dagegen verringerte sich die Parteiidentifikation zwischen 1974 und 1997 um 16 Prozentpunkte (von 65 auf 47 Prozent) (Gluchowski/Plasser 1999: 12, 16). Noch stärker hat aber ihre Intensität abgenommen, gemessen am Anteil derer, die sich laut eigenen Angaben stark mit einer Partei identifizieren (Müller 2000: 21). Dieser Rückgang verlief in Österreich in vier Phasen: (1) Eine strukturelle Abschwächung von den späten 1960er bis Anfang der 1970er Jahre, die vor allem Personen mit nur mäßiger oder schwacher Parteiidentifikation betraf. (2) Ein affektives dealignment vom Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre aufgrund der zunehmenden allgemeinen Unzufriedenheit mit den Parteien. (3) Ein protestgeladenes und oppositionelles dealignment ab Mitte der 1980er Jahre, bedingt durch die Neuauflage der großen Koalition (1987) und die Polarisierung der politischen Kultur durch die rechtspopulistische Ausrichtung der FPÖ. (4) Und schließlich ab Mitte der 1990er Jahre eine Neustrukturierung der Wählerorientierungen und – infolge der Regierungsbeteiligung der FPÖ (2000) – ein sektorales Realignment, das heißt eine wieder erhöhte Identifikationsbereitschaft der SPÖ- und ÖVP-Anhänger (Plasser/Ulram 2006a: 363).

40 Ein Indikator, der das Ausmaß der Wählerfluktuation auf der Aggregatebene misst – die Volatilität (Pedersen-Index) – wird in Kapitel 4.1.3.3 behandelt. Er deutet sowohl für Deutschland als auch für Österreich auf eine vor allem ab den 1980er Jahren zunehmende Volatilität des Elektorats hin.

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Verschiedene Autoren belegen für beide Länder kontinuierlich sinkende Parteiidentifikationen von den 1970er bis Ende der 1990er Jahre und eine Beschleunigung des dealignment in den 1990er Jahren (z. B. Schoen 2003; Plasser/Ulram 2006b).41 Ein Grund dafür sind in Deutschland die nicht nur weniger verbreiteten, sondern auch schwächer ausgeprägten, instabileren und weniger dauerhaften Parteibindungen in den neuen Bundesländern (Falter/Schoen/Caballero 2000; von Beyme 2010: 112-113). Auch wenn die Parteibindungen im internationalen Vergleich immer noch hoch sind, was für eine nach wie vor gegebene Integrationsfähigkeit beider Parteiensysteme spricht (Plasser/Ulram 2006a: 366), sehen sich die Parteien also mit deutlich erschwerten Bedingungen konfrontiert. Zum Ausdruck kommt das in einem steigenden Anteil von Wechselwählern, Spätentscheidern (late deciders) und Stimmensplitting (split-ticket voting). Dazu liegen keine direkt vergleichenden Untersuchungen zu Deutschland und Österreich vor, die vorhandenen Studien zu jedem der beiden Länder belegen jedoch jeweils eine Zunahme in den vergangenen Dekaden. Wechselwähler: Der Wechselwähleranteil wird auf der Individualebene anhand von Bevölkerungsbefragungen mit der Frage ermittelt, ob man bei dieser Wahl eine andere Partei gewählt habe als bei der vorangegangenen.42 Für Deutschland berechnen Dalton, McAllister und Wattenberg (2002) von 1961 bis 1998 eine jährliche Zunahme dieses Anteils um rund 0,3 Prozent. Schoen (2003: 130-134) zufolge ist die Wechselrate von 10 Prozent (1961) zunächst auf 16 Prozent (1990) und schließlich 24 Prozent (1998) angestiegen. Der nochmalige deutliche Anstieg in den 1990er Jahren ist maßgeblich durch die neu hinzukommenden ostdeutschen Wähler mit verursacht, unter denen der Wechselwähleranteil wesentlich höher ist als unter den westdeutschen (1998 um 10 Prozentpunkte; Falter/ Schoen/Caballero 2000). Parteiwechsler wechseln vor allem zwischen großen und kleinen Parteien (meist desselben Lagers), aber nur selten zwischen den beiden Großparteien (Schoen 2003: 132-133). Auch in Österreich gibt es klare Hinweise auf einen steigenden Anteil an Wechselwählern: Bei der Nationalratswahl 1975 lag er bei nur 3 Prozent, begründbar durch die allgegenwärtige „Lagermentalität“ der österreichischen Bevölkerung, die alle gesellschaftlichen Bereiche durchzog. Dann aber erhöhte sich 41 Mit der sinkenden Parteiidentifikation verkleinert sich die potenzielle Leserschaft der Parteizeitungen. Ausdruck dessen sind in Österreich die ab den 1960er Jahren stark sinkenden Reichweiten und Marktanteile der Parteiblätter. In Deutschland fand diese Zeitungsgattung nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt nur noch geringe Verbreitung (Kapitel 4.2.3.1). 42 Bei der Schätzung des Wechselwähleranteils bestehen methodische Schwierigkeiten aufgrund von Datenungenauigkeiten bei Panelanalysen, retrospektiven Fragen und Wählerwanderungsbilanzen (Schultze 1998: 719). Da diese Probleme jedoch den gesamten Untersuchungszeitraum betreffen, dürften die Ergebnisse aus einzelnen Wahljahren vergleichbar sein. Im Kontext der Fluktuation der Wähler zwischen den Parteien auf der Individualebene spricht Müller (2000: 18-19) auch von Brutto-Volatilität in Abgrenzung zur Netto-Volatilität auf Basis von Aggregatdaten (Kapitel 4.1.3.3).

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der Anteil der Wechselwähler fast stetig auf 10 Prozent (1983), 22 Prozent (1995) und – nach einem vorübergehenden Rückgang auf 18 Prozent (1999) – auf sein bisheriges Maximum von 24 Prozent (2002) (Plasser/Ulram/Seeber 2003: 101; Plasser/Ulram 2006a: 363-364). Spätentscheider: Wahlentscheidungen sind nicht nur instabiler geworden, sie verschieben sich auch zeitlich zunehmend nach hinten. Entsprechend steigt der Anteil der sogenannten Spätentscheider (late deciders), die ihre Wahlentscheidung nicht auf Basis feststehender Präferenzen treffen, sondern erst kurz vor dem Wahltag (Schmitt-Beck/Schrott 1994: 543). Weil die Definition des Zeitpunkts „kurz vor der Wahl“ variabel ist – von den letzten Wochen über die letzten Tage vor der Wahl bis hin zum Wahltag selbst – differieren die empirischen Ergebnisse; dennoch ist aber in beiden Ländern insgesamt eine Zunahme der Spätentscheider erkennbar. Für Deutschland zeigen Dalton, McAllister und Wattenberg (2002: 48), dass zwischen 1965 und 1990 der Anteil der Wähler, die ihre Wahlentscheidung erst in den letzten Wochen vor der Wahl trafen, um durchschnittlich 0,16 Prozent jährlich zugenommen hat. Feist (1994) zufolge hat sich deren Anteil bei der Bundestagswahl 1990 gegenüber den 1980er Jahren verdoppelt. Bei der Bundestagswahl 2005 machten sie laut Plasser und Seeber (2007: 264) 19 Prozent aus, laut Jesse und Schubert (2006) sogar insgesamt 49 Prozent (20 Prozent in den letzten Wochen vor der Wahl, 16 Prozent während der letzten Tage und 13 Prozent erst am Wahltag selbst). In Österreich legten sich bei der Nationalratswahl 1975 nur 5 Prozent, 1979 nur 9 Prozent und 1983 lediglich 8 Prozent erst in den letzten Tagen definitiv auf eine Partei fest. Dagegen traf 2002 (23%) und 2006 (24%) bereits rund jeder Vierte seine Entscheidung so spät. Damit hat sich die Zahl der Spätentscheider binnen drei Jahrzehnten rund verfünffacht (Plasser/Ulram 2007: 30; Plasser/Seeber 2007: 264). Stimmensplitting: Auch ein zunehmendes Stimmensplitting (split-ticket voting) deutet auf eine gestiegene Wählerfluktuation hin. Dabei geht es um Wähler, die auf verschiedenen politischen Ebenen (z. B. Bundestags-/Nationalratswahl einerseits, Landtagswahl andererseits) für unterschiedliche Parteien votieren. In Deutschland gibt es zudem die Möglichkeit, bei Bundestagswahlen die Erst- und Zweitstimme zwischen verschiedenen Parteien aufzuteilen. Genutzt wird sie vor allem von Wählern kleinerer Parteien, die ihre Erststimme nicht „verschenken“ wollen und sie deshalb dem Direktkandidaten einer großen Partei geben (Rudzio 2006: 164-166). In Deutschland hat das Stimmensplitting zwischen Erst- und Zweitstimme von 1957 bis 1990 um durchschnittlich 0,22 Prozent jährlich zugenommen (Dalton/McAllister/Wattenberg 2002: 47). Bei der Bundestagswahl 1957 wählten 91,6 Prozent mit Erst- und Zweitstimme dieselbe Partei, 1990 nur noch 83,6 Prozent. Bei Landtags- und Bundestagswahlen gaben 1980 lediglich 7 Prozent ihre Stimme verschiedenen Parteien, 1990 waren es schon 12,2 Prozent (Zelle 1995: 64

142, 146). In Österreich wählten 1972 nur etwa 8 Prozent der Wahlberechtigten bei Nationalrats- und Landtagswahlen verschiedene Parteien, 1999 betrug dieser Anteil bereits 46 Prozent und 2002 sogar 53 Prozent (Plasser/Ulram 2002: 85; Plasser/Ulram/Seeber 2007: 104). Die beschriebenen Indikatoren zeigen, dass das Wahlverhalten in Deutschland und Österreich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel instabiler geworden ist. Wenn die Stammwählerschaften der politischen Parteien schmelzen, steigt das Einflusspotenzial von massenmedialer Politikvermittlung, kritischen Wahlkampfereignissen und Medienauftritten von Politikern. In Reaktion darauf müssen die politischen Akteure ihre dahingehenden Aktivitäten intensivieren, um Wähler zu gewinnen (Plasser/Ulram 2006a: 365) – und damit verändert sich auch die Wahlkampfberichterstattung.

4.1.3 Parteiensysteme Die zentralen Akteure bei politischen Entscheidungen und Wahlen sind in parlamentarischen Demokratien wie Deutschland und Österreich die politischen Parteien. Nur vermittelt über sie können die Wähler auch über den Kanzler mitbestimmen. Als Akteure des intermediären Systems (Kapitel 3.1.4) sind sie ein zentrales Bindeglied zwischen der Gesellschaft und staatlichen Institutionen und erfüllen eine Rekrutierungs-, Integrations- und Legitimationsfunktion (Poguntke 2003: 189; Pelinka 2005: 73; Winkler 2006: 181). Bezogen auf die Wähler stehen sie in einem Konkurrenzverhältnis und sind daher auf Gesellschaft und Medien stark kommunikativ orientiert (Jarren/Donges 2006b: 137). Da die an Nachrichtenfaktoren orientierten Medien – zumal in Wahlkämpfen – auf den Wettkampf der Parteien um Wählerstimmen fokussieren, beeinflussen Struktur und Intensität des Parteienwettbewerbs die Wahlkampfberichterstattung (Mancini/Swanson 1996). Aufgrund der beschriebenen Veränderungen der Wählerschaft hat er sich im Lauf der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland und Österreich wie in allen westlichen Demokratien intensiviert, was den Wettbewerbs- und Konfliktcharakter der Wahlkampfberichterstattung verstärkt haben dürfte. Im Folgenden werden der Parteienwettbewerb bzw. die Parteiensysteme beider Länder verglichen, mit einem Fokus auf den jeweils in den nationalen Parlamenten vertretenen Parteien. Die Parteiensystemforschung befasst sich mit der Gesamtheit der Parteien eines oder mehrerer Länder, vor allem mit der Struktur und Entwicklung der Interaktionen und des Wettbewerbs zwischen ihnen (Winkler 2006: 181-182). Ein Parteiensystem ist nach Sartori (1976: 44) das System der Beziehungen, die aus dem Parteienwettbewerb resultieren, und damit „mehr als die Summe seiner Parteien.“ (Winkler 2006: 192; Müller 2006: 279; Jesse 2002: 60) Seine Charakteristika müssen daher als relationale Größen aus den zwischenparteilich relevanten

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Eigenschaften der Parteien abgeleitet werden (Niedermayer 2007a: 114-115).43 Am eindeutigsten können Parteiensysteme durch die Konkurrenz zwischen den Parteien (insbesondere um die Regierungsmacht) differenziert werden (Mair 1996: 89; Schedler 1995: 19).44 Das deutsche und das österreichische Parteiensystem ähneln sich stark. Beide galten im internationalen Vergleich lange als „besonders stabil, geprägt von zwei dominanten Parteien, die als grundsätzlich gleich starke politische Kräfte eine symmetrische, bipolare Wettbewerbsstruktur begründeten“ (Kéri 1997: 85). Bis zu den 1980er Jahren handelte es sich jeweils um Zweieinhalb-Parteiensysteme (Rudzio 2006: 121; Pelinka 2003: 536). 45 Denn neben den duopolistischen Großparteien, von denen ideologisch je eine rechts (CDU/CSU bzw. ÖVP), die andere links (SPD bzw. SPÖ) der politischen Mitte steht, gab es bis dahin nur je eine relevante, aber deutlich kleinere Partei – die sich jedoch zwischen beiden Ländern sowohl ideologisch als auch machtperspektivisch klar unterschieden: In Deutschland war die liberale, ideologisch zwischen Union und SPD angesiedelte FDP von allen Parteien im Untersuchungszeitraum insgesamt am längsten an Bundesregierungen beteiligt (1949-56; 1961-66; 1969-98). In Österreich dagegen befand sich die ideologisch rechts der ÖVP stehende, deutschnationale, antiklerikale und antisozialistische FPÖ fast durchgängig in der Opposition. An kleinen Koalitionen beteiligt war sie nur von 1983 bis 1986 mit der SPÖ und von 2000 bis 2006 mit der ÖVP (Jesse 2002: 66-68; Pelinka/Rosenberger 2003: 144-147; Plasser/Ulram 2006a: 355, 360). Ihre Wahlerfolge allerdings sind seit ihrer verstärkt rechtspopulistischen Ausrichtung Mitte der 1980er Jahre deutlich größer als die der deutschen FDP. Zum Teil reichten ihre Stimmanteile schon an die der Großparteien heran, und 1999 überrundete die FPÖ sogar die ÖVP hauchdünn (Schedler 1995: 31; Pelinka 2003: 536). Seit den 1980er Jahren hat sich in beiden Ländern der Parteienwettbewerb verstärkt, ein Ergebnis der sich auflösenden Parteibindungen. Davon betroffen waren und sind vor allem die (ehemaligen) Großparteien. 46 Allerdings wurde 43 Um von einem Parteiensystem sprechen zu können, muss es in einem politischen System mindestens zwei Parteien geben. Damit ist das in der Literatur zu findende „Einparteiensystem“ ein Widerspruch in sich. Die Parteien können als voneinander unabhängige Konkurrenten im Wettbewerb stehen (kompetitives Parteiensystem), zwischen ihnen kann aber auch eine Über- bzw. Unterordnungsbeziehung bestehen (nichtkompetitives Parteiensystem) (Jesse 2002: 60; Niedermayer 2007a: 114-115). 44 Eine zweite Richtung der politikwissenschaftlichen Analyse von Parteien, die Parteienforschung, befasst sich mit den einzelnen Parteien und ihren Interna (z. B. innerparteilichen Strukturen, politischer Führung, Mitgliedern und Wählern). Dieser Bereich wird hier ausgeklammert, da die mediale politische Berichterstattung vor allem von den Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Parteien geprägt sein dürfte. Zur historischen Entwicklung der einzelnen deutschen Parteien siehe z. B. Decker/Neu (2007), zu den österreichischen Parteien z. B. Dachs et al. (2006: 322-411). 45 Auf Deutschland trifft das allerdings erst ab etwa Mitte der 1950er Jahre zu. 46 Die Schwäche der deutschen Großparteien war aber nicht nur durch längerfristige Strukturprobleme, sondern auch durch strategische Fehler und innerparteiliche Probleme be-

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bisher nicht die gesamte Parteiensystemstruktur transformiert, sondern nur moderat pluralisiert. Das heißt, die innere Vielfalt der Systeme, die sich an Anzahl, Größenverhältnissen und inhaltlichen Positionen der relevanten Parteien bemisst, wuchs zunächst durch je eine vierte, ideologisch linke Partei (Niedermayer 2006: 117): Die Grünen schafften in Deutschland 1983, in Österreich 1986 den Sprung ins nationale Parlament. Damit war die Pluralisierung in beiden Ländern aber nicht abgeschlossen. Das deutsche Parteiensystem pluralisierte sich infolge der Wiedervereinigung weiter, die PDS (ab 2005: Die Linke) als Nachfolgepartei der ostdeutschen SED wurde zunächst allerdings nicht als koalitionsfähig betrachtet (Niedermayer 2006: 119). Wichtige Veränderungen des österreichischen Parteiensystems gab es durch die zunehmenden Wahlerfolge der FPÖ und zwei neue, von ihr abgespaltene Parteien: Das Liberale Forum (LIF) entstand aus Protest gegen den Rechtspopulismus der FPÖ, wurde 1993 die fünfte Parlamentspartei, scheiterte 1999 aber an der Vier-Prozent-Hürde. Das seit 2005 im Nationalrat vertretene Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) wurde aufgrund innerparteilicher Differenzen gegründet, steht der FPÖ aber ideologisch immer noch sehr nahe (Pelinka 2003: 536). Zahlenmäßig und zumindest teilweise auch ideologisch setzt sich das Parteienspektrum also in beiden Ländern recht ähnlich zusammen. Die Intensität des Parteienwettbewerbs hat infolge der beschriebenen gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse in den vergangenen Dekaden in sämtlichen westeuropäischen Demokratien zugenommen (Winkler 2006: 198; Mair/Müller/Plasser 1999). Beschreiben lässt sich der Wandel der Parteiensysteme anhand verschiedener quantifizierbarer Kriterien zum Format (Anzahl der Parteien) und zum Polarisierungsgrad (Poguntke 2003: 202).47 Beide werden im Folgenden betrachtet, erstere anhand von Fragmentierung, Asymmetrie und Volatilität (operationalisiert über die Sitzverteilung im Parlament), letztere anhand der politisch-ideologischen Distanz zwischen den Parteien (Niedermayer 1996: 22; Schmidt 1995: 704; Bendel 2001: 358). gründet, z. B. die Entscheidung der Union für den polarisierenden Kanzlerkandidaten Franz-Josef Strauß (1980) und die sich verschärfenden innerparteilichen Spannungen in der SPD zu Beginn der 1980er Jahre (Niedermayer 2006: 117-118). 47 In der Parteiensystemforschung ist umstritten, auf welche Kriterien sich Parteiensystemanalysen und -vergleiche stützen und wie sie theoretisch konzeptionalisiert werden sollten. Je nach Indikatoren und Erklärungsansätzen fallen die Diagnosen über das Ausmaß von Stabilität und Wandel von Parteiensystemen sehr unterschiedlich aus (Niedermayer 1996: 19-20); Mair 1996: 83). Fragmentierung und Asymmetrie können auf Basis des Wahlerfolgs (elektorale Ebene) oder der Sitzverteilung im Parlament (parlamentarische Ebene) bestimmt werden. Die parlamentarischere Ebene ist die eindeutige, weil umstritten ist, ab welchem Stimmenanteil Parteien auf der elektoralen Ebene in die Analyse einzubeziehen sind (Niedermayer 2007a: 115-116). Daher basieren die folgenden Darstellungen auf der Sitzverteilung – zumal die aktuelle politische Berichterstattung vor allem auf die Parlamentsparteien fokussiert. Für das deutsche Parteiensystem werden CDU und CSU gemeinsam als „Union“ betrachtet.

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4.1.3.1 Fragmentierung Die Fragmentierung bzw. der Zersplitterungsgrad des Parteiensystems untersucht Anzahl und Größenrelationen der Parteien. Der verbreitetste Index dafür ist die effektive Anzahl der Parteien, zu deren Berechnung 1 durch die Summe der quadrierten Mandatsanteile aller Parteien geteilt wird. Bei ausgeglichenen Mehrheitsverhältnissen, wenn also auf alle Parteien derselbe Stimmenanteil entfällt, entspricht die effektive der tatsächlichen Parteienzahl. Je ungleicher das Machtverhältnis ist, desto geringer ist die effektive im Vergleich zur tatsächlichen Parteienzahl – bis hin zu einem Indexwert von 1 bei völliger Dominanz einer einzigen Partei (Laakso/Taagepera 1979; Winkler 2006: 192; Niedermayer 1996: 22-24). Im internationalen Vergleich sind sowohl das deutsche als auch das österreichische Parteiensystem gering fragmentiert. Abbildung 6 veranschaulicht die Entwicklung der Fragmentierung in beiden Ländern. Der hohe Indexwert 1949 in Deutschland ist darauf zurückzuführen, dass in diesem Jahr 12 Parteien in den Bundestag einzogen, bedingt dadurch, dass Parteien damals noch nur in einem Bundesland die Fünf-Prozent-Hürde überspringen mussten, um in den Bundestag einzuziehen. Bundesweit über fünf Prozent waren dafür erst ab 1953 Bedingung.48 Bis Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich die Fragmentierung beider Parteiensysteme ähnlich, in Deutschland war sie etwas stärker ausgeprägt aufgrund der im Vergleich zur FPÖ stimmenstärkeren FDP. Mit dem Einzug der Grünen als vierte Partei 1983 in den Bundestag und 1986 in den Nationalrat stieg jeweils der Zersplitterungsgrad. In Deutschland blieb er in den 1990er Jahren auf diesem Niveau weitgehend stabil und nahm erst mit dem Erstarken der Linken, die 2005 drittstärkste Kraft wurde, weiter zu auf ihren Höchstwert (Jesse 2002: 71; Niedermayer 2006: 113; Rudzio 2006: 116). Die Fragmentierung des österreichischen Parteiensystems stieg dagegen schon in den 1990er Jahren weiter an und erreichte ihr Maximum 1994. Bedingt ist das durch das LIF als fünfte Nationalratspartei und durch die großen Wahlerfolge der FPÖ, welche die Dominanz von SPÖ und ÖVP nachhaltig schwächten. Nachdem es 1999 durch den Erfolg der FPÖ drei fast gleich starke Parteien gegeben hatte, konzentrierte sich das Parteiensystem durch das erneute Erstarken der ÖVP auf Kosten der FPÖ 2002 wieder stärker. Der folgende Anstieg der Fragmentierung 2006 ist begründet durch das BZÖ als fünfte Parlamentspartei (das LIF war 1999 ausgeschieden) und einen starken Stimmenverlust von ÖVP und SPÖ. Am Ende des Untersuchungszeitraums waren beide Parteiensysteme etwa gleich stark und weitaus stärker als bis zu den 1980er Jahren fragmentiert.

48 So betrachtet kann die erste Bundestagswahl 1949 „ebenso sehr als letzte Weimarer wie als erste bundesrepublikanische Wahl“ (Falter 1981: 260) bezeichnet werden.

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Diesen Dekonzentrationsprozess in den letzten 20 Jahren belegt auch der sinkende gemeinsame Mandatsanteil der Großparteien: Union und SPD vereinten von 1953 bis 1983 einen gemeinsamen Stimmenanteil von mindestens 87 Prozent auf sich, ÖVP und SPÖ von 1956 bis 1983 sogar über 90 Prozent. Ab 1987 sank dieser Anteil in Deutschland auf 80 bis 85 Prozent, 2005 sogar unter 75 Prozent. Noch deutlicher dekonzentrierte sich das österreichische Parteiensystem: ÖVP und SPÖ kamen 1986 zusammen auf 86 Prozent der Nationalratsmandate, ab 1990 fast kontinuierlich nur noch auf unter 80 Prozent und zwischen 1994 und 1999 sogar auf unter 70 Prozent. Die Erosion der Großparteien ist somit in Österreich weiter vorangeschritten (Kéri 1997: 86-87). Abbildung 6: Effektive Anzahl der Parteien in Deutschland und Österreich

Quelle: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen.

4.1.3.2 Asymmetrie Während die Fragmentierung des Parteiensystems die Größenrelationen sämtlicher Parteien beschreibt, bezieht sich die Asymmetrie auf die Größenrelationen zwischen den zwei größten Parteien. Für die Inhaltsanalyse, die ihren Schwerpunkt auf die Spitzen- bzw. Kanzlerkandidaten dieser Parteien legt, ist das besonders relevant. Parteiendemokratien beruhen auf dem Prinzip potenziell wechselnder Parteienregierungen, was eine prinzipielle Chancengleichheit zum Machtgewinn voraussetzt. Selbige ist in Gefahr, wenn eine Partei im Wettbewerb um die Macht längerfristig klar im Vorteil ist (strukturelle Asymmetrie) (Niedermayer 2007: 117). Gemessen wird die Asymmetrie anhand der Differenz der Mandatsanteile der beiden Großparteien. Sie kann Werte zwischen -100 und 69

+100 annehmen, wobei Werte größer Null für die Dominanz der einen (hier: der konservativen) Partei, Werte kleiner Null für die Dominanz der anderen (hier: der sozialdemokratischen) Partei stehen. Je mehr Parlamentssitze die beiden Parteien trennen, desto asymmetrischer ist das Parteiensystem (Niedermayer 1996: 22; 25). Abbildung 7 zufolge entwickelte sich die Asymmetrie bis Mitte der 1960er Jahre in beiden Ländern unterschiedlich, wobei jeweils die konservative Partei dominierte, in Deutschland aber viel stärker als in Österreich. Die regierende CDU/CSU konnte den gesellschaftlichen Wandel und das Wirtschaftswunder stärker für sich nutzen als die SPD und absorbierte zudem das bürgerlich-konservative Parteienspektrum weitgehend (Niedermayer 2006: 113; Rudzio 2006: 116). In der Konkordanzdemokratie Österreich dagegen herrschte ein weitgehendes Gleichgewicht der Kräfte, das erst durch die absolute Mehrheit der ÖVP 1966 ihr Ende fand. Ab Mitte der 1960er Jahre ähnelte sich das Ausmaß der Asymmetrie in beiden Ländern, nur die dominante Partei unterschied sich: In Deutschland hatte die Union bis 1998 einen (meist deutlichen) Vorsprung vor der SPD (Lees 2006), während in Österreich ab 1970 durchgehend die SPÖ vorn lag (einzige Ausnahme: 2002-2005). Absolut betrachtet betrug der Abstand zwischen den Großparteien in Deutschland zwischen 0,5 (2002) und 19,1 Prozent (1957) der Parlamentssitze, in Österreich zwischen 0,6 (1953 und 1959) und 10,9 Prozent (1990). Abbildung 7: Asymmetrie der Parteiensysteme in Deutschland und Österreich

Quelle: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen.

Allerdings entwickelte sich die Asymmetrie nicht linear, sondern schwankend, denn immer wieder waren in beiden Ländern die Größenverhältnisse fast ausge70

glichen. So ging in Deutschland die Dominanz der Union ab 1957 kontinuierlich zurück bis 1972, als ausnahmsweise die SPD knapp vorn lag. Gründe dafür waren ihre geänderten wirtschaftspolitischen Positionen, die sie für die Mittelschicht wählbar machten, die Reformpolitik der sozialliberalen Koalition und kurzfristige Einflussfaktoren – der Kanzlerkandidat Brandt und die thematische Ausrichtung des Wahlkampfs 1972 auf die neue Ostpolitik (Niedermayer 2006: 115; Kapitel 4.4.1). Von 1976 bis 1998 dominierte dann aber wieder die CDU/CSU (Jesse 2002: 73). Seit 2002 trennen die beiden Parteien jeweils nur noch wenige Mandate, was auf die dauerhafte Auflösung struktureller Asymmetrien im deutschen Parteiensystem hindeutet (Niedermayer 2006: 122). In Österreich konnte die SPÖ aufgrund ihrer Dominanz ab 1970 unter Kreisky bis 1983 allein regieren. Auch während der großen Koalitionen in den 1980er und 1990er Jahren hatte sie noch (meist deutlich) mehr Mandate als die ÖVP. Lediglich von 1986 bis 1990 war das Größenverhältnis weitgehend ausgeglichen, was zur Bildung der zweiten großen Koalition führte. Erst 1999 überrundete die ÖVP die SPÖ. 2006 war auch hier wieder eine Pattsituation erreicht.

4.1.3.3 Volatilität Fragmentierung und Asymmetrie erfassen den Status von Parteiensystemen zu jeweils festgelegten Zeitpunkten, nämlich den Wahlen. Aussagen über Entwicklungstendenzen lassen sie nur mittels Vergleichen zwischen je zwei dieser Systemzustände zu. Dagegen beschreibt die Volatilität des Parteiensystems den Wandel selbst. Sie misst die Veränderungen der Größenrelationen zwischen den Parteien durch geändertes Wahlverhalten dynamisch. Zugrunde liegt dabei der „Nettosaldo an Stimmenverschiebungen“ (Schedler 1995: 21). Der PedersenIndex (Pedersen 1979) gibt den kumulierten Stimmengewinn aller erfolgreichen Parteien in Prozentpunkten wieder. Die Absolutbeträge der prozentualen Gewinne bzw. Verluste aller Parteien zwischen zwei aufeinanderfolgenden Wahlen werden dazu addiert und anschließend halbiert, um Gewinne der einen und gleichzeitige Verluste der anderen Partei nicht doppelt zu zählen. Der Wertebereich reicht von 0 bis 100 (Niedermayer 1996: 22-26; Schedler 1995: 21). Berücksichtigt werden im Folgenden alle Parteien, die bei der jeweiligen Wahl mindestens 1 Prozent der Stimmen erhielten.49 Abbildung 8 zeigt, dass sich die Volatilität des deutschen und des österreichischen Parteiensystems langfristig ähnlich entwickelt hat. Im internationalen Vergleich ist sie relativ gering, nahm aber im Zeitverlauf jeweils zu (Plasser/Ulram 2006a: 353; Schedler 1995: 21; Dalton et al. 2002: 41). Dass sie in Deutschland bei den ersten drei Bundestagswahlen relativ stark schwankte, lag an 49 Zu der Frage, ab welchem Stimmenanteil Parteien in die Analyse einbezogen werden (sollten), siehe Niedermayer (1996; 2007a), zur zunehmenden Volatilität auf der Individualebene siehe Kapitel 4.1.2.3.

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der sich erst allmählich reduzierenden Anzahl der Parlamentsparteien (Jesse 2002: 72). Ab 1965 blieb der Indexwert auf einem relativ niedrigen Niveau von etwa 4 weitgehend konstant, das heißt in diesem Zeitraum vereinigten alle erfolgreichen Parteien einen gemeinsamen Stimmengewinn von rund 4 Prozentpunkten auf sich. Mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 stieg die Volatilität auf 8,4 Punkte an und stabilisierte sich ab 1987 weitgehend bei rund 7 Punkten. Der erneute Anstieg auf 8,2 Punkte 2005 erklärt sich durch das Erstarken der Linken. In Österreich belief sich der gemeinsame Stimmengewinn aller erfolgreichen Parteien bis 1983 fast durchgängig auf unter 4 Prozentpunkte, phasenweise sogar unter 2 Punkte. Nur 1956, 1966 und 1970 überschritt er 5 Prozentpunkte. Darin kommt die enorme Stabilität des österreichischen Parteiensystems in der Konkordanzdemokratie zum Ausdruck: Bedingt durch die Spaltung der Gesellschaft in die zwei ideologischen Lager hielten sich die Wählerwanderungen zwischen den Parteien in engen Grenzen. Die 1970er Jahre gelten daher als Phase der „Hyperstabilität“ (Schedler 1995: 21), in diesem Jahrzehnt war die Volatilität in Österreich eine der niedrigsten weltweit (Pedersen 1983; Haerpfer 1987: 179). Erst die Grünen ließen das Parteiensystem in den 1980er Jahren volatiler werden. Seitdem schwankte der Index von Wahl zu Wahl stark und erreichte sein Maximum 2002, als die ÖVP starke Stimmengewinne verzeichnete, während die FPÖ in der Wählergunst abstürzte. Abbildung 8: Volatilität der Parteiensysteme in Deutschland und Österreich

Quelle: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen. Pedersen-Index: Kumulierter Stimmengewinn aller erfolgreichen Parteien in Prozent.

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Fraglich ist, ob die zunehmenden Wählerwanderungen nur innerhalb desselben ideologischen Segments (z. B. von der SPD zu den Grünen) oder auch zwischen den Segmenten (z. B. von der SPD zur CDU/CSU) stattgefunden haben. Letzteres würde auf eine Erosion der gesellschaftlichen Lager hindeuten. Aussagen darüber ermöglicht die Links-Rechts-Volatilität, die Wählerwanderung zwischen den ideologischen Segmenten (Schedler 1995: 22). In Deutschland war sie mit unter 4 Prozent fast durchgehend sehr niedrig. In Österreich dagegen entwickelte sie sich weitgehend entsprechend der Volatilität des gesamten Parteiensystems. Die erhöhten Stimmenverschiebungen in Österreich ab den 1980er Jahre verweisen also auf eine Erosion der Lager, zusammenhängend mit dem Ende der Konkordanzdemokratie (Abbildung A1 im Anhang).

4.1.3.4 Polarisierung Die drei bisher betrachteten Kriterien beschreiben den zunehmenden Wettbewerb zwischen den Parteien auf Basis der Wahlergebnisse und dürften ihre Entsprechung in einer steigenden Wettbewerbs- und Konfliktorientierung der Wahlkampfberichterstattung finden. Daneben ist die Intensität des Parteienwettbewerbs durch politisch-ideologische Unterschiede zwischen den Parteien bestimmt, die vor allem auf die Berichterstattungsthemen einen Einfluss haben sollten. Gemessen werden kann die inhaltliche Dimension des Parteienwettbewerbs anhand der Polarisierung, das heißt den politisch-ideologischen Entfernungsbeziehungen zwischen den Parteien (Bendel 2001: 358; Schmidt 1995: 704). Meist werden die Parteien dazu – basierend auf Literatur- und Dokumentenanalysen, Expertenurteilen oder Bevölkerungsbefragungen – auf der Links-RechtsDimension verortet, die sich auf die gesellschaftliche Konfliktlinie (cleavage) Arbeit vs. Kapital bezieht (Niedermayer 1996: 26-27).50 Grundlage der folgenden Betrachtungen sind die Analysen von Wahlprogrammen im Party-Manifesto-Projekt. Es misst in einer Langzeitperspektive (1949 bis 2002), wie weit die Positionen der einzelnen Parteien zu bestimmten politischen Fragen ideologisch von der politischen Mitte abweichen, und verortet sie so entlang der Links-Rechts-Dimension (Budge et al. 2001; Klingemann et al. 2006). Mithilfe der dort bestimmten ideologischen Distanzen zwischen den Parteien lässt sich der Grad der Polarisierung des deutschen und österreichischen Parteiensystems berechnen. Dazu werden die ideologischen Positionen aller Parteien mit ihrem Wahlerfolg gewichtet und daraus die Standardabweichung (das heißt, die Abweichung von der empirischen Mitte) berechnet. Je höher die Standardabweichung, desto stärker ist das Parteiensystem polarisiert. 50 Kritiker wenden dagegen ein, dass sich Gesellschaften meist nicht nur durch eine, sondern durch mehrere Konfliktdimensionen charakterisieren lassen. Befürworter der LinksRechts-Dimension sind dagegen der Ansicht, dass die sozio-ökonomische Konfliktlinie, die dieser Dimension zugrunde liegt, die weitaus wichtigste sei und dass der Parteienwettbewerb primär auf dieser Ebene stattfinde (Niedermayer 1996: 26).

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Im internationalen Vergleich sind beide Parteiensysteme insgesamt gering polarisiert, bedingt u. a. durch die „Abwesenheit von einflussreichen linken und rechten systemoppositionellen Parteien“ (Niedermayer 2002: 108). In Abbildung 9 sind dennoch Unterschiede zwischen beiden Ländern erkennbar: Bis zu den 1970er Jahren schwankte besonders der Polarisierungsgrad des deutschen Parteiensystems stark. 1949 und 1953 lag das an der relativ großen Zahl an Parlamentsparteien mit teilweise extremen Positionen (Niedermayer 2006: 113), während der insgesamt höchste Indexwert von 29,7 im Jahr 1957 vor allem durch ideologische Distanzen zwischen Union und SPD bedingt war. Schon 1961 waren beide Großparteien dann aber deutlich gemäßigter, die Polarisierung sank – bei der SPD begründet durch einen programmatischen und stilistischen Wandel im Godesberger Grundsatzprogramm (1959) hin zu einer Volkspartei (Rudzio 2006: 120; Jesse 2002: 66; Niedermayer 2006: 115). Ab 1972 stabilisierte sich der Indexwert weitgehend zwischen 15 und 20. Die Grünen verstärkten die Polarisierung des Parteiensystems 1983 nur vorübergehend, die PDS hingegen ab 1994 dauerhaft, soweit das bisher zu beurteilen ist. Gering waren die ideologischen Distanzen bei der „Vereinigungswahl“ 1990, als die Parteien ein großes gemeinsames Ziel hatten. Abbildung 9: Polarisierung der Parteiensysteme in Deutschland und Österreich

Quelle: Budge et al. (2001); Klingemann et al. (2006). Eigene Berechnungen.

Das österreichische Parteiensystem war vor allem in den ersten Wahlkämpfen bis 1959 stark polarisiert, als es zwischen ÖVP und SPÖ scharfe Auseinandersetzungen um die künftige Wirtschaftsordnung gab (Kapitel 4.4.2), allerdings mit

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geringeren Schwankungen als in Deutschland. Nach einem vorübergehenden Absinken in den 1960er Jahren stieg der Indexwert 1970 wieder an. Offensichtlich arbeiteten die Parteien ihre ideologischen Distanzen nach dem Ende der großen Koalition und während der ÖVP-Alleinregierung (1966-70) stärker heraus. In der darauffolgenden Zeit der SPÖ-Alleinregierungen (1970-83) sank die Polarisierung des Parteiensystems immer weiter, der insgesamt niedrigste Polarisierungsgrad wurde 1979 erreicht. Zurückzuführen ist das maßgeblich auf die wachsende ideologische Konvergenz zwischen den Großparteien, die in den 1970er Jahren bereits weiter vorangeschritten war als in Deutschland (Thomas 1980). Erst vor der Wahl 1983, die zum Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ und zur Bildung einer Koalition zwischen SPÖ und FPÖ führte, stieg die Polarisierung des österreichischen Parteiensystems wieder. Grund dafür war hauptsächlich, dass sich die SPÖ – möglicherweise um mit Blick auf ihre schwindende Macht ihre klassischen Zielgruppen zu mobilisieren – ideologisch wieder stärker links positionierte als bei den vorangegangenen Wahlen, während sich gleichzeitig die FPÖ weiter rechts verortete. Ab 1986 schwankte die Polarisierung wiederum stark zwischen den Indexwerten 10 und 20. Insgesamt hat also die Polarisierung beider Parteiensysteme nicht linear zu- oder abgenommen, sondern war im Lauf der Jahrzehnte relativ starken Schwankungen unterworfen. Fasst man alle vier Dimensionen des Parteiensystems zusammen, kann deren Entwicklung in beiden Ländern grob in drei ähnliche Phasen unterteilt werden: (1) Auf die Neuformierung in der Nachkriegszeit folgte in den 1950er Jahren zunächst (2) eine Konsolidierungsphase (in Österreich: Hyperstabilität), in der sich die Zweieinhalb-Parteiensysteme herausbildeten. (3) In den 1980er Jahren setzte durch neue – bzw. im Fall der FPÖ neu formierte – Parteien eine Pluralisierung ein, in deren Verlauf die (ehemaligen) Großparteien zunehmend an Dominanz einbüßten. Der nächste Pluralisierungsschub folgte in den 1990er Jahren durch weitere neue Parteien, in Deutschland infolge der Wiedervereinigung, in Österreich durch die Abspaltungen von der FPÖ. Die Rahmenbedingungen des Parteienwettbewerbs haben sich damit in beiden Ländern langfristig fundamental verändert (Rudzio 2006: 111-126; Jesse 2002; Niedermayer 2006; Plasser/Ulram 2006a: 355, 552).

4.1.4 Zwischenfazit Tabelle 2 fasst die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den politischen Systemen Deutschlands und Österreichs im Überblick zusammen. Auffällig ist vor allem eine Differenz: Österreich galt im Unterschied zu Deutschland lange Zeit als Konkordanzdemokratie in Reinform. Die gesellschaftliche Spaltung Österreichs in zwei Lager schwächte sich im Zeitverlauf allerdings zunehmend ab, was u. a. in einem sinkenden Anteil konsensual verabschiedeter Gesetze zum Ausdruck kommt. Auf den Wählermärkten und – im Zusammenhang 75

damit – in den Parteiensystemen gibt es zwischen beiden Ländern hingegen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Subsummieren lassen sie sich unter der Erkenntnis, dass der Kampf der Parteien um Wählerstimmen aufgrund gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse und einer damit in Verbindung stehenden Verbreiterung der Parteienspektren härter geworden ist, insbesondere seit den 1980er Jahren. Tabelle 2: Die politischen Systeme Deutschlands und Österreichs im Überblick Vergleichskriterium I. Elitenverhalten Demokratietyp

Konflikt/Kooperation bei Gesetzgebung II. Wählermärkte Wahlbeteiligung Parteimitgliedschaft

Parteiidentifikation III. Parteiensysteme Fragmentierung, Volatilität Asymmetrie

Polarisierung

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Deutschland

Österreich

Mischform zwischen Konkurrenz- und Konkordanzdemokratie

Konkordanzdemokratie, aber nachlassende konkordanzdemokratische Färbung, vor allem ab den 1980er Jahren Kompromissorientierung beKompromissorientiertes Verdingt vor allem durch instituhalten der politischen Eliten tionelle Zwänge mit dem Ziel, gesellschaftliche Spaltungen zu verhindern Häufigste Regierungsform: Häufigste Regierungsform: Kleine Koalition Große Koalition Rückgang konsensual verabschiedeter Gesetze in den 1970er Jahren trotz gleichbleibender Rahmenbedingungen Im internationalen Vergleich Im internationalen Vergleich hoch, aber moderat sinkende sehr hoch, aber relativ stark Tendenz sinkende Tendenz Wenig verbreitet, bis Mitte der Sehr weit verbreitet, aber sin1980er Jahre zunehmender kender Anteil an WahlbevölAnteil an Wahlbevölkerung, kerung und sinkende Zahl ab danach Verringerung von AnMitte der 1980er Jahre teil und Zahl der Parteimitglieder Deutliches Absinken im Zeitverlauf, in der Folge Zunahme von Wechselwählern, Spätentscheidern und Stimmensplitting (vor allem ab Mitte der 1980er Jahre) Verstärkung ab Mitte der 1980er Jahre Weitgehende Dominanz der Union über die SPD, aber immer wieder auch Phasen annähernden Gleichgewichts Bis Mitte der 1970er Jahre stark schwankend, dann Stabilisierung auf gemäßigtem Niveau

Weitgehende Dominanz der SPÖ über die ÖVP, aber immer wieder auch Phasen annähernden Gleichgewichts Wechselhafter Verlauf, keine langfristigen Trends erkennbar

Zwar sind die (vor allem organisatorischen) Parteibindungen in Österreich immer noch stärker, die Konkordanzdemokratie wirkt also noch nach. Dennoch lösen sich hier wie auch in Deutschland die klassischen Wählermilieus der traditionellen Parteien immer stärker auf, und die Parteien müssen immer aktiver um Wählerstimmen werben. Die Auswirkungen auf ihre Wahlkampfführung und folglich auf die mediale Berichterstattung darüber – z. B. steigende Personalisierung und zunehmender Negativismus – wurden bereits diskutiert. Inwiefern das auch in den Elitetageszeitungen Niederschlag findet, ist in der Inhaltsanalyse zu überprüfen.

4.2 Mediensysteme Nachdem im vorangegangenen Kapitel mögliche strukturelle Determinanten der Wahlkampfberichterstattung in den politischen Systemen identifiziert wurden, wendet sich das folgende ebensolchen in den Mediensystemen zu. Obwohl schon früh erkannt wurde, dass beide Systeme eng miteinander zusammenhängen, fehlt bislang eine Makro-Theorie zur Beschreibung von Mediensystemen, die länderspezifische Unterschiede erklären kann (Blum 2005). Verschiedene Modelle versuchen die Abhängigkeiten zwischen beiden zu beschrieben und zu erklären. Aus einem davon, der Typologie westlicher Mediensysteme von Hallin und Mancini (2004), bezieht der folgende Vergleich der Mediensysteme Deutschlands und Österreichs seine Kriterien. Ziel ist wiederum, Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung der Tageszeitungen zu bestimmen, um später in der Inhaltsanalyse Strukturen und Inhalte systematisch in Bezug zueinander setzen zu können. Betrachtet werden dazu die Pressepolitik, die Entwicklung der Tageszeitungsmärkte, der politische Parallelismus zwischen politischen Systemen und Mediensystemen und die Rolle und Verbreitung des Fernsehens. Da sich die Inhaltsanalyse mit Tageszeitungen beschäftigt, beschränkt sich der Vergleich weitgehend auf die Pressesysteme Deutschlands und Österreichs.

4.2.1 Mediensysteme im Vergleich Die Typologie nationaler Mediensysteme von Hallin und Mancini (2004) basiert auf einem sekundäranalytischen Vergleich empirischer Daten zur Medienentwicklung und -realität in 18 westeuropäischen und nordamerikanischen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich. Verschiedene Variablen der Medienund politischen Systeme werden zu vier medialen und fünf politischen Dimensionen verdichtet und zueinander in Beziehung gesetzt (Thomaß 2007: 34-35). Daraus ergeben sich drei Mediensystemtypen: Das liberale (nordatlantische) Modell, das demokratisch-korporatistische (nord- und mitteleuropäische) Modell, dem Deutschland und Österreich zugeordnet werden, und das polarisiert-pluralistische (mediterrane) Modell. Deren Bezeichnungen leiten sich einerseits aus den zentralen Charakteristika des jeweiligen politischen Systems, andererseits von der geografischen Region ab, in der das jeweilige Modell vorherrscht (Seetha77

ler/Melischek 2007: 112).51 Allerdings handelt es sich dabei um Idealtypen, die so in der Realität nicht vorkommen. Das heißt, auch innerhalb der drei Modelle gibt es empirische Varianz zwischen den Ländern. Die Mediensysteme werden anhand von vier Dimensionen verglichen: Zeitungsindustrie (vor allem Entwicklung der Massenpresse): Entscheidend sind historische Prozesse wie die Alphabetisierung und die Herausbildung der Massenpresse, aber auch die heutige Gestalt der Presse und ihre Rolle im Vergleich zu anderen Mediengattungen (Kapitel 4.2.3). Politischer Parallelismus zwischen politischen Parteien und Medien: Gemeint ist in Anlehnung an Seymour-Ure (1974) das Ausmaß, in dem das Mediensystem die politischen Konfliktlinien einer Gesellschaft reflektiert, z. B. durch organisatorische Beziehungen zwischen Medien und Parteien, die politische Betätigung von Medienvertretern oder die Parteilichkeit der Rezipienten (Kapitel 4.2.4). Eng damit verbunden ist die Frage, ob Meinungsvielfalt bzw. die Berücksichtigung unterschiedlicher politischer Orientierungen im Mediensystem binnenpluralistisch (innerhalb jedes einzelnen Mediums) oder außenpluralistisch (mittels einer Vielzahl unterschiedlich ausgerichteter Medien) realisiert wird. In binnenpluralistischen Systemen ist der politische Parallelismus schwach, in außenpluralistischen Systemen stark ausgeprägt. Journalistische Professionalisierung: Kriterien dafür sind die Autonomie der Journalisten bzw. ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Einfluss von Dritten, gemeinsame professionelle Normen (z. B. Ethik-Kodizes, Nachrichtenwerte) und die Orientierung an einer öffentlichen Aufgabe. Damit verbunden ist der Grad der politischen Instrumentalisierung: Je professionalisierter der Journalismus, desto weniger sind Medien in Gefahr, von politischen Akteuren für deren Zwecke instrumentalisiert zu werden. Demgegenüber steht aber eine wachsende Kopplung an die Marktlogik und folglich ein steigendes Instrumentalisierungspotenzial durch ökonomische Akteure (Kapitel 3.1.3 und 3.1.4). Aufgrund der fehlenden Formalisierung und Standardisierung der journalistischen Ausbildung ist der Grad der Professionalisierung schwer zu bestimmen. Sie wird in der vorliegenden Studie als Teil der journalistischen Systeme in Kapitel 4.3 behandelt. Rolle des Staates in Bezug auf die Medien: Die staatliche Kontrolle über Medien ist in westlichen Demokratien beim Rundfunk (insbesondere dem öffentlichrechtlichen) deutlich stärker ausgeprägt als bei der Presse. Möglichkeiten staatlicher Interventionen auf dem Pressemarkt sind z. B. die Regulierung der Pressekonzentration, staatliche Presseförderung (Kapitel 4.2.2) und gesetzliche Regelungen der journalistischen Arbeit (z. B. Redaktionsgeheimnis, Zeugnisverweigerungsrecht). Andere Kontrollformen wie etwa staatliches Eigentum an Medi51 Die klar abgegrenzte geografische Verteilung der Modelle kristallisierte sich bei Hallin und Mancini (2004) erst im Ergebnis heraus, kommt aber nicht zufällig zustande: Oft entwickeln sich Mediensysteme in derselben geografischen Region ähnlich, weil ihnen verwandte Mentalitäten und Kulturen zugrunde liegen und sie sich wechselseitig beeinflussen (Blum 2005).

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enunternehmen spielen heute dagegen meist keine große Rolle mehr (Hallin/ Mancini 2004: 22-44). Für die vorliegende Studie relevant ist nur das demokratisch-korporatistische Modell – wobei der Korporatismus bezogen auf das Mediensystem primär im Rundfunkbereich eine Rolle spielt. Die meisten diesem Modell zugeordneten Länder wurden früh demokratisiert, wenngleich der Demokratisierungsprozess zum Teil unterbrochen wurde. Deutschland und Österreich stellen hier Ausnahmen dar. Die politischen Systeme dieses Modells zeichnen sich aus durch gemäßigte Konfliktlinien, Konsensorientierung, einen ausgeprägten Staatsinterventionismus in Form starker Wohlfahrtsstaaten, organisierten Pluralismus und eine starke rational-legale Legitimierung (Seethaler/Melischek 2006: 339). (1) Zeitungsindustrie: In den demokratisch-korporatistischen Mediensystemen verbreitete sich früh eine heute noch auflagenstarke Massenpresse, bedingt durch die sehr frühe Entwicklung kapitalistischer Marktverhältnisse, durch den Alphabetisierungsschub infolge der Reformation und durch relativ liberal eingestellte politische Institutionen. (2) Politischer Parallelismus: Er war früher stark ausgeprägt, ist im 20. Jahrhundert aber rückläufig. (3) Professionalisierung: Der Journalismus ist stark professionalisiert und der öffentlich-rechtliche Rundfunk, in den die gesellschaftlich relevanten Gruppen eingebunden sind, hat eine starke Position. (4) Rolle des Staates: Der Staat interveniert auf dem Medienmarkt relativ stark, z. B. durch Pressesubventionen oder strenge Auflagen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ist dabei aber stets auf die Wahrung der Pressefreiheit bedacht (Hallin/Mancini 2004: 143-197; Udris/Lucht 2009: 19). Die demokratisch-korporatistischen Mediensysteme weisen drei historisch gewachsene Koexistenzen auf, die es in den beiden anderen Modellen allenfalls vorübergehend gab und die aus deren Sicht miteinander unvereinbar scheinen: Die Koexistenz einer Massenpresse auf der einen Seite und politischem Parallelismus auf der anderen Seite, das Nebeneinander eines hohen journalistischen Professionalisierungsgrades einerseits und des politischen Parallelismus andererseits und die Koexistenz einer starken Rolle des Staates und dessen gleichzeitiger Limitierung, z. B. durch liberale Traditionen der Pressefreiheit (Hallin/Mancini 2004: 195-196; Seethaler/Melischek 2007: 114-116). Dem folgenden Vergleich des deutschen und österreichischen Mediensystems liegen die Vergleichskriterien von Hallin und Mancini (2004) zugrunde: Die Rolle des Staates in Bezug auf die Medien in Form der Medien- bzw. Pressepolitik, die Zeitungsindustrie bzw. die Entwicklung der Tageszeitungsmärkte und der politische Parallelismus. Ergänzend wird die Rolle und Verbreitung des Fernsehens betrachtet. Im Folgenden gilt es auch, Entwicklungen und Veränderungen im Zeitverlauf nachzuzeichnen sowie von Hallin und Mancini (2004) nicht berücksichtigte Faktoren zu identifizieren, die einen Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung haben können.

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4.2.2 Pressepolitik Die Rolle des Staates in Bezug auf die Medien meint die Medienpolitik. Direkte Einflüsse auf die Wahlkampfberichterstattung sind durch sie nicht zu erwarten – wohl aber mittelbare. Denn die Medienpolitik stellt den rechtlichen Rahmen dar, innerhalb dessen sich die Medienstrukturen entwickeln, die wiederum die Berichterstattung beeinflussen. Die Medienpolitik kann also die Gestalt mancher Medienstrukturen und somit auch der Medieninhalte erklären. Ihr Ziel sind rechtsverbindliche Regeln für Massenkommunikation (Vowe 2001: 3; Jarren/ Donges 2006a: 385; Puppis 2007: 49; Jarren 1994: 109).52 Einerseits soll sie die Medien als vielfältige politische Foren und damit die Publizitätschancen der politischen Akteure erhalten, andererseits (politische) Einflussnahmen auf die Medien begrenzen (Vowe 2001: 24-26), was gerade in Wahlkämpfen wichtig ist, um eine vielfältige Berichterstattung als Grundlage fundierter Wahlentscheidungen zu gewährleisten. In der Medienpolitik überlagern sich vielfältige Interessen und andere Politikfelder (Puppis 2007: 35-36; Jarren/Donges 2006a: 387). Sowohl in Deutschland als auch in Österreich unterscheiden sich zudem politisches Handeln, Regulierungsschwerpunkte, Verfahren und Akteurskonstellationen hinsichtlich der verschiedenen Mediensektoren so deutlich, dass von eigenständigen medienpolitischen Teilbereichen oder „Medienpolitiken“ (Vowe 2001: 29; Herv. i. O.) gesprochen werden kann (Jarren/Donges 2006a: 385). Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem die Pressepolitik relevant. Weil die Pressefreiheit staatliche Eingriffe in die Inhalte verbietet (Zensurverzicht) und freien Zugang zum System sowohl für Produzenten als auch für Rezipienten gebietet (Publikationsfreiheit), regulieren demokratische Staaten diesen Bereich nur sehr zurückhaltend (Vowe 2001: 29-31). Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Pressepolitik in Deutschland und Österreich seit 1945.

4.2.2.1 Deutschland Den Grundstein der bundesdeutschen Medienpolitik und -struktur legten die drei westlichen Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Gemäß dem Leitbild der re-education war ihr gemeinsames Ziel die Schaffung demokratisch zuverlässiger Medien. Weder sollten bisherige Zeitungen weiterbestehen noch Personen, die vor 1945 als Redakteur, Publizist oder Verleger gearbeitet hatten, künftig in der Presse tätig sein dürfen. 52 Die Begriffe Kommunikations- und Medienpolitik sind nicht eindeutig definiert (Tonnemacher 2003: 20-21). Während die Kommunikationspolitik sowohl Massen- als auch Individualkommunikation im Blick hat (Kepplinger 2000: 116; Jarren 1994: 110), beschränkt sich die Medienpolitik auf die massenmediale öffentliche Kommunikation, also Presse, Rundfunk, bestimmte Online-Medien und Medienorganisationen (Puppis 2007: 34).

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Daher erfolgte der Neuaufbau der Presse mittels eines Lizenzsystems (Marktzugangspolitik). Aufgrund der Rolle der Medien im Nationalsozialismus präferierten zumindest die Amerikaner parteiunabhängige Lizenznehmer, während Briten und Franzosen daneben auch parteinahe bzw. Parteizeitungen zuließen. Letztere wurden allerdings von der Bevölkerung bald schon abgelehnt (Pürer/Raabe 2007: 103; Dussel 2004).53 Die pressepolitischen Entscheidungen der Aliierten prägen die Struktur der deutschen Presselandschaft bis heute. Beispielsweise haben fast alle größeren deutschen Zeitungen ihren Ursprung bereits in der Lizenzzeit, darunter SZ, FR und Welt (Pürer/Raabe 2007: 104; Künzler/Schade 2007: 84; Tonnemacher 2003: 33). Mit dem am 23. Mai 1949 in Kraft getretenen Grundgesetz und dem darin verankerten Konzept einer freien Presse war das Lizenzsystem allerdings nicht vereinbar und wurde darum im September 1949 abgeschafft. Damit endete der unmittelbare Einfluss der Alliierten auf die bundesdeutsche Pressepolitik (Papier/Möller 1999: 449-450). Auch im weiteren Verlauf blieben die Erfahrungen des Nationalsozialismus prägend für die deutsche Pressepolitik. Eines der wichtigsten Ziele der Alliierten war die Verhinderung einer erneuten „totalitären Verfügung über Medien“ (Vowe 2007: 77), weshalb das politisch-administrative System bis heute nur äußerst zurückhaltend in das publizistische System eingreifen kann (Jarren 1996b: 207; Kopper 1992: 54). Die deutsche Medienpolitik basiert auf Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Pressefreiheit garantiert, die Kompetenz für die Pressegesetzgebung weist das Grundgesetz den Bundesländern zu. Die Befugnis zur Rahmengesetzgebung hatte der Bund zwar bis 2006, aber sämtliche Vorstöße in Richtung eines Presserechtsrahmengesetzes scheiterten (Papier/Möller 1999: 450-451; Goldbeck 2008: 303). Ein bundesweit einheitliches Presserecht gibt es nur insoweit die Bundesländer in den 1960er Jahren weitgehend übereinstimmende Landespressegesetze verabschiedeten. Sie weisen der Presse eine öffentliche Aufgabe zu, verbunden mit einem besonderen Schutz und bestimmten Privilegien, aber auch Pflichten, die der öffentlichen Wirkung der Presse Rechnung tragen (Tonnemacher 2003: 59-60; Goldbeck 2008: 303).54 Insgesamt ist die Pressepolitik in Deutschland also schwach institutionalisiert und die Zuständigkeiten verteilen sich auf zahlreiche verschiedene Institutionen. Zudem werden die Kompetenzen von Bund und Ländern zunehmend durch andere Politikebenen (vor allem die EU-Kommission) überwölbt (Jarren/Donges 2006a: 385). Die Pressepolitik war im Vergleich zur Rundfunk- und Onlinemedienpolitik schon immer von geringerem Stellenwert und hat im Zeitverlauf 53 Zur Pressepolitik in der sowjetischen Besatzungszone und in der späteren DDR siehe z. B. Tonnemacher (2003: 36-40), zur unterschiedlichen Lizenzvergabepraxis in den westlichen Besatzungszonen Dussel (2004: 207-220), Koszyk (1999) und Fischer (1971: 31-84). 54 Zu den besonderen Rechten und Pflichten der Presse siehe Pürer/Raabe (2007: 340-342) und Tonnemacher (2003: 59-64). Ähnliche, teils noch ausführlichere Pressegesetze erließen die neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung.

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sogar noch an Bedeutung verloren (Papier/Möller 1999: 449; Jarren 1996b: 208209; Jarren/Donges 2006a: 399). Pressepolitisch besonders aktiv war der Bund in den 1960er und 1970er Jahren, als infolge der fortschreitenden Pressekonzentration deren Gefahren und mögliche Folgen für die Meinungsbildung der Bevölkerung erstmals öffentlich diskutiert wurden (Jarren 1994: 114). Zwei Expertenkommissionen, die MichelKommission (1964-67) und die Günther-Kommission (1967-68), schärften das Bewusstsein für Konkurrenzbeziehungen im Medienbereich und trugen zu einer stärkeren Transparenz des Pressemarkts bei. Die Vielfaltssicherung und Verhinderung des Missbrauchs von Meinungsmacht wurden zu Hauptzielen der Pressepolitik (Künzler/Schade 2007: 85; Wilke 2002: 66-67; Schütz 1999: 117; Holtz-Bacha 1993: 463). Weitere pressepolitische Maßnahmen in dieser Zeit waren die Novellierung des Kartellgesetzes (1973), die Einführung einer pressespezifischen Konzentrationskontrolle (1976), der erste „Bericht der Bundesregierung über die Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland“ (1970; wiederholt 1974, 1978, 1985, 1994, 1998 und 2008), Finanzhilfen für kleinere und mittlere Presseunternehmen (1968 bis 1991) und die Einführung einer jährlichen Pressestatistik (1975-1996) (Schütz 1999: 120; Kopper 1992: 56). Danach gab es allerdings keine wichtigen pressepolitischen Entscheidungen mehr (Jarren/Donges 2006a: 390-391; Tonnemacher 2003: 129-136). Um Konzentrationsprozesse auf dem Zeitungsmarkt einzudämmen, welche die öffentliche Aufgabe der Presse gefährden könnten, wird der dortige Wettbewerb staatlich reguliert. Grundsätzlich kann das mittels zwei Arten von Maßnahmen geschehen, auf die im Folgenden für beide Länder noch genauer eingegangen wird: (1) Wettbewerbspolitische Instrumente (vor allem das Kartellrecht) sollen Monopolstellungen einzelner Medienunternehmen verhindern und den ökonomischen Wettbewerb gewährleisten. Weil das allein aber den publizistischen Wettbewerb nicht ausreichend sicherstellen kann, setzt der Staat zudem (2) medienpolitische Maßnahmen, z. B. die finanzielle Unterstützung der Medienindustrie oder die Institutionalisierung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Puppis 2006b: 209; Puppis 2007: 275-276; Heinrich 2001: 90). Im Bereich der Presse sind die Möglichkeiten einer medienpolitischen Regulierung durch die Pressefreiheit allerdings eng begrenzt. Die einzig zulässige Form sind staatliche Presseförderungsmaßnahmen (Puppis 2007: 171). (1) Wettbewerbspolitisch wird der deutsche Pressemarkt mittels der Pressefusionskontrolle reguliert. Sie sieht seit 1976 für Fusionen von Presse- oder Rundfunkunternehmen im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren zwanzigmal tiefere Umsatz-Schwellenwerte vor, bei deren Erreichen die Fusion durch das Bundeskartellamt geprüft wird (Puppis 2006a: 228; Heinrich/Lobigs 2006: 216221). Ihr Erfolg wird unterschiedlich bewertet. Nach Ansicht von Jarren (1996: 203) konnte sie den Konzentrationsprozess auf dem Pressemarkt nicht wirksam aufhalten, und Schütz (1979: 600) spricht davon, dass es schon 1979 „kaum noch 82

Objekte für die Pressekonzentration“ gegeben habe. Heinrich und Lobigs (2006: 210) kommen hingegen zu einer positiveren Einschätzung: Zwar sei das pressespezifische Kartellrecht für schädliche Monopolisierungsprozesse auf der Regional- und Lokalebene zu spät gekommen, für die übrigen Märkte aber sei zumindest ein Vierteljahrhundert lang ein konzentrationshemmender Effekt feststellbar. Das Gesetz habe vor allem präventiv gewirkt. Effizienz wird der Pressefusionskontrolle auch in einer Studie von Roth (2005) bescheinigt, die der Frage nachgeht, inwiefern sich Untersagungsfälle auf die heutige Marktsituation ausgewirkt haben. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Pressefusionskontrolle zwar keine bereits bestehende Konzentration auflösen, sondern nur künftige Entwicklungen verhindern kann – dass sie aber in der Mehrheit der Untersagungsfälle ihrer Aufgabe bisher tatsächlich gerecht geworden ist und marktbeherrschende Stellungen einzelner Unternehmen verhindert hat. (2) Medienpolitische Regulierungen der Presse gibt es in Deutschland kaum und nur indirekt, z. B. in Form von Steuererleichterungen, reduzierten Postzeitungstarifen oder niedrigen Einfuhrzöllen auf Zeitungspapier. Diese Maßnahmen erfolgen nicht selektiv, das heißt alle Zeitungen profitieren davon – relativ betrachtet die großen mehr als die kleinen. Die politische Zurückhaltung ist begründet durch verfassungsrechtliche Schranken gegen staatliche Eingriffe in den Pressemarkt (Holtz-Bacha 1993: 462-463; Beck 2002: 127).

4.2.2.2 Österreich Auch in Österreich trafen die Alliierten die ersten medienpolitischen Entscheidungen der Nachkriegszeit und legten damit den Grundstein für das Nebeneinander von unabhängigen, Partei- und Bundesländerzeitungen auf dem österreichischen Pressemarkt. Ziel der re-education war u. a., die „endgültige Trennung von Deutschland“ (Künzler/Schade 2007: 86) im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Wie in Deutschland schufen sie ein Lizenzsystem, vergaben die Lizenzen aber vorwiegend an die politischen Parteien (Harmat 1999; Kriechbaumer 1980: 43; Pürer 1990). Auch wurde der Austausch der Zeitungsmitarbeiter in leitenden Positionen weitaus weniger konsequent betrieben als in Deutschland (Karmasin/Kraus 2010).55 Offiziell endete die Lizenzphase erst mit dem Staatsvertrag 1955, faktisch bestand aber schon Mitte 1947 landesweit kein Lizenzzwang mehr (Harmat 1999: 85). Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit sind in Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes von 1867 garantiert, auf dem die österreichische Medienpolitik basiert. Wurde schon die deutsche Pressepolitik als zurückhaltend beschrieben, ist sie in Österreich als noch schwächer und rein reaktiv zu bezeichnen. Kritiker stellen ihr ein außerordentlich schlechtes Zeugnis aus (z. B.

55 Zu Unterschieden in der Lizenzpolitik der Alliierten in Österreich siehe Harmat (1999: 62-73).

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Smudits 1993: 177; Langenbucher 2007: 66; Luger 1996: 143; Kaltenbrunner 1998: 115), wie folgendes Zitat zeigt: „Medienpolitik wird in Österreich gemeinhin nicht gemacht, sie ereignet sich. Die politischen Parteien und die Parlamentarier als ihr verlängerter Arm stehen den Umbrüchen im Medienbereich – vor allem einer (…) sich verschärfenden Pressekonzentration – wie einer Naturkatastrophe gegenüber: verbal erschüttert und scheinbar ohnmächtig.“ (Hummel 1992: 43)

Eine aktiv gestaltende Medienpolitik ist im Kleinstaat Österreich durch vier strukturelle Besonderheiten erschwert: (1) Finanzielle Mittel, Medien und Fachkräfte sind rar. (2) Die geringe Marktgröße lässt kaum Synergieeffekte oder Größenvorteile zu und verteuert die Medienproduktion. (3) Der kleine Markt ist sehr verletzlich, schon geringfügige Veränderungen wirken sich gravierend auf das ganze Mediensystem aus. Für multinationale Medienkonzerne stellt er aber nur ein Experimentierfeld und einen Zusatzmarkt dar. (4) Korporatismus, Konsensorientierung und Sozialpartnerschaft prägen auch dieses Politikfeld, ihr Spielraum wird aber durch multinationale Konzerne zunehmend eingeschränkt (Luger 1996: 133-134; Puppis 2006a: 222). Wie in Deutschland ist die Medienpolitik zudem kaum institutionalisiert und die Kompetenzen verteilen sich auch hier auf zahlreiche Instanzen und Ressorts auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene. Das ohnehin geringe Interesse der politischen Parteien an Medienpolitik scheint oft vor allem durch Wahrung und Ausbau der eigenen Einflussmöglichkeiten motiviert (Hummel 1992: 52-53; Bontinck 1996: 32-41; Fabris 1993: 503; Kaltenbrunner 1998: 115). Auch der österreichische Staat reguliert die Presse also nur sehr zurückhaltend. Anders als in Deutschland, wo dieser bewusste Politikverzicht die demokratischen Funktionen der Presse gewährleisten soll (Jarren/Donges 2006a), haben sich die politischen Akteure in Österreich Kritikern zufolge bisher nur unzureichend mit dem Zusammenhang zwischen Medien und Demokratie auseinandergesetzt (Langenbucher 2007: 69; Bontinck 1996: 41). Daher erfolgten medienpolitische Aktivitäten bisher meist (und weitaus stärker als in Deutschland) erst in Reaktion auf Handeln und Interventionen von Medienunternehmen und Interessengruppen und waren oft reine Akte symbolischer Politik (Hummel 1992: 53; Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg 1983: 523-524; Kaltenbrunner 1998: 107, 115). In den 1970er Jahren gab es mit einer Regierungsvorlage für ein neues Pressegesetz (1971) und der Einführung von Zeitschriften- (1972) und Presseförderung (1975) zwar pressepolitische Initiativen. Eine öffentliche Debatte über das schon damals offensichtliche Problem der Pressekonzentration und wirkliche Gegenmaßnahmen blieben aber aus (Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg 1983: 525). Dasselbe gilt für die 1980er Jahre. Zwar wurde die Presseförderung 1985 grundlegend novelliert und damit erstmals das Ziel der Vielfaltssicherung gesetzlich verankert (Fabris 1993: 499). Doch auf den Einstieg der deutschen WAZ-

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Mediengruppe bei Krone und Kurier, die Gründung der Mediaprint56 (1988) – der Tochtergesellschaft dieser beiden Zeitungen – und den damit verbundenen massiven Konzentrationsschub auf dem österreichischen Zeitungsmarkt reagierte die Politik nur sehr zögerlich, ebenso wie auf die insgesamt zunehmenden ausländischen Kapitalbeteiligungen an österreichischen Medien (Hummel 1992: 53).57 Erst danach entwickelte sich in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit langsam ein Bewusstsein für die Problematik der Medienkonzentration (Wessely 1997: 26; Kaltenbrunner 1998: 110). (1) Entsprechende wettbewerbspolitische Maßnahmen – die Erweiterung des Kartellrechts um medienspezifische Sonderbestimmungen (1993) – kamen jedoch zu spät (Kaltenbrunner 1998: 105). Nachträgliche Entflechtungsmaßnahmen sind im Gesetz unter sehr strengen Voraussetzungen vorgesehen, wurden aber nicht ernsthaft erwogen. Der von den Medienunternehmen geschaffene Status quo wurde damit akzeptiert (Fidler/Merkle 1999: 248; Wessely 1997: 30-35; Grisold 1998: 136). Zudem ist die Fusionskontrolle verschiedenen Einschränkungen unterworfen: Eigentlich zu untersagende Zusammenschlüsse können in Einzelfällen genehmigt werden, wenn eine Fusion zwecks internationaler Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist (Puppis 2007: 287). Weiterhin werden Zusammenschlüsse nicht automatisch, sondern nur auf Antrag geprüft, selbst wenn die Aufgreifkriterien erfüllt sind. Und antragsberechtigt sind u. a. die Sozialpartner, die gleichzeitig am Kartellgericht beteiligt sind und Gutachten erstellen. „Polemisch formuliert: Die Sozialpartner sind Antragsteller, Richter und Sachverständige ‚in einer Person‘.“ (Wessely 1997: 28) Aufgrund dieser Einschränkungen ist die österreichische Pressefusionskontrolle insgesamt als sehr schwaches Regulierungsinstrument anzusehen. Selbst im Fall eines Prüfungsverfahrens werden Zusammenschlüsse meist nicht untersagt (Wessely 1997: 30). Daher kann anders als in Deutschland kaum von einer präventiven Wirkung ausgegangen werden. Österreich ist somit ein „Entwicklungsland in kartellrechtlicher Hinsicht“ (Fidler/Merkle 1999: 247), in dem von den wettbewerbspolitischen Möglichkeiten „systematisch kein Gebrauch“ (Langenbucher 2007: 66) gemacht wird (Bruck 1992: 71). (2) Bezüglich der medienpolitischen Regulierung zählt Österreich zu den Ländern mit relativ umfangreicher Presseförderung (Holtz-Bacha 1994b: 205). Neben indirekten Fördermaßnahmen (z. B. dem Postzeitungsdienst) gibt es direkte staatliche Pressehilfen an fast alle Zeitungen – ein in Europa einzigartiges Modell.

56 Die Mediaprint bündelt Druck, Vertrieb und Anzeigenakquise von Krone und Kurier. Die WAZ hielt zunächst an beiden Zeitungen 45 Prozent, steigerte aber ihre Anteile an der Krone 2003 auf 50 Prozent, die am Kurier auf 49,5 Prozent (Steinmaurer 2004a: 506). 57 Von mangelndem Bewusstsein für die Probleme und Versäumnisse im Bereich der Medienkonzentration zeugt auch die Tatsache, dass ein ähnlich weitreichender Zusammenschluss auf dem Zeitschriftensektor („Formil-Fusion“) im Jahr 2000 nicht verhindert wurde (Fidler 2008: 125).

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Grundlage dafür ist das 1975 in Kraft getretene Bundespresseförderungsgesetz.58 Ursprünglich verfolgte es keine konzentrationshemmende Absicht, sondern sollte den Verlegern einen Ausgleich für neu eingeführte Steuern auf Zeitungsvertriebsumsätze bieten (Grisold 1996: 502; Holtz-Bacha 1993: 518). Nach dem „Gießkannenprinzip“ erhielten alle Tages- und Wochenzeitungen, unabhängig vom Markterfolg, fast gleich hohe Zahlungen. „Im Vergleich zu den jeweiligen Umsätzen war es für die einen ein Taschengeld, für die anderen, besonders die kleinen Parteizeitungen, eine Art lebensverlängernder Sozialhilfe.“ (Schmolke 1991: 340) Verhindert werden konnte das Sterben der Parteipresse damit aber nicht (Trappel 2005: 88; Fidler 2008: 473). Die Vielfaltssicherung ist erst seit einer Reform 1985 Ziel der Presseförderung. Hintergrund war die zu Beginn der 1980er Jahre immer offensichtlichere ökonomische Notlage kleinerer und politisch besonders engagierter Zeitungen. Die allgemeine Förderung für alle Zeitungen blieb zwar erhalten, hinzu kam jetzt aber eine besondere Förderung für auflagen- und anzeigenschwache Tageszeitungen ohne marktbeherrschende Stellung, die einen besonderen Beitrag zur politischen Meinungs- und Willensbildung leisteten (Riedler 1995: 39; Schmolke 1993: 120; Pürer 1990: 32). Erneut wurde die Presseförderung 2004 reformiert und besteht seitdem aus drei Säulen: (1) Der Vertriebsförderung für fast alle Tages- und Wochenzeitungen, (2) der Vielfaltsförderung für kleine, nicht marktführende Tageszeitungen mit besonderer Bedeutung für die Meinungs- und Willlensbildung und (3) der Qualitätsförderung und Zukunftssicherung, die der inhaltlichen Vielfalt dienen soll, z. B. durch die Förderung von Ausbildungskosten, Auslandskorrespondenten, Presseklubs sowie Projekten zu Leseförderung und Medienforschung (Trappel 2005: 92-94; Koschnick 2004: 310; Fidler 2008: 472; Laiß 2004). Abbildung 10 zeigt die Entwicklung der Presseförderung von 1975 bis 2006. Deren Höhe schwankte zum Teil von Jahr zu Jahr erheblich, was für „ein eher konzeptloses Vorgehen der Bundesregierung“ (Pürer 1990: 33) spricht und den Zeitungen keine langfristige Planungsmöglichkeit gab (Holtz-Bacha 1994b: 210) – insbesondere zwischen 1985, nachdem der Förderungsbetrag mit der Novellierung zunächst erhöht worden war, und 1992. Die drastische Kürzung 2001 war das Ergebnis des radikalen Sparkurses der damaligen Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ (Trappel 2004: 11). Längerfristig konstant bleibt der Gesamtförderungsbetrag erst seit der Gesetzesänderung 2004. Tabelle A1 im Anhang gibt eine Übersicht, wie viel Presseförderung die einzelnen Tageszeitungen zwischen 1975 und 2006 insgesamt erhalten haben. Der mit Abstand höchste Gesamtförderungsbetrag entfiel auf die Presse (45,52 Mio. 58 Direkte staatliche Förderungen für Zeitschriften gibt es in Österreich schon seit 1972/73 (Schmolke 1993: 119). Zeitgleich mit der Presseförderung wurde 1975 die Parteienförderung beschlossen – Ausdruck des Naheverhältnisses zwischen Parteien und Presse (Fidler 2008: 473).

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Euro, davon 8,27 Mio. Euro Allgemeine und 37,25 Mio. Euro Besondere Förderung). Die Förderbeträge der Zeitungen mit besonderer Förderung überschreiten die derjenigen mit nur allgemeiner bzw. Vertriebsförderung um ein Vielfaches. Die Presseförderung differenziert somit entgegen vielfacher Kritik sehr wohl zwischen den ökonomisch starken Marktführern und wirtschaftlich weniger erfolgreichen Titeln, zumal auf lange Sicht. Fraglich ist aber, ob letztere mit den – auch im internationalen Vergleich – relativ geringen jährlichen Förderungsbeträgen effektiv unterstützt werden können. Standard und Presse erhielten z. B. 2006 jeweils rund 1 Mio. Euro besondere Förderung (RTR 2006). Dem steht bei der Standard Verlags GmbH ein Jahresumsatz von 51 Mio. Euro, bei der Styria Medien AG, dem Eigentümer der Presse, ein Jahresumsatz von 468 Mio. Euro gegenüber (Kaltenbrunner et al. 2007: 29; Wallnöfer/Käfer 2008). Abbildung 10: Entwicklung der österreichischen Presseförderung

Quelle: RTR (1975-2006): Auskunft von Frau Brigitte Zauner-Jelemensky (Kommunikationsbehörde Austria) per E-Mail bzw. Brief vom 3.2.2009, 9.2.2009 und 30.3.2009, sowie online unter http://www.rtr.at. Förderungsbeträge aus der Zeit vor 2002 wurden von ÖS in Euro umgerechnet (Umrechnungskurs: 13,7603).

Insgesamt wird das österreichische Presseförderungssystem sehr kritisch bewertet. Anreize zu marktgerechtem Verhalten und Investitionen in Qualität fehlen ebenso wie eine Effektivitätskontrolle, und der Marktzutritt neuer Tageszeitungen wird nicht erleichtert, weil sie gerade in der Anfangsphase nicht antragsberechtigt sind. Die Pressekonzentration konnte dadurch jedenfalls nicht aufgehalten werden (Holtz-Bacha 1994b: 209; 550-553; Trappel 2005: 89; Langenbucher 2007: 66).

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4.2.3 Entwicklung der Tageszeitungsmärkte Gemeinsam ist dem deutschen und dem österreichischen Tageszeitungsmarkt ihre rein privatwirtschaftliche und außenpluralistische Organisation. Innerhalb dieser Grundstrukturen unterscheiden sie sich jedoch hinsichtlich bestimmter Merkmale erkennbar. Vor allem der Stellenwert bestimmter Zeitungstypen und das Ausmaß der Pressekonzentration differieren, auch aufgrund der beschriebenen pressepolitischen Unterschiede. Die Entwicklung der Tageszeitungsmärkte steht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels.

4.2.3.1 Zeitungstypologie Zeitungstypen können nach unterschiedlichen Kriterien differenziert werden: Nach dem Verbreitungsgebiet, der Vertriebsform, der journalistisch-redaktionellen Aufbereitung der Inhalte und der politischen Unabhängigkeit bzw. weltanschaulichen Ausrichtung (Pürer/Raabe 2007: 14).59 Zur Identifikation von Zeitungstypen können diese Merkmale auch miteinander kombiniert werden. Üblich ist vor allem die Kombination aus Verbreitungsgebiet und Vertriebsform, weil beide entscheidende Auswirkungen auf Reichweite, Leserschaftsstruktur, Inhalte und Aufmachung haben. Beispielsweise sind Straßenverkaufszeitungen auf eine reißerische Aufmachung angewiesen, um Leser zu gewinnen – im Gegensatz zu den Abonnementzeitungen mit ihrem festen Abnehmerkreis (Wilke 2009a: 474). Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Bedeutung verschiedener Typen in Deutschland und Österreich. Verbreitungsgebiet: Nach dem Verbreitungsgebiet unterscheidet man (1) Regional- und Lokalzeitungen, die in einem relativ kleinen, begrenzten Gebiet verbreitet sind, von (2) überregional bzw. national verbreiteten Zeitungen wie den in der Inhaltsanalyse untersuchten. Der bundesdeutsche Tageszeitungsmarkt ist stark föderalistisch strukturiert. Die überwiegende Mehrheit der Titel ist regional oder lokal verbreitet, daher ist die Titelzahl insgesamt groß. „Seit den Anfängen der periodischen Presse war in Deutschland die lokale bzw. regionale Abonnementzeitung vorherrschend, Ausdruck der ‚Kleinstaaterei’ und des politisch-kulturellen Föderalismus.“ (Wilke 1999b: 310; Stöber 2003: 321) Auch aufgrund dieser Traditionen konnten sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur wenige überregionale Titel etablieren. National verbreitet im strengeren Sinne sind unter den in der vorliegenden Studie untersuchten Blättern nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Die Welt. Beide geben neben ihrer Deutschlandausgabe auch Stadt- und Regionalausgaben (für Frankfurt bzw. für Hamburg und Berlin) heraus und haben damit einen lokalen „Bezugspunkt“. Ebenfalls überregional angeboten, aber vorwiegend in der Region ihrer Verlagsstandorte (München bzw. Frankfurt) verbreitet sind die Süddeutsche Zeitung 59 Ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist das Zeitungsformat (Pürer/Raabe 2007: 18-19).

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(SZ), die auch in einer Bundesausgabe erscheint, und die Frankfurter Rundschau (FR). Überregional verbreitet ist daneben die Bild-Zeitung, die größte Zeitung des Landes, die allerdings keine überregionale Ausgabe hat, sondern mittlerweile mehr als 30 Regionalausgaben, für die eigenständige regionale Redaktionen verantwortlich zeichnen (Sjurts 2005: 83). Weitere überregionale Titel beschränken sich auf enge Marktsegmente, etwa die tageszeitung (taz) als Organ der linken alternativen Szene, die katholische Tagespost (Würzburg), die links bzw. marxistisch orientierte Junge Welt und das Neue Deutschland als einzig verbliebene überregionale Tageszeitung der ehemaligen DDR, die politisch jetzt der Linken (vormals PDS) nahesteht (Wilke 2009a: 472). Die österreichische Tagespresse ist zentralistischer strukturiert als die deutsche und konzentriert sich stark auf die Hauptstadt Wien. Daher und auch aufgrund des viel kleineren Marktes war der Anteil national verbreiteter Titel am gesamten Tageszeitungsangebot schon immer deutlich größer als in Deutschland. Dazu zählen u. a. die in der vorliegenden Studie analysierten Qualitätsblätter Die Presse und (seit seiner Gründung 1988) Der Standard, das 1991 eingestellte Parteiblatt Arbeiter Zeitung (AZ), das Boulevardblatt Krone und das frühere Boulevardund jetzige Midmarket-Paper60 Kurier. Auch die ursprüngliche Regionalzeitung Salzburger Nachrichten (SN) erscheint seit 1989 überregional. Relativ stark positioniert sind daneben die Regional- bzw. Bundesländerzeitungen, darunter die Kleine Zeitung (Steiermark), die Tiroler Tageszeitung, die Oberösterreichischen Nachrichten und die Vorarlberger Nachrichten (Seethaler/Melischek 2006; Steinmaurer 2003a). Vertriebsform: Je nachdem, wie der überwiegende Teil der Tageszeitungsauflage (mindestens 50 Prozent) abgesetzt wird, unterscheidet man drei Vertriebsformen: (1) Die Käufer der Abonnementzeitungen verpflichten sich, die Zeitung über einen bestimmten Zeitraum hinweg kontinuierlich zu beziehen, und bekommen im Gegenzug einen günstigeren Bezugspreis und die Zeitung täglich nach Hause geliefert. (2) Die Straßenverkaufs- oder Kaufzeitungen werden mehrheitlich im Einzelverkauf (am Kiosk, in Geschäften, über Kolporteure oder Zeitungsboxen/ -ständer) vertrieben. Um Käufer zu gewinnen, setzen sie auf reißerische Schlagzeilen und eine aufmerksamkeitsheischende Aufmachung. Alle Straßenverkaufszeitungen sind journalistisch-redaktionell Boulevardzeitungen, aber nicht alle Boulevardzeitungen sind Straßenverkaufszeitungen, wie das Beispiel von Krone und Kurier zeigt (siehe unten). (3) Ein relativ neuer Zeitungstyp sind Gratiszeitungen (auch Verteil- oder Pendlerzeitungen), die im Unterschied zu den beiden anderen Formen keine Verkaufseinnahmen haben, sondern sich ausschließlich durch das Anzeigengeschäft finanzieren. Meist werden sie an U-Bahn-Stationen, Bahnhöfen, Kiosken 60 Das Midmarket-Paper ist zwischen Boulevard- und Qualitätszeitung angesiedelt. In Deutschland gibt es diesen Zeitungstyp zumindest auf überregionaler Ebene nicht.

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oder Lebensmittelgeschäften kostenlos verteilt (Pürer/Raabe 2007: 14-15; Schütz 2009: 544-546). In Deutschland werden insgesamt etwa zwei Drittel aller Zeitungsexemplare im Abonnement abgesetzt, von den Lokal- und Regionalzeitungen sogar mehr als 90 Prozent (Pürer/Raabe 2007: 14). Fast alle national verbreiteten Titel sind Abonnementzeitungen, einzige Ausnahme ist die Bild-Zeitung. Auch regional bzw. lokal verbreitete Straßenverkaufszeitungen wie Express (Köln), die B.Z. (Berlin), Berliner Kurier und tz (München) sind selten. Gratiszeitungen konnten sich in Deutschland bisher nicht dauerhaft etablieren, seit 1998 scheiterten mehrere entsprechende Experimente (Wilke 2009a: 476-477; Schütz 2009: 544-545). Auch fast alle österreichischen Tageszeitungen werden überwiegend im Abonnement vertrieben, darunter Presse und Standard, aber auch – im Unterschied zu den meisten anderen Boulevardtiteln – die Krone. Echte Straßenverkaufszeitungen gab es in der Zweiten Republik vor allem in den 1950er und 1960er Jahren (Kriechbaumer 1980; Grohmann 1990: 19). Seit 2001 wurden mehrere unterschiedlich erfolgreiche Gratiszeitungen gestartet. Inzwischen stagniert der Gratistageszeitungsmarkt in Österreich wie in vielen anderen Ländern auf relativ hohem Niveau (Bakker/Seethaler 2009: 69). Journalistisch-redaktionelles Konzept: Gemäß der journalistisch-redaktionellen Aufbereitung der Inhalte werden Boulevard- und Qualitätszeitungen unterschieden. Darauf nimmt der Boulevardisierungsansatz Bezug, der von einer Übernahme boulevardesker Eigenschaften durch Qualitätszeitungen ausgeht (Kapitel 3.1.2). (1) Boulevardzeitungen werden meist, aber nicht immer überwiegend im Einzelverkauf vertrieben. Um die Aufmerksamkeit potenzieller Käufer und Leser auf sich zu ziehen, sind sie „in Aufmachung, redaktioneller Gestaltung und Inhalten von plakativem Stil, großen Balkenüberschriften mit reißerischen Schlagzeilen, zahlreichen, oft großformatigen Fotos und einer einfachen, stark komprimierten Sprache gekennzeichnet“ (Pürer/Raabe 2007: 18). Zudem heben sie human interest-Themen hervor und inszenieren Inhalte als „Geschichten“, um Emotionen anzusprechen und Nähe zu den Lesern zu erzielen (Brichta 2006: 60-61). (2) Die Bezeichnung Qualitätszeitung hat sich vor allem für national verbreitete Abonnementzeitungen und Regionalzeitungen mit einem überregionalen Anspruch eingebürgert (Raabe 2006: 236), die sich durch eine besonders hohe Qualität auszeichnen. Worin diese besteht, ist jedoch nicht klar definiert (Magin 2009). Meist wird auf redaktionelle Unabhängigkeit und auf eine überdurchschnittlich gebildete, interessierte Leserschaft, darunter die gesellschaftlichen Führungsschichten, verwiesen. Daher spricht man auch von Elitezeitungen. Qualitätszeitungen haben meist eine kleine Auflage, aber eine große Bedeutung im öffentlichen Diskurs. Über die inhaltlichen Spezifika besteht allerdings kein

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Konsens (Raabe 2006: 236; Bohrmann/Duchkowitsch 1994; Meier et al. 1994; Haas 2000: 63; Sjurts 2004: 498). In Deutschland ist mit der Bild-Zeitung das einzige Boulevardblatt mit überregionaler Bedeutung der nationale Marktführer. Als größter Zeitung des Landes wird ihr ein großer Einfluss auf die öffentliche Meinung zugeschrieben (Sjurts 2005: 85). Aber auch das Qualitätszeitungssegment ist u. a. mit den in der Inhaltsanalyse untersuchten Titeln FR, SZ, FAZ und Welt gut besetzt, die trotz ihrer relativ geringen Auflagen eine Leitmedienfunktion und eine wichtige Rolle in der öffentlichen Diskussion haben (Dreier 2004: 250-251; Wilke 1999b: 302-305). Auf dem kleinen Markt in Österreich konnten sich nicht so viele überregionale Elitezeitungen etablieren wie im benachbarten Deutschland, das rund zehnmal so viele Einwohner hat.61 Der österreichische Markt ist viel stärker vom Boulevard geprägt (Udris/Lucht 2009: 26-27). Vorbild und prägender Einflussfaktor dafür waren die in der Besatzungszeit von den Westmächten herausgegebenen Wiener Boulevardzeitungen (Kriechbaumer 1980: 43; Pürer 1990: 2).62 Die 1959 gegründete Krone, Marktführer seit 1972, dominiert mit Marktanteilen und Reichweiten jenseits der 40-Prozent-Marke seit vielen Jahren den österreichischen Zeitungsmarkt und ist das wichtigste Leitmedium des Landes (Arendt 2008). Die Qualitätszeitungen haben dagegen keine starke Tradition. Drei überregionale Zeitungen gelten als solche. Das älteste von ihnen, die Presse (gegründet 1848), bemüht sich erst seit den 1980er Jahren stärker um eine verbesserte publizistische Leistung, getrieben durch die zu dieser Zeit neu entstehende Konkurrenz: Der Standard erscheint seit 1988, die überregionale Ausgabe der SN seit 1989. 63 Daneben versucht das ehemalige Boulevardblatt und jetzige Midmarket-Paper Kurier seit langem den Aufstieg zur Qualitätszeitung (Magin 2009; Magin/Stark 2011). Um wie viel stärker der österreichische Pressemarkt boulevardisiert ist, zeigt die Angebotsstruktur der Presse im Zeitverlauf: In Österreich stieg der Anteil des Boulevard an den 30 auflagestärksten Zeitungen und Magazinen mit politischem Fokus in den letzten Jahrzehnten von 16 Prozent (1960) kontinuierlich auf 66 Prozent (2006) an, während er sich in Deutschland im selben Zeitraum von 48 auf 36 Prozent verringerte. Der Auflagenanteil der Qualitätspresse liegt in Österreich durchgängig bei höchstens 5 Prozent, in Deutschland zwischen 13 und 17 Prozent (Udris/Lucht 2009: 27). Politische Ausrichtung und Bindung: Die Differenzierung von Tageszeitungen nach politischer Ausrichtung und Bindung bezieht sich darauf, ob sie rein ökonomisch orientiert oder organisatorisch an eine intermediäre Organisation (z. B. 61 In Deutschland leben aktuell rund 82 Millionen Menschen auf einer Fläche von rund 357.000 km2, in Österreich 8,4 Millionen Menschen auf einer Fläche von rund 84.000 km2 (Brockhaus o. J.). 62 Schon in der Ersten Republik (1918-34) gab es in Österreich einen hoch kompetitiven Boulevardsektor (Seethaler/Melischek 2006: 351). 63 Für Udris und Lucht (2009) ist der Standard keine Qualitäts-, sondern eine Forumszeitung.

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Parteien, Kirchen, Berufsverbände) gebunden sind (Udris/Lucht 2009: 23). Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist vor allem die Differenzierung zwischen unabhängigen und Parteizeitungen relevant. Je nach Stärke der Parteibindung gibt es drei Typen: (1) Parteigebundene Zeitungen sind offizielle Organe von Parteien und von diesen unmittelbar abhängig. Sie befinden sich in Besitz der Partei oder werden vollständig von ihr finanziert und fungieren inhaltlich vorwiegend als Partei„Sprachrohr“. (2) Parteiverbundene Zeitungen sind formal eigenständig, unterhalten indirekt aber Verbindungen zur Partei (z. B. durch Parteimitglieder oder -anhänger in der Redaktion) und können offen oder verdeckt von ihr abhängig sein. Sie unterstützen die Partei inhaltlich, orientieren sich aber über deren Zwecke hinaus auch an anderen Zielen. (3) Parteirichtungszeitungen stehen in ihrer publizistischen Ausrichtung dauerhaft oder zeitweise einer Partei nahe und vertreten „durch bloßes (doch deutlich artikuliertes) Sympathisantentum die Zielsetzung der Partei mehr oder weniger prononciert“ (Behmer 2006: 214). Dabei besteht jedoch weder ein organisatorisches noch ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, weshalb der Parteipresse im engeren Sinne nur die beiden ersten Varianten zuzurechnen sind (Feldinger 1996: 26-27; Behmer 2006: 214). In beiden hier betrachteten Ländern verloren Parteizeitungen im Lauf des 20. Jahrhunderts, vor allem nach 1945 an Bedeutung, in Deutschland allerdings viel früher als in Österreich. Mittlerweile ist in beiden Fällen die Mehrzahl der Tageszeitungen rein ökonomisch orientiert, auch wenn etliche Titel – charakteristisch für die Länder des demokratisch-korporatistischen Modells – als Parteirichtungszeitungen eine klare politische Linie aufweisen. In Deutschland fungierten Zeitungen während der Entwicklung der Parteien ab Mitte des 19. Jahrhunderts oft als deren Keimzellen, und noch der Zeitungsmarkt der Weimarer Republik war dominiert von Parteiorganen und Richtungszeitungen (Behmer 2006: 214; Wilke/Sprott 2009: 283). Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwanden die wirklichen Parteizeitungen dann aber weitgehend in der Bedeutungslosigkeit (Stöber 2003: 321; Fischer 1971). Gründe dafür waren einerseits die Lizenzpolitik der Alliierten, die zum Teil vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus eher parteiunabhängige Titel präferierten (Kapitel 4.2.2.1), zum anderen aber auch, dass die Bevölkerung Parteizeitungen bald schon ablehnte (Dussel 2004). Viele deutsche Tageszeitungen beziehen zwar in ihren Meinungsbeiträgen deutlich Stellung, aber nur noch wenige bekennen sich selbst offen zu einer parteipolitischen, gesellschaftspolitischen oder weltanschaulichen Richtung. Die Richtungszeitungen FR, SZ, FAZ und Welt können auf einer politischen Skala von links nach rechts angeordnet werden (Wilke 2009a: 460, 472). In Österreich waren Parteizeitungen auch nach 1945 zunächst noch vergleichsweise wichtig, auch weil die Besatzungsmächte anders als in Deutschland 92

bei der Lizenzvergabe Parteien als Zeitungsherausgeber klar bevorzugten (Seethaler/Melischek 2006: 352). Bis 1953 entfiel auf die Parteizeitungen der überwiegende Teil der Zeitungsauflage. Unter freien Marktbedingungen jedoch verloren sie sukzessive an Bedeutung, wenn auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verspätet (Kapitel 4.2.3.1; Steinmaurer 2003a: 351-353). Seitdem überwiegen auch hier die parteiunabhängigen Titel. Parteirichtungszeitungen sind der linksliberale Standard und die bürgerlich-konservativen Blätter Presse und SN.

4.2.3.2 Pressekonzentration Auf die Marktdominanz der Boulevardzeitungen in Österreich wurde bereits verwiesen. Damit einher geht einer der auffälligsten Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich: Gilt schon der deutsche Pressemarkt im internationalen Vergleich als relativ konzentriert, weist Österreich (abgesehen von den Kleinststaaten Vatikan und Luxemburg) die höchste Pressekonzentration in Europa auf (Seethaler 2008: 8). Das Medieneigentum im Land ballt sich in sehr wenigen Händen, allen voran in denen der Mediaprint. Die Krone, im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße eine der größten Zeitungen der Welt (Kaltenbrunner et al. 2007: 37), setzt ihre Marktmacht in vielbeachteten Kampagnen immer wieder in publizistische Macht um. Andere österreichische Tageszeitungen sind daher mit einer schwierigen Marksituation konfrontiert (Magin/Stark 2011).64 Konzentrationsprozesse, die den Wettbewerb stören, vollziehen sich in der Regel zwar in allen weitgehend gesättigten Märkten wie dem deutschen und dem österreichischen Tageszeitungsmarkt (Weber 1992: 259). Das Beispiel Österreich zeigt aber ihre besondere Problematik im Mediensektor: Massenmedien haben in Demokratien die Aufgabe, der Bevölkerung eine eigenständige Meinungs- und Willensbildung und damit die Teilhabe am politischen Prozess zu ermöglichen. Das setzt eine Vielfalt an Informationen aus unterschiedlichen Quellen voraus, weshalb (Meinungs-)Vielfalt die zentrale Norm der Medienpolitik demokratischer Staaten ist. Medienkonzentration führt zu einer Ballung von wirtschaftlicher, publizistischer und gesellschaftlicher Macht in immer weniger Händen und wird daher als Bedrohung der Vielfalt und folglich der Funktionsfähigkeit der Demokratie gesehen (McQuail 1992: 125; Heinrich 2001: 124; Röper 2005: 237; Meier/Trappel 2006: 41; Puppis 2007: 275). Konzentrationsprozesse sind stets das Ergebnis eines ökonomischen Wettbewerbs um niedrigere Kosten. Zwei Charakteristika des Medienmarktes führen jedoch zu besonders starken Monopolisierungstendenzen: Erstens zeichnet sich die Medienproduktion durch eine potenziell unendliche Fixkostendegression aus. Die Fixkosten, die unabhängig von der produzierten Menge entstehen (z. B. Redaktionskosten), machen einen hohen Anteil der Gesamtkosten aus. Mit 64 Beides – eine zunehmende Pressekonzentration und ein steigender Einfluss der Boulevardmedien – sind Indikatoren einer zunehmenden Kommerzialisierung und deuten auf eine wachsende Kopplung an die Marktlogik hin (Udris/Lucht 2009: 25).

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steigender Verbreitung bzw. zunehmenden Nutzerzahl sinken daher die Fixkosten pro Exemplar (Kruse 1996: 34). Zweitens produzieren Massenmedien für zwei Märkte, den Rezipienten- und den Werbemarkt, die in einem sich wechselseitig verstärkenden Prozess eng miteinander verknüpft sind: Je höher die Reichweite eines Mediums, desto höher sind seine Werbeeinnahmen, die wiederum die Reichweiten steigern (Anzeigen-Auflagen-Spirale) (Puppis 2006b: 206; Heinrich 2001: 128-134; Grisold 1998: 131-132).65 Ursachen und Folgen von Medienkonzentration fallen oft zusammen und sind nur schwer zu differenzieren. „Man kann indes pauschal die erhofften einzelwirtschaftlichen Vorteile der Medienkonzentration als Ursachen und die eher gesamtgesellschaftlichen Wirkungen als Folgen bezeichnen.“ (Heinrich 2001: 128). Im Kleinstaat Österreich mit seinem begrenzten Medienangebot wiegen die negativen Folgen für Demokratie und Gesellschaft ungleich schwerer als in Deutschland. Zum Beispiel nehmen immer weniger Medien immer mehr Einfluss auf politische Entscheidungen und Prozesse. Journalisten in konzentrierten Märkten sind abhängiger von ihren Unternehmen, weil es weniger alternative Arbeitgeber gibt. Und aus Sicht der Rezipienten kann Medienkonzentration eine geringere Auswahl an potenziellen Inhalten bedeuten (Meier/Trappel 2006: 42-43), vor allem in der lokalen Berichterstattung und Kommentierung. Überregional dagegen ist Vielfalt auch durch die unterschiedlichen Mediengattungen gewährleistet (Wilke 2009a: 464). Die Ansichten über den Zusammenhang zwischen struktureller und inhaltlicher Vielfalt sind geteilt. Zwar ist unstrittig, dass ökonomischer Wettbewerb allein keine publizistische Vielfalt garantiert (Weber 1992: 255). Unklar ist aber, ob und inwiefern strukturelle Konzentration die inhaltliche Vielfalt und Qualität beeinträchtigt (Stark 2008: 196; Heinrich 2001: 25; Stöber 2003: 322).66 Dafür spricht, dass mit dem Wegfall der Konkurrenz Anreize fehlen, weiterhin ein attraktives publizistisches Angebot zu bieten. Allerdings fallen der Konzentration vor allem Zeitungen mit einer relativ schwachen journalistischen Leistung zum Opfer. Und weil sie außerdem den Wert jedes einzelnen Lesers steigert, bietet sie andererseits eigentlich gerade einen Anreiz für ein attraktives Angebot (Heinrich/Lobigs 2006: 206). Inhaltsanalysen belegen den oft unterstellten „monokausalen Einfluss der Marktstruktur auf die publizistische Vielfalt“ (Puppis 2006b: 205) jedenfalls nicht immer (Heinrich 2001: 147).

65 Zu weiteren, nicht medienspezifischen Konzentrationsursachen siehe Heinrich (2001: 135-136). 66 Die Zusammenhänge zwischen publizistischer und ökonomischer Konzentration sind vielfältiger als oft angenommen. Beispielsweise kann publizistische Konzentration auch dazu dienen, die Selbständigkeit eines Verlages zu sichern und auf diese Weise ökonomischer Konzentration entgegenwirken, also Vielfalt zu sichern. Andererseits können vordergründig publizistisch selbständige Redaktionen darüber hinwegtäuschen, dass diese ökonomisch vom selben Verlag abhängig sind (Melischek/Seethaler 1999: 99).

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Inwieweit ein solcher Zusammenhang in den deutschen und österreichischen Tageszeitungen festzustellen ist, wird in der Inhaltsanalyse der Wahlkampfberichterstattung untersucht. Gerade auf extern pluralistischen Zeitungsmärken wie den hier betrachteten erscheint strukturelle Vielfalt als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für inhaltliche Pluralität. Das folgende Kapitel untersucht dazu die Konzentrationsentwicklungen auf beiden nationalen Tageszeitungsmärkten.67 Betrachtet werden zwei Konzentrationsformen: (1) Die publizistische (meist redaktionelle) Konzentration besteht in einer Einschränkung des Angebots, das heißt einer sinkenden Zahl publizistischer Einheiten (PE). Darunter versteht man alle Zeitungen mit identischem Zeitungsmantel (dem aktuellen politischen Teil, meist zumindest Seite 1 und 2), unabhängig davon, ob der restliche Inhalt übereinstimmt oder ob der Mantel unter verschiedenen Titeln erscheint (Schütz 2005: 21-22).68 (2) Die ökonomische Konzentration (Verlagskonzentration) manifestiert sich in einer sinkenden Anbieterzahl (hier: Verlage als wirtschaftliche Einheiten). 69 Beide Konzentrationsformen können, müssen aber nicht verbunden sein (Melischek/Seethaler 1999: 99; Röper 2005: 237). Untersucht wird im Folgenden die relative Konzentration. Darunter versteht man, dass immer höhere Anteile (hier: der Gesamtauflage) auf immer weniger selbständige Einheiten entfallen (hier: Auflagenkonzentration auf dem Tageszeitungsmarkt) (Melischek/Seethaler 1999: 100; Stöber 2003: 321; Tonnemacher 2003: 126).70 Gemessen wird die relative Konzentration mittels der Konzentrationsrate (concentration ratio C), der „Summe der Merkmalsanteile der j Merkmalsträger mit den größten Anteilen“ (Melischek/Seethaler 1999: 107), wobei j für eine beliebige Anzahl der größten Merkmalsträger steht – hier für die größten vier: Betrachtet werden im Folgenden die C4-Werte, die gemeinsamen Marktanteile der jeweils vier auflagenstärksten PE bzw. Verlage an der Gesamtauflage.71 Je höher der C4-Wert, desto stärker ist die relative Konzentration. Einschränkend ist anzumerken, dass das zugrunde liegende Datenmaterial nicht in allen Fällen für den gesamten Untersuchungszeitraum verfügbar und zum Teil zwischen den Ländern nicht uneingeschränkt vergleichbar ist: Die publizis67 Betrachtet wird hier nur die horizontale Konzentration, das heißt die auf derselben Produktionsstufe. Zu anderen Konzentrationsformen siehe Puppis (2007: 78-79). 68 Für einen Überblick über alle hier verwendeten Maßzahlen siehe Tabelle A2 im Anhang. 69 Zu einer wirtschaftlichen Einheit werden Verlage zusammengefasst, die über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 25 Prozent verbunden sind, um die Anzahl der verlegerisch selbständigen Anbieter möglichst unverzerrt bestimmen zu können (Röper 2008: 424-425; Melischek/Seethaler 1999: 104). 70 Davon zu unterscheiden ist die absolute Konzentration. Sie bezieht sich auf die Anzahl selbständiger Einheiten, die sich durch Zusammenschlüsse (z. B. von Verlagen) verringert. Die absolute publizistische Konzentration steigt sowohl in Deutschland als auch in Österreich seit den 1950er Jahren in ähnlicher Weise erkennbar an (Tabelle A2 im Anhang). 71 Die vier größten PE variieren über den Untersuchungszeitraum hinweg, das heißt es werden nicht immer dieselben PE in die Berechnung einbezogen, sondern in jedem Untersuchungsjahr die vier zu diesem Zeitpunkt jeweils auflagenstärksten.

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tische Konzentration wird üblicherweise auf Basis der verkauften Auflage betrachtet. Für Deutschland wird diese seit 1949 durch die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) erfasst. Für Österreich dagegen erhebt die Österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK) die entsprechenden Daten erst seit 2002, davor ist nur die (höhere) Druckauflage bekannt.72 Daten zur ökonomischen Konzentration liegen für Österreich in regelmäßigen Abständen ab 1952 vor (Melischek/Seethaler/Skodacsek 2004; Melischek/Oggolder/Seethaler 2009), für Deutschland erst ab den 1980er Jahren (Röper 2008). Entsprechend vorsichtig müssen die Ergebnisse beim Ländervergleich interpretiert werden. Sowohl die Deutschen als auch die Österreicher gelten als Volk von Zeitungslesern. Im internationalen Vergleich war und ist die Gesamtauflage der Tageszeitungen wie in fast allen Ländern des demokratisch-korporatistischen Modells hoch. Sie entwickelte sich in beiden Ländern langfristig ähnlich (Tabelle A2 im Anhang): Bis zu den 1980er Jahren stieg sie kontinuierlich an, stagnierte dann bis Ende der 1980er Jahre und ist seitdem im Sinken begriffen. Gründe dafür sind die Konkurrenz durch neue Medien (vor allem Privatfernsehen und Internet) und veränderte Nutzungsgewohnheiten des Publikums. Insbesondere die jüngeren Rezipienten lesen immer seltener Tageszeitungen (Kolo/MeyerLucht 2007; Stark/Karmasin 2009; Wilke 2009a: 427). In Deutschland stieg die Gesamtauflage infolge der Wiedervereinigung 1990 kurzzeitig stark an, aber sehr rasch setzte wieder ein Titelschwund ein (Wilke 1999c: 20; Pürer/Raabe 2007: 211-269). In Österreich wurde das Absinken der Gesamtauflage nur vorübergehend durch die neue Tageszeitung täglich Alles (1992-2000) unterbrochen (Melischek/Seethaler/Skodacsek 2004: 300). Der Konzentrationsgrad beider Tageszeitungsmärkte unterscheidet sich hingegen stark. Nach der Aufhebung des Lizenzzwangs (1949 bzw. 1955) hatte es in beiden Ländern einen erbitterten Wettbewerb gegeben, in dem sich die früheren Lizenzzeitungen durchsetzen konnten (Schütz 1999: 110-111). Bis zur ersten Hälfte der 1950er Jahre hatte sich die Situation aber wieder normalisiert. Danach vollzogen sich zwar auf beiden Märkten Konzentrationsprozesse, ihr Ausmaß differierte aber deutlich. In Deutschland sank die Anzahl der PE zwischen 1954 und 1976, was sich auf das publizistische Angebot jedoch eher positiv auswirkte, denn betroffen waren vor allem kleine Lokalzeitungen mit einer relativ schwachen journalistischen Leistung. Größere und leistungsfähigere Zeitungen überlebten und konnten ihr Angebot verbessern (Noelle-Neumann 1968; Wilke 2009a: 464; Schütz 1999: 116). In Österreich hingegen trafen in einem Umstrukturierungs- und Konzentrationsprozess ab den 1950er Jahren zwei gegenläufige Entwicklungen zusammen: 72 Den folgenden Berechnungen zur publizistischen Konzentration liegen für Deutschland die Arbeiten von Schütz (2005), für Österreich die Arbeiten von Melischek, Seethaler und Skodacsek (2004) bzw. Melischek, Oggolder und Seethaler (2009) zugrunde, die auf den Daten der IVW bzw. der ÖAK basieren.

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Einerseits die ökonomisch begründete Umwandlung von Parteizeitungen der Bundesländer in Ausgaben der Wiener „Zentralorgane“, andererseits die Gründung neuer Ausgaben der Wiener Parteizeitungen in den Bundesländern. Vom Ende der 1960er bis zum Ende der 1970er Jahre wurden weitere Zeitungen eingestellt, betroffen waren jetzt aber zentrale Parteiorgane, was die Parteipresse entscheidend schwächte (Melischek/Seethaler 1999: 115-118). Nach einer Konsolidierung bis Mitte der 1980er Jahre folgten weitere tiefgreifende Umbrüche: Zwischen 1987 und 1995 mussten fast alle Parteizeitungen endgültig eingestellt werden, trotz einiger Versuche, sie in konkurrenzfähige unabhängige Tageszeitungen umzuwandeln (z. B. bei der AZ). Andererseits gab es aber mehrere (vorübergehend oder dauerhaft) erfolgreiche Zeitungsneugründungen, z. B. Standard (1988), täglich Alles (1992), WirtschaftsBlatt (1995) und Österreich (2006) (Pürer 1996; Steinmaurer 2003a: 351). Abbildung 11 veranschaulicht, um wie viel konzentrierter der österreichische Zeitungsmarkt sowohl publizistisch als auch ökonomisch im Vergleich zum deutschen ist: In Deutschland stieg der gemeinsame Marktanteil der vier größten PE zwar zunächst zwischen 1954 (C4 = 0,18) und 1976 (0,32) an, sank dann aber langfristig wieder etwas. Das bedeutet, dass sie im gesamten Betrachtungszeitraum höchstens 32 Prozent der Gesamtauflage auf sich vereinten. Auf die Tageszeitungen der vier größten deutschen Verlagsgruppen entfielen seit Beginn der Messungen weitgehend konstant rund 40 Prozent der Gesamtauflage. So hoch war die Konzentrationsrate in Österreich schon in den 1950er Jahren, und sie erhöhte sich seitdem fast kontinuierlich bis auf ihr bisheriges Maximum von 77 Prozent (2005). Die vier auflagenstärksten PE erreichten schon 1952 einen gemeinsamen Marktanteil von 40 Prozent (C4 = 0,40), und er stieg bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts fast kontinuierlich auf sein Maximum von 77 Prozent (2004). Insbesondere die Wellen von Zeitungseinstellungen in den 1960er und 1970er Jahren haben offensichtlich – anders als in Deutschland – nicht nur die absolute, sondern auch die relative publizistische Konzentration auf dem österreichischen Tageszeitungsmarkt verschärft. Denn mit dem Wegfall einzelner Titel konzentrierte sich die Auflage zunehmend auf bestimmte verbleibende Zeitungen, vor allem auf die Krone (Melischek/Seethaler/Skodacsek 2004: 299; Plasser/Ulram 2004: 46).

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Abbildung 11: Pressekonzentration in Deutschland und Österreich

Quelle: Schütz (2005); Röper (1987; 1997; 2008); Melischek/Seethaler/Skodacsek (2004); Melischek/Oggolder/Seethaler (2009). Eigene Berechnungen. Die Berechnungen für Deutschland (verkaufte Auflage) beruhen bis 1989 auf Gebiet und Bevölkerung der alten Bundesländer, ab 1990 auf Gebiet und Bevölkerung Gesamtdeutschlands. Die Berechnungen für Österreich beruhen bis 2000 auf der Druckauflage, ab 2001 auf der verkauften Auflage.

Ein enormer ökonomischer Konzentrationsschub vollzog sich Ende der 1980er Jahre, als sich zunehmend ausländische – vorwiegend deutsche – Medienunternehmen an österreichischen Tageszeitungen beteiligten, was durch die Medienpolitik nicht verhindert wurde. Den Anfang machte der WAZ-Mediengruppe mit je 45-prozentigen Beteiligungen an Krone und Kurier (1987) und der darauffolgenden Gründung der Mediaprint als größtem österreichischem Printmedienverbund (Seethaler 2005: 3; Seethaler/Melischek 2006). Schon bei der ersten Messung nach ihrer Gründung (1991) entfielen allein auf sie fast 60 Prozent der Gesamtauflage aller Tageszeitungen (C1 = 0,58), auf die vier größten Verlagsgruppen zusammen 80 Prozent (C4 = 0,80). Um die Jahrtausendwende stieg dieser Wert sogar noch weiter. Damit ist der gemeinsame Marktanteil der vier größten Verlagsgruppen in Österreich seit den 1990er Jahren mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Inwiefern die problematische Konzentrationssituation Auswirkungen auf das inhaltliche Angebot der Tageszeitungen hat, wird in der Inhaltsanalyse der Wahlkampfberichterstattung untersucht.73 73 Berechnet man die Konzentrationsrate auf Basis der überregionalen Tageszeitungen, ist die Pressekonzentration aufgrund der geringen Zahl solcher Blätter in beiden Ländern etwa gleich hoch – in Deutschland tendenziell sogar etwas höher.

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4.2.4 Politischer Parallelismus Das zweite Vergleichskriterium für das deutsche und das österreichische Mediensystem ist ihr politischer Parallelismus (political parallelism), „the extent to which the media system reflects the major political divisions in society“ (Hallin/Mancini 2004: 21). Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des press-party parallelism, dem Ausmaß, in dem die politischen Strukturen des Mediensystems parallel zu denen des Parteiensystems verlaufen (Seymour-Ure 1974). Seine extremste Form sind organisatorische Verbindungen zwischen Medien und politischen Akteuren wie bei Parteizeitungen, die darauf verweisen, dass die Entstehungsgeschichten von politischen Parteien und Presse in vielen Ländern Europas eng miteinander verbunden waren (Seymour-Ure 1974: 159). Im Lauf des 20. Jahrhunderts haben sich die Eins-zu-Eins-Verknüpfungen zwischen Medien und politischen Parteien sukzessive gelockert und sind zu Ausnahmen geworden. Eine ideologische Nähe zwischen beiden kommt meist nur noch in den redaktionellen Linien z. B. der Richtungszeitungen zum Ausdruck (Hallin/Mancini 2004: 27; van Kempen 2007: 303; Patterson/Donsbach 1993; Kapitel 4.2.3.1). Darum sprechen Hallin und Mancini (2004) allgemeiner von politischem Parallelismus. Ihr Vergleich von Mediensystemen zeigt, dass dieser in den liberalen, stark informationsjournalistisch geprägten Ländern kaum, in den polarisiert-pluralistischen Ländern dagegen besonders stark ausgeprägt ist. Die demokratisch-korporatistischen Länder nehmen eine Mittelposition ein. Allerdings differenzieren die Autoren innerhalb der drei Ländergruppen nur unzureichend, obwohl der politische Parallelismus auch in den Ländern desselben Modells und sogar innerhalb jedes einzelnen Landes zu verschiedenen Zeitpunkten variieren dürfte (van Kempen 2007: 304). Ob und wie stark er sich zwischen dem deutschen und dem österreichischen Pressesystem unterscheidet, wird im Folgenden untersucht. Der politische Parallelismus kann auf vier Ebenen untersucht werden: Auf Ebene (1) der Medieninhalte (Nah/Oh/Yoon 2009; Berkel 2008), (2) der Besitzstrukturen der Medien (Udris/Lucht 2009), (3) der Einstellungen von Journalisten, Medieneigentümern und Managern (Patterson/Donsbach 1993) und (4) der Parteilichkeit der Rezipienten (van Kempen 2006; van Kempen 2007).74 Die vorliegende Studie setzt auf der ersten und zweiten Ebene an und untersucht den Zusammenhang zwischen beiden. Wahlkämpfe bieten sich als Untersuchungsgegenstand für diese Fragestellung besonders an, weil währenddessen die ideologischen Positionen der Tageszeitungen besonders klar erkennbar sein dürften. Geprägt werden sie durch die Besitzstrukturen, die sich zwischen Deutschland und Österreich deutlich unterscheiden. 74 Auf Basis von Bevölkerungsbefragungen kam van Kempen (2007) im Vergleich zwischen 15 europäischen Ländern zu dem Ergebnis, dass der media-party parallelism in Deutschland insgesamt am niedrigsten ist. Österreich liegt im Mittelfeld, aber immer noch deutlich unter dem „Spitzenreiter“ Griechenland.

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Gemäß dem neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit und dem Konzept der Medien als intermediäre Akteure verlieren öffentlich-rechtliche (z. B. Träger eines Amtsblatts) und intermediäre Anbieter (z. B. Parteien, Kirchen, Genossenschaften) im Zuge der funktionalen Differenzierung als Medieneigentümer zunehmend an Bedeutung, während ökonomische Anbieter (Medienorganisationen) immer wichtiger werden. Udris und Lucht (2009: 23) belegten eine solche Entkopplung für Deutschland und Österreich zwischen 1960 und 2005 (Abbildung 12) und führten sie auf drei Gründe zurück: (1) Im Lauf der Zeit haben immer mehr Medienanbieter ihre intermediären Bindungen abgelegt und sind zu rein ökonomischen (Medien-)Organisationen geworden. (2) Der Auflagenanteil der intermediär gebundenen Titel hat sich drastisch zugunsten der Medienangebote ohne solche Bindungen verringert. (3) Immer mehr intermediär gebundene Printmedien mussten aus ökonomischen Gründen ihr Erscheinen einstellen, z. B. die österreichischen Parteizeitungen (Kapitel 4.3.2.2).75 Abbildung 12: Rolle intermediärer Presseanbieter in Deutschland und Österreich

Quelle: Udris/Lucht (2009: 24). Basis: 30 auflagenstärkste Zeitungen und Magazine mit politischem Fokus in Deutschland und Österreich.

Im Zeit- und Ländervergleich wird zweierlei deutlich: Erstens ist der politische Parallelismus in Deutschland, wo es mittlerweile fast ausschließlich ökonomische Anbieter gibt, insgesamt viel schwächer ausgeprägt als in Österreich. Auch dort haben zwar die intermediären Presseanbieter seit 1945 zunehmend an Bedeutung verloren. Doch die Parteipresse wurde im europäischen Vergleich erst relativ spät 75 Die Zuordnung der Printmedien zu den drei Anbieterarten erfolgte auf Basis ihres deklarierten Selbstbildes, organisatorischer Verknüpfungen und der Form der hinter dem jeweiligen Medium stehenden Organisation.

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vom österreichischen Markt verdrängt (Melischek/Seethaler 1999: 118-119; Trappel 2004: 5). Noch heute befindet sich die Styria Medien AG – die zweitgrößte österreichische Verlagsgruppe und seit 1991 (Mit-)Eigentümer der Presse – im Besitz eines intermediären Anbieters, des Katholischen Medienvereins der Diözese Graz (Udris/Lucht 2009: 25).76 Zweitens setzte der Differenzierungsprozess in Österreich später ein als in Deutschland, wo sich schon früh ein vielfältiges und finanzstarkes Pressewesen ausbilden konnte. Als aber die Spaltung der österreichischen Gesellschaft langsam nachließ, verlief die Entkopplung von den intermediären Anbietern viel rascher als in Deutschland.

4.2.5 Rolle und Verbreitung des Fernsehens Bisher wurden ausschließlich Variablen der Pressesysteme betrachtet, weil für Inhalte und Gestalt der Wahlkampfberichterstattung von Tageszeitungen von 1949 bis 2006 vor allem sie relevant sind. Nicht ganz vernachlässigt werden darf allerdings die Rolle und Verbreitung des Fernsehens, das in den oben beschriebenen Ansätzen zum Wandel von Politik- und Wahlkampfberichterstattung als Motor einiger Entwicklungen (z. B. Personalisierung und Negativität) gesehen wird. Auf die für die Berichterstattung der Tageszeitungen wichtigsten Eckdaten geht das folgende Kapitel kurz ein. Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) startete am 1. November 1954 mit ihrem Gemeinschaftsprogramm, ein zweites öffentlich-rechtliches Programm folgte mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) 1963 (Diller 1999: 150, 155). Der Österreichische Rundfunk (ORF) ging am 1. August 1955 auf Sendung, ein zweites Fernsehprogramm gibt es mit dem ORF 2 seit 1961 (Steinmaurer 2002: 32-33). In beiden Ländern breitete sich das neue Medium rasch in der Bevölkerung aus, in Österreich allerdings etwas zeitverzögert und weniger stark als in Deutschland (Abbildung 13). Für eine insgesamt geringere Bedeutung des Fernsehens in Österreich spricht auch die kürzere durchschnittliche Fernsehnutzungsdauer pro Tag: 2007 betrug sie in Österreich 157 Minuten, in Deutschland dagegen 223 Minuten (ORF Medienforschung 2008). Ein weiterer Länderunterschied ist die frühere Dualisierung des Rundfunksystems in Deutschland: Privatfernsehen wurde dort schon 1984/85 eingeführt, in Österreich erst 2001 (Steinmetz 1999; Steinmaurer 2009: 147). Das Monopol des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurde in Österreich damit im internationalen Vergleich deutlich verspätet gebrochen. Doch nicht nur deshalb ist die Anzahl privater Fernsehanbieter in Österreich viel geringer als in Deutschland, sondern auch aufgrund der vergleichsweise geringen Zuschauerzahl, die es den 76 Gründe für das allmähliche Verschwinden der Parteipresse waren neben der gesellschaftlichen Modernisierung ein mangelndes Verständnis der Parteien für Journalisten und Medien sowie Managementfehler (Fabris 1991: 4; Bruck/Melcher-Smejkal 1993: 64; Pürer 1990: 4-5).

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ausschließlich werbefinanzierten Privatsendern erschwert, eine hinreichende ökonomische Basis zu erreichen. Das Privatfernsehen gilt als Einflussfaktor darauf, inwiefern Tageszeitungen boulevardeske Strategien verfolgen. Demzufolge wären Unterschiede für die Wahlkampfberichterstattung der Zeitungen aus beiden Ländern zu erwarten. Zu erwähnen ist in diesem Kontext allerdings auch, dass sich der ORF 1 seit Anfang der 1990er Jahre stark am Privatfernsehen orientiert, eine Reaktion auf die damalige Erhöhung des Anteils der Kabel- und Satellitenhaushalte in Österreich und darauf, dass ausländische, deutschsprachige Programme Marktanteile gewannen (Steininger/Woelke 2008: 189). Abbildung 13: Verbreitung des Fernsehens in Deutschland und Österreich

Quelle: GEZ (Auskunft per E-Mail von Frau Nicole Hurst vom 6.9.2010); IP Deutschland (1999: 49); Österreichisches Statistisches Zentralamt (1995); Statistik Austria.

Für die Wahlkampfberichterstattung der Tageszeitungen ist noch ein weiterer Unterschied relevant: Reinemann und Wilke (2007) stellten in den deutschen Tageszeitungen Veränderungen durch die Einführung von Fernsehduellen zwischen den Kanzlerkandidaten im Wahlkampf 2002 fest. Zwar hatte es von 1972 bis 1987 schon die sogenannten „Elefantenrunden“ gegeben, in denen die Spitzenkandidaten aller Bundestagsparteien aufeinandertrafen. Die TV-Duelle seit 2002 konzentrieren sich aber allein auf die Kanzlerkandidaten der beiden großen Parteien, die im Mittelpunkt der vorliegenden Inhaltsanalyse stehen, und die deshalb für die Wahlkampfberichterstattung der Tageszeitungen besonders relevant sind. In Österreich gibt es diese Zweierkonfrontationen schon seit 1970. Sukzessive wurden sie um die Spitzenkandidaten der anderen Nationalratspar102

teien erweitert und 1994 zahlenmäßig stark ausgeweitet (Melischek 2008). Inwiefern das einen Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung der Tageszeitungen hatte, wird in der Inhaltsanalyse untersucht.

4.2.6 Zwischenfazit Tabelle 3 fasst die Ergebnisse des Vergleichs der Medien- bzw. Pressesysteme Deutschlands und Österreichs zusammen. Wichtige Unterschiede, die sich erkennbar auf die Medienstrukturen (und über diese vermittelt vermutlich auf die Berichterstattung) auswirken, bestehen hinsichtlich der Pressepolitik: Konzentrationsregulierende Maßnahmen in Österreich erfolgten hauptsächlich reaktiv, weshalb es im Unterschied zu Deutschland kaum gelungen ist, wirksam gegen die Pressekonzentration vorzugehen. Diese ist daher in Österreich sowohl publizistisch als auch ökonomisch sehr viel weiter vorangeschritten als in Deutschland. Gerade für einen so kleinen Markt wie den österreichischen, der Konzentrationsprozesse ohnehin begünstigt, ist das demokratiepolitisch äußerst bedenklich. Damit hängt auch die Dominanz des österreichischen Marktes durch die Boulevardpresse zusammen, allen voran die der Krone, welche die Konzentration vorantrieb und von ihr profitierte. Die Qualitätszeitungen haben in Österreich im Unterschied zu Deutschland keine starke Tradition. Auch kam der Parteipresse sowie Zeitungen sonstiger intermediärer Anbieter in Österreich nach 1945 ein deutlich höherer Stellenwert zu als in Deutschland, und der politische Parallelismus ist hier nach wie vor stärker ausgeprägt. Tabelle 3a: Die Mediensysteme Deutschlands und Österreichs im Überblick Vergleichskriterium Deutschland I. Rolle des Staates in Bezug auf die Medien Pressepolitik Zurückhaltende Regulierung allgemein Bewusster Politikverzicht Öffentliches und politisches Bewusstsein für Problematik der Pressekonzentration schon seit den 1960er Jahren Wettbewerbspolitische Regulierung

Pressespezifische Konzentrationskontrolle seit 1976; präventive Wirkung

Medienpolitische Regulierung

Sehr zurückhaltende, rein indirekte, vorwiegend allgemeine Presseförderungsmaßnahmen

Österreich Kaum vorhandene Regulierung Pressepolitik hauptsächlich reaktiv, oft zu spätes Eingreifen Fehlendes öffentliches und politisches Bewusstsein für Problematik der Pressekonzentration Pressespezifisches Kartellrecht erst seit 1993 (verspätete Einführung); kaum präventive Wirkung Sowohl indirekte als auch direkte, allgemeine Presseförderung; konnte aber die Pressekonzentration nicht wirksam aufhalten

103

Tabelle 3b: Die Mediensysteme Deutschlands und Österreichs im Überblick Vergleichskriterium Deutschland II. Entwicklung der Tageszeitungsmärkte Zeitungstypologie Verbreitungsgebiet Föderalistische Struktur (Dominanz von Lokal- und Regionalzeitungen) Vertriebsform Journalistisch-redaktionelles Konzept Politische Ausrichtung/Bindung Pressekonzentration Relative publizistische Konzentration

Relativ zentralistische Struktur (Nebeneinander von überregionalen und Bundesländerzeitungen) Überwiegend Abonnementzeitungen Marktbeherrschende BouleBild als einzige überregional vardpresse bedeutsame Boulevardzeitung Krone als Leitmedium Qualitätszeitungen als Leitmedien Allmählicher BedeutungsSeit 1945 Dominanz unabhänverlust der Parteipresse nach giger Zeitungen, allerdings be1945; Parteirichtungszeitundeutende Parteirichtungszeitungen weniger stark gen Bis Mitte der 1960er Jahre mäßiger Anstieg, seitdem weitgehende Konstanz Insgesamt mäßiges Niveau

Relative ökonomische Konzentration

III. Politischer Parallelismus Rolle intermediärer Presseanbieter

Seit Mitte der 1980er Jahre weitgehend konstant auf moderatem Niveau

Seit 1945 sinkende Bedeutung

Mittlerweile fast ausschließlich ökonomische Anbieter IV. Rolle und Verbreitung des Fernsehens Verbreitung des Seit dem Start 1952 zunehmende Fernsehens Ausbreitung Privatfernsehen Dualisierung des Fernsehens 1984/85; zahlreiche private Fernsehsender Fernsehduelle „Elefantenrunden“ 1972 bis 1987; Zweierduelle seit 2002

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Österreich

Starker Anstieg bis Anfang der 1970er Jahre, seitdem weiterer mäßiger Anstieg, bedingt vor allem durch steigende Marktmacht der Krone Insgesamt hohes Niveau Fast kontinuierlicher Anstieg, insgesamt sehr hohes Niveau, bedingt vor allem durch steigende Marktmacht der Mediaprint Später, aber rascher einsetzender Differenzierungsprozess, Parteipresse relativ lange bedeutsam Im internationalen Vergleich immer noch relativ hoher Anteil intermediärer Anbieter Seit dem Start 1955 zunehmende Ausbreitung Dualisierung des Fernsehens erst verspätet 2001; kaum private Fernsehsender Zweierduelle seit 1970; sukzessive Ausweitung auf andere Spitzenkandidaten und „Elefantenrunden“

4.3 Journalistische Systeme Das dritte gesellschaftliche Teilsystem, das auf die Wahlkampfberichterstattung Einfluss nimmt, ist das journalistische System.77 Im Unterschied zum Mediensystem, bei dem es um die Medien auf der Makroebene geht, befasst sich das folgende Kapitel mit der Meso- und Mikroebene der Medienproduktion. Näher betrachtet werden dazu der journalistische Professionalisierungsprozess im 19. Jahrhundert, der das anschließend dargestellte Rollenselbstverständnis deutscher und österreichischer Journalisten bis heute prägt, die journalistische Ausbildung und Selbstregulierung und die journalistischen Qualitätsnormen Vielfalt, Transparenz und Unparteilichkeit, die auch für die Wahlkampfberichterstattung gelten sollten.

4.3.1 Entwicklung des Journalismus im 19. Jahrhundert „Wie wenige andere Berufe ist der Journalismus ein Produkt seiner Zeit, über die zu berichten seine Aufgabe ist.“ (Donsbach 1999: 490) Vor allem politische und soziale Umbrüche und Entwicklungen des Mediensystems prägen die Strukturen des Berufs und das Selbstverständnis der Berufsvertreter langfristig (Wilke 1993). Im deutschsprachigen Journalismus wirken die Entwicklungen im 19. Jahrhundert bis heute nach, die somit auch für die Wahlkampfberichterstattung ab 1949 relevant sind (Requate 2002: 453; Donsbach 1999: 490; Hallin/Mancini 2004). Wenngleich journalistische Funktionen schon seit den Anfängen der gedruckten Presse und sogar davor von den „Zeitungsmachern“ ausgeübt wurden, professionalisierte sich der Journalismus im deutschen Sprachraum erst im 19. Jahrhundert. Er wurde zum „Hauptberuf mit bestimmten Funktionen, Rollen und Merkmalen“ (Wilke 2000: 292). Korrespondierende, redigierende und schriftstellerische Leistungen der Journalisten wurden erst jetzt in der redaktionellen Funktion zusammengeführt. Die Verberuflichung zeigt sich an drei Indizien: An einer Zunahme hauptberuflicher Journalisten, an der Ausbreitung journalistischer Berufsorganisationen und an einem gewandelten Selbstverständnis (Wilke 2000: 291-296; Pürer/Raabe 2002: 412-414; Requate 1995: 137-138). Eine Profession gemäß der berufssoziologischen Definition ist der Journalismus allerdings bis 77 Weder in Deutschland noch in Österreich ist die Berufsbezeichnung „Journalist“ geschützt. Aus historischen und verfassungsrechtlichen Gründen gibt es keine formalen Zugehörigkeitsvoraussetzungen, -merkmale und -pflichten (Donsbach 1999: 489; Kaltenbrunner et al. 2007: 11). In Österreich ist eine formale Abgrenzung ansatzweise auf Basis des Journalistengesetzes von 1920 möglich, in Deutschland haben die Strukturdefinitionen im Berufsbild des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) zumindest eine starke normative Kraft (Kraus 2009: 241; Donsbach 1999: 489-490). Auf unterschiedliche wissenschaftliche Definitionsversuche von Journalismus kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, siehe dazu z. B. Donsbach (2009: 82-85) sowie Scholl und Weischenberg (1998: 4.2 31-35).

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heute nicht, weil er dafür bestimmte Voraussetzungen (vor allem geregelter Berufszugang, Ausbildung, Kompetenz, Standesethik) nicht (hinreichend) erfüllt (Kepplinger/Vohl 1976; Scholl/Weischenberg 1998: 44). Für die Wahlkampfberichterstattung nach 1945 ist vor allem das berufliche Selbstverständnis im deutschen Sprachraum bedeutsam. Der Professionalisierungsprozess verlief im heutigen Deutschland und Österreich aufgrund der weitgehend übereinstimmenden politischen Rahmenbedingungen – der Zugehörigkeit zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (bis 1806) und zum Deutschen Bund (1815 bis 1866) – sehr ähnlich.78 In der Genese des neuzeitlichen Zeitungswesens kam den deutschsprachigen Ländern zunächst eine führende Rolle zu. Dann aber hemmten politische (fehlende Pressefreiheit) und ökonomische Restriktionen (staatliches Anzeigenmonopol, Kautionspflicht, Stempelsteuer) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die weitere Entwicklung von Presse und Journalismus (Wilke 2000: 155). In Analogie zur „verspäteten Nation“ Deutschland kann daher von einer „verspätete[n] Modernisierung“ (Wilke 2009b: 388) des Journalismus gesprochen werden (Donsbach 1999: 490; Donsbach 2009: 85-88).79 Die Pressefreiheit wurde im deutschen Sprachraum verglichen mit anderen Ländern wie England, USA oder Frankreich erst sehr spät eingeführt – in Österreich mit dem Staatsgrundgesetz (1867), in Deutschland mit dem Reichspressegesetz (1871) (Pürer/Raabe 2007: 63; Wilke 2000: 254; Seethaler/Melischek 2008: 331).80 Erst dadurch waren eine freie Meinungsentfaltung und die Entstehung einer Gesinnungspresse möglich. Dass man so lange darum hatte kämpfen müssen, erklärt den bis heute hohen Stellenwert des Meinungsjournalismus. Doch auch danach wurde die Pressefreiheit immer wieder eingeschränkt und der Journalismus für politische Zwecke instrumentalisiert, im Kaiserreich, in der Weimarer bzw. Ersten Republik, im österreichischen Ständestaat und im Nationalsozialismus. Endgültig durchgesetzt wurde die Pressefreiheit erst mit dem Ende des Lizenzzwangs 1949 bzw. 1955 (Donsbach 1999: 492; Donsbach 2009: 86; Pürer/Raabe 2007: 59).

78 Generelle Aussagen über den deutschen Journalismus als national homogenen Typus sind schwer zu treffen aufgrund des großen Spektrums unterschiedlicher Blätter, der stark regional und lokal geprägten Zeitungslandschaft und der kleinräumigen Absatzstruktur. Daher sollte von Journalismus in Deutschland gesprochen werden (Wilke 2009b: 388). 79 Nach Wilke (2000) kann die deutschsprachige Kommunikationsgeschichte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts entsprechend der politischen Machtverhältnisse in vier Phasen unterteilt werden: (1) Vom Anfang des Jahrhunderts bis zu den Karlsbader Beschlüssen (1819), (2) die Zeit des Vormärz (1819-48), (3) von der Märzrevolution bis zur Reichsgründung (1848-71) und (4) das Kaiserreich (1871-1918). Für Österreich gelten die ersten drei Phasen analog, die vierte kann als Phase der österreichisch-ungarischen Monarchie (1867 bis 1918) bezeichnet werden. 80 In Österreich führte schon das vergleichsweise liberale Pressegesetz von 1862 zu einer „Blütezeit der politischen Presse“ (Seethaler/Melischek 2008: 319).

106

Die wachsende Rolle von öffentlicher Kommunikation und Presse während der Aufklärung und der damit verbundenen politischen Umbrüche veränderte das journalistische Selbstverständnis nachhaltig. Bis zum späten 18. Jahrhundert hatten die Zeitungsschreiber ihre Aufgabe in einer unparteiischen Berichterstattung ohne eigene Bewertungen und Urteile gesehen. Erst mit der Aufklärung begannen die Journalisten ihre Rolle anwaltschaftlich zu definieren, auch wenn das im frühen 19. Jahrhundert aufgrund der restriktiven Pressepolitik noch schwer umzusetzen war (Schönhagen 2001; Wilke 1984). Doch spätestens seit der Märzrevolution 1848 wurde die „Gesinnungsfestigkeit“ endgültig zum journalistischen Ideal, während die Orientierung am Unparteilichkeitsprinzip als „Gesinnungslosigkeit“ interpretiert und verurteilt wurde (Wilke 2000: 295; Requate 2002: 430; 435; Seethaler/Melischek 2008: 319). Bei aller parteipolitischen Unabhängigkeit einen eigenen Standpunkt zu vertreten, bezeichnet Requate (2002: 450) als „spezifisch deutsche Prägung des Journalismus“ (Seethaler/Melischek 2008: 333). Das neue Selbstverständnis prägte neben der Parteipresse zunehmend auch andere Zeitungstypen und journalistische Sparten – selbst die an einem Massenpublikum orientierten Generalanzeiger, die anfangs bewusst auf Meinungsbeiträge verzichtet hatten, um keine Leser abzuschrecken (Requate 2002: 441; Wilke 2009b: 392-394).81 Der Rollenwandel wirkt bis in die Gegenwart nach (Wilke 2000: 295) – ebenso wie drei weitere damals entstandene Merkmale: Das Nebeneinander unterschiedlicher Zeitungstypen (Parteipresse, Generalanzeiger bzw. Massenpresse und überregionale Qualitäts- bzw. Parteirichtungszeitungen), der Absatz vorwiegend im Abonnement und die Anonymität, das heißt die Angewohnheit, Artikel nicht mit Namen, sondern allenfalls mit Symbolen oder Siglen zu kennzeichnen. Gründe für letzteres waren die Angst vor politischer Verfolgung, die Ansicht, dass Anonymität der Objektivierung der journalistischen Arbeit diene, und dass Zeitungen als Kollektiverzeugnis, nicht als Produkt einzelner Autoren betrachtet wurden (Wilke 2009b: 396-399; Pürer/Raabe 2007: 64).

4.3.2 Journalistisches Selbstverständnis Das historisch gewachsene Selbstverständnis prägt die mediale Berichterstattung, auch wenn die Journalisten in arbeitsteilig organisierten Redaktionen als Teil von Medienunternehmen und -konzernen zum Teil starken strukturellen und ökonomischen Zwängen unterliegen. Auch kann von (möglicherweise idealisierten) Selbstbeschreibungen nicht direkt auf das journalistische Berufshandeln geschlossen werden (Scholl/Weischenberg 1998: 157-163). Dennoch spielen individuelle Berufsziele bei konkreten Entscheidungen im Berufsalltag eine Rolle. „Bei gleichen oder ähnlichen Strukturen werden mitnichten gleiche oder ähnliche 81 Daneben gibt es allerdings auch Hinweise auf ein eher faktenzentriertes Journalismusverständnis, das in Österreich weiter verbreitet war als in Deutschland (Behmer 2004; Haas 1999: 243-246).

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Entscheidungen getroffen“ (Kaltenbrunner et al. 2008: 11). Schon erste komparative Journalistenbefragungen in den 1980er Jahren lieferten z. B. Hinweise darauf, dass deutsche Journalisten ihre Berufsrolle stärker politisch-partizipativ und advokatorisch und weniger neutral-vermittelnd verstanden als britische und amerikanische (Donsbach 1982; Köcher 1985). Zwar hat die gesellschaftlich-aktive Rolle im Zeitverlauf gegenüber der Service- und Unterhaltungsfunktion an Bedeutung verloren, zurückzuführen vor allem auf Veränderungen in der Medienlandschaft und insbesondere deren Kommerzialisierung (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 106). 82 Doch die Unterschiede zu den angelsächsischen Ländern blieben bestehen. International vergleichende Untersuchungen zeigen bis heute, dass die Nachrichtenentscheidungen deutscher Journalisten enger mit ihrer Meinung zusammenhängen als bei ihren Kollegen aus den angloamerikanischen Ländern (Donsbach 1993; Patterson/Donsbach 1996; Donsbach 2009: 119). Die deutschen Journalisten bringen staatlichen Autoritäten ein grundsätzliches Misstrauen entgegen, maßgeblich aufgrund der Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit im Nationalsozialismus und verstärkt durch die gesellschaftlichen Veränderungen in den 1960er Jahren („68er-Bewegung“) (Donsbach 2009: 119). Dass sich auch das Selbstverständnis deutscher und österreichischer Journalisten unterscheidet, zeigen aktuelle Journalistenbefragungen. Direkt vergleichbare, repräsentative Studien dazu liegen zwar erst in jüngster Zeit vor (Weischenberg/Malik/Scholl 2006; Kaltenbrunner et al. 2008). Es ist aber zu vermuten, dass die darin erkennbaren länderspezifischen Differenzen früher sogar noch stärker ausgeprägt waren, bevor der Journalismus gemäß den Erklärungsansätzen in Kapitel 3.1 internationalen Angleichungsprozessen unterworfen war. Tabelle 4 macht deutlich, dass sich sowohl deutsche als auch österreichische Journalisten am häufigsten als „neutrale“ Informationsvermittler definieren. Allerdings ist die Zustimmung zu den Berufsverständnissen „Service und Unterhaltung“ sowie „Kritik und Kontrolle“ in Österreich stärker als in Deutschland. Im Verhältnis verstehen sich österreichische Journalisten also eher sowohl als Ratgeber bzw. Entertainer wie auch als Kritiker.83 „Diese Zustimmung zu kritisch-analytischem Journalismus scheint auf den ersten Blick erfreulich und demokratiepolitisch wünschenswert. Doch ein flüchtiger Blick auf die österreichische Medienpraxis lässt auch gleich Zweifel keimen“ (Kaltenbrunner et al. 2008: 34), inwiefern dieser Anspruch realisiert wird bzw. überhaupt realisiert werden kann. 82 Eine Veränderung hin zu mehr Serviceorientierung bei den deutschen Journalisten zeigt Tabelle 4 im Vergleich zwischen 1994 und 2006. Allerdings könnten die Unterschiede zumindest zum Teil methodisch durch den unterschiedlichen Befragungsmodus (persönliche Interviews 1994 vs. telefonische Interviews 2006) bedingt sein. 83 Die österreichischen Journalisten aus dem Ressort Innenpolitik messen zwar der Vermittlung und Erklärung komplexer Sachverhalte einen sehr hohen Stellenwert bei, verstehen sich aber gleichzeitig besonders stark als Kritiker, Kontrolleure und Agenda-Setter (Kaltenbrunner et al. 2008: 27).

108

Tabelle 4: Rollenselbstverständnis deutscher und österreichischer Journalisten Deutsch- Deutschland land (1994) (2006) Information und Vermittlung ... das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren ... komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln ... die Realität genauso abzubilden, wie sie ist ... dem Publikum möglichst schnell Informationen zu vermitteln ... sich auf Nachrichten zu konzentrieren, die für ein möglichst breites Publikum interessant sind Kritik und Kontrolle ... die politische Tagesordnung zu beeinflussen ... die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren ... sich für die Benachteiligten in der Bevölkerung einzusetzen ... normalen Leuten eine Chance zu geben, ihre Meinung über Themen zum Ausdruck zu bringen ... Kritik an Missständen zu üben Service und Unterhaltung ... dem Publikum eigene Ansichten zu präsentieren ... Lebenshilfe für das Publikum zu bieten, als Ratgeber zu dienen ... positive Ideale zu vermitteln ... dem Publikum Unterhaltung und Entspannung zu bieten ... neue Trends aufzuzeigen und Ideen zu vermitteln

Österreich (2008)

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Quellen: Scholl/Weischenberg (1998: 239); Weischenberg/Malik/Scholl (2006: 102-116); Kaltenbrunner et al. (2008: 22). Fragestellung Deutschland: „Auf der nächsten Liste haben wir nun einige Aussagen zusammengestellt, in denen es darum geht, wie man sich in seinem Beruf als Journalist verstehen kann und welche Ziele man mit seiner beruflichen Arbeit erreichen möchte. Bitte sagen Sie mir zu jeder Aussage, ob sie auf Sie persönlich voll und ganz, überwiegend, teils/teils, weniger, oder überhaupt nicht zutrifft.“ Top-2 Werte („voll und ganz“/„überwiegend“). Fragestellung Österreich: „Nun lese ich Ihnen einige Aussagen über das journalistische Selbstverständnis vor. Die Fragen zielen darauf ab, worum es Ihnen ganz persönlich in Ihrem Beruf geht. Bitte bewerten sie Ihre Zustimmung zu diesen Aussagen wieder nach dem Schulnotensystem.“ Top-2-Werte (Note 1/2).

Den scheinbaren Widerspruch zwischen Anspruch und Realität erklären Kaltenbrunner et al. (2008: 38) dadurch, dass österreichische Journalisten Kritik, Kontrolle und politisch-partizipativen, anwaltschaftlichen Journalismus möglicherweise anders definieren als ihre deutschen Kollegen: Sie verstehen darunter offensichtlich zumindest tendenziell die Parteinahme für staatliche und parteipo109

litische Akteure, sehen sich also als deren Anwalt. Dieses unterschiedliche Verständnis ist historisch begründbar durch den ausgeprägten politischen Parallelismus in der Konkordanzdemokratie: In den ersten Nachkriegsjahrzehnten herrschte ein sozialpartnerschaftlich orientierter, großkoalitionärer „Parteienund Proporzjournalismus“ (Plasser 2006: 536) vor. Zwar begannen sich die Medien und Journalisten allmählich von den politischen Akteuren zu emanzipieren, aber erst später und weniger nachhaltig als in Deutschland (Kaltenbrunner et al. 2008: 38; Kapitel 4.2.4). Verstärkt wird das Naheverhältnis bis heute durch die Kleinheit des Landes, in dessen übersichtlicher politischer und journalistischer Elite „jeder jeden kennt“. Exemplarisch für diesen Länderunterschied ist, dass das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel als erster expliziter Vertreter eines kritisch kommentierenden Journalismus nach dem Nationalsozialismus bereits 1947 gegründet wurde, sein österreichisches Pendant profil erst 1970. Und selbst dann war die grundsätzliche Berechtigung eines solchen kritisierenden Journalismus in Österreich noch umstritten (Kaltenbrunner et al. 2008: 37-38).

4.3.3 Journalistische Ausbildung Eine weitere Länderdifferenz, die sich auf die Wahlkampfberichterstattung und insbesondere deren Qualität auswirken dürfte, ist der unterschiedliche Stellenwert der journalistischen Ausbildung in beiden Ländern: Wenn die Medien ihre öffentliche Aufgabe erfüllen sollen, müssen die Journalisten dafür entsprechend ausgebildet werden. Je höher der Stellenwert ist, den Politik und Gesellschaft den demokratischen Funktionen der Medien beimessen, desto stärker engagieren sie sich in der journalistischen Ausbildung. In Deutschland wurden erste journalistische Aus- und Weiterbildungsinstitutionen und Studiengänge schon in den 1960er Jahren eingerichtet, angestoßen auch durch öffentliche Diskussionen, in denen die bis dahin bestehenden Ausbildungsmängel als bedrohlich für die journalistische Verantwortung dargestellt wurden. Eine entsprechende Diskussion wurde in Österreich bis heute nicht geführt. Dort schuf man entsprechende Angebote erst allmählich ab dem Ende der 1970er Jahre und in weitaus geringerer Zahl als in Deutschland, selbst im Verhältnis zur Landesgröße (Kaltenbrunner et al. 2007: 94). Infolgedessen ist der Anteil der österreichischen Journalisten mit einem akademischen Abschluss im internationalen Vergleich ausgesprochen niedrig. Trotz steigender Tendenz ab den 1980er Jahren (Hummel/Kassel 2009: 232-233) lag er 2008 bei nur 34 Prozent (Kaltenbrunner et al. 2007: 95), in Deutschland war er 2005 mit 69 Prozent doppelt so hoch (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 68). Für die Politik- und Wahlkampfberichterstattung sind die Defizite im Ausbildungsbereich u. a. deshalb problematisch, weil „Journalisten, die studiert haben, (…) sensibler, kritischer und wachsamer“ (Kaltenbrunner et al. 2007: 99) sind und Diskussionen über Ziele und Maßstäbe journalistischen Handelns of110

fener gegenüberstehen (Karmasin 2005: 199). Sie gestehen z. B. häufiger als die Nichtakademiker Gewissenskonflikte im Berufsalltag ein (Kaltenbrunner et al. 2008: 61) und sind besser informiert über Professionsnormen (z. B. journalistische Qualitätskriterien). Auf diesbezügliche Mängel in Österreich deuten aktuelle Befunde zur inhaltlichen Qualität deutscher und österreichischer Tageszeitungen hin (Magin 2009). Wie die defizitäre Medienpolitik verweist die Ausbildungssituation in Österreich auf ein mangelndes Bewusstsein von Politik und Gesellschaft für die Bedeutung der Massenmedien in Demokratien, aber auch einen – verglichen mit Deutschland – geringeren Professionalisierungsgrad des Journalismus. Beides setzt sich fort in einer mangelhaften journalistischen Selbstregulierung.

4.3.4 Journalistische Selbstregulierung Weil die staatlich garantierte Pressefreiheit allein die demokratische Funktionsfähigkeit und die soziale Verantwortung der Medien nicht gewährleisten kann, muss sie durch ethisch-moralische Standards ergänzt werden, die sich aus dem journalistischen System heraus entwickeln. Eine mögliche Lösung dafür bieten Selbstregulierungsinstitutionen 84 wie der Deutsche und der Österreichische Presserat (Appelqvist-Schmidlechner 1996: 31-32; Puppis et al. 2004: 9). Eingerichtet werden sie vor allem als Prävention aus Furcht vor externer, namentlich staatlicher Kontrolle, aber auch aufgrund von journalistischen Professionalisierungsbemühungen. Dabei handelt es sich nicht um eine Standesgerichtsbarkeit, sondern um moralische Instanzen (Wiedemann 1992: 16). Selbstregulierung meint die Setzung und Durchsetzung von Regeln sowie die Sanktionierung für einen ganzen Sektor (z. B. die Printmedien) nicht durch staatliche, sondern durch private Akteure (z. B. Medienunternehmer, Journalisten) (Puppis et al. 2004: 10). Diejenigen, die regulieren, werden dabei also zugleich auch selbst reguliert. Davon zu unterscheiden sind Formen der Selbstorganisation (Regelungen, die sich nur auf eine einzelne Institution oder Organisation beziehen) und der Co-Regulierung bzw. regulierten Selbstregulierung (der Regulierung eines ganzen Sektors durch die Branche selbst in Kooperation mit oder im Auftrag von staatlichen Akteuren). Für den deutschen und österreichischen Pressesektor ist in erster Linie die Selbstregulierung relevant.85 Entgegen häufigen 84 Die Begriffe „Regulierung“ und „Selbstregulierung“ sind nicht eindeutig definiert (Donges 2004: 215-218). Der Begriff „Selbstkontrolle“ – teilweise synonym für Selbstregulierung – wird insgesamt noch uneinheitlicher verwendet. Das „Selbst-“ kann entweder ausschließlich Unternehmen und Verbände oder in einem weiter gefassten Verständnis die zusätzliche Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen umfassen (Schulz 2006: 170). Zum Teil werden darunter sogar Aus- und Weiterbildung, Medienombudsleute, Medienforschung und Medienjournalismus bzw. -kritik verstanden (Appelqvist-Schmidlechner 1996). 85 Im Rundfunk- und Onlinemedienbereich haben sich in beiden Ländern hingegen Modelle der Co-Regulierung durchgesetzt (Stapf 2006: 58).

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Annahmen beruht Selbstregulierung keineswegs immer auf Freiwilligkeit, sondern kann auch durch den Staat angeordnet, sanktioniert oder erzwungen sein (Münch 2001: 144).

4.3.4.1 Der Deutsche und der Österreichische Presserat Letzteres – die Androhung gesetzgeberischer Eingriffe in die Pressefreiheit und staatlicher Kontrolle über die Medien – war wie in vielen anderen Ländern das Hauptmotiv für die Gründung von Presseräten in Deutschland und Österreich. Beide nahmen den britischen General Council of the Press (1953) zum Vorbild (Fischer/Breuer/Wolter 1976: 11-12). Auch sonst weisen beide viele Gemeinsamkeiten auf: Sie befassen sich auf nationaler Ebene86 mit der Presse (nicht mit anderen Medien) und setzen sich ausschließlich aus Verleger- und Journalistenvertretern zusammen. Und schließlich ähneln sich beide nationalen Pressekodizes stark. Der Deutsche Presserat: Der Entstehung des Deutschen Presserats ging ein (letztlich nicht umgesetzter) Entwurf für ein Bundespressegesetz (1952) voraus, der eine Selbstregulierungsinstanz unter staatlicher Aufsicht vorsah. Mit der Gründung des Rates (1956) wollten der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) diese staatlichen Eingriffe abwehren. Schon bald traten auch der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ; 1957) und die Industriegewerkschaft (IG) Druck und Papier/Deutsche Journalisten-Union (dju)87 (1960) dem Presserat bei (Desgranges/Wassink 2005: 80; Wallenhorst 2007: 41; Schwetzler 2005: 161; Maruhn 1987: 175). Als Aufgaben des Presserats wurden anfangs definiert (1) die Pressefreiheit und den ungehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen zu schützen, (2) Missstände im Pressewesen festzustellen und zu beseitigen, (3) die strukturelle Entwicklung des Pressesektors zu beobachten und freiheitsgefährdende Konzernund Monopolbildungen abzuwehren und (4) die deutsche Presse gegenüber Regierung, Parlament und Öffentlichkeit zu vertreten. Während man sich zunächst vor allem mit gesetzgeberischen Vorhaben und der Pressekonzentration befasste, dominierte ab den 1970er Jahren zunehmend die Beschäftigung mit Verstößen gegen den 1973 geschaffenen Pressekodex (Meyn 1989: 34-35). Auch aufgrund dieser Schwerpunktverschiebung verstärkten sich die Interessenkonflikte zwischen Journalisten und Verlegern bis hin zu einer Krise 1981: Als eine Boulevardzeitung des damaligen BDZV-Präsidenten, der Kölner Express, den Abdruck einer öffentlichen Rüge verweigerte, legten die Journalistenvertreter ihr Mandat 86 Der Deutsche Presserat ist seit September 1990 für das gesamte Bundesgebiet zuständig (Bermes 1992: 57). 87 Später IG Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst/Fachgruppe Journalismus (dju/SWJV), dann Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)/Fachbereich Medien (dju).

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aus Protest nieder, und der Presserat musste seine Arbeit vorübergehend einstellen (Schwetzler 2005: 165; Wallenhorst 2007: 42; Wiedemann 1992: 175). Die Neukonstitution erfolgte 1985, nachdem die meisten Verlage der zentralen Forderung der Journalisten nachgekommen waren, sich zum Rügenabdruck zu verpflichten – wenn auch zögerlich und teilweise zunächst nur für eine zweijährige Probephase. Der Aufgabenkatalog des Presserats wurde um die Beschwerdebehandlung und die Bereitstellung von Empfehlungen und Richtlinien für die publizistische Arbeit erweitert, während die Bekämpfung der Pressekonzentration in den Hintergrund rückte (Schwetzler 2005: 165; Wallenhorst 2007: 43).88 Der Österreichische Presserat: Die Gründung des Österreichischen Presserates wurde direkt von staatlicher Seite angestoßen. 1960 hatte das Justizministerium unter Beteiligung des Verbands Österreichischer Zeitungsherausgeber und Verleger (später Verband Österreichischer Zeitungen, VÖZ) und der Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe – Sektion Journalisten (Journalistengewerkschaft) einen Entwurf für ein neues Pressegesetz erarbeitet, das der Presse weiterhin völlige Freiheit zusichern sollte. Aufgrund mehrerer Presseskandale stieß das Vorhaben im Nationalrat jedoch auf heftigen Widerstand. Daraufhin regte der Justizminister die Einrichtung einer Selbstregulierungsinstanz an, die u. a. das Misstrauen gegenüber der Presse verringern sollte (Jungmann 1995: 131). Dem kamen die Verbände 1961 nach. Dem Österreichischen Presserat dachten sie die Aufgaben zu, (1) die Einhaltung der Berufspflichten zu überwachen, (2) Missstände im Pressewesen festzustellen und zu beseitigen, (3) die Pressefreiheit und (4) den ungehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen sowie die Freiheit der Verbreitung von Presseorganen zu schützen, (5) Versuchen entgegenzutreten, die das Ansehen der österreichischen Presse schädigen, und (6) die Interessen der Presse gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Öffentlichkeit zu vertreten (Huber 1998: 194). Doch schon nach wenigen Monaten scheiterte der Presserat an der deutlichen Weisungsgebundenheit seiner Mitglieder ihren Trägerorganisationen gegenüber und weil seine Statuten ihn zu einer Art Disziplinargericht machten (Appelqvist-Schmidlechner 1996: 87). Bei der Neukonstitution 1963 schloss ein neues Statut daher formal jede Bestrafung und direkte wie indirekte Druckausübung aus (Fischer/Breuer/Wolter 1976: 168-173). Fraglich ist aber, inwieweit das tatsächlich realisiert wurde. 1971 schuf man den Pressekodex. Im Zuge einer umfassenden Reform des Presserats 1996 wurden der Presseclub Concordia und der Österreichische Zeitschriften-Verband (ÖZV) als weitere Trägerverbände aufgenommen und ein Signet als eine Art „Gütesiegel“ für Medien eingeführt, die sich zum Rügenabdruck bereiterklärten (Huber 1998: 88 Als weitere grundlegende Änderung wurde 2001 der allgemeine Beschwerdeausschuss in zwei Kammern geteilt, von denen eine wie bisher für die Presse, die andere speziell für Fragen des Redaktionsdatenschutzes zuständig ist. Zu weiteren organisatorischen Änderungen siehe z. B. Schwetzler (2005) und Wallenhorst (2007).

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193). Zuletzt trugen es mehr als hundert österreichische Printmedien, darunter alle Tageszeitungen mit Ausnahme der Krone (Gottwald/Kaltenbrunner/Karmasin 2006: 11). 2001 kündigte der VÖZ seine Mitarbeit im Presserat mit der Begründung auf, dass Selbstregulierung nicht an Interessenvertretungen delegiert werden könne, sondern von den Medien selbst realisiert werden müsse (Föderl-Schmid 2008: 323; Fidler 2008: 479). Öffentliche Kritik an diesem Schritt blieb weitgehend aus, auch weil der Presserat seitens der Branche vielfach ohnehin als überflüssig oder überholt betrachtet wurde (Gottwald/Kaltenbrunner/Karmasin 2006: 12). Eine Neukonstitution erfolgte erst nach einem Jahrzehnt Anfang 2011 (Kraus/Bichler 2011). Auf die damit verbundenen Änderungen wird hier nicht eingegangen, weil sie den Untersuchungszeitraum nicht mehr betreffen. Zentral ist aber, dass bis zur erneuten Gründung überhaupt so viel Zeit verstrich. Das zeugt davon, dass in Österreich der journalistischen Berufsethik ein viel geringerer Stellenwert beigemessen wird als in Deutschland – maßgeblich auch wegen der Marktdominanz der Boulevardpresse.

4.3.4.2 Erfolgsfaktoren der Presse-Selbstregulierung Sowohl der deutsche als auch der österreichische Presserat gelten im internationalen Vergleich als schwache Selbstregulierungseinrichtungen. Aufgrund ihrer (vermeintlichen) Wirkungslosigkeit werden sie häufig als „zahnlose Tiger“ kritisiert, die angeblich wenig an der publizistischen Moral verbessern (z. B. Wiedemann 1996). Dagegen wenden ihre Verteidiger ein, dass die Frage nach der Wirksamkeit der Selbstregulierung durch das Verhältnis von Normverstößen zu Normkonformität beantwortet werden müsse – ähnlich wie beim Strafrecht, dessen grundsätzliche Wirksamkeit trotz Verstößen nicht angezweifelt wird (Pöttker 2003: 379). Die Frage sei, „wie es wohl um diese Moral ohne Presserat stünde.“ (Meyn 1989: 37) Dafür bietet Österreich zwischen 2001 und 2011 ein abschreckendes Beispiel: In dieser Zeit ohne Selbstregulierungsinstanz kam es in den Medien zu dramatischen Verfehlungen, darunter klare Verstöße gegen den Persönlichkeitsschutz, z. B. in den Fällen Kampusch und Fritzl (Föderl-Schmid 2008: 325).89 Empirische Studien zur Evaluation der tatsächlichen Wirksamkeit von Selbstregulierungsinstanzen im Medienbereich fehlen bislang weitgehend.90 Puppis et al. (2004) haben aber Erfolgsfaktoren von Selbst- und Co-Regulierung em89 Natascha Kampusch war 1998 im Alter von zehn Jahren in Wien entführt und mehr als acht Jahre gefangen gehalten worden. 2006 gelang ihr die Flucht. Josef Fritzl hielt seine Tochter seit ihrem 19. Lebensjahr von 1984 bis 2008 in einer Kellerwohnung unter seinem Haus in Amstetten (Niederösterreich) gefangen und zeugte mit ihr sieben Kinder, von denen eines kurz nach der Geburt starb (Riedl 2008). Beide Fälle erzeugten großes internationales Medienecho. 90 Als eines der ersten befasst sich damit das im Februar 2010 gestartete EU-Projekt „Media Accountability and Transparency in Europe“ (MediaAcT) (http://www.mediaact.eu/; Eberwein et al. 2011).

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pirisch identifiziert und nach zwingenden und (eventuell) begünstigenden Erfolgsfaktoren systematisiert. Darauf basierend wird im Folgenden geprüft, inwiefern in Deutschland und Österreich (bis 2001) überhaupt die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Selbstregulierung der Presse gegeben waren und sind (Tabelle 5).91 Tabelle 5: Erfolgsfaktoren publizistischer Selbstkontrolle Deutscher Presserat Österreichischer Presserat I. Zwingende Erfolgsfaktoren 1) Unabhängigkeit von Formal gegeben, faktisch Formal gegeben, faktisch Regulierten fraglich aufgrund von Inaber eindeutiges Naheverteressenskonflikten zwihältnis zu den Trägerverschen den Trägerverbänbänden den 2) Akzeptanz durch Von 1981 bis 1985 kein Zwischen 2001/02 und Marktteilnehmer Presserat; VerpflichtungsAnfang 2011 kein Presseerklärung zum Rügenabrat; mangelnde Anerkendruck von über 90% der nung, insbesondere durch Verlage Marktführer Krone 3) Ausreichende finanzielle Trotz finanziellem ZuKeine staatlichen Subvenund personelle Ausstattung schuss des Bundes (bis zu tionen, geringe Ressourcen 49% des Budgets) gering 4) Festgelegte Verfahren und Ja Verantwortlichkeiten 5) Zielgerichtetheit Nein II. Begünstigende Erfolgsfaktoren 1) Einbezug der Nein Öffentlichkeit 2) Transparenzvorschriften Gering Nein 3) Bekanntheitsgrad Sowohl in der Branche selbst als auch in der Öffentlichkeit von Organisation und gering Beschwerdeverfahren III. Eventuell begünstigende Erfolgsfaktoren 1) Beteiligung des Staates Nein 2) Wirksame Schwach Sehr schwach Sanktionierung Pressekodex sieht RügenEntscheid über Rügenababdruck vor druck von Fall zu Fall

Viele Erfolgsfaktoren sind in beiden Ländern nicht oder nur unzureichend gegeben. Das gilt für die Zielgerichtetheit der Selbstregulierung, den Einbezug der Öffentlichkeit, Transparenzvorschriften, den Bekanntheitsgrad in der Branche selbst und in der Öffentlichkeit sowie die Beteiligung des Staates. Einige an91 Puppis et al. (2004) beschäftigen sich zwar schwerpunktmäßig mit Selbstorganisation, Selbst- und Co-Regulierung im Rundfunkbereich, es ist aber anzunehmen, dass sich die von ihnen identifizierten Erfolgsbedingungen auf den Pressesektor übertragen lassen.

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dere Kriterien werden in Deutschland besser erfüllt als in Österreich: Dort sind die Unabhängigkeit von den Regulierten und die Akzeptanz durch die Marktteilnehmer noch eher gewährleistet. Der deutsche Presserat ist durch staatliche Subventionen finanziell und personell besser ausgestattet als der österreichische. Und er verfügt über bessere Sanktionsmöglichkeiten, weil der deutsche Pressekodex im Unterschied zum österreichischen einen Rügenabdruck zwingend vorsieht, während der österreichische Presserat über Sanktionen von Fall zu Fall entschied (Gottwald/Kaltenbrunner/Karmasin 2006; Bernthaler 2001; Donsbach 2009; Fidler 2008; Desgranges/Wassink 2005; Huber 1998; Pöttker o. J.; Pöttker 2003; Appelqvist-Schmidlechner 1996; Kainz 1996; Jungmann 1995). Gemessen an diesen Faktoren sind die Erfolgsaussichten des deutschen Presserats im Prinzip besser als die des österreichischen. Hier bestätigt sich, was schon im Zusammenhang mit Pressepolitik und journalistischer Ausbildung deutlich wurde (Kapitel 4.3.3): Im Vergleich zu Deutschland mangelt es in Österreich an einem Problembewusstsein für die demokratische Funktion der Medien und für die Folgen, die ein Versagen in diesem Sektor nach sich ziehen kann. Fraglich ist, inwiefern das Auswirkungen auf die journalistische Qualität hat, die auch in der Wahlkampfberichterstattung sichtbar werden.

4.3.5 Journalistische Qualität Bei der journalistischen Qualität geht es um die Einhaltung von Professionsnormen, von denen viele inhaltsanalytisch untersucht werden können. Aktuell erfüllen österreichische Tageszeitungen die Qualitätskriterien Vielfalt, Ausgewogenheit und Transparenz weniger gut als deutsche (Magin 2009). Das hängt mit den in Kapitel 4.2 dargestellten schlechteren strukturellen Rahmenbedingungen der Presse zusammen (Magin/Stark 2011). Ob sich das auch im Langzeitvergleich bestätigt, wird in der vorliegenden Studie anhand der Wahlkampfberichterstattung untersucht. Der Begriff „Qualität“ meint eigentlich wertneutral und deskriptiv die Eigenschaften eines Objekts. Oft ist er aber positiv konnotiert, wenn nämlich die Zuschreibung von Qualität impliziert, dass diese Eigenschaften hohen Standards entsprechen – wie etwa im Fall der Qualitätszeitungen (Haas/Lojka 1998: 117-118; Bucher 2003: 12; Weischenberg 2006: 12; Hohlfeld 2003: 205).92 Was als qualitativ hochwertig gilt, ist zeit- und gesellschaftsabhängig und unterliegt einem ständigen inhaltlichen Wandel. Daher kann es weder eine feststehende Qualitätsdefinition noch einen allgemeingültigen Kriterienkatalog geben. Vielmehr müssen, um die Qualität von Medien untersuchen zu können, Kriterien zu ihrer Bewertung stets aufs Neue bestimmt werden, in Abhängigkeit von den jeweils 92 Die sogenannten Qualitätszeitungen werden u. a. aufgrund dieser Annahme in Studien zur Qualität von Medieninhalten häufig als benchmark herangezogen (z. B. Schönbach 1977; Kepplinger 1985; Haller 2001), ohne zu hinterfragen, worin ihre angeblich besondere Qualität besteht (Haas/Lojka 1998: 119).

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betrachteten Mediengattungen und -produkten 93 und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen sie entstehen (Rager 1994: 206; Ruß-Mohl 1992: 85). Abgeleitet werden sie meist entweder aus den demokratischen Aufgaben, Funktionen und Leistungen des Journalismus für die Gesellschaft (Voltmer 1999) oder aus der journalistischen „Umwelt“ (z. B. Medienrecht, Ethik-Kodizes; Schatz/Schulz 1992). Eine wirklich umfassende Untersuchung des vieldimensionalen und komplexen Konstrukts „Medienqualität“ erfordert eine Betrachtung aus drei Perspektiven – der Kommunikatoren, des Angebots und der Rezipienten. Die meisten Studien beschränken sich jedoch auf eine dieser Sichtweisen, was ihre Aussagekraft zum Teil erheblich einschränkt (Dahinden et al. 2004: 105). Über solche Qualitätsanalysen geht die vorliegende Arbeit hinaus: Sie setzt zumindest die beiden erstgenannten Ebenen in Bezug zueinander. Aus forschungspragmatischen Gründen beschränkt sie sich auf die Kriterien, die mit den zur Verfügung stehenden inhaltsanalytischen Daten untersucht werden können und die für die Medien beider Länder als Normen gleichermaßen Gültigkeit haben: Vielfalt, Transparenz und Unparteilichkeit mit den Teildimensionen Ausgewogenheit und Neutralität.

4.3.5.1 Vielfalt Vielfalt94 ist Voraussetzung für freie Meinungsbildung und somit für die Funktionsfähigkeit einer Demokratie (Fahr 2001; Maurer 2005: 93). Denn nur mittels einer vielfältigen Berichterstattung können die Medien die Basis für die gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung sicherstellen und damit ihre öffentliche Aufgabe erfüllen (Vehlow 2006: 25). Vielfalt meint, dass in der Berichterstattung möglichst viele verschiedene Aspekte und Positionen behandelt werden, um dem Rezipienten eine breite Informationsgrundlage zu bieten. Inwiefern unterschiedliche Inhalte gleichberechtigt berücksichtigt werden, ist allerdings keine Frage der Vielfalt, sondern der Ausgewogenheit. Die Vielfalt steht außerdem in einem Spannungsverhältnis zur Relevanz, einem weiteren Qualitätskriterium, gemäß dem Nachrichten entsprechend ihrer Bedeutsamkeit auszuwählen sind. Eine qualitätsvolle Berichterstattung muss versuchen, beides miteinander in Einklang zu bringen. Einen „Grenzwert“, wann das optimal gelingt, gibt es aber nicht (Hagen 1995: 125-126). Vielfalt hat zwei Komponenten: (1) Die inhaltliche Vielfalt, die später in der Inhaltsanalyse untersucht wird, umfasst die Informationsvielfalt (z. B. Themen, geografische Regionen, Akteure, Quellen) und die Meinungsvielfalt (unter93 Bisher konzentriert sich die empirische kommunikationswissenschaftliche Qualitätsforschung weitgehend auf die klassischen Medien Zeitung und Fernsehen und inhaltlich auf die Politikberichterstattung, die als besonders funktional für demokratische Gesellschaften gilt (Voltmer 2002: 384). 94 Zur kommunikationswissenschaftlichen Debatte über Medienvielfalt siehe Stark (2008).

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schiedliche Standpunkte). Eine vielfältige Darstellung politischer Interessen, die gerade für die Wahlkampfberichterstattung wichtig ist, spiegelt sich in beidem wider (Schatz/Schulz 1992: 694; Maurer/Reinemann 2007: 30). (2) Daneben kann die strukturelle Vielfalt (z. B. von Programmsparten, Genres, Sendungstypen, journalistischen Stilformen) betrachtet werden. Allerdings ist die Verbindung zwischen der Vielfalt der Gestaltungsmittel und der Produktqualität schwer zu begründen. Meist wird darauf verwiesen, dass eine vielfältige formale Gestaltung mehr Abwechslung für den Rezipienten gewährleiste und damit eine höhere Qualität bedeute (Vehlow 2006: 26). In der vorliegenden Studie wird sie nicht analysiert.

4.3.5.2 Transparenz Die Transparenz dient der Nachprüfbarkeit des Berichteten. Der Rezipient soll durch Offenlegung der Quellen und der Bedingungen, unter denen die Berichterstattung entstanden ist, zur Einschätzung der Seriosität der Informationen und somit zu einer eigenständigen Urteilsbildung befähigt werden. Transparenz leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Glaubwürdigkeit, gerade bei tagesaktuellen Medien wie Zeitungen, die aufgrund von Aktualitätsdruck oft nicht die Möglichkeit zur zeit- und kostenintensiven Kontrolle von Informationen haben (Vehlow 2006: 123-124; Pühringer 2001: 61). „Nur was der Journalist selbst bezeugen kann, was selbstverständlich oder aus anderen Gründen in seinem Wahrheitsgehalt unproblematisch erscheint, braucht keine Quellenangabe.“ (Hagen 1995: 114) Zu unterscheiden sind zwei Kriterien: (1) Die Urhebertransparenz, um die es auch in der vorliegenden Inhaltsanalyse geht, meint die Kenntlichmachung des oder der Autoren der Beiträge, eine Norm, die sich im deutschen Sprachraum erst nach 1945 zunehmend durchsetzte (Wilke 2009b: 397). Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass ein Mangel an Urhebertransparenz nicht zwangsläufig der Qualität eines Mediums entgegenstehen muss. Beispielsweise war es lange Bestandteil der Blattlinie des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel, dessen Qualitätsmedienstatus unbestritten ist, viele Artikel nicht namentlich zu kennzeichnen (Pürer/Raabe 2007: 166). (2) Das zentralere Kriterium ist die Quellentransparenz, das heißt die Offenlegung der Recherchelage im Text und die Angabe der Quellen, aus denen die verwendeten Informationen stammen (Vehlow 2006: 123-124; Schröter 1995; Pühringer 2001). Eine Untersuchung für das Jahr 2005 zeigt, dass die deutschen Qualitätszeitungen diesbezüglich besser abschneiden als die österreichischen, abgesehen vom Standard (Magin 2009). In der vorliegenden Inhaltsanalyse wurden für die Quellentransparenz allerdings keine Indikatoren erhoben.

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4.3.5.3 Unparteilichkeit Bei der Unparteilichkeit95 handelt es sich nach Schatz und Schulz (1992) um eine Teildimension der deskriptiven Qualität bzw. der Objektivität der Berichterstattung. „The main issue in impartiality research is whether or not news texts tend systimatically to favour one side over another in controversial or disputed matters – to lead the receiver consistently in a certain direction.” (McQuail 1992: 200-201) Zwar ist bei der Nachrichtenauswahl keine wirkliche Unparteilichkeit möglich, weil mit einer Veröffentlichungsentscheidung immer (implizite) Wertungen verbunden sind (Neuberger 1997: 314). Doch qualitätsvoller Journalismus muss das Gebot der Unparteilichkeit in der Berichterstattung selbst beachten, weil Unparteilichkeit die Voraussetzung für einen rationalen und unabhängigen Meinungsbildungsprozess der Bürger ist (Schatz/Schulz 1992; Hagen 1995; Schwer 2006). Die Medien sollen daher versuchen, die Realität und die öffentliche Meinung wiederzugeben, und zugleich ein öffentliches Forum für konkurrierende Interessen bereitstellen (Jandura/Großmann 2003: 201). Unter der Unparteilichkeit subsummiert sind zwei Teildimensionen: Neutralität und Ausgewogenheit. (1) Die Neutralität betrifft die Nachrichtenpräsentation, also eher formale Aspekte der Berichterstattung: die Einhaltung des Gebots der Trennung von Nachricht und Meinung und eine sachliche, unpersönliche Sprache. 96 Verstöße dagegen bezeichnet Schönbach (1977: 26) als explizite Vermischung (Synchronisation) von Nachricht und Meinung. Die Norm entstammt dem angelsächsischen Sprachraum („news are sacred – comments are free“) und zielt darauf, dass die Medien den Bürgern durch vollständige, sachliche und unbeeinflusste Informationen eine eigenständige Meinungsbildung ermöglichen sollen. Dabei geht es nicht um den völligen Verzicht auf einen Standpunkt, sondern um dessen eindeutige Kennzeichnung und Differenzierung von der tatsachenbetonten Berichterstattung.97 Im Zuge der re-education versuchten die angelsächsischen Alliierten nach 1945, die Trennungsnorm auch in Westdeutschland und Österreich einzuführen, was allerdings aufgrund der langen meinungsjournalistischen Tradition in beiden Ländern (Kapitel 4.3.1) nicht vollständig gelang (McQuail 1992: 201; Maurer 2005: 114; Huber 1996: 36-37; Jandura/Großmann 2003: 201).

95 In der Literatur gibt es für die journalistische Unparteilichkeit eine Vielzahl von Bezeichnungen, z. B. Objektivität, Fairness oder Neutralität. 96 Indikatoren zur sprachlichen Gestaltung wurden in der vorliegenden Inhaltsanalyse nicht erhoben. Verstöße gegen die Neutralität der Sprache sind allerdings in Qualitätszeitungen ohnehin eher nicht zu erwarten, lediglich in der Parteizeitung AZ wären abweichende Ergebnisse wahrscheinlich. Entsprechend ist dieses Qualitätskriterium bisher vor allem im Hinblick auf Boulevardmedien und die Berichterstattung über Skandale und Kriminalität untersucht worden (Maurer/Reinemann 2006: 33). 97 Darin unterscheidet sich die Trennungsnorm von der Neutralitätsmaxime im deutschsprachigen Journalismus des 18. Jahrhunderts, die einen völligen Verzicht auf Meinungsbeiträge verlangte (Schönhagen 2001; Kapitel 4.3.1).

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In Deutschland sind zur Neutralität der Berichterstattung drei Forschungslinien auszumachen: (1) Studien zur Themensynchronisation untersuchen das Ausmaß der Identität der Themen im Nachrichten- und im Kommentarteil, die als bedenklich gilt, weil im Fall einer starken Themensynchronisation das Publikum einseitig informiert wird (Eilders 2002). (2) Akteurssynchronisation bedeutet, dass im Nachrichtenteil (verstärkt) Personen zu Wort kommen, deren Aussagen der redaktionellen Linie und den im Kommentarteil vertretenen Meinungen entsprechen. Hagen (1992: 444) bezeichnet dies als opportune Zeugen. (3) Eine Meinungs- oder Bewertungssynchronisation liegt vor, wenn Sachverhalte oder politische Akteure im Nachrichten- und Kommentarteil gleich bewertet werden (Jandura/ Großmann 2003: 202).98 (2) Der zweite Aspekt journalistischer Unparteilichkeit ist die Ausgewogenheit, die „Unparteilichkeit bei der journalistischen Selektion, der ‚Feinauswahl‘ unterschiedlicher Positionen, Argumente und Akteure“ (Kemner/Scherer/Weinacht 2008: 67) – also deren gleichgewichtige Berücksichtigung (Maurer/Reinemann 2006: 33; McQuail 1992: 201-202). Bei Verletzungen dieser Norm spricht Schönbach (1977: 26) von impliziter Vermischung (Synchronisation) von Nachricht und Meinung. Die Ausgewogenheit hat ihren Ursprung in politikwissenschaftlichen Pluralismustheorien und bezieht sich letztlich auf politische Mehrheitsverhältnisse. Ausgewogenheit und Vielfalt hängen miteinander zusammen. Während letztere aber nur fordert, dass möglichst viele unterschiedliche Aspekte und Positionen dargestellt werden, verlangt erstere deren Gleichbehandlung. Ziel der Ausgewogenheit ist u. a. „kommunikative Chancengleichheit für verschiedene Interessenten im politischen Willensbildungsprozess“ (Neuberger 1997: 316).99 Besonders häufig wird sie in der Wahlkampfberichterstattung untersucht – zum einen, weil im Wahlkampf die gegnerischen Parteien leicht und eindeutig auszumachen sind, zum anderen, weil die Ausgewogenheit zwischen den Parteien und Kandidaten dann gesellschaftlich und politisch besonders relevant ist (McQuail 1992: 225; Maurer/Reinemann 2006: 33; Maurer 2005: 111-114; Fahr 2001: 22-24; Vehlow 2006: 39). Denn in Wahlen wird über die künftigen Mehrheitsverhältnisse und damit über die Chancen der Parteien auf Durchsetzung ihrer politischen Ziele 98 Hinsichtlich dieses Aspekts konnte Schönbach (1977) vor allem für die überregionalen deutschen Qualitätszeitungen eine klare Synchronisation feststellen. Allerdings bezog er keine Boulevardzeitungen in seine Untersuchung ein, bei denen eine Verletzung der Trennungsnorm noch häufiger vorkommen dürfte (Huber 1996: 39). 99 In der kommunikationswissenschaftlichen Qualitätsdiskussion bezieht sich die Forderung nach Ausgewogenheit – anders als in der rundfunkpolitischen Diskussion – meist nicht auf den Inhalt eines gesamten Programms oder einer ganzen Zeitung, sondern auf die Berichterstattung über einzelne, meist kontroverse Themen und Ereignisse. Auf eine nach Themen differenzierte Betrachtung muss in der vorliegenden Studie aber verzichtet werden, weil viele Themen in der Inhaltsanalyse nur relativ selten codiert wurden und die Datenbasis für valide Aussagen über die Aufmerksamkeits- und Bewertungsdifferenzen zwischen den Kanzlerkandidaten in Bezug auf einzelne Themen somit nicht ausreicht.

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entschieden – und gerade deshalb gibt die Ausgewogenheit immer wieder Anlass zu hitzigen öffentlichen Debatten und scharfer Medienkritik (Wilke/Reinemann 2000: 101). Inhaltsanalysen zur Ausgewogenheit sind eng verbunden mit Studien zur redaktionellen Linie einzelner Medien. Für Deutschland sind systematische Ausgewogenheitsverletzungen vielfach belegt: Viele Zeitungen bevorzugen (auch in Wahlkämpfen) eine politische Seite, allen voran die vier auch in der vorliegenden Studie untersuchten Qualitätszeitungen (z. B. Schönbach 1977; Wilke/Reinemann 2000; Kepplinger/Rettich 1996; Donsbach/Jandura 2005).100 Für Österreich besteht hier ein Forschungsdefizit. In einer der wenigen existierenden Untersuchungen zu diesem Thema konnte Huber (1996) Verletzungen des Ausgewogenheitspostulats auch in österreichischen Zeitungen zeigen, allerdings fielen diese in den Qualitätszeitungen vergleichsweise schwach aus. Im Unterschied zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den sein Programmauftrag zu interner Vielfalt und folglich zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet, ist die Presse in Deutschland und Österreich extern pluralistisch strukturiert, hat also das durch die Meinungsfreiheit begründete Recht, Dinge mit einer bestimmten Tendenz darzustellen. Vor allem die Richtungszeitungen erfüllen – gerade, indem sie bestimmte Standpunkte einnehmen, also durch bewusste Unausgewogenheit – eine wichtige politische Meinungsbildungsfunktion. In Deutschland vertreten mehrere überregionale Qualitätszeitungen unterschiedliche politische Richtungen und decken in ihrer Gesamtheit ein breites Meinungsspektrum ab. Problematischer ist die Situation in Österreich: Dort ist die Auswahl an Richtungszeitungen weniger breit, was die Informationsmöglichkeiten der Rezipienten über unterschiedliche politische Meinungen einschränkt. Ausgewogenheitsstudien sind in der news bias-Forschung verortet, die sich mit Einseitigkeiten und politischen Tendenzen der medialen Berichterstattung befasst und unterstellt, dass diese durch die Einstellungen der Journalisten zustande kommen (Donsbach 2009: 116). Das Gegenteil einer ausgewogenen Berichterstattung ist demnach eine verzerrte, einseitige, parteiische. In diesem Kontext ist zu fragen, inwiefern die Medien durch die Unterstützung einer politischen Seite selbst zu politischen Akteuren werden (Patterson 2008). “The concept of ‚political actor,‘ [sic!] applied to the media or anyone else, implies observable action that is purposive (though perhaps functional rather than consciously intended) and sufficiently unified so that it makes sense to speak of a single actor. A critical question, therefore, concerns whether – or to what extent – media outlets do in fact use their publications and broadcasts in a purposive and unified fashion to pursue policy objectives.” (Page 1996: 20; Herv. i. O.)

Berichtet eine Zeitung einseitig zugunsten einer Partei oder eines Kandidaten, kann das als Versuch oder Absicht gedeutet werden, „bei der nationalen Wahl für die bevorzugte Partei bzw. ihren Spitzenkandidaten eine möglichst günstige 100 Für einen Forschungsüberblick siehe Maurer und Reinemann (2006: 129-132).

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Ausgangsbasis in der öffentlichen Meinung zu schaffen.“ (Brettschneider/Wagner 2008: 228). Hierbei spielen sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Bewertungen eine Rolle: Überdurchschnittliche Medienpräsenz einer Partei oder eines Kandidaten ist nur von Vorteil, wenn sie positiv oder zumindest neutral ist (McQuail 1992: 201). Brettschneider und Wagner (2008: 227) sprechen in diesem Kontext in Abgrenzungen zu den expliziten Wahlempfehlungen (endorsements) in den editorials angloamerikanischer Zeitungen von impliziten Wahlempfehlungen. Im deutschsprachigen Raum sind explizite Wahlempfehlungen bisher unüblich. Als die Financial Times Deutschland im Bundestagswahlkampf 2002 erstmals eine solche aussprach, erfuhr sie harsche Kritik (Förster 2005). Aus Medienwirkungsperspektive erscheinen jedoch implizite Wahlempfehlungen mittels unausgewogener Berichterstattung problematischer, weil sie nicht als solche gekennzeichnet sind und somit subtil erfolgen. Die Beeinflussungsabsicht ist somit für den Rezipienten weniger offensichtlich. Besonders kritisch sind daher implizite Wahlempfehlungen in tatsachenbetonten Darstellungsformen (Brettschneider/Wagner 2008: 227-228). Gerade was Aufmerksamkeitsdifferenzen betrifft, ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Medien über reales Geschehen berichten, und: „The ‚real world‘ has no obligation to be statistically fair.“ (McQuail 1992: 226) Eine völlig ausgewogene Berichterstattung kann es deshalb nicht geben und sie kann aufgrund der Orientierung der Medien an relevanten Themen, Ereignissen und Personen auch nicht das Ziel sein. In diesem Zusammenhang steht der sogenannte Amts- bzw. Kanzlerbonus, die bessere Sichtbarkeit (nicht jedoch Bewertung) des Amtsinhabers (z. B. Wilke/Reinemann 2000; Weiß 1982; Schneider/Schönbach/Semetko 1999). Schönbach und Semetko (2000) zufolge handelt es sich dabei um ein deutsches Spezifikum. Während sich Journalisten z. B. in den USA und Großbritannien in Wahlkämpfen stärker um ein Gleichgewicht zwischen Amtsinhaber und Herausforderer bemühen, wenden deutsche Journalisten auch hier die außerhalb von Wahlkämpfen gültigen Auswahlkriterien an, bevorzugen bei der Nachrichtenauswahl also Regierung und Kanzler als maßgebliche Akteure der Tagespolitik (Wilke/Reinemann 2000: 101). Allerdings zeigt sich in Beiträgen, deren Anlass der Wahlkampf selbst ist, der Kanzlerbonus weniger ausgeprägt (Weiß 1982: 272-274; Schönbach/Semetko 1995: 58; Wirth/Voigt 1999). Für Österreich liegen hierzu bislang keine Studien vor, aufgrund der ähnlichen journalistischen Kulturen beider Länder kann aber auch hier von einem Amtsbonus ausgegangen werden. Stellt man beide Teildimensionen journalistischer Unparteilichkeit aus einer Medienwirkungsperspektive gegenüber, erscheinen Verletzungen der Ausgewogenheitsnorm problematischer als Verletzungen der Trennungsnorm. Denn letztere sind auch von ungeübten Mediennutzern, ebenso wie explizite Wahlempfehlungen, relativ leicht auszumachen. Eine unausgewogene Berichterstattung könnten die Rezipienten dagegen nur durch einen Vergleich mit der Realität erkennen, weshalb sie eine größere Gefahr bergen: „Unpolemischer, ‚wertfreier‘ Stil 122

der Information suggeriert dem Rezipienten, er werde objektiv unterrichtet. Dennoch kommentiert die Nachricht dadurch, daß [sic!] in ihr bestimmte Meldungen gar nicht erst gebracht, andere überbetont werden.“ (Schönbach 1977: 26-27; Herv. i. O.)

4.3.6 Zwischenfazit Die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den journalistischen Systemen Deutschlands und Österreichs fasst Tabelle 6 zusammen. Historisch gemeinsam sind beiden Ländern eine von Unterdrückung geprägte Entwicklung des Journalismus und damit verbunden eine meinungsjournalistische Tradition. Bis heute definieren sich die Journalisten beider Länder stark politisch-partizipativ und advokatorisch. Tabelle 6: Die journalistischen Systeme Deutschlands und Österreichs im Überblick Vergleichskriterium Deutschland Österreich I. Entwicklung des Journalismus im 19. Jahrhundert Rahmenbedingungen Verzögerte Presseentwicklung durch politische und ökonomische Restriktionen Meinungsjournalistische Entwicklung der „Gesinnungsfestigkeit“ zum Ideal in der zweiTradition ten Hälfte des 19. Jahrhunderts, daher hoher Stellenwert des Meinungsjournalismus II. Journalistisches Selbstverständnis Rollenvorstellungen Politisch-partizipatives und Politisch-partizipatives und advokatorisches Selbstveradvokatorisches Selbstverständnis in Gegnerschaft zu ständnis bei gleichzeitigem staatlichen Autoritäten; Naheverhältnis zu politischen im Zeitverlauf steigende BeAkteuren; Journalisten als deren deutung von Service- und Anwalt Unterhaltungsfunktionen III. Journalistische Ausbildung Akademisierungsgrad Vergleichsweise frühe und Geringe Bedeutung akademigroße Bedeutung akademischer Ausbildung von Journascher Ausbildung von Journa- listen, erst in jüngster Zeit listen allmähliche Bedeutungssteigerung IV. Journalistische Selbstregulierung Presserat Deutscher Presserat als eher Österreichischer Presserat als schwache Selbstregulierungsäußerst schwache Selbstregueinrichtung lierungseinrichtung, mangelnde Akzeptanz in der Branche, vor allem seitens der Boulevardmedien

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Allerdings sehen sich die deutschen Berufsvertreter eher in Gegnerschaft zu staatlichen Autoritäten, die österreichischen infolge des stärkeren politischen Parallelismus eher in einem Naheverhältnis zu den politischen Akteuren, zumindest über weite Strecken des hier betrachteten Zeitraums. Der geringere Stellenwert journalistischer Ausbildung und Selbstregulierung in Österreich zeugt von einem im Vergleich zu Deutschland weniger ausgeprägten politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein für die demokratische Bedeutung der Massenmedien. Das lässt eine geringere journalistische Qualität der österreichischen Tageszeitungen erwarten.

4.4 Situative Einflüsse auf die Wahlkampfberichterstattung Bisher wurden strukturelle Faktoren diskutiert, die eher die langfristige Entwicklung der Wahlkampfberichterstattung beeinflussen. Doch jede Wahlkampfsituation ist einzigartig. Situative Einflüsse – z. B. einzelne Ereignisse, die wirtschaftliche Lage oder die Spitzenkandidaten – können langfristige Entwicklungen modifizieren oder unterbrechen (Holtz-Bacha 2003a: 9; Wilke/Reinemann 2000: 182). Eine Langzeituntersuchung von Wahlkampfberichterstattung muss daher auch sie berücksichtigen. Während manche situativen Faktoren historisch einzigartig sind (z. B. die deutsche Wiedervereinigung 1990), gibt es andere, die sich im Zeitverlauf wiederholen (z. B. vorgezogene Neuwahlen). Die hier untersuchten 34 Wahlkämpfe bieten die Chance zu untersuchen, ob sich bestimmte, in mehreren Wahlkämpfen vorkommende situative Faktoren immer ähnlich auf die Berichterstattung auswirken. Ein Ziel der Inhaltsanalyse ist es, diese situativen Einflüsse zu systematisieren und wiederkehrende Strukturen zu identifizieren. Das folgende Kapitel gibt dazu einen Überblick über die 16 deutschen und 18 österreichischen Wahlkämpfe von 1949 bis 2006. Es zeigt nochmals prinzipielle Länderunterschiede auf. Zum Beispiel kann sich der österreichische Nationalrat anders als der deutsche Bundestag selbst auflösen und Neuwahlen ansetzen. Daher finden Nationalratswahlen häufiger statt als Bundestagswahlen, obwohl die Legislaturperiode in beiden Ländern im Untersuchungszeitraum 101 regulär vier Jahre betrug. Differenzen bei den Spitzen- bzw. Kanzlerkandidaten bestehen darin, dass die Parteivorsitzenden von ÖVP und SPÖ in aller Regel als „natürliche“ Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf gehen, während die deutschen Großparteien ihre Kanzlerkandidaten eigens bestimmen und schon mehrfach mit Kandidaten antraten, die nicht zugleich Parteivorsitzende waren. Die Ausgangsbedingungen in beiden Ländern zu Beginn des Untersuchungszeitraums 1949 waren in einigen Hinsichten ähnlich. Aufgrund des von Adolf Hitler betriebenen „Anschlusses“ Österreichs an das „Dritte Reich“ 1938 101 In Österreich wurde die Legislaturperiode mit der Wahlrechtsreform 2007 auf fünf Jahre verlängert (Parlamentskorrespondenz 2007).

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teilte es mit Deutschland die Erfahrungen des Nationalsozialismus, auch wenn sich der Umgang damit in beiden Ländern unterschied: Während man sich in Deutschland schon relativ bald mit der eigenen Verantwortung für die damaligen Verbrechen auseinandersetzte, verbreitete sich in Österreich die Ansicht, das „erste Opfer“ des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Erst Mitte der 1980er Jahre begann dort langsam eine historische Aufarbeitung (Pelinka/Rosenberger 2003: 57-58; Berger 2007: 196-227; Vocelka 2000: 297-303). Weitere gemeinsame Erfahrungen waren die Besatzung durch die vier alliierten Siegermächte und die Aufteilung in vier Besatzungszonen. In Westdeutschland endete die Besatzungszeit mit der Gründung der Bundesrepublik und dem Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949. Souverän wurde die Bundesrepublik mit der Aufhebung des alliierten Besatzungsstatuts 1955, allerdings bestanden bis zum Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags 1991 noch gewisse Kontroll- bzw. Vorbehaltsrechte der Alliierten betreffend Deutschland als Ganzes und die Viersektorenstadt Berlin. Die endgültige Souveränität war daher erst mit der Wiedervereinigung erreicht (Görtemaker 2002: 25-456). Österreich wurde als unabhängiger Staat schon 1945 wiederhergestellt, die Souveränität erlangte es mit dem Staatsvertrag 1955 wieder, der zugleich einen erneuten Anschluss an Deutschland verbot und den Beginn der Zweiten Republik markierte. Im selben Jahr wurde die immerwährende Neutralität (Bündnisfreiheit) in der österreichischen Verfassung verankert (Vocelka 2000: 324-329). Damit ist ein grundlegender Unterschied angesprochen, der auch auf die Wahlkampfberichterstattung permanent einen Einfluss gehabt haben dürfte: Der unterschiedliche Stellenwert der Außenpolitik und die Einbindung in internationale Organisationen. Deutschland hat allein aufgrund seiner Größe eine höhere internationale Relevanz als das „kleine“ Österreich. Im Zuge der Westintegration trat Deutschland 1950 dem Europarat und 1955 der NATO bei und war 1957 Gründungsmitglied der EWG. 1973 folgte der UNO-Beitritt. Die lange deutsche Teilung in Bundesrepublik und DDR von 1949 bis 1990 aktualisierten außenpolitische Fragen immer wieder aufs Neue. Die deutsche Bundeswehr beteiligt sich seit 1990 zunehmend an multinationalen Auslandsmissionen, zunächst nur an friedenserhaltenden und -sichernden Maßnahmen, seit 1999 (Kosovo) aber auch an Kampfeinsätzen (Görtemaker 2002: 137; 388-397; Schöllgen 2004; Bierling 2005). Der Kalte Krieg beeinflusste auch Österreich, das aufgrund seiner unmittelbaren räumlichen Nähe zu den Ländern des Warschauer Paktes und der Sowjetunion die Bedrohung durch den Kommunismus ständig vor Augen hatte. Dennoch ist das internationale Gewicht Österreichs geringer als das Deutschlands, schon allein aufgrund der Bündnisfreiheit, die keine Beteiligung an der NATO zulässt. Österreich trat 1955 der UNO und 1956 dem Europarat bei. Der EUBeitritt folgte erst 1995, nachdem sich 1994 in einer Volksabstimmung zwei Drittel der Bevölkerung dafür ausgesprochen hatten. Das österreichische Bundesheer nimmt seit 1960 an friedenserhaltenden internationalen Einsätzen teil, allerdings 125

notwendigerweise in wesentlich geringerem Umfang als Deutschland (Pelinka/Rosenberger 2003: 237-252; Vocelka 2000: 356). Diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen dürften bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung nehmen, ebenso wie die situativen Faktoren, um die es im Folgenden geht.

4.4.1 Deutschland Zu den ersten freien Wahlen zum Deutschen Bundestag am 14. August 1949 traten 16 Parteien und 70 parteilose Kandidaten an. Den Ergebnissen der vorangegangenen Landtagswahlen zufolge waren SPD und CDU/CSU darunter die wichtigsten. 102 Während klar war, dass nach einem Wahlsieg der SPD deren Vorsitzender Kurt Schumacher Kanzler werden würde, bestritt die Union ihren Wahlkampf ohne Spitzenkandidaten und nominierte erst nach ihrem Erfolg Konrad Adenauer, den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister und Vorsitzenden des Parlamentarischen Rates, für das Amt (Wilke/Reinemann 2000: 26). Der Wahlkampf war geprägt von einer Richtungsentscheidung: Die beiden großen Parteien waren sich zwar über das demokratische Prinzip des neuen Staates einig, vertraten aber sehr unterschiedliche Ansichten über dessen Ausgestaltung, vor allem in der Außen- und Wirtschaftspolitik (SPD für Neutralität und Sozialismus, Union für Westintegration und soziale Marktwirtschaft). Das beherrschende außenpolitische Thema war die Teilung Deutschlands, die sich seit dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz 1947 abzeichnete (Toman-Banke 1996: 111). Die Union (31,0%) gewann knapp vor der SPD (29,2%), und Adenauer wurde mit einer Stimme Mehrheit (seiner eigenen)103 zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt (Wilke/Reinemann 2000: 26). Seine Entscheidung gegen eine große und für eine kleine Koalition mit der FDP (11,9%) legte den Grundstein für die Dominanz dieser Koalitionsform in Deutschland, einem der auffälligsten Unterschiede zu Österreich (Weil 2008: 55). Die Jahre bis zur zweiten Bundestagswahl 1953 waren gekennzeichnet durch die Konsolidierung der noch jungen Bundesrepublik (Wilke/Reinemann 2000: 26). Die Regierung setzte konsequent ihr Konzept der sozialen Marktwirtschaft, der Westintegration und des Ausbaus der staatlichen Souveränität um und konnte so ihre Machtposition festigen. Schon im Sommer des Wahljahres 1953 ließen Umfragen einen Sieg der Union vermuten (Walter 2007: 48-49; Weil 2008: 67). Der Wahlkampf war durch starke programmatisch-ideologische Auseinandersetzungen vor allem um die Wirtschaftsordnung geprägt. Zwei Themen domi102 „Die rechtlichen Grundlagen für das zukünftige Wahlrecht (personalisierte Verhältniswahl) hatte noch der Parlamentarische Rat, die Verfassungsgebende Versammlung, beschlossen“ (Wilke/Reinemann 2000: 25). 103 Relativiert wird diese Einstimmenmehrheit allerdings durch die hohe Zahl der Enthaltungen: „202 Ja-Stimmen standen 142 Nein-Stimmen und immerhin 44 Enthaltungen im ersten Wahlgang entgegen.“ (Weil 2008: 47)

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nierten: Die Furcht vor dem Kommunismus und die Spitzenkandidaten. Bei beidem war die CDU/CSU im Vorteil. Außenpolitisch kamen ihr der Koreakrieg 1950 und vor allem die blutige Niederschlagung des Volksaufstands in der DDR am 17. Juni 1953 zupass, welche die Bedrohung durch den Kommunismus aktualisierten. Und dem erfolgreichen, angesehenen Amtsinhaber Adenauer stand auf Seiten der SPD der relativ unbekannte und wenig charismatische Erich Ollenhauer gegenüber, Schumachers Nachfolger als Parteivorsitzender nach dessen Tod 1952. Die Wähler bestätigten Adenauers Politik eindrucksvoll: Der Stimmenanteil der Union (45,2%) wuchs um fast 15 Prozentpunkte, dabei profitierte sie auch von der Parteienkonzentration, der vor allem Kleinstparteien zum Opfer fielen. Die SPD dagegen stagnierte bei 28,8 Prozent, die FDP (9,5%) verschlechterte sich (Wilke/Reinemann 2000: 27; Weil 2008: 77; 90; Toman-Banke 1996: 155; Walter 2007: 54; Hönemann/Moors 1994: 58). Der politische und wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik setzte sich fort und die Politik der Regierung zeitigte deutliche Erfolge. Entsprechend günstig war die Ausgangslage für die Union bei der Bundestagswahl 1957, auch wenn die beiden großen Parteien bis zum Frühjahr in den Umfragen gleichauf lagen.104 CDU und CSU gingen mit dem Motto „Keine Experimente!“ und mit dem populären Bundeskanzler Adenauer in den Wahlkampf (Weil 2008: 92). Erneut wurde die Wahl zu einem „Kanzlerplebiszit“ zwischen ihm und Ollenhauer. Obwohl vor allem die SPD zunächst eine sachbezogene Kontroverse geplant hatte, war der Wahlkampf erneut geprägt durch heftige gegenseitige Vorwürfe, weil große inhaltliche Unterschiede zwischen den Parteien fehlten. Die Diskussionen drehten sich um die Frage der Ausgestaltung der mittlerweile selbstverständlichen sozialen Marktwirtschaft. Erneut halfen der Union außenpolitische Ereignisse: Die brutale Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn durch die Rote Armee im Oktober 1956 untermauerte die Westintegrationspolitik der Regierung nachhaltig. Bei der Wahl erreichte die Union als erste und bisher einzige Partei in der Geschichte der Bundesrepublik die absolute Stimmenmehrheit (50,2%). Für die SPD (31,8%) wirkte das Wahlergebnis trotz leichter Gewinne wie ein Schock und gab den Anstoß zu personellen und programmatischen Reformen, die 1959 in das Godesberger Programm mündeten. Die FDP (7,7%) verlor weiter (Weil 2008: 110-111; Hönemann/Moors 1994: 54-66; Wilke/Reinemann 2000: 27; Toman-Banke 1996: 196-197; Walter 2007). Bis zur folgenden Bundestagswahl 1961 änderten sich die personellen Rahmenbedingungen: An der erneuten Kanzlerkandidatur des mittlerweile 85-jährigen Adenauer entzündete sich Kritik. Aufgrund seines Alters gab es Zweifel an seiner weiteren Eignung für das Amt. Die FDP erklärte kurz vor der Wahl, mit der CDU/CSU nur unter Ludwig Erhard als Kanzler erneut koalieren zu wollen 104 Ende 1955 hatte die FDP-Fraktion die Bundesregierung verlassen. Adenauer konnte die FDP-Minister jedoch in der Regierung halten und seine Regierung fortsetzen, weil er schon seit 1953 über die absolute Mehrheit der Mandate verfügte (Michel 2005: 67-68; TomanBanke 1996: 172; Hönemann/Moors 1994: 60; 66).

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(Michel 2005: 92-93). Die SPD trat mit Willy Brandt, dem erst 48-jährigen Regierenden Bürgermeister von Berlin, als neuem Spitzenkandidaten105 an, „der eine neue Generation der Sozialdemokratie verkörperte und die (…) Wende zur Volkspartei glaubwürdig darstellen konnte. Diese ‚Modernisierung’ schlug sich auch im Wahlkampf der Partei eindrucksvoll nieder.“ (Wilke/Reinemann 2000: 28) Besonders geprägt war der Wahlkampf durch den Beginn des Baus der Berliner Mauer am 13. August 1961, gut einen Monat vor dem Wahltermin. Durch sein couragiertes Auftreten dabei gewann Brandt – im Gegensatz zu Adenauer, der zunächst seinen Wahlkampf wie geplant fortsetzte – deutlich an Sympathie in der Öffentlichkeit. Bei der Wahl konnte die SPD (36,2%) ihren Abstand zur Union (45,4%) halbieren. Die FDP (12,8%) verbuchte – wohl als Ergebnis ihrer kritischen Haltung zu Adenauer – ihr bis dahin bestes Zweitstimmenergebnis (Wilke/Reinemann 2000: 28-29; Toman-Banke 1996: 198-199; Micus 2007: 77, 89-90). Wegen der Festlegung der FDP im Wahlkampf gestalteten sich die Koalitionsverhandlungen schwierig. Schließlich einigten sich Union und FDP auf den Kompromiss, dass Adenauer zunächst Kanzler blieb und nach zwei Jahren abgelöst wurde. Der FDP trug das den Ruf als „Umfaller-Partei“ ein. Nach Adenauers Rücktritt wurde (gegen dessen Willen) Erhard im Oktober 1963 Bundeskanzler (Wilke/Reinemann 2000: 29).106 Im Unterschied zu den vorangegangenen Wahlen galt die Bundestagswahl 1965 nicht als innen- oder außenpolitische Weichenstellung. Bei immer noch günstiger Konjunkturlage war das dominierende Thema die innen- und gesellschaftspolitische Sicherheit (Toman-Banke 1996: 227-228). Um sich als potenzielle Regierungspartei zu profilieren, stellte die SPD im Wahlkampf ihre Gemeinsamkeiten mit der Union heraus. Da absehbar war, dass ihr erneuter Kanzlerkandidat Brandt als Person gegen den sehr populären „Volkskanzler“ Erhard, den vorherigen erfolgreichen Wirtschaftsminister und „Vater“ des Wirtschaftswunders, chancenlos sein würde, versuchte die SPD eine offene Konfrontation der Kanzlerkandidaten zu vermeiden (Micus 2007: 114). Doch obwohl es 1965 erstmals „eine halbwegs realistische Chance zum Machtwechsel“ (Micus 2007: 109) gab, waren Brandt und die SPD (39,3%) letztlich chancenlos gegen die Union (47,6%), die noch etwas hinzugewann – zulasten der FDP (9,5%) (Micus 2007: 129; Michel 2005: 106; Wilke/Reinemann 2000: 29). In schwierigen und konfliktreichen Verhandlungen einigten sich CDU/CSU und FDP zwar auf eine Neuauflage der Koalition, aber schon die Regierungsbildung markierte den Anfang von deren Ende. Aufgrund einer wirtschaftlichen Rezession sowie koalitions- und parteiinterner Konflikte verlor Erhard bereits im Frühjahr 1966 rasch an Macht und Ansehen. Als die FDP-Minister im Oktober 1966 wegen steuerpolitischer Konflikte die Koalition aufkündigten, trat er zurück. Jetzt wurde die (schon 1965 diskutierte) große Koalition Realität, die SPD war damit erstmals an der Regierung beteiligt. Neuer Bundeskanzler wurde der 105 Parteivorsitzender wurde Brandt erst nach Ollenhauers Tod 1964. 106 Parteichef der CDU wurde Erhard erst nach der Bundestagswahl 1965.

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baden-württembergische Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger, Brandt wurde Außenminister. Die FDP konnte nicht als wirkungsvolle Opposition agieren, ihr fehlten wegen ihrer klaren zahlenmäßigen Unterlegenheit entscheidende parlamentarische Rechte (Michel 2005: 112). Vielfach wurde darin eine Ursache für den Aufstieg der Außerparlamentarischen Opposition (APO) gesehen. Es folgten innenpolitisch stürmische Jahre, der Staat musste sich mit extremistischen Positionen von rechts (Erstarken der NPD Mitte der 1960er Jahre) und links (APO; Gründung der DKP 1968) auseinandersetzen (Wilke/Reinemann 2000: 29-30; Toman-Banke 1996: 229-230). Bei der Bundestagswahl 1969 traten CDU/CSU und SPD als Regierungsparteien gegeneinander an. „Einerseits reklamierten beide Seiten die in der Regierung erbrachten Leistungen primär für sich, andererseits mussten sie auf Distanz zum Koalitionspartner gehen, um die eigenen politischen Positionen deutlich zu machen und damit ihren Führungsanspruch zu begründen.“ (Wilke/Reinemann 2000: 30) Weil der Amtsinhaber Kiesinger in Umfragen zur Kanzlerpräferenz klar vor seinem Herausforderer Brandt führte (Micus 2007: 139), stand letzterer in der sozialdemokratischen Kampagne als Person im Hintergrund. Der harte Wahlkampf drehte sich vor allem um die Zukunftserwartungen und -vorstellungen der Parteien (Toman-Banke 1996: 243-244). Durch unterstellte Koalitionsbestrebungen von SPD und FDP gewann die Auseinandersetzung an Schärfe, zumal die FDP ihre Bereitschaft dazu schon bei der Wahl des Sozialdemokraten Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten im Frühjahr 1969 signalisiert hatte. Bei der Wahl blieben CDU und CSU (46,1%) zwar die stärkste Kraft, die SPD (42,7%) kam aber näher an sie heran als je zuvor. Mit den Stimmen der FDP (5,8%) reichte es für eine knappe Mehrheit, die sozialliberale Koalition wurde noch am Wahlabend vereinbart. Der erste Machtwechsel durch Wahlen in der Bundesrepublik war damit vollzogen (Wilke/Reinemann 2000: 30; Forkmann 2007: 149; Michel 2005: 124-126; Toman-Banke 1996: 230). Der nur knappe Vorsprung erschwerte der neuen Regierung die Durchsetzung ihrer Vorhaben – innenpolitisch weitreichende Reformen, außenpolitisch eine Annäherung an die osteuropäischen Staaten. Als sich ab Herbst 1970 mehrere FDP- und SPD-Abgeordnete der Opposition anschlossen, entstand im Bundestag eine Patt-Situation zwischen den Regierungsparteien auf der einen und der CDU/CSU auf der anderen Seite. Ein konstruktives Misstrauensvotum der Union, mit dem der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel zum Kanzler gewählt werden sollte, scheiterte knapp (Wilke/Reinemann 2000: 30; Forkmann 2007: 154-156; Michel 2005: 127-133; Hönemann/Moors 1994: 104-106). Um wieder klare Mehrheitsverhältnisse zu schaffen, wählte Brandt einen verfassungsrechtlich umstrittenen Weg: Er stellte die Vertrauensfrage, „um durch eine Abstimmungsniederlage vor dem Ende der regulären Legislaturperiode Neuwahlen zu erreichen.“ (Wilke/Reinemann 2000: 30) Die Wahl wurde zu einem Plebiszit über die Ostpolitik, über die es in einem kurzen Wahlkampf – am 22. September wurde der Bundestag aufgelöst und schon am 19. November neu 129

gewählt – heftige Auseinandersetzungen gab. Zusätzlich eskalierend wirkte die Koalitionsaussage der FDP zugunsten der SPD, welche die Union zu einer „Alles-oder-Nichts-Strategie“ mit dem Ziel der absoluten Mehrheit zwang. Doch der Unionskandidat Barzel war chancenlos. Die Bevölkerung war eindeutig auf Brandts Seite („Willy-Wahl“), der im Mittelpunkt der personalisierten SPD-Kampagne stand. Die SPD (45,8%) bekam zum ersten und bis 1998 einzigen Mal mehr Stimmen als die Union (44,9%). Gleichzeitig verbesserte sich die FDP (8,4%), und die sozialliberale Regierung konnte mit einer komfortablen Mehrheit fortgesetzt werden (Wilke/Reinemann 2000: 30-31; Hönemann/Moors 108-109, 146; Michel 2005: 133, 139; Toman-Banke 1996: 244-245; Petersen 2007: 197). Trotz dieses Triumphs endete Brandts Kanzlerschaft unerwartet schon mit seinem Rücktritt im Frühjahr 1974 infolge der Guillaume-Affäre107, aber auch aufgrund innerparteilicher Differenzen vor allem mit dem Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner. Brandts Nachfolger Helmut Schmidt führte die SPD in die Bundestagswahl 1976. Die Union hatte sich nach längeren innerparteilichen Diskussionen auf Helmut Kohl als Spitzenkandidaten geeinigt. Mittlerweile hatten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die Stimmungslage der Bevölkerung infolge der weltweiten Rezession gewandelt, die Reformbereitschaft sank. Der intensive, polarisierte Wahlkampf geriet zu einem „themenlose[n] Personalplebiszit“ (Kaltefleiter 1977: 187). Beide Großparteien setzten fast ausschließlich auf Personalisierung. „Zum Ende hin uferte der Wahlkampf immer mehr aus und war durch starke Diffamierungen auf beiden Seiten geprägt.“ (Koß 2007: 192) In der Bevölkerung setzte sich die Überzeugung durch, dass SPD und FDP erneut die Wahl gewinnen würden, zumal die FDP erklärte, ein Bündnis mit der Union stelle für sie keine realistische Alternative dar. Einen klaren Wahlsieger gab es aber nicht. Die CDU/CDU (48,6%) verfehlte die absolute Mehrheit nur knapp. SPD (42,6%) und FDP (7,9%) erlitten Einbußen, konnten ihr Regierungsbündnis aber fortsetzen (Wilke/Reinemann 2000: 31-32; Toman-Banke 1996: 259-260; Koß 2007: 197-199; Michel 2005: 152; Petersen 2007: 199). Im folgenden Wahlkampf 1980 war die Ausgangssituation für die Regierungsparteien günstig, denn allmählich setzte ein Konjunkturaufschwung ein. Zudem hatte Schmidt durch seine auf Ausgleich und Konsens bedachte Politik und seine Standfestigkeit während der Herausforderungen durch den deutschen und internationalen Terrorismus stark an Popularität gewonnen. Die Union hatte ihren Kanzlerkandidaten erstmals aus den Reihen der CSU gewählt. In (auch öffentlich ausgetragenen) Konflikten hatte sich der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß gegen den von der CDU-Spitze bevorzugten niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht durchgesetzt – obwohl der erstere „seit 20 Jahren fast ununterbrochen zu den unpopulärsten Politikern des Landes gehörte“ (Petersen 2007: 203). Die Befürchtungen der CDU bestätigten sich: Außerhalb Bayerns lehnte die Bevölkerung Strauß ab („Anti-Strauß-Wahl“). Der 107 Günter Guillaume, ein enger Mitarbeiter Brandts im Kanzleramt, war als DDR-Spion entlarvt worden.

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stark polarisierte Wahlkampf geriet zu einem personalisierten „Duell der Giganten“, das jedes Sachthema überlagerte. Die sozialliberale Koalition wurde durch Strauß’ Kandidatur zusammengeschweißt, über die Koalitionspräferenzen beider Regierungspartner gab es keinen Zweifel. Die Union erlitt eine deutliche Niederlage (44,5%), die SPD stagnierte (42,9%), und eigentlicher Gewinner war die FDP (10,6%) (Wilke/Reinemann 2000: 32; Richter 2007: 221-232; Toman-Banke 1996: 284-285; Petersen 2007: 204; Michel 2005: 166). Das Regierungsbündnis wurde fortgesetzt, doch der Wahlerfolg konnte über die innerkoalitionären Differenzen nicht mehr dauerhaft hinwegtäuschen. Im Laufe des Jahres 1982 spitzten sich die Spannungen zu. Schließlich stellte die FDP aufgrund verschiedener Landtagswahlergebnisse die Mehrheitsfähigkeit der Koalition in Frage. Im September traten die vier FDP-Minister zurück und erklärten das Regierungsbündnis für beendet. Am 1. Oktober wählten Union und FDP mittels eines konstruktiven Misstrauensvotums Kohl zum Bundeskanzler. Zwecks Legitimation seiner Regierung durch die Wähler kündigte er Neuwahlen für den 6. März 1983 an. Wiederum führte der Weg dorthin über eine absichtlich herbeigeführte Niederlage bei der Vertrauensfrage, eine Klage dagegen wies das Bundesverfassungsgericht erst Mitte Februar 1983 zurück. Entsprechend kurz war der Wahlkampf. CDU und CSU setzten ganz auf den Kanzler. Weil Schmidt nicht mehr kandidieren wollte, nominierte die SPD ihren Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel als Spitzenkandidaten – wohl wissend, dass die Wahl für sie nicht zu gewinnen sein würde (Lütjen 2007: 236). Der Wahlkampf stand ganz im Zeichen des vorausgegangenen Regierungswechsels. Das Wahlergebnis ermöglichte CDU/CSU (48,8%) und FDP (7,0%) die im Wahlkampf angekündigte Fortsetzung ihrer Koalition. Die SPD dagegen erlitt deutliche Verluste (38,2%). Mit den Grünen (5,6%), hervorgegangen aus der Friedens- und Umweltbewegung, konnte erstmals seit 1957 wieder eine vierte Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringen (Wilke/Reinemann 2000: 33; Lütjen 2007; Toman-Banke 1996: 301-302; Michel 2005: 169-177). Die nächste Bundestagswahl 1987 war „eine der weniger bedeutenden und wenig spannenden Wahlen“ (Petersen 2007: 207) in der Geschichte der Bundesrepublik. Das zentrale Wahlkampfthema waren die Zukunftserwartungen der Parteien. Als Gegenkandidaten zu Kohl hatte die SPD schon 13 Monate vor der Wahl den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau nominiert, der bis August 1986 in den Umfragen besser abschnitt als der Kanzler, dann aber – auch aufgrund eines „Abnutzungseffekts“ – in der Wählergunst sank. Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß aus: Die SPD, die im Frühjahr 1986 sogar noch auf eine absolute Mehrheit gehofft hatte (Kuhn 2007: 113), erreichte nur 37 Prozent der Stimmen. Auch die Unionsparteien (44,3%) hatten verloren, was aber durch Gewinne der FDP (9,1%) kompensiert wurde, die sich schon im Wahlkampf klar für die Fortsetzung der Koalition ausgesprochen hatte. Deutlich zulegen konnten auch die Grünen (8,3%) (Gissendanner/Vogel 2007; Wilke/Reinemann 2000: 33; Wilke/Reinemann 2003: 29; Toman-Banke 316-317). 131

Die Wahl 1987 war die letzte der „alten“ Bundesrepublik. Drei Jahre später kam es unter gänzlich veränderten Rahmenbedingungen zu den „ersten gesamtdeutschen Wahlen seit dem Ende der Weimarer Republik“ (Hönemann/Moors 1994: 154). Nach der Implosion der kommunistischen Systeme waren ab dem Spätsommer 1989 immer mehr Bürger aus der DDR geflohen, was zum Fall der Berliner Mauer und zur Öffnung der Grenzen am 9. November 1989 führte. Das Wahljahr war durch den Vereinigungsprozess bestimmt. Am 1. Juli wurde die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion geschaffen, am 3. Oktober die Wiedervereinigung besiegelt, am 5. November der erste gemeinsame Bundestag gewählt.108 Entsprechend waren im Wahlkampf die nationale Einheit und die Frage, was sie für die Zukunft des Landes bringen würde, das alles beherrschende Thema. Von dieser Ausgangslage profitierten die Regierungsparteien, die auf ihre Verdienste verweisen konnten. Besonders Bundeskanzler Kohl („Kanzler der Einheit“) und Außenminister Genscher hatten großes Ansehen gewonnen. Ein Sieg schien vorprogrammiert, zumal sich die SPD und ihr Spitzenkandidat, der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine, mit dem Thema Wiedervereinigung schwer taten und in ihrer Oppositionsrolle auf die Ereignisse meist nur reagieren konnten. Weil die Wahl ohnehin entschieden schien, hatten beide Volksparteien Probleme, ihre Anhängerschaft zu mobilisieren. Auch deshalb erreichte die SPD (33,5%) ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis seit 1957. Doch auch die Union (43,8%) verlor und kam auf ihr bislang schlechtestes Resultat nach 1949. Ihre Verluste wurden jedoch durch Zugewinne der FDP (11,0%) ausgeglichen. Die West-Grünen (3,8%) verpassten die Fünf-Prozent-Hürde, die beiden neuen Listenverbindungen Bündnis 90/Grüne und PDS zogen mit Hilfe von Direktmandaten in den ersten gesamtdeutschen Bundestag ein (Wilke/Reinemann 2000: 34; Hönemann/Moors 1994: 156-157; Toman-Banke 1996: 337-338; Schlieben 2007; Kindelmann 1994: 61-67). Bis zum „Superwahljahr“ 1994 (mit der Bundestagswahl, der Europawahl, acht Landtagswahlen, neun Kommunalwahlen und der Bundespräsidentenwahl) war die optimistische Aufbruchstimmung von 1990 verflogen. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage standen die Chancen der Regierung auf eine Wiederwahl schlecht, erst im Lauf des Wahljahres verbesserten sie sich mit den Konjunkturdaten. Kanzlerkandidat der Union war wieder Kohl, der ankündigte, zum letzten Mal kandidieren zu wollen. Die SPD hatte eigentlich mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten und neuen SPD-Vorsitzenden Björn Engholm antreten wollen. Als er aber wegen seiner Mitwisserschaft in der Barschel-Affäre109 im Frühjahr 1993 von allen Ämtern zurücktrat, ließ die Par108 Auf die Herausbildung des ostdeutschen Parteiensystems nach der „Wende“ kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, siehe dazu z. B. Alemann (2003: 66-69). 109 In engem zeitlichen Zusammenhang mit der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im September 1987 hatte Der Spiegel darüber berichtet, dass der damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel u. a. den Auftrag gegeben haben sollte, den SPDSpitzenkandidaten Engholm zu bespitzeln und eine anonyme Strafanzeige wegen Steuer-

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teiführung erstmals die Parteimitglieder in einer Urabstimmung über den Parteivorsitz entscheiden. Dabei setzte sich Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wiczorek-Zeul durch und wurde anschließend auch Kanzlerkandidat. Aufgrund schlechter Umfragewerte entschied sich der als spröde und langweilig geltende Scharping, Lafontaine und Schröder in den Wahlkampf einzubinden (Troika). Der CDU/CSU gelang es, die Gefahr eines drohenden Linksbündnisses aus SPD und PDS, die in den neuen Bundesländern zunehmend politische Erfolge feierte, geschickt zu instrumentalisieren („Rote-Socken-Kampagne“). Am Ende drehte sich der Wahlkampf nur noch um Personen bzw. um die Auseinandersetzung zwischen Kohl und der Troika. Bei der Wahl konnte die SPD (36,4%) zwar ihren Rückstand verringern, die Union (41,5%) stellte aber klar die stärkste Bundestagsfraktion und konnte ihre Koalition mit der FDP (6,9%) abermals fortsetzen. Auch die Grünen (7,3%) und die PDS (4,4%) zogen erneut ins Parlament ein, letztere allerdings nur über Direktmandate (Wilke/Reinemann 2000: 35; Toman-Banke 1996: 352-353; Klecha 2007; Holtz-Bacha 1999: 17). Für die Bundestagswahl vier Jahre darauf positionierten sich Parteien und Personen schon früh. „Im November 1995 eroberte Oskar Lafontaine handstreichartig beim Mannheimer Parteitag den Vorsitz der SPD und verdrängte den glücklosen Rudolf Scharping.“ (Wilke/Reinemann 2000: 35) Wer Kanzlerkandidat der SPD werden sollte, war zunächst jedoch unklar. Dass der niedersächsische Ministerpräsident Schröder bei der dortigen Landtagswahl am 1. März die absolute Mehrheit der SPD verteidigen konnte, wurde als Plebiszit über die Kanzlerkandidatur betrachtet. Mit Schröder hatte die SPD „gewissermaßen die Idealbesetzung für den modernen Wahlkampf gefunden“ (Holtz-Bacha 1999: 19). Auf Seiten der Union hatte Kohl schon im April 1997 angekündigt, doch erneut für das Amt des Bundeskanzlers kandidieren zu wollen – eine Fehlentscheidung, die vermutlich entscheidend zur Niederlage der CDU/CSU beitrug.110 Weil Schröder in der Bevölkerung besser beurteilt wurde als Kohl, personalisierte die SPD in ihrer Kampagne stark. Wirklich neu waren die Inszenierungsstrategien des Wahlkampfs, die vielfach kritisiert wurden, aber nicht. Die Parteien hatten sie nur weiterentwickelt und perfektioniert (Holtz-Bacha 1999: 19). Entscheidender hinterziehung gegen ihn zu stellen. Ein Jahr später, nachdem sich in einem Untersuchungsausschuss die Vorwürfe als berechtigt erwiesen hatten, übernahm Barschel dafür die politische Verantwortung und trat als Ministerpräsident zurück. Wenige Tage danach wurde er in einem Genfer Hotelzimmer tot aufgefunden, die genauen Umstände konnten bis heute nicht geklärt werden. Erst 1993 wurde bekannt, dass die schleswig-holsteinische SPD und Engholm selbst schon lange vor der Landtagswahl von der Bespitzelung gewusst hatte. Das hatte Engholm im Untersuchungsausschuss bestritten und sich so des Meineids schuldig gemacht (Brockhaus o. J.). 110 Anderer Ansicht ist Petersen (2007: 211), nämlich „dass er [Kohl] mit dieser Entscheidung seine Partei vor noch schwereren Stimmenverlusten bewahrt und es seinem Nachfolger im Parteivorsitz ermöglicht hat, sein Amt anzutreten, ohne gleich von Anfang an durch eine Wahlniederlage politisch geschwächt zu sein.“

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waren für den Erfolg der SPD letztlich die Entwicklungen der vorangegangenen Jahre – vor allem, dass die große Mehrheit der Bevölkerung das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Unionsparteien verloren hatte (Petersen 2007: 209). Zwar erreichte die SPD (40,9%) nur ein mäßiges Ergebnis. Ein Rekord war aber ihr Vorsprung von 5,7 Prozentpunkten vor der CDU/CSU (35,1%), die ihr schlechtestes Resultat nach 1949 einfuhr. Die FDP erhielt 6,2 Prozent, die Grünen 6,7 Prozent und die PDS 5,1 Prozent. Schröder und die SPD entschieden sich für ein Bündnis mit den Grünen. Zum ersten Mal hatte sich damit in der Bundesrepublik durch Wahlen ein kompletter Machtwechsel vollzogen (Alemann 2003: 72-73; Wilke/Reinemann 2000: 35-36; Stern/Graner 2002: 155). Bei der folgenden Bundestagswahl 2002 war die Ausgangslage für alle Parteien schwierig, denn aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und der „Unfähigkeit der Politik, anstehende gravierende Probleme zu lösen“ (Kuhn 2007: 157), herrschte in der Bevölkerung eine negative Grundstimmung. Der Wahlkampf war außerordentlich spannend (Alemann 2003: 77). Schröders Herausforderer war der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber von der CSU. Die FDP schickte mit ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle erstmals einen eigenen Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf (Michel 2005: 272-274). Weil Schröders Umfragewerte viel besser waren als die von SPD und Stoiber, setzten die Sozialdemokraten erneut auf Personalisierung („Ich oder er“). Auch dieser Wahlkampf erhielt dadurch einen Inszenierungscharakter. Die Union versuchte zwar mit Wirtschaft und Arbeitslosigkeit Sachthemen in den Vordergrund zu stellen und kritisierte, dass Schröder sein Wahlversprechen, die Arbeitslosenzahlen deutlich zu senken, nicht gehalten hatte. Gleichzeitig ließ sie sich aber auf einen Zweikampf der Kandidaten ein, u. a. in den ersten beiden TV-Duellen in der Geschichte der Bundesrepublik. Noch wenige Wochen vor der Wahl deutete alles auf einen Machtwechsel zu Schwarz-Gelb hin. Dann aber schlug die Stimmung um, maßgeblich aufgrund zweier Krisensituationen, in denen die Exekutive gefragt war (auch wenn zur Niederlage der Union noch andere Faktoren beitrugen): Das Elbhochwasser im August und die Frage einer Beteiligung der Bundeswehr an einem potenziellen Krieg der USA gegen den Irak, die Schröder eindeutig ablehnte. 111 Schließlich lag die SPD mit wenigen tausend Stimmen vor der CDU/CSU (je 38,5%) und konnte ihre Wunschkoalition mit den Grünen (8,6%) fortsetzen. Die FDP kam auf 7,4 Prozent, die PDS (4,0%) zog nur über zwei Direktmandate in den Bundestag ein (Fischer 2007: 373-385; Holtz-Bacha 2003a; Noelle-Neumann/Haumann 2005: 18; Roth/Jung 2002: 3, 12). Die nächste Bundestagswahl folgte vorzeitig schon 2005. Die SPD hatte mehrere Landtagswahlen verloren, zuletzt in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai. Noch am Wahlabend kündigten Schröder und der SPD-Chef Franz Müntefering 111 Zu den Gründen des Wahlausgangs siehe Noelle-Neumann/Donsbach/Kepplinger (2005) sowie Falter/Gabriel/Weßels (2005).

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für den Herbst überraschend Neuwahlen an, um das Durchsetzungsvermögen der Regierung gegenüber dem von der Opposition dominierten Bundesrat zurückzugewinnen. Wie schon 1982 bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verfahren über eine absichtlich verlorene Vertrauensfrage als verfassungskonform (Wilke/Reinemann 2006: 306). Vermutlich trugen Zeitdruck und Nervosität, bedingt durch die mangelnde Vorbereitungszeit, zur vielbeklagten Aggressivität des Wahlkampfs bei. Dass gegen Schröder mit der CDU-Vorsitzenden Merkel erstmals eine Frau als Kanzlerkandidatin antrat, brachte zusätzliche Unsicherheit (Holtz-Bacha 2006a: 12-13). Die SPD versuchte mit einer Personalisierungsstrategie erneut Schröders bessere Sympathiewerte auf die Partei zu übertragen. Sie tat sich damit jedoch schwerer als 2002, weil die wenig charismatische Merkel auf Themen setzte. Weil die Union seit kurz nach der Wahl 2002 in den Umfragen vor der SPD geführt hatte, schien alles auf eine schwarz-gelbe Koalition hinauszulaufen. Doch im Wahlkampf bröckelte der Vorsprung plötzlich immer stärker ab – wohl auch, weil die CDU/CSU als vermutete Siegerin in eine Selbstpräsentation gedrängt wurde, die eher einer Regierungspartei entsprach, als einen für Oppositionsparteien sonst üblichen Angriffswahlkampf gegen die Regierung zu führen. Mit Angriffen gegen die Steuerpläne der Union (darunter eine unpopuläre Mehrwertsteuererhöhung) gelang es der SPD, die CDU/CSU als Partei der „sozialen Kälte“, sich selbst dagegen als Partei der „sozialen Wärme“ darzustellen. Das Wahlergebnis fiel überraschend aus: Die CDU/CSU (35,2%) erhielt deutlich weniger Stimmen als erwartet, die SPD (34,2%) lag nur knapp dahinter. „Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine Partei innerhalb so kurzer Zeit einen so großen Vorsprung verspielt“ (Brettschneider 2005: 19). Von der Schwäche beider Volksparteien profitierten die kleinen Parteien FDP (9,8%), Grüne (8,1%) und die Linke (vormals PDS, 8,7%), die durch eine gemeinsame Kandidatur mit der WASG erstmals auch im Westen deutlich Stimmen gewann. Das Wahlergebnis stellte die Parteien vor erhebliche Probleme bei der Regierungsbildung, ehe sich Union und SPD zu einer großen Koalition unter Kanzlerin Merkel entschlossen (Wilke/Reinemann 2006: 307; Holtz-Bacha 2006a; Jung/ Wolf 2005: 5-6).

4.4.2 Österreich In Österreich hatten ÖVP, SPÖ und KPÖ nach der Staatsgründung im April 1945 eine provisorische Allparteien- bzw. Konzentrationsregierung gebildet. Die erste Nationalratswahl nach dem Zweiten Weltkrieg fand im November 1945 statt, aufgrund der starken Reglementierungen durch die Alliierten handelte es sich aber nicht um eine freie Wahl. So waren z. B. nur die drei Regierungsparteien zur Wahl zugelassen, und es war klar, dass die Konzentrationsregierung nach der Wahl in jedem Fall fortgesetzt würde. Die Inhaltsanalyse setzt daher erst mit dem zweiten Nationalratswahlkampf 1949 ein. Auch wenn er und der folgende 1953 135

noch unter dem Regime der Besatzungsmächte stattfanden, können sie als weitgehend frei betrachtet werden. Nachdem der einzige KPÖ-Minister 1947 aus der Regierung ausgetreten war, wurde Österreich von einer großen Koalition regiert. Weil die Fortsetzung dieser Koalition jeweils schon vor der Wahl feststand, waren sämtliche Wahlkämpfe von 1945 bis 1966 stark ritualisiert (Rachbauer 2005: 38). Doch auch in der Konkordanzdemokratie gab es Konflikte zwischen den Regierungspartnern, was u. a. daran deutlich wird, dass der Nationalrat in dieser Phase fast immer zumindest um einige Monate vorzeitig aufgelöst wurde (Enderle-Burcel 1995: 88). Der Ausgang der Nationalratswahl 1949, zu der die Alliierten elf Parteien zuließen, war sehr ungewiss. Vor allem das Wählerpotenzial des neugegründeten Verbands der Unabhängigen (VdU; später WdU, dann FPÖ) war schwer einzuschätzen. Um die Gunst einer Million Neuwähler (Heimkehrer, Rückwanderer und ehemalige Nationalsozialisten, die durch die Amnestie für Minderbelastete 1948 ihr Wahlrecht wiedererlangt hatten) kämpften die Parteien mit harten Bandagen. Als Spitzenkandidaten standen sich Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP) und der SPÖ-Vorsitzende Adolf Schärf gegenüber. Der hochemotionale „Angstwahlkampf“ drehte sich nicht um Sachfragen, sondern um den „Wahlkampfdauerbrenner“ bis 1966: Die SPÖ warnte vor dem Abdriften der ÖVP in den Austrofaschismus,112 die ÖVP warnte angesichts der Sowjetisierung Osteuropas, der Berlinkrise 1948 und der Machtübernahme der Kommunisten in der benachbarten Tschechoslowakei vor dem Abdriften der SPÖ in den Kommunismus („Volksfrontdrohung“), und das paradoxerweise, obwohl sich beide schon lange vor der Wahl zu einer Fortsetzung der großen Koalition bekannt hatten (Wochesländer 2002: 82). Die Wahl brachte Stimmenverluste für ÖVP (44,0%), SPÖ (38,7%) und KPÖ (5,1%). Großer Gewinner war der VdU (11,7%). Figl blieb Kanzler einer großen Koalition (Hölzl 1974: 29-50; Hanisch 1994: 417, 425-426; Rachbauer 2005: 38). In der folgenden Legislaturperiode verschlechterten sich die Beziehungen innerhalb der Koalition zusehends, und Ende 1952 zerbrach sie, weil sie sich nicht auf ein Budget für das darauffolgende Jahr einigen konnte. Als Kanzlerkandidaten im Wahlkampf 1953 traten wiederum Figl und Schärf an. Zentrales Wahlkampfthema war der Abschluss des Staatsvertrags, auf den die Bevölkerung ungeduldig wartete. Die SPÖ sprach sich vehement dafür aus und konnte die ÖVP damit in die Defensive drängen – auch weil der ÖVP als Kanzlerpartei die bisherigen Versäumnisse stärker angelastet wurden. Obwohl die Angriffe der Parteien nicht mehr so heftig ausfielen wie noch 1949, dominierte ein negativer Grundtenor mit gegenseitigen Beschuldigungen. Bei der Wahl gab es nur einen Sieger: Die SPÖ wuchs auf 42,1 Prozent an, während ÖVP (41,3%), WdU (10,9%) und KPÖ (5,3%) Verluste erlitten (Hölzl 1974: 64). Trotz des Stimmen112 Austrofaschismus bezeichnet die österreichische Form des Faschismus im Ständestaat von 1933 bis 1938 (Berger 2007: 152-190).

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vorsprungs der SPÖ bekam aufgrund der Wahlarithmetik die ÖVP ein Mandat mehr und stellte weiterhin den Bundeskanzler der großen Koalition. Allerdings musste Figl wegen der Wahlniederlage Kanzleramt und Parteivorsitz an Julius Raab abgeben (Wochesländer 2002: 83-91; Hölzl 1974: 51-67). In der Folgezeit erlebte Österreich einen ökonomischen Aufschwung, an dem die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Regierung maßgeblichen Anteil hatte. Auch in der Außenpolitik gab es bald Erfolge: 1955 wurde der Staatsvertrag unterzeichnet und die immerwährende Neutralität beschlossen. Österreich war damit wieder ein souveräner Staat. Die erste Nationalratswahl ohne Besatzungsmächte folgte außerplanmäßig schon 1956, als die Koalition infolge unüberbrückbarer ordnungs- und wirtschaftspolitischer Differenzen zerbrach. Auch dieser Wahlkampf war geprägt durch geringe Themenorientierung und scharfe Auseinandersetzungen, denn beide Großparteien strebten die absolute Mehrheit an. Besonders die ÖVP führte ihren Wahlkampf mit aller Härte und schürte gezielt die Angst vor Verstaatlichungen. Die SPÖ, der mit den Besatzungsmächten ihr Hauptgegner und ihr zugkräftiges Thema von 1953 abhandengekommen waren, hatte dem wenig entgegenzusetzen. Ihr Spitzenkandidat Schärf hatte keine Chance gegen den wenige Monate nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags äußerst populären Bundeskanzler Raab. Mit einem überwältigen Wahlsieg verfehlte die ÖVP (46,0%) die absolute Mehrheit nur um ein Mandat – begründet auch durch das sehr schlechte Abschneiden der FPÖ (6,5%), die nach parteiinternen Schwierigkeiten erst wenige Wochen vor der Wahl aus dem WdU hervorgegangen war. Die SPÖ (43,0%) verzeichnete leichte Gewinne, die KPÖ (4,4%) verlor weiter an Boden. Die große Koalition unter Raab wurde fortgesetzt (Hölzl 1974: 68-83; Hanisch 1994: 447-453; Wochesländer 2002: 117-127). Doch die Koalition „schlitterte in eine lange dauernde Agonie.“ (Hanisch 1994: 448) Beide Parteien wollten sie beenden und setzten für 1959 erneut vorgezogene Neuwahlen an. Kanzlerkandidat der ÖVP war wieder Raab, der aber den Zenit seiner Macht überschritten hatte und nach einem Schlaganfall gesundheitlich beeinträchtigt war. Ihm stand diesmal mit dem neuen SPÖ-Vorsitzenden und Vizekanzler Bruno Pittermann ein Herausforderer gegenüber, der sich auf dem Höhepunkt seiner Popularität befand. Der Wahlkampf war kurz, aber voller gegenseitigem Misstrauen. Im Mittelpunkt stand die Frage des Fortbestehens der großen Koalition. ÖVP und SPÖ warfen einander „Alleinherrschaftsbestrebungen“ vor, die SPÖ konnte damit allerdings stärker durchdringen. Die Wahl endete mit einem Patt zwischen ÖVP (44,2%) und SPÖ (44,8%). Die FPÖ hatte wieder leicht gewonnen (7,7%), die KPÖ weiter verloren (3,3%) und schaffte damit den Einzug in den Nationalrat nicht mehr. Es blieb bei der großen Koalition, in der die ÖVP erneut wegen der Wahlarithmetik ein Mandat mehr bekam und den Kanzler stellte (Wochesländer 2002: 127-130; Hölzl 1974: 84-100).

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Die nächste vorgezogene Wahl folgte 1962. Das Budgetdefizit und die Inflationsrate waren inzwischen gestiegen und das Wirtschaftswachstum abgeflacht. Auslöser des Neuwahlbeschlusses war eine für Österreich untypische Streikwelle Anfang 1962. Kanzlerkandidaten waren Pittermann und Alfons Gorbach, der den ÖVP-Parteivorsitz 1960 und das Kanzleramt 1961 von Raab übernommen hatte (Berger 2007: 292). Beiden Großparteien fiel es schwer, im Wahlkampf Themen zu setzen. Die Volkspartei warnte vor einer „roten Herrschaft“, die in die Defensive gedrängte SPÖ reagierte mit der Warnung vor einer ÖVP-Alleinregierung. Im Ergebnis gewann die ÖVP (45,4%) zwei Mandate von der SPÖ (44,0%) hinzu. Die FPÖ stagnierte (7,1%). Es folgten zähe Koalitionsverhandlungen, in denen sich die SPÖ trotz ihrer schlechteren Ausgangsposition klar gegen die ÖVP durchsetzen konnte. Infolge dieser Niederlage musste Gorbach Parteivorsitz (1963) und Kanzlerschaft (1964) an Josef Klaus abgeben (Hölzl 1974: 116; Berger 2007: 294-295; Wochesländer 2002: 138-143). In den folgenden Jahren mehrten sich die Spannungen und gegenseitigen Blockaden zwischen den Koalitionspartnern. Als sie sich im Herbst 1965 nicht auf ein Budget für das Folgejahr einigen konnten, entschieden sie einmal mehr, die nächste Wahl vorzuziehen auf März 1966 (Pelinka 1968: D3). Die Ausgangssituation für die SPÖ war ungünstig: Der ehemalige Innenminister Franz Olah, der die SPÖ mit undurchsichtigen finanziellen Unterstützungen von FPÖ und Krone in eine tiefe Krise gestürzt hatte und aus der Partei ausgeschlossen worden war, machte ihr mit seiner neu gegründeten Demokratisch-Fortschrittlichen Partei (DFP) Stimmen streitig. Zudem gab die KPÖ, die selbst nur in einem Wahlkreis kandidierte, eine Wahlempfehlung für die SPÖ ab, die damit für viele Katholiken und linksliberale Wähler unwählbar wurde (Berger 2007: 310). Dass der SPÖ-Spitzenkandidat Pittermann – noch dazu deutlich unpopulärer als Bundeskanzler Klaus – diese Wahlempfehlung nicht entschieden zurückwies, erleichterte der ÖVP deren Instrumentalisierung und das gezielte Schüren der Angst vor dem Kommunismus. Das zeigte Wirkung: Als erste Partei der Zweiten Republik erreichte die ÖVP mit 43,3 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Mandate. SPÖ (42,6%) und FPÖ (5,4%) erlitten Einbußen. Die ÖVP führte dennoch halbherzig Koalitionsgespräche mit der SPÖ, die aber scheiterten. Daraufhin bildete Klaus die erste österreichische Alleinregierung (Hölzl 1974: 117-139; Kriechbaumer 1981: 5-11; Berger 2007: 310; Rachbauer 2005: 43-48). Die Regierung war anfangs mit ihrer Reformpolitik sehr erfolgreich, sah sich dann aber aufgrund der einsetzenden Rezession zu unpopulären wirtschafts- und steuerpolitischen Maßnahmen gezwungen und verlor an Rückhalt in der Bevölkerung. Die SPÖ nutzte ihre Oppositionszeit für eine Modernisierung, die 1967 auch in der Wahl des charismatischen Bruno Kreisky zum Parteivorsitzenden Ausdruck fand und dadurch noch weiter vorangetrieben wurde. Kreisky wusste die massenmedialen Eigengesetzlichkeiten meisterhaft für sich zu nutzen – weitaus besser als Bundeskanzler Klaus (Wochesländer 2002: 185). Wohl auch deshalb wurde der Wahlkampf 1970, der u. a. das erste Fernsehduell zwischen 138

den Spitzenkandidaten brachte, zum ersten fernsehzentrierten Wahlkampf der Zweiten Republik. Die SPÖ richtete ihre gesamte Kampagne auf Kreisky aus. Die ÖVP hatte dagegen schlechte Chancen, denn ihre erneuten Versuche, Angst vor dem Kommunismus zu erzeugen, fruchteten nicht mehr. Das Wahlergebnis kam einem Erdrutsch gleich. Die SPÖ (48,4%) überholte erstmals seit 1945 die ÖVP (44,7%) klar an Stimmen und Mandaten. Die FPÖ stagnierte bei 5,4 Prozent (Hölzl 1974: 160). Anders als von vielen erwartet, strebte Kreisky aber keine Neuauflage der großen Koalition an, sondern ebnete schon am Wahlabend den Weg in die bislang einzige Minderheitsregierung der Zweiten Republik, eine SPÖ-Regierung unter Duldung der FPÖ.113 Im Gegenzug stellte er eine Wahlrechtsreform in Aussicht, welche die Wahlchancen der FPÖ verbesserte. Doch allen war klar, dass diese Regierung nur eine Übergangslösung sein konnte (Kriechbaumer 1981: 14-16, 25-36, 67; Wochesländer 2002: 176-182; Berger 2007: 316-320; Rachbauer 2005: 49, 70; Hanisch 1994: 460-464; Hölzl 1974: 141). In ihren ersten Regierungsmonaten verzeichnete die SPÖ dank günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen (internationale Hochkonjunktur, stabiles Budget) große Erfolge und verabschiedete etliche populäre Gesetze (z. B. Abschaffung der Autosondersteuer, Verkürzung der Wehrdienstzeit auf sechs Monate plus 60 Tage Waffenübungen). Als bei der Präsidentschaftswahl im April 1971 der sozialdemokratische Kandidat Franz Jonas klar siegte und Umfragen eine günstige Stimmung für die SPÖ vermuten ließen, beantragte die SPÖ im Juli 1971 die Auflösung des Nationalrats und Neuwahlen am 10. Oktober. Die FPÖ, die sich aufgrund der Wahlrechtsreform Gewinne versprach, unterstützte den Antrag. Mit dem Slogan „Lasst Kreisky und sein Team arbeiten“ zog die SPÖ in den Wahlkampf. Kreisky präsentierte sich staatstragend und warb um „ein bißchen mehr Bestätigung“ (Hölzl 1974: 162-174). Die von so baldigen Neuwahlen überraschte ÖVP befand sich nach dem Verlust der absoluten Mehrheit und dem Gang in die Opposition in einer tiefen Krise. Sie hatte mit ihrem neuen Parteiobmann Karl Schleinzer keinen überzeugenden Spitzenkandidaten, 114 und Kreiskys Erfolge hatten die Warnung vor einem Linksruck wirkungslos gemacht. Eine starke „Pro-Kreisky-Stimmung“ in der Bevölkerung trug dazu bei, dass die SPÖ die absolute Mehrheit (50,0%) erreichte, während die ÖVP (43,1%) verlor und die FPÖ (5,5%) sich kaum veränderte (Hölzl 1974: 171; Wochesländer 2002: 190-199; Rachbauer 2005: 75-84; Kriechbaumer 1981: 67-75). Der Machtwechsel war damit endgültig vollzogen. Obwohl sich ÖVP und FPÖ um eine Neupositionierung bemühten, kamen sie gegen Kreisky und die SPÖ nicht an. Die Regierung nahm – getragen von einer breiten Aufbruchstimmung und einem Konjunkturaufschwung – erfolgreich zahlreiche Reformen in 113 Eine kleine Koalition aus SPÖ und FPÖ hatte FP-Obmann Peter schon vor der Wahl ausgeschlossen. 114 Im Mai 1970 hatte Hermann Withalm den Parteivorsitz von Klaus übernommen, sah das aber von Anfang an als Provisorium. Im Juni 1971 wurde Schleinzer Parteiobmann, der für eine neue Generation von ÖVP-Politikern stand (Wochesländer 2002: 187).

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Angriff, an denen Anfang der 1970er Jahre großer Nachholbedarf herrschte (z. B. Erhöhung der Familien- und der Geburtenbeihilfe). Ihren folgenden Nationalratswahlkampf 1975 fokussierte die SPÖ wieder vollends auf Kreisky, dessen Popularitätswerte in Umfragen weit über denen der Partei lagen. Kreisky verknüpfte das Wahlziel der SPÖ – die absolute Mehrheit – geschickt mit seiner Person, indem er ankündigte, als Kanzler für eine große Koalition nicht zur Verfügung zu stehen. Demgegenüber war die ÖVP erneut in einer schwierigen Situation: Weil ihr ursprünglicher Spitzenkandidat Schleinzer drei Monate vor der Wahl tödlich verunglückte, musste sie mit dem eher unbekannten Josef Taus antreten. Inhaltlich war der Wahlkampf bestimmt durch das Thema Sicherheit. Während die SPÖ sich selbst als Garant für eine abgesicherte Zukunft präsentierte, versuchte die ÖVP, durch eine negative Darstellung der Arbeit der Regierung Zukunftsangst zu erzeugen – in einer Phase der Hochkonjunktur ein hoffnungsloses Unterfangen. Obwohl sich bei der Wahl kaum Stimmenanteile verschoben und die Mandatsverteilung identisch blieb, wurde das Ergebnis in der Öffentlichkeit als triumphaler Sieg der SPÖ (50,4%) und als Niederlage der ÖVP (43,0%) gewertet. Die FPÖ verharrte bei 5,4 Prozent (Rachbauer 2005: 89-90, 97; Wochesländer 2002: 203-220; Kriechbaumer 1981: 417-426; Bretschneider 1980: 9; Hanisch 1994: 468; Berger 2007: 330; 339). 115 Erneut bildete Kreisky eine Alleinregierung, die sich aber in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre durch die weltweite Rezession und in den Vorjahren verschleppte Entscheidungen schwierigeren Rahmenbedingungen gegenübersah. Zwar gelang der Sprung von der Reformpolitik zum Krisenmanagement, jedoch um den Preis massiver Neuverschuldung für die Sozialpolitik des Austro-Keynesianismus. Im Vorfeld der Nationalratswahl 1979 deutete vieles auf den Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ hin. Neben parteiinternen Problemen war sie im November 1978 bei der Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf überraschend gescheitert (Bretschneider 1980: 1-7). Obwohl Kreisky vor der Volksabstimmung für den Fall einer Niederlage erklärt hatte, bei der Nationalratswahl nicht mehr Kanzlerkandidat sein zu wollen, führte er die SPÖ erneut in den Wahlkampf. Die ÖVP – wohl wissend, dass ihr Spitzenkandidat Taus weit von Kreiskys Popularität entfernt war – legte ihre Wahlkampfstrategie bewusst sachorientiert an und versuchte einen politischen Kurswechsel zu propagieren. „Aber gegen Kreisky konnte man nur einen Verteidigungswahlkampf führen.“ (Rachbauer 2005: 103) Trotz der wachsenden Unsicherheit über die künftige Wirtschaftslage war das Vertrauen der Bevölkerung in dessen Problemlösungsfähigkeit ungebrochen und überdeckte alle Probleme der Regierung. Der SPÖ gelang es, die Wahl zur Entscheidung zwischen Sicherheit, für die sie stand („österreichischer Weg“), und Unsicherheit, assoziiert mit einer 115 „Das Ergebnis der Nationalratswahl vom 5. Oktober ist deshalb so bemerkenswert, weil es in Europa nach 1945 in freien Wahlen nur 6 Parteien gelang, über 50 Prozent der gültigen Stimmen zu erreichen. Aber nur die SPÖ war in der Lage, ihren Stimmenanteil bei der folgenden Wahl zu vergrößern.“ (Kriechbaumer 1981: 426)

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ÖVP-FPÖ-Koalition, zu stilisieren. Sie kam auf ihr bestes Ergebnis (51,0%) und die stärkste Mehrheit, die eine österreichische Partei nach 1945 je erreichte. Für die ÖVP (41,9%) war ihre erneute Niederlage enttäuschend, wenn auch nicht überraschend. Die FPÖ (6,1%) konnte sich gegenüber 1975 leicht steigern (Bretschneider 1980; Wochesländer 2002: 224-241; Rachbauer 2005: 100-109; Blecha 1979). Was folgte, war der Abstieg von SPÖ und Kreisky. Aufgrund der verspätet nach Österreich durchschlagenden weltweiten Rezession verschlechterten sich die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen rasant (Plasser/Ulram 1984: 20), die Kritik an der wachsenden Staatsverschuldung wuchs und in der Regierung häuften sich Skandale und Konflikte. Die SPÖ-Führung erweckte den Anschein, arrogant und unersättlich geworden zu sein (Berger 2007: 366). Obwohl Kreisky, gezeichnet durch eine schwere Nierenerkrankung, nicht mehr seine frühere (tele-)mediale Wirkung erreichte, richtete die SPÖ im Wahlkampf 1983 ihre Kampagne wieder auf ihn aus („Kreisky muss Kanzler bleiben“). Die ÖVP tat es ihr gleich mit ihrem Kanzlerkandidaten Alois Mock, Parteiobmann seit 1979. Sie konnte wichtige Problemfelder besser thematisieren und brachte z. B. Arbeitsplatzsicherung und Verschwendungspolitik geschickt miteinander in Verbindung. Ihr alternatives Wirtschaftskonzept fand in der Bevölkerung breite Zustimmung. Dass sich bei der Wahl die politischen Kräfteverhältnisse entscheidend verschoben, war daher keine Überraschung. Die SPÖ (47,7%) verlor die absolute Mehrheit, Kreisky zog daraus die angekündigten Konsequenzen und trat von allen Ämtern zurück. Die ÖVP (43,2%) hatte sich leicht verbessert, die FPÖ (5,0%) etwas verschlechtert. Verschiedene erstmals angetretene Grüngruppierungen verpassten noch den Einzug in den Nationalrat. Kreiskys Nachfolger als Kanzler und Parteivorsitzender, Fred Sinowatz, bildete mit der FPÖ die erste kleine Koalition der Zweiten Republik (Rachbauer 2005: 113-114, 142; Berger 2007: 366; Wochesländer 2002: 251-258; Plasser/Ulram 1984). Diese Koalition hatte von Anfang an mit den Versäumnissen der Vorgängerregierung zu kämpfen. Skandale, die schlechte Wirtschaftslage und die steigende Staatsverschuldung verstärkten den negativen Eindruck (Wochesländer 2002: 277). 1986 gab es in beiden Regierungsparteien einen Führungswechsel: Sinowatz trat im Juni infolge der Waldheim-Affäre116 einen Tag nach dessen Wahl zum Bundespräsidenten als Bundeskanzler zurück, sein Nachfolger wurde Franz Vranitzky. 117 Im September behauptete sich der deutschnationale Jörg Haider in einer Kampfabstimmung über den FPÖ-Parteivorsitz gegen den bis116 Im Präsidentschaftswahlkampf 1986 war bekannt geworden, dass Kurt Waldheim, früherer UN-Generalsekretär und Präsidentschaftskandidat der ÖVP, in biografischen Angaben bisher seine Tätigkeiten als Wehrmachtsoffizier zwischen 1942 und 1944 verschwiegen hatte. Das führte zu internationalen Debatten. Innenpolitisch wurde in der Folge in Österreich zum ersten Mal offen darüber diskutiert, dass auch Österreicher an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt gewesen waren (Berger 2007: 379-386). 117 Parteivorsitzender wurde Vranitzky erst 1988.

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herigen, liberaleren Vorsitzenden Norbert Steger. Für Vranitzky war Haider als Vizekanzler nicht tragbar. Er kündigte daraufhin die Koalition auf, und für November wurden Neuwahlen angesetzt. Die angeschlagene SPÖ versuchte sich als Partei aus dem Wahlkampf herauszuhalten und setzte ganz auf den populären Vranitzky und sein „Macher-Image“ als ehemaliger Banker. Die ÖVP, deren schwer kranker Kanzlerkandidat Mock wenig überzeugte, wollte mit ihrer Wirtschaftskompetenz punkten, konnte aber nicht verhindern, dass im themenarmen Wahlkampf vor allem über den Wahlausgang, mögliche Personen und Koalitionen diskutiert wurde. Beide Großparteien erlitten Verluste, die SPÖ (43,1%) noch mehr als die ÖVP (41,3%). Die diesmal mit einer gemeinsamen Liste angetretenen Grünbewegungen (4,8%) kamen erstmals ins Parlament. Großer Gewinner war die FPÖ mit einem überraschend gestiegenen Stimmenanteil (9,7%) – wohl auch, weil Teile der ÖVP im Wahlkampf signalisiert hatten, man werde in jedem Fall eine große Koalition bilden. Diese wurde dann tatsächlich Realität, fand aber in der Bevölkerung nicht mehr denselben Rückhalt wie bis 1966 (Wochesländer 2002: 291, 297; Berger 2007: 387; Rachbauer 2005: 145-146, 164-167). Dennoch stand ein Regierungswechsel bei der Nationalratswahl 1990 nicht wirklich zur Debatte. Weil beide Großparteien gemeinsam regierten, wurden Inhalte im Wahlkampf weitgehend ausgespart und stattdessen ein „Schaukampf der Persönlichkeiten ausgetragen“ (Ogris 1991: 151). Aufgrund mehrerer Skandale, die vor allem die SPÖ betrafen, versuchte sie die Wahl zu einer Abstimmung über Vranitzkys Zukunft als Bundeskanzler zu machen. Die ÖVP kritisierte anfangs den „Starkult“ der SPÖ um Vranitzky und versuchte Wirtschaftsthemen zu setzen – auch weil sie selbst mit ihrem neuen Vorsitzenden Josef Riegler nur einen Verlegenheitskandidaten zu bieten hatte (Rachbauer 2005: 175). Als sich die SPÖ aber in den Umfragen verschlechterte, hoffte die ÖVP sie überholen zu können und ließ sich auf das Duell der Spitzenkandidaten ein. Diese Fehlentscheidung „verhalf dem SPÖ-Wahlkampfkonzept zur notwendigen Dramatisierung“ (Ogris 1991: 151): Aufgrund von Rieglers offensichtlichen Schwächen konnte sich stattdessen Haider als eigentlicher Herausforderer des Kanzlers positionieren. Die FPÖ (16,6%) war erneut klarer Wahlgewinner, vor allem auf Kosten der ÖVP (32,1%). Die SPÖ (42,8%) verzeichnete geringfügige Verluste, die Grünen lagen unverändert bei 4,8 Prozent. Weil Vranitzky und Riegler schon im Wahlkampf eine Koalition mit der „Haider-FPÖ“ ausgeschlossen hatten, wurde die große Koalition fortgesetzt, war fortan aber geprägt von Differenzen (Wochesländer 2002: 296-319; Plasser/Sommer/Ulram 1991; Plasser/Ulram 1996: 37; Rachbauer 2005: 172-175, 200-201; Berger 2007: 394). Im „Superwahljahr“ 1994 mit der Volksabstimmung über den EU-Beitritt, vier Landtags-, den Arbeiterkammer- und mehreren Gemeinderatswahlen (Auer/ Scheucher 1995: 153-154) schien die Relevanz der Nationalratswahl gering, weil sich ÖVP und SPÖ schon nach der erfolgreichen EU-Abstimmung auf eine Fortsetzung der großen Koalition festlegten und eine wirkliche Auseinandersetzung miteinander vermieden. Das motivierte viele Wähler zu einer „Denk142

zettel-Wahl“. Fast alle Parteien personalisierten im Wahlkampf stark. Nur die ÖVP versuchte das – wenig erfolgreich – zu vermeiden, weil sie Vranitzky mit Erhard Busek (seit 1991 Parteivorsitzender und Vizekanzler) erneut einen schwachen Herausforderer entgegenstellte. Verstärkt wurde die Personalisierung dadurch, dass bei den TV-Konfrontationen erstmals neben den Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP auch die der anderen Parlamentsparteien in einer Serie von Zweierduellen aufeinandertrafen. Am Wahltag verloren sowohl SPÖ (34,9%) als auch ÖVP (27,7%) Stimmen und damit die Zweidrittelmehrheit, die für Verfassungsänderungen ohne Zustimmung der Opposition nötig war. Mit FPÖ (22,5%), Grünen (7,3%) und LIF (6,0%) waren im österreichischen Nationalrat jetzt fünf Parteien vertreten (Berger 2007: 395; Plasser/Ulram 1996; Tieber 1995; Rachbauer 2005: 209-215; Auer/Scheucher 1995; Schaller/Vretscha 1995). Niemand hatte erwartet, dass es schon 1995 wieder eine Nationalratswahl geben würde. Offiziell kündigte die ÖVP die Regierung im Oktober aufgrund von Budgetstreitigkeiten auf. Eine Rolle spielte aber auch, dass Umfragen im Sommer einen Wahlsieg der Volkspartei erwarten ließen. Der sehr kurze Wahlkampf – schon im Dezember sollte gewählt werden – wurde überwiegend in den Massenmedien ausgetragen. Weil Vranitzkys Image inzwischen angeschlagen war, versuchte die SPÖ, ein breiteres Team zu präsentieren und ihn erst in der Schlussphase einzubinden. Dafür setzte diesmal die ÖVP mit Wolfgang Schüssel auf einen „offensiven, hochgradig personalisierten Kanzlerwahlkampf“ (Plasser/Ulram 1996: 29), wählte dabei aber nicht die richtigen Themen. Vor allem der propagierte Kurswechsel in der Budgetpolitik kam in der Bevölkerung nicht an. Stattdessen konnte die SPÖ mit der Warnung vor einer Koalition aus ÖVP und FPÖ („Schwarz-Blau“), der Schuldzuweisung für den Koalitionsbruch an die ÖVP und dem Thema Sozialabbau punkten. Das schlug sich im Wahlergebnis nieder: Während die ÖVP (28,3%) nur leicht zulegte, verzeichnete die SPÖ (38,1%) erstmals während Vranitzkys Kanzlerschaft deutliche Zugewinne. FPÖ (21,9%) und LIF (5,5%) verloren etwas, die Grünen (4,8%) deutlich an Zustimmung. Wie schon im Wahlkampf abzusehen, wurde die wieder mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattete „Vernunftehe“ der Großparteien fortgesetzt (Berger 2007: 394, 410; Plasser/Sommer/Scheucher 1996; Semrau/Leitner 1996; Plasser/Ulram 1996; Kossdorf/Sickinger 1996). In der folgenden Legislaturperiode tat sich die ÖVP schwer, sich in der Regierung zu profilieren. Die SPÖ konnte fast alle Erfolge für sich verbuchen (Rachbauer 2005: 267). Anfang 1997 übernahm Finanzminister Viktor Klima Kanzlerschaft und Parteivorsitz von Vranitzky (Berger 2007: 411). Ihn stellte die SPÖ in den Mittelpunkt ihrer stark personalisierten Kampagne 1999. Spitzenkandidat der ÖVP war erneut Schüssel. Der Wahlkampf begann mit einer sachpolitischen Konfrontation zwischen den Regierungsparteien, die dann aber immer stärker in den Hintergrund geriet. Denn als wenige Wochen vor der Wahl Umfragen die ÖVP hinter der FPÖ sahen, änderte die ÖVP plötzlich ihre Strategie: Schüssel kündigte an, bei Platz 3 in die Opposition zu gehen, und konnte 143

damit den freien Fall seiner Partei tatsächlich abfangen. Das Wahlergebnis glich einem Erdrutsch. Die SPÖ (33,2%) erlitt massive Verluste. Die ÖVP lag am Ende mit identischen Anteilswerten (je 26,9%), aber 415 Stimmen weniger hinter der FPÖ – ihr schlechtestes Ergebnis der Zweiten Republik. Die Grünen (7,4%) verzeichneten Stimmengewinne, das LIF (3,7%) scheiterte an der Vier-ProzentHürde. Als Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition ergebnislos blieben, schlossen sich ÖVP und FPÖ entgegen Schüssels Ankündigung zu einer kleinen Koalition zusammen. Zum ersten Mal war damit eine rechtspopulistische Partei in einer europäischen Regierung vertreten. Die übrigen EUStaaten reagierten darauf mit Protesten und vorübergehenden (erfolglosen) bilateralen Sanktionen gegen die österreichische Regierung (Plasser/Ulram/ Sommer 2000; Strugl 2000; Wochesländer 2002: 374-383; Berger 2007: 413-414). Die Koalition machte erfolgreiche Reformpolitik (Filzmaier 2003). Sie war von der ÖVP dominiert, auch aufgrund von Krisen in der FPÖ. Eine solche war auch der Auslöser für die außerplanmäßige Nationalratswahl 2002. Auf dem FPÖ-Parteitag in Knittelfeld kam es zu einem innerparteilichen Machtwechsel, dem Rücktritt mehrerer FPÖ-Minister und damit zum Bruch der Koalition. Es folgte ein kurzer Wahlkampf mit unvorhersehbarem Ausgang. Erst kurz vor der Wahl überholte die ÖVP die SPÖ in den Umfragen (Lopatka 2003: 179, 186). Die ÖVP führte mit Bundeskanzler Schüssel einen Persönlichkeitswahlkampf, propagierte eine Fortführung der Koalition mit der FPÖ und stilisierte die Wahl zu einer Entscheidung über den Kanzler („Wer, wenn nicht er“). Trotz Schüssels nicht überragenden Umfragewerten war man gegenüber der SPÖ im Vorteil, deren neuer Vorsitzender und Kanzlerkandidat Alfred Gusenbauer in der Bevölkerung auf große Skepsis stieß. Daher versuchte die SPÖ, die erstmals seit 30 Jahren einen Oppositionswahlkampf führen musste, Sachthemen in den Vordergrund zu stellen. Ihr fehlte jedoch eine klare Botschaft, und schließlich ließ sie sich von der ÖVP doch in ein „Kanzlerduell“ treiben. Daneben warnte die ÖVP mit Blick auf Deutschland vor Rot-Grün, obwohl die SPÖ keine Koalitionsaussage traf. Das Wahlergebnis war beispiellos. Die ÖVP (42,3%) gewann mehr neue Stimmen und Mandate als je eine andere Partei in der Zweiten Republik – auf Kosten der FPÖ (10,0%), die „die bislang schwersten Stimmenverluste einer österreichischen Parlamentspartei“ (Lopatka 2003: 190) verzeichnete. Die SPÖ (36,5%) war trotz Stimmengewinnen erstmals seit 1970 nicht mehr stimmenstärkste Partei, und die Grünen (9,5%) erreichten ihr bis dahin bestes Wahlergebnis. Nach erfolglosen Sondierungsgesprächen der ÖVP mit SPÖ und Grünen wurde die Koalition mit der FPÖ fortgesetzt (Plasser/Ulram/Sommer 2003; Rachbauer 2005: 309-340; Lopatka 2003). Die FPÖ schied aber schon vor der nächsten Nationalratswahl 2006 aus der Regierung aus. Im Frühjahr 2005 spalteten sich Jörg Haider, alle Regierungsmitglieder und die größten Teile des freiheitlichen Parlamentsklubs als Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von ihr ab. Obwohl die ÖVP dadurch zusätzlich an Gewicht in der Regierung gewann, war klar, dass der Wahlerfolg von 2002 nicht 144

wiederholbar sein würde. Seit dem Frühjahr 2003 führte die SPÖ in den Umfragen, in der Kanzlerfrage (Gusenbauer vs. Schüssel) lag sie allerdings hinten. Erst im Frühjahr 2006 änderten sich diese Mehrheitsverhältnisse infolge des BAWAG-Skandals, 118 der zum dominierenden Wahlkampfthema wurde: Als bekannt wurde, dass die gewerkschaftseigene Bank bei riskanten Spekulationsgeschäften Milliarden (darunter auch Gelder des ÖGB) verloren hatte, wurde der mit dem ÖGB eng verbundenen SPÖ in der Öffentlichkeit dafür eine Mitverantwortung zugeschrieben. Der Einfluss dieses Themas auf das Wahlergebnis blieb letztlich aber begrenzt, auch weil sich der Eindruck verbreitete, die ÖVP sei ebenfalls in den Skandal verwickelt (Plasser/Ulram 2007: 26). Die SPÖ konnte ihre Anhänger durch die gezielte Betonung ihrer Kernthemen (Arbeitslosigkeit, soziale Gerechtigkeit, Gesundheit, Bildung) mobilisieren und die Angriffe durch Negativkampagnen gegen die ÖVP abwehren. Diese hatte ihre themenarme Kampagne ausschließlich auf Schüssel ausgerichtet und geriet damit in die Defensive. Am Ende lag die SPÖ (35,3%) knapp vor der ÖVP (34,3%), die damit eine klare Niederlage hinnehmen musste. FPÖ (11,0%) und Grüne (11,1%) hatten leicht gewonnen, das BZÖ (4,1%) den Sprung über die Vierprozenthürde in den Nationalrat geschafft. Fortan wurde Österreich wieder von einer großen Koalition regiert, Bundeskanzler wurde Gusenbauer (Hofer 2007; Karlhofer 2007; Plasser/Ulram 2007).

4.4.3 Zwischenfazit Im Überblick über alle 34 Wahlkämpfe fällt auf, dass sich bestimmte situative Einflussfaktoren und Konstellationen wiederholen. Besonders einflussreich auf die Wahlkampfberichterstattung dürften fünf davon sein: Die Wahlkampfdauer scheint einen Einfluss auf die Schärfe des Wahlkampfs zu haben. Sie hängt damit zusammen, ob es sich um reguläre oder vorgezogene Wahlen handelt. Auch die Offenheit des Wahlausgangs wirkt sich auf die Schärfe der Auseinandersetzung aus, denn je offener der Ausgang, desto spannender ist der Wahlkampf und desto aggressiver gestalten die Parteien ihren Wahlkampf. Ihre Kampagnen sind der dritte Faktor: Je nachdem, ob sie eher auf Inhalte oder auf Personen setzen, desto stärker konzentriert sich vermutlich auch die Berichterstattung darauf. Desweiteren spielen Fernsehduelle eine Rolle. Und ein zentraler Einflussfaktor sind schließlich die Kandidaten selbst, die den ganzen Wahlkampf prägen können.

118 BAWAG P.S.K. steht für „Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG“, ÖGB für Österreichischer Gewerkschaftsbund.

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4.5 Analyserahmen Vor dem Hintergrund des Vergleichs der politischen Systeme, der Mediensysteme und der journalistischen Systeme Deutschlands und Österreichs und dem historischen Überblick über alle 34 Wahlkämpfe können die in Kapitel 4 eingangs dargestellten Modelle der Wahlkampfberichterstattung auf die beiden Untersuchungsländer angepasst werden. Fokussiert wird dabei erneut auf die Unterschiede zwischen beiden Ländern, deren Einfluss auf die Berichterstattung der Elitetageszeitungen untersucht werden soll. Der so entstehende Analyserahmen (Abbildung 14) bildet die Grundlage zur Interpretation der inhaltsanalytischen Befunde, durch die er zugleich überprüft und ggf. weiter modifiziert wird. Abbildung 14: Determinanten der Wahlkampfberichterstattung – Analyserahmen

Als wichtigste Einflussfaktoren seitens der politischen Systeme bezieht der Analyserahmen die (in Österreich stärkere) Konsensorientierung der politischen Eliten, die (sich in beiden Ländern langfristig verändernden) Wählermärkte und die (dadurch jeweils intensiver werdenden) Parteienwettbewerbe ein. Determinanten seitens der Mediensysteme sind die (in Österreich weitaus stärkere) Pressekonzentration und der (dort ebenfalls viel größere) Stellenwert von Boulevard- und Parteizeitungen, der (in Österreich stärkere) politische Parallelismus und die (in Deutschland größere) Rolle und Verbreitung des Fernsehens. Seitens der journalistischen Systeme dürften die Tradition des Meinungsjournalismus, das (in Öster146

reich stärker parteiische) Rollenselbstverständnis und der (in Österreich geringere) Stellenwert journalistischer Ausbildung und Selbstregulierung die Berichterstattung, insbesondere ihre journalistische Qualität, beeinflussen. Betreffend die situative Konstellation wurden die jeweilige Ereignislage, die Wahlkampfdauer, die Offenheit des Wahlausgangs, die Kampagnen, die Fernsehduelle und die Spitzenkandidaten als vermutliche systematische Einflussfaktoren identifiziert. Sie alle dürften die Wahlkampfberichterstattung prägen, zu ihren lang- und kurzfristigen Veränderungen beitragen und auf diese Weise langfristige Trends modifizieren – z. B. einen sinkenden Sachthemenanteil und eine wachsende journalistische Autonomie, Personalisierung und Negativität, die in theoretischen Ansätzen wie Amerikanisierung, Boulevardisierung und neuem Strukturwandel der Öffentlichkeit beschrieben werden. Welchen Einfluss sie tatsächlich haben, wird in der folgenden Inhaltsanalyse geprüft.

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5. Anlage der Untersuchung

5.1 Forschungsfragen und Annahmen Im Zentrum der Untersuchung steht die Berichterstattung über die Spitzen- bzw. Kanzlerkandidaten der beiden größten Parteien in Deutschland (SPD und CDU/ CSU bzw. Union) und Österreich (SPÖ und ÖVP) in sämtlichen 34 Bundestagsbzw. Nationalratswahlkämpfen von 1949 bis 2005 bzw. 2006. Ausgehend von zwei gängigen, empirisch bislang aber kaum überprüften Annahmen zur langfristigen Entwicklung der Wahlkampfberichterstattung in westlichen Demokratien sind für die vorliegende Studie zwei Fragen forschungsleitend: (1) Inwieweit führen die national unterschiedlichen strukturellen und situativen Bedingungen, unter denen die Wahlkampfberichterstattung entsteht, zu Unterschieden in ihrer Gestalt und ihren Inhalten? (2) Inwieweit lassen sich neben diesen Unterschieden und trotz verschiedener Rahmenbedingungen aber auch ähnliche langfristige Veränderungen und Trends in der Berichterstattung feststellen, die als transnationale Entwicklungen betrachtet werden können? Analysiert werden im Folgenden formale und inhaltliche Merkmale der Wahlkampfberichterstattung, die Aufschluss über die dahinterstehenden strukturellen und situativen Einflussfaktoren und Wirkmechanismen geben können. Sie lassen sich in vier Bereiche gliedern: (1) Umfang, (2) Themen, (3) Wandel und Kontinuität bestimmter Darstellungsmuster und (4) journalistische Qualität. Aus den unterschiedlichen politischen und medialen Strukturen beider Untersuchungsländer und deren langfristigen Veränderungen lassen sich 16 Annahmen ableiten.

5.1.1 Umfang 1a) Je offener der Wahlausgang und je spannender der Wahlkampf war, desto umfangreicher wurde darüber berichtet. Geht man davon aus, dass mit den nachlassenden Parteibindungen der Wählerschaft vor allem ab den 1980er Jahren die Bedeutung des Wahlkampfs für Parteien und Wähler zugenommen hat, wäre eigentlich in beiden Ländern mit zunehmender Wahlkampfberichterstattung zu rechnen. In den deutschen Zeitungen war allerdings die Beitragszahl von 1980 bis 1994 rückläufig, was sich durch den relativ geringen Spannungsgehalt dieser Wahlkämpfe erklären lässt (Wilke/ Reinemann 2000: 37-54). Ähnlich ist der geringe Umfang der Berichterstattung im Bundestagswahlkampf 2009 zu begründen, in dem die Umfragen im Vorfeld

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klar für eine Mehrheit von Union und FDP sprachen (Wilke/Leidecker 2010: 341-345). 1b) In Österreich hat der Umfang der Wahlkampfberichterstattung langfristig zugenommen. Falls die Offenheit des Wahlausgangs tatsächlich den Umfang der Berichterstattung beeinflusst, sollten aufgrund der Art und Weise, wie Demokratie in beiden Ländern umgesetzt wird, die österreichischen Zeitungen zumindest in den ersten Untersuchungsjahrzehnten generell weniger umfangreich über die Wahlkämpfe berichtet haben als die deutschen. Denn in der Hochphase der österreichischen Konkordanzdemokratie war oft schon im Wahlkampf klar, dass die große Koalition nach der Wahl fortgesetzt würde, oder es war abzusehen, dass eine Partei (weiterhin) allein würde regieren können. Erst mit den zunehmenden Auflösungstendenzen der Konkordanzdemokratie und der Erweiterung des Parteienspektrums, vermehrt also ab den 1980er Jahren, wurden die österreichischen Wahlkämpfe insgesamt spannender. Somit sollte die Wahlkampfberichterstattung im Zeitverlauf umfangreicher werden. 1c) Die Wahlkampfbeiträge in den österreichischen Zeitungen waren durchschnittlich kürzer als in den deutschen und sind im Lauf der Jahrzehnte noch kürzer geworden. Die österreichischen Elitetageszeitungen befanden sich aufgrund der geringeren Größe des Landes und des Übergewichts der marktanteils- und reichweitenstarken Boulevardblätter in einer schwierigeren ökonomischen Situation als ihre deutschen Pendants. Das dürfte zu geringeren redaktionellen Ressourcen und weniger Raum für die (politische) Berichterstattung geführt haben – und möglicherweise auch zu Anpassungsstrategien an die Boulevardzeitungen. In letzteren sind Beiträge wesentlich kürzer als in Elitezeitungen. Wenn sich die Eliteblätter tatsächlich – wie von der Boulevardisierungsthese behauptet – wegen des wachsenden ökonomischen Drucks zunehmend an den Boulevard angenähert haben, sollten ihre Beiträge also kürzer geworden sein. Dass der Assimilationsdruck auf die Elitezeitungen aufgrund der Marktsituation in Österreich größer ist als in Deutschland, spricht für durchschnittlich kürzere Beiträge in Österreich, die im Zeitverlauf noch kürzer geworden sein sollten.

5.1.2 Themen 2a) Der Wahlkampf und die Wahl selbst waren in Österreich wie in Deutschland insgesamt das wichtigste Thema der Wahlkampfberichterstattung. Daneben waren die Auseinandersetzungen im Wahlkampf stets durch (Sach-)Themen geprägt, die für das jeweilige Land aktuell bedeutsam waren, die also jeweils stark von der situativen Konstellation abhingen. Beides haben Wilke und Reinemann (2000) für Deutschland durchgängig gezeigt – wobei die thematische Dominanz des Wahlkampfs wenig überrascht, weil ein Aufgreifkriterium der Inhaltsanalyse der Bezug zum Wahlkampf war. Das dürfte also auch für die österreichischen Zeitungen gelten.

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2b) Die generelle Bedeutung bestimmter Themen unterschied sich zwischen den Ländern. Das lassen einige gesellschaftliche und politische Länderunterschiede vermuten. Zum Beispiel dürfte die Außenpolitik aufgrund der größeren internationalen Bedeutung Deutschlands in den deutschen Zeitungen eine größere Rolle gespielt haben als in den österreichischen. Dagegen dürfte der Sozial- und Wirtschaftspolitik im stärker sozialpartnerschaftlich geprägten Österreich ein höherer Stellenwert zugekommen sein. Aufgrund der enormen Bedeutung der Parteien in der Proporzdemokratie Österreich ist weiterhin anzunehmen, dass die dortigen Zeitungen die Parteipolitik stärker reflektiert haben als die deutschen. 2c) In der Berichterstattung beider Ländern veränderte sich im Zeitverlauf die Bedeutung bestimmter Themen, wenn diese gesellschaftlich an Bedeutung gewannen oder verloren. Beispielsweise sollten Kirche und Religion langfristig an Stellenwert eingebüßt haben, die Umweltpolitik dagegen ab Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre bedeutsamer geworden sein. Den Ansätzen zum Wandel der politischen Kommunikation zufolge müssten auch private Belange der Kandidaten und Umfrageergebnisse (horse race-Themen) an Bedeutung gewonnen haben.

5.1.3 Wandel und Kontinuität Sachthemenanteil 3a) Im Lauf der Jahrzehnte hat eine Dethematisierung bzw. Entpolitisierung der (Wahlkampf-)Berichterstattung stattgefunden. Zu vermuten ist in beiden Ländern eine zunehmende Entpolitisierung in dem Sinne, dass sachpolitische Inhalte (policy issues) im Zeitverlauf immer stärker an Bedeutung verloren haben. Hintergrund dafür ist die Vermutung, dass aus zwei Gründen eine wachsende Entsachlichung politisch-inhaltlicher Diskussionen stattgefunden hat: Einerseits setzen die politischen Akteure im härter gewordenen Wettkampf um Wählerstimmen immer mehr auf symbolische Politik, Inszenierungen und Pseudo-Ereignisse. Andererseits fokussieren die Journalisten aus ökonomischen Motiven heraus zunehmend auf politikferne Merkmale und stellen Politik eher unterhaltungsorientiert dar.

Journalistische Autonomie 3b) Medien und Journalisten haben sich in beiden Ländern zunehmend vom politischen System entkoppelt und emanzipiert, haben also an Autonomie gegenüber den politischen Akteuren gewonnen. In Österreich vollzog sich dieser Prozess aber später und weniger nachhaltig als in Deutschland. Journalistische Professionalisierungsprozesse sind stets begrenzt durch die politischen Rahmenbedingungen und Systeme, in denen sie stattfinden (Mancini 2000). Weil der politische Parallelismus in Österreich insgesamt stärker ausgeprägt ist und die Medien stärker an die politischen Akteure gebunden sind, setzte 150

der Loslösungsprozess dort später ein als in Deutschland. Dazu trug auch die spätere Dualisierung des Rundfunksystems bei, die als Katalysator des Emanzipationsprozesses gilt (Reinemann/Wilke 2003: 188). Ablesbar sind die Machtverschiebungen daran, dass die Journalisten sich zunehmend eigenständige Wertungen zutrauten und einen immer stärker interpretativen Journalismusstil pflegten.

Negativität Hinsichtlich der Negativität der Berichterstattung erscheinen zwei sich widersprechende Annahmen plausibel. Welche von beiden eher zutrifft, wird in der Inhaltsanalyse geprüft. 3c) Die deutschen Zeitungen berichteten insgesamt negativer über den Wahlkampf als die österreichischen. 3d) Die österreichischen Zeitungen berichteten insgesamt negativer über den Wahlkampf als die deutschen. Zu 3c) Die Negativität der Berichterstattung kann als Indikator für ihre Konfliktorientierung gedeutet werden. Politische Journalisten stehen der politischen Elite sehr nahe oder definieren sich (im Fall von Parteizeitungen) sogar selbst als deren Vertreter. Daher ist einerseits zu vermuten, dass sich ihre Art und Weise, über Politik und Politiker zu berichten, an den im politischen System vorherrschenden Verhaltensmustern orientiert. Die stärkere Kompromiss- und Konsensorientierung der politischen Eliten in Österreich spricht also dafür, dass die österreichische Wahlkampfberichterstattung insgesamt weniger stark an Konflikten orientiert und somit weniger negativ war als die deutsche. Denn obwohl der Wahlkampf eine Konfliktsituation darstellt, ist der politische Wettbewerb in Konkordanzdemokratien eingeschränkt (Luthardt 1988: 243) und Angriffswahlkämpfe sind seltener (Brettschneider 2008b: 3186). Auch ist Negativität ein Zeichen kritischer Distanz der Massenmedien zu den politischen Akteuren (Benson/Hallin 2007: 41), die in Österreich ebenfalls geringer ausgeprägt gewesen sein dürfte als in Deutschland. Gestützt wird diese Annahme durch medienstrukturelle Länderunterschiede: In Deutschland ist das Fernsehen weiter verbreitet und das Privatfernsehen wurde deutlich früher eingeführt (Kapitel 4.2.5). Vor allem private Fernsehsender orientieren sich stark am Nachrichtenfaktor Negativität, der hohe Publikumsaufmerksamkeit verspricht. Die Boulevardisierungsthese nimmt an, dass die steigende Boulevardisierung von Elitezeitungen (und damit eine immer negativere Berichterstattung) durch wachsende intermediäre Konkurrenz und durch eine Annäherung vor allem an das visuelle Medium Fernsehen erklärt werden kann (Schulz 2008b: 69; Landmeier/Daschmann 2011: 180-181). Beides – die konkordanzdemokratische Prägung und der geringere Stellenwert des Fernsehens in Österreich – lässt dort also eine geringere Negativität der Wahlkampfberichterstattung vermuten. 151

Zu 3d) Andererseits wecken aber die starke Polarisierung und Aggressivität der Wahlkämpfe in Österreich bis 1966, auf dem Höhepunkt der Konkordanzdemokratie, Zweifel daran, dass sich die österreichischen Parteien in Wahlkämpfen entsprechend ihrer sonstigen Gepflogenheiten stets konsensorientiert und konfliktvermeidend verhielten – was seine Entsprechung auch in der Berichterstattung finden könnte. Die österreichischen (Partei-)Zeitungen könnten hier als Ventil für politische Konflikte fungiert haben, die innerhalb des konsensorientierten politischen Systems nicht offen zwischen den politischen Eliten ausgetragen werden konnten. Konflikte wären dann auf mediale Auseinandersetzungen beschränkt und dort besonders stark konzentriert gewesen. Auch diese Annahme einer negativeren Wahlkampfberichterstattung in Österreich kann mit der Boulevardisierungsthese untermauert werden, die eine wietere Ursache der steigenden Boulevardisierung der Elitezeitungen darin sieht, dass diese unter dem Druck des Marktes Elemente des ökonomisch erfolgreichen Boulevardjournalismus übernehmen, u. a. einen ausgeprägten Negativismus-bias (Schulz 2008b: 69). Auf dem stark vom Boulevard dominierten österreichischen Zeitungsmarkt sind die Elitezeitungen diesem ökonomischen Druck stärker ausgesetzt als auf dem deutschen, weshalb der Negativismus-bias in Österreich ausgeprägter sein dürfte als in Deutschland. 3e) In Österreich ist die Wahlkampfberichterstattung (im Unterschied zu Deutschland) im Lauf der Zeit immer negativer geworden. Für Deutschland haben Wilke und Reinemann (2000) gezeigt, dass die Negativität der Berichterstattung nicht linear zugenommen hat, sondern dass die Zeitungen den Kandidaten insgesamt kritisch gegenüberstanden. Dafür, dass die Negativität in Österreich dagegen im Zeitverlauf gestiegen ist, sprechen die Veränderung der österreichischen Konkordanzdemokratie in Richtung einer stärker konfliktorientierten Wettbewerbsdemokratie, die allmähliche Distanzierung der Medien von den politischen Akteuren bei gleichzeitig zunehmender Kopplung an die Marktlogik und die immer dominanter werdende Boulevardpresse.

Personalisierung Auch hinsichtlich der Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung sind bezüglich der generellen Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich zwei sich widersprechende Annahmen plausibel, die es zu prüfen gilt. 3f) Die Wahlkampfberichterstattung der österreichischen Zeitungen war insgesamt stärker personalisiert als die der deutschen. 3g) Die Wahlkampfberichterstattung der deutschen Zeitungen war insgesamt stärker personalisiert als die der österreichischen. Zu 3f) Einerseits gibt es Unterschiede zwischen beiden Ländern, die erwarten lassen, dass die Wahlkampfberichterstattung der österreichischen Zeitungen stärker personalisiert war als die der deutschen: Infolge der in Österreich viel stärke-

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ren Vormachtstellung der Boulevardzeitungen, zusammenhängend mit der stärkeren Pressekonzentration, gerieten kleinere Zeitungen wie die hier untersuchten unter starken ökonomischen Druck. Eine mögliche Reaktion darauf ist eine stärkere Ausrichtung am Publikumsgeschmack, z. B. mittels einer personalisierten Berichterstattung. Auch waren Fernsehkonfrontationen zwischen den Spitzenkandidaten, die personalisierungssteigernd wirken, schon seit 1970 fixer Bestandteil österreichischer Wahlkämpfe, in Deutschland erst seit 2002. Zu 3g) Andere Merkmale beider Länder hingegen deuten hingegen in Richtung einer stärkeren Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung in Deutschland. Dafür sprechen zum einen die Dominanz der österreichischen Parteien als Institutionen in der Konkordanzdemokratie, in der Einzelpersonen nur eine untergeordnete Rolle spielten, und zum anderen die geringere Bedeutung des Fernsehens, insbesondere die in Österreich rund 15 Jahre spätere Einführung des Privatfernsehens, das mit seinem besonderen Fokus auf Personen auch die Berichterstattung anderer Mediengattungen beeinflusst haben dürfte. 3h) Im Zeitverlauf ist der Personalisierungsgrad der österreichischen Zeitungen (anders als in den deutschen) gestiegen. Während Wilke und Reinemann (2000) in Deutschland keine Belege für eine wachsende Personalisierung fanden, spricht in Österreich einiges dafür: Mit der sukzessiven Auflösung der österreichischen Konkordanzdemokratie verloren die österreichischen Parteien gegenüber einzelnen Personen an Bedeutung. Und der Stellenwert der Boulevardzeitungen, die ihre Berichterstattung stark auf Personen ausrichten, wuchs. Das dürfte, wie von der Boulevardisierungsthese vermutet, auch die Berichterstattung der Elitezeitungen beeinflusst haben. Neben diesen strukturellen Faktoren können allerdings situative Einflussgrößen wie der Personalisierungsgrad von Kampagnen langfristige Trends durchbrochen haben.

5.1.4 Journalistische Qualität 4a) Die österreichischen Zeitungen wiesen durchgängig eine geringere journalistische Qualität auf als die deutschen, das heißt sie berichteten weniger vielfältig, weniger transparent und stärker parteiisch. Der österreichische Zeitungsmarkt ist – zusammenhängend mit der stärkeren Pressekonzentration – stärker von der Boulevardpresse geprägt als der deutsche. Dadurch sind negative Auswirkungen auf die Qualität der Elitezeitungen zu erwarten, die sich inhaltlich bis zu einem gewissen Grad an den am Markt sehr viel erfolgreicheren Boulevardzeitungen orientieren. Weiterhin legen die geringere Rolle der journalistischen Selbstregulierung und der geringere Stellenwert journalistischer Ausbildung eine niedrigere journalistische Qualität in Österreich nahe, weil in der Folge das Problembewusstsein für Qualitätsfragen im dortigen Journalismus weniger ausgeprägt sein dürfte.

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Hinsichtlich der Ausgewogenheit der Wahlkampfberichterstattung ist für sämtliche Zeitungen zu erwarten, dass sie politisch Position bezogen und sich nicht unparteiisch verhalten haben. Denn beide Länder besitzen eine starke meinungsjournalistische Tradition, und zudem werden hier Richtungs- und Parteizeitungen untersucht, deren Funktion bis zu einem gewissen Grad gerade in der Vermittlung unterschiedlicher Standpunkte besteht. Von der AZ als Parteizeitung wurde sogar explizit erwartet, sich parteiisch zu verhalten. Untersucht wird also nicht, ob die Zeitungen überhaupt unparteiisch berichteten, sondern vielmehr, inwieweit sie das in beiden Ländern in unterschiedlichem Maß taten und wie sich das durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen erklären lässt. Für eine weniger strikte Einhaltung der Unparteilichkeitsnorm in Österreich sprechen der stärkere politische Parallelismus und die stärker zentralistische Struktur des dortigen Pressemarktes, die zu verstärkter Parteinahme der Zeitungen als Teil einer Zielgruppenstrategie und Abgrenzung von anderen Medienprodukten führen kann (Benson/Hallin 2007: 43). 4b) Im Zeitverlauf hat die journalistische Qualität in beiden Ländern zugenommen. Mit der zunehmenden Professionalisierung des Journalismus in beiden Ländern dürfte auch die Qualität seiner Produkte gestiegen sein. Dazu sollten insbesondere der wachsende Stellenwert journalistischer Ausbildung und Selbstregulierung und in Österreich eine sinkende Prägung durch den politischen Parallelismus beigetragen haben.

5.2 Methode und Durchführung der Inhaltsanalyse Diese 16 Annahmen werden in der vorliegenden Untersuchung komparativ überprüft. Ihre Basis bilden zwei quantitative Inhaltsanalysen, deren Autoren ihre Daten für die vorliegende Dissertation zur Verfügung gestellt haben: Für Deutschland stammen die Daten aus der schon mehrfach erwähnten Studie von Wilke und Reinemann (2000), die erstmals die Berichterstattung deutscher Tageszeitungen über sämtliche Bundestagswahlkämpfe untersucht haben. Nachdem die Erstveröffentlichung die Wahlen 1949 bis 1998 eingeschlossen hatte, wurde sie bei allen folgenden Bundestagswahlen (2002, 2005 und 2009) fortgeführt, so dass mittlerweile Daten zu sämtlichen 17 Bundestagswahlen seit 1949 vorliegen. Für Österreich stützt sich die Analyse zum Großteil auf Daten aus dem seit 2006 laufenden Projekt „Kontinuität und Wandel der Wahlkampfkommunikation in Österreich (1966-2008)“ (Melischek/Seethaler/Rußmann 2009; Seethaler/Melischek 2010). Es wird an der Kommission für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit der Universität Wien durchgeführt und vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) gefördert (Projektnummer P20147-G14). Bestimmte, im österreichischen Codebuch (Melischek/Seethaler 2011) nicht enthaltene Variablen aus der deutschen Studie wurden in einer Zusatzcodierung eigens erfasst. Zudem wurde die Be154

richterstattung über die österreichischen Wahlkämpfe von 1949 bis 1962 von der Autorin selbst nachcodiert. Bei der Konzeption des österreichischen Codebuchs wurde auf größtmögliche direkte Vergleichbarkeit mit dem deutschen geachtet.119 Die quantitative Inhaltsanalyse ist eine „empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (Früh 2001: 25). Die Vorentscheidungen über Untersuchungsmaterial (überregionale Elitetageszeitungen), Untersuchungszeitraum (je vier Wochen vor den einzelnen Wahlterminen) und Analyseinstrument (Codebuch) waren somit durch die beiden zugrundeliegenden Studien festgelegt. Analysiert werden sieben Elitetageszeitungen, vier deutsche (Frankfurter Rundschau (FR), Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) (1949: Der Tagesspiegel) und Die Welt) sowie drei österreichische (Arbeiter Zeitung (AZ; bis 1986), Der Standard (ab 1990) und Die Presse).120 Obwohl neben die Tagespresse längst das Fernsehen als wichtiges Leitmedium getreten ist, empfiehlt es sich bei einem so langen Untersuchungszeitraum die Presse zugrunde zu legen. Im Unterschied zum Fernsehen sind Zeitungen besser archiviert. Auch könnte mit dem Fernsehen, das sich nach seinem bundesweiten Start in Deutschland (1954) und Österreich (1955) erst allmählich entwickelte, nicht der gesamte Untersuchungszeitraum ab 1949 abgedeckt werden. Zudem wird die Analyse von Fernsehsendungen durch die Doppeldeutigkeit dieses Mediums aufgrund seiner Kombination aus Text- und Bildinformationen erschwert (Wilke/Reinemann 2000: 19) Für die Elitetageszeitungen spricht außerdem, dass sie ausreichendes Untersuchungsmaterial erwarten lassen und als Parteirichtungszeitungen – bzw. im Fall der AZ als Parteizeitung – das politische Spektrum in beiden Ländern repräsentieren: In Deutschland zwischen links (FR), mitte-links (SZ), mitte-rechts (FAZ) und rechts (Welt), in Österreich zwischen links (AZ) bzw. linksliberal (Standard) und rechts(konservativ) (Presse). Zur Verortung der Blätter im politischen Spektrum ist allerdings anzumerken, dass auch innerhalb der einzelnen Zeitungen zwischen verschiedenen Ressorts (z. B. Politik, 119 Damit wird ein entscheidender Nachteil vieler anderer komparativer Studien vermieden, die selbst erhobene Daten sekundäranalytisch ausgewerteten Daten aus anderen Ländern gegenüberstellen. Denn dabei können u. a. die Operationalisierungen oder die Zusammensetzung des Samples die Vergleichbarkeit beeinträchtigen (Kleinsteuber 2003b: 83). Das österreichische Codebuch (Melischek/Seethaler 2011) ist im Internet abrufbar unter http://www.oeaw.ac.at/cmc/epubs/KMK_Forschungsbericht_No%209.pdf. 120 Die Salzburger Nachrichten, die ebenfalls als Qualitätszeitung gelten und den gesamten Zeitraum abdecken würden, sind im Sample des österreichischen FWF-Projekts (Projektnummer P20147-G14) nicht enthalten, in dessen Kontext die vorliegende Arbeit entstanden ist. Letzteres gilt auch für die AZ 1990, als sie schon unter ihrem neuen, parteifremden Eigentümer (siehe unten) erschien. Eine Nacherhebung war in beiden Fällen aus Zeit- und Kostengründen nicht möglich und erscheint auch nicht sinnvoll, weil das politische Spektrum durch zwei Zeitungen mit unterschiedlicher politischer Tendenz pro Wahl ausgewogener repräsentiert wird als durch drei Zeitungen, von denen jeweils zwei eine ähnliche Tendenz aufweisen.

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Wirtschaft und Feuilleton) ein Meinungsspektrum bestehen kann (Wilke 1999b: 311). Um die Ergebnisse der Inhaltsanalyse besser einordnen zu können, werden die sieben untersuchten Zeitungen 121 im Folgenden kurz charakterisiert. Wie in Kapitel 4.2.3.1 gezeigt, handelt es sich um national verbreitete Abonnement-Tageszeitungen. Die deutschen Titel im Sample entstanden mit Ausnahme der FAZ noch in der Lizenzphase nach 1945, sind also ehemalige Lizenzzeitungen. Strenggenommen sind nur zwei von ihnen, die Welt und die FAZ, wirklich überregionale Zeitungen, weil SZ und FR den überwiegenden Teil (rund zwei Drittel) ihrer Auflage regional (in Bayern bzw. Hessen) absetzen (Wilke 1999b: 311). Die FR versteht sich dementsprechend selbst als „Heimat- und Metropolenzeitung“ (Wilke 1999b: 313). Sie erschien mit einer Lizenz der amerikanischen Militärregierung erstmals am 1. August 1945 in Frankfurt am Main. Ihre acht Lizenzträger waren politisch links bzw. kommunistisch orientiert. Die daraus resultierende linke bzw. linksliberale Grundhaltung des Blattes wurde später Teil der Dienstverträge der Redakteure und bestimmt die redaktionelle Linie bis heute. Charakteristisch für die FR waren daneben seit jeher ein demokratischer Führungsstil, Teamarbeit und große journalistische Freiräume. Nach dem Ausscheiden aller anderen Herausgeber gründeten der Sozialdemokrat Karl Gerold, Mitherausgeber seit April 1946, und der Kommunist Arno Rudert das Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH, das fortan die FR herausgab. Rudert verstarb 1954, Gerold 1973. Seine Unternehmensanteile gingen danach auf die KarlGerold-Stiftung über, die das organisatorische Fundament der Zeitung bildete, bis diese infolge der Zeitungskrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts in ihrer Existenz bedroht war. 2004 wurden daraufhin 90 Prozent der Gesellschaftsanteile an die SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) verkauft, die restlichen 10 Prozent verblieben bei der Stiftung. Die Aufnahme der Stiftungspräambel in den Gesellschaftsvertrag sollte die Unabhängigkeit der FR auch in Zukunft sichern. Unter den hier untersuchten deutschen Zeitungen hat sie die geringste Auflage (Wilke 1999b: 312-313; Sjurts 2005: 56-63). Die SZ erschien als erste Lizenzzeitung in Bayern ab dem 6. Oktober 1945 in München, anfangs aufgrund von Papiermangel jedoch nur zweimal wöchentlich und erst ab September 1949 von Montag bis Samstag. Sie war die Nachfolgerin der Münchener Neuesten Nachrichten. Ihre Lizenzträger, die vor dem Krieg bei Zeitungen unterschiedlicher Couleur tätig gewesen waren, gaben der SZ ihre bis heute bedeutsame sozialliberale Grundhaltung. Sie gründeten auch den Süddeutschen Verlag. Die SZ selbst sieht sich als bayerische New York Times (Heß 1995: 71) – als regional gebundene und traditionsbewusste, zugleich aber überregionale und meinungsbildende Zeitung, die großen internationalen Blättern ebenbürtig ist. Als „Markenzeichen“ der SZ gelten u. a. das „Streiflicht“ auf der Titelseite und die Reportagen auf Seite drei. Verglichen mit den drei anderen hier 121 Auf den Tagesspiegel, der nur 1949 statt der damals noch nicht erscheinenden FAZ untersucht wurde, wird hier nicht eingegangen.

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betrachteten deutschen Blättern ist die SZ am auflagenstärksten (Sjurts 2005: 92-103; Heß 1995; Wilke 1999b: 312). Die erste Ausgabe der FAZ stammt vom 1. November 1949, wenige Wochen nach dem Ende des Lizenzzwangs in Deutschland und wenige Monate nach der ersten Bundestagswahl. Politisch wird sie im Allgemeinen rechts der Mitte verortet. Ein besonderes Kennzeichen der FAZ ist das Kollegialprinzip: Statt einem Chefredakteur hat sie ein sechsköpfiges Herausgebergremium. Zusätzlich soll die 1959 geschaffene FAZIT-Stiftung die politische und geistige Unabhängigkeit des Blattes sicherstellen. Diese stellt ihre gesamten Erträge gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung. Unter den hier untersuchten deutschen Titeln verfügt die FAZ über die Leser mit der höchsten Schulbildung und dem höchsten Einkommen, darunter zahlreiche Führungskräfte und Meinungsführer. Nach der SZ hat die FAZ unter den hier betrachteten deutschen Zeitungen die zweithöchste Auflage (Sjurts 2005: 47-48; Wilke 1999b: 311). Die Welt gilt als die politisch am weitesten rechts stehende unter den hier untersuchten deutschen Zeitungen. Sie erschien erstmals am 2. April 1946 in der britischen Besatzungszone und blieb zunächst sieben Jahre lang in britischem Besitz. Im September 1953 wurde sie an den Verleger Axel Springer verkauft, der im Jahr zuvor die Bild-Zeitung gegründet hatte. Verlagssitz der Welt war lange Zeit Hamburg, bis sie 1993 nach Berlin umzog. Unter den hier untersuchten deutschen Zeitungen ist sie regional am wenigsten verankert. Für den Verlag blieb sie immer ein Verlustgeschäft. Erst als Ende der 1990er Jahre Layout und verlegerisches Konzept grundlegend überarbeitet wurden, stieg die verkaufte Auflage, die Gewinnzone wurde aber dennoch nicht erreicht. Die Welt ist die drittgrößte überregionale Abonnementzeitung in Deutschland nach SZ und FAZ (Sjurts 2005: 87-90; Wilke 1999b: 310). Anders als in Deutschland erschien von den österreichischen Zeitungen im Sample nur eine – die Presse – über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg. Die AZ wurde 1991 eingestellt, der Standard erst 1988 gegründet. Die direkte Geschichte der AZ reicht im Unterschied zu allen anderen Zeitungen im Sample bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sie wurde am 12. Juli 1889 als Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs gegründet. 1934 wurde sie verboten und dadurch in die Illegalität gedrängt. Erst ab dem 4. August 1945 erschien sie wieder im SPÖ-eigenen Vorwärts-Verlag, als eine der ersten Zeitungen nach dem Zweiten Weltkrieg (Steinmaurer 2003a; Peters 1999: 36). Anfangs noch die größte österreichische (Partei-)Zeitung nach 1945, war ihr dasselbe Schicksal beschieden wie allen anderen Parteiblättern: Sie verlor zunehmend Marktanteile aufgrund der Konkurrenz durch die immer marktmächtigeren Boulevardzeitungen und litt daneben unter der neuen intermediären Konkurrenz durch das Fernsehen. Bis Mitte der 1980er Jahre schrumpften die Auflagen der AZ zusehends und stellten sie schließlich vor unlösbare ökonomische Probleme. Im September 1989 entschied sich die SPÖ daher zur Privatisierung der AZ und verkaufte zunächst 90 Prozent ihrer Anteile, im April 1990 dann auch die verbleibenden 10 Prozent an 157

eine große österreichische Werbeagentur, die Birko-Beteiligungs-Ges.m.b.H. Diese wollte das ehemalige Parteiblatt zu einer unabhängigen, linksliberalen Zeitung machen, was aber nicht gelang. Mit der letzten Ausgabe vom 31.10.1991 musste die AZ eingestellt werden (Pürer 1996: 420; Bruck/Melcher-Smejkal 1993: 63-64, 88; Peters 1999: 55; Scheuch 1983: 129-134). Etwa zeitgleich mit dem Untergang der AZ trat in Österreich eine neue, linksliberale Tageszeitung auf den Plan, die wie die deutsche SZ die New York Times als ihr Vorbild sieht: Der Standard trat 1988 mit der Absicht an, vor allem die Ressorts Politik, Wirtschaft und Kultur bedienen zu wollen, die nach Ansicht seines Herausgebers Oscar Bronner in den damaligen österreichischen Zeitungen nur unzureichend behandelt wurden. In direkte Konkurrenz zur ausführlichen Sport- und Chronikberichterstattung z. B. des Midmarket-Papers Kurier wollte sich der Standard nicht begeben, auch wenn sein inhaltliches Spektrum bald um diese Bereiche erweitert wurde (Grohmann 1990: 73; Pürer 1996: 422). Der Standard definiert sich selbst bis heute als Qualitätszeitung für „Leserinnen und Leser, die erstklassige Information und ihr Blatt vielfältig nutzen wollen“, und als „weithin beachtete (…) Bühne der öffentlichen Diskussion“ (Standard 2011). Im Segment der überregionalen Qualitätstageszeitungen ist der Standard der Marktführer auf dem österreichischen Markt. Seine Geschichte ist eng verbunden mit deutschen Verlagen: Ermöglicht wurde seine Gründung erst durch eine 50-prozentige Beteiligung des deutschen Axel Springer Verlags, der bis 1995 Miteigentümer blieb (Pürer 1996: 422). Ab 1998 hielt der Süddeutsche Verlag 49 Prozent der Anteile, bis Bronner diese 2008 zurückkaufte (Wallnöfer/Käfer 2008). Die Presse wurde gegründet von Ernst Molden, dem ehemaligen Chefredakteur der Neuen Freien Presse. Sie erschien erstmals am 26. Januar 1946 als eine der ersten unabhängigen Zeitungen der Zweiten Republik. Als Tageszeitung gibt es sie seit dem 19. Oktober 1948. Sie selbst beruft sich auf zwei Vorgänger: Zum einen auf die gleichnamige Tageszeitung Die Presse, die im Zuge der bürgerlichen Revolution von 1848 entstanden war und bis 1896 existiert hatte, zum anderen auf deren Konkurrenzblatt Neue Freie Presse, die 1864 durch frühere Redakteure der Presse gegründet worden war, als „Flaggschiff“ des großbürgerlichen Liberalismus galt und 1939 mit dem Neuen Wiener Journal zum Neuen Wiener Tagblatt zusammengeschlossen worden war (Seethaler 2005: 4). Obwohl die Presse keine Parteizeitung wie die AZ ist, stand sie nach dem Zweiten Weltkrieg immer der ÖVP nahe, auch organisatorisch: 1965 wurde sie mehrheitlich an eine der Bundeswirtschaftskammer nahestehende, teilweise im Besitz von ÖVP-Bünden befindliche Gruppe verkauft, den Verein zur Förderung der freien bürgerlichen Presse (Kriechbaumer 1980: 51; Grohmann 1990: 20; Bruck/Melcher-Smejkal 1993: 78). Die Bundeswirtschaftskammer und der Wirtschaftsbund der Volkspartei kamen für das permanente Defizit des Blattes auf (Institut für Publizistik-und Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg 1977: 26).

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Im November 1991 wurden 51 Prozent der Anteile an den Styria-Verlag aus Graz verkauft. Er ist im Besitz des Katholischen Medienvereins der Diözese Graz, hat enge Verbindungen zur ÖVP und ist somit ein „typischer Vertreter des Parallelismus zwischen Presse und gesellschaftlichen Organisationen“ (Seethaler/Melischek 2006: 353; Bruck/Melcher-Smejkal 1993: 78-85; Trappel 2004). Die übrigen 49 Prozent der Anteile erwarb der Styria-Konzern im Dezember 1999 (Steinmaurer 2003a). Die Presse, die zweitgrößte überregionale Qualitätstageszeitung in Österreich, reagierte mehrfach auf neu entstandene Konkurrenzsituationen am österreichischen Zeitungsmarkt: Beispielsweise weitete sie nach der Gründung des Standard ihre Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur und Chronik sowie ihre Beilagen aus und unterzog ihr Layout einer radikalen Reform (Pürer 1990: 14-15, 68). In Reaktion auf die Konkurrenz durch das seit Oktober 1995 erscheinende (mittlerweile ebenfalls zur Styria gehörige) WirtschaftsBlatt wurde der Wirtschaftsteil der Presse einer Revision unterzogen (Pürer 1996: 423). Die Wahlkampfberichterstattung dieser sieben Zeitungen von 1949 bis 2006 bildet die Basis für die folgende Inhaltsanalyse. Dabei wurden innerhalb jedes Wahljahres die letzten vier Wochen vor dem Wahltermin analysiert – die sogenannte „heiße Wahlkampfphase“, in der vermehrt über den Wahlkampf berichtet wird. Tabelle 7 listet alle 16 untersuchten Bundestags- und 18 Nationalratswahlen, die Untersuchungszeiträume und Kanzlerkandidaten auf. Um das Material in einem bearbeitbaren Rahmen zu halten, wurde eine 50-prozentige Stichprobe122 gezogen, das heißt es wurde nur jeder zweite Beitrag verschlüsselt, der die Aufgreifkriterien erfüllte. Bei einer hinreichenden Fallzahl ermöglicht das Verallgemeinerungen der Befunde (Wilke/Reinemann 2000: 22). Untersucht werden die Titelseiten, die Ressorts „Politik“ und „Vermischtes/Chronik“ sowie die Kommentarseiten. Beiträge in diesen Zeitungsteilen gingen in die Analyse ein, wenn in der Überschrift, den Unter- und Zwischenüberschriften, dem Lead oder – falls kein Lead vorhanden war – dem ersten Absatz der Wahlkampf, die bevorstehende Wahl oder mindestens ein Kanzlerkandidat erwähnt wurde. Die Gesamtheit der so definierten Beiträge wird im Folgenden als „Wahlkampfberichterstattung“ bezeichnet. Die Inhaltsanalyse setzt auf zwei inhaltlichen Ebenen an: Auf der Beitragsebene wurde der gesamte Beitrag verschlüsselt, auf der Aussagenebene wurden einzelne wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten erfasst.123 Tabelle 8 gibt einen Überblick über die Untersuchungsanlage und das Kategoriensystem.

122 In der deutschen Erhebung wurde die Auswahl bei der Codierung selbst getroffen, in der österreichischen Erhebung wurde die Stichprobe aus dem für die Hauptuntersuchung bereits codierten Material zufällig gezogen. 123 Auf die dritte Analyseebene der deutschen Studie, die Abbildungen der Kanzlerkandidaten, wird in der vorliegenden Untersuchung verzichtet.

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Tabelle 7: Wahltermine, Untersuchungszeiträume und Kanzlerkandidaten Wahltermin Deutschland 14.08.1949 06.09.1953 15.09.1957 17.09.1961 19.09.1965 28.09.1969 19.11.1972 03.10.1976 05.10.1980 06.03.1983 25.01.1987 02.12.1990 16.10.1994 27.09.1998 22.09.2002 18.09.2005

Zeitraum

Amtsinhaber

Herausforderer

Konrad Adenauer (CDU)* Konrad Adenauer (CDU) Konrad Adenauer (CDU) Konrad Adenauer (CDU) Ludwig Erhard (CDU) Kurt Georg Kiesinger (CDU) Willy Brandt (SPD) Helmut Schmidt (SPD) Helmut Schmidt (SPD) Helmut Kohl (CDU)

Kurt Schumacher (SPD) Erich Ollenhauer (SPD) Erich Ollenhauer (SPD) Willy Brandt (SPD) Willy Brandt (SPD) Willy Brandt (SPD) Rainer Barzel (CDU) Helmut Kohl (CDU) Franz Josef Strauß (CSU) Hans-Jochen Vogel (SPD)

18.07.-13.08. 10.08.-05.09. 19.08.-14.09. 21.08.-16.09. 23.08.-18.09. 01.09.-27.09. 23.10.-18.11. 06.09.-02.10. 08.09.-04.10. 07.02.-05.03. 29.12.8624.01.87 05.11.-01.12. 19.09.-15.10. 31.08.-26.09. 26.08.-21.09. 22.08.-17.09.

Helmut Kohl (CDU)

Johannes Rau (SPD)

Helmut Kohl (CDU) Helmut Kohl (CDU) Helmut Kohl (CDU) Gerhard Schröder (SPD) Gerhard Schröder (SPD)

Oskar Lafontaine (SPD) Rudolf Scharping (SPD) Gerhard Schröder (SPD) Edmund Stoiber (CSU) Angela Merkel (CDU)

13.09.-09.10. 27.01.-22.02. 02.04.-12.05. 14.04.-10.05. 22.10.-18.11. 07.02.-06.03. 02.02.-01.03. 13.09.-10.10. 27.08.-05.10. 09.04.-06.05. 28.03.-23.04. 18.10.-22.11. 10.09.-06.10. 12.09.-08.10. 20.11.-16.12. 06.09.-02.10. 28.10.-23.11. 04.09.-30.09.

Leopold Figl (ÖVP) Leopold Figl (ÖVP) Julius Raab (ÖVP) Julius Raab (ÖVP) Alfons Gorbach (ÖVP) Josef Klaus (ÖVP) Josef Klaus (ÖVP) Bruno Kreisky (SPÖ) Bruno Kreisky (SPÖ) Bruno Kreisky (SPÖ) Franz Vranitzky (SPÖ) Franz Vranitzky (SPÖ) Franz Vranitzky (SPÖ) Franz Vranitzky (SPÖ) Franz Vranitzky (SPÖ) Viktor Klima (SPÖ) Wolfgang Schüssel (ÖVP) Wolfgang Schüssel (ÖVP)

Adolf Schärf (SPÖ) Adolf Schärf (SPÖ) Adolf Schärf (SPÖ) Bruno Pittermann (SPÖ) Bruno Pittermann (SPÖ) Bruno Pittermann (SPÖ) Bruno Kreisky (SPÖ) Karl Schleinzer (ÖVP) Josef Taus (ÖVP) Josef Taus (ÖVP) Alois Mock (ÖVP) Alois Mock (ÖVP) Josef Riegler (ÖVP) Erhard Busek (ÖVP) Wolfgang Schüssel (ÖVP) Wolfgang Schüssel (ÖVP) Alfred Gusenbauer (SPÖ) Alfred Gusenbauer (SPÖ)

Österreich 09.10.1949 22.02.1953 13.05.1956 10.05.1959 18.11.1962 06.03.1966 01.03.1970 10.10.1971 05.10.1975 06.05.1979 24.04.1983 23.11.1986 07.10.1990 09.10.1994 17.12.1995 03.10.1999 24.11.2002 01.10.2006

Für die deutschen Zeitungen wurden die Montags- bis Samstagsausgaben einbezogen. Sonntagsausgaben dieser Zeitungen gab es nur teilweise (Welt am Sonntag seit 1948, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung seit 2001), die zudem redaktionell getrennt waren und deshalb nicht in die Inhaltsanalyse einbezogen werden. In Österreich erschienen die AZ und zum Teil die Presse bis zum Wahlkampf 1979 in einer Sonntagsausgabe (meist statt einer Montagsausgabe) ohne redaktionelle Trennung zwischen den Sonntags- und den Werktagsausgaben. Diese Sonntagsausgaben wurden in die Untersuchung einbezogen, weshalb die Untersuchungszeiträume bis 1979 in Österreich den Wahltag selbst einschließen. *Bei der Bundestagswahl 1949 gab es noch keinen Bundeskanzler. Analog zur deutschen Studie wird Adenauer als Amtsinhaber betrachtet, der als Vorsitzender des Parlamentarischen Rates vermutlich über einen Bekanntheitsvorsprung und Amtsbonus vor Schumacher verfügte (Wilke/Reinemann 2000: 102).

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Tabelle 8: Untersuchungsanlage und Kategoriensystem im Überblick Deutschland Österreich Untersuchungsmaterial FAZ (1949: Der Tagesspiegel), Presse, AZ (bis 1986), SZ, FR, Welt Standard (ab 1990) Untersuchungszeitraum Je vier Wochen vor den Je vier Wochen vor den Bundestagswahlen 1949-2005 Nationalratswahlen 1949-2006 Analyseeinheiten Artikel, in denen zu Beginn ein Kanzlerkandidat oder die Wahl/der Wahlkampf thematisiert wurde (Zufallsstichprobe von 50 % aller relevanten Artikel) Kategorien Formale Kategorien Inhaltliche Kategorien Kategorien auf Beitragsebene: auf Beitragsebene: auf Aussagenebene: Medium (Zeitung) Zentrales Thema Urheber der Aussage Erscheinungsdatum Bezug zu den Inhalt der Aussage Platzierung Kanzlerkandidaten Objekt der Aussage Stilform Intensität des Kandidatenbezugs (Kandidat) Umfang Zitierung der Kandidaten Tendenz der Aussage Urheber Abbildungen Tendenz der Kandidatendarstellung

Auf der Beitragsebene wurde die Makrostruktur der Beiträge erfasst. Dazu zählen neben formalen Merkmalen (Medium, Erscheinungsdatum, Platzierung, Stilform, Umfang, Urheber) grundlegende inhaltliche Merkmale: Das zentrale Thema, Vorhandensein und Intensität des Bezugs zu den beiden Kanzlerkandidaten, der Umfang ihrer Zitierung, das Vorhandensein von Abbildungen und die Gesamttendenz der Bewertungen beider Kandidaten. Auf der Aussagenebene wurde die Mikrostruktur der Beiträge erschlossen (Wilke/Reinemann 2000: 23). Dabei geht es um einzelne wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten. Erhoben wurde jeweils, von wem eine Aussage stammte (Urheber), auf welchen Kanzlerkandidaten sie Bezug nahm (Objekt) und welche Eigenschaften und Fähigkeiten des Kandidaten (Inhalt) darin wie (Tendenz) bewertet wurden. Die Änderung eines dieser vier Elemente markierte den Beginn einer neuen Aussage. Die Inhalte der wertenden Aussagen konnten fünf Dimensionen zugeordnet werden: Persönlichkeit, Sachkompetenz/Managerfähigkeiten, Auftreten/äußere Erscheinung, Grundhaltungen und Verhältnis der Kandidaten zu anderen Akteuren. Pro Beitrag konnten beliebig viele wertende Aussagen erfasst werden. Tabelle 9 zeigt, wie viele Beiträge und wertende Aussagen in beiden Ländern und in den einzelnen Zeitungen insgesamt von 1949 bis 2006 erfasst wurden. Die Reliabilitätstests ergaben sowohl für Deutschland als auch für Österreich durchgehend befriedigende Werte (Tabelle A3 im Anhang). Die Codierung des

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Untersuchungsmaterials für Deutschland fand zwischen Februar 1998 und Februar 1999 sowie in zeitlicher Nähe zu den Bundestagswahlen 2002 und 2005 statt, die Codierung des Untersuchungsmaterials für Österreich zwischen Januar 2009 und Juli 2010. Tabelle 9: Gesamtumfang der Wahlkampfberichterstattung Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)* Frankfurter Rundschau (FR) Süddeutsche Zeitung (SZ) Die Welt Deutschland Arbeiter Zeitung (AZ; 1949-1986) Die Presse Der Standard (1990-2006) Österreich Gesamt

Beiträge 1.418 1.325 1.441 1.652 5.836 1.071 1.595 940 3.606 9.442

Wertende Aussagen 722 775 975 1.092 3.564 545 989 710 2.244 5.808

* 1949: Der Tagesspiegel. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010)124, eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

124 Die Datenquelle „ÖAW (2010)“ bezeichnet die Daten, die im FWF-Projekt „Kontinuität und Wandel der österreichischen Wahlkampfkommunikation seit 1966“ (Projektnummer P20147-G14) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erhoben wurden.

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6. Ergebnisse

6.1 Umfang Im ersten Schritt ist zu klären, wie umfangreich die Zeitungen in den letzten vier Wochen vor den Parlamentswahlen über die Wahlkämpfe und die Kanzlerkandidaten berichtet haben. Die mediale Sichtbarkeit des Wahlkampfs sowie genügend Raum für Hintergrundberichterstattung und Analysen sind mitentscheidend dafür, ob der Wahlkampf seine demokratietheoretisch gewollte Wirkung entfalten kann: Er soll den sachlichen Wettstreit zwischen den politischen Akteuren fördern und die Bevölkerung zu einer politischen Meinungsbildung animieren, die einer fundierten Wahlentscheidung vorausgehen soll. Gerade für letzteres ist eine umfassende mediale Wahlkampfberichterstattung Voraussetzung. Untersucht werden im Folgenden die ersten drei oben formulierten Annahmen: 1a) Je offener der Wahlausgang und je spannender der Wahlkampf war, desto umfangreicher wurde darüber berichtet. 1b) In Österreich hat der Umfang der Wahlkampfberichterstattung langfristig zugenommen. 1c) Die Wahlkampfbeiträge in den österreichischen Zeitungen waren durchschnittlich kürzer als in den deutschen und sind im Lauf der Jahrzehnte noch kürzer geworden. Der Umfang der Berichterstattung ermöglicht Aussagen über die Intensität der Berichterstattung „und ist ein grundlegender Indikator für die Bedeutung, die Themen und Sachverhalten in den Medien zugeschrieben wird.“ (Wilke/Reinemann 2000: 37) Dabei interessiert besonders, wie sich die Berichterstattungsmenge zwischen Deutschland und Österreich unterscheidet, wie sie sich im Lauf der Untersuchungsjahrzehnte entwickelt hat und wie beides durch national unterschiedliche bzw. sich wandelnde Rahmenbedingungen erklärt werden kann. Gemessen wird der Umfang anhand der Anzahl der Beiträge mit Wahlkampf- bzw. Kandidatenbezug und der Summe der Zeilenanschläge. Letzteres ist aufgrund von Veränderungen in Format und Spaltenbreite der Zeitungen über die Jahrzehnte hinweg notwendig. Zum Beispiel vergrößerte die Presse ihr Format 1963 (Chorherr 1983: 264) und verkleinerte es Ende der 1980er Jahre wieder. Die AZ wechselte 1985 vom Groß- zum Kleinformat (Institut für Publizistik-und Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg 1986: 32). Beide Indikatoren wurden für eine 50-prozentige Stichprobe der Wahlkampfberichterstattung erhoben. Um einen Eindruck von deren tatsächlicher Menge zu erhalten, werden die Zahlen verdoppelt (Tabelle A4 im Anhang). Zwecks direkter Vergleichbarkeit zwischen den Ländern muss zudem die unterschiedliche Zahl analysierter Zeitungen pro Wahl – in Deutschland vier, in

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Österreich zwei – ausgeglichen werden. Dazu wird die durchschnittliche Anzahl der Beiträge und Anschläge pro Zeitung berechnet.125 Als weiterer Indikator für die Berichterstattungsmenge dient die durchschnittliche Länge der Wahlkampfbeiträge (in standardisierten Zeilen). Sie gibt bis zu einem gewissen Grad Aufschluss darüber, wie tiefgreifend sich die Zeitungen mit dem Thema Wahlkampf auseinandergesetzt haben.

6.1.1 Menge der Berichterstattung In den deutschen Zeitungen werden insgesamt 5.836 Beiträge mit einem Umfang von 17,9 Mio. Zeilenanschlägen analysiert, in den österreichischen 3.606 Artikel mit 7,8 Mio. Anschlägen (zur Anzahl der Beiträge und Anschläge in den einzelnen Zeitungstiteln siehe Tabelle A4 im Anhang). Wie Abbildung 15 zeigt, entwickelte sich in Deutschland sowohl die Beitragszahl als auch die Zahl der Zeilenanschläge wellenförmig.126 Bis Mitte der 1970er Jahre nahmen beide fast kontinuierlich zu. Das ist unter anderem zurückzuführen auf die Erhöhung des Seitenumfangs der Zeitungen und folglich auf den vermehrten Raum für die politische Berichterstattung (Kepplinger 1998: 47), worauf im Folgenden noch eingegangen wird. Von 1980 bis 1994 ging die Intensität der Wahlkampfberichterstattung zurück. 125 Weil in Österreich je zwei Zeitungen analysiert wurden, entsprechen die Werte in Abbildung 15 den tatsächlich erhobenen (erfasste Beitrags-/Anschlagsanzahl mal zwei geteilt durch zwei Zeitungen), für Deutschland wurden die erfassten Artikel- und Anschlagszahlen durch zwei dividiert (erfasste Beitrags-/Anschlagsanzahl mal zwei geteilt durch vier Zeitungen). 126 Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse, die als Zeitreihe analysiert werden, sind aus Gründen der Anschaulichkeit in allen folgenden Abbildungen so dargestellt, dass die Datenpunkte von aufeinanderfolgen Wahlkämpfen (aufeinanderfolgende Messzeitpunkte) durch Linien untereinander verbunden werden. Dadurch soll nicht eine kontinuierliche Veränderung in der Berichterstattung im Zeitraum zwischen den Wahlkämpfen unterstellt werden. Die Linien sollen lediglich die Entwicklungen über mehrere Wahlkämpfe hinweg sichtbar machen. Die Signifikanztests in den folgenden Auswertungen beziehen sich je nach Fragestellung auf die Unterschiede zwischen beiden Ländern oder zwischen den Zeitungen über den gesamten Untersuchungszeitraum (1949-2006) hinweg. Entwicklungen im Zeitverlauf werden dabei nicht berücksichtigt (z. B. parallele oder gegenläufige Trends). Signifikanztests zu Analysen, deren Analyseeinheit der einzelne Beitrag (z. B. Themen, Stilformen) oder die einzelne wertende Aussage (z. B. Dimensionen der Kandidatenbewertung) ist, werden auf Grundlage der einzelnen Beiträge bzw. wertenden Aussage berechnet. Signifikanztests zu Analysen, deren Analyseeinheit einzelne Wahljahre sind (z. B. Gesamtumfang der Wahlkampfberichterstattung im jeweiligen Wahljahr) werden auf Grundlage der Aggregatdaten zu den einzelnen Wahlkämpfen berechnet. Bei Analysen auf Ebene der Beiträge bzw. wertenden Aussagen werden aufgrund der großen zugrundeliegenden Zahl der Beiträge bzw. wertenden Aussagen auch kleine Unterschiede häufig statistisch signifikant. Bei Analysen auf Ebene der Wahljahre werden Unterschiede aufgrund der geringen Zahl der Wahljahre hingegen nur selten signifikant. Um die Bedeutsamkeit der Unterschiede besser einschätzen zu können, sollten deshalb zusätzlich die Maße der Zusammenhangsstärke (Cramers V, Eta2) berücksichtigt werden.

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Der Grund hierfür ist vermutlich der geringe Spannungsgehalt dieser Wahlkämpfe. Dieser Befund ist umso bemerkenswerter, weil er in eine Phase zunehmender Volatilität des Elektorats fällt, in der die Bedeutung der Berichterstattung eigentlich zunehmen sollte. Das spricht für einen stärkeren Einfluss situativer gegenüber strukturellen Faktoren. Erst ab 1998 – der Wahl, bei der Kohl durch Schröder als Bundeskanzler abgelöst wurde – stiegen Artikel- und Anschlagszahl bis auf ihr bisheriges Maximum bei der Bundestagswahl 2002 an und verharrten 2005 auf einem ähnlich hohen Niveau weit über dem Langzeitdurchschnitt. Beides waren besonders spannende Wahlkämpfe, weil der Vorsprung der favorisierten Koalition mit dem Herannahen der Wahl immer weiter schrumpfte. Die Vermutung, dass die österreichischen Zeitungen weniger umfangreich über die Wahlkämpfe berichteten als die deutschen, lässt sich nicht bestätigen. Vielmehr waren Artikel- und Anschlagszahl wie in Deutschland in den ersten Untersuchungsjahren gering; von 1949 bis 1959 sanken sie sogar noch weiter ab. Gründe dafür könnten der geringe Spannungsgehalt dieser Wahlkämpfe – eine Fortführung der großen Koalition schien jeweils schon vor der Wahl ausgemacht – und die von Wahl zu Wahl sinkende Schärfe der ideologischen Auseinandersetzung zwischen den Parteien sein. Dann jedoch stieg der Umfang der Wahlkampfberichterstattung wie oben vermutet fast kontinuierlich bis 2006 an. Ab 1986 berichteten die österreichischen Zeitungen durchschnittlich sogar in mehr Artikeln über den Wahlkampf als die deutschen. Der Umfang in Zeilenanschlägen pro Zeitung entwickelte sich in beiden Ländern jedoch sehr ähnlich, das heißt die einzelnen Beiträge in Österreich waren durchschnittlich kürzer (Kapitel 6.1.2). In dieser Phase waren die großen Koalitionen keine Wunschbündnisse zwischen ÖVP und SPÖ, sondern wurden eher aus Mangel an Alternativen geschlossen. Auffällig ist insbesondere der starke Anstieg des Umfangs von 1975 bis 2002. Zwar gingen in den weniger spannenden Wahlkämpfen 1986 und 1994 Artikel- und Anschlagszahl vorübergehend zurück; diese Fälle lassen sich aber durch den situationalen Kontext erklären: Im ersten Fall hatten Teile der ÖVP signalisiert, in jedem Fall eine große Koalition bilden zu wollen, im zweiten Fall hatten SPÖ und ÖVP schon Monate vor der Wahl nach der erfolgreichen Abstimmung über den EU-Beitritt eine Fortführung ihres Regierungsbündnisses angekündigt. Insgesamt aber verdoppelte sich zwischen 1975 und 2002 in Österreich sowohl die Artikelzahl als auch die Summe der Zeilenanschläge. Und wie in Deutschland waren beide bei den letzten zwei Wahlen 2002 und 2006 klar überdurchschnittlich. Wie lässt sich die Entwicklung des Berichterstattungsumfangs erklären? Wilke und Reinemann (2000: 50) kamen nach Prüfung verschiedener Einflussfaktoren zu dem Ergebnis, dass sie nicht monokausal, sondern nur multikausal erklärt werden kann. Zwei der Kontextfaktoren, die sie zur Erklärung heranziehen, wer-

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Abbildung 15: Umfang der Wahlkampfberichterstattung

Durchschnittliche Anzahl der Artikel pro Zeitung: T = -0,710; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,016. Durchschnittliche Anzahl der Anschläge pro Zeitung: T = 1,803; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,092. Basis: Hochrechnung der tatsächlichen Wahlkampfberichterstattung auf Basis einer 50%-igen Stichprobe und anschließende Division durch die Anzahl der Zeitungen (n = 9.442 Beiträge). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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den hier auch für Österreich überprüft: Zum einen als medieninterner Faktor der Umfang des gesamten Politikressorts, zum anderen medienextern der Spannungsgehalt der Wahlkämpfe, dessen Einfluss sich oben bereits angedeutet hat.127 (1) Der Gesamtumfang der politischen Berichterstattung entscheidet darüber, welcher Raum den Politikjournalisten insgesamt zur Verfügung steht – auch für die Wahlkampfberichterstattung. In Deutschland hat dieser Platz in den Zeitungen seit den 1950er Jahren zugenommen, die politische Berichterstattung weitete sich aus (Kepplinger 1998: 46-50). Um diesen Zusammenhang für die Wahlkampfberichterstattung in Deutschland und Österreich zu prüfen, wurde der Umfang der Ressorts Politik und Vermischtes stichprobenartig in zwei Ausgaben pro Wahljahr und Zeitung ausgezählt und (anhand der durchschnittlichen Zeilenanschläge) hochgerechnet. Um den Gesamtumfang zu ermitteln, wurden die Durchschnittswerte aus diesen beiden Ausgaben mit der Anzahl der im Untersuchungszeitraum erschienenen Ausgaben multipliziert. Das Ressort Vermischtes musste durchgängig berücksichtigt werden, weil die meisten Zeitungen in den ersten Nachkriegsjahren die Ressorts nicht klar differenzierten.128 Um die Ergebnisse zwischen beiden Ländern direkt vergleichen zu können, wurde der Gesamtumfang der politischen Berichterstattung wiederum durch die Anzahl der Zeitungen pro Land geteilt (in Deutschland vier, in Österreich zwei) und so der Gesamtumfang der politischen Berichterstattung pro Zeitung ermittelt. Die Resultate werden in Abbildung 16 dem Umfang der Wahlkampfberichterstattung gegenübergestellt (Tabelle A4 im Anhang).129 127 Zu zwei weiteren Indikatoren bei Wilke und Reinemann (2000: 48-50) – den Siegeserwartungen der Bevölkerung (die Annahmen darüber, wer die Wahl gewinnen werde) und den Wahlkampfausgaben der Parteien – liegen für Österreich keine Daten vor. 128 Die Kurve für die langfristige Entwicklung des Gesamtumfangs weicht in einigen Jahren etwas von der bei Wilke und Reinemann (2000: 40) ab, weil bei den vorliegenden Berechnungen im Unterschied zur Vorbildstudie bei der Anzahl der Ausgaben die Feiertage berücksichtigt wurden, an denen keine Zeitungsausgaben erschienen. Die zugrunde liegende Zahl der Ausgaben ist folglich in der vorliegenden Untersuchung etwas geringer. 129 Die Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse ist in zweifacher Hinsicht eingeschränkt. Die Zeilenzahlen pro Ausgabe für Deutschland wurden bis 1998 von Wilke und Reinemann (2000: 187) übernommen. Für 2002 und 2005 wurden für die vorliegende Studie ebenfalls je eine Dienstags- und eine Samstagsausgabe ausgezählt. Weil in der Ursprungsstudie allerdings nicht dokumentiert ist, welcher Dienstag und Samstag jeweils zugrunde gelegt wurde, ist der Vergleich schon zwischen den Wahlkämpfen in Deutschland schwierig. Denn am Samstag unmittelbar vor dem Wahlsonntag ist das Politikressort in aller Regel umfangreicher als z. B. am Samstag drei Wochen vor der Wahl. Noch vorsichtiger muss der Ländervergleich interpretiert werden. Die österreichischen Zeitungen erschienen bis Ende der 1970er Jahre nicht durchgängig von Montag bis Samstag wie die deutschen, sondern zum Teil von Dienstag bis Sonntag oder sogar von Montag bis Sonntag. Daher ist eine österreichische Samstagsausgabe nicht gleichbedeutend mit einer deutschen Wochenendausgabe und variiert in ihrer Bedeutung auch innerhalb Österreichs über die Zeit hinweg. Ausgezählt wurden in Österreich daher je eine Dienstags- und eine Freitagsausgabe pro Zeitung und Wahljahr.

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In beiden Ländern ist die politische Berichterstattung (einschließlich des Vermischten) im Lauf der Jahrzehnte erheblich angestiegen, „was gewiss als Zeichen für die Prosperität der Presse anzusehen ist.“ (Wilke/Reinemann 2000: 41) In Deutschland hat sich ihr Umfang von 1949 bis 1990 fast kontinuierlich nahezu verdoppelt und stieg nach einem vorübergehenden Rückgang 1994 und 1998 ab 2002 noch weiter an. In den einzelnen deutschen Zeitungen verlief die Entwicklung ähnlich, auffällig ist lediglich, dass der Rückgang 1998 auf FR und Welt zurückzuführen ist, während der Gesamtumfang der Politikberichterstattung in SZ und FAZ in diesem Jahr stieg (Tabelle A4 im Anhang). Von der Ausweitung der politischen Berichterstattung profitierte bis zu den 1980er Jahren auch die Wahlkampfberichterstattung, die sich im Verhältnis sogar noch etwas stärker ausweitete als das Politikressort insgesamt. Umso auffälliger erscheint vor diesem Hintergrund aber der mengenmäßige Rückgang der Wahlkampfberichterstattung 1987 und 1990, obwohl der Gesamtumfang der Politikberichterstattung weiter stieg. Erklärbar sind diese Einbußen möglicherweise durch den geringeren Spannungsgehalt beider Wahlkämpfe, auf den nachfolgend noch eingegangen wird. 1987, als der Wahlkampf im Januar stattfand, dürfte zudem die „Weihnachtspause“ zur Verringerung der Wahlkampfberichterstattung beigetragen haben. Infolgedessen verringerte sich auch deren Anteil an der gesamten Politikberichterstattung: In diesen zwei Wahlkämpfen sank er deutlich unter das Niveau von 1953 und erreichte erst 1998 wieder das der 1970er Jahre. In Österreich hat sich der Gesamtumfang von Politik und Vermischtem von 1949 bis 2006 langfristig – bei gewissen Schwankungen – verdoppelt. Auffällig ist ein starker vorübergehender Anstieg der Politikberichterstattung insgesamt im Wahljahr 1990. Er ist auf die veränderte Konkurrenzsituation am Markt zurückzuführen: In Reaktion auf die Etablierung des Standard weitete die Presse ihr politisches Informationsangebot aus. Dagegen vermehrte sich der Umfang der Wahlkampfberichterstattung in Österreich insgesamt erst ab 1995 deutlich. Alles in allem entwickelte er sich langfristig aber ähnlich dem Gesamtumfang der Politikberichterstattung, profitierte also von deren Ausweitung. Lediglich in den 1960er Jahren und vor allem zu Beginn des 21. Jahrhunderts stieg die Wahlkampfberichterstattung stärker an als die Gesamtberichterstattung, wie die Anteilswerte zeigen. Das könnte in den 1960er Jahren auf die scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien zurückzuführen sein, 2002 und 2005 hingegen auf eine insgesamt gewachsene Bedeutung des Konkurrenzprinzips in der ehemaligen Konkordanzdemokratie Österreich. Zwischen den einzelnen österreichischen Zeitungen gab es dabei keine systematischen Unterschiede, auffällig ist lediglich der hohe Umfang 1990 in der Presse (Tabelle A4 im Anhang). (2) Der zweite Erklärungsfaktor für die Berichterstattungsmenge, der Spannungsgehalt der Wahl, ist bestimmt durch die Vorhersehbarkeit, welche Partei bzw. Koalition nach der Wahl regieren wird. Operationalisiert wird er wie bei Wilke und Reinemann (2000: 46-48) über die politische Stimmung rund vier Wochen

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Abbildung 16: Verhältnis von Politik- und Wahlkampfberichterstattung Deutschland

Österreich

Gesamtumfang: T = 4,263; df = 32; p < 0,001; Eta2 = 0,362. Wahlkampfberichterstattung (Ø Anzahl der Anschläge pro Zeitung): T = 1,803; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,092. Anteil der Wahlkampfberichterstattung: T = -1,566; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,071. Basis: Hochrechnung der tatsächlichen Gesamtberichterstattung auf Basis einer Stichprobe von zwei Ausgaben pro Zeitung und Jahr und der tatsächlichen Wahlkampfberichterstattung auf Basis einer 50%igen Stichprobe (n = 9.442 Beiträge). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/ Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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vor der Wahl, genauer gesagt durch die Differenz zwischen den Stimmanteilen der Parteien bzw. wahrscheinlichen Regierungskoalitionen, die sich aus Bevölkerungsumfragen zur Parteipräferenz bzw. Wahlabsicht berechnen lässt. Je geringer diese Differenz, desto spannender dürfte der Wahlkampf in den letzten vier Wochen gewesen sein. Hierbei geht es vor allem um einen allgemeinen Eindruck von der jeweiligen Wahlkampfsituation. „Bestimmte Aspekte, die eine Wahl spannend machen können, bleiben bei dieser Betrachtungsweise jedoch unberücksichtigt, so etwa die Frage, ob ein möglicher Koalitionspartner tatsächlich die 5-Prozent-Hürde überspringt, was etwa im Fall der FDP einige Male zweifelhaft war (z. B. 1969 und 1983).“ (Wilke/Reinemann 2000: 46-47) Für Deutschland, wo bisher meist kleine Koalitionen regierten, wird die Anteilsdifferenz zwischen den wahrscheinlichen Koalitionen herangezogen (Tabelle A5 im Anhang). In Österreich, wo die große Koalition die häufigste Regierungsform darstellte und oft schon im Wahlkampf als wahrscheinlichste künftige Variante betrachtet wurde, ist dieses Vorgehen allerdings nicht sinnvoll. Denn dass die beiden Großparteien zusammen eine breite Mehrheit erzielen werden, ist stets absehbar. Oft ging es in Österreich für ÖVP und SPÖ also nicht um die Regierungsbeteiligung, sondern nur um die Vorherrschaft innerhalb der Regierung – oder um die Alleinregierung. Daher dient als Indikator für den Spannungsgehalt in Österreich die Differenz zwischen den beiden Großparteien. Problematisch ist dabei allerdings die Datenlage. Während für Deutschland ab 1953 durchgängig Umfragedaten des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) vorliegen, mussten diese in Österreich, wo es keine entsprechenden Datenarchive gibt, aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden. Dazu zählen vor allem die Zeitungen selbst und die Meldungen der Austria Presse Agentur (APA). Um die Längsschnittvergleichbarkeit zumindest weitgehend sicherzustellen, wurden nach Möglichkeit stets Daten vom selben Umfrageinstitut (meist OGM, gegründet 1976) verwendet, was allerdings nicht durchgängig gelang. Erschwerend kommt hinzu, dass in manchen Jahren statt genauer Umfrageergebnisse nur allgemeine Aussagen darüber („Kopf-an-Kopf-Rennen“ 1966 und 1970) oder Hochrechnungen auf Basis von Landtagswahlergebnissen (1979) veröffentlicht wurden oder dass die Umfrageinstitute untereinander abgesprochen hatten, vor der Wahl keine Ergebnisse zu publizieren (1983). Kontinuierliche Daten konnten daher erst ab 1986 ermittelt werden, weshalb die Befunde für Österreich sehr vorsichtig zu interpretieren sind. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil zum Teil die Zeitungen als Quelle von Umfragedaten herangezogen wurden – und diese könnten zumindest in AZ und Presse aufgrund von deren Parteinähe verzerrt ausgewählt oder dargestellt worden sein. In beiden Ländern besteht nur teilweise ein Zusammenhang zwischen politischer Stimmung und Berichterstattungsumfang (Abbildung 17). In Deutschland gilt das am ehesten für die Wahlkämpfe bis 1972, als sich der Abstand zwischen den Parteien bzw. potenziellen Koalitionen immer weiter verringerte und zeit-

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Abbildung 17: Umfang der Wahlkampfberichterstattung und Umfragevorsprung Deutschland

Österreich

Wahlkampfberichterstattung (Ø Anzahl der Anschläge pro Zeitung): T = 1,803; df = 32; n. s.; Eta 2 = 0,092. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Quellen: IfD Allensbach; IFES; IFES & Dr. Fessel; Gallup; OGM (siehe Tabelle A5 im Anhang). Ausgewiesen ist für Deutschland die Differenz zwischen den Parteipräferenzen für die wahrscheinlichen Koalitionen, in Österreich die Differenz zwischen den Parteipräferenzen für die ÖVP bzw. SPÖ rund vier Wochen vor der Wahl. Zu Angaben über die jeweils berücksichtigten Parteien Tabelle A5 im Anhang. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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gleich der Umfang der Berichterstattung stieg. Nur 1961 fällt aus diesem Trend heraus: Trotz der sehr geringen Differenz zwischen den Parteien nahm die Berichterstattung in diesem Jahr nicht übermäßig zu. Verzerrend wirkt dabei allerdings, dass die Umfragen vier Wochen vor der Wahl die SPD infolge des Baus der Berliner Mauer vorübergehend im Aufwind sahen (Wilke/Reinemann 2000: 47). Nach 1972 zeigt sich kaum noch ein Zusammenhang zwischen politischer Stimmung und Berichterstattungsumfang, teilweise sind sogar gegenläufige Tendenzen erkennbar, vor allem ab 1983. Ein verzerrtes Bild zeichneten auch die Umfragen vier Wochen vor den Bundestagswahlen 2002 und 2005, die noch einen großen Abstand zwischen den wahrscheinlichen Regierungskoalitionen vermuten ließen. Tatsächlich waren beide Wahlkämpfe jedoch äußerst spannend, weil sich die Anteile der potenziellen Koalitionen, je näher die Wahl kam, immer stärker einander annäherten. Die weit überdurchschnittliche Berichterstattungsmenge in diesen beiden Jahren liefert daher eher Belege dafür, dass der Spannungsgehalt der Wahl den Umfang derselben mitbestimmt. In Österreich schwankten die Stimmendifferenzen der Großparteien zwischen 1986 und 2005 stark. Abgesehen von 1994 und 1999, als die SPÖ klar führte, waren sie eher gering. 1994 stieg der Berichterstattungsumfang an, obgleich die Wahl aufgrund des großen SPÖ-Vorsprungs und der schon vor der Wahl vereinbarten großen Koalition nicht spannend war. Im Gegensatz dazu lässt sich die Umfangsvermehrung 1999 gut durch den hohen Spannungsgehalt der Wahl erklären, weil die Umfragen einen Zweikampf zwischen ÖVP und FPÖ um Platz 2 ankündigten. Es gibt somit in beiden Ländern Beispiele, die für den Zusammenhang von Spannungsgehalt und Berichterstattungsmenge sprechen, zugleich aber auch Gegenbeispiele. Allerdings spiegelten gerade in Österreich die Umfragen nicht unbedingt den tatsächlichen Spannungsgehalt der Wahlkämpfe wieder, vor allem in den ersten Untersuchungsjahrzehnten. Denn wie schon beschrieben, war in der Konkordanzdemokratie oft schon vor der Wahl klar, dass die große Koalition auch danach fortgesetzt würde. Mit dem allmählichen Bedeutungsverlust der Konkordanzdemokratie wurden die Wahlkämpfe also insgesamt spannender – und damit stieg der Umfang der Wahlkampfberichterstattung in Österreich. Weiterhin ist zu untersuchen, ob sich die Berichterstattungsmenge in den einzelnen Zeitungen im Zeitverlauf ähnlich oder unterschiedlich entwickelt hat. Abbildung 18 zeigt für beide Länder den Anteil der einzelnen Zeitungen an allen Zeilenanschlägen über die Zeit hinweg. In Deutschland berichteten im Gesamtdurchschnitt von 1949 bis 2005 sämtliche Titel etwa zu gleichen Teilen über den Wahlkampf. Am umfangreichsten informierte die FAZ (28%) ihre Leser, gefolgt von SZ (25%), Welt (24%) und FR (23%). Im Zeitverlauf sind in den einzelnen Blättern relativ starke Schwankungen erkennbar, wobei in der FR die geringsten Varianzen zu verzeichnen sind.

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Abbildung 18: Anteil der Zeitungen an der Wahlkampfberichterstattung Deutschland

Österreich

Deutschland: F = 2,764; df1 = 3; df2 = 60; p < 0,05; Eta2 = 0,121. Österreich: F = 15,326; df1 = 2; df2 = 33; p < 0,001; Eta2 = 0,481. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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Auf die FAZ entfiel, wie im Gesamtdurchschnitt, auch in den meisten einzelnen Wahljahren der größte Anteil der Berichterstattung, Ausnahmen waren 1969, 1972, 1980, 2002 und 2005.130 Auffällig ist vor allem der ab 1994 kontinuierlich sinkende Anteil der FAZ, der aber nicht bedeutet, dass sie die Menge ihrer Wahlkampfberichterstattung eingeschränkt hätte. Vielmehr weiteten, gemessen an den Anschlägen, in diesem Zeitraum sämtliche Blätter die Menge ihrer Wahlkampfberichterstattung aus, die FAZ tat das lediglich in geringerem Umfang als die anderen Zeitungen. Insbesondere Welt und FR engagieren sich deutlich stärker, was sicher aber auch mit ihrem davor zwischenzeitlich nur geringen Berichterstattungsumfang zusammenhängt: Die FR erreichte ihren mengenmäßigen Tiefpunkt abgesehen von 1949 im Wahljahr 1994, die Welt 1990. Relativ stark schwankte der Umfang der Berichterstattung in SZ und Welt. Die SZ berichtete bis Anfang der 1970er Jahre meist am zweitumfangreichsten nach der FAZ, ab 1976 aber sank ihr Berichterstattungsanteil deutlich ab und stieg erst ab 1990 wieder an. Auf die Welt entfielen bis 1965 nur relativ geringe Anteile der Berichterstattung, von 1969 bis 1980 wurden diese größer, dann aber bis 1990 wieder geringer. Insbesondere im Jahr der Wiedervereinigung schränkte die Welt ihre Berichterstattung stark ein, weshalb auch der Gesamtberichterstattungsumfang in diesem Jahr zurückging. In den Folgejahren weitete sie ihre Berichterstattung dann aber, wie schon gesagt, wieder stark aus. Abhängig waren diese Schwankungen vermutlich von den jeweiligen Wahlkampfsituationen und redaktionellen Entscheidungen der einzelnen Zeitungen. Die österreichischen Zeitungen unterschieden sich in ihrem Anteil an der Berichterstattungsmenge etwas stärker als die deutschen. Von 1949 bis 1986 berichtete die AZ (56%) im Durchschnitt umfangreicher als die Presse (44%). Von 1990 bis 2006 lagen Standard (52%) und Presse (48%) hingegen relativ nah beieinander. Vor allem in den ersten Wahljahren bis 1959 entfiel auf die AZ ein deutlich höherer Berichterstattungsanteil als auf die Presse, erst 1962 weitete letztere ihre Wahlkampfberichterstattung erkennbar aus. Eventuell ist dieser steigende Umfang in der Presse das Ergebnis zunehmender wirtschaftlicher Prosperität. In den 1970er Jahren berichtete die AZ etwas umfangreicher als die Presse über die österreichischen Wahlkämpfe, erst 1983 und 1986 fiel ihr Anteil wieder hinter den der Presse zurück. Insbesondere 1986 dürfte das auf die immer schlechter werdende wirtschaftliche Situation der AZ zurückzuführen sein. Im Standard fällt auf, dass er seine Wahlkampfberichterstattung ab 1990 sukzessive steigerte, sowohl was ihre absolute Menge angeht, die erst 2006 sank, als auch was ihren Anteil an der gesamten Wahlkampfberichterstattung betrifft. Hierin finden vermutlich die zunehmende Etablierung der neuen Tageszeitung am österreichischen Markt und ihr steigender ökonomischer Erfolg ihren Niederschlag: Der Standard dürfte über wachsende finanzielle und redaktionelle Mittel verfügt haben, mittels derer er seine Berichterstattung ausweiten konnte. 130 Weil die FAZ erst seit 1950 erscheint, wurde 1949 alternativ der Tagesspiegel codiert.

174

Auch die Presse steigerte die Menge ihrer Berichterstattung, wohl auch in Reaktion auf die neu entstandene Konkurrenz durch den Standard. Dennoch nahm der Umfang der Berichterstattung in der Presse im Vergleich zum Standard weniger zu.

6.1.2 Beitragslänge Ein weiterer Indikator für die Entwicklung des Umfangs der Wahlkampfberichterstattung ist die durchschnittliche Beitragslänge, die bis zu einem gewissen Grad Aussagen über die Tiefe der Berichterstattung zulässt. Aus Gründen der Anschaulichkeit wird dazu die Zahl der Zeilenanschläge in Zeilen umgerechnet.131 In Abbildung 19 wird ersichtlich, dass die Wahlkampfartikel in den österreichischen Blättern wie vermutet deutlich kürzer waren als in den deutschen. Im Durchschnitt aller Wahlkämpfe war ein Beitrag in Österreich nur 57 Zeilen lang, in Deutschland 81 Zeilen. Auch in fast allen Wahlkämpfen waren die Artikel der deutschen Zeitungen im Mittel länger als die der österreichischen Titel, abgesehen von den ersten beiden noch nicht sehr berichterstattungsintensiven Bundestagswahlkämpfen 1949 und 1953. Ab 1957 war ein Beitrag in Deutschland im Mittel mindestens 73 Zeilen lang, in Österreich höchstens 70 Zeilen. Das dürfte durch die schwierigere ökonomische Situation der österreichischen Elitezeitungen bedingt gewesen sein. Von 1956 bis 1971 verkürzten sie ihre Beiträge, trotz des Wechsels der Presse vom Klein- zum Großformat 1963. Kürzer wurden die Artikel durchschnittlich auch zwischen 1979 bis 1990. Hierbei könnte der Formatwechsel der AZ vom Groß- zum Kleinformat 1985 eine Rolle gespielt haben – nicht aber die Formatverkleinerung der Presse am Ende der 1980er Jahre, denn gerade ihre Beiträge waren 1990 im Mittel länger als 1986. In der Verkürzung der Beiträge könnte der Boulevardisierungsthese zufolge eine Orientierung der Elitezeitungen an den Boulevardblättern sichtbar werden. Allerdings wurden die Artikel nach 1971 bzw. 1990 jeweils sukzessive wieder länger. Eindeutige Aussagen über mögliche Boulevardisierungstendenzen der österreichischen Zeitungen in Abhängigkeit vom Marktanteil der Boulevardpresse lässt dieses Ergebnis deshalb vorerst nicht zu. Aufschluss darüber kann möglicherweise ein Vergleich der durchschnittlichen Zeilenlänge pro Beitrag in den einzelnen Zeitungen geben. Betrachtet man diese für die einzelnen Zeitungen im Gesamtdurchschnitt aller Wahlkämpfe, wird ersichtlich, dass sie sich in den deutschen Zeitungen relativ stark unterschied. Alles in allem waren die Beiträge in der FAZ mit 94 Zeilen am längsten, in der Welt mit 68 Zeilen am kürzesten. SZ (82) und FR (81) lagen 131 Die Zahl der Anschläge pro Zeile unterschied sich zwischen den Zeitungen und veränderte sich im Lauf der Zeit. Deshalb mussten die codierten Zeilenlängen zur Berechnung der durchschnittlichen Beitragslänge auf eine gemeinsame Basis (Standard-Zeilenlänge) umgerechnet werden. Dasselbe gilt später für die Berechnung der Länge der Kandidatenzitierung (Wilke/Reinemann 2000: 186) Als Standard-Zeilenlänge wurden 38 Zeilenanschläge definiert (die Zeilenlänge von FAZ, FR und SZ im Wahlkampf 1998).

175

dazwischen. Im Zeitverlauf fällt vor allem die steigende Durchschnittslänge in der FAZ ab 1969 auf, denn ab diesem Zeitpunkt waren ihre Beiträge fast durchgängig länger als in den anderen Blättern. Ansonsten weichen die Ergebnisse für die einzelnen Zeitungen und Wahljahre nur wenig vom Langzeitdurchschnitt ab. Abbildung 19: Länge der Wahlkampfbeiträge

T = 4,263; df = 32; p < 0,001; Eta2 = 0,482. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

In sämtlichen österreichischen Zeitungen waren die Beiträge durchschnittlich viel kürzer als in den deutschen. In der Presse bestand ein Artikel im Durchschnitt aus 59 Zeilen, in der AZ aus 56 Zeilen und im Standard aus 55 Zeilen. Von 1949 bis 1986 wurden die Beiträge in der AZ insgesamt kürzer, ebenso wie der Umfang ihrer Berichterstattung insgesamt zurückging, wie oben beschrieben. Bei beidem könnte es sich um eine Reaktion auf ihre sinkenden Marktanteile und die zunehmende Ausbreitung der Boulevardpresse am österreichischen Markt handeln. Die wachsende Konkurrenz durch letztere hatte sich bereits 1958 im sogenannten Wiener Zeitungskrieg angekündigt, einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen verschiedenen österreichischen Zeitungsverlegern auf publizistischer, gerichtlicher und persönlicher Ebene, in deren Mittelpunkt die Konkurrenz mehrerer Boulevardzeitungen stand (Kriechbaumer 1980). Zudem wurde 1959 die Krone gegründet, die sehr schnell wirtschaftlich äußerst erfolgreich wurde. Die

176

AZ könnte also durch eine zunehmend an den Boulevardzeitungen orientierte Aufmachung versucht haben, ihre verlorenen Marktanteile zurückzugewinnen. In der Presse veränderte sich die durchschnittliche Beitragslänge anfangs relativ stark, dann stabilisierte sie sich aber zwischen 1975 und 2005 weitgehend auf einem gleichbleibenden Niveau. Und im Standard, der von 1990 bis 2002 auch die Anzahl seiner Wahlkampfbeiträge ausweitete, wurden diese im Durchschnitt gleichzeitig länger. Erst 2005 verkürzten sie sich wieder. Aus demokratietheoretischer Sicht sind die Ergebnisse zum Umfang der Berichterstattung für Österreich problematisch. Weil die Artikel in den österreichischen Zeitungen im Untersuchungszeitraum vergleichsweise kurz waren, boten sie weniger Raum als die deutschen für die umfassende Information ihrer Leser und konnten dabei weniger in die Tiefe gehen. Hinzu kommt die verglichen mit Deutschland geringere Zahl an österreichischen Elitezeitungen. Das erschwert den Rezipienten eine eigenständige Meinungsbildung. Die ökonomisch schwierige Lage der österreichischen Elitezeitungen hat im Untersuchungszeitraum somit die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe beeinträchtigt, weshalb die starken Konzentrations- und Boulevardisierungstendenzen auf dem österreichischen Tageszeitungsmarkt sehr kritisch zu beurteilen sind. Zumal, wenn man das dürftige, verkürzte und einseitige Informationsangebot der dominierenden Krone und ihren maßgeblichen Einfluss auf die politische Meinungs- und Willensbildung der österreichischen Bevölkerung bedenkt (Magin 2009).

6.1.3 Zwischenfazit Der Umfang der Wahlkampfberichterstattung entwickelte sich in den deutschen Zeitungen wellenförmig. Auffällig sind vor allem der geringe Umfang in den 1980er Jahren und der erneute Anstieg ab Mitte der 1990er Jahre. In Österreich dagegen weitete sich die Wahlkampfberichterstattung im Zeitverlauf fast kontinuierlich aus. Beides hängt zusammen mit einer Ausweitung des Umfangs der politischen Berichterstattung insgesamt und dem Spannungsgehalt der Wahlkämpfe. In Österreich spielt dabei eine Rolle, dass die Wahlkämpfe in der (ehemaligen) Konkordanzdemokratie erst im Zeitverlauf überhaupt an Spannung gewannen, je weniger die große Koalition das von vornherein wahrscheinlichste Regierungsbündnis war. Die Wahlkampfbeiträge waren in Österreich durchschnittlich deutlich kürzer als in Deutschland, boten also weniger Raum für Hintergrundinformationen und tiefgehende Auseinandersetzungen. Bedingt war das vermutlich durch die geringeren ökonomischen Ressourcen der Elitezeitungen auf dem kleinen österreichischen Markt. Demokratiepolitisch erscheint es problematisch – gerade vor dem Hintergrund der geringeren Zahl österreichischer Eliteblätter und der Marktdominanz der Boulevardpresse. Denn die Möglichkeiten der österreichischen Wähler zu einer fundierten Meinungsbildung und Entscheidungsfindung waren damit im Vergleich zu denen der deutschen Wähler geringer. 177

6.2 Themen Bisher wurden mit dem Umfang rein formale Aspekte der Wahlkampfberichterstattung betrachtet. Im folgenden Kapitel geht es um inhaltliche Merkmale, nämlich die Themen der Berichterstattung. Ziel jeder Partei und jedes Kandidaten im Wahlkampf ist es, für „seine“ Themen und Problemlösungen die Unterstützung der Wählerschaft zu bekommen. Die den Wahlkampf bestimmenden Themen finden ihre Entsprechung bis zu einem gewissen Grad auch in den Zeitungen. Zu prüfen sind folgende Annahmen: 2a) Der Wahlkampf und die Wahl selbst waren in Österreich wie in Deutschland insgesamt das wichtigste Thema der Wahlkampfberichterstattung. Daneben waren die Auseinandersetzungen im Wahlkampf stets durch (Sach-)Themen geprägt, die für das jeweilige Land aktuell bedeutsam waren, die also jeweils stark von der situativen Konstellation abhingen. 2b) Die generelle Bedeutung bestimmter Themen unterschied sich zwischen den Ländern. 2c) In der Berichterstattung beider Ländern veränderte sich im Zeitverlauf die Bedeutung bestimmter Themen, wenn diese gesellschaftlich an Bedeutung gewannen oder verloren. Bei der Codierung wurde das zentrale Thema anhand des Inhalts des gesamten Beitrags bestimmt, wobei Überschriften, Dachzeilen, Unterüberschriften und Lead bzw. erster Absatz als zusätzliche Hinweise dienten. Befasste sich ein Beitrag mit mehreren Themen, wurde das vorrangig behandelte bzw. – im Fall mehrerer gleichwertiger Themen – das erstgenannte erfasst. Die Themenlisten für die deutsche und die österreichische Studie unterschieden sich dabei etwas (Codebücher im Anhang): Die Liste für Deutschland sah nur große Themenschwerpunkte bzw. Politikfelder (z. B. Wirtschafts-, Sozial- oder Innenpolitik) vor. Die Liste für Österreich stützte sich zwar auf die deutsche, war aber weitaus differenzierter und unterschied entsprechend der politikwissenschaftlichen Unterscheidung thematisch zwischen politischen Strukturen (polity), Prozessen (politics) und Sachthemen (policy). Innerhalb dieser drei Bereiche untergliederte sie jeden Themenkomplex gegebenenfalls nochmals in zahlreiche Unterthemen. Für die vorliegende Ergebnisdarstellung wurde die Themengliederung für Österreich soweit möglich der deutschen angepasst. Daher müssen die Ergebnisse im Ländervergleich vorsichtig interpretiert werden, auch wenn nicht mit starken erhebungstechnisch bedingten Verzerrungen zu rechnen ist, weil bei der österreichischen Liste auf Kompatibilität mit der deutschen geachtet wurde.

6.2.1 Themenschwerpunkte Die in Abbildung 20 dargestellten Durchschnittswerte über alle Bundestags- und Nationalratswahlen hinweg zeigen wie vermutet für beide Länder die vorrangige thematische Bedeutung des Wahlkampfs selbst. Darunter fallen z. B. die Wahl selbst, der Kampf um Wählerstimmen (z. B. Wahlkampfauftritte), Wahlprogramme, Wahlsysteme, das Prozedere der Wahl, die Wahlkampffinanzierung oder 178

Spekulationen und Prognosen über den Wahlausgang. Sowohl in Deutschland (46%) als auch in Österreich (49%) thematisierte von 1949 bis 2006 insgesamt knapp jeder zweite Beitrag derartiges. Eine differenziertere Betrachtung der Wahlkampfthemen, die für Österreich über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg, für Deutschland nur für die Wahljahre 2002 und 2005 möglich ist, folgt in Kapitel 6.2.2. Abbildung 20: Themen der Wahlkampfberichterstattung

Chi2 = 797,284; df = 12; p < 0,001; Cramers V = 0,291. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

In der Rangfolge der weiteren Berichterstattungsthemen zeigen sich dann aber unterschiedliche Schwerpunkte in beiden Ländern: In den deutschen Zeitungen lässt sich mit 14 Prozent als weiterer Themenschwerpunkt die Außenpolitik ausmachen. Daneben waren die Wirtschafts- und die Parteipolitik mit jeweils knapp 10 Prozent relativ bedeutsam. Nur etwa halb so viele Beiträge behandelten allgemeine Belange rund um das politische System und die Politiker oder innenpolitische Themen. Andere Themen (Sozialpolitik, Umfrageergebnisse, Kultur/Bildung/Wissenschaft, Kirche und Religion, Umweltpolitik und private Belange der Kandidaten) kamen noch seltener vor.132 132 In den deutschen Zeitungen konnte daneben die Deutschlandpolitik (bis zur Wiedervereinigung 1990 die Beziehungen bzw. das Verhältnis zwischen Deutschland und DDR, seitdem die Beziehungen zwischen den alten und neuen Bundesländern) als Thema erfasst werden. Da es hierfür in Österreich keine Entsprechung gibt, wurden die 225 Artikel mit diesem Thema (4% aller Beiträge in den deutschen Zeitungen) der Außenpolitik zugeord-

179

Die österreichischen Zeitungen behandelten unter den Themen, die nicht den Wahlkampf selbst betrafen, vor allem die Wirtschaftspolitik.133 Am dritthäufigsten thematisierten sie die Sozialpolitik. Die obige Annahme bestätigt sich somit: Die Kernthemen der Sozialpartnerschaft bestimmten in Österreich zusammengenommen 19 Prozent der Wahlkampfbeiträge, in Deutschland nur 11 Prozent. Auch der wesentlich geringere Stellenwert der Außenpolitik in Österreich ist wie angenommen festzustellen, nicht aber die größere Bedeutung der Parteipolitik: Beides wurde in den deutschen Zeitungen rund dreimal so häufig zum Thema der Wahlkampfberichte. Das hängt damit zusammen, dass dieses Thema in einigen Wahljahren in Deutschland besonders relevant war (Kapitel 6.2.2). Vergleichsweise wichtig waren in den österreichischen Blättern ferner die Innenpolitik, allgemeine Erörterungen rund um Politik und Politiker, Kultur, Bildung und Wissenschaft sowie Umfrageergebnisse. Nur geringe Bedeutung in der Berichterstattung erlangte dagegen wie in Deutschland Privates rund um die Kandidaten134 , Umweltpolitik sowie Kirche und Religion. Den sonstigen Themen wurden in den deutschen Zeitungen sieben Prozent, in den österreichischen nur rund drei Prozent der Beiträge zugeordnet. Der geringere Wert für Österreich erklärt sich vermutlich durch die weitaus differenziertere Themenliste, welche die Themenzuordnung bei der Codierung erleichterte. Hinsichtlich der einzelnen Zeitungstitel, die eine unterschiedliche politische Richtung haben, ist denkbar, dass sie in ihrer Wahlkampfberichterstattung unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte gesetzt haben, dass also beispielsweise die politisch linksgerichteten Blätter FR und AZ einen Fokus auf Sozialpolitik, die rechtsorientierten Zeitungen Welt und Presse auf Wirtschaftsthemen legten – also auf diejenigen Themen, bei denen den ihnen nahestehenden Parteien ein Kompetenzvorsprung zugeschrieben wird. Beim Publikum könnte eine solcherart verzerrte Nachrichtenauswahl zu Priming-Effekten führen (Iyengar/Kinder 1987). Zwischen den deutschen Zeitungen sind solche Unterschiede im Langzeitdurchschnitt in Tabelle 10 aber kaum erkennbar, lediglich der Anteil der Wahlkampfthemen – der in sämtlichen Zeitungen rund die Hälfte der Beiträge ausmachte – variiert etwas stärker zwischen 45 Prozent in der FR und 50 Prozent in der Welt. In ähnlich geringem Ausmaß differieren diese Anteile in den österreichischen Zeitungen. Der Wahlkampf war in der AZ (47%) am wenigsten wichtig, in der net. Folglich weichen die vorliegenden Ergebnisse geringfügig von denen bei Wilke und Reinemann (2000: 69-78) ab. Eine Zuordnung zur Innenpolitik wäre ebenfalls möglich gewesen, aber weil die deutsch-deutschen Beziehungen über den größeren Teil des Untersuchungszeitraums in das Ressort Außenpolitik fielen, wurden sie unter letzterer subsummiert. 133 Die Arbeitspolitik als Kernbereich der Sozialpartnerschaft wurde der Wirtschaftspolitik zugeordnet. 134 Der etwas höhere Wert in Österreich ist vermutlich auch dadurch bedingt, dass sich der entsprechende Code – anders als in der deutschen Studie – nicht auf private Belange der Kanzlerkandidaten beschränkte, sondern andere Politiker einschloss.

180

Presse (51%) am wichtigsten. Daneben sind zwischen den österreichischen Blättern aber größere Unterschiede festzustellen als in den deutschen. Vor allem der Stellenwert der Wirtschafts- und der Sozialpolitik spiegelt tatsächlich die ideologische Ausrichtung der Zeitungen wider: Wirtschaftsthemen wurden in 15 Prozent der AZ-Artikel, aber nur in 11 Prozent der Presse-Artikel und 7 Prozent der Beiträge im linksliberalen Standard behandelt. Das besondere Interesse des SPÖ-Parteiblatts an der Wirtschaftspolitik erklärt sich aus seiner ideologischen Orientierung an der gesellschaftlichen Konfliktlinie „Arbeit vs. Kapital“. Tabelle 10: Themen der Wahlkampfberichterstattung nach Zeitungen FAZ %

FR %

SZ %

Welt %

AZ %

Presse %

Standard %

Wahl/Wahlkampf

47

44

45

48

47

51

49

Außenpolitik

15

13

14

14

3

4

2

Wirtschaft/Finanzen

9

10

8

8

15

11

7

Parteipolitik Politik/Politiker allgemein Innenpolitik

8

7

10

7

4

4

1

4

5

5

4

6

6

6

4

4

4

4

6

7

7

Soziales Umfrageergebnisse/ horse race Kultur/Bildung/ Wissenschaft Religion/Kirche

2

3

2

2

8

6

10

3

2

1

3

3

3

5

2

1

2

2

4

3

4

2

2

1

1

1

1

-

1

1

1

1

1

1

2

-

1

1

-

1

2

3

Umwelt Kanzlerkandidaten/ Politiker privat Sonstiges Summe n (Beiträge)

6

8

7

7

2

2

3

100 1418

100 1325

100 1441

100 1652

100 1071

100 1595

100 940

Chi2 = 969,837; df = 72; p < 0,001; Cramers V = 0,131. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Unterstrichen wird dieser Befund dadurch, dass das wichtigste wirtschaftspolitische Unterthema in der AZ – und zugleich ihr wichtigstes Unterthema aus dem gesamten policy-Bereich – das Thema „Verstaatlichte Industrie/Privatisierungen“ war. Hierauf entfielen insgesamt 1,8 Prozent aller AZ-Beiträge, während sich die meisten anderen Unterthemen bei unter 0,5 Prozent aller Artikel bewegten. In der Presse behandelten nur 0,8 Prozent aller Beiträge dieses Thema, im Standard lediglich 0,3 Prozent – bedingt sicherlich auch durch dessen spätere Entstehung 1988, als die verstaatlichte Industrie in Österreich schon unwichtiger geworden 181

war. Durch die ideologische Ausrichtung begründen lässt sich auch das – verglichen mit den anderen Zeitungen – etwas höhere Gewicht der Sozialpolitik im linksliberalen Standard (10%). Hiermit befassten sich 8 Prozent der AZ-Artikel und nur 6 Prozent in der rechtskonservativen Presse.

6.2.2 Themenentwicklung im Zeitverlauf Bisher wurden für die Themen nur langfristige Durchschnittswerte über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg betrachtet. Das erlaubt zwar Aussagen über die generelle Wichtigkeit der Themen, verdeckt aber „die eigentlich zeitgeschichtliche Dimension“ (Wilke/Reinemann 2000: 70) der Wahlkampfberichterstattung – also singuläre Themenschwerpunkte in einzelnen Wahlkämpfen wie auch den allmählichen Bedeutungsgewinn oder -verlust einzelner Themen. Tabelle 11 zeigt, wie sich die Bedeutung die einzelnen Themen im Lauf der Jahrzehnte entwickelt hat. Die folgende Betrachtung muss allerdings auf Länderebene bleiben, weil die Fallzahlen für die einzelnen Zeitungen oft so gering sind, dass die Themenverteilungen nach Zeitungen nicht mehr aussagekräftig sind.

6.2.2.1 Wahlen und Wahlkampf Das insgesamt wichtigste Thema Wahlen und Wahlkampf dominierte in den einzelnen Wahljahren in beiden Ländern unterschiedlich stark. In Deutschland schwankte dieser Wert stärker zwischen zwei Dritteln (1957) und einem Viertel (1994)135 als in Österreich, wo er sich zwischen 41 Prozent (1990) und 58 Prozent (1959) bewegte. Insgesamt war das Interesse der österreichischen Zeitungen am Thema Wahlkampf über die Zeit hinweg also konstanter als das der deutschen – möglicherweise auch, weil der (ohnehin geringe) Spannungsgehalt der Wahlkämpfe und das öffentliche Interesse daran in der österreichischen Konkordanzdemokratie weniger stark variierten als in Deutschland. Die im Zeitverlauf schwankende mediale Aufmerksamkeit für das Thema Wahlkampf lässt sich, wie die gesamte thematische Gestaltung der Wahlkampfberichterstattung, meist durch die jeweilige situative Konstellation erklären. Für Deutschland nennen Wilke und Reinemann (2000: 72) als mögliche Ursache des besonders hohen Anteils 1957 (64%) die Wahlkampfführung der CDU, die sehr stark auf öffentliche Auftritte ihres populären Kanzlers Adenauer setzte. Mit 58 Prozent am zweithöchsten war der Anteil von Wahlen und Wahlkampf als Thema 2005, zurückzuführen auf den großen Spannungsgehalt, weil die Union mit dem Näherrücken des Wahltermins immer mehr von ihrem anfangs komfortablen Vorsprung einbüßte.

135 Aufgrund eines Berechnungsfehlers für das Jahr 1994 bei Wilke/Reinemann (2000) weicht dieser Wert ebenso wie einige Resultate für das Jahr 1953 von der dortigen Ergebnisdarstellung ab.

182

183

1949 1953 1957 1961 1965 1969 1972 % % % % % % % 44 33 64 47 41 49 49 6 23 13 32 23 16 17 5 4 6 1 7 12 5 17 13 1 4 15 3 9 5 5 5 2 5 1 3 7 5 6 5 2 6 3 x 1 1 1 1 2 2 1 1 1 2 4 1 x 1 x 1 4 2 2 4 1 1 x 2 x 1 x x x 1 11 14 5 6 x 4 8 100 100 100 100 100 100 100 241 304 264 299 345 432 439 1949 1953 1956 1959 1962 1966 1970 1971 % % % % % % % % 45 43 43 58 55 54 56 50 4 6 1 11 3 3 3 14 18 22 14 9 12 9 20 7 4 6 3 3 9 2 2 6 6 6 3 7 6 4 3 8 3 3 2 5 4 7 10 4 9 11 3 9 3 7 5 3 1 1 1 4 2 4 5 3 5 6 3 2 2 2 3 3 1 1 2 1 3 2 2 1 1 1 4 2 1 1 5 2 100 100 100 100 100 100 100 100 138 119 89 64 151 162 183 187

1976 % 57 7 5 4 5 4 2 1 2 x x 1 11 100 451 1975 % 47 5 25 2 3 2 6 2 3 1 2 3 100 174

1980 % 43 10 6 8 6 8 2 x x 9 1 1 6 100 441 1979 % 50 2 12 4 4 8 8 2 4 3 2 1 100 193

1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 % % % % % % % 39 37 30 24 49 45 58 19 17 21 6 2 14 6 14 9 17 12 13 10 12 6 12 12 27 13 2 4 4 2 2 15 1 7 3 3 6 7 2 5 2 2 5 x 2 3 3 3 2 2 2 3 3 4 4 4 1 3 2 2 3 1 1 1 2 x x 2 1 1 2 3 2 1 x 4 10 5 7 7 8 6 100 100 100 100 100 100 100 351 230 232 253 393 594 567 1983 1986 1990 1994 1995 1999 2002 2006 % % % % % % % % 49 44 41 45 48 48 55 53 3 5 3 3 3 3 2 1 13 10 8 6 5 8 6 11 3 3 4 3 1 2 1 4 6 11 7 6 6 3 9 5 5 8 10 11 8 7 4 6 6 4 9 9 13 10 7 7 6 5 4 5 2 5 6 4 6 5 6 3 3 3 4 4 1 x 1 2 1 2 2 2 1 1 1 2 3 x 3 6 4 1 1 1 4 8 4 4 1 1 100 100 100 100 100 100 100 100 234 167 250 216 283 176 362 358

Ges. % 46 14 9 8 4 4 2 2 2 1 1 x 7 100 5836 Ges. % 49 3 11 3 6 7 8 4 4 1 1 2 3 100 3606

Chi2 = 797,284; df = 12; p < 0,001; Cramers V = 0,291. Grau unterlegte Bereiche kennzeichnen den Bedeutungsgewinn oder -verlust einzelner Themen im Zeitverlauf. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Wahl/Wahlkampf Außenpolitik Wirtschaft/Finanzen Parteipolitik Politik/Politiker allgemein Innenpolitik Soziales Umfrageergebnisse/horse race Kultur/Bildung/Wissenschaft Religion/Kirche Umwelt Kandidaten/Politiker privat Sonstiges Summe n (Beiträge)

Wahl/Wahlkampf Außenpolitik Wirtschaft/Finanzen Parteipolitik Politik/Politiker allgemein Innenpolitik Soziales Umfrageergebnisse/horse race Kultur/Bildung/Wissenschaft Religion/Kirche Umwelt Kandidaten/Politiker privat Sonstiges Summe n (Beiträge) Österreich

Deutschland

Tabelle 11: Themen der Wahlkampfberichterstattung

Fast ebenso zentral war dieses Thema 1976 mit 57 Prozent, in einem stark polarisierten Wahlkampf ohne wirkliche Themen, in dem sich das massenmediale Interesse daher vermutlich besonders stark auf den Wahlkampf selbst verlagerte. Geringe Bedeutung hatte der Wahlkampf als Thema hingegen 1994 (24%). Das ist jedoch nicht durch eine stärkere Bedeutung von Sachthemen (policy issues) bedingt, sondern durch eine besonders starke Thematisierung parteipolitischer Aspekte (siehe unten). 1990 erklärt sich der mit 30 Prozent geringe Anteil der Wahlkampfberichte im engeren Sinne durch die Wiedervereinigung, die alle anderen Themen verdrängte – erkennbar am zugleich hohen thematischen Stellenwert der Außenpolitik. Abbildung 21: Bedeutung des Themas Wahlkampf

Chi2 = 11,053; df = 1; p < 0,01; Cramers V = 0,034. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Im Zeitverlauf war in Deutschland 1976 ein Scheitelpunkt erreicht: Zwischen 1965 und 1976 stieg der Anteil der Beiträge zum Thema Wahlkampf kontinuierlich an, um dann bis 1994 ebenso kontinuierlich auf seinen Tiefststand abzusinken. Der Anstieg könnte wiederum mit der Entwicklung des Spannungsgehalts der Wahlkämpfe zusammenhängen, das heißt, je spannender ein Wahlkampf und je offener sein Ausgang war, desto höher war der Anteil der genuinen Wahlkampfbeiträge, während eine stärkere Orientierung an Sachthemen für einen „langweiligeren“ Wahlkampf sprechen würde (Wilke/Reinemann 2000: 72). Tatsächlich nahmen die Beiträge zum Wahlkampf in Deutschland bis 1976 genau in dem Zeitraum kontinuierlich zu, in dem sich in den Meinungsumfragen der 184

Abstand zwischen den Präferenzen für die Parteien bzw. wahrscheinlichen Koalitionen von Wahl zu Wahl verringerte (Abbildung 21; Tabelle A5 im Anhang). Das anschließende Absinken der Wahlkampfartikel bis 1994 im engeren Sinne scheint mit dem Spannungsgehalt jedoch nicht zusammenzuhängen. Stattdessen könnte aber der Kandidat Kohl eine Rolle gespielt haben, dessen Amtszeit größtenteils in diesen Zeitraum fiel: Solange er als erfolgreicher Amtsinhaber wahrgenommen wurde – wenngleich er in den Umfragen zur Kanzlerpräferenz nur selten klar führte (Tabelle A5 im Anhang) – sanken evtl. Spannung und Wichtigkeit des Themas Wahlkampf. Denn erst als Kohls Niederlage gegen Schröder im Wahlkampf 1998 wahrscheinlich schien, stieg die Bedeutung dieses Themas wieder an. Der anschließende erneute fast kontinuierliche Relevanzgewinn des Wahlkampfs bis 2005 wurde lediglich 1990 und 1994 unterbrochen, als er nur vergleichsweise selten thematisiert wurde. Im jüngsten Bundestagswahlkampf 2009 hingegen war der Anteil der genuinen Wahlkampfbeiträge mit 58 Prozent relativ hoch, obwohl der Ausgang schon früh entschieden schien (Wilke/ Leidecker 2010: 349). In den österreichischen Zeitungen schwankte die Bedeutung des Themas Wahlkampf langfristig wie erwähnt weniger stark. Wirkliche „Ausreißer“ nach oben oder unten in einzelnen Wahljahren wie in Deutschland gab es nicht. Obwohl die ersten drei Wahlkämpfe der Zweiten Republik nach Hölzl (1974) hochemotionale „Angstwahlkämpfe“ waren, maßen die Zeitungen diesem Thema noch geringe Bedeutung bei. Mehrere Gründe sind dafür denkbar: Zumindest die Wahlen 1949 und 1953 fanden noch unter alliierter Besatzung statt, was die Wahlkampfaktivitäten eingeschränkt haben könnte. Zudem war die Fortsetzung der großen Koalition absehbar, denn die Parteien konnten sich auf stabile Stammwählerschaften stützen und betrieben zudem noch kein professionalisiertes Wahlkampfmanagement mit dem Ziel medialer Berichterstattung. Als es von 1959 bis 1970 hingegen vermehrt um die Frage ging, ob ÖVP oder SPÖ die absolute Mehrheit erreichen würden, fokussierten die Blätter überdurchschnittlich stark auf den Wahlkampf. Nachdem die SPÖ 1970 die Vorherrschaft erreicht hatte und bis 1983 allein regierte, wobei vor allem Kreisky als Kanzler lange unumstritten war, behandelten die Zeitungen das Thema Wahlkampf wieder weniger stark. Auch das verweist auf den Zusammenhang zwischen der Spannung der Wahlkämpfe und dem Anteil der Zeitungsbeiträge zu diesem Thema. Ebenso wie die Tatsache, dass dieser Anteil in der zweiten Phase großer Koalitionen ab 1986 nur durchschnittlich blieb oder sogar noch weiter absank. Denn 1986, 1990 und 1994 hatten sich ÖVP und SPÖ durch explizite Absichtsbekundungen oder Ausschluss einer Koalition mit der FPÖ schon vor der Wahl auf eine gemeinsame Koalition festgelegt. Spannender wurde es erst wieder 1995 und 1999, als im Vorfeld fixe Koalitionsfestlegungen ausblieben: Die vorgezogene Neuwahl 1995 wurde von der ÖVP gerade mit dem Ziel angestrebt die große Koalition zu beenden, und 1999 war das „Rennen“ um Platz 2 zwischen ÖVP und FPÖ offen. Dass es dennoch in 185

beiden Jahren nur durchschnittlich viele Wahlkampfartikel gab, könnte durch die Regierungskonstellation vor der Wahl bedingt gewesen sein: Da ÖVP und SPÖ gemeinsam regierten, konnten sie im Wahlkampf nicht so aggressiv auftreten als wenn zumindest eine von ihnen aus der Opposition heraus agiert hätte – was auch in der Berichterstattung seinen Niederschlag fand. Und im Unterschied zur ersten Phase großer Koalitionen waren jetzt die ideologischen Gegensätze zwischen den Großparteien wesentlich gemäßigter, so dass auch inhaltlich weniger Platz für schrille Wahlkampftöne war. Für die These der großen Koalition als Spannung reduzierendes Element spricht auch, dass in den Wahlkämpfen der kleinen Koalition aus ÖVP und FPÖ 2002 und 2006 der Anteil an Artikeln darüber wieder überdurchschnittlich hoch war. Das bestätigt nochmals, dass Wahlkämpfe in Konkordanzdemokratien, die häufig von großen Koalitionen regiert werden, weniger spannend sind als in stärker konkurrenzorientierten Demokratien.

6.2.2.2 Wahlkampfthemen im Detail Interessant ist, um welche Aspekte es in den Beiträgen zum Thema Wahlkampf im Einzelnen ging. Für Deutschland wurde das differenzierter erst 2002 und 2005 erhoben, allerdings mit unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten, weshalb die Ergebnisse für beide Wahlen nicht vergleichbar sind. 2002 wurde zusätzlich zur Codierung des Hauptthemas Wahlkampf der dabei bedeutsamste Einzelaspekt erfasst. Bei rund der Hälfte der Beiträge (54%) erfolgte keine nähere Spezifikation. Vergleichsweise am wichtigsten waren die Programme und Inhalte der Parteien (11%), gefolgt von den erstmalig stattfindenden TV-Duellen (6%), dem Wahlkampfmanagement (5%) und den Kanzlerkandidaten Schröder, Stoiber und Westerwelle (5%). Alle anderen Aspekte wurden in höchstens 4 Prozent aller Artikel mit Thema Wahlkampf angesprochen. 2005 konnten pro Beitrag zum Thema Wahlkampf bis zu drei zusätzliche Aspekte codiert werden. Darunter am wichtigsten waren wiederum Wahl- und Regierungsprogramme (17% aller codierten Zusatzaspekte), am zweitwichtigsten die Kanzlerkandidaten Schröder und Merkel (13%) und das Wahlkampfmanagement (13%). Vergleichsweise bedeutend waren daneben Mitglieder von Schattenkabinetten (9%) und sonstige Spitzenpolitiker von CDU/CSU und SPD (9%), Wahlkampfauftritte und -aktivitäten (7%) sowie Fernsehdebatten und sonstige Medienauftritte (7%). Weniger Aufmerksamkeit erhielten dagegen die Spitzenkandidaten anderer Parteien (6%), die Rolle der Medien im Wahlkampf (3%) und die Unterschiede in der Wahlkampfführung zwischen alten und neuen Bundesländern (1%). Für die österreichischen Zeitungen wurden die Wahlkampfthemen aufgrund der detaillierten Themenliste (siehe Codebuch im Anhang) für sämtliche Wahljahre differenziert erhoben. Auf eine detaillierte Auswertung nach Zeitungen in der Langzeitperspektive wird aufgrund der geringen Fallzahlen jedoch verzichtet. Tabelle 12 weist als wichtigstes Unterthema insgesamt den Wahlkampf als solchen 186

aus (z. B. Wahlkampfveranstaltungen, Kampagnen, TV-Duelle, Spitzenkandidaten), er wurde in insgesamt fast jedem zweiten dieser Beiträge (48%) thematisiert. Am zweitwichtigsten waren Spekulationen um die künftige Regierung und Konsequenzen aus dem Wahlergebnis (21%), gefolgt von anderen Wahlbezügen (z. B. die Reihung der Parteien auf dem Stimmzettel, die Wahlbeteiligung oder Anleitungen zum korrekten Ausfüllen des Stimmzettels, 14%) und Kandidaturen von Parteien und Personen (13%). Vergleichsweise unwichtige Wahlkampfthemen waren dagegen das Wahlsystem (3%) und die Wahlprogramme der Parteien (2%). Tabelle 12: Wahlkampfthemen in den österreichischen Zeitungen Österreich Wahlkampf Koalitionsfragen, Regierungsbildung Andere Wahlbezüge Kandidaturen Wahlsystem Wahlprogramme Summe n (Beiträge)

Wahlkampf Koalitionsfragen, Regierungsbildung Andere Wahlbezüge Kandidaturen Wahlsystem Wahlprogramme Summe n (Beiträge)

1949 % 48

1953 % 51

1956 % 63

1959 % 19

1962 % 57

1966 % 51

1970 % 46

1971 % 50

1975 % 61

1979 % 63

5

6

3

19

15

16

28

10

20

23

41 15 19 18 24 14 19 11 9 7 12 3 4 3 1 3 1 3 1 2 3 100 100 100 100 100 100 37 83 88 103 93 81 1994 1995 1999 2002 2006 % % % % % 54 46 35 40 49

8 2 3 1 100 97 Ges. % 48

27 13 2 5 100 62 1983 % 47

24 18 16 16 2 2 100 100 51 38 1986 1990 % % 52 45

21

25

24

17

36

40

23

14

21

17 8 8 100 114

19 3 1 100 73

15 5 4 8 100 103

7 9 11 2 100 97

7 7 2 3 100 137

9 16 100 133

6 26 1 4 100 198

6 25 1 5 100 191

14 13 3 2 100 1779

Datenquelle: ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Die Relevanz dieser Unterthemen schwankte von Wahlkampf zu Wahlkampf, jeweils in Abhängigkeit von der situativen Konstellation. Der Wahlkampf im engeren Sinne dominierte dabei thematisch in fast allen Wahljahren, insbesondere aber 1956, 1975 und 1979. Grund dafür dürften die jeweiligen situativen Umstände gewesen sein: 1956 lieferten sich beide Großparteien einen erbitterten Wahlkampf um die absolute Mehrheit, 1975 und 1979 kamen darin vermutlich Kreiskys dominierende Rolle im Wahlkampf und seine zahlreichen Wahlkampfauftritte zum Ausdruck. Die geringste Bedeutung hatte der Wahlkampf als sol-

187

cher 1959 und 1999, den einzigen Wahljahren, in denen andere Wahlkampfthemen häufiger vorkamen. 1959 spielten andere Wahlbezüge die wichtigste Rolle, vor allem Erläuterungen zum Ablauf der Wahl. Ebenso wichtig wie Wahlkampfveranstaltungen, Kampagnen und dergleichen waren in diesem Jahr Koalitionsspekulationen und Konsequenzen aus dem Wahlergebnis, konkret die Frage, ob die große Koalition nach der Wahl Bestand haben würde. Das letztgenannte Thema dominierte auch den Wahlkampf 1999, allen voran Vranitzkys Pläne für eine „Regierung der besten Köpfe“ und Schüssels Drohung mit der Opposition, falls die ÖVP nur Platz 3 hinter der FPÖ erreiche – die er nach der Wahl nicht in die Tat umsetzte. Überdurchschnittlich wichtig waren Koalitionsfragen ferner 1995 aufgrund der vorzeitigen Aufkündigung der Koalition durch die ÖVP. Weniger bedeutend waren sie hingegen in den ersten Wahlkämpfen bis 1956, als die Fortführung der großen Koalition nicht in Frage stand, und 1971, als die absolute Mehrheit für die seit 1970 in Minderheit regierende SPÖ abzusehen war. Andere Wahlbezüge waren vor allem in den ersten beiden Untersuchungsjahrzehnten noch vergleichsweise wichtig, verloren dann aber an Gewicht. Dabei ging es meist hauptsächlich um Organisation und Ablauf der Wahl, was die größere Bedeutung zu Beginn der Zweiten Republik erklärt: Die Zeitungen wollten die Bürger mit dem nach Jahren der Diktatur ungewohnten Ablauf demokratischer Wahlen vertraut machen. Kandidaturen von Parteien und einzelnen Personen waren ebenfalls zu Beginn der Zweiten Republik überdurchschnittlich wichtig. Im Vordergrund stand dabei die Frage, welche Parteien überhaupt zur Wahl antreten würden, insbesondere 1949 und 1953, als darüber noch die Besatzungsmächte entschieden. Ab 1962 verlor dieses Thema an Bedeutung und wurde erst ab 1999 wieder wichtiger. 1999 ist das zurückzuführen auf die Kandidatur der Umweltaktivistin Uli Sima als „Quereinsteigerin“ für die SPÖ, die Kandidatur der Partei „Die Unabhängigen“ (DU) von Bauunternehmer Richard Lugner und die überraschende Präsentation des Industriellen Thomas Prinzhorn als Spitzenkandidat der FPÖ. Im Wahlkampf 2002 erreichten die Kandidaturen aufgrund dreier Ereignisse ihre größte thematische Bedeutung im gesamten Untersuchungszeitraum: Den überraschenden Rücktritt des FPÖ-Parteiobmanns und Spitzenkandidaten Matthias Reichhold sowie die Übernahme dieser Funktionen durch Sozialminister Herbert Haupt, die Aufnahme des eigentlich der FPÖ angehörenden Finanzministers Karl-Heinz Grasser in das ÖVP-„Kompetenzteam“ und mehrere prominente „Quereinsteiger“ auf den Kandidatenlisten von ÖVP und SPÖ. Die Präsentation von Quereinsteigern trägt somit offensichtlich zu einer vermehrten Personalisierung der medialen Berichterstattung bei (Kapitel 6.3.4). Auch 2006 blieb das Thema Kandidaturen in Österreich bedeutsam. Zum einen, weil Justizministerin Karin Gastinger sechs Tage vor der Nationalratswahl ihren Austritt aus dem BZÖ bekanntgab, zugleich aber Spitzenkandidatin des BZÖ in der Steiermark blieb. Zum anderen, weil die FPÖ und das 2005 von ihr 188

abgespaltene BZÖ um die rechtmäßige Nachfolge der bisherigen Freiheitlichen Partei, die sich daraus ergebenden finanziellen und rechtlichen Ansprüche sowie den dritten Platz auf dem Nationalratswahlzettel stritten. Die Bundeswahlbehörde entschied diesen Streit schließlich zugunsten der FPÖ. Das Wahlsystem spielte in den meisten Wahlkämpfen für die Berichterstattung nur eine untergeordnete Rolle, lediglich 1994 war es etwas relevanter infolge der Aussage des FPÖ-Spitzenkandidaten Jörg Haider, die repräsentative Demokratie sei überholt und das politische System bedürfe eines Radikalumbaus (z. B. Stärkung von Bürgerrechten und direkter Demokratie, Minimierung des Parteieneinflusses), was alle anderen Parteien strikt ablehnten. Auch die Wahlprogramme der Parteien wurden in aller Regel kaum thematisiert, einzig 1990 waren sie etwas wichtiger, wofür aber kein konkreter Anlass erkennbar ist. Anzumerken ist dazu allerdings, dass unter diesem Code nur mit den Programmen verbundene politics-Aspekte (z. B. Entstehungsprozess, öffentliche Präsentation) verschlüsselt wurden. Konkrete Inhalte der Wahlprogramme wurden unter den entsprechenden Sachthemen codiert.

6.2.2.3 Sonstige Themenbereiche Nachdem die Wahlkampfbeiträge im engeren Sinne betrachtet wurden, geht es im nächsten Schritt wiederum anhand von Tabelle 11 darum, wann welchen anderen Themen in der Wahlkampfberichterstattung besonders großes oder geringes Gewicht zukam und wie sich die inhaltlichen Schwerpunkte von Wahlkampf zu Wahlkampf verschoben. Besonders deutlich wird daran der starke Einfluss der situativen Wahlkampf-Konstellation auf die Berichterstattung. Die Außenpolitik, der in Deutschland auch die Deutschlandpolitik zugeordnet wurde, erlangte in den deutschen Zeitungen vor allem in vier Wahljahren besonders hohe Aufmerksamkeit, in denen es jeweils wichtige einzelne außenpolitische Ereignisse gab: 1953 ging es um die Frage der Westbindung der Bundesrepublik und das Verhältnis zu den vier Großmächten, vor allem zur Sowjetunion, und am 17. Juni dieses Jahres war es zum Volksaufstand in der DDR gekommen. 1961 wurde die Berliner Mauer gebaut. 1965 spielten „die Polarisierung zwischen ‚Atlantikern’ und ‚Gaullisten’ in der Außenpolitik“ (Wilke/Reinemann 2000: 73) und ein Staatsbesuch des französischen Präsidenten Pompidou eine wichtige Rolle. Und 1990 war die Wiedervereinigung das beherrschende Thema, in deren Kontext auch über den Grenzvertrag mit Polen verhandelt wurde. Kaum eine Bedeutung hatte das Thema Außenpolitik in den deutschen Zeitungen 1949 (der laut Toman-Banke (1996: 111) dominierende Konflikt um Neutralität und Westintegration und die Diskussion um die sich abzeichnende Teilung Deutschlands fanden in der Wahlkampfberichterstattung offensichtlich kein großes Gewicht), 1976, 1994 und 1998. In den österreichischen Zeitungen wurde die Außenpolitik lediglich in den Wahlkämpfen 1949, 1953, 1959 und 1986 etwas häufiger thematisiert, die Themenanteile waren aber dennoch gering und täuschen zudem über die sehr ge189

ringen Fallzahlen (in diesen vier Jahren jeweils zwischen 6 und 9 Artikeln mit dem Thema Außenpolitik) hinweg, weshalb diese Ergebnisse keine große Aussagekraft besitzen und auch eine differenziertere Themenbetrachtung nicht sinnvoll erscheint.136 Deutlich wird daran nochmals die durchweg geringe Bedeutung der Außenpolitik für Wahlkämpfe in Österreich. Wirtschaftspolitische Themen wurden im Zeitverlauf in den deutschen Zeitungen ab 1983 insgesamt stärker behandelt als in den Jahrzehnten zuvor, gewannen also an Bedeutung. Im Zentrum standen dabei Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Steuerfragen. Mit Abstand am bedeutsamsten waren wirtschaftliche Themen 1990 im Kontext der Finanzierung der Einheit und des künftigen Lebensstandards für die Bürger der neuen Bundesländer. „Hier bestand eine tiefe Kluft zwischen den Versprechungen des amtierenden Bundeskanzlers Helmut Kohl und der von seinem Opponenten Oskar Lafontaine unterstellten ‚Steuerlüge’.“ (Wilke/Reinemann 2000: 74) Etwas überraschend ist der Befund, dass die Wirtschaft im Bundestagswahlkampf 1949 nur unterdurchschnittlich thematisiert wurde, trotz des nach Toman-Banke (1996: 111) und Recker (1997: 293) dominierenden Konflikts zwischen SPD und Union um die Wirtschaftsordnung (Sozialismus vs. soziale Marktwirtschaft). Der zwischenzeitliche Bedeutungsgewinn der Wirtschaftsbeiträge 1969 erklärt sich durch die vorangegangene Rezession der Nachkriegsjahre, deren Folgen zu bewältigen sich die große Koalition zum Ziel gesetzt hatte, und durch die Kontroverse um eine Aufwertung der D-Mark (Wilke/Reinemann 2000: 74). Vergleichsweise unwichtig war das Thema Wirtschaft in der deutschen Wahlkampfberichterstattung 1949, 1953 und 1961. In den österreichischen Zeitungen entwickelte sich die Bedeutung des Themas Wirtschaft in der Berichterstattung gegenläufig zu Deutschland: Bis 1983 war es fast durchgängig überdurchschnittlich wichtig, danach büßte es erkennbar an Relevanz ein. Darin dürften der Bedeutungsverlust der gesellschaftlichen Konfliktlinie „Arbeit vs. Kapital“ und die damit verbundenen nachlassenden ideologischen Gegensätze zwischen ÖVP und SPÖ zum Ausdruck kommen. Dafür spricht, dass sich zumindest bis 1971 der Anteil der Wirtschaftsthemen annähernd parallel zum Polarisierungsgrad des österreichischen Parteiensystems entwickelte, der sich an diesem cleavage orientiert (Abbildung A2 im Anhang). Weit überdurchschnittlich relevant waren wirtschaftspolitische Themen in Österreich 1953, 1956, 1971 und 1975. Das ist 1953 auf die grundsätzliche Diskussion um die Wirtschaftsordnung zurückzuführen, 1956 auf das Thema Verstaatlichungen, das die ÖVP im Wahlkampf forcierte. 1971 spielten steuerpolitische Fragen eine größere Rolle, 1975 die Haushalts- und Budgetpolitik, zu136 Eine detailliertere Themenauswertung ist durch die differenzierte Themenerhebung für die österreichischen Zeitungen möglich. Da die Fallzahlen bei den einzelnen Themenbereichen und den ihnen zugeordneten Unterthemen allerdings sehr gering sind, ist bei der Interpretation der Ergebnisse Vorsicht geboten. Die genaueren Erklärungen der Themenschwerpunkte in den deutschen Zeitungen stützen sich hingegen nur auf Sekundärliteratur.

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sammenhängend mit der Kontroverse um die von Finanzminister Androsch verfolgte deficit-spending-Politik, also die Aufnahme von Schulden zwecks Investitionen in den Arbeitsmarkt und ähnliches. Während er und Kreisky konsequent betonten, die Arbeitsplatzsicherheit über die Sorge um das Budget zu stellen, kritisierte vor allem die ÖVP die dadurch steigende Staatsverschuldung und plädierte für eine Sanierung des Budgets. Unterdurchschnittlich wichtig war die Wirtschaftspolitik in der österreichischen Berichterstattung dagegen vor allem 1994, 1995 und 2002. Die Parteipolitik wurde in den deutschen Zeitungen 1994 besonders stark diskutiert – das einzige Wahljahr, in dem ein anderes Thema die Wahlen und den Wahlkampf an Stellenwert in der Berichterstattung übertraf. Mögliche Gründe dafür waren Kohls Ankündigung, sich letztmalig als Kanzlerkandidat zu stellen, die Zweitstimmenkampagne der FDP, die SPD-Troika aus Scharping, Lafontaine und Schröder und die vorangegangene erstmalige Urabstimmung der SPD über ihren Spitzenkandidaten. Überdurchschnittlich wichtig war dieses Thema schon 1949, vermutlich aufgrund der Auseinandersetzung mit den Parteien, die sich erstmals der Wahl zum Bundestag stellten. Kaum eine Rolle spielte die Parteipolitik in Deutschland 1957 und 2002. Im Zeitverlauf schwankte ihre Bedeutung zunächst relativ stark, dann nahm sie von 1976 bis 1987 fast kontinuierlich zu und stabilisierte sich bis 1998 (den „Ausreißer“ 1994 ausgenommen) bei etwa 13 Prozent. Offensichtlich waren diese Wahlkämpfe tatsächlich immer stärker durch innerparteiliche Entwicklungen und Kontroversen gekennzeichnet – oder aber das Medieninteresse für innerparteiliche Konflikte stieg. Dieser Trend hielt aber nicht an, denn 2002, 2005 und 2009 wurde die Parteipolitik nur noch stark unterdurchschnittlich angesprochen (Wilke/Leidecker 2010: 349). In Österreich hingegen verlor die anfangs noch ziemlich bedeutsame Parteipolitik ab dem Beginn der SPÖ-Alleinregierungen 1970 tendenziell an Bedeutung. Alle drei Wahlkämpfe, in denen sie überdurchschnittlich thematisiert wurde (1949, 1953 und 1966), lagen zeitlich früher. Die Medien dürften damit die allmählich nachlassende Prägekraft des österreichischen Parteienproporzes reflektieren. Die relativ hohe mediale Aufmerksamkeit für die Parteien 1949 und 1953 erklärt sich auch durch die Diskussion um die zur Wahl antretenden bzw. von den Alliierten zugelassenen Parteien. Die überdurchschnittliche Relevanz der Parteipolitik in Österreich 1966 ist auf die „Causa Olah“ zurückzuführen: Der ehemalige SPÖ-Innenminister Franz Olah hatte ab 1963 zunehmend die Parteiführung unter Pittermann angegriffen. Er hatte versucht, mittels illegaler Subventionierung der FPÖ durch Gewerkschaftsgelder die Weichen in Richtung einer Koalition aus SPÖ und FPÖ zu stellen und durch die finanzielle Unterstützung der (Neu)-Gründung der Krone die mediale Reichweite der SPÖ zu verstärken. In der Folge wurde er seiner Tätigkeit als Innenminister enthoben und aus der SPÖ ausgeschlossen. Daraufhin gründete er 1965 die rechtspopulistische DFP, mit der er bei der Wahl 1966 mehr als 191

3 Prozent der Stimmen errang, die vor allem von SPÖ-Wählern stammten und die Niederlage der SPÖ verstärkten. Für ein Mandat der DFP reichte das allerdings nicht (Konrad/Lechner 1992).137 Innenpolitische Themen waren in Deutschland in den Wahlkämpfen 1949 und 1980 überdurchschnittlich wichtig, kaum bedeutsam dagegen 1965, 1994, 2002 und 2005. Ihre Bedeutung hing stark zusammen mit dem Anteil sonstiger, jeweils wichtigerer Themen. Der Schwerpunkt der innenpolitischen Themen, so Wilke und Reinemann (2000: 75-76), habe sich im Lauf der Jahre verlagert: In den 1950er Jahren spielten die Bewältigung der Kriegsfolgen und die Integration der Kriegsflüchtlinge eine große Rolle, ab dem Ende der 1960er Jahre dagegen eher gesellschaftliche Reformen. In den 1970er Jahren ging es hauptsächlich um den Paragraph 218138 sowie um politischen Radikalismus und Terrorismus, ohne aber die Wahlkämpfe thematisch zu dominieren. „Die politisch motivierte Gewalt mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen, darin bestand zwischen den Parteien Konsens, auch wenn man über ihre Wurzeln unterschiedlich dachte und dies in Wahlkämpfen auch sagte.“ (Wilke/Reinemann 2000: 75-76) Innenpolitische Themenschwerpunkte in den 1980er und 1990er Jahren waren dann vor allem Arbeitslosigkeit, Kriminalität und innere Sicherheit, Zuwanderung und Asylrecht sowie die innere Einheit Deutschlands. Die österreichischen Zeitungen legten einen thematischen Schwerpunkt auf die Innenpolitik vor allem in den Wahlkämpfen 1971 und 1990 – im Zentrum standen dabei jeweils verteidigungspolitische Fragen – und 1994, als vor allem öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie rechtspolitische Aspekte wichtig waren. Aufgrund sehr geringer Fallzahlen fällt eine Interpretation hier jedoch schwer. Die Bedeutung der Themen Politik/Politiker allgemein und Kultur/Bildung/ Wissenschaft variierte in beiden Ländern über die Zeit hinweg relativ stark. Aufgrund der jeweils nur geringen zugrundeliegenden Fallzahlen ist aber auch dieses Ergebnis schwer zu deuten. Insgesamt hatten diese Themen jedenfalls keinen großen Stellenwert in der Berichterstattung über die Bundestags- und Nationalratswahlkämpfe. Kirche und Religion kamen in der Wahlkampfberichterstattung beider Länder nur am Rande vor. In Deutschland wurde dieses Thema nur 1949 (im Rahmen einer Diskussion um die Kandidatur von Klerikern und die politische Rolle der Konfessionen) und 1980 (aufgrund eines Hirtenschreibens der katholischen Bischöfe zur Wahl und Kontroversen um die Kirchensteuer) überdurchschnittlich thematisiert. In Österreich spielten Kirche und Religion überhaupt nur in den Wahlkämpfen bis 1959 eine Rolle, meist im Kontext angeblicher, vor allem von 137 In diesem Kontext kam es im Wahlkampf zu einer gerichtlichen Räumung der Krone aufgrund der Vermutung, die Zeitung sei auf Olahs Vermittlung hin mit Gewerkschaftsgeldern gegründet und betrieben worden und damit eigentlich Gewerkschaftseigentum (Konrad/Lechner 1992). 138 Der Paragraph 218 stellt Schwangerschaftsabbruch unter Freiheitsstrafe, wobei allerdings zahlreiche Ausnahmeregelungen bestehen (Brockhaus o. J.).

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der AZ kritisierter Einmischungen von Kirchenvertretern in den Wahlkampf. Dass Kirche und Religion darin anschließend kaum mehr von Belang waren, spiegelt ihren sinkenden Stellenwert in der österreichischen Gesellschaft wider. Insgesamt wird deutlich, dass die Bedeutung der meisten Themen in der Wahlkampfberichterstattung zwar stark von situativen Konstellationen abhängt, dass darin aber auch der soziale Wandel – also langfristige gesellschaftliche Veränderungen, die sich sowohl in Deutschland als auch in Österreich vollzogen haben – reflektiert wird. Ein Beispiel dafür ist das Thema Umweltpolitik: In den deutschen Zeitungen wurde es erstmals 1980 thematisiert, also erst mit dem Aufkommen der Umweltbewegung, und verschwand seitdem mit Ausnahme des Vereinigungswahlkampfs 1990 auch nicht mehr von der Wahlkampf-Agenda. In Österreich hingegen waren umweltpolitische Fragen über den gesamten Untersuchungszeitraum immer wieder Gegenstand der Berichterstattung. Allerdings ging es dabei anfangs weniger um Umweltschutz als vielmehr um energiepolitische Fragen, zum Beispiel 1966 um wirtschaftliche Schwierigkeiten der niederösterreichischen Energiegesellschaften NEWAG und NIOGAS oder 1979 um die Diskussionen zur Verschärfung des Atomsperrgesetzes und angebliche Pläne der SPÖ, das Kernkraftwerk Zwentendorf in Betrieb zu nehmen, obwohl das im November 1978 in einer Volksabstimmung abgelehnt worden war. Auch die Bedeutung des Themas Sozialpolitik, das in Österreich durchgängig eine größere Rolle spielte als in Deutschland, stieg langfristig in beiden Ländern an, was mit dem Aus- und Rückbau des Sozialstaats zu tun gehabt haben könnte. Die deutschen Zeitungen behandelten es klar überdurchschnittlich nur 1983. In Österreich veränderte sich die Relevanz der Sozialpolitik von Wahlkampf zu Wahlkampf relativ stark, langfristig ist sie aber zu einem wichtigeren Thema geworden. Besonders wichtig war die Sozialpolitik, insbesondere die Familienund Frauenpolitik in den Wahlkämpfen 1956 und 1995. Weil dem nur wenige Beiträge zugrunde liegen, fällt es aber schwer, dafür bestimmte Ursachen auszumachen. Zwei Themen, für die allgemein von einem Bedeutungsgewinn im Zeitverlauf ausgegangen wird, sind die privaten Belange der Kandidaten und horse race-Themen (vor allem Umfrageergebnisse). Beide wurden von den deutschen und österreichischen Zeitungen insgesamt nur selten thematisiert. Hinsichtlich des Privatlebens der Kanzlerkandidaten in Deutschland ist auch nicht festzustellen, dass das Thema über die Jahrzehnte hinweg an Bedeutung gewonnen hätte. Wohl aber in Österreich – erstmals 1986 und dann vermehrt ab der Wahl 1995, als oft zumindest eine Partei stark auf ihren Spitzenkandidaten setzte. Horse race-Berichte sind in beiden Ländern langfristig wichtiger geworden, und zwar vor allem ab den 1980er Jahren, also genau ab dem Zeitpunkt, als die Parteien aufgrund von dealignment-Prozessen verstärkt um Wählerstimmen werben mussten und durch neue Mitkonkurrenten Bewegung in die Parteiensysteme kam. Allerdings wird dieses Ergebnis dadurch relativiert, dass sowohl die Artikel zum Privatleben als auch zu horse race-Themen in beiden Ländern auch am Ende des Untersuchungszeitraums 193

nur weit unter zehn Prozent ausmachten. Von einer ausgeprägten Privatisierung oder Dramatisierung der Wahlkampfberichterstattung kann also nicht gesprochen werden.

6.2.3 Zwischenfazit Die zentralen Ergebnisse der Themenanalyse bestätigen die oben formulierten Annahmen weitgehend. Das wichtigste Thema der Wahlkampfberichterstattung in Deutschland wie in Österreich waren erwartungsgemäß der Wahlkampf und die Wahl selbst. Durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen beider Länder ist erklärbar, dass daneben in Deutschland die Außenpolitik, in Österreich die Sozialpolitik und bis zu einem gewissen Grad die Wirtschaftspolitik insgesamt bedeutendere Themen waren. Entgegen der Erwartung machte aber die Parteipolitik in Deutschland einen größeren Anteil aus, trotz der großen Bedeutung der österreichischen Parteiendemokratie. Das hängt mit der außerordentlich hohen Relevanz dieses Themas in einigen wenigen Wahlkämpfen zusammen. Obwohl die Themenstruktur in beiden Ländern in jedem Wahlkampf stark von der jeweiligen aktuellen Konstellation geprägt war, zeigen sich wahlkampfund länderübergreifende Trends: An Bedeutung gewannen jeweils Sozialpolitik und horse race-Themen, in Österreich zudem das Privatleben der Kandidaten (ab 1995), in Deutschland die Umwelt- und die Wirtschaftspolitik (letzteres ab 1983). Selbige büßte in Österreich dagegen ebenso wie die Parteipolitik an Bedeutung ein. Somit spiegeln die Themen der Wahlkampfberichterstattung den sozialen Wandel in beiden Ländern teilweise wider.

6.3 Wandel und Kontinuität Damit ist bereits angesprochen, dass die Berichterstattung der Zeitungen immer stark durch gesellschaftliche Entwicklungen geprägt ist. Um die Beziehung zwischen beidem – sozialer Realität und Berichterstattung – und ihre Veränderungen im Zeitverlauf geht es im folgenden Kapitel. Betrachtet werden darin langfristige Wandlungsprozesse der Wahlkampfberichterstattung, die in den in Kapitel 3.1 beschriebenen Ansätzen häufig als gegeben angenommen werden: Eine Verringerung des Sachthemenanteils, die zunehmende journalistische Autonomie infolge der Entkopplung der Medien von ihren institutionellen Trägern, eine steigende Negativität und eine wachsende Personalisierung. Inwiefern diese Entwicklungen in der Berichterstattung der deutschen und österreichischen Tageszeitungen zu beobachten sind, wird im Folgenden überprüft.

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6.3.1 Sachthemenanteil Als erstes geht es dabei um den Sachthemenanteil. Nimmt er ab, wird das als Dethematisierung oder Entpolitisierung der Berichterstattung bezeichnet. Befürchtet wird dadurch eine Gefahr für die politische Meinungsbildung der Bevölkerung. Formuliert wurde dazu folgende Annahme: 3a) Im Lauf der Jahrzehnte hat eine Dethematisierung bzw. Entpolitisierung der (Wahlkampf-) Berichterstattung stattgefunden. Diese Annahme wird in den deutschen und den österreichischen Zeitungen anhand von zwei Indikatoren untersucht: Zum einen dem Anteil sachpolitischer Themen (policy issues) an der Wahlkampfberichterstattung und zum zweiten der Anteil des Politikressorts am gesamten redaktionellen Teil der Zeitungen. Anteil der Beiträge mit policy-Themen: Zur Betrachtung des ersten Indikators werden die Beiträge unterteilt in solche, die sachpolitische Themen behandeln, und solche, in denen das nicht der Fall ist.139 Betrachtet wird hier die Entwicklung des Gesamtanteils der policy issues im Zeitverlauf. Falls die Entpolitisierungsvermutung zutrifft, sollte dieser Anteil langfristig sinken. Ein solcher Trend ist für Deutschland aber zunächst gar nicht, für Österreich nur phasenweise festzustellen (Abbildung 22). In den deutschen Zeitungen schwankte der Anteil der policy issues relativ stark zwischen 18 Prozent im weitgehend themenlosen Wahlkampf 1976 und 48 Prozent im von Sachfragen dominierten Vereinigungswahlkampf 1990. Eine immer stärkere Entpolitisierung der Wahlkampfberichterstattung ist daraus nicht ableitbar. In den österreichischen Zeitungen machten die policy-Beiträge zwischen 24 Prozent (2002) und 44 Prozent (1956) aus. Ihr Anteil sank zwischen 1956 und 1970 zunächst kontinuierlich, was für eine Dethematisierung spricht, stieg aber 1971 – in Kreiskys erstem Wahlkampf als amtierender Kanzler – sprunghaft wieder auf 41 Prozent an. In den beiden darauffolgenden Jahrzehnten bis 2005 verringerte sich der Anteil der policy issues aber tatsächlich fast konstant. Zumindest für Österreich ist somit eine langfristige, schleichende Dethematisierung der Wahlkampfberichterstattung festzustellen.

139 Unter policy issues werden alle rein sachpolitischen Themen (Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft/Finanzen, Soziales, Kultur/Bildung/Wissenschaft, Umwelt, Religion/Kirche) zusammengefasst. Alle übrigen Themen werden als Nicht-policy-Themen kategorisiert. Letzteres weicht von der üblichen Definition metapolitischer Themen ab, die keine institutionellen und normativen Aspekte von Politik (polity) einschließt (Plasser/Lengauer 2009: 335). Aufgrund der groben Themencodierung in der deutschen Studie ist eine genauere Differenzierung hier jedoch nicht möglich. Da es bei der Dethematisierung der Berichterstattung allerdings vor allem um den Bedeutungsverlust der Sachthemen geht, erscheint dieses Vorgehen zulässig – zumal der größte Anteil der Nicht-policy-Themen, wie in Kapitel 6.2 gezeigt, ohnehin auf das metapolitische Thema Wahlen/Wahlkampf entfällt.

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Abbildung 22: Anteil der Beiträge mit policy-Themen und politische Stimmung Deutschland

Österreich

Anteil der Beiträge mit policy-Themen: Chi2 = 81,029; df = 2; p < 0,001; Cramers V = 0,093. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.1; Österreich: 3.606). Aus der Analyse ausgeschlossen: 225 Beiträge zum Thema Deutschlandpolitik in den deutschen Zeitungen. 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Quelle: IfD Allensbach (Auskunft per E-Mail von Frau Anke Engelhardt vom 5.11.2010); IFES; IFES & Dr. Fessel; Gallup; OGM (siehe Tabelle A5 im Anhang). Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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Fraglich ist, wie sich die zum Teil starken Schwankungen erklären lassen. Natürlich hängen sie, wie beschrieben, eng zusammen mit der jeweiligen konkreten Wahlkampfsituation und aktuellen Ereignissen, die den Sachthemenanteil ggf. erhöhen (z. B. in Deutschland die Wiedervereinigung 1990 oder der Irak-Krieg und das Elbhochwasser 2002). Dennoch stellt sich aber die Frage, ob es neben diesen situativen auch systematische Einflussfaktoren gibt. Denkbar ist zum Beispiel, wie schon im Kontext der Wahlkampfthemen angedeutet, ein Zusammenhang mit dem Spannungsgehalt des Wahlkampfs: Möglicherweise konzentrierten sich die Zeitungen in wenig spannenden Wahlkämpfen, in denen Kanzler und Regierung weitgehend unangefochten waren, bewusst stärker auf sachpolitische Belange, weil der Wahlkampf als solcher nicht viel Stoff für die Berichterstattung lieferte, etwa 1971 in Österreich. Um diese Annahme zu prüfen, wird der Anteil der policy-Themen in Abbildung 22 den in Kapitel 6.1.1 beschriebenen Differenzen zwischen Parteien bzw. Koalitionen laut Umfrageergebnissen gegenübergestellt. In Deutschland entwickelten sich beide Kurven tatsächlich zumindest ab 1965 ähnlich, was einen Zusammenhang vermuten lässt: Je geringer der Abstand zwischen den potenziellen Koalitionen, desto geringer war auch der Anteil an Sachthemen. Besonders auffällig ist dieser Zusammenhang von 1972 bis 1983. Aus diesem Trend heraus fallen lediglich die Wahlkämpfe vor 1965, der Wahlkampf 1990, in dem der hohe Anteil der policy-Themen durch mit der Wiedervereinigung verbundene Fragen bedingt war, und 2005. Dabei ist nochmals zu bedenken, dass der tatsächliche Spannungsgehalt der Wahlkämpfe anhand der Umfrageergebnisse vier Wochen vor der Wahl 1961 überschätzt, 2002 und 2005 unterschätzt wurde. Nähme man 1961 einen größeren und 2002 sowie 2005 einen geringeren Abstand zwischen den gegnerischen Lagern an, der dem tatsächlichen Spannungsgehalt des Wahlkampfs entspräche, würden auch in diesen Wahlkämpfen Sachthemenanteil und Spannungsgehalt den vermuteten Zusammenhang bestätigen. Interessant ist dieses Ergebnis, weil es vermuten lässt, dass Dethematisierungsprozesse in der medialen Berichterstattung nicht durch die Medien selbst ausgelöst werden, sondern vielmehr durch die Orientierung der Medien am Elektorat (bzw. deren Parteienpräferenzen) entstehen. Als vermittelnde Instanz würden dann die politischen Akteure fungieren, die – ebenfalls in Reaktion auf die Stimmungen ihrer Wählerschaft – ihre Wahlkampfaktivitäten im Fall eines voraussichtlich knappen Ergebnisses vermutlich intensivieren, worüber die Medien wiederum verstärkt berichten. Auch dann wäre aber die mediale Berichterstattung Resultat und nicht Auslöser der Dethematisierung. Allerdings können anhand der vorliegenden Daten keine Kausalitäten geklärt werden. Dazu bräuchte man z. B. Verlaufsanalysen von Umfragen und inhaltsanalytischen Daten innerhalb der einzelnen Wahljahre, um festzustellen, wie sich Spannungsgehalt und Sachthemenanteil im Lauf des Wahlkampfs entwickelt haben und ggf. zusammenhingen. In Österreich fällt eine Interpretation der Befunde aufgrund der lückenhaften Umfragedaten und stark schwankenden Differenzen zwischen den beiden 197

Großparteien schwer. Für die genannte These spricht aber zumindest der plötzliche Anstieg der Sachthemen 1971, als die absolute SPÖ-Mehrheit schon im Wahlkampf absehbar war. Da der Spannungsgehalt der Wahlkämpfe in Österreich aufgrund der vorherrschenden großen Koalitionen wie beschrieben aber ohnehin geringer war als in Deutschland, stellt sich die Frage nach anderen systematischen Einflussfaktoren. Eine mögliche Erklärung bieten die jeweiligen Regierungen bzw. Regierungskoalitionen: Zumindest während der ersten großen Koalition bis 1966 und der SPÖ-Alleinregierungen von 1971 bis 1983 sank der Anteil der policy-Themen immer stärker. Und auch während der zweiten großen Koalition wurde er zumindest von 1990 bis 1999 immer geringer.140 Möglicherweise zeigt sich in den Anteilen der Sachthemen in Österreich also ein „Abnutzungseffekt“ der Regierungen: Je länger sie schon regierten, desto weniger wichtig wurden Sachthemen für die Frage, wer in Zukunft regieren sollte, vielleicht weil der amtierenden Regierung ohnehin nicht mehr zugetraut wurde, nach wie vor anstehende sachpolitische Probleme zu lösen. Die sinkende Bedeutung der policy issues von 1956 bis 1970 dürfte daneben aber auch durch die zeitgleiche Entideologisierung und Pragmatisierung der österreichischen Politik erklärbar sein. Mit Regierungswechseln ist zudem meist eine veränderte ideologische Ausrichtung der Regierungspolitik verbunden, insbesondere bei einem kompletten Austausch der Regierungsparteien wie 1970 in Österreich. Denkbar ist daher, dass politische Kurswechsel die mediale Auseinandersetzung mit Sachthemen fördern, die mit zunehmender Amtsdauer einer Regierung immer stärker in den Hintergrund rückt. Auch das ist eine mögliche Interpretation des „Abnutzungseffekts“. Dem widersprechen allerdings die vergleichsweise geringen policy-Anteile während der ÖVP-FPÖ-Regierung 2002 und 2005, trotz des unmittelbar vorangegangenen Wechsels in der Regierung von SPÖ zu FPÖ. Eine mögliche Erklärung dafür ist der gesunkene Ideologiegehalt der österreichischen Politik, der u. a. zu einer immer geringeren inhaltlichen Unterscheidbarkeit der Parteien geführt hat. Eventuell wurde gerade in jüngster Zeit nicht mehr wahrgenommen, dass mit einem Regierungswechsel wirkliche inhaltliche Veränderungen einhergingen. Oder die Selektionskriterien der Journalisten haben sich so verändert, dass ihnen Sachthemen weniger wichtig geworden sind. Falls das zutrifft, hätte in der Wahlkampfberichterstattung also tatsächlich ein Dethematisierungsprozess stattgefunden. Zu überprüfen ist, ob auch in den deutschen Zeitungen – neben dem oben beschriebenen Spannungsgehalt – politische Paradigmenwechsel einen Einfluss auf den Anteil der Sachthemen an der Wahlkampfberichterstattung hatten und ob dieser mit zunehmender Amtsdauer einer Regierungskoalition gesunken ist. Während der Koalition aus CDU/CSU und FDP von 1949 bis 1969 zeigte sich 140 Der von 1986 auf 1990 zunächst steigende Anteil in der Anfangsphase der großen Koalition dürfte durch die Veränderung im Zeitungssample bedingt sein.

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jedoch sogar ein gegenläufiger Effekt: Mit zunehmender Amtsdauer stieg anders als in Österreich die Bedeutung der policy-Themen. Darin könnte eine zunehmende Unzufriedenheit der (politisch eher linksorientierten) Journalisten mit der Politik der Regierung zum Ausdruck kommen. Möglicherweise übten sie sachliche Kritik und versuchten damit verstärkt auf sachpolitische Missstände aufmerksam zu machen. Der hohe Sachthemen-Anteil 1969 – einem Wahlkampf, in dem der folgende Regierungswechsel hin zu SPD und FDP bereits abzusehen war – könnte dann tatsächlich durch den (wahrscheinlichen) politischen Paradigmenwechsel hervorgerufen worden sein. 1972 und 1976 sank dieser Anteil deutlich, bedingt natürlich durch die auf die Kanzlerkandidaten Brandt bzw. Schmidt fokussierten personalisierten Kampagnen der SPD. Zusätzlich könnte aber auch hier, wie in Österreich, ein „Abnutzungseffekt“ zum Bedeutungsverlust der Sachthemen beigetragen haben. Oder die Journalisten waren mit der Bearbeitung politisch linker Anliegen durch die Regierung (z. B. Ostpolitik) so zufrieden, dass ihnen eine Diskussion von Missständen weniger notwendig erschien. Der hohe policy-Anteil 1980 war wie oben beschrieben vor allem begründet durch die besonders starke inhaltliche Ideologisierung des „Anti-Strauß-Wahlkampfs“ durch die SPD. 1983 war der Sachthemenanteil jedoch noch höher – bei der ersten Wahl unter der erst wenige Monate amtierenden Regierung von Unionsparteien und FDP. Das spricht ebenfalls für einen Zusammenhang zwischen politischem Paradigmenwechsel und Bedeutung von Sachthemen in der Berichterstattung. Die Ausnahmewahl 1990 außer Acht gelassen, sank während der Amtszeit dieser Regierung wiederum der Anteil der Sachthemen bis 1994 deutlich ab. Erst 1998 stieg er wieder an – als sich schon im Wahlkampf ein politischer Paradigmenwechsel durch die wahrscheinliche Übernahme der Regierung durch SPD und Grüne ankündigte. Allerdings blieben die Sachthemenanteile ab 1998 – ähnlich wie zeitgleich in Österreich – auf relativ niedrigem Niveau, was den dort vermuteten Zusammenhang mit einer sinkenden ideologischen Unterscheidbarkeit der Parteien bestätigt. Der relativ hohe Sachthemenanteil 2002 in Deutschland ist begründbar durch die aktuellen Ereignisse Irak-Krieg und Elbflut, stellte also eine Ausnahme dar, durch die der generelle Trend zu einer geringeren Sachthemenorientierung vermutlich nur kurzzeitig unterbrochen wurde. Zieht man also die Amtszeit der Regierungen und (zumindest für Deutschland) den Spannungsgehalt der Wahlkämpfe als Erklärungsfaktoren heran – wobei beide miteinander zusammenhängen –, deuten die Ergebnisse zumindest ab der Jahrtausendwende in beiden Ländern durchaus auf eine langfristige Dethematisierung der Wahlkampfberichterstattung hin, die allerdings durch strukturelle und situative Einflüsse in beiden Ländern immer wieder unterbrochen und damit verdeckt wurde. Ob sich das in künftigen Wahlkämpfen bestätigt, bleibt abzuwarten.

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Verhältnis zwischen Politikressort und Gesamtumfang der Berichterstattung: Ein weiterer Indikator für Dethematisierungstendenzen ist die Marginalisierung der politischen Berichterstattung im Allgemeinen (Lengauer 2007: 174). Um sie zu bestimmen, wird für die folgende Auswertung von der Wahlkampfberichterstattung abstrahiert und das Verhältnis des Politikressorts zum Gesamtumfang der Berichterstattung betrachtet. Dazu wurden pro Wahljahr für zwei Ausgaben jeder Zeitung (Dienstag und Freitag) der Gesamtumfang (abzüglich reiner Anzeigenseiten) und der Umfang des Politikressorts in Seiten bestimmt. Zum Politikteil wurden auch Kommentar- und politische Sonderthemenseiten gerechnet, weil sie in der Inhaltsanalyse ebenfalls codiert wurden. In den Anfangsjahren, in denen es noch keine Ressorttrennung zwischen Politik und Vermischtem gab, wurde der Politikumfang näherungsweise bestimmt, indem Seiten, die sowohl Politik- als auch vermischte Beiträge enthielten, je zur Hälfte beiden Ressorts zugeschlagen wurden. Um die Ergebnisse für beide Länder vergleichbar zu machen, wurden anschließend die durchschnittliche Gesamt- und Politikseitenanzahl pro Zeitung berechnet. Auf Basis dieser Stichprobe kann der Umfang zumindest näherungsweise ermittelt werden. Die Dethematisierung bemisst sich am Anteil des Politikressorts am gesamten redaktionellen Teil. Bei den folgenden Auswertungen ist zu bedenken, dass die Seitenzahlen der Zeitungen zwischen beiden Ländern nicht direkt vergleichbar sind, weil die österreichischen Blätter häufig in kleineren Formaten erschienen als die österreichischen. Ein (absolut betrachtet) höherer Seitenumfang in Österreich bedeutet also nicht zwangsläufig ein Mehr an politischer Berichterstattung. Relevant für den Vergleich der Dethematisierungstendenzen ist daher vor allem der Anteil der Politikseiten am Gesamtumfang. Im Durchschnitt aller Wahlkämpfe entfielen in Deutschland 23 Prozent, in Österreich 24 Prozent des redaktionellen Teils auf die politische Berichterstattung. Das sind bemerkenswert ähnliche Anteile. Abbildung 23 macht die langfristige Ausweitung des Gesamtumfangs der Zeitungen in beiden Ländern deutlich: In Deutschland stieg er von 7 Seiten (1949) fast kontinuierlich auf das Fünfeinhalbfache (39 Seiten) pro Zeitungsausgabe (2005). Lediglich in den 1980er Jahren ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der aber nur den Gesamtumfang, nicht den Politikteil betraf. Dieser hingegen weitete sich zwar anfangs von einer Seite pro Zeitung (1949) auf 6 Seiten (1969) aus, blieb dann aber für den Rest des Untersuchungszeitraums konstant. Das heißt, weil sich das politische Informationsangebot mengenmäßig nicht veränderte bzw. es nicht parallel zum Gesamtumfang zunahm, sank sein Anteil. Mit der Ausweitung des redaktionellen Teils ist für Deutschland also von einer wachsenden politischen Dethematisierung zu sprechen, insbesondere ab Mitte der 1980er Jahre. Im Vergleich der einzelnen deutschen Titel wies im Langzeitdurchschnitt die Welt (29%) den höchsten Politikanteil auf, in den drei anderen Blättern (SZ 22%, FR 21%, FAZ 20%) machte die politische Berichterstattung jeweils rund ein

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Abbildung 23: Umfangsentwicklung von redaktionellem Teil und Politikressort Deutschland

Österreich

Gesamtseitenumfang: T = 1,640; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,078. Politikseiten pro Zeitung: T = 1,205; df = 29,654; n. s.; Eta2 = 0,041. Anteil der Politikseiten am Gesamtumfang: T = -0,240; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,002. Basis: Hochrechnung der tatsächlichen Gesamtberichterstattung auf Basis einer Stichprobe von zwei Ausgaben pro Zeitung und Jahr. 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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Fünftel pro Ausgabe aus. Im Zeitverlauf stieg der Gesamtumfang des redaktionellen Teils in allen vier Zeitungen deutlich an, wobei der Rückgang in den 1980er Jahren stärker auf die Welt als auf die anderen Zeitungen zurückzuführen ist. Der Politikteil, gemessen in Seiten, nahm im Vergleich dazu in sämtlichen Zeitungen langfristig nur wenig zu (Tabelle A6 im Anhang). Eine Dethematisierung ist somit für alle deutschen Blätter festzustellen, in der Welt vollzog sie sich aber am ausgeprägtesten. Auch in Österreich hat der Gesamtumfang der Zeitungen langfristig zugenommen, von 6 Seiten (1949) auf 34 Seiten (2006). Bei der Interpretation sind hier allerdings mehrere Formatwechsel zu bedenken: Die Presse wechselte 1963 von Klein- auf Großformat, um sich dem äußeren Erscheinungsbild renommierter ausländischer Tageszeitungen anzupassen (Chorherr 1983: 264). Dennoch sank aber der Gesamtseitenumfang der österreichischen Zeitungen in der Folge nicht wesentlich, das heißt absolut betrachtet weitete sich die Berichterstattung aus. Der auffällige Sprung nach oben 1986 ist zurückzuführen auf den Umstieg der AZ zum Kleinformat 1985 (Institut für Publizistik-und Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg 1986: 32), durch das sich ihr Seitenumfang vergrößerte. 1990 wurde statt der AZ der Standard ins Sample aufgenommen, der in einem größeren Format erschien als die AZ, weshalb er weniger Seiten enthielt als die kleinformatigere Parteizeitung zuletzt. Dennoch blieb der Gesamtumfang des redaktionellen Teils der österreichischen Blätter 1990 im Vergleich zu 1986 aber nahezu gleich, was auch mit einer Formatverkleinerung der Presse Ende der 1980er Jahre zusammenhängt, durch die sich ihre Seitenzahl wieder vermehrt hat. Danach gab es keine weiteren Formatumstellungen mehr, das heißt der Anstieg der Gesamtseitenzahl zwischen 1994 und 1999 zeigt eine tatsächliche Ausweitung des Zeitungsumfangs an. Der Seitenumfang des Politikteils blieb in Österreich bis 1983 weitgehend konstant bei zwei bis drei Seiten pro Zeitungsausgabe. Das waren nicht nur absolut betrachtet weniger Seiten als in den deutschen Zeitungen. Hinzu kommt das kleinere Format der österreichischen Blätter, die pro Seite weniger Informationen enthielten. Daran wird nochmals die relative Begrenztheit des politischen Informationsangebots der österreichischen Eliteblätter deutlich. Erst ab 1986 nahmen die Seiten des politischen Teils in Österreich analog zum Gesamtumfang zu. Der Anteil der politischen an der Gesamtberichterstattung verringerte sich trotz Schwankungen von 1953 bis 1983 langfristig, in diesem Zeitraum wurde die Berichterstattung also immer stärker dethematisiert. Das hängt nur zum Teil mit der zunehmend boulevardesken Strategie der AZ in diesem Zeitraum zusammen, denn derselbe Trend ist für die Presse feststellbar (Tabelle A6 im Anhang). Möglicherweise zeigen sich hier spillover-Effekte der wirtschaftlich erfolgreichen Boulevardzeitungen, vor allem der Krone, auch auf die Qualitätszeitung Presse. Deren Politikanteil stieg ab 1990 aber zunehmend. Sie reagierte in diesem Zeitraum mit der Ausweitung der Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur und Chronik auf die neue Konkurrenzsituation durch den Standard (Pürer 202

1990: 14; 68). Folglich wuchs auch der Politikanteil pro Ausgabe in Österreich insgesamt. An diesen Entwicklungen zeigt sich die große Bedeutung der Konkurrenzsituation am Markt auf die Inhalte der einzelnen Zeitungen: Langfristig fand in der Presse ab 1979 keine De-, sondern vielmehr eine Rethematisierung statt, das heißt die Bedeutung der Politikberichterstattung nahm zu. Der Standard wies anfangs einen hohen Politikanteil auf, weil er sich auf Politik, Wirtschaft und Kultur beschränkte, die nach Ansicht seines Herausgebers Oscar Bronner in den bisher bestehenden Zeitungen nur unzureichend behandelt wurden. Das inhaltliche Spektrum wurde aber bald durch Sport, Lokales und andere Rubriken erweitert, was den geringeren Politikanteil 1994 bis 1999 erklärt (Pürer 1996: 422; Bruck/Melcher-Smejkal 1993: 66). Der erneute Anstieg des Politikteils in der Folgezeit lässt sich durch seine mengenmäßige Konstanz bei gleichzeitigem Rückgang des Gesamtumfangs erklären.

6.3.2 Journalistische Autonomie Als zweiter Langzeittrend der Wahlkampfberichterstattung wird die Entkopplung der Medien von ihren institutionellen Trägern bzw. ihre Emanzipation von den politischen Akteuren hin zu eigenständigen Akteuren und Institutionen untersucht, mit der ihre immer stärkere Kopplung an die Marktlogik einhergeht (Imhof 2006a, 2006b; Jarren/Donges 2006b). In der Folge sollten die Eigenleistungen der Journalisten gestiegen und die Berichterstattung zunehmend interpretativ geworden sein (interpretive journalism; Patterson 1997: 451-453; Houston 2008). Es geht also um Machtverschiebungen in der Berichterstattung von den politischen Akteuren (hier: den Kanzlerkandidaten) zu den Journalisten bzw. Zeitungen.141 Den Auswertungen liegt folgende Annahme zugrunde: 3b) Medien und Journalisten haben sich in beiden Ländern zunehmend vom politischen System entkoppelt und emanzipiert, haben also an Autonomie gegenüber den politischen Akteuren gewonnen. In Österreich vollzog sich dieser Prozess aber später und weniger nachhaltig als in Deutschland. Untersucht wird diese Entwicklung mittels vier Indikatoren: (1) Den Beitragsurhebern (Eigenbeiträge von Journalisten und Redaktionsmitgliedern vs. Agenturbeiträge), (2) den Darstellungsformen (kommentierende und subjektiv gefärbte vs. tatsachenbetonte Stilformen), (3) der Authentizität (Umfang und Länge der Kandidatenzitate) und (4) den Urhebern von Kandidatenbewertungen (wertende Aussagen von Journalisten vs. von anderen Urhebern). Je höher der Anteil der Eigenbeiträge, der kommentierenden Stilformen, der Journalisten als Aussagenurheber und je weniger umfangreich die Zitierung, desto stärker ist davon auszugehen, dass sich die Journalisten als eigenständige Akteure verstanden haben (Reinemann/Wilke 2003: 189). 141 Zum Konzept der Journalisten als politische Akteure siehe Kapitel 4.3.5.3.

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6.3.2.1 Beitragsurheber Wilke und Reinemann (2000) kamen zu dem Ergebnis, dass in den deutschen Tageszeitungen im Lauf der Jahrzehnte „die Wahlkampfberichterstattung immer mehr zu einer Sache der zeitungseigenen Journalisten geworden“ (Wilke/Reinemann 2006: 314) ist, was sie als Hinweis auf eine zunehmende Emanzipation und eigenständige Rolle der Journalisten interpretierten. Für jeden Beitrag wurde erfasst, ob er von einem Journalisten bzw. Redaktionsmitglied, von einer Nachrichtenagentur oder von einem sonstigen Urheber (Gastbeiträge) stammte oder ob keine Quelle identifizierbar war. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Gegenüberstellung der Eigen- und Agenturbeiträge. Die Beiträge ohne Urheberangabe werden in Kapitel 6.4.2 zur Urhebertransparenz betrachtet. Bei der Interpretation ist allerdings ein wesentlicher Unterschied zwischen der AZ und den anderen Zeitungen zu bedenken: Die Journalisten bei einer Parteizeitung müssen sich als Teil der Partei verstehen. Der Anteil der Beiträge, die einzelne Journalisten als Urheber ausweisen, ist in ihrem Fall daher nicht als Indikator für ihre journalistische Autonomie zu werten, sondern drückt aus, inwiefern sie sich als Einzelakteure statt nur als Teil eines Kollektivs sahen. Insgesamt waren in Deutschland 73 Prozent aller Artikel Eigenbeiträge, in Österreich nur 62 Prozent, was – im Einklang mit dem stärkeren politischen Parallelismus in Österreich – auf eine insgesamt stärkere Selbstdefinition der deutschen Journalisten als eigenständige Akteure schließen lässt. Die Agenturbeiträge machten in Deutschland 22 Prozent aus, in Österreich nur 3 Prozent. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass die österreichischen Zeitungen tatsächlich kaum Agenturmaterial verwendeten, sondern dass sie vielmehr nicht angaben, wenn Beiträge von Agenturen stammten. Das erklärt vermutlich auch, warum in Österreich insgesamt 27 Prozent, in Deutschland nur 3 Prozent der Artikel ihren Urheber nicht auswiesen (Kapitel 6.4.2). Wie in Abbildung 24 ersichtlich, war der Eigenanteil an der Wahlkampfberichterstattung aber nur bis Mitte der 1970er Jahre in Österreich niedriger als in Deutschland, dann glich er sich dem deutschen Niveau an und entwickelte sich in beiden Ländern ähnlich. In Deutschland dominierten 1949 eigene Beiträge, zurückzuführen auf den insgesamt noch geringen Umfang der Wahlkampfberichterstattung und die geringe Leistungsfähigkeit der Nachrichtenagenturen (Wilke/Reinemann 2000: 62). Nach einem vorübergehenden Rückgang der Eigenbeiträge 1953 stieg ihr Anteil ab 1957 wieder an und pendelte sich in den 1970er Jahren zwischen rund 70 und 75 Prozent ein.142 Über 80 Prozent erreichte das Eigenmaterial erstmals 1994 und überstieg auch 2002 und 2005 diesen Anteil. Gleichzeitig sank der Anteil der Agenturmeldungen langfristig. Von den vier 142 Der geringere Eigenanteil 1976 in Deutschland ist dadurch begründet, dass FR und Welt in diesem Jahr relativ viele Artikel in gesonderten Wahlrubriken publizierten, ohne explizite Angaben zu Autoren bzw. Quellen zu machen (Wilke/Reinemann 2000: 62).

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deutschen Zeitungstiteln wies die FAZ fast in allen Wahljahren den höchsten Anteil an Eigenmaterial auf, gefolgt von der Welt. Der Eigenanteil in FR und SZ bewegte sich auf einem etwas niedrigeren Niveau (Magin 2011a: 370-372).143 Abbildung 24: Eigen- und Agenturbeiträge

Chi2 = 1826,040; df = 4; p < 0,001; Cramers V = 0,441. Basis: 9.380 Artikel (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.544). Aus der Analyse ausgeschlossen wurden 62 Artikel in den österreichischen Tageszeitungen, für die als Urheber eine Mischform aus Journalist und Agentur erfasst wurde. 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. An 100 fehlende Prozentwerte: Sonstige/keine identifizierbaren Urheber. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

In Österreich wuchs der Anteil der Eigenbeiträge von 1949 bis 1975 stark von 6 auf 70 Prozent, danach nahm er bis 2002 moderat weiter bis auf 79 Prozent zu. Als Agenturmeldungen waren im gesamten Untersuchungszeitraum nur kleine Teile der Beiträge (meist weit unter einem Zehntel) ausgewiesen. Das Gesamtergebnis für Österreich verdeckt allerdings die Unterschiede zwischen den einzelnen Titeln: Zwar wuchs der Eigenanteil bis 1975 sowohl in der Presse als auch in der AZ, in der Presse jedoch auf höherem Niveau. Darin wurde, ausgehend von 4 Prozent 1949, die 70-Prozent-Marke bereits 1966 überschritten. Ab diesem Zeitpunkt lag der Eigenanteil durchgängig (meist deutlich) über diesem Wert – vergleichbar mit der FAZ, der Zeitung mit dem insgesamt höchsten Eigenanteil. In der AZ hingegen machten die als Eigenbeiträge gekennzeichneten Artikel nie 143 Andere Studien (Kepplinger 1998; Struk 2000) deuten darauf hin, dass die deutschen Zeitungen in der Wahlkampfberichterstattung eine stärkere Eigenberichterstattung aufweisen als bei anderen Themen, vermutlich weil der Wahlkampf für die Innenpolitik zentral ist und Berichterstattung und Kommentare dazu gute Profilierungsmöglichkeiten bieten (Wilke/Reinemann 2003: 64).

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über 71 Prozent aus, wobei sie unter allen untersuchten Zeitungen den höchsten Anteil an Beiträgen ohne Urheberangaben enthielt (Kapitel 6.4.2) – die Redaktions- und damit Parteimitglieder als Urheber gehabt haben dürften. Der Standard veröffentlichte anteilsmäßig fast durchgängig weniger Eigenmaterial als die Presse und ist diesbezüglich vergleichbar mit der FR. Im Zeitverlauf hat der Anteil der Eigenbeiträge also in beiden Ländern zugenommen, in Österreich erfolgte dieser Anstieg aber bis Mitte der 1970er Jahre von einem sehr viel niedrigeren Ausgangsniveau aus und daher rapider. Während der Anteil der Agenturmeldungen in den österreichischen Zeitungen gleichbleibend niedrig war, sank er in den deutschen Blättern. Der steigende Eigenanteil hat somit länderspezifisch unterschiedliche Ursachen: In Deutschland kommt darin tatsächlich eine wachsende Autonomie der Journalisten zum Ausdruck, in Österreich dagegen zumindest zeitweise eher eine zunehmende Urhebertransparenz (Kapitel 6.4.2) – und in der AZ daneben ein Bedeutungsgewinn von Einzelpersonen innerhalb der SPÖ.

6.3.2.2 Darstellungsformen Der zweite Indikator für die journalistische Autonomie und zugleich für einen interpretativen Journalismusstil sind die journalistischen Darstellungsformen bzw. der Anteil subjektiver und kommentierender Stilformen (Leitartikel, Kommentar, Glosse) an allen Stilformen. Auch hier ermittelten Wilke und Reinemann (2000: 59-62; Wilke/Reinemann 2006: 314-315) für Deutschland eine immer aktivere Rolle der Journalisten. Insgesamt war der Anteil der interpretativen Stilformen in Deutschland (17%) etwas geringer als in Österreich (22%). Wie Abbildung 25 zeigt, stieg er langfristig vor allem in Deutschland an, während er in Österreich lange auf einem relativ stabilen Niveau verharrte und erst gegen Ende des Untersuchungszeitraums zugenommen hat.144 Obwohl in den deutschen Zeitungen der Anteil der meinungsbetonten Stilformen von Wahl zu Wahl variierte, nahm ihre Bedeutung langfristig zu. Bis 1961 war nur rund ein Zehntel der Beiträge meinungsbetont, von 1965 bis 1987 bewegte sich dieser Anteil zwischen 13 und 21 Prozent und blieb ab 1990 (ausgenommen 1998) durchgängig über 20 Prozent. Die meisten kommentierenden und subjektiven Darstellungsformen erschienen 2002 (26%) und 2005 (24%). Die vier 144 Während in der deutschen Studie die Stilformen sehr differenziert erhoben wurden, unterschied die österreichische nur zwischen tatsachen- und meinungsbetonten Stilformen. Unter letztere fielen lediglich Leitartikel, Kommentare und Glossen. Hingegen wurden Reportagen und Features, die eigentlich bis zu einem gewissen Grad auch interpretativ sind, den tatsachenbetonten Stilformen zugerechnet. Um die Ergebnisse für beide Länder direkt vergleichen zu können, wurden die Stilformen in Deutschland hier entsprechend der österreichischen Erhebung differenziert. Daher weichen die vorliegenden Ergebnisse von denen bei Wilke und Reinemann (2000: 61) ab. Bei einer Differenzierung zwischen tatsachenbetonten Darstellungsformen und Reportagen bzw. Features zeigt sich für Deutschland die abnehmende Dominanz der ersteren noch weitaus deutlicher.

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deutschen Zeitungen unterschieden sich diesbezüglich nicht systematisch, sondern der Anteil der meinungsbetonten Beiträge stieg im Lauf der Jahrzehnte in allen Blättern. Das kann als Zeichen wachsender journalistischer Autonomie gedeutet werden. In Österreich enthielten die Zeitungen vor allem zu Beginn des Untersuchungszeitraums überdurchschnittlich viele meinungsbetonte Artikel, insbesondere 1953 und 1956. Danach stabilisierte sich deren Anteil bis 1995 bei rund 20 Prozent, ein Wert, der nur 1966 klar unterschritten wurde. Erst 1999 und 2002 nahmen die meinungsbetonten Beiträge noch weiter zu, sanken dann aber wieder etwas ab. Ob es sich hierbei um ein Zwischenhoch handelte oder ob dieses Ergebnis als Hinweis auf eine noch stärkere eigenständige Rolle der Journalisten zu interpretieren ist, wird erst die Untersuchung weiterer Wahlkämpfe zeigen. Abbildung 25: Tatsachen- und meinungsbetonte Darstellungsformen

Chi2 = 31,074; df = 2; p < 0,001; Cramers V = 0,057. Basis: 9.442 Artikel (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. An 100 fehlende Prozentwerte: Sonstige Stilformen. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Bis auf wenige Wahlkämpfe enthielten die österreichischen Zeitungen prozentual mehr meinungsbetonte Beiträge als die deutschen. Wertet man den Anteil der Leitartikel, Kommentare und Glossen allein als Indikator für das Maß, in dem sich die Journalisten als eigenständige Akteure definieren, scheint das zunächst der These zu widersprechen, dass deutsche Journalisten sich früher als solche verstanden haben als ihre österreichischen Kollegen. Vermutlich kommt darin aber auch ein anderer struktureller Unterschied zum Tragen – nämlich, dass die 207

meinungsjournalistische Tradition des 19. Jahrhunderts nach 1945 ihre Fortsetzung in Österreich stärker als in Deutschland fand. Maßgeblich dafür waren Unterschiede in der Lizenzpolitik und in den re-education-Maßnahmen der Alliierten, die in Österreich vor allem meinungsbetonte Parteizeitungen zuließen und weniger stark auf die Einhaltung der Objektivitätsnorm pochten. Und auch die stärkere Parteilichkeit der österreichischen Medien findet ihren Niederschlag, zumindest in der AZ: 145 Zumindest bis 1962 war darin der Anteil der Leitartikel, Kommentare und Glossen höher als in der Presse, er sank allerdings fast kontinuierlich ab bis auf ein Minimum von 8 Prozent 1966. Dann folgte ein erneuter Anstieg auf 28 Prozent zum letzten AZ-Erhebungszeitpunkt 1986. Dem lagen vermutlich zwei Anpassungsstrategien der AZ an die Konkurrenzsituation auf dem österreichischen Zeitungsmarkt zugrunde, also eine Reaktion auf ihre ab dem Ende der 1950er Jahre sinkenden Marktanteile: Die anfängliche Abnahme der meinungsbetonten Berichterstattung in der Parteizeitung dürfte ein Zeichen journalistischer Professionalisierung gewesen sein. Mit stärker faktenzentrierter Berichterstattung statt schriller Parteipropaganda versuchte sie sich offensichtlich den gewandelten Bedürfnissen des Publikums anzupassen. In dem erneuten Anstieg der meinungsbetonten Stilformen ab 1966 könnte eine wachsende Orientierung an den ökonomisch erfolgreichen Boulevardzeitungen zum Ausdruck kommen, in denen der Anteil meinungsbetonter Berichte höher ist als in Qualitätszeitungen – auch weil sie die Trennung von Nachricht und Meinung weniger strikt einhalten (Kapitel 6.4.3.1). Damit kann die Entwicklung der Stilformen in Österreich ab 1966 als Ergebnis einer zunehmenden Boulevardisierung der AZ und somit einer wachsenden Kopplung an die Marktlogik verstanden werden. In der Presse fällt in der Langzeitbetrachtung vor allem ein Niveausprung auf: Meinungsbetonte Darstellungsformen machten in ihr vor 1970 einen geringeren Anteil an der Berichterstattung aus als danach. Das kann als Zeichen einer sich verstärkenden Emanzipation der Journalisten ab den 1970er Jahren und somit als Ergebnis der oben beschriebenen Entkopplungsprozesse vom politischen System verstanden werden. Der Standard schließlich veröffentlichte in seinem ersten Wahlkampf 1990 nur sehr wenige meinungsbetonte Beiträge, weshalb in diesem Jahr auch der Gesamtanteil dieser Stilformen in Österreich sank. Dann aber nahmen die meinungsbetonten Beiträge im Standard kontinuierlich zu und gingen erst 2006 wieder etwas zurück – ein Hinweis auf das im Zeitverlauf steigende Selbstvertrauen und den zunehmenden Anspruch des neuen Mediums, sich in der österreichischen Zeitungslandschaft als Meinungsführermedium zu platzieren.

145 Bei der Codierung der AZ fiel die Unterscheidung zwischen tatsachen- und meinungsbetonten Stilformen oft schwer, weshalb die Ergebnisse für die Parteizeitung und somit für Österreich etwas verzerrt sein können.

208

6.3.2.3 Authentizität Der dritte Indikator für die Machtverschiebung in der Wahlkampfberichterstattung zulasten der politischen Akteure und zugunsten der Journalisten ist die Authentizität der Beiträge. Sie bemisst sich an der Zitierung der Kanzlerkandidaten: Zum einen an der Frage, ob die Kandidaten überhaupt zitiert wurden, zum zweiten, in welchem Umfang das insgesamt geschah, und zum dritten an der durchschnittlichen Zitatlänge pro Beitrag. Ein Zitat ist definiert als wörtliche oder in indirekter Rede (im Konjunktiv) stattfindende Wiedergabe von Aussagen der Kanzlerkandidaten. Für die deutschen Zeitungen zeigten Wilke und Reinemann (2000: 128-136; 2006: 325-327) von 1980 bis 2005 eine Verringerung sowohl des Gesamtumfangs (ausgenommen 2002) als auch der durchschnittlichen Länge der Zitate. Letztere stieg 2009 erstmals wieder an (Wilke/Leidecker 2010: 355). Inwiefern das auch für die Berichterstattung der österreichischen Zeitungen zutrifft, wird im Folgenden überprüft. Beiträge mit Kandidatenzitaten: Erste Hinweise auf die Authentizität der Berichterstattung liefert der Anteil der Beiträge, in denen überhaupt Zitate vorkamen (Abbildung 26). Das war in beiden Ländern nur in der Minderheit der Artikel der Fall, in Deutschland im Gesamtdurchschnitt aller Wahlkämpfe in 25 Prozent, in Österreich in 21 Prozent. „Diese Verteilung als viel oder wenig zu bewerten, würde einen Maßstab voraussetzen, der sich schwer normativ begründen lässt. Denn gewiss sind Kandidatenzitate nicht in allen Wahlkampfbeiträgen zu erwarten. Dies eher schon in Beiträgen, die einen Bezug zu den Kanzlerkandidaten aufweisen.“ (Wilke/Reinemann 2000: 130) Aber auch die kandidatenbezogenen Artikel enthielten nur zu einem kleineren Teil Zitate (Deutschland 38%, Österreich 40%). Im Zeitverlauf zeigt sich für Deutschland ein relativ stabiles Muster. Die Artikel mit Zitierungen schwankten prozentual zwischen 19 Prozent (1976) und 30 Prozent (1961). Lediglich zwei Wahlkämpfe wichen davon ab: Die erste Bundestagswahl 1949 mit noch geringem Berichterstattungsumfang und wenigen kandidatenbezogenen Beiträgen (Kapitel 6.3.4.1) und die stark personalisierte „Ausnahmewahl“ 2002, als die Kanzlerkandidaten Schröder und Stoiber in jedem dritten Beitrag zitiert wurden – u. a. aufgrund der beiden ersten TV-Duelle, die den Medien besonders viele Zitiermöglichkeiten boten. Der Anteil der Beiträge mit Zitaten in den vier einzelnen Zeitungen entspricht dem Gesamtergebnis für Deutschland. Eine sinkende Authentizität der Berichterstattung lässt sich daraus nicht ableiten. In den österreichischen Zeitungen schwankte der Anteil der Beiträge mit Kandidatenzitaten stärker als in Deutschland. Bis 1966 überwogen bei weitem die Beiträge, in denen die Kandidaten überhaupt nicht zitiert wurden, nur in etwa jedem zehnten Artikel fand sich ein Zitat. Das hängt zum einen – vor allem in der Presse – mit dem geringen Anteil der kandidatenbezogenen Artikel in diesem Zeitraum zusammen (Kapitel 6.3.4.1), ist zum anderen aber auch methodisch bedingt: Zwecks Trennschärfe verlangten die Codieranweisungen, Zitate nur 209

dann zu erfassen, wenn sie durch Anführungszeichen (Ausnahme: Interviews) als wörtliche Rede bzw. durch die Verwendung des Konjunktivs als indirekte Rede eindeutig identifizierbar waren. Dieses strenge Kriterium sollte eine reliable Codierung der Zitate ermöglichen. Nicht erfasst wurden auf diese Weise allerdings mangelhaft gekennzeichnete Zitate – und gerade solche waren in der AZ sehr häufig. Vor allem in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten pflegte sie, Aussagen von SPÖ-Politikern gemäß ihrer „Sprachrohr-Funktion“ als Parteizeitung zwar breiten Raum zu geben, das aber in aller Regel ohne entsprechende Kennzeichnung von Zitatanfang und -ende durch Anführungszeichen. Deshalb konnten viele an sich vorhandene Zitate gemäß den Codieranweisungen nicht als solche erhoben werden. Abbildung 26: Wahlkampfbeiträge mit Zitaten der Kanzlerkandidaten

Chi2 = 19,891; df = 1; p < 0,001; Cramers V = 0,046. Basis: 9.442 Artikel (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/ Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Ab 1970 stieg mit dem wachsenden Kandidatenbezug der österreichischen Berichterstattung und der zunehmend korrekten Kennzeichnung der Zitate der Anteil der Beiträge mit Kandidatenzitaten auf 23 Prozent an und oszillierte bis 1999, vergleichbar mit Deutschland, moderat zwischen 22 und 33 Prozent. Zwischen 1995 und 2006 verringerte er sich jedoch von 29 auf 16 Prozent – ein erstes Indiz für eine Entauthentisierung der Berichterstattung und damit eine

210

Emanzipation der österreichischen Journalisten von den Politikern in der letzten Untersuchungsdekade. Umfang der Zitierung: Zumindest der Anteil der Beiträge mit Zitaten – freilich nur ein grober Indikator – liefert also keine Hinweise auf einen generellen Unterschied in der Authentizität der Wahlkampfberichterstattung zwischen beiden Ländern. Valider kann die Authentizität anhand des Umfangs der Kandidatenzitate (gemessen in Standard-Zeilen zu je 38 Anschlägen) beurteilt werden.146 Abbildung 27 macht deutlich, dass der Zitatumfang in Deutschland bis 1980 relativ stark schwankte und dann zurückging, unterbrochen nur durch die vorübergehende Zitatausweitung 2002. Somit kann für Deutschland von einer Entauthentisierung der Wahlkampfberichterstattung zumindest ab 1980 gesprochen werden (Wilke/Reinemann 2000: 131-132). Abbildung 27: Umfang der Kandidatenzitierung

T = 6,567; df = 32; p < 0,001; Eta2 = 0,574. Basis: 5.601 Artikel mit Kandidatenbezug (Deutschland: 3.733; Österreich: 1.868). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

146 Bei der Codierung wurde der Zitatumfang in Zeilen gemessen. Weil sich die Zahl der Zeilenanschläge zwischen den Zeitungen und Untersuchungsjahren unterschied, wurde sie für jede Zeitung und jedes Jahr stichprobenartig bestimmt (für eine Übersicht siehe Tabelle A4 im Anhang). Zur Berechnung des Umfangs der Zitierung in Zeilenanschlägen wurde die Anzahl der bei der Codierung erfassten Zitatzeilen mit der durchschnittlichen Zeilenanschlagszahl für die jeweilige Zeitung im jeweiligen Jahr multipliziert.

211

In Österreich stieg mit dem zunehmenden Anteil der Beiträge mit Kandidatenzitaten und ihrer verbesserten Kennzeichnung auch deren Umfang bis 1979, ging dann aber bis 1994 zurück und variierte ab 1995 relativ stark. Dass die Berichterstattung immer weniger authentisch wurde, kann daraus nicht abgeleitet werden. Im Ländervergleich war der Umfang der Zitierung in den österreichischen Zeitungen durchgängig geringer als in den deutschen, was eigentlich für eine geringere Authentizität der österreichischen Titel sprechen würde. Allerdings handelt es sich dabei um ein Artefakt: Weil letztere insgesamt weniger umfangreich über die Wahlkämpfe berichteten als ihre deutschen Pendants (Kapitel 6.1.2), nahmen absolut betrachtet natürlich auch ihre Zitate weniger Raum ein – was aber nichts über den tatsächlichen Authentizitätsgrad der Berichterstattung sagt. Um dazu ein aussagekräftigeres Ergebnis zu erhalten, muss der Umfang der Zitate in Bezug zum Gesamtumfang der kandidatenbezogenen Beiträge gesetzt werden.147 Abbildung 28 zeigt, zu welchem Anteil die Wahlkampfberichterstattung (gemessen in Zeilenanschlägen) aus Zitaten bestand. Zunächst fällt dabei auf, dass die Zitate in beiden Ländern nur einen geringen Anteil der gesamten Berichterstattungsmenge (jeweils 9%) ausmachten. In Deutschland kamen die Kanzlerkandidaten 1949 und 1953 zwar nicht in vielen Beiträgen vor, aber wenn, dann waren die Zeitungen relativ zitierfreudig. Ab 1957 entwickelte sich der Anteil der Zitate an der Berichterstattung bis 1987 relativ sprunghaft. Dieses Wahljahr stellt geradezu einen Wendepunkt dar. Denn ab diesem Wahlkampf sank der Zitatanteil, ausgehend von 9 Prozent, fast kontinuierlich bis auf sein Minimum von 3 Prozent 2005 – und das, obwohl gerade in diesem Zeitraum der Anteil der Interviews an allen Darstellungsformen von 1 auf 4 Prozent anstieg. Interviews geben den befragten Politikern breiten Raum, ihre Positionen in eigenen Worten darzustellen. Zwar wurde in der Inhaltsanalyse nicht erfasst, wer in den Interviews jeweils befragt wurde (und die Kanzlerkandidaten dürften das nur zu einem geringen Teil gewesen sein), aber dennoch steigt die Wahrscheinlichkeit für Kandidateninterviews und -zitate mit dem Gesamtanteil der Interviews. In den deutschen Wahlkämpfen 1998 und 2005 waren die Zitatanteile geringer als im gesamten vorangegangenen Untersuchungszeitraum (ausgenommen 1976), und auch 2002 lag der Zitatanteil sehr niedrig. Zumindest seit 1987 hat sich die Authentizität der Kandidatenzitate in den deutschen Zeitungen also verringert, was auf eine wachsende Autonomie der Journalisten als Akteure und einen zunehmend interpretativen Journalismus hindeutet. Systematische Unterschiede zwischen den vier Zeitungen sind dabei nicht erkennbar. Vielmehr wichen immer wieder einzelne Blätter mit einem besonders hohen oder niedrigen Zitatanteil 147 Bei Einbeziehung der Beiträge ohne Kandidatenbezug sind im Wesentlichen dieselben Trends erkennbar wie bei den hier dargestellten kandidatenbezogenen Artikeln, nur die Anteilswerte sind dann etwas geringer.

212

vom Gesamttrend ab, was auf ihre unterschiedliche Ausrichtung in den einzelnen Wahlkämpfen zurückzuführen sein dürfte. Abbildung 28: Anteil der Zitierung an der gesamten Wahlkampfberichterstattung

T = 0,169; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,001. Basis: Hochrechnung der tatsächlichen Wahlkampfberichterstattung und Zitierung auf Basis einer 50%-igen Stichprobe und anschließende Division durch die Anzahl der Zeitungen (n = 9.442 Beiträge; Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

In Österreich sind hinsichtlich des Zitatanteils an der Gesamtberichterstattung vier Phasen erkennbar. (1) In der ersten Phase bis 1959 machten die erfassten Zitate nur einen ganz geringen Anteil des Gesamtumfangs der kandidatenbezogenen Beiträge aus, bedingt allein schon durch die beschriebene mangelhafte Kennzeichnung der Zitate. (2) Danach nahm ihr Anteil bis 1970 fast kontinuierlich zu. Wie bei der im selben Zeitraum steigenden Urhebertransparenz (Kapitel 6.4.2) dürfte auch hier ein Zusammenhang mit einem wachsenden Bewusstsein für journalistische Qualitätsstandards bestehen: Vor allem die AZ wies innerhalb dieser zweiten Phase ihre Zitate zunehmend korrekt als solche aus, was in ihrem steigenden Zitatanteil zum Ausdruck kommt. Der entsprechende Anteil in der Presse schwankte in dieser Phase relativ stark. (3) Auf den starken Anstieg folgte von 1971 bis 1986 die dritte Phase, in der sich der Anteil der Zitate zwischen 13 und 16 Prozent der Wahlkampfberichterstattung stabilisierte – allerdings vor allem in der Presse, während er in der AZ noch weiter anstieg. Im Vergleich zu Deutschland werden hier die Auswirkungen des großkoalitionären „Parteien- und Proporzjournalismus“ (Plasser 2006: 536) 213

in der Konkordanzdemokratie deutlich: Der höhere Zitatanteil weist die Berichterstattung der österreichischen Zeitungen (vor allem in der AZ) als stärkeren „Verlautbarungsjournalismus“ aus; die österreichischen Kanzlerkandidaten kamen darin weitaus umfangreicher zu Wort als die deutschen. (4) In diesem Kontext steht auch das plötzliche klare Absinken des Zitatanteils 1990, der in dieser vierten Phase jetzt dem geringeren in Deutschland entsprach: Mit dem Herausfallen der AZ aus dem österreichischen Zeitungssample und der Aufnahme des Standard fungierten die österreichischen Zeitungen insgesamt deutlich weniger als „Parteiensprachrohr“, vor allem weil der Standard die Kanzlerkandidaten weitaus weniger zitierte als das SPÖ-Parteiblatt. Hier wirkte also die Veränderung der österreichischen Zeitungslandschaft „entauthentisierend“, die mit dem Entkopplungsprozess der Medien von den politischen Akteuren zusammenhing. Bis 2006 sank der Zitatanteil sowohl im Standard als auch in der Presse noch weiter, insgesamt bis auf ein Minimum von 3 Prozent. Für diese Phase kann somit klar von einer Entauthentisierung gesprochen werden – und zwar auch hier trotz der ab 1994 zunehmenden Verbreitung von Interviews (von 1 auf 5 Prozent aller Stilformen). Im Vergleich der einzelnen österreichischen Zeitungen über alle Wahljahre hinweg wird die Sonderrolle der AZ zumindest tendenziell nochmals deutlich: Trotz ihrer anfangs mangelhaften Zitatmarkierung entfiel auf sie mit einem Anteil von 11 Prozent ihrer Gesamtberichterstattung der insgesamt höchste Zitatanteil, während die kandidatenbezogenen Beiträge in allen anderen Zeitungen nur zu 9 (bzw. in der FR 8) Prozent aus Zitaten bestanden. Durchschnittliche Zitatlänge: Ein weiterer Indikator für die Entauthentisierung der Berichterstattung ist die durchschnittliche Länge der Zitate in standardisierten Zeilen pro Beitrag (Patterson 1994: 76; Wilke/Reinemann 2000: 132). Zu ihrer Berechnung wird der Gesamtzeilenumfang der Zitate durch die Anzahl derjenigen Beiträge geteilt, in denen Zitate vorkamen.148 „Das hat den Vorteil, dass man einen plastischeren Eindruck davon bekommt, in welchem Umfang die Kontrahenten zu Wort kommen, wenn ihre Aussagen referiert werden.“ (Wilke/Reinemann 2006: 327-328) Im Gesamtdurchschnitt aller Untersuchungsjahre waren die Zitate in den Beiträgen mit Kandidatenzitaten in Deutschland 21 Zeilen lang, in Österreich nur 16. Das spricht jedoch nicht für eine geringere Authentizität der österreichischen Zeitungen, sondern hängt vor allem mit der geringeren durchschnittlichen Bei148 Um die Entauthentisierung präziser messen zu können, müsste die durchschnittliche Länge der Zitate pro Beitrag eigentlich ins Verhältnis zur durchschnittlichen Gesamtbeitragslänge gesetzt werden. Denn wenn die durchschnittliche Beitragslänge sinkt, ist es wahrscheinlich, dass auch die Zitate durchschnittlich kürzer werden. Das führt jedoch zum selben Ergebnis wie das zuvor beschriebene Verhältnis von Zitat- zu Gesamtumfang. Die durchschnittliche Zeilenlänge absolut zu betrachten ist dennoch sinnvoll, weil daraus ablesbar ist, wie umfangreich sich die Leser tatsächlich „unmittelbar“ über Aussagen und Positionen der Kanzlerkandidaten informieren konnten.

214

tragslänge in Österreich zusammen (Kapitel 6.1.2). Wie der Anteil der Zitate am Berichterstattungsumfang veränderte sich in Deutschland auch die durchschnittliche Zitatlänge in den ersten Untersuchungsjahrzehnten stark (Abbildung 29). Besonders kurz waren die Zitate 1957 mit 17 Zeilen, besonders lang 1972 und 1987 mit je 31 Zeilen.149 Ab 1987 wurde die durchschnittliche Zitatlänge ebenso wie der Gesamtumfang der Zitierung bis 2005 immer kürzer, die Authentizität der Berichterstattung sank also. Wilke und Leidecker (2010: 355) zeigten, dass die durchschnittliche Zitatlänge 2009 erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder angestiegen ist. Ob sich damit der langjährige Trend umzukehren beginnt oder ob das Ergebnis eine Ausnahme ist, bleibt jedoch abzuwarten. Abbildung 29: Durchschnittliche Länge der Kandidatenzitierung

T = 3,269; df = 32; p < 0,01; Eta2 = 0,250. Basis: 1.579.862 Zitatzeilen in 2.175 Beiträgen (Deutschland: 1.134.022 Zeilen in 1.433 Beiträgen; Österreich: 445.840 Zeilen in 742 Beiträgen). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Zwischen den einzelnen deutschen Zeitungen und Jahren schwankte die durchschnittliche Zitatlänge relativ stark) mit „Ausreißern“ nach oben (z. B. FR 1971, SZ 1983 und 1987, FAZ 1994) und unten (z. B. FR 1961 und 1994, FAZ 1969). Ein systematischer Unterschied zwischen den Zeitungen ist aber nicht erkennbar,

149 Die Durchschnittswerte weichen leicht von denen bei Wilke und Reinemann (2006) sowie Wilke und Leidecker (2010) ab, der Grund dafür ließ sich nicht ermitteln. Da die Ergebnisse in der Grundtendenz aber übereinstimmen und hier zudem der Ländervergleich im Vordergrund steht, sind diese geringen Differenzen vernachlässigbar.

215

vielmehr scheint das Ergebnis stark von situativen Faktoren und individuellen Publikationsentscheidungen der Zeitungen geprägt. In Österreich waren die Zitate pro Beitrag 1959 mit 4 Zeilen besonders kurz, 1966 mit 25 Zeilen besonders lang. Im Zeitverlauf spiegelte die durchschnittliche Zitatlänge pro Beitrag weitgehend die zuvor beschriebene Entwicklung wider: Aufgrund der mangelhaften Kennzeichnung waren die Zitate zunächst sehr kurz, wurden ab 1962 aber sprunghaft länger, verharrten bis 1986 auf relativ hohem Niveau und verkürzten sich erst mit der Aufnahme des Standard ins Sample wieder deutlich. Der Entauthentisierungstrend, der beim Gesamtumfang der Zitate ab 1990 festzustellen ist, zeigt sich hier jedoch nicht, sondern erst 2006 sank die durchschnittliche Zitatlänge. Die langfristige Bedeutung dessen – Ausnahme oder beginnende Entauthentisierung – ist derzeit noch schwer einzuschätzen. Auch die durchschnittliche Zitatlänge illustriert nochmals die „Verlautbarungsfunktion“ der österreichischen Blätter in der Konkordanzdemokratie: Von 1962 bis 1986 waren ihre Zitate pro Beitrag ungefähr gleich lang wie in den deutschen, trotz der in Deutschland längeren Beiträge (Kapitel 6.1). Besonders offensichtlich machen das die hohen Durchschnittswerte 1962, 1966 und 1979, wobei sich durchschnittlich in den ersten beiden Fällen in der Presse, im letzten Fall in der AZ umfangreichere Zitate fanden. Vergleicht man abschließend die Zitatlängen sämtlicher Zeitungen im Durchschnitt aller Wahlkämpfe (Tabelle 13), fällt vor allem die sehr umfangreiche Zitierung der AZ auf, die das Ergebnis ihrer „Sprachrohr-Funktion“ ist: Obwohl die Parteizeitung im Durchschnitt die zweitkürzesten Beiträge nach dem Standard brachte und die Zitatmessung in den ersten Wahlkämpfen gerade bei ihr nur eingeschränkt möglich war, waren ihre Zitate insgesamt im Durchschnitt am drittlängsten unter allen Zeitungen (nach FAZ und SZ). Die anderen Titel unterschieden sich zwar in ihrer durchschnittlichen Zitatlänge, erklärbar ist das aber größtenteils durch ihren unterschiedlichen Umfang der Berichterstattung: Zum Beispiel waren die Zitate in Presse und Standard u. a. deshalb am kürzesten, weil sie im Schnitt viel kürzere Beiträge enthielten als die deutschen Blätter. Tabelle 13: Durchschnittlicher Zeilenumfang von Zitaten und Beiträgen Zitate Beiträge

FAZ 25 94

FR 19 81

SZ 23 82

Welt 17 68

AZ 21 56

Presse 14 59

Standard 14 55

Basis: 1.579.862 Zitatzeilen in 9.442 Beiträgen (Deutschland: 1.134.022 Zeilen in 5.836 Beiträgen; Österreich: 445.840 Zeilen in 3.606 Beiträgen). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

216

6.3.2.4 Bewertungsurheber Der vierte Indikator für die Autonomie der Journalisten und ihre Emanzipation von den politischen Akteuren sind die Urheber der wertenden Aussagen über die Kanzlerkandidaten. Als solche konnten Journalisten, Politiker und sonstige Akteure (z. B. Vertreter von Interessengruppen, Meinungsforscher) erfasst werden. Aufgrund der sehr geringen Zahl an wertenden Aussagen 1949 in Deutschland und 1949 bis 1962 in Österreich werden diese Wahlkämpfe aus der folgenden Auswertung ausgeschlossen. Trifft die obige These der wachsenden Autonomie der Journalisten auf die Wahlkampfberichterstattung der Tageszeitungen zu, sollten sie im Zeitverlauf immer weniger Bewertungen durch andere Akteure zitiert und stattdessen selbst immer mehr wertende Aussagen getroffen haben. Die bisherigen Ergebnisse lassen diese Entwicklung für die österreichischen Zeitungen jedoch später und weniger nachhaltig vermuten als für die deutschen. Beides bestätigt Tabelle 14 jedoch nicht bzw. nur teilweise. Die wertenden Aussagen über die Kanzlerkandidaten stammten in den österreichischen Zeitungen zu 54 Prozent, in den deutschen nur zu 44 Prozent von Journalisten. Dementsprechend überwogen in 12 von 13 österreichischen Wahlkämpfen die Journalisten als Aussagenurheber (einzige Ausnahme war 1995), aber nur in 7 von 15 deutschen Wahlkämpfen. In den deutschen Zeitungen schwankte der Anteil der journalistischen Bewertungen zunächst bis 1976 stark, dann aber stieg er zwischen 1980 und 1994 kontinuierlich und dramatisch von 28 auf 78 Prozent an. Gleichzeitig verringerte sich der Anteil der zitierten Werturteile von politischen Akteuren von zwei Dritteln auf ein Fünftel. Ab 1990 steuerten mit Ausnahme von 1998 stets die Journalisten selbst einen höheren Aussagenanteil bei als die politischen Akteure. Das spricht eindeutig für einen Bedeutungsgewinn der Journalisten gegenüber den politischen Akteuren in der deutschen Wahlkampfberichterstattung ab 1980. In den Wahlkämpfen 2002 und 2005 waren die Journalisten ebenfalls die häufigsten Aussagenurheber, aber der Abstand zu den politischen Akteuren war geringer als 1990 und 1994. Grund dafür war die wachsende Relevanz sonstiger Aussagenurheber, die vor 1990 relativ stark schwankte, dann aber bis 2005 von 2 auf 30 Prozent anstieg. In den letzten beiden Wahljahren lag das vor allem an einem klaren Bedeutungsgewinn von Meinungsforschern und Wissenschaftlern, die von den Journalisten offenbar als Experten zu Rate gezogen werden. Vermutlich geschah das insbesondere im Kontext der 2002 eingeführten TV-Duelle und des offenen Wahlausgangs 2002 und 2005, der mit dem Nahen des Wahltermins immer weniger vorherzusagen war.150 In den österreichischen Zeitungen überwogen insgesamt zwar die Journalisten als Aussagenurheber, sie verloren im Lauf der Jahrzehnte aber an Bedeutung gegenüber den politischen Akteuren, was auf einen Relevanzgewinn der politi-

150 Zur Rolle von Experten in der Wahlkampfberichterstattung siehe Huber (2011).

217

218

1953 % 88 13 -

-

100 8

1949 % 46 55 -

-

100 11

-

-

100 71

-

100 1

100 11

-

1956 % 73 27 -

100 94

1957 % 35 57 7

1953 % 42 51 7

1949 % 100 -

100 10

-

1959 % 100 -

100 18

100 63

-

1966 % 73 25 2

100 163

-

1965 % 55 36 9

1962 % 89 11 -

100 158

-

1961 % 28 57 15

100 84

-

1970 % 64 31 5

100 172

-

1969 % 49 41 10

100 112

-

1971 % 66 19 15

100 156

-

1972 % 26 46 28

100 166

5

1975 % 68 24 3

100 201

-

1976 % 54 40 6

100 203

1

1979 % 55 40 4

100 295

-

1980 % 28 66 6

100 117

-

1983 % 44 36 20

100 195

-

1983 % 28 54 19

100 112

2

1986 % 63 30 5

100 84

-

1987 % 36 46 18

100 137

2

1990 % 45 31 22

100 137

3

100 241

-

1995 % 39 45 15

100 191

-

1994 % 78 20 3

1994 % 50 26 21

100 128

-

1990 % 60 38 2

100 137

-

1999 % 50 42 8

100 155

-

1998 % 31 56 13

100 413

-

2002 % 54 33 13

100 827

1

2002 % 52 30 17

100 264

7

2006 % 53 20 20

100 741

3

2005 % 41 25 31

100 2.244

2

Ges. % 55 31 12

100 3.632

1

Ges. % 44 39 16

Chi2 = 75,624; df = 3; p < 0,001; Cramers V = 0,113. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Journalist Politiker Sonstige Nicht identifizierbar Summe n (Aussagen)

Österreich

Journalist Politiker Sonstige Nicht identifizierbar Summe n (Aussagen)

Deutschland

Tabelle 14: Urheber wertender Aussagen

schen Akteure verweist und somit einer zunehmenden Entkopplung widerspricht. Vor allem von 1966 bis 1983 sank der Anteil der Journalisten an den wertenden Aussagen stark von 73 auf 45 Prozent, danach lag er durchgängig bei rund 50 Prozent, ausgenommen der hohe Wert 1986 (63%) und der niedrige Wert 1995 (39%). Möglicherweise kommt darin aber weniger eine sinkende journalistische Autonomie als vielmehr ein anderer Zusammenhang zum Ausdruck, auf den Reinemann und Wilke (2003: 194) hingewiesen haben: Den zwischen der Intensität der Wahlkampfberichterstattung und der Struktur der Urheberschaft wertender Aussagen. In den deutschen Zeitungen stammten seit 1980 umso weniger Kandidatenbewertungen prozentual von den Journalisten selbst, je umfangreicher die Wahlkampfberichterstattung insgesamt war. Weil der Berichterstattungsumfang auch aus Spannung und Schärfe der Wahlkämpfe resultiert, folgerten die Autoren daraus: „In bereits früh entschiedenen oder vom Ton her gemäßigten Wahlkämpfen stehen Journalisten vielleicht nicht genügend zitierfähige opportune Zeugen zur Verfügung, so dass sie selbst Partei ergreifen müssen.“ (Reinemann/Wilke 2003: 194) Die Journalisten werden dadurch also selbst zu (politischen) Akteuren. Umgekehrt sollte der Anteil der Journalisten als Urheber wertender Aussagen in spannenden Wahlkämpfen geringer sein, weil es dann viele Zitate von anderen Urhebern gibt. In Österreich erklärt das zumindest die geringen Journalistenanteile an den wertenden Aussagen 1983, als nicht klar war, ob Kreiskys SPÖ die absolute Mehrheit verlieren würde, und im sehr spannenden Wahlkampf 1995, als die künftige Regierung(skoalition) nach der vorgezogenen Neuwahl nicht vorherzusehen war. Der hohe Aussagenanteil der Journalisten 1986 lässt sich entsprechend durch den geringeren Spannungsgehalt begründen, weil sich schon im Vorfeld der Wahl Teile der ÖVP für eine große Koalition ausgesprochen hatten. Vor diesem Hintergrund ist auch besser verständlich, warum in den österreichischen Zeitungen entgegen der oben formulierten Annahme prozentual insgesamt mehr wertende Aussagen von Journalisten stammten als in den deutschen Blättern: Die Wahlkämpfe in der Konkordanzdemokratie Österreich waren insgesamt weniger spannend als die deutschen, weil oft schon während des Wahlkampfs klar war, dass die amtierende Regierung(skoalition) nach der Wahl weiterregieren würde. Erst mit der allmählichen Annäherung Österreichs an die Wettbewerbsmuster westeuropäischer Konkurrenzdemokratien aufgrund der steigenden Volatilität des Elektorats wurden auch dort die Wahlkämpfe spannender und die Auseinandersetzungen um die Kandidaten schärfer. Eine mögliche Folge dessen ist nach den obigen Ergebnissen der sinkende Eigenanteil der Journalisten an den wertenden Aussagen über die Kandidaten. Langfristig zugenommen hat dagegen wie in Deutschland auch in Österreich der Anteil sonstiger Aussagenurheber. Auf eine Betrachtung der Urheber der Aussagen im Zeitverlauf wird aufgrund der zu geringen Fallzahlen pro Zeitung und Jahr ver-

219

zichtet. Einen Vergleich der Zeitungen im Durchschnitt aller Wahlkämpfe bietet Kapitel 6.4.3.2

6.3.3 Negativität Beim gerade untersuchten Langzeittrend, der zunehmenden journalistischen Autonomie, ging es um die Entkopplung der Medien von ihren traditionellen Trägerinstitutionen wie z. B. den Parteien. Die in Kapitel 3.1 beschriebenen Ansätze gehen davon aus, dass infolge dieser Entkopplungsprozesse die Medien stattdessen immer stärker an die Marktlogik gewinnorientierter Unternehmen gekoppelt wurden. Mit zwei der Trends, die damit im Zusammenhang stehen, befassen sich die beiden folgenden Kapitel: Die (zunehmende) Negativität und die (wachsende) Personalisierung der Berichterstattung. Betreffend die Negativität wurden zwei sich widersprechende Annahmen und eine Annahme zur Entwicklung im Zeitverlauf formuliert: 3c) Die deutschen Zeitungen berichteten insgesamt negativer über den Wahlkampf als die österreichischen. Dafür sprechen die stärkere Konsensorientierung der politischen Eliten in Österreich und die größere Bedeutung des Fernsehens in Deutschland. 3d) Die österreichischen Zeitungen berichteten insgesamt negativer über den Wahlkampf als die deutschen. Das erscheint plausibel aufgrund des stärkeren politischen Parallelismus und der Marktdominanz der Boulevardpresse in Österreich. 3e) In Österreich ist die Wahlkampfberichterstattung (im Unterschied zu Deutschland) im Lauf der Zeit immer negativer geworden. Anders als Wilke und Reinemann (2000) für Deutschland gezeigt haben, lassen die Auflösung der Konkordanzdemokratie, die zunehmenden Kopplung der Medien an die Marktlogik und die immer dominantere Boulevardpresse vermuten, dass die Wahlkampfberichterstattung in Österreich linear negativer geworden ist. Die Bewertungen der Kandidaten wurden in der Inhaltsanalyse auf zweifache Weise erfasst, die hier beide als Indikator für die Negativität der Berichterstattung herangezogen werden: Zum einen wurde für jeden Beitrag codiert, ob der Gesamteindruck, den er dem „Durchschnittsleser“ vermittelte, positiv (zustimmend, unterstützend), negativ (missbilligend, ablehnend), ambivalent (sowohl positiv als auch negativ) oder neutral (keine Bewertungen erkennbar) war. Zum zweiten wurden Bewertungen auf Ebene der wertenden Aussagen verschlüsselt. Deren Tendenz wurde als positiv eingestuft, wenn dem Kandidaten positive Eigenschaften zu- oder negative abgesprochen wurden, und umgekehrt als negativ, wenn ihm negative Eigenschaften zu- oder positive abgesprochen wurden. Wertende Aussagen konnten daneben eine ambivalente, nicht aber eine neutrale Tendenz haben. 220

Betrachtet wird im Folgenden jeweils der Saldo, also die Differenz der Anteile positiver und negativer Gesamttendenzen bzw. wertender Aussagen. Neutrale und ambivalente Bewertungen werden aus der Berechnung der Saldi ausgeschlossen. Dabei geht es nur um die Tendenzen auf Länderebene, nicht um die Kandidatenbewertungen der einzelnen Zeitungen, die in Kapitel 6.4.3.2 behandelt werden. Bei der Analyse der Gesamttendenzen ist zu berücksichtigen, dass in den Beiträgen, in denen beide Kandidaten vorkamen, für beide eine Tendenz verschlüsselt werden konnte. Basis der folgenden Auswertungen auf Beitragsebene ist daher nicht die Gesamtzahl der Artikel mit Kandidatenbezug (Deutschland: 3.733; Österreich: 1.868), sondern die Zahl der möglichen Verschlüsselungen (Deutschland: 5.179; Österreich: 2.540). Aufgrund zu geringer Fallzahlen werden in die Analyse beider Indikatoren im Zeitverlauf die österreichischen Nationalratswahlkämpfe 1949 bis 1962 nicht einbezogen, ebenso wie der Bundestagswahlkampf 1949 in die Analyse der wertenden Aussagen.

6.3.3.1 Gesamttendenzen Gemessen an den Gesamttendenzen über alle Wahlkämpfe hinweg ist der Negativismus-bias der österreichischen Zeitungen insgesamt etwas stärker als in den deutschen. Von ihren Tendenzverschlüsselungen waren 28 Prozent negativ, in den deutschen Zeitungen nur 20 Prozent. Allerdings findet sich in den österreichischen Blättern mit 18 Prozent zugleich auch ein höherer Anteil positiver Verschlüsselungen gegenüber 12 Prozent in den deutschen Zeitungen. Das ergibt über den gesamten Zeitraum hinweg für Österreich einen Saldo von -10, für Deutschland von -8. Eine generelle Differenz der Negativität zwischen den Zeitungen beider Länder ist daraus nicht ableitbar, vielmehr ist der insgesamt höhere Anteil an bewertenden Verschlüsselungen das Resultat der stärkeren Bewertungsfreudigkeit der österreichischen Zeitungen (Kapitel 6.4.3.1). Die Saldi in den einzelnen Wahljahren in Abbildung 30 zeigen, dass die Zeitungen beider Länder die Kanzlerkandidaten fast durchgängig überwiegend negativ bewertet haben. In Deutschland war der Saldo nur bei drei von 16 Bundestagswahlen leicht positiv (1953, 1961, 1976), bei einer Wahl (1969) hielten sich positive und negative Bewertungen die Waage, und bei den 12 übrigen Wahlkämpfen überwogen die negativen Bewertungen. Besonders fällt auf, dass der Tendenz-Saldo seit dem zweitniedrigsten Stand 1980 (-15) – Resultat des Angriffswahlkampfs der SPD gegen Strauß – nicht mehr im positiven Bereich lag. Das spricht für einen insgesamt zunehmenden Negativismus, der sich aber nicht linear, sondern eher sprunghaft vollzog. Besonders niedrige Tendenz-Saldi wurden außerdem 2002 (-18) und 2005 (-14) erreicht. Das ist vermutlich aber nicht auf einen weiter zunehmenden Negativismus zurückzuführen, sondern eher auf die situative Konstellation beider Wahlkämpfe (die Negativkampagnen der SPD gegen Stoiber bzw. gegen die Steuerpläne der Union). Denn für den darauffolgenden Wahlkampf 2009 haben Wilke und Leidecker (2010: 363) wieder einen weniger starken Überhang negativer Bewertungen (-4) festgestellt. 221

Diese durchgängig kritische Haltung der deutschen Zeitungen zu den Kanzlerkandidaten kann als Ausdruck des Selbstverständnisses der Journalisten als Kontrolleure gedeutet werden – im Sinne eines bewussten Wahrens von Distanz zu den politischen Akteuren. Eine Ursache dafür könnte die erhöhte Sensibilität der Journalisten für die Instrumentalisierung der Medien durch politische Akteure infolge der Erfahrungen des Nationalsozialismus sein. Abbildung 30: Saldo des Anteils positiver und negativer Wahlkampfbeiträge mit Bezug zu den jeweiligen Kanzlerkandidaten

T = 1,643; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,078. Basis: 7.719 Tendenzverschlüsselungen in 5.601 Beiträgen mit Bezug zu den Kandidaten, davon 3.477 mit Bezug zu einem, 2.124 mit Bezug zu beiden Kandidaten. (Deutschland: 5.179 Tendenzverschlüsselungen in 3.733 Beiträgen mit Kandidatenbezug, davon 2.287 mit Bezug zu einem, 1.446 mit Bezug zu beiden Kandidaten; Österreich: 2.540 Tendenzverschlüsselungen in 1.868 Beiträgen mit Kandidatenbezug, davon 1.190 mit Bezug zu einem, 678 mit Bezug zu beiden Kandidaten). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Bei einer getrennten Analyse der Kandidaten von Union und SPD verändert sich das Bild allerdings etwas (Tabelle 15). Die Berichterstattung über die Unionskanzlerkandidaten von 1953 bis 1965 und über die sozialdemokratischen Kandidaten von 1961 bis 1983 wurde kontinuierlich negativer. In den anderen Wahlkämpfen jedoch schwankten die Bewertungen der einzelnen Kandidaten relativ stark. Der vergleichsweise ausgeglichene Gesamt-Saldo bei einigen Wahlen resultierte also aus zum Teil sehr unterschiedlichen Bewertungstendenzen beider Kandidaten, z. B. 1949, 1957, 1961, 1965, 1983 und 1990. Der Eindruck eines verstärkten Negativismus ab 1980 bleibt dennoch bestehen, denn seit diesem Wahlkampf wurde einzig Kohl in der Ausnahmesituation der Wiedervereini222

gungswahl 1990 überwiegend positiv dargestellt. Die unterschiedliche Bewertung beider Kandidaten durch die vier deutschen Zeitungen wird in Kapitel 6.4.3.2 zur Ausgewogenheit der Berichterstattung analysiert. Anders als in Deutschland waren in den österreichischen Zeitungen die Tendenz-Saldi sämtlicher 13 Wahlkämpfe negativ, wobei die negativen Bewertungen unterschiedlich stark überwogen (Abbildung 30). Die insgesamt negativen Grundtendenzen von 1966 bis 1986 kamen vor allem durch die Zusammensetzung des Samples zustande: Die AZ bewertete die Kanzlerkandidaten der ÖVP stets sehr negativ, die der SPÖ ausnehmend positiv (Kapitel 6.4.3.2). Die Tendenzen in der Presse verhielten sich umgekehrt, aber weniger eindeutig, so dass die negativen Bewertungen in Österreich insgesamt in der Mehrheit waren. Aufgrund dieser Gegenläufigkeit in beiden Zeitungen fielen die Gesamttendenzen in Österreich im Durchschnitt nur leicht negativer aus als in Deutschland. Dennoch bestätigt dieses Ergebnis aber die zweite oben formulierte Annahme: Die österreichischen Zeitungen berichteten negativer als die deutschen. Allerdings enthielten sie bedingt durch den stärkeren politischen Parallelismus und ihre stärkere, jedoch gegenläufige Polarisierung zugleich mehr positive Bewertungen, weshalb die stärkere Negativität in der Durchschnittsbetrachtung überdeckt wird. Ein konsensorientiertes und konfliktvermeidendes Verhalten der österreichischen Zeitungen ist daraus jedenfalls nicht ableitbar. Aber auch eine zunehmende Orientierung der Elitezeitungen am Konzept der Boulevardpresse erscheint für den Zeitraum bis 1986 auf Grundlage dieser Ergebnisse eher unwahrscheinlich. Ab 1990 wandelte sich mit dem Wechsel von AZ zu Standard im Sample der Untersuchung das Bild. Jetzt wurden die Kandidatenbewertungen insgesamt tatsächlich fast kontinuierlich negativer. Allerdings überdeckt die Durchschnittsbetrachtung wiederum zwei gegenläufige Entwicklungen (Tabelle 15): Die Bewertungen der ÖVP-Kandidaten verbesserten sich von 1990 bis 1995 sogar leicht, als Schüssel als einziger Kanzlerkandidat nach 1990 überwiegend positiv bewertet wurde. Danach allerdings verschlechterte sich der Tenor der Berichterstattung über ihn wieder. Die SPÖ-Kandidaten hingegen wurden von 1990 bis 1995 immer negativer bewertet, danach verbesserten sich ihre Bewertungssaldi bis 2002. Das ist nicht allein auf die veränderte Zusammensetzung des Samples zurückzuführen. Denn auch in der rechtskonservativen Presse fielen die Bewertungen des ÖVP-Kandidaten in diesem Zeitraum eher negativ als positiv aus. Damit scheint in Österreich 1990 ein Wendepunkt erreicht gewesen zu sein: Die zunehmend negative Gesamttendenz kam dadurch zustande, dass ab diesem Zeitpunkt der jeweils „eigene“ Kandidat von beiden Zeitungen weniger positiv als bis 1986 bewertet wurde, der Gegenkandidat aber nach wie vor negativ. Ursächlich für den steigenden Negativismus der Berichterstattung waren demnach die nachlassende Polarisierung und die sinkende Prägekraft des politischen Parallelismus. Dieses Ergebnis ist also auch Ausdruck der zunehmenden Entkopplung des Mediensystems vom politischen System und eines emanzipierteren journalistischen 223

224 1980 10 9 27 54 100 231 2 13 15 70 100 217 1979 12 20 45 23 100 75 35 19 18 28 100 122

1976 20 14 17 49 100 140 20 11 20 48 100 201 1975 5 13 61 21 100 56 23 16 16 46 100 103

10 10 17 63 100 122

1987 13 8 8 70 100 143

1990

23 7 16 53 100 98

11 9 45 36 100 56 22 14 17 47 100 83

7 19 33 40 100 72

23 18 22 38 100 102

17 20 21 41 100 75

18 14 26 42 100 84

20 14 20 46 100 71

8 16 17 58 100 196

1998

9 21 38 31 100 117

28 17 24 30 100 116

12 12 28 47 100 99

19 14 20 47 100 94

15 7 6 19 23 14 56 59 100 100 87 188 1995 1999

14 5 23 57 100 132

1994

6 5 1 9 14 6 23 8 26 63 73 66 100 100 100 148 74 77 1983 1986 1990 1994

9 5 10 76 100 152

1983

21 10 29 40 100 146

20 11 34 36 100 182

15 11 34 40 100 376 2002

12 7 30 51 100 301

2002

13 15 27 44 100 97

14 10 28 49 100 146

12 16 24 48 100 284 2006

8 15 24 53 100 318

2005

21 13 22 44 100 1356

14 12 35 39 100 1190

12 12 19 56 100 2415 Ges.

12 11 21 56 100 2764

Ges.

T = 1,643; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,078. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Deutschland 1949 1953 1957 1961 1965 1969 1972 Tendenz der Darstellung des CDU/CSU-Kandidaten in Beiträgen mit Bezug zu ihm Positiv 17 13 17 5 15 8 Ambivalent 4 4 12 15 8 20 13 Negativ 4 15 25 28 25 20 17 Keine Bewertung 92 64 50 40 62 45 63 Summe 100 100 100 100 100 100 100 n (Beiträge) 25 167 137 197 178 183 142 Tendenz der Darstellung des SPD-Kandidaten in Beiträgen mit Bezug zu ihm Positiv 14 20 31 6 19 12 Ambivalent 8 4 20 15 2 15 14 Negativ 19 7 8 7 10 13 16 Keine Bewertung 73 74 52 47 82 52 58 Summe 100 100 100 100 100 100 100 n (Beiträge) 26 70 61 125 110 150 221 Österreich 1949 1953 1956 1959 1962 1966 1970 1971 Tendenz der Darstellung des ÖVP-Kandidaten in Beiträgen mit Bezug zu ihm Positiv 5 8 5 5 7 Ambivalent 3 6 8 12 5 Negativ 27 34 63 65 19 56 51 45 Keine Bewertung 68 62 29 29 76 31 37 43 Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 n (Beiträge) 22 29 24 17 21 39 51 44 Tendenz der Darstellung des SPÖ-Kandidaten in Beiträgen mit Bezug zu ihm Positiv 15 17 17 20 10 30 20 37 Ambivalent 8 7 6 7 11 Negativ 5 3 17 17 21 Keine Bewertung 80 75 83 80 79 47 55 31 Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 n (Beiträge) 20 24 12 10 29 47 69 94

Tabelle 15: Tendenz der Darstellung der Kanzlerkandidaten beider Parteien

Selbstverständnisses – einer wie in Deutschland distanzierteren, kritischeren Haltung der Journalisten zu den politischen Akteuren. Und anders als bis 1986 erscheint aufgrund der negativen Berichterstattung über beide Kandidaten ab 1990 auch der starke Konkurrenzdruck der Boulevardzeitungen als Ursache der zunehmenden Negativität plausibel, die dann als ökonomische Anpassungsstrategie der Elitezeitungen gedeutet werden könnte.

6.3.3.2 Tendenzen der wertenden Aussagen Als zweiter Indikator für die Negativität der Berichterstattung dienen die Tendenzen der wertenden Aussagen. Über alle Wahlen hinweg ergeben sie für Deutschland (-30) einen negativeren Gesamtsaldo als für Österreich (-16), das heißt der Anteil der negativen wertenden Aussagen in den deutschen Zeitungen war insgesamt höher als in den österreichischen. Im Zeitverlauf überwogen mit Ausnahme der Wahlen 1966 in Österreich und 1994 in Deutschland in beiden Ländern stets die negativen Aussagen, und der negativere Bewertungssaldo der deutschen Blätter zeigte sich in fast allen Wahljahren. Diesem Indikator zufolge ist die Wahlkampfberichterstattung in den deutschen Zeitungen also insgesamt negativer als in den österreichischen, was im Gegensatz zu den Gesamttendenzen die erste oben formulierte Annahme bestätigt. Abbildung 31 belegt weder für Deutschland noch für Österreich einen linear steigenden Negativismus, vielmehr schwankte der Überhang der negativen Bewertungen in beiden Ländern auf einem mittleren Niveau. Vermutlich waren dafür die situativen Wahlkampf- und Kandidatenkonstellationen ausschlaggebend. Dabei überdecken die Gesamtergebnisse wiederum in beiden Ländern zwei unterschiedliche Entwicklungen, wie eine getrennte Betrachtung der Tendenzen der wertenden Aussagen für die Spitzenkandidaten beider Parteien deutlich macht: In Deutschland verbesserten sich die Bewertungssaldi der Unionskandidaten von 1953 bis 1994 fast kontinuierlich, sieht man von Erhard 1965, Strauß 1980 und Kohl 1987 ab. In seinem letzten Wahlkampf 1998 wurde Kohl sehr viel negativer bewertet als zuvor, die Bewertungen der CDU/CSU-Kandidaten haben sich 2002 und 2005 aber wieder verbessert. Insgesamt nahm der Negativismus in den wertenden Aussagen über die Unionskandidaten also eher ab als zu. Hinsichtlich der SPD-Kandidaten sticht vor allem eine sprunghafte Verschlechterung der Aussagentendenzen 1976 ins Auge: Fielen die Saldi zuvor nicht unter -24 (1961), erreichte Schmidt bei seiner ersten Kandidatur nur einen Saldo von -41. Mit Ausnahme eines leicht positiven Saldos (+3) für Scharping 1994 verblieben die Saldi der SPD-Kandidaten ab 1976 stets unter den Werten von vor diesem Zeitpunkt. Für Österreich zeigt sich bis 1986 einmal mehr der starke Effekt der AZ auf das Ergebnis: Solange die Parteizeitung im Sample war, fielen die Bewertungen der SPÖ-Kandidaten deutlich positiver aus als die der ÖVP-Kandidaten. Von 1970 bis 1979 – also während der Kanzlerschaft Kreiskys – verschlechterten sich die Saldi der wertenden Aussagen über die sozialdemokratischen Kanzlerkandi225

daten zwar. Da sie aber mit Ausnahme von 1979 im positiven Bereich verblieben, erscheint es unzutreffend, hier von einem zunehmenden Negativismus zu sprechen. Abbildung 31: Saldo des Anteils positiver und negativer wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten

Basis: 5.808 wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.564; Österreich: 2.244). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Mit dem Wechsel im Sample zum Standard wurden die Bewertungen dann negativer, ein linearer Trend zu immer negativeren Aussagen über den SPÖ-Kandidaten ist aber nicht festzustellen. Lediglich 1995 und 1999 wurde der SPÖ-Kandidat Vranitzky erkennbar negativer bewertet als bei den Wahlen davor und danach. Die Aussagentendenzen der ÖVP-Kandidaten verbesserten sich von 1975 bis 1994 fast kontinuierlich (ausgenommen 1986), der Negativismus nahm also auch hier eher ab als zu. Von 1994 bis 2002 wurde der ÖVP-Kandidat dann aber tatsächlich zunehmend schlechter bewertet, erst 2005 wurde er wieder etwas positiver beurteilt. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich überdecken also die Durchschnittssaldi der wertenden Aussagen über beide Kandidaten wiederum zum Teil gegenläufige Entwicklungen. Scheinbar ausgeglichene Bewertungen kommen durch sehr unterschiedliche Tendenzen für beide Kandidaten zustande. Begründet werden kann das einerseits durch die Parteilichkeit der Zeitungen, andererseits aber auch durch die einzelnen Spitzenkandidaten, die in unterschiedlichem Maß polarisierten.

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6.3.4 Personalisierung Als vierter Langzeittrend wird die Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung untersucht, von der ebenfalls fast alle in Kapitel 3 dargestellten Erklärungsansätze ausgehen und die wie die Negativität in Verbindung mit den medialen Entkopplungsprozessen vom politischen System steht. Geprüft werden drei sich teilweise widersprechende Annahmen, die aufgrund derselben Faktoren plausibel erscheinen, die im vorangegangenen Kapitel bei den Annahmen zur Negativität der Berichterstattung genannt wurden: 3f) Die Wahlkampfberichterstattung der österreichischen Zeitungen war insgesamt stärker personalisiert als die der deutschen. 3g) Die Wahlkampfberichterstattung der deutschen Zeitungen war insgesamt stärker personalisiert als die der österreichischen. 3h) Im Zeitverlauf ist der Personalisierungsgrad der österreichischen Zeitungen (anders als in den deutschen) gestiegen. In den deutschen Blättern konnten Wilke und Reinemann (2000) keine zunehmende Personalisierung feststellen. Um das vielschichtige Phänomen Personalisierung in seiner Gesamtheit erfassen zu können, wurden in der Inhaltsanalyse verschiedene Indikatoren erhoben, die Aufschluss über unterschiedliche Personalisierungsaspekte geben. Sie lassen sich vier Dimensionen zuordnen, von denen die ersten drei den Bedeutungsgewinn von Einzelpersonen in der Berichterstattung betreffen, während die vierte auf die zunehmende Relevanz politikferner Eigenschaften bei der Kandidatenbewertung Bezug nimmt.151 (1) Die Präsenz erlaubt Aussagen über die generelle Bedeutung der Kanzlerkandidaten in der Berichterstattung. Indikatoren dafür sind in Österreich die Bedeutung von Personen im Vergleich zu Institutionen als Akteure, in beiden Länder der Anteil der Artikel mit Kandidatenbezug und die Intensität des Kandidatenbezugs. (2) Die Prominenz zeigt, wie stark die Berichterstattung die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Kandidaten lenkte. Gemessen wird sie an der Bebilderung. (3) Die Zentralität, operationalisiert über die Anzahl der wertenden Aussagen pro Beitrag, sagt etwas aus über die Schärfe der Wahlkampfauseinandersetzung und darüber, wie stark die Kandidaten in deren Zentrum stehen. (4) Die Darstellung betrifft die Eigenschaften, anhand derer die Kandidaten bewertet werden – insbesondere die Frage, wie bedeutsam dabei politikferne Eigenschaften sind.

151 Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass es hier wie in der gesamten Inhaltsanalyse nur um die Kanzlerkandidaten, also die Spitzenkandidaten der Großparteien geht. Zutreffender wäre daher, nicht von Personalisierung, sondern von Präsidentialisierung zu sprechen. In Anlehnung an Wilke und Reinemann (2000) wird dennoch deren Terminologie beibehalten. Für den Vorschlag der Dimensionierung danke ich Lutz Hofer.

227

6.3.4.1 Präsenz Bedeutung von Personen und Institutionen als Akteure (Österreich): Ein wichtiger Maßstab zur Bestimmung des Personalisierungsgrades ist das Verhältnis individueller (Personen) und kollektiver Akteure (Institutionen) in der Berichterstattung. Inhaltsanalytisch wurde dieser Indikator nur ab 1966 für Österreich erhoben. Weil eine Nacherhebung für Deutschland zu aufwändig gewesen wäre, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die österreichischen Zeitungen. Darin wurden für jeden Beitrag bis zu vier Partei- und Medienakteure erfasst, differenziert nach Einzelpersonen und Institutionen (Parteien bzw. Medien). Alle Wahlen zusammengenommen waren zwei Drittel (66%) der Akteure Personen. In diesem hohen Anteil kommt die Bedeutung der Personalisierung als Nachrichtenfaktor zum Ausdruck. Im Zeitverlauf stieg dieser Anteil allerdings nicht, was gegen eine zunehmende Personalisierung spricht (Abbildung 32). Vielmehr waren die Akteure durchgängig zu mehr als der Hälfte Einzelpersonen. Am niedrigsten war ihr Anteil 1966 (55%) und 1971 (54%). In dieser Hochphase der österreichischen Konkordanzdemokratie waren entsprechend den politischen Realitäten die Großparteien ÖVP und SPÖ auch in der Berichterstattung die dominierenden Akteure. Der mit Abstand höchste Anteil an Personen gegenüber Institutionen 1983 erklärt sich vor allem durch die Dominanz von Bundeskanzler Kreisky: Allein auf ihn entfielen in diesem Jahr 39 Prozent aller Akteursnennungen. In allen anderen Wahlkämpfen blieb der Anteil der Personen gegenüber den Institutionen weitgehend stabil zwischen 61 und 73 Prozent, weshalb nicht von einer steigenden Personalisierung gesprochen werden kann. Davon ausgehend stellt sich die Frage, ob stattdessen eine Präsidentialisierung, also eine zunehmende Konzentration der Berichterstattung auf die Spitzenkandidaten, stattgefunden hat. Dazu wird der Anteil die Spitzenkandidaten sämtlicher Parteien an allen Akteuren betrachtet. 152 Insgesamt ist jeder dritte Akteur (33%) ein Spitzenkandidat, aber auch hier ist im Zeitverlauf keine Zunahme festzustellen, sondern es zeigt sich dieselbe Entwicklung wie beim Personenanteil, wenn auch mit einem etwas sprunghafteren Verlauf (Abbildung 32). Entsprechend dem geringen Anteil der Personen an allen Akteuren waren 1966 (24%) und 1970 (25%) auch die Anteile der Spitzenkandidaten niedrig. Dasselbe gilt für 1990 (27%) und 1999 (25%) – in beiden Fällen vor allem, weil der jeweilige ÖVP-Spitzenkandidat (Riegler bzw. Schüssel) in der Berichterstattung nur eine geringe Rolle spielte. 1999 traf das ebenso auf Bundeskanzler Klima (SPÖ) zu. Überdurchschnittlich häufig kamen die Spitzenkandidaten dagegen 1983 und 1995 vor, was im ersten Fall wie erwähnt Kreiskys überragender Medienpräsenz geschuldet ist, 1995 dagegen dem überdurchschnittlichen Vorkommen der Spitzenkandidaten kleinerer Parteien, Jörg Haider (FPÖ, 11%) und Madeleine Petrovic (Grüne, 4%). 152 Im Wesentlichen zum selben Ergebnis führen die Anteile der Spitzenkandidaten an allen Personen unter Ausschluss der Institutionen.

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Demzufolge hat in den österreichischen Zeitungen ab 1966 also weder die Personalisierung noch die Präsidentialisierung linear zugenommen. Vielmehr hing beides stark situationsgebunden von den jeweiligen Spitzenkandidaten ab und ist keine Entwicklung der jüngsten Zeit. Zwar fehlen Daten für den Zeitraum vor 1966, die vorliegenden Ergebnisse lassen aber vermuten, dass das Jahr 1971 im Vergleich zu sämtlichen Wahlen davor einen „Personalisierungssprung“ markierte, verursacht durch den beginnenden Bedeutungsverlust von ÖVP und SPÖ, das erste Fernsehduell 1970, eventuell die Einführung des Vorzugsstimmensystems – nicht zuletzt aber sicher auch durch den „Medienkanzler“ Kreisky, der meisterhaft mit den Medien umzugehen vermochte. Um diese Annahmen zu prüfen, wären eine ergänzende Betrachtung der Akteure in den österreichischen Wahlkämpfen bis 1962 und eine entsprechende Erhebung für Deutschland wünschenswert. Abbildung 32: Anteil der Personen und Spitzenkandidaten an allen Akteuren

Basis: 5.966 Akteure in 3.606 Beiträgen. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: ÖAW (2010). Eigene Berechnungen.

Beiträge mit Kandidatenbezug: Die weiteren Personalisierungsindikatoren liegen für beide Länder vor und werden dahingehend untersucht, ob sich der Personalisierungsgrad der deutschen und österreichischen Zeitungen unterscheidet und wie er sich im Zeitverlauf entwickelt hat. Begonnen wird mit der medialen Präsenz der Kanzlerkandidaten, operationalisiert über den Anteil der Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kandidaten. Ein Bezug gilt als gegeben, sobald der jeweilige Kandidat im Beitrag mindestens einmal erwähnt ist. Diese recht allgemeine Form der Personalisierung vermittelt erste Eindrücke von längerfristigen 229

Entwicklungen und Veränderungen der Kandidatendarstellung (Wirth/Voigt 1999: 138-139; Wilke/Reinemann 2000: 81). Bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Vorkommen mindestens eines Kanzlerkandidaten zu Beginn des Artikels ein Zugriffskriterium in der Inhaltsanalyse war, weshalb durchgängig mit relativ vielen kandidatenbezogenen Beiträgen zu rechnen ist. Über alle Wahlkämpfe hinweg deuten die Ergebnisse in Abbildung 33 auf eine stärkere Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung in Deutschland hin: Im Durchschnitt aller Wahlkämpfe nehmen dort 64 Prozent aller Beiträge Bezug auf mindestens einen Kanzlerkandidaten, in Österreich nur 52 Prozent. In den deutschen Zeitungen kamen die Kandidaten – ausgenommen 1949, als die Union ohne Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf ging und die Zeitungen den Kandidaten insgesamt wenig Aufmerksamkeit schenkten – durchweg in mehr als der Hälfte der Beiträge vor. Klammert man den Ausnahmefall 1949 aus der Durchschnittsberechnung aus, wurden die deutschen Kanzlerkandidaten in durchschnittlich zwei Dritteln (66%) aller Beiträge erwähnt. Zwar hat die Personalisierung nicht linear zugenommen. Doch es zeigt sich wie bei der Negativität eine sprunghafte Entwicklung, die den Untersuchungszeitraum in zwei Phasen teilt: Bis 1976 war der Personalisierungsgrad (ausgenommen 1961) mit höchstens 63 Prozent stets niedriger als danach mit mindestens 64 Prozent. Und im Durchschnitt aller Wahlen bis 1976 bezogen sich 57 Prozent der Beiträge auf die Kandidaten, ab 1980 durchschnittlich 70 Prozent. Offenbar stellte das Wahljahr 1980 auch hinsichtlich der Personalisierung einen Wendepunkt dar. Ein wichtiger Faktor dabei dürften die sich etwa ab diesem Zeitpunkt immer stärker auflösenden Parteibindungen der Wählerschaft sein, die zu einer stärkeren Personalisierung der Parteien und ihrer Strategien und in der Folge auch der medialen Berichterstattung führten. Verstärkend kam ab Mitte der 1980er Jahre die intermediäre Konkurrenz aufgrund der Einführung des Privatfernsehens hinzu. Obwohl die Kandidatenorientierung der Wahlkampfberichterstattung insgesamt also gestiegen ist, sind einige Ausnahmen von dieser Entwicklung erklärungsbedürftig. Der außerordentlich hohe Personalisierungsgrad 1961 ist erklärbar durch die Rolle von Adenauer als Bundeskanzler und Brandt als Regierendem Bürgermeister in der Situation des Baus der Berliner Mauer. Zudem setzte die SPD in ihrer stark personalisierten Kampagne besonders auf den Kontrast zwischen dem jungen, dynamischen Brandt und dem 85-jährigen Adenauer. 1980 begründet sich der herausragende Kandidatenbezug durch die Zuspitzung des Wahlkampfs auf die Auseinandersetzung zwischen Schmidt und Strauß und die damit verbundene starke ideologische Polarisierung, die vor allem die SPD durch die Instrumentalisierung der „Feindfigur Strauß“ vorantrieb. In der Ausnahmesituation der Wiedervereinigung 1990 erfuhr vor allem Bundeskanzler Kohl besondere Medienaufmerksamkeit. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass die Zahl der Wahlkampfartikel in diesem Jahr eher gering war (Wilke/ Reinemann 2000: 84). 230

Abbildung 33: Wahlkampfbeiträge mit Kandidatenbezug

Chi2 = 136,628; df = 1; p < 0,001; Cramers V = 0,120. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

2002 und 2005 dagegen gab es insgesamt überdurchschnittlich viele Beiträge, und diese waren dann auch noch (zumindest 2002) überdurchschnittlich oft kandidatenbezogen. Die Leser waren also nie zuvor mit einer so hohen Zahl an Beiträgen über die Kanzlerkandidaten konfrontiert gewesen. Reinemann und Wilke (2007: 102) führen das auf die Einführung der TV-Duelle 2002 zurück, weil derartige Wahlkampfereignisse die gesamte Medienaufmerksamkeit zwangsläufig auf die Kandidaten lenken. Für den Wahlkampf 2009 konnten Wilke und Leidecker (2009: 354-353) die Stabilisierung der kandidatenbezogenen Artikel auf diesem hohen Niveau belegen. Besonders wenige Beiträge in den deutschen Blättern waren anteilsmäßig 1969 auf die Kanzlerkandidaten bezogen, was auf die eher sachorientierten politischen Auseinandersetzungen in diesem Wahlkampf (z. B. um die Ostpolitik) zurückzuführen sein könnte (Wilke/Reinemann 2000: 84). Den geringen Personalisierungsgrad 1976 erklärt das jedoch nicht hinreichend, denn gerade dieser Wahlkampf gilt eigentlich als themenlos und außerordentlich personenorientiert (Kaltefleiter 1977: 187). Die Bedeutung des Wahlkampfs als Thema war in diesem Jahr im gesamten Untersuchungszeitraum am zweithöchsten. Offensichtlich fokussierten also zwar die Parteien ihre Kampagnen auf ihre Spitzenkandidaten, die Medien folgten dem aber nicht.

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Die österreichischen Zeitungen nahmen nicht nur insgesamt, sondern auch in fast allen Wahljahren seltener Bezug auf die Kanzlerkandidaten als die deutschen Blätter. Lediglich 1949 war der Anteil höher als im selben Wahljahr in Deutschland, aber in beiden Ländern handelte es sich dabei um den mit Abstand niedrigsten Kandidatenbezug überhaupt. Offensichtlich war das Medieninteresse an Personen kurz nach Kriegsende in beiden Ländern noch gering, Sachfragen hatten in dieser Situation größere Priorität. Abgesehen davon kamen die Kanzlerkandidaten in den österreichischen Zeitungen nur 1975 und 1979 häufiger vor als zeitgleich in den deutschen. Auch die zeitvergleichende Betrachtung spricht also für eine schwächere Personalisierung der Berichterstattung in Österreich. Dabei sind hinsichtlich des Kandidatenbezugs drei Phasen erkennbar: (1) Bis 1962 waren Kandidatenbezug und folglich Personalisierung sehr gering mit durchschnittlich 33 Prozent und höchstens 39 Prozent kandidatenbezogener Beiträge. Wie schon beschrieben waren in der österreichischen Konkordanzdemokratie die Parteien die alles bestimmenden politischen Akteure, Personen spielten nur eine untergeordnete Rolle als Repräsentanten ihrer Parteien (Pelinka/ Rosenberger 2003: 59) – offensichtlich auch in der medialen Berichterstattung. (2) Das änderte sich zwischen 1966 und 1979 drastisch, der Personalisierungsgrad wuchs bis auf 72 Prozent an. Durchschnittlich hatten jetzt 59 Prozent der Artikel einen Bezug zu den Kanzlerkandidaten. Bedenkt man zudem die zeitgleiche Zunahme des Gesamtumfangs der Wahlkampfberichterstattung, ist von einem massiven Bedeutungsgewinn der Kandidaten zu sprechen. Dafür dürften mehrere Ursachen den Ausschlag gegeben haben: Aus politischer Sicht spielten die nachlassende Prägekraft der Parteiendemokratie und der damit verbundene Bedeutungsgewinn einzelner Politiker eine Rolle – allen voran Kreisky (SPÖ), während dessen Kanzlerschaft (ab 1970) sich dieser Personalisierungsanstieg vollzog. Aber auch mediale Veränderungen dürften einen Einfluss gehabt haben: Noch etwas stärker als der Anteil der Beiträge mit Bezug zum Kanzler stieg der mit Bezug zu seinen Herausforderern von der ÖVP. Zu vermuten ist daher – in Analogie zu Reinemann und Wilke (2007) – ein Zusammenhang mit den 1970 eingeführten Fernsehkonfrontationen, die dem Herausforderer Medienaufmerksamkeit verschafften und somit den Kanzlerbonus verminderten. Hinzu kam der gleichzeitig steigende Marktanteil der Boulevardzeitungen, in Reaktion auf den sich die Elitezeitungen – wie von der Boulevardisierungsthese postuliert – möglicherweise stärker am Konzept der Boulevardpresse ausrichteten. (3) In der dritten Phase ab 1983 – also genau als in Deutschland die Personalisierung sprunghaft stieg – ging der Anteil der kandidatenbezogenen Beiträge in Österreich aber wieder zurück auf höchstens 54 Prozent (ausgenommen 1986 und 2002). Im Durchschnitt aller Wahlkämpfe ab 1983 kamen die Kandidaten in 54 Prozent der Beiträge vor, im Durchschnitt der Wahlkämpfe 1983, 1990, 1994, 1995, 1999 und 2006 in jedem zweiten Beitrag (51%). Ein wichtiger Grund für diesen sinkenden Personalisierungsgrad ist zumindest ab 1990 das veränderte Zeitungssample und mithin die Veränderung der österreichischen Zeitungsland232

schaft: Der Standard nahm deutlich weniger Bezug auf die Kandidaten als die AZ zwischen 1971 und 1986. Selbst der relativ geringe Kandidatenbezug von AZ und Presse 1983 – vermutlich aufgrund der starken Sachthemenorientierung dieses Wahlkampfs und der gesunkenen Medienwirksamkeit des von seiner Krankheit gezeichneten Kreisky – war stärker als der des Standard in sämtlichen Wahlkämpfen ab 1990. Hier erscheint ein Zusammenhang mit der vor allem in den 1980er Jahren immer stärker boulevardesken Aufmachung der AZ plausibel. Möglicherweise trug die veränderte Konkurrenzsituation ab 1990 dann dazu bei, dass auch die Presse in ihrer Berichterstattung wieder etwas weniger personalisierte. Selbst die starke Ausweitung der TV-Duelle ab 1994 (Melischek 2008) verstärkte den Kandidatenbezug der österreichischen Zeitungen offensichtlich nicht. Hier könnte eine Vermutung von Reinemann und Wilke (2007) zutreffen: Die Existenz von Fernsehkonfrontationen, nicht aber ihre Zahl beeinflusst die Wahlkampfberichterstattung nachhaltig.153 Allerdings muss der sinkende Anteil der kandidatenbezogenen Beiträge vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass im selben Zeitraum der Gesamtumfang der Berichterstattung stark zunahm. Trotz des geringen Anteils ab 1983 gab es absolut betrachtet also eine höhere Zahl solcher Artikel. Erklärungsbedürftig ist in Österreich vor allem der überdurchschnittliche, aus dem allgemeinen Trend ausbrechende Personalisierungsgrad 1986 und 2002. Die Ausgangssituation war jeweils ähnlich: Beides waren außerplanmäßige Wahlen, ausgelöst durch den Bruch der vorangegangenen Regierung. 1986 zerbrach die Koalition zwischen SPÖ und FPÖ nach einem Führungswechsel innerhalb beider Regierungsparteien, 2002 das Regierungsbündnis aus ÖVP und FPÖ infolge eines FPÖ-internen Machtwechsels. Aufgrund der mangelnden Vorbereitungszeit waren beide Wahlkämpfe sehr kurz, themenarm und von Personal- und Koalitionsfragen dominiert. Möglicherweise führt ein Vorziehen von Neuwahlen also generell zu einem stärkeren Kandidatenbezug der Berichterstattung. Eine Betrachtung aller vorgezogenen Wahlen ab 1970154 zeigt denselben Effekt zumindest tendenziell – jeweils im Vergleich zu den direkt vorangegangenen und folgenden Wahlkämpfen – auch für die Bundestagswahlen 1972 und 1990 sowie für die Nationalratswahlen 1971 (zumindest im Vergleich zu den vorangegangenen Wahljahren) und 1995. Nur für die vorgezogenen Bundestagswahlen 1983 und 2005 bestätigt sich das nicht – letzteres trotz eines außergewöhnlich hohen Anteils kandidatenbezogener Beiträge. Doch 2002 und 2009 (Wilke/Leidecker 2010: 353) war dieser Anteil sogar noch höher. 153 Dass in Deutschland durch die TV-Duelle der Kandidatenbezug anteilsmäßig nicht noch weiter gestiegen ist, könnte an einem Sättigungseffekt liegen – also daran, dass der Kandidatenbezug der Wahlkampfberichterstattung schon zum Zeitpunkt ihrer Einführung ohnehin sehr hoch war. 154 Weil bis 1966 fast alle österreichischen Nationalratswahlen vorgezogen wurden, ist die Betrachtung dieses Zeitraums nicht sinnvoll.

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Für Österreich wurde schon darauf hingewiesen, dass sich die einzelnen Zeitungen in ihrer generellen Aufmerksamkeit für die Kanzlerkandidaten klar unterschieden. Im Langzeitdurchschnitt haben entsprechend dem Gesamtergebnis alle einzelnen deutschen Blätter stärker personalisiert als die österreichischen, FR und Welt mit jeweils 67 Prozent kandidatenbezogener Artikel noch etwas stärker als SZ (62%) und FAZ (60%). In Österreich personalisierte die AZ am stärksten (54%), etwas weniger die Presse (52%) und am wenigsten der Standard (50%). Im Lauf der Jahrzehnte zeigen sich zwischen den Zeitungen weitere Unterschiede: In manchen Wahlkämpfen wurden die Kandidaten von allen Zeitungen ähnlich stark beachtet, z. B. in Deutschland 1949, 1961, 1980, 1987 und 2005, in Österreich 1962, 1970, 1971, 1983, 1999 und 2006. In anderen Wahlkämpfen unterschied sich der Kandidatenbezug der einzelnen Zeitungen deutlicher. In Deutschland brach zum Teil eine Zeitung aus dem Trend der anderen aus (z. B. die SZ 1953 und die FR 1957 nach unten, die Welt 1976 nach oben), zwei Zeitungen stellten die Kandidaten stärker in den Mittelpunkt als die beiden anderen (z. B. FR und Welt 1983 sowie 1990) oder alle vier Zeitungen maßen den Kandidaten einen unterschiedlichen Stellenwert bei (z. B. 1969, 1994 und 1998). Das hing vermutlich mit individuell unterschiedlichen Wahrnehmungen und Einschätzungen der Zeitungen in den jeweiligen Wahlkämpfen zusammen und hatte keine systematischen Ursachen. In Österreich fällt im Zeitungsvergleich vor allem auf, dass die AZ den Kandidaten – und zwar vor allem denen der SPÖ – fast durchgängig größere Aufmerksamkeit schenkte als die Presse, besonders in den Wahlkämpfen bis 1959 sowie 1966, 1975 und 1979. Einen besonders niedrigen Personalisierungsgrad wies der Standard 1990 auf. Intensität des Kandidatenbezugs: Das bloße Vorkommen der Kandidaten reicht als Indikator für deren Präsenz in der Berichterstattung jedoch nicht aus. Denn der reine Kandidatenbezug kann zu einer Über- oder Unterschätzung des Personalisierungsgrades führen, wenn die Kandidaten zwar in vielen Beiträgen vorkommen, dabei aber oft nur am Rand erwähnt werden, oder wenn sie zwar nur in wenigen Beiträgen vorkommen, darin aber meist breiten Raum einnehmen. Darum wird als weiterer Indikator die Intensität des Kandidatenbezugs betrachtet. Erhoben wurde sie für beide Kandidaten auf einer vierstufigen Skala von 0 „kein Kandidatenbezug“ über 1 „Bezug nur am Rande“ und 2 „gleichrangig mit anderen Akteuren“ bis zu 3 „Bezug im überwiegenden Teil des Beitrags“. Zur Berechnung der Gesamtintensität werden für die Beiträge mit Kandidatenbezug die Bezugsintensitäten beider Kandidaten addiert und daraus für jedes Wahljahr der Mittelwert berechnet. Je höher der Mittelwert, desto stärker ist also die Intensität des Kandidatenbezugs aller Beiträge im jeweiligen Jahr. Aus der folgenden Betrachtung ausgeschlossen werden der deutsche Wahlkampf 1949 und die österreichischen Wahlkämpfe 1949 bis 1962, in denen die Kandidaten in so we-

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nigen Beiträgen vorkamen, dass keine zuverlässigen Aussagen über die Intensität des Kandidatenbezugs möglich sind.155 Die mittlere Intensität des Kandidatenbezugs über alle betrachteten Wahlkämpfe hinweg liegt in Deutschland mit 2,36 signifikant höher als in Österreich mit 2,27, was die insgesamt stärkere Personalisierung der deutschen Zeitungen bestätigt. Dass Personalisierung nicht mittels eines Indikators allein erfasst werden kann, zeigt sich daran, dass sich beide Indikatoren – der Kandidatenbezug und seine Intensität – nur zum Teil ähnlich, zum Teil aber auch gegenläufig entwickelt haben (Abbildung 34). In Deutschland nahmen die Kandidaten in den Wahljahren, in denen sie in einem hohen Beitragsanteil vorkamen, meist auch mehr Raum innerhalb der Artikel ein als in Wahlkämpfen mit geringem Kandidatenbezug. Zum Beispiel waren 1961, 1980 und 2002 sowohl der Kandidatenbezug als auch seine Intensität besonders ausgeprägt, während 1949 und 1957 beides eher gering ausfiel. Legt man jedoch die zwei zuvor definierten Personalisierungsphasen bis 1976 und ab 1980 zugrunde, unterscheiden sich beide Indikatoren in einem Punkt wesentlich: Die Kandidaten kamen ab 1980 zwar in einem höheren Anteil der Beiträge vor, sie nahmen innerhalb der Beiträge aber geringeren Raum ein als davor. In der ersten Phase lag die mittlere Intensität des Kandidatenbezugs (ausgenommen 1953 und 1957) bei mindestens 2,34 – ein Wert, der in der zweiten Phase nur in den außerordentlich personalisierten Wahlkämpfen 1980 (Schmidt gegen Strauß) und 2002 (Schröder gegen Stoiber) überschritten wurde. Die Gegenläufigkeit beider Indikatoren bestätigt sich auch an den Gesamtmittelwerten für beide Phasen: Ohne 1980 und 2002, die aufgrund der oben beschriebenen situativen Konstellation aus dem Langzeittrend ausrissen, haben die Kandidaten in den Beiträgen der ersten Phase (2,36) einen signifikant höheren Stellenwert als in der zweiten Phase (2,23). Besonders deutlich wird die Gegenläufigkeit beider Indikatoren im Wahlkampf 1990: Der Kandidatenbezug war in diesem Jahr einer der höchsten, die Intensität dagegen die zweitniedrigste im gesamten Untersuchungszeitraum. Offenbar wurde im Prozess der Wiedervereinigung vor allem auf Bundeskanzler Kohl zwar häufig Bezug genommen, er stand dann aber nicht im Mittelpunkt der Berichte. Dasselbe Muster, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, ist in fast allen deutschen Wahlkämpfen nach 1980 erkennbar. Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine Strategie, die stark an Personen orientierte Aufmerksamkeit der 155 Weist ein Beitrag z. B. zu einem Kandidaten keinen (0), zum anderen einen überwiegenden Bezug (3) auf, beträgt die Gesamtintensität des Kandidatenbezugs 3. Dieselbe Gesamtintensität ergibt sich, wenn ein Kandidat mit 1, der andere mit 2 codiert wurde. Kommen beide Kandidaten gleichrangig (2) vor, beträgt die Gesamtintensität 4, kommt einer überwiegend (3), der andere gleichrangig mit anderen Akteuren (2) vor, liegt die Gesamtintensität bei 5. Bezieht man die Beiträge ohne Kandidatenbezug in die Mittelwertberechnung ein, ergibt die Intensität einen ähnlichen Personalisierungsgrad wie die kandidatenbezogenen Beiträge.

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Leser zu gewinnen, indem man gleich zu Beginn des Beitrags auf die Kanzlerkandidaten Bezug nimmt, sie im weiteren Verlauf aber nicht mehr thematisiert. Prüfen lässt sich diese Annahme mit den vorliegenden Daten zwar nicht, weil darin nicht erfasst wurde, in welchem Beitragsteil die Kandidaten erwähnt wurden. Da allerdings das Vorkommen eines Kandidaten zu Beginn des Artikels ein Aufgreifkriterium der Inhaltsanalyse war, liegt diese Vermutung nahe. In Österreich schwankte die Intensität des Kandidatenbezugs im Zeitverlauf stärker und auch der Zusammenhang zwischen kandidatenbezogenen Beiträgen und Bezugsintensität ist weniger deutlich als in Deutschland. Bezogen auf die Personalisierungsphasen zeigt sich tendenziell aber dennoch dasselbe Ergebnis wie für Deutschland: Während sich in der zweiten Phase (1966 bis 1979) ein höherer Anteil der Beiträge auf die Kandidaten bezog als in der dritten Phase (ab 1980), war die Intensität des Kandidatenbezugs in der dritten Phase (0,29) stärker als in der zweiten (0,23). Auch wenn dieser Unterschied nicht signifikant ist, deutet er dennoch auf einen höheren Personalisierungsgrad der österreichischen Zeitungen ab 1980 hin. Wiederum zeigt sich in einigen Wahljahren die Gegenläufigkeit beider Indikatoren besonders deutlich, vor allem 1971, 1979 und 2002: Zwar wiesen relativ viele Beiträge einen Kandidatenbezug auf, aber innerhalb dieser Beiträge waren die Kandidaten weniger zentral. Zurückzuführen ist das in den beiden ersten Fällen darauf, dass vor allem die AZ den populären Kreisky in vielen Beiträgen erwähnte, aber nicht ins Zentrum stellte. Auch hier könnte es sich also um die oben angesprochene Strategie handeln: Die AZ versuchte die „Pro-KreiskyStimmung“ zu nutzen. Im Wahlkampf 2002 hingegen erklärt sich das Ergebnis durch das Vorziehen der Wahl: Aufgrund des vorzeitigen Koalitionsbruchs waren die Parteivorsitzenden zum Handeln gezwungen, standen dann aber – ähnlich wie Kohl 1990 – nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung, weil vermutlich Koalitions- und Sachfragen inhaltlich relevanter waren als die Personen. Deutlich wird an der Gegenläufigkeit beider Indikatoren, dass das Phänomen Personalisierung in seiner Vielschichtigkeit allein auf Grundlage der kandidatenbezogenen Beiträge nicht angemessen erfasst werden kann. Auch zwischen den einzelnen Zeitungen unterschied sich die mittlere Intensität des Kandidatenbezugs. Am stärksten standen die Kandidaten im Langzeitdurchschnitt in den Beiträgen der Welt (2,43) und der SZ (2,38) im Zentrum, am schwächsten in der AZ (2,25) und der Presse (2,26). Die Durchschnittsintensitäten der übrigen Blätter lagen dazwischen (FAZ 2,32, FR und Standard je 2,31). Im Zeitverlauf differierte die Intensität des Kandidatenbezugs zwischen einzelnen Zeitungen zum Teil relativ stark und unsystematisch. Dieses Ergebnis dürfte also durch die situative Wahlkampfkonstellation und vor allem individuelle redaktionelle Entscheidungen der einzelnen Zeitungen bedingt sein. In Österreich sind dagegen keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Titeln feststellbar.

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Abbildung 34: Intensität des Kandidatenbezugs

T = 1,853; df = 3811,455; n. s.; Eta2 = 0,001. Basis: 5.601 Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.733; Österreich: 1.868). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Für jeden Kandidaten wurde die Intensität des Bezugs zu ihm auf einer Skala von 0 (kein Bezug) bis 3 (Bezug im überwiegenden Teil des Beitrags) erfasst. Für die obige Grafik wurden für die Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kanzlerkandidaten die Intensitäten für beide Spitzenkandidaten addiert und hieraus für jeden Wahlkampf das arithmetische Mittel berechnet. Je höher der Mittelwert, desto intensiver ist also der Kandidatenbezug der Berichterstattung und desto stärker ist der Personalisierungsgrad. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

6.3.4.2 Prominenz Die zweite Personalisierungsdimension ist die Prominenz, operationalisiert über die Häufigkeit, mit der die Kanzlerkandidaten auf Bildern zu sehen waren. Je öfter das der Fall war, desto prominenter waren sie in der Berichterstattung, denn Bilder ziehen die Aufmerksamkeit des Lesers weitaus mehr auf sich als Texte und beeinflussen den Gesamteindruck von Politikern stärker als textuelle Informationen (Donsbach 1991: 135; Kepplinger/Maurer 2005). Ein Personalisierungsmerkmal ist die Visualisierung, weil Bilder vor allem Eindrücke von persönlichen und äußerlichen Eigenschaften der abgebildeten Personen, nicht aber von ihrer Sachkompetenz vermitteln (Schulz/Zeh 2006: 288). Je mehr Bilder der Kandidaten es gibt, desto personalisierter ist also die Berichterstattung (Wilke 1998: 286). Politik und politische Macht werden vor allem durch Bilder von Personen – insbesondere Staatsoberhäuptern und Vertretern der Exekutive – visualisiert (Wilke

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1999a: 167). In der Wahlkampfberichterstattung dürften also die Kanzlerkandidaten, vor allem der amtierende Kanzler, ein bevorzugtes Abbildungsobjekt sein.156 Sowohl die deutsche Tagespresse (Wilke 2004) als auch deutsche Fernsehnachrichten (Maurer/Kepplinger 2003; Schulz/Zeh 2006) wurden in jüngster Zeit zunehmend visualisiert. Das hängt maßgeblich mit den verbesserten technischen Möglichkeiten zur Bildspeicherung und -publikation zusammen (Wilke/ Reinemann 2000: 98). Schon allein deshalb ist auch für die Wahlkampfberichterstattung von einer zunehmenden Visualisierung der Wahlkampfberichterstattung auszugehen. In den deutschen Zeitungen hat die Zahl der Kandidatenabbildungen wie auch ihre relative Zahl pro Beitrag ab 2002 tatsächlich zugenommen (Wilke/Leidecker 2010). Ob auch die österreichischen Blätter zunehmend bildorientiert berichten, gilt es im Folgenden zu prüfen. Weil Visualisierung vor allem ein Merkmal von Boulevardmedien ist, liegt die Vermutung nahe, dass der Visualisierungsgrad der Elitezeitungen in Österreich aufgrund der dortigen starken Marktdominanz der Boulevardzeitungen generell höher war. Dagegen spricht allerdings die größere Relevanz des visuellen Mediums Fernsehen in Deutschland, was aufgrund der intermediären Konkurrenz auch die Tageszeitungen in ihrer visuellen Gestaltung beeinflusst haben könnte. Im Zeitverlauf ist für beide Länder ein vergleichbarer Visualisierungsanstieg anzunehmen, auch weil sich die technischen Möglichkeiten der Visualisierung jeweils ähnlich entwickelt haben. Die Visualisierung der Berichterstattung wurde für beide Länder mittels unterschiedlicher Indikatoren erhoben. Für Deutschland wurde die Anzahl der Bilder von den Kanzlerkandidaten erfasst, für Österreich hingegen nur für jeden Beitrag, ob er bebildert war (unabhängig von der Anzahl der Bilder), und für jeden Akteur (auch für die Kanzlerkandidaten), ob er im Beitrag abgebildet war. Um die Ergebnisse für beide direkt vergleichen zu können, beschränkt sich die folgende Darstellung auf einen Indikator, der sich für beide Länder gleichermaßen bilden lässt: Den Anteil der Beiträge mit mindestens einer Abbildung eines Kanzlerkandidaten. Insgesamt haben die Zeitungen in beiden Ländern nur einen geringen Anteil ihrer Beiträge visualisiert. Über alle Wahlkämpfe hinweg war dieser in Österreich (6%) etwas höher als in Deutschland (4%). Wie Abbildung 35 zeigt, variierte der Anteil der bebilderten Beiträge zwischen den einzelnen Wahlen vor allem in Österreich relativ stark, was wohl vorrangig auf die situative Konstellation der Wahlkämpfe und Kandidaten zurückzuführen ist. Insgesamt hat der Visualisierungsgrad der Wahlkampfberichterstattung aber in beiden Ländern im Lauf der Jahrzehnte tatsächlich deutlich zugenommen, vor allem ab den 1990er Jahren.

156 Ein weiterer Indikator für die Prominenz ist die in Kapitel 6.3.2.3 betrachtete Kandidatenzitierung.

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Ein Zusammenhang mit den technischen Möglichkeiten der Bildbearbeitung und -verwendung liegt also nahe.157 Abbildung 35: Wahlkampfbeiträge mit Bildern der Kanzlerkandidaten

Chi2 = 26,354; df = 1; p < 0,001; Cramers V = 0,053. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Lässt man wiederum die gering personalisierten Wahlkämpfe bis 1962 außer Acht, waren die Wahlkampfartikel in den österreichischen Zeitungen fast durchgängig stärker bebildert als zeitgleich in den deutschen. Ausnahmen waren lediglich die österreichischen Wahlkämpfe 1975, 1990 und 2006. Das spricht für eine stärkere Visualisierung und somit Personalisierung der österreichischen Zeitungen, deren Anstieg zudem früher eingesetzt hat als in den deutschen Blättern. Möglicherweise nahmen sich die österreichischen Elitezeitungen, wie von der Boulevardisierungsthese vermutet, in diesem Punkt die marktdominanten, stark visualisierten Boulevardblätter zum Vorbild. Die einzelnen Zeitungen versahen ihre Beiträge unterschiedlich oft mit Abbildungen der Kanzlerkandidaten, wobei die österreichischen Blätter das entsprechend dem in Österreich höheren Visualisierungsgrad insgesamt etwas häufiger taten. Die meisten Beiträge mit Kandidatenabbildungen enthielt im Lang157 Auch der Gesamtanteil bebilderter Artikel (unabhängig davon, ob ein Kanzlerkandidat oder jemand/etwas anderes abgebildet ist) stieg in den österreichischen Zeitungen ab 1994 deutlich an von zuvor höchstens 24 Prozent auf mindestens 31 Prozent. Das Maximum wurde 2006 mit 43 Prozent bebilderter Wahlkampfartikel erreicht.

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zeitdurchschnitt der Standard (9%), was damit zusammenhängt, dass er erst in einer Phase ausgereifterer technischer Visualisierungsmöglichkeiten erschien. Presse und AZ bebilderten jeweils 5 Prozent ihrer Beiträge mit den Kanzlerkandidaten, was insbesondere für das SPÖ-Parteiblatt angesichts seines Erscheinungszeitraums bemerkenswert ist: Trotz der noch eingeschränkten technischen Bildverwendungsmöglichkeiten war die AZ von 1966 bis 1986 die mit Abstand am stärksten visualisierte Zeitung im Sample, bedingt durch ihre (zunehmend) boulevardeske Aufmachung. SZ und Welt bebilderten ebenfalls 5 Prozent ihrer Beiträge, die FR 4 Prozent. Die gemessen an diesem Indikator am wenigsten optisch personalisierte Zeitung ist die FAZ (2%). Darin kommen vermutlich generelle konzeptionelle Unterschiede zwischen den einzelnen Blättern zum Ausdruck. Auf eine Betrachtung für die einzelnen Zeitungen im Zeitverlauf wird verzichtet, weil dafür die Anzahl der Bilder zu gering ist.

6.3.4.3 Zentralität Die dritte Personalisierungsdimension ist die Zentralität. Dabei geht es um die Schärfe der Wahlkampfauseinandersetzung und die Frage, wie stark die Kandidaten in deren Zentrum standen. Operationalisiert wird sie über die Gesamtzahl der wertenden Aussagen und ihre Anzahl pro Beitrag. Gesamtzahl der wertenden Aussagen: Die Aussagenzahl (Abbildung 36) entwickelte sich in beiden Ländern ähnlich. Auffällig ist, dass die österreichischen Zeitungen in vielen Wahlkämpfen absolut betrachtet annähernd gleich viele wertende Aussagen enthielten wie die deutschen, obwohl in Deutschland jeweils doppelt so viele Zeitungen analysiert wurden. Die österreichischen Zeitungen waren also bewertungsfreudiger als die deutschen, was mit dem stärkeren politischen Parallelismus in Österreich zusammenhängt. Hierauf wird in Kapitel 6.4.3.1 zur Trennung von Nachricht und Meinung noch genauer eingegangen. Einzig in den Wahlkämpfen bis 1962 mit höchstens 18 wertenden Aussagen war davon noch nichts zu spüren, bedingt durch die geringe Zahl an Artikeln mit Kandidatenbezug. In beiden Ländern nahmen die wertenden Aussagen von 1949 bis 1979 bzw. 1980 zu,158 stabilisierten sich bis 1998 bzw. 1999 auf etwas niedrigerem Niveau und weiteten sich 2002 sehr stark aus. Das Zwischenhoch 1980 in Deutschland ist auf den stark polarisierten und daher besonders bewertungsintensiven Wahlkampf zwischen Schmidt und Strauß zurückzuführen, das Zwischenhoch 1979 in Österreich auf eine scheinbar besonders intensive Auseinandersetzung der Zeitungen mit den Spitzenkandidaten Kreisky und Taus, auf die etwa gleich viele wertende Aussagen entfielen. In Deutschland vermehrte sich die Zahl der wertenden Aussagen 2002 stark im Kontext der Einführung der Fernsehduelle, die den Zeitungen viel Anlass zu Kandidatenbewertungen gaben – ein weiterer Hinweis auf deren personalisie158 Auch Kepplinger (1998: 183) identifiziert bis zu den 1980er Jahren einen deutlichen Anstieg und dann einen leichten Rückgang wertender Aussagen über politische Akteure.

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rende Wirkung auf die Tageszeitungsberichterstattung (Reinemann/Wilke 2007: 98-99). 2005 blieb die Anzahl der Aussagen mit 741 ähnlich hoch. 2009 ging sie laut Wilke und Leidecker (2010: 360-361) zurück, war aber immer noch deutlich höher als vor 2002, was einen langfristig erhöhten Personalisierungsgrad vermuten lässt. Dass eine erhöhte Zahl an TV-Duellen allerdings nicht zwangsläufig zu einer erhöhten Aussagenzahl führte, zeigt die Zahl der wertenden Aussagen 1994 und 2002 in Österreich: Obwohl 1994 die Kanzlerkandidaten Busek und Vranitzky insgesamt acht Konfrontationen bestritten, gab es in den Zeitungen nur durchschnittlich viele wertende Aussagen. Und 2002 erreichten die wertenden Aussagen ihren Höchstwert in Österreich, obwohl die Anzahl an Fernsehkonfrontationen gerade in diesem Jahr im Vergleich zu den Wahlkämpfen 1994 bis 1999 von elf bis zwölf auf sieben reduziert worden war (Melischek 2008). Ursächlich für die hohe Zahl dürfte das von der ÖVP forcierte „Kanzlerduell“ zwischen Schüssel und Gusenbauer gewesen sein. Abbildung 36: Intensität der Kandidatenbewertung: Wertende Aussagen

T = 1,722; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,085. Basis: 5.808 wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.564; Österreich: 2.244). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Ein dauerhaft gestiegenes Personalisierungsniveau deutet sich auch in Österreich an, denn 2006 veröffentlichten die österreichischen Zeitungen ihre insgesamt zweitmeisten wertenden Aussagen. Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten. Der dritthöchste Wert 1995 erklärt sich durch die Personalisierungsstrategie der ÖVP – die Aussagen bezogen sich zum größeren Teil auf deren Spitzenkandidaten Schüssel – und wiederum durch die Tatsache, dass Schüssel 241

und Kanzler Vranitzky zusammengenommen an sechs Fernsehkonfrontationen teilnahmen. Intensität der Kandidatenbewertung (wertende Aussagen pro Beitrag): Da die Anzahl der wertenden Aussagen bis zu einem gewissen Grad mit dem Gesamtumfang der Berichterstattung zusammenhängt, wird sie im Folgenden in Relation zur Anzahl der Beiträge gesetzt, um die Bewertungsintensität beurteilen zu können (Wilke/Reinemann 2000: 91). Im Mittel aller Wahlkämpfe enthielt in Deutschland jeder Beitrag 0,61 wertende Aussagen, in Österreich waren es 0,62. Allerdings schwankte dieser Wert im Zeitverlauf vergleichsweise stark, wie aus Abbildung 37 ersichtlich, vor allem in Österreich. Auch relativ betrachtet publizierten die deutschen Zeitungen die meisten wertenden Aussagen 2002 und 2005, 159 die wenigsten (abgesehen von 1949 mit nur einer Aussage) 1953, 1972, 1987 und 1998. In Österreich fanden sich die relativ meisten wertenden Aussagen 2002, 1979, 1975 und 1995, die wenigsten in den ersten fünf untersuchten Wahlkämpfen bis 1962. In beiden Ländern sind demnach grob zwei Personalisierungsphasen zu erkennen. In Deutschland markierte wie schon bei der Kandidatenpräsenz (und der Negativität) 1980 eine Grenze, davor enthielten die Beiträge durchschnittlich stets unter 0,5 wertende Aussagen pro Beitrag, danach mehr als 0,5. Einzige Ausnahmen waren die Wahlkämpfe 1961, 1987 und 1998. In Österreich war der Wendepunkt die Wahl 1966, vor der die Beiträge durchschnittlich weniger als 0,39 wertende Aussagen aufwiesen – ein Wert, der ab 1966 nicht mehr unterschritten wurde. Hier bestätigt sich also, dass in beiden Ländern ein Personalisierungsschub stattgefunden hat, in Österreich allerdings ein Jahrzehnt früher als in Deutschland. Die möglichen Ursachen dafür wurden bereits diskutiert – in Deutschland dealignment und Dualisierung des Rundfunksystems, in Österreich der Bedeutungsverlust der Konkordanzdemokratie, die Person Kreiskys, die Einführung von TV-Duellen und zunehmend boulevardeske Strategien der Elitezeitungen in Reaktion auf die Konkurrenz vom Boulevard. Aufgrund der ähnlichen Entwicklung von Kandidatenbezug und Bewertungsintensität liegt es nahe, dass beide miteinander zusammenhängen: Je mehr bzw. weniger Artikel einen Kandidatenbezug aufweisen, desto höher bzw. geringer ist die Wahrscheinlichkeit wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten. Diese Beziehung zeigt sich laut Abbildung A4 im Anhang bei vielen Wahlkämpfen, z. B. in Deutschland 1957 und 1980, in Österreich bis 1966, 1971, 1986 und 1999. In anderen Wahlkämpfen war die Berichterstattung dagegen nicht übermäßig kandidatenzentriert, dennoch wurden die Kandidaten aber intensiv bewertet (Deutschland: 1994, 2002 und 2005, Österreich: 1975, 1979, 2002). Und in wieder anderen Fällen kamen die Kandidaten zwar in einem relativ großen 159 Bei der darauffolgenden Wahl 2009 stieg die durchschnittliche Anzahl der wertenden Aussagen pro Beitrag sogar noch weiter auf 1,5 (Wilke/Leidecker 2010: 360).

242

Anteil der Beiträge vor, es gab aber nur wenige wertende Aussagen über sie (Deutschland: 1987, 1998). Abbildung 37: Bewertungsintensität: Wertende Aussagen pro Beitrag

T = 0,89; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,000. Basis: 5.808 wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.564; Österreich: 2.244). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Als Erklärung für den offensichtlich nicht immer gegebenen Zusammenhang zwischen Kandidatenbezug und Bewertungsintensität führten Wilke und Reinemann (2000: 91) an, dass beide Indikatoren unterschiedliche Facetten bzw. Dimensionen der Personalisierung erfassen: Der Kandidatenbezug ist ein eher allgemeiner Indikator für die Wichtigkeit der Kandidaten in der Wahlkampfberichterstattung, die wertenden Aussagen sind ein Zeichen der Schärfe der Auseinandersetzung um die Kandidaten.160 Insgesamt belegen diese Ergebnisse nochmals die größere Bewertungsfreudigkeit der österreichischen Zeitungen, in denen es öfter eine hohe Aussagenzahl trotz einem nur durchschnittlichen Anteil kandidatenbezogener Beiträge gab. Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit sich die Bewertungsintensität der einzelnen Zeitungen unterschied. Im Durchschnitt aller Wahlkämpfe enthielt mit Abstand die meisten wertenden Aussagen pro Beitrag der Standard (0,76), die 160 Das scheint zunächst im Widerspruch zu der geringen Durchschnittszahl wertender Aussagen in den österreichischen „Angstwahlkämpfen“ bis 1966 zu stehen. Allerdings spielten in diesen stark polarisierten Wahlkämpfen die Kanzlerkandidaten noch eine sehr untergeordnete Rolle, das heißt, die harten Auseinandersetzungen drehten sich um die Parteien, nicht um die Kandidaten.

243

wenigsten die AZ (0,51). Beides dürfte auf den unterschiedlichen Erhebungszeitraum beider Blätter zurückzuführen sein: Der Standard wurde komplett in der Phase stärkerer Personalisierung in Österreich codiert, während sich der niedrige Wert für die AZ durch die ersten, sehr bewertungsarmen Wahlkämpfe erklärt. Die bewertungsfreudigste deutsche Zeitung war die SZ (0,69), die bewertungsärmste die FAZ (0,52). Welt (0,66), Presse (0,62) und FR (0,60) lagen dazwischen. Weil sich hier kein genereller Unterschied zwischen den Zeitungen beider Länder zeigt, sind die Resultate offensichtlich nicht auf unterschiedliche Strukturen in beiden Ländern, sondern auf die individuelle Ausrichtung der Zeitungen zurückzuführen. Im Lauf der Jahrzehnte (Abbildung 38) veränderte sich die Bewertungsintensität der einzelnen Zeitungen in Deutschland am wenigsten in der FAZ, am stärksten in der SZ – letzteres vor allem bedingt durch die Veröffentlichung überdurchschnittlich vieler wertender Aussagen in einzelnen Wahlkämpfen (1965, 1969, 1980, 1994, 2002). Im Wahlkampf 2005 dagegen, in dem FAZ und FR einen deutlichen Zuwachs an wertenden Aussagen verzeichneten, war deren Anzahl in der SZ rückläufig. Welt und FR lassen sich insgesamt zwischen FAZ und SZ verorten, wobei sich die Bewertungsintensität in der FR noch etwas sprunghafter entwickelte. Besonders viele wertende Aussagen gab es in diesen zwei Zeitungen 1961, in der FR außerdem 1957 und 1972, in der Welt 1994.161 In den österreichischen Zeitungen variierte die Zahl der wertenden Aussagen pro Beitrag im Zeitverlauf insgesamt relativ stark. In den ersten Untersuchungsjahren enthielt vor allem die AZ – gleichwohl aber nur wenige – wertende Aussagen pro Beitrag. Ab 1966 nahm sowohl in ihr als auch der Presse die Bewertungsintensität zu, allerdings fanden sich pro Beitrag mehr wertende Aussagen in der stärker meinungsbetonten Parteizeitung. Ab 1990 sind für den Standard zum Teil etwas stärkere Abweichungen nach oben und unten festzustellen als für die Presse, insbesondere brachte er 2002 durchschnittlich mehr, 1999 weniger Aussagen als sie. Ansonsten zeigen sich aber keine großen Unterschiede zwischen den Zeitungen im Zeitverlauf. Die wenigen vorhandenen Differenzen lassen sich vermutlich nicht systematisch, sondern – wie auch der Anteil der Beiträge mit Kandidatenbezug – durch die jeweilige Wahlkampfkonstellation und sonstige situative Faktoren erklären. Einmal mehr zeigt sich hier deren überragender Einfluss.

6.3.4.4 Darstellung Während die bisher vorgestellten Indikatoren der ersten Personalisierungsperspektive nach Adam und Maier (2010) zuzurechnen sind, geht es bei der vierten Dimension, der Darstellung, um die zweite Perspektive – die Eigenschaften, an-

161 Diese Befunde bleiben im Großen und Ganzen bestehen, wenn man statt der durchschnittlichen die absolute Zahl der wertenden Aussagen zugrunde legt.

244

Abbildung 38: Intensität der Kandidatenbewertung nach Zeitungen Deutschland

Österreich

F = 0,624; df1 = 6; df2 = 93; n. s.; Eta2 = 0,039. Basis: 5.808 wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.564; Österreich: 2.244). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

245

hand derer die Kandidaten in den wertenden Aussagen evaluiert werden.162 Nach Reinemann und Wilke (2007) führte die Einführung der TV-Duelle 2002 in Deutschland wie schon erwähnt zu einer stärkeren Betonung der „PerformanceQualitäten“ der Kandidaten. Fraglich ist, ob das auch auf Österreich zutrifft, wo infolge der deutlich früheren Etablierung von TV-Konfrontationen früher damit zu rechnen ist. Für jede wertende Aussage wurde erfasst, auf welche Eigenschaften und Fähigkeiten der Kandidaten sie sich bezog. Die insgesamt mehr als 70 Merkmale wurden in Anlehnung an bisherige Systematisierungen nach inhaltlichen Kriterien zu fünf Bewertungsdimensionen zusammengefasst: (1) Sachkompetenz und Managerfähigkeiten bezeichnen Eigenschaften wie Führungsstärke, Sachkompetenz, Überzeugungskraft, Kompromissbereitschaft, politische Erfahrung und Verhandlungsgeschick. (2) Unter Persönlichkeit fallen zum Beispiel Entschiedenheit, Glaubwürdigkeit, Intelligenz, Gelassenheit und Zuverlässigkeit. (3) Auftreten und Äußeres ist der Überbegriff für körperliche Attraktivität, rhetorische Fähigkeiten, Medientauglichkeit und nonverbales Verhalten. (4) Grundhaltungen umfassen überdauernde politische Haltungen oder Überzeugungen wie etwa Fortschrittlichkeit, Modernität, Konservatismus, Bekenntnis zum Christentum, Patriotismus und Toleranz. (5) Unter dem Verhältnis der Kandidaten zu anderen Akteuren sind Aussagen über das Verhältnis der Kandidaten zum Gegenkandidaten, zu Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, der Wirtschaft, der Bevölkerung usw. subsummiert. Eine zunehmende Personalisierung wäre festzustellen, wenn immer weniger die Sachkompetenz der Kandidaten (1) und stattdessen zunehmend ihre Persönlichkeit (2) oder ihr Auftreten (3) bewertet worden wären. Im Folgenden geht es vor allem um die Identifikation langfristiger Trends, weniger um die Beschreibung und Erklärung einzelner Wahlen und Kandidaten. Da auf Basis der geringen Zahl wertender Aussagen 1949 in Deutschland und 1949 bis 1962 in Österreich keine sinnvollen Interpretationen möglich sind, werden diese Wahlkämpfe nicht einbezogen. Auch auf einen Zeitungsvergleich wird in der longitudinalen Betrachtung verzichtet, weil in den einzelnen Blättern die fünf Bewertungsdimensionen in vielen Jahren zu schwach besetzt sind. Im Langzeitdurchschnitt unterschieden sich die Bewertungsdimensionen zwischen den deutschen und den österreichischen Zeitungen nur geringfügig. Am häufigsten waren Tabelle 16 zufolge jeweils Bewertungen der Sachkompetenz (Deutschland 35%, Österreich 34%) und der Persönlichkeit (33% bzw. 35%). Das deckt sich mit den Befunden von Kepplinger und Reinemann (1999) für poli-

162 Ebenfalls zur Darstellungsdimension zählt die Privatisierung, das heißt die (zunehmende) Thematisierung von Politikern als Privatpersonen und ihres Privatlebens. Wie in Kapitel 6.2.2.2 gezeigt, hatten diese Themen in der deutschen und österreichischen Wahlkampfberichterstattung jedoch insgesamt nur eine geringe Bedeutung, und ein Relevanzgewinn war nur in Ansätzen in den österreichischen Nationalratswahlkämpfen 1999 und 2006 festzustellen.

246

247

25

50 25 100 8

27

46 9 18 100 11

1953 %

47 6 20 1 100 71

100 1

1949 %

27

1953 %

100

1949 %

55 9 100 11

36

1956 %

40 100 10

60 50 22 17 100 18

11 48 11 11 2 100 63

45 6 14 2 100 84

32

1970 %

32 13 15 4 100 172

36

1969 %

29

1966 %

33 17 7 3 100 163

41

1965 %

1962 %

35 3 11 3 100 158

48

1961 %

1959 %

32 12 22 2 100 94

32

1957 %

21 30 15 6 100 112

28

1971 %

26 14 6 2 100 156

52

1972 %

34 13 7 4 100 166

42

1975 %

37 14 9 4 100 201

37

1976 %

29 16 9 8 100 203

37

1979 %

53 14 1 11 100 295

20

1980 %

52 12 7 100 117

29

1983 %

26 8 11 6 100 195

48

1983 %

38 30 5 3 100 112

23

1986 %

34 26 17 1 100 137

23

27 23 17 7 100 137

27

44 11 8 3 100 241

34

37 12 2 3 100 137

46

1999 %

19 8 3 1 100 155

68

1998 %

1995 %

64 11 8 2 100 191

16

1994 %

1994 %

33 10 7 2 100 128

48

1990 %

1990 %

24 16 6 13 100 84

42

1987 %

30 17 9 3 100 413

41

2002 %

33 23 10 5 100 827

29

2002 %

35 17 11 8 100 264

30

2006 %

21 22 22 5 100 741

31

2005 %

36 17 10 4 100 2244

34

Ges. %

33 16 12 5 100 3632

35

Ges. %

Chi2 = 8,801; df = 4; n. s.; Cramers V = 0,039. Grau unterlegte Bereiche kennzeichnen die persönlichkeitsbezogenen Bewertungsdimensionen. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Sachkompetenz/ Managerfähigkeiten Persönlichkeit Auftreten, äußere Erscheinung Verhältnis zu anderen Grundhaltungen Summe n (Beiträge)

Österreich

Sachkompetenz/ Managerfähigkeiten Persönlichkeit Auftreten, äußere Erscheinung Verhältnis zu anderen Grundhaltungen Summe n (Beiträge)

Deutschland

Tabelle 16: Dimensionen der Kandidatenbewertung

tische Akteure aus Deutschland in drei der hier betrachteten deutschen Qualitätszeitungen von 1951 bis 1995. Die Rangfolge der drei übrigen Dimensionen war in beiden Ländern gleich: Am dritthäufigsten wurden Auftreten und äußere Erscheinung bewertet (Deutschland 16%, Österreich 17%). Angesichts der zwei Jahrzehnte früheren Einführung von Fernsehkonfrontationen in Österreich wäre dort eigentlich eine größere Bedeutung dieser Dimension zu erwarten gewesen. An vierter Stelle stand jeweils das Verhältnis zu anderen (12 bzw. 10%) und an letzter Stelle die Grundhaltungen (5 bzw. 4%). Während sich der Personalisierungsgrad hinsichtlich der Bewertungen in beiden Ländern insgesamt also kaum unterschied, schwankte die Bedeutung der fünf Dimensionen von Wahl zu Wahl relativ stark, in Österreich noch mehr als in Deutschland. Lineare Trends im Zeitverlauf sind dabei kaum erkennbar, sondern wiederum bestimmten offenbar vor allem die Situation der einzelnen Wahlkämpfe und die jeweiligen Spitzenkandidaten das Ergebnis. (1) Sachkompetenz und Managerfähigkeiten waren in 8 von 15 Wahlkämpfen in Deutschland, aber nur in 5 von 13 Wahlkämpfen in Österreich die am häufigsten bewertete Eigenschaftsdimension. Besonders wichtig waren die entsprechenden Fähigkeiten in Deutschland 1998 und 1972, in Österreich 1975 und 1999. Die geringste Bedeutung kam ihnen dagegen in Deutschland 1980 und 1994, in Österreich 1986 und 1990 zu. (2) Nahezu spiegelbildlich dazu entwickelten sich die wertenden Aussagen zur Persönlichkeit der Kandidaten (Wilke/Reinemann 2000: 94). Sie waren nur in 4 von 15 Bundestags-, aber in 7 von 13 Nationalratswahlkämpfen das wichtigste Kriterium zur Kandidatenbeurteilung, was für eine stärker personalisierte Berichterstattung in Österreich spricht. Ein Bedeutungsgewinn im Zeitverlauf, der auf eine steigende Personalisierung hindeutet, ist jedoch in keinem Land erkennbar. Besonders häufig nahmen die wertenden Aussagen in Deutschland 1994, 1980 und 1953, in Österreich 1983 und 1966 hierauf Bezug, vergleichsweise am seltensten in Deutschland 1998 und 2005, in Österreich 1971, 1994 und 1979. Zweimal in Deutschland (1957, 1976) und einmal in Österreich (1994) waren Sachkompetenzen und Persönlichkeit als Bewertungsdimensionen gleich wichtig. Allerdings differierte in Deutschland die Bedeutung der Persönlichkeitsdimension in einigen Wahlkämpfen stark. Während die Anteile bei zehn Wahlen zwischen 24 und 37 Prozent lagen, wichen sie bei fünf Wahlen nach oben oder unten ab: 1953 (47%), 1980 (53%), 1994 (64%), 1998 (19%) und 2005 (21%). Der vergleichsweise hohe Anteil 1953 ist am schwierigsten zu erklären. Weil sich diese Aussagen zum größten Teil jedoch auf Adenauer bezogen, während auf den Gegenkandidaten Ollenhauer nur 14 Aussagen entfielen, erscheint eine Gegenüberstellung beider Kandidaten hier nicht sinnvoll (Wilke/Reinemann 2000: 94-96). Besser erklären lässt sich der hohe Personalisierungsgrad 1980, als die SPD den Charakter von Strauß und die Qualitäten von Schmidt bewusst zur Polarisierung des Wahlkampfs nutzte und damit auch die Union zur Thematisierung 248

dessen zwang. Ähnliche Gründe hatte der hohe Personalisierungsgrad 1994, als es in der Endphase des Wahlkampfs fast ausschließlich um Personen bzw. die Auseinandersetzung zwischen Kohl und der SPD-Troika aus Scharping, Lafontaine und Schröder ging (Kepplinger/Rettich 1996: 84). Etwas überraschend ist die sehr geringe Bedeutung der Persönlichkeitsdimension 1998, gerade in dem Wahlkampf, in dem die SPD Schröder in den Mittelpunkt einer stark personalisierten Kampagne stellte. Wilke und Reinemann (2000: 96) vermuteten als Ursache dafür die Eigengesetzlichkeiten der Medien, in denen sich die Strategien der Parteien nicht zwangsläufig widerspiegeln müssen, zumal in den letzten vier Wochen vor der Wahl „journalistische Beobachter und politische Gegner längst damit begonnen [hatten], die vermeintlichen oder tatsächlichen inhaltlichen Defizite der Kontrahenten in den Mittelpunkt zu stellen“ (Wilke/Reinemann 2000: 96) – insbesondere in den Qualitätszeitungen (Rettich/Schatz 1998). Der ebenfalls geringe Anteil an Persönlichkeitsbewertungen 2005 dürfte dadurch erklärbar sein, dass Merkel und die Union im Wahlkampf stark auf Themen setzten und sich nicht auf das von der SPD angestrebte Kandidatenduell zwischen Merkel und Schröder einließen. In Österreich schwankte der Anteil der persönlichkeitsbezogenen wertenden Aussagen insgesamt stärker als in Deutschland, dafür gab es aber weniger extreme „Ausreißer“. In acht von 13 Wahljahren machten die Aussagen zur Persönlichkeit zwischen 29 und 44 Prozent aus. Besonders stark wich dieser Anteil 1966, 1970, 1971, 1983 und 1994 nach oben oder unten vom Durchschnitt ab. Die Persönlichkeitsbewertungen 1966 bezogen sich vor allem auf den SPÖ-Kandidaten Pittermann, der als Person im Mittelpunkt stand, weil er die Wahlempfehlung der KPÖ zugunsten der SPÖ nicht entschieden zurückwies. Die große Bedeutung der Persönlichkeitsdimension 1970 dürfte auf die erstmalige Kandidatur des charismatischen Kreisky zurückzuführen sein. Allerdings ist in diesen beiden Wahlkämpfen die Datenbasis mit 63 bzw. 84 wertenden Aussagen noch relativ gering, weshalb die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren sind. Vor dem Hintergrund der Wahl 1970 überrascht der äußerst geringe Anteil an Persönlichkeitsbewertungen im darauffolgenden Jahr 1971 zunächst. Dennoch war die Berichterstattung in diesem Wahlkampf besonders stark personalisiert, denn das Auftreten der Kandidaten wurde überdurchschnittlich oft bewertet, worauf später noch eingegangen wird. Offensichtlich hatte sich das Medieninteresse von der Persönlichkeit der Kandidaten auf ihre äußere Erscheinung verlagert. Überdurchschnittlich häufig wurde die Persönlichkeit der österreichischen Kandidaten dann wieder 1983 bewertet, in Kreiskys letztem Wahlkampf. Obwohl er, durch seine Krankheit geschwächt, nicht mehr seine einstige (tele-)mediale Wirkung erreichte, stellte ihn die SPÖ erneut in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. Möglicherweise trugen Zweifel an seiner weiteren Regierungsfähigkeit zum Bedeutungsgewinn persönlichkeitsbezogener Eigenschaften in der Berichterstattung bei.

249

Eine unterdurchschnittliche Relevanz hatte diese Bewertungsdimension dagegen 1994. Aber auch das spricht nicht gegen eine stark personalisierte Berichterstattung. Denn in diesem Wahljahr, in dem alle Parteien in ihren Kampagnen stark personalisierten und die Zahl der TV-Konfrontationen stark ausgeweitet wurde, war wiederum das Äußere als Bewertungsdimension überdurchschnittlich wichtig, wenn auch nicht so überragend wie 1971. Vielleicht war die vergleichsweise geringe Bedeutung der Persönlichkeit als Bewertungskriterium 1994 auch der Tatsache geschuldet, dass ÖVP und SPÖ sich schon im Vorfeld auf eine Fortsetzung der großen Koalition geeinigt hatten und daher keine wirkliche Auseinandersetzung zwischen ihnen und ihren Kandidaten stattfand. (3) Aussagen über Auftreten und äußere Erscheinung der Kandidaten – gänzlich politikferne Eigenschaften wie rhetorische Fähigkeiten und äußere, körperliche Merkmale – liefern wichtige Hinweise auf die Personalisierung der Berichterstattung. In Deutschland war diese Dimension bei neun Wahlen die drittwichtigste, einmal (2005) sogar die zweitwichtigste vor der Persönlichkeit. In Österreich wurde sie 1971 am häufigsten bewertet, zweimal am zweit- und achtmal am dritthäufigsten. Im Ländervergleich hatten Auftreten und äußere Erscheinung insgesamt also in den österreichischen Zeitungen einen höheren Stellenwert als in den deutschen. Der Langzeittrend war in Deutschland bis 1998 weitgehend stabil, aber 2002 gewann diese Dimension durch die Einführung der TV-Duelle klar an Bedeutung (Reinemann/Wilke 2007). Zur überdurchschnittlichen Wichtigkeit 2005 könnte daneben beigetragen haben, dass mit Angela Merkel erstmals eine Frau als Kanzlerkandidatin antrat. Denn in der medialen Berichterstattung spielen Äußerlichkeiten bei Politikerinnen häufig eine größere Rolle als bei Politikern (z. B. Drinkmann/Caballero 2007; Leidenberger/Koch 2008; Koch/Holtz-Bacha 2008; Thiemens/Waldherr 2009) – wenn auch dieser geschlechtsspezifische Unterschied bei Politikern geringer ist als bei Akteuren aus anderen gesellschaftlichen Teilsystemen (Magin 2011b). Allerdings waren in den hier untersuchten Zeitungen Aussehen und äußere Erscheinung für die Bewertung von Schröder sogar etwas wichtiger als bei Merkel, möglicherweise verlagerte sich das generelle Interesse an solchen Aspekten also auch auf männliche Politiker. Ebenso wie in Deutschland nahmen Aussagen zum Aussehen der Kandidaten in Österreich 1971 in zeitlicher Nähe zum ersten TV-Duell 1970 zunächst stark zu, verblieben dann aber nicht auf diesem hohen Niveau, weshalb fraglich scheint, ob die Existenz von TV-Duellen immer zu einer generellen Bedeutungsverschiebung der Bewertungsdimensionen führt. Besonders wichtig war diese Dimension daneben von 1986 bis 1994, was mit der Inhaltsleere dieser Wahlkämpfe zusammengehangen haben dürfte. Allerdings führte die Ausweitung der Fernsehkonfrontationen 1994 nicht zu einem Bedeutungsgewinn des Aussehens der Kandidaten in den wertenden Aussagen. Rechnet man beide personenbezogenen Dimensionen (Persönlichkeit und Aussehen) zusammen, war der Personalisierungsgrad von 1949 bis 2006 in den 250

österreichischen Zeitungen (52%) insgesamt geringfügig höher als in den deutschen (49%). Der Langzeitvergleich weist für Deutschland 1980 und 1994, für Österreich 1986 bis 1994 einen besonders hohen Personalisierungsgrad aus – bedingt vor allem durch die jeweiligen situativen Konstellationen und nicht durch strukturelle Unterschiede zwischen beiden Ländern. (4) Die insgesamt viertwichtigste Bewertungsdimension war das Verhältnis der Kandidaten zu anderen Akteuren (z. B. zu anderen Staaten, Bündnissen, Gewerkschaften, Parteien, zum Gegenkandidaten oder zur Bevölkerung). Auch hier gibt es Hinweise auf eine stärkere Personalisierung der Berichterstattung in Österreich, wo sich im Durchschnitt aller Wahlen fast jede zweite diesbezügliche Aussage (44%) auf die Popularität der Kandidaten in der Bevölkerung bzw. Umfragewerte bezog, in Deutschland nur rund jede vierte (27%). Dabei ging es um die Orientierung der Wähler an den Kandidaten bzw. um Personalisierung aus Sicht der Rezipienten. In Österreich (9%) spielte weiterhin das Verhältnis zum Gegenkandidaten eine deutlich größere Rolle als in Deutschland (3%) – ebenfalls ein Hinweis auf eine stärkere Personenzentrierung der österreichischen Berichterstattung. Ob sie im Zeitverlauf zugenommen hat, kann jedoch aufgrund der geringen Zahl wertender Aussagen zu dieser Dimension nicht beantwortet werden. Daneben bezogen sich die wertenden Aussagen besonders häufig auf das Verhältnis der Kandidaten zu Parteien (Deutschland: 28%; Österreich: 32%), in den deutschen Zeitungen daneben auf das Verhältnis der Bewerber zum Ausland (z. B. EU, NATO, Warschauer Pakt, andere Staaten). Dass letzteres in 28 Prozent der diesbezüglichen Aussagen in Deutschland, aber nur in 6 Prozent in Österreich thematisiert wurde, hängt mit dem länderspezifisch unterschiedlichen Stellenwert des Themas Außenpolitik zusammen (Kapitel 6.2.1). Im Zeitverlauf wurde das Verhältnis der Kandidaten zu anderen Akteuren in Deutschland überdurchschnittlich häufig 1953 und 1957 bewertet, insbesondere ging es dabei um die Beziehungen zu NATO und Warschauer Pakt. (5) Wertende Aussagen über die Grundhaltungen der Kandidaten (z. B. christlich, tolerant, konservativ) waren in beiden Ländern selten, vor allem aber in Österreich. „Eine Ursache dafür mag sein, dass einige der erhobenen Grundhaltungen eher konstatiert werden als Anlass für Lob oder Kritik sind.“ (Wilke/Reinemann 2000: 97) Die etwas höheren Anteile dieser Dimension in Deutschland 1980 und 1987 führten die Autoren 1980 zurück auf die Personalisierung der SPD-Kampagne, die ideologische Unterschiede stark an Strauß festmachte, und 1987 auf die „von Rau verkörperte, auf Harmonie bedachte Ausrichtung“ (Wilke/Reinemann 2000: 97) des Wahlkampfs. Die Bedeutung der fünf Bewertungsdimensionen unterschied sich zwischen den einzelnen Zeitungen etwas, allerdings bewegten sich die Differenzen über alle Wahlkämpfe hinweg betrachtet auf geringem Niveau. Hinsichtlich der beiden personenbezogenen Bewertungsdimensionen fällt auf, dass sie in der FAZ am seltensten, in der Presse am häufigsten zur Evaluation der Kandidaten herangezogen wurden. Rechnet man die Anteile beider Dimensionen zusammen, ergibt 251

sich für die FAZ ein gemeinsamer Anteil von Persönlichkeit und Aussehen von 44 Prozent, für die Presse von 55 Prozent. Alle übrigen Zeitungen liegen dazwischen (FR 47%, Standard 49%, AZ 50%, SZ 51%, Welt 52%). Daran gemessen wies also die FAZ die am wenigsten, die Presse die am stärksten personalisierte Wahlkampfberichterstattung auf.

6.3.5 Zwischenfazit Die Ergebnisse zu Wandel und Kontinuität der Wahlkampfberichterstattung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Ein linear sinkender Sachthemenanteil ist für keines der beiden Länder zu belegen. Langfristig haben die Sachthemen zwar etwas an Bedeutung verloren, vor allem nach dem Jahrtausendwechsel, was mit dem Rückgang ideologischer Gegensätze zwischen den Parteien zusammenhängen dürfte. Allerdings wurde der Sachthemenanteil stets stark durch die situativen Wahlkampfkonstellationen beeinflusst. In Deutschland zeigte sich ein Zusammenhang mit dem Spannungsgehalt der Wahlkämpfe: Je größer der Abstand der wahrscheinlichen Koalitionen in den Umfragen, desto höher war der Sachthemenanteil. Die Dethematisierungstendenzen scheinen also nicht von den Medien auszugehen, sondern eine Reaktion auf die politische Stimmung im Land darzustellen – vermutlich auch, weil die Parteien in ihren Wahlkampfaktivitäten darauf reagieren. In der Konkordanzdemokratie Österreich, in der Wahlkämpfe generell weniger spannend waren als in Deutschland, hing der Sachthemenanteil vor allem mit der bisherigen Amtsdauer der Regierung zusammen: Je länger sie schon amtierte, desto geringer war der Sachthemenanteil in der Berichterstattung. Wechselte die Regierung, womit oft ein politischer Paradigmenwechsel verbunden war, erhöhte sich der Sachthemenanteil in aller Regel. Dieselbe Tendenz ist auch in den deutschen Zeitungen feststellbar, wobei ein (absehbarer) Paradigmenwechsel immer in engem Zusammenhang mit dem Spannungsgehalt des Wahlkampfs steht. Die Indikatoren zur journalistischen Autonomie verweisen in den deutschen Zeitungen fast durchgängig auf eine immer stärkere Emanzipation der Journalisten von den politischen Akteuren, insbesondere ab den 1980er Jahren. In Österreich fallen die Ergebnisse weniger eindeutig aus und scheinen zum Teil eher Indikator für etwas anderes als die journalistische Autonomie zu sein – vor allem für eine wachsende Professionalisierung und den steigenden Spannungsgehalt der österreichischen Wahlkämpfe im Kontext der allmählichen Auflösung der Konkordanzdemokratie. Dennoch ist insgesamt aber eine verglichen mit Deutschland größere Nähe der Journalisten zu den politischen Akteuren erkennbar. Das zentrale Ergebnis betreffend die Negativität ist, dass in beiden Ländern die Kanzlerkandidaten insgesamt eher negativ als positiv bewertet wurden. Linear zugenommen haben die negativen Gesamttendenzen nur phasenweise in Österreich, während sie in Deutschland 1980 eher sprunghaft stiegen und dann durch252

gängig im negativen Bereich verblieben. Dabei herrschte in Deutschland der moderat negative Grundtenor unabhängig von der Richtung der Zeitung und Parteizugehörigkeit der Kandidaten vor. Die österreichischen Zeitungen dagegen polarisierten viel stärker mit eindeutig negativen Bewertungstendenzen des „gegnerischen“ und eindeutig positiven Bewertungen des „eigenen“ Kandidaten. Hier erweist sich somit der politische Parallelismus als entscheidender Einflussfaktor. Dafür spricht auch, dass in Österreich erst ab 1990, mit dessen Nachlassen, immer stärker die negativen Bewertungen überwogen. Das kann als Zeichen einer zunehmenden Distanzierung der Journalisten von den politischen Akteuren und mithin als Indikator wachsender journalistischer Autonomie gedeutet werden. Eine weitere mögliche Ursache der zunehmenden Negativität sind Anpassungstendenzen der österreichischen Elitezeitungen an die marktdominante Boulevardpresse. Aber auch die situativen Wahlkampfkonstellationen prägten die Berichterstattung jeweils stark. In ihrem Ausmaß der Negativität unterschieden sich die Zeitungen beider Länder nicht grundsätzlich. Es gibt somit keine Hinweise auf eine geringere Konfliktorientierung der österreichischen Zeitungen, die für ein „konkordanzdemokratisches Verhalten“ sprechen würde. Zu hinterfragen ist daher, ob Kandidatenbewertungen im Wahlkampf ein geeigneter Indikator für die Konsens- bzw. Konfliktorientierung von Zeitungen sind. Vermutlich ist die Sondersituation des Wahlkampfs, in der es vor allem um die Verteilung politischer Macht geht, ein zu spezieller Konflikt, in dem sich die Zeitungen besonders parteiisch und deshalb außergewöhnlich konfliktorientiert verhalten. Um das zu klären, sollte das Verhalten der Zeitungen beider Länder in Kontroversen um Sachthemen außerhalb des Wahlkampfs untersucht werden, ergänzt um weitere Indikatoren für Konflikte neben den Bewertungen von Politikern. Die vielzähligen Indikatoren der Personalisierung lassen keine Aussage darüber zu, in welchem Land die Wahlkampfberichterstattung von 1949 bis 2006 insgesamt stärker personalisiert war. Weiterhin sprechen mehr Indikatoren für als gegen einen (zumindest phasenweisen) Anstieg der Personalisierung im Zeitverlauf. Allerdings wurde dieser langfristige Anstieg zu einem guten Teil verdeckt durch den großen Einfluss situativer Wahlkampfkonstellationen. Denkbar ist, dass verschiedene strukturelle Einflussfaktoren in beiden Ländern gegenläufig wirkten und sich in ihrem Einfluss ausglichen – z. B. einerseits die frühere Einführung und größere Bedeutung des Privatfernsehens in Deutschland, andererseits die in Österreich weitaus größere Bedeutung der Boulevardpresse und frühere Einführung von Fernsehduellen zwischen den Kandidaten. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse weisen die Parteienzentriertheit der österreichischen Konkordanzdemokratie als personalisierungsmindernden Faktor aus. Personalisierungssteigernd wirkten dagegen der Personalisierungsgrad der Wahlkampagnen, das Vorziehen von Wahlen, ein hoher Marktanteil von Boulevardzeitungen, die Existenz von Fernsehduellen zwischen den Kanzlerkandidaten und eine

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Verbesserung der technischen Möglichkeiten von Bildspeicherung, -bearbeitung und -publikation.

6.4 Journalistische Qualität Der letzte Bereich, hinsichtlich dessen die Wahlkampfberichterstattung der deutschen und österreichischen Zeitungen hier untersucht wird, ist deren journalistische Qualität. Für die öffentliche Kommunikation in demokratischen Gesellschaften ist sie besonders wichtig, weil sie die Qualität des öffentlichen Diskurses und somit die Qualität der Demokratie mitbestimmt. Gerade in Wahlkämpfen, die im demokratischen Prozess einen zentralen Stellenwert besitzen, ist die Frage nach der journalistischen Qualität daher besonders relevant. Zwei Annahmen werden geprüft: 4a) Die österreichischen Zeitungen wiesen durchgängig eine geringere journalistische Qualität auf als die deutschen, das heißt sie berichteten weniger vielfältig, weniger transparent und stärker parteiisch. 4b) Im Zeitverlauf hat die journalistische Qualität in beiden Ländern zugenommen. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird anhand von drei journalistischen Qualitätskriterien – Vielfalt, Transparenz und Unparteilichkeit (mit den beiden Teildimensionen Neutralität und Ausgewogenheit) – überprüft. Deren Auswahl erfolgte pragmatisch: Aus der Vielzahl der in der Kommunikationswissenschaft gebräuchlichen Qualitätskriterien wurden die gewählt, die sich mit den vorhandenen Daten untersuchen ließen.

6.4.1 Vielfalt Als erstes Qualitätskriterium wird die inhaltliche Vielfalt der Wahlkampfberichterstattung – differenziert nach Informations- und Meinungsvielfalt – untersucht. Erstere wird operationalisiert anhand der Beitragsthemen und für die österreichischen Zeitungen anhand der darin vorkommenden Akteure, letztere anhand der Urheber wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Vergleich zwischen den Ländern, nicht zwischen den Zeitungen. Denn beide Pressemärkte sind außenpluralistisch organisiert, die verfassungsrechtlich geforderte inhaltliche Vielfalt wird also nicht von jeder einzelnen Zeitung verlangt, sondern soll durch die Anbietervielfalt sichergestellt werden.163 Strittig ist, ob ein Zusammenhang zwischen der strukturellen und der inhaltlichen

163 Die Vielfalt der Akteure kann nur für die österreichischen Zeitungen betrachtet werden, weil für sie im Unterschied zu den deutschen Blättern nicht nur die Kanzlerkandidaten, sondern daneben für jeden Beitrag bis zu vier Partei- oder Medienakteure erfasst wurden. Zwischen den einzelnen Zeitungen unterscheidet sich die thematische Vielfalt im Durchschnitt aller Wahlkämpfe insgesamt kaum.

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Vielfalt besteht, das heißt ob Pressekonzentration die inhaltliche Vielfalt beeinträchtigt (Kapitel 4.2.2.2). Dargestellt wird die Vielfalt jeweils mittels eines Vielfaltsindex, dem Maß der Relativen Entropie, das Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann.164 Der Wert 0 steht dabei für die völlige Konzentration der Berichterstattung auf einen einzigen Aspekt (ein Thema, Akteure einer Partei bzw. eines Mediums, eine Meinung), also für die geringstmögliche Vielfalt, der Wert 1 steht für die Berücksichtigung aller möglichen Aspekte, also für die größtmögliche Vielfalt (Brosius/Zubayr 1996: 195; Franzmann/Wagner 1999: 78;). Je größer der Entropiewert, desto vielfältiger ist demnach die Berichterstattung (Maurer 2005: 94). Dass der Höchstwert 1 erreicht wird, erscheint allerdings unwahrscheinlich und auch nicht wünschenswert, weil die Medien dann ihrer Aufgabe, auf Relevantes zu fokussieren, nicht mehr nachkämen. Einen Grenzwert, ab dem man von „ausreichender“ Vielfalt sprechen kann, gibt es nicht.

6.4.1.1 Thematische Vielfalt Die thematische Vielfalt betrifft die Frage, wie vielfältig die Zeitungen ihre Leser über verschiedene politische Themenfelder informiert haben. Die entsprechenden Entropiewerte werden anhand der in Kapitel 6.2 beschriebenen dreizehn Themenfelder errechnet. Abbildung 39 zeigt die Ergebnisse. Belege für einen Zusammenhang zwischen Marktkonzentration und thematischer Vielfalt finden sich darin allerdings nicht. Weder war die Tageszeitungsberichterstattung in Österreich thematisch gleichförmiger als in Deutschland, noch hat die Vielfalt im Zeitverlauf abgenommen. Im Gegenteil: Die Entropiewerte in beiden Ländern entwickelten sich über den Untersuchungszeitraum hinweg überraschend parallel. Die anfänglich hohen Vielfaltswerte von über 0.7 fielen etwa um 1960 in beiden Ländern auf unter 0.6, stiegen allmählich aber wieder auf über 0.7 in den 1980er Jahren, um ab Mitte der 1990er Jahre erneut zu sinken. Offensichtlich konzentrierte sich die Berichterstattung in beiden Ländern also zu ähnlichen Zeitpunkten ähnlich stark auf einzelne – wenn auch national unterschiedliche – Themenschwerpunkte.165 Ein Zusammenhang zwischen struktureller und thematischer Vielfalt erscheint umso unplausibler, wenn die Entropiewerte den Indexwerten der publi-

164 Der alternativ verwendete Herfindahl-Index gilt hinsichtlich der inhaltlichen Vielfalt als weniger valide (Kambara 1992; Brosius/Zubayr 1996: 195). 165 Der Wahlkampf, der in beiden Ländern in jeweils rund jedem zweiten Beitrag Thema ist, senkt die Indexwerte durchgängig – allerdings aufgrund der etwa gleich starken thematischen Konzentration hierauf in beiden Ländern fast gleichermaßen. Unter Ausschluss der Artikel zum Thema Wahlkampf steigen die Entropiewerte in beiden Ländern, in Österreich ist die thematische Vielfalt dann meist sogar noch etwas größer als in Deutschland. Große Länderunterschiede gibt es aber auch hierbei nicht.

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zistischen Konzentration (C4-Werte, Kapitel 4.2.3.2)166 gegenübergestellt werden: Träfe die Vermutung zu, müssten beide Kurven umgekehrt proportional verlaufen, bei steigender publizistischer Konzentration (steigendem C4-Wert) müsste die thematische Vielfalt (der Entropiewert) also sinken. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr entwickelten sich die strukturelle und die thematische Vielfalt in Deutschland offenbar völlig unabhängig voneinander, und in Österreich ist die thematische Vielfalt mit steigender Pressekonzentration eher noch gestiegen. Zumindest in dieser Hinsicht relativieren die Ergebnisse also die Befürchtungen, die mit Konzentrationsprozessen am Zeitungsmarkt verbunden sind. Abbildung 39: Thematische Vielfalt und publizistische Konzentration

T = -0,534; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,009. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836, Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen. Relative Entropie: (Σ (-a) * (2log a)) / log b, wobei a = Anteil der einzelnen Themen an allen Beiträgen; b = Anzahl aller Themenkategorien (Franzmann/Wagner 1999: 78). Publizistische Konzentration: C4Werte. Datenquelle: Schütz (2005); Melischek/Seethaler/Skodacsek (2004); Melischek/Oggolder/ Seethaler (2009). Eigene Berechnungen. Die Berechnungen zur publizistischen Konzentration für Deutschland (verkaufte Auflage) beruhen bis 1989 auf Gebiet und Bevölkerung der alten Bundesländer, ab 1990 auf Gebiet und Bevölkerung Gesamtdeutschlands. Die Berechnungen für Österreich beruhen bis 2000 auf der Druckauflage, ab 2001 auf der verkauften Auflage.

Es scheint sich hierbei um eine transnationale Entwicklung zu handeln, die mit dem gesellschaftlichen Wertewandel zu erklären sein dürfte: Früher zentrale gesellschaftliche Konfliktlinien haben an Dominanz verloren, neue an Bedeutung 166 Der Vergleich mit der publizistischen und nicht der ökonomischen Konzentration wurde gewählt, weil für Deutschland Werte zur ökonomischen Konzentration erst ab den 1980er Jahren vorliegen.

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gewonnen (Lipset/Rokkan 1967) – offensichtlich auch in der medialen Berichterstattung. Im Zusammenhang damit wurde der Politik im Zeitverlauf die Verantwortung für immer mehr gesellschaftliche Bereiche zugeschrieben, die dann auch Eingang in die politische und mediale Agenda fanden. Und auch die Parteien selbst, deren Unterscheidbarkeit sank, versuchten neue Themenfelder einzubringen und zu besetzen, um sich wieder besser von den politischen Konkurrenten abgrenzen zu können. Denkbar als Erklärung für die in jüngster Zeit geringer werdende Vielfalt der Berichterstattung ist ein Zusammenhang mit der Medienkrise um die Jahrtausendwende, die viele Redaktionen zu Einsparungen zwang und möglicherweise zur Folge hatte, dass die Zeitungen die Breite ihres thematischen Angebots einschränken mussten. Ein Rückgang des Seitenumfangs der Zeitungen ist auf Basis der oben beschriebenen Seitenzählung des Politik- und des gesamten redaktionellen Teils jedoch nicht feststellbar.

6.4.1.2 Akteursvielfalt Als Indikator der Informationsvielfalt kann man auch die Vielfalt der Akteure ansehen, die Rückschlüsse darüber zulässt, inwiefern die Berichterstattung den Vertretern verschiedener politischer Richtungen Raum gibt. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass sich das Parteienspektrum in Österreich ab den 1980er Jahren zunehmend erweitert hat und die Konzentration des Parteiensystems (der gemeinsame Stimmen- und Mandatsanteil von ÖVP und SPÖ) gesunken ist. Da diese politischen Entwicklungen in den Zeitungen zumindest bis zu einem gewissen Grad ihren Niederschlag finden sollten, erscheint ein Zusammenhang zwischen der (steigenden) Pressekonzentration und der Vielfalt der Akteure fraglich. Für die österreichischen Zeitungen konnten ab dem Wahlkampf 1966 pro Beitrag bis zu vier Partei- und Medienakteure erfasst werden. Abbildung 40 zeigt deren Entropiewerte von 1966 bis 2006.167 Die geringste Akteursvielfalt ist mit 0.50 und einer besonders starken Konzentration auf Akteure der Großparteien (SPÖ 55%, ÖVP 40%) für den Wahlkampf 1983 festzustellen, vermutlich aufgrund der Konzentration der Diskussionen auf die Frage, ob es der ÖVP gelingen würde, die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen. Am vielfältigsten war das Akteursspektrum mit 0.78 im Wahl167 Erfasste Parteien: ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, LIF, BZÖ, andere Parteien. Erfasste Medien: AZ, Presse, Standard, Krone, Kurier, ORF, profil. Erhoben werden konnten sowohl Einzelpersonen als auch Parteien bzw. Medien als Kollektivakteure, bei der folgenden Auswertung wird diese Unterscheidung jedoch aufgegeben. Aufgrund geringer Fallzahlen für die einzelnen Medien werden diese zusammengefasst. Weil sich das Parteienspektrum im Zeitverlauf verbreitert, vergrößert sich bei der Berechnung der Relativen Entropie die Anzahl der Kategorien. Zum Beispiel konnten bei der Nationalratswahl 1966 nur ÖVP, SPÖ und FPÖ gesondert erfasst werden (also drei Kategorien von Parteien bzw. Parteipolitikern), während 2006 daneben auch noch Grüne und BZÖ mögliche Akteure waren (fünf Kategorien).

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kampf 2006, in dem die Großparteien nur jeweils ein Drittel der Akteure stellten und sich ein weiteres Drittel der Akteure relativ gleichmäßig auf FPÖ, Grüne und BZÖ verteilte. Abbildung 40: Akteursvielfalt und Parteienkonzentration

Basis: 11.418 Akteure in 3.045 Beiträgen. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen. Relative Entropie: (Σ (-a) * (2log a)) / log b, wobei a = Anteil der einzelnen Akteursgruppen an allen Akteuren; b = Anzahl aller Akteurskategorien (Franzmann/Wagner 1999: 78). Publizistische Konzentration: C4-Werte. Datenquelle: Melischek/ Seethaler/Skodacsek (2004); Melischek/Oggolder/Seethaler (2009). Eigene Berechnungen. Die Berechnungen beruhen bis 2000 auf der Druckauflage, ab 2001 auf der verkauften Auflage.

Im Zeitverlauf nahm die Akteursvielfalt zunächst von 1966 bis zur Wahl 1971 ab, stieg bis 1994 (unterbrochen nur durch den Tiefpunkt 1983) wieder an und pendelte sich anschließend bis zum Ende des Untersuchungszeitraums auf einem relativ gleichbleibenden Niveau ein. Auch die Akteursvielfalt hat also entgegen der Annahme und den mit der Pressekonzentration verbundenen Befürchtungen mit steigender publizistischer Konzentration zugenommen. Wiederum war die inhaltliche Vielfalt stärker von den realen politischen Entwicklungen als von der strukturellen Vielfalt beeinflusst. Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungen gibt es dabei kaum, was vor allem für die AZ überrascht, von der man eine sehr starke Konzentration auf SPÖ-Akteure hätte erwarten können. Dennoch ist der Anstieg der Akteursvielfalt von 1986 bis 1990 auch erklärbar durch die Änderung im Zeitungssample von der AZ zum politisch neutraleren Standard.

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6.4.1.3 Meinungsvielfalt Die Informationsvielfalt hat im Zeitverlauf also in beiden Ländern zugenommen. Für eine umfassende politische Willensbildung der Bevölkerung ist jedoch nicht nur eine Vielfalt an Informationen, sondern auch an Meinungen notwendig: Die Medien sollen umfassend über verschiedene politische Ansichten informieren, damit sich die Rezipienten eine eigene Meinung bilden können. Auch die Meinungsvielfalt gilt es daher im Folgenden zu untersuchen. Operationalisiert wird sie anhand der Urheber wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten. Dem liegt die Vermutung zugrunde, dass verschiedene Urhebergruppen unterschiedliche Ansichten über die Kanzlerkandidaten vertreten. Je breiter das Spektrum an Urhebern ist, desto vielfältiger sind demnach die medial vermittelten Meinungen. Dieser Indikator lässt allerdings nur Aussagen über die Breite des Meinungsspektrums über die Kanzlerkandidaten zu, nicht über die Meinungsvielfalt der Zeitungen generell. Für die folgende Auswertung werden folgende Urhebergruppen gebildet:168 (1) Politiker der verschiedenen Parteien, wobei Politiker sämtlicher Kleinstparteien zu einer Gruppe zusammengefasst werden.169 (2) Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Experten (z. B. Kirchenvertreter, Gewerkschaftsvertreter, Sportler, Meinungsforscher). Weil die einzelnen Untergruppen im Vergleich zu den Parteipolitikern nur sehr selten vorkamen, werden sie für die folgende Auswertung zu einer Gesamtgruppe zusammengefasst. (3) Sonstige Urheber, die nicht unter (1) und (2) subsummiert werden können. Da die Zahl wertender Aussagen in Deutschland 1949 und in Österreich bis 1962 sehr gering war, weil die Berichterstattung in diesen Wahlkämpfen noch sehr wenig Bezug auf die Kanzlerkandidaten nahm, werden für diese Jahre keine Entropiewerte berechnet. Die geringste Meinungsvielfalt in den deutschen Zeitungen zeigt Abbildung 41 mit einem Indexwert von 0.54 für den stark polarisierten „Anti-Strauß-Wahlkampf“ 1980, als rund jede zweite wertende Aussage (51%) von einem SPD-Politiker stammte – ein Hinweis auf ein konsonantes Meinungsklima in den Zeitungen zugunsten der SPD. Das breiteste Spektrum an Urhebern wertender Aussagen wurde mit 0.91 im „Willy-Wahlkampf“ 1972 erreicht, in dem mit 19 Prozent ein ungewöhnlich hoher Aussagenanteil auf die Vertreter gesellschaftlicher 168 Journalisten und Redakteure, die insgesamt größte Urhebergruppe wertender Aussagen, werden aus der folgenden Analyse ausgeschlossen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie eine bestimmte, einheitliche Meinung zu den Kanzlerkandidaten vertreten. Die Meinungsvielfalt ließe sich dann durch die Urheber wertender Aussagen nicht mehr abbilden. Bezieht man die Journalisten ein, sinken aufgrund von deren relativ hohem Anteil an den wertenden Aussagen die Entropiewerte, das heißt, die Vielfalt wird aufgrund der relativ starken Konzentration auf diese Urhebergruppe geringer. 169 Auch hier vermehrt sich aufgrund der Erweiterung des Parteienspektrums im Zeitverlauf in beiden Ländern die Anzahl der Kategorien bei der Berechnung der Entropiewerte.

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Gruppen – darunter vermutlich Vertreter von Wählerinitiativen, die sich für Brandts Wiederwahl aussprachen – und Experten entfiel. Sie verzeichneten damit im Unterschied zu allen anderen Wahlkämpfen etwa gleich hohe Aussagenanteile wie Union und SPD, begründbar durch Brandts umstrittenen Weg, Neuwahlen durch die Vertrauensfrage herbeizuführen, und durch Diskussionen um seine Ostpolitik. Der ebenfalls sehr hohe Indexwert 1969 (0.90) erklärt sich durch den insgesamt höchsten Anteil an Aussagen von FDP-Politikern (18%) in diesem Wahljahr, wohl im Kontext der Spekulationen um eine potenzielle sozialliberale Koalition im Vorfeld der Wahl. Abbildung 41: Meinungsvielfalt (Urheber wertender Aussagen)

T = 1,385; df = 26; n. s.; Eta2 = 0,068. Basis: 2.980 wertende Aussagen (Deutschland: 1.998, Österreich: 982). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen. Relative Entropie: (Σ (-a) * (2log a)) / log b, wobei a = Anteil der einzelnen Urhebergruppen an allen Aussagen; b = Anzahl aller Urheberkategorien (Franzmann/Wagner 1999: 78).

Insgesamt schwankten die Entropiewerte in den deutschen Zeitungen von 1953 bis 1990 stark, danach ist ein Anstieg der Meinungsvielfalt erkennbar. Ein Zusammenhang mit der strukturellen bzw. publizistischen Vielfalt, die nach 1990 weitgehend stabil blieb, erscheint daher wie schon bei der thematischen Vielfalt auch für die Meinungsvielfalt nicht plausibel. Vielmehr sind hierfür wiederum das sich erweiternde Parteienspektrum und die sinkende Parteienkonzentration verantwortlich: Verursacht wird der Anstieg der Meinungsvielfalt ab 1990 dadurch, dass der Anteil der wertenden Aussagen von Vertretern der Großparteien CDU/CSU und SPD sank entsprechend der realpolitischen Bedeutung der Parteien, während der gemeinsame Anteil von Vertretern gesellschaftlicher Gruppen, Experten und sonstigen Urhebern stieg. 260

In den österreichischen Zeitungen wurde die geringste Meinungsvielfalt 1975 erreicht (0.44), dem Wahlkampf auf dem Höhepunkt der Macht von Kreisky und der SPÖ. Entsprechend dominierten die SPÖ-Politiker auch als Urheber wertender Aussagen (69%). Das breiteste Meinungsspektrum spiegelten die österreichischen Zeitungen 1990 (0.87) und 2002 (0.86) wider. In beiden Fällen war das Verhältnis von ÖVP-, SPÖ- und FPÖ-Politikern sowie Vertretern gesellschaftlicher Gruppen und Experten als Urheber wertender Aussagen weitgehend ausgeglichen, begründbar u. a. durch die zu diesen Zeitpunkten hohen Mandatsanteile der FPÖ. Über die Jahrzehnte hinweg nahm die Meinungsvielfalt in Österreich trotz zwischenzeitlicher Schwankungen insgesamt zu, was wie schon bei den Indikatoren der Informationsvielfalt gegen einen Zusammenhang zwischen struktureller und inhaltlicher Vielfalt spricht. Vielmehr spiegelten auch die österreichischen Zeitungen damit bis zu einem gewissen Grad die politische Realität bzw. die steigende politische Relevanz von Akteuren neben den Großparteien wider: Mit einem sinkenden Stimmen- und Mandatsanteil der Großparteien und parallel dazu steigenden Anteilen der kleinen Parteien ab Mitte der 1980er Jahre wurden erstere als Quellen von Bewertungen unwichtiger, letztere wichtiger, ebenso wie Repräsentanten gesellschaftlicher Gruppen, Experten und sonstige Urheber. Eine zusätzliche Verbreiterung des Meinungsspektrums ergab sich durch den Wechsel im Zeitungssample von AZ zu Standard 1990, weil letzterer unter allen drei österreichischen Zeitungen das insgesamt breiteste Spektrum an Kandidatenbewertungen präsentierte. Der Standard entsprach somit dem Qualitätskriterium Vielfalt in Österreich insgesamt am besten und hat damit zu einer erkennbaren Qualitätssteigerung des österreichischen Zeitungsmarktes beigetragen. Denn mit seiner Aufnahme ins Sample verschwand ein genereller Qualitätsunterschied zwischen beiden Ländern nahezu völlig: Bis 1986 gaben die deutschen Zeitungen fast durchgängig ein vielfältigeres Spektrum an Meinungen über die Kanzlerkanndidaten wieder, ab 1990 waren die Länderunterschiede jedoch nur noch gering, tendenziell enthielten jetzt sogar die österreichischen Zeitungen vielfältigere Meinungen. Die steigende Meinungsvielfalt steht insgesamt also auch im Zusammenhang mit dem sinkenden Einfluss des politischen Parallelismus (Udris/Lucht 2009: 24).170 170 Im Durchschnitt aller Wahljahre stammten 69 Prozent aller wertenden Aussagen (ohne Berücksichtigung der Aussagen von Journalisten) in der AZ von SPÖ-Politikern, im Standard bestand hingegen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen ÖVP (22%) und SPÖ (21%). Die Presse bevorzugte insgesamt Vertreter der ÖVP als Aussagenurheber (34% gegenüber 21% SPÖ). Gleichwohl ist aber anzumerken, dass im Standard im Unterschied zur Presse die Vertreter kleinerer Parteien (Grüne, LIF) in mehreren Wahlkämpfen ab 1990 gar nicht mit wertenden Aussagen über die Kanzlerkandidaten zitiert wurden. Die insgesamt größere Meinungsvielfalt des Standard ergibt sich also eher dadurch, dass die Kandidatenbewertungen durch Vertreter der größeren Parteien gleichgewichtiger zitiert wurden, und weniger durch eine umfassendere Berücksichtigung der Vertreter vieler kleinerer Parteien. Bei einer Parteizeitung wie der AZ können die Journalisten – anders als bei Richtungszeitungen –

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Einschränkend ist allerdings anzumerken: Auch wenn die Entropiewerte für beide Länder eine ähnlich vielfältige Berichterstattung nahelegen, muss dennoch aus zwei Gründen davon ausgegangen werden, dass den Bürgern in Deutschland bessere politische Informationsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Zum einen konnten sie auf mehr verschiedene Qualitätszeitungen zurückgreifen, die zum zweiten umfangreicher über die Wahlkämpfe berichteten als die österreichischen (Kapitel 6.1) und schon deshalb breitere Informationsmöglichkeiten boten.

6.4.2 Transparenz Als zweites Qualitätskriterium wird die Urhebertransparenz der Wahlkampfberichterstattung untersucht, die zur Nachprüfbarkeit und somit zur Glaubwürdigkeit des Berichteten beitragen soll. In der Inhaltsanalyse wurde für jeden Beitrag erfasst, ob ein Urheber (Journalist bzw. Redaktion, Nachrichtenagentur oder Gastautor, mit Kürzel oder vollständiger Namensnennung) angegeben war oder nicht. Abbildung 42 zeigt die Anteile der Beiträge mit deklariertem Urheber. Deutlich wird, dass sich die Autorennennung in Deutschland früher und nachhaltiger durchgesetzt hat, dieses journalistische Qualitätskriterium in Österreich also weniger gut erfüllt wurde. In der Gesamtbetrachtung aller Wahlkämpfe wiesen die deutschen Zeitungen bei 97 Prozent aller Beiträge, die österreichischen hingegen nur bei 73 Prozent den oder die Beitragsautoren aus. Sämtliche deutschen Zeitungen gaben bei nahezu allen Beiträgen zumindest einen Autor an, insgesamt lag der Anteil der Beiträge ohne Autorenangabe in Deutschland im gesamten Untersuchungszeitraum nur zweimal unter 90 Prozent: 1953, als die SZ viele Kurzmeldungen ohne Urhebernennung veröffentlichte, und 1976, als FR und Welt relativ viele Artikel ohne explizite Autorenangaben in speziellen Wahlrubriken brachten (Wilke/Reinemann 2000: 62). Dagegen verzichteten die österreichischen Zeitungen 1949 noch in neun von zehn Beiträgen auf Autorenangaben. In der Folgezeit stieg zwar der Anteil der urhebertransparenten Artikel sehr steil und fast kontinuierlich bis auf 89 Prozent im Wahlkampf 1971. Allerdings blieb die Urhebertransparenz auch danach in den österreichischen Zeitungen durchweg geringer als in den deutschen. Nur zweimal, 1979 und 1999, wiesen mehr als 90 Prozent der Beiträge ihren Autor aus. Für die Entwicklung der Urhebertransparenz der österreichischen Zeitungen erscheinen mehrere Gründe plausibel: Offensichtlich hielt sich die alte Tradition der Anonymität (Wilke 2009b) in Österreich viel länger als in Deutschland, auch weil die Alliierten im Rahmen der re-education dort wohl weniger nachdrücklich auf der Nennung der Beitragsautoren bestanden. Daneben könnten die seltenen Autorennennungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums zum Teil auch daebenfalls als Parteiakteure gelten. Betrachtet man die Urheber sämtlicher wertender Aussagen unter Einbeziehung der Aussagen von Journalisten, wird die Beschränktheit des Meinungsspektrums der AZ noch offensichtlicher, dann nämlich entfielen 87 Prozent auf SPÖ-Akteure (59 Prozent Journalisten, 28 Prozent Politiker).

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durch bedingt gewesen sein, dass die Nationalratswahlen 1949 und 1953 noch unter dem Regime der Besatzungsmächte stattfanden, welche die Möglichkeit gehabt hätten, Zensur auszuüben und missliebige Inhalte zu sanktionieren. Möglicherweise blieben manche österreichischen Journalisten also auch aus Angst vor Sanktionen als Beitragsurheber lieber anonym. Abbildung 42: Beiträge mit Urheberangabe

Chi2 = 1227,139; df = 1; p < 0,001; Cramers V = 0,361. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836, Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Außerdem dürften die große Bedeutung der Parteipresse in diesem Zeitraum und damit zusammenhängend die sich erst spät und weniger nachhaltig als in Deutschland vollziehende Distanzierung der Zeitungen von den politischen Parteien – mithin der politische Parallelismus – eine Rolle gespielt haben: Journalisten bei Parteizeitungen sind in erster Linie Teil der Partei als Kollektiv und geben nur die offizielle Parteilinie wieder. Das ist auch den Lesern der Zeitung bekannt, weshalb die individuellen Beitragsurheber für sie von untergeordneter Bedeutung sind. Für diese Annahme sprechen u. a. die Ergebnisse in Abbildung A3 im Anhang: Der Anstieg der Urhebertransparenz in Österreich am Beginn der 1960er Jahre ist demnach allein auf eine schlagartig zunehmende Autorenkennzeichnung der Qualitätszeitung Presse zurückzuführen, während die Parteizeitung AZ dieselbe Entwicklung erst zehn Jahre später vollzog und bis zu ihrem letzten hier betrachteten Wahlkampf 1986 ihre Urheber meist weniger konsequent auswies als die Presse.

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Ein weiterer Grund für die früher steigende Urhebertransparenz der Presse könnte sein, dass diese wirtschaftlich nicht von einer Institution im Hintergrund getragen wurde und sich folglich früher als die AZ um die Einhaltung journalistischer Professionsnormen bemühte. Das könnte u. a. in der stärkeren Offenlegung ihrer Quellen zum Ausdruck gekommen sein, die demnach als Zeichen der Bemühungen um mehr Offenheit zu deuten wäre, mittels derer man sich auch für Leser jenseits der Partei attraktiv machen wollte. Gestützt wird diese Vermutung dadurch, dass die plötzliche Steigerung der Urhebertransparenz in der AZ am Beginn der 1970er Jahre – von 26 Prozent (1970) auf über 80 Prozent (1971) – etwa zeitgleich mit dem zweiten Konzentrationsschub am österreichischen Tageszeitungsmarkt und den immer weiter sinkenden Marktanteilen der Parteipresse erfolgte (Melischek/Seethaler 1999: 118). Die Verbesserung der Urhebertransparenz könnte also eine Reaktion auf wachsenden ökonomischen Druck und folglich Teil einer Anpassungsstrategie an die Konkurrenzverhältnisse am Markt gewesen sein – der Versuch, durch mehr Transparenz Leser auch außerhalb des (schrumpfenden) Kreises der Parteimitglieder zu gewinnen. In Richtung einer verstärkten Konkurrenzorientierung deutet im weiteren Verlauf auch das erneute plötzliche Absinken des Anteils der Artikel mit Urhebernennung in der AZ 1986 auf nur noch 69 Prozent hin. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als die Zeitung schon massiv um ihr Überleben kämpfen musste und sich inhaltlich immer stärker boulevardesk ausrichtete – und in Boulevardzeitungen ist die Angabe der Autorenschaft sehr viel unüblicher als im Qualitätsjournalismus (Magin 2009: 53). Der Anstieg der Urhebertransparenz in den österreichischen Zeitungen insgesamt von 1959 bis 1971 scheint hingegen eher journalismusintern erklärbar: Genau in diesen Zeitraum fielen mehrere Ereignisse, die aufgrund der ausführlichen Diskussionen darüber den Journalisten die Bedeutung journalistischer Qualität verstärkt bewusst gemacht haben dürften: Die Gründung des österreichischen Presserats 1961, seine Neukonstitution 1963 und das Inkrafttreten des österreichischen Pressekodex 1971. Trotz der im Zeitverlauf klar gestiegenen Urhebertransparenz wiesen die österreichischen Zeitungen in diesem Bereich verglichen mit den deutschen aber auch am Ende des Untersuchungszeitraums ein Defizit auf, denn sie nannten ihre Urheber und Quellen immer noch zu einem geringeren Anteil. Wie der Vergleich der Autorengruppen in Kapitel 6.3.2.1 gezeigt hat, lag das maßgeblich daran, dass sie weniger sorgfältig als die deutschen angaben, wenn sie auf Agenturmaterial zurückgriffen, während die Anteile der Beiträge der zeitungseigenen Journalisten in beiden Ländern einander entsprachen. Offensichtlich war und ist das Bewusstsein für die Eigenständigkeit von Agenturmaterial in Österreich weniger stark ausgeprägt als in Deutschland – vermutlich auch aufgrund der Nähe vieler österreichischer Medien und Journalisten zur APA.

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6.4.3 Unparteilichkeit Das dritte hier untersuchte Qualitätskriterium ist die Unparteilichkeit der Wahlkampfberichterstattung mit ihren Teildimensionen Neutralität und Ausgewogenheit. Inwiefern beide von den deutschen und österreichischen Tageszeitungen eingehalten wurden, wird im Folgenden untersucht.

6.4.3.1 Neutralität Neutralität bezieht sich auf das ursprünglich angelsächsische Gebot der Trennung von Nachricht und Meinung, das sicherstellen soll, dass die Bürger sich auf Basis der medialen Berichterstattung vollständig, sachlich und unbeeinflusst eine eigene Meinung bilden können. Dass die Journalisten gerade in Elitezeitungen wie den hier untersuchten auch in den tatsachenbetonten Stilformen Bewertungen der Kanzlerkandidaten vornehmen, ist aufgrund ihrer Meinungsbildungsfunktion relativ wahrscheinlich. Es stellt sich aber die Frage, ob das – wie oben angenommen – aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen zwischen 1949 und 2006 in Österreich stärker der Fall war. Wie gut das Trennungspostulat befolgt wird, lässt sich am Anteil der tatsachenbetonten Berichte bemessen, die wertende Formulierungen über die Kanzlerkandidaten enthalten. Dazu wird zum einen auf Beitragsebene geprüft, in welchem Anteil der Nachrichten mit Kandidatenbezug für mindestens einen Kandidaten eine positive, negative oder ambivalente Grundtendenz festzustellen ist. Zum zweiten wird die durchschnittliche Anzahl wertender Aussagen pro tatsachenbetontem Beitrag betrachtet. Tatsachenbetonte Beiträge mit wertender Tendenz: Einen ersten Hinweis, dass sich die Trennungsnorm in Österreich tatsächlich weniger nachhaltig durchgesetzt hat als in Deutschland, erbringt die Analyse der tatsachenbetonten Beiträge mit wertenden Grundtendenzen über alle Wahlkämpfe hinweg: Insgesamt schrieben die österreichischen Zeitungen in 55 Prozent aller Nachrichten wertend über die Kanzlerkandidaten, die deutschen Zeitungen nur in 44 Prozent. Auch die einzelnen österreichischen Blätter (AZ 54%, Presse und Standard je 56%) waren in ihren Nachrichten bewertungsfreudiger als die deutschen (FR und Welt je 42%, FAZ 44%, SZ 48%). Da sich die Zeitungen innerhalb der Länder hinsichtlich dieses Indikators auch in den einzelnen Untersuchungsjahren nur geringfügig unterschieden, verbleibt die folgende Betrachtung auf Länderebene. In den einzelnen Wahljahren wurde in Österreich ebenfalls meist stärker gegen die Trennungsnorm verstoßen als in Deutschland (Abbildung 43). Der Anteil tatsachenbetonter Beiträge mit wertender Tendenz zumindest für einen Kandidaten lag in Österreich ab 1966 durchgängig über dem der deutschen Blätter. Die niedrigen Anteile im Zeitraum davor verwundern gerade vor dem Hintergrund des damals noch starken politischen Parallelismus. Sie dürften aber weniger auf eine striktere Handhabung des Trennungspostulats durch die österreichischen Zeitungen, sondern vielmehr auf ein Problem bei der Codierung zurückzuführen 265

sein: Gerade in dieser Phase differenzierten die Zeitungen noch mangelhaft zwischen tatsachen- und meinungsbetonten Stilformen und kennzeichneten letztere auch nicht. Entsprechend schwer fiel die eindeutige Differenzierung bei der Codierung. Vermutlich wurden Beiträge in den ersten Wahlkämpfen daher vor allem dann als tatsachenbetont verschlüsselt, wenn sie weitgehend frei von Bewertungstendenzen waren. Dafür sprechen auch die in diesem Zeitraum teilweise überdurchschnittlich hohen Anteile an meinungs- im Vergleich zu tatsachenbetonten Stilformen in den österreichischen Zeitungen (Kapitel 6.3.2.2). Abbildung 43: Tatsachenbetonte Beiträge mit wertender Tendenz

Chi2 = 49,555; df = 2; p < 0,001; Cramers V = 0,106. Basis: 4.939 tatsachenbetonte Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kanzlerkandidaten (Deutschland: 2.986, Österreich: 1.407). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Weiter stellt sich die Frage, wie sich die Einhaltung des Trennungsgebots über die Zeit hinweg entwickelte und ob sie sich, wie angenommen, immer stärker etabliert hat. In Deutschland haben sich in den ersten Nachkriegswahlen bis 1961 zunächst allerdings eher Normverstöße ausgebreitet. Danach gingen diese aber wieder zurück, und zwischen 1976 und 1990 sank der Anteil der Nachrichten mit Bewertungstendenzen tatsächlich leicht. Ab 1994 allerdings stieg er erneut an – ein Hinweis auf eine Relativierung der Trennungsnorm, die auch im Zusammenhang mit der generellen Zunahme meinungsbetonter Stilformen und folglich der wachsenden Autonomie der Journalisten zu sehen ist (Kapitel 6.3.2). Möglicherweise kommt in dieser Aufweichung daneben eine zunehmende Publikumsund Unterhaltungsorientierung der Zeitungen zum Ausdruck, mittels der sie der wachsenden intermediären Konkurrenz durch Privatfernsehen und Internet zu begegnen versuchten. 266

In den österreichischen Zeitungen stieg der Anteil der wertenden Nachrichten von 1962 bis 1979 fast kontinuierlich auf über 70 Prozent an – zeitgleich mit dem Aufstieg der Krone zum marktbeherrschenden Boulevardmedium. Hier könnte ein Zusammenhang bestanden haben: Ein Charakteristikum der Krone ist ihre ausgesprochene Meinungsfreudigkeit, sie enthält deutlich mehr Meinungsbeiträge als andere österreichische Zeitungen (Pfändner 1994; Stark/Magin 2011). Die Orientierung an dieser immer marktmächtigeren Konkurrenz könnte also auch in AZ und Presse zu einer Steigerung der Meinungsbeiträge geführt haben. 1983 und 1986 sank in den österreichischen Blättern der Anteil der normverletzenden Beiträge, ab 1990 nahm er aber etwa zeitgleich mit derselben Entwicklung in Deutschland wieder zu. Das ist zum Teil, aber nicht nur auf die Änderung im österreichischen Zeitungssample zurückzuführen: Der Standard enthielt einen höheren Anteil wertender Nachrichten als die AZ gegen Ende des für sie betrachteten Zeitraums. Ab 1990 entwickelte sich dieser Anteil sprunghaft. In der Presse dagegen stieg er von 1986 bis 2006 (abgesehen von einem deutlichen „Ausreißer“ nach oben 1995) allmählich an, was für eine sukzessive Aufweichung der Trennungsnorm zumindest in dieser österreichischen Zeitung spricht. Wertende Aussagen in tatsachenbetonten Beiträgen: Im Unterschied zu diesem ersten Indikator für explizite Verstöße gegen die Trennungsnorm belegt der zweite in Abbildung 44 allerdings nur zum Teil eine geringere Qualität der österreichischen Zeitungen:171 Der durchschnittliche Anteil wertender Aussagen von Journalisten in tatsachenbetonten Stilformen unterschied sich insgesamt kaum zwischen den Ländern (Deutschland 0,16, Österreich 0,18) und schwankte im Zeitverlauf jeweils stark. Die meisten wertenden Aussagen von Journalisten pro tatsachenbetontem Beitrag fanden sich in den deutschen Zeitungen 1994 (0,49) und 2002 (0,39), in den österreichischen Zeitungen 1975 (0,44). Besonders wenige journalistische wertende Aussagen in Nachrichten gab es in Deutschland 1972 (0,05) und 1998 (0,06), in Österreich 1983 (0,14) und 1999 (0,08). Das hängt größtenteils wie in Kapitel 6.3.2.4 beschrieben mit dem Spannungsgehalt und der Schärfe der Auseinandersetzung im Wahlkampf zusammen: In emotionalen Wahlkämpfen mit offenem Ausgang (Deutschland 1972 und 1998, Österreich 1983 und 1999) engagierten sich die Parteien vermutlich stärker und boten den Journalisten dadurch mehr Stoff für die Berichterstattung und zitierfähige Kandidatenbewertungen. In weniger spannenden, früh entschiedenen Wahlkämpfen hingegen (Deutschland 1994, Österreich 1975) gab es weniger zitierfähige opportune Zeugen und die Journalisten mussten selbst Partei ergreifen (Reinemann/Wilke 2003: 194). Das gilt allerdings nicht für den spannenden Wahlkampf 2002, in dem aber vor allem 171 Aufgrund der insgesamt geringen Anzahl wertender Aussagen in tatsachenbetonten Stilformen pro Wahljahr kann die Auswertung nur auf Ebene der Länder, nicht der Zeitungen durchgeführt werden. Zum selben Ergebnis für die Länder führt die Berechnung der durchschnittlichen Aussagenzahl pro Beitrag auf Basis der Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kanzlerkandidaten.

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die beiden TV-Duelle den Journalisten viel Anlass für eigene Bewertungen lieferten. Abbildung 44: Wertende Aussagen in tatsachenbetonten Beiträgen

T = -0,085; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,000. Basis: 1.299 wertende Aussagen in 7.565 tatsachenbetonten Beiträgen (Deutschland: 780 Aussagen in 4.756 Beiträgen, Österreich: 519 Aussagen in 2.809 Beiträgen). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Zwischen 1970 und 1990 enthielten meist die Nachrichten in den österreichischen Blättern im Schnitt mehr wertende journalistische Aussagen. Vor und nach diesen Wahljahren missachteten jedoch eher die deutschen Blätter die Norm – was mit den längeren Artikeln zusammenhängt, die mehr Raum für wertende Aussagen ließen (Kapitel 6.1.2). Im Zeitverlauf nahm die durchschnittliche Anzahl journalistischer wertender Aussagen in Nachrichten in beiden Ländern eher zu als ab, die explizite Vermischung von Nachricht und Meinung stieg also an. In Österreich war das vor allem zwischen 1962 und 1975 und ab 2002 der Fall, in Deutschland erst ab 1994 (ausgenommen 1998) – ein weiterer Beleg für die Aufweichung der Trennungsnorm in jüngster Zeit. Zwischen 1975 und 1999 ist für die österreichischen Zeitungen hingegen von einer steigenden Neutralität, also einem Qualitätsgewinn, zu sprechen, weil in diesem Zeitraum die Zahl wertender Aussagen von Journalisten in den tatsachenbetonten Stilformen alles in allem sank. Verstöße gegen die Trennungsnorm sind somit für beide Länder belegbar. Nimmt man beide Neutralitätsindikatoren zusammen, zeigen sich ab dem Ende der 1960er Jahre bis etwa 1990 wie vermutet stärkere Normverstöße in Öster268

reich, zurückzuführen vor allem auf den politischen Parallelismus und die Anpassungsstrategien der Elitetageszeitungen an die marktdominante Boulevardpresse. Für die Zeit davor erschwert die dünne Datenbasis in Österreich eindeutige Befunde, ab 1990 fallen die Ergebnisse je nach Indikator unterschiedlich aus, sie verweisen aber für beide Länder in jüngster Zeit auf zunehmende Verstöße gegen das Trennungspostulat. Möglicherweise ist das ein Zeichen von Boulevardisierungsstrategien der Elitezeitungen, mit denen sie auf den wachsenden intermediären Konkurrenzdruck durch (Privat-)Fernsehen, Internet und vor allem in Österreich durch die marktmächtigen Boulevardblätter reagiert haben.172

6.4.3.2 Ausgewogenheit Das zweite Kriterium journalistischer Unparteilichkeit ist die Ausgewogenheit, also die Gleichbehandlung der politischen Akteure (hier: der Kanzlerkandidaten) in der Berichterstattung. Untersucht werden dazu vier Konstruktionsmechanismen von news bias in den einzelnen Zeitungen:173 (1) Das Verleihen publizistischer Prominenz durch Vorkommen und Zitierung der Kandidaten, (2) die Bewertungen der Kandidaten, (3) der Einsatz „opportuner Zeugen“ (Hagen 1992) bzw. die Akteurssynchronisation, also das bevorzugte Zitieren von Personen, die mit der eigenen redaktionellen Linie übereinstimmen, und (4) die Meinungssynchronisation, das heißt die Gleichsinnigkeit der Kandidatenbewertungen in Nachrichten und Meinungsbeiträgen. Durch all diese Muster verzerrter Auswahl können die Zeitungen selbst zu politischen Akteuren werden. Durch die kombinierte Betrachtung von Aufmerksamkeit und Bewertungen wird zudem geprüft, inwieweit die Zeitungen implizite Wahlempfehlungen ausgesprochen haben. Operationalisiert werden diese als erhöhte positive oder neutrale Aufmerksamkeit für den der redaktionellen Linie nahestehenden Kandidaten (bei FAZ, Welt und Presse der bürgerliche bzw. konservative, bei FR, SZ, 172 Interessant ist im Zusammenhang mit der Neutralität auch, dass sich in sämtlichen Zeitungen erst allmählich eigene Kommentarseiten herausgebildet haben, wie die Zählung des Seitenumfangs der Zeitungen (Kapitel 6.3.1) ergibt. Das hängt mit der allmählichen Ausweitung des Seitenumfangs zusammen (Kapitel 6.1), spricht aber auch für ein wachsendes Bewusstsein für die Wichtigkeit der Trennung von redaktionellem und Meinungsteil. 173 Ein weiteres Kriterium, an dem sich Ausgewogenheit bemessen lässt, ist die Themensynchronisation, die Übereinstimmung der Themen im Nachrichten- und Kommentarteil eines Mediums. Einziges Kriterium dafür ist das Vorkommen gleicher Inhalte in beiden Stilformen. „Gemäß dieser Forschungslinie kann man bereits dann von Synchronisation sprechen, wenn ein im Kommentarteil aufgegriffenes Thema eine überdurchschnittliche Beachtung im Nachrichtenteil findet – selbst dann, wenn sich die Bewertungen in beiden Teilen unterscheiden.“ (Jandura/Großmann 2003: 202) Bedenklich erscheint eine solche Parallelität der Themen, weil sie zu einer einseitigen Unterrichtung des Publikums führt (Eilders 2002). In der vorliegenden Studie muss auf eine Auswertung der Themensynchronisation jedoch verzichtet werden, weil die Anzahl vor allem der meinungsbetonten Beiträge pro Zeitung und Wahlkampf in vielen Wahljahren so gering ist, dass auf dieser Basis keine gesicherten Aussagen möglich sind.

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AZ und Standard der sozialdemokratische Kandidat) oder als erhöhte negative Aufmerksamkeit für den Gegenkandidaten. Ob dahinter jeweils tatsächlich eine bewusste Beeinflussungsabsicht stand – und erst dann wären die Zeitungen wirklich als politische Akteure zu betrachten – muss allerdings dahingestellt bleiben. Zu bedenken ist dabei auch, dass Parteien und ihre Spitzenkandidaten nicht deckungsgleich sind und dass sich das Naheverhältnis im Zeitverlauf auch verändern kann. Das heißt, dass eine Zeitung ideologisch zwar einer Partei nahestehen, zu deren Spitzenkandidaten im Einzelfall aber trotzdem eine kritische Distanz besitzen kann oder umgekehrt. Ziel der folgenden Analysen ist nicht zu zeigen, ob die Zeitungen überhaupt gegen das Ausgewogenheitsgebot verstoßen haben. Denn damit ist in allen Richtungszeitungen zu rechnen, weil das Partei-Ergreifen Teil ihrer Meinungsbildungsfunktion ist. Vielmehr geht es um die Frage, ob dabei Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich bestanden, die sich durch die unterschiedlichen strukturellen Bedingungen in beiden Ländern erklären lassen. Das auch vor dem Hintergrund, dass in Österreich Verletzungen des Ausgewogenheitsgebots aus demokratietheoretischer Sicht problematischer sind, weil in dem kleinen Land die Zahl der Medien gering ist und daher die Informationsmöglichkeiten über alternative Meinungen begrenzt sind. Verleihen publizistischer Prominenz: „Publizität stellt für Politiker eine Prämie dar, die die Wahrscheinlichkeit vergrößert, daß [sic!] sie Äußerungen machen, die öffentliche Aufmerksamkeit finden.“ (Kepplinger 1998: 202) Abbildung 45 zeigt, wie stark sich die Aufmerksamkeit für beide Kandidaten in den einzelnen Zeitungen im Lauf der Jahrzehnte unterschied. Werte rechts der y-Achse stehen für einen Aufmerksamkeitsvorsprung des Kandidaten von CDU/CSU bzw. ÖVP, Werte links der y-Achse für einen Aufmerksamkeitsvorsprung des Kandidaten von SPD bzw. SPÖ. Kämen die Spitzenkandidaten beider Parteien in der Berichterstattung ausgewogen, das heißt in einem gleich hohen Artikelanteil vor, müssten die Linien in der Grafik entlang der y-Achse verlaufen. Das ist in beiden Ländern nicht der Fall. Vielmehr differierte die Medienpräsenz beider Kandidaten in den meisten Wahljahren in sämtlichen Zeitungen deutlich – und zwar in Abhängigkeit vom jeweiligen Amtsinhaber, der bei fast allen Wahlen in fast allen Zeitungen in einem höheren Anteil der Beiträge vorkam. In allen Blättern bestimmte also eher der Kanzlerbonus und weniger die Parteipräferenzen der Zeitungen über die mediale Aufmerksamkeit. Abweichungen von der Dominanz des Kanzlerbonus gab es nur vereinzelt, und in den deutschen Zeitungen standen sie meist sogar im Widerspruch zu den redaktionellen Linien. Wenn die Zeitungen dem Herausforderer der „Gegenpartei“ erhöhte Aufmerksamkeit schenkten, handelte es sich dabei allerdings in aller Regel um negative, wie im weiteren Verlauf dieses Kapitels gezeigt wird. So bekam der Herausforderer Strauß von der CSU im stark polarisierten Wahlkampf 1980 gerade in den linksorientierten Zeitungen FR und SZ größere Aufmerksamkeit als Bundeskanzler Schmidt (SPD). 270

Abbildung 45: Aufmerksamkeitsdifferenzen zwischen den Kanzlerkandidaten Deutschland

Österreich

Deutschland: F = 0,979; df1 = 3; df2 = 60; n. s.; Eta2 = 0,047. Österreich: F = 1,657; df1 = 2; df2 = 33; n. s.; Eta2 = 0,091. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836, Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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Die Herausforderer von der SPD hatten in der Welt 1983 und in der FAZ 1994 und 1998 einen Aufmerksamkeitsvorsprung. Und 2005 war Herausforderin Merkel (CDU) in sämtlichen, auch den linksgerichteten Zeitungen, hinsichtlich der medialen Präsenz im Vorteil gegenüber Amtsinhaber Schröder – begründbar zum einen durch die erstmalige Kandidatur einer Frau um das Kanzleramt, zum zweiten aber auch dadurch, dass der Wahlsieg der Union sicher schien. Das dürfte die Aufmerksamkeit für die gegnerische Kandidatin in FR und SZ gesteigert haben. Die österreichischen Zeitungen hingegen wichen im Verleihen publizistischer Prominenz meist entsprechend den redaktionellen Linien vom Kanzlerbonus ab: In der AZ kamen die SPÖ-Kandidaten Schärf 1953 und Pittermann 1962 und 1966 trotz ihres Herausforderer-Status in mehr Beiträgen vor als die Kanzler Figl, Gorbach und Klaus. 1966 galt das auch für die Presse – ebenso wie für beide Zeitungen bei Kreiskys Kandidatur als Herausforderer 1970, auf die seine 13-jährige Kanzlerschaft folgte. Bei den Wahlen 1995 und 1999 hatte Herausforderer Schüssel (ÖVP) in der Presse einen Aufmerksamkeitsvorteil gegenüber den Kanzlern Vranitzky bzw. Klima, während bei seiner ersten Kandidatur als Kanzler 2002 im Standard sein Herausforderer Gusenbauer häufiger vorkam. Insgesamt waren die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den österreichischen Zeitungen entgegen der Erwartung geringer als in den deutschen, sie berichteten also ausgewogener und erfüllten somit in diesem Punkt das Qualitätskriterium Ausgewogenheit besser. Das ist durch die unterschiedliche politische Relevanz der Herausforderer in beiden Ländern erklärbar: In großen Koalitionen – der in Österreich häufigsten, in Deutschland seltenen Regierungsform – hat der Herausforderer in aller Regel eine gouvernementale Funktion, häufig als Vizekanzler, was seine Chancen auf Berichterstattung gegenüber einem Oppositionskandidaten (wie zumeist in Deutschland) erhöht. In dieses Muster passt auch die besonders erhöhte Medienpräsenz von Kreisky während der SPÖ-Alleinregierungen in den 1970er Jahren. Offensichtlich hatten die Regierungsmuster und realen Mehrheitsverhältnisse in Österreich also einen starken Einfluss auf die mediale Aufmerksamkeit für die Kanzlerkandidaten trotz des politischen Parallelismus, der eine stärker verzerrte Nachrichtenauswahl nahelegen würde. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für die Schwankungen des Aufmerksamkeitsbonus im Zeitverlauf und die ausgewogenere Kandidatenpräsenz in Österreich bieten die Mandatsunterschiede im Parlament zwischen den Großparteien vor der Wahl (Abbildung 46):174 In Deutschland war der Aufmerksamkeitsvorsprung des amtierenden Kanzlers oft dann besonders groß, wenn seine Partei bzw. Fraktion im Bundestag einen großen Mandatsvorsprung besaß. Mit

174 Denkbar wäre auch ein Vergleich des Aufmerksamkeitsvorsprungs mit dem Mandatsvorsprung der jeweiligen Regierung. Da große Koalitionen jedoch einen sehr viel größeren Vorsprung vor der Opposition besitzen als kleine, liefert eine solche Gegenüberstellung vor allem für Österreich aufgrund der dort häufigen großen Koalitionen wenig aussagekräftige Ergebnisse.

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Abbildung 46: Aufmerksamkeits- und Mandatsdifferenzen Deutschland

Österreich

Aufmerksamkeitsdifferenzen: T = 1,233; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,045. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836, Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen. Datenquelle: Wilke/ Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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sinkendem Mandatsvorsprung der Kanzlerpartei bzw. -fraktion sank häufig auch der Aufmerksamkeitsvorsprung des Kanzlers oder schlug sogar in einen Sichtbarkeitsbonus des Herausforderers um – besonders deutlich zwischen 1949 und 1969 und zwischen 1987 und 1998 (die Ausnahmewahl 1990 ausgenommen). Ähnliche Tendenzen sind in Österreich nicht erkennbar, vermutlich auch deshalb, weil hier die Mandatsverteilung zwischen den Großparteien meist ausgeglichener war als in Deutschland. Gerade das könnte allerdings mit zur Erklärung der insgesamt ausgewogeneren Aufmerksamkeit für beide Kandidaten beigetragen haben. Neben den Mandatsdifferenzen erscheint noch ein weiterer Faktor für die starken Schwankungen im Zeitverlauf plausibel als Erklärung: Die Amtsdauer des amtierenden Kanzlers zum Zeitpunkt der Wahl. In einem Modell zur Prognose von Wahlergebnissen verwendeten Norpoth und Gschwend (2003: 23) die Amtszeit der jeweiligen Regierung als Prädiktor für das Wahlergebnis: „The longer a government is in office, the more its electoral support diminishes, to a point where defeat in an election brings on a new government.“ Denkbar ist ein entsprechender Effekt in der Berichterstattung dahingehend, dass die Zeitungen einem Kanzler zu Beginn seiner Amtszeit einen größeren Aufmerksamkeitsbonus einräumen als gegen Ende. Aufgrund der geringen Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungen verbleibt die folgende Ergebnisdarstellung auf Ebene der Länder. Betrachtet man in Abbildung 47 die Kandidaten, die bei mehreren Wahlen als Amtsinhaber angetreten sind, zeigt sich in beiden Ländern tatsächlich ein „Ermüdungs-“ bzw. „Abnutzungseffekt“: Mit zunehmender Amtsdauer sank zumeist der Sichtbarkeitsbonus in der Berichterstattung. Das galt in Deutschland für Adenauer (1953 bis 1961), Schmidt (1976 bis 1980) und Schröder (2002 bis 2005), in Österreich für Raab (1956 bis 1959), Klaus (1966 bis 1970) – der ohnehin jeweils im Aufmerksamkeitsrückstand gegenüber seinen Herausforderern war – und Kreisky (1971 bis 1983). Abweichungen von diesem Muster gab es nur bei drei Kanzlern: Bei Kohl (1983 bis 1998), Vranitzky (1986 bis 1995) und Schüssel (2002 bis 2006). Bei Kohl ist das durch die Ausnahmesituation in zwei seiner Wahlkämpfe begründbar: Der geringe Vorsprung 1983 erklärt sich durch seine erst wenige Monate dauernde Amtszeit, die ihm bis zur Wahl nur wenig Gelegenheit ließ, sich als Kanzler zu profilieren. Und 1990 war er aufgrund seiner dominierenden Rolle im Prozess der Wiedervereinigung klar im Vorteil gegenüber Lafontaine. Kohls Aufmerksamkeitsbonus in den übrigen Wahlen passt aber ebenfalls in das beschriebene Muster. Derselbe Effekt wie bei Kohl 1983 zeigt sich bei Vranitzky 1986: Auch er war zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate im Amt und erreichte in der Folge keinen großen Sichtbarkeitsbonus in der Wahlkampfberichterstattung. Bei der darauffolgenden Wahl stieg sein Vorsprung aber an und wurde dann bis 1995 sukzessive geringer. Einzig Schüssel konnte den Präsenzvorsprung von seinem

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Abbildung 47: „Abnutzungseffekt“ der amtierenden Kanzler Deutschland

Österreich

T = 1,233; df = 32; n. s.; Eta2 = 0,045. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836, Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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ersten zu seinem zweiten Wahlkampf als Kanzler ausbauen. Möglicherweise spielte dabei eine Rolle, dass er beide Male gegen Gusenbauer antrat, was einen Abnutzungseffekt des Herausforderers bedingt haben könnte. Auffällig ist in der Gesamtbetrachtung außerdem, dass sich im Lauf der Jahrzehnte die Aufmerksamkeitsdifferenz zwischen den Kandidaten insgesamt verringert hat. Wurde Adenauer 1953 noch in einem 32 Prozent und Kreisky 1971 in einem 27 Prozent höheren Beitragsanteil als der jeweilige Herausforderer erwähnt, fielen diese Differenzen ab den 1980er Jahren insgesamt sichtlich geringer aus (abgesehen von der Ausnahmewahl 1990 in Deutschland). Die Ausgewogenheit des Vorkommens der Kandidaten in der Berichterstattung hat also zugenommen, und insofern auch die Qualität der Berichterstattung. Zum Teil ist das sicherlich durch den Machtverlust der Großparteien und die kleiner werdenden Mandatsdifferenzen zwischen ihnen begründet. Daneben könnte es aber auch auf eine veränderte Beziehung der Journalisten zu den Kanzlern als staatliche Autoritäten zurückzuführen sein, die sich durch größere Distanz und eine kritischere Haltung auszeichnet. So betrachtet könnte der sinkende Amtsbonus also ein Zeichen zunehmender journalistischer Autonomie und der Entkopplung des Mediensystems vom politischen System sein, wie in den Ansätzen des neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit und der Massenmedien als intermediäre Akteure postuliert (Kapitel 6.3.2). Weitere Möglichkeiten, den Kandidaten (unterschiedliche) publizistische Prominenz zu verleihen, sind das Vorkommen der Kandidaten auf der Titelseite und die Bebilderung. Beides zieht besondere Aufmerksamkeit des Lesers auf sich und erhöht dadurch die Sichtbarkeit des Kandidaten in der Berichterstattung. Aufgrund der geringen Anzahl an Beiträgen auf der Titelseite und bebilderter Beiträge muss der Vergleich an dieser Stelle auf Länderebene verbleiben, eine Gegenüberstellung der Zeitungen in den einzelnen Jahren ist nicht möglich. Betrachtet man, in welchem Anteil der Beiträge auf der Titelseite die Kandidaten jeweils vorkamen, entspricht das Ergebnis im Wesentlichen den zuvor beschriebenen Befunden zu Kanzlerbonus und „Ermüdungseffekt“ in der medialen Präsenz allgemein: Wenn ein Kandidat in der Berichterstattung insgesamt öfter vorkam als sein Konkurrent, dann war das auch auf der Titelseite der Fall, wobei der Vorsprung auf Seite 1 tendenziell noch etwas größer ausfiel. Mit Ausnahme weniger Wahlkämpfe hatte also auch auf der Titelseite der amtierende Kanzler einen Sichtbarkeitsvorsprung vor dem Herausforderer, der mit zunehmender Amtsdauer sank. Prozentuiert man hingegen nicht auf die Beiträge auf Seite 1, sondern betrachtet, welcher Anteil der Beiträge mit Bezug zu beiden Kandidaten sich auf der Titelseite befand, differierten die Anteile zwischen Kanzler und Herausforderer kaum, hier ist also kein genereller Amtsbonus festzustellen. Das heißt: Zwar hatte der amtierende Kanzler größere Chancen, in der Berichterstattung erwähnt zu werden. Wenn Kanzler und Herausforderer aber den Sprung in die Berichterstat-

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tung geschafft hatten, fanden sich die Beiträge mit Bezug zu ihnen zu etwa gleichen Anteilen auf der Titelseite wieder. Ähnliches ergibt sich für die Bebilderung, gemessen am Anteil der Artikel mit Kandidatenbezug, in denen wenigstens ein Bild des jeweiligen Kandidaten vorhanden war. Insgesamt gab es nur wenige Beiträge mit Bildern der Kandidaten, und wenn es sie gab, dann war der Amtsinhaber nur in wenigen Fällen öfter abgebildet als der Herausforderer. Einzig die AZ brachte deutlich mehr Illustrationen der SPÖ- im Vergleich zu den ÖVP-Kandidaten. Das bestätigt die Ergebnisse von Wilke und Reinemann (2000: 125-127), die bei einem Vergleich der Anzahl der Abbildungen von Kanzler und Herausforderer zu dem Ergebnis kamen, dass sich beide kaum unterschieden und somit kein genereller Amtsbonus festzustellen war. Zitierung: Zentral für die Ausgewogenheit im Sinne „kommunikative[r] Chancengleichheit“ (Neuberger 1997: 316) sind neben dem ausgewogenen Vorkommen der Spitzenkandidaten auch ihre Chancen, zitiert zu werden. In Zitaten werden die Positionen der Parteien und Kandidaten vergleichsweise unverfälscht wiedergegeben, und nur wenn die Wähler diese kennen, können sie sich eine eigene Meinung dazu bilden. Um zu überprüfen, ob die Zeitungen dafür die Voraussetzungen boten, wird verglichen, welcher Anteil der in einer Zeitung insgesamt enthaltenen Zitate (gemessen in Anschlägen bzw. Zeichen) auf beide Kandidaten entfiel und wie groß die Differenz zwischen beiden war, das heißt, ob beide ausgewogen zitiert wurden oder ob einer einen Vorsprung besaß. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist das oben genannte erhebungstechnische Problem zu berücksichtigen, dass die AZ vor allem bis zum Beginn der 1970er Jahre ihre Zitate nur unzureichend als solche kennzeichnete. Berechnet man die Differenz zwischen den Kandidaten zunächst für die Länder, zeigt sich für beide im Wesentlichen dasselbe Muster wie beim Vorkommen der Parteien, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt: Der Amtsinhaber kam in der Regel nicht nur häufiger vor als sein Herausforderer, sondern er wurde – damit eng zusammenhängend – auch umfangreicher zitiert. Mit zunehmender Dauer der Amtszeit wurde dieser Zitierungsvorsprung geringer, ausgenommen die Kanzler Kreisky und Schüssel (Abbildung 48). Allerdings betrug der Zitierungsvorsprung der deutschen Bundeskanzler vor ihren Herausforderern – abgesehen von Kohl 1987 bis 1994 – stets unter 20 Prozent, war also nicht sehr groß. 2005 hatte Merkel als Herausforderin nicht nur einen Aufmerksamkeits-, sondern auch einen Zitierungsvorsprung. Deutlich größer waren die Differenzen zwischen beiden Kanzlerkandidaten in Österreich bis zum Beginn der 1990er Jahre, dann wurden sie auch hier geringer, wobei wiederum ein Zusammenhang mit dem veränderten Zeitungssample naheliegt. Es ist zu vermuten, dass die Ergebnisse durch Unterschiede in den einzelnen Zeitungen bedingt sind. Dass für Deutschland insgesamt nur für Kohls Amtszeit ein deutlicher Zitierungsbonus für den Kanzler festzustellen ist, liegt in der Tat daran, dass die Zeitungen sich sehr stark darin unterschieden, welchen Kandi277

daten sie umfangreicher zitierten (Abbildung A5 im Anhang). Vor allem während der unionsgeführten Regierungen bis 1969 war ein eindeutiger Kanzlerbonus nur in der FAZ festzustellen, in den drei übrigen Zeitungen lag der Vorteil in etwa der Hälfte der Fälle eher beim Herausforderer. Das könnte bei SZ und FR, nicht aber bei der Welt durch die redaktionelle Linie erklärbar sein. Ausgewogen zitierte jedenfalls keine deutsche Zeitung die Kandidaten. Abbildung 48: Zitierung beider Kanzlerkandidaten

T = 2,110; df = 32; p < 0,05; Eta2 = 0,122. Basis: 1.579.862 Zitatzeilen in 9.442 Beiträgen (Deutschland: 1.134.022 Zeilen in 5.836 Beiträgen; Österreich: 445.840 Zeilen in 3.606 Beiträgen). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Erkennbar ist ein Zitierungsvorsprung des Kanzlers schon eher während der sozialliberalen Koalition in den Wahlkämpfen 1972 bis 1980, aber auch hier war es noch so, dass in jeweils ein oder zwei Zeitungen der Herausforderer (in diesem Fall der Unionskandidat) breiter zitiert wurde als der Kanzler. Allerdings war der Vorsprung des Kanzlers in den einzelnen Zeitungen ggf. größer als der des Herausforderers, das heißt, wenn der Kanzler im Vorteil war, dann war die Berichterstattung unausgewogener als wenn der Herausforderer größere Aufmerksamkeit bekam. Eindeutig zeigte sich der Kanzlerbonus in sämtlichen Zeitungen erst während Kohls Amtszeit, was zu seinem deutlichen Gesamtvorsprung gegenüber seinen wechselnden Opponenten führte. Auch SZ und FR zitierten Kohl trotz ihrer politisch linken Orientierung ausführlicher als seine jeweiligen Herausforderer, sieht man von seiner ersten Wahl 1983 ab. Wie schon bei der Aufmerksamkeit für die Kandidaten hat Kohls erst kurze Amtszeit vor dieser Wahl wohl verhindert, dass er bereits einen ausgeprägten Bonus erhielt. Und 1998, bei 278

seiner letzten Wahl, zitierte zumindest die SZ seinen Herausforderer Schröder sehr viel umfangreicher. Bei den Wahlen 2002 und 2005 war ein Kanzlerbonus zugunsten Schröders allerdings ebenfalls nur in der SZ festzustellen. Die drei anderen Zeitungen zitierten ihn und Stoiber bzw. Merkel nahezu ausgewogen (FAZ und FR 2002, Welt 2005) oder der – freilich nicht sehr ausgeprägte – Zitierungsvorsprung lag auf Seiten der Union. Wie schon beim Vorkommen der Kandidaten angedeutet, könnte das wiederum mit den TV-Duellen zusammenhängen, die dem Herausforderer im Wahlkampf zumindest zeitweise dieselbe Medienaufmerksamkeit verschafften wie dem Amtsinhaber. Demnach förderten die TV-Duelle also die Ausgewogenheit der Berichterstattung der Zeitungen über die Kanzlerkandidaten, steigerten also in dieser Hinsicht gewissermaßen deren Qualität. In den Zitierungen der österreichischen Zeitungen zeigt sich durchgängig ein viel ausgeprägterer Kanzlerbonus als in den deutschen. Während der anfänglichen Kanzlerschaft der ÖVP, die nach der Wahl 1970 endete, hatten deren Kanndidaten(kandidaten) meist in beiden Zeitungen einen klar erkennbaren Zitierungsvorsprung, nur die Presse zitierte 1949 und 1956 den SPÖ-Spitzenkandidaten etwas umfangreicher. Für die AZ trügt dieses Ergebnis jedoch aufgrund des genannten erhebungstechnischen Problems: Bis zur Wahl 1962 kennzeichnete die AZ offensichtlich fast ausschließlich die Zitate der ÖVP-Kandidaten korrekt, was aber keineswegs bedeutet, dass deren Äußerungen faktisch viel umfangreicher wiedergegeben wurden als die der SPÖ-Kandidaten. Das änderte sich 1962 schlagartig. Von diesem Zeitpunkt an hatten die SPÖ-Kandidaten bei sämtlichen Wahlen einen weit überdurchschnittlichen Zitierungsvorsprung, und zwar in allen Wahlkämpfen bis 1970, obwohl die SPÖ noch nicht den Kanzler stellte. Der Vorteil für die SPÖ-Kandidaten in der SPÖ-Parteizeitung ist nicht überraschend. In der Presse dagegen war der Kanzler zumindest bis 1990 unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit häufig im Vorteil. Auffällig ist allerdings, dass die Presse bei einigen Wahlen beide Kandidaten nahezu ausgewogen zitierte. Ihre Kurve gleicht einer „Zick-Zack-Bewegung“, das heißt, die Kanzler wurden meist im Wechsel bei einer Wahl sehr viel umfangreicher, bei der unmittelbar folgenden in nahezu gleichem Umfang wie ihre jeweiligen Herausforderer zitiert. Möglicherweise hängt das mit den einzelnen Kanzlerkandidaten zusammen. Bei den ÖVP-Kandidaten Figl (1949, 1953), Raab (1956, 1959), Taus (1975, 1979) und Mock (1983, 1986) fällt als gemeinsames Muster auf, dass sie erst bei ihrer jeweils zweiten Kandidatur einen Vorsprung verbuchen konnten, während bei ihrer ersten Kandidatur ihre Gegenkandidaten von der SPÖ im Vorteil waren. Eventuell hängt das mit dem erst im Zeitverlauf steigenden Bekanntheitsgrad dieser Kandidaten zusammen. Erst 1995 und 1999 verhielt sich die Presse in ihren Zitaten durchgängig eher entsprechend ihrer politischen Tendenz und räumte dem ÖVP-Herausforderer Schüssel einen Zitierungsvorsprung ein, der auch während seiner Kanzlerschaft ab der Wahl 2002 erhalten blieb. Aber auch Schüssel hatte bei seiner ersten 279

Kandidatur noch den geringsten Zitierungsvorsprung vor Kanzler Vranitzky von der SPÖ. Entgegen dieser Tendenz ist nur das Ergebnis für die beiden Kandidaturen von Bundeskanzler Klaus (1966, 1970), der bei seiner zweiten Kandidatur – gegen Kreisky – trotz seiner Kanzlerschaft auch in der Presse im Nachteil war. Das dürfte durch die Dominanz Kreiskys als Person, seine besseren Fähigkeiten im Umgang mit den Medien und auf das erste TV-Duell in diesem Wahljahr zurückzuführen sein. In den Zitierungen des Standard ist für seinen gesamten Untersuchungszeitraum, abgesehen von 1995, ein Kanzlerbonus feststellbar. Dass 1995 der Herausforderer Schüssel umfangreicher zitiert wurde als Bundeskanzler Vranitzky dürfte dadurch bedingt gewesen sein, dass gerade Schüssel das Vorziehen dieser Wahl sehr forciert hatte. Einmal mehr bestätigt sich hier, dass der Standard sich nicht eindeutig auf eine politische Seite stellte – im Gegensatz zu den beiden anderen österreichischen Titeln, in denen der politische Parallelismus auch das Zitierungsverhalten sehr klar bestimmte. Kandidatenbewertungen: Die Ausgewogenheit der Berichterstattung bemisst sich wie erwähnt nicht allein an unterschiedlicher publizistischer Prominenz für beide Kandidaten, sondern auch daran, ob die Zeitungen sie unterschiedlich bewertet haben. Dabei geht es auch darum, wie stark die Bewertungen die redaktionellen Linien der einzelnen Zeitungen widerspiegelten. Nochmals sei darauf hingewiesen, dass von Richtungszeitungen keine völlige Ausgewogenheit zu erwarten ist, was einem Verzicht auf jeden Standpunkt gleichkäme. Vielmehr geht es um die Frage, wie stark sich die Zeitungen beider Länder dahingehend unterschieden und inwiefern dabei von einem Einfluss der unterschiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen auf die Kandidatenbewertungen ausgegangen werden kann. Als gegeben kann angenommen werden, dass die Parteizeitung AZ die Kanzlerkandidaten insgesamt am einseitigsten bewertet hat. Daneben ist zu vermuten, dass der stärkere politische Parallelismus in Österreich dazu führte, dass auch die Presse die Kandidaten einseitiger bewertete als die deutschen Zeitungen, während sich der Standard aufgrund seiner späten Gründung diesbezüglich nicht wesentlich von den deutschen Zeitungen unterschieden haben sollte. FAZ, SZ und Standard, die im Allgemeinen am gemäßigtsten eingestuft werden, sollten einer politisch ausgewogenen Bewertung der Kandidaten am nächsten gekommen sein. Hinsichtlich der politischen Richtung ist insgesamt zu erwarten, dass Welt, FAZ und Presse einseitig zugunsten des Unions- bzw. ÖVP-Kandidaten berichteten, FR, SZ, AZ und Standard einseitig zugunsten des SPD- bzw. SPÖKandidaten. Allerdings kann es durch die Kandidaten selbst zu Abweichungen von diesem generellen Muster gekommen sein, wenn eine Zeitung in einzelnen Wahljahren den Kanzlerkandidaten der ihr nahestehenden Partei eher ablehnte oder dem der eigentlich „gegnerischen“ Partei positiv gegenüberstand. Diese Vermutungen werden im Folgenden anhand der Gesamttendenz der Kandidatendarstellungen auf Beitragsebene überprüft, die schon bei der Untersuchung der Negativität herangezogen wurde. Sie ist im Vergleich zur Tendenzen 280

der wertenden Aussagen der validere Indikator für die Bestimmung der redaktionellen Linien der Zeitungen (Wilke/Reinemann 2000: 138). Im Ergebnis weisen die Tendenzen der wertenden Aussagen aber überwiegend in dieselbe Richtung (Magin 2011a: 302). Die Gesamttendenzen wurden auf einer fünfstufigen Skala von „eindeutig positiv“ (+2) bis „eindeutig negativ“ (-2) verschlüsselt.175 Ambivalente und neutrale Bewertungen, die keine positive oder negative Tendenz erkennen ließen, wurden bei der Codierung getrennt erhoben, werden für die folgenden Auswertungen aber zusammengefasst und bilden den Nullpunkt der Skala. Um sowohl Richtung als auch Stärke der Bewertungen vergleichen und die Ergebnisse möglichst komprimiert darstellen zu können, wird daraus das arithmetische Mittel für die Spitzenkandidaten beider Parteien berechnet. 176 Den folgenden Auswertungen liegen nur die Beiträge mit Bezug zum jeweiligen Kandidaten zugrunde. Aufgrund sonst zu geringer Fallzahlen wird nicht zwischen tatsachen- und meinungsbetonten Stilformen differenziert, wie von einigen Autoren (z. B. Jandura/Großmann 2003: 202; Hagen 1992) empfohlen. 177 Wegen der zu geringen Datenbasis werden wiederum der Bundestagswahlkampf 1949 und die Nationalratswahlkämpfe bis 1962 aus der Betrachtung ausgeschlossen. Die Ergebnisse in Abbildung 49 lassen sie die publizistischen Linien fast aller Zeitungen – trotz vermutlich situationsbedingter Abweichungen bei einzelnen Wahlen – erwartungskonform erkennen. Einzige Ausnahme ist der Standard, der sich mit seinen Kandidatenbewertungen insgesamt keiner der beiden Seiten stärker zuneigte. Auffällig ist, dass die redaktionellen Linien im Allgemeinen weniger durch eine überdurchschnittlich positive Darstellung des „eigenen“ Kandidaten, sondern durch eine stärker negative Darstellung des „gegnerischen“ Kandidaten zustande kamen. Falls die Zeitungen damit tatsächlich versuchten, das Wahlergebnis zugunsten ihres favorisierten Kandidaten zu beeinflussen, erscheint das als sinnvolle Strategie: Zu positive Darstellungen des „eigenen“ Bewerbers könnten als „plumpe Propaganda“ erscheinen und abschreckend wirken.

175 Bei der Codierung trug der positive Pol der Skala den Code 1, der negative Pol den Code 5. Für die hier durchgeführten Mittelwertberechnungen ist es im Sinne der Übersichtlichkeit der Ergebnisdarstellung jedoch zweckmäßig, die Skalenpunkte so umzucodieren, dass im Code selbst schon die positive (+2/+1) oder negative (-2/-1) Tendenz zum Ausdruck kommt. Die Formulierung der Skalenpunkte für Deutschland („eindeutig positiv/negativ“ bzw. „eher positiv/negativ“) und Österreich („überwiegend positiv/negativ“ bzw. „eher positiv als negativ/eher negativ als positiv“) unterschied sich geringfügig. Weil beide Skalen prinzipiell aber gleich aufgebaut sind, ist nicht mit abweichenden Codierungen zu rechnen. 176 Eine alternative Auswertungsstrategie, die Berechnung der Salden positiver und negativer Beiträge für beide Kandidaten, führt im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen. Hierauf stützten Wilke und Reinemann (2000: 137-156) ihre Auswertungen, die aufgrund einer fehlerhaften Filterführung allerdings von den hier dargestellten Resultaten abweichen. 177 Wertet man allein die Bewertungen in tatsachenbetonten Stilformen aus, ändert sich bis auf wenige Ausnahmen bei einzelnen Wahlen am Ergebnis nichts.

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Zudem verringert Negativität die Selektivität bei der Nachrichtennutzung (Brettschneider 2008b: 3186-3187; Donsbach 1991). Für die deutschen Zeitungen bestätigen die Ergebnisse das politische Meinungsspektrum von der am weitesten links stehenden FR über SZ und FAZ bis hin zur am weitesten rechts eingestuften Welt. In der FR wurden die SPD-Kandidaten zwar nicht überragend positiv bewertet, die wertenden Aussagen über sie waren in der Mehrzahl der Wahlkämpfe durchschnittlich sogar negativ. Ihnen gegenüber standen aber noch deutlich schlechtere Bewertungen der Unionskandidaten. Mit Ausnahme der drei Wahlkämpfe in den 1980er Jahren wurde der SPD-Kandidat in der FR im Durchschnitt durchweg besser bewertet als sein Konkurrent von der Union. Lediglich Kohl erhielt bei seiner ersten Wahl als Kanzler 1983 und bei der Wiedervereinigungswahl 1990 geringfügig bessere Gesamttendenzen als seine SPD-Herausforderer Vogel und Lafontaine. Und 1987 fielen die wertenden Aussagen über ihn etwas besser aus als die über Rau, waren gleichwohl aber überwiegend negativ. Im Zeitverlauf fällt auf, dass die Gesamttendenzen der SPD-Kandidaten bis zur Wahl 1976 eindeutiger bzw. stärker positiv waren als danach, der insgesamt zunehmende Negativismus ab der Wahl 1980 wird also in der FR relativ deutlich. Ähnliche Resultate ergeben sich auch für die SZ, allerdings bewertete sie die Kandidaten beider Parteien entsprechend ihrer stärkeren politischen Nähe zur politischen Mitte ausgewogener als die FR. Nur geringfügig unterschieden sich die durchschnittlichen Gesamttendenzen beider Kandidaten 1972 und 1990, die der wertenden Aussagen 1990 und 1994. In der rechts der Mitte angesiedelten FAZ zeigt sich ein im Wesentlichen gleiches Bild unter umgekehrten Vorzeichen: Auf gemäßigtem Niveau wurde der Unionskandidat fast durchgängig besser bewertet als der sozialdemokratische Kandidat. Etwas überraschend erscheint lediglich die bessere Gesamttendenz von Ollenhauer gegenüber Adenauer 1957. Die Welt positionierte sich mit ihren Kandidatenbewertungen unter den deutschen Zeitungen erwartungsgemäß politisch am weitesten rechts. Zwar beurteilte sie die Unionskandidaten durchgängig nur gemäßigt positiv, die sozialdemokratischen jedoch ab 1972 stets klar negativ. Diesem Gesamtergebnis entgegen liefen nur die positive(re)n Grundtendenzen über die SPD-Kandidaten bei den Wahlen in den 1960er Jahren bei gleichzeitig negativer Bewertung der Unions-Bewerber. Ab 1972 war eine negativere Bewertung für letztere im Vergleich zu den sozialdemokratischen Kandidaten nur noch in den wertenden Aussagen im stark polarisierten „Anti-Strauß-Wahlkampf“ 1980 festzustellen. In Österreich ließen AZ und Presse ihre redaktionelle Linie in den Kandidatenbewertungen klar erkennen. Weniger eindeutig ist das Resultat für den Standard. Die AZ bewertete eindeutig und wenig überraschend: In allen sieben Wahlkämpfen von 1966 bis 1986 urteilte sie ebenso klar positiv über den SPÖ-Kandidaten wie klar negativ über den ÖVP-Kandidaten und wurde damit ihrer Rolle als „SPÖ-Flaggschiff“ völlig gerecht. 282

283

Abbildung 49a: Redaktionelle Linien der deutschen Zeitungen gemäß Gesamttendenzen

284 Basis: Beiträge mit Bezug zum CDU/CSU-/ÖVP-Kandidaten: 3.816. Beiträge mit Bezug zum SPD-/SPÖ-Kandidaten: 3.650. FAZ: 629/543; FR: 654/544; SZ: 682/539; Welt: 774/763; AZ: 217/353; Presse: 508/579; Standard: 352/329. Gesamttendenzen CDU/CSU-/ÖVP-Kandidat: F = 64,849; df1 = 6; df2 = 92; p < 0,001; Eta2 = 0,089. Gesamttendenzen SPD-/SPÖ-Kandidat: F = 63,870; df1 = 6; df2 = 92; p < 0,001; Eta2 = 0,806. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Abbildung 49b: Redaktionelle Linien der österreichischen Zeitungen gemäß Gesamttendenzen

Nicht ganz so tendenziös, aber dennoch mit klarer Nähe zur ÖVP und eindeutiger als die meisten deutschen Zeitungen bewertete die Presse die Kanzlerkandidaten: In nahezu allen Wahlkämpfen ab 1966 stellte sie den Kandidaten der ÖVP ein positiveres Zeugnis aus, einzig 1990 bewertete sie beide Kandidaten insgesamt etwa gleich. Ihre Bewertungstendenzen auf Beitragsebene waren insgesamt eindeutiger als in den deutschen Zeitungen, was für eine schärfere politische Positionierung spricht. Ein Zusammenhang mit dem politischen Parallelismus liegt nahe, zumal die Eindeutigkeit der Tendenzen im Zeitverlauf ebenso wie der politische Parallelismus abgenommen hat. Der Standard unterschied sich von allen anderen Zeitungen, denn er ließ in seinen Bewertungen der Kanzlerkandidaten in den sechs Wahlkämpfen, für die er codiert wurde, keine eindeutige politische Linie erkennen. Vielmehr bewertete er jeweils beide Kandidaten zugleich eher positiv oder eher negativ und berichtete somit nicht neutral, wohl aber ausgewogen. Insgesamt ist der Standard damit die ausgewogenste und in diesem Punkt qualitätsvollste Zeitung im Sample. Darin kommt offensichtlich seine Maxime zum Ausdruck, stets beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Fraglich ist im nächsten Schritt, inwieweit die Zeitungen mittels impliziter Wahlempfehlungen als politische Akteure auftraten. Zwar handelt es sich nicht um Wahlempfehlungen (endorsements) im eigentlichen Sinne, weil weder in Deutschland noch in Österreich der Kanzler direkt gewählt wird. Dennoch hat der Spitzenkandidat als wichtigster Vertreter seiner Partei im Wahlkampf gemäß dem sozialpsychologischen Modell des Wahlverhaltens einen wichtigen Einfluss auf die Wahlentscheidung, gerade in Zeiten nachlassender Parteibindungen. Unter einer impliziten Wahlempfehlung zugunsten eines Kandidaten wird im Folgenden erhöhte positive oder zumindest neutrale Aufmerksamkeit verstanden, das heißt, ein im Vergleich zum Gegenkandidaten überdurchschnittliches Vorkommen178 in Kombination mit einer positiven oder neutralen Gesamttendenz. Entsprechend wird eine implizite Wahlempfehlung gegen einen Kandidaten durch erhöhte negative Aufmerksamkeit definiert. Als jeweils verstärkend oder abschwächend wird die Tendenz der wertenden Aussagen betrachtet. Zu vermuten ist, dass FAZ, Welt und Presse implizite Wahlempfehlungen zugunsten des bürgerlichen bzw. zuungunsten des sozialdemokratischen Kandidaten aussprachen, während sich FR, SZ und AZ umgekehrt verhielten. Das Verhalten des Standard ist vor dem Hintergrund seiner aufgezeigten politischen Grundtendenz fraglich. Die Tendenz zu Wahlempfehlungen müsste aufgrund des stärkeren politischen Parallelismus in Österreich in der Presse und vor allem in der AZ besonders stark festzustellen sein. 178 Das verstärkte Vorkommen bemisst sich jeweils nur im Vergleich zum Gegenkandidaten. Das heißt, in jedem Wahlkampf kann nur einer der beiden Kandidaten erhöhte Medienpräsenz erhalten. Es ist bei dieser Operationalisierung also nicht möglich, dass eine Zeitung im selben Wahlkampf eine Wahlempfehlung für den einen und zugleich gegen den anderen Kandidaten ausspricht.

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Tabelle 17 zeigt, dass es in den deutschen Zeitungen insgesamt mehr implizite Wahlempfehlungen für und gegen den Unionskandidaten als für und gegen den SPD-Kandidaten gab. Das hängt damit zusammen, dass die Union in mehr Wahlkämpfen den Kanzler stellte, der wie beschrieben in sämtlichen Zeitungen, egal welcher Richtung, meist einen Aufmerksamkeitsbonus hatte – und implizite Wahlempfehlungen, gleich welcher Richtung, setzen gemäß der hier verwendeten Definition immer erhöhte Medienaufmerksamkeit voraus. FAZ und Welt sprachen sich mittels positiver Gesamttendenzen erwartungsgemäß häufiger für den Unionskandidaten aus, die FAZ in fünf, die Welt in sechs Wahlkämpfen. Allerdings wurden diese Empfehlungen in jeweils zwei Jahren durch eine gegenläufige, das heißt negative Bewertungstendenz in den Aussagen über den Unionsbewerber abgeschwächt. Gleichzeitig enthielt die FAZ sechsmal, die Welt fünfmal implizite Wahlempfehlungen gegen den SPD-Kandidaten. Die FR bestätigte mit elf indirekten Wahlempfehlungen gegen den CDU-/ CSU-Kandidaten in 15 Wahlkämpfen einmal mehr ihre eindeutige Positionierung links der Mitte. In drei der übrigen vier Wahlkämpfe empfahl sie implizit (tendenziell) den sozialdemokratischen Kandidaten. Die SZ enthielt in zehn Wahlkämpfen implizite Empfehlungen gegen den Kandidaten der CDU/CSU, aber nur in einem Wahlkampf (1976) für den SPD-Kandidaten. Die linksorientierten deutschen Zeitungen ließen ihre Linie also vor allem in Wahlempfehlungen zuungunsten des (häufiger im Amt befindlichen) Unionskandidaten statt zugunsten des sozialdemokratischen Kandidaten erkennen. Die linksgerichteten Zeitungen glichen die somit erhöhte Präsenz des „gegnerischen“ Amtsinhabers also gewissermaßen dadurch aus, dass sie ihn negativ bewerteten. Hier zeigt sich, dass ein Aufmerksamkeitsbonus für einen Kandidaten nicht zwangsläufig von Vorteil ist. Trotz der häufigen Wahlempfehlungen in der erwarteten Richtung gibt es in sämtlichen deutschen Zeitungen aber auch Gegenbeispiele, also implizite Empfehlungen gegen den „eigenen“ Bewerber oder für seinen Konkurrenten: In der FAZ 1953, 1957, 1965 und 1994, in der Welt 1961, 1965 und (tendenziell) 2005, in der FR 1990 und in der SZ (tendenziell) 1949, 1953, 1957, 1972 und 2002. Die dafür ausschlaggebenden Gründe dürften mit der individuellen Wahlkampfsituation und vor allem den jeweiligen Kandidaten zusammenhängen. Daran zeigt sich eine kritische Distanz der deutschen Richtungszeitungen zu den politischen Akteuren: Sie unterstützten die Kanzlerkandidaten offensichtlich nicht allein aufgrund von deren politischer Parteizugehörigkeit. Anders bei der AZ in Österreich, deren Wahlempfehlungen erwartungsgemäß klar ausfielen. Als Parteizeitung rief sie ihre Leser auch explizit zur Wahl der SPÖ auf, was in der vorliegenden Studie allerdings nicht erhoben wurde. In allen sieben hier untersuchten Wahljahren finden sich implizite endorsements zugunsten des SPÖ-Kandidaten.

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Tabelle 17: Implizite Wahlempfehlungen der Zeitungen Zeitung FAZ

FR

Wahlempfehlung… für CDU/CSU gegen SPD für SPD gegen CDU/CSU für CDU/CSU gegen SPD für SPD gegen CDU/CSU

SZ

für CDU/CSU gegen SPD für SPD gegen CDU/CSU

Welt

für CDU/CSU gegen SPD für SPD gegen CDU/CSU für ÖVP gegen SPÖ für SPÖ

AZ

Presse

Standard

gegen ÖVP für ÖVP gegen SPÖ für SPÖ gegen ÖVP für ÖVP gegen SPÖ für SPÖ gegen ÖVP

Wahlkämpfe (1961), 1983, (1987), 1990, 2005 (1949), 1969, (1972), 1976, (1980), 1998, 2002 1994 1953, 1957, 1965 1990 --1949, 1972, (1976), 2002 1953, 1957, 1961, 1965, 1969, 1980, 1983, 1987, 1994, 1998, 2005 (1953), 1957 (1949), (1972), 2002 (1976) 1961, 1965, 1969, 1980, 1983, 1987, 1990, (1994), 1998, 2005 (1953), 1957, 1969, 1987, (1990), 1994, (1998) (1949), (1972), 1976, 1980, 1983, 2002 --1961, 1965, 2005 ----1953, 1962, 1966, 1970, 1971, 1975, 1979, 1983, 1986 1956, 1959 1949, 1956, 1959, 1962, 1995 1966, 1970, 1971, 1975, 1979, 1983, 1990, 1994 --1953, 1986, 1999, (2002), (2006) --(1994), 1995 1990, 1999 2002, 2006

Implizite Wahlempfehlung für einen Kandidaten = Aufmerksamkeitsbonus gegenüber dem Gegenkandidaten bei gleichzeitig positiver oder neutraler Grundtendenz. Implizite Wahlempfehlung gegen einen Kandidaten = Aufmerksamkeitsbonus gegenüber dem Gegenkandidaten bei gleichzeitig negativer Grundtendenz. In Wahlkämpfen, deren Jahreszahl eingeklammert ist, widersprechen sich Grundtendenz und Tendenz der wertenden Aussagen (positive Grundtendenz/negative Tendenz der wertenden Aussagen bzw. negative Grundtendenz/positive Tendenz der wertenden Aussagen). In diesem Fall wurde die Grundttendenz als wichtiger gewertet. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606); 5.876 wertende Aussagen (Deutschland: 3.632; Österreich: 2.244). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

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Die Presse ergriff in acht von 13 Wahlkämpfen implizit Partei gegen den SPÖ-Kandidaten und einmal für den ÖVP-Kandidaten. Auch der Überhang der SPÖ-bezogenen Empfehlungen ist durch den Amtsbonus erklärbar, denn in Österreich waren die Sozialdemokraten häufiger die Kanzlerpartei und regierten 13 Jahre lang sogar alleine. Überraschenderweise fanden sich in vier Wahlkämpfen in der Presse aber auch (zumindest tendenziell) implizite Wahlempfehlungen gegen den ÖVP-Kandidaten (1986, 1999, 2002, 2006). Dass das erst in jüngerer Zeit der Fall war, dürfte das Ergebnis des sinkenden politischen Parallelismus sein. Der Standard enthielt in zwei von sechs Wahlkämpfen implizite Wahlempfehlungen zugunsten des SPÖ-Kandidaten, zweimal zu seinen Ungunsten und zweimal zuungunsten des ÖVP-Kandidaten. Hierin kommt zwar eine politische Linksorientierung zum Ausdruck, dennoch war die Berichterstattung des Standard aber insgesamt ausgewogener als die aller anderen Zeitungen. Insgesamt verweisen die eindeutigeren Kandidatenbewertungen in den österreichischen Zeitungen auf eine stärkere Polarisierung, begründet durch den im Vergleich zu Deutschland stärker ausgeprägten politischen Parallelismus. Das zeigt sich auch, wenn man die Zeitungen mittels einer Varianzanalyse im politischen Spektrum verortet. Untersucht wird dabei, ob sich die Tendenzen zwischen irgendwelchen Zeitungen signifikant unterscheiden – und wenn ja, zwischen welchen genau. Um dafür eine ausreichende Datenbasis zu gewährleisten, werden die Varianzen über alle Wahlkämpfe hinweg berechnet. Obwohl Veränderungen im Zeitverlauf dadurch verdeckt werden, vermittelt das Ergebnis einen Eindruck davon, wo die sieben Zeitungen im Untersuchungszeitraum ideologisch standen. Tabelle 18 verortet alle Zeitungen anhand ihrer Kandidatenbewertungen im politischen Spektrum von links nach rechts. Die konservativen Kandidaten (CDU/CSU bzw. ÖVP) wurden in der AZ am negativsten bewertet, gefolgt von der FR. Diese beiden Zeitungen waren von 1949 bis 1986 bzw. 2006 also insgesamt am weitesten links verortet und unterschieden sich darin sowohl von allen anderen Titeln als auch voneinander signifikant. Die übrigen Zeitungen lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen: SZ und Standard lagen mit ihren untereinander ähnlichen Kandidatenbewertungen leicht links der Mitte, Welt, FAZ und Presse etwa in der Mitte des politischen Spektrums. Die politische Verortung der Zeitungen bestätigt sich an den Bewertungen der sozialdemokratischen Kandidaten (SPD bzw. SPÖ), anhand derer sich die Zeitungen nahezu identisch gruppieren lassen. Allerdings unterschied sich die Presse hier aufgrund ihrer noch negativeren Bewertungen signifikant von Welt und FAZ, die mit moderat negativen Bewertungen der SPD-Kandidaten wiederum eine sehr ähnliche Tendenz aufwiesen. Die Presse zeigt nochmals, dass die ideologische Verortung der Richtungszeitungen (anders als im Parteiblatt AZ) weniger an der positiven Bewertung des „eigenen“ Kandidaten als vielmehr an der negativen Bewertung des „gegnerischen“ Bewerbers ablesbar ist. Das Ergebnis für Welt und FAZ ist ein Hinweis darauf, dass sich diese beiden Zeitungen ideologisch mög288

licherweise näher stehen als oft angenommen. Eine abschließende Bewertung dazu auf Basis von Durchschnittswerten über einen so langen Zeitraum hinweg fällt hier aber schwer. Tabelle 18: Meinungslager bei Kandidatenbewertungen – Gesamttendenzen

AZ FR SZ Standard Presse Welt FAZ

CDU/CSU bzw. ÖVP MW n −1,28a 218 −0,32 b 659 −0,16 c 691 −0,14 c 206 ±0,00 d 303 ±0,00 d 781 +0,03 d 633

SPD bzw. SPÖ MW +1,04 e +0,10 d −0,02 c −0,01 cd −0,45a −0,21 b −0,14 b

n 199 545 549 187 377 774 547

CDU/CSU- bzw. ÖVP-Kandidat: F = 107,364; df1 = 6; df2 = 3484; Eta2 = 0,156. SPD- bzw. SPÖKandidat: F = 102,712; df1 = 6; df2 = 3171; Eta2 = 0,163. Alle Mittelwerte in derselben Spalte, die keinen hochgestellten Buchstaben gemeinsam haben, unterscheiden sich mit p < 0,05 statistisch signifikant voneinander (Tamhane T2-Test).Basis: 3.954 Beiträge mit Bezug zum CDU/CSU-/ÖVPKandidaten, 3.771 Beiträge mit Bezug zum SPD-/SPÖ-Kandidaten. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

SZ und Standard bewerteten auch die sozialdemokratischen Kandidaten ähnlich (leicht negativ), die Bewertungen des Standard ähnelten hier aber auch denen der FR. Mit Abstand am positivsten beurteilte wenig überraschend die AZ die sozialdemokratischen Spitzenkandidaten. Die Varianzanalyse bestätigt insgesamt die stärkste Polarisierung für die AZ und – wenn auch weniger ausgeprägt – für die Presse und die FR, während die Tendenzen aller anderen Zeitungen im Vergleich dazu als moderat zu bezeichnen sind. Opportune Zeugen (Akteurssynchronisation): Eine weitere Möglichkeit unausgewogener Berichterstattung besteht darin, als Journalist nicht selbst Bewertungen vorzunehmen, sondern bewusst und bevorzugt „jene Akteure zu Wort kommen zu lassen, die sich im Einklang mit den eigenen Einstellungen bzw. mit der redaktionellen Linie befinden.“ (Brettschneider/Wagner 2008: 234; Kemner/Scherer/Weinacht 2008: 67) Es geht also wie beim Verleihen publizistischer Prominenz um eine einseitige Quellenselektion. Für dieses Phänomen hat Hagen (1992) die Bezeichnung „opportune Zeugen“ geprägt, Jandura und Großmann (2003: 202) sprechen von Akteurssynchronisation. Auch auf diese Weise können Medien zu politischen Akteuren werden. Inwieweit die hier betrachteten Zeitungen die Quellen von Bewertungen einseitig auswählten, wird im Folgenden anhand der wertenden Aussagen über die Kanzlerkandidaten geprüft. Trifft die Annahme zu, müssten die linksorientierten Zeitungen vor allem Aussagen von Politikern der SPD bzw. SPÖ und anderer linker Parteien wiedergegeben haben, die rechtsorientierten Zeitungen Aussagen von Politikern der CDU/CSU bzw. ÖVP und anderen rechten Par289

teien. Im zweiten Schritt ist zu klären, ob diese Gruppen die Kandidaten auch tatsächlich in der erwarteten Richtung bewertet haben oder ob – wie von Hagen (1992) für die Berichterstattung über die Volkszählungsdiskussion gezeigt – die Zeitungen Argumente zwar danach auswählten, ob beim Urheber grundsätzlich mit Übereinstimmung mit der eigenen Meinung zu rechnen war, die tatsächliche Richtung des einzelnen Arguments dann aber keine Rolle mehr spielte. Wertende Aussagen von Journalisten, die definitionsgemäß selbst nicht als opportune Zeugen auftreten können, und von sonstigen Urhebergruppen werden aus den folgenden Auswertungen ausgeschlossen. In der Folge sinkt allerdings die Zahl wertender Aussagen pro Zeitung und Wahljahr in vielen Fällen so stark, dass die Berechnungen nur summarisch für sämtliche Wahlkämpfe durchgeführt werden können. So werden grundsätzlich in den Zeitungen vorhandene Tendenzen verdichtet und besser sichtbar gemacht. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass die Gesamtergebnisse für die einzelnen Wahlkämpfe in gleicher Weise gelten. Weiterhin werden sowohl tatsachen- als auch meinungsbetonte Stilformen in die Auswertung einbezogen. Eine Auswertung auf Basis allein der Nachrichten führt im Wesentlichen zum selben Ergebnis, die Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungen werden dann nur nicht ganz so deutlich. Die Ergebnisse in Tabelle 19 verdeutlichen, dass die Vertreter der beiden großen Parteien in allen Zeitungen die wichtigsten Gruppen von Aussagenurhebern bildeten. Hierbei spielt die Relevanz dieser Parteien – gerade in der Berichterstattung über die Kanzlerkandidaten – eine wichtige Rolle, weil immer schon vor der Wahl klar war, dass mindestens eine von ihnen an der künftigen Regierung beteiligt sein und den Kanzler stellen würde. Betrachtet man zunächst nur die wertenden Aussagen von Vertretern der Großparteien im Vergleich, ist für einige, aber nicht für alle Zeitungen eine verzerrte Quellenselektion erkennbar. Am unausgewogensten wählte erwartungsgemäß die AZ ihre Quellen aus, in der 89 Prozent der nichtjournalistischen wertenden Aussagen von SPÖ-Politikern stammten, aber nur 8 Prozent von ÖVP-Politikern. Viel geringer, aber dennoch größer als in den deutschen Zeitungen war der bias in der Presse, der Vorsprung der ÖVP- vor den SPÖ-Politikern beträgt hier 17 Prozent. Wiederum bestätigt sich auch, dass die FR unter den deutschen Zeitungen am stärksten Partei ergriff und SPD-Politiker als Urheber wertender Aussagen klar bevorzugte (Differenz zu Unions-Politikern: 14%). Weniger stark setzten die vier übrigen Zeitungen opportune Zeugen ein: Die Welt (Differenz: 8%) und die FAZ (Differenz: 4%) zitierten etwas häufiger Aussagen von Unionsvertretern, die SZ (Differenz: 6%) etwas öfter von SPD-Politikern, und im Standard war das Verhältnis zwischen SPÖ- und ÖVP-Vertretern mit nur 2 Prozent Unterschied nahezu ausgewogen. Erneut erweist sich der Standard also als die Zeitung, die der Forderung nach Ausgewogenheit am stärksten nachkam. Überbewertet werden dürfen diese Resultate jedoch nicht, gerade vor dem Hintergrund, dass hier das Gesamtergebnis für alle Wahlkämpfe betrachtet 290

wird und die Unterschiede zwischen den Parteien in den einzelnen Wahlkämpfen geringer ausgefallen sein dürften. Tabelle 19: Opportune Zeugen: Urheber wertender Aussagen Deutschland CDU/CSU SPD FDP Bündnis 90/ Die Grünen PDS-Politiker Sonstiger Politiker Summe n (wertende Aussagen) Österreich ÖVP SPÖ FPÖ Grüne LIF BZÖ Sonstiger Politiker Summe n (wertende Aussagen)

FAZ %

FR %

SZ %

Welt %

Alle Ztg. %

38 42

34 48

40 46

43 35

39 43

9

8

7

12

9

4

5

4

4

4

/ 5 100 290

1 2 100 422

1 5 100 374 Standard %

1 5 100 1412 Alle Ztg. %

1 7 100 326 AZ %

Presse %

8 89

46 29

35 33

33 45

1 / / / 2 100 172

16 5 2 1 2 100 305

22 7 1 x 3 100 228

14 4 1 x 2 100 705

Deutschland: Chi2 = 28,897; df = 15; p < 0,05; Cramers V = 0,083. Österreich: Chi2 = 195,590; df = 12; p < 0,001; Cramers V = 0,372. Basis: 2.117 wertende Aussagen von Parteiakteuren über die Kanzlerkandidaten. Grau unterlegte Bereiche kennzeichnen den Einsatz opportuner Zeugen. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Auch wenn die Politiker der kleineren Parteien entsprechend ihrer realpolitischen Bedeutung als Urheber wertender Aussagen eine geringere Rolle spielten als die Großparteien, könnten sie entsprechend der politischen Richtung der Zeitungen ausgewählt worden sein. In Deutschland ist diese Tendenz allerdings nur bei der Welt erkennbar, die sich mit 12 Prozent der nichtjournalistischen wertenden Aussagen stärker auf FDP-Politiker bezog als die drei anderen deutschen Blättern. In Österreich ist vor allem die unterschiedliche Bedeutung von FPÖ-Politikern als Aussagenurheber interessant, die stark die realen politischen Mehrheitsverhältnisse widerspiegelt: In der nur bis 1986 untersuchten AZ stammte nur 1 Prozent der wertenden Aussagen von FPÖ-Politikern. Das lag sicher nicht nur an der starken 291

Verzerrung der AZ zugunsten der SPÖ-Politiker, sondern auch daran, dass die FPÖ erst ab der Wahl 1986 stark an Stimmen und damit an politischer Bedeutung zulegte. Entsprechend lässt sich der mit 22 Prozent sehr hohe Anteil an FPÖ-Urhebern im Standard durch die realpolitisch gewachsene Bedeutung der Freiheitlichen erklären, denn eine inhaltliche Nähe dieser Zeitung zur FPÖ dürfte darin kaum zum Ausdruck gekommen sein. Vielmehr begann der Standard seine „Karriere“ parallel zum Aufstieg der FPÖ, der seinen Niederschlag auch in der Berichterstattung fand. Wertet man die Urheber wertender Aussagen ab 1990, also für den Analysezeitraum des Standard aus, steigt der Anteil der FPÖ-Urheber auch in der Presse auf 20 Prozent an. Politische Veränderungen beeinflussten die zitierten Aussagenurheber auch in Deutschland: In sämtlichen deutschen Titeln stammte ab 1990 ein höherer Anteil wertender Aussagen als im Gesamtdurchschnitt von den Grünen, die ab 1983 im Bundestag vertreten und von 1998 bis 2005 an der Regierung beteiligt waren (Tabelle A16 im Anhang.) Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, inwiefern die Richtung der Aussagen der einzelnen Urhebergruppen die redaktionelle Linie der Zeitungen stützte. Dazu werden die Mittelwerte der Tendenzen der wertenden Aussagen über die Kanzlerkandidaten für die einzelnen Urhebergruppen verglichen. Wenig überraschend wurden die Kandidaten nur von Vertretern der jeweils eigenen Partei durchschnittlich positiv bewertet, während sich die Vertreter aller anderen Parteien negativ äußerten. Zu prüfen ist aber, welche Unterschiede in der Stärke der Bewertungen festzustellen sind und wie stark darin die redaktionellen Linien zum Ausdruck kommen. Das heißt, inwiefern z. B. in der Presse der ÖVP-Kandidat von ÖVP-Politikern positiver und der SPÖ-Kandidat von SPÖ-Politikern negativer bewertet wurde als im Standard. Das ist nicht durchgängig, aber doch in einigen Fällen festzustellen: So wurden in FR und SZ weniger überschwängliche Äußerungen der Unions-Politiker über ihren eigenen Kandidaten zitiert als in FAZ und Welt. Auch wählten FR und SZ Aussagen von SPD- und FDP-Politikern über die Unionskandidaten mit einer negativeren Gesamttendenz aus als FAZ und Welt. In der FR fielen zudem die Bewertungen der SPD-Politiker über den eigenen Kandidaten positiver aus als in den anderen Zeitungen, die der Unionspolitiker über den SPD-Spitzenkandidaten weniger negativ. Und in der Welt hatten Aussagen von Grünen-Politikern über den SPD-Kandidaten im Durchschnitt eine besonders negative Tendenz, beruhend allerdings auf nur wenigen Aussagen. In Österreich bestätigen die Bewertungen das Resultat, dass die AZ am stärksten auf opportune Zeugen zurückgriff. In ihr wurden die ÖVP-Spitzenkandidaten unter allen drei Zeitungen von ÖVP-Politikern mit Abstand am wenigsten positiv und von SPÖ-Politikern am negativsten bewertet. Dazu kommen die im Mittel am wenigsten negativen Bewertungen von ÖVP- und FPÖ-Vertretern über die SPÖ-Spitzenkandidaten. In der Presse waren die Bewertungen von Vertretern sämtlicher Parteien über den SPÖ-Kanzlerkandidaten schlechter als im 292

Standard, was für eine einseitige Auswahl wertender Aussagen spricht – in welcher der beiden Zeitungen ist jedoch unklar: Ob also die Presse vermehrt negative Aussagen oder der Standard vermehrt positive Aussagen über die SPÖ-Kandidaten druckte. Die umgekehrte Tendenz bei den ÖVP-Spitzenkandidaten zeigt sich aber nicht. Zusammenfassend bestätigen die opportunen Zeugen also die Ergebnisse der Gesamttendenzen der Kandidatendarstellungen: Sämtliche Zeitungen bewerteten zugunsten des „eigenen“ Kandidaten, verletzten damit das Gebot der Ausgewogenheit und agierten so selbst als politische Akteure. Am stärksten gilt das für die AZ, deutlich aber auch für die Presse und die FR. Weniger ausgeprägt waren die Verzerrungen in SZ und Welt, und politisch am ausgewogensten berichteten FAZ und Standard. Meinungssynchronisation: Eine weitere Möglichkeit, wie die Zeitungen als politische Akteure auftreten können, ist die Meinungssynchronisation. Analysiert wird dabei, ob die Kanzlerkandidaten in Nachrichten und Kommentaren gleichsinnig, das heißt mit übereinstimmender Tendenz bewertet wurden (Schönbach 1977; Jandura/Großmann 2003: 202). Dazu wird die Parallelität der Gesamttendenz zwischen Nachrichten und Kommentaren untersucht, also die Frage, wie stark die politischen Tendenzen im Nachrichtenteil durch diejenigen im Meinungsteil bestimmt sind. Je stärker beide übereinstimmen, desto stärker ist die Meinungssynchronisation in der jeweiligen Zeitung. Explizite und implizite Synchronisation werden somit in Kombination betrachtet. Weil die einzelnen Titel pro Wahljahr nur sehr wenige Kommentare mit Kandidatenbezug veröffentlicht haben, müssen die Ergebnisse allerdings zurückhaltend interpretiert werden. Um eine hinreichende Datenbasis für aussagekräftige Resultate zu erhalten, werden alle Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kandidaten in allen Jahren einbezogen, in denen die jeweilige Zeitung mindestens zehn Nachrichten mit Kandidatenbezug veröffentlicht hat. Um das Ausmaß der Meinungssynchronisation zu ermitteln, wird in einem Streudiagramm für jeden Kandidaten und jedes Wahljahr auf der x-Achse die durchschnittliche Gesamttendenz der Kandidatendarstellung in den Kommentaren abgetragen, auf der y-Achse der entsprechende Mittelwert für die tatsachenbetonten Stilformen. Beide Achsen reichen entsprechend der Bewertungsskala von -2 bis +2. Jeder Datenpunkt im Diagramm steht für die Bewertung des konservativen oder des sozialdemokratischen Kandidaten in einem bestimmten Wahljahr. Eine Meinungssynchronisation liegt vor, wenn ein Kandidat in einem Wahljahr sowohl in den Kommentaren als auch in den Nachrichten im Durchschnitt übereinstimmend negativ oder übereinstimmend positiv bewertet wurde. In einem solchen Fall findet sich der jeweilige Datenpunkt im Diagramm im linken unteren Quadranten (negative Tendenz) oder im rechten oberen Quadranten (positive Tendenz) des Diagramms. Je weiter vom Ursprung entfernt die Datenpunkte liegen, desto ausgeprägter wurden die Kandidaten in Nachrichten und Kommentaren bewertet, und je näher die Punkte auf einer gedachten Ge293

raden liegen, desto gleichsinniger waren die Kommentare und Meinungen. Waren die Tendenzen in beiden Stilformen gegenläufig, liegen die Datenpunkte im linken oberen oder rechten unteren Quadranten. Quantifiziert werden kann das Ausmaß der Meinungssynchronisation mittels einer Regression. Das Bestimmtheitsmaß R2 gibt an, zu welchem Anteil die Abweichung der Tendenzen im Nachrichtenteil vom Gesamtmittelwert durch die Tendenzen im Meinungsteil erklärt wird. Es kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei 0 für einen nicht vorhandenen und 1 für einen perfekten linearen Zusammenhang steht. Das heißt, je größer R2, desto stärker sind die Tendenzen in Nachrichten und Kommentaren synchronisiert. Stimmen sie völlig überein, liegen alle Punkte genau auf der Regressionsgerade und sie verläuft – in beliebigem Winkel – von links unten nach rechts oben. Abbildung 50: Zusammenhang zwischen Nachrichten- und Kommentarlinie in Deutschland und Österreich

Deutschland: F = 26,115; df1 = 1; df2 = 113; p < 0,001. Österreich: F = 85,885; df1 = 1; df2 = 45; p < 0,001. Basis: 5.601 Artikel mit Kandidatenbezug (Deutschland: 3.733; Österreich: 1.868). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Inwieweit sich die Meinungssynchronisation in der Wahlkampfberichterstattung zwischen Deutschland und Österreich insgesamt unterschied, zeigt Abbildung 50. Jeder Datenpunkt darin steht für einen Kandidaten in einem Wahljahr. Darin kommt klar zum Ausdruck, um wieviel stärker die Meinungssynchronisation in Österreich (im Durchschnitt aller Zeitungen) war: Rund 66 Prozent der Varianz der Tendenzen in den Nachrichten werden in Österreich durch die Tendenzen in den Kommentaren erklärt (R2 = 0,656), in Deutschland nur rund 19 Prozent 294

(R2 = 0,188). Das steht im Zusammenhang mit dem politischen Parallelismus, dem stärker anwaltschaftlichen, parteiischen Selbstverständnis der österreichischen Journalisten und den Defiziten in der journalistischen Ausbildung und Selbstregulierung, die das Bewusstsein für journalistische Qualitätskriterien minderten. Als weiterer Einflussfaktor sind die dominanten österreichischen Boulevardblätter zu bedenken, die Nachricht und Meinung ungleich häufiger vermischen als die Qualitätszeitungen und an denen sich letztere orientiert haben könnten. Und schließlich wird daran nochmals deutlich, dass die im 19. Jahrhundert entstandene meinungsjournalistische Tradition in Österreich nach 1945 stabiler war und ist als in Deutschland. Eine Meinungssynchronisation lässt sich nicht nur für die Länder insgesamt, sondern auch für alle einzelnen Zeitungen belegen (Tabelle 20). Allerdings unterscheidet sich deren Ausmaß sehr stark. Auffällig ist, dass die Gleichsinnigkeit von Nachricht und Kommentar in sämtlichen österreichischen Zeitungen stärker ausgeprägt war als in fast allen deutschen. Am stärksten synchronisierte wie zu erwarten das Parteiblatt AZ zwischen Nachricht und Kommentar. Grafisch dargestellt befänden sich hier alle Datenpunkte für die ÖVP-Kandidaten im linken unteren Quadranten, das heißt, sie wurden sowohl in Nachrichten als auch Meinungsbeiträgen negativ bewertet. Alle Datenpunkte für die sozialdemokratischen Kandidaten wären im rechten oberen Quadranten verortet, was für eine positive Bewertung in beiden Stilformen steht. Der R2-Wert von 0,93 bedeutet, dass rund 93 Prozent der Tendenzunterschiede in den Nachrichten der AZ durch die entsprechenden Tendenzen in ihren Kommentaren erklärt werden. Entsprechend nah zur Regressionsgerade lägen die Datenpunkte in einem Diagramm. Die zweitstärkste Meinungssynchronisation ergibt sich beim Standard (0,390). In diesem Punkt war er also, anders als bei den anderen Qualitätskriterien, den österreichischen Zeitungen ähnlicher als den deutschen Zeitungen. An dritter Stelle liegt die FR (0,316), die somit unter den deutschen Zeitungen am stärksten synchronisierte. Etwas weniger gleichsinnig, aber dennoch stärker als in den drei übrigen deutschen Blättern liefen die Tendenzen in der Presse (0,31). Dahinter folgen Welt (0,209) und SZ (0,12), und die geringste Meinungssynchronisation zeigte die FAZ (0,059), in der nur knapp 6 Prozent der Tendenzen im Nachrichtenteil durch die im Meinungsteil erklärt werden. Das bedeutet, dass sich die redaktionelle Linie insbesondere in der AZ, aber auch im Standard, der FR und der Presse relativ deutlich in der tatsachenbetonten Berichterstattung niederschlug. In der Welt, der SZ und vor allem der FAZ war das hingegen weniger der Fall, sie hielten sich also am stärksten an das Gebot der Trennung von Nachricht und Meinung.

295

Tabelle 20: Zusammenhang zwischen Nachrichten- und Kommentarlinie nach Zeitungen Zeitung FAZ FR SZ Welt Deutsche Zeitungen gesamt AZ Presse Standard Österreichische Zeitungen gesamt

Regressionsgleichung y = 0,0852x - 0,0274 y = 0,2030x - 0,0567 y = 0,2406x - 0,0020 y = 0,1947x - 0,0315 y = 0,1842x - 0,0296 y = 1,0219x + 0,2052 y = 0,2182x - 0,1157 y = 0,2945x + 0,0252 y = 0,6855x + 0,0587

R2 0,0588 0,3156 0,1211 0,2086 0,1877 0,9302 0,3090 0,3901 0,6562

Basis: Beiträge mit Bezug zum CDU/CSU-/ÖVP-Kandidaten: 3.954. Beiträge mit Bezug zum SPD-/SPÖ-Kandidaten: 3.771; FR: 654/544; SZ: 682/539; FAZ: 629/543; Welt: 774/763; AZ: 217/ 353; Presse: 455/561; Standard: 352/329. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

6.4.4 Zwischenfazit Insgesamt belegen die meisten Qualitätsindikatoren wie vermutet eine geringere journalistische Qualität der österreichischen Wahlkampfberichterstattung im Vergleich zur deutschen. Andere dagegen ergeben keine Länderunterschiede. Letzteres gilt für die Vielfalt der Themen und Meinungen. Entgegen einer häufigen Annahme bestand demnach im Untersuchungszeitraum weder in Deutschland noch in Österreich ein Zusammenhang zwischen der strukturellen und der inhaltlichen Vielfalt. Bei der Urhebertransparenz dagegen schnitten die österreichischen Blätter deutlich schlechter ab als die deutschen, wofür ihre enge Verbundenheit zu den politischen Parteien und ihr geringerer Professionalisierungsgrad ursächlich zu nennen sind. Mit der zunehmenden Professionalisierung und dem wachsenden Bewusstsein für die Bedeutung journalistischer Qualität im Kontext von Presserat und Pressekodex stieg ab den 1970er Jahren auch in Österreich die Transparenz, hat aber nicht das Niveau der deutschen Blätter erreicht. Die Befunde zur Unparteilichkeit der Berichterstattung sind vielfältig. Die Ausgewogenheit der medialen Aufmerksamkeit wurde vor allem dadurch beeinträchtigt, dass stets ein Kanzlerkandidat das Amt bereits innehatte. Denn sämtliche Zeitungen verliehen dem jeweiligen Amtsinhaber meist höhere publizistische Präsenz (Amtsbonus). In der Konkordanzdemokratie Österreich war das etwas weniger der Fall als in Deutschland, weil hier die zweite Großpartei oft in einer großen Koalition mitregierte. Besonders auffällig ist in beiden Ländern ein „Abnutzungseffekt“ der Amtsinhaber, das heißt im Lauf von deren Kanzlerschaft sank ihr Sichtbarkeitsvorsprung von Wahl zu Wahl. Weiterhin waren TV-Duelle, die dem Herausforderer mediale Aufmerksamkeit verschafften, ein offenbar ausgewogenheitsförderndes Wahlkampfelement.

296

Hinsichtlich zweier anderer Unparteilichkeitsaspekte ist für die österreichischen Zeitungen eine eindeutig geringere journalistische Qualität zu konstatieren als für die deutschen. Zum einen trennten sie weniger strikt zwischen Nachricht und Meinung (Neutralität), was durch das stärkere Fortleben der meinungsjournalistischen Tradition und folglich durch die weniger starke Anpassung an angelsächsische Normen bedingt war. Zum anderen ließen zwar alle Zeitungen in ihren Kandidatenbewertungen ihre redaktionelle Linie klar erkennen. Dennoch stellten sich aber AZ und Presse noch stärker auf die Seite des jeweils „eigenen“ Kandidaten als die deutschen Titel. Darin fanden der politische Parallelismus und die stärkere ideologische Polarisierung des österreichischen Pressemarktes einen deutlichen Ausdruck. Der Standard hingegen orientierte sich unter allen Zeitungen am stärksten am Prinzip der Ausgewogenheit. Gründe dafür sind, dass er erst gegründet wurde, als der österreichische Journalismus insgesamt schon weniger durch Meinungsjournalismus und politischen Parallelismus geprägt war, und vermutlich eine bewusste Strategie, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Abschließend ist also festzuhalten, dass vor allem der politische Parallelismus die Erfüllung der an Objektivitätsnormen orientierten journalistischen Qualitätskriterien beeinträchtigt.

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7. Determinanten der Wahlkampfberichterstattung – ein Modell

Die vorliegende Untersuchung beschäftigte sich mit der Wahlkampfberichterstattung deutscher und österreichischer Elite-Tageszeitungen von 1949 bis 2006, insbesondere mit der über die Spitzen- bzw. Kanzlerkandidaten der beiden jeweils größten Parteien (in Deutschland CDU/CSU und SPD, in Österreich ÖVP und SPÖ). Den Ausgangspunkt der Studie bildete die Beobachtung, dass die Politikvermittlung in demokratischen Gesellschaften im Lauf der vergangenen Jahrzehnte immer stärker über die Massenmedien stattfindet, gerade in Wahlkämpfen. Häufig wird davon ausgegangen, dass sich in der Folge die mediale Berichterstattung in vielen Ländern nachhaltig und auf ähnliche Weise verändert hat, indem z. B. zunehmend negativ, personalisiert und entpolitisiert berichtet wird. Befürchtet werden dadurch dysfunktionale Folgen für den demokratischen Prozess. Ob und inwiefern sich die Wahlkampfberichterstattung tatsächlich gewandelt hat, wurde bisher aber empirisch kaum untersucht. Ein Überblick über den derzeitigen Forschungsstand zeigte, dass nach wie vor insbesondere an komparativen Untersuchungen, die eine zeit- und ländervergleichende Perspektive miteinander kombinieren, ein eklatanter Mangel besteht. Um zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen, standen zwei Fragen im Mittelpunkt der vorliegenden Studie: Zum einen, inwiefern unterschiedliche medieninterne und -externe, strukturelle und situative Faktoren zu Unterschieden in Gestalt und Inhalten der Wahlkampfberichterstattung von Zeitungen in Deutschland und Österreich sowie zu Veränderungen im Zeitverlauf geführt haben. Zum anderen, inwieweit in beiden Ländern trotz der nationalen Eigenheiten langfristige, transnationale Veränderungen festzustellen sind. Das folgende letzte Kapitel fasst die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammen und entwickelt den Analyserahmen, der der Inhaltsanalyse zugrunde lag, zu einem Modell von Determinanten der Wahlkampfberichterstattung von Elitetageszeitungen weiter, welches in zukünftigen Studien überprüft werden sollte. Im ersten Teil der Arbeit wurden zunächst verschiedene theoretische Ansätze vorgestellt, die sich mit dem langfristigen Wandel der Politik- und Wahlkampfberichterstattung befassen: Amerikanisierung, Modernisierung, Globalisierung und Medialisierung, Boulevardisierung, der neue Strukturwandel der Öffentlichkeit und die Massenmedien als intermediäre Akteure. Sie alle gehen – ebenso wie verschiedene bestehende Modelle von Einflussfaktoren auf die Politik- und Wahlkampfberichterstattung – davon aus, dass Medieninhalte in Wahlkämpfen vor allem von Veränderungen in drei Bereichen beeinflusst werden: Im politischen System, im Mediensystem und im journalistischen System. Zu den wichtigsten langfristigen strukturellen Veränderungen dort zählen die sich lockernden Bindungen von Wählern und Medien an die politischen Akteure sowie eine wach298

sende Wettbewerbsorientierung der Medien und der politischen Akteure. Vermutet wird, dass sich diese Wandlungsprozesse in bestimmten Trends der (Wahlkampf-)Berichterstattung niederschlagen, u. a. in einer Zunahme (1) der Dethematisierung, (2) der journalistischen Autonomie, (3) der Negativität und (4) der Personalisierung. Die drei strukturellen Bereiche – die politischen Systeme, die Mediensysteme (vor allem die Pressesysteme) und die journalistischen Systeme – bildeten die ersten drei Säulen des Analyserahmens für die vorliegende Inhaltsanalyse. Daneben galt es als vierte Säule den Einfluss situativer Faktoren zu berücksichtigen, weil einzelne Ereignisse, Themen oder Personen eine ganze Kampagne nachhaltig prägen können. Dem wurde in bisherigen Modellen nicht hinreichend Rechnung getragen. Der Vergleich der vier Säulen zwischen Deutschland und Österreich folgte einem MSSD, fokussierte also auf die Unterschiede zwischen den beiden in vielerlei Hinsicht ähnlichen Ländern. In der Gegenüberstellung zeigten sich mehrere Länderunterschiede, von denen ein systematischer Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung ausgehen dürfte. Aufbauend auf diesem Vergleich der Rahmenbedingungen und den Ergebnissen der langfristigen Inhaltsanalyse der Wahlkampfberichterstattung deutscher Tageszeitungen von Wilke und Reinemann (2000) wurden 16 Annahmen über die Wahlkampfberichterstattung der deutschen und österreichischen Elitetageszeitungen und ihre langfristige Entwicklung formuliert. Im empirischen Teil wurden diese in einer vergleichenden Inhaltsanalyse deutscher und österreichischer Elitetageszeitungen überprüft. Auf Basis dieser Ergebnisse kann abschließend der Analyserahmen modifiziert und zu einem Modell verdichtet werden. Dessen heuristische Nützlichkeit und empirische Fundierung werden illustriert, indem die Befunde der Studie in das Modell eingeordnet werden. Gleichzeitig werden dadurch die Resultate zusammengefasst und systematisiert. In der Inhaltsanalyse hat sich die Gruppierung der Einflussfaktoren in (1) politische System-Faktoren, (2) Medien- bzw. Pressesystem-Faktoren, (3) journalistische System-Faktoren und (4) situative Faktoren als fruchtbar erwiesen. Dennoch bedarf der Analyserahmen einer grundsätzlichen Modifikation: Die drei Systeme beeinflussen einander wie vermutet wechselseitig und wirken als Filter auf die Wahlkampfberichterstattung. Durch sie werden langfristige Trends der Berichterstattung wie durch Prismen gebrochen. Die Rolle der situativen Konstellation ist dagegen eine andere als angenommen: Zwar kann sie, ebenso wie die strukturellen Einflussfaktoren, einen direkten Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung haben. Die Resultate der Inhaltsanalyse haben aber gezeigt, dass sie nicht als vierte Säule auf derselben Ebene mit den politischen, den medialen und den journalistischen Einflussfaktoren steht, sondern sich als weitere Ebene zwischen die Systeme und die Berichterstattung schiebt. Darin kommt zweierlei zum Ausdruck: Einerseits ist die situative Konstellation durch die strukturellen Einflüsse vorgeprägt. Andererseits wirkt sie als weiterer Filter, der die struktu299

rellen Einflüsse auf die Wahlkampfberichterstattung nochmals brechen kann. Abbildung 51 fasst die Determinanten der Wahlkampfberichterstattung und Einflussrichtungen zu einem Modell zusammen, das in den folgenden Abschnitten – ausgehend von den vier Bereichen von Determinanten – erläutert wird. Abbildung 51: Determinanten der Wahlkampfberichterstattung – ein Modell

(1) Politische Systeme Als politisch-strukturelle Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung haben sich der Demokratietyp, das Wahlverhalten, der Parteienwettbewerb und die gesellschaftlichen Konfliktlinien erwiesen. (a) Zentral ist vor allem der zwischen den Ländern unterschiedliche Demokratietyp: Während Deutschland seit 1945 als Mischform zwischen Konsens- und Konkurrenzdemokratie beschrieben werden kann, war Österreich über weite Strecken des Untersuchungszeitraums eine Konkordanzdemokratie und folglich stark konsensorientiert. Konkordanzdemokratien entstehen vor allem in Demokratien, deren Fortbestand durch die Spaltung der gesamten Gesellschaft in politisch-ideologische Lager (in Österreich politisch repräsentiert durch ÖVP und SPÖ) bedroht ist. Konkordanzdemokratische Mechanismen, z. B. Proporzregierungen, große Koalitionen und konsensorientiertes Elitenverhalten, sollen die Spaltung überwinden. Der Stellenwert der Parteien im politischen Prozess ist 300

in solchen Demokratien traditionell sehr groß – und folglich in Österreich viel größer als in Deutschland. In den vergangenen Jahrzehnten ist das politische System Österreichs zwar zunehmend wettbewerbsorientierter geworden und hat sich den Wettbewerbsmustern in anderen westeuropäischen Ländern wie z. B. Deutschland angepasst. Dennoch wirken die konkordanzdemokratischen Eigenschaften bis heute nach, u. a. in der Dominanz großer Koalitionen und einem hohen Anteil an Parteimitgliedern. Alles in allem ist der Demokratietyp seitens der politischen Systeme die zentrale Ursache von Länderunterschieden in der Wahlkampfberichterstattung (und nicht allein die Konsens- oder Konkurrenzorientierung des politischen Elitenverhaltens, wie zunächst angenommen). Seine Auswirkungen auf die Wahlkampfberichterstattung wurden an mehreren Stellen deutlich: Beispielsweise hat sich deren Umfang in Österreich über die Jahrzehnte hinweg nahezu kontinuierlich ausgeweitet. Das hängt damit zusammen, dass über spannende Wahlkämpfe mit offenem Ausgang generell mehr berichtet wird als über solche, deren Ergebnis schon vor der Wahl festzustehen scheint – und Wahlkämpfe in der (ehemaligen) Konkordanzdemokratie Österreich wurden erst im Lauf der Zeit spannender, je weniger selbstverständlich eine Fortsetzung der bestehenden großen Koalition oder Alleinregierung schien. Ein weiteres Merkmal der Wahlkampfberichterstattung, das in Österreich eine spezifische konkordanzdemokratische Prägung erfahren hat, sind die im Vergleich zu Deutschland weitaus stärker polarisierten Kandidatenbewertungen. Zudem hatte der Amtsinhaber in Österreich meist einen geringeren Sichtbarkeitsbonus gegenüber dem Herausforderer als in Deutschland, weil letzterer in den österreichischen großen Koalitionen wesentlich öfter eine Regierungsfunktion innehatte als in den in Deutschland üblichen kleinen Koalitionen. Auch der Personalisierungsgrad unterscheidet sich zwischen den Ländern: Weil in der österreichischen Konkordanzdemokratie die Parteien und nicht einzelne Personen die alles bestimmenden politischen Akteure waren, spielten die Kanzlerkandidaten in der Berichterstattung über die ersten österreichischen Nationalratswahlkämpfe seit 1949 nur eine marginale Rolle. (b und c) Der nachlassende konkordanzdemokratische Charakter Österreichs hängt mit einer Entwicklung zusammen, die beide Untersuchungsländer teilen: Infolge gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse haben sich die Wähler-Partei-Bindungen zunehmend abgeschwächt und das Wahlverhalten ist volatiler geworden, vor allem seit den 1980er Jahren. Das hat den Parteienwettbewerb um Wählerstimmen verschärft. Die Parteien haben darauf z. B. mit Negativkampagnen und starker Personalisierung reagiert. Diese Wandlungsprozesse haben dazu beigetragen, dass die Berichterstattung im Zeitverlauf zumindest tendenziell negativer geworden ist und sich stärker an Personen orientiert hat. (d) Weiterhin hat die Inhaltsanalyse gezeigt, dass auch die gesellschaftlichen Konfliktlinien die Berichterstattung systematisch beeinflussen. Sie waren im Analyserahmen zunächst nicht als Einflussfaktor berücksichtigt worden, prägen aber vor 301

allem die Themen und Akteure der Berichterstattung und bewirken, dass bestimmte Inhalte im Verlauf der Jahrzehnte an Bedeutung verloren (z. B. Kirche und Religion) oder gewannen (z. B. Sozialpolitik, horse race, das Privatleben der Kandidaten in Österreich, Wirtschafts- und Umweltpolitik in Deutschland). Gleichzeitig nahm die Themen- und Akteursvielfalt der Wahlkampfberichterstattung zu, denn mit neuen Konfliktlinien weitete sich auch das Spektrum relevanter politischer Themen und Akteure bzw. Parteien aus. In diesen wahlkampfund länderübergreifenden Trends spiegelt sich der soziale Wandel in beiden Ländern wider. Weil diese Modernisierung in beiden Ländern nicht immer synchron erfolgte, werden die Auswirkungen auf die Wahlkampfberichterstattung durch den simultanen Zeit- und Ländervergleich gut sichtbar. Die Untersuchungsanlage erweist hier ihre besondere analytische Leistungsfähigkeit. (2) Medien- bzw. Pressesysteme Als strukturelle Determinanten der Wahlkampfberichterstattung seitens der Medien- bzw. Pressesysteme konnten der politische Parallelismus, die Konkurrenzsituation auf dem Zeitungsmarkt, die Existenz privater Fernsehsender, der Umfang der Zeitungen, der Umfang der politischen Berichterstattung in den Zeitungen und technische Innovationen ausgemacht werden. Der strukturelle Vergleich beider Länder hatte gezeigt, dass sie sich in einigen dieser Punkte deutlich unterscheiden. Den Rahmen dafür gibt die Pressepolitik vor, die in Österreich bisher meist reaktiv erfolgte und auch deshalb – im Unterschied zu der in Deutschland – keine wirksamen Maßnahmen gegen die immer weiter voranschreitende Pressekonzentration setzen konnte. Folglich haben in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die österreichischen Boulevardzeitungen immer höhere Marktanteile auf sich vereinigt. (a) Der Analyserahmen hatte ursprünglich die Pressekonzentration und die Marktposition unterschiedlicher Zeitungsgattungen als Einflussfaktoren vorgesehen. Die Inhaltsanalyse hat aber ergeben, dass ihr Einfluss in engem Zusammenhang miteinander betrachtet werden muss: Der übergreifende Einflussfaktor, unter dem sich beides subsummieren lässt, kann als Konkurrenzsituation zwischen den Zeitungsgattungen bezeichnet werden und umfasst allgemein den Wettbewerb zwischen verschiedenen Zeitungsgattungen. Bedeutsam ist insbesondere der unterschiedliche Stellenwert von Boulevard- und Parteizeitungen. Der entscheidende Einfluss der Pressekonzentration auf die Wahlkampfberichterstattung ergibt sich also daraus, dass sie in Österreich zu einer Marktdominanz der Boulevardzeitungen und zu einer Verdrängung der Parteizeitungen geführt hat. Darüber hinaus trägt sie – so kann man vermuten – zu boulevardesken Tendenzen in den Eliteblättern bei. In der Wahlkampfberichterstattung der Elitetageszeitungen spiegelt sich der Einfluss der Konkurrenzsituation auf verschiedene Weise wider: Auffällig ist z. B., dass die österreichischen Elitetageszeitungen zwar etwa gleich viele Beiträge enthielten wie die deutschen, dass diese aber, verglichen mit denen der deutschen, 302

im Durchschnitt kürzer waren, vermutlich aufgrund der schwierigeren ökonomischen Situation der Elitetageszeitungen in Österreich. In der Folge boten sie ihren Lesern weniger Informationstiefe und schlechtere Möglichkeiten zu einer fundierten politischen Meinungsbildung, was demokratietheoretisch problematisch erscheint – zumal vor dem Hintergrund der geringeren Zahl unterschiedlicher Elitetageszeitungen in Österreich. Ein weiteres Merkmal, auf das sich die Konkurrenzsituation am Markt auswirkt, ist die Negativität der Wahlkampfberichterstattung: In Österreich wurde sie durch das Verschwinden der Parteizeitungen vom Markt insgesamt verstärkt, weil die jetzt vorherrschenden Richtungszeitungen im Unterschied zu den Parteiblättern den Kandidaten beider politischen Richtungen kritisch gegenüberstehen. Die wachsende Negativität und die zunehmende Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung könnten aber auch auf eine mögliche, zumindest tendenzielle Orientierung der Elitezeitungen an der ökonomisch erfolgreicheren Boulevardpresse hindeuten, deren Marktanteile im Zeitverlauf immer weiter gestiegen sind. Zusammenhänge zwischen dem Grad der Pressekonzentration und der inhaltlichen Vielfalt (Themen-, Akteurs- und Meinungsvielfalt) lässt die Inhaltsanalyse hingegen nicht erkennen. Die Befürchtungen, die strukturelle Konzentration könne die inhaltliche Vielfalt direkt beeinträchtigen, scheinen also nicht gerechtfertigt. (b) Der schon in den politischen Systemen zentrale Einflussfaktor „Demokratietyp“ wirkt sich auch in den Mediensystemen aus, nämlich in Form des politischen Parallelismus. Dieser war in Österreich lange Zeit viel stärker ausgeprägt als in Deutschland, und die Zeitungen orientierten sich ideologisch sehr viel stärker an den politischen Parteien. Zudem hatten Parteiblätter in Österreich auch nach 1945 zunächst noch eine wichtige Marktposition und wurden erst Ende der 1980er Jahre nahezu vollständig vom Markt verdrängt. In der Inhaltsanalyse hat sich der politische Parallelismus als starker medienstruktureller Einflussfaktor erwiesen, vor allem auf den (in Österreich stärkeren) Polarisierungsgrad der Kandidatenbewertungen und die (in Österreich einseitigere) Auswahl der Urheber wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten. Dass im Zeitverlauf auch in Österreich die Kanzlerkandidaten beider Parteien weniger parteiisch, sondern überwiegend negativ bewertet wurden, ist somit Ausdruck des nachlassenden politischen Parallelismus. Darüber hinaus beeinflusst der politische Parallelismus die Urhebertransparenz der Zeitungen: Vor allem im Parteiblatt AZ schien aufgrund seiner engen Bindung an die SPÖ eine Nennung der Urheber lange Zeit wohl überflüssig und setzte sich erst allmählich durch. (c) Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Ländern im Bereich des Fernsehens besteht in der höheren Relevanz des (Privat-)Fernsehens in Deutschland. Die Resultate der Inhaltsanalyse deuten aber darauf hin, dass weniger die Rolle und Verbreitung des Fernsehens allgemein, sondern vor allem die Existenz privater Fernsehsender Auswirkungen auf die Wahlkampfberichterstattung hat. Zumindest hängen in Deutschland die Dualisierung des deutschen Rund303

funksystems und der Anstieg der Negativität und der Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung in den Zeitungen zeitlich zusammen. (d) Als zusätzlicher, im Analyserahmen zunächst nicht berücksichtigter medienstruktureller Einflussfaktor hat sich der Gesamtumfang der Zeitungen und der politischen Berichterstattung erwiesen, der den Raum für die Wahlkampfberichterstattung bestimmt. Er hat sich im Lauf der Jahrzehnte in beiden untersuchten Ländern ausgeweitet, was durch die steigende Prosperität der Zeitungen bedingt sein dürfte. In der Folge nahm mengenmäßig auch die Wahlkampfberichterstattung in beiden Ländern langfristig zu, sieht man von Einbußen in Deutschland während Kohls Kanzlerschaft ab, als die Wahlen häufig schon früh entschieden schienen und die Spannung folglich gering war. (e) Ergänzt werden müssen als Einflussfaktor auf die Wahlkampfberichterstattung zudem technische Innovationen, deren Auswirkungen vor allem an einem wachsenden Visualisierungs- und damit steigenden Personalisierungsgrad der Berichterstattung ablesbar sind. (3) Journalistische Systeme Strukturelle Einflussfaktoren in den journalistischen Systemen sind den Ergebnissen der Inhaltsanalyse zufolge die meinungsjournalistische Tradition, die politische Autonomie der Journalisten, das journalistische Rollenselbstverständnis und der Stellenwert journalistischer Ausbildung und Selbstregulierung als Kennzeichen des journalistischen Professionalisierungsgrades. (a) Im deutschen und österreichischen Journalismus wirkt eine historische Gemeinsamkeit bis in die Gegenwart nach: In beiden Ländern bildete sich im 19. Jahrhundert als Folge einer erst spät erlangten Meinungs- und Pressefreiheit eine meinungsjournalistische Tradition heraus. Bis heute definieren deutsche und österreichische Journalisten ihre Rolle stärker politisch-partizipativ und advokatorisch als ihre Kollegen z. B. im angelsächsischen Raum. In Übereinstimmung mit historischen Analysen zeigen die Resultate der Inhaltsanalyse aber, dass diese Tradition in Österreich nach 1945 viel stärker fortdauerte als in Deutschland: In den österreichischen Zeitungen ist der Anteil der meinungsbetonten gegenüber den tatsachenbetonten Stilformen an der Wahlkampfberichterstattung fast durchgängig höher als in den deutschen Blättern. (b) In enger Verbindung mit dem Meinungsjournalismus steht das (in Österreich tendenziell stärker parteiische) journalistische Rollenselbstverständnis. Auch hier führt der konkordanzdemokratische Charakter Österreichs wiederum zu Unterschieden zwischen beiden Ländern: Während sich deutsche Journalisten nach 1945 eher in einer kontrollierenden Funktion und kritischen Distanz zu politischen Akteuren jedweder Couleur sahen, standen ihre österreichischen Kollegen den Politikern jeweils eines Lagers näher und vertraten tendenziell eher die Interessen einer bestimmten politischen Partei – zumal in der Zeit, in der die Parteizeitungen in Österreich noch stark verbreitet waren. Die stärkere Parteilichkeit der österreichischen Journalisten hängt ebenfalls mit dem stärkeren poli304

tischen Parallelismus zusammen. In der Wahlkampfberichterstattung kommt sie vor allem darin zum Ausdruck, dass die österreichischen Journalisten in ihren Kandidatenbewertungen stärker Partei für eine politische Seite bzw. einen Kandidaten ergriffen als die deutschen. Sie polarisierten klarer, wodurch ihre Berichterstattung insgesamt stärker meinungsbetont wurde. (c) In diesem Kontext ist auch ein zusätzlicher Faktor zu sehen, um den der Analyserahmen ergänzt wird: Die politische Autonomie der Journalisten, die in Österreich geringer ist als in Deutschland. Im Lauf der Jahrzehnte hat sie mit der Emanzipation der Medien und Journalisten von ihren traditionellen Trägerorganisationen (z. B. den Parteien) in beiden Ländern zugenommen. In der Wahlkampfberichterstattung gibt es dafür mehrere Anzeichen: Der Anteil der Eigenbeiträge gegenüber den Agenturbeiträgen ist gestiegen, die meinungsbetonten Darstellungsformen haben zugenommen und die Authentizität der Berichterstattung (gemessen an der Kandidatenzitierung) ist gesunken. In Deutschland ist zudem der Anteil der Journalisten als Urheber wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten gestiegen, und in Österreich haben die Journalisten ab 1990 eine zunehmend kritische Haltung gegenüber den Kanzlerkandidaten beider Großparteien eingenommen. Dennoch bleiben hinsichtlich dieser Indikatoren nach wie vor Länderunterschiede in der Wahlkampfberichterstattung bestehen, die sich auf die fortdauernd geringere politische Autonomie der Journalisten in Österreich zurückführen lassen. Die Nähe der österreichischen Journalisten zu den Parteien und somit die konkordanzdemokratischen Spezifika des österreichischen Journalismus wirken also bis in die Gegenwart hinein. (d) Ein weiterer Länderunterschied besteht im geringeren Stellenwert journalistischer Ausbildung und Selbstregulierung in Österreich. Das verweist auf einen geringeren journalistischen Professionalisierungsgrad und möglicherweise auf ein weniger stark ausgeprägtes gesellschaftliches und politisches Bewusstsein für die demokratische Funktion unabhängiger Massenmedien in Österreich. Die Inhaltsanalyse belegt, dass sich diese strukturellen Unterschiede auch auf die Wahlkampfberichterstattung ausgewirkt haben. Das gilt insbesondere für die Urhebertransparenz, die in den deutschen Zeitungen von Beginn des Untersuchungszeitraums an viel konsequenter beachtet wurde als in den österreichischen. Dort verbesserte sie sich erst mit der Etablierung von Ausbildungs- und Selbstregulierungsinstanzen, hat bis heute aber nicht den deutschen Standard erreicht. In dieselbe Richtung deutet die in Österreich weniger ausgeprägte Trennung von Nachricht und Meinung, das heißt, die österreichischen Zeitungen enthielten durchgängig häufiger explizite Bewertungen der Kanzlerkandidaten in tatsachenbetonten Beiträgen, und zwar überwiegend in Richtung der Kommentarlinie der jeweiligen Zeitung. (4) Situative Konstellation In einem historischen Überblick über die situativen Konstellationen in allen 16 Bundestags- und 18 Nationalratswahlkämpfen von 1949 bis 2006 waren sechs 305

sich wiederholende Situationen bzw. Faktoren identifiziert worden, durch die ein systematischer Einfluss auf die Wahlkampfberichterstattung anzunehmen war. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse haben diese Vermutungen bestätigt, aber auch gezeigt, dass es weitere situative Einflussfaktoren zu berücksichtigen gilt. (a) Die aktuelle Ereignislage prägt vor allem die Themen der Wahlkampfberichterstattung nachhaltig. (b) Die Wahlkampfdauer beeinflusst die Berichterstattung insbesondere dann, wenn Wahltermine vorgezogen werden. In diesem Fall erhöht sich in aller Regel der Kandidatenbezug der Wahlkampfberichterstattung. Das heißt, das Vorziehen von Wahlen steigert deren Personalisierungsgrad, wohl aufgrund der fehlenden Vorlaufzeit zur Setzung thematischer Schwerpunkte durch Parteien und Medien. (c) Die Offenheit des Wahlausgangs und damit verbunden die Spannung des Wahlkampfs hat einen systematischen Einfluss auf mehrere Merkmale der Berichterstattung: Je offener der Wahlausgang, desto geringer ist der Anteil der wertenden Aussagen über die Kanzlerkandidaten, die von den Journalisten selbst stammen, weil in einer solchen Situation alternativ zahlreiche zitierfähige Aussagen von politischen Akteuren zur Verfügung stehen. In den deutschen Zeitungen hat sich die Offenheit des Wahlausgangs zudem auf den Sachthemenanteil an der Wahlkampfberichterstattung ausgewirkt: Je ungewisser die künftige Regierung, desto geringer war meist der Sachthemenanteil – womit Dethematisierungstendenzen in der Wahlkampfberichterstattung keinem linearen Trend folgen, sondern vor allem als eine mediale Reaktion auf das jeweilige Meinungsklima der Wählerschaft und die Reaktionen der Parteien darauf zu werten sind. (d) Ein Einfluss der Wahlkampagnen ist in der Berichterstattung der Elitetageszeitungen vor allem dahingehend feststellbar, dass sie die Themen der Wahlkampfberichterstattung bestimmen können und dass stark personalisierte Kampagnen den Personalisierungsgrad der Berichterstattung steigern. (e) Hinsichtlich des Einflusses der Fernsehduelle zwischen den beiden Kanzlerkandidaten ergab die Inhaltsanalyse, dass ihre Existenz in Österreich, wo sie schon 1970 eingeführt wurden, vor allem den Kandidatenbezug der Berichterstattung erhöht hat. In Deutschland, wo die ersten TV-Duelle erst 2002 stattfanden, wirkten sie sich hingegen eher auf die Anzahl wertender Aussagen über die Kanzlerkandidaten und die Kriterien, anhand derer sie bewertet werden, aus. Der Umfang der Berichterstattung über die Kanzlerkandidaten dürfte in Deutschland zu diesem Zeitpunkt schon so hoch gewesen sein, dass eine Steigerung kaum noch möglich war (Deckeneffekt). (f) Der zweifellos vorhandene Einfluss der Spitzenkandidaten lässt sich aufgrund der Individualität jedes einzelnen Kandidaten nicht systematisieren. Neben diesen sechs schon im Analyserahmen vorgesehenen Einflussfaktoren müssen mit Blick auf die Ergebnisse der Inhaltsanalyse zwei weitere berücksichtigt werden: (g) Die bisherige Amtsdauer des Kanzlers wirkt sich auf seinen Amtsbonus aus: Je länger er bereits im Amt ist, desto geringer wird sein medialer Sichtbarkeitsvor306

sprung vor dem Herausforderer. Man kann daher von einem „Abnutzungseffekt“ mit zunehmender Amtsdauer sprechen. (h) Die bisherige Amtsdauer der Regierung steht im Zusammenhang mit dem Sachthemenanteil an der Wahlkampfberichterstattung: Er sinkt in Österreich, je länger eine Regierung bereits im Amt ist, was damit zusammenhängt, dass das Wahlergebnis in solchen Fällen tendenziell weniger vorhersehbar ist. Gerade zu Zeiten der österreichischen Konkordanzdemokratie, in der Wahlkämpfe generell nicht sehr spannend waren, spielte das eine Rolle. Nach gerade erfolgten Regierungs- und somit politischen Paradigmenwechseln hingegen stieg der Sachthemenanteil meist in beiden Ländern. Nachdem die Ergebnisse der Untersuchung im Ländervergleich zusammengefasst wurden, gilt es abschließend nochmals die darunterliegende Analyseebene zu betrachten: Die sieben Zeitungen unterschiedlicher politischer Richtungen. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, ob deren Berichterstattung durch ihre politische Richtung determiniert wird. Das würde bedeuten, dass es zwischen den Blättern ähnlicher politischer Richtungen über Ländergrenzen hinweg Gemeinsamkeiten gibt. Die Resultate verweisen jedoch eher auf den Zeitungstyp als entscheidenden Faktor. Denn die vier deutschen Zeitungen im Sample bilden zusammen mit dem österreichischen Standard unabhängig von ihrer politischen Richtung eine relativ homogene Gruppe. Darin kommt vermutlich ein übereinstimmendes Verständnis vom Konzept „Qualitätszeitung“ zum Ausdruck. Davon unterscheidet sich die Presse bis zu einem gewissen Grad, vor allem aber das Parteiblatt AZ in vielerlei Hinsicht. Die fünf erstgenannten Zeitungen sind sich in den meisten untersuchten Merkmalen der Wahlkampfberichterstattung relativ ähnlich. Das betrifft z. B. die Darstellungsformen, die Themen, den Grad an journalistischer Autonomie und die Qualitätskriterien Vielfalt und Transparenz. Der einzige grundlegende Unterschied zwischen diesen Blättern sind ihre politischen Tendenzen, die sich in den Kandidatenbewertungen niederschlagen. Aber auch hier besteht die Differenz vor allem in der Bewertungsrichtung, nicht in den Bewertungsmustern an sich und nur tendenziell im Grad ihrer Polarisierung. Lediglich die FR ließ ihre redaktionelle Linie meist dezidierter erkennen als die anderen vier Zeitungen, während sich der Standard häufig nicht auf eine bestimmte politische Seite stellte, der politischen Mitte also unter sämtlichen Blättern ideologisch insgesamt am nächsten steht. Die Ursachen für beides dürften vor allem in der Tradition und dem Selbstverständnis dieser beiden Zeitungen liegen: Die Gründer der FR stammten aus dem linken Umfeld, ja aus dem kommunistischen Widerstand, was in der politischen Grundhaltung der Zeitung bis heute nachwirkt. Der Standard wiederum ist seinem Selbstverständnis nach seit jeher überparteilich, womit er sich von anderen österreichischen Zeitungen absetzen wollte. Dass AZ und Presse sich in vielen Punkten von den fünf anderen Zeitungen unterscheiden, hat wiederum insbesondere damit zu tun, dass Österreich nach 1945 eine Konkordanzdemokratie war. Die AZ hat sich in der Inhaltsanalyse mit 307

einer stark parteiischen Berichterstattung erwartungsgemäß als Parteiblatt par excellence erwiesen. Zugleich waren zahlreiche Spezifika festzustellen, die sie mit der Zeit einer Boulevardzeitung ähnlich werden ließen, z. B. ihre vergleichsweise kurzen Beiträge, ihr eingeschränkter Umfang des Politikteils, ihr hoher Anteil an Meinungsbeiträgen und ihre relativ starke Bebilderung, vor allem in den 1980er Jahren. Einige dieser Merkmale wies lange auch die Presse auf, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als die AZ. Erst nachdem der Presse mit dem Standard neue Konkurrenz auf dem österreichischen Markt entstanden war, wurde sie zunehmend den fünf anderen Qualitätszeitungen ähnlicher – wobei sie durch ihre politische Tendenz (ähnlich der FR auf der linken Seite) unter den hier betrachteten Zeitungen am rechten Rand des politischen Spektrums steht. Das oben skizzierte länderübergreifende politische Spektrum der Zeitungen von der AZ ganz links über FR, SZ, Standard, FAZ und Welt bis hin zur Presse hat sich damit als zutreffend erwiesen – mit der einzigen Ergänzung, dass sich FAZ und Welt in ihrer Tendenz (zumindest in den Bewertungen der Kanzlerkandidaten) weniger unterscheiden als vielfach angenommen. Mit Ausnahme der Bewertungen sind jedoch keine systematischen Unterschiede in der Wahlkampfberichterstattung je nach ideologischer Position innerhalb dieses Spektrums erkennbar. Vielmehr verweisen die Ergebnisse wiederum auf den Einfluss der Konkurrenzsituation am Markt, wobei insbesondere die Existenz und der Stellenwert marktmächtiger anderer Zeitungsgattungen (Partei- und Boulevardzeitungen) neben den Qualitätstiteln relevant sind. Abschließend gilt es nochmals Bezug zu nehmen auf den Ausgangspunkt der vorliegenden Dissertation. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, zwei häufig geäußerte, aber selten empirisch untersuchte Annahmen zu prüfen: Zum einen die These, dass langfristige Trends die Wahlkampfberichterstattung in allen westlichen Demokratien gleichermaßen ergriffen haben sollen. Zum anderen die Vermutung, dass diese Trends durch nationale Strukturen und Eigenheiten modifiziert werden. Mittels der vergleichenden Inhaltsanalyse konnten beide Annahmen bestätigt und entscheidend präzisiert werden. In der Wahlkampfberichterstattung deutscher und österreichischer Tageszeitungen von 1949 bis 2006 haben sich ähnliche Entwicklungen vollzogen (z. B. eine Zunahme der journalistischen Autonomie und (bis zu einem gewissen Grad) der Negativität und Personalisierung), die somit als transnational gelten können. Jedoch wurden diese Prozesse mehrfach durch die jeweiligen nationalen und zeitspezifischen Rahmenbedingungen gebrochen und haben zu Länderunterschieden in der Berichterstattung geführt, wie von Gurevitch und Blumler (2003: 381) postuliert. In der Gegenüberstellung der Länder stechen vor allem drei zentrale Ergebnisse ins Auge: 1) Der wichtigste Unterschied zwischen Deutschland und Österreich kommt in allen drei strukturellen Säulen des Analyserasters zum Ausdruck: Die österreichische Konkordanzdemokratie, wichtigster Einflussfaktor im politischen System, führte im Pressesystem zu einem stärkeren politischen Parallelismus und im journalistischen System zu einem stärker parteiischen Rollenselbstverständnis der 308

Journalisten als in Deutschland. Darin zeigt sich die enge Verflochtenheit medienexterner und medieninterner struktureller Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung. Diese Differenz zwischen beiden Ländern wirkt sich, wie gerade gezeigt, auf einen großen Teil der untersuchten Muster der Berichterstattung aus. Deutlich wird daran auch, dass die drei Mediensystemtypen von Hallin und Mancini (2004) Idealtypen darstellen, deren reale Repräsentanten untereinander keineswegs homogen sind: Obwohl Deutschland und Österreich gleichermaßen als demokratisch-korporatistisch gelten, verweist die Wahlkampfberichterstattung in Österreich auf eine viel größere Nähe zu den polarisiert-pluralistischen Ländern. 2) Im Zusammenhang damit steht die Erkenntnis, dass Österreich zu Beginn des Untersuchungszeitraums einige sehr spezifische Berichterstattungsmuster aufwies, die erst allmählich den deutschen ähnlicher wurden, z. B. der anfangs äußerst geringe Personalisierungsgrad, die starke Polarisierung und die sehr geringe Urhebertransparenz. Weiterhin waren in Österreich häufiger und eindeutiger langfristige, lineare Trends festzustellen. Diese erfolgten zudem überwiegend in der Richtung, von der die theoretischen Ansätze ausgehen, insbesondere ab den 1990er Jahren nach dem endgültigen Verschwinden der Parteipresse. Beispiele dafür sind eine steigende Personalisierung und Negativität. Offensichtlich besaß die Wahlkampfberichterstattung in Österreich ein höheres „Modernisierungspotenzial“ bzw. einen stärkeren „Modernisierungsbedarf“ als in Deutschland, wo sie schon zu Beginn des Untersuchungszeitraums stärker allgemeinen westeuropäischen Mustern entsprach. Analog zur von Pelinka (1995: 5) beschriebenen „Entaustrifizierung“ des österreichischen politischen Systems kann demnach von einer „Entaustrifizierung“ der Wahlkampfberichterstattung der österreichischen Elitezeitungen gesprochen werden: Im Lauf der Jahrzehnte hat sie immer mehr österreichische Spezifika verloren. 3) Auch die Wahlkampfberichterstattung der deutschen Zeitungen hat sich langfristig gewandelt, allerdings weniger linear als die der österreichischen, sondern eher sprunghaft. Einen Wendepunkt hinsichtlich mehrerer Trends (z. B. journalistische Autonomie, Negativität, Personalisierung) stellte das Jahr 1980 dar: Einige Veränderungen in diesem Jahr waren bedingt durch die Ausnahmesituation des „Anti-Strauß-Wahlkampfs“, dauerten aber in der Folgezeit an. Möglicherweise hatte dieser Ausnahmewahlkampf also eine Katalysatorwirkung und beschleunigte Entwicklungen, zu denen es ohnehin gekommen wäre. Verstärkt und auf Dauer gestellt wurden diese Muster vermutlich zudem durch die bald darauf folgende Einführung des Privatfernsehens in Deutschland. Die vorliegende Untersuchung hat eine große Zahl an Wahlkämpfen und Einflussfaktoren auf die Wahlkampfberichterstattung betrachtet. Dennoch ist die Aussagekraft ihrer Ergebnisse letztlich begrenzt. Denn sie untersucht lediglich zwei in vielerlei Hinsicht ähnliche Länder bzw. Regierungssysteme, lediglich Elitetageszeitungen und lediglich die Berichterstattung über Wahlkämpfe. Zudem beruht das entwickelte Modell nur auf empirisch gesättigten Plausibilitätsan309

nahmen. Strenge Kausalschlüsse sind auf dieser Basis nicht zulässig. Wohl aber kann das Modell als Grundlage für Hypothesen dienen, mit deren Hilfe es am Beispiel anderer Länder und Zeitpunkte empirisch überprüft werden kann. Damit liefert die vorliegende Studie einen Ausgangspunkt für künftige Forschungen. Um die Wirkmechanismen auf die politische Berichterstattung noch besser verstehen zu können, sollten künftige Untersuchungen die Gültigkeit und Verallgemeinerbarkeit des hier entwickelten Modells an weiteren Ländern und Regierungssystemen, Mediengattungen und Routinephasen außerhalb des Wahlkampfs testen. Nur so können Faktoren identifiziert werden, die in der vorliegenden Untersuchung übersehen wurden, weil sie in beiden Ländern in gleicher Weise wirken, oder die hier überbetont wurden, weil sie nur in Deutschland und Österreich eine relevante Rolle spielen. Insbesondere ein zentrales Resultat der Inhaltsanalyse bedarf weiterer Forschung: Sie hat ergeben, dass sich jenseits der Einzigartigkeit jedes Wahlkampfs bestimmte situative Konstellationen in systematischer Weise stets ähnlich auf die Wahlkampfberichterstattung auswirken. Diese situativen Einflussfaktoren noch stärker zu systematisieren und weitere zu identifizieren, sollte ein Ziel künftiger Studien sein. Um die strukturellen und situativen Filter, die auf die Berichterstattung wirken, besser verstehen und die Annahmen über die Wirkmechanismen auf die politische Berichterstattung theoretisch weiterentwickeln zu können, sind also zahlreiche weitere Forschungsanstrengungen notwendig. Die vorliegende Studie zeigt, dass kombinierte Zeit- und Ländervergleiche dafür ein besonders zielführendes Forschungsdesign darstellen. Die Vorteile sowohl gegenüber rein zeitvergleichenden als auch gegenüber rein ländervergleichenden Untersuchungen sind an zahlreichen Stellen deutlich geworden. Eine Kombination aus beidem kann – zumindest zum Teil – Ordnung in scheinbar willkürlich schwankende Entwicklungen bringen. Nur komparative Studien haben das Potenzial, dahinterstehende Trends aufzudecken und einzelne Beobachtungen in einen Gesamtzusammenhang zu stellen, die erst auf diese Weise eine Bedeutung und einen Sinn bekommen.

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Weitere Quellen APA-Meldung vom 01.09.1990: Umfrage: 89 Prozent halten Waldheim-Mission für absolut richtig. APA061 1990-09-01/10:38 0019/0135/1084. APA-Meldung vom 21.09.1990: Wahlkampf 2 (Cap) Wien/APA. Cap wirft Riegler Versagen in der Verwaltungsreform vor – Noch 800.000 unentschlossene Wähler. APA133 1990-09-21/11:43 0054/0412/3296. APA-Meldung vom 31.08.1994: OGM-Umfrage: SP 40, VP 27, FP 19, G 8 und LF 6 Prozent. „Standard“: Koalition verliert, FP legt zu. APA551 1994-08-31/20:26. APA-Meldung vom 21.11.1995: Wahlkampf: OGM sieht SP bei 30 Prozent, VP 29, FP 25, G 8, LIF 6. „Standard“: Vranitzky erstmals in Kanzlersfrage mit 29 Prozent hinter SPÖ. APA485 1995-11-21/16:57. APA-Meldung vom 06.09.1999: NR-Wahl: Laut Umfrage FPÖ in vier Bundesländern Nummer eins. SP 35 Prozent, VP 25, FP 27, Grüne 6, LIF und DU je 3. APA0122 1999-09-06/10:32. APA-Meldung vom 27.10.2002: Wahl: SPÖ weiter Umfragen-Leader, FPÖ und Grüne Kopf an Kopf. Duell zwischen Rot-Grün und Schwarz-Blau praktisch ausgeglichen. APA0029 2002-10-27/08:00.

348

APA-Meldung vom 03.09.2006: NR-Wahl: Sonntagsfragen sehen Schwarz vor Rot und zitternde Orange. Grüne stabil bei elf Prozent – FPÖ steht bei sieben bis acht – Auch Martin an der Kippe. APA0072 2006-09-03/09:53. AZ vom 26.02.1966, S. 1: Parteien liegen Kopf an Kopf. Meinungsforscher: Nur noch 8 Prozent sind unentschlossen. AZ vom 13.02.1970, S. 4: Computerergebnis 17.05 Uhr? Wahl: Hochrechnung mit 5 Prozent der Stimmen? AZ vom 08.09.1971, S. 2: Umfrage mutmaßt: Es steht 48,5 : 41,1. AZ vom 06.11.1986, S. 2: SPÖ glaubt nun an die „Relative“. Umfrage: Österreicher trauen ihr wirtschaftlich mehr zu. AZ vom 22.11.1986, S. 16: Warum Vranitzky in Wien so gut ankommt. Der Standard vom 09.09.1994, S. 1: Haider überholt Busek in der Kanzlerfrage. Vranitzky führt trotz leichten Rückgangs weiterhin deutlich – Abwärtstrend für die ÖVP. Der Standard vom 22.11.1995, S. 1: Vranitzky liegt als Kanzler erstmals schlechter als SPÖ –Herausforderer Schüssel und Haider können aber nicht aufholen. Die Presse vom 26./27.02.1966, S. 2: Kopf an Kopf im Rennen. Die Presse vom 27.08.1975, S. 1: Taus hat Kreisky überrundet. Gallup-Umfrage läßt Kopf-an-Kopf-Rennen erwarten. Die Presse vom 28.03.1979, S. 1: Hochrechnung ortet SP-Verlust am 6. Mai. OTS-Presseaussendung vom 04.09.1999: Dramatische Wende im Wahlkampf: FPÖ erstmals stabil vor der ÖVP Sonntagsfrage: SPÖ 36%, ÖVP 24%, FPÖ 28%, Grüne 6%, Liberale 3%, Lugner 3%. OTS0021 1999-09-04/08:00. OTS-Presseaussendung vom 27.10.2002: „profil“-Umfrage: ÖVP wieder vor SPÖ. Grüne vor FPÖ – Schüssel bei Kanzlerfrage deutlich voran. OTS0008 2002-10-27/08:00. OTS-Presseaussendung vom 09.09.2006: „profil“-Umfrage: ÖVP weiterhin konstant vor SPÖ. ÖVP 38 %, SPÖ 35 %, Grüne 10 %, FPÖ 9 %, HPM 5 %, BZÖ 2 % – Schüssel kann in der Kanzlerfrage zulegen. OTS0005 2006-09-09/08:00. Bundesministerium für Inneres (BMI): http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/start.aspx. Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR): http://www.rtr.at/de/ppf/Pressefoerderung. Statistik Austria: http://www.statistik.at/. Statistisches Bundesamt: http://www.destatis.de/.

349

Anhang

Tabelle A1: Höhe der Presseförderung für österreichische Tageszeitungen Förderungszeitraum

Allgemeine/ VertriebsFörderung (in Mio. €) 1975-2006

Besondere Förderung

Gesamtförderbetrag

(in Mio. €) 1985-2006

(in Mio. €) 1975-2006

Die Presse

1975-2006

8,27

37,25

45,52

Neue Zeit

1975-2001

7,20

27,58

34,78

(Neue) Kärntner Tagesztg.

1975-2006

8,05

25,76

33,81

Der Standard

1990-2006

4,82

21,64

26,45

Neues Volksblatt

1975-2006

7,40

18,65

26,05

Neue Vorarlb. Tageszeitung

1975-2006

5,40

17,08

22,48

Media Süd (NVZ/SVZ/ NTZ)

1975-2006

5,58

16,62

22,20

Arbeiter Zeitung

1975-1991

3,95

7,32

11,27

Salzburger Nachrichten

1975-2006

8,16

2,10

10,26

(Neue) Kronen Zeitung

1975-2006

8,38

---

8,38

Tiroler Tageszeitung

1975-2006

8,38

---

8,38

Oberösterr. Nachrichten

1975-2006

8,37

---

8,37

Kleine Zeitung

1975-2006

8,35

---

8,35

Vorarlb. Nachrichten

1975-2006

8,09

---

8,09

Kurier

1975-2006

7,41

---

7,41

WirtschaftsBlatt

1997-2006

2,48

4,71

7,19

Wiener Zeitung

1975-2003

5,66

---

5,66

Volksstimme

1975-1990

3,34

1,51

4,86

Südost-Tagespost

1975-1987

2,95

0,78

3,73

Oberösterr. Tagblatt

1975-1987

2,52

0,48

3,00

Neue Zeitung für Tirol

2005-2006

0,28

1,41

1,68

Salzburger Volksblatt

1975-1978

0,33

---

0,33

Gesamt

1975-2006

125,38

182,88

308,26

Quelle: RTR (1975-2006): Auskunft von Frau Brigitte Zauner-Jelemensky (Kommunikationsbehörde Austria) per E-Mail bzw. Brief vom 3.2.2009, 9.2.2009 und 30.3.2009, sowie online unter http://www.rtr.at. Förderungsbeträge aus der Zeit vor 2002 umgerechnet von ÖS in € (Umrechnungskurs: 13,7603). Grau hinterlege Zeitungstitel haben zumindest zeitweise Besondere Presseförderung erhalten.

350

Tabelle A2a: Pressestatistische Daten im Überblick – Deutschland Publizistische Einheiten (PE, Anzahl)

Verkaufte Auflage (in Mio.)*

Verlage als Herausgeber (Anzahl)

Leserdichte (verk. Auflage pro 1000 Einw.)

PE pro 1 Mio. Einwohner

Publizistische Konzentration (C4)

13,4

624

253

0,18

17,3 18,0 19,5 20,5 20,4 21,2

573 535 403 400 392 385

295 300 317 334 331 346

4,25 3,67 3,12 2,64 1,97 1,99 2,01 2,04

Ökonomische Konzentration (C4)

Deutschland 1954 1958 1964 1967 1976 1979 1981 1983 1984 1985 1987 1989 1991 1993 1994 1995 1997 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2006

225 201 183 158 121 122 124 125

0,30 0,31 0,32

0,45 126 121 119 158 137 137 135 135 135

20,9 20,7 20,3 27,3 25,4

382 375 358 409 383

343 338 324 340 312

25,0 24,6 24,1

380 370 354

306 300 293

2,06 1,98 1,90 1,97 1,68 1,68 1,65 1,65 1,64

136

23,7

355

287

1,65

134 138 136

22,6 21,7 21,0

358 351

274 263 255

1,62 1,67 1,65

0,29

0,41 0,40 0,38 0,38

0,24 0,38 0,39 0,39 0,39 0,24

0,38 0,41

351

Tabelle A2b: Pressestatistische Daten im Überblick – Österreich Publizistische Einheiten (PE, Anzahl)

Verkaufte Auflage (in Mio.)*

Verlage als Herausgeber (Anzahl)

31 31 29 27 25 19 18 17 18 14 15 13 13 13 14 15

2,55 1,56 1,30 1,56 1,88 2,22 2,44 2,68 2,68 2,56 2,88 2,03 1,98 1,99 1,97 2,30

31 30 29 27 25 20 20 19 21 15 17

Leserdichte (verk. Auflage pro 1000 Einw.)

PE pro 1 Mio. Einwohner

225 188 221 257 296 322 354 354 330 362 252 244 243 240 278

4,48 4,17 3,81 3,41 2,53 2,38 2,25 2,38 1,81 1,88 1,62 1,60 1,59 1,70 1,81

Publizistische Konzentration (C4)

Ökonomische Konzentration (C4)

0,42 0,40 0,39 0,44 0,56 0,69 0,69 0,72 0,70 0,75 0,72 0,76 0,75 0,76 0,77 0,74

0,46 0,44 0,48 0,65 0,69 0,68 0,71 0,70 0,80 0,77 0,84 0,84 0,79 0,85 0,82

Österreich 1946 1952 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2003 2004 2005 2006

12 12

Quellen: Schütz (2004); Melischek/Oggolder/Seethaler (2009); Röper (1987; 1997; 2008); Statistisches Bundesamt; Statistik Austria. Eigene Berechnungen. Die Berechnungen für Deutschland (verkaufte Auflage) beruhen bis 1989 auf Gebiet und Bevölkerung der alten Bundesländer, ab 1990 auf Gebiet und Bevölkerung Gesamtdeutschlands. Die Berechnungen für Österreich beruhen bis 2000 auf der Druckauflage, ab 2001 auf der verkauften Auflage. * Österreich bis 2000 Druckauflage.

352

Tabelle A3: Reliabilitätskoeffizienten zentraler Variablen Kategorie Beitragsebene Länge des Beitrags Stilform Format Urheber Thema des Beitrags Kandidatenbezug Intensität des Kandidatenbezugs Länge der Zitierung der Kandidaten Tendenz auf Beitragsebene Aussagenebene Urheber der wertenden Aussage Objekt der wertenden Aussage Inhalt der wertenden Aussage Tendenz der wertenden Aussage

Deutschland1

k. A. k. A. k. A. k. A. .69 1 k. A. .96 .89 1 1 .89 .96

Österreich (Kerncodierung)2 .925 .857 .934 .877 .782

.910 .902 .934 .898 .808

Österreich (Zusatzcodierung)3

/ /

/ / / / / 1 .946 .973 .932

/ / / /

.923 1 .923 .846

/

1 Basis

Deutschland: Zwei Reliabilitätstests mit insgesamt 15 Beiträgen aus verschiedenen Jahren und Zeitungen, die von jeweils vier Codierern codiert wurden. Reliabilitätskoeffizient: Paarweiser Vergleich nach Holsti. Toleranzen/Zusammenfassungen: Zitierung der Kandidaten: +/- 3 Zeilen; Inhalt der wertenden Aussagen: Bewertungsdimensionen (Sachkompetenz/Managerfähigkeiten, Persönlichkeit, Auftreten/Äußeres; Verhältnis zu anderen; Grundhaltungen); Tendenz (Beitrags- und Aussagenebene): Positiv, ambivalent, negativ. Quelle: Wilke/Reinemann (2000: 184). 2 Basis Österreich: Zwei Reliabilitätstests mit insgesamt 166 Beiträgen aus dem Jahr 1999 bzw. 107 Beiträgen aus dem Jahr 2006, von denen jeder von jeweils zwei Codierern codiert wurde. Überprüft wurde die Übereinstimmung jedes Codierers mit allen anderen drei bzw. allen anderen sechs Codierern. Reliabilitätskoeffizient: Cohen’s Kappa. Toleranzen/Zusammenfassungen: Länge des Beitrags: Zehnerschritte (0, 1-10, 11-20, …, > 110 Zeilen); Thema: Unterste Themenebene hochcodiert. 3 Zusatzcodierung: Reliabilitätstest mit insgesamt 37 Beiträgen aus den Jahren 1938 und 1999, die von zwei Codierern codiert wurden. Reliabilitätskoeffizient: Paarweiser Vergleich nach Holsti. Toleranzen/Zusammenfassungen: Zitierung der Kandidaten: +/- 3 Zeilen; Inhalt der wertenden Aussagen: Bewertungsdimensionen (Sachkompetenz/Managerfähigkeiten, Persönlichkeit, Auftreten/Äußeres; Verhältnis zu anderen; Grundhaltungen); Tendenz (Beitrags- und Aussagenebene): Positiv, ambivalent, negativ.

353

354 42 5019 6790

42 4480 8062

42 4123 7350 46 5447 8715

42 3914 7586

38 6526 8716

42 2113 1489

39 3959 4454 40 1844 842

40 2448 3343 32 3311 6061

39 2159 3535 33 3453 6044

32 3001 6057 32 4616 4821

32 3355 7537 33 4465 4562

36 4080 5204

42 2016 2913

42 4453 5212

42 4331 4586

38 5300 8589

1972

42 2325 1938

42 3854 4886

42 3481 3963

42 3518 6950

1969

39 3921 4701

42 3123 4695

42 3368 2616

45 3193 3075

42 3351 7051

1965

38 2720 6734

45 2904 2932

48 2245 1978

42 3378 5226

1961

36 36 36 36 36 36 4960 3422 4141 4654 5460 5144 3022 4843 4301 5297 11323 11969 1953 1956 1959 1962 1966 1970 1971

42 3508 4948

56 1652 1203

1957

36 5296 2604 1949

1953

1949

32 4737 4808

30 2985 6408

38 5415 8918 1975

46 5628 5736

38 3910 8760

38 6034 11800

1976

33 2937* 5621

30 3813 8132

38 4464 9795 1979

46 5278 7205

38 4423 8857

38 6493 9432

1980

46 6341 3450

38 4744 4937

38 5889 6097

1987

38 7741 5008

38 6264 4526

38 6201 6587

1990

38 6816 6546

38 4796 4416

38 5960 8369

1994

38 7133 6851

38 2880 6872

38 7010 9846

1998

39 8332 11279

39 7022 10700

38 7732 11413

2002

31 4832 7575

31 3446 7164

31 5426 7047

32 3116 3372 29 6351 7041 26 5455 8012

31 9010 8006 29 6383 6364

29 4824 9126

29 6397 10149

29 6085 12437

28 7791 10713

33 6098 14665

30 5988 12822

33 33 33 33 31 31 8952 7896 7743 8133 7532 5680 7135 5448 3303 5216 9079 16966 1983 1986 1990 1994 1995 1999 2002

46 5596 6972

38 4747 8731

38 6194 12536

1983

32 6095 14052

31 5812 11225

31 8810 16771 2006

39 9640 12285

39 6531 13145

38 8297 11095

2005

Basis: Anschläge/Zeile und Zeilen/Ausgabe: Mittelwert einer Stichprobe von zwei Ausgaben pro Zeitung und Jahr (Presse 1979: eine Ausgabe; Quelle deutsche Zeitungen bis 1998: Wilke/Reinemann 2000: 187-188). Zeilen gesamt: 50%ige Stichprobe der Wahlkampfberichterstattung (n = 9.442 Beiträge; Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

Deutschland FAZ Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt FR Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt SZ Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt Welt Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt Österreich AZ Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt Presse Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt Standard Anschläge / Zeile Zeilen / Ausgabe Zeilen gesamt

Tabelle A4: Menge der Wahlkampfberichterstattung nach Zeitungen

355

1949

1953

1957

1961

1949

1953

1956

-

-

-

-

-

-

-

-

-

(0)

-

-

(0)

-

-

1970

-

-

1966

-

-

- Kopf an Kopf an Kopf - Kopf

1962

7

9

-

1959

44 51

1969

52,5 43,5

1965

-

-

7,4

41,1 48,5

1971

22

26 48

6

46 52

1972

-

-

3

45,1 48,1

1975

-

-

0,5

49,3 49,6

1976

-

-

4

-

1979

28

30 58

9,2

54,3 44,5

1980

-

-

-

-

1983

-

-

18,9

56,3 37,4

1983

-

21 56

1

38 39

1986

1

49 48

6,2

52,7 46,5

1987

45,5

14,5 60

3,5

35 38,5

1990

44

8 52

13

27 40

1994

5

48 43

7

52 45

1990

7

22 29

1

29 30

1995

5

48 43

6,2

49,3 43,1

1994

31

14 45

12

24 36

1999

11

39 50

5,5

42,7 48,2

1998

22

45 23

1

36 37

2002

29

26 55

12,3

2002

13

29 16

3

38 35

2006

13

36 49

15,5

2005

Grau unterlegte Felder kennzeichnen den jeweiligen Bundeskanzler. a1953: CDU/CSU, FDP/DP, BHE. 1957: CDU/CSU, DP. 1961, 1965: CDU/CSU, FDP. 1969, 1972, 1976, 1980: CDU/CSU; 1983, 1987, 1990, 1994, 1998, 2002, 2005: CDU/CSU, FDP. b1953, 1957, 1961, 1965: SPD. 1969, 1972, 1976, 1980: SPD, FDP. 1983: SPD. 1987, 1990, 1994, 1998: SPD, (Bündnis 90/) Die Grünen. Datenquellen: 1IfD Allensbach. 2Bis 1980: IfD Allensbach. Ab 1987: TNS Emnid. 31966: IFES (AZ; Presse). 1970: IFES & Dr. Fessel (AZ). 1971: Gallup (AZ). 1975, 1979: Presse. 1986: IFES (AZ). Ab 1990: OGM. 41986: IFES (AZ). 1990, 1994, 1995, 1999, 2006: OGM. 2002: ISMA. Datenquellen: IfD Allensbach: Auskunft per E-Mail von Frau Anke Engelhardt vom 5.11.2010. TNS Emnid: Auskunft per Brief von Frau Isolde Thiem vom 20.12.2010. Die Umfrageergebnisse für Österreich stammen aus Zeitungsberichten, APA-Meldungen und OTS-Presseaussendungen (Auflistung siehe Anhang).

Kanzlerpräferenz4 ÖVP SPÖ Differenz der Kandidaten

Parteipräferenz / Wahlabsicht: Großparteien3 ÖVP SPÖ Differenz der Großparteien

Österreich

Parteipräferenz / Wahlabsicht: Wahrscheinliche Koalitionen CDU-geführta 65 49 46 SPD-geführtb 28 35 46 Differenz der 37 14 0 Koalitionen Kanzlerpräferenz2 CDU/CSU 41 SPD 28 Differenz 13 Kandidaten

Deutschland1

Tabelle A5: Politische Stimmung rund vier Wochen vor der Wahl

356

7 2

8 2

7 1

5 1

8 2

6 1

7 2

9 3

8 2

6 2

8 1

6 2

1953

8 3

/ /

1949

1953

1949

8 2

7 2

1956

10 3

10 4

11 3

/ /

10 4

1957

10 2

9 2

1959

12 3

11 2

1962

14 4

13 4

18 5

13 3

12 3

1961

9 3

11 3

1966

16 4

14 4

21 6

15 2

16 4

1965

11 2

13 3

1970

23 6

19 7

28 7

-

22 5

1969

9 2

16 4

1971

24 7

22 8

30 9

19 4

25 7

1972

11 2

16 3

1975

24 6

18 7

28 7

18 4

32 7

1976

11 2

17 3

1979

28 7

20 8

37 8

20 5

36 8

1980

11 3

13 4

1983

22 6

16 6

32 8

17 4

23 7

1983

13 3

34 6

1986

23 6

18 7

36 9

18 4

22 6

1987

Basis: Mittelwerte einer Stichprobe von zwei Ausgaben pro Zeitung und Jahr. Datenquelle: Eigene Erhebung.

Österreich AZ Gesamtumfang Politikressort Presse Gesamtumfang Politikressort Standard Gesamtumfang Politikressort Österreich gesamt

Deutschland FAZ Gesamtumfang Politikressort FR Gesamtumfang Politikressort SZ Gesamtumfang Politikressort Welt Gesamtumfang Politikressort Deutschland gesamt Gesamtumfang Politikressort

Tabelle A6: Gesamtumfang des redaktionellen und des Politikteils in Seiten

24 6 26 7

28 9

1994

23 6

1990

30 7

22 7

42 9

25 6

32 7

1990

30 7

26 7

1995

30 6

20 6

41 7

24 5

37 7

1994

37 10

32 8

1999

32 7

27 7

33 8

27 6

42 8

1998

34 10

33 10

2002

40 7

37 8

45 9

33 6

46 6

2002

31 9

37 10

2006

39 7

37 8

47 8

30 8

45 6

2005

Abbildung A1: Links-Rechts-Volatilität der Parteiensysteme

Quelle: Statistisches Bundesamt (Deutschland); BMI (Österreich). Eigene Berechnungen. PedersenIndex: Kumulierter Stimmengewinn aller erfolgreichen Parteien in Prozent.

Abbildung A3: Beiträge mit Autorenangabe nach Zeitungen

Chi2 = 2072,101; df = 6; p < 0,001; Cramers V = 0,468. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836, Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

357

Abbildung A2: Wirtschaftsthemen und Polarisierung des Parteiensystems Deutschland

Österreich

Chi2 = 15,408; df = 1; p < 0,001; Cramers V = 0,040. Basis: 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Polarisierung: Budge et al. (1998); Klingemann et al. (2006). Eigene Berechnungen.

358

Abbildung A4: Kandidatenbezug und Bewertungsintensität Deutschland

Österreich

Kandidatenbezug: Chi2 = 136,628; df = 1; p < 0,001; Cramers V = 0,120. Intensität des Kandidatenbezugs: T = 1,853; df = 3811,455; n. s.; Eta2 = 0,001. Basis: Kandidatenbezug (Angaben in Prozent): 9.442 Beiträge (Deutschland: 5.836; Österreich: 3.606). Intensität des Kandidatenbezugs (Mittelwerte): 5.601 Beiträge mit Bezug zu mindestens einem Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.733; Österreich: 1.868). Bewertungsintensität (wertende Aussagen pro Beitrag): 5.808 wertende Aussagen über die Kanzlerkandidaten (Deutschland: 3.564; Österreich: 2.244). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

359

Abbildung A5: Zitierung beider Kanzlerkandidaten nach Zeitungen Deutschland

Österreich

F = 8,417; df1 = 6; df2 = 93; p < 0,001; Eta2 = 0,352. Basis: 1.579.862 Zitatzeilen in 9.442 Beiträgen (Deutschland: 1.134.022 Zeilen in 5.836 Beiträgen; Österreich: 445.840 Zeilen in 3.606 Beiträgen). 1949: Der Tagesspiegel statt FAZ. Bis 1986: AZ. Ab 1990: Standard. Datenquelle: Wilke/Reinemann (2000) und Folgepublikationen; ÖAW (2010); eigene Erhebungen. Eigene Berechnungen.

360

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