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German Pages 414 Year 2016
Juliane Scholz Der Drehbuchautor
Histoire | Band 86
Juliane Scholz (Dr. phil.), geb. 1983, Kultur- und Medienwissenschaftlerin, ist Absolventin der »Graduate School Global and Area Studies« an der »Research Academy Leipzig«. Sie lehrte und forschte am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind vergleichende Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der Moderne, Mediengeschichte sowie Exil und Migration.
Juliane Scholz
Der Drehbuchautor USA – Deutschland. Ein historischer Vergleich
Gefördert durch die »Studienstiftung des deutschen Volkes« und gedruckt mit Mitteln der »Axel Springer Stiftung«.
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Inhaltsverzeichnis 1. E inleitung | 11 Begriffe – Drehbuch und Drehbuchautor | 16 Historische Professionalisierungsforschung als heuristischer Ansatz | 17 Drehbuchautoren und ihr Verhältnis zur Arbeiter- und Angestelltenforschung und zum (Bildungs-)Bürger tum | 21 Strategien der Verberuflichung und Professionalisierung | 24 Stand der Forschung | 26 Gliederung der Studie | 29 Verwendete Quellen und Archivbestände | 30
2. »S zenaristen « und »K inometerdichter « – V orl äufer des professionellen D rehbuchautors in den USA und in D eutschl and bis 1920 | 33 Die Durchsetzung des Langspielfilms in den USA | 34 Die Ära der Drehbuchautorinnen | 43 Ausbildung und Qualifizierung – Ratgeber, Privatschulen und akademischeAusbildungsprogramme | 48 Filmurheberrecht, geistiges Eigentum, Patentstreitigkeiten und Auswirkungen auf den Drehbuchautorenberuf | 55 Clubs und Berufsverbände für Szenaristen | 61 Zusammenfassung – Die Durchsetzung des Drehbuchautorenberufs in den USA | 68 Von Kinometerdichtern und Manuskriptschreibern – Die Entstehung des Drehbuchautors in Deutschland bis 1920 | 70 Die Aufwer tung des Szenaristen durch den Autorenfilm und die Kinoreformbewegung | 77 Frühe Handbücher und Praxisratgeber für Szenaristen | 83 Die Szenaristinnen des frühen deutschen Kinos | 89 Der »Verband deutscher Filmautoren« | 92 Geistiges Eigentum für Filmautoren | 98
Zusammenfassung – Kinometerdichter und Szenaristen in Deutschland | 101 Zusammenfassung – Die Entstehung eines neuen Kreativberufs bis 1920 | 102
3. D ie P rofessionalisierung des D rehbuchautors im arbeitsteiligen S tudiosystem 1920 bis 1933 in den USA und in D eutschl and | 105 Goldrausch und »Go West« – Hollywoods Eminent Authors | 106 Der Tonfilm und die Spezialisierung des Drehbuchautorenberufs in Hollywood | 111 Die Drehbuchkonferenz und die kreative Mitbestimmung des Drehbuchautors im Produktionsprozess | 115 Die Gründung des Berufsverbands »Screen Writers’ Guild« | 121 Die Drehbuchautorengilde und ihr Kampf gegen Konkurrenzverbände und Zensur | 126 Zusammenfassung – Neue Herausforderungen für Drehbuchautoren in Hollywood | 131 Die Durchsetzung des Drehbuchautorenberufs in den 1920er Jahren in Deutschland | 134 Das »Filmschulwesen« und die Planung der ersten Filmhochschulen in Deutschland | 139 Der »Verband deutscher Filmautoren« und seine Beziehung zur »Deutschen Filmgewerkschaft« | 142 Das Drehbuch im deutschen Urheberrecht – Brechts Prozess um D ie D reigroschenoper | 150 Zusammenfassung – Der Drehbuchautor als angestellter Auftragskünstler oder freier Beruf in den USA und in Deutschland in den 1920er Jahren | 154
4. B eruf versus B erufung – D rehbuchautoren und ihr R ingen um berufsständische A utonomie und A nerkennung als K reativberuf in H ollywood 1933 bis 1945 | 157 Schriftsteller von der Ostküste als Drehbuchautoren im Studiobetrieb Hollywoods | 158 Drehbuchautorenausbildung | 165 Drehbuchautorinnen im Studiosystem | 167 New Deal und die politische Radikalisierung der Drehbuchautoren in Hollywood | 171 Die Gebur t der »Screen Writers’ Guild« aus dem Geiste der Gewerkschaftsbewegung 1933 | 176 Die »Screen Writers Guild« und ihre Konkurrenten | 182
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Das Minimum Basic Agreement von 1942 | 188 Europäische Filmemigranten, Zensur und Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg | 193 Zusammenfassung – Die gewerkschaftliche Strategie der US-Drehbuchautoren 1933 bis 1945 | 208
5. D rehbuchautoren zwischen G leichschaltung , V ertreibung und A npassung im nationalsozialistischen D eutschl and | 211 Die Gründung der Reichskulturkammer und die Gleichschaltung des Kulturbetriebs | 213 Der Ausschluss der Juden aus den kulturellen und filmischen Berufen | 219 Schriftsteller oder Filmschaffender – Die Stellung des Drehbuchautors in der NS-Kulturpolitik | 223 Das Berufsbild des Drehbuchautors zwischen innerer Emigration, Oppor tunismus und Par teitreue | 229 Kontrolle der Drehbuchautorenausbildung und Filmzensur | 238 Drehbuchautoren auf dem Weg zu einem Normalver trag | 242 Zusammenfassung – Drehbuchautoren als ideologisch konforme Auftragskünstler während des Nationalsozialismus | 251
6. D er D rehbuchautorenberuf im geteilten D eutschl and und in den USA von 1945 bis 1960 | 255 Entnazifizierung und personelle Kontinuitäten im Nachkriegsdeutschland | 258 Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR | 270 Das Ende der Studioära und die Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood 1945 bis 1960 | 283 Zusammenfassung – Die beruflichen und künstlerischen Strategien der Drehbuchautoren in der Nachkriegszeit | 298
7. H erausforderung und M arginalisierung des D rehbuchautors durch die A utorenfilmbewegung seit d en 1960 er J ahren | 301 Der französische Autorenfilm | 302 Die Auteur Theory in den USA – New Hollywood und die Folgen | 309 »Der alte Film ist tot« – Der Neue Deutsche Film und der Drehbuchautor in der Bundesrepublik 1960 bis 1982 | 318 Der »Verband deutscher Drehbuchautoren« und seine Beziehung zur »Writers Guild of America« seit den 1980er Jahren | 328
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Zusammenfassung – Die verlorene Aura des Drehbuchautors in den USA und in Deutschland seit den 1960er Jahren | 339
8. Z usammenfassung , D iskussion und A usblick | 343 Bibliografie | 357 Liste der Filme, Serien und Fernsehproduktionen | 402 Personenregister | 410
Vorwort und Danksagung Dies ist aktualisierte und überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die mit dem Titel Geschichte des Drehbuchautors in den USA und in Deutschland an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie an der Universität Leipzig angenommen und im Juli 2014 erfolgreich verteidigt wurde. Dass die im Jahr 2011 begonnene Studie nun eine großangelegte kultur- und medienhistorische Vergleichsgeschichte der US-amerikanischen und deutschen Drehbuchautoren wurde, verdanke ich der Unterstützung vieler Menschen und Institutionen. Die Wichtigsten unter ihnen seien im Folgenden kurz genannt. Mein Betreuer Professor Dr. Hannes Siegrist hat mich ermuntert, das kulturhistorische Dissertationsvorhaben zu verfolgen, und mich während der gesamten Promotionsphase mit vielfältigen fachlichen Anregungen in unzähligen langen Gesprächen unterstützt. Dem Institut für Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig verdanke ich nicht nur einen Arbeitsplatz und Infrastruktur, sondern auch viele liebgewonnene Kollegen und Kolleginnen. Die Klasse der Promovierenden an der »Graduate School Global and Area Studies« hat meine Arbeit nicht nur inhaltlich um neue Forschungshorizonte bereichert, sondern einige der Mitglieder sind mittlerweile zu engen Freunden geworden. Für die ideelle und nicht zuletzt finanzielle Förderung meines Promotionsvorhabens bin ich der »Studienstiftung des deutschen Volkes e. V.« zu großem Dank verpflichtet. Die Drucklegung wurde durch einen Druckkostenzuschuss der »Axel-Springer-Stiftung« möglich. Nicht zuletzt besuchte ich zahlreiche Archive und Bibliotheken. Stellvertretend möchte ich mich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des »Bundesarchivs Berlin«, des »Staatsarchivs Leipzig« und der »Margaret Herrick Library« in Los Angeles für die Hilfsbereitschaft bedanken. Mein Forschungsaufenthalt 2012 in Los Angeles wäre ohne die Unterstützung von Joanne Lammers und Karen Pedersen, die mir freundlicherweise noch unbearbeitete Materialien in der »Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library« in Los Angeles zur Verfügung stellten, nicht so einträglich geworden. Viel diskutiert habe ich mit den Forschern und Forscherinnen des »Screenwriting Research Networks«. Besonders Claus Tieber und Petr Szczepanik verdanke ich hilfreiche Anstöße. Für das in mich gesetzte Vertrauen und die stetige Ermunterung danke ich meinen Eltern Carola und Egbert, meinem Bruder Sebastian, meinen Cousinen Henrike und Marthe und meinen Großeltern. Nicht zuletzt brachte die Geburt meiner Nichte im Juli 2014 viel Licht in die stressige Zeit der nahenden Verteidigung. Einen beträchtlichen Anteil an dieser Veröffentlichung haben meine engsten Freunde, die mich stets aufgemuntert und zum Weitermachen motiviert haben. Viele Kapitel wanderten mehrfach durch ihre Hände. Nicht zuletzt ist diese Veröffentlichung aber auch der große Verdienst eines ganz besonderen Menschen. Ihm ist das vorliegende Buch gewidmet. – Für Frank. Leipzig, im Januar 2016
1. Einleitung Die US-amerikanischen Drehbuchautoren1 kämpften erst vor wenigen Jahren in einem vielbeachteten hunderttägigen Streik im Winter 2007/082 für höhere Beteiligungen bei einer Verbreitung von Filmwerken via Internet oder auf anderen Datenträgern. Die deutschen Drehbuchautoren solidarisierten sich daraufhin mit ihren amerikanischen Kollegen. Der Streik der Drehbuchautorengilde in den USA machte deutlich, dass die Film- und Fernsehindustrie Hollywoods nicht auf Drehbücher verzichten kann. Fernsehsendungen wie die bekannte Talk-Show The Late Show With David Letterman mussten für die Dauer des Streiks abgesetzt werden und Serienproduktionen wurden verzögert. Insgesamt kostete der Streik die Unterhaltungsindustrie rund drei Milliarden Dollar.3 Da über 90 Prozent der US-amerikanischen Drehbuchautoren in der Gewerkschaft »Writers’ Guild of America« (WGA) organisiert sind, war ein solcher Streik mit der Beteiligung von rund 12.000 Drehbuchautoren und Unterstützern in den USA möglich.4 Obwohl deutsche Drehbuchautoren in der Geschichte ganz ähnliche arbeitsrechtliche Probleme und strukturelle Voraussetzungen wie ihre US-Kollegen hatten, wäre ein Streik in ihrem Fall nicht denkbar gewesen, da hierzulande kein vergleichbar starker Berufsverband existiert. Der »Verband deutscher Dreh1 | Mit Nennung der maskulinen Funktionsbezeichnung wird in diesem Buch, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer die weibliche oder sich nicht eindeutig identifizierende Gender-Form inkludiert. Dieses pragmatische Vorgehen wurde zur besseren Lesbarkeit gewählt. 2 | Vgl. Reber, Nikolaus, Beteiligung der Kreativen an neuen Medien aus Sicht des Streiks der Drehbuchautoren in den USA 2007/2008, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (2008) H. 10, S. 798-806 und Banks, Miranda J., The Picket Line Outline. Creative Labor, Digital Activism, and the 2007-2008 Writers Guild of America Strike, in: Popular Communication, Bd. 8 (2010) H. 1, S. 20-33. 3 | Vgl. o. A., Writers’ Strike Ends after 100 Days, http://www.history.com/this-day-inhistory/writers-strike-ends-after-100-days, eingesehen am 12.08.2013. 4 | Vgl. Morphis, Jillian N., Negotiations between the WGA and AMPTP. How to Avoid Strikes and Still Promote Members’ Needs, in: Pepperdine Dispute Revolution Law Journal, Bd. 12 (2012), S. 525-550.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
buchautoren« (VDD) ist weit von einer Machtposition und Stellung wie die der gewerkschaftlich organisierten Drehbuchautorengilde in den USA entfernt. Die Frage ist nun, warum und wie es zu diesen Unterschieden kam und inwieweit berufliche Autonomie und kreative Handlungsspielräume bei der Berufsausübung der Drehbuchautoren in der großbetrieblich organisierten Medienkulturindustrie möglich waren. Ziel der Studie ist es, eine vergleichende Berufsgeschichte für die Länder USA und Deutschland vorzulegen und die Geschichte des Drehbuchautors als Entfaltung eines spezialisierten, modernen Kreativberufs an der Schnittstelle von Ökonomie und Kultur5 zu erzählen. Als erkenntnisleitende und methodische Zugänge nutzt die Studie die Angestellten- und Bürgertumsforschung sowie die historische Professionalisierungsforschung. Dadurch werden vielgestaltige gesellschaftspolitische und medienkulturelle Prozesse in der Geschichte des Drehbuchautorenberufs verdeutlicht. Eine historisch vergleichende, systematische Sozial- und Kulturgeschichte des Drehbuchautorenberufs ist bisher noch nicht erschienen.6 Die sozialhistorische Perspektive erweitert jüngste Erkenntnisse der Medien- und Literaturwissenschaft, die den Drehbuchautor als besonderen Medien- oder Kreativberuf in seinen organisatorischen Arbeitsbeziehungen untersuchte und seine schöpferischen Leistungen und Sonderrechte im Filmbetrieb betonte. Hier wurde besonders der Einfluss des Drehbuchautors auf das »Endprodukt« Film fokussiert und die Frage gestellt, welche Handlungsfreiheiten der Drehbuchautor im rationalisierten Produktionsprozess besaß und ob sich das Originaldrehbuch vom filmischen Endprodukt unterschied. Ferner wurden Drehbücher in literatur- und medienwissenschaftlich ausgerichteten Studien als eigenständige literarische Gattung und als selbstständige analytische Untersuchungsobjekte angesehen, deren Struktur, Inhalt und sich fortlaufend ändernder Entwurfscharakter im Mittelpunkt stand.7 In der vorliegenden Arbeit soll weder 5 | Vgl. Koppetsch, Cornelia / Burkart, Günter, Werbung und Unternehmensberatung als »Treuhänder« expressiver Werte? Talcott Parsons’ Professionssoziologie und die neuen ökonomischen Kulturvermittler, in: Berliner Journal für Soziologie (2002) H. 4, S. 531-549. 6 | Der Drehbuchautor als medienhistorischer Untersuchungsgegenstand bei Kasten, Jürgen, Der Drehbuchautor als filmhistorisches Problem, in: Frankfurter, Bernhard (Hrsg.), Carl Mayer. Im Spiegelkabinett des Dr. Caligari, Wien 1997, S. 147-153 und Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood. Das Drehbuch im Studiosystem, Berlin-Wien 2008 (=Filmwissenschaft Bd. 4) und MacDonald, Ian W., Screenwriting in Britain 1895-1929, in: Nelmes, Jill (Hrsg.), Analyzing the Screenplay, New York 2011, S. 44-68. 7 | Drehbuchschreiben als kreative Arbeit bei Conor, Bridget, ‘Everybody’s a Writer’. Theorizing Screenwriting as Creative Labour, in: Journal of Screenwriting, Bd. 1 (2010) H. 1, S. 27-43. Das Drehbuch als eigener »Filmtext« bei Nelmes, Jill, Introduction, in: Nelmes, Jill (Hrsg.), Analyzing the Screenplay, New York 2011, S.Conor, Bridget, ‘Everybody’s a Writer’. Theorizing Screenwriting as Creative Labour, in: Journal of Screenwriting, Bd. 1 (2010) H. 1, S. 27-43 1-4.
Einleitung
das Drehbuch als eigenständiges Untersuchungsobjekt in den Blick genommen noch sollen die vielgestaltigen Drehbuchvorlagen mit den tatsächlich hergestellten Filmproduktionen verglichen werden. Vielmehr geht es um eine transnational vergleichende Berufsgeschichte in zwei bedeutenden Filmländern. Der Drehbuchautor wird als sozialhistorischer Akteur und Musterbeispiel für einen modernen Kreativberuf begriffen, der sich im Laufe der Entwicklung einer großbetrieblichen Medienindustrie im 20. Jahrhundert zu einem professionellen, angesehen Statusberuf entwickelte und dadurch wachsende gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Die Drehbuchautoren werden folglich als Berufsgruppe verstanden, die diversen gesellschaftspolitischen, kulturellen, betrieblichen und arbeitsorganisatorischen Wandlungsprozessen unterlag. Der historische Vergleich der Vereinigten Staaten und Deutschlands im 20. Jahrhundert bietet eine Schablone zur Erklärung historisch gewachsener Unterschiede und Ähnlichkeiten und kultureller Transfer- und Verflechtungsbeziehungen. Die Stellung und Position der Drehbuchautoren wird aus dem Blickwinkel der historischen Professionalisierungsforschung untersucht. Es geht um die Fagen, wie es den Drehbuchautoren in den USA im 20. Jahrhundert gelang, sich als erfolgreiche Berufsgruppe mit einer gewissen Machtstellung im Filmbetrieb zu etablieren und warum ihre Stellung in Deutschland bis heute eine prekäre ist. Die Entwicklung in den USA dient als Vorbild für die europäischen Filmindustrien, deren Strahlkraft für die Professionalisierungsprozesse in Europa Modellcharakter besaß und besitzt. Der Vergleich der deutschen und US-amerikanischen Berufsgeschichte bietet den Vorteil, dass idealtypische Entwicklungen und Professionalisierungsstrategien der demokratisch verfassten Vereinigten Staaten sich mit den verschiedenen kontinentaleuropäischen Systemen kontrastieren lassen. Dafür bietet der deutsche Fall ein gutes Beispiel, da hier nicht nur demokratische Strukturen wie in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik, sondern zusätzlich die nationalsozialistische Diktatur, das autoritäre Kaiserreich und die staatsozialistische DDR in die komparatistische Betrachtung mit einfließen. Eine Besonderheit des Drehbuchautors ist, dass er Eigenschaften eines freien Schriftstellerberufs und eines angestellten Auftragsarbeiters im arbeitsteiligen Studiobetrieb vereint und wegen seiner mannigfaltigen beruflichen Rollen und Funktionen immer neue Strategien und Programme für seine berufliche Anerkennung und arbeitsrechtliche Besserstellung entfalten muss. Die historische Betrachtung des Drehbuchautors kann deshalb mit dem Konzept der historischen Professionalisierungsforschung und mit Fragestellungen zur Rolle von Kunst und Kultur in der modernen Kulturindustrie verbunden werden. Die berufliche Identität des Drehbuchautors entstand nicht nur in kapitalistischen Produktionskontexten, sondern wurde zudem durch vielfältige ästhetische und gesellschaftspolitische Diskussionen geprägt. Darüber hinaus verschränkte sich die Entwicklung des Drehbuchautorenberufs mit der zunehmenden Differenzierung, Spezialisierung, Formalisierung und Rationalisierung der Organisation der Arbeit, die mit der Zunahme von spezialisierten beruflichen Fähigkeiten und
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Fertigkeiten, dem Ansammeln von Expertenwissen und der Formalisierung und Akademisierung der Ausbildung einherging.8 In der großbetrieblichen Filmproduktion gerieten individuelle Gestaltungsfreiheit und schöpferische Originalität zunehmend ins Hintertreffen. Gezeigt wird, wie sich im Laufe des 20. Jahrhunderts berufliche Anforderungen, Arbeitsbeziehungen, Organisationsstrukturen und Produktionsmodi im Film- und Fernsehbereich wandelten. Der Beruf entwickelte sich entlang dieser technischen Innovationen, juristischen Reformbestrebungen, unternehmerisch-rationalistischen Erfordernisse und sozialen wie politischen Einflüsse. Außerdem unterstreicht die komparatistische Perspektive bestehende Differenzen und Gemeinsamkeiten der Professionalisierung und konzentriert sich auf spezifische Transferprozesse zwischen den Untersuchungsländern.9 Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt: Wann und wie kam es zur Formierung des Drehbuchautorenberufs? Welche Strategien nutzten Drehbuchautoren in Deutschland und den USA, um eine arbeitsrechtliche, wirtschaftliche und soziale Besserstellung in ihrem Beruf zu erreichen? Waren diese Strategien eher professionalistisch und berufsbezogen oder näherten sich die Drehbuchautoren den angestellten, betrieblichen Mittelklassen als abhängige Beschäftigte der Filmstudios an? Inwiefern wurden bildungsbürgerliche Ideen und Vorstellungen freier Schriftstellerberufe dem rationalisierten Arbeitsprozess und der funktional differenzierten Betriebsstruktur untergeordnet oder umgekehrt als Vorbild für die berufliche Identität und die Selbstdarstellung der Drehbuchautoren benutzt? Welche Programme wurden wann und warum zur Anhebung des beruflichen und gesellschaftlichen Status initiiert und haben sich erfolgreich durchgesetzt? Zusammengefasst bietet die historisch vergleichende Perspektive nicht nur einen systematischen und analytischen Überblick über die historischen Ursachen und Folgen der Verberuflichung, sondern deckt gegenwärtige Debatten um die gesellschaftspolitische Stellung und soziale Position eines Kulturberufs in arbeitsteiligen Medienindustrien auf. Die historische und vergleichende Analyse des Drehbuchautors fragt weiterhin, inwiefern Kreativität und künstlerische Autonomie unter verschiedenen gesellschaftspolitischen und organisatorischen Kontexten ausgehandelt und geregelt wurden. Sie problematisiert die Arbeit, Stellung und die Deutungen von Beruf und Beruflichkeit in den jeweiligen Ländern. Konnte sich der Drehbuchautor, trotz politischer Einflussnahmen zur Zeit des Nationalsozialismus oder des
8 | Vgl. Heidenreich, Martin, Berufskonstruktion und Professionalisierung. Erträge der soziologischen Forschung, in: Apel, Hans Jürgen (Hrsg.), Professionalisierung pädagogischer Berufe im historischen Prozeß, Bad Heilbrunn/Obb. 1999, S. 35-58. 9 | Vgl. Müller-Jentsch, Walther, Künstler und Künstlergruppen. Soziologische Ansichten einer prekären Profession, in: Berliner Journal für Soziologie (2005) H. 2, S. 159-177, hier S. 159f.
Einleitung
Staatssozialismus, autonome Handlungsspielräume und künstlerische Freiheiten bewahren? Die Konzentration auf den Drehbuchautor als sozialen und kulturellen Akteur lässt die wechselnden Einstellungen im Hinblick auf das eigene Berufs- und Rollenbild und seine Vorstellungen und Ideen von Autorschaft10, Kreativität sowie künstlerischer Autonomie im neuen Licht erscheinen.11 Damit lassen sich weiterführende kultur- sowie gesellschaftspolitische Probleme aufdecken. Welchen Platz und welche Stellung nehmen kulturelle Berufe in arbeitsteiligen Medienindustrien ein? Wie wirken sich strukturelle, organisatorische und politische Veränderungen auf die Film- und Fernsehindustrie und ihre kreativen Mitarbeiter aus? Welche Transferbeziehungen und Verflechtungen bestanden zwischen US-Filmindustrie und der deutschen Filmproduktion? Wie wirken sich neue Medien und digitale Sendeangebote auf den Beruf des Drehbuchautors aus? Von besonderer Bedeutung ist, dass Anforderungen an klassische Schriftstellerberufe durch neue Medien zunehmend gestiegen sind und sich der Drehbuchautor in großbetrieblichen Produktionskontexten behaupten musste. Davon zeugt auch die Aussage »it’s depressing, the power money has over creativity«12 von Drehbuchautor Curt Siodmak, der 1937 vor den Nazis aus Deutschland in die USA geflohen war, um dort Drehbücher für Horrorfilme zu schreiben. Der arbeitsteilige Herstellungsprozess von Kinofilmen und Fernsehproduktionen, die unter Mitarbeit vieler Drehbuchautoren und Spezialisten für Dialog oder Handlungskonstruktion entstanden, stellte traditionelle Vorstellungen eines schriftstellerischen Individualkünstlers mit selbstbestimmten, beruflichen Handlungsregeln infrage. Der Drehbuchautor kann neben seiner Rolle als individuell-schöpferischer Kunstschaffender auch im Rahmen der betrieblichen Arbeitsteilung als Teil der abhängig beschäftigten Angestelltengruppe13 beschrieben werden. Die Drehbuchautorin und freie Schriftstellerin Leigh Brackett (The Big Sleep)14 brachte diesen Konflikt in einem Interview auf den Punkt:
10 | Die Entstehung des modernen Autors beschreibt Woodmansee, Martha, On the Author Effect. Recovering Collectivity, in: Cardozo Arts and Entertainment Law Journal, Bd. 10 (1992) H. 2, S. 279-292. 11 | Vgl. Coser, Lewis A. / Kadushin, Charles / Powell, Walter W., Books. The Culture and Commerce of Publishing, New York 1982, S. 86-93. 12 | McGilligan, Pat, Backstory 2. Interviews with Screenwriters of 1940s and 1950s, Berkeley-Los Angeles-Oxford 1991, S. 262. 13 | Zu Rolle und Geschichte der Angestellten vgl. König, Mario / Siegrist, Hannes / Vetterli, Rudolf, Warten und Aufrücken. Die Angestellten in der Schweiz 1870-1950, Zürich 1985, insb. S. 14-19. 14 | Filmische Daten sind – sofern nicht anders belegt – der Internet Movie Database und dem Filmportal entnommen. Vgl. www.filmportal.de und www.imdb.com.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich »It’s a collaboration. The whole thing is a team effort. A writer cannot possibly, when he’s writing a film, do exactly what he wants to do as when he’s typewriter, and there’s nobody in between. But if I’ doing a screenplay, it has to be a compromise because there are so many things outside a writer’s province.«15
B egriffe – D rehbuch und D rehbuchautor Die Frage ist nun, welche Definition dem Drehbuchautor zugrunde liegt und inwiefern dieses Berufsmodell im Laufe des 20. Jahrhunderts Merkmale der klassischen Professionen aufwies beziehungsweise heute noch aufweist. Hierzu wird der Drehbuchautorenberuf begrifflich relativ weit gefasst. Er vereint alle schriftstellerischen Tätigkeiten, die dem Zweck der Stoffentwicklung eines Films – egal ob dieser tatsächlich produziert wird – dienen. Hierbei ist es unerheblich, ob der Drehbuchautor in einem Angestelltenverhältnis steht, mit einem Werkvertrag oder als freischaffender Mitarbeiter projektbasiert tätig ist. Außerdem werden alle literarischen Vorstufen eines Drehbuchs wie eine Filmidee oder ein Treatment als Arbeitsbereiche des Drehbuchautors angesehen. Diese Tätigkeiten können hauptberuflich oder nebenberuflich ausgeübt werden. Diese recht breite, wenig normative Definition des Drehbuchautors trägt der Tatsache Rechnung, dass es sich bei einem Drehbuchautor um einen historisch gewachsenen, wandelbaren Kreativberuf handelt, dessen berufliche Rollenverständnisse und Funktionen ständig neu verhandelt wurden und dessen vielfältige berufliche Anforderungen sich je nach gesellschaftspolitischem und industriellem Kontext änderten.16 Drehbuchautoren können demzufolge parallel Schriftsteller, Dramatiker, Journalisten oder Lyriker sein. Sie können zusätzlich an der inszenatorischen Arbeit der Filmherstellung als »Autor-Regisseure« mitwirken oder als »Autor-Produzent« die organisatorische und wirtschaftliche Seite der Filmherstellung verantworten. Zu den Aufgabenbereichen des Drehbuchautors
15 | Vgl. Conor, Bridget, hier S. 27f; Calenda, Lampo, Europa und das Handwerk des Drehbuchschreibens, in: Ernst, Gustav (Hrsg.), Film schreiben in Europa und den USA, Wien-Zürich 1992, S. 63-72 und Staiger, Janet, Authorship Approaches, in: Gerstner, David A. / Staiger, Janet (Hrsg.), Authorship and Film. Trafficking with Hollywod, New York-London 2003, S. 27-61. 16 | Vgl. Conor, Bridget, hier S. 27f; Calenda, Lampo, Europa und das Handwerk des Drehbuchschreibens, in: Ernst, Gustav (Hrsg.), Film schreiben in Europa und den USA, Wien-Zürich 1992, S. 63-72 und Staiger, Janet, Authorship Approaches, in: Gerstner, David A. / Staiger, Janet (Hrsg.), Authorship and Film. Trafficking with Hollywod, New York-London 2003, S. 27-61.
Historische Professionalisierungsforschung
gehören ferner die Adaptionen vorbestehender literarischer Werke und spezielle Tätigkeitsfelder wie die des Dialogautors, script polishers oder script doctors.17 Das Drehbuch, welches im Englischen auch als screenplay oder final script bezeichnet wird, beinhaltet neben der Erzählung und der Handlung des Films auch die Dialoge und eine Szenenaufschlüsselung inklusive der Kameraeinstellungen und Anweisungen für die Bild- und Tonebene des Films. Weder »Drehbuch«, das zu Stummfilmzeiten auch als Szenario oder Filmmanuskript bezeichnet wurde, noch »Drehbuchautor« sind feststehende unveränderliche Begriffe. Berufliche Rollen, Funktionen, Techniken und Wissensbestände waren besonders in der Entstehungsphase des Berufs ständigen Wandlungen unterworfen. Deshalb würde eine allzu normative und enge Definition der Begriffe Drehbuch und Drehbuchautor die sozial- und kulturhistorischen Wandlungsprozesse ausblenden. Der Beruf war zu keiner Zeit einheitlich oder homogen, sondern seine Anforderungen waren den betrieblichen und kommerziellen Wandlungsprozessen der Filmindustrie und der Gesellschaft unterworfen. Die inszenatorische Seite der Filmherstellung, an der der Regisseur maßgeblich beteiligt ist, und die Stoffentwicklung, deren zentrales Produkt das Drehbuch ist, waren häufig nicht klar voneinander getrennt. Seit den 1920er Jahren erfolgte mit der Kommerzialisierung der Filmindustrie auch eine berufliche Ausdifferenzierung und Spezialisierung des Berufsfeldes, wobei unter dieser allgemeinen Definition eines Drehbuchautors auch diejenigen Autoren fallen, die fertige Drehbücher polieren (polishing) oder umschreiben, nur Dialoge verfassen oder das screenplay zu einem continuity script umarbeiten.
H istorische P rofessionalisierungsforschung als heuristischer A nsat z Eine sozialhistorische Erforschung des Drehbuchautorenberufs im 20. Jahrhundert muss die sozialen und ökonomischen Strukturen, das Organisations- und Produktionssystem, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitspraxis der Berufsgruppe behandeln.18 Sie erweitert die organisatorische und unternehmerische Seite der Filmproduktion um Fragen nach Stellung, Lage, Position und Selbstbild von Kulturberufen. Als heuristisch-methodischer Zugang dient hierbei die historische Professionalisierungsforschung.19 17 | Vgl. Neukirchen, Dorothea, Vom Script Editor und anderen neuen Berufsbildern beim Drehbuchschreiben, in: Drehbuchautoren-Scriptguide, 1996/1997, S. 17-22, hier S. 17f und Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 42-50. 18 | Vgl. Conrad, Christoph, Social History, in: International Encyclopedia of the Social, S. 14299-14306, hier S. 14299. 19 | Zu Professionen beziehungsweise bürgerlichen oder akademischen Berufen vgl. Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe. Die Professionen und das Bürgertum, in: Siegrist, Hannes
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Mit dem Konzept der historischen Professionsforschung wurde seit den 1980er Jahren besonders die Berufsgeschichte freier, akademischer Berufe wie die der Ingenieure, Anwälte oder Ärzte erforscht. Damit einhergehend wurden Ideen der klassischen Professionssoziologie kritisiert, die Professionalisierung als ahistorisches, teleologisches Konzept oder feststehendes Merkmalsset begriff, ohne auf die vielfältigen historischen Kontexte und Beziehungen zwischen bürgerlichen Einstellungen, Werten und den professionellen, berufsbezogenen Strategien der Akteure zu verweisen. Professionen wurden immer wieder mit einer gesellschaftlichen Sonderstellung in Verbindung gebracht, die im Gegensatz zu kapitalistisch-leistungsorientierten, unternehmerischen Berufsgruppen ihre beruflichen Sonderrechte und ihre herausgehobene Stellung aus einer Orientierung am Allgemeinwohl der Gesellschaft bezogen. Sie rechtfertigten ihre herausragende soziale Position damit, dass sich ihr Beruf mit zentralen gesellschaftlichen Werten und Gütern beschäftigte und ein spezielles Wissen und eine höhere Ausbildung verlangte. Diese Expertenstellung unterschied sie von Laien oder anderen Berufen und konstruierte ein exklusives, professionalistisches Bewusstsein.20 Jene Überlegungen der angloamerikanischen Professionssoziologie wurden an die deutsche Bürgertums-, Angestellten- und Arbeiterforschung angebunden.21 Im Gegensatz zu den Auffassungen der freien Berufe oder professionals 22 konstituiert sich die Berufsgeschichte des Drehbuchautors hier durch seine vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Kontexte. »Verberuflichung« oder »Professionalisierung« werden als vielgestaltiger historischer Prozess mit den Möglichkeiten von Rückschlägen und Erfolgen auf diversen gesellschaftlichen Ebenen begriffen. Wie in dieser Arbeit demonstriert wird, konnte es durchaus zu Konflikten unter den Berufsvertretern, zwischen den Berufsgruppen oder durch äußere Eingriffe kommen. Professionalisierung muss demnach auch als ideologisches Programm verstanden und kritisch hinterfragt werden.23
(Hrsg.), Bürgerliche Berufe. Zur Sozialgeschichte der freien und akademischen Berufe im internationalen Vergleich, Göttingen 1988, S. 11-50; Siegrist, Hannes, Professionalization as a Process. Patterns, Progression and Discontinuity, in: Burrage, Michael / Torstendahl, Rolf (Hrsg.), Professions in Theory and History. Rethinking the Study of Professions, London-Newbury Park-New Dehli 1990, S. 177-202 und Siegrist, Hannes, Professionalization/ Professions in History, in: Smelser, Neil J. / Baltes, Paul B. (Hrsg.), International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences 18, Oxford 2001, S. 12154-12160. 20 | Vgl. König, Mario / Siegrist, Hannes / Vetterli, Rudolf, insb. S. 18f. 21 | Vgl. Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe, hier S. 12f. 22 | Vgl. Scheideler, Britta, Zwischen Beruf und Berufung. Zur Sozialgeschichte der deutschen Schriftsteller von 1880 bis 1933, Sonderdruck aus: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Frankfurt am Main 1997, S. 3. 23 | Vgl. Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe, hier S. 15.
Historische Professionalisierungsforschung
Diese neueren Ansätze historischer Professionalisierungsforschung24 werden für eine systematische Berufsgeschichte des Drehbuchautors deshalb herangezogen, weil sie den Entstehungsprozess der Berufe und Professionen nicht als abgeschlossenes Phänomen, sondern als vielgestaltiges sozialhistorisches Projekt verstehen.25 Die vorliegende Arbeit nutzt den heuristischen Zugang und die Merkmale der historischen Professionalisierungsforschung, um die Berufsgeschichte des Drehbuchautors im 20. Jahrhunderts zu rekonstruieren.26 Das Konzept der historischen Professionalisierung kann folglich in mehrfacher Hinsicht bei der Erforschung des Drehbuchautorenberufs nützlich sein.27 Die idealtypischen Merkmale klassischer Professionen dienen vorrangig einer methodischen und analytischen Annäherung an die Berufsgeschichte.28 Entsprechend wird davon ausgegangen, dass sich eine Tätigkeit dann zu einem Beruf entwickelt, wenn eine spezifische Kombination von Fähigkeiten und Fertigkeiten mit bestimmten Einstellungen verbunden wird und daraus eine langfristige, kontinuierliche Erwerbschance resultiert, die die Grundlage für eine bestimmte gesellschaftliche Position darstellt. Daraus entwickelte sich ein berufliches Denken, welches gleichzeitig das soziale Handeln der Akteure beeinflusste.29 Als spezifisch »professionalistisch« wird dieses Handeln oder berufliche Bewusstsein nur dann verstanden, wenn Angehörige der Berufsgruppe sich als autonom agierende Berufsgruppe konstituieren und versuchen, kollektive, selbstbestimmte Handlungsregeln für die Ausbildung, Qualifikation und Berufsausübung festzulegen und ihre beruflichen und kollektiven Interessen durch eigene 24 | Die beiden Themenhefte der Medien & Zeit zum Komplex »Journalismus, Medien und Öffentlichkeit als Beruf« Nr. 1 (2015) und Nr. 4 (2014) eröffnen neue historische Perspektiven auf die Entstehung spezialisierter Medienberufe. Exemplarisch für die Professionalisierung der Public Relations in Deutschland Szyszka, Peter, Vom »Literarischen Bureau« zum »Pressechef«. Die deutsche PR-Berufsfeldentwicklung in der Weimarer Republik, in: Medien und Zeit Bd. 29 (2014) H. 4, S. 28-37. 25 | Vgl. Krzeminski, Michael, Professionalität in den Medienberufen. Zur Einführung, in: Krzeminski, Michael (Hrsg.), Professionalität und Kommunikation. Medienberufe zwischen Auftrag und Autonomie, Lutz Huth zum 60. Geburtstag, Köln 2002, S. 12-28, hier S. 12-15. 26 | Vgl. Siegrist, Hannes, Professionalization as a Process, hier S. 177; ders., Bürgerliche Berufe, S. 15f und ders., Professionalization/Professions, S. 12154-12160. 27 | Exemplarisch sei auf die Studie zu Komponisten verwiesen. Vgl. Trebesius, Dorothea, Komponieren als Beruf, Frankreich und die DDR im Vergleich, Göttingen 2012, S. 7-31. 28 | Vgl. Scholz, Juliane, Der Drehbuchautor in den USA und Deutschland im 20. Jahrhundert. Zur Professionalisierung eines modernen Kreativ- und Medienberufs, in: Medien & Zeit 30 (2015) H. 1 (=Themenheft Journalismus, Medien und Öffentlichkeit als Beruf), S. 17-29. 29 | Vgl. Siegrist, Hannes, Professionalization as a Process, 177-202 und ders., Bürgerliche Berufe, S. 14f.
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Organisationen vertreten lassen, um eine soziale Sonderstellung zu erreichen.30 Diese Professionalisierungstendenzen dienen der selbstverwalteten Steuerung beruflicher Inhalte, Aufgaben und Funktionen31 und legen die Verwaltung der Berechtigung sowie Qualifikation der Berufsgruppe in die Hände der Professionen selbst.32 Professionen waren historisch betrachtet nie autark oder frei von äußeren Einflüssen, sondern politische Machthaber hatten – besonders in autoritären oder sogar diktatorischen Staaten – ein Interesse daran, wichtige berufliche Funktionsgruppen zu kontrollieren und deren berufliches Handlungsmonopol einzuschränken. Staatliche Eingriffe waren besonders im nationalsozialistischen Deutschland und in der staatsozialistischen DDR oder während der Kommunistenverfolgung in den USA bedeutende Aspekte der Berufsgeschichte.33 Ausgehend von der Professionalisierungsforschung34 leiten sich folgende heuristische Kategorien ab: die Formalisierung der Ausbildung, der Qualifikation und des Berechtigungswesens, die Systematisierung der berufsbezogenen Wissensbestände,35 die Gründung von Berufsverbänden und kollektiven Vertretungsorganisationen,36 das Streben nach einer besseren wirtschaftlichen Lage und höheren sozialen Stellung,37 der Grad der beruflichen und kollektiven Autonomie,38 die Differenzierung und Spezialisierung des Berufs hin zu einer bewusst denkenden und handelnden Berufsgruppe in der herrschenden betrieblichen Hierar-
30 | Für eine Definition von Beruf und sein Verhältnis zu Professionen vgl. König, Mario / Siegrist, Hannes / Vetterli, Rudolf, insb. S. 18f und Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe, S. 14f. 31 | Vgl. Kurtz, Thomas, Berufssoziologie, Bielefeld 2002, S. 12f. 32 | Vgl. Siegrist, Hannes, Advokat, Bürger und Staat. Sozialgeschichte der Rechtsanwälte in Deutschland, Italien und der Schweiz (18. bis 20. Jahrhundert), 1. Halbband, Frankfurt am Main 1996 (=Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Bd. 80), S. 13f. 33 | Vgl. Siegrist, Hannes, Autonomie in der modernen Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst (18. bis 20. Jahrhundert), in: Ebert, Udo / Riha, Ortrun / Zerling Lutz (Hrsg.), Menschenbilder – Wurzeln, Krise, Orientierung, Stuttgart-Leipzig 2012, S. 75-92 und ders., Bürgerliche Berufe, S. 16. 34 | Vgl. Siegrist, Hannes, Professionalization as a Process, S. 182; Heidenreich, Martin, Berufskonstruktion und Professionalisierung. Erträge der soziologischen Forschung, in: Apel, Hans Jürgen (Hrsg.), Professionalisierung pädagogischer Berufe im historischen Prozeß, Bad Heilbrunn/Obb. 1999, S. 35-58 und Kocka, Jürgen, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten. USA 18901940 im internationalen Vergleich, Göttingen 1977, hier S. 174-177. 35 | Vgl. Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe, S. 14f. 36 | Vgl. Krzeminski, Michael, S. 16-20. 37 | Vgl. Müller-Jentsch, Walther, S. 159f. 38 | Vgl. Heidenreich, Martin, S. 36-40.
Arbeiter- und Angestelltenforschung und (Bildungs-)Bürger tum
chie und Organisation und die Frage nach äußeren Eingriffen in die beruflichen Autonomien.39 Es geht letztendlich nicht darum, zu beweisen, ob der Drehbuchautor einem Idealtyp entsprach oder eine Profession im klassischen Sinn war oder ist, sondern mit welchen Strategien und Programmen er seine soziale Stellung, Prestige und wirtschaftliche Lage sowie sein Ansehen aufwertete, wie und warum er sich als erfolgreicher anerkannter Kulturberuf etablieren konnte oder ob dieses Ansinnen gescheitert ist.40 Die Frage ist, ob es sich eher um spezifisch professionalistische, berufsbezogene Programme41 handelte, die auf die oben genannten Merkmale verwiesen, oder ob alternative Strategien und Konzepte griffen. Die historische Professionsforschung bietet dazu vielfältige Anknüpfungspunkte aus der Arbeiter- und Angestelltenforschung, die sich bürgerlichen Berufsvorstellungen und Identitätskonstruktionen von Intellektuellen und Künstlern widmete.
D rehbuchautoren und ihr V erhältnis zur A rbeiter - und A ngestelltenforschung und zum (B ildungs -)B ürgertum Wenn die Berufsgeschichte des Drehbuchautors in Forschungskontexte zu betrieblichen Mittelklassen, Differenzen zwischen Angestellten und Arbeiterschaft und in die Bürgertumsforschung eingebettet wird, folgt daraus, dass Drehbuchautoren eine soziale Gruppe mit vielfältigen Einstellungen, Zugehörigkeiten und Wertvorstellungen bilden. Jene Merkmale gehen über eine bloße berufsbezogene Lebenswirklichkeit hinaus und spiegeln die vielfältigen Lebenswelten und Identitäten in der modernen Kulturindustrie.42 Der Drehbuchautor gehörte keiner festgelegten gesellschaftlichen Schicht an, sondern orientierte sich je nach Produktionsumfeld und gesellschaftspolitischem Kontext eher an den betrieblichen Mittelklassen, also den abhängig beschäftigten »handwerklich« arbeitenden Angestellten oder verortete sich als freiberuflich und individuell tätiger »Künstler« mit kreativen und schöpferischen Aufgaben. Drehbuchautoren zählten sich vielfach zu den Bildungsbürgern mit spezifischen bürgerlichen Einstellungen und Werten, die sich von den »proletarischen« Lebenswelten der Arbeiter absetzten und von manuellen Tätigkeiten wie der des cutters im Produktionsprozess abgrenzten.43 Drehbuchautoren übernahmen aufgrund 39 | Vgl. König, Mario / Siegrist, Hannes / Vetterli, Rudolf, S. 14-16. 40 | Vgl. Siegrist, Hannes, Professionalization/Professions in History, S. 12154. 41 | Vgl. Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe, S. 14f 42 | Vgl. Welskopp, Thomas, Der Wandel der Arbeitsgesellschaft als Thema der Kulturwissenschaften. Klassen, Professionen und Eliten, in: Jaeger, Friedrich / Rüsen, Jörn (Hrsg.), Handbuch der Kulturwissenschaften. Themen und Tendenzen Bd. 3, Stuttgart-Weimar 2004, S. 225-246, hier S. 240-243. 43 | Vgl. König, Mario / Siegrist, Hannes / Vetterli, Rudolf, S. 20-23.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
ihrer speziellen Wissensbestände in der arbeitsteiligen Filmindustrie bald vorstrukturierende und planerische Aufgaben der Stoffentwicklung.44 Als abhängig beschäftigte Angestellte waren sie auch weisungsabhängige Auftragsarbeiter, die mit routinemäßigen informations- und zeichenverarbeitenden Aufgaben betraut wurden. In der Berufsgeschichte des Drehbuchautors waren deshalb die ambivalenten Berufsvorstellungen zwischen schöpferisch und künstlerisch tätigem Freiberufler und abhängig »handwerklich« tätigem Angestellten besonders prägend. Die »künstlerische« Berufsvorstellung bezog sich auf kreative, geistige, oftmals freiberufliche Tätigkeiten, die freischaffende Schriftsteller zum Vorbild hatten und durch die Kategorien Originalität und Autonomie charakterisiert waren. Dieses »bildungsbürgerliche« Berufsverständnis eines Drehbuchautors war vielfach von freien Schriftstellerberufen abgeschaut, aus denen sich die ersten Drehbuchautoren rekrutierten oder mit denen sie engen sozialen Umgang pflegten. Drehbuchautoren können außerdem als Repräsentanten der neuen Mittelschichten, also als angestellte Auftragsarbeiter mit speziellen Privilegien und vertraglichen Sonderrechten verstanden werden, die im Rahmen der Arbeitsteilung als spezialisierter, kreativer Berufszweig entstanden und dem Unternehmer/ Produzenten in der Produktionsvorbereitung/Stoffentwicklung zuarbeiteten. Sie verfügten über spezialisierte Wissensbestände und spezielle Fertigkeiten und Fähigkeiten, die sie bald unerlässlich für den Produktionsprozess werden ließen.45 Drehbuchautoren unterschieden sich durch Einkommenshöhe und sozialen Status von den einfachen technischen Angestellten (below-the-line)46 und manuellen Arbeitern in der Filmindustrie und bildeten zunehmend eine eigenständige, selbstbewusste talent class 47 im Filmunternehmen. Für die Erforschung des Drehbuchautorenberufs aus der Sicht der historischen Arbeits- und Angestelltenforschung48 war diese »Kragenlinie«49, also der Gegensatz zwischen den kreativen Angestellten und den Arbeitern in den Studios, besonders wegweisend.50 Die Tätigkeit beim Film besaß für Drehbuchautoren subjektive, symbolische sowie 44 | Vgl. Siegrist, Hannes, Vom Familienbetrieb zum Managerunternehmen. Angestellte und industrielle Organisation am Beispiel der Georg-Fischer-AG in Schaffhausen. 17971930, Göttingen 1981, S. 16f. 45 | Vgl. Siegrist, Hannes, Vom Familienbetrieb zum Managerunternehmen, S. 17f. 46 | Vgl. Conor, Bridget, S. 33. 47 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents. The Postwar Talent Takeover, Minneapolis 2008, S. 199 und Screen Writers’ Guild, Death Rattle, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1934) H. 5, S. 3, 26-27. 48 | Vgl. Prinz, Michael, Etappen historischer Angestelltenforschung in Deutschland 1900-1960, in: Hurrle, Gerd / Jelich, Franz-Josef / Seitz, Jürgen (Hrsg.), Arbeiter, Angestellte – Begriffe der Vergangenheit?, Marburg 1995, S. 11-23. 49 | Vgl. Kocka, Jürgen, S. 7-11. 50 | Die Arbeiter wurden anhand ihrer Hemdfarbe als blue-collars und Angestellte als white-collars bezeichnet. Vgl. Prinz, Michael, S. 11-23; Kocka, Jürgen, S. 11f und West, Kames
Arbeiter- und Angestelltenforschung und (Bildungs-)Bürger tum
kulturelle Bedeutung und wurde meist nicht nur als Substitution oder Brotberuf, sondern als Berufung verstanden, die mit einem gewissen Habitus sowie bestimmten Wertvorstellungen und Einstellungen verbunden war.51 Die selbstständige, eigenverantwortliche schriftstellerische Tätigkeit der Drehbuchautoren wurde mehr und mehr durch die rationalisierten Produktionsabläufe herausgefordert. Künstlerische Kriterien wie Originalität und Kreativität waren in den Filmstudios kaum gefragt.52 Die Arbeitsteilung53 als zentrales Charakteristikum moderner Unterhaltungsindustrie diente der zunehmenden Standardisierung und Rationalisierung der Produktion und wirkte sich zugleich auf die Ausdifferenzierung der kreativen Berufe in der Filmindustrie aus.54 Allgemein waren Drehbuchautoren mit divergierenden Anforderungen der kapitalintensiven, großbetrieblichen Produktionsweise einerseits und der herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung von Kulturgütern andererseits konfrontiert und entwickelten spezifische Strategien, um ihr berufliches Fortkommen und ihre Erwerbschancen zu sichern und langfristig zu verbessern. Der Drehbuchautorenberuf wird deshalb als veränderliche und spannungsreiche Berufskonstruktion einer aufstrebenden dienstleistenden, betrieblichen Mittelklasse angesehen. Vor diesem Hintergrund eröffnet er neue Forschungskontexte für die historische Arbeiter- und Angestelltenforschung.55 Ferner bezieht die vorliegende Studie Forschungen zum geistigen Eigentum und zur Propertisierung von Kulturprodukten in die Berufsgeschichte ein.56 Es wird davon ausgegangen, dass die Beziehung zwischen Autoren und ihren Auftraggebern seit Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend verregelt und durch eigentumsförmige Beziehungen ersetzt wurde.57 Dadurch waren nationale UrheL. W., American Authors and the Literary Marketplace since 1900, Pennsylvania 1988, S. 7-9. 51 | Vgl. Welskopp, Thomas, S. 240-242. 52 | Vgl. Salokannel, Marjut, Film Authorship in the Changing Audio-Visual Environment, in: Sherman, Brad / Strowel, Alain (Hrsg.), Of Authors and Origins. Essays on Copyright Law, Oxford 1994, S. 57-77, hier S. 62f. 53 | Vgl. Rogowski, Ralf, Industrial Relations as a Social System, in: Industrielle Beziehungen, Bd. 7 (2000) H. 1, S. 97-124. 54 | Vgl. Storper, Michael, The Transition to Flexible Specialisation in the US Film Industry. External Economies, the Divison of Labour, and the Crossing of Industrial Divides, in: Cambridge Journal of Economics, Bd. 13 (1989), S. 273-305, 297f. 55 | Vgl. Staiger, Janet, »Tame« Authors and Corporate Laboratory. Stories, Writers, and Scenarios in Hollywood, in: Quarterly Review of Film Studies, Bd. 8 (Herbst 1983), S. 33-45. 56 | Vgl. Wilson, Christopher P., The Labor of Words. Literary Professionalism in the Progressive Era, Athens 1985, hier S. 83-91. 57 | Vgl. Siegrist, Hannes / Löhr, Isabella, Intellectual Property Rights between Nationalization and Globalization. Introduction, in: Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
berrechtsgesetzgebungen und bi- sowie internationale Urheberrechtsabkommen nötig, die das geistige Eigentum kodifizierten und institutionalisierten.58 Drehbuchautoren waren im Rahmen dieser Propertisierung kultureller Güter keine individuell-autonomen Schöpfer mehr, sondern arbeitnehmerähnliche Angestellte, die ihr geistiges Eigentum an die Filmproduzenten oder Auftraggeber übertrugen.59
S tr ategien der V erberuflichung und P rofessionalisierung Anhand der Professionalisierungsforschung wird zu zeigen sein, wie sich der Drehbuchautor in Deutschland und in den USA im Laufe des 20. Jahrhundert veränderte und wie die neue Berufsgruppe als Teil der kulturellen Sphäre auf spezielle Herausforderungen reagierte. Insofern ergeben sich nicht nur im engeren Sinne medien- und filmhistorische Probleme, sondern die Geschichte des Drehbuchautorenberufs wird als ein für die Gesamtgesellschaft bedeutendes sozial- und kulturhistorisches Problem begriffen. Drehbuchautoren benutzten zwei grundlegende Strategien zur Verbesserung ihrer arbeitsrechtlichen Lage, sozialen Position und ihres gesellschaftlichen Prestiges. Beide Verberuflichungsstrategien sind idealtypische Annahmen darüber, wie sich ein Beruf erfolgreich formieren und durchsetzen kann, und finden sich historisch in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen. Die erste Verberuflichungsstrategie orientiert sich dabei an romantischen Traditionen und traditionellen Vorstellungen eines freien Schriftstellerberufs. Sie verweist auf künstlerische Rollenbilder, die das Ideal einer freiberuflichen, schöpferisch tätigen und autonomen Berufsidentität betonen. Diese individuelle, teils professionalistische und berufsmäßige Strategie verbindet den Drehbuchautor – trotz seiner arbeitsteiligen beruflichen Praxis in der kommerzialisierten Filmindustrie – mit der Verfügungsgewalt über sein geistiges Werk und einem relativ und vergleichende Gesellschaftsforschung, Bd. 21 (2011) H. 2, S. 7-28, hier S. 7-9 und Coser, Lewis A. / Kadushin, Charles / Powell, Walter W., Books. The Culture and Commerce of Publishing, New York 1982, S. 285-307. 58 | Vgl. Halbert, Debora J., Intellectual Property in the Information Age. The Politics of Expanding Ownership Rights, Westport-London 1999, S. 12-19 und Rice, Grantland S., The Transformation of Authorship in America, Chicago-London 1997, S. 81-90. 59 | Vgl. Siegrist, Hannes, Strategien und Prozesse der »Propertisierung« kultureller Prozesse. Die Rolle von Urheber- und geistigen Eigentumsrechten in der Institutionalisierung europäischer Kulturen (18.-20. Jh.), in: Leible, Stefan / Ohly, Ansgar / Zech, Herbert (Hrsg.), Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum, Tübingen 2010, S. 3-36, hier S. 25f und Reber, Nikolaus, »Gemeinsame Vergütungsregelungen« in den Guild Agreements der Filmund Fernsehbranche in den USA . Ein Vorbild für Deutschland, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Bd. 55 (2006) H. 1, S. 9-16.
Strategien der Verberuflichung und Professionalisierung
hohen Grad an beruflicher Autonomie. Für die Stärkung der beruflichen Interessen werden Aspekte der kreativen Kontrolle, der individuellen Autorschaft, der Originalität und der künstlerischen Integrität mit dem Beruf des Drehbuchautors verknüpft. Drehbuchautoren, die eine individuell-künstlerische Strategie verfolgen, sprechen sich vielfach dafür aus, ihren Beruf mittels einer professionellen Berufsvertretung zu institutionalisieren und die berufliche Qualifizierung, Weiterbildung wie auch die Zugehörigkeit zum Beruf durch den Berufsverband zu regeln. Oftmals werden nach diesem Argumentationsmuster Drehbuchautoren auch begrifflich zu »Filmkünstlern«, »Filmdichtern« oder »Filmautoren« und so unter Vernachlässigung industrialisierter, arbeitsteiliger Produktionskontexte sprachlich in die Nähe einer individuell-künstlerischen Berufsauffassung gerückt. Häufig wird diese Strategie neben einer Forderung nach stärkeren Urheberpersönlichkeits- sowie Moral- und Autorrechten an den Werken hervorgehoben oder die generelle Forderung nach einer Anerkennung der »Filmurheberschaft« am fertigen Filmwerk erhoben. Die zweite Verberuflichungsstrategie der Drehbuchautoren stellt die betriebsförmige, kollektive Strategie dar. Drehbuchautoren nutzen gewerkschaftliche Mittel und versuchen durch Streiks kollektive Mindestvergütungsregeln oder Rahmentarifverträge auszuhandeln. Sie organisieren sich hierzu in einem gewerkschaftsmäßigen Berufsverband. Die kollektive Strategie betont die Nähe zur Gewerkschaftsbewegung, aber auch zu anderen kreativen Angestelltengruppen innerhalb der Filmindustrie und allgemein zu abhängig beschäftigten Arbeitnehmern. Sie streben vielfach eher nach einer allgemeinen arbeitsrechtlichen Besserstellung für die Berufstätigen. Gleichzeitig rückt in dieser Argumentation die eigenverantwortliche Funktion und autonome schöpferische Leistung der Drehbuchautoren in den Hintergrund. Diese gewerkschaftsähnliche, kollektive Verberuflichungsstrategie zielt darauf ab, den abhängig angestellten Drehbuchautoren eine angemessene Vergütung und faire Arbeits- und Vertragsrechte zu sichern und die Regeln für die Berufsausübung in die Hände kollektiver Arbeitnehmervertretungen zu legen. Ein Hauptziel ist außerdem die Anerkennung des Berufsbildes Drehbuchautor durch den Arbeitgeber/Produzenten, die sich auch in besseren Arbeits- und Vertragsverhältnissen widerspiegeln soll. Der Drehbuchautor ist in diesem Modell ein handwerklich tätiger, routinierter, zeichen- und informationsbearbeitender Angestellter, dessen Fähigkeiten und Fertigkeiten weisungsabhängig und rationalisierten Arbeitsabläufen untergeordnet sind.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
S tand der F orschung Die historische Entwicklung des US-amerikanischen Drehbuchautorenberufs in der klassischen Studioperiode Hollywoods von 1920 bis 1950 wurde umfangreich erforscht.60 Der Schwerpunkt der meisten Studien lag auf der Darstellung der Drehbuchautoren im Rahmen von Gewerkschafts- und Arbeitskämpfen.61 Szczepanik hat auf die politische Rolle des Drehbuchautors und des Drehbuchs in kommunistischen Staaten Osteuropas verwiesen.62 Die erste Darstellung der Geschichte des Berufsverbands »Screen Writers‘ Guild« bis 1954 wurde von Wheaton unternommen.63 Über Bühnenautoren der Ostküste und ihren Kampf für einen Rahmentarifvertrag und gemeinsame Vergütungsregeln existieren von Walsh kenntnisreiche Arbeiten.64 Zur Formierung des Drehbuchautorenberufs zur Zeit des Stummfilms in den USA haben bereits einige Studien Vorarbeiten geleistet.65 Janet Staiger, David Bordwell und Kristin Thompson haben in ihren filmhistorischen Überblickswerken zur beruflichen Spezialisierung und industriellen Arbeitsorganisation in der klassischen Studioära Hollywoods entscheidende 60 | Vgl. Tieber, Claus / Stempel, Tom, Framework. A History of Screenwriting in the American Film, 3. Aufl., New York 1991 (=The Television Series); Schulberg, Budd, The Writer and Hollywood, in: Kazin, Alfred (Hrsg.), Writing in America. A Special Supplement, Harper’s Magazine 219, 1959, S. 133-138 und Field, Alice Evans, Hollywood, USA. From Script to Screen, New York 1952 und Fine, Richard, West of Eden. Writers in Hollywood 1928-1940, 2. Aufl., Washington-London 1993; Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, London 1990. 61 | Vgl. Humphries, Reynold, Hollywood’s Blacklist. A Political and Cultural History, 2. Aufl., Wiltshire 2010; Ross, Murray, Stars and Strikes. Unionization of Hollywood, New York 1941; Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood. Politics in the Film Community 1930-60, 4. Aufl., Urbana-Chicago 2004 und Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, New York 1982. 62 | Vgl. Szczepanik, Petr, How Many Steps to the Shooting Script? A Political History of Screenwriting, in: Iluminace, Bd. 25 (2013) H. 3, S. 73-98. 63 | Die Dissertation ist in Deutschland nicht erschienen, aber in der Margaret Herrick Library in Los Angeles einzusehen. Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942). The Writers’ Quest for a Freely Negotiated Basic Agreement, Univ. Diss., Ann Arbor, Michigan 1974. 64 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. The Dramatists Guild’s Struggle for the 1926 Minimum Basic Agreement, in: New England Theatre Journal (2001) H. 12, S. 51-78 und Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. A History of the Dramatists Guild, Univ. Diss., Ann Arbor, Michigan 1996. 65 | Vgl. Azlant, Edward, The Theory, History, and Practice of Screen-Writing. 1897-1920, Univ. Diss., Wisconsin-Madison 1980; Chase, Donald, Filmmaking. The Collaborative Art, Boston-Toronto 1975 und Torok, Jean-Paul, Le Scénario. Histoire, Théorie, Pratique, Paris 1988.
Stand der Forschung
Impulse gesetzt und die formalen Techniken sowie die ästhetischen und stilistischen Gestaltungselemente als rational differenziertes System der Arbeitsteilung erfasst. Das Drehbuch wird hierbei als ausschlaggebend für die Standardisierung eines Studiostils angesehen.66 Bisher haben sich wenige Studien mit dem Drehbuchautor als sozialhistorischem Akteur auseinandergesetzt.67 Für Deutschland hat Kasten eine erste medienhistorische Untersuchung des Drehbuchs vorgelegt.68 Eine systematische Erforschung des Berufsverbands und seiner Organisationshistorie seit den 1910er Jahren ist noch nicht erfolgt.69 Besonders innovativ erscheint eine erste vergleichende Arbeit zur deutschen und russischen Geschichte des Drehbuchschreibens von Schwarz, die sich allerdings weniger aus sozialhistorischer als aus literaturwissenschaftlicher Perspektive mit dem Untersuchungsobjekt Drehbuch auseinandersetzt und detailreiche Drehbuchanalysen deutscher und russischer Stummfilmdrehbücher im historischen Kontext bietet. Allerdings werden die Drehbuchautoren als handelnde Akteure hier aufgrund der detaillierten Textanalyse nur am Rande betrachtet.70 Medienwissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich vorrangig mit den Inhalten der verschiedenen Drehbücher und seinen Entwicklungsstadien und dem detaillierten filmischen Produktionskontext oder untersuchen filmanalytisch die ästhetischen Aspekte der Filmgeschichte. Seltener stehen dabei die Drehbuchautoren als Berufsgruppe im Mittelpunkt. Biografische Studien fokussieren meist
66 | Bordwell, David, Narration in the Fiction Film, London-New York 2010; Staiger, Janet, Dividing Labour for Production Control. Thomas Ince and the Studio System, in: Kindem, Gorham Anders (Hrsg.), The American Movie Industry. The Business of Motion Pictures, Carbondale-Edwardsville 1982, S. 94-103 und Thompson, Kristin / Bordwell, David, Film History. An Introduction, New York 1994. 67 | Vgl. Jazbinsek, Dietmar, Kinometerdichter. Karrierepfade im Kaiserreich zwischen Stadtforschung und Stummfilm, Mit Filmessays von Arno Arndt, Alfred Deutsch-German, Edmund Edel, Hans Hyan, Felix Salten und Walter Turszinsky, Berlin 2000 (=Schriftenreihe der Forschergruppe »Metropolenforschung«) und Kasten, Jürgen, Der Drehbuchautor als filmhistorisches Problem, in: Frankfurter, Bernhard (Hrsg.), Carl Mayer. Im Spiegelkabinett des Dr. Caligari, Wien 1997, S. 147-153. 68 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben. Eine Geschichte des Drehbuchs, Wien 1990. 69 | Vgl. Kasten, Jürgen, Zur Geschichte der Drehbuchautorenverbände in Deutschland, in: Drehbuchautoren-Scriptguide, 1992/1993, S. 1-4. 70 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film. Drehbücher des deutschen und russischen Stummfilms, zugl. Univ. Diss. 1993, München 1994.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
auf einzelne Regisseure, Schauspieler oder Produzenten.71 Vereinzelt wurden etablierte Drehbuchautoren interviewt.72 Erste beziehungsgeschichtliche und vergleichende Arbeiten wurden im Rahmen der Exil- und Migrationsforschung verfasst, die die Rolle und Lage der deutschsprachigen Drehbuchautoren in Europa und Hollywood seit 1933 dokumentiert hat.73 Die geschlechtergeschichtliche Perspektive und Lage der Berufsvertreterinnen ist bisher nur punktuell für die USA und einige herausragende Protagonistinnen beleuchtet worden.74 71 | Vgl. Bret, David, Clark Gable. Tormented Star, 2. Aufl., Cambridge 2008; Brewster, Ben, Brecht and the Film Industry. On The Threepenny Opera Film and Hangmen Also Die, in: Screen, Bd. 16 (Winter 1975/76) H. 4, S. 16-33; Cantor, Michael G., The Hollywood TV Producer. His Work and his Audience, 2. Aufl., New Brunswick-Oxford 1988; Hardt, Ursula, From Caligari to California. Erich Pommer’s Life in the International Film Wars, Providence-Oxford 1996 und Tornow, Ingo von, Erich Kästner und der Film, München 1998. 72 | Die Biografien 35 prominenter US-Drehbuchautoren bei Corliss, Richard, Talking Pictures. Screenwriters of Hollywood, Newton-Abbtot-London 1975. Ein seltener Versuch, eine deutsche herausragende Vertreterin des Berufs zu erforschen bei Keiner, Reinold, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, 2. Aufl., Hildesheim-Zürich-New York 1991 (=Studien zur Filmgeschichte, Bd. 2) und Bruns, Karin, Talking Film. Writing Skills and Film Aesthetics in the Work of Thea von Harbou, in: Schönfeld, Christiane (Hrsg.), Practicing Modernity. Female Creativity in Weimar Republic, Würzburg 2006, S. 139-152. 73 | Vgl. Asper, Helmut G., Hollywood-Hölle oder Paradies? Legende und Realität der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Exilautoren in der amerikanischen Filmindustrie, in: Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch, Bd. 10 (1992), S. 187-199; Horak, Jan-Christopher, Exil-Drehbuchautoren in Hollywood, in: PEN International (Hrsg.), Symposium Exil U.S.A. 20. und 21.3.1985, Schriesheim 1985, S. 74-78; Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood. Eine Dokumentation zur Filmemigration nach 1933, 2. erw. u. korr Aufl., Münster 1986; Moeller, Hans-Bernhard, German Hollywood Presence and Parnassus. Central European Exiles and American Filmmaking, in: Rocky Mountain Review of Language and Literature, Bd. 39 (1985) H. 2, S. 123-136; Gersch, Wolfgang, Antifaschistisches Engagement in Hollywood. Filmemigranten und Emigrantenfilm, in: Middell, Eike (Hrsg.), Exil in den USA. Mit einem Bericht »Schanghai-Eine eine Emigration am Rande« 3. Bd., Leipzig 1983, S. 509-544 und Scholz, Juliane, Deutsche Drehbuchautoren in Hollywood (19331945), in: Löhr, Isabella / Middell, Matthias / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Kultur und Beruf in Europa, Stuttgart 2012, S. 61-67. 74 | Vgl. Norden, Martin F., Women in Early Film Industry, in: Staiger, Janet (Hrsg.), The Studio System, New Brunswick-New Jersey 1995, S. 187-199; Beauchamp, Cari, Without Lying Down. Frances Marion and the Powerful Women of Early Hollywood, 2. Aufl., Berkeley-Los Angeles 1998; Bielby, Denise D. / Bielby, William T., Women and Men in Film. Gender Inequality among Writers in a Culture Industry, in: Gender and Society, Bd. 10 (1996) H. 3, S. 248-270; Morey, Anne, »Would You Be Ashamed to Let Them See What You Have Written?«. The Gendering of Photoplaywrights 1913-1923, in: Tulsa Studies in Women’ Literature, Bd.
Gliederung der Studie
Grundsätzlich wurden Drehbuchautoren von der Medienkulturgeschichte vernachlässigt und werden im Rahmen von Werkschauen oder kurzen Biografien als Nebenschauplatz behandelt. Historische Studien zu deutschsprachigen Drehbuchautoren zur Zeit des Stummfilms, besonders zu Walther Hasenclever, Carl Meyer, Thea von Harbou, wurden verfasst, aber sozialhistorisch kaum kontextualisiert.75 Die Bedeutung des Drehbuchs in der frühen deutschen Filmgeschichte hat vor allem Thomas Elsaesser betont.76 Konkret und umfassend angelegte historisch-vergleichende Arbeiten zur Verberuflichung des Drehbuchautors im Rahmen einer allgemeinen Kultur- und Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts stehen bisher aus.
G liederung der S tudie Die Arbeit ist chronologisch in Kapitel entlang den medien- und allgemeingeschichtlichen Periodisierungen gegliedert und in thematische Unterkapitel zu den USA und zu Deutschland unterteilt, die sich auf die vorgeschlagenen Analysekategorien der historischen Professionsforschung stützen. Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Entstehung der Filmindustrie und den Vorläufern des Drehbuchautorenberufs bis 1920. Kapitel 3 beinhaltet die Formierung und Spezialisierung des Berufs in der klassischen Studioperiode und die Herausforderungen durch die Einführung des Tonfilms. Der Hauptteil der Studie gilt dem Zeitraum 1933 bis 1945 und wird in zwei gesonderten Kapiteln (4 und 5) abgehandelt. Das deutsche Beispiel zeigt hier eindringlich, wie seit 1933 politische Eingriffe durch die Nationalsozialisten die Handlungsspielräume der Kulturberufe einschränkten und diese unter ideologischen Prämissen gleichschalteten. Demgegenüber verweist der amerikanische Fall auf die Durchsetzung einer kollektiven gewerk17 (1998) H. 1, S. 83-99; Warren, Ann L., Word Play. The Lives and Work of 4 Women Writers in Hollywood’s Golden Age, Univ. Diss., Los Angeles 1988 und Francke, Lizzie, Script Girls. Women Screenwriters in Hollywood, London 1994. 75 | Vgl. Keiner, Reinold, Thea von Harbou; Bruns, Karin, Kinomythen 1920-1945. Die Filmentwürfe der Thea von Harbou, Stuttgart-Weimar 1995; Helmetag, Charles C., Walter Hasenclever. A Playwright’s Evolution as a Film Writer, in: The German Quarterly, Bd. 64 (1991) H. 4, S. 452-463; Frankfurter, Bernhard (Hrsg.), Carl Mayer. Im Spiegelkabinett des Dr. Caligari, Wien 1997 und Jazbinsek, Dietmar, Kinometerdichter. 76 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Literature after Television. Author, Authority, Authenticity, in: Elsaesser, Thomas / Simons, Jan / Bronk, Lucett (Hrsg.), Writing for the Medium. Television in Transition, Amsterdam 1994, S. 137-148, Elsaesser, Thomas, Early German Cinema. A Second Life?, in: Elsaesser, Thomas (Hrsg.), A Second Life. German Cinemas’s First Decades, Amsterdam 1996, S. 9-37; Elsaesser, Thomas, Filmgeschichte und frühes Kino. Archäologie eines Medienwandels, München 2002 und Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, München 1994.
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schaftlichen Strategie der Drehbuchautoren, die zur Verabschiedung von Kollektivverträgen führte. Kapitel 6 handelt vom deutsch-deutschen Verhältnis in der Nachkriegszeit, den Herausforderungen des Drehbuchautorenberufs in der DDR und dem Einfluss des Fernsehens auf die beruflichen Anforderungen. Kapitel 7 legt einen Schwerpunkt auf die Rolle des französischen Autorenkinos, seiner westdeutschen und US-amerikanischen Ableger und der damit einhergehenden Marginalisierung des Drehbuchautors in der Bundesrepublik. Außerdem wird die Rolle der Drehbuchverbände in den USA und Deutschland verglichen und auf den Einfluss der Online-Streaming-Plattformen digitaler Fernsehsender und neuester Entwicklungen im Video-on-demand-Markt eingegangen. Kapitel 8 führt schließlich die Ergebnisse zusammen.
V erwende te Q uellen und A rchivbestände Die vorliegende Arbeit analysiert historische und filmorganisatorische Kontexte, das Handeln und Denken der Akteure und deren Aussagen. Für die historische Bearbeitung der Professionalisierung des Drehbuchautorenberufs wurden vielfältige Quellen- und Archivbestände benutzt. Darunter fallen Bestände grauer Literatur, Zeitungsausschnitte, Manuale und Ratgeber, Verbandszeitschriften, Newsletters, Bulletins, Memos sowie unveröffentlichte Briefe. Für die US-amerikanischen Entwicklungen wurden Quellenbestände und Sondersammlungen der »Margaret Herrick Library« der »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« 77 in Los Angeles konsultiert. Dort finden sich Verbandszeitschriften und lückenhafte Bestände zur Geschichte des Berufsverbands »Screen Writers‘ Guild«. Ergänzt wurden diese Verbandszeitschriften mit unveröffentlichten Quellen der dort vorgehaltenen »Special Collections« und Nachlässe: »Screen Composers Association Records«, »John Huston Papers«, »Howard Estabrook Papers«, »Curtis Harrington Papers« und »Lincoln Quarberg Papers«. Verbandsinterne Bulletins, Newsletter und das Miniumum Basic Agreement von 1941 wurden ebenso in der »Margaret Herrick Library« in der Sektion »Pamphlets« eingesehen. Zusätzlich wurden Archivbestände der »Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library« 78 in Los Angeles konsultiert. Ein Großteil der Materialien war in der »WGA Historical Materials Correspondance and Papers« bereits verzeichnet. Ferner konnten noch nicht verzeichnete Archivgüter zur Geschichte der Drehbuchautorengilde in den USA von 1930 bis 1960 eingesehen werden. In den Fußnoten werden diese Materialien dann an entsprechender Stelle mit dem Verweis »unprocessed material« gekennzeichnet und deshalb ohne Signatur aufgeführt. 77 | Margaret Herrick Library, http://www.oscars.org/library, eingesehen am 12.12.2013. 78 | Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library, https://www.wgfoundation.org/ screenwriting-library/, eingesehen am 12.12.2013.
Ver wendete Quellen und Archivbestände
Der deutsche Fall wurde mit vielfältigen gedruckten und ungedruckten Quellen, Primär- und Sekundärliteratur und insbesondere durch Archivbestände des »Bundesarchivs Berlin« 79 und des »Staatsarchivs Leipzig«80 rekonstruiert. Daneben wurden diverse historische Fachzeitschriften und Zeitungsartikel ausgewertet, die sich im Bestand verschiedener deutscher Bibliotheken befinden.
79 | Bundesarchiv (BArch), http://www.bundesarchiv.de/index.html.de, eingesehen am 12.12.2013 80 | Staatsarchiv Leipzig (StA-L), http://www.archiv.sachsen.de/106.htm, eingesehen am 26.08.2015.
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2. »Szenaristen« und »Kinometerdichter« – Vorläufer des professionellen Drehbuchautors in den USA und in Deutschland bis 1920
Die frühe Kinogeschichte kannte noch keinen professionellen und spezialisierten Drehbuchautor. Die Drehbuchautoren wurden zu dieser Zeit noch als Szenaristen, Filmautoren, Kinometerdichter oder Manuskriptverfasser bezeichnet. Allerdings waren die 1910er Jahre für die Herausbildung der Berufsgruppe und für die Konstituierung beruflicher Standards besonders wichtig. Die Filmindustrie wurde in dieser Dekade schrittweise großbetrieblich organisiert und immer stärker durch ein ausdifferenziertes Produktions- und Aufführungssystem geprägt. Wenn im Folgenden von Szenarist, Filmschriftsteller, Manuskriptschreiber, Kinometerdichter oder Filmautor die Rede ist, so sind dies die zeitgenössischen Begriffe eines Berufs, den wir heute als Drehbuchautor bezeichnen. In den USA entstanden bereits um das Jahr 1900 historische Vorformen der späteren Drehbücher, die ersten Szenarien.1 In den 1910er Jahren waren erste Ansätze einer Verberuflichung des Drehbuchautors erkennbar, die durch Kommerzialisierung der Branche, arbeitsorganisatorische Umgestaltung in der Filmindustrie und filmtechnische Innovationen geprägt waren. Mit der Herausbildung des fiktionalen Langspielfilms verfestigte sich das Berufsbild des Szenaristen und wurde zu einem eigenständigen Tätigkeitsbereich in der arbeitsteiligen Filmproduktion. Im vorliegenden Kapitel sollen diese Anfänge der Verberuflichung in Deutschland und den USA in den 1910er Jahren analysiert werden. In den USA entwickelte sich eine großbetriebliche Filmindustrie vergleichsweise früh und ausgehend vom kulturellen Zentrum der Vereinigten Staaten: 1 | In der »Library of Congress« in Washington, D.C. befindet sich das Szenarium für Rip Van Winkle (1895), die Verfilmung eines Bühnenstücks von Joseph Jefferson für die Firma Biograph. Das Szenario enthält die szenische Handlungsbeschreibung. Ein weiterer früher Drehbuchfund war The Passion (1879). Vgl. Loughney, Patrick, From Rip Van Winkle to Jesus of Nazareth. Thoughts on the Origins of the American Screenplay, in: Film History, Bd. 9 (1997), S. 277-289, hier S. 277-280.
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New York. Diese technische wie kommerzielle Entwicklung einer massenhaften Filmproduktion setzte in Deutschland mit einigen Jahren Verspätung – mit Beginn des Ersten Weltkriegs – ein. Die US-Filmproduktion und der weltweit florierende amerikanische Filmexport hatten bis dahin die europäischen Filmmärkte entscheidend beeinflusst. Dies begründete auch die fortwährende Konkurrenz zwischen den Filmländern USA und Deutschland, die sich als weltweit einflussreichste Filmmärkte etablieren sollten. Da die Entstehung des Drehbuchautorenberufs an spezielle technische Errungenschaften wie die Filmlänge oder den Grad der Rationalisierung und Arbeitsteilung in den Studios geknüpft war, zeigten sich in den USA früher erste Ansätze der Professionalisierung. Hier hatte sich der Film um 1907 als kommerzielles Massenmedium durchgesetzt und die Produktion war bereits in unterschiedliche Abteilungen gegliedert.2 In Deutschland begegnen wir ersten Szenaristen erst in den 1910er Jahren, weil sich dort die Filmproduktion länger auf einem kleinindustriellen Niveau hielt und sich Langspielfilme erst seit 1911 langsam etablierten.3 Für die Periodisierung der frühen Kinogeschichte wurde die technische Entwicklung und die veränderte Aufführungspraxis der Filmindustrie als Grundlage gewählt. Daraus ergibt sich nach Elsaesser die folgende Dreiteilung, die für beide Vergleichsländer übernommen werden kann: Von 1895 bis 1903 galt das Kino noch als Jahrmarktattraktion, von 1903 bis 1909 entstanden erste ortsfeste Kinosäle und fiktionale Langspielfilme und von 1909 bis etwa 1919 konnte sich der fiktionale Langfilm im Kinoprogramm etablieren.4 Von besonderem Interesse für die Etablierung des Drehbuchautorenberufs ist hierbei die dritte Phase. Das vorliegende Kapitel führt im ersten Teil die Professionalisierung des Drehbuchautors in den USA aus und schließt im zweiten Teil mit der deutschen Entwicklung an.
D ie D urchse t zung des L angspielfilms in den USA Um die Jahrhundertwende überholten Filme in den USA das bis dahin beliebte Unterhaltungsgenre Vaudeville, welches als Nummernrevue aus Sketchen und Varietéanteilen bestand.5 Die Filmproduktion wurde, was technische Geräte wie 2 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film. A Critical History, New York 1975, S. 52-60. 3 | Vgl. Müller, Corinna, Emergence of the Feature Film in Germany between 1910 and 1911, in: Usai, Cherchi Paolo / Codelli, Lorzenzo (Hrsg.), Before Caligari. German Cinema 1895-1920, inkl. Ausstellungskatalog IX ed. delle Giornate del Cinema Muto di Pordenone (13-21 Ottobre 1990), Wisconsin 1990, S. 94-113, hier S. 94-96. 4 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Filmgeschichte und frühes Kino. Archäologie eines Medienwandels, München 2002, S. 128-131. 5 | Vgl. Allen, Jeanne, Copyright Protection in Theatre, Vaudeville and Early Cinema, in: Screen, Bd. 21 (1980) H. 2, S. 79-91, hier S. 81.
Die Durchset zung des Langspielfilms in den USA
Kameras und Projektoren betraf, ständig weiterentwickelt. Der Filmvertrieb hinkte diesen Entwicklungen noch hinterher und Produzenten mussten durch direkte Absprache mit den einzelnen Kinobetreibern die jeweiligen Verkaufsmodalitäten aushandeln. Da dieses Verfahren zu kompliziert war, kam es seit 1902 recht schnell zur Einführung des Filmverleihsystems, welches anstelle des komplizierten Verkaufs von Filmrollen nun den Markt beherrschte. Seit etwa 1907 war die Filmindustrie in den USA in die drei Sektoren Produktion, Verleih und Aufführung untergliedert. Mit der technischen Weiterentwicklung der Projektoren und Aufnahmematerialien kam es zu einer raschen Kommerzialisierung und Etablierung des Films als Unterhaltungsmedium. Zuerst in und um die Stadt New York, wo sich die wichtigsten Filmfirmen angesiedelt und die ersten großen Filmstudios (majors) konsolidiert hatten. Dieser Übergang von kurzen Varietéshows hin zu ortsfesten Filmtheatern ging mit immer längeren Filmstreifen einher. Zu Beginn waren die sogenannten nickelodeons oder Ladenkinos, mit wöchentlich wechselndem Programm und kurzen Filmbeiträgen, typisch. Im Jahr 1907 waren bereits 3.000 dieser preiswerten Vorführautomaten in den USA aufgestellt worden.6 Das nickelodeon spielte nach dem Einwurf eines Nickels (fünf Cent) kurze Filmbeiträge in einfach ausgestatteten Ladenkinos. Diese befanden sich meist in belebten Einkaufstraßen und wurden vorwiegend von Arbeitern besucht. Die Vorführtechnik hatte noch nichts mit den heute bekannten Kinos zu tun. Ihre Struktur lehnte sich an die Varietévorführung an. Eine zusammenhängende Handlung wurde in den kurzen Filmbeiträgen noch nicht erzählt. Die Filmprogramme der ersten Kinotheater ähnelten dem Vaudeville, das seit den 1850er Jahren etabliert war. Die institutionalisierten road shows mit musikalischen und dramatischen Elementen lieferten die Vorlage für ein wöchentlich wechselndes Kinoprogramm. Hier saßen alle Gesellschaftsschichten gemeinsam in einem vor Wettereinbrüchen geschützten Ort. Im Vaudeville wurde das Publikum noch nach Klassen getrennt platziert. Das Kino übte jedoch durch seine niedrigen Eintrittspreise und die Möglichkeit, immer gleichartige Programme an verschiedenen Orten aufzuführen, eine große Anziehungskraft aus, die dem Theater und Vaudeville Konkurrenz machte.7 Kurze Filmstücke, die aus humorvollen Einlagen bestanden, wurden mit einer Kameraeinstellung ähnlich wie ein Theaterstück abgefilmt. Die ersten Filmszenen hatten kaum mehr als zwei Minuten Länge und wurden seit 1907 schrittweise durch längere, fiktionale Filme abgelöst.8 Die einzelnen Filmprogramme in Kinos bestanden anfänglich aus einer Mischung von Sketchen, aktuellen Nachrichten und Sportereignissen oder kurzen dokumentarischen Beiträgen. Bald übertraf der erzählende, fiktionale Anteil die 6 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office. 1895-1986, Houndmills-Basingstoke-Hampshire-London 1988, S. 8-15. 7 | Vgl. ebd., S. 8-15. 8 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 52-55.
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nicht-fiktionalen Programmbeiträge. Dadurch wurde die regelmäßige Mitarbeit von Szenaristen in der Filmindustrie nötig, die für das täglich oder wöchentlich wechselnde Programm kurze Manuskripte und Filmideen niederschrieben. Einer der ersten Szenaristen war Roy L. McCardell9, der hauptberuflich als Journalist tätig war und später für die Filmfirma Biograph in New York arbeitete. Seit 1898 wurde er eigens für die Entwicklung von Handlungsideen und Szenarien als sogenannter story editor angestellt.10 McCardell schrieb seine Szenarien noch für das mutoscope, einen Vorgänger der späteren Projektionsmaschinen, der nach dem Prinzip des Daumenkinos funktionierte. Dieser basierte auf dem gleichen Prinzip wie Thomas Edisons kinetoscope, war jedoch preiswerter und dominierte bald das beliebte »Peepshow«-Business in den Amüsiermeilen oder auf den Jahrmärkten der Großstädte. Nach Einwurf einer Münze konnte eine Person den gezeigten kurzen Einakter, bestehend aus circa 850 Karten mit ungefähr einer Minute Länge, ansehen. Beinahe jede der zehn in New York ansässigen Filmproduktionsfirmen stellte bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sogenannte photoplay editors an. Für deren eingereichte Filmideen zahlten die Produzenten pauschal zehn bis fünfzehn Dollar. In Zeitschriften für Schriftsteller warb man gezielt junge Autoren ohne Berufserfahrung als Szenaristen oder Ideenlieferanten für den boomenden Filmbereich an.11 Die höhere Wertschätzung des Szenariums durch die Filmindustrie hing auch mit deren ökonomischer Seite zusammen. Die Nutzung schriftlicher Szenarien wurde bald für einen reibungslosen Produktionsablauf und die Absicherung der finanziellen Planung unerlässlich. Die ersten Filmideen und Vorlagen in gedruckter Form wurden um die Jahrhundertwende zum Zweck der Registrierung im copyright office in Washington eingereicht, um sie urheberrechtlich schützen zu lassen. Dieses Registrierungsprocedere ist eine Besonderheit des US-Urheberrechts, welches erst mit der Veröffentlichung in Kraft tritt. Es half allerdings dabei, erste Szenarien der frühen Filmgeschichte zu erhalten. Die Form dieser frühen Szenarien war jedoch weder einheitlich noch besonders detailliert. Meist handelte es sich dabei um einseitige Werbeanzeigen der Filmzeitschriften, die die Handlung des Films mit einem Foto und der Adresse der Filmfirma wiedergaben. Einige dieser Anzeigen enthielten jedoch auch Dialoge und eine ausführliche Beschreibung der Handlung und Figuren. Diese ersten Szenarien wurden dazu benutzt, um die Filmfirmen vor möglichen Plagiaten zu schützen.12 9 | Er schrieb u. a. für den New York Standard. Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, London 1990, S. 1-6. 10 | Vgl. Azlant, Edward, The Theory, History, and Practice of Screen-Writing. 1897-1920, Wisconsin-Madison 1980, S. 65 und Sargent, Epes Winthrop, The Literary Side of the Picture, in: Film History, Bd. 9 (1997), S. 269-274, hier S. 269f. 11 | Vgl. Loughney, Patrick, From Rip Van Winkle to Jesus of Nazareth, hier S. 278f. 12 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars. From Edison to the Internet, New York 2012, insbes. S. 2-13.
Die Durchset zung des Langspielfilms in den USA
Die Firma AM&B versuchte 1904 eine Werbeanzeige für den Film The Suburbanite (1904) als dramatic composition schützen zu lassen. Das Urheberrechts-Registrierungsbüro wollte das Szenarium noch als literarisches Werk einordnen und den Filmstreifen selbst nicht urheberrechtlich schützen. Das Filmmedium war nämlich bis zur Urheberrechtsreform im Jahr 1909 noch nicht als eigenständige Kategorie im Urheberrechtsgesetz der USA verankert. Die Filmproduzenten versuchten relativ früh, Filmideen urheberrechtlich schützen zu lassen, obwohl der Film gerade erst einen technischen Standard erreicht hatte, der eine massenhafte Re-Produktion möglich machte. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde eine kommerzielle Filmproduktion üblich, die auf niedergeschriebenen Handlungsideen und ausformulierten Szenarien beruhte. Die ersten Szenarien wurden für die Massenproduktion von Filmen bald unentbehrlich.13 Der technische Übergang von kurzen Einaktern (one reeler) zu längeren Spielfilmen mit bis zu fünf Rollen Länge hatte nicht nur auf die industrielle Produktionsweise, sondern auch auf die Arbeitsweise der Mitarbeiter in den Filmstudios großen Einfluss. Die Filmemacher orientierten sich nach dem Erfolg von The Great Train Robbery (1903)14 stärker an narrativen Elementen und begannen mit Schnitt und Montage des Mediums zu experimentieren, statt statisch und frontal Plansequenzen zu filmen. Spätestens mit der Durchsetzung des Langspielfilms wurden Titelautoren und Szenaristen für die Planung und Kontrolle der Produktion unerlässlich. Es bleibt zu fragen, welche beruflichen Aufgaben und Funktionen der Szenaristen in der Filmproduktion bereits professionell organisiert und standardisiert waren und wann sich der Beruf letztlich als anerkannte Berufsgruppe durchsetzen konnte. Bis 1907 dominierte ein Produktionssystem, welches erst den Kameramann, später den Regisseur als technischen Leiter und Zentrum der Produktion vorsah. Der Kameramann musste die kurzen Einakter drehen und hatte vorrangig technische und organisatorische Aufgaben. Es war wichtig, dass Mitarbeiter filmtechnisches Know-how besaßen und Filmszenen möglichst schnell und kostengünstig produziert wurden. Erst mit der gestiegenen Filmlänge und der Etablierung besonderer Sehgewohnheiten wurden filmische Inhalte und erzählende Elemente bedeutsamer. Die Filmhandlung wurde komplexer und vielschichtiger, um gebildete Mittelschichten in die nun prunkvoll ausgestatteten Kinotheater zu ziehen. Nachdem seit 1906 elektrisches Licht in den Studios benutzt werden konnte, waren die Produzenten wetterunabhängig und konnten mithilfe 13 | McCardells erstes Drehbuch war Vorlage für den Film Three Jolly Girls and the Fun They Had with the Old Swing aus dem Jahr 1897. Vgl. Loughney, Patrick, From Rip Van Winkle to Jesus of Nazareth, S. 277-289. 14 | Edwin S. Porter hat im Jahr 1903 einen frühen Kassenerfolg des Spielfilms geschaffen, der von der Parallelmontage zweier Handlungsstränge lebte. Der Western hatte eine für die damalige Zeit »epische« Länge von 12 Minuten. Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 52-55.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
des künstlichen Lichts für die wechselnden Kinoprogramme massenhaft Filmerzeugnisse herstellen. Die Kameraausrüstung wurde sukzessive leichter und die Sehgewohnheiten der Zuschauer veränderten sich. Diese gewöhnten sich an bestimmte Montagetechniken und Schnittabläufe, die später zu standardisierten Konventionen wurden.15 Seit 1912 setzten sich Spielfilme gegenüber Filmwerken mit dokumentarischen Inhalten durch.16 Als erster US-amerikanischer Zweiakter (two reeler) mit circa 35 Minuten Gesamtlänge gilt D. W. Griffith’s Enoch Arden (erschien in zwei Teilen) aus dem Jahr 1911, der in den USA großen Publikumserfolg feierte. Der erste Produzent von Langspielfilmen war der Kinotheaterbesitzer Adolph Zukor, der mit Bühnenmitarbeitern und bekannten Theaterpersönlichkeiten im Jahr 1912 The Famous Players Film Company gründete. Jene nun beinahe abendfüllenden Spielfilme unterschieden sich durch eine höhere Anzahl von Kameraeinstellungen und eine komplexe Handlungsstruktur von den kurzen Einaktern.17 Nachdem von den Famous Players seit 1912 eine differenzierte Produktpalette eingeführt worden war, konnte der Film als kommerzielles Produkt mit den immer wiederkehrenden Schauspielern und Schauspielerinnen neben dem Theater nachhaltig im Unterhaltungssektor verankert werden. Fast alle Produktionsfirmen besaßen eigene Kinotheaterketten, die ihre Produkte vertrieben. Gängig war in den Zeiten der vertikalen Integration der Ankauf der gesamten Jahresfilmproduktionen eines Studios durch das Kino, bevor die Filme hergestellt waren.18 Edisons Produktionskartell »Motion Picture Patents Company« hatte bis 1915 die Produktion über ein Kartellsystem für Patentrechte gesteuert. Der Bundesgerichtshof beanstandete jedoch den Edison-Trust, der die Bestimmungen des Sherman-Anti-Trust-Gesetzes verletzte, und öffnete damit den Kinomarkt an der Ostküste für neue Mitbewerber, wie die unabhängigen Studios von Carl Laemmle und William Fox. Durch die veränderten Laufzeiten und die massenhafte Herstellung veränderte sich auch die Arbeitsweise der einzelnen Berufsgruppen innerhalb der Filmstudios nachhaltig. Im Zuge stetiger Kommerzialisierung wurde die Produktionsseite des Films zunehmend arbeitsteilig organisiert. Eine massenhafte, industrielle Produktion verlangte nach einer hierarchischen und strikten Trennung spezialisierter Bereiche wie Regie, Schauspiel, Kamera und Szenario. Um Filme in gleichbleibender 15 | Vgl. Bordwell, David, Narration in the Fiction Film, London-New York 2010, S. 147-157. 16 | Um 1900 bestanden ca. 11 Prozent der registrierten Filme im copyright office aus fiktionalen Elementen. 1908 waren es schon etwa 96 Prozent. Vgl. Azlant, Edward, The Theory, S. 79-82. 17 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 86-94. 18 | Dieses Verfahren nannte man block-booking. Es beinhaltete ein Filmpaket bestehend aus einigen A-Filmen, daneben qualitativ schlechtere B- oder C-Filme, die mit eingekauft werden mussten. Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, 3. Aufl., Boston et al. 2009, S. 65-69.
Die Durchset zung des Langspielfilms in den USA
Qualität zu produzieren, bedurfte es der Separierung der inszenatorischen Seite der Filmproduktion von seiner Stoffentwicklung. Zuerst wurden beide Aufgabenbereiche von einer ausführenden Person wahrgenommen, die Produzent, Kameramann oder Regisseur zugleich war. Die Arbeitsteilung und Differenzierung führte zu einer Aufteilung der beruflichen Funktionen und Rollen in der Filmindustrie. Der Kameramann war nun vorrangig technischer Mitarbeiter und hatte außerdem für die optimale Beleuchtung zu sorgen. Der Produzent organisierte das Filmprogramm des Studios und die finanziellen Aspekte des Unternehmens. Der Regisseur war für die Inszenierung der Handlung zuständig. Er kümmerte sich zudem um den Schnitt und war neben dem Kameramann die zentrale Person bei der Filmherstellung. Die ersten Szenaristen sahen ihre Mitarbeit in der Filmindustrie vielfach als zusätzliche Einnahmequelle an, da die aufstrebende Branche bessere Verdienstmöglichkeiten als Verlagshäuser bot. Der Film wurde zu einem populären, industriellen Massenprodukt. Im Vor- oder Abspann, wenn diese überhaupt vorhanden waren, wurden die Namen der einzelnen Filmmitarbeiter meist noch nicht erwähnt.19 Diese veränderten technischen Rahmenbedingungen und neuen filmischen Standards wirkten sich auf die jeweiligen Arbeitsbedingungen des Drehbuchautors stark aus.20 In der Zeit der Einakter hatten Manuskriptautoren noch keinen eigenständigen Berufszweig innerhalb der Filmproduktion gebildet. Firmen wie Biograph stellten zwar schon um die Jahrhundertwende Journalisten oder Schriftsteller zur Stoffentwicklung ein, allerdings waren die angefertigten Ideen und Szenarien noch keine ausführlichen Filmmanuskripte. Die kurzen Stummfilmszenen lebten zu Beginn von der Attraktion des Mediums und verblüfften das Publikum allein durch die technische Neuheit. Doch wurden die Drehbücher im Laufe der 1910er Jahre immer detaillierter und nuancierter. Die Filmszenarien für photoplays, also für Spielfilme, basierten meist auf Adaptionen von Theaterstücken oder Romanen. Als eines der ersten Drehbücher gilt Gene Gauntiers From the Manger to the Cross, welches sie für die Kalem Film Company 1912 verfasste.21 Der deutsch-amerikanische Psychologe und Philosoph Hugo Münsterberg würdigte in seiner frühen filmtheoretischen Abhandlung aus dem Jahr 1916 die aufstrebende Rolle des Szenaristen: »If there is anything which introduces a characteristic element into the creation of the photoplay as against all other arts, it may be found in the undeniable fact that the photoplay
19 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, hier S. 59f. 20 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood. Das Drehbuch im Studiosystem, Berlin-Wien 2008, (=Filmwissenschaft, Bd. 4), S. 21-31. 21 | Vgl. Loughney, Patrick, From Rip Van Winkle to Jesus of Nazareth, hier: S. 284-288.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich always demands the cooperation of two inventive personalities, the scenario writer and the producer.« 22
Münsterberg war einer der ersten Filmtheoretiker, der dem Drehbuchautor eine gewisse schöpferische Leistung und Expertise zugestand und den scenario writer als eigenständigen Berufszweig ansah: »But the scenario writer must not only have talent for dramatic invention and construction; he must be wide awake to the uniqueness of his task, that is, he must feel at every moment that he is writing for the screen and not for the stage or for a book. [...] As soon as it is grasped that the film play is not simply a mechanical reproduction of another art but is an art of a special kind, it follows that talents of a special kind must be devoted to it and that nobody ought to feel it beneath his artistic dignity to write scenarios in the service of this new art.« 23
Münsterbergs Idee, den Film als eigenständige Kunstgattung mit ästhetischen Regeln und gewissen Standards und Konventionen anzusehen, war zur damaligen Zeit keinesfalls üblich. Er forderte, dass sich Autoren mit Herz und Seele dem neuen Medium verschreiben sollten. Er plädierte auch für eine bessere Ausbildung der Szenaristen. Das Drehbuch galt Münsterberg als Vorlage, welches durch die visuelle Inszenierung auf der Leinwand zur ausgereiften Kunstform erwachsen würde.24 Tatsächlich kam dem Drehbuchautor in der Filmproduktion in der Regel noch keine zentrale Rolle zu. Szenaristen mussten ihre Filmstoffe zügig abliefern. Sie waren meist Amateure oder Quereinsteiger, die auch als Journalisten oder Belletristen tätig waren. Wenn sie bei einer Filmfirma fest angestellt waren, konnten erfolgreiche Vertreter wie Roy McCardell in den 1910er Jahren durchaus 150 bis 200 Dollar pro Woche verdienen. Ein vergleichsweise hohes Einkommen, denn Journalisten verdienten zu dieser Zeit nur etwa 25 Dollar pro Woche. Allerdings mussten Drehbuchautoren bis zu zehn Szenarien wöchentlich abliefern.25 Die Filmindustrie stand zwar in ihrer ersten Blütezeit, aber Probleme mit Plagiaten oder Urheberrechtsverletzungen machten den Studios schon bald große Sorgen. Die meisten Szenarien basierten auf Theaterstücken, Romanen oder Zeitungsberichten. Es war nötig, dass die Filmproduzenten von dieser gängigen Adaptionspraxis abrückten und mehr originale Filmstoffe entwickeln ließen. Die 22 | Münsterberg, Hugo, The Photoplay. A Psychological Study, New York-London 1916, S. 191. 23 | Ebd., S. 192. 24 | Vgl. Azlant, Edward, The Theory, S. 23-28. 25 | Vgl. Bonham-Carter, Victor, From the Copyright Act 1911 until the End of 1981, Bd. 2, London 1984, S. 242f und Stempel, Tom, Framework. A History of Screenwriting in the American Film, 3. Aufl., New York 1991, S. 4-6.
Die Durchset zung des Langspielfilms in den USA
meisten Szenarien wurden bis zum urheberrechtlichen Präzedenzfall um den Film Ben Hur im Jahr 1907 eher aus dem Stegreif und meist beim Schauspielen improvisiert. 1910 behandelte beispielsweise der Leitartikel des Branchenblatts Moving Picture World das Problem einer fehlenden rechtlichen Regelung für die Nennung literarischer oder theatralischer Quellen im Spielfilm. Die Prosperität der Filmindustrie speiste sich also aus der Übernahme fremder vorbestehender Werke, da das Urheberrecht den Umgang mit Filmen noch nicht eindeutig regelte.26 Außerdem war die Namensnennung oder die Vergabe von credits in der Filmbranche bisher nicht festgelegt. Die tatsächlichen Drehbuchautoren wurden oftmals übergangen und eine Namensnennung im Vor- oder Abspann erhielten vielfach nur die beteiligten Produzenten oder Hauptdarsteller. Szenaristen konnten deshalb kaum öffentliche Reputation erfahren, da die Nennung ihrer Namen vom Gutdünken des Auftraggebers abhängig war. Ihr berufliches Ansehen nahm trotzdem zumindest innerhalb der Branche langsam zu,27 da die Nachfrage nach fiktionalen Filmstoffen für die nun abendfüllenden Langspielfilme mit mehr als fünf Rollen Länge weiter anstieg. Die Bedeutung des Szenaristen wurde überdies immer wichtiger, weil zunehmend Originaldrehbücher verfasst wurden. Die Suche nach neuen Szenaristen wurde von einer Gründungswelle neuer Magazine und Zeitschriften begleitet, die sich mit dem Medium Film und dem Drehbuchschreiben im weitesten Sinne auseinandersetzten. Azlant hat für dieses gesteigerte Interesse an Originalgeschichten und an hauptberuflichen Szenaristen in den 1910er Jahren den Begriff scenario fever geprägt.28 Das Drehbuchschreiben erlebte unter dem Produzenten Thomas Ince Mitte der 1910er Jahre die ersten Ansätze hin zu einer Formalisierung und Standardisierung als professionelle Tätigkeit. Ince ließ als Erster Szenarien mit detaillierten Handlungsanweisungen und Angaben zu Kamerabewegungen anfertigen. Für die Produktionsseite bedeutete dies, dass die wirtschaftliche Organisation der Filmproduktion langfristig planbar wurde. Durch die Konzentration auf das Drehbuch zu Beginn der Herstellung wurden ästhetische Konventionen und Standards geschaffen, die eine gleichbleibende Qualität der Filme sicherstellten und innovative Erzählweisen in den Produktionsablauf integrierten. Dabei war es wichtig, dass die neu geschaffenen Drehbuchabteilungen über längere Zeit von den gleichen Mitarbeitern geleitet wurden, die der Produktionsfirma eine eigenständige filmische Handschrift verliehen.29 Ince perfektionierte das soge26 | Vgl. Decherney, Peter, Copyright Dupes. Piracy and New Media in Edison v. Lubin (1903), in: Film History, Bd. 19 (2007), S. 109-124. 27 | Vgl. Azlant, Edward, The Theory, S. 99-102. 28 | Beispielsweise Motion Picture Magazine, Moving Picture World, Motion Picture Story, Photo Playwright, Photoplay Authors und Script. Vgl. ebd., S. 133f. 29 | Vgl. Staiger, Janet, Dividing Labour for Production Control. Thomas Ince and the Studio System, in: Kindem, Gorham Anders (Hrsg.), The American Movie Industry. The Busi-
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
nannte continuity script, also den Aufriss der Filmszenen in der Reihenfolge, wie sie später gedreht werden sollten. Dazu kamen technische Angaben zu Kamerabewegungen, Ausstattung, Drehorten, Schauspielern, Requisiten und der Musik. Dies diente dazu, Verzögerungen und Fehlplanungen während der Dreharbeiten zu vermeiden sowie kostengünstig und vor allem schnell für einen wachsenden Markt produzieren zu können. Ince trennte die Produktion und Herstellung des Films von der Stoffentwicklung. Damit legte er die Grundlagen für die Herausbildung neuer Berufsgruppen.30 Um 1914 etablierte sich das Prinzip, Originalgeschichten in Drehbücher zu übertragen und danach in eine kontinuierliche, kodifizierte Reihenfolge, die sogenannte continuity, zu bringen.31 Das continuity script unterschied sich qualitativ von den ersten Szenarien, die aus kurzen prosaischen Inhaltsbeschreibungen bestanden. Das von Ince institutionalisierte continuity script war dem literarischen Szenarium nachgeschaltet und enthielt wichtige Angaben für die Inszenierung des Films. Die Produktion und Öffentlichkeit unterschied daraufhin zwischen dem Autor, der ein Szenarium verfasst hatte und bei dem es sich meist um einen bekannten Schriftsteller, Journalisten oder Dramatiker handelte, und dem vorrangig »handwerklich« und routiniert tätigen Continuity-Spezialisten, der die Vorlage in eine verfilmbare Abfolge von Szenen mit technischen Angaben für die Produktion überführte. Der Letztere war ein angestellter Auftragsarbeiter, dessen Tätigkeit wenig kreative Leistung beinhaltete. Er musste täglich zehn bis zwölf Stunden arbeiten und wurde recht schlecht bezahlt. Die Filmhistorikerin Janet Staiger wählte für diesen dienstleistenden Auftragsarbeiter, der seit 1914 in der Filmindustrie auftrat, den Begriff des caged authors und verwies damit auf den Terminus des tame authors, der einen Auftragsschriftsteller in der englischen Verlagsbranche beschrieb.32 Der Szenarist Richard Spencer war seit 1915 Leiter der neu geschaffenen Stoffentwicklungsabteilung bei Thomas Ince. Chefszenarist war C. Gardner Sullivan, der immer mehr Funktionen wahrnahm, die Ince als Produzent und Regisseur bisher selbst erledigt hatte.33 Ince war für die Planung, Organisation und Endkontrolle der Filme verantwortlich. In seiner Person vereinte er viele Kompetenzen, ness of Motion Pictures, Carbondale-Edwardsville 1982, S. 94-103. 30 | Vgl. Tieber, Claus, Continuity Script. Lexikon der Filmbegriffe, http://filmlexikon.unikiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5113, eingesehen am 9.10.2016; Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 25-31 und Staiger, Janet, »Tame« Authors and Corporate Laboratory. Stories, Writers, and Scenarios in Hollywood, in: Quarterly Review of Film Studies, Bd. 8 (Herbst 1983), S. 33-45, hier S. 33-35. 31 | Vgl. Das von Margaret Turnbull zu Witchcraft (1916) wurde als Arbeitsgrundlage für Drehbuchkurse an der »Columbia University« verwendet. Vgl. Patterson, Frances Taylor, Cinema Craftsmanship. A Book for Photoplaywrights, 2. Aufl., New York 1921, S. 184-266. 32 | Vgl. Staiger, Janet, »Tame« Authors and Corporate Laboratory, S. 33-45. 33 | Vgl. Staiger, Janet, Dividing Labour for Production Control, hier S. 100f.
Die Ära der Drehbuchautorinnen
die später in Hollywoods großbetrieblichem Produktionssystem von den dort ansässigen Produzenten übernommen werden sollten. Damit wurde die fließbandähnliche Fertigung konventioneller Genrefilme gesichert. Ince entwickelte eine innovative Produktionsweise, deren Erfolg für sich sprach. Immer mehr Produzenten und Studios übernahmen diese arbeitsteilige Herstellungsmethode. Die Tendenz zur Zentralisierung der Produktionsleitung und zur Arbeitsteilung setzte sich sukzessive durch. Insofern kann der Fall Ince beispielhaft für frühe Spezialisierungs- und Professionalisierungstendenzen in der Filmindustrie und als Vorbild für die Entstehung von Drehbuchabteilungen in Filmstudios angesehen werden. An der Spitze des Studios stand ein Produzentenunternehmer, unter dessen Aufsicht und Kontrolle Filmstoffe entwickelt und hergestellt wurden. Ince konnte mit diesem Produktionsverfahren seit 1913 ein beträchtliches Kapital erwirtschaften, um später an der Westküste der USA einen großen Studiokomplex aufzubauen.34 Diese moderne arbeitsteilige Organisation des Filmbetriebs beeinflusste in erheblichem Maße auch die Entstehung des Drehbuchautorenberufs. Das Szenarium wurde allmählich zu einer Art »Blaupause« für den späteren Film.35 Der Drehbuchautorenberuf wurde allerdings vielfach eher als triviale, schriftstellerische Tätigkeit, denn als künstlerische Leistung angesehen. Im Vergleich zum Regisseur, der bald größere gesellschaftliche Reputation für sich beanspruchen konnte, fristete der Szenarist oder »scenario editor« immer noch ein Schattendasein.36
D ie Ä r a der D rehbuchautorinnen Mit den ersten Szenaristen konnte sich in den 1910er Jahren eine große Anzahl von Frauen in diesem Beruf erfolgreich etablieren. Generell war der Frauenanteil in der Filmindustrie besonders zwischen 1912 und 1922 vergleichsweise hoch. Zwischen 1918 und 1922 wurden etwa 20 Produktionsfirmen von Frauen geleitet und bei 44 Spielfilmen führten Frauen Regie. Mahar geht davon aus, dass die Filmindustrie in ihrer Anfangszeit eine Art heterosoziale Arbeitskultur bot, die zuerst nicht nach gender, sondern nach dem jeweiligen Beruf differenzierte. Beim Film arbeiteten Frauen und Männer zuerst gleichberechtigt zusammen.37 Norden konnte in seiner Studie zeigen, dass Frauen nach 1930 nie wieder so stark im Filmbusiness vertreten waren wie vor dem Ersten Weltkrieg.38 Die ersten Dreh34 | Vgl. ebd., S. 94-103. 35 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office, S. 60-71. 36 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, hier S. 120f. 37 | Vgl. Mahar, Karen Ward, Women Filmmakers in Early Hollywood, Baltimore 2006, S. 1-4 und 41f. 38 | Vgl. Norden, Martin F., Women in Early Film Industry, in: Staiger, Janet (Hrsg.), The Studio System, New Brunswick-New Jersey 1995, S. 187-199, hier S. 198.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
buchautorinnen übten ihre Tätigkeit oft von zu Hause als Heimarbeiterinnen und im Nebenerwerb aus. Ihre literarischen Versuche waren zuerst amateurhaft und semiprofessionell. Sie reagierten auf Preisausschreiben und Anzeigen der Filmfirmen in gängigen Zeitschriften der Filmbranche. Einige Frauen konnten sich jedoch dauerhaft im Beruf etablieren. Vielfach konnten gerade Frauen aufgrund des niedrigen Professionalisierungsgrades relativ leicht Zugang zum Drehbuchautorenberuf finden. Mit zunehmender Arbeitsteilung und Spezialisierung der Tätigkeit, die nun vermehrt hauptberuflich und in fester Anstellung ausgeübt wurde, waren die persönliche Anwesenheit der Szenaristen im Filmstudio und die enge Absprache mit Regisseur und Produzent nötig. Die Berufsvertreterinnen, die sich als spezialisierte Drehbuchautorinnen später durchsetzen sollten, stammten deshalb vielfach aus der Mittelschicht, waren karriereorientiert und hatten eine universitäre Ausbildung mit einem journalistischen oder schriftstellerischen Fach absolviert.39 Da ein Großteil des Kinopublikums aus Frauen bestand und die Filmproduzenten davon ausgingen, dass allein Autorinnen sogenannte »Frauenfilme« mit emotionalem Tiefgang verfassen konnten, sollten für die »femininen« Topoi allein Frauen zuständig sein.40 Die bekanntesten Drehbuchautorinnen der Stummfilmzeit waren Anita Loos, Gene Gauntier, Jeanie Macpherson, Frances Marion, Breta Breuil und Clara Beranger. Sie produzierten später teilweise eigene Filmwerke oder gründeten nach ihrer Autorentätigkeit ihre eigene Filmfirma.41 Breta Breuil (When a Woman Sins, 1918) war von 1910 bis 1913 scenario editor für Vitagraph und verfasste bis 1918 dutzende Szenarien. Ihre Nachfolgerin Catherine Carr führte die Position weiter und schrieb bis 1923 Drehbücher.42 Auch Schauspielerinnen wurden immer häufiger zu Szenaristinnen. Bei Kalem Film entstanden seit 1907 mithilfe der Drehbuchautorin, Regisseurin und Schauspielerin Gene Gauntier standardmäßig Manuskripte, die die Geschichte und Handlung niederlegten.43 Elaine Stern begann ihre Arbeit als Drehbuchautorin autodidaktisch. Sie arbeitete auch als Dramatikerin oder Belletristin und machte sich mit den verschiedenen Stilen der einzelnen Filmfirmen vertraut, um an diese zielgerichtet Filmideen zu senden. Stern war davon überzeugt, dass das photoplay writing, wie sie das Drehbuchschreiben in Anlehnung an die Arbeit an einem Theaterstück nannte, neue Verdienstmöglichkeiten bot. Drehbuchautoren 39 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls. Women Screenwriters in Hollywood, London 1994, S. 5-26. 40 | Vgl. Morey, Anne, »Would You Be Ashamed to Let Them See What You Have Written?«. The Gendering of Photoplaywrights 1913-1923, in: Tulsa Studies in Women’s Literature, Bd. 17 (1998) H. 1, S. 83-99, insb. S. 84. 41 | Vgl. Norden, Martin F., Women in Early Film Industry, hier S. 187-189. 42 | Vgl. Mahar, Karen Ward, Women Filmmakers in Early Hollywood, Baltimore 2006, S. 41. 43 | Vgl. ebd., S. 38, 41f.
Die Ära der Drehbuchautorinnen
bräuchten Talent, Arbeitskraft sowie genug Zeit für die Herstellung anspruchsvoller literarischer Filme.44 Jeanie Macpherson hatte demgegenüber vor ihrer 15-jährigen Zusammenarbeit mit dem Produzenten und Regisseur Cecil B. DeMille als Schauspielerin und Tänzerin gearbeitet. Seit Mitte der 1920er Jahre stieg sie zu einer hochbezahlten Szenaristin von Famous Players-Lasky auf.45 Clara Beranger und Anita Loos gelten als frühe einflussreiche Szenaristinnen und stehen für die ersten Spezialisierungs- und Differenzierungstendenzen des Berufsfeldes. Clara Beranger, die auch die Ausbildung des Drehbuchautorenberufs entscheidend prägte, arbeitete nach ihrem Bachelorabschluss in Journalismus erst einmal als freischaffende Autorin, um dann in den 1910er Jahren bei Edison, Vitagraph und später bei FOX als Szenaristin und continuity editor tätig zu werden. Sie war der Meinung, dass Autorinnen die weibliche Zielgruppe besser verstehen könnten und dadurch einen femininen Blickwinkel in die Handlung integrieren würden. 1918 stellte sie für das Geschlechterverhältnis im Drehbuchfach fest: »It needs no cursory glance at the current releases and those of even six months age to prove that there are more writers among the feminine sex than the male persuasion.« 46
1921 wechselte Beranger nach Hollywood und schrieb für Famous Players. In einem Interview aus dem Jahr 1921 schwärmte sie von den besseren Arbeitsbedingungen unter Produzent Cecil B. DeMille an der Westküste, der ihr mehr Einfluss auf das Endprodukt und dadurch mehr künstlerische Freiheiten ermöglichte: »I will be out in California when Mr. DeMille begins operations. Under my old contract I furnished eight continuities a year; now that I work only for William DeMille 47 I only write four. That gives me an opportunity to see my work through from the story to the screen. It makes it possible for me to go over my script scene by scene with the producer, so he can make the picture with almost no changes. In the old days I had to keep my nose to the grindstone
44 | Vgl. Sterne, Elaine, Writing for the Movies as a Profession, in: Photoplay Magazine Bd. 6 (1914) H. 5, S. 156-158. 45 | Macpherson war bekannt für ihre enge Zusammenarbeit mit Produzent DeMille. Zwischen 1915 und 1930 verfasste sie 32 Drehbücher und war zudem im Vorstand der Palmer Photoplay Corporation und Gründungsmitglied der »Academy of Motion Picture Arts and Sciences«. Vgl. Gaines, Jane / Lleras, Elisa, Jeanie Macpherson. Women Film Pioneer Project, 2011, https://wfpp.cdrs.columbia.edu/pioneer/ccp-jeanie-macpherson, eingesehen am 31.12.2013. 46 | O. A., Women Scenario Writer. Interview with Clara Beranger (1918), in: Lant, Antonia / Periz, Ingrid (Hrsg.), Red Velvet Seat. Women’s Writings on the First Fifty Years of Cinema, London-New York 2006, S. 653f. 47 | Drehbuchautor, Regisseur und Bruder von Cecil B. DeMille.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich continually so as to finish the eight pictures in time for the different directors for whom I was writing.« 48
Beranger zog sich Mitte der 1930er Jahre aus dem Filmgeschäft zurück und wirkte am Auf bau der akademischen Filmausbildung an der »University of Southern California« (USC) mit. Sie arbeitete als hauptberufliche Drehbuchautorin und versuchte in den 1940er Jahren das erste Studienprogramm für Drehbuchautoren an der »Faculty of Cinematic Arts«49 an der USC in Los Angeles zu etablieren.50 Auch Anita Loos war maßgeblich für das steigende Ansehen des Berufs und dessen Professionalisierung verantwortlich. In der Öffentlichkeit wurde sie als erfolgreiche »Star«-Autorin wahrgenommen und inszenierte sich dementsprechend. Die kommerzielle wie gesellschaftliche Konstruktion der »Filmstars« war gerade noch in ihrer Anfangsphase, wurde aber seit Mitte der 1910er Jahre zur wichtigen PR-Strategie der Filmstudios, da dadurch die Zuschauer langfristig an einzelne Produktionsfirmen gebunden wurden und »Starschauspieler« außerhalb des Films in der Öffentlichkeit gezielt Identifikationsmöglichkeiten boten. Dabei kam Drehbuchautoren meist eine Mittlerrolle zu, denn sie entwarfen die Szenarien und damit auch zu einem Teil die gewünschte »Identität« der »Starpersönlichkeit«. Szenaristen standen jedoch nicht wie Schauspieler in der Öffentlichkeit, sondern wurden innerhalb der Branche als unabkömmliche Spezialisten geschätzt.51 Anita Loos stammte aus einer kalifornischen Kleinstadt und hatte bereits als Schülerin Vaudeville-Nummern verfasst. Sie wurde Kolumnistin einer New Yor-
48 | Vgl. Interview mit Clara Beranger bei Parson, Louella, Clara Beranger Comments on The World’s Applause, in: The New York Telegraph, 7.5.1922. 49 | Gegründet 1929 durch Zusammenarbeit der »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« und der USC. Gründungsmitglieder waren die Schauspieler Douglas Fairbanks und Mary Pickford, die Regisseure D. W. Griffith und Ernst Lubitsch sowie die Produzenten Irving Thalberg sowie Darryl Zanuck. 1932 führte die USC den ersten landesweiten B. A.-Studiengang der USA im Fach cinema ein. Vgl. http://cinema.usc.edu/about/history/1929-1940.cfm, eingesehen am 9.10.2016. 50 | Dunne, Philip / Krims, Milton / Lewin, Albert et al, Can Screen Writers Become Film Authors? A Few Comments and Suggestions Concerning This Transition, in: The Screen Writer, Bd. 3 (1947) H. 1, S. 34-37. 51 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 120f; Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 65-79; Blamberger, Günter / Bohnenkamp, Björn, Autor/ Star, in: Liebrand, Claudia / Schneider, Irmela et al. (Hrsg.), Einführung in die Medienkulturwissenschaft, Münster 2005, S. 245-256 und Marion, Frances, Why Do They Change the Stories in the Screen? (1926), in: Lant, Antonia; Periz, Ingrid (Hrsg.), Red Velvet Seat. Women’s Writings on the First Fifty Years of Cinema, London-New York 2006, S. 648-651.
Die Ära der Drehbuchautorinnen
ker Zeitung, obwohl sie zu dieser Zeit noch nicht einmal in New York lebte.52 Sie verkaufte seit 1913 mehr als 40 Szenarien an diverse Filmfirmen und bekam 1916 ihre erste Namensnennung als Szenaristin für den Film Macbeth zuerkannt 53.Zu Beginn ihrer Karriere arbeitete sie als Freiberuflerin für Regisseure wie D. W. Griffith, als script doctor und Schnittmeisterin. Loos hat selbst darauf hingewiesen, dass sie als Autodidaktin zum Film gekommen war und zu Beginn noch wenig technisches Verständnis für das Filmmedium besaß. Im Laufe ihrer Arbeit als Szenaristin konnte sie eine eigene Handschrift und einen eigenständigen, humorvollen Schreibstil kreieren. Dennoch war der Einstieg in den Beruf für sie keineswegs einfach gewesen, wie sich Loos erinnerte: »I suppose I wrote two hundred scenarios before I saw the inside of a studio, and until I went to see Griffith at the Triangle Studios on the coast I was just an outside contributor.« 54
Seit 1917 schrieb sie für Douglas Fairbanks, der als Produzent, Regisseur und Schauspieler 1919 einer der Gründungsmitglieder von United Artist war, perfektionierte ihren Stil und spezialisierte sich fortan auf das Verfassen von Zwischenund Untertiteln für Stummfilme. Ihre Titel enthielten oftmals ironische Anmerkungen, waren bissige Kommentare und offenbarten die persönliche Handschrift der Autorin.55 Deswegen gilt Loos als Begründerin der kreativen Filmtitelei, die sich unter der Bezeichnung wise-cracking durchsetzte.56 Loos war eine der wenigen Autorinnen, die sich über mehrere Dekaden hinweg erfolgreich als Szenaristin etablieren konnte. In den 1920er Jahren wurde sie zur Stammautorin von MGM und stieg damit in den 1930er Jahren zu den Top-Verdienern ihrer Berufsgruppe auf.57 In einem Überblickswerk zur Filmbranche aus dem Jahr 1922 wurde Anita Loos besonders für ihre Vielseitigkeit gelobt: »Meanwhile »Title writing« remains a commercial necessity. In this field there is but one person who has won distinction—Anita Loos. She is one of the four or five important and thoroughly artistic brains in the photoplay game.« 58 52 | Vgl. Schmidt, Karl, The Handwriting on The Screen, in: Everybody’s Magazine, Bd. 36 (1917) H. 5, S. 622f. 53 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, London 1990, 7-13. 54 | Vgl. Schmidt, Karl, The Handwriting on The Screen, S. 623. 55 | Vgl. ebd., S. 622f. 56 | Vgl. Ramsaye, Terry, A Million and One Nights. A History of the Motion Picture, 3. Aufl., London 1964, S. 644. 57 | Loos war 1938 eine der 17 Drehbuchautoren, die über 75.000 Dollar jährlich verdienten. Vgl. Rosten, Leo C., Hollywood. The Movie Colony. The Movie Makers, New York 1941, S. 320-327. 58 | Vgl. Lindsay, Vachel, The Art of the Moving Picture, 2. Aufl., New York 1922 (=Erstausgabe 1915), Chapter XIII.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Seit 1920 sank der weibliche Anteil der Drehbuchautoren kontinuierlich. 59 Ende der 1910er Jahre wandten sich Frauen wie Gene Gauntier, die bereits 1907 eines der ersten ausgereiften Szenarien verfasst hatte, mehr und mehr vom Filmmedium ab. Gauntier war Schauspielerin und Szenaristin gewesen und wollte sich seit 1918 als Journalistin etablieren. Die großbetriebliche Filmproduktion erlaubte fast keine kreative Kontrolle über ihre geistige Arbeit mehr. Außerdem war der Drehbuchautorenberuf nun zunehmend zu einem angestellten Hauptberuf geworden, mit dessen hoher zeitlicher Belastung viele Frauen, die gleichzeitig Familie hatten, nicht mehr zurecht kamen.60 Der weibliche Anteil der Szenaristen sank in der Folge Mitte der 1920er Jahre auf nur noch 15 Prozent.61 Die anfänglich hohe Betätigungsrate von Frauen als Drehbuchautoren ist ein Indiz dafür, dass der Beruf von etwa 1907 bis etwa 1919 noch im Entstehen begriffen war und seine Anforderungen und Qualifikationswege noch nicht standardisiert und formalisiert waren. Die Filmindustrie wurde mit der Zunahme der Zentralisierung und Kommerzialisierung zu einem »männlichen« Arbeitsfeld umcodiert. So wurden Frauen im Beruf, wie Regisseurin Dorothy Arzner in den 1920er Jahren, wenn sie weiter im Filmbereich in hohen Positionen tätig waren, mit »femininen« oder »weiblichen« Stereotypen versehen. Grundsätzlich gab es einige weibliche Persönlichkeiten, die ihren Beruf trotzdem über viele Jahre produktiv betrieben. Solange sie erfolgreiche Drehbücher ablieferten, bereiteten ihnen die patriarchalisch dominierten Hierarchien der Studios kaum Probleme. Bedeutende Vertreterinnen wie Frances Marion und Anita Loos blieben auch in den 1930er Jahren hochbezahlte Drehbuchautorinnen.62
A usbildung und Q ualifizierung – R atgeber , P rivatschulen und ak ademische A usbildungsprogr amme Seit 1908 wurden die Filmstudios mit eingesandten Filmideen überhäuft. Angeregt wurde dieses scenario fever durch Anzeigen in Schriftstellerzeitschriften, in der Tagespresse oder im Branchenblatt Moving Picture World, die Preisausschreiben für Szenarien veranstalteten. Auch im eigens für Drehbuchautoren konzipierten Magazin The Photoplaywright63 wurden Anzeigen geschaltet, die dazu
59 | Vgl. Morey, Anne, »Would You Be Ashamed to Let Them See What You Have Written?«, S. 94-99. 60 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls, S. 5-26. 61 | Vgl. Bielby, Denise D. / Bielby, William T., Women and Men in Film. Gender Inequality among Writers in a Culture Industry, in: Gender and Society, Bd. 10 (1996) H. 3, S. 248270, hier S. 252f. 62 | Vgl. Mahar, Karen Ward, Women Filmmakers in Early Hollywood, S. 205-208. 63 | Erschien 1919 bis 1921.
Ausbildung und Qualifizierung
aufriefen, Szenarien und Filmideen zu bestimmten Themen oder für spezielle Genres einzureichen. Zugleich erschienen zunehmend Ratgeber und Anleitungen zum Verfassen eines Drehbuchs, die meist damit warben, dass der Beruf leicht zu Hause zu erlernen sei und Autoren sich die nötigen Fähigkeiten durch das Studium des Buches aneignen könnten.64 Viele dieser Ratgeber erschienen seit 1912 auf dem Buchmarkt.65 Was eine einfach zu erlernende Filmdramaturgie genau sein sollte, war bisher unklar geblieben. Manche dieser Ratgeber versuchten deshalb, die dramaturgischen Regeln der Kurzgeschichte auf die Filmhandlung anzuwenden. Seit Mitte der 1910er Jahre verfestigten sich die dramaturgischen Elemente des Theaters im Kinofilm. Ein Großteil der Ratgeber zeigte die neuen Möglichkeiten des Filmmediums auf und versuchte, den Film als eigenständige Kunstgattung zu profilieren.66 In den praktischen Handbüchern für Filmemacher war die Grundidee an eine klassische dramatische Handlungskonstruktion angelehnt. Die vorgeschlagenen dramaturgischen Regeln waren von Alfred Hennequin schon 1890 in seinem Buch The Art of Playwriting für das Theater zusammengefasst worden.67 Die dort kodifizierte Theaterdramaturgie sollte später auch für Filme gelten. Allerdings musste sie auf das neue Medium zugeschnitten und vereinfacht werden, denn die Filmhandlung unterlag den technischen Einschränkungen des Filmmediums. So konnten die Protagonisten nur oberflächlich charakterisiert werden und der dramaturgische Auf bau der Filmgeschichte gehorchte der Unterteilung in einzelne Filmrollen.68 Praktische Handbücher wie Victor Oscar Freeburgs 1918 erschienenes The Art of Photoplay Making gingen von Instrumenten der Bildanalyse aus, die der Kunstgeschichte entlehnt waren.69 Grundsätzlich bediente sich Freeburg der Terminologie der Musikwissenschaften, indem er wahlweise den Regisseur oder
64 | Die großformatige Anzeige für die 1. Ausgabe der Photoplay Plot Encyclopedia ist hierfür ein Beispiel. Der Ratgeber für Handlungskonstruktionen von Drehbüchern umfasste schon 165 Seiten und versprach die Vermittlung der rule of three und den Aufbau von photoplay situations. Vgl. o. A., The Photoplaywright, Bd. 2 (July-August 1920) H. 4, o. S. 65 | Vgl. die Handbücher von Caine, Clarence J., How to Write Photoplays, Philadelphia 1915; Carr, Catherine, The Art of Photoplay Writing, New York 1914; Farquharson, J., Picture Plays and How to Write Them, London 1916; Harrison, Louis Reeres, Screencraft, New York 1916; und Parsons, Louella, How to Write for the Movies, Chicago 1917. 66 | Vgl. Freeburg, Victor Oscar, The Art of Photoplay Making, New York 1918. 67 | Vgl. Hennequin, Alfred, The Art of Playwriting. Being a Practical Treatise on the Elements of Dramatic Construction Intended for the Playwright, the Student, and the Dramatic Critic, Boston-New York 1890. 68 | Vgl. Salt, Barry, Film Style and Technology. History and Analysis. 3. Auflage, London 2009, S. 120-123. 69 | Vgl. Freeburg, Victor Oscar, The Art of Photoplay Making, S. 26-30.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
den Szenaristen als Komponisten eines Films bezeichnete.70 Dabei galt das Drehbuch als Partitur des Films. Die Umsetzung und Interpretation der stofflichen Vorlage wurde dann durch diverse künstlerische Beiträge und Interpretationen der Schauspieler und der Inszenierung des Regisseurs gewährleistet. Freeburgs Handbuch war praxisorientiert, theoretisch fundiert und machte auf mögliche dramaturgische Fehler aufmerksam.71 Freeburg hatte seit 1915 als Lektor an der New Yorker »Columbia University« selbst Drehbuchkurse angeboten. Im Zuge des Booms von Wettbewerben und Praxishandbüchern, die sich mit filmpraktischen Fragen und der Aneignung der Technik des Drehbuchschreibens beschäftigten, wurden auch private Schulen für die Ausbildung der Drehbuchautoren gegründet. Je länger und inhaltlich anspruchsvoller die Filme wurden, desto häufiger mussten Drehbuchautoren spezifisch filmische Ausdrucksmittel verwenden. Der Wunsch der Szenaristen und ihrer Arbeitgeber war es, spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben und ihr Wissen gezielt und anwendungsorientiert zu erweitern. Szenaristen mussten bisher keine geregelte Ausbildung und Qualifikation durchlaufen, sondern waren Quereinsteiger aus diversen schriftstellerischen Berufen. Nun sollte die Qualifikation zusätzlich zu den privaten Initiativen auch an Hochschulen angesiedelt werden, um den beruflichen Erfolg der Drehbuchautoren nicht nur vom schöpferischen Talent, von Zufallserfolgen bei Wettbewerben oder persönlichen Beziehungen abhängig zu machen. Eines der ersten Studienprogramme für Szenaristen wurde im Jahr 1915 an der »Columbia University« in New York angesiedelt. In diesem Unterfangen ergänzten sich Arbeitspraxis und gesteigerte Spezialisierung mit der theoretischen akademischen Ausbildung der Drehbuchautoren. Das Ziel der Drehbuchkurse an der »Columbia University« bestand darin, die qualitativen Standards der Filme zu heben und neben Filmspezialisten auch ein kritisches Publikum zu erziehen.72 Die Kurse zur photoplay composition wurden im Rahmen des »Extension Programms« und somit außerhalb des etablierten Fächerkanons der Universität auch für nicht-immatrikulierte Interessenten angeboten. Dem Drehbuch kam die zentrale Stellung des Ausbildungsprogramms zu. Neben dem Studiengang gründete die »Columbia University« auch ein »Photoplay Museum« in dem Filmdrehbücher und Filme archiviert wurden. Weiter war die Gesellschaft für »Cinema Composers« für die Aufführung unbekannter und kaum rezipierter Filme verantwortlich.73 Die Lehrinhalte und das Studienprogramm wurden zwei Jahrzehnte später in Los Angeles wieder aufgegriffen und in Filmstudiengängen der »University of Southern California« (USC) und »University of Los Angeles« (UCLA)
70 | Vgl. ebd., S. 41f. 71 | Vgl. ebd., S. 29-42. 72 | Vgl. ebd., S. 109. 73 | Vgl. Decherney, Peter, Inventing Film Study and Its Object at Columbia University. 1915-1938, in: Film History, Bd. 12 (2000), S. 443-460, hier S. 446.
Ausbildung und Qualifizierung
institutionalisiert. Dadurch wurde die Drehbuchautorenausbildung zunehmend akademisiert.74 Die Kurse für Drehbuchautoren an der »Columbia University« gingen mit dem Versuch der Filmstudios einher, bürgerliche Mittelschichten als Zielpublikum anzusprechen und den Berufszugang stärker zu verregeln. Insbesondere die Produzenten Adolph Zukor und Jesse Lasky trieben diesen Plan voran und knüpften enge Beziehungen mit der Universität. Der Begriff photoplay wurde im Studienprogramm verwendet, um das Kino in der Gunst intellektueller und bürgerlicher Mittelschichten zu steigern und es in die Nähe bekannter Kultursparten wie Literatur und Theater zu rücken. Den Begriff photoplay hatte der Kinobetreiber Edgar Stakosch eingeführt, als dieser 1910 ein Preisausschreiben gewann, in dem für den Terminus movie ein neuer Name gesucht wurde. Der Begriff sollte hochklassige Spielfilme vom einfachen Unterhaltungsfilm abgrenzen.75 An der New Yorker »Columbia University« wurde das Fach Film als eigenständiges Medium unterrichtet.76 Das Lehrprogramm behielt noch während der 1930er Jahre das Drehbuchschreiben als zentrales Objekt seiner Filmausbildung bei.77 Seit 1923 wurde zusätzlich ein Kurs im Fach »Motion Picture Production« geplant, der allerdings nicht zustande kam. Die Autorin Frances Taylor Patterson arbeitete seit Sommer 1917 als Dozentin an der »Columbia University«, wo sie Victor Freeburg in seiner Tätigkeit als Leiter des Fachbereichs »Photoplay Composition« ablöste. Sie war gleichzeitig für die Filmproduktionsfirma Famous Players tätig und verfasste im Zuge ihrer Lehrtätigkeit ein erfolgreiches Einführungswerk für Drehbuchautoren. Die Ziele und Aufgaben des Lehrprogramms erklärte Patterson im Vorwort ihres Lehrbuchs: »The work there was initiated with the dual purpose of bringing the public at large to a more real appreciation of the best in photoplays and by that appreciation to demand the best that can be attained by the producers, and secondly to offer prospective writers of photoplays a short cut upon the road to ultimate success.« 78
Das Curriculum etablierte also eine frühe Version von professioneller Ethik und beruflichen Regeln, in der das Drehbuch als Grundlage des fertigen Films angesehen wurde. Ähnlich wie in dem von Thomas Ince etablierten continuity script
74 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood and the Culture Elite. How Movies Became American, New York 2005, S. 42f. 75 | Vgl. Decherney, Peter, Inventing Film Study and Its Object at Columbia University, hier S. 457. 76 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood and the Culture Elite, S. 54f. 77 | Vgl. ebd., S. 55-59. 78 | Vgl. Patterson, Frances Taylor, Cinema Craftsmanship. A Book for Photoplaywrights, 2. Aufl., New York 1921, S. V und S. 184f.
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ging es um die kommerzielle Verwertbarkeit des Films.79 So wurden detaillierte Drehbücher in Szenenreihenfolge mit technischen Anweisungen und Titeln als Anschauungsmaterial angefertigt, die dem Regisseur als Vorlage dienten. Kinofilme sollten nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich überzeugen. Das konnte durch eigens dafür geschulte Szenaristen bewerkstelligt werden. In ihrem Handbuch legte Patterson die neuen, geänderten Anforderungen an die professionellen photoplaywrights dar: »Writing for the screen is an art, but it is also a science. The writer must be at once an artist and an artisan. Theoretical knowledge is essential and forms a strong foundation for later building. It must be supplemented, however, by practical experience. The student must follow the pedagogical principle – ‘learn by doing’.« 80
Im Leitfaden wurden das Drehbuch zum Film Witchcraft (1916), das auf einer Geschichte von R. Ralson Reed basierte, und die ausgearbeitete continuity von Margaret Turnbull als Anschauungsbeispiele abgedruckt. Reed hatte zuvor bei einem Drehbuchwettbewerb der Famous Players mitgemacht, der eigens für Studenten der »Columbia University« ausgeschrieben worden war. Er gewann 350 Dollar und eine Reise zu deren neuen Studios in Los Angeles. Für Freeburg und Patterson galt das Verfassen eines Szenariums zugleich als kreative und handwerklich-praktische Disziplin. Die Tätigkeit war schriftstellerisch, zeichenbearbeitend und ihre Regeln konnten durch die Lehrbücher und die Teilnahme am Studienprogramm erlernt werden. Diese US-amerikanische Betrachtungsweise verstand das Drehbuchschreiben als craftmanship, also als Tätigkeit, welche spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Fleiß und Talent kombinierte.81 Die Kurse an der New Yorker Hochschule boten Hilfestellung für Anfänger, die eine professionelle Karriere beim Film anstrebten. Sie wollten allgemeine Wissensbestände, die mit dem Filmbereich verknüpft waren, einem gebildeten Publikum vermitteln. Für den Drehbuchautorenberuf war wichtig, dass der Film als geschriebenes Medium verstanden wurde, dessen wichtigster künstlerischer Beitrag die Filmidee und das Drehbuch waren. Nicht allein die künstlerische Begabung und schöpferische Leistung waren für den Erfolg ausschlaggebend, sondern anpassungsfähige Fähigkeiten und praktische Fertigkeiten.82 Die akademische Ausbildung in Verbindung mit der filmischen Praxis der Studios wurde zum Vorbild für die Akademisierung der »Film Studies« an höheren Bil79 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood and the Culture Elite, S. 44f. 80 | Patterson, Frances Taylor, Cinema Craftsmanship, S. 5. 81 | Macpherson, Jeanie, Little Details Build Big Stories, in: The Photoplaywright, Bd. 2 (1920) H. 4, S. 3-4, hier S. 3. 82 | Vgl. Polan, Dana, Young Art, Old Colleges. Early Episodes in the American Study of Film, in: Grieveson, Lee / Wasson, Haidee (Hrsg.), Inventing Film Studies, Durham-London 2008, S. 93-122, hier S. 102-108.
Ausbildung und Qualifizierung
dungsinstitutionen der USA, die allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg landesweit in großem Maßstab anlief.83 Neben der Hochschulausbildung wurden private Drehbuchschulen immer beliebter. Die größte und erfolgreichste private Schule für Drehbuchautoren wurde 1918 in Los Angeles von der »Palmer Photoplay Corporation« gegründet, die eine eigene Zeitschrift herausgab, Ratgeber vertrieb und Kurse anbot. Bekannte Drehbuchautoren wie Jeanie Macpherson wurden als Lehrer eingesetzt. Ein Hauptziel des einjährigen Ausbildungsprogramms war die qualitative Verbesserung der filmischen Standards, um das Publikum zu kritischen Zuschauern zu erziehen und die praktische wie theoretische Ausbildung der Szenaristen zu institutionalisieren. Zur Auswahl der Szenaristen führte man Einstufungstests ein, um geeignete Kursteilnehmer herauszufiltern. Weitere Themen der einjährigen Ausbildung waren der Verkauf beziehungsweise die Übertragung von geistigen Eigentumsrechten im Filmbereich, die Rolle des Films in der Kultur der USA, das Anfertigen von Adaptionen von Romanen oder Theaterstücken sowie das Knüpfen persönlicher Kontakte zu den Filmstudios. 84 Die Palmer-Schule offerierte nicht nur, wie viele andere Ausbildungsprogramme, ein käuflich zu erwerbendes Handbuch für angehende Autoren, sondern versuchte, die Ausbildung der Drehbuchautoren zu standardisieren. Neben diversen Lehrbüchern bot sie ein monatliches Magazin, zwölf Übungsstunden, Hausaufgaben und Insider-Informationen zu Hollywood an. Studenten konnten bis zu fünf eigene Filmmanuskripte einsenden und Feedback von den Lehrenden erhalten.85 Der Gründer der Schule Frederick Palmer fragte sich, inwieweit Drehbücher und deren Erfolg von Genie und Talent oder von praktischen Fertigkeiten abhängig seien: »I content that anyone with a reasonably complete common school education may write saleable photoplays, provided craftsmanship (Hervorh. im Org.) is developed through persistent study and work. The construction of photoplays closely approaches an exact science.«
Palmer rekurrierte hier metaphorisch auf die »Wissenschaft« des Drehbuchschreibens, welche nach bestimmten Regeln exakt konstruiert werden könne, um sein Programm möglichen Interessenten zu verkaufen. Er meinte zudem, dass Drehbücher und Szenen nach gewissen Regeln aufgebaut werden müssten und
83 | Vgl. ebd., S. 97-99. 84 | Vgl. Brady, Jasper Ewing, The Necessity of Original Photoplay Material. One of a Series of Lectures Especially Prepared for Student-Members of The Palmer-Plan, 1920, Margaret Herrick Library, PAM 141, S. 10f. 85 | Morey, Anne, »Have you the Power?« The Palmer Photoplay Corporation and the Film Viewer/Author in the 1920s, in: Film History, Bd. 9 (1997), S. 300-319, hier S. 300f.
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er das Erfolgsrezept für diesen Auf bau anbiete.86 Jasper Ewing Brady, ein Dozent der »Palmer Photoplay Corporation«, stellte in einer seiner Vorlesungen zum gestiegenen Bedarf an Drehbuchautoren fest: »But Motion Pictures can never be produced without stories, any more than novels and magazines can be published without stories, or plays shown [...].« 87Brady arbeitete bei der Produktionsfirma Vitagraph, war scenario editor der Universal Film Manufacturing Company in New York und später Kopf der Szenarioabteilung bei Metro in New York. Für Brady galt Film als die achte Kunstform. Er betonte, dass die Studios einen ständigen Drehbuchnachschub benötigten, da der Produzent ständig neue Filme planen müsse. Die Produzenten und Autoren erkannten seiner Meinung nach noch nicht das volle Potential und die Einzigartigkeit der cineastischen Ausdrucksmittel. Brady schloss daraus, dass zukünftig mehr Originaldrehbücher benötigt werden würden: »The average novel is not suitable for photoplay production, because a novel is a novel and the photoplay a photoplay.« 88
Der Palmer-Drehbuchschule ging es indessen nicht nur um die Vermittlung praktischer Fertigkeiten. Sie betrieb ein sehr viel breiter angelegtes kostenpflichtiges Curriculum, welches die Qualität der zukünftigen Filmproduktion heben, Filmkritiker begeistern und neue mittelständische Publikumssegmente zu mehr Kinobesuchen bewegen sollte. Das Drehbuch galt als eigenständige literarische Gattung und musste deshalb gesondert von klassischen Literaturgattungen in speziellen Kursen unterrichtet werden. Daraus ergab sich, wie Brady 1920 festhielt, die Entwicklung hin zu einem hauptberuflich tätigen professionellen Drehbuchautor bei den Filmstudios: »Then the thoughtful people of the new profession gradually began to see light, as the realization crept over them that the successful photoplay must be a photoplay and nothing else [...].« 89
Die Institutionalisierung der Ausbildung für Drehbuchautoren garantierte, dass die Produzenten adäquat ausgebildetes Personal bereitgestellt bekamen. Gleichzeitig wuchs die Nachfrage nach Originalfilmgeschichten und Szenarien.90 Den 86 | Vgl. Palmer, Frederick, Inspiration versus Craftmanship, in: The Photoplaywright, Bd. 2 (July-August 1920) H. 4, S. 4. 87 | Brady, Jasper Ewing, The Necessity of Original Photoplay Material. One of a Series of Lectures Especially Prepared for Student-Members of The Palmer-Plan, Los Angeles 1920, Margaret Herrick Library, PAM 141, S. 6. 88 | Brady, Jasper Ewing, The Necessity of Original Photoplay Material, S. 10. 89 | Ebd., S. 10. 90 | Ebd., S. 13.
Filmurheberrecht, geistiges Eigentum, Patentstreitigkeiten
Erfolg von Palmer-Studenten verkaufte die Privatschule genau wie die »Columbia University« als Ergebnis routinierter Schreib-Arbeit und hartnäckigen Übens sowie eines gewissen angeborenen Talents. Die Ausbildung für das Drehbuchschreiben wurde als Einstieg in die Filmbranche mit hohen Aufstiegschancen beworben.91 Die Studienprogramme sollten so als optimale Vorbereitung auf eine spätere berufliche Tätigkeit dienen. Der Quereinsteiger und Amateur war schon bei Gründung der Palmer-Schreibschule im Jahr 1918 eine aussterbende Spezies gewesen. Die Produzenten verwendeten immer weniger eingesandte Filmideen als Drehbuchvorlage. Die Reform des Urheberrechts und einige Präzedenzurteile in Bezug auf geistiges Eigentum zwangen die Produzenten, Stoffe nicht einfach zu adaptieren und etwaige Plagiate anzukaufen. Deswegen wurden das Drehbuchschreiben und die Ideenfindung nun innerhalb der Studios vielfach durch die Drehbuchabteilungen ausgeführt, in denen nun Szenaristen feste Anstellungen bekamen.
F ilmurheberrecht, geistiges E igentum , Patentstreitigkeiten und ihre A uswirkungen auf den D rehbuchautorenberuf Neben der fortschreitenden Entwicklung der Filmtechnik und der Etablierung des Langspielfilms waren die Entwicklung des copyrights und die Frage der Anerkennung geistiger Eigentumsrechte für die Formierung des Drehbuchautorenberufs von entscheidender Bedeutung.92 Deshalb soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wie Reformen der Gesetzgebung und Rechtsprechung die beruflichen Anforderungen und Chancen der Szenaristen veränderten und inwieweit sie Einfluss auf die Professionalisierung des Berufs ausübten. Am Anfang dieser Geschichte standen Patentstreitigkeiten, das Ringen um die Anerkennung des Filmmediums im amerikanischen Urheberrecht und bedeutende Präzedenzfälle wie der Rechtsstreit um den Film Ben Hur aus dem Jahr 1907. Die Rolle des Rechts für die Entwicklung des Drehbuchautorenberufs interessiert im Folgenden auf zwei Ebenen. Erstens auf der Ebene der Gesetzgebung, wobei die Anerkennung des Films und Stellung des Drehbuchs in der Urheberrechtsgesetzgebung der USA im Mittelpunkt steht. Zweitens im Ausblick auf die Praxis des Urheber-, Arbeits- und Vertragsrechts. Der Begriff copyright – wie er in den USA Verwendung findet – beinhaltet das exklusive Recht des Autors auf Herstellung, Kopie und Vertrieb seines Wer-
91 | Vgl. Morey, Anne, »Have you the power?«, hier S. 305. 92 | Vgl. Bettig, Ronald V., Hollywood and Intellectual Property, in: McDonald, Paul / Wasko, Janet (Hrsg.), The Contemporary Hollywood Film Industry, Malden-Oxford-Carlton 2008, S. 195-207.
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kes.93 Demnach wird die Veröffentlichung in den Mittelpunkt der Gesetzgebung gerückt und zweckrationale Vorstellungen und Nützlichkeitserwägungen der Kulturproduktion für die Gesellschaft werden betont.94 Das US-amerikanische copyright dient vor allem dazu, allgemein gesellschaftliche Fortschrittsdiskurse in Gesetze und Fallentscheidungen einzuschreiben. Dies resultiert aus einer rechtshistorischen Entwicklung, die eng mit der Nationsbildung des jungen Staates verknüpft war. So sollte zuerst für kreative Schöpfer, Erfinder und auch Autoren ein Anreiz geschaffen werden, kulturelle Werke für die junge Nation zu erschaffen.95 Insofern war die Anerkennung geistiger Eigentumsrechte durch das copyright eine Gegenbewegung zu den gängigen Importen kultureller Güter und der Nachdruck- und Plagiatspraxis der Verlage. Die Revision und Erweiterung des 1790 eingeführten Gesetzes mit 14-jähriger Schutzdauer zwang die US-Verleger Ende des 19. Jahrhunderts, sich mehr auf den Inlandsmarkt zu konzentrieren und amerikanische Autoren zu fördern, statt englische Bücher nachzudrucken.96 In der Folge passten sich Urheberrechtsgesetze also den technischen Entwicklungen an und wurden, die Schutzdauer und Reichweite betreffend, stetig ausgedehnt, um technische Innovationen in die Gesetze mit einzuarbeiten, welche wiederum die klassischen Eigentumsbeziehungen zwischen Autor und Verleger prinzipiell aufrechterhielten.97 Im Gegensatz dazu betonte die kontinentaleuropäische Urheberrechtsgesetzgebung die Entstehung von Urheberpersönlichkeitsrechten, die dem Autor beispielsweise Privilegien wie die Namensnennung einräumten und seine Integrität und die des Werkes schützten. Solche moralischen Rechte haben in den USA bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit in der gesetzlichen Doktrin erhalten, jedoch sind sie insbesondere für Drehbuchautoren interessant. Diese – in der europäischen Rechtsprechung zeitgleich mit der Schöpfung eines Werkes entstehenden – unveräußerlichen Persönlichkeitsrechte eines Autors können in 93 | Vgl. Abrams Howard B., The Historic Foundation of American Copyright Law. Exploding the Myth of Common Law Copyright, in: Wayne Law Review Bd. 29 (1983) H. 3, S. 11191185, insbes. S. 1124-1130. 94 | Vgl. Saunders, David, Authorship and Copyright, London 1992, S. 151f und Rice, Grantland S., The Transformation of Authorship in America, Chicago-London 1997, S. 81-90. 95 | Vgl. Bowker, Richard Rogers, Copyright. Its History and its Law. Being a Summary of the Principles and Practice of Copyright with Special Reference to the American Code of 1909 and the British Act of 1911, London-Boston-New York 1912, S. 35-41. 96 | Dies gilt als Hauptgrund für das Aufblühen des Literaturmarktes in den 1920er Jahren. Vgl. Tebbel, John, A History of Book Publishing in the United States. Vol. 3 The Golden Age between Two Wars 1920-1940, Bd. 3, New York-London 1978, S. 420-423. 97 | Vgl. Halbert, Debora J., Intellectual Property in the Information Age. The Politics of Expanding Ownership Rights, Westport-London 1999, hier S. ix-xvii und Baldwin, Peter, The Copyright Wars. Three Centuries of Transatlantic Battle, Princeton 2014, S. 15-52.
Filmurheberrecht, geistiges Eigentum, Patentstreitigkeiten
den USA nur durch spezielle Absprachen mit den Auftraggebern beziehungsweise Produzenten und die Aufnahme bestimmter Vertragsklauseln zugesprochen werden.98 Die Einführung und Ausdehnung der Urheberrechtsgesetzgebung in den USA wurde ein tonangebender Bestandteil der gesamten Unterhaltungsindustrie.99 Patente und Urheberechte waren für die Etablierung des Filmmediums unerlässlich.100 Patentstreitigkeiten traten vorrangig in der Frühphase des Films vor der Standardisierung der technischen Aufnahme- und Abspielgeräte auf. Debatten um Urheberpersönlichkeitsrechte sowie Rechte für Autoren wurden seit 1907 geführt. Jene Diskurse gingen mit der Etablierung des Langspielfilms und der Kommerzialisierung der Filmindustrie einher. Die Frühphase des Kinos war also durch Patentrechtskonflikte geprägt. Thomas Edison strebte mit dem Patentschutz auf seinen »Kinematographen« eine Monopolstellung in der Kinoindustrie an. Deshalb wurde 1908 die »Motion Picture Patents Company« gegründet,101 welche versuchte, mit der Zusammenfassung aller Patente den Zugang und Einstieg in die US-Filmindustrie für unabhängige Firmen unmöglich zu machen. Als Gegenbewegung und Reaktion auf das Oligopol der großen Filmfirmen in New York verlagerten sich daraufhin die unabhängigen Filmproduzenten, wesentlich die in der »Motion Pictures Distributing and Sales Company« organisierten Unternehmen, an die Westküste der USA. Hollywood etablierte sich als Standort der Filmproduktion und als Alternative zur Ostküste.102 Die von Edison gegründete Patentgesellschaft verlor daraufhin in New York an Einfluss.103 Mit dem Wegzug der Independents an die Westküste vollzog sich auch ein Generationenwechsel der Filmproduzenten und einflussreichen Studios. Von den ursprünglichen New Yorker Filmstudios konnten sich nur Vitagraph, Universal und Fox in Los Angeles wieder ansiedeln. Edisons »Motion Picture Patents Company« hatte also mit ihrer aggressiven Strategie maßgeblich dazu beigetragen, dass sich eine komplette prosperierende Industrie nach Westen verlagerte. Die unabhängigen Produzenten konnten den Trust brechen, weil sie kommerziell erfolgreich waren, sich inhaltlich und qualitativ von den angestammten majors 98 | Vgl. Cohn, Morris E., Author’s Moral Rights. Film and Radio, in: Hollywood Quarterly, Bd. 1 (1945) H. 1, S. 69-79. 99 | Vgl. Bettig, Ronald V., Hollywood and Intellectual Property, S. 195-207. 100 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars, insb. S. 59-61. 101 | Dieses erste Kartell aus großen Filmfirmen bestand bis 1915. Es wurde als Edison Trust bezeichnet, weil größtenteils Edisons Patente geschützt wurden. Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 65-69. 102 | Im Jahr 1913 waren bereits vier Studios an die Westküste gezogen. Dort profitierten die Filmemacher vom sonnigen Klima und den günstigen Preisen für Immobilien und Ländereien – nicht zu vergessen den laxen Arbeitsrechen. Vgl. Izod, John, Hollywood, S. 26-37. 103 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 81-84.
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unterschieden und der Oberste Gerichtshof zwischen 1912 und 1917 schrittweise Patentansprüche Edisons an der Filmherstellung für ungültig erklärte. Viele Plagiatsfälle der ersten zwei Dekaden des 20. Jahrhunderts zeigen, dass weder die Rechtsprechung noch die Filmbranche recht wussten, ob es sich beim Film wirklich um ein neues Medium handelte oder ob die bewegten Bilder bloß als Weiterentwicklung der Fotografie zu bewerten seien.104 Das Ergebnis dieser Konflikte über Interessen und Rechte bestand darin, dass der Film 1912 erstmals als gesetzlich festgelegte eigenständige Werkkategorie in das US-copyright aufgenommen wurde.105 Dazu musste das Werk im copyright office registriert sein.106 Filme wurden nach der Revision des Gesetzes in zwei Kategorien eingestuft, nämlich entweder als ‚Motion-Picture Photoplays‘ oder als ‚Motion Pictures other than Photoplays‘.107 Ausschlaggebend war, wie das Medium Film definiert wurde und welche Maßstäbe in puncto Originalität angelegt werden konnten. Edison ließ beispielsweise eigene Produktionen bis 1911 als Fotografien urheberechtlich schützen. Die einflussreiche Kampagne seines Kartells ließ auch die damalige Rechtsprechung nach diesem Muster handeln. Indem man die Einzelbilder der noch kurzen Filme auf ein Stück Papier kopierte, konnten sie als Fotografien registriert werden.108 Die Filmindustrie prosperierte wie der US-Buchmarkt lange auf Grundlage nicht autorisierter Kopien und Plagiate ausländischer Werke. Das Kopieren europäischer Spielfilme durch Edison brachte ihm schnell die Marktführung ein. Die mangelnde technische Standardisierung machte es allerdings nötig, einen Film für einen Lumièreprojektor erst in das Format für Edisons »Kinematograph« zu übertragen.109 Nachdem die Differenzen um Patente und die technische Seite der Filmproduktion juristisch entschieden waren, rückte die Frage des Urheberrechtsschutzes für Filme und deren stoffliche Vorlagen in den Fokus der Filmproduzenten und Gerichte. Die Frage, was als Filmmedium schützenswert sei, hing eng mit der Einordnung des Films als Kunstwerk und der Frage zusammen, welche Rolle das Drehbuch im Produktionsprozess spielte. Die Frage, ob das Drehbuch ein 104 | Vgl. Decherney, Peter, Copyright Dupes, hier S. 110. 105 | Die Revision des copyrights von 1909 legte für diesen Schutz den Grundstein. Vgl. Bowker, Richard Rogers, Copyright. Its History and its Law, S. 35-41. 106 | Vgl. Copinger, Walter Arthur, Law of Copyright. In Works of Literature, Art, Architecture, Photography, Music and the Drama, 7. Aufl., London 1936, S. 322-331. 107 | Vgl. Ladas, Stephen Pericles, The International Protection of Literary and Artistic Property. Copyright in the USA and Summary of Copyright Law in Various Countries Bd. 2, New York 1938, S. 1194f. 108 | Vgl. Decherney, Peter, Copyright Dupes, S. 110. 109 | Das Kopieren und Vertreiben von Negativen, auch duping genannt, hatte die rasche internationale Verbreitung des Films zur Folge. Vgl. Decherney, Peter, Copyright Dupes, hier S. 113f.
Filmurheberrecht, geistiges Eigentum, Patentstreitigkeiten
Zwischenprodukt oder eine Vorstufe für die bewegten Bilder sei oder gar als eigene literarische Gattung zu gelten habe, wurde auch bei gerichtlichen Fallentscheidungen immer wieder aufgeworfen. Szenarien galten, sofern sie keine ausgearbeiteten Vorlagen waren, noch nicht als schützenswerte literarische Gattung, sondern als Vorstufe zum Film und fielen deshalb selbst nicht in die urheberrechtliche Kategorie dramatic compositions, die beispielsweise Theaterstücke schützte. Drehbücher und ihre Vorstufen waren somit vom urheberrechtlichen Schutz ausgenommen.110 Sie waren zwar seit 1916 regelmäßig im Produktionsprozess anzutreffen, allerdings waren es vorrangig nicht die Drehbuchautoren selbst, sondern die Produzenten, die Urheberrechte dafür reklamierten und ihr Endprodukt schützen lassen wollten. Den Klagen und Strafzahlungen entkamen die Studios mit der Entwicklung eigener Originalfilmstoffe und dem legalen Ankauf von Verfilmungsrechten. Dafür bekamen die Autoren der Vorlage ein einmaliges Honorar, welches vertraglich geregelt und mithilfe eines Agenten ausgehandelt wurde. Der angestellte Drehbuchautor eines Studios bekam wöchentliche Vergütung und meist kürzere oder projektgebundene Arbeitsverträge. Seit 1916 wurden bisher freiberuflich arbeitende Szenaristen in den Drehbuchabteilungen der Studios angestellt. Das hatte den Vorteil, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den kreativen Mitarbeitern entwickeln konnte und daraus eine studiospezifische Ästhetik mit differenziertem Stil entstand. Externe Einsendungen von Drehbuchvorlagen umging man, um mögliche Plagiatsfälle zu vermeiden.111 Die Entwicklung des copyrights hatte großen Einfluss auf die Produktionspraxis und Stoffentwicklung in der Filmindustrie112 und die rechtlichen Debatten wurden maßgeblich durch den Präzedenzfall um den Film Ben Hur (1907) verstärkt.113 Bis dahin hatten sich Filmproduzenten an literarischen Vorlagen orientiert und diese adaptiert, ohne geistige Eigentumsrechte zu beachten. Nun musste viel Kapital für den Einkauf dieser Rechte eingeplant werden. Dem war ein Rechtsstreit vorausgegangen, in dem die Produktionsfirma Kalem verklagt worden war, weil sie den Roman Ben Hur ohne die Zustimmung des Autors Lew Wallace von der Szenaristin Gene Gauntier hatte adaptieren lassen.114 Diese Verfilmung wurde vom Obersten Gerichtshof als Urheberrechtsverletzung gewertet, da nur der Romanautor über eine Dramatisierung beziehungsweise Verfilmung 110 | Vgl. Maras, Steven, The Status of the Film Script under US Copyright Regulations. A Historical Note, in: Media and Arts Law Review, Bd. 8 (2003) H. 1, S. 31-38, hier S. 36-28. 111 | Vgl. Staiger, Janet, »Tame« Authors and Corporate Laboratory, S. 36-38. 112 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars. From Edison to the Internet, New York 2012, S. 2f. 113 | Vgl. United States Supreme Court, Kalem Company v. Harper Brothers L. Opinion of the Court 1911, http://en.wikisource.org/wiki/Kalem_Company_v._Harper_Brothers_L/ Opinion_of_the_Court, eingesehen am 10.10.2016. 114 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls, S. 5-26.
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verfügen dürfe.115 Kalem musste daraufhin 25.000 Dollar Strafe zahlen. Eine abschreckende Summe, die die Produktionskosten des Films letztendlich überstieg und dazu führte, dass Filmproduzenten auf Originalfilmstoffe zurückgriffen und ihre Stoffentwicklung ausbauten. In der Urteilsbegründung aus dem Jahr 1911 wurde der Film nicht mehr bloß als mechanisches Reproduktionsverfahren oder einzelne Sequenz bewegter Bilder angesehen, sondern als selbstständiges künstlerisches Medium, das sich von Theaterstücken und Romanen fundamental unterschied. Die Filmindustrie antwortete mit der unternehmerischen Strategie des durchdachten und vorausschauenden Ankaufs literarischer Stoffe, die für eine spätere Verfilmung infrage kamen und die sie in den eigenen Drehbuchabteilungen umarbeiten ließen. Die Produzenten achteten darauf, dass auch die daraus resultierenden Drehbücher nun als geistiges Eigentum des Unternehmens urheberrechtlich geschützt wurden. Dieses Vorgehen sollte künftige Rechtsstreits verhindern und führte auch dazu, dass freiberuflich arbeitende Szenaristen weniger Beschäftigungsmöglichkeiten fanden.116 Die besondere arbeitsrechtliche Situation der Drehbuchautoren als Angestellte eines Studios wurde durch eine weitere juristische Besonderheit der amerikanischen Rechtsprechung verschärft. Es war üblich, Drehbücher oder Szenarien im Rahmen des Arbeitsvertrags als eine Art Auftragswerk anzufertigen und mit der Fertigstellung des Drehbuchs geistige Eigentumsrechte auf den Produzenten zu übertragen. Dieses Konzept der Rechteübertragung auf den Studioinhaber wurde damit gerechtfertigt, dass der Produzent grundsätzlich in finanzielle Vorleistung treten müsse und Filme große Investitionssummen benötigen. Der Geldgeber müsse grundsätzlich die Sicherheit haben, dass das angefertigte Drehbuch auch finanziell gewinnbringend verwertet werden könne. Film entstehe aus Teamarbeit und sei eine kollektive Schöpfung, bei der die einzelnen künstlerischen Beiträge nicht mehr genau auszumachen seien.117 Das gängige Prinzip der vertraglichen Rechteübertragung hieß work-for-hire.118 Diese Möglichkeit wurde mit der Gesetzesänderung von 1909 im Urheberrecht der USA festgeschrieben. Drehbuchautoren waren nun Angestellte, die eine kreative Dienstleistung für ihren Auftraggeber erbrachten. Sie bekamen weder 115 | Vgl. United States Supreme Court, Kalem Company v. Harper Brothers L. Opinion of the Court 1911. 116 | Vgl. Staiger, Janet, »Tame« Authors and Corporate Laboratory, S. 39-43. 117 | Vgl. Maras, Steven, The Status of the Film Script under US Copyright Regulations, hier S. 31-34. 118 | Vgl. Donaldson, Michael C., Clearance and Copyright. Everything You Need to Know for Film and Television, 3. erw. Aufl., Los Angeles 2008, S. 136-141 und Salokannel, Marjut, Film Authorship in the Changing Audio-Visual Environment, in: Sherman, Brad / Strowel, Alain (Hrsg.), Of Authors and Origins. Essays on Copyright Law, Oxford 1994, S. 57-77, hier S. 64f.
Clubs und Berufsverbände für Szenaristen
geistige Eigentumsrechte noch die Reputation der traditionellen Schriftstellerberufe zugesprochen.119 Die Rechteübertragung im Rahmen der Auftragsarbeit und der fehlende kreative Einfluss auf das Endprodukt im kollektiven Arbeitsprozess wurden mit einem recht hohen wöchentlichen Gehalt oder einem einmaligen Honorar abgegolten.120 Nach der Reform des Gesetzes und dem Urteilsspruch im Präzedenzfall zum Film Ben Hur im Jahr 1911 wurde es üblich, in Branchenblättern Neuerwerbungen und geplante Filmprojekte offiziell bekannt zu geben. Die finanziellen Ausgaben für freie Autoren und eingesandte Geschichten wurden halbiert. Gleichzeitig wurde mehr Geld für den legalen Ankauf von Verfilmungsrechten eingeplant.121Dadurch stieg die Nachfrage nach Originaldrehbüchern und fest angestellten spezialisierten Drehbuchautoren.122 Festzuhalten bleibt, dass ab dem Moment, an dem das filmische Medium kommerziell erfolgreich wurde, auch die Frage des geistigen Eigentums neu gestellt werden musste. Forderungen nach der Beteiligung der Autoren an den Gewinnen, ihre Rechte am geistigen Eigentum sowie die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen wurden früher oder später von den ersten Berufsverbänden der Szenaristen formuliert.123
C lubs und B erufsverbände für S zenaristen Aus der besonderen arbeitsrechtlichen Stellung des Drehbuchautors erwuchsen in den 1910er Jahren Forderungen, seine wirtschaftliche Lage und soziale Stellung zu verbessern. Da die produzentenfreundliche Rechtsprechung und unsichere Rechtslage, was die urheberrechtliche Einstufung des Drehbuchs anging, die Unternehmerseite des Films stärkte,124 versuchten die Drehbuchautoren ihre 119 | Vgl. Jaszi, Peter, Toward a Theory of Copyright. The Metamorphoses of »Authorship”, in: Duke Law Journal (1991) H. 2, S. 455-502 und Jaszi, Peter, On the Author Effect. Contemporary Copyright and Collective Creativity, in: Cardozo Arts and Entertainment Law Journal, Bd. 10 (1991-1992) H. 2, S. 293-320, hier S. 297f. 120 | Vgl. Norman, Marc, What happens next. A History of American Screenwriting, New York 2007, hier S. 132-134. 121 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 23-31. 122 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 129-131 und Azlant, Edward, Screenwriting for the Early Silent Film. Forgotten Pioneers, in: Film History, Bd. 9 (1997), S. 228-256, hier S. 246. 123 | Vgl. Silverberg, Herbert T., Authors’ and Performers’ Rights, in: Law and Contemporary Problems Bd. 23 (1958) H. 1, S. 125-164, hier S. 125-128. 124 | Die Rechtsprechung neigte zu einer extensiven Auslegung des Rechts. Es genügte, dass das Werk als Auftragsarbeit verfasst wurde und der Auftraggeber Kontrolle über das Endprodukt hatte, um es als work-for-hire zu qualifizieren. Vgl. Reber, Nikolaus H., Die Be-
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Position aufzuwerten. Durch die Gründung von Clubs, Vereinen und Berufsverbänden sollten die Interessen ihrer Berufsgruppe vertreten werden. Die erstarkte Gewerkschaftsbewegung bildete auch für Theater- und Filmschaffende am Broadway eine Grundlage und bot die Möglichkeit, deren Arbeits- und Vertragsbestimmungen zu verbessern. Von 1912 bis 1915 gründeten sich an der Ostküste erste Clubs von Szenaristen, die Ausdruck einer eigenen beruflichen Identität und eines gewachsenen Selbstbewusstseins waren. Bereits 1912 schlossen sich Szenaristen der Ostküste in New York zum »Inquest Club« zusammen, einem elitären Künstler-Zirkel, der in Anlehnung an die regelmäßigen Treffen von Schriftstellern entstand.125 Im selben Jahr gründete sich auch der »Screen Club« in Los Angeles.126 1913 wurde in New York der »Ed-Au Club« gebildet, der nur Drehbuchautoren mit ausreichender Berufserfahrung aufnahm.127 Aus solchen sozialen Zusammenschlüssen erwuchsen dann erste berufsständische Organisationen wie die »Photodramatists Inc.«, die »Scenario Author’s League« oder die, 1914 an der Westküste gegründete, »Photoplay Authors’ League«. Letzterer, am 13.4.1914 in Los Angeles gegründeter Verband, war die größte und einflussreichste Organisation ihrer Art. Aufgenommen wurden nur Drehbuchautoren, die mindestens zehn verfilmte Drehbücher vorweisen und den Jahresbeitrag von zehn Dollar bezahlen konnten.128 Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Hettie Gray Baker, Wallace C. Cliften, James Dayton, Marc Edmund Jones, Will M. Ritchey, Russell E. Smith, Lois Weber, C. E. Ewing, Richard Willis und Frank Woods. Die Organisation war außerdem darauf bedacht, die Interessen ihrer Mitglieder zu schützen, lehnte aber eine oppositionelle Haltung gegenüber den Produzenten und eine aktive Preisgestaltung in der Branche ab.129 In die »Photoplay Authors‘ League« wurden auch Filmschaffende wie Regisseur D. W. Griffith oder Produzent Thomas Ince aufgenommen.130 Die »Photoplay Authors’ League« war in den Jahren von 1914 bis Mai 1916 aktiv. Sie sprach sich insbesondere für den Schutz von Autorenrechten der motion picture-play plot constructions aus, wie Szenarien etwas umständlich genannt wurden.
teiligung von Urhebern und ausübenden Künstlern an der Verwertung von Filmwerken in Deutschland und den USA, München 1998, S. 212-225. 125 | Vgl. Azlant, Edward, The Theory, History, and Practice of Screen-Writing, 149-152. 126 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 51-57. 127 | Vgl. ebd., S. 51-57. 128 | Assoziiertes Mitglied wurde man bereits mit einem verfilmten Skript. Vgl. Azlant, Edward, The Theory, History, and Practice of Screen-Writing, S. 149-152. 129 | Vgl. o. A., Photoplay Authors’ League Organized, in: Sausalito News, Volume XXX, H. 22, 30.5.1914, S. 6. 130 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 51-57 und vgl. Azlant, Edward, The Theory, History, and Practice of Screen-Writing, S. 150f.
Clubs und Berufsverbände für Szenaristen
Ihr Eintreten für besseren Urheberrechtsschutz und die Bekämpfung der Piraterie machte die Liga zu mehr als einem bloßen Club mit geselliger Funktion. Allerdings waren die Anforderungen für eine volle Mitgliedschaft derart hoch gesteckt, dass nur etablierte Szenaristen beitreten konnten. Insofern war sie eine Gesellschaft für Honoratioren, deren Ziel die Anerkennung ihres Berufs durch die Produzenten war. Die Bedeutung der Organisation bestand darin, dass sie später als Vorbild für Berufsvertretungen fungierte. Sie gab einen monatlichen Newsletter für ihre Mitglieder heraus und versuchte in direkte Verhandlungen mit den Studios einzutreten.131 Frank E. Woods wirkte als Vorsitzender der »Photoplay Authors’ League« entscheidend an den Zielen des Verbandes mit. Woods arbeitete eng mit Regisseur D. W. Griffith zusammen und galt als einer des ersten und versiertesten Szenaristen in Hollywood. In der Rückschau war die Liga allerdings eine recht ergebnislose Organisation. Weder Kampagnen gegen die privaten scenario schools oder die Idee, veröffentlichte Szenarien unter urheberrechtlichen Schutz zu stellen, hatten Erfolg.132 Ein Grund für dieses Scheitern könnte gewesen sein, dass die gut bezahlten Mitglieder der Organisation in der Öffentlichkeit zwar wahrgenommen wurden, allerdings wegen ihrer geringen Anzahl und gerade wegen ihrer herausgehobenen Stellung und der elitären Zugangsvoraussetzungen nur geringe Breitenwirkung für den Berufsstand entfalten konnten. Die wenigen Mitglieder hatten es kaum mit Problemen wie lästiger Auftragsarbeit oder einer prekären sozialen Situation zu tun. Die Organisationsgeschichte jener Zirkel und Verbände, zu denen auch »The Scenario Authors’ League« oder »The Authors’ Assurance Association« gehörten,133 war meist nur von kurzer Dauer. Sie hatten mehr Ähnlichkeit mit informellen bürgerlichen Schriftstellerzirkeln und dienten dem persönlichen Erfahrungsaustausch der Mitglieder. Deswegen richteten die Drehbuchautoren ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf die Gewerkschaftsbewegung und den Streik der Schauspieler am Broadway, der zeigte, dass die dort vorherrschenden Strategien des Arbeitskampfes Druck auf die Studios ausüben konnten.134 Eine wichtige Vorbildorganisation für die berufliche Organisation der Drehbuchautoren war die 1912 in New York gegründete »Authors‘ League of America«, ein Schriftstellerverband, der die Stellung von Autoren im kommerziellen Ver131 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942). The Writers’ Quest for a Freely Negotiated Basic Agreement, Ann Arbor, Michigan 1974, S. 13-19. 132 | Vgl. ebd., S. 13-19. 133 | Vgl. ebd., S. 13-19. 134 | Bei der ersten Jahresversammlung 1913 wurden 350 Mitglieder gezählt. Erster Präsident war Winston Churchill (nicht der Staatsmann) und Vizepräsident Theodore Roosevelt. Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. A History of the Dramatists Guild, Ann Arbor, Michigan 1996, S. 35-44.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
lagsbetrieb stärken wollte.135 Sie wurde für Belletristen, Journalisten und Dramatiker zur ersten Anlaufstelle und wichtigsten kollektiven Interessenvertretung.136 Im Berufsverband der Autoren fanden sich auch jene belletristischen Autoren wieder, die spekulativ Stoffe schrieben, um diese Filmproduzenten zum Verkauf anzubieten, aber von den Filmstudios wiederholt betrogen worden waren. Die Autorenliga besaß ein sogenanntes Schlichtungskomitee zur Verhandlung von Streitfällen, bei denen es sich meist um Plagiatsfälle und Urheberrechtsverletzungen handelte.137 Um 1915 gab es bereits dutzende Fälle, die so außergerichtlich geklärt wurden. Die Autorenliga betonte häufig, dass Autorenrechte durch das Urheberrechtsgesetz von 1909 nicht genügend geschützt seien und versuchte, besonders im wenig geregelten Filmbetrieb das geistige Eigentum der eigenen Mitglieder vor dem willkürlichen Zugriff der Filmfirmen zu schützen.138 Zudem trat der Autorenverband für die internationale Harmonisierung des US-Urheberrechts ein und warb in den USA dafür, das Land möge endlich der »Berner Übereinkunft« beitreten.139 Für einen Berufsverband, der für die Hebung von Ansehen und Prestige seiner Mitglieder warb, war der Versuch der »Authors‘ League of America« von 1916, sich mit der US-Gewerkschaftsbewegung zu vereinigen, umstritten. Die Liga sollte an die »American Federation of Labor« (AFL) angegliedert werden, um ihren Forderungen in puncto Schutz geistiger Eigentumsrechte und arbeitsrechtlicher Belange mehr Nachdruck zu verleihen. Viele Mitglieder kritisierten diesen Schritt als zu weitgehend. Sie verstanden sich als Autoren und Künstler und wollten nicht mit der Gewerkschaftsbewegung zusammengebracht werden. Die Romanciers sahen auch in einem möglichen Streikrecht nichts Nützliches oder Gutes und betrachteten die AFL als Verein für den »kleinen Mann«. Sie hatten Angst vor dem Verlust ihres öffentlichen Ansehens als Autoren. Im Oktober 1916 entschied sich die Berufsvertretung deshalb gegen eine Angliederung an die Gewerkschaft. Die Liga versuchte fortan, mit der Stärkung des Verbandes von 135 | Ein Vorläufer war die 1892 gegründete »Association of American Authors«. Vgl. West, Kames L. W., American Authors and the Literary Marketplace since 1900, Pennsylvania 1988, S. 14-16. 136 | Vgl. Wilson, Christopher P., The Labor of Words. Literary Professionalism in the Progressive Era, Athens 1985, S. 83-91. 137 | Vgl. Hepburn, James, The Author’s Empty Purse and the Rise of the Literary Agent, London 1969, S. 69-76. 138 | Vgl. Authors’ League of America, Dramatic Comittee, 1915 Dramatic Contract, in: Authors League Bulletin 1915, S. 7-12; Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 3-8 und Segrave, Kerry, Piracy in the Motion Picture Industry, Jefferson-London 2003, S. 48f. 139 | Die USA trat der »Berner Übereinkunft« 1986 bei. Vgl. Kampelman, Max M., The United States and International Copyright, in: The American Journal of International Law, Bd. 41 (1947) H. 2, S. 406-429.
Clubs und Berufsverbände für Szenaristen
innen heraus eine Machtstellung zu erreichen, um Verlegern und Produzenten selbstbewusst begegnen zu können.140 Dies gelang der »Authors‘ League of America« im Laufe der 1910er Jahre mithilfe einiger Reorganisationsmaßnahmen. Die »Authors‘ League« bildete seit 1919 den Dachverband, in dem sich die Dramatiker als »Dramatists‘ Guild« (DG) und die Belletristen als »Authors‘ Guild« (AG) vereinten.141 Gemeinsam war den Dramatikern und Belletristen aber ihre Forderung nach kreativer Unabhängigkeit, Stärkung ihrer geistigen Eigentumsrechte sowie Wahrung der künstlerischen Integrität ihres Werkes.142 Drehbuchautoren galten in den Filmstudios als angestellte Auftragsarbeiter und nur sehr beschränkt als individuelle Schöpfer eines geistigen Werkes, das mit künstlerischer Autonomie begründet wurde. Für Schriftsteller, die beim Film als Szenaristen arbeiteten, war dies eine neue Herausforderung. Sie begannen ihre berufliche Stellung und Identität zunehmend zu hinterfragen.143 Innerhalb der »Authors’ League« existierte schon vor der Reorganisation im Jahr 1919 eine Abteilung, die für Filmrechtsfragen zuständig war. Rex Beach war deren Sprecher und stellte 1918 im Rückblick auf das Geschäft des Drehbuchschreibens fest, dass die Schriftsteller das Filmbusiness nie wirklich ernst genommen und nur als Quelle des schnellen Geldes angesehen hätten. Sie hätten sich kaum mit der Technik des Filmmediums und seinen Produktionskosten auseinandergesetzt und wären, was Tantiemen und die ökonomische Seite des Geschäfts angeht, wenig bis gar nicht informiert gewesen. Den Produzenten warf Beach vor, sie betrieben systematisch Piraterie. Dies änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass der Produzent weiterhin als Urheber eines Films galt und die Handlung beliebig umschreiben oder verändern lassen konnte.144 Die Gliederung in spezialisierte Berufsverbände und einen Dachverband für alle Autorenberufe in New York diente den Drehbuchautoren bei ihrer späteren Organisation einer Berufsvertretung als Vorbild. Die internen Spannungen und Ambivalenzen, die den Beruf des Drehbuchautors prägten, wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder offenbar. Denn die Drehbuchautoren waren als angestellte Auftragsarbeiter in den großen Filmstudios tätig, sodass eine Zusam140 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 7-9. 141 | Forderungen der »Dramatists’ Guild« waren: Adäquate Entlohnung, Normalvertrag mit festgelegten Mindestlöhnen und »prosecution of playpirate«. Vgl. o. A., Plan and Scope for Reorganization of The Dramatists Club, in: Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. A History of the Dramatists Guild. Univ. Diss. Ann Arbor, Mich 1996, S. 240-245. 142 | Vgl. o. A., The Dramatists Reunite, in: New York Times, 13.4.1919. 143 | Vgl. Fine, Richard, Hollywood and the Profession of Authorship. 1928-1940, Ann Arbor, Mich. 1985, S. 19-41. 144 | Vgl. Bonham-Carter, Victor, From the Copyright Act 1911 until the End of 1981, S. 247f.
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menarbeit mit den Gewerkschaftsverbänden durchaus Vorteile für die Berufsvertreter gebracht hätte. Allerdings waren die Berufsvorstellungen und die Arbeitsanforderungen für die in der »Authors’ League« integrierten Berufsverbände zu verschieden. Szenaristen, Dramatiker und Schriftsteller waren in unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen und Funktionen tätig und ihre beruflichen Rollen und Funktionen waren heterogen. Deswegen wurde die Zusammenarbeit mit der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung von den meisten Vertretern der »Authors’ League« abgelehnt. Verbreitet war in den Reihen der Berufsverbände allerdings die Forderung nach Mindestvergütungen und kollektiven Vergütungsverträgen für die einzelnen Berufe. So hatten die Dramatiker am Broadway bereits 1915 Versuche unternommen, mit den Produzenten über Mindestvergütungsregeln zu verhandeln. Die »Dramatists’ Guild« hatte ihren Vorschlag für einen Normalvertrag, der für alle Theaterautoren gültig sein sollte, in der Zeitschrift der »Authors’ League« veröffentlicht. Die Inhalte des Vertrags stellten Minimalforderungen dar, die möglichst für alle Produzenten und Autoren bindend sein sollten. Es ging hierbei um Aufklärung insbesondere für junge, nicht etablierte Autoren. Der Rahmentarifvertrag war als eine Vorlage für Einzelverträge anzusehen und sollte individuellen Aushandlungen besserer Konditionen nicht im Wege stehen. Laut dem Vertragsentwurf waren die Autoren alleinige Eigentümer der copyrights. Ihnen sollten mindestens fünf Prozent Tantiemen als Beteiligung an den Gesamteinnahmen für ein Stück zustehen. Zudem sollten Dramatiker Mitspracherecht in puncto Besetzung bekommen und dem Manager nur die direkten Produktionsrechte übertragen. Die Namensnennung des Autors wurde garantiert und die inhaltlichen Änderungen am Werk sollten nicht ohne dessen Autorisierung durchgeführt werden. Das Verfilmungsrecht wurde angesprochen, da es gängige Praxis war, dass Filmrechte verkauft wurden, ohne den Dramatiker zu informieren und daran zu beteiligen.145 Die Vorstöße zur Schaffung eines Minimalvertrags für Dramatiker im Jahr 1915 und ein zweites Mal 1917 führten zuerst nicht zu den gewünschten Mindestvergütungsregeln, da diese von den Broadwayproduzenten immer wieder kategorisch abgelehnt wurden.146 Ähnliche Ziele hatte auch die 1913 gegründete Organisation der Theaterschauspieler im Blick. Im Jahr 1919 streikte der Berufsverband »Actors Equity« am Broadway, um kollektive Mindestvergütungsregeln zu erkämpfen. Der Berufsverband der Schauspieler wollte als Vertretung aller Theaterschauspieler anerkannt werden und ein bindendes Abkommen mit den Produzenten aushandeln. Die Forderungen der Schauspieler wiesen erhebliche Ähnlichkeiten mit denen der Dramatiker auf. Da sie von den Produzenten aber immer wieder abgelehnt wurden, griffen die Schauspieler letztendlich zum Mittel des Streiks. Davor musste der Verband in eine gewerkschaftsähnliche Organisation umgewandelt werden, 145 | Vgl. Authors’ League of America, Dramatic Comittee, 1915 Dramatic Contract, in: Authors League Bulletin 1915, S. 7-12. 146 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power, S. 55-65.
Clubs und Berufsverbände für Szenaristen
deren Mitgliedschaft für alle oder einen Großteil der Berufsangehörigen verpflichtend war.147 Die Durchsetzung des closed shop war nötig, um einen Streik realisieren zu können und damit den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der Anschluss der »Actors Equity« an die »American Federation of Labor« radikalisierte die Forderungen der Schauspieler. Diese mündeten 1919 in den sogenannten Battle of Broadway. Die Produzenten waren nach dem Streik 1919 bereit, einigen Wünschen der Schauspieler zuzustimmen. Sie bekamen dafür die Zusicherung der »Actors Equity«, dass der Verband vom Prinzip des closed shop abwich und auf Streiks verzichtete.148 Als die Schauspieler streikten, wurde das von den Dramatikern mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einigkeit bestand bezüglich der künstlerischen Mitbestimmung und eines Rahmentarifvertrags. Allerdings standen die Theaterautoren meist in einem freundschaftlichen Verhältnis zu den Produzenten. Sie würden von einem Streik finanziell nicht wirklich profitieren, weil es zu viel Konkurrenz in diesem Sektor gäbe. Diese Uneinigkeit führte zu internen Debatten über die berufliche Identität und geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Rechte und Ansprüche. Es dauert noch einige Jahre, bis der Berufsverband »Dramatists’ Guild« unter dem Dach der »Authors’ League« einen Minimalvertrag für die Dramatiker aushandeln konnte.149 Die Dramatiker hatten sich anfangs immer wieder gewehrt, Ziele und Forderungen der Schauspieler zu unterstützen und sich mit der Gewerkschaftsbewegung zu verbinden. Ihre Einstellung änderte sich Mitte der 1920er Jahre jedoch grundlegend, da kulturelle und ökonomische Entwicklungen sie zum Umdenken zwangen: Der Einfluss Hollywoods wurde in New York immer stärker spürbar. Der Verkauf von Filmrechten wurde zu einer gewinnbringenden Einnahmequelle für die Produzenten. Die Autoren wurden dabei allerdings meist außen vor gelassen.150 Nun besannen sich die Bühnenautoren auf die Strategien der Gewerkschaften und wollten ein drittes Mal einen Rahmentarifvertrag aushandeln. Dies gelang im Jahr 1926, als das Minimum Basic Agreement151 für Dramatiker durchgesetzt werden konnte. Dieses bildete die Grundlage für die später folgenden Arbeitskämpfe der kreativen Angestellten in Hollywood, insbesondere auch 147 | Vgl. Bassin, Joel, The Minimum Basic Agreement of the Dramatists’ Guild. A History of Inadequate Protection, in: Journal of Arts Management, Law & Society, Bd. 25 (1995) H. 2, S. 157-172. 148 | Vgl. ebd., S. 160-165. 149 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power, S. 102-111 und Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. The Dramatists Guild’s Struggle for the 1926 Minimum Basic Agreement, in: New England Theatre Journal (2001) H. 12, S. 51-78. 150 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power, S. 77-87. 151 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power, S. 102-111 und Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. The Dramatists Guild’s Struggle for the 1926 Minimum Basic Agreement, S. 51-78.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
für die Drehbuchautoren. Die Szenaristen Hollywoods hatten sich in den 1930er und 1940er Jahren immer wieder daran orientiert und einen eigenen Minimalvertrag zum Hauptziel ihrer arbeits- und vertragsrechtlichen Anstrengungen erklärt. Der Battle of Broadway und die Formierung der »Authors’ League of America« galten für den Drehbuchautorenverband in Hollywood als nachzuahmende Strategien zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen.152 Die am Broadway erfolgreiche Strategie des collective bargaining,153 also der Aushandlung allgemein verbindlicher kollektiver Mindestvergütungsregeln für kreative Berufsgruppen, wurde in den 1930er Jahren für die Drehbuchautoren in Hollywood zur Grundlage ihrer eigenen Professionalisierungsstrategie.
Z usammenfassung – D ie D urchse t zung des D rehbuchautorenberufs in den USA Die Professionalisierung des Drehbuchautors in den USA war eng mit der Entwicklung der Filmtechnik und der Durchsetzung des Langspielfilms verknüpft. Die Hinwendung zur dramatischen, längeren Filmform machte seit den 1910er Jahren ein standardisiertes Szenarium nötig, um die massenhafte, termingerechte Herstellung und finanzielle Planung der arbeitsteiligen Filmproduktion abzusichern. Bereits in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kam es zu einer ersten Professionalisierungswelle des Drehbuchautorenberufs. Immer häufiger wurden Drehbuchautoren in den Studios fest angestellt und arbeiteten seltener freiberuflich. Bemerkenswert war, dass sich zahlreiche Frauen im Drehbuchautorenberuf etablieren konnten. Dies war erstens ein Indiz für einen wenig geregelten und kaum formalisierten Berufszugang, der noch keine gesonderte Qualifikation oder Ausbildung benötigte, und zeugte zweitens davon, dass der Beruf in den 1910er Jahren gesellschaftlich wenig anerkannt war oder keine höhere soziale Stellung versprach. Die frühen Szenaristinnen prägten nicht nur die professionelle Entwicklung des Berufs, sondern beeinflussten maßgeblich die beginnende Ausbildung und Qualifikation des Berufsfeldes. Der großbetriebliche Ausbau der US-Filmindustrie bewirkte eine Spezialisierung ihrer beruflichen Teilsysteme. Das Auftreten des sogenannten continuity scripts war eine Folge der rationalisierten und massenhaften Filmproduktion. Das Drehbuch wurde seit Mitte der 1910er Jahre als Blaupause für den Film zu einem 152 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 26-29. 153 | Vgl. Kocka, Jürgen, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten. USA 1890-1940 im internationalen Vergleich, Göttingen 1977, S. 296-300 und Lovell, Hugh / Carter, Tasile, Collective Bargaining in the Motion Picture Industry, Berkley 1955.
Zusammenfassung
zentralen Element in der arbeitsteiligen Filmproduktion, um die finanzielle und inhaltliche Planung der Studios zu unterstützen. Das neue continuity script legte nicht nur die zu verfilmende Handlung fest, sondern war angereichert mit technischen Anweisungen, um die massenhafte Produktion besser steuern.154 Der Drehbuchautor wurde gegen Ende der 1910er Jahre zu einem angestellten Auftragsarbeiter, dessen Rolle nur wenig mit klassischen Autorenberufen oder bildungsbürgerlichen Vorstellungen von Schriftstellern gemein hatte. Die Spannung zwischen der künstlerisch-individuellen Berufsauffassung und seiner eher routinierten und handwerklichen Seite wurden nun offenbar. Die betriebliche Festanstellung in Studios unterschied sich fundamental von der freiberuflichen Tätigkeit literarischer Berufe, die ihre geistigen Werke in Heimarbeit herstellten und nach Kriterien wie Originalität bewerteten. Einen weiteren Professionalisierungsschub verzeichnete der Beruf nach dem Aufbruch der Filmfirmen an die Westküste in den Raum Los Angeles. Auch Präzedenzurteile und Plagiatsfälle wie beim Film Ben Hur 1911 leisteten diesen Entwicklungen Vorschub. Die Studios begannen zunehmend, Originalstoffe zu entwickeln, um mögliche Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden.155 Der Drehbuchautor Eustace Hale Ball sah deshalb schon 1913 eine optimistische Zukunft für Drehbuchautoren voraus. Er verglich den Beruf des Szenaristen mit der klassischen Profession des Mediziners und den neuen Ingenieurberufen: »A professional man — a doctor, lawyer, dentist, civil engineer—must devote at least three years of study to his profession. […] Therefore, it seems certain that an ambitious writer who will devote time, study and energy to the perfection of his scenario technique for a few months, can attain to a position of remunerative success far beyond the bounds of other intellectual work. Scenario writing, as an art, should be worked out on a scientific basis. The writing of a scenario after the general mastering of principles, should not consume more than one day. An energetic author should produce three or four each week even with the present rates of $25 as a minimum for a good script.«156
Das Drehbuchschreiben wurde also zunehmend zu einem spezialisierten Kreativberuf. In den 1910er Jahren waren allerdings noch vielfach nebenberuflich tätige Drehbuchautoren beschäftigt.157 Die große Anzahl von Handbüchern und Ratgebern zum Thema Drehbuchschreiben zeugt davon, dass man das Drehbuchschreiben in den USA als erlernbare »Handwerkskunst« und weniger als künstlerische Tätigkeit betrachtete. Die Gründung von ersten Clubs und Berufsverbänden dient der Formulierung eigener berufsständischer Interessen. 154 | Vgl. Mahar, Karen Ward, Women Filmmakers in Early Hollywood, S. 182f. 155 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood and the Culture Elite, S. 42f. 156 | Ball, Eustace Hale, The Art of the Photoplay, 2. Aufl., New York 1913, S. 120f. 157 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter. Interviews with Six Celebrated Screenwriters, New York 1981, S. 11-15.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Vergleicht man die Entwicklung in den USA mit der Durchsetzung des Drehbuchautors in Deutschland, lassen sich ähnliche Entwicklungen, aber auch Differenzen in der Berufsgeschichte feststellen. Unterschiede zwischen der Entwicklung in Deutschland und der in den USA rühren von differenzierten, gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und verschiedenen Produktionstraditionen her, die zu einer modifizierten Form der Verberuflichung in Deutschland geführt haben. Dabei war der starke Einfluss der staatlichen Kulturpolitik ebenso bedeutend wie die enge Bindung an traditionelle Autorenvorstellungen und der Rekurs auf einen spezifisch nationalen, literarischen Kanon seit dem Ersten Weltkrieg. Im Folgenden soll die Entwicklung des Drehbuchautorenberufs in Deutschland bis 1920 nachgezeichnet werden.
V on K inome terdichtern und M anuskrip tschreibern – D ie E ntstehung des D rehbuchautors in D eutschl and bis 1920 Die Tätigkeit des Drehbuchautors entwickelte sich in Deutschland bis 1920 in durchaus ähnlichen Schritten wie in den USA. Allerdings rekrutierten sich die deutschen Drehbuchautoren stärker aus klassischen Autorenberufen. Szenaristen in Deutschland arbeiteten meist freiberuflich und waren den traditionellen Literaturberufen länger verbunden, was auch das Berufsbild entscheidend beeinflusste. Die Nähe des deutschen Films zum Theater und die vielfältigen Versuche, den Film als Kunstwerk zu etablieren, waren für die Schaffung einer eigenen beruflichen Identität der Drehbuchautoren essentiell. Opernlibretti der commedia dell’ arte liefern erste Hinweise auf die Entstehung des Drehbuchautorenberufs in Deutschland. Kasten sieht im Librettisten Otto Julius Bierbaum einen der ersten Szenaristen, der den Text für eines der frühesten Tonbilder158 – die verfilmte Operette Der Lustige Ehemann aus dem Jahr 1903 mit 67 Sekunden Spielzeit – verfasst hatte. Grundsätzlich bestanden die ersten Filmerzählungen wie in den USA aus kurzen Sketchen oder melodramatischen Einaktern, die durch szenische Improvisationen der Schauspieler dargestellt wurden.159 Bis um 1907 bestand gut die Hälfte der deutschen Filme nur aus einer Szene. Fiktionale Filme hatten sich im Kinoprogramm noch nicht als dominante Form durchgesetzt, sondern die Kinos zeigten vielfach sogenannte Aktualitäten,
158 | Die Bilder auf der Leinwand wurden zeitgleich mit passenden Grammophon-Aufnahmen abgespielt. 159 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben. Eine Geschichte des Drehbuchs, Wien 1990, S. 12-25 und Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film. Drehbücher des deutschen und russischen Stummfilms, München 1994, S. 41-52.
Die Entstehung des Drehbuchautors in Deutschland bis 1920
also nicht-fiktionale Nachrichtenereignisse oder dokumentarische Beiträge.160 In Deutschland entwickelte sich das Filmmedium seit 1895 vom »Kino der Attraktionen«161 zu einem erzählenden, fiktionalen Medium. Laut Gunning machte das frühe deutsche Kino bis 1907 Folgendes aus: »This cinema differs from later narrative cinema through its fascination with the thrill of display rather than the construction of a story.«162
Die kurzen Szenenfolgen dieser frühen Filmwerke benötigten also noch keine ausgearbeitete Handlung, um Anklang beim Publikum zu finden, sondern bestanden nur aus einem Sketch oder einer Nachricht. Mit der Durchsetzung des Langspielfilms kam es dann auch in Deutschland zur Herausbildung spezialisierter Berufe in der Filmindustrie, zu denen auch der Drehbuchautor gehörte. Die Rationalisierung und Kommerzialisierung erfolgte hier im Vergleich zu den USA einige Jahre später. Die deutschen Filmstudios waren zu Beginn der 1910er Jahre noch nicht in dem Maße arbeitsteilig und großbetrieblich organisiert wie in New York. Deshalb können die erwähnten frühen Filmtexte zwar als Vorläufer von späteren Szenarien oder Drehbüchern gelten, doch haben sie aufgrund der technischen Bedingungen und der Kürze der Filmstücke kaum etwas mit Drehbüchern für Langspielfilme gemeinsam. Insbesondere der Einfluss des französischen Kunstfilms spielte bis zum Ersten Weltkrieg eine große Rolle für die Entwicklung eines deutschen Autorenfilms.163 1913 wurde eine deutsche Autorenfilmbewegung ausgerufen, die sich stark am Bildungsideal der Kinoreformbewegung orientierte und literarisch wertvolle Filme auf die Leinwand bringen wollte.164 Ausgehend vom französischen Kunstfilm und der 1910 gegründeten »Société Films d’art«165 sollten Schriftsteller für den Film tätig werden. Die Suche nach fähigen Autoren für das Filmmedium war ein internationales Phänomen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte dieser gestiegene künstlerische Anspruch allerdings ebenso eine nationale Komponente, denn durch die Anbindung an den heimischen Literaturkanon wurden die
160 | Vgl. Zaddach, Gerhard, Der literarische Film. Ein Beitrag zur Geschichte der Lichtspielkunst, Breslau 1929, S. 7-13. 161 | Das deutsche Kino bis etwa 1907 war keine primitive Vorform des erzählenden Kinos, sondern auf Schauwerte und Spektakel ausgerichtet. 162 | Gunning, Tom, “Primitive« Cinema: A Frame-up? Or the Trick’s on Us, in: Cinema Journal, Bd. 28 (1989) H. 2, S. 3-12, hier S. 9. 163 | Vgl. Zaddach, Gerhard, Der literarische Film, S. 18-22. 164 | Vgl. Quaresima, Leonardo, Dichter heraus! The Autorenfilm and the German Cinema of the 1910’s, in: Griffithiana (1990) H. 38/39, S. 101-120. 165 | Vgl. Zaddach, Gerhard, Der literarische Film, S. 18-22.
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Filme zu einem gewissen Grad national kodiert.166 Spezifisch an der deutschen Entwicklung war, dass der Film von bildungsbürgerlichen Intellektuellenkreisen primär als Bildungsvehikel und Hochkultur stilisiert wurde und nicht, wie in den USA üblich, vorrangig als Unterhaltungsware galt. Der Szenarist musste sich auch in Deutschland zwischen den Polen eines individuell-schöpferisch tätigen, freien Schriftstellers und eines angestellten Dienstleisters und Auftragsarbeiters in einem arbeitsteilig hergestellten Medium positionieren.167 Um die historische Entwicklung des Drehbuchautorenberufs zu begreifen und zu vertiefen, ist im Folgenden zunächst zu klären, wo die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen der amerikanischen und der deutschen Film- und Kinoindustrie lagen.168 Elsässer unterscheidet in der frühen deutschen Kinogeschichte bis zum Ersten Weltkrieg zwei Phasen, nämlich die erste Phase der Konsolidierung des Kinobusiness von 1902 bis 1906 mit der Etablierung ortsfester Kinos und eines Marktes, auf dem Kurzfilme und Nummernprogramme gehandelt wurden, und die zweite Phase von 1907 bis 1913, als prunkvollere Kinopaläste und umfangreichere Filme mit bis zu fünf Rollen Länge entstanden.169Die deutsche Filmindustrie übernahm zuerst viele bekannte Organisations- und Programmprinzipien des hoch professionalisierten Varietés. Daraus entstanden dann differenzierte Sparten wie Kino, Theater oder Kabarett, wobei das Kino in den frühen Aufführungen erst einmal die typischen Varieté-Prinzipien wie ein abwechslungsreiches Nummernprogramm übernahm.170 Das erinnerte stark an die Verbindung des US-Kinos mit dem Vaudeville, welches nach ähnlichen Prinzipien wie das Varieté funktionierte. Das deutsche Kinowesen wurde allerdings nicht so stark vom Verleihsektor kontrolliert, der in den USA schon 1902 eingeführt worden war, sondern vorrangig vom Vorfüh166 | Vgl. Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, in: Usai, Cherchi Paolo / Codelli, Lorzenzo (Hrsg.), Before Caligari. German Cinema 1895-1920, inkl. Ausstellungskatalog IX ed. delle Giornate del Cinema Muto di Pordenone (13-21 Ottobre 1990), Wisconsin 1990, S. 380-401, hier S. 382. 167 | Vgl. Heller, Heinz-B, Literarische Intelligenz und Film. Zur Veränderung der ästhetischen Theorie und Praxis unter dem Eindruck des Films 1910-1930 in Deutschland, Tübingen 1984 (=Medien in Forschung und Unterricht, Serie A, Bd. 15), S. 89f. 168 | Das liegt am desolaten Quellen- und Materialzustand. Viele Filme werden vermisst oder wurden in den Weltkriegen zerstört. 169 | Elsässer spricht sich auch für eine »Normalisierung« und international vergleichende Einordnung des universellen Massenmediums Film aus, anstatt einen deutschen »Sonderweg« der Filmhistorie zu konstatieren. Vgl. Elsaesser, Thomas, Early German Cinema. A Second Life?, in: Elsaesser, Thomas (Hrsg.), A Second Life. German Cinemas’s First Decades, Amsterdam 1996, S. 9-37, hier S. 9-13. 170 | Vgl. Korte, Helmut, Vom Kinematographen zur Nationalen Propaganda. Zur Entwicklung des frühen deutschen Films, in: Korte, Helmut (Hrsg.), Film und Realität in der Weimarer Republik, München-Wien 1978, S. 13-89, hier insbes. S. 25-27.
Die Entstehung des Drehbuchautors in Deutschland bis 1920
rungssektor bestimmt.171 In Deutschland hielt sich deshalb eine dezentralisierte Kinolandschaft und relative Autonomie der Kinobesitzer bis etwa 1907 und damit länger als in den USA und einigen anderen Filmländern. Die Parameter der Filmgestaltung wurden demzufolge stärker der Kontrolle der Filmvorführer unterworfen.172 Zu einer Rationalisierung der deutschen Filmindustrie kam es um das Jahr 1911 herum. Die Industrie war bis dahin in viele dezentral organisierte, mittelständische Firmen zersplittert gewesen. Messter-Film173 war mit ca. 200.000 Mark Kapital die finanzstärkste deutsche Filmfirma. Dominiert wurde der deutsche Filmmarkt bis zum Ersten Weltkrieg von den französischen Herstellern Pathé und Gaumont,174 die geglättete Versionen ihrer Filme für das deutsche Publikum anfertigten und durch deutsche Bezeichnungen der Protagonisten von der Tatsache ablenkten, dass sie französische Filmfirmen waren. Seit etwa 1907 legte die international agierende Firma Pathé Normen und Standards wie den Meterpreis für deutsche Filme fest. Um die deutsche Konkurrenz klein zu halten, betrieb sie eine Dumpingpolitik; da sich die Kosten schon durch Einnahmen aus anderen Ländern amortisiert hatten, konnte das globale Unternehmen in Deutschland niedrigste Preise anbieten. Pathés starke Präsenz in Deutschland hielt sich bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, setzte allerdings wichtige qualitative und technische Standards, wie zum Beispiel ein einheitliches Verleihverfahren durch, die auch der deutschen Produktion halfen. Wegen der wachsenden Konkurrenz und Zentralisierungsbestrebungen in der Industrie gingen von 1907 bis 1909 viele kleinere deutsche Produktionsfirmen bankrott.175 Seit etwa 1911 wurde die deutsche Filmwirtschaft in abnehmendem Maße von Geräteproduzenten und den Patenten ausländischer Firmen dominiert, vielmehr etablierte sich langsam ein heimischer Filmmarkt. Bis etwa 1906 überwogen sogenannte »Halbfertigprodukte« oder »Tonbilder« die Filmherstellung. Dabei wurden Aufnahmen mit den Mundbewegungen eines Darstellers synchronisiert, der vor der Kamera ein Lied oder eine Arie Playback sang. Die Geschwindigkeit der Kamera wurde mit der Laufgeschwindigkeit des Grammophons synchronisiert. Die Aufführung der »Tonbilder« war besonders arbeits- und kostenintensiv und schwer in den festen Programmablauf der Kinotheater einzubauen, da die Wie171 | Vgl. Stöber, Rudolf, Die erfolgsverführte Nation. Deutschlands öffentliche Stimmungen 1866 bis 1945, Stuttgart 1998, S. 99f. 172 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Filmgeschichte und frühes Kino, S. 146-152. 173 | Messter war die erste deutsche Firma, die vertikale Integration und Monopolisierung nach US-Vorbild einführte. Sie produzierte Filme und davor bereits Abspielgeräte. Vgl. Elsaesser, Thomas, Filmgeschichte und frühes Kino, S. 159-161. 174 | Vgl. Lemke, Hermann, Die Kinematographie der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Eine kulturgeschichtliche und industrielle Studie, Leipzig 1912, S. 23-27. 175 | Pathés damaliges Kapital entsprach etwa 25 Millionen Reichsmark. Vgl. Elsaesser, Thomas, Filmgeschichte und frühes Kino, S. 135-140.
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dergabequalität und Geschwindigkeit von Ton und Bild oftmals asynchron waren. Außerdem konnten Tonbilder nur die Länge einer Grammophonplatte abspielen und waren somit wenig geeignet, eine Standardisierung der Programm- und Vorführformate zu unterstützen.176 Das Kinoprogramm erinnerte bis etwa 1908 noch an eine Theater- oder Variéte-Vorstellung. Doch danach entstanden relativ schnell die ersten großen Kinosäle, die teilweise mehrere tausend Personen fassten. Die Zahlen zu den Zuschauern sind wenig verlässlich, deuten aber darauf hin, dass vor dem Ersten Weltkrieg mehr Zuschauer in die neuen Kinos strömten als zu Spitzenzeiten in der Weimarer Republik. Das lag aber auch an den noch kurzen Filmlängen bis etwa 200 Meter und den häufiger gezeigten gleichartigen Programmteilen.177 Ein Blick auf das Programm des »Astoria-Lichtspielhauses« im südöstlichen Leipziger Zentrum vom 25.6.1913 zeigt, dass neben dem französischen Sensationsdrama Hilda (1913) in zwei Akten auch der längere deutsche Dreiakter Herzensrecht aufgeführt wurde. Zu den Spielfilmen gesellten sich Naturaufnahmen aus Rothenburg oder dem Kaukasus sowie Luftschifffahrten über Leipzig. Die Eintrittspreise begannen ab 30 Pfennig, waren also erschwinglich.178 Das Versiegen der Nummernrevue erinnert stark an die amerikanische Entwicklung, in der der Film sich langsam vom Vaudeville und seinen als anrüchig geltenden Inhalten und Strukturen lossagte, um bürgerliche Mittelschichten ins Kino zu locken. Doch nur zehn Prozent der in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg gezeigten Filme stammten aus nationaler Herstellung. Einen Großteil des Kinoprogramms stellten Werke aus Dänemark, Frankreich oder den USA.179 Daten zur Filmproduktion vom Mai 1911 zeigen, dass Der Kurier von Lyon (1911) des Verleihs Pathé und der Produktionsfirma »Société Cinématographique des Auteurs et des Gens de Lettres« (SCAGL) als einer der wenigen Langfilme mit 780 Metern Länge und damit gut 35 Minuten Spielzeit auf den deutschen Spielplänen stand. Deutsche Langfilme wie Ein Fehltritt (1911) von Carl Froehlich bestanden aus drei Akten, aber die durchschnittliche Länge der damals gezeigten fiktionalen Stoffe ging selten über eine Filmrolle hinaus.180 Allerdings konsolidierten sich die deutschen Filmunternehmen langsam. Lemke erwähnt in seinem Übersichtswerk als wichtigste deutsche Firmen für den fiktionalen, dramatischen Film Meßters Projektion (Berlin), Deutsche Bioskop-Gesellschaft (Berlin), 176 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Filmgeschichte und frühes Kino, S. 154-158. 177 | Vgl. Stöber, Rudolf, Die erfolgverführte Nation, S. 100f. 178 | Vgl. The German Early Cinema Database, Programm des vornehmen Astoria Lichtspielhauses (Adresse: Windmühlenstrasse 31 in Leipzig mit 1600 Plätzen) vom 25.6.1913, http://www.earlycinema.uni-koeln.de/programmes/index/Filter.FilterByVenue:1/Filter. Venue.0:46/keep_frame2:1, eingesehen am 26.8.2015. 179 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Early German Cinema. A Second Life?, hier S. 23-25. 180 | Vgl. The German Early Cinema Database, www.earlycinema.uni-koeln.de, eingesehen am 29.10.2013.
Die Entstehung des Drehbuchautors in Deutschland bis 1920
Deutsche Mutoscope- und Biograph-Gesellschaft (Berlin), Vitaskope (Berlin), Duskes Kinematographen und Filmfabrik (Berlin) und Heinrich Ernemann (Dresden).181 Das Kapital für diese Unternehmungen stammte meist von Unternehmen aus der Bekleidungs- und Kaffeebranche aus Frankfurt am Main, Königsberg oder Hamburg. In den vorgenannten Städten eröffneten zuerst große Kinotheater, die später den Vertrieb der deutschen Kinofilme steuerten.182 Seit 1910 etablierte sich in Deutschland ein Filmverleihsystem, das sogenannte »Monopolfilme«, also aufwändige Langspielfilme, exklusiv vertrieb. Für die deutsche Kinoindustrie war die Hinwendung zu exklusiven, zeitlich und geografisch beschränkten Vertriebsrechten an Prestigeproduktionen von einiger Bedeutung. Daraufhin kommerzialisierte sich die nationale Kinoindustrie nachhaltig.183 Besonders der »Monopolfilm« der Projektion AG Union (PAGU) war dank des Exklusivvertrags für den ersten weiblichen Filmstar Asta Nielsen eine Goldgrube.184 Wie auch in den USA kam es in Deutschland zu einer technischen Standardisierung und zur Durchsetzung des fiktionalen Langspielfilms. Damit nahm der Bedarf nach mehr erzählenden Elementen in Filmen zu. Auch französische Filmimporte und die gestiegene Nachfrage nach Filmautoren waren wichtige Faktoren für die Entstehung des Drehbuchautorenberufs in Deutschland. Die deutsche Kinolandschaft war bis 1914 auf den Import französischer Filme und auf das technische und inhaltliche Know-how aus dem Nachbarland angewiesen. Die importierte Filmtechnik brachte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch eine spezifisch französische Autorenauffassung und ein neues künstlerisches Filmverständnis mit nach Deutschland. Seit etwa 1909 orientierte man sich stark am französischen Kunstfilm, der den Regisseur und den Autor des Filmstoffes in den Mittelpunkt des Interesses rückte und Filme, die auf bekannten Theaterstücken basierten, herausbrachte.185 So war die französische »Société Film d’art«, daran interessiert, das künstlerische Moment in der Kinematografie zu betonen und Filme zu vertreiben, die auf französischer Nationalliteratur beruhten.186 In Frankreich gründete Pathé 1908 die Kunstfilmvereinigung »Société
181 | Vgl. Lemke, Hermann, Die Kinematographie der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Eine kulturgeschichtliche und industrielle Studie, Leipzig 1912, S. 44-48. 182 | Vgl. ebd., S. 50-55. 183 | Der »Monopolfilm« stimulierte den heimischen Produktionssektor, da durch den Monopolvertrieb Finanzen und Investitionen berechenbar wurden und vermehrt für neue Großprojekte investiert werden konnten. Vgl. Elsaesser, Thomas / Wedel, Michael, Distribution, in: Abel, Richard (Hrsg.), Encyclopedia of Early Cinema, New York 2005, S. 390-392. 184 | Vgl. Elsaesser, Thomas / Wedel, Michael, Distribution, in: Abel, Richard (Hrsg.), Encyclopedia of Early Cinema, New York 2005, S. 399-392, hier S. 391. 185 | Vgl. Diederichs, Helmut H., Frühgeschichte deutscher Filmtheorie. Ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg, Frankfurt am Main 1996, S. 35-40. 186 | Vgl. Lemke, Hermann, Die Kinematographie der Gegenwart, S. 34-35.
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Cinématographique des Auteurs et Gens de Lettres« (SCAGL).187 Ihr Konzept, anspruchsvolle Filme zu entwerfen, wurde seit 1910 von der »Société Film d’art« weiter entwickelt.188 Um für mehr Zulauf bürgerlicher Schichten an der Kinokasse zu sorgen, wurde die Etablierung eines Kunstfilmsektors auf Grundlage von Drehbüchern und Filmideen etablierter Schriftsteller angestrebt. Die französische Filmkunstbewegung wurde in Deutschland begeistert rezipiert. Heinrich Bolten-Baeckers gründete nach dem Vorbild der französischen Organisation die »Gesellschaft zur Verwertung schriftstellerischer Ideen für kinematographische Zwecke«. Er unterhielt enge Geschäftsbeziehungen zur SCAGL in Paris und organisierte am 12.10.1908 ein Treffen, an dem 120 Autoren und die französischen Verbandsmitglieder teilnahmen. Daraus entstanden allerdings keine verwertbaren Filmszenarien oder weitere Projekte.189 Als sich die französische Firma Pathé aus dem Vorhaben zurückzog, da sie kein Interesse daran hatte, vorwiegend deutsche Autoren und eine nationale deutsche Filmindustrie zu unterstützen, wurde das Kunstfilmkonzept von den führenden deutschen Firmen wie der PAGU oder der deutschen Bioskop übernommen und ausgebaut. So sollte beispielsweise der »Lichtspielverlag« die »Verbrüderung von Kino und Dichtern fördern«190. Dies mündete in einem Wettrennen um die besten Vertragsabschlüsse mit bekannten deutschen Autoren, die nun öffentlich für den anspruchsvollen Film werben sollten.191 Seit 1911 zeichnet sich die Tendenz der Nationalisierung des deutschen Films mit vermeintlich spezifisch »deutschen« Sujets ab, die sich von den französischen und amerikanischen Filmen in ihrer Thematik und Stilistik unterschieden. Zwar wurde der »deutsche« Kunstfilm vielfach noch als originär »französisches Produkt«192 angesehen und durchaus anerkannt, dass italienische, dänische und französische Produktionen den deutschen Markt entscheidend geprägt hatten, doch wehrten sich die deutschen Firmen nun gegen die »Invasion« der US-Filme mit der Begründung, diese würden beispielsweise »Rasseneigentümlichkeiten« in den Mittelpunkt stellten.193 Die nationale Einfärbung des deutschen Films war eng mit der Ausgrenzung und Abwehr »fremder«, nicht deutscher Filmindustrien verknüpft. Zunehmend wurden nationale Stereotype gegenüber Filmländern offensichtlich, die bis dahin den deutschen Filmmarkt geprägt und beeinflusst hatten.
187 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben, S. 26-30. 188 | Vgl. Zaddach, Gerhard, Der literarische Film, S. 18-22. 189 | Vgl. Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, hier S. 380 bis 382. 190 | Zaddach, Gerhard, Der literarische Film, S. 23-27. 191 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben, S. 26-30. 192 | Lemke, Hermann, Die Kinematographie der Gegenwart, S. 38. 193 | Ebd., S. 39.
Autorenfilm und Kinoreformbewegung
D ie A uf wertung des S zenaristen durch den A utorenfilm und die K inoreformbe wegung Der Transfer des französischen Autorenfilmkonzepts und die Zuschreibung eines Kunstwerts für das neue Medium erfolgten im Rahmen allgemeiner bildungsbürgerlicher und reformpädagogischer Debatten. So war die Entwicklung eines spezifisch deutschen Autorenfilms eng mit der Kritik der Kinoreformbewegung am Medium Film verbunden.194 Die meisten Dramen und Lustspiele wurden von den Kinoreformern als »Schund« gerügt. Gleichzeitig forderten sie eine strengere Lizensierungspraxis und eine restriktive Filmzensur.195 Die sogenannte Kinoreformbewegung heizte seit 1907 diese gesellschaftliche Diskussion um den Film und seinen Status im Kultursektor an. Ihre Anhänger forderten obrigkeitsstaatliche Maßnahmen gegen die sogenannten »Schund- und Schmutzfilme« und sprachen sich für Lehrfilme mit hohem Informationsgehalt aus.196 Die Kinoreformer waren oftmals Pädagogen, die den Film als erzieherisches Instrument und nicht als Unterhaltungsgut betrachteten. Neben Kirchenvertretern waren auch Sittlichkeits- und Mäßigkeitsvereine in dieser heterogenen Strömung aktiv. Gemeinsam forderten sie die Institutionalisierung der Filmzensur und deren strengere Anwendung. Da der Film dem Theater vielfach die Besucher abwarb, kritisierten auch Theatermacher das Medium Film. Die »Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens«197 in Hamburg äußerte in ihrem Bericht 1907 ihre kinoreformerische Kritik an den Filmvorführungen und deren Inhalten folgendermaßen: »Technisch und inhaltlich einwandfreie kinematographische Darstellungen können ein ausgezeichnetes Mittel zur Belehrung und Unterhaltung sein. Da jedoch bisher viele Bilder in ihrer Ausführung mangelhaft sind, das Häßliche, Verbildende und sittlich Gefährdende in ihnen überwiegt und viele Theaterräume billigen Anforderungen der Hygiene nicht genügen, halten wir den Besuch der Theater lebender Photographien für Kinder für gefährlich.«198
Weiter wurde kritisch bemerkt, dass die mangelnde Qualität der Filme zur Verrohung der Kinder führe. Zudem würden diese den Zigarrenrauch einatmen, in
194 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film, S. 28-34. 195 | Vgl. Quaresima, Leonardo, Dichter heraus! The Autorenfilm and the German Cinema of the 1910’s, S. 102. 196 | Vgl. Diederichs, Helmut H., Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, S. 24-33. 197 | 1805 als einer der weltweit ersten Lehrervereine in Hamburg gegründet. 198 | Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens zu Hamburg, Bericht der Kommission für „Lebende Photographien«. Erstattet am 17. April 1907 und im Auftrage des Vorstandes bearbeitet von C. H. Dannmeyer, Hamburg 1907, S. 29.
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den Pausen naschen und Schundliteratur lesen.199 Die Anhänger der Kinoreformbewegung schwankten zwischen der Dämonisierung und der Befürwortung des pädagogischen Potentials eines Films. Ihnen gemeinsam waren eine humanistische Bildungstradition und eine Skepsis gegenüber neuen Medien, insbesondere wenn diese von ausländischen Konzernen dominiert wurden. Grundsätzlich strebten sie eine Kino- und Geschmackszensur an, die volkspädagogischen Charakter haben sollte.200 Die Hinwendung zum Film als »Volkserzieher« und die kulturpessimistische Argumentation der bürgerlichen Intellektuellenkreise zielten auch auf die Beeinflussung der Geschmacksvorlieben der Arbeiter, die bis 1907 vorrangig das Kinopublikum stellten.201 Da viele Kinoreformer überzeugt waren, dass der Film ein geeignetes Lehrmittel sei, eröffnete sich der deutschen Filmindustrie ein neuer Markt für Schulund Lehrfilme. Dafür wurden Filmstoffe gebraucht und eine erste Ausbildungsstätte für Drehbuchautoren im Lehrfilmsegment geschaffen. Dieses wurde 1911 in Berlin Steglitz bei der »Neue Photographische Gesellschaft« (NPG) angesiedelt,202 die mit Messter fusioniert war und eine »Schulabteilung für kinematographische Sujets«203 gegründet hatte. Die Themen der Bildungsfilme stammten aus allen Wissensgebieten, insbesondere aus der deutschen Landeskunde und medizinischen Volksgesundheit. Die Sujets, auf die sich die Kinoreformer einigen konnten und die die »Neue Photographische Gesellschaft« (NPG) als wertvoll für den Unterricht erachtete, wurden gesammelt und durch die »N.P.G. Schulfilm« vertrieben. Mit Filmen wurde beispielsweise über Verwandte des Syphiliserregers bei Hühnern aufgeklärt. Die Verantwortung für die Schulkinematografie sollte letztendlich landesweit in »deutsche Hände« übertragen werden.204
199 | Vgl. Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens zu Hamburg, S. 20f. 200 | Vgl. Heller, Heinz-B., Literarische Intelligenz und Film. Zur Veränderung der ästhetischen Theorie und Praxis unter dem Eindruck des Films 1910-1930 in Deutschland, Tübingen 1984, S. 99-101. 201 | Vgl. Korte, Helmut, Vom Kinematographen zur Nationalen Propaganda. Zur Entwicklung des frühen deutschen Films, in: Korte, Helmut (Hrsg.), Film und Realität in der Weimarer Republik, München-Wien 1978, S. 13-89, hier S. 60-64. 202 | Die NPG hatte sich 1912 von Meßter getrennt und konzentrierte sich seitdem auf Lehrfilme. Sie stellte auch ihre eigenen Rohfilme her. Vgl. Lemke, Hermann, Die Kinematographie der Gegenwart, S. 46. 203 | Ebd., S. 40. 204 | Vgl. ebd., S. 40f.
Autorenfilm und Kinoreformbewegung
Die Auseinandersetzung um »Schund und Schmutz«205 im Kino war einerseits gegen die ausländische Vorherrschaft 206 auf dem deutschen Filmmarkt gerichtet und andererseits Ausdruck eines bürgerlichen Selbstverständnisses von Hochkultur, das durch den Film herausgefordert wurde. Die öffentliche Debatte kreiste um die Themen Kommerzialisierung und Nationalisierung der Filmindustrie. Die Betonung eines hochkulturellen Bildungsideals beeinflusste die ersten deutschen Drehbuchautoren. Die teils heftige Kritik am Filmmedium durch die Kinoreformbewegung belastete den Ruf der Szenaristen. Die Probleme des Berufsstandes wurden in den neuen Filmzeitschriften angesprochen. So stellte Filmkritiker Fritz Müller in einer Ausgabe der Fachzeitschrift Bild und Film fest, dass der Beruf des Kinodichters noch einen »verächtlichen Klang«207 habe. Filmschriftsteller seien mit Vorurteilen konfrontiert und stünden im Schatten der Regisseure, die vielfach die Szenarien verfassten. Bereits 1912 riefen Kritiker dazu auf, den Film künstlerisch zu beleben und fähige Schriftsteller in die Produktion einzubeziehen.208 Die deutschen Drehbuchautoren blickten neidvoll auf ihre amerikanischen Kollegen, die mit pro Szenarium 50 Dollar, also umgerechnet circa 200 Mark, verdienten.209 Sie realisierten zudem, dass die meisten den Regisseur als Schöpfer des Films würdigten.210 Seit 1913 erwuchs in Deutschland eine regelrechte Autorenfilmbewegung,211 die mit der Kritik der Kinoreformer argumentierte und gleichzeitig versuchte, das Filmmedium sowie den Beruf des Szenaristen in Öffentlichkeit und Filmindustrie aufzuwerten. Oskar Messter, der deutsche Vorreiter der arbeitsteiligen Studiogroßproduktion, gründete 1913 die »Autor-Film-Gesellschaft« und produzierte sogenannte Literaturfilme auf Grundlage von Szenarien und Geschichten bekannter Literaten, um das bürgerliche Publikum zu erreichen. Der Diskurs um den vollwertigen Filmautor, der als Urheber des Manuskripts fungierte, beförderte den Verfasser des Drehbuchs zum Garanten für die künstlerische Qualität eines Films. Tatsächlich waren die frühen deutschen Manuskriptschreiber meist etablierte Bühnenautoren oder Romanciers, die von Produzenten 205 | Vgl. Korte, Helmut, Vom Kinematographen zur Nationalen Propaganda, hier S. 60-64. 206 | Der »Filmimperialismus« Hollwoods und die Kontrolle und Expansion in ausländische Märkte bei Tulloch, John, Cinema as Social System. The Pattern of Hollywood. Introduction, in: Tulloch, John (Hrsg.), Conflict and Control in the Cinema. A Reader in Film and Society, Adelaide 1977, S. 1945-1963. 207 | Müller, Fritz, Kinodichter, in: Bild und Film, Bd. 13 (1912/13) H. 1, S. 2-3. 208 | Vgl. ebd. S. 2-3. 209 | Vgl. Müller, Fritz, Kinodichter, S. 2-3. 210 | Vgl. o. A., Der Film-Regisseur als schöpferischer Künstler, in: Lichtbild-Bühne, Bd. 6 (1914) H. 1, S. 38-40, hier S. 38. 211 | Vgl. Quaresima, Leonardo, Dichter heraus! The Autorenfilm and the German Cinema of the 1910’s, S. 101.
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gezielt für den Filmbereich angeworben wurden.212 Die Filmfirmen setzten den Autorenfilm als kommerzielle Strategie ein, wenn sie die Mitarbeit bekannter Schriftsteller anwarben. Damit wurde die Betätigung als Drehbuchautor für jene Autoren interessant, die eher dem Ideal des freien Berufs anhingen. Da die deutsche Filmindustrie noch nicht in so starkem Maße arbeitsteilig und zentral organisiert war wie in den USA, konnten besonders freie Schriftsteller noch längere Zeit nebenberuflich als Szenaristen tätig werden. Das deutsche Autorenfilm-Pendant wird in den 1960er Jahren in Verbindung mit der französischen Nouvelle Vague eine völlig andere Bedeutung bekommen. Doch schon vor dem Ersten Weltkrieg kann von einer ersten Welle des Autorenfilms in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern gesprochen werden. Filme, die auf einem Originaldrehbuch oder der Adaption einer bekannten Vorlage beruhten, waren eine Möglichkeit, unterschiedliche Gesellschaftsschichten für den Kinobesuch zu motivieren.213 Brauerhoch hat aufgezeigt, wie dieses sogenannte »Autorenfilm-Modell« seit den 1910er Jahren im deutschen Kino verankert wurde und welche Rolle die Einführung des traditionellen Konzepts eines Genieautors in das Massenmedium Film spielte. Zusammen mit der sogenannten »Verkunstung« des Kinos wurde so die Vormachtstellung des »Autor-Regisseurs« im rationalisierten Produktionsprozess begründet, die in der Bundesrepublik bis in die 1980er Jahre hineinwirkte.214 Einige der ersten deutschen Kinometerdichter waren aus dem Kreis der Berliner Autorengemeinschaft als Filmkritiker, Journalisten oder freiberufliche Schriftsteller um 1909 zum Film gekommen. Sie hatten andere literarische Sujets und Themen im Blick, als sie im zeitgenössischen Film üblich waren. Ihr Augenmerk lag auf urbanen Sittenportraits und Großstadtmilieus. Diese Autoren verfassten vielfach essayistische Beiträge und stellten diese in einer 50 Bände umfassenden Sozialstudie mit dem Titel »Großstadt-Projekt« vor. Viele der dort veröffentlichten Autoren gehörten zur ersten Generation von Szenaristen in Deutschland. Sie nannten sich Kinometerdichter, um sich von Autoren anderer literarischer Kunst- und Kulturgattungen abzuheben sowie sich von missglückten Verfilmungen sogenannter Unterhaltungs- oder »Schundromane« zu distanzieren. Die »Sittenbilder« der Berliner Schriftenreihe eigneten sich in ihrer Erzählstruktur zur Verfilmung und entfalteten eine gewisse Breitenwirkung in einer Zeit, in der die Filmindustrie vermehrt nach verfilmbaren, interessanten Stoffen suchte. Auch das Publikum mochte die Szenen aus dem Großstadtalltag, die auch Sensationen und Verstöße gegen die bürgerlichen Moralvorstellungen mit Filmen
212 | Vgl. Brauerhoch, Anette, Zwischen Literatur und Fernsehen. Konzepte des Autorenfilms, Siegen 1991 (=Arbeitshefte Bildschirmmedien Bd. 28), S. 9-13. 213 | Vgl. Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, hier S. 380. 214 | Vgl. Brauerhoch, Anette, Zwischen Literatur und Fernsehen, S. 5-8.
Autorenfilm und Kinoreformbewegung
zu Homosexualität oder Ehebruch thematisierten.215 Aus der Berliner Autorengemeinschaft erwuchsen erste Drehbuchautoren, die auf vielen Gebieten literarisch tätig waren. Bis 1915 war das Verfassen eines Drehbuchs in Deutschland wenig lukrativ. Nur in Ausnahmefällen konnten etablierte Autoren einen einträglichen Verfilmungsvertrag abschließen. Die Filmautoren öffneten sich deshalb auch populären Stoffen und konzentrierten sich nicht nur auf ein spezielles Genre, sondern bedienten ein breites Themenspektrum. Zu ihnen gehörten Drehbuchautoren wie Hans Hyan, Walter Turszinsky und Heinrich Lautensack,216 die aus einfachen Verhältnissen stammten, meist durch das Theater zum Film gekommen waren und flexibel mit dem neuen Medium umzugehen verstanden.217 Lautensack verfasste eines der ersten, noch heute erhaltenen, Drehbücher für den Film Die Macht der Jugend über einen Bankier, der sich wegen Liebeskummer umbringt, welches von Max Mack 1912 verfilmt und unter dem Label »Kunstfilm« von der Continental-Kunstfilm GmbH beworben wurde.218 Sein Drehbuch zum Film Zweimal Gelebt aus dem Jahr 1912 zeigt, dass er die in den USA bereits üblichen dramatischen plot points, also Handlungshöhepunkte, in seinem Szenarium benutzte, welche bis dahin in der deutschen Kinolandschaft ungebräuchlich waren.219 Der expressionistische Theater- und Drehbuchautor Walter Hasenclever wurde in den 1920er Jahren mit sozialkritischen Stoffen und Satiren bekannt und arbeitete 1930 drei Monate in Hollywood als Dialogautor bei MGM. 1933 ging er ins Exil nach Italien und später nach Frankreich, wo er sich nach der deutschen Besetzung 1940 das Leben nahm. Hasenclevers wahrscheinlich 1919 angefertigtes Filmbuch zu Die Pest wurde 1920 als erstes gedrucktes Szenarium bei Paul Cassirer in Berlin veröffentlicht und sogar ins Englische übersetzt, aber von der Filmbranche nicht beachtet, da Hasenclever versucht hatte, sich von der theatralischen Form zu lösen und die Filmhandlung nur durch eine Bildfolge auszudrücken. Dies sollten später durch russische Filmkünstler aufgegriffen werden, wurde aber als filmisches Experiment in Deutschland erst einmal kaum gewür-
215 | Vgl. Jazbinsek, Dietmar, Kinometerdichter. Karrierepfade im Kaiserreich zwischen Stadtforschung und Stummfilm, Berlin 2000, S. 3-5. 216 | Lautensack und Turszinsky wurden seit 1911 fest angestellt. Hasenclever schrieb das bekannte expressonistische Darama Der Sohn (1916). Vgl. Kasten, Jürgen, From Peripeteia to Plot Point. Heinrich Lautensack and Zweimal Gelebt (1912), in: Elsaesser, Thomas (Hrsg.), A Second Life. German Cinemas’s First Decades, Amsterdam 1996, S. 213-218, hier S. 213f und Helmetag, Charles C., Walter Hasenclever. A Playwright’s Evolution as a Film Writer, in: The German Quarterly, Bd. 64 (1991) H. 4, S. 452-463, hier S. 452. 217 | Vgl. Jazbinsek, Dietmar, Kinometerdichter, S. 27-30. 218 | Vgl. Kasten, Jürgen, From Peripeteia to Plot Point, S. 213-218, hier S. 213. 219 | Vgl. ebd., S. 213-218.
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digt.220 Sein Drehbuchentwurf Giganten der Landstrasse (1925) enthielt dann schon zwei Spalten, in denen Regieanweisungen und technische Anweisungen voneinander getrennt waren.221 Als erster deutscher Autoren- oder Kunstfilm gilt der von Regisseur Max Mack 1913 uraufgeführte Stummfilm Der Andere, der auf einem Theaterstück basierte.222 Das Drehbuch wurde von Paul Lindau, dem Intendanten des Deutschen Theaters in Berlin, geschrieben. Die düstere Jekyll-und-Hyde-Geschichte um die psychologischen Abgründe des Menschen kam zwar bei den Kritikern als qualitativ und künstlerisch ansprechender Autorenfilm gut an, das breite Publikum zog jedoch leichte Komödien vor. Kurz nachdem Der Andere erschienen war, kam ein weiterer früher Autorenfilm heraus, nämlich Der Student von Prag (1913), der zum Publikumsliebling der Autorenfilmwelle wurde. Im Jahr 1913 stieg die Anzahl der Originaldrehbücher auf 38 Stück im Vergleich zu acht aus dem Vorjahr. Für ein gutes Drittel der aufgeführten Filme schöpften die Filmemacher jedoch aus anderen literarischen Quellen und adaptierten Romane, statt hauseigene Stoffentwickler anzustellen.223 Drehbuchautoren wurden üblicherweise nicht im Vor- oder Abspann eines Films erwähnt, was die Erforschung der Entwicklung des frühen deutschen Spielfilms und der ersten Kinometerdichter erschwert. Grundsätzlich sahen die Szenaristen das Filmmanuskript als immens wichtig für die Herstellung eines ansprechenden Films an. Viele von ihnen arbeiteten nebenberuflich als Darsteller, Requisiteure oder Regisseure. Sie waren auf dem Weg, als versierte Berufsschriftsteller anerkannt zu werden. Größere Produktionsfirmen stellten nun auch Dramaturgen ein, die die Stoffentwicklung überwachten.224 Die ersten »Allerweltsschreiber« wurden durch die Kinoreformbewegung für ihre popularisierenden Inhalte von der literarischen Fachpresse gerügt. Die erwähnten Pioniere des urbanen »Sittenbildes« konnten langfristig gesehen nicht zu einem Modell für professionelle Drehbuchautorschaft werden, da viele von ihnen »liberale« Themen bearbeiteten, die zeitweise verpönt waren. Sie hatten noch keine spezialisierte Berufsidentität entwickelt.225 Szenaristen erfuhren in Deutschland und Europa, also gerade wegen der Betonung des filmischen Kunstwertes und der Anbindung an künstlerische und bildungsbürgerliche Wer220 | Vgl. Lentz, Michael, »Auf einmal wird es menschenleer«. Dankesrede anlässlich der Verleihung des Walter-Hasenclever-Literaturpreises der Stadt Aachen am 3. November 2012, in: Egyptien, Jürgen (Hrsg.), Literatur in der Moderne. Jahrbuch Der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, Bd. 8 (2013), S. 9-23, hier S. 19. 221 | Vgl. Helmetag, Charles C., Walter Hasenclever, S. 452-457. 222 | Vgl. Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, S. 384-386. 223 | Vgl. ebd., S. 388-392. 224 | Vgl. Hyan, Hans, König Geist im Kinotheater, in: Der Film, Bd. 1 (1916) H. 9, o. S. 225 | Die »Sittenbilder« waren szenische, essayistische Werke. Vgl. Jazbinsek, Dietmar, Kinometerdichter, S. 47.
Frühe Handbücher und Praxisratgeber für Szenaristen
te in den intellektuellen Fachkreisen, noch wenig Anerkennung. Sie wurden von Kritikern im Vergleich zu etablierten Schriftstellern bisweilen als triviale Schreiberlinge herabgesetzt. Für die deutsche Filmgeschichte war vor allem die erste Welle des Autorenfilms von Bedeutung, da danach neue Marktsegmente erobert wurden und die nationale Kinoindustrie einen Aufschwung erlebte. Die Filmästhetik und Stilistik der Berliner Autoren wurden erst später im Avantgardekino und Expressionismus der 1920er Jahre wiederentdeckt.
F rühe H andbücher und P r a xisr atgeber für S zenaristen Mit den Diskussionen um die Betonung des Kunstwertes entstanden in der aufkeimenden Kinofachpresse auch erste Filmkritiken. In der Fachzeitschrift Der Kinematograph wurden seit 1906 die großen Debatten um das neue Medium zwischen Kommerz und Kultur und sein Verhältnis zum Theater ausgefochten. Andere bedeutende Fachzeitschriften waren die Lichtbild-Bühne und die Erste Internationale Filmzeitung, die seit 1908 regelmäßig erschien. Den Ersten Weltkrieg überlebten nur die ersten beiden der drei vorgenannten Zeitschriften. Die Fachpresse hatte großen Anteil an den ersten filmtheoretischen Diskussionen und an der Etablierung des Kinos als »Kulturfaktor« innerhalb der Gesellschaft. In ihrer Gründungsperiode um 1908 fanden sich in diesen Zeitschriften noch keine direkten Hinweise auf Szenaristen, da sich der Beruf noch nicht ausdifferenziert hatte.226 Die Kinoindustrie benutzte die Journale als Agitationsplattform und zur Aufklärung über das neue Medium.227 Als eines der ersten Handbücher und Überblickswerke für den Film kann der vom Regisseur Mack herausgegebene Sammelband »Die zappelnde Leinwand« aus dem Jahr 1916 gelten, in dem Hans Brennert einen neuen Schriftstellerberuf ankündigte: »Es sind […] die, die Gebilde ihrer Phantasie nach Metern und Kinometern schaffen und verkaufen. Sie schreiben nicht mehr Akte, sondern Meter und Kinometer bildlichen Geschehens. Es sind Kinometerdichter.« 228
Brennert forderte die zahlreichen, meist unbekannten Kinometerdichter auf, in die Öffentlichkeit zu treten. Viele eingesandte Filmstoffe würden von Hausfrauen oder Studenten an die Filmfirmen herangetragen und nicht angemessen entschädigt. Brennert unterschied die nebenberuflich arbeitenden Hobbyschriftsteller von professionellen Filmschriftstellern, die davor vielfach als Dramatiker 226 | Vgl. Diederichs, Helmut H., Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, S. 18-23. 227 | Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, S. 380-382. 228 | Brennert, Hans, Kinometerdichter, in: Mack, Max (Hrsg.), Die zappelnde Leinwand, Berlin 1916, S. 19-28, hier S. 20.
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oder Romanciers tätig gewesen waren und höhere Honorare für ihre Arbeit nötig hätten. Aus der Zusammenarbeit der Szenaristen mit einem kunstfertigen Regisseur würde dann ein gutes Filmmanuskript erwachsen.229 In einem Kompendium zur Filmschriftstellerei aus dem Jahr 1913 formulierte die Redaktion der Schriftstellerzeitschrift Die Feder in einer Sonderausgabe einige Probleme, mit denen sich Szenaristen auseinandersetzen müssten. Im Jahr 1913 sei es um den Beruf schlecht bestellt. Grundsätzlich seien 2.000 bis 3.000 Reichsmark Tantiemen für die Ideen- und Stoffentwicklung eines Films eine utopisch hohe Forderung. Die tatsächliche Vergütung für angenommene Filmideen liege im Durchschnitt bei 20 Reichsmark, wobei in Italien und Frankreich das Zehnfache üblich sei. Filmische Werke seien rechtlich nicht geschützt und somit »vogelfrei« für Plagiate und Nachahmungen. Diese führten schlimmstenfalls zur Entwertung der literarischen Vorlage und ihres Autors. Generell bestehe kein Urheberrechtsschutz für Szenarien. Bekannte Autoren würden zwar namentlich genannt, unbekannte Drehbuchautoren indessen meist überhaupt nicht erwähnt.230 Weitere Themen des Kompendiums für Filmschriftsteller waren Urheberrechtsfragen, die Berufsverbände für Filmautoren und die Lage der Kinoindustrie Deutschlands mit einer Auflistung der wichtigsten deutschen Filmfabriken und der von ihnen gewünschten Stoffe.231 Beliebte Filmthemen seien Lustspiele, Pikantes, dezente Erotik und moderne Stoffe. Hinsichtlich der anspruchsvolleren Autorenfilme käme es vor allem auf eine spannende Handlung und Figurenkonstellation an. Als veraltet galten historische Geschichten und spannungsarme Filmtexte, die nichts Originelles vorzuweisen hatten oder gar Verstöße gegen Zensurvorgaben enthielten. Meist würden Pauschalhonorare bezahlt, die auf Wunsch und mit Verhandlungsgeschick auch in Tantiemen und Beteiligungen bei Verkäufen umgewandelt werden konnten. Der Ratgeber enthielt zudem eine detaillierte Anleitung, wie man verfilmbare Szenarien verfasst. Laien wurden dazu angehalten, Filmideen an mehrere Firmen einzusenden und sich technische und inhaltliche Besonderheiten der Sujets anzueignen.232 Die Filmschriftstellerei galt als eine schriftstellerische Tätigkeit, die weniger durch künstlerisches Talent als durch praktisches Geschick und viel Übung und Fleiß gefördert werden könnte. Der Ratgeber begriff den Drehbuchautor als schreibenden Kreativberuf, der bestimmten Regeln gehorchte. Im Unterschied zu US-amerikanischen Ratgebern betonte das deutsche Handbuch die Unterscheidung zwischen den etablierten Autorenfilmern und semiprofessionellen Filmschriftstellern, die eher Unterhaltungsliteratur verfassten. Die damaligen Filme bestanden meist aus drei Akten mit insgesamt 800 bis 1.200 Metern Filmlän229 | Vgl. ebd., S. 22-29. 230 | Vgl. Redaktion Die Feder (Hrsg.), Material für Filmschriftsteller. Zusammengestellt von der Redaktion der »Feder«, Berlin 1913 (=Schriftstellerbibliothek Bd. 10), S. 5f. 231 | Vgl. Redaktion Die Feder (Hrsg.), Material für Filmschriftsteller, S. 13f und 26-30. 232 | Vgl. ebd., S. 14f.
Frühe Handbücher und Praxisratgeber für Szenaristen
ge.233 Anfängern wurde abgeraten, sich auf literarische Vorlagen zu beziehen, da die Filmschriftstellerei nur für geschulte und erfahrene Autoren mit bestimmten Vorkenntnissen geeignet sei. Sogenannte »Sensationsfilme« seien ein Schandfleck der deutschen Kinolandschaft und sollten deshalb von ernstzunehmenden Filmautoren möglichst gemieden werden.234 Frühe Handbücher zur Filmschriftstellerei beinhalteten meist praktische Hinweise zur Verwertung und Vergütung eines Films. Kritisch betrachtete der Ratgeber von Peter Paul Regisseure, die Ideen der Autoren plagiierten. Paul war selbst als Regisseur und Drehbuchautor sowie als Produzent tätig und riet Filmautoren, Filmideen erst niederzuschreiben und sie im Anschluss Firmen vorzulegen, da mündlich geäußerte Ideen nicht unter gesetzlichem Schutz standen.235 Bei den größeren Filmgesellschaften wählten die angestellten Dramaturgen des Unternehmens die Stoffe aus, die der entsprechende Regisseur dann inszenieren sollte.236 Ein weiterer Ratgeber für Szenaristen wurde 1919 bereits in der zweiten Auflage veröffentlicht. Verfasser war der Autor und Regisseur Ewald-André Dupont, der in seinem Handbuch feststellte, dass der Status des Filmmanuskripts noch unklar sei und als Spielart dramatischer Kunst oder als eigene literarische Gattung angesehen werden könne. Auch Dupont kritisierte den fehlenden Urheberrechtsschutz für Filme und wies auf die Zensurvorgaben der Filmprüfstelle hin. Fähige Drehbuchautoren, Romanciers und Dramatiker würden die Arbeit beim Film noch scheuen und befürchten, dass ihr Ruf dadurch in Mitleidenschaft gezogen würde.237 Praktische Hinweise für die mustergültige Niederschrift eines Szenariums finden sich auch in Franz von der Groths Handbuch, das außerdem Aufschluss über technische und kaufmännische Besonderheiten des Filmbetriebs gab.238 Die ersten didaktischen Ratgeber für Filmschriftsteller schlossen typischerweise mit einer Aufzählung der Filmproduktionsfirmen und einer Bibliografie zu Werken über Filmdramaturgie. Da die Handbücher an ein breites Publikum gerichtet waren, klärten sie nicht nur über Dramaturgie, Struktur und Auf bau eines Szenariums auf, sondern präsentierten auch Absatzmöglichkeiten.239 Sie 233 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film, S. 74-82. 234 | Vgl. Redaktion Die Feder (Hrsg.), Material für Filmschriftsteller, S. 14-20. 235 | Vgl. Paul, Peter, Das Filmbuch. Wie schreibe ich einen Film und wie mache ich ihn zu Geld? Mit 7 Musterfilms und einem Kino-Adreßbuch, Berlin 1914, S. 6, 16-21. 236 | Vgl. ebd., S. 26-36. 237 | Vgl. Dupont, Ewald André / Podehl, F., Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet, 2. überarb. Aufl., Berlin 1919, S. 19f, 29, 40f und 58. 238 | Vgl. Groth, Franz von der (Hrsg.), Der Filmschriftsteller, Weimar 1919 (=Hilfsbücher für die Praxis des Schriftstellers Bd. 14). 239 | Vgl. Schmid, Birgit, Die literarische Identität des Drehbuchs. Untersucht am Fallbeispiel »Agnes« von Peter Stamm, Bern 2004, S. 48.
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warnten, dass der Film kein Platz für idealistische Träumer sei, sondern auf technischen und formalen Anforderungen und Regeln beruhe.240 Die untersuchten Praxisratgeber zeigen, dass weder der Film als selbstständige künstlerische Gattung vollends akzeptiert noch der Szenarist als eigenständiger Beruf mit standardisierten Rollen und Funktionen breiter anerkannt war. Vor dem Hintergrund der reformpädagogischen Kritik am Film blieb die große Literatur die Messlatte für die Filmwerke und ihre Vorlagen. Die Debatte gegen die »Schund- und Schmutzfilme« erschwerte die Emanzipation des Drehbuchautors. Der Wiener Professor Victor E. Pordes forderte in seiner 1919 publizierten Monografie zum Wesen des Lichtspiels, in der er den Film als eigenständige Kunstgattung und die Filmanalyse als wissenschaftliche Disziplin begriff, dazu auf, originale »Lichtspieldramen« anzufertigen.241 Die Dramaturgie sollte als von der Regie getrennter Beruf angesehen werden, da beide Berufsbilder völlig andere Aufgaben hätten. Insbesondere in großen Studios, so Pordes, werde diese berufliche Differenzierung und Arbeitsteilung schon betrieben.242 Seit der Hinwendung zu längeren fiktionalen Filmen um 1911 wurde in Deutschland die Debatte um die »Veredelung« des Kinos lauter. Argumente der Kinoreformbewegung und ein drastischer Besucherrückgang im Theater führten zu einem regelrechten »Kulturkampf« um das neue Medium. Die Kinobetreiber versuchten, offensiv mit der Kritik umzugehen und die Verbesserung der Qualität ihrer Produkte zu bewerben. Dazu gründeten sie das »Agitationskomitee der kinematographischen Fachpresse« zur Förderung der Lichtbildkunst.243 In einer der ersten soziologischen Studien zum Kino in Deutschland beschrieb Altenloh diese Organisation 1914 wie folgt: »Diese Vereinigung, die sich Agitationskomitee der kinematographischen Fachpresse nannte, brachte in kurzer Zeit einen beträchtlichen Agitationsfonds zusammen, der durch Beiträge von Zeitungen, Filmfabriken, Verleihinstituten und Theater aufgebracht, bald die Summe von 11460 M erreichte. Sie richteten eine Rechtsschutzstelle ein, die die verwaltungsrechtlichen Klagen gegen solche Zensurverbote einleitete, die nach Prüfung durch ein Komitee (2 Juristen und 2 Oberlehrer) als ungerecht empfunden wurden. Neben dieser Verteidigungsarbeit gegen Zensur und Steuerbehörden, sowie gegen alle übrigen Angriffe haben sie sich auch noch eine positive Aufgabe gestellt, nämlich aus der Branche heraus eine Reform durchzuführen, um so immer weniger Angriffspunkte für die Gegner zu bieten.« 244 240 | Groth, Franz von der, Wie schreibe ich einen Film?, hier S. 16f. 241 | Vgl. Pordes, Victor E., Das Lichtspiel. Wesen, Dramaturgie, Regie, Wien 1919, S. 49 und 68. 242 | Vgl. Pordes, Victor E., Das Lichtspiel, S. 49 und 68. 243 | Vgl. Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, S. 380-401, hier S. 382 und Diederichs, Helmut H., Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, S. 48. 244 | Altenloh, Emilie, Zur Soziologie des Kino. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher, Jena 1914, S. 23.
Frühe Handbücher und Praxisratgeber für Szenaristen
Das Kino wurde einerseits als eine Gefahr und »Negierung aller dramatischen Errungenschaften«245 interpretiert, andererseits auch als eine neue wichtige Einnahmequelle für Dramatiker und Belletristen angesehen. So polemisierte der Kritiker Julius Bab, dass die Dramatiker ihre »Erstgeburt für ein Linsengericht verkauft«246 hätten. Die Theaterautoren würden sich selbst täuschen, wenn sie der »rohen Filmsensation« ihren guten Namen geben würden, denn wirklich geistreiche Filmstoffe wären tiefgründig und ließen sich mit der Technik des Films und ohne Dialoge ohnehin nicht umsetzen. Romane und Novellen würden durch eine Leinwandadaption ausgeschlachtet, böten im Gegenzug aber materielle Chancen für erfolglose Bühnenautoren. Grundsätzlich sei das Kino aber eine Gefahr für das Theater.247 Das Fachjournal Lichtbild-Bühne veröffentlichte 1912 einen Aufruf, der sich gegen die ungerechtfertigten Angriffe auf die Kinematografie wehrte und um Spenden für die Planung deutschlandweiter Aktionen bat, um Behörden, Presse und Öffentlichkeit über die Filmbranche zu informieren und sich gegen den »äußeren Feind« zu wehren.248 Die Theatervereine überlegten indes, ob ein Verbot des Nebenverdienstes in der Filmbranche für die Mitglieder des »Deutschen Bühnenvereins« nötig sei. Der 1912 angedachte Plan wurde jedoch nie realisiert.249 Im selben Jahr erschienen mehrere Artikel unter dem Titel »Die Bühnenwelt gegen die Kinokonkurrenz«. Bühnenschauspielern sei teilweise verboten worden, sich beim Film ablichten zu lassen. Auch der »Generalverband deutscher Bühnenschriftsteller« sprach sich gegen eine Betätigung im Kino aus. Er war der Meinung, das Theatersterben sei auf den Film zurückzuführen, da die Gesetzgebung Kinobesitzer steuerlich indirekt protegiert habe. Außerdem kritisierten die Dramatiker die Urheberrechtsverletzungen ihrer Werke.250 Der Dramatiker Bab und seine Kollegen bezogen sich mit ihren pessimistischen Kritiken am Filmwesen auf den kurz vorher abgeschlossenen Kartellvertrag zwischen dem »Verband deutscher Bühnenschriftstel-
245 | Die Kinofrage als Lebensfrage der dramatischen Kunst bei Stümcke, Heinrich (hier als Kinomastix), Die deutschen Dramatiker und das Filmtheater, in: Bühne und Welt, Bd. 15 (1912/13) Bd. 3, S. 204-208, hier S. 207. 246 | Bab, Julius, Die »Veredelung« des Kientopps, in: Die Gegenwart, Bd. 41 (1912) H. 47, S. 740-742, hier S. 742. 247 | Vgl. Bab, Julius, Die »Veredelung« des Kientopps, S. 740-742. 248 | Vgl. o. A., Der Kampf gegen den äusseren Feind, in: Lichtbild-Bühne, Bd. 5 (1912) H. 19, S. 50. 249 | Vgl. Marx, Max, Zur Kino-Frage. Ein paar Worte an den Deutschen Bühnenverein, in: Die Schaubühne, Bd. 8 (1912) H. 1, S. S. 578. 250 | Vgl. o. A., Die Bühnenwelt gegen die Kinokonkurrenz III, in: Lichtbild-Bühne, Bd. 1912 (1) H. 14, S. 12-16 und o. A., Aus den Berufsverbänden. Die Bühnenschriftsteller gegen den Kinematographen, in: Der neue Weg (Deutsche Bühnen-Genossenschaft), Bd. 41 (1912), S. 442.
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ler«251 und der Kinogesellschaft Union, die den Autoren von Filmvorlagen 1.000 Reichsmark Honorar und zehn Prozent Beteiligung an den Bruttoerlösen zusicherte.252 Davor hatte der Berufsverband der Dramatiker sich noch mit allen Mitteln dagegen gewehrt, überhaupt mit Filmfirmen zu kooperieren. Nun wollten die Studios mit etablierten Autoren zusammenarbeiten und diese angemessen vergüten. Der plötzliche Sinneswandel der Dramatiker wies auf die gestiegene Bedeutung der literarischen Vorlage beim Film durch die Autorenfilmbewegung hin. Andere Kritiker wie Schauspieler Rudolf Weinmann empfanden allerdings das »Kinostück« als von der »Fessel des Wortes« befreite Kunstform aus Pantomime und bewegten Bildern. Noch 1918 waren Szenarien als vordichterische und einfache, von der Kunst zu trennende, handwerkliche Angelegenheit verpönt. Das Drehbuchschreiben war deshalb für Weinmann noch keine Kunst, den Film und seine musikalische Begleitung sowie die schauspielerische Leistung zählte er aber schon dazu.253 Grundsätzlich war die Furcht vor dem Erfolg des Kinos und dem gleichzeitigen Aussterbens des Theaters eine Angst vor Verdrängung, die mit dem Aufkommen neuer Medien immer wieder ausgefochten wurde. Jene Verdrängungstendenzen haben sich medienhistorisch jedoch nicht bewahrheitet.254 Auch das deutsche Theater musste sich, wegen der Eroberung anderer Zuschauersegmente durch das Kino, neuen Publikumsschichten öffnen, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.255
251 | 1908 gegründete Standesvertretung der Theaterautoren. Forderungen waren seit 1911 die Festsetzung von Normalverträgen mit Theateragenten und Theaterbesitzern sowie eine Rechtsberatung und verbesserte Öffentlichkeitsarbeit. Seit 1970 als »Dramatiker Union« (Vertretung von Autoren und Komponisten in Film, Funk und Fernsehen) bekannt. Vgl. Die Dramatiker Union, Die Dramatiker Union. Geschichte, www.dramatikerunion.de/ verbandsgeschichte.php, eingesehen am 9.10.2016. 252 | Vgl. Bab, Julius, Die »Veredelung« des Kientopps, hier S. 740. 253 | Vgl. Weinmann, Rudolf, Für das Kinostück, in: Die Scene. Blätter für Bühnenkunst, Bd. 8 (1918) H. 5/6, S. 49-53, hier S. 52. 254 | Faulstich relativiert den Mythos der »Unverdrängbarkeit« von Medien und geht von einer in der Moderne auftretenden Akzeleration und nummerischen Verschiebung aus. Vgl. Faulstich, Werner, Einführung in die Medienwissenschaft, München 2002, S. 159-161. 255 | Vgl. Quaresima, Leonardo, Dichter heraus!, S. 116-118.
Die Szenaristinnen des frühen deutschen Kinos
D ie S zenaristinnen des frühen deutschen K inos Die Entstehung des Drehbuchautorenberufs war wie in den USA auch in Deutschland in den 1910er Jahren eng mit aufstrebenden Frauenpersönlichkeiten im Filmbereich verknüpft. Die bekannteste deutsche Szenaristin war lange Zeit Thea von Harbou.256 Sie arbeitete seit 1906 als Theaterschauspielerin und während ihrer gesamten Karriere als Belletristin, die sich auf vaterländische Heldensagen, nationale Epen und Jugendliteratur spezialisierte. Harbous literarisches Schaffen entwickelte bis 1920 eine immense Breitenwirkung. Ihre adelige Familie drohte ihr anfangs mit dem Entzug des Adelstitels, da sie Schauspielerei und die damit verbundene Kunstwelt für ein nicht standesgemäßes Umfeld hielt. Erst nachdem eine Tante Harbou zu ihrem ersten Engagement an das Düsseldorfer Schauspielhaus im Jahr 1906 begleitet hatte und sich gezeigt hatte, dass Harbous Einkommen die verarmte Landadelsfamilie unterstützte, war es ihr erlaubt, die Karriere als hauptberufliche Schauspielerin und später als Autorin fortzusetzen. 1914 heiratete Harbou den Schauspieler Rudolf Klein-Rogge. Während des Ersten Weltkriegs verfasste sie diverse patriotische und nationalistische Romane mit konservativem, militaristischem Gedankengut. Ihre Unterhaltungsliteratur publizierte sie als Fortsetzungsromane in bekannten Zeitschriften wie der Berliner Illustrierten und im populären Ullstein Verlag. So erschien ihr Kurzgeschichtenband Die Junge Wacht am Rhein (1915) in hohen Auflagenzahlen und war speziell auf die deutsche Jugend zugeschnitten. Mit den nationalen Heldenepen zielte Harbou auf die Kriegs- und Opferbereitschaft der Jugendlichen.257 Andere Werke wie Die Nach Uns Kommen (1910) oder Die Deutsche Frau Im Ersten Weltkrieg (1916) können ebenfalls als heroisierende Nationalepen im Zuge des Ersten Weltkriegs verstanden werden. Zwischen ihren literarischen Frauenfiguren und ihrer eigenen Person bestanden vielfach große Gegensätze.258 Harbou selbst war emanzipiert, forderte höhere Tantiemen, hielt öffentliche Vorträge, die Frauen zur Berufstätigkeit ermuntern sollten oder gegen den Abtreibungsparagrafen gerichtet waren.259 Gleichzeitig war sie Gegnerin jener Strömungen, die Frauen Ge256 | Für eine ausführliche Biografie vgl. Keiner, Reinold, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, 2. Aufl. Bd. 2, Hildesheim-Zürich-New York 1991; Burgmer, Rolf, Harbou, Thea Gabriele von, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 7, Berlin 1966, S. 645646 und Klee, Ernst, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 125. 257 | Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, München 2002, S. 195-199. 258 | Vgl. Bruns, Karin, Kinomythen 1920-1945. Die Filmentwürfe der Thea von Harbou, Stuttgart-Weimar 1995, S. 5f und Bruns, Karin, Talking Film. Writing Skills and Film Aesthetics in the Work of Thea von Harbou, in: Schönfeld, Christiane (Hrsg.), Practicing Modernity. Female Creativity in Weimar Republic, Würzburg 2006, S. 139-152. 259 | Vgl. Schlatter Binswanger, Georg H., Harbou, Thea (Gabriele) von, in: Feilchenfeldt, Konrad (Hrsg.), Deutsches Literaturlexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisches und bib-
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biete erschlossen, in die sie »naturgemäß« nicht hingehörten. Sie spezialisierte sich vor dem Ersten Weltkrieg auf patriotisch-völkische Erbauungsliteratur und deutschtümelnde Jungmädchenromane und entwarf damit eine Art nationale Initiation der deutschen Frau, die ihr die Belobigung durch Kaiser Wilhelm II. nach Ausbruch des Krieges einbrachte. In dieser Zeit bekamen ihre Romane auch eine stärkere nationale und rassistische Färbung. Die Melancholie und Todesverfallenheit der Kriegsthematik kamen später in Harbous Filmmanuskripten wieder zum Tragen.260 Harbou verstand sich als »Filmarbeiterin«, weniger als Künstlerin. Ihr Umzug nach Berlin brachte sie seit 1918 näher mit der Filmwelt zusammen. Eigentlich ging es ihr zuerst um einen Urheberrechtsstreit und weniger um die Mitarbeit beim Film. Harbou erfuhr 1919, dass eines ihrer Werke, die Zeitschriftenreihe Heiligengeschichten, nicht autorisiert verfilmt werden sollte. Die May-Filmgesellschaft hatte der Autorin zuerst die Fähigkeit abgesprochen, den technischen Anforderungen des Kinos gewachsen zu sein, und die Rechte veräußert. Harbou bestand schließlich darauf, das Drehbuch zu Die Legende von der heiligen Simplicia selbst zu verfassen und an der Verfilmung finanziell beteiligt zu werden. Bald wurde sie hauptberufliche Drehbuchautorin und blieb dies bis zu ihrem Tode im Jahr 1954. Die Autorin erlernte die Filmtechnik direkt im Produktionsstudio von Joe May und schrieb fortan viele sogenannte »Balladenfilme« und historische Epen, die von Kritikern und Publikum gefeiert wurden. Jene »Balladenfilme« waren ein typisch deutsches Filmgenre, in denen fantastische Elemente und ein bestimmtes Milieu eine bestimmte Stimmung beziehungsweise Atmosphäre erzeugten, die wichtiger war als eine spannende Handlung oder eine ausgereifte Charakterisierung der Figuren.261 Der Filmproduzent Joe May plante, Harbous Roman Das Indische Grabmal als kostspieligen Monumentalfilm zu verwirklichen, und engagierte den damals noch wenig bekannten Fritz Lang als Regisseur.262 1922 heiratete Harbou schließlich Fritz Lang. Im Berlin der zwanziger Jahre galt das Paar als prominentestes Filmehepaar, das Werke wie M – Eine Stadt sucht einen Mörder oder Dr. Mabuse in Teamarbeit verwirklichte. Harbou etablierte sich in den 1920er und 1930er Jahren als bestbezahlte Drehbuchautorin des Landes.263 Kritischer zu betrachten ist vor allem ihre spätere Rolle im Nationalsozialismus.264 liographisches Handbuch, Bd. 14, Berlin-New York 2010, S. 166-170, hier S. 166. 260 | Vgl. Bruns, Karin, Kinomythen 1920-1945, S. 7f. 261 | Die Filme wurden in den Bergen angesiedelt, um eine emotionale Wirkung durch mystische Naturelemente zu erzeugen. Vgl. Höfig, Willi, Die stumme Märchenfrau. Märchen und Sage im Stummfilm. Beispiele und theoretische Überlegungen der Zeit, in: Schmitt, Christoph (Hrsg.), Erzählkulturen im Medienwandel, Münster 2008, S. 87-108, hier S. 102-105. 262 | Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, S. 200-202. 263 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film, S. 198-203. 264 | Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, S. 191-249.
Die Szenaristinnen des frühen deutschen Kinos
Andere »Trivialautorinnen«, die seit den 1910er Jahren auch Filmszenarien schrieben, waren Ruth Goetz, Marie Luise Droop, Fanny Carlsen und Margarete Maria Langen. Diese Szenaristinnen waren meist Unterhaltungsschriftstellerinnen und in belletristischen oder in journalistischen Genres tätig, bevor sie zum Film kamen. Ruth Götz265 war seit 1911 bei der französischen Produktionsfirma Gaumont mit ihrem Drehbuch zu Les Amis in die Filmbranche eingestiegen. Davor hatte sie Romane und journalistische Texte verfasst.266 Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs arbeitete Ruth Goetz als angestellte Drehbuchautorin für Decla-Film, Messter und später für Eiko-Film, wo sie Drehbücher für die Schauspielerin Hedda Vernon wie zu Die Verworfenen im Jahr 1917 verfasste. Thematisch ging es auch hier um den sozialen Aufstieg einer Frau – meist durch Heirat eines Mannes aus höherem Stande – hier einer Prostituiertentochter. Sie verfasste Manuskripte für Rita macht alles (1916), in der eine Artistin zu einer Versicherungsvertreterin mutierte. 1918 und 1919 war sie für den Regisseur und Produzenten Joe May tätig, der Monumentalfilme wie Veritas Vincit herstellte. Nach 1919 arbeitete sie in diversen Firmen und Genres und verfasste nebenbei Zeitungs- und Zeitschriftenartikel. 1927 schrieb sie ihren letzten Film Die Dirnentragödie und verfasste wieder Artikel und Ratgeber wie das über 30 Auflagen starke »Lehrbuch der Schönheit« zu sogenannten »Frauenthemen« in Modezeitschriften wie Die Dame.267 Götz emigrierte nach der nationalsozialistischen Machtübernahme nach Großbritannien, konnte dort aber nicht in ihrem ursprünglichen Beruf Fuß fassen und zog sich ins Privatleben zurück. Mit über 50 verfassten Drehbüchern hatte sie seit 1911 das Berufsbild des Szenaristen entscheidend geprägt. Luiese del Zopp steht als ehemalige Opernsängerin für eine weitere Berufsgruppe, aus der sich Drehbuchautorinnen rekrutierten. Zopp bewarb sich auf einen Drehbuchwettbewerb mit einem Szenarium mit dem Titel Adressatin Verstorben, welches 1911 als verfilmungsreife Einsendung ausgewählt wurde. Die Geschichte bestand aus drei Akten und war bereits selbstreferentiell, denn der Film sollte aus der Sicht von drei Protagonisten die unterschiedliche Herangehensweise der Ausarbeitung von Filmgeschichten nachzeichnen. Der Film handelte von einer Köchin, einem verhinderten Dichter und einem Backfisch (weibliche Jugendliche) und schilderte deren Versuche, an einem Schreibwettbewerb der 265 | Andere Namen waren Ruth Goetz von Schueching oder Ruth von Schueching. Geboren am 5.11.1880 in Festenberg in Schlesien und gestorben am 19.6.1965 in London-Hendon. Geburtstjahr und Ort sind immer noch fraglich. Biografische Informationen bei Weniger, Kay, ‚Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …‘ Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, Hamburg 2011, S. 199f und Ganeva, Mila, Ruth Goetz. Women Film Pioneers Project, New York 2013, https://wfpp.cdrs.columbia.edu/pioneer/ccp-ruth-goetz, eingesehen am 2.9.2015. 266 | Vgl. Weniger, Kay, S. 199f. 267 | Vgl. Kurtz, Rudolf, Der Herr Dramaturg, in: Mack, Max (Hrsg.), Die zappelnde Leinwand, Berlin 1916, S. 49-58, hier S. 50f.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Filmindustrie erfolgreich teilzunehmen. Zopps Drehbuch aus dem Jahr 1911 gilt als eines der frühesten noch erhaltenen deutschen Szenarien.268 Insgesamt ist festzuhalten, dass zwischen 1914 und 1920 der Frauenanteil unter den Szenaristen recht hoch war, bevor er Ende der 1920er Jahre auf nur acht Prozent sank.269 Hier zeigen sich Ähnlichkeiten mit der Entwicklung in den Vereinigten Staaten, da der Beruf von Anbeginn für Amateure und Quereinsteiger mit schriftstellerischem Hintergrund interessant war und die Tätigkeit eine zusätzliche lukrative Einnahmequelle bot.
D er »V erband deutscher F ilmautoren « Die ökonomische und soziale Krise nach dem Ersten Weltkrieg betraf alle gesellschaftlichen Schichten. Die deutsche Filmindustrie war trotz des ökonomischen Drucks im Ersten Weltkrieg zu einem starken Industriezweig angewachsen. Die sozialen Missstände in Zeiten der sozialen Reformen und der Revolution seit 1918 bekamen auch die Schriftsteller zu spüren. Ihre Notlage bestand darin, dass wenig etablierte Autoren von ihren Kapitalersparnissen leben mussten, da sie seltener Honorare erhielten. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten konnten davon kaum beglichen werden und die Inflation hatte die Renten entwertet. Gleichzeitig brachen die Absatzmärkte für Bücher ein.270 Seit 1918 hatte sich auch die Wirtschaftsstruktur und Organisation der Filmindustrie in Deutschland entscheidend verändert. Film wurde kommerziell erfolgreich und zunehmend als staatliches Propagandainstrument gebraucht. Am 18. Dezember 1917 wurde die staatliche Produktionsfirma Universum Film AG (UFA) auf Betreiben des Vorstands der Deutschen Bank und des deutschen Generals Erich Ludendorff gegründet. Vorrangig, um nationalen Interessen zu dienen, fusionierten private Filmfirmen zu einem Großkonzern mit Atelierbetrieb in Potsdam Babelsberg. Bereits 1921 wurde der Konzern privatisiert. Die Konzentrationsprozesse der Filmindustrie im und nach dem Krieg förderten neue große Studios, aber auch mittlere Unternehmen. Die Herstellungskosten der Spielfilme lagen seit Ende des Krieges auf US-Niveau (15.000-20.000 Dollar beziehungsweise Mark pro Film). Die Honorare für Drehbücher stiegen auf 1.000 bis 2.000 Mark. Zunehmend wurden Originaldrehbücher als Vorlagen verwendet und der Beruf des Drehbuchautors als eigenständige Profession anerkannt.
268 | Vgl. Henschen, Jan, The Script as a Medium in Early German Cinema, 7th Screenwriting Research Network Conference am 19.10.2014 in Potsdam. 269 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben, S. 43-55. 270 | Vgl. Hillig, Hans-Peter, Der Weimarer Mindesttarif – Zu den Anfängen der Tarifbewegung der deutschen Schriftsteller, in: UFITA. Archiv für Urheber- und Medienrecht (2012) H. 1, S. 101-118, hier S. 101.
Der »Verband deutscher Filmautoren«
So konnte die prosperierende Filmindustrie als neuer Arbeitsmarkt der in Not geratenen freien Schriftsteller fungieren. Während der Kriegsjahre war es zur Herausbildung des sogenannten »Filmfachautors« gekommen, der hauptberuflich Drehbücher und Szenarien für eine Filmfirma schrieb.271 Da in der Inflationszeit und Wirtschaftskrise der frühen 1920er Jahren auch in der Filmindustrie gespart werden musste, wurde es jedoch bald wieder üblich, dass Regisseure auch die stoffliche Vorarbeit für ihre Filme selbst übernahmen.272 Um aus der Misere zu gelangen, versuchten die deutschen Autoren sich im Fahrwasser der Gewerkschaftsbewegung der Nachkriegszeit als »geistige Arbeiter« zu positionieren. In der seit 1918 eigens für »Intelligenzberufe« wie Schriftsteller, Ärzte, Techniker, Künstler oder Anwälte herausgegebenen Zeitung Der geistige Arbeiter wurde der klassenmäßige Zusammenhalt der Gelehrtenberufe, ob freiberuflich oder im öffentlichen Dienst, proklamiert und die Organisation der Berufe jenseits wissenschaftlicher Fachverbände in gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmerverbänden gefordert.273 Darunter fielen auch hauptberuflich arbeitende Szenaristen, die nun im Rahmen einer »sozialistischen Revolution« auf begehrten. Laut der ersten Ausgabe des Geistigen Arbeiters, die »für die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Angelegenheiten der geistigen Arbeiter im öffentlichen Dienst, im privaten Dienst und im freien Beruf« gedruckt wurde, sollten sich Autoren am gesellschaftlichen Umsturz beteiligen. Die Zeitung wollte dem Auf bau der sozialistisch-demokratischen Gesellschaft und dem Interessenausgleich zwischen Wirtschaft und den Berufsverbänden dienen. Der Herausgeber der Zeitung, Herbert Hirschberger, argumentierte mit gewerkschaftlichen Strategien des Arbeitskampfes und versuchte, die Autorengruppen und verschiedenen Berufsverbände zu diesem Zweck zu vereinen. Die Tendenz der Vereinheitlichung und Homogenisierung der heterogenen Autorenberufe, die nun klassenmäßig als »geistige Arbeiter« erfasst werden sollten, war im damaligen Verbandswesen Neuland.274 Genauso innovativ war die Nutzung gewerkschaftsähnlicher Strategien wie Streikandrohungen, um bessere Konditionen für den Berufsstand zu erreichen. Es wurde weniger auf die individuellen Leistungen und die Kreativität des einzelnen Kulturschaffenden gepocht, sondern eine Harmonisierung und Abkehr von der Zersplitterung der einzelnen Autorenberufe angestrebt. Die neue Interessenvertretung der »Klassengenossen« stand auf Seiten der sozialistischen Revolution und bezeichnete Autoren als unterdrückte »Proletarier«, die gegen den verkrus271 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben, S. 43-55. 272 | Vgl. ebd., S. 59-63. 273 | Dr. O., Wer ist geistiger Arbeiter, in: Der geistige Arbeiter (1918) H. 1, 14.12.1918, S. 3 und Staudinger, Richard, Die wirtschaftliche Organisation der Intelligenzberufe, in: Der geistige Arbeiter (1918) H .1, S. 2. 274 | Hirschberg, Herbert, Leitgedanken, in: Der geistige Arbeiter. Deutsche Urheber-Zeitung (1921) H. 1, S. 1.
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teten Beamtenstaat und das Industriekapital und für ihre eigenen Autorrechte kämpfen sollten. Die Zeitung »Der geistige Arbeiter« vertrat ein politisches Programm und zielte vorübergehend auf die Gründung einer »Partei der geistigen Arbeiter Deutschlands«, die dann zu einer wichtigen Machtgruppe im Staate werden könne.275 Der Aufruf zur Parteigründung wurde von den revolutionären Umbrüchen in Bayern und speziell München begleitet, die sich von der Revolutionsbewegung in Berlin durchaus unterschied. Nachdem am 8. November 1918 der Theaterkritiker Kurt Eisner die »Bayerische Republik« ausgerufen hatte, sollten insbesondere die »geistigen Arbeiter« in den Arbeiter- und Soldatenräten eine politische Machtstellung bekommen. Jene anfängliche Akzeptanz der »Intelligenz« in den proletarischen Räten ließ sich später in Berlin nicht aufrechterhalten. So wurde der mit der USPD sympathisierende »Rat geistiger Arbeiter« in Berlin schon auf dem »2. Gesamtdeutschen Aktivistenkongress« im Juli 1919 wieder aufgelöst.276 Diese Politisierung der literarischen Intelligenz führte nicht automatisch zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung und politischer Macht. Im weiteren Verlauf waren Interessenverbände und Berufsvertretungen, wie sie durch den »Rat geistiger Arbeiter« angeregt worden waren, wichtig für die fortschreitende Professionalisierung des Drehbuchautors. Die Gründung einer berufsständischen Interessenvertretung wurde von den Berufsangehörigen forciert, die am 1.12.1918 die Arbeitnehmerorganisation »Bund der Film- und Kinoangehörigen« bildeten. Diese sollte die Vereinheitlichung der geistigen Arbeiter stärken, indem sie alle an der Filmproduktion Beteiligten in einer Organisation zusammenfasste. Für den Vorsitz der Abteilung der Filmschriftsteller wurde der im »Verband deutscher Bühnenschriftsteller« organisierte Hans Brennert eingesetzt. Friedel Köhne fungierte als dessen Stellvertreter. Der Verband forderte zwar kein politisches Glaubensbekenntnis von seinen Mitgliedern, diskutierte jedoch hitzig den möglichen Anschluss an die im Aufwind befindliche Gewerkschaftsbewegung.277 Die Verbandsgründungen zeigen, dass die ökonomische und soziale Lage vieler Autoren desolat war und diese sich durch eine kollektive Interessenvertretung eine bessere Verhandlungsposition erhofften. Die Schriftsteller wollte im Ringen um einen Weimarer Mindesttarif eine arbeitsrechtliche Gleichstellung von Angestellten und freien Schriftstellern durch275 | Herausgeber war Richard Staudinger. Erschien erst in München als »Organ des Rates geistiger Arbeiter«, der am 1.12.1918 bereits 43.000 Mitglieder zählte. Seit 1921 in Berlin erschienen. Vgl. Der geistige Arbeiter. Deutsche Urheber-Zeitung. O. A., Geistige Arbeiter, Klassengenossen, in: Der geistige Arbeiter (1918) H. 1, S. 1-2. 276 | Vgl. Fröschle, Ulrich, Oszillationen zwischen Literatur und Politik. Ernst Jünger und »das Wort vom politischen Dichter«, in: Hagestedt, Lutz (Hrsg.), Ernst Jünger. Politik, Mythos, Kunst, Berlin 2004, S. 101-145, hier S. 116f. 277 | Vgl. o. A., Bund der Film- und Kinoangehörigen, in: Der Kinematograph, Bd. 12 (1918) H. 622, o. S.
Der »Verband deutscher Filmautoren«
setzen. Die freie Mitarbeit sollte auch für Schriftsteller zu Tarifverträgen, Mindesthonoraren und festen Beteiligungssätzen führen. Da dieses Programm seit 1923 dann nicht mehr weiterverfolgt wurde, blieb es bei einem Entwurf zu einem Mindestvergütungsvertrag, der im Mai 1923 arbeitnehmerähnliche Personen im allgemeinen Arbeitsrecht mit den Arbeitnehmern gleichstellen sollte.278 1913 war ein erster Berufsverband für Szenaristen als Unterabteilung des »Allgemeinen Schriftstellervereins«279 gegründet worden, der als »Fachschriftstellerverband« alle »Lieferanten von Filmideen«, die bereits Filmvorlagen an Studios verkauft hatten, aufnahm. Die Ziele der Abteilung waren die wirtschaftliche Besserstellung des Autors und die daraus resultierende Prosperität der deutschen Kinoindustrie, da man vermutete, dass die ökonomischen Anreize auch zu einer qualitativen Stärkung der Filme führen könnten.280 Als sich Mitte der 1910er Jahre der Beruf des Szenaristen herausbildete und im Zuge der Weltwirtschaftskrise die Notlage der Autoren zu einem drängenden Problem wurde, begannen die Berufsvertreter einen autonomen Berufsverband zu planen. Die kollektive Interessenvertretung zur Durchsetzung berufsständischer und gewerkschaftsähnlicher Ziele wurde mit der Gründung des »Verbands deutscher Filmautoren« (VdF) im Januar 1919 vorangetrieben,281 der sich dezidiert vom bereits bestehenden »Bund der Film- und Kinoangehörigen« abgrenzte und behauptete, dass die Filmautoren bisher Stiefkinder der Filmbranche gewesen seien.282 Der Verband forderte eine Professionalisierung der Arbeitsweise und eine geregelte Ausbildung für Drehbuchautoren: »Es geht nicht an, daß Kellner, Köchinnen und alte Jungfern sich einbilden dürfen, sie könnten Filme schreiben. Solche sogenannten Manuskripte, denen die Handschrift, ganz abgesehen von der Rechtschreibung, schon den Geistesstempel ihrer Verfertiger aufdrückt, dürften niemals von den Dramaturgen einer Filmfabrik gelesen werden.« 283
278 | Vgl. Hillig, Hans-Peter, Der Weimarer Mindesttarif, S. 102-108. 279 | 1898 gegründet. Verbandsorgan war Die Feder. Ziele waren Förderung von Standesinteressen, Rechtsberatung, Stellenvermittlung, Nachdruckkontrolle und eine Verwertungsstelle für Manuskripte in der Geschäftstelle. Vgl. Kulemann, Wilhelm, Die Berufsvereine. Erste Abteilung. Geschichtliche Entwicklung der Berufsorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber aller Länder, 2. völlig neu überarb. Aufl., Bd. 1 Deutschland, Jena 1908, S. 168-170. 280 | Vgl. Redaktion Die Feder (Hrsg.), Material für Filmschriftsteller, S. 10f. 281 | Die Satzung wurde am 19.1.1919 eingereicht. Vgl. Verband deutscher Filmautoren, Satzung, 19.1.1919, Berliner Stadtbibliothek, ThG17/16. 282 | Vgl. o. A., Das Syndikat deutscher Filmautoren, in: Der Kinematograph, Bd. 12 (1919) H. 629, o. S. 283 | O. A., Das Syndikat deutscher Filmautoren, o. S.
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Der Berufsverband klärte die Literaten über den Beruf des Filmautors und mögliche finanzielle Vorteile auf. Er verzeichnete im ersten Jahr des Bestehens bereits 130 Neumitglieder284 und schrieb sich die Wahrung und Förderung der Standesund Berufsehre auf die Fahnen.285 Die Geschäftsstelle in Berlin war Ansprechpartner in Fragen des Rechtsschutzes und in allen relevanten Bereichen der Kinematografie. Vorrangiges Ziel war es, in Verhandlungen mit den Studios für alle an der Filmherstellung und am Manuskriptverkauf Beteiligten bindende Verträge auszuhandeln. Die Filmfabriken sollten Filmmanuskripte innerhalb einer bestimmten zeitlichen Frist prüfen und Autoren gegebenenfalls die Annahme oder Ablehnung schriftlich mitteilen. Es sollten Mindestbeträge für den Verkauf von Filmideen und kurbelfertigen Drehbüchern festgelegt werden. Außerdem sollten Filmautoren am Bruttogewinn der Filmfabriken und an deren Einnahmen prozentual beteiligt werden. Dazu sollten Grundsätze geschaffen werden, die die Stellung des Autors und seine Mitwirkung am Film regulierten. Die einzelnen Aufgabenbereiche, die die Bearbeitung von Regiebüchern, die Besetzung, die Textierung und die Schlussredaktion des Films sowie die Formulierung der Filmbeschreibung für Werbeanzeigen beinhalteten, sollten unterschiedlich vergütet werden. Die Filmstudios waren angehalten, die Autoren in Pressenotizen oder Werbung zu nennen. Weiterhin sollten die Vergütungen für den Erwerb von Verfilmungsrechten an Romanen und Theaterstücken vereinheitlicht werden.286 Mitglied des Verbandes konnten alle deutschen und österreichischen Autoren werden, die entweder Mitglieder des »Schutzverbandes deutscher Schriftsteller« oder des »Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller e.V.« waren oder mindestens vier Verfilmungen beziehungsweise Aufführungen ihrer Werke vorweisen konnten. Auch Filmkomponisten und (Bühnen-)Verlegern stand die Tür des Verbandes offen, wenn sie ihre Verfilmungsrechte an den Verband übertragen hatten. Für ein Beitrittsgeld von 20 Mark und einen Jahresbeitrag von 30 Mark hatten die Mitglieder Anspruch auf Auskunft in Urheberrechtsfragen und die Kostenübernahme im Falle von Rechtsstreitigkeiten.287 Veröffentlichungen und Neuigkeiten des Filmautorenverbandes wurden in der Zeitschrift Der Kinematograph unter der Rubrik »Der Filmautor« abgehandelt.288 Im ersten Jahr seines Bestehens erarbeitete der »Verband deutscher Filmautoren« zwei Entwürfe für Normalverträge. Diese enthielten Regelungen zu 284 | Vgl. Verband deutscher Filmautoren, Protokoll der Vorstandssitzung des Verbands deutscher Filmautoren vom 2.10.1919. Rubrik: »Der Filmautor«, in: Der Kinematograph (1919) H. 670, o. S. 285 | Erster Vorsitzender: Hans Brennert, Syndikus: Wenzel Goldbaum. Vgl. Verband deutscher Filmautoren, Protokoll der Vorstandssitzung des Verbands deutscher Filmautoren, o. S. 286 | Vgl. Verband deutscher Filmautoren, Satzung, S 1f. 287 | Vgl. ebd., S. 1-3. 288 | Vgl. ebd., S. 4f.
Der »Verband deutscher Filmautoren«
Filmtantiemen und Mindestvergütungen sowie arbeits- und vertragsrechtliche Aspekte, die die Drehbuchautoren besserstellen sollten. Der Verband wandte sich außerdem gegen eine national einheitliche Reichsfilmzensur.289 Über die Geschäftsstelle des Verbandes sollten Filmmanuskripte vertrieben werden. Die Autoren übertrugen dafür ihre Verfilmungsrechte an den Verband, der dann mit den Filmfirmen verhandelte und die Einnahmen kollektiv nach einem Verteilungsschlüssel an seine Berechtigten ausschütten sollte. Die Übertragung von Urheberrechten auf den Verband wurde bereits 1919 heftig von den Mitgliedern kritisiert.290 So plädierte der Jurist Treitel beispielsweise dafür, dass nur Drehbuchautoren Mitglieder des Verbandes werden dürften und diese ihre Verfilmungsrechte nicht übertragen sollten. Treitel bemängelte die gängige Praxis, mittels Verlagsvertrag alle Verwertungsrechte an Filmproduzenten zu übertragen, so dass den Autoren aus Verkäufen oder anderen Nutzungsarten keine späteren Einnahmen zukämen. Davon abgesehen würden sie weitere wichtige moralische Rechte und Persönlichkeitsrechte an die Filmhersteller abtreten. Die Mitglieder des Verbandes votierten für die innere Geschlossenheit und dafür, dass kein Verleger Mitglied des Filmautorenverbandes werden könnte.291 Der Syndikus des Berufsverbandes, Wenzel Goldbaum, hatte die drängenden Fragen zu geistigen Eigentumsrechten aufgeworfen. Die Diskussion um die Anerkennung von Urheberrechten an Filmwerken für Drehbuchautoren ebbte auch die folgenden Jahre nicht ab. 292 Der deutsche Filmautorenverband war – ganz ähnlich wie seine Pendants in den USA – Ausdruck eines veränderten Selbstverständnisses der Berufsangehörigen und einer fortschreitenden Verberuflichung des Drehbuchautors. Der Berufsverband unterhielt enge Beziehungen zur »Filmgewerkschaft« (1919 bis 1922 »Zentralverband der Film- und Kinoangehörigen«) und tagte auch in deren Sitzungssaal. Die Forderung nach Normalverträgen und festen Beteiligungssätzen war damals in weiten Teilen der deutschen Arbeitnehmerschaft und unter Freiberuflern üblich. Im Unterschied dazu verlangten die anfänglich gewerkschaftsscheuen Szenaristenverbände in den Vereinigten Staaten Normalarbeitsverträge erst ein gutes Jahrzehnt später.
289 | Vgl. Verband deutscher Filmautoren, Protokoll der Vorstandssitzung des Verbands deutscher Filmautoren vom 2.10.1919. Rubrik: »Der Filmautor«, in: Der Kinematograph (1919) H. 670, o. S. 290 | Vgl. Brennert, Hans, Urheber und Film. Darstellung der Voraussetzung des Erwerbs kinematographischer Urheberrechte, Berlin 1920, S. 15-18. 291 | Vgl. Treitel, Richard, Die Mitgliedschaft im Filmautorenverbande, in: Der Kinematograph, Bd. 12 (1919) H. 632, o. S. 292 | Vgl. Verband deutscher Filmautoren, Protokoll der Vorstandssitzung des Verbands deutscher Filmautoren vom 2.10.1919. Rubrik: »Der Filmautor«, in: Der Kinematograph (1919) H. 670, o. S.
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Der deutsche Filmautorenverband war den kollektiven Interessen seiner Mitglieder verpflichtet. Seine Ziele sahen eine Hebung des Sozialprestiges und die Sicherheit der Erwerbschancen vor. Zudem bemühte er sich um die Anerkennung von Urheber- und Autorrechten für Szenaristen. Diese Forderungen fielen in Deutschland relativ leicht, da es eine breite gewerkschaftliche Bewegung gab und der Filmautor seit der Novemberrevolution im Rahmen der Debatte um den Kunstwert des neuen Mediums immer wieder mit literarischen Autoren gleichgesetzt wurde.
G eistiges E igentum für F ilmautoren Ein wichtiges Thema für Drehbuchautoren und für ihren neu gegründeten Berufsverband war die Anerkennung geistiger Eigentumsrechte und die Zuschreibung vermögensrechtlicher und moralischer Rechte für den neuen Berufsstand. In Deutschland wurden Filme seit 1910 durch das Urheberrecht als Bearbeitung literarischer Werke geschützt. Die Schutzfrist betrug damals 20 Jahre post mortem auctoris.293 Um 1912 intensivierten sich die Diskussionen um die Frage der Miturheberschaft des Szenaristen am Filmwerk.294 Für den Film fanden das Literaturschutzgesetz von 1901 und das Kunstschutzgesetz aus dem Jahr 1907 Anwendung, da es noch kein zusammenfassendes einheitliches Urheberrechtsgesetz gab.295 Das Kunstschutzgesetz war wichtig für Kameramänner oder Aufnahmeleiter, denen Rechte an den aufgezeichneten Bildern zukamen. Das Literaturschutzgesetz war besonders für Autoren wichtig, deren Stoffe für den Film bearbeitet oder adaptiert wurden. Jede Werkkategorie, die ein Film beinhaltete, wurde summarisch dem jeweiligen Urheberrechtsgesetz zugeordnet. Verleger und Filmfabrikanten indes mussten sich die Rechte an der filmischen Bearbeitung und deren Verwertung vertraglich vom Autor übertragen lassen.296 In den 1910er Jahren wurden wiederholt Beschwerden der Szenaristen laut, dass der Urheberrechtsschutz für Filmautoren mangelhaft sei. Es war unklar, inwieweit es sich bei einer Verfilmung um eine einfache Entlehnung oder um ein Plagiat eines vorbestehenden Werkes handelte. Die Frage, ob ein Drehbuch eine selbstständige geistige Schöpfung darstellte, war ungeklärt. Unverkennbar war allerdings, dass das Filmmanuskript eine neue literarische Form war, die in das 293 | Vgl. Redaktion Die Feder (Hrsg.), Material für Filmschriftsteller, S. 40-42. 294 | Vgl. Kasten, Jürgen, Der Drehbuchautor als filmhistorisches Problem, S. 147-153. 295 | Vgl. Riezler, Erwin, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht. Eine systematische Darstellung. Erste Abteilung: allgemeiner Teil: Urheberrecht an Schriftwerken und Tonwerken; Urheberrecht an Kunstwerken und Photographien Geschmacksmusterrecht, München und Berlin 1909. 296 | Vgl. Hansen, Fritz, Urheberrecht und Kinematographie, in: Bild und Film, Bd. 1 (1912) H. 3, S. 108-110.
Geistiges Eigentum für Filmautoren
bestehende Urheberrecht eingepasst werden musste.1 Gängige Handbücher für Szenaristen betrachteten das Filmszenarium seit 1910 laut dem »Urhebergesetz zu Werken der Literatur und der Tonkunst« als Schriftwerk, dessen Urheber alle Verwertungsrechte besaß. Der Szenarist galt aber nicht als Miturheber des fertigen Films, denn er lizenzierte und verkaufte das Recht an seinem Drehbuch an den Filmhersteller, der somit zum Urheber des fertigen Films wurde.2 Die wirtschaftliche und rechtliche Frage des geistigen Eigentums wurde für Szenaristen immer drängender. Insbesondere der »Verband deutscher Filmautoren« setzte sich für die Stärkung der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung der Urheber ein. In der kritischen Lage der Autoren waren die einmaligen Honorare für Filmschriftsteller wenig befriedigend. Der Verbandsvorsitzende Hans Brennert forderte deshalb eine Orientierung an Beteiligungsmodellen und Honorarsätzen, wie sie bei Bühnen oder Verlagen üblich waren, und damit eine rechtliche Gleichstellung von Filmautoren mit Dramatikern und Romanciers. Er führte deshalb den Begriff des »Filmurhebers« ein, der in der Satzung des Berufsverbandes als »Träger von Rechten von Schriftwerken, die der kinematografischen Wiedergabe dienen« definiert war.3 Der »Verband Deutscher Filmautoren« spielte eine herausragende Rolle, wenn es um die rechtliche und soziale Besserstellung seiner Mitglieder ging. Brennert ließ einen Mustervertrag für Filmhersteller und Filmautoren ausarbeiten, der dem Verlagsvertrag für Verleger und Schriftsteller nachempfunden war. Der Filmautor sollte damit als Urheber eines Schriftwerkes mit der Herstellung eines Drehbuchs festgeschriebene Urheberpersönlichkeitsrechte erhalten. Tatsächlich wurden diese in Rechtstreitigkeiten oftmals nicht anerkannt, da Drehbücher als »eigenes Schriftwerk« ein gewisses Maß an Originalität beinhalten mussten. »Eigentümliche Schöpfung« war das Kriterium für die Zuordnung von Urheberrechtspersönlichkeitsrechten an den Autor. Da das Gesetz diesen Begriff nicht näher umschrieb und eingrenzte, kam es immer wieder zu Urteilen, die von den Drehbuchautoren als unbefriedigend kritisiert wurden.4 Es war üblich, dass Urheber- und Verfilmungsrechte von den Autoren der literarischen Vorlage oder der Filmidee auf den Filmfabrikanten übertragen wurden. Dabei wurde vertraglich abgesichert, dass der Filmproduzent auch das exklusive Recht zur Umgestaltung und Kürzung des Filmbuchs bekam. Diese unternehmerfreundliche Auslegung sollte das hohe finanzielle Risiko einer Filmproduk-
1 | Vgl. Dupont, Ewald André / Podehl, F., Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet, 2. überarb. Aufl., Berlin 1919, hier S. 19f und 40f. 2 | Vgl. Groth, Franz von der, Der Vertrieb des Werkes, in: Groth, Franz von der (Hrsg.), Der Filmschriftsteller, Weimar 1919, S. 38-43. 3 | Vgl. Brennert, Hans, Urheber und Film, Berlin 1920, S. 15. 4 | Vgl. ebd., S. 33f.
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tion ausgleichen.5 Dem Drehbuchautor blieben im Gegenzug die unteilbaren und unveräußerlichen moralischen Rechte, die seine Namensnennung und die Integrität seines Werkes sicherten. Diese Einstufung des Drehbuchs als vorbestehende literarische Kategorie und die Übertragung der geistigen Eigentumsrechte auf die Produzenten wurden also ähnlich wie in den USA gehandhabt. Da im kollektiven Schaffensprozess eines Films die kreativen Anteile ohnehin schwer zu bestimmen waren, wurde der Produzent zumindest rechtlich zum Filmurheber. Die Regisseure hingegen erwarben weder Urheber- noch sonstige Autorrechte am Filmwerk. Sie waren Angestellte mit festem Regiehonorar und bekamen Tantiemen, die vom Umsatz abhingen.6 In Kontinentaleuropa wurden im Gegensatz zu den USA die »moralischen« Rechte des Werkschöpfers zunehmend als unveräußerliche Persönlichkeitsrechte des Autors betrachtet. So war es seit Mitte der 1910er Jahre üblich, dass die Namen der Filmautoren auf dem Filmvorspann oder Plakaten erschienen. Die Autorenfilmwelle hatte diese Entwicklung vorangetrieben und zu einer Veränderung der rechtlichen Auffassung geführt. Das Berliner Landgericht II legte 1917 in einem Urteil fest, dass ein Filmautor im Filmabspann wie auch auf den Plakaten genannt werden müsse. Es widersprach damit der Auffassung der Filmfirma, die argumentierte, dass es nicht üblich sei, Drehbuchautoren auf den Filmplakaten zu nennen, weil dies bisher nur bei den etablierten Schriftstellern des Autorenfilms notwendig gewesen sei. Nun verlangte der Szenarist, dass er als geistiger Urheber des Films und nicht der Regisseur als Urheber des Filmdramas genannt würde. Seine Argumentation betonte den finanziellen Schaden und die Minderung des Ansehens des Autors, dem aufgrund der Nichtnennung seines Namens womöglich weitere Aufträge beim Film entgingen.7 Das Gericht urteilte, dass eine bewusst falsche Namensnennung des Autors verboten sei, der eigentliche Verfasser des Filmdrehbuchs allerdings keinen rechtlichen Anspruch auf Namensnennung habe. Dieser hatte im Vorfeld sämtliche Verwertungsrechte und Urheberechtsansprüche auf die Produktionsfirma übertragen. Der Berliner Urheberrechtsjurist Treitel 8 kritisierte dieses Urteil jedoch scharf, weil es sich in seiner Begründung auf Hörensagen und die übliche Praxis bezog und somit eine Art Gewohnheitsrecht für die Titelvergabe unterstellte, die nicht der Realität entsprach. Da sich aber in diesem Fall einer Namensnennung nicht alle Beteiligten einig gewesen seien, wie bei Gewohnheitsrechten üblich, sei 5 | Vgl. Dienstag, Paul, Handbuch des deutschen Theater-, Film-, Musik- und Artistenrechts, Berlin 1932, hier S. 106-111. 6 | Vgl. Treitel, Richard, Tantieme für Filmaufführungen, in: Der Kinematograph (1918) H. 579, o. S. 7 | Vgl. ebd., o. S. 8 | Der Jurist Richard Treitel hatte 1905 bereits eine Monografie zum Artistenrecht herausgegeben und regelmäßig zum Theater- und Filmrecht publiziert.
Zusammenfassung – Szenaristen in Deutschland
die Begründung des Gerichts unsinnig. Im Geschäftsinteresse des Autors stünde deshalb die Namensnennung auf Plakaten immer, um einen höheren Bekanntheitsgrad und eine Weiterbeschäftigung zu erreichen.9 Je kapitalintensiver die Filmindustrie im Laufe der 1910er Jahre wurde, desto drängender wurde das Problem des mangelnden Schutzes der Autorenrechte.10 Da die Frage der Verfilmung und Bearbeitung eines Buches und die Frage der Urheberrechte am Filmwerk nur unzureichend und langsam reformiert wurden, war es wichtig, dass Filmautoren durch spezielle private und kollektive Verträge ihre geistigen Eigentumsrechte vor Missbrauch schützten.
Z usammenfassung – K inome terdichter und S zenaristen in D eutschl and Der »Index des deutschen Stummfilms« erwähnte 1912 erstmals neun Szenaristen, die an der Filmherstellung beteiligt waren. Seit dieser Zeit entwickelte sich der Drehbuchautorenberuf langsam zu einer anerkannten Berufsgruppe, deren frühe Phase ganz ähnlich wie in den USA eng mit der Durchsetzung des fiktionalen Langfilms und einer arbeitsteiligen, industriellen Produktionsweise verknüpft war.11 Der hauptberufliche »Filmfachautor«, wie von Kasten behauptet, hatte sich in Deutschland zu dieser Zeit nicht als anerkannter spezialisierter Beruf durchgesetzt, sondern wurde meist durch andere schriftstellerische und journalistische Tätigkeiten ergänzt.12 Ende der 1910er Jahre wurde in Deutschland der spezialisierte Drehbuchautorenberuf immer mehr zu einer Notwendigkeit. Die Filmstudios wuchsen zu arbeitsteiligen größeren Unternehmen und Großkonzernen heran. Das machte es nötig, die einzelnen Berufsfelder mit professionellen Arbeitnehmern zu besetzen. Die spezialisierte, kreative Tätigkeit des Drehbuchautors prägte die Stoffentwicklung eines Films. Nun war er zu einer neuen, lukrativen Einnahmequelle für Unterhaltungsschriftsteller, Quereinsteiger und semiprofessionelle Autoren und Autorinnen geworden. Szenaristen galten in Deutschland vielfach als triviale Unterhaltungsschriftsteller und als »Handwerkskünstler«, die im Schatten der anerkannten traditionellen, bürgerlichen Schriftstellerberufe standen.13
9 | Fallbeschreibung und Urteilskritik bei Treitel, Richard, Die Nennung des Verfassers von Filmdramen, in: Der Kinematograph, (1917) H. 560, o. 10 | Vgl. Dienstag, Paul, Handbuch des deutschen Theater-, Film-, Musik- und Artistenrechts, Berlin 1932, hier S. 112-117. 11 | Vgl. Kasten, Jürgen, From Peripeteia to Plot Point, S. 213f. 12 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben, S. 12-25 und 43-45. 13 | Vgl. Bern, Vera, Film-Literaten und Honorare in aller Welt, in: Der Kinematograph, Bd. 664 (1919), o. S.
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Die Entwicklung des Berufs war in Deutschland stark mit der Entwicklung des Publikums- und Kritikergeschmacks sowie dem internationalen Phänomen des Autorenfilms verknüpft. Damit sollte der Kunstwert des Films gehoben werden. Filmautoren wurden nun strategisch auf Plakaten und Werbeanzeigen der Filme genannt. Die ersten Ansätze einer Professionalisierung des Drehbuchautorenberufs lassen sich in Deutschland bereits in den 1910er Jahren erkennen. Diese manifestierten sich nicht zuletzt im 1919 gegründeten »Verband deutscher Filmautoren«.
Z usammenfassung – D ie E ntstehung eines neuen K re ativberufs bis 1920 Während die Vereinigten Staaten in puncto Kommerzialisierung, Arbeitsteilung und großbetrieblicher Organisation der Filmindustrie seit Beginn des 20. Jahrhunderts als weltweit führend angesehen werden, setzte die Hinwendung zur arbeitsteiligen Studioproduktion in Deutschland erst mit dem Ersten Weltkrieg ein. Das Filmsystem differenzierte sich im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in beiden Ländern zunehmend aus, entsprechend wandelte sich der Drehbuchautorenberuf. Beide Filmländer verzeichneten – mit einer leichten Zeitverschiebung – bis 1920 ähnliche Phasen der Spezialisierung des Drehbuchautorenberufs. Für Deutschland und die USA war die Hinwendung zu fiktionalen Langspielfilmen um 1911 der bedeutsamste Umbruch, der die Herausbildung des neuen Berufsfeldes voranbrachte. In Deutschland führten Industrialisierung und Zentralisierung des Filmsystems seit 1915 zur Entwicklung des Kinometerdichters oder Filmfachautors, der haupt- oder nebenberuflich Filmtexte, Szenarien oder Filmideen verfasste. Hier war die Entwicklung des neuen Kreativberufs stark an künstlerische und bildungsbürgerliche Vorstellungen geknüpft. Dies stärkte die berufliche Identität der Szenaristen und führte zu einer gewissen gesellschaftlichen Anerkennung des Berufs im Rahmen einer Autorenfilmbewegung. Die Kinoreformbewegung beeinflusste mit ihren pädagogischen Forderungen die Entwicklung des Drehbuchautorenberufs maßgeblich. Das deutsche Kino galt als Lehrmittel und den Grund für Schundfilme sahen die Reformer in minderwertigen literarischen Vorlagen. Diese bildungspolitischen Ansprüche wirkten sich allerdings teilweise negativ auf das Prestige der frühen Szenaristen aus, die bisweilen als geldgierige, dienstleistende Auftragsschreiber herabgesetzt wurden. Die öffentliche Debatte um den Kunstwert des Films war nötig, um dem Beruf öffentliche Anerkennung im hochkulturellen, bildungsbürgerlichen Milieu zu verschaffen. Als sich das deutsche Kino um 1912 dem Autorenkino zuwandte, führte dies zu einer Aufwertung des Szenaristenberufs. Im Unterschied zu den USA legten die deutschen Produktionsfirmen Wert auf die Betonung nationaler, literarischer Traditionen und spezifisch »deutscher« Werte und Sujets. Nach Ausbruch des
Zusammenfassung – Entstehung eines neuen Kreativberufs bis 1920
Ersten Weltkriegs hatten sich die deutsche Kinoindustrie und die qualitativen Standards der Produktion soweit konsolidiert, dass ein nationaler Filmmarkt entstand, der vor allem aufgrund des Importverbots ausländischer Filme während des Krieges florierte. In der Zeit der politischen und sozialen Reformen beim Übergang zur Weimarer Republik gründete sich in Deutschland im Jahr 1919 der »Verband deutscher Filmautoren« als berufsständische Interessenvertretung der Drehbuchautoren. Seine Funktionen und Ziele formulierte dieser im Kontext der starken deutschen Gewerkschaftsbewegung, die die berufliche Autonomie beförderte und für eine Stärkung der Autorenrechte eintrat. In Deutschland waren Arbeitsteilung und Spezialisierung weniger vorangeschritten als im Studiosystem der USA. Der deutsche Filmautor war noch länger ein Allrounder, der seltener hauptberuflich tätig war. Er war im Vergleich zu seinem Pendant in den USA weniger spezialisiert, sondern stärker den traditionellen Vorstellungen eines freiberuflich tätigen, individuell-schöpferischen Schriftstellers verbunden. In Deutschland waren bis 1919 noch keine differenzierten Berufsbilder wie script doctor oder continuity editor wie zur selben Zeit in den USA nachweisbar. Für die USA lässt sich dagegen die Tendenz zu einem angestellten Vollzeitberuf in der betrieblichen Großproduktion bereits seit Mitte der 1910er Jahre belegen. Die Szenaristen waren bei den Studios hauptberuflich angestellt und wurden mit einem wöchentlichen Gehalt vergütet. In New York gründeten sich zu dieser Zeit erste Clubs und Interessenverbände für Drehbuchautoren, die sich von dort aus an der Westküste etablierten. In den 1910er Jahren dominierten in beiden Ländern noch Preisausschreiben und Wettbewerbe, die von den Studios ausgerufen wurden, um neue Filmideen zu generieren. Amateure und semiprofessionelle Autoren konnten dadurch bis 1915 relativ leicht in den Szenaristenberuf einsteigen. Danach wurden sie durch die eine starke Professionalisierungswelle, die in den USA als scenario fever, in Deutschland als Autorenfieber bekannt wurde, immer häufiger durch bekannte Autoren oder durch speziell geschulte oder erfahrene Drehbuchautoren ersetzt.
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3. Die Professionalisierung des Drehbuchautors im arbeitsteiligen Studiosystem 1920 bis 1933 in den USA und in Deutschland
Die US-amerikanischen Filmstudios hatten sich mittlerweile an der Westküste rund um Los Angeles konzentriert und eine großbetriebliche Massenproduktion etabliert. Besonders einschneidend für den Drehbuchautorenberuf war die Umstellung auf den Tonfilm Ende der 1920er Jahre.1 Das vorliegende Kapitel stellt die gewandelten Arbeitsbedingungen, Herausforderungen und Probleme der Drehbuchautoren im arbeitsteilig organisierten, großbetrieblichen Studiosystem in den Mittelpunkt. Es analysiert die Verberuflichungsstrategien der Drehbuchautoren im Kontext der veränderten Arbeitsorganisation, der Einführung des Tonfilms sowie politischer und sozialer Kontexte. Drehbuchautoren verfassten Filmvorlagen für die Drehbuchabteilungen der zahlreichen kleineren und größeren Filmstudios in Hollywood. Ihre Arbeit war der Rationalisierung und Technisierung unterworfen, die sie zu einer fordistischen2 Stechuhrmentalität zwangen und zu angestellten Auftragskünstlern degradierten. Kreativität und Originalität traten in der filmischen Massenproduktion hinter hierarchisch organisierter Teamarbeit zurück.3 Drehbuchautoren mussten sich mit diesen geänderten Bedingungen arrangieren und verschiedene Strategien und Taktiken entwickeln, um eine anerkannte Berufsgruppe zu wer1 | Vgl. Bakker, Gerben, Entertainment Industrialised. The Emergence of the International Film Industry, 1890-1940, Cambridge 2008 (=Cambridge Studies in Economic History), S. 30f. 2 | Als »Fordismus« wurde die Fließbandarbeit und arbeitsteilige Fertigung in der Automobilindustrie in den USA bezeichnet. Vgl. Eichberg, Henning, Lebenswelten und Alltagswissen, in: Berg, Christa / Langewiesche, Dieter (Hrsg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. 1918-1945. Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur, Bd. 5, München 1989, S. 25-64, hier S. 33f. 3 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, 3. Aufl., Boston et al. 2009, S. 70-73.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
den. In den USA und Deutschland hatten die Drehbuchautoren ähnliche Probleme in den großen Studiobetrieben. Der grundlegende Konflikt des Berufs, also die Dichotomie zwischen einem technisch versierten, angestellten Auftragskünstler und einem künstlerisch-individuellen freien Beruf, spitzte sich nun zu. Im Folgenden wird geklärt, inwieweit der Drehbuchautor im Schatten der Studios und seiner Produzenten stand, welche Stellung der Beruf nun in einem Großbetrieb einnahm und welche Strategien die Drehbuchautoren in Deutschland und den USA nutzten, um sich beruflich und sozial besserzustellen. Die Darstellung setzt um 1920 ein, als sich in den USA der Berufsverband »Screen Writers’ Guild« in Los Angeles gründete und in Deutschland der 1919 geschaffene »Verband deutscher Filmautoren« seinen Einfluss auf den Beruf zu stärken suchte. Das Jahr 1933 wiederum markiert mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und deren forcierter Gleichschaltung des Kultur- und Filmbetriebs in Deutschland einen tiefgreifenden politischen Bruch. In den USA war dieses Jahr mit einer Änderung der Professionalisierungsstrategie und der politischen Radikalisierung der Drehbuchautoren verbunden. In beiden Fällen steht es für eine Zäsur in der Geschichte der Verberuflichung des Drehbuchautors – so verschieden die Gründe auch waren.
G oldr ausch und »G o W est« – H olly woods E minent A uthors Einige der kleinen, unabhängigen Studios, die Mitte der 1910er Jahre wegen des besseren Klimas und vorteilhafterer Wettbewerbsbedingungen von der Ostküste nach Kalifornien gezogen waren, wurden zu den neuen majors im Raum Los Angeles. Manche Produzenten waren vor dem Kartellsystem um Edison aus New York geflohen und versuchten im warmen Kalifornien mit seinem filmfreundlichen Klima einen Neuanfang. Längere Sonneneinstrahlung und stabile Wetterverhältnisse machten die Aufnahmezeit länger und somit Produktionen kostengünstiger. Außerdem waren Grund und Boden günstig zu erwerben.4 Zu Beginn der 1920er Jahre hatten sich noch nicht alle der später bekannt gewordenen fünf großen Studios hier etabliert. Die Verleiher Paramount und First National5 dominierten den Filmmarkt, da sie das Gros der Kinotheater besaßen. Das Filmsystem an der Westküste basierte, ähnlich wie dasjenige in New York, immer noch auf vertikaler Integration, was bedeutete, dass die Produktion, der Vertrieb und die Aufführungsorte in einer Firma integriert waren. Wer die 4 | Vgl. ebd., S. 26-37. 5 | First National war seit 1917 ein Zusammenschluss aus 26 regionalen Verleihern, die das Paramount-Monopol brechen wollten. Die beteiligten Filmemacher und andere unabhängige Produzenten gründeten 1919 United Artists. First National fusionierte dann im Jahr 1928 mit Warner. Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office. 1895-1986, Houndmills-Basingstoke-Hampshire-London 1988, S. 72-75.
Goldrausch und »Go West« – Hollywoods Eminent Authors
Kontrolle der Aufführungsorte und damit die Kontrolle über die Abnahme der Waren besaß, kontrollierte folglich auch die Filmindustrie.6 Neben den prestigeträchtigen sogenannten A-Filmen mit bekannten Stars wurden aufgrund der großen Nachfrage auch preiswerte B- und C-Spielfilme produziert, um die Ausstattung und Kulissen der Vorzeigeproduktionen nochmals zu verwerten. Die von Thomas Ince in New York maßgeblich betriebene Rationalisierung und Arbeitsteilung wurde in den 1920er Jahren an der Westküste perfektioniert. Die Filmproduktion wurde so effektiver. Produzenten gaben zunächst immer mehr Geld für Starschauspieler oder besondere Ausstattung aus. Für die Drehbuchautoren hingegen wurde erst einmal weniger Budget einkalkuliert. Dieses wurde erst im Laufe der 1920er Jahre vergrößert.7 In den 1920er Jahren fusionierten verschiedene Filmproduktionsfirmen zu neuen Studios, die in den darauffolgenden Dekaden den Filmmarkt beherrschten. Die großen Studios kontrollierten und dominierten in der Folge die nationalen und internationalen Filmmärkte.8 Selbst die Weltwirtschaftskrise konnte dem lukrativen Filmmarkt in den USA zunächst wenig anhaben. Die finanzielle Kontrolle über die Filmindustrie Hollywoods ging zunehmend von den Banken an der Ostküste aus. Das relativierte den Einfluss einzelner Produzentenpersönlichkeiten. Die Löhne für Personal und Filmproduktionen stiegen kontinuierlich. Hollywood brachte in dieser Zeit vorrangig standardisierte und wenig künstlerisch anspruchsvolle Genre-Filme heraus, die nach den immer gleichen Erfolgsmustern gestrickt waren. Dieser classical style9 wurde besonders durch Werke von MGM geprägt, das sich auf opulente Melodramen und historische Kostümfilme spezialisierte. Die einzelnen Studios bedienten verschiedene Genres, spezialisierten sich und arbeiteten gerne mit den immer gleichen, exklusiv unter Vertrag stehenden Schauspielstars. Trotz der Uniformität und Homogenität der klassischen Hollywoodgenres blieb ein gewisses Maß von Produktdifferenzierung erhalten. Paramount war für romantische Komödien und Warner für härtere Gangsterfilme bekannt.10 Ende der 1920er Jahre, das heißt am Anfang der Weltwirtschaftskrise und kurz nach der Einführung des Tonfilms, hatten sich fünf majors oder big five 11 6 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 65-69 und Izod, John, Hollywood and the Box, S. 72-83. 7 | Vgl. Skutch, Ira, The Days of Live. Television‘s Golden Age as seen by 21 Directors Guild of America Members, Lanham, Md. 1998 (=The Directors Guild of America Oral History Series Bd. 16), S. 137. 8 | Vgl. Gomery, Douglas, Hollywood as Industry, in: Hill, John / Gibson, Pamela Church (Hrsg.), American Cinema and Hollywood. Critical Approaches, Oxford 2000, S. 19-28, hier S. 20. 9 | Vgl. Bordwell, David, Narration in the Fiction Film, London-New York 2010, S. 156-162. 10 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 84-90. 11 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office, S. 37.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
etabliert, nämlich 20th Century-Fox, MGM, RKO, Paramount und Warner.12 Durch die Arbeitsteilung und Standardisierung der Produktion wurden Filme nach immer gleichen narrativen und stilistischen Schemata gedreht. Die Spannung zwischen dem Gestaltungsanspruch der kreativen Mitarbeiter und der geforderten massenhaften ökonomischen Verwertbarkeit der Filme nahm deshalb zu.13 Innerhalb der Studios galten feste Befehlsketten. An deren oberster Stelle stand der Produzent, der insbesondere in den 1920er und 1930er Jahren organisatorisch, aber auch künstlerisch das Ziel vorgab und die Ausrichtung des Studios entscheidend prägte. Der Drehbuchautor musste sich in diesem Spannungsfeld zwischen arbeitsteiliger Massenproduktion und wirtschaftlicher Effizienz behaupten und finanzielle wie ideelle Anerkennung für seine kreativen Leistungen verstärkt einfordern. »In later days – indeed quite soon – it would become impossible to weigh up a screenwriter’s individual predicament without knowing which of these companies he worked for: each of the studios swiftly evolved a recognizable house style, and this style was largely determined [..] by the ruling mogul, together with one or two henchmen.«14
Der große Stab an kreativen und technischen Mitarbeitern wurde per Vertrag an ein Haus gebunden. Meist handelte es sich bei diesen Verträgen um mündliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Techniker, Autoren, Regisseure warteten ab, wann der Produzent mit einer Projektidee zu ihnen kam. In dieser Zeit konnten die verbliebenen künstlerischen Angestellten nicht für andere Studios arbeiten und wurden auch nicht bezahlt, sondern mussten darauf hoffen, dass bald ein neues Filmprojekt für sie käme. Die Studios besaßen eine Drehbuchabteilung, in der die sogenannten Leser oder reader arbeiteten, die Romane, Geschichten, Nachrichten und eingesandte Ideen auf ihre filmische Verwertbarkeit hin prüften. Drehbuchautoren und Produktionsassistenten diskutierten in Storykonferenzen zusammen mit Produzenten die einzelnen Szenen des Drehbuchs und planten die Kosten, Änderungen und Zeitpläne der Produktion. Da möglichst effizient produziert werden sollte, wurden die Szenen nicht in die Reihenfolge der späteren Handlung des Films gedreht, sondern von einem continuity script15 oder einem shooting script ausgehend in die einzelnen Drehorte und 12 | Vgl. Lovell, Hugh / Carter, Tasile, Collective Bargaining in the Motion Picture Industry, Berkley 1955. 13 | Vgl. Staiger, Janet, Introduction, in: Staiger, Janet (Hrsg.), The Studio System, New Brunswick-New Jersey 1995, S. 1-14, hier S. 6-9. 14 | Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, London 1990, S. 15. 15 | Das von Thomas Ince eingeführte continuity script hielt sämtliche Kameraeinstellungen, Übergänge und Schnitte fest. Vgl. Tieber, Claus, Continuity Script. Lexikon der Filmbegriffe, http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5113, eingesehen am 12.2.2013.
Goldrausch und »Go West« – Hollywoods Eminent Authors
die für die Szene benötigten Darsteller und Mitarbeiter aufgeschlüsselt.16 Diesen technisch detaillierten Drehfassungen ging das vom Drehbuchautor vorgelegte Drehbuch (screenplay) voraus.17 Seit 1914 nannte man dieses von Thomas Ince etablierte Prinzip der Arbeitsorganisation central producer system,18 welches die Aufgabenbereiche von Regisseur und Produzent trennte und die gesamte Filmherstellung durch einen Produzenten kontrollierte, der vorrangig die wirtschaftliche und organisatorische Seite der Branche kannte. Das story department lieferte also die gesamten Drehbücher, die dann den Regisseuren der Studios zur Verfilmung zugeteilt wurden.19 Als sich das Studiowesen im Raum Los Angeles etabliert hatte, wurden spezialisierte Drehbuchautoren zu einer gefragten Berufsgruppe. Die Studios verwendeten immer weniger Ideen von Laien und eingesandtes Material von Unbekannten, sondern suchten nach hauptberuflichen Drehbuchautoren, die durchaus bereits etablierte Romanciers oder Journalisten sein konnten. Einer der ersten großen Versuche, bekannte Autoren von der Ostküste nach Westen zu rekrutieren, war die sogenannte Eminent Authors-Aktion. Produzent Samuel Goldwyn startete sie 1919, als er eine Broschüre herausgab, in der er die Anwerbung bekannter Autorengrößen von der Ostküste für sein Filmstudio empfahl. Er unterzeichnete in der Folge Drehbuchautorenverträge mit Gertrude Atherton, Elinor Glyn, Rupert Hughes (dem Onkel von Magnat und Filmemacher Howard Hughes) und Mary Roberts Rinehart. Diese Autoren übertrugen Goldwyn die Rechte an ihren nächsten Filmmanuskripten. Das Wagnis wurde allerdings nicht zu einem dauerhaften Projekt, da manche der neuen Autoren sich über die künstlerische Einmischung und Bearbeitung ihrer Stoffe durch die Studios aufregten. Gleichzeitig galten die Schriftsteller aus New York in Hollywood als Konkurrenz. Auch Goldwyn zweifelte schließlich an der Eignung der New Yorker Schriftsteller, da die Drehbuchabteilung ihre Ideen und literarischen Vorstellungen kaum umsetzen konnte. Die Ostküstenautoren kamen mit den Anforderungen des Filmmediums und den Aufgabenbereichen der Drehbuchautoren kaum zurecht. Viele Belletristen interessierten sich nicht für Massentauglichkeit, stilistische und ästhetische Konventionen oder dramatische Regeln.20 Tatsächlich gingen viele schon 1922 wieder an
16 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 70-73. 17 | Vgl. Tieber, Claus, Shooting Script. Lexikon der Filmbegriffe, http://filmlexikon.unikiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5212, eingesehen am 12.2.2013. 18 | Seit den 1970er Jahren wurde in der Filmhistorie der Versuch unternommen, die ökonomischen und organisatorischen Bedingungen als zentral für das filmische Repräsentationssystem anzuerkennen. Jene historischen Phasen der einzelnen dominanten Produktionsmodi nach Janet Staiger finden sich bei Maras, Steven, Screenwriting. History, Theory and Practice, London-New York 2009, S. 37. 19 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 32-41. 20 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 17-28.
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die Ostküste zurück.21 Der Filmhistoriker Ramsaye hält das ernüchternde Ergebnis des Experiments fest: »No new stardom resulted. The authors provided to be writers still, not picture makers.« 22
Das Experiment unterstrich die Stellung und neue Rolle des Drehbuchautors während der Filmherstellung. In der Folge arbeiteten Drehbuchautoren und Produzenten enger zusammen. Die Kooperationsbeziehung wurde jedoch wiederholt durch die Arroganz der Autoren oder durch die Inflexibilität des rationalisierten Produktionsprozesses gestört. Das Versprechen, dass Drehbuchautoren mehr kreative Mitbestimmung bekommen würden, wurde von den Produzenten nicht eingelöst. In der Öffentlichkeit beurteilte man die »Invasion aus dem Osten« kritisch. Hollywood besaß nicht den besten Ruf, wenn es darum ging, etablierte Schriftsteller beim Film unterzubringen.23 Die wichtigste Lehre aus dem Experiment war, dass man gestandene Berufsschriftsteller und Journalisten nicht einfach in die Kulturindustrie Hollywoods verpflanzen konnte. Sie waren weder die Teamarbeit noch die fabrikähnliche Arbeitsweise gewohnt. In den 1920er Jahren manifestierten sich bei der Rekrutierung von Ostküstenautoren auch Spannungen innerhalb der Drehbuchautorenschaft, die schon zuvor existiert hatten. Die Kluft zwischen hoch- und massenkulturellen Erzeugnissen wurde immer größer. Den etablierten Ostküstenautoren brachte ihr Ausflug nach Hollywood meist einen schlechten Ruf ein. Die alteingesessenen Regisseure wiederum wollten keine Weisungen von Drehbuchautoren annehmen und sich nicht in ihre Arbeit hineinreden lassen.24 Die teilweise weitreichenden Kompetenzen der Eminent Authors, die grundsätzlich künstlerische Mitbestimmung beanspruchten, kollidierten mit dem arbeitsteiligen Produktionskonzept Hollywoods. Zu fruchtbarer künstlerischer Zusammenarbeit zwischen Regisseuren und Schriftstellern kam es in dieser Zeit kaum, da die Spannungen und die Kompetenzstreitigkeiten in der Regel durch das Veto der Produzenten beendet wurden. Allerdings ließ diese Episode mit den Ostküstenautoren nun auch besser erkennen, dass der Beruf des Drehbuchautors kein »klassischer«, bildungsbürgerlicher Schriftstellerberuf war; für seine Ausübung waren andere Fähigkeiten und Fertigkeiten und spezielles Wissen nötig. Drehbuchautoren mussten sich in der Filmtechnik, den Genrekonventionen und Erzählkonstruktionen auskennen und 21 | Vgl. Ramsaye, Terry, A Million and One Nights. A History of the Motion Picture, 3. Aufl., London 1964, S. 753. 22 | Ebd., S. 753. 23 | Vgl. Schultheiss, John, The »Eastern« Writer in Hollywood, in: Cinema Journal, Bd. 11 (1971) H. 1, S. 13-47, hier: S. 13-18. 24 | Vgl. Stempel, Tom, Framework. A History of Screenwriting in the American Film, 3. Aufl., New York 1991, (=The Television Series), S. 51-56.
Der Tonfilm und die Spezialisierung des Drebuchautorenberufs in Hollywood
eine gewisse Expertise haben, um spannende Filme und interessante Figuren zu entwerfen. Nur so konnten sie sich in dem Berufsfeld langfristig etablieren. Künstlerische Werte und Merkmale von freien Schriftstellerberufen wie Schöpfung, Autonomie und Originalität der Werke waren nicht die Maximen, an denen Drehbücher primär gemessen wurden. In den 1920er Jahren kam es so zu einer verstärkten Spezialisierung und Differenzierung der kreativen Berufe in der Filmindustrie. Der Berufseinstieg für Laien wurde nun schwerer.25 Eine zweite Welle von Ostküstenautoren kam Mitte der 1920er Jahre nach Hollywood. Einige brachten es teils zu großen Erfolgen und zu steilen Karrieren im Filmbusiness. Ende des Jahrzehnts folgte eine dritte Einreisewelle von Autorentalenten, Schauspielern und Regisseuren aus den Heimatländern der Studiochefs in Europa, die meist von den Produzenten persönlich angeworben wurden. Deren Werdegang in den USA war meistens von Erfolg gekrönt. Dieser Prozess kann als gelungener Transfer von beruflichem Know-how angesehen werden. Im Jahr 1925 kam beispielsweise der Theaterautor Herman J. Mankiewicz nach Hollywood, um als Drehbuchautor zu arbeiten. Ihm folgten B. P. Schulberg, Ben Hecht und F. Scott Fitzgerald, der mit seinem Roman Der Grosse Gatsby für viel Aufsehen sorgte. Fitzgeralds Drehbuchentwurf Lipstick wurde schließlich abgelehnt, Fitzgerald ging zurück nach New York und kam vier Jahre später nach Kalifornien zurück, um für Produzent Irving Thalberg (MGM) als Drehbuchautor zu arbeiten.26 Ben Hecht und Herman J. Mankiewicz, die in den 1920er Jahren dem Ruf Hollywoods folgten, wurden zu den einflussreichsten Drehbuchautoren der kommenden Jahrzehnte.
D er Tonfilm und die S pe zialisierung des D rehbuchautorenberufs in H olly wood Ein wichtiger Einschnitt für die Weiterentwicklung des Berufs war die technische Umstellung vom Stumm- auf den Tonfilm. Die Aufgabenbereiche und die Anforderungen an die praktischen Fertigkeiten der Drehbuchautoren erweiterten sich nach der Aufführung des ersten Tonfilms The Jazz Singer im Jahr 1927 schlagartig. Bereits 1928 installierten die großen Studios in 1.300 von 20.000 Kinos in den USA Tonanlagen und bis Ende des Jahres 1930 war der Stummfilm bereits überholt. Ein Jahr nach Einführung des Tonfilms experimentierten Studios zudem mit dem Technicolor-Verfahren und zeigte den ersten Farbfilm im Zweifarb-Modus. Warner tat sich mit dem Radiounternehmen RKO zusammen und Fox expandierte, da beide Firmen Tonfilmpatente besaßen und damit ein
25 | Vgl. Azlant, Edward, The Theory, S. 193. 26 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 28-37.
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Technikmonopol innehatten. Um 1930 erweiterten die vorgenannten Studios die etablierten majors Paramount, MGM, Universal, Columbia und United Artists.27 Die Adaption dialogreicher Theaterstücke wurde nun zur Hauptbeschäftigung der Drehbuchautoren. Wenn die ehemaligen Dramatiker wieder in ihre Angewohnheit verfielen, Filme wie Theaterstücke anzulegen, wurden sie von den Produzenten in Teams mit plot constructionists gesteckt. Ihre Drehbücher wurden gekürzt, überarbeitet und Dialoge ergänzt. Diese Aufgabe übernahmen meist script doctors, welche die Story letztendlich doch verfilmbar machten. Der Film wurde im Bereich der Stoffentwicklung nun von diversen spezialisierten Berufsgruppen konzipiert. Gangsterfilme, Western sowie Musicals waren die gängigsten Filmgenres der 1920er Jahre. Von nun an war es möglich, die gesamte Bandbreite der Literatur auf den Film zu übertragen und nicht nur mit Dialogen, sondern auch mit Musikkompositionen zu arbeiten.28 Es hatte schon zu Stummfilmzeiten musikalische Untermalungen der Aufführung bei der Vorstellung gegeben, doch waren diese technisch limitiert und besonders bei einer Live-Filmvertonung an einer Kinoorgel auch vom Können und Improvisationstalent des jeweiligen Organisten abhängig. Seit 1927 erfolgten einige Umstrukturierungen in der Filmbranche. In dieser Zeit waren die formalen Anforderungen an Drehbücher kaum geregelt, da Musik, Sound und Sprache noch als kaum standardisiertes Experimentierfeld galten. Die Folgen der Umstellung auf den Tonfilm für die Drehbuchautoren waren, dass sie nun nicht mehr nur Szenenbilder in Prosa erklärten und Zwischentitel verfassten, sondern ausgefeilte Dialoge abliefern mussten. In der Weltwirtschaftskrise versuchten vermehrt auch arbeitslos gewordene Broadwayautoren und Journalisten ihr Glück in der Filmindustrie, da diese kaum von der Rezession betroffen worden war, ja sogar prosperierte.29 Bei den Angehörigen der zweiten Welle emigrierter Autoren an die Westküste handelte es sich um Zeitungsjournalisten und Dramatiker, deren berufliches Können mehr oder weniger gut zur narrativen Struktur und dem dramatischen Grundgerüst der Filme passte. Ben Hecht verfasste beispielsweise mit Charles MacArthur das Broadwaystück The Front Page (1928), welches zu einem Hit wurde, ihn 1931 wieder an die Westküste brachte und zu einem der bestbezahlten und einflussreichsten Drehbuchautoren der folgenden Dekaden werden ließ. Hechts Freund Herman J. Mankiewicz, hatte ihn zuvor mit folgendem Telegramm nach Hollywood gelockt: »Millions are to be grabbed out here and your only competition is idiots. Don’t let this get around.«30 Das Beispiel Hecht zeigt, 27 | Vgl. ebd., S. 72-83. 28 | Vgl. Bonham-Carter, Victor, From the Copyright Act 1911 until the End of 1981, S. 253-255. 29 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls, S. 29-36 30 | Hopwood, Jon C., Biography for Ben Hecht, http://www.imdb.com/name/ nm0372942/bio, eingesehen am 4.9.2012.
Der Tonfilm und die Spezialisierung des Drebuchautorenberufs in Hollywood
dass Ostküstenautoren durchaus Erfolg in Hollywood haben konnten, wenn Sie sich an die Arbeitsweise der Studios und ihre Regeln anpassten. Die schnelle Umstellung auf den Tonfilm führte dazu, dass etablierte Regisseure und Schauspieler der Stummfilmzeit aus der Mode kamen und viele ihre Anstellung verloren, weil sie plötzlich nicht mehr den neuen technischen Anforderungen entsprachen. Manchmal war schlicht die Stimme oder mimische Leistung eines Schauspielers nicht mehr zeitgemäß, da Emotionen nun nicht mehr nur durch Mimik und Gestik und Zwischentitel ausgedrückt wurden, sondern Stimmungen durch musikalische Untermalung und Dialoge aufgezeigt werden konnten. Auch Gag- und Titelschreiber wurden entlassen und durch spezielle Dialogautoren ersetzt.31 Der Tonfilm war ein erzählendes Medium,32 das standardisierte Drehbücher benötigte, die Dialoge und präzise Szenenbeschreibungen der Bildebene verbanden. Daraus entstand jene Form und Art von Drehbüchern, die bis heute, mit kleineren Modifikationen, verwendet werden. In den USA hat sich seither ein standardisiertes Layout für Drehbücher durchgesetzt. Verpflichtend ist bis heute Schriftgröße 12 und die Schriftart Courier, um sicherzugehen, dass etwa eine Seite Drehbuch einer Minute Filmzeit entspricht. Das Drehbuch besteht aus einer Szenennummer, Szenenüberschrift, Ort und Beschreibung der Handlung und dem Dialog, sofern dieser in der Szene vorkommt. Daneben werden Soundeffekte, Töne und die Szenenübergänge mit aufgelistet. Aufgrund der Komplexität der neuen beruflichen Praxis kam es seit den 1920er Jahren zu vielfältigen Spezialisierungen. In dieser neuen Umgebung wurden das drehfertige Drehbuch (shooting script) und die Abfolge der zu drehenden Szenen (continuity script) wichtiger als die eigentliche Originalfilmidee, was den Graben zwischen handwerklich und technisch versiertem Endprodukt und der kreativen Inspiration eines traditionellen Schriftstellers nur noch vergrößerte. Das shooting script wurde seit etwa 1930 zentrales Objekt in den Studios. Es diktiert, wie und was gefilmt wird, und systematisiert die Anschlüsse der Handlung. Alle Budgets und Pläne orientierten sich am Drehbuch. Die wirtschaftliche Seite wurde mit der konzeptionellen kreativen Seite der Filmproduktion immer mehr vermischt.33 Mit dem Tonfilm kamen vermehrt junge Autoren nach Westen, die auch Dialogspezialisten waren. Die hierarchische Standesgrenze zwischen den New Yorker Künstlercliquen mit ihrem bürgerlichen Habitus und den Neuankömmlingen, die veränderten Anforderungen zu genügen hatten, verblassten in Hollywood immer mehr. Unter den Berufsvertretern waren besonders jene Drehbuchautoren angesehen, die nur Originalstoffe schrieben. Die Verfasser vermeintlich trivialer Literaturadaptionen genossen weit weniger Respekt. Dazu kam ein Ge31 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 289-301. 32 | Vgl. McCall, Mary C., JR., The Unlick’d Bear Whelp, in: The Screen Writer Bd. 2 (August 1946), S. 27-30, hier S. 27. 33 | Vgl. McGilligan, Pat, Backstory. The Hollywood Screenwriters of the Hollywood’s Golden Age, Los Angeles 1986, S. 2f.
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nerationenkonflikt, der ältere Autoren oftmals davon abhielt, mit den jüngeren »Aufsteigern« zusammenzuarbeiten. Spezialisten wie Storykonstrukteure belächelten die vermeintlich einfache Tätigkeit der Dialogschreiber, die wiederum auf die script polisher herabschauten.34 Die Neuankömmlinge von der Ostküste gaben sich oftmals aus Mangel an anderen Möglichkeiten mit den schlechten Arbeitsbedingungen in Hollywood zufrieden. Sie wurden als Juniorautoren angestellt und erhielten nur 75 bis 300 Dollar Wochenlohn. Der erfolgreiche Drehbuchautor der 1940er Jahre, Budd Schulberg,35 bezeichnete später die Filmautoren der 1920er Jahre als umherziehende Wanderarbeiter.36 Nur wenige dieser Schriftsteller, die von der Ostküste nach Hollywood gekommen waren, wurden professionelle Drehbuchspezialisten.37 Nur ein Viertel von ihnen blieb beim Film, der Rest ging in der Regel nach wenigen Monaten zurück.38 Einer der ersten Drehbuchautoren, die in Hollywood erfolgreich die Lauf bahn zum Filmproduzenten bei MGM einschlugen, war Joseph L. Mankiewicz,39 dessen Eltern aus Berlin stammten und in die USA emigriert waren. Ihr jüngster Sohn Joseph ging 1913 nach New York, um an der »Columbia University« zu studieren. 1928 zog er nach Berlin, um dort weiter zu studieren. Doch anstelle der akademischen Weiterbildung begann er, für die größte deutsche Filmproduktionsfirma Universum Film AG (UFA) Zwischentitel vom Deutschen ins Englische zu übersetzen. Ein Jahr später folgte er seinem älteren Bruder Hermann nach Hollywood, um dort Titel für Filme zu texten. Bald verfasste er Dialoge und nach der Tonfilmumstellung vollwertige Drehbücher. Im Jahr 1931 erhielt Joseph L. Mankiewicz eine Nominierung für einen Academy Award für sein Drehbuch zum Film Skippy. Seine Karriere als Drehbuchautor setzte er in den 1930er Jahren fort. Er arbeitete seit 1936 als Produzent beim renommierten Studio MGM.40 Joseph L. Mankiewicz war einer der ersten »Autor-Produzenten«. Er vereinte seit 1936 erfolgreich beide beruflichen Funktionen und setzte sich innerhalb der Drehbuchautorenschaft dafür ein, die künstlerischen Aspekte der Tätigkeit und weniger die handwerkliche Seite des Berufs zu betonen. Er sah den »Filmautor« zu gleichen Teilen als Drehbuchautor und Regisseur, kritisierte allerdings die mangelnde Ausbildung und Qualifikation der Szenaristen sowie, dass diese im Studiosystem der 1920er Jahre die Ansprüche auf ihr geistiges Eigentum aufgege34 | Vgl. ebd., S. 2f. 35 | Sohn von Drehbuchautor und Produzent B. P. Schulberg. 36 | Vgl. Schulberg, Budd, The Writer and Hollywood, in: Kazin, Alfred (Hrsg.), Writing in America. A Special Supplement, Harper’s Magazine 219, 1959, S. 133-138. 37 | Vgl. Spiller, Robert E. / Thorp Willard / Johnson Thomas H. u. a., Literary History of the United States. History, 7. Aufl., London 1969, S. 1262-1273. 38 | Vgl. Stempel, Tom, Framework, S. 63f. 39 | Vgl. ebd., S. 125. 40 | Vgl. Dauth, Brian, Introduction, in: Dauth, Brian (Hrsg.), Joseph L. Mankiewicz. Interviews, Mississippi 2008, S. vii-xv, hier S. xiii.
Die Drehbuchkonferenz und kreative Mitbestimmung
ben hatten. Vom Drehbuchautor erwartete er nicht nur Kreativität, sondern auch Verständnis für die inszenatorische und organisatorische Seite der Produktion: »Writing and directing movie pictures – then are, and should be – the two components of a hyphenated entity. Put it as you will – that the direction of a screen play is the first half of the director’s work. The fact remains that a properly written screen play has already been directed (Herv. im Orig., d. Verf.) – in his script, by the trained screen writer who has conceived in visual symbols and translated them into descriptive movement and the spoken word.« 41
Mankiewicz sorgte für Aufsehen, denn für ihn war die Handschrift eines Films in der Person des Autor-Regisseurs verkörpert. Dieser Anspruch war im Studiosystem Hollywoods mit seiner Arbeitsteilung damals noch undenkbar. Mankiewicz betonte immer wieder, dass er lieber für das Theater schrieb und in der Kulturmetropole New York lebte, die er als eine intellektuelle Oase betrachtete und in die er mit Anfang fünfzig zurückkehrte. Er wurde genau wie sein Bruder Herman, der Drehbuchautor des Films Citizen Kane, vor allem für seine filmischen Erfolge bei MGM und bei Paramount bekannt und weniger durch seine wegweisenden Ansichten zur Verbesserung des Drehbuchautorenberufs.42
D ie D rehbuchkonferenz und die kre ative M itbestimmung des D rehbuchautors im P roduk tionsprozess Storykonferenzen waren ein wichtiges Instrument für die Planung und Überwachung der wirtschaftlichen Aspekte der Filmproduktion und der inhaltlichen Beiträge der kreativen Mitarbeiter. Dabei hatten die Produzenten eine zentrale Rolle bei der Organisation der Zusammenarbeit der einzelnen Studioabteilungen. Claus Tieber hat in seinen Forschungen nachgewiesen, dass über Drehbuchsitzungen im Studiosystem Hollywoods mitunter falsche Annahmen existieren, die die angeblich fehlenden Mitsprachemöglichkeiten von Drehbuchautoren betrafen. Meist wurde angenommen, dass ein übermächtiger Produzent den Regisseur und Drehbuchautor zusammenstauchte nach Belieben die Drehbuchvorlage kürzte und die Handlung veränderte.43
41 | Ebd., S. viii. 42 | Vgl. Lower, Cheryl Bray, A Biographical Sketch, in: Lower, Cheryl Bray / Palmer, R. Barton (Hrsg.), Joseph L. Mankiewicz. Critical Essays with an Annotated Bibliography and a Filmography, Jefferson 2001, S. 5-24. 43 | Vgl. Tieber, Claus, A Story is not a Story but a Conference. Anmerkungen zu Organisation und Kontrolle von Kreativität am Beispiel Hollywoods, Vortrag im Rahmen der Summer School der Research Academy am 20.9.2011 in Leipzig.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Der Produzent Irving Thalberg war ein einflussreicher Produzent, der das von Thomas Ince eingeführte arbeitsteilige Produktionsprinzip aus den 1910er Jahren in Hollywood perfektionierte.44 Frances Marion, damals eine der bekanntesten Drehbuchautorinnen, erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Thalberg: »[…] I knew that he would not be a secretary for long. […] I brought him an armful books I had used during one of my summer courses at the University of Southern California.« 45
Thalberg wurde bald befördert und war für die gesamte Filmproduktion zuständig. Häufiger kam es zu Reibereien mit dem künstlerischen Personal, da Thalberg sich für die Abänderung von Szenen einsetzte und künstlerisch in die Produktion eingriff.46 Er ließ viele Autoren am gleichen Skript arbeiten, oftmals ohne dass die Autoren davon wussten.47 Thalberg war Perfektionist, denn er bestand als einer der ersten Filmemacher auf Testvorführungen und wollte ein minutiös ausgearbeitetes Drehbuch und einen detaillierten Drehplan vorgelegt bekommen. Nicht selten ließ er ganze Passagen erneut drehen, wenn diese bei den previews nicht angekommen waren. Zusammen mit Louis B. Mayer ersetzte er noch während des Drehs den Darsteller Mack Johnny Brown durch Clark Gable, um den Film Laughing Sinners zu einem Publikumshit werden zu lassen. Dazu mussten alle Szenen mit dem neuen Hauptdarsteller nachgedreht werden.48 Thalberg entwickelte ein innovatives, engmaschiges Netz der Produktionskontrolle. Er war überdies Mitverfasser des Reglements für die Selbstzensur der US-Filmindustrie.49 Dieser sogenannte production code entstand 1930 und wurde durch die »Production Code Administration« nach Absprache mit dem seit 1922 bestehenden Branchenverband »Motion Picture Producers and Distributors Association of America« als verbindlicher Zensurkodex der Branche etabliert.50 Seit Mitte der 44 | Vgl. Tieber, Claus, A Story is not a Story but a Conference. 45 | Vieira, Mark A., Irving Thalberg. Boy Wonder to Producer Prince, Berkeley-Los Angeles-London 2010, S. 7. 46 | Vgl. Cram, Mildred, Author in Hollwood, in: The American Spectator Yearbook (1934), S. 175-190, hier S. 178. 47 | Vgl. Schultheiss, John, The »Eastern« Writer in Hollywood, hier S. 25f. 48 | Vgl. Bret, David, Clark Gable. Tormented Star, 2. Aufl., Cambridge 2008, S. 32-34. 49 | Eine profunde Übersicht über das Werk und Schaffen Thalbergs in den 1920er Jahren findet sich bei Vieira, Mark A., Irving Thalberg, S. 35-111. 50 | Vgl. Ayer, Douglas / Bates Robert E. / Herman Peter J., Self-Censorship in the Movie Industry. A Historical Perspective on Law and Social Change, in: Kindem, Gorham Anders (Hrsg.), The American Movie Industry. The Business of Motion Pictures, Carbondale-Edwardsville 1982, S. 215-253, hier S. 216f; Koppes, Clayton R., Regulating the Screen. The Office of War Information and the Production Code Administration, in: Schatz, Thomas (Hrsg.), Boom and Bust. American Cinema in the 1940s, 6. Bd., 2. Aufl., Berkeley-Los Angeles-London 1999, S. 262-284 und Lewis, Jon, Hollywood v. Hard Core. How the Struggle
Die Drehbuchkonferenz und kreative Mitbestimmung
1930er Jahre waren die Regelungen zur Selbstzensur institutionalisiert und wurden bis Mitte der 1960er Jahre beibehalten. Die Regelungen verboten beispielsweise moralisch anstößige Darstellungen wie »sexuelle Perversionen«, die Beziehung zwischen Menschen unterschiedlicher Ethnien oder die Nennung sexuell übertragbarer Krankheiten. Selbst die Abbildung einer Geburtsszene, sei es auch nur in einer Silhouette, war nicht erlaubt.51 Die arbeitsteilige Massenproduktion, die Thalberg von Ince entlehnt hatte und nun optimierte, beinhaltete auch die ständige Besprechung des Films in Drehbuchkonferenzen. Zwischen 1914 und 1930 wurde das sogenannte central producer system in der Filmproduktion zum allgemeinen Standard. Die Filmherstellung wurde von einem Produzenten kontrolliert, der Drehbücher aus der Szenarioabteilung an die Regisseure zuteilte.52 Die Drehbuchabteilung wurde zum besonderen Ort, in dem neben den regulären Drehbuchautoren auch der story editor (zuständig für die Beurteilung von Material und Ideen), der reader (Vorauswahl von möglichen Filmideen) und die Stenotypistinnen tätig waren. Zeitgleich wurden dem Regisseur Aufgaben, die mit der Ideenentwicklung und dem Drehbuch zu tun hatten, vermehrt entzogen.53 Der erste angestellte scenario editor bei Universal war James Dayton, der am liebsten unter Zeitnot schrieb. Er schaffte durchaus 16 Stories in 16 Tagen und verdiente zwischen 25 und 50 Dollar pro Geschichte.54 Die ursprünglich aus Deutschland stammende Drehbuchautorin Vicki Baum erinnerte sich an die damaligen Drehbuchabteilungen Hollywoods wie folgt: »Das MGM-Gelände war damals ein kleinstädtisches Konglomerat in aller Eile zusammengebastelter Bauten. Die Autoren hatte man in den übelsten Slums dieser kleinen Gemeinde untergebracht. Sie stammten noch aus der Stummfilmzeit, als man die Filmhandlung während der Aufnahmen aus dem Stegreif entwickelte.« 55
Diese armseligen Autorenhäuser, also schlichte Baracken aus Holz mit knarrenden Stufen und winzigen, mit Gasöfen beheizten Räumen, förderten laut Vicki Baum eine gewisse »Bohéme-Attitüde«, eine »wir gegen den Rest der Welt-Einstellung« der Drehbuchautoren.56 In der Filmproduktion wurde seit den 1920er Jahren die story conference für die Planung und Begleitung der Dreharbeiten immer wichtiger. Die Autoren reichten Over Censorship Created the Modern Film Industry, 2. Aufl., New York-London 2002, S. 302-307. 51 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, S. 57-70. 52 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 32-41 53 | Vgl. ebd., S. 42-50. 54 | Vgl. Jefferson, L. V., James Dayton. Photoplaywright. His Own Amanuensis, in: Scenario Bulletin-Review, Bd. 7 (1921) H. 2, S. 20-21. 55 | Baum, Vicki, Es war alles ganz anders. Erinnerungen, Köln 1987, S. 441. 56 | Vgl. ebd., S. 441f.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
eine aus Zeitungsartikeln oder anderen literarischen Vorlagen erarbeitete Idee ein. Wenn diese für verfilmbar gehalten wurde, mussten sie ein Exposé von fünf bis zehn Seiten Umfang anfertigen. Gefiel der Stoff dem Produzenten, wurde eine Drehbuchsitzung einberufen. In dieser wurden Drehorte, Budget, Stars und Regisseur bestimmt und ein circa 50-seitiges Treatment (Entwurf) in Auftrag gegeben.57 Danach folgten erneute Konferenzen und Besprechungen, in denen die Erzählung, die Handlung und die Dialoge weiterentwickelt und geschliffen wurden. Das von den Drehbuchautoren angefertigte Treatment wurde dem Produzenten und der Drehbuchabteilung nochmals vorgelegt und überarbeitet. Oftmals wurden auch weitgehende Änderungswünsche von mehreren Autoren gleichzeitig bearbeitet, die nichts voneinander wussten, oder es wurden Spezialisten eingesetzt, die Dialoge oder Handlungskonstruktionen besonders gut beherrschten. Nach der Abnahme des Treatments durch den Produzenten wurde das sogenannte shooting script erstellt, welches kontinuierlich weitere Änderungen durchlief, bis die Drehfassung feststand. Dieses vorläufige Ergebnis ging oftmals ein weiteres Mal durch die Hände von script doctors und polishers. Produzenten wie Thalberg oblag dann die Endkontrolle. Er wählte zwischen einem halben Dutzend ihm vorliegender »endgültiger« Drehbuchfassungen aus.58 Bei dieser Entstehungsgeschichte und angesichts der Vermischung kreativer und schöpferischer Beiträge, war es kaum verwunderlich, dass nicht einzelne Autoren herausstachen. Deshalb stritt danach öfter das gesamte Team der Autoren um die begehrte Namensnennung im Film. Das letzte Wort wurde meist vom Produzenten gesprochen.59 Tieber sieht in den institutionalisierten Drehbuchsitzungen nicht unbedingt die vielfach kritisierte hierarchische Befehlskette mit dem Produzenten an der Spitze, sondern ein eher demokratisches System regelmäßiger Feedbacks, das zur Präzisierung von Entscheidungen und Aufgabenstellungen im Filmgeschäft diente und im Vergleich zu anderen Organisationsstrukturen in der Industrie deutlich moderner und demokratischer angelegt war. So hätten diese Sitzungen dem Ausgleich der divergierenden künstlerischen und finanziellen Ansprüche an einen Film gegolten. Sie halfen, den Mittelweg zwischen dramaturgischer Stringenz und effektvollem Genrekino, zwischen Experiment und Standard auszuhandeln. Die Drehbuchsitzungen, die sich seit Ende der 1920er Jahre etablierten, waren eine Möglichkeit, die hohen qualitativen Standards, die das Publikum mittlerweile einforderte, innerhalb der Massenproduktion beizubehalten oder sogar zu steigern. Aufgrund der Beteiligung immer neuer Drehbuchautoren konnten die Studios einen stetigen Ideenfluss sichern und so eine große Anzahl hochwertiger Filme produzieren. Wegen dieser neuen beruflichen Beziehungen wurde die geistige Arbeit allerdings ein Stück weit entindividualisiert und ging im kreativen 57 | Vgl. ebd., S. 430-433. 58 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter. Interviews with Six Celebrated Screenwriters, New York 1981, S. 11-15. 59 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars, S. 3-6.
Die Drehbuchkonferenz und kreative Mitbestimmung
Gemeinschaftswerk des writing teams unter. In der Kulturindustrie kam es weniger darauf an, wer welchen künstlerischen oder schöpferischen Beitrag geleistet hatte oder ob man einem speziellen Drehbuchautor die Namensnennung im Film gewähren könnte.60 Der kommerzialisierte Studiobetrieb machte einen höheren Grad der Spezialisierung und eine rationalisierte Arbeitsteilung nötig, um viele Filme in kurzer Zeit auf einem qualitativ hohen Niveau zu produzieren. Dazu trug auch die vermehrte Einstellung professionell geschulter Drehbuchautoren und der seit Einführung des Tonfilms gefragten Dialogautoren bei. Neben den Handlungskonstrukteuren und Ideenentwicklern brauchte es nun Autoren, die das nötige Feingefühl für Dialogwitz hatten. Diesen Drehbuchmitarbeitern vorgeschaltet waren die reader und screen analysts. Jene vorgeschalteten »Leser« waren eine neue Berufsgruppe, deren Angehörige keine eigenen Geschichten entwarfen, sondern Texte aus allen Medienbereichen vorsortierten und verfilmbare Stoffe heraussuchten, um sie dem Produzenten und Leiter der Drehbuchabteilung vorzulegen. Diese Mitarbeiter arbeiteten meist auf mündlicher, selten schriftlicher Vertragsbasis und wurden kurzfristig wochenweise angestellt. Die Funktion des readers war ursprünglich in den 1910er Jahren geschaffen worden, als die Filmstudios mit einer Flut von eingesandten Ideen und Skripten konfrontiert waren. Die reader wurden zu einem unverzichtbaren Glied in der Arbeitskette und waren für die Vorsortierung von Filmideen verantwortlich.61 Man hielt sich in der Drehbuchabteilung zusätzlich ein recht großes Reservoir verfügbarer Autoren bereit.62 Aus einer Ausgabe der Scenario Bulletin-Review aus dem Jahr 1921 geht hervor, dass die Studios mehr und mehr Drehbuchautoren fest anstellten und von freischaffenden Autoren immer weniger Skripte annahmen. So wurde von 1.000 eingesandten Drehbüchern nur eines schlussendlich verfilmt.63 Das monatliche Branchenmagazin erschien von 1916 bis 1923 und beinhaltete praktische Tipps für Drehbuchautoren und Produzenten sowie Filmideen und Portraits bekannter Drehbuchautoren. Es wurde von Universal herausgegeben und versuchte die unterschiedlichen Positionen von Produzenten und Drehbuchautoren zusammenzubringen. Die Zeitschrift bezeichnete sich selbst als »Missing Link between the Writer and Studio«, also als Verbindung beider Abteilungen. Sie druckte Interviews, Erfahrungsberichte und Praxistipps für den Verkauf von Drehbüchern. Im Editorial wurde dazu aufgerufen, bessere und interessantere Filme zu machen, und die Zensur kritisiert. Eine große Klatschspalte verbreitete neueste Nachrichten aus den einzelnen Studios und deren Drehbuchabteilungen. Die Kolumne 60 | Vgl. Tieber, Claus, A Story is not a Story but a Conference. 61 | Vgl. Brady, Jasper Ewing, The Necessity of Original Photoplay Material. One of a Series of Lectures Especially Prepared for Student-Members of The Palmer-Plan 1920, Margaret Herrick Library Los Angeles, PAM 141, S. 11f. 62 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 70-73. 63 | Vgl. Kolty, Jean C. de, Editorial, in: Scenario Bulletin-Review, Bd. 7 (1921) H. 2, S. 2-3.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
»Kick Here« war für diejenigen gedacht, die ihrem Ärger darüber Luft machen wollten, dass Studios Plagiate der Drehbücher angefertigt hatten oder die Drehbuchautoren unter schlechten Arbeitsbedingungen litten. In einem Leserbrief wurde deutlich, dass der Beruf des photoplaywright einen recht schlechten Ruf hatte. Vermittelt wurde der Eindruck, dass es sich noch nicht um eine ernstzunehmende hauptberufliche Tätigkeit handelte.64 Berufe, wie die des readers oder story analysts, wurden vorwiegend von Frauen ausgeübt, denen sich weitere Aufstiegsmöglichkeiten in den Drehbuchabteilungen der Studios boten.65 Im Scenario Bulletin-Review wurde beispielsweise die Karriere der Stenotypistin Adele Buffington nachgezeichnet, die erst als reader in einem Filmstudio arbeitete und dann zur Drehbuchautorin aufstieg.66 Buffington begann im Alter von 13 Jahren als Stenotypistin und wurde mit 16 reader bei Thomas Ince. Ihre erste Drehbuchvorlage lieferte sie dann im Jahr 1919 ab. Ihre Karriere beim Film umspannte fast fünf Dekaden, in denen sie zur Drehbuchverfasserin zahlreicher Low-budget-Westernfilme wurde und Autoren-Pseudonyme wie Colt Remington nutzte.67 Seit der Einführung des Tonfilms um das Jahr 1927 war der Drehbuchautor mit komplexen Anforderungen konfrontiert, die zur Spezialisierung des Berufs führten. Dieser hatte immer weniger mit einem freien Schriftstellerberuf zu tun. Drehbuchautoren waren Angestellte, die im Rahmen der großbetrieblichen Organisationsform in einem Team zu funktionieren hatten. Die Spannung zwischen »Künstlerberuf« und »Handwerksberuf« verschärfte sich. Die ambivalente Haltung gegenüber den Kreativen in Hollywood wurde durch die klischeehafte Darstellung der Ausbeutung gestandener Literaten weiter angeheizt. Ihre besonderen arbeitsrechtlichen Probleme im Studiosystem wollten die Drehbuchautoren deshalb mit der Gründung eines eigenen Berufsverbandes lösen.
64 | Vgl. Kolty, Jean C. de, Editorial, S. 2-3. Ein Leserbrief von R. A. McNary auf Seite 16 der Ausgabe stellt klar, dass der Drehbuchautor wohl noch keine ernstzunehmende gesellschaftlich akzeptierte occupation war. 65 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 32-50. 66 | Vgl. Buffington, Adele, How I got there?, in: Scenario Bulletin-Review, Bd. 7 (1921) H. 2, S. 19. 67 | Vgl. Wollstein, Hans J., Adele Buffington. Full Biography, 2010, http://movies.nytimes.com/person/83471/Adele-Buffington/biography, eingesehen am 8.10.2012.
Die Gründung des Berufsverbands »Screen Writers’ Guild«
D ie G ründung des B erufsverbands »S creen W riters ’ G uild « Die Drehbuchautoren Hollywoods schlossen sich, ähnlich wie die Dramatiker des Broadways, zu einem Berufsverband zusammen. Nach der Gründung einiger Vorläuferorganisationen wie der »Photoplay Authors’ League« (1913-1916) war das Klima für die Initiierung von Berufsvertretungen Anfang der 1920er Jahre in Hollywood günstig. 1920 gründete sich in Los Angeles die »Screen Writers’ Guild« als Berufsverband für die Drehbuchautoren. Die erste Berufsvertretung für Kameramänner und -frauen folgte im Mai 1920 mit der »American Society of Cinematographers«.68 Das Gründungstreffen der »Screen Writers’ Guild« fand im Anschluss an einige private Treffen der erfolgreichen Drehbuchautoren Thompson Buchanan und Rupert Hughes am 24. Juni 1920 in Buchanans Haus in Hollywood statt. Hughes war einer der wenigen erfolgreichen Vertreter der Eminent Authors. Ein Dinner mit Frank E. Woods, der zuvor als Vorstand der »Photoplay Authors’ League« fungierte, und einigen Neumitgliedern brachte die offizielle Verbandsgründung voran. Am 8. Juli verabschiedete der Verband seine eigene Satzung. Die offizielle Anerkennung als Unterorganisation der New Yorker »Authors’ League« erfolgte am 21. 10 1920. Der erste Präsident war Rupert Hughes, der mit einer Vorgängerorganisation namens »The Writers« bereits Versuche unternommen hatte, die Drehbuchautoren in einer berufsständischen Organisation zusammenzufassen.69 Die »Screen Writers‘ Guild« wurde mit dem Hauptziel gegründet, die Drehbuchautoren zu vereinen und für deren Interessen einzutreten. Im Januar 1921 veröffentlichte der Verband die Ziele der Organisation. Darunter waren ganz zentral auch der urheberrechtliche Schutz für Drehbücher, Originalfilmideen und Manuskripte aufgeführt. Die Abschaffung der Zensur im Film und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Verbandsmitgliedern waren weitere Aufgabenbereiche. Ein großes Problem war die Namensnennung im Filmabspann und auf Werbeanzeigen des Films, da der Drehbuchautor oft überhaupt nicht oder falsch aufgeführt wurde. Die Drehbuchautorengilde forderte außerdem eine adäquate Vergütung und strebte die Hebung des beruflichen Ansehens an.70 Im Vergleich zur Vorläuferorganisation »Photoplay Authors’ League« hatte die Drehbuchautorengilde den Anspruch, eine professionelle Berufsvertretung zu sein, die ihre Mitglieder aufgrund beruflicher Eignung und Erfahrung aufnahm. Die »Screen Writers‘ Guild« wollte anfänglich feste Honorarsätze und eine Gewinnbeteiligung durchsetzen. Diese Forderungen wurden später abgemildert, 68 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’Guild (1920-1942), S. 13-19. 69 | Vgl. ebd., S. 13-19. 70 | Vgl. ebd. S. 20.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
um Neumitgliedern sowie Arbeitgebern nicht den Eindruck zu vermitteln, dass es sich um eine Gewerkschaft handele.71 Zu Beginn blieb die Drehbuchautorengilde trotz hehrer Ziele eine Organisation, die nur wenige ihrer ursprünglichen Forderungen durchsetzen konnte. Gewerkschaftliche Forderungen wurden zwar formuliert, aber nicht wirklich öffentlich gemacht, da diese für kreative Angestellte wegen ihrer Stellung above-the-line verpönt war.72 Voll entfalten konnte sich der Berufsverband erst in den 1930er Jahren, als es im Rahmen des neuen sozialpolitischen Klimas des New Deals und aufgrund gesetzlicher Änderungen einfacher wurde, sich in Betrieben gewerkschaftlich zu organisieren. Zur zentralen Forderung des Verbandes wurden die Namensnennung und die Kontrolle über die credits im Vor- oder Abspann, denn diese waren ein Zeichen für berufliche Erfahrung und Leistungsfähigkeit und verbesserten die Chancen auf eine langfristige Anstellung. Die regelmäßige Namensnennung von Drehbuchautoren auf Filmplakaten und im Abspann kam nach der Gründung des Verbandes langsam in Gang. Davor war es üblich gewesen, den künstlerischen Beitrag von Regisseuren, Produzenten und Kameramännern beispielsweise in Wid’s Year Book (später Film Year Book) zu erwähnen. Die Drehbuchautoren waren lange außen vor geblieben. Öfter hatten sich stattdessen die Produzenten selbst als Drehbuchautoren bezeichnet mit der Begründung, sie hätten kurz vor Drehbeginn einiges im Manuskript abgeändert.73 Die Drehbuchautorengilde hatte in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens nur mäßigen Erfolg. Besonders im Hinblick auf Namensnennung und Arbeitsbedingungen machten sie nur wenige Fortschritte, da die Produzenten der »Screen Writers’ Guild« nicht freundlich gesinnt waren. Die Arbeitgeber befürchteten Arbeitskämpfe. Gewerkschaften waren in der prosperierenden Filmindustrie verpönt. Noch versuchten die Parteien, ihre Streitigkeiten mit persönlichen Beziehungen und Zugeständnissen zu lösen. Der Berufsverband der Drehbuchautoren schaffte es erst in den 1930er Jahren, als kollektive Vertretungsorganisation anerkannt zu werden, die gewerkschaftsähnliche Strategien benutzte, um ihre Ziele langfristig durchzusetzen. Gewerkschaften für die kreativen Berufsgruppen in Hollywood kamen erst im Laufe der 1930er Jahre zustande. Der Drehbuchautorenverband unterhielt enge Verbindungen zu den Autorenverbänden in New York und orientierte sich an dem dortigen Dachverband »Authors’ League of America«. Die Autorenliga und deren Unterverbände »Ac71 | Vgl. ebd., S. 20-25. 72 | Dies entsprach der Dichotomie in Hollywood zwischen above-the-line-Mitarbeitern und below-the-line-Arbeitern und -Angestellten. Vgl. Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement. 1911-1941, Berkeley-Los Angeles 1963, S. 318320 und Conor, Bridget, ‘Everybody‘s a Writer’, hier S. 33. 73 | 1921-22 haben so Wid’s Year Book knapp 60 Prozent der DBA aus 800 Spielfilmen credits erhalten, die Quote für Kameramänner lag noch bei weit über 80 Prozent. Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers‘ Guild (1920-1942), S. 20-25.
Die Gründung des Berufsverbands »Screen Writers’ Guild«
tors’ Equity« und »Dramatists’ Guild« fungierten als Organisationsvorbild für die Drehbuchautoren in Hollywood, wenn es um geregelte Vergütung und die Wahrung ihrer geistigen Eigentumsrechte ging. Um die Verbindung nach New York klarzumachen, eröffnete die Drehbuchautorengilde 1921 eine Dependance an der Ostküste, die allerdings zwei Jahre später wieder geschlossen wurde.74 Mit ihren Forderungen orientierte sich die »Screen Writers’ Guild« auch stark an der Berufsvertretung der Dramatiker in New York; die »Dramatists’ Guild« erstritt 1926 einen kollektiven Mindestvergütungsvertrag.75 Großen Zuspruch hatte das durch die »Screen Writers’ Guild« eingerichtete Schiedsgericht (grievance committee), welches Streitigkeiten zwischen Produzenten und Autoren beilegen sollte. Insbesondere junge Drehbuchautoren profitierten von dem Angebot der Rechtsberatung und von Erfahrungen »alter Hasen« des Filmgeschäfts, um bei Vertragsabschlüssen nicht betrogen zu werden. Im ersten Jahr des Bestehens der Drehbuchautorengilde verhandelte der Ausschuss bereits dreißig Fälle. Selbst Produzenten reichten ungeklärte Probleme ein. 1922 wurden nur noch fünf Fallentscheidungen geschlichtet. Die präventive Rechtsberatung funktionierte so gut, dass weniger Streits entstanden und geschlichtet werden mussten. Die Drehbuchautoren wurden angehalten, ihre Verträge nun schriftlich niederzulegen, statt auf mündliche Abmachungen zu vertrauen. Im Fall der Normalverträge, die Dramatiker und Schauspieler am Broadway bereits hatten, war der Drehbuchautorenverband in den 1920er Jahren noch nicht erfolgreich. Grundsätzlich stand man in Hollywood vor andersartigen arbeitsund vertragsrechtlichen Aufgaben als die Schriftstellerkollegen an der Ostküste. 1921 unternahmen die Anwälte der Drehbuchautorengilde drei Versuche, einen Standardvertrag durchzusetzen, und scheiterten jedes Mal, weil die Produzenten die »Screen Writers’ Guild« nicht als alleinige Berufsvertretung anerkannten. Als die Drehbuchautoren jedoch gewerkschaftsähnliche Strategien benutzten, um mehr Macht und Einfluss zu gewinnen, versuchten die Produzenten, die sich organisierende Berufsgruppe wieder zu spalten. So erkannte die »Motion Picture Producers and Distributors of America« einen industrieweiten Normalvertrag nicht an, weil sie die Drehbuchautorengilde nicht als reguläre Vertretung aller Autoren der Filmindustrie betrachtete. Absprachen scheiterten und Normalverträge wurden höchstens von einzelnen Studios abgeschlossen. Als die »Screen Writers’ Guild« 1924 versuchte, einen Standardvertrag bei dem Vorsitzenden des Produzentenverbandes, Will H. Hayes, durchzusetzen, wurde auch dieser wieder abgelehnt.76 74 | Vgl. ebd., S. 26-29. 75 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. The Dramatists Guild’s Struggle for the 1926 Minimum Basic Agreement, in: New England Theatre Journal (2001) H. 12, S. 51-78, hier S. 51-53. 76 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 29-39.
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Ein Dauerproblem war die Anerkennung geistiger Eigentumsrechte. Insbesondere Autoren von Originalgeschichten und Filmideen litten unter der Praxis, dass die Autoren nicht bezahlt wurden, bis sich der Produzent für die Verfilmung des Stoffes entschieden hatte, und dass sie das Werk in dieser Zeit, aufgrund eines Optionsvertrages mit den Studios, nicht anderen Filmfirmen anbieten durften. Diese Praxis beförderte den »Ideenklau«, indem Regisseure Ideen »aufschnappten« und selber in einem Drehbuch ausarbeiten ließen. Die »Screen Writers‘ Guild« empfahl den Drehbuchautoren deshalb, Kopien der Geschichte an so viele Studios wie möglich zu senden. Das Ansehen der Drehbuchautoren war wegen des Fehlens einer starken Organisation und aufgrund des fehlenden Zusammenhalts unter den Drehbuchautoren ins Hintertreffen geraten: »One of the troubles of the writer of stories for the screen is that he lacks the established authority of the novelist, short-storywriter, and dramatist. His craft has been in the adolescent stage, and has not the more mature experience which compels material advantages as enjoyed by the older branches of the art of writing.« 77
In den ersten drei Jahren hatte der Drehbuchautorenverband bereits 250 Mitglieder gewonnen.78 Er verbesserte die Beziehung zwischen Autoren und Produzenten und erzielte eine Reduzierung der Streitfälle im Bereich der Namensnennung. Die Festsetzung professioneller Standards war immens wichtig für den sich konsolidierenden und spezialisierenden Berufszweig.79 Die Zeitschrift The Photodramatist (seit 1919 noch als Photoplaywright erschienen) wurde mit ihrer zweiten Ausgabe des Jahres 1921 offizielles Organ der »Screen Writers Guild of the Authors’ League of America«.80 In den Selbstbeschreibungen der Gilde wurde immer wieder betont, sie sei bis 1933 ein Club mit vorrangig sozialen Funktionen wie Freizeitaktivitäten, eigenem Clubhaus und Dinnerparties gewesen.81 Allerdings hatte sie bereits durchaus gewerkschaftsähnliche Ziele vertreten. Sie wollte seit ihrer Gründung die Stellung 77 | Willis, Richard, Screenalities, in: The Authors’ League Bulletin, Bd. 12 (June 1924) H. 3, S. 14-15, hier S. 14. 78 | Vgl. Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement, S. 353f. 79 | Vgl. Ross, Murray, Stars and Strikes. Unionization of Hollywood, New York 1941, S. 48-51. 80 | Der vollständige Name weist darauf hin, dass die Drehbuchautorengilde in Hollywood sich als Unterabteilung der »Authors’ League« aus New York verstand. Vgl. Le Berthon, Ted, This Side of Nivana, in: The Photodramatist, Bd. 3 (1921) H. 2, S. 15. 81 | Ein Gebäude am Sunset Boulevard in Los Angeles wurde erworben, um Mitgliedern ein Clubhaus zu bieten. Vgl. Writers Guild of America West (Hrsg.), Brief Outline of History and Organization of the Writers Guild of America, in: Performing Arts Review, Bd. 2 (1971)
Die Gründung des Berufsverbands »Screen Writers’ Guild«
der Drehbuchautoren im Studiosystem verbessern. Die Drehbuchautorengilde wehrte sich gegen Zensur, versuchte einheitliche Mindestvergütungssätze zu erreichen und die Frage der Namensnennung zu regulieren. Dass sie in den 1920er Jahren weniger Fortschritte im Kampf um Normalverträge machen konnte, lag am Gegenwind der Filmindustrie und an der Konkurrenz durch andere Berufsverbände. Die Verbandszeitschrift der Drehbuchautorengilde hieß The Script.82 Ihr wöchentlicher Newsletter mit dem Titel Bulletin of the Screen Writers’ Guild of the Authors’ League of America erschien seit Februar 1922 regelmäßig.83 Die ersten Leitartikel beschäftigten sich mit dem Ausbau des verbandseigenen Clubhauses und mit Klatsch aus der Filmbranche. Im Juni desselben Jahres wurde ein Brief an Will H. Hays mit der Aufforderung abgedruckt, dieser solle sich gegen kommerzielle Schreibschulen aussprechen. Hays war der erste Vorsitzende der 1922 gegründeten »Motion Picture Producers and Distributors Association of America« (kurz: MPPD), einer Handelsorganisation, welche die Produzenten im Filmbusiness vertrat und die Filmindustrie nach außen als verantwortungsvollen und gesellschaftlich nützlichen Wirtschaftszweig darstellen sollte. Die Drehbuchautoren wehrten sich gegen Hays Äußerung, dass die Konkurrenzorganisation »Photoplaywrights’ League« eine legitime Vertretung der Drehbuchautoren sei. Dies sollte gerade die »Screen Writers’ Guild« sein und Hays Bekenntnis schwächte die Forderung nach einer einheitlichen Berufsvertretung wieder ab. Die »Screen Writers’ Guild« hatte das Ziel, die einzig legitime Berufsvertretung zu werden, und wollte kein Pool für Amateure, sondern eine Organisation für professionelle Filmautoren sein.84 Die in Los Angeles ansässige »Photoplaywrights’ League« hatte circa 200 Mitglieder und sah sich als Vertretung der freischaffend arbeitenden Drehbuchautoren. Sie bewarb die Drehbücher der eigenen Mitglieder in ihrer Zeitschrift und war somit im Grunde eine Verwertungsstelle, die den Verkauf der Szenarien ankurbeln wollte.85 Die »Photoplaywrights’ League« war also keine wirkliche Konkurrenz für den Drehbuchautorenverband. Ihre Aufgaben betrafen Agenturdienste, Rechtsbeihilfe und Beratung.86 Die Produzenten versuchten, die kreativen Mitarbeiter auf ihre Seite zu ziehen. Sie wollten verhindern, dass sich Schauspieler und Regisseure ähnlich wie beim Battle of Broadway 1919 in gewerkschaftsähnlichen Berufsverbänden orgaH. 2, S. 379-382 und Heath, Percy, The Screen Writers’ Guild, in: The Photodramatist, Bd. 3 (July 1921) H. 2, S. 17-18. 82 | O. A., Editorial, in: The Script, Bd. 1 (May 1922), o. S. 83 | Vgl. o. A., Editorial, Bd. 1 (May 1922), o. S. 84 | Vgl. o. A., Editorial, in: The Script, Bd. 1 (June 1922), o. S. 85 | Vgl. o. A., Photoplaywrights League of America. Monthly Bulletin, in: Scenario Bulletin-Review, Bd. 7 (1921) H. 2, S. 29. 86 | Vgl. Koszarski, Richard, An Evening’s Entertainment. The Age of the Silent Feature Picture, 1915-1928, 3. Aufl., London 1994, S. 98.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
nisierten und kollektive Vergütungsregeln (Minimum Basic Agreement) aushandelten. Produzenten und kreativ tätige Angestellte,87 wozu auch die Drehbuchautoren gehörten, sollten so von den einfachen Angestellten below-the-line in der hierarchischen Ordnung der Filmproduktion abgeschottet werden. Die talent crafts wurden besser vergütet und konnten vielfach Sondertarife aushandeln.88 Tatsächlich behandelten die Studios Drehbuchautoren bis zu dem im Jahr 1932 abgeschlossenen code of practice mitunter noch als technische Angestellte. Sie wurden im Abspann neben den Elektrikern und Dekorateuren aufgelistet und mit einer einmaligen Zahlung für ihre Arbeit vergütet.89 Die Drehbuchautoren selbst und ihr Aufgaben waren aber durchaus kreativ und schöpferisch. Dieses ambivalente Rollenverständnis machte die Entwicklung zu einer angesehen Status- und Berufsgruppe nicht gerade einfacher. Die Filmautoren tendierten in den 1920er Jahren dazu, sich aus dem Schatten traditioneller Autorrollen zu befreien und waren uneins, ob sie zur Durchsetzung ihrer Ziele eher kollektive Strategien des Arbeitskampfes wählen oder doch zuvörderst individuelle eigene künstlerische Ziele vertreten sollten. Im Studiosystem der 1920er Jahre kristallisierte sich die grundlegende Notwendigkeit einer kollektiven Verberuflichungsstrategie mit gewerkschaftsähnlichen Methoden bereits heraus.
D ie D rehbuchautorengilde und ihr K ampf gegen K onkurrenz verbände und Z ensur Ein Feind der Drehbuchautoren und aller Filmschaffenden war die Zensur. Hays Produzentenvereinigung MPPD war gegründet worden, um der gesellschaftlichen Kritik und den Skandalen im Umfeld der Filmindustrie entgegenzutreten. Vorausgegangen waren Skandale in Hollywood, die mit Drogen, Prostitution und Raub die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzten. 1922 wurde der Regisseur William Desmond Taylor erschossen in seiner Villa aufgefunden, ein Jahr zuvor soll Slapstickdarsteller »Fatty« Arbuckle die Schauspielerin Virginia Rappe auf einer dreitägigen Party vergewaltigt haben. Viele ähnliche Vorfälle wie der mysteriöse Tod von Produzent Thomas Ince auf der Yacht von Medienmogul William Randolph Hearst im Jahr 1924 befeuerten das negative Image vom sündhaften »Hollywood
87 | Vgl. Gelman, Morris, The Above-The-Line Unions, in: Television Magazine, Bd. 24 (1967) H. 11, S. 40-48; 70-72. 88 | Vgl. Paul, Alan / Kleingartner, Archie, Flexible Production and the Transformation of Industrial Relations in the Motion Picture and Television Industry, in: Industrial and Labor Relations Review, Bd. 47 (1994) H. 4, S. 663-678, hier: S. 663 und Conor, Bridget, ‘Everybody‘s a Writer’, S. 33f. 89 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood and the Culture Elite, S. 88.
Kampf gegen Konkurrenzverbände und Zensur
Babylon«.90 Kirchenvertreter, Frauenvereine und Politiker forderten vermehrt Zensurmaßnahmen und sogar einen Kino-Boykott.91 Die Produzenten versuchten, ihr Image wieder geradezurücken und Gewinnverluste zu vermeiden, indem sie eine brancheninterne Zensurbehörde einrichteten. Die interne Vorzensur der Filmindustrie diente der Planungssicherheit und sollte dafür sorgen, dass kein öffentliches Aufsehen oder das nachträgliche Einschreiten staatlicher Zensurinstanzen nötig wurde. Die Filmindustrie Hollywoods stand unter dem Druck, ihre Filme »sauber« und möglichst »lasterfrei« zu halten. Zwischen 1911 und 1922 hatten sich mächtige staatliche Zensurinstanzen wie das Censorship Board in Kansas, Maryland und New York etabliert, die bis in die 1960er Jahre hinein Filminhalte kontrollierten. Zensurfälle wurden von diesen Gremien und Ausschüssen bestimmt. Die gerichtlichen Instanzen bedrohten die Freiheit der Meinungsäußerung mit der Begründung, dass Film als ein kommerzielles Gut zu behandeln und deshalb nicht gesondert schützenswert sei. Das Gericht verwehrte dem Filmmedium deshalb den Schutz des Verfassungszusatzes, der die Freiheit der Meinungsäußerung garantierte.92 Seit 1922 wurden zwei Dutzend Zensurgesetze verabschiedet. Die Filmindustrie fürchtete zeitgleich große Einnahmeverluste, wenn die Filminhalte nachträglich vom Staat beeinflusst würden. Im Laufe der 1920er Jahre veröffentlichte Hays deshalb einen Ratgeber, um Filmemacher auf die Gefahren der möglichen Zensur aufmerksam zu machen. Industrieweit verbindlich wurden diese Regeln 1930 mit der Schaffung des sogenannten »Hays Office«,93 welches den production code94 mithilfe des Dachverbandes der US-Filmproduktionsfirmen durchsetzte. Diese Sammlung von »Dont’s« and »Be Carefuls« wurde besonders nach der Einführung des Tonfilms durch die 1934 gegründete »Production Code Administration« überwacht. Der Zensurkodex war für die Filmproduktion bis Anfang der 1960er Jahre prägend. Es wurde kein Film aufgeführt, der nicht durch die brancheninterne Zensurbehörde geprüft worden war. Die Produzenten reichten Drehbücher vor der Verfilmung ein und erhielten daraufhin Anweisungen für Änderungen.95 90 | Vgl. Stellvertretend für diese Vorstellung auch Anger, Kenneth, Hollywood Babylon, San Francisco 1975. 91 | Vgl. Urs, Jenny, Millions, Murder, Misery, in: Der Spiegel, 30.3.1987, S. 234-242. 92 | Vgl. Ayer, Douglas / Bates Robert E. / Herman Peter J., Self-Censorship in the Movie Industry, hier S. 216. 93 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, London 1990, S. 57-70. 94 | Abdruck des vollständigen Wortlauts der Hays dont’s and be carefuls von 1927 und des production code von 1930 bei Lewis, J., Hollywood v. Hard Core. How the Struggle Over Censorship Created the Modern Film Industry, 2. Aufl., New York-London 2002, S. 301-307. 95 | Vgl. Ayer, Douglas / Bates Robert E. / Herman Peter J., Self-Censorship in the Movie Industry, hier S. 217 und Koppes, Clayton R., Regulating the Screen. The Office of War Information and the Production Code Administration, in: Schatz, Thomas (Hrsg.), Boom and
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Die Drehbuchautoren wie Elia Kazan wandten sich gegen diese Zensurmaßnahmen und die öffentliche Hetzjagd der Filmbranche.96 Sie gründeten deshalb 1922 die »Screen Drama League«, die dazu diente, sie vor öffentlichen Anschuldigungen und medialen Kampagnen zu schützen und ihre Reputation wiederherzustellen. Die »Screen Writers’ Guild« trat sogar der »Federation of Art« bei, mit der Kameramänner, Regisseure und Produzenten ihr Image in der Öffentlichkeit verbesserten.97 Die »Screen Drama League« unterstützte die Produzenten sauberer und angemessener Filme. Diese forderten die Drehbuchautoren auf, mit ihrer Stimme und ihrem Schreibgerät gegen die grassierende Zensur vorzugehen und die Filmkunst zu bewahren. Für Drehbuchautoren benutzte die »Screen Drama League« nicht den bereits gängigen Begriff Screenwriter, sondern Photodramatist. Ein Terminus, der sich an den tradierten Autorenberufen orientierte, um das Kino als Kulturgut zu etablieren und der Berufsbezeichnung mehr Prestige zu verleihen.98 Die »Screen Drama League« verteidigte sich nicht nur gegen die aufkommenden Zensurforderungen und Eingriffe von Politik und anderen Lobbygruppen, sondern warb offensiv für die Anerkennung geistiger Eigentumsrechte der Drehbuchautoren. In der Zeitschrift The Photodramatist, die auch anfänglich das Verbandsorgan der Drehbuchautorengilde war, forderten die Autoren für sich das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung. Sie wehrten sich gegen unautorisierte Änderungen und Verschandelungen der Drehbücher. Man muss hinzufügen, dass in der Ausgabe des The Photodramatist vom Dezember 1922 schon kein Hinweis mehr auf die »Screen Writers’ Guild« zu finden ist, deren Verbandszeitschrift sie seit 1920 eigentlich darstellte.99 Das könnte damit zusammenhängen, dass The Photodramatist von der Palmer-Photoplay-Corporation herausgegeben wurde und die Drehbuchautorengilde etwa zeitgleich eine Kampagne gegen scenario schools in der Öffentlichkeit lancierte. Die Gilde klärte darüber auf, dass die meisten der sogenannten Drehbuchschulen Betrug wären, da sie versprachen, einen unerfahrenen Autor so auszubilden, dass dieser sein Manuskript an ein Studio verkaufen könne.100 So wehrte man sich gegen vermeintliche schwarze Schafe der Branche und versuchte, die Ausbildung auch in die Hände der Palmer Photoplay Bust. American Cinema in the 1940s, 6. Bd., 2. Aufl., Berkeley-Los Angeles-London 1999, S. 262-284. 96 | Vgl. Kazan, Elia, The Writer and the Motion Pictures, in: Sight and Sound, Bd. 27 (1957) H. 1, S. 20-24. 97 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 29-35. 98 | Vgl. o. A., The Screen Drama League. An Organization to Combat the Censorship Evil, in: The Photodramatist, Bd. 3 (April 1922) H. 11, S. 8. 99 | Vgl. The Photodramatist, Bd. 3 (April 1922) H. 11. 100 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 35-39.
Kampf gegen Konkurrenzverbände und Zensur
Corporation zu legen, in deren Zeitschrift man kurzzeitig den verbandseigenen Newsletter herausbrachte. Diese Ausgabe des The Photodramatist gibt auch darüber Auskunft, dass die Palmer-Schule sich seit 1920 vermehrt kreativen Schreibkursen zuwandte und sich immer weniger als professionelle Einrichtung für die Ausbildung von Szenaristen betrachtete.101 Mit der Gründung der »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« (kurz: Academy) im Jahr 1927 wurde eine produzentenfreundliche Berufsvertretung der talent crafts geschaffen, die alle kreativen Berufe unter ihrem Dach vereinte und zum wichtigsten Konkurrenten der Drehbuchautorengilde wurde. Die Produzenten akzeptierten die »Academy« als legitime Berufsvertretung und schlossen sogar einen Standardvertrag mit ihr ab. Kritiker sahen in der »Academy« keine wirkliche Arbeitnehmervertretung, weil sie im Grunde die Seite der Arbeitgeber vertrat. Einige technische Berufsgruppen hatten sich in Hollywood bereits erfolgreich gewerkschaftlich organisiert. Für die kreativen Mitarbeiter war es noch verpönt, Strategien des Arbeitskampfes zu übernehmen. Die »Academy« versuchte daraufhin, die Vertrags- und Arbeitsbeziehungen zwischen Drehbuchautoren und Produzenten zu regeln und dabei die Drehbuchautorengilde zu übergehen. Die Studios setzten 1927 mithilfe der »Academy« eine Gehaltskürzung um 10 Prozent durch, die der »Screen Writers’ Guild« zwar missfiel, aber von ihr akzeptiert wurde, da sie schlichtweg kaum noch Verhandlungsmacht besaß.102 Zwar waren in der Drehbuchautorengilde Ende der 1920er Jahre über 200 Mitglieder organisiert, jedoch konnte sie viele ihrer ursprünglichen Ziele nicht verwirklichen respektive gerieten diese durch die »Academy« ins Hintertreffen. Die »Academy« galt bis in die 1930er Jahre hinein als legitime Berufsvertretung der Kreativberufe im Filmbereich.103 Die Machtverschiebung zwischen den Organisationen manifestierte sich darin, dass 1927 der ehemalige Präsident der »Screen Writers’ Guild« Frank E. Woods zum Sekretär der »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« gewählt wurde. Die »Academy« dominierte von nun an die Vertretung der Regisseure, Schauspieler und Drehbuchautoren im Filmgeschäft. Ihre Ziele waren die Vereinigung der Mitarbeiter der Filmindustrie und die Erhöhung des Prestiges für die kreativen Berufsgruppen. Die beiden konkurrierenden Organisationen »Screen Writers’ Guild« und die »Academy« konnten sich jedoch nicht darauf einigen, wer für die Schlichtung von Streitfällen zuständig sein sollte. Auch ein Zusammenschluss der Drehbuchautorengilde im Rahmen der industrieweit organisierten »American Federation of Labor« (kurz: AFL) hätte das Legitimitätsproblem des Verbandes nicht gelöst. Weder die Mitglieder der AFL noch die der Gilde waren von einer Fusion angetan. Die AFL galt als landesweite Organisation für Industriearbeiter, in der beispielsweise 101 | Vgl. Morey, Anne, ‘Have you the power?’, S. 302. 102 | Vgl. Ross, Murray, Stars and Strikes, S. 48-51. 103 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 90-110.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
die Bühnenarbeiter der Filmbranche gut organisiert waren.104 Die Drehbuchautoren hingegen verstanden sich mehrheitlich als above-the-line-Angestellte, und darum traten Grabenkämpfe auf, in denen sich einige »Screen Writers’ Guild«-Mitglieder für den Anschluss an die Arbeiterbewegung und die AFL aussprachen und andere eine elitäre berufliche Interessenvertretung wie die »Academy« begrüßten. In Hollywood herrschte wegen der landesweiten Rezession Krisenstimmung. Die Studios verhandelten mit Geldgebern und Investoren aus New York. Dadurch wurde die Filmindustrie stärker von den Finanzinstituten der Ostküste abhängig. Da die Filmindustrie nicht mehr nur prosperierte, war es für Berufsvertretungen einfacher, mit gewerkschaftlichen Strategien zu argumentieren.105 Nach Streiks der Arbeiterschaft und der Anerkennung von Mindestgehältern durch das Studio Basic Agreement 1926 verhinderten die Produzenten nun weitere Gewerkschaftsgründungen der kreativen Mitarbeiter.106 Die Studios waren gezwungen, das in Soundtechnik investierte Geld wieder einzusparen. Unter der Kürzungswelle litten auch die Drehbuchautoren, denn die Filmstudios planten im Mai 1927 Gehaltskürzungen für alle Nicht-Gewerkschaftsmitglieder und reagierten damit auf den Druck der neuen Investoren aus der Finanzindustrie. Zuerst setzte Paramount die Konsolidierungsforderungen durch und kürzte das Gehalt aller nicht fest angestellten Mitarbeiter um 25 Prozent. Die Filmautoren und Schauspieler bei Universal und Paramount lehnten die Einschränkungen vehement ab, da sie es unverständlich fanden, dass in Zeiten steigender Gesamteinnahmen die Mitarbeiter bestraft werden sollten. Der Zusammenhang zwischen den neuen Investitionen im Soundbereich und der Forderung der neuen Geldgeber, die Profitmargen zu erhöhen, erschien ihnen nicht plausibel.107 Auch beim Prestigestudio MGM trug man Drehbuchautoren die Bürde auf, für die Zukunft der Produktion Entbehrungen auf sich zu nehmen, um, wie gesagt wurde, das Studio vor dem Bankrott zu bewahren. Gleichzeitig drohte man den 28 angestellten Drehbuchautoren, sofern sie den neuen Kurs nicht akzeptierten, mit Entlassung. Die Debatte um die grassierenden Gehaltskürzungen brachte der »Academy« neuen Mitgliederzuwachs, da der Verband sich zuerst gegen die Kürzungen positionierte und mit den Produzenten verhandelte.108
104 | Bühnenarbeiter und Musiker waren bereits seit 1916 an der Ostküste organisiert. Sie transferierten dieses System in den 1920er Jahren auch an die Westküste. Vgl. Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement, S. 318-320. 105 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 45-52. 106 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office, S. 57-71. 107 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, New York 1982, S. 3-14. 108 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 52-68.
Zusammenfassung – Neue Herausforderungen in Hollywood
Die »Screen Writers’ Guild« hatte sich nur zurückhaltend zum Thema Kürzungen geäußert und mit dem Gedanken gespielt, dem Gewerkschaftsbund AFL beizutreten, was vielen Mitgliedern als zu radikale Lösung erschien. Viele Kreative sahen in der »Academy« zwar eine von Produzenten angeführte Organisation, wählten sie allerdings als das kleinere Übel anstelle einer Kooperation mit den Berufsverbänden der Ostküste wie der »Authors’ League of America« oder der Gewerkschaftsbewegung. Dies ging mit einem Mitgliederschwund der Drehbuchautorengilde einher. Da die Drehbuchautorengilde mit der Autorenliga in New York assoziiert war und eine Einmischung von der Ostküste seit der Kürzungsdebatte ungern gesehen wurde, befanden sich die Drehbuchautoren in einer Zwickmühle. Im Juli 1927 wurden die Gehaltskürzungen schließlich doch zurückgezogen und die Studios sparten auf anderem Wege Geld ein. Daraufhin schlossen die Kameramännerund frauen im 1929 einen industrieweiten Normalvertrag mit kollektiven Vergütungsregeln (Minimum Basic Agreement) ab. Dies gab den Kreativen in Hollywood neuen Aufwind bei der Institutionalisierung eigener Berufsverbände.109 Im Jahr 1926 hatten bereits die Dramatiker mithilfe der »Dramatists’ Guild« in New York einen Normalvertrag errungen.110 Diese Vorbilder nutzte die Drehbuchautorengilde in den 1930er Jahren und versuchte mit einer kollektiven, gewerkschaftlichen Strategie ihre Ziele durchzusetzen.111
Z usammenfassung – N eue H er ausforderungen für D rehbuchautoren in H olly wood Für die Drehbuchautoren ergaben sich aufgrund ihrer Position als Auftragsschreiber innerhalb der arbeitsteiligen Produktion in Hollywood neue Herausforderungen. Dies führte zu einem weiteren Professionalisierungsschub. So wurden Dialogautoren, polisher, script doctors oder reader zu spezialisierten Tätigkeitsprofilen. Außerdem versuchten die etablierten Schriftsteller der Ostküste nun als Szenaristen in der Filmbranche in Los Angeles tätig zu werden. In ihrer neuen Rolle als angestellte Geistesarbeiter war es für die einstigen Journalisten, Bühnenautoren oder Schriftsteller schwer, sich an die veränderten Arbeitsbedingungen in der großbetrieblichen Produktion anzupassen und ihre beruflichen Vorstellungen eines individuell schöpferischen, freien Schriftstellers mit den 109 | Vgl. ebd., S. 52-68. 110 | Vgl. Norman, Marc, What happens next. A History of American Screenwriting, New York 2007, S. 132-134 und Bassin, Joel, The Minimum Basic Agreement of the Dramatists’ Guild. A History of Inadequate Protection, in: Journal of Arts Management, Law & Society, Bd. 25 (1995) H. 2, S. 157-172. 111 | Vgl. Fine, Richard, James M. Cain and the American Authors’ Authority, Austin 1992, S. 68-71.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
tatsächlichen, praktischen Erfordernissen und routinierten Tätigkeiten des Angestelltendaseins zu vereinbaren. Drehbuchautoren übernahmen spezifische projektabhängige Aufgaben und waren schreibend sowie zeichenbearbeitend tätig. Sie waren abhängige Beschäftigte der Studios, die als Auftragskünstler weniger künstlerisch-ästhetisch tätig waren. Das bedeutete, dass weder schöpferische Aspekte noch Originalität in ihrer Arbeit dominierten, sondern geistige Werke im Rahmen kollektiver Aushandlungsprozesse in arbeitsteiligen hierarchischen Großbetrieben angefertigt wurden. Nach der Gründung des Berufsverbandes »Screen Writers’ Guild« im Jahr 1920 zeigte sich, dass dessen Mitglieder zwar durch Schriftstellerverbände in New York beeinflusst waren, Drehbuchautoren an der Westküste allerdings ein völlig neues Arbeitsumfeld und anders gelagerte arbeitsrechtliche Probleme hatten. In den 1920er Jahren waren im Raum Los Angeles erste Gewerkschaften für die in der Filmindustrie beschäftigten Arbeiter gegründet worden. Allgemein waren Produzenten gewerkschaftsfeindlich eingestellt und die Drehbuchautorengilde wurde von ihnen nicht als Berufsvertretung akzeptiert. Die Produzenten verhinderten, dass die Drehbuchautorengilde nach ihrer Gründung 1920 als anerkannte Berufsvertretung industrieweit akzeptiert wurde. Stattdessen konkurrierte die »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« mit der Drehbuchautorengilde um die legitime Vertreterrolle. Die produzentenfreundliche »Academy« wollte alle Kreativberufe der Filmindustrie vertreten, ohne diesen Raum für Arbeitskampf und gewerkschaftliche Zielsetzungen zu lassen. Der Tonfilm brachte für den Drehbuchautorenberuf einschneidende Veränderungen mit sich. In Stummfilmzeiten gab es kaum eine einheitliche Regelung der Namensnennung, da die aufgeschriebenen Filmideen und die tatsächliche Inszenierung durchaus variierten und beim Dreh improvisiert wurde.112 Nun wurde die Etablierung einer standardisierten Drehbuchfassung nötig, um die Produktionskosten zu überwachen und Filmprojekte schnellstmöglich zu verwirklichen. Die Anerkennung des Drehbuchautors als kreativer Mitarbeiter im Produktionsprozess lässt sich seit den 1920er Jahren an seiner gängig gewordenen Nennung im Vor- und Abspann ablesen. Diese Regelungen waren maßgeblich auf die Forderungen der Drehbuchautorengilde seit Beginn der 1920er Jahre zurückzuführen. Weniger erfolgreich waren die Forderung nach Gehaltsverbesserung und die grundsätzliche Anerkennung der Gilde als offizielle Berufsvertretung für Drehbuchautoren. Hierbei konnte die »Screen Writers’ Guild« keinen Durchbruch erzielen, denn die »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« hatte sich bis Mitte der 1930er Jahre als Prestigeorganisation und paritätische Berufsvertretung der Kreativsparten in Hollywood durchgesetzt. Laien und Freiberufler fanden immer seltener Zugang zum Beruf. Auch Frauen, die oftmals nebenberuflich als Drehbuchautorinnen tätig waren, konnten sich 112 | Vgl. Lane, Tamar, Talkies to Bring Radical Changes In Favor of the Writer, in: The Film Mercury. Writers Number, Bd. 8 (1928) H. 20, S. 5.
Zusammenfassung – Neue Herausforderungen in Hollywood
in den Studiohierarchien nach der Umstellung auf den Tonfilm nur vereinzelt behaupten. Diese Verdrängungsprozesse waren ein Hinweis auf die gestiegene gesellschaftliche Anerkennung des Drehbuchautorenberufs, der vermehrt von männlichen Berufsvertretern ausgeübt wurde.113 Erfolgreiche und etablierte Frauen wie Frances Marion oder Anita Loos konnten allerdings ihre Karrieren fortführen und ausbauen.114 Eine zeitgenössische Begründung für den gesunken Frauenanteil im Beruf zeigt, welche Geschlechterstereotype den Drehbuchautoren zugedacht wurden: »A silent film is like writing a novel, and a script was like writing a play. That’s why women dropped out. Women had been good novelists, but in talking pictures women were not predominant.«115
Die ursprünglich kleinbetriebliche Organisation der Studios wurde seit den 1920er Jahren immer mehr durch einen kapitalintensiven, arbeitsteiligen Großbetrieb mit einem leitenden Produzenten ersetzt. Dort war der Drehbuchautor bereits ein spezialisierter, professioneller Hauptberuf:116 »The author’s exit from the screen, which is obviously not only predestined but immediate, makes room for the real screen writer – the man who has learned to express himself in pictures instead of words, that we immediately recognize in the work of leading screen actors.«117
Das Selbstbild der Filmautoren schwankte zwischen dem eines bürgerlichen, künstlerischen Schriftstellers und dem eines »handwerklichen« Auftragskünstlers, der in einer »Schreibfabrik« angestellt war.118 Das Studiosystem in Hollywood trieb die letztgenannte Berufsvorstellung immens voran. Innerhalb der Drehbuchautorengilde führten diese ambivalenten beruflichen Rollenbilder stetig zu Konflikten.
113 | Vgl. Bielby, Denise D. / Bielby, William T., Women and Men in Film, S. 248-270. 114 | Vgl. ebd., S. 248-270. 115 | McGilligan, Pat, Backstory. The Hollywood Screenwriters of the Hollywood’s Golden Age, Los Angeles 1986, S. 143. 116 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls, S. 29-36. 117 | Collins, Frederick, Highbrow Hand-Me-Downs, in: The Photodramatist, Bd. 3 (July 1921) H. 2, S. 19-23, hier S. 22. 118 | Vgl. Lane, Tamar, Big Money Ahead for the Screen Writer, in: The Film Mercury. Writers Number, Bd. 8 (1928) H. 20, S. 3.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
D ie D urchse t zung des D rehbuchautorenberufs in den 1920 er J ahren in D eutschl and Im folgenden Kapitel sollen die Aushandlungsprozesse der Drehbuchautoren in den 1920er Jahren in Deutschland erörtert werden. Diese Zeit war geprägt von einer wirtschaftlich vitalen Kinolandschaft mit wenigen Studios, die den Großbetrieben in den USA immer ähnlicher wurden. Im Laufe des Ersten Weltkriegs nahm die Konzentration in der Filmindustrie im Gefolge der Nationalisierung der Industrie und Medien zu. Die Großbanken übernahmen seit 1917 die Finanzierung der Filme und kauften sich verstärkt in die Filmindustrie ein.119 Die französischen Firmen Pathé und Gaumont dominierten allerdings weiterhin den europäischen und auch den deutschen Markt, der im Vergleich zum amerikanischen und französischen Markt Anfang der 1920er Jahre noch vorwiegend dezentral organisiert war. Die größte deutsche Produktionsfirma war die Universum-Film AG (kurz: UFA), die 1917 durch die Fusion der drei größten Produzenten Messter, PAGU und Nordische geschaffen wurde.120 Die Filmproduzenten in Großbritannien, Frankreich und Deutschland versuchten, sich gegen die »Invasion« der übermächtigen US-Filmproduktion zu wehren und legten Importquoten fest. Diese blieben meist wirkungslos und konnten dem Erfolg der US-Filme wenig entgegensetzen. Seit der Umstellung auf Tonfilm, die in Deutschland 1932 weitestgehend abgeschlossen war, suchten die Studios der USA nach talentierten europäischen Filmemachern, um mit ihnen an den verschiedenen Sprachfassungen zu arbeiten und ihr Know-how zu nutzen. Die erste Welle der Filmemigration nach Hollywood begann in den 1920er Jahren. Regisseur Ernst Lubitsch, Bühnenbildner Paul Leni und Drehbuchautor Ewald André Dupont sollten in den USA an deutschen Sprachfassungen mitarbeiten.121 Die europäischen Filmkünstler waren in Hollywood gefragte Arbeitskräfte. Die deutschen und europäischen Filmimmigranten brachten in den 1920er Jahren wichtige künstlerische und ästhetische Impulse nach Hollywood und zusammen mit anderen eingewanderten Kulturschaffenden entstand ein »Weimar am Pazifik«.122
119 | Vgl. Korte, Helmut, Vom Kinematographen zur Nationalen Propaganda, S. 13-89. 120 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen. Kunst – Technik – Sprache – Geschichte und Theorie des Films und der neuen Medien, 5. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2004, S. 242. 121 | Vgl. Gumprecht, Holger, »New Weimar« unter Palmen. Deutsche Schriftsteller im Exil in Los Angeles, Berlin 1998. 122 | Vgl. Bahr, Ehrhard, Weimar on the Pacific. German Exile Culture in Los Angeles and the Crisis of Modernism, 2. Aufl., Los Angeles-London 2008, S. 1-29 und Moeller, Hans-Bernhard, German Hollywood Presence and Parnassus. Central European Exiles and American Filmmaking, in: Rocky Mountain Review of Language and Literature, Bd. 39 (1985) H. 2, S. 123-136.
Der Drehbuchautorenberuf in den 1920er Jahren in Deutschland
Nicht nur weil Filmemacher emigrierten, sondern vor allem wegen der vertieften wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden größten Filmabsatzmärkten der Welt waren Deutschland und die USA transnational eng verflochten. Als sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland stabilisierte, konnte die deutsche Filmindustrie ihre Produkte aufgrund der schwachen Mark nicht mehr auf Auslandsmärkten platzieren. Dafür war die internationale Konkurrenz, besonders durch Frankreich und die Vereinigten Staaten, zu groß. Die deutsche Filmindustrie spielte deshalb auf dem »Europäischen Filmkongress« im Jahr 1924 mit dem Gedanken, amerikanische Werke zu boykottieren, da von den 600 in die USA exportierten deutschen Filmen nur sechs landesweit in den US-Kinos gezeigt wurden. Die US-Firmen sollten gezwungen werden, ihre Behinderungen gegenüber dem europäischen Film aufzugeben. Die US-Filmstudios wiederum benötigten den europäischen und deutschen Absatzmarkt dringend, um die Einnahmeverluste seit der Tonfilmumstellung zu kompensieren.123 Der Film war mittlerweile fest in die deutsche Gesellschaft integriert.124 Das expressionistische Weimarer Kino wurde zu einer weltweit gefeierten stilbildenden Ästhetik, weil die Produzenten eng mit den Künstlern zusammenarbeiteten und das Kino von Avantgarde-Zirkeln als Ausdrucksmittel benutzt wurde. Im Gegensatz dazu galt Hollywood eher als künstlerisches Ödland, das von der Kulturszene New Yorks abgeschnitten war. Ernst Lubitschs Großproduktionen wie Madame DuBarry (1919) wurden im gesättigten Kinomarkt der USA trotzdem zu Kassenschlagern.125 Filme wie Metropolis (1926), Nosferatu (1922), Der Blaue Engel (1929) oder Der Letzte Mann (1924) waren Aushängeschilder des deutschen Kinomarktes.126 In den nun vergrößerten Babelsberger Filmstudios der UFA wurde 1921 mit Das Cabinet des Dr. Caligari einer der bekanntesten expressionistischen Filme gedreht.127 Überteuerte Filmproduktionen und schlechte Buchführung führten daraufhin beinahe zum Konkurs der UFA. Deswegen nahm die Firma ein Vier-Millionen-Dollar-Darlehen (das entsprach circa 17 Millionen Reichsmark) von MGM und Paramount auf. Das Abkommen ging 1925 als »Parufamet-Vertrag« in die Filmgeschichte ein und brachte das benötigte Kapital für die angeschlagene Firma, schwächte aber den deutschen Inlandsmarkt zusätzlich, da als Kompensation 123 | Vgl. Mühsam, Kurt, Ein europäischer Filmkongress, in: Der geistige Arbeiter. Deutsche Urheber-Zeitung, Bd. 4 (1924) H. 4, S. 29. 124 | Vgl. Salokannel, Marjut, Film Authorship in the Changing Audio-Visual Environment, in: Sherman, Brad / Strowel, Alain (Hrsg.), Of Authors and Origins. Essays on Copyright Law, Oxford 1994, S. 57-77, hier S. 62f. 125 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen, S. 294f. 126 | Vgl. Faulstich, Werner, Filmgeschichte, Stuttgart 2005, S. 68-75. 127 | Vgl. o. A., Die Themenwelt 100 Jahre Babelsberg. Alles bewegt sich - Babelsberg in der Weimarer Republik, http://www.filmportal.de/thema/alles-bewegt-sich-babelsberg-in-der-weimarer-republik, eingesehen am 15.10.2012.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
dafür die Kontingentierung von Filmen aus den USA aufgehoben werden musste. Während die amerikanischen Partner zehn Filme der UFA verleihen mussten, waren es auf der deutschen Seite doppelt so viele. Weiter wurde von den amerikanischen Geldgebern gefordert, die Hälfte der deutschen Spielpläne mit US-Produktionen zu belegen.128 Als die UFA mit diesem Vertrag nicht wirtschaftlich gesundete, übernahm 1927 der deutschnationale Verleger Alfred Hugenberg das Filmstudio.129 Die Verträge wurden neu verhandelt und gelockert, da die US-Firmen nicht am Ruin der UFA interessiert waren. Das hätte zur Folge gehabt, dass die deutsche Regierung womöglich die Einfuhr ausländischer Filme wieder beschränkt hätte. Außerdem gerieten die deutschen Filmstudios durch die Einführung des Tonfilms finanziell in eine Schieflage. In Deutschland hatte sich der Tonfilm mit Erfolgen wie Der Blaue Engel (1930) und dem UFA-Musikfilm Der Kongress Tanzt (1931) durchgesetzt.130 Nach anfänglichen Patentstreitigkeiten wurde 1930 mit dem sogenannten »Pariser Tonfilmfrieden«, der die Patentrechte an Aufnahme- und Abspielgeräten weltweit regelte, die technische Vorausetzung für die Herstellung von Tonfilmen schließlich vereinheitlicht.131 Die Firma Western Electric vertrieb ihre Geräte in den USA, Großbritannien und Russland und die Tobis Klangfilm GmbH bekam die Vertriebsrechte für Deutschland und Kontinentaleuropa zuerkannt.132 Dadurch wurde der weltweite Verleih und Austausch von Filmen möglich. Die UFA-Studios besaßen eigene Aufnahme- und Abspielgeräte und waren deshalb von vorausgegangenen Patentstreitigkeiten nicht direkt beeinflusst. Allerdings stieg die nötige Investition in Filme um gut 40 Prozent, was zu weiteren Konzentrationsprozessen auf dem deutschen Markt führte. 1923 dominierten die drei Studios UFA, Terra und Tobis die deutsche Filmlandschaft.133 Ein Beitrag der Zeitschrift Der Kinematograph machte dennoch deutlich, dass es dem Tonfilm noch vielfach an künstlerischem Wert mangelte:
128 | Vgl. Keiner, Reinold, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, S. 14-22. 129 | Vgl. Wilke, Jürgen, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, Köln-Weimar-Wien 2008, S. 315f. 130 | Mühsam, Kurt, Film und Kino, Dessau 1927 (=Dünnhaupts Studien und Berufsführer Bd. 15), S. 89. 131 | Vgl. Mühl-Benninghaus, Das Ringen um den Tonfilm. Strategien der Elektro- und der Filmindustrie in den 20er und 30er Jahren, Düsseldorf 1999 (=Schriftenreihe des Bundesarchivs Bd. 54), S. 164-175. 132 | Vgl. o. A., Der Austausch der Filmpatente zwischen Deutschland und Amerika. Das Ergebnis der Pariser Verhandlungen, in: Neue Freie Presse, 23. Juli 1923, S. 6. 133 | Vgl. Kolb, Eberhard / Schumann, Dirk, Die Weimarer Republik, 8. Aufl., München 2013 (=Grundriss der Geschichte), S. 109.
Der Drehbuchautorenberuf in den 1920er Jahren in Deutschland »Für uns in Deutschland ist das Geistige im Film mehr als ein Schlagwort nach außen. Wir haben auch beim Geschäfts- und Amüsierfilm noch literarische und künstlerische Ambitionen. Wir haben bei Buchübertragungen und bei übersetzten Bühnenstücken auf geschliffene Form Wert gelegt. Wir wollen auch beim Film nicht darauf verzichten.«134
In Deutschland kämpften die Drehbuchautoren ähnlich wie ihre Kollegen in den USA für die bessere Kontrolle ihres geistigen Eigentums an Drehbuch und Film. Da sie nur partiell an kreativen Arbeitsprozessen beteiligt waren und die Endfassung der Filme nicht von ihnen erstellt wurde, drohten sie immer wieder ins Abseits zu geraten. Die Filmwerbung rückte in Deutschland den Regisseur besonders stark in den Mittelpunkt. Drehbuchautoren waren in Öffentlichkeit und Filmkritik weniger präsent. Ausnahmen waren Carl Mayer, Robert Liebmann und Thea von Harbou, die besonders durch ihre Zusammenarbeit mit Fritz Lang aufgewertet wurden. Fritz Lang genoss hohes Ansehen, ohne dass erwähnt wurde, dass er seine größten expressionistischen Werke zusammen mit Ehegattin Thea von Harbou realisiert hatte.135 Harbou schuf mit Lang unter anderem die Nibelungen-Reihe (1922-24), Dr. Mabuse (1922) und Metropolis (1926). Sie hatte in diesem Jahrzehnt ihre bedeutungsvollste künstlerische Phase. Zur Filmreihe Nibelungen wurde zeitnah zur Filmpremiere der »Filmroman« herausgegeben. Das war ein geschickter Marketingzug, der den »Produktverbund« Buch und Film zielgerichtet ausschöpfte.136 1929 wurde ihr Drehbuch zum ersten Science-Fiction-Werk Die Frau im Mond zum größten Kassenschlager der Stummfilmzeit. Während zahlreiche Manuskripte von den Filmstudios abgelehnt wurden, war Harbous Karriere eine große Ausnahme. Sie verfasste durchschnittlich drei bis vier Drehbücher pro Jahr.137 Drehbuchautor Max Glaß schrieb 1925 und 1926 allein zwölf Drehbücher und war als Autor für Unterhaltungsfilme bekannt, da er seine Figuren mit realistischen Charaktereigenschaften ausstattete und seine Originalmanuskripte von der Idee bis zum Handlungsablauf selbst verfasste. Glaß verwendete noch keine detaillierten Einstellungsgrößen in seinen Manuskripten, obwohl sich dies bei anderen Drehbuchautoren längst durchgesetzt hatte. Er bevorzugte die enge Zusammenarbeit mit dem Regisseur, war während des Drehs meist persönlich anwesend und überwachte den Schnitt.138 134 | O. A., Der fünfzigprozentige Tonfilm, in: Der Kinematograph, Bd. 24 (1930) H. 234, o. S. 135 | Vgl. Keiner, Reinold, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, S. 14-22 und Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, S. 212-218. 136 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film, S. 198-203. 137 | Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, S. 212-219 und Gösta, Werner, Fritz Lang and Goebbels. Myth and Facts, in: Henderson, Brian / Martin, Ann (Hrsg.), Film Quarterly. Forty Years – A Selection, Berkeley 1999, S. 495-501. 138 | Vgl. Mühsam, Kurt, Film und Kino, Dessau 1927, S. 74-78.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
In den 1920er Jahren erlangte die deutsche Filmindustrie weltweite Anerkennung durch expressionistische Filme. Dadurch kam es zu einer Professionalisierung des Drehbuchautors.139 Aufgrund der engen Verbindung zwischen Film und literarischen Traditionen forderten einige Drehbuchautoren, als Filmurheber anerkannt zu werden. Auch in Deutschland bewegte sich das Berufsbild zwischen den Polen des abhängig beschäftigten Auftragsarbeiters und des schöpferischen Filmkünstlers. Da die spezifischen Produktions- und Distributionsbedingungen des Kinos freiberufliche Tätigkeiten in ein kollektives System der Arbeitsteilung einbetteten, intensivierte dies die Spannung innerhalb der kreativen Berufsgruppen.140 Die deutschen Drehbuchautoren waren sich darüber bewusst, dass sie wohl keine Rekordgehälter wie in Hollywood bekommen würden, und doch versuchten sie zeitig, Mindestvergütungsverträge zu erstreiten.141 Sie versprachen sich Vorteile von der Tatsache, dass literarische und künstlerische Strömungen im deutschen Kino stärker vertreten waren und der Film nicht so stark konzentriert und kommerzialisiert war, dass massenhaft freie Schriftsteller zu geistigen Auftragsarbeitern degradiert wurden. Da das Augenmerk auf den pädagogischen und künstlerischen Wert der Filme gelegt wurde, erhofften viele, den Charakter des Drehbuchautors als freien Schriftstellerberuf bewahren zu können. Vor allem von der gleichbleibend hohen künstlerischen Qualität der Filmmanuskripte erwarteten sich Kritiker anspruchsvollere Filme.142 Der Film in Deutschland wurde also als künstlerisches Medium akzeptiert und durch Filmkritiker positiv bewertet. Allerdings wollten die Produzenten hier wie in den USA auch unterhaltende Werke anbieten.143 Obwohl die deutschen Filmautoren tendenziell ebenso abhängig beschäftigte Angestellte und Auftragskünstler waren, die vielfach in Teams arbeiteten, war die Spezialisierung in Deutschland noch nicht in dem Maße ausgeprägt wie in Hollywood. Das freiberufliche Muster blieb prominent. Noch zu Beginn der 1920er Jahre waren Polemiken gegen Schriftsteller und Dramatiker üblich, die ins Filmfach wechselten. Zugleich begannen Drehbuchautoren den Beruf als professionelle Vollzeittätigkeit zu betreiben und wehrten sich gegen Amateure und Laien. Wer Filmdramen schreiben wollte, sollte sich ihrer Meinung nach dem neuen
139 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben, S. 43-55. 140 | Vgl. Keiner, Reinold, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, S. 9-13. 141 | Vgl. Bern, Vera, Film-Literaten und Honorare in aller Welt, in: Der Kinematograph, Bd. 664 (1919), o. S. 142 | Vgl. Zimmermann, Eugen, Film und Bühnendrama, in: Das deutsche Drama. Vierteljahresschrift für Bühne und Schrifttum, Bd. 7 (1924) H. 1, S. 166-168. 143 | Vgl. Diederichs, Helmut H., The Origins of the Autorenfilm, S. 394-396; Keyser, Hans, Wie entsteht und wie schreibt man ein Filmmanuskript? in: Die Literatur. Monatsschrift für Literaturfreunde, Bd. 31 (1928/29), S. 691-693 und o. A., Der fünfzigprozentige Tonfilm, in: Der Kinematograph, Bd. 24 (1930) H. 234, o. S.
Das »Filmschulwesen« und die Planung der ersten Filmhochschulen
Medium voll und ganz widmen und möglichst nicht noch nebenberuflich für das Theater tätig sein.144 Seit der Etablierung des Langspielfilms hatten auch in Deutschland die technischen Anforderungen an Drehbücher aufgrund der hohen Nachfrage zugenommen. Es wurden filmtheoretische Schriften und Ratgeber publiziert, die beim Verfassen von Drehbüchern Hilfestellung gaben.145 Mitte der 1920er Jahre waren die Begriffe für die Arbeitspraxis und Leistungen der Filmautoren bereits etabliert. Das Exposé beschrieb den ersten Entwurf, die Idee oder die Synopse des Films auf ein bis zwei Seiten. Das Treatment konkretisierte die Handlung, Kameraeinstellungen, wichtige Dialogpassagen und Zwischentitel auf 20 bis 30 Seiten.146 Daraus resultierten das Rohdrehbuch und das kurbelfertige Drehbuch mit nummerierten Einstellungen, technischen Anweisungen und den Kameraeinstellungen. Dieses Drehbuch oder auch »Regiebuch« beinhaltete spezielle Hinweise für den Regisseur, wie er bestimmte Szenen zu filmen hatte. Seit Einführung des Tonfilms wurde dann ein Aufnahmeplan gebräuchlich, der nach Drehtagen aufgeschlüsselt war und die Szenen in einem story board festhielt und sich in zwei Teile (Bild- und Tonebene) untergliederte. Seit 1924 fand sich im deutschen Sprachraum vermehrt das Begriffspaar »kurbelfertiges Drehbuch« für die Drehfassung eines Drehbuches.147
D as »F ilmschulwesen « und die P l anung der ersten F ilmhochschulen in D eutschl and Einen Großteil ihrer fachlichen Ausbildung erhielten die Drehbuchautoren durch die vielfältigen Praxisratgeber und privaten Filmschulen. Seit Anfang der 1920er Jahre warnten Zeitungen besonders in Berlin vor dem sogenannten »Kino-Schulwesen«. Jene Kinoschulen wurden im Zuge des wirtschaftlichen Booms gegründet, um vorrangig Schauspieler auszubilden. Die Polizei kritisierte die teilweise zwielichtigen Ausbildungsstätten. Die Obrigkeit warnte vor minderwertigem Unterricht, Trickbetrug und sogar vor »wilden Filmgesellschaften« und sündigen »Sektgelagen«, die zur Nachtzeit in den Privatschulen abgehalten wurden.148 Besondere Schulen für die Ausbildung der Szenaristen in Deutschland existierten 144 | Vgl. Mauermann, Siegfried, Zur Vollendung des Filmdramas, in: Das deutsche Drama. Vierteljahresschrift für Bühne und Schrifttum, Bd. 5 (1922) H. 1, S. 95-101. 145 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film, S. 74-82. 146 | Zu Stummfilmzeiten wurden in manchen Fällen die Bezeichnungen Exposé und Treatment nicht trennscharf verwendet, sondern die Begriffe Manuskript oder Szenarium synonym für Entwürfe und Skizzen gebraucht. 147 | Vgl. Schwarz, Alexander, Der geschriebene Film, S. 104-108. 148 | Vgl. o. A., Verbotene Berliner Kinoschulen. Nacht-Unterricht bei Sektgelagen mit Nackt-Tänzern, in: Film-Kurier, Bd. 3 (1921) H. 169, o. S.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
aber weder in Berlin noch im Potsdamer Raum, wo sich in den 1920er Jahren 80 Prozent der Filmbetriebe konzentrierten.149 Die Pläne für die »Deutsche Filmhochschule« in Berlin aus den 1920er Jahren wurden nie realisiert. Die geplante Hochschule »neuen Typs« orientierte sich an den wenigen europäischen »Vorbildern«, wie das 1919 in Moskau gegründete »Gerassimow-Institut für Kinematographie« (VGIK), das anfangs nur Darsteller ausbildete, doch seit 1927 Drehbuchautorenkurse in den Lehrplan aufnahm.150 Die Idee für die Hochschule in Berlin stammte vom Verein »Filmliga«, dessen Gründungsmitglied Schauspieler Paul Wegner die pädagogisch didaktischen Konzepte des Bauhauses mit einer modernen Filmhochschule zu verbinden versuchte. Darunter verstand er eine Zusammenarbeit verschiedener akademischer Lehrbereiche durch die Vereinigung praktischer und theoretischer Ausbildungsinhalte der verschiedenen Fachbereiche.151 Die Hochschule sollte drei große Abteilungen bekommen. Die Technikabteilung sollte für die Fächer Projektion, Lichttechnik, Herstellung und Verarbeitung des Filmmaterials, Photochemie, Kopierwerkstechnik, Aufnahmetechnik und Arbeitssicherheit zuständig sein. Der wirtschaftliche Bereich behandelte Fragen des Filmexports und die künstlerische Abteilung beschäftigte sich mit angewandter Psychologie, Geistes- und Körperkultur, Plastik, gesellschaftlicher Erziehung, Kunstgeschichte und der Herstellung des Filmmanuskripts.152 Der Fachbereich Kunst befasste sich also ausdrücklich mit der Drehbuchautorenausbildung. Die Gründungskonferenz der »Deutschen Filmhochschule« am 23.10.1920 wurde von der Presse kaum gewürdigt, da man diese nicht ausreichend informiert hatte. Die geplante Eröffnung der Hochschule für Filmausbildung am 15.1.1921 musste jedoch verschoben werden, da die Filmindustrie, die den Nutzen des geplanten Konzepts grundlegend infrage stellte, die benötigten Finanzen nicht bereitstellte. Die Geldgeber sprachen sich für eine Angliederung des Films als akademisches Fach an bereits bestehende Hochschulen aus. Die Filmindustrie war zudem vom praxisfernen akademischen Ausbildungskonzept der geplanten Hochschule wenig begeistert und wollte selbst keine Lehrangebote dort anbieten.153 Im Jahr 1928 sollte das Konzept der »Deutschen Filmhochschule« ein weiteres Mal mit Leben erfüllt werden. Das Vorbild war nun die Moskauer VGIK. Diese Anlehnung an das russische Vorbild brachte dem Plan aber offene Kritik ein. Zudem waren die Kompetenzen nicht klar geregelt und in München hatte sich bereits eine Filmschule etabliert. Die Einführung des Tonfilms verzögerte die Durchführung der Pläne, da man unsicher war, welche Lehrinhalte künftig in 149 | Daten nach Slansky, Peter C., Filmhochschulen in Deutschland. Geschichte – Typologie – Architektur, München 2011, S. 52-56. 150 | Vgl. ebd., S. 66f. 151 | Vgl. ebd., S. 71-77. 152 | Vgl. ebd., S. 76f. 153 | Vgl. ebd., S. 78f.
Das »Filmschulwesen« und die Planung der ersten Filmhochschulen
eine Filmhochschule gehörten. Der hohe Preis für Tonfilmgeräte war ein weiterer Grund dafür, die Planungen nicht weiterzuverfolgen.154 Als Standort für die erste Filmausbildungsstätte in Deutschland wurden, auf Initiative der »Künstlergewerkschaft Bayern« und deren Kritik am »Filmschulwesen«, schließlich die Emelka-Filmstudios bei München (später Bavaria) ausgewäht. 1920 befanden sich auf dem Gelände des Münchener Geiselgasteigs 34 Filmverleiher, 40 Produktionsfirmen und ein eigenes Kopierwerk. Die Planungen für die Münchener Filmschule wurden zeitgleich mit den Entwürfen in Berlin, aber sehr wahrscheinlich unabhängig von diesen, begonnen. Die »Deutsche Filmschule« in München bestand von 1921 bis 1934. Im Jahr 1931 wurde sie umstrukturiert und in »Deutsche Schauspiel- und Filmschule« umbenannt. Der Schauspieler und Präsident der Künstlergewerkschaft Ernst Reicher plante die »Deutsche Filmschule« in Zusammenarbeit mit dem »Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultur« und dem »Ministeriums für Handel, Industrie und Gewerbe«, um auch ein Gegengewicht zur Berliner Vorherrschaft auf dem Filmsektor zu erzeugen. Einen weiteren Anstoß zur Gründung gab die »Initiative Münchener Studiengesellschaft für Film- und Kinowesen«.155 Die »Deutsche Filmschule« in München war eine Fachschule mit Schwerpunkt auf der praktischen Ausbildung. Jeder konnte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr aufgenommen und in den vier Abteilungen unterrichtet werden. Sie gliederte sich in eine künstlerische, technische, wissenschaftliche und kaufmännische Abteilung.156 Federführend waren das Wirtschaftsministerium und die Filmindustrie selbst, die nun Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Filmschule nahmen. Der Filmproduzent Oskar Meßter und sein Verein »Deutsche Kinotechnische Gesellschaft« spendeten Geräte für die Schule.157 In dem neuen, 1931 eingeführten Konzept wurde mehr Gewicht auf die Kinotechnik gelegt. Darunter fielen der Bereich Szene, Regie und Darstellung, also auch die Ausbildung von Drehbuchautoren.158 Die »Deutsche Filmschule« in München sah sich in der Tradition der Gewerbe- beziehungsweise Kunstgewerbeschulen und bot für den Bereich der Kinotechnik ein differenziertes Lehrprogramm an. Die zweite künstlerische Abteilung für Darstellung, Szene und Regie bestand aus einem viersemestriges Ausbildungsprogramm für Hilfsregisseure und Dramaturgen. In der wissenschaftlichen Abteilung sollten Schriftsteller, Presseleute, Lehrer und Beamte ihre Erfahrungen 154 | In Berlin war 1925 und 1926 zudem die »UFA-Filmschule« ansässig, allerdings eine reine Schauspielerschule und keine Vollinstitution. Vgl. ebd., S. 91-99 und Traub, Hans, Das Film als ein Forschungs- und Lehrgebiet an der deutschen Universität, in: Geistige Arbeit, Bd. 3 (1936) H. 18, S. 1-2. 155 | Vgl. Slansky, Peter C., Filmhochschulen in Deutschland, S. 96-99. 156 | Vgl. ebd., S. 99-103. 157 | Vgl. ebd., S. 96-100. 158 | Vgl. ebd., S. 100-103.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
mit dem Film in öffentlichen Vorlesungen und Seminaren darbieten.159 Die Abteilung Filmwirtschaft und Filmrecht führte im Lehrjahr 1923/24 keinen einzigen eingeschriebenen Studenten mehr und wurde schließlich 1928 eingestellt, denn Kurse zum Filmrecht konnten Studenten seit 1923 auch an der »Technischen Universität München« besuchen. Öffentliche Kritik hagelte es vor allem wegen der mangelnden Akzeptanz der Schauspielabsolventen, die sich nach ihrer Ausbildung in München in der Filmbranche kaum durchsetzen konnten.160 Die Umstellung auf den Tonfilm führte 1930 zu finanziellen Verlusten der Emelka und zu Unsicherheiten über das Lehrprogramm der Filmschule. Seit August 1931 wurde deshalb die Schule zu einer reinen Schauspielakademie umfunktioniert und in »Deutsche Schauspiel- und Filmschule« umbenannt.161 Die technische Abteilung ging in der »Staatslehranstalt Lichtbildwesen« auf. 1935 wurde diese aufgelöst. Nach der Einstellung der Ausbildung für Kinotechniker konzentrierten die Nationalsozialisten die Ausbildung im Filmbereich in und um Berlin. Sie planten 1938 eine Schule nach den alten Berliner Plänen. Wäre diese Filmhochschule in Berlin als Vollinstitution realisiert worden, wäre die Akademisierung und die Qualifizierung der Drehbuchautoren sehr früh institutionalisiert worden. Die Einordnung des Filmmanuskripts in die künstlerische Abteilung der Hochschule zeigte bereits den besonderen Stellenwert des Drehbuchs im Produktionsprozess. Die Pläne sahen derweil Regie und Schnitt noch nicht als eigenständige Kurse und somit ausdifferenzierte Berufsfelder vor.162
D er »V erband deutscher F ilmautoren « und seine B eziehung zur »D eutschen F ilmge werkschaf t « Grundsätzlich lassen sich in Deutschland zwar ähnliche strukturelle Entwicklungen der Verberuflichung von Drehbuchautoren wie in den USA beobachten, allerdings waren hier die öffentliche Kritik der Kinoreformer und die Zensurbestrebungen des Kaiserreichs für das Kino besonders prägend gewesen. Dazu kam der Einfluss der Autorenfilmbewegung der 1910er Jahre. Die deutschen Drehbuchautoren hatten wie ihre US-Kollegen besondere arbeitsrechtliche Verhältnisse und waren hauptsächlich auf die Anerkennung ihrer kreativen Leistung und autonomen Berufsausübung aus. Die Diskussionen um das geistige Eigentum wurden im Studiosystem der Vereinigten Staaten weniger intensiv geführt, da der Drehbuchautor dort in einem arbeitsteiligen Großbetrieb als angestellter Auftragskünstler gut vergütet wurde. Sein kreativer Beitrag wurde wertgeschätzt und durch sein hohes Gehalt unterstrichen. 159 | Vgl. ebd., S. 102-104. 160 | Vgl. ebd., S. 104-111. 161 | Ebd., S. 111-114. 162 | Vgl. ebd., S. 113-117.
»Verband deutscher Filmautoren« und »Deutsche Filmgewerkschaf t«
In Deutschland standen früh urheberechtliche Fragen und Forderungen nach Mindesthonorarsätzen im Mittelpunkt der Diskussion. Die Drehbuchautoren organisierten sich seit 1919 im Berufsverband »Verband deutscher Filmautoren«, der berufsständische wie gewerkschaftliche Ziele vertrat. Wie in den USA mussten sich die Drehbuchautoren in Deutschland gegen die Produzenten und andere Konkurrenten behaupten. Gewerkschaftliche Strategien und die Forderung nach Normalverträgen wurden für die deutschen Drehbuchautoren zur optionalen Strategie der Verberuflichung. Der folgende Abschnitt wird die Professionalisierung des Drehbuchautorenberufs aus organisationshistorischer und rechtshistorischer Perspektive beleuchten. Die Geschichte des Drehbuchautorenverbandes soll dabei vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Spannungen seit 1918/19 dargestellt werden. Ein besonderes Problem war für die Drehbuchautoren auch die Selbst- und Fremdverortung in der Hierarchie der sozialen Klassen, Schichten und Milieus. Im München der Räterepublik wurden Drehbuchautoren als Angehörige der Klasse der »geistigen Arbeiter« von den Revolutionären wertgeschätzt. In den Arbeiter- und Soldatenräten waren sie jedoch bald als »Intelligenz« oder »Bürgerliche« verpönt. Neben Spannungen zwischen der eigenen beruflichen Rolle und deren Aufgaben und Funktionen wurden Konflikte nun auch unter politischen Prämissen ausgetragen. Einige Drehbuchautoren fühlten sich der Gruppe der Angestellten und gesellschaftlichen Mittelklasse zugehörig, die gegenüber der Arbeiterschaft schon länger privilegiert wurde. Der deutsche Staat hatte diese mit Sozialversicherungsreformen seit den 1880er Jahren bessergestellt. Die neue Mittelschicht orientierte sich stark am Vorbild des Beamtentums und grenzte sich im Sinne eines »Privatbeamtentums« von der Arbeiterschicht zunehmend ab.163 Angestellte besaßen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs spezifische Privilegien wie höheres und sicheres Einkommen, bezahlten Urlaub und relative Arbeitsplatzsicherheit, die ihnen eine Sonderstellung in den Betrieben verschaffte.164 Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs gerieten auch die Angestellten in die soziale wie wirtschaftliche Krise. Da ihr Status als »Privatbeamte« bedroht war, kam es zu 163 | Vgl. Kocka, Jürgen, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten. USA 1890-1940 im internationalen Vergleich, Göttingen, 1977 (=Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 25), S. 174-177 und Siegrist, Hannes, From Divergence to Convergence. The Divided German Middle Class, 1945-2000, in: Zunz, Olivier / Schoppa, Leonard / Hiwatari, Nobuhiro (Hrsg.), Social Contract Under Stress. The Middle Classes of America, Europe, and Japan at the Turn of the Century, New York 2003, S. 21-46. 164 | Vgl. Prinz, Michael, Etappen historischer Angestelltenforschung in Deutschland 1900-1960, in: Hurrle, Gerd u. a. (Hrsg.), Arbeiter, Angestellte - Begriffe der Vergangenheit?, Marburg 1995 (=Geschichte und Zukunft der industriellen Arbeit Bd. 5), S. 11-23, hier S. 11-17.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
einer politischen Radikalisierung und zur Vergewerkschaftung der Angestelltenschicht in den 1920er Jahren.165 In den sozialen und politischen Umbrüchen mussten sich auch die Drehbuchautoren, egal ob sie sich bisher als angestellte Auftragnehmer oder als freiberufliche Künstler verstanden hatten, neu verorten. Vor diesem gesellschaftspolitischen Hintergrund wird deutlich, warum der »Verband deutscher Filmautoren« recht früh gewerkschaftliche Strategien forcierte und zum Kampf gegen die »Proletarisierung« aufrief.166 Ganz ähnlich wie andere Verbände von Professionellen, Angestellten und Künstlern wurden gewerkschaftliche Strategien in den 1920er Jahren für Drehbuchautoren zu einer zentralen Option.167 Der »Verband deutscher Filmautoren« hatte seit 1919 seinen Sitz in Berlin und rief über die Zeitschrift Der Kinematograph dazu auf, die eigenen Forderungen gegebenenfalls mit einem Streik durchzusetzen. Die Filmautoren wollten ihre Vergütung mithilfe von Mindesthonorarsätzen leistungsbezogen festlegen.168 Da die »Deutsche Filmgewerkschaft« ursprünglich für Arbeitnehmer in der Fabrikation und für kaufmännische oder technische Berufsgruppen gegründet worden war, fanden sich Filmautoren in ihrer Satzung zuerst noch nicht als eigenständige Berufsgruppe wieder. Die Drehbuchautoren solidarisierten sich mit den Handwerkern, um den Gegensatz zwischen »Hand- und Kopfarbeitern«, der angesichts der ähnlichen Lage wenig brachte, zu überwinden. Wenzel Goldbaum, Jurist und Syndikus im Vorstand des Filmautorenverbandes, rief dazu auf, die Spaltung zwischen geistigen Arbeitern und Handarbeitern zu beenden. Besonders in der Filmindustrie hätten sich bisher die geistigen Arbeiter auf die Seite der Unternehmer geschlagen und unnötig Hass gegen die einfachen Handarbeiter geschürt. Die geistigen Arbeiter hätten den Wert der Berufsorganisation »Verband deutscher Filmautoren« noch nicht erkannt und seien unzulänglich organisiert.169
165 | Vgl. ebd., S. 11-23. 166 | Vgl. ebd., S. 20-23. 167 | Für die Entwicklung der Ingenieure und ihr Ringen um Anerkennung ihrer »moralischen Rechte« im Großbetrieb und in der patentrechtlichen Stellung sogenannter »Betriebserfindungen«, die mit dem »Auftragswerk« eines Drehbuchautors vergleichbar waren, vgl. Gispen, Kees, Hintergrund, Bedeutung und Entwicklung der Patentgesetzgebung in Deutschland 1877 bis heute, in: Boch, Rudolf (Hrsg.), Patentschutz und Innovation in Geschichte und Gegenwart, Frankfurt am Main 1999, S. 7-13 und Seckelmann, Margit, Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich. 1871-1914, Frankfurt am Main 2006 (=Recht in der Industriellen Revolution Bd. 2), S. 380-398. 168 | Vgl. Goldbaum, Wenzel / Brennert, Hans, Der Filmautor. Mitteilungen des Verbandes für Filmautoren. Protokoll der Mitgliederversammlung des Verbandes deutscher Filmautoren vom 25.3.1919, in: Der Kinematograph, Bd. 12 (1919) H. 639, o. S. 169 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Referat des Rechtsanwalts Dr. Wenzel Goldbaum, Syndikus der Deutschen Filmgewerkschaft, gehalten auf der Protestversammlung gegen Lichtspiel-
»Verband deutscher Filmautoren« und »Deutsche Filmgewerkschaf t«
Die Bewegung der Angestellten und geistigen Arbeiter verband sich nach der Novemberrevolution für einige Jahre stärker mit der sozialistischen Arbeiterbewegung und den freien Gewerkschaften. Als Goldbaum zu Beginn der 1920er Jahre die Zusammenarbeit und die Gewerkschaftsbildung der Drehbuchautoren in der »Deutschen Filmgewerkschaft« forderte,170 war das für deutsche Verhältnisse nicht unrealistisch. Die Filmindustrie, so sein Argument, sei ein Milliardengeschäft mit großem Exportpotential, deshalb wandte sich der »Verband deutscher Filmautoren« gegen das neue, stärker zensierende Lichtspielgesetz und die Berliner Abgabenverordnung, die dem Kino finanziell durch eine zu hohe Steuerlast schadete.171 Der erste praktische Versuch, Arbeiter und Angestellte in einer Organisation zu vereinen, war die Gründung der »Deutschen Filmgewerkschaft«, in der sich Regisseure, Autoren, Schauspieler, Kameraleute und technisches Personal zusammenschlossen. Die »Filmgewerkschaft« begab sich 1919 als »Industrieverband der Film- und Kinoangehörigen« unter das Dach des sozialistischen »Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes«. Die Grundidee, vom »Filmstar bis zur Platzanweiserin«172 alle Angestellten der Filmindustrie zu vertreten, erschien damals vielen als plausibel. 1920 hatte die »Filmgewerkschaft« 6.616 Mitglieder, so viele wie später nie mehr.173 Um Tarifverträge durchzusetzen, wollten die Filmschaffenden im Mai 1920 einen weiteren Generalstreik ausrufen. Dazu kam es dann allerdings wegen Differenzen zwischen künstlerischen Angestellten und einfachen Arbeitern nicht.174 Die Unternehmer nutzten die sozialen Unterschiede und Abgrenzungstendenzen zwischen Arbeitern und Angestellten respektive handwerklich und künstlerisch Tätigen aus, um die Arbeitnehmerbewegung zu schwächen. Sie behaupteten, dass eine einfache Toilettenfrau im Kino kaum von der gleichen Organisation vertreten werden könne wie die Filmschauspielerin Henny Porten. Die als »Kragenlinie« bezeichnete Trennlinie, die damit verbundenen Distinktionsprozesse zwischen Klassen, Schichten, Status- und Funktionsgruppen verblassten in der Wirtschaftskrise Anfang der 1920er Jahre allerdings; auch Drehbuchautoren nahmen sich verstärkt als Lohnarbeiter wahr. Trotzdem wollten sie nicht mit einfachen Fabrikarbeitern gleichgesetzt werden. Sie beharrten auf der Nähe zum intellektuellen Milieu, zu den Kulturschaffenden und zu den freien Berufen. gesetz und Lustbarkeitssteuer im UFA-Palast am Zoo am Sonntag, den 27. Juni 1920, in: Deutsche Filmgewerkschaft, Bd. 2 (1920) H. 13, S. 4-5. 170 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Die gefährliche Spannung!, in: Deutsche Filmgewerkschaft, Bd. 2 (1920) H. 24, S. 2. 171 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Referat des Rechtsanwalts Dr. Wenzel Goldbaum, hier: S. 4. 172 | O. A., Konzentrationsbestrebungen, in: Jahrbuch des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (1930), S. 255-257, hier S. 254. 173 | Vgl. ebd., S. 254. 174 | Vgl. Kocka, Jürgen, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie, S. 11.
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Die Arbeitgeber ließen es auf einen Streik ankommen.175 Die Forderung der »Filmgewerkschaft«, den tariflichen Mindestlohn für fast alle Arbeitsbereiche des Films zu verdoppeln, war selbst in einer Zeit hoher Inflation illusorisch.176 Die »Filmgewerkschaft« konnte sich damit nicht durchsetzen und die Filmautoren ließen ihre Interessen wieder durch den Filmautorenverband vertreten, dessen Ziele Mitte der 1920er Jahre nochmals revidiert wurden. Im Jahr 1926 war die Mitgliederzahl der »Filmgewerkschaft« bereits auf 1.273 gesunken. Seit 1927 übermittelte die Filmgewerkschaft überhaupt keine Mitgliederzahlen an den Gewerkschaftsbund mehr.177 Sie war im Grunde bedeutungslos geworden, da nun wieder spezielle Verbände wie der »Verband deutscher Filmautoren« die Berufsgruppen vertraten. Von Seiten des Dachverbandes der Gewerkschaft sah man als Gründe für das Scheitern den »Drang nach Selbstständigkeit« der Fachgewerkschaft. Kritisiert wurde das ständige Kompetenzgerangel um die Führungsspitze und den damit verbundenen personellen Wechsel im Vorsitz der »Filmgewerkschaft«. Deshalb sei es der »Filmgewerkschaft« nicht möglich gewesen, die beruflich und sozial heterogene Mitgliederschaft zu vertreten und ihnen das nötige Vertrauen in die Gewerkschaftsorganisation zu vermitteln. Schließlich wurde die »Deutsche Filmgewerkschaft« am 30.4.1930 aus den Mitgliederverzeichnissen des Gewerkschaftsbundes gestrichen.178 Als Fazit bleibt festzustellen, dass das Programm der Filmgewerkschaft nie realisiert wurde, da die verschiedenen Berufsgruppen unterschiedliche Interessen verfolgten. Eine einheitliche Branchengewerkschaft für alle Filmschaffenden war damit gescheitert.179 Etwas erfolgreicher war derweil der »Verband deutscher Filmautoren«, dessen Ziele von 1924 sich fast wie die Forderungen der »Screen Writers’ Guild« in Hollywood lasen. Diese lauteten: Nennung des Namens des Filmautors auf dem Filmwerk, Mitbestimmung und Mitwirkung des Drehbuchautors während der Filmarbeiten, eine Verfilmungspflicht des Produzenten für ein eingereichtes Manuskript, kein Weiterverkauf des Verfilmungsrechts ohne Zustimmung des Urhebers und Verbot der Änderung fertiger Filmwerke (inklusive Titel und Schnitt). Zudem verlangte der Verband allgemeingültige, juristische Regelungen zum Filmvertragsrecht und die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. Die Autoren sollten umgekehrt dazu verpflichtet werden, ihre Filmideen rechtzeitig 175 | Vgl. o. A., Der Streik, in: Der Kinematograph, Bd. 14 (1920) H. 695, o. S. 176 | Vgl. o. A., Die Arbeitnehmerschaft der Berliner Filmindustrie verlangt einen 100prozentigen Teuerungszuschlag auf die Tariflöhne, in: Der Kinematograph, Bd. 14 (1920) H. 679/680, o. S. 177 | Vgl. o. A., Statistischer Anhang (Übersicht). Mitgliederbewegung in den Verbänden, in: Jahrbuch des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (1928), S. 296f. 178 | Vgl. o. A., Konzentrationsbestrebungen, in: Jahrbuch des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (1930), S. 255-257, hier S. 255. 179 | Vgl. Nestriepke, Siegfried, Die Gewerkschaftsbewegung, 2. überarb. Aufl., Stuttgart 1923, S. 137f.
»Verband deutscher Filmautoren« und »Deutsche Filmgewerkschaf t«
dem Hersteller zur Verfügung zu stellen und sich an vertragliche Terminabsprachen zu halten. Der Verband bestellte Gutachter im Fall von Streitsachen. Er betrieb einen Pressedienst und übernahm den Verkauf von Verfilmungsrechten in die USA. Er rief Verbandsmitglieder dazu auf, der Geschäftsstelle die Rechte für die Lizenzierung ihrer Werke zu übertragen und damit den Filmautorenverband zur legitimen Rechtsvertretung der Drehbuchautoren werden zu lassen. Weitere Ideen und Pläne betrafen die Ausarbeitung eines neuen Filmurheberrechts sowie eines allgemein gültigen Tarifvertrages für die Filmindustrie.180 Jedoch konnte der Verband nicht viele seine Forderungen umsetzen. Das Filmmanuskript galt im Urheberrecht nicht als eigenständiges literarisches Werk, sondern als vorbestehendes literarisches Werk.181 Die Höhe der Vergütung dafür sollte »angemessen« sein, das heißt, sie war nicht exakt fixiert, sondern bemaß sich an allgemein üblichen Honoraren, abgestimmt auf Qualität oder Umfang der Arbeitsleistung. Der Drehbuchautorenverband bestand darauf, dass Filmautoren ihr Urheberrecht an den Filmwerken behalten sollten und damit nicht nur auf einmalige Honorare angewiesen waren. Er vertrat die Auffassung, dass Tantiemen oder Beteiligungsmodelle wie beim Theater als Bezahlung die beste Form der Vergütung seien.182 Rufmindernd wirkte sich für viele Drehbuchautoren aus, dass einzelne Schriftsteller das Filmmanuskript weiterhin als »unliterarischste« Form der Literatur ansahen. Drehbuchautoren wurden selten positiv, etwa als »Schöpfer einer Bildpartitur« oder »Dichter des Auges«, gesehen. Manche Dichter wirkten angeblich nur halbherzig im Film mit. Sie seien auf die Honorare angewiesen, betrachteten den Film aber nicht als der Schriftstellerei ebenbürtig.183 Seit 1927 planten Kameraleute, Regisseure und bedeutende Filmautoren die Gründung der »Spitzenorganisation der geistigen Filmarbeiter«.184 Die Kreativarbeiter sollten vereint werden, um, ähnlich wie die Filmgewerkschaft, mehr Druck 180 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Offener Brief an die Mitglieder der Verbände Deutscher Bühnenschriftsteller, Bühnenkomponisten und deutscher Erzähler, in: Der geistige Arbeiter, Bd. 4 (1924) H. 1, S. 3-4 und Goldbaum, Wenzel, Der Filmautor. Mitteilungen des Verbandes deutscher Filmautoren. Filmverlagsrecht an drehreifen Büchern, in: Der Kinematograph, Bd. 651 (1919), o. S. 181 | Goldbaum, Wenzel, Filmverlagsrecht, o. S. 182 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Filmverlagsrecht an drehreifen Büchern, in: Der Kinematograph, Bd. 658 (1919), o. S. und Goldbaum, Wenzel, Der Filmautor. Mitteilungen des Verbandes deutscher Filmautoren. Behandlung des kinematographischen Urheberrechts im neuen Entwurfe eines schweizerischen Bundesgesetzes, betreffend das Urheberrecht der Literatur und Kunst vom 9. Juli 1918, in: Der Kinematograph, Bd. 12 (1919) H. 636, o. S. 183 | Vgl. Keyser, Hans, Das Filmmanuskript, in: Die Literatur. Monatsschrift für Literaturfreunde, Bd. 31 (1928/29), S. 629-630. 184 | Diese ist nicht zu verwechseln mit der »Spitzenorganisation der Filmwirtschaft« (SPIO), die in Arbeitnehmerhänden war und seit 1923 existierte. Ende Januar 1927 hatte die »Spitzenorganisation der geistigen Filmarbeiter« ihre Ziele noch nicht klar definiert und
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
auf die Produzenten ausüben zu können. Die führenden Köpfe bei der Gründung einer paritätischen Dachorganisation für künstlerische Angestellte waren wieder Hans Brennert und Wenzel Goldbaum. Beide waren im Vorstand des »Verbandes deutscher Filmautoren« aktiv und sollten die Ansprechpartner für Filmautoren im neuen Verband werden. Im Verlauf des Gründungstreffens der »Spitzenorganisation der geistigen Filmarbeiter« wurde auf die früheren Versuche der Gründung einer Gewerkschaft für geistige Arbeiter durch Hans Brennert nach Kriegsende hingewiesen und daran erinnert, dass der Einfluss des »Verbandes deutscher Filmautoren« nach und nach geschrumpft sei, da die künstlerischen Angestellten der Filmindustrie einen eigenen künstlerischen »Spitzenverband« gegen die Interessen der von Filmstudios dominierten »Spitzenorganisation der Filmwirtschaft« (kurz: SPIO) auf bauen wollten.185 Die produzentenfreundliche SPIO konnte bis 1931 zumindest allgemeingültige Vorlagen für Manuskriptverträge erarbeiten und konkurrierte damit in ihrem Aufgabenbereich mit dem »Verband deutscher Filmautoren« und der »Spitzenorganisation der geistigen Filmarbeiter«, die als Verhandlungspartner in Tariffragen zunehmend an Boden verloren.186 Der künstlerische Habitus vieler Drehbuchautoren, von denen manche hauptberufliche Schriftsteller waren, und die Privilegierung der mittleren Angestelltenschichten taten ihr Übriges dazu, die Aktivität der Gewerkschaften und gewerkschaftsähnlichen Berufsverbände im Laufe der 1920er Jahre abnehmen zu lassen, sobald es wirtschaftlich wieder aufwärtsging. Wie in den USA waren die deutschen Drehbuchautoren über die Frage zerstritten, ob Gewerkschaften ihre Ziele und Interessen adäquat vertreten könnten, und wie der Berufsstand am ehesten mehr soziale Anerkennung und eine bessere wirtschaftliche Lage erreichen könnte. Die meisten Filmschaffenden waren um 1930 im paritätischen Branchenverband SPIO organisiert, der die größte Konkurrenz des »Verbandes deutscher Filmautoren« wurde und schrittweise dessen Aufgabengebiete übernahm. Das setzte die Vorsitzenden des Filmautorenverbandes unter Zugzwang. Sie gründeten die neue Dachorganisation für künstlerische Filmschaffende, die sie zuerst als »Spitzenorganisation der geistigen Filmarbeiter« bezeichneten, später als »Dachorganisation der filmschaffenden Künstler Deutschlands« (kurz:
die genauen Aufgaben der Organisation blieben unklar. Vgl. Rosenthal, Alfred, Die Organisation der Geistigen, in: Der Kinematograph, Bd. 21 (1927) H. 1040, o. S. 185 | Vgl. ebd, o. S. 186 | Ein Beispiel für einen Manuskriptvertrag, wie ihn die SPIO herausgab, im Anhang bei Andritzky, Christoph, Die Rechtsstellung des Drehbuchautors, Berlin-Leipzig 1931. Der »Filmungsvertrag« oder Normal-Manuskriptvertrag war ein Lizenzvertrag und begründete keine langfristige Anstellung des Drehbuchautors. Vgl. Dienstag, Paul, Handbuch, S. 123-131.
»Verband deutscher Filmautoren« und »Deutsche Filmgewerkschaf t«
DACHO).187 Die Forderungen der DACHO waren im Wesentlichen schon 1920 im Rahmen der Gründung der »Deutschen Filmgewerkschaft« von Wenzel Goldbaum formuliert worden.188 Hinzu kam die ausdrückliche Forderung nach einer vertraglichen Regelung der Arbeitsbedingungen und Unfallhaftung durch den Produzenten. Weiter plädierte die Dachorganisation für eine Sozialversicherung ihrer Mitglieder. Das Programm der DACHO wurde im November 1929 auf einer Sitzung angenommen. Die Vorsitzenden waren davon überzeugt, dass eine Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberorganisation SPIO problematisch werden könnte, da diese gegenteilige Ziele vertrat.189 Die DACHO kann als letzter Versuch angesehen werden, den Konzentrationsprozessen in der Filmindustrie mit gewerkschaftlichen und arbeitsrechtlichen Forderungen eines Berufsverbandes für künstlerische Angestellte im Filmbetrieb entgegenzutreten.190 Im selben Jahr planten die Autoren darüber hinaus – eine Idee des Filmautorenverbandes von 1919 aufgreifend – eine zentrale Verwertungsgesellschaft für Filmmanuskripte. Das »Kartell für Filmrechte« sollte alle mit dem Film verbundenen Lizenzrechte aus einer zentralen Geschäftsstelle in Berlin vertreiben. Die Höhe der Tantiemen für Drehbuchautoren sollte allerdings nicht durch das Kartell geregelt werden. Die Autoren misstrauten dem Filmkartell. Die Übertragung aller Verwertungsrechte an einem Drehbuch an eine Verwertungsgesellschaft war damals noch unüblich. Dies wurde meist in den Verfilmungsverträgen mit Produzenten direkt geregelt. Grundsätzlich sollte das Vorgehen des Kartells erst nach der Umstellung auf den Tonfilm konkretisiert werden. Angedacht war ein einmaliges Mindesthonorar für ein drehfertiges Manuskript in der Höhe von 3.000 Mark. 191Mit dem »Kartell für Filmrechte« wollten die Drehbuchautoren der Verwertungsgesellschaft der Musiker nacheifern, die seit 1916 im »Verband zum Schutze musikalischer Aufführungsrechte für Deutschland« (einem Vorläufer der heutigen »Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte«, kurz GEMA) organisiert waren. Die Filmautoren in Deutschland verfolgten aufmerksam die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten wie die Arbeitskämpfe am Broadway und in Hollywood. Um die Filmrechte der Drehbuchautoren zu sichern, sollten die Strategien der US-Autorenverbände übernommen werden. Drei mögliche Szenarien zum Erreichen der Ziele standen zur Diskussion. Erstens wurde der Anschluss an große Gewerkschaften propagiert, allerdings war dieses Vorgehen schon während des Streikversuchs 1920 und spätestens mit dem Niedergang der »Deutschen Filmge187 | Vgl. o. A., Erfreuliche und unerfreuliche Dacho-Perspektiven, in: Der Kinematograph, Bd. 23 (1929) H. 268, o. S. 188 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Referat des Rechtsanwalts Dr. Wenzel Goldbaum, S. 4-5. 189 | Vgl. o. A., Erfreuliche und unerfreuliche Dacho-Perspektiven, o. S. 190 | Vgl. Kasten, Jürgen, Zur Geschichte der Drehbuchautorenverbände in Deutschland, hier S. 2. 191 | Vgl. o. A., Kartell für Filmrechte, in: Der Kinematograph, Bd. 23 (1929) H. 234, o. S.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
werkschaft« gescheitert. Zweitens erwog man ein Zusammengehen mit anderen Künstlerverbänden. Als Vorbild diente die Zusammenarbeit von Schauspielerverband und Dramatikern in New York, die zum Battle of Broadway geführt hatte. Drittens konnte zum Boykott bestimmter unlauterer Filmproduzenten aufgerufen werden. In New York hatten die Drehbuchautoren die Theaterdirektoren boykottiert, die Verträge mit dem Filmstudio Fox abgeschlossen und somit Preisdumping betrieben hatten. Die durch den sogenannten »Fox-Plan« zustande gekommenen Absprachen zwischen Broadway und Hollywood-Produzenten hatten dazu geführt, dass Filmrechte unter Wert veräußert worden waren. Davon waren auch Stücke deutschsprachiger Autoren, die in den USA aufgeführt wurden, betroffen gewesen.192 Die neue Strategie war eine Allianz der kreativen Filmschaffenden, die die Arbeitnehmerseite vertreten sollten. Diese Rolle übernahm in Deutschland schließlich die »Dachorganisation der filmschaffenden Künstler Deutschlands« (DACHO), die sich gegen die produzentenfreundliche SPIO allerdings kaum durchsetzen konnte.
D as D rehbuch im deutschen U rheberrecht – B rechts P rozess um D ie D reigroschenoper Die Frage der Stellung des Films im deutschen Urheberrecht wurde nach dem Aufkommen des Tonfilms intensiv diskutiert. Dies soll im Folgenden anhand der Debatte über Brecht und die Verfilmung von Die Dreigroschenoper gezeigt werden. Kompliziert wurde die Frage in Deutschland durch die Tatsache, dass die Werke der bildenden Kunst und Fotografie und die Werke der Literatur und Wissenschaft bis 1965 in zwei separaten Gesetzbüchern geregelt waren. Der Stummfilm hatte urheberrechtlich primär dem Artikel 15a des »Kunstschutzgesetzes« aus dem Jahr 1910 unterstanden, das den Schutz von Werken der Fotografie und der bildenden Kunst regelte. Der Jurist und spätere Kulturreferent der Stadt Mannheim und Mitbegründer der »Mannheimer Filmwoche«193, Christoph Andritzky, plädierte nach der Einführung des Tonfilms dafür, die urheberrechtliche Stellung des Drehbuchautors und des Drehbuchs zu verbessern. Im Film habe sich eine erzählende Form etabliert und das Drehbuch sei nunmehr ein literarisches vorbestehendes Schriftwerk. Deshalb sollte das Drehbuch nun
192 | Vgl. o. A., Autorenkrieg gegen Bühne und Film, in: Der Kinematograph, Bd. 20 (1926) H. 985, S. 11f und Dramatists Guild, Secret Agreement for Reorganization of the Dramatists Guild 1925, in: Walsh, Thomas J., Playwrights and Power, A History of the Dramatists Guild, Ann Arbor, Mich. 1996, S. 289-291. 193 | Vgl. Fehrenbach, Heide, Cinema in Democratizing Germany. Reconstructing National Identity after Hitler, Chapel Hill 1995, S. 313f.
Deutsches Urheberrecht – Brechts Prozess um D ie D reigroschenoper
konsequent dem bestehenden »Literaturschutzgesetz« unterstellt werden.194 Im Grunde ging es um die Frage, wem die Exklusivrechte für das filmische Werk zugewiesen werden sollten. Ausgangspunkt war daher die Frage nach dem »Schöpfer« des Werkes. Der Film konnte prinzipiell als eine künstlerische Gemeinschaftsschöpfung, als ein schöpferisches multimediales und arbeitsteilig erstelltes Werk des Regisseurs, als Werk des Produzenten oder als Werk des Drehbuchautors begriffen werden.195 Wird das filmische Werk analog zum »Schriftwerk« geregelt, so würden die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte primär dem Filmautor zugewiesen. Das war die Auffassung von Andritzky, der in seinen juristischen Abhandlungen verkannte, dass der Film eine künstlerische Gemeinschaftsschöpfung war, so dass der Film schwerlich auf einen Urheber zurückzuführen war.196 Doch üblich war diese Meinung in der Praxis keineswegs. Gängig war die Annahme, dass der Filmhersteller alle finanziellen Risiken auf sich nehme und deshalb rechtlich als Filmurheber und Eigentümer zu gelten habe. In der Praxis wurden die Rechte am Drehbuch und das Urheberrecht am Film mittels eines Verfilmungsvertrages auf den Produzenten übertragen. Alle künstlerischen Beteiligten traten ihre Urheberrechte an die Produktionsfirma ab. Diese Übertragung der Rechte wurde durch Verfilmungsverträge und Werkverträge abgesichert.197 Es war üblich, dass bei Manuskriptverfilmungsverträgen alle Urheber-, Übersetzungs-, Vertriebs- und Verfilmungsrechte des Drehbuchautors an den Vertragspartner übertragen wurden. In Deutschland forderten Juristen eine Klärung der Gesetzeslage beim Film.198 Einige Rechtswissenschaftler verlangten die Anerkennung und Stärkung der Persönlichkeitsrechte und moralischen Rechte im deutschen Urheberrecht. So sollte nach Meinung des Urheberechtsjuristen Fritz Smoschewer die Zustimmung des Werkurhebers, also des Verfassers der literarischen Vorlage und des Bearbeiters (Verfasser des Drehbuchs), für die Verfilmung, Verwertung und Bearbeitung des literarischen Materials nötig sein.199 Die Frage, ob Film eine Bearbeitung oder Adaption sei, war durch das damalige Recht noch nicht eindeutig geregelt, da die beiden Urheberrechtsgesetze in Kunstschutzgesetz und Literaturschutzgesetz getrennt waren und einzelne 194 | Vgl. Andritzky, Christoph, Die Rechtsstellung des Drehbuchautors, Berlin-Leipzig 1931, S. 4-10. 195 | Vgl. ebd., S. 10-15. 196 | Vgl. ebd., S. 20-25. 197 | Vgl. Fagg, John A., Urheberschaft und Urheberrecht am Film. Eine kritische Studie, Berlin 1928, S. 29f, 35f und 39f. 198 | Vgl. Stenzel, Albert, Die Filmverwertungsverträge in ihren Beziehungen zum Urheberrecht, Coburg 1931, S. 10-15. 199 | Vgl. Smoschewer, Fritz, Zum Bearbeitungs- und Verfilmungsrecht, in: Juristische Rundschau, Bd. 2 (1926) H. 7, S. 315-328.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Schutzgebiete vorsahen. Smoschewer sah den Film als Bearbeitung des Filmmanuskripts an. Er folgerte daraus, dass das Filmurheberrecht als Vermögensrecht und moralisches Recht dem Verfasser des Filmmanuskripts zustehe und dieses Recht bei Herstellung der ersten vertriebsfertigen Kopie beginne. Smoschewer prägte außerdem den Begriff »Urheberpersönlichkeitsrechte« als deutsche Entsprechung der französischen droit moral.200 Auch international war das Problem der Filmurheberschaft rechtlich nicht einheitlich und abschließend geregelt. In Polen stand die Urheberschaft für einen Film dem Produzenten beziehungsweise Unternehmer zu. In Italien galt das filmische Werk als Gemeinschaftsschöpfung, die zu je einem Drittel dem Autor, Regisseur und Filmhersteller zuerkannt wurde.201 Auf internationalen Kongressen trieben Künstler und Juristen die Harmonisierung des Urheberrechts für den Film voran. So trafen sich 1930 in Budapest die Mitglieder der »Association littéraire et artistique internationale« und erörterten Tantiemenfragen des Tonfilms.202 Es wurde beschlossen, dass die »Berner Übereinkunft« ausdrücklich auch den Tonfilm mit einbeziehen sollte. Grundsätzlich verwiesen Juristen darauf, dass in bestimmten Fällen Unklarheiten durch das Arbeits- und Vertragsrecht zu regeln seien.203 Die Urheberrechtsgesetzgebung gab nur den Rahmen vor, der dann vertrags- und arbeitsrechtlich konkret ausgestaltet wurde. Es kam darauf an, ob der Drehbuchautor in einem angestellten Dienstverhältnis stand oder freiberuflich tätig war. Da beim Film schwer zu klären war, wer genau welche schöpferischen Leistungen erbracht hatte, blieben in der Praxis die Urheberrechte beim Filmproduzenten.204 Das zeigt auch die Geschichte von Bertolt Brecht, der seine geistigen Eigentumsrechte 1930 gegen die Filmproduktionsfirma, die seine literarische Vorlage auf die Leinwand bringen wollte, verteidigte. Die Produktionsfirma Nero Film AG hatte Brecht zugesichert, seinen künstlerischen Einfluss auf den Film behalten zu können. Da jedoch auch die amerikanischen Studios Warner und Universal an dem Projekt beteiligt waren, waren Brechts Kontroll- und Einflussmöglichkeiten stark eingeschränkt.205 Brecht sollte das Drehbuch schreiben. Die stilistischen 200 | Vgl. Smoschewer, Fritz, Abhandlungen. Das Persönlichkeitsrecht im allgemeinen und im Urheberrecht. III. Teil, in: UFITA, Bd. 3 (1930) H. 1, S. 349-370, hier S. 363-365. 201 | Vgl. Andritzky, Christoph, S. 21-23 und Stenzel, Albert, S. 15. 202 | Vgl. Dienstag, Paul, Handbuch, S. 118f. 203 | Vgl. ebd., S. 118-123. 204 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht. Ein Kommentar zu den Gesetzen über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst und das Verlagsrecht, zur revidierten Berner Übereinkunft nebst Bestimmungen des Friedensvertrages sowie zum deutsch-amerikanischen Abkommen, 2. Aufl., Berlin 1927 (=Stilkes Rechtsbibliothek Nr. 9), S. 42-60. 205 | Vgl. Brewster, Ben, Brecht and the Film Industry. On The Threepenny Opera Film and Hangmen Also Die, in: Screen, Bd. 16 (Winter 1975/76) H. 4, S. 16-33, hier S. 16f.
Deutsches Urheberrecht – Brechts Prozess um D ie D reigroschenoper
Eigenheiten der Oper sollten beibehalten werde. Als Brecht seinen Drehbuchentwurf mit dem Titel Die Beule der Produktionsfirma vorlegte, bezichtigte ihn diese des Vertragsbruchs, da der Filmentwurf ihrer Ansicht nach der Originalvorlage kaum mehr entsprach. Sie vergab deshalb den Auftrag für ein anderes Drehbuch an einen Dritten. Dieses wurde von G. W. Pabst verfilmt, stellte aber nach Brechts Meinung eine Verschandelung seines Werkes dar. Im Jahr 1931 wurde die Filmversion uraufgeführt, auf Grundlage einer Drehbuchfassung, die laut Brecht nichts mehr mit dem politischen Impetus seiner Filmidee gemein hatte.206 Brecht verklagte die Produktionsfirma, aber das Gericht wies die Klage ab, da Brecht vor der Herstellung der Filmversion von Die Dreigroschenoper die Bearbeitungs-, Verfilmungs- und Änderungsrechte an Nero Film übertragen habe. Ein außergerichtlicher Vergleich brachte ihm schließlich doch eine Entschädigung von 25.000 Mark ein.207 Kurt Weill hingegen hatte sich als Komponist zusätzlich erweiterte Mitbestimmungsrechte gesichert.208 Brecht schwankte bei der rechtlichen und der moralischen Beurteilung seiner Erfahrung. Er wies in seinem Arbeitsjournal und in seinen Aufzeichnungen zum Dreigroschen-Prozess einerseits darauf hin, dass er die herrschende Stellung des Autors beim Film ablehne. Die Konzeption von geistigen Eigentumsrechten diene allein der Profitorientierung und nicht der geistigen und künstlerischen Schöpfung des Autors. Die Filmproduktion sei letztendlich nicht vereinbar mit der künstlerischen Kreativität des Einzelnen.209 Andererseits kritisierte er, dass Filmautoren fast keinen Einfluss auf das Endprodukt hätten. Dem Originalautor solle mehr künstlerische Freiheit und Autonomie zugestanden werden. Mit dieser Argumentation unterstrich er den künstlerischen Habitus, der auf Originalität und Autonomie fußte und von manchen Drehbuchautoren seiner Zeit geteilt wurde. 210 Der Streit um die Frage, wer eigentlich Filmschöpfer im Produktionsprozess sei, und der Prozess um die Verfilmung von Die Dreigroschenoper zeigen auf unterschiedlichen Ebenen, mit welchen sozialen, kulturellen und juristischen Problemen die deutschen Drehbuchautoren in den 1920er Jahren konfrontiert waren. Sichtbar wird die Spannung zwischen dem Bild des traditionellen Künstlers, des angestellten Geistesarbeiters und des Rechteinhabers. In Deutschland
206 | Vgl. Winge, John Hans, Brecht and the Cinema, in: Sight and Sound, Bd. 26 (1956/57) H. 3, S. 144-147. 207 | Vgl. Knopf, Jan, Brecht-Handbuch. Lyrik, Prosa, Schriften. Eine Ästhetik der Widersprüche, Stuttgart 1984, S. 505-507. 208 | Vgl. Dienstag, Paul, Handbuch, S. 132-140. 209 | Vgl. Brewster, Ben, Brecht and the Film Industry, hier S. 18f. 210 | Vgl. Wetzel, Michael, Der Autor zwischen Hyperlinks und Copyrights, in: Detering, Heinrich (Hrsg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Stuttgart-Weimar 2002 (=Germanistische Symposien-Berichtsbände Bd. 24), S. 278-290, hier S. 281f.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
legten Drehbuchautoren mehr Wert auf die Betonung des künstlerischen Aspekts der Arbeit und die Würdigung des Berufs als künstlerisch-ästhetische Tätigkeit. Im Jahr 1932 arbeiteten in Deutschland etwa 115 hauptberufliche Drehbuchautoren, von denen jeder durchschnittlich an zwei bis vier Filmen pro Jahr mitarbeitete. Etwa 63 Filme wurden von mehr als einem Autor verfasst.211 Der Beruf des Tonfilm-Manuskriptschreibers hatte sich zu einem angesehen Kreativberuf herausgebildet. Im Film war die Inszenierung von der Stoffentwicklung weitgehend getrennt. Die Einkünfte der Drehbuchautoren waren mit denen von Filmkomponisten vergleichbar und erreichten bisweilen neue Spitzenwerte. In seltenen Fällen bekamen Filmautoren statt des üblichen einmaligen Honorars eine prozentuale Gewinnbeteiligung.
Z usammenfassung – D er D rehbuchautor als angestellter A uf tr agskünstler oder freier B eruf in den USA und in D eutschl and in den 1920 er J ahren Die 1920er Jahre waren für die Drehbuchautoren in den Vereinigten Staaten und in Deutschland geprägt von einem entscheidenden Professionalisierungsschub. Die neu gegründeten Drehbuchautorenverbände waren ein Ausdruck für den Wunsch einer berufsmäßigen, kollektiven Interessenvertretung und ihrer berufsständischen Institutionalisierung. Die 1920 gegründete »Screen Writers’ Guild« in Hollywood und der ein Jahr zuvor geschaffene »Verband deutscher Filmautoren« in Berlin kämpften für die Durchsetzung ihrer berufsständischen Politik im Filmgeschäft. In beiden Ländern ließen sich ähnliche arbeitsrechtliche Problemlagen und strukturelle Entwicklungen des Berufsfeldes feststellen. Mithilfe professioneller, gewerkschaftsartiger, kollektiver und künstlerisch-individueller Strategien versuchten die Kreativen, sich in einem arbeitsteiligen und privatwirtschaftlich organisierten Produktionsumfeld durchzusetzen. Die großbetriebliche Organisation der Filmstudios und die massenweise Fertigung von Filmen führten insbesondere in den USA zu einer rationalisierten arbeitsteiligen Produktionsweise. In dieser Arbeitsumgebung wurden traditionelle Vorstellungen des freien Schriftstellerberufs radikal herausgefordert. Der Anspruch, autonom und individuell schöpferisch tätig zu sein und sein geistiges Eigentum kontrollieren zu können, war in den spezialisierten Drehbuchabteilungen Hollywoods nicht mehr gefragt. Es ging um Teamarbeit und das Aushandeln von Leistungen in institutionalisierten Drehbuchkonferenzen. Dies forderte von allen kreativen Mitarbeitern ständige künstlerische Zugeständnisse und die Bereitschaft für weitestgehende Kompromisse.
211 | Zahlen nach Boehmer, Henning von / Reitz, Helmut, Der Film in Wirtschaft und Recht. Seine Herstellung und Verwertung, Berlin 1933, S. 22-25.
Zusammenfassung – USA und Deutschland in den 1920er Jahren
Das Studiosystem in Hollywood machte den Drehbuchautor zum abhängig beschäftigten Angestellten, der sich fundamental vom freien Schriftsteller unterschied. Individualistische Vorstellungen von Autorschaft und Kreativität ließen sich in der kommerzialisierten Unterhaltungsindustrie der USA für die meisten Schriftsteller kaum aufrechterhalten. Da die Bezahlung vergleichsweise gut blieb, hielt sich die Kritik an den Zuständen, die in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg als Ausdruck der »Proletarisierung der geistigen Arbeit« begriffen wurden, in den USA noch Grenzen. Ende der 1920er Jahre wurde die Vergütung der Kreativarbeiter beim Film ein globales Problem. Die Drehbuchautoren waren unzureichend oder gar nicht organisiert und besaßen keine kollektiven Mindestvergütungsverträge.212 In den US-Studios und bei der UFA in Potsdam-Babelsberg intensivierte sich die Debatte darüber, ob der Beruf eher eine kreativ-künstlerische planerische oder eine quasi-handwerkliche Tätigkeit sei. Damit verband sich die Frage, ob und mit wem sich die Drehbuchautoren sozial, politisch und kulturell verbinden sollten – mit den Eliten, den Mittelschichten oder den Angestellten oder Arbeitern. Zeitweilig waren Drehbuchautoren in Hollywood ein recht elitärer Zirkel und die Drehbuchautorengilde vorrangig ein Club, in der Angehörige der gebildeten und besitzenden Mittelschichten vertreten waren. Bei den Angehörigen der ersten Generation der vollberuflichen Drehbuchautoren in Hollywood handelte es sich vielfach um Schriftsteller von der Ostküste, die im Rahmen der –-Kampagne nach Hollywood eingeladen wurden. Die Immigranten von der Ostküste waren auch diejenigen Drehbuchautoren, die sich nur mit Mühe und widerwillig an die neuen großbetrieblichen Arbeitsbedingungen anpassten. Grundsätzlich stritten Drehbuchautoren in Deutschland und den USA bis 1933 vorrangig für kleinere Zugeständnisse. Die Namensnennung, die Kontrolle und das Mitspracherecht bei künstlerischen Änderungen waren, neben einer höheren Vergütung, die wichtigsten Forderungen und sollten mithilfe der Berufsverbände geregelt werden. Die Konzentration und Rationalisierung der Filmindustrie erfolgte in Deutschland einige Jahre später, da diese durch den Ersten Weltkrieg geschwächt war. Der deutsche Filmautor war weniger spezialisiert und zur Ein- und Unterordnung im Team gezwungen. Das Berufsbild basierte länger auf Werten wie individuelle Autonomie des Autors und auf Vorstellungen künstlerischer Integrität und Originalität. Der deutsche Filmautorenverband versuchte, die individuellen Rechte des Künstlers und die persönliche Integrität des Drehbuchautors mithilfe kollektiver Strategien, die die Verhandlungsmacht des Einzelnen erhöhten, zu stärken. Unter Nutzung des Mythos vom Autorenfilm der 1910er Jahre untermauerten die deutschen Drehbuchautoren ihre Ansprüche auf einen gehobenen Status in der Filmproduktion. Zunehmend rückten geistige Eigentumsrechte und Urheberpersönlichkeitsrechte in den Fokus der deutschen 212 | Vgl. Kohler, Arnold, Some Aspects of Conditions of Employment in the Film Industry, in: International Labour Review, Bd. 23 (1931) H. 6, S. 773-804, hier S. 774-788.
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Berufsvertreter, deren »Verband deutscher Filmautoren« allerdings Ende der 1920er Jahre zunehmend an Einfluss verlor. In den USA hingegen wurden diese rechtlichen Fragen weiterhin weniger nachdrücklich gestellt. Die 1930er Jahre waren in der Folge geprägt von verstärkter politischer Einflussnahme auf die Drehbuchautoren. Die politische Sphäre spielte in beiden Staaten eine höchst unterschiedliche, aber einflussreiche Rolle als Agent der Professionalisierung und De-Professionalisierung des Drehbuchautorenberufs. Seit 1933 nahm die Divergenz zwischen den USA und Deutschland zu. Diese entwickelten nun unterschiedliche Strategien der Professionalisierung und Integration in die Gesellschaft.
4. Beruf versus Berufung – Drehbuchautoren und ihr Ringen um berufsständische Autonomie und Anerkennung als Kreativberuf in Hollywood 1933 bis 1945
Nach der Umstellung auf den Tonfilm und einer experimentellen Übergangsphase, die in den USA wie in Deutschland um 1932 abgeschlossen war, kam es zu einem Professionalisierungsschub in der Berufsgruppe der Drehbuchautoren. Dieser vollzog sich allerdings in den USA und in Deutschland unter völlig verschiedenen politischen Verhältnissen. In Deutschland errichteten die Nationalsozialisten seit 1933 eine totalitäre Diktatur und in den USA führte der New Deal zu einer neuen Form des sozialen und politischen Ausgleichs in der durch die Weltwirtschaftskrise erschütterten Demokratie. Die neue Politik forderte die Einführung kollektiver Verträge, die Besserstellung der Industriearbeiterschaft und der betrieblichen Mittelklassen über die Anerkennung unabhängiger craft unions, also Gewerkschaften eines Berufszweiges, die als eigenständige Verhandlungspartner Tarifverträge mit ihren Arbeitgebern aushandeln konnten.1 Jene gesellschaftspolitischen Umwälzungen betrafen auch das arbeitsorganisatorische System in Hollywood.2 Dort radikalisierten und politisierten sich die Angestellten zunehmend und schlossen sich der Gewerkschaftsbewegung an, um mit kollektiven Strategien ihre Interessen gegenüber den Produzenten zu 1 | Vgl. Filippelli, Ronald L., Labor in the USA. A History, New York 1984, S. 238ff; Zieger, Robert H., American Workers, American Unions. 1920-1985, Baltimore-London 1986; Jacobs, Meg, Inflation. »The Permanent Dilemma« of the American Middle Classes, in: Zunz, Olivier / Schoppa, Leonard / Hiwatari, Nobuhiro (Hrsg.), Social Contracts under Stress. The Middle Classes of America, Europe, and Japan at the Turn of the Century, New York 2003, S. 130-153, hier S. 130f und Gordon, Colin, New Deals. Business, Labor, and Politics in America, 1920-1935, Cambridge 1994. 2 | Eine rechtshistorische Abhandlung, die New Deal-Gesetzgebung und ihre Wirkung auf die Hollywoodstudios und den zentralen Paramount-Rechtsstreit aus den Jahr 1948 bei Musico, Giuliana, Hollywood’s New Deal, Philadelphia 1996.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
verbessern und ihre Verhandlungsrechte und geistigen Eigentumsrechte auszubauen. Im Mittelpunkt stand dabei der Versuch, mit dem Berufsverband »Screen Writers’ Guild« einen anerkannten Verhandlungspartner zu etablieren. In der Geschichte des amerikanischen Drehbuchautorenberufs steht das Jahr 1933 deshalb für eine Zäsur, weil die strategische Ausrichtung des Drehbuchautorenverbandes nun durch kollektiv-gewerkschaftliche Zielsetzungen der Gewerkschaftsbewegung ergänzt wurde und der Verband verstärkt mit anderen professionellen Organisationen wie der »Screen Actors’ Guild« zusammenarbeitete.3 Im folgenden Kapitel steht der Kampf der amerikanischen Drehbuchautoren um berufliche Anerkennung und berufsständische Autonomie im Mittelpunkt. Dabei bewegten sich die Drehbuchautoren in den USA im Spannungsfeld zwischen politischer Einflussnahme und dem Anspruch auf weitgehende berufliche Autonomie. Im Drehbuchautorenverband spitzten sich Spannungen zwischen den linken, teilweise kommunistischen sowie den konservativen Mitgliedern zu. In Hollywood wurden außerdem konkurrierende Verbände gegründet, gegen die sich die »Screen Writers’ Guild« behaupten musste. Neben der älteren »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« (Academy) schickte sich seit 1936 der Verband »Screen Playwrights« an, als dritte berufliche Interessenvertretung der Drehbuchautoren aufzutreten und der »Screen Writers’ Guild« die Mitglieder abzuwerben. Zu großen Konflikten führte in den 1940er Jahren die verstärkte politische Einflussnahme im Rahmen der Kriegsmobilisierung und im Gefolge der Nationalisierung der Kulturpolitik, die sich nach Kriegsende im Zuge des Kalten Krieges weiter zuspitzte. Die Integration der politischen Flüchtlinge in die Filmindustrie Hollywoods verlief dagegen vergleichsweise spannungsfrei. Viele deutschsprachige Schriftsteller fanden in Hollywood als Drehbuchautoren eine zweite Heimat und neue berufliche Zukunft, mussten sich allerdings an die dortigen großbetrieblichen Arbeitsbedingungen anpassen, die ihr traditionelles Selbst- und Berufsbild als Schriftsteller herausforderten.
S chrif tsteller von der O stküste als D rehbuchautoren im S tudiobe trieb H olly woods Die 1930er Jahre waren geprägt von den Folgen der weltweiten Weltwirtschaftskrise und den Versuchen der Stabilisierung der Filmindustrie nach einer Phase wirtschaftlicher Unsicherheit während der Umstellung auf den Tonfilm. Die acht größten amerikanischen Filmstudios Paramount, MGM, 20th-Century Fox (seit 1935), Warner Brothers, RKO (seit 1928), Universal, Columbia und United Artists 4 3 | Vgl. Cantor, Eddie, The Wedding, in: The Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (August 1934) H. 5, S. 3. 4 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 419-422.
Schrif tsteller der Ostküste als Drehbuchautoren in Hollywood
beherrschten die Produktion, den Verleih und das Vorführsegment. Das Studio MGM produzierte in Spitzenzeiten bis zu 42 Spielfilme pro Jahr in einem Produktionssystem, welches nun durch und durch fabrikmäßig und arbeitsteilig organisiert war. Andere Studios entwickelten eigene Stile und wurden für spezifische Genres bekannt. Warner galt als Garant für realistische und harte Gangsterfilme, Universal dagegen konzentrierte sich auf das Grusel- und Horrorsegment. Diese Genrekonventionen und das etablierte Starsystem machten die Filme als kulturelle Massenerzeugnisse zu einem gewissen Grad austauschbar, denn die einzelnen Genres zeigten eine erstaunliche Konformität. Man denke nur an das berühmte finale Duell eines jeden Western, welches nur leicht variiert wurde, aber grundsätzlich aus immer ähnlichen Erzählstrukturen konstruiert sowie aus typischen Szenen und Einstellungsgrößen montiert wurde.5 Die Handschriften der einzelnen Studios und die exklusiven Filmstarverträge sorgten aber für die nötige Produktdifferenzierung innerhalb eines homogenen Marktes, der dem Diktat der »Genrekonformität« unterstand. Filme erschienen letztlich nicht als gänzlich ununterscheidbar oder austauschbar. Doch nur wenige Werke, die in den 1930er Jahren produziert wurden, waren künstlerisch bedeutsam. Bei den allermeisten handelte es sich um Fließbandprodukte und Massenware in gleichbleibender, teilweise sogar hoher Qualität.6 Der eigenständige Studiostil, der die Filme vor der Uniformität bewahrte, wurde durch die festangestellten Vertragsarbeiter und Kader des Hauses ebenso wie durch den Studiochef und die ausführenden Produzenten geprägt.7 Zwar gab es durch die Umstellung auf den Tonfilm seit 1927 eine personelle Fluktuation und einen Generationenwechsel, aber ein wirklicher Austausch der angestellten Drehbuchautoren hatte nicht stattgefunden. Eher wurde der Bedarf an geschulten und dialogkundigen Autoren größer, die fähig waren, für das Filmmedium zu schreiben. Seit Ende der 1920er Jahre waren deshalb zunehmend Dramatiker vom Broadway an die Westküste gekommen. Grundsätzlich setzte sich von den frühen 1930er Jahren bis in die 1950er Jahre das sogenannte producer unit system als Organisations- und Herstellungsprinzip in den Filmstudios durch. Es löste das durch Thomas Ince und Irving Thalberg bekannt gewordene central producer system 8 ab, in dem ein mächtiger Produzent alle künstlerische und finanzielle Entscheidungsgewalt innehatte, diese allerdings auch nach Gutdünken delegierte. Die modernen Filmstudios der 1930er Jahre operierten hierarchisch und verteilten die kreative Kontrolle auf einzelne Produktionseinheiten. Dabei war es üblich, für ein bestimmtes Projekt aus einer 5 | Die »Amerikanische Einstellung« zeigt den Protagonisten von Kopf bis unterhalb der Gürtellinie. Für das Westerngenre war diese Konvention nötig, ansonsten hätte der Zuschauer beim Duell den Pistolengurt und das Ziehen der Waffe nicht wahrnehmen können. 6 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen, S. 246-249. 7 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 75-79. 8 | Vgl. Maras, Steven, Screenwriting, S. 37.
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großen Anzahl Autoren einige Vertragsautoren auszuwählen. Die Drehbuchautoren, die gerade nicht arbeiteten, standen zwar unter Vertrag mit dem Studio, ihr Lohn wurde aber auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Diese sogenannten Lay-off-Perioden waren in der Branche üblich. Für Drehbuchautoren waren sie nachteilig, denn es war ihnen nicht möglich, für andere Studios zu schreiben, solange ihr Vertrag nicht gekündigt worden war. Besonders die weniger etablierten Drehbuchautoren konnten nur schwer eine Festanstellung bei den Studios erlangen. Sie wurden projektbezogen vergütet und bekamen nur kurze Vertragslaufzeiten zugesagt. Während der Vertragslaufzeit waren die Rechte am geistigen Eigentum der Drehbuchautoren, ohne die Möglichkeit der weiteren künstlerischen Mitbestimmung, an die Studios übertragen.9 Es erstaunt unter diesen Umständen kaum, dass die Beschränkung der Lay-off-Phasen auf höchstens vier Wochen pro Jahr in den 1930er Jahren eine prominente Forderung der Drehbuchautorengilde war.10 Das shooting script, also das drehfertige Buch mit allen Einstellungen und Szenenbeschreibungen, wurde immer öfter durch ein knappes master scene script abgelöst, welches nur einige wichtige Szenen detailliert beschrieb und mit genauen technischen Anweisungen versah. Der konventionelle Genrefilm machte es unnötig, alle Einstellungen genau aufzuschlüsseln. Das master scene script hielt die dramaturgisch wichtigen Schlüsselszenen ausführlich und detailliert fest.11 Es sorgte für inhaltliche Konsistenz und stilistische Kontinuität und ermöglichte die Produktion mehrerer Filme am Fließband auf hohem Qualitätsniveau, obwohl gleichzeitig dem Regisseur und Kameramann beim Dreh mehr Freiheiten zugestanden wurden.12 Der Regisseur wusste immer, wie er die Eröffnungsszene eines Western zu inszenieren und in welchen einzelnen Standard-Einstellungen er zu filmen hatte. Für die Aushandlungsprozesse zwischen den kreativen Angestellten und der Produktionsebene der Filmstudios standen die seit den 1920er Jahren institutionalisierten Drehbuchkonferenzen im Mittelpunkt. Wenn es um inhaltliche Zugeständnisse, künstlerische Änderungen oder wirtschaftliche Planung des Films ging, waren sie der Dreh- und Angelpunkt, an dem die einzelnen Interessen zusammentrafen und »Kompromisse« gefunden werden mussten.13 Die zentra9 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 170-173. 10 | Vgl. Screen Writers’ Guild, Writer-Producer Code Committee Disagrees. Writers Present Recommendations and Brief to Washington, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1935) H. 2, S. 3-4 und 17, hier S. 4. 11 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 124-144. 12 | Vgl. Tieber, Claus, Master-Scene-Script. Lexikon der Filmbegriffe, http://filmlexikon. uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5122, eingesehen am 18.2.2013. 13 | Vgl. Tieber, Claus, A Story is not a Story but a Conference und Brady, John, The Craft of the Screenwriter, S. 11-15.
Schrif tsteller der Ostküste als Drehbuchautoren in Hollywood
le Drehbuchkonferenz war und blieb Hollywoods Ausdruck kreativer Kontrolle im Rahmen eines hochspezialisierten gemeinschaftlichen künstlerischen Schaffensprozesses. Mit der Ankunft bekannter Schriftsteller und Dramatiker von der Ostküste war ein Mythos von Hollywood begründet worden, der die Filmstadt als Karrierekiller und literarische Endstation angesehener Schriftsteller brandmarkte.14 Die persönlichen Erfahrungen der Neuankömmlinge waren allerdings sehr verschieden und hingen stark von der eigenen Einstellung und den persönlichen Fähigkeiten der Autoren sowie den jeweiligen Bedingungen ab. Vor allem die Bereitschaft, sich an das Fließbandsystem und die Teamarbeit anzupassen, war ein Kriterium für den Erfolg. Eingeübte künstlerische Arbeitsweisen und individuelle Vorstellungen vom literarischen Schaffen mussten revidiert und aufgegeben werden. Im Grunde könnte man diesen Konflikt unter dem Begriff »Beruf versus Berufung« zusammenfassen. Die klassische Vorstellung des Schriftstellerberufs verwies auf »Berufung« und eine davon abgeleitete autonome schöpferische Künstlerexistenz; »Beruf« war hier im Sinne von »Brotberuf« – wenn nicht gar »Job« – gemeint. Der erfolgreiche Drehbuchautor Ben Hecht beschrieb die reale Arbeitssituation der Drehbuchautoren in den 1930er Jahren folgendermaßen: »[…] the loneliness of literary creation was seldom part of movie work. You wrote with the phone ringing like a firehouse bell, with the boss charging in and out of your atelier, with the director grimacing and grunting in an adjoining armchair. [...] Agents with dream jobs flirted with you and friends with unsolved plots came in hourly. [...] Or the studio head decided it would be better to change the locale of your movie from Brooklyn to Peking.«15
Die Drehbuchautoren mussten sich an die literarische »Brotarbeit«16 und Arbeitszeiten von neun bis fünf Uhr in einem Büro gewöhnen. Ihre Einstellung zum bürgerlichen Schriftstellerberuf, den sie zuvor meist allein und autonom ausgeführt hatten, wurde nun im arbeitsteiligen Großbetrieb infrage gestellt. Die einstigen Dramatiker und Journalisten mussten akzeptieren, dass sie als Filmautor nur einer von vielen Mitarbeitern in Drehbuchabteilungen waren und dazu noch eine Tätigkeit ausführten, die zumindest auf den ersten Blick eher einem routineartigen »Handwerk« glich und weniger kreatives Mitspracherecht beinhaltete. Drehbuchautoren waren in Hollywood demnach zwar spezialisierte, kreative Angestellte, besaßen jedoch weniger künstlerische Autonomie. Einen erfolgreichen Schriftsteller musste dieses neue Gefühl zumindest irritieren, wenn er sich nicht frustriert oder gar degradiert fühlte. 14 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 81. 15 | Ebd., S. 71f. 16 | So nannte Bertolt Brecht seine literarischen Arbeiten in Hollywood. Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal. 1938-1955, Berlin-Weimar 1977, S. 289.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
In den Drehbuchkonferenzen änderten Produzenten, Regisseure und Autoren immer wieder das Skript. Mehrere Drehbuchautoren arbeiteten – meist ohne darüber informiert zu sein – an derselben Filmidee und es war oft bis zum Ende der Produktion unklar, ob bereits involvierte Drehbuchautoren überhaupt namentlich im Abspann erwähnt werden würden und inwieweit die eigenen schöpferischen Beiträge tatsächlich Eingang in den fertigen Film gefunden hatten. Diese Zumutungen und der damit einhergehende Autonomieverlust waren für einige Intellektuelle und Schriftsteller von der Ostküste, die einen anderen Begriff von Autorschaft und Schöpfertum hatten, zu viel. Für den Verlust an künstlerischer Freiheit und Prestige wurden Drehbuchautoren jedoch mit einer komfortablen, vergleichsweise gut bezahlten Angestelltenposition entschädigt. Waren sie erfolgreich, konnten sie auf dauerhafte gute Bezahlung, eine feste Anstellung in einem der großen Studios und Aufstieg auf der Karriereleiter hoffen. Mit dem Dilemma zwischen finanziellem Erfolg und künstlerischer Ambition17 musste sich auch der bekannte Schriftsteller F. Scott Fitzgerald auseinandersetzen, dessen Roman The Great Gatsby aus dem Jahr 1925 ein Welterfolg geworden war. Wie andere bekannte Schriftsteller war er von der Aussicht auf ein hohes Gehalt nach Hollywood gelockt worden. Fitzgerald arbeitete von 1937 bis 1939 für 1.000 Dollar pro Woche beim Film. Dann wurde sein Vertrag bei MGM aufgrund seiner Unzuverlässigkeit und seines schlechten körperlichen und psychischen Zustandes, der aus seiner langjährigen Alkoholkrankheit resultierte, nicht verlängert. Fitzgerald bearbeitete zu Beginn des Jahres 1939 für kurze Zeit das Drehbuch des Hollywoodklassikers Gone With The Wind. Als sein Vertrag auslief, wurde dieser vom Produzenten David O. Selznick nicht verlängert. Nachdem Fitzgerald noch im Februar 1939 zusammen mit Budd Schulberg am Film Winter Carnival gearbeitet hatte, wurde er bei United Artists wegen Trunkenheit entlassen. Danach war er nur noch sporadisch und freischaffend für verschiedene Studios tätig. Keines seiner Drehbücher wurde mehr realisiert. Nur einmal in seiner Hollywoodkarriere konnte er an einer eigenen Kurzgeschichte weiterarbeiten und diese zu einem Drehbuch mit dem Titel Cosmopolitan umarbeiten. Obwohl Fitzgerald ein solides Skript ablieferte, wurde auch dieser Film nicht produziert.18 Fitzgerald starb schließlich im Dezember 1940 nach zwei Herzinfarkten. Sein Ausflug nach Hollywood zwischen 1937 und 1940 hatte ihm 91.000 Dollar beschert, allerdings nur eine Namensnennung für den Film Three Comrades.19
17 | Vgl. Schultheiss, John, The »Eastern« Writer in Hollywood, in: Cinema Journal, Bd. 11 (1971) H. 1, S. 13-47, hier S. 45. 18 | Vgl. Baughman, Judith S., Fitzgerald and the Movies, 2003, http://www.sc.edu/fitzgerald/movies.html, eingesehen am 23.1.2011. 19 | Vgl. Bonham-Carter, Victor, Authors by Profession, S. 248-250 und Brucoli, Matthew J., The Man of Letters as a Professional, in: Brucoli, Matthew J. / Baughman, Judith (Hrsg.), F. Scott Fitzgerald on Authorship, Columbia 1996, S. 11-22, hier S. 17f.
Schrif tsteller der Ostküste als Drehbuchautoren in Hollywood
Hollywood wurde in der Literatur als Hölle und Verhängnis für den großen Belletristen beschrieben. Oberflächlich betrachtet, war Fitzgerald kein Opfer des Systems. Er verdiente gut, konnte dank seiner Verträge mit Filmstudios und seiner Festanstellung bei MGM seine Schulden zurückzahlen und seine finanzielle Lage verbessern. Er kam seit 1927 dreimal nach Hollywood, um dort zu arbeiten, und wurde relativ gut bezahlt und fair behandelt. Rückblickend muss es für ihn eine frustrierende Zeit gewesen sein, da viele seiner späteren Drehbücher abgelehnt oder gar nicht verfilmt wurden. Er machte sich allerdings nie große Illusionen über das Filmgeschäft; seiner Auffassung nach wurde sein schöpferisches Können durch die Teamarbeit in Hollywood ständig unterminiert. Fitzgerald lieferte eher literarische Vorlagen und Ideen und weniger verfilmbare Drehbücher. Seine Hollywood-Erlebnisse verarbeitete er in seinem weltbekannten Roman The Last Tycoon, der 1976 von Elia Kazan verfilmt wurde.20 Andere bekannte Schriftsteller, die von der Ostküste nach Hollywood gingen, waren Dorothy Parker, Aldous Huxley, William Faulkner, Nathanael West und John O’Hara.21 Parker, die spätere Mitbegründerin der »Hollywood Anti-Nazi League for the Defense of American Democracy«22, wurde verhältnismäßig gut bezahlt, obwohl ihre Geschichten meist unverfilmt blieben und sie sich später auf Dialoge spezialisierte. Nathaniel West wurde als junior writer angestellt und verdiente nur 250 Dollar pro Woche.23 Auch Faulkners Erfahrungen in Hollywood waren eher negativ, denn kaum eine seiner 40 Skriptideen oder Treatments wurden letztendlich verfilmt.24 Drehbuchschreiben war für ihn Broterwerb, keine geistige Erfüllung.25 Broadwaygrößen wie Francis Faragoh, John Howard Lawson und John Murray waren ebenfalls unter den Einwanderern.26 Faragoh war bis 1947 in Hollywood aktiv und wurde bekannt für sein Drehbuch zu Little Caesar, welches ihm 1931 den Oscar in der Kategorie »Bestes Drehbuch« einbrachte. John Howard Lawson spielte zudem eine wichtige Rolle bei der Neugründung der »Screen Writers’ Guild« im Jahr 1933 und den damit verbundenen Arbeitskämpfen der Drehbuchautoren in Hollywood.
20 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 135-165. 21 | Vgl. Schulberg, Budd, The Writer and Hollywood, S. 133-138. 22 | Bürgerrechtsinitiative, die von bekannten Persönlichkeiten aus der Filmbranche ins Leben gerufen wurde. Von 1936 bis 1946 sympathisierten unter anderem die Drehbuchautoren Robert Rossen, Ben Hecht und Nunally Johnson mit der Gruppe, die im »Hollywood Peace Forum« aufging. 23 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 50-52. 24 | Vgl. Blotner, Joseph, Faulkner in Hollywood, in: Robinson, William R. (Hrsg.), Man and the Movies, 2. Aufl., Baltimore 1969, S. 261-304. 25 | Vgl. Sidney, George, An Addition to the Faulkner Canon. The Hollywood Writings, in: Twentieth Century Literature, Bd. 6 (1961) H. 4, S. 172-174. 26 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 15-20.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Die Drehbuchautoren, die von der Ostküste nach Hollywood kamen, waren in bürgerlichen und urbanen Milieus groß geworden oder stammten aus kosmopolitischen Künstlercliquen. Viele verstanden sich als Bohemiens mit exklusivem Geschmack und einem bestimmten gesellschaftlichen Habitus, der sich nicht leicht mit dem Status und der Arbeit eines angestellten Drehbuchautors in der Traumfabrik vereinbaren ließ.27 Deswegen entwarfen sie lieber literarische Vorlagen und Filmideen oder sie lizenzierten ihre eigenen Romane oder Kurzgeschichten für eine Verfilmung. Eigene Drehbücher, Originalfilmideen oder drehfertige Manuskripte lieferten sie seltener ab. Viele von ihnen beendeten den Abstecher nach Hollywood schnell wieder, da er sie als Schriftsteller nicht künstlerisch befriedigte. Die These von den erfolglosen eastern writers in Los Angeles wurde später, teils begründet, teils unbegründet auf die europäischen Filmemigranten übertragen, die aus den faschistischen Diktaturen nach Los Angeles flohen. Viele hatten ebenfalls Anpassungsprobleme und sahen ihre Mitarbeit beim Film meist als Ausverkauf an, der unter ihrem Niveau lag.28 Es gab aber auch Drehbuchautoren, die keinen literarischen oder dramatischen Hintergrund vorweisen konnten, sondern sich vorrangig als »Filmarbeiter« oder angestellte Auftragskünstler sahen. Einer von ihnen war Philip Yordan, der in den 1930er Jahren zum vielbeschäftigten Filmautor aufstieg. Er wurde im Filmabspann, obwohl er als Drehbuchautor mitgearbeitet hatte, vielfach überhaupt nicht erwähnt. Yordan wurde meist als script doctor und polisher eingesetzt. Seine Hauptaufgabe war das Überarbeiten und Umschreiben fertiger Bücher, die noch nicht durchgängig dramaturgisch funktionierten. Er galt als businessman-writer, der das Filmschreiben zu seinem Hauptberuf gemacht hatte. Er selbst nahm in den 1940er Jahren mehr Aufträge an, als er allein bewältigen konnte, und stellte seinerseits Autoren an, die für ihn Skripte ausbesserten. Dieser Prozess wurde als surrogate scriptwriting (stellvertretendes Drehbuchschreiben) bezeichnet und war nicht unüblich. Der Begriff verweist auf die gängige Erwartung, dass ein geistiges Werk als Original nur vom Autor dessen Namen es trägt, hervorgebracht werden soll. Andere vielbeschäftigte Drehbuchautoren wie Ben Hecht ließen in ihrem Namen Skripte schreiben, wenn Zeitmangel herrschte oder ihnen eine Auftragsarbeit nicht interessant genug erschien. Ein willkommener »Stellvertreter«, den Yordan anstellte, um in seinem Namen zu schreiben, war Ben Maddow (von ihm stammt das Drehbuch zu The Asphalt Jungle), der später aufgrund seiner linken Aktivitäten in Hollywood zur persona non grata werden sollte. Besonders in den Zeiten antikommunistischer Hetzkampagnen und »Schwarzer Listen« in den 1940er Jahren wurde das surrogate scriptwriting ein gängiges Modell, welches
27 | Vgl. Schultheiss, John, The »Eastern« Writer in Hollywood, S. 17f. 28 | Vgl. ebd., S. 13-47, S. 13f.
Drehbuchautorenausbildung
in politischen Verruf geratenen Drehbuchautoren ermöglichte, unter Pseudonym weiterhin ihren Lebensunterhalt mit dem Drehbuchschreiben zu verdienen.29 Ben Hecht wurde schnell zu einem der bestbezahlten Drehbuchautoren Hollywoods mit Filmen wie Scarface (1932) und The Front Page (1931). Zudem erhielt er für sein Originaldrehbuch zu Underworld (1927) den ersten Oscar, der in dieser Kategorie überhaupt vergeben wurde. Mehrfach arbeitete er als script doctor und gab einem Drehbuch und einer noch nicht ausgereiften Szene den letzten Schliff. Hecht konnte sich aufgrund seines Erfolges eine Art Sonderstellung erarbeiten. Das sicherte seinen Drehbüchern eine eigene individuelle Autorenhandschrift, die zum Markenzeichen wurde. Er arbeitete freischaffend für verschiedene Studios und war seit Mitte der 1930er Jahre auch als Regisseur und Produzent erfolgreich.30 Andere etablierte Drehbuchautoren der Dekade waren Dudley Nichols, Nunnally Johnson, Budd Schulberg und Hermann Mankiewcz. Budd Schulberg erinnerte sich später, dass er als angehender Drehbuchautor wie ein umherziehender Wanderarbeiter behandelt wurde. Ihm wurde keine Sonderbehandlung wie den Romanciers und Dramatikern der Ostküste zuteil. Obwohl sein Vater der bekannte Filmproduzent B. P. Schulberg war, wurde er zuerst als junior writer angestellt. Er verdiente zu Beginn seiner Karriere zwischen 75 und 300 Dollar pro Woche und wurde in seinen ersten Drehbüchern als mitwirkender Autor nicht genannt.31 Schulbergs Roman What Makes Sammy Run? aus dem Jahr 1941 beschäftigte sich mit Hollywood in seiner klassischen Studioperiode und zeichnete ein akkurates Bild der damaligen Verhältnisse und Konflikte anhand der Karriere eines über Leichen gehenden Aufsteigers, der erst Drehbuchautor und später Produzent wurde.
D rehbuchautorenausbildung Der Erfolg einiger Drehbuchautoren war darauf zurückzuführen, dass in den Vereinigten Staaten bereits zaghafte Anfänge einer geregelten fachlichen Berufsqualifikation für Drehbuchautoren existierten. Seit den 1930er Jahren wurden Ratgeber, Handbücher sowie private Filmschulen zunehmend durch akademische Programme an Universitäten ergänzt. Vorläufer waren die Kurse für Drehbuchautoren an der »Columbia University« in New York, die allerdings eher den Charakter eines an der Praxis orientierten deutschen Volkshochschulkurses hatten. 29 | Vgl. McGilligan, Pat, Backstory 2. Interviews with Screenwriters of 1940s and 1950s, Berkeley-Los Angeles-Oxford 1991, S. 330-333. 30 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 71-89 und Yeaman, Elizabeth, »Render Unto Writers«, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 3, S. 11 und 19. 31 | Vgl. Schulberg, Budd, The Writer and Hollywood, S. 133-138 und Schulberg, Budd, Moving Pictures. Memories of a Hollywood Prince, Briarcliff Manor N.Y. 1981, S. 78-95.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Das Drehbuchprogramm der »Columbia University« und die vielfältige Ratgeberliteratur waren davon ausgegangen, dass mit Fleiß und Studium die Technik des Drehbuchschreibens wie ein Handwerk erlernt werden könne. Dieses Handwerk hatte weniger mit künstlerischer Schöpfung und kreativer Autonomie als mit erlernbaren Techniken zu tun. Diese frühen akademischen Institutionalisierungssbestrebungen wurden seit 1927 in innovativer Weise von der »Harvard University« fortgesetzt. Eine Vorlesungsreihe der renommierten »School of Business« über die Filmindustrie war allerdings noch nicht Teil des regulären Lehrplans.32 Grundsätzlich taten sich die höheren Bildungsinstitutionen der USA schwer, den Film und damit auch die Drehbuchautorenausbildung in ihr Lehrprogramm aufzunehmen.33 Das hing damit zusammen, dass Film nicht wirklich als Kunstwerk anerkannt war und damit nicht leicht an den dafür zuständigen Fakultäten angesiedelt werden konnte. Filmkurse und Drehbuchschreiben wurde nur zögerlich und schleppend in den klassisch-humanistischen Bildungskanon der Universitäten aufgenommen.34 Das Harvard-Modell zeigte, dass es bei Film an einer Businessschool um die Betonung der wirtschaftlichen und organisatorischen, weniger der kreativen Seiten des Mediums ging. Ähnliche Versuche der Anbindung der filmischen Fachausbildung an wirtschaftliche Praxis waren zur selben Zeit von der Filmschule in München unternommen worden. Die »University of Southern California« (USC) schloss 1929 mit der »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« ein Abkommen, das praktische Kurse und theoretische Inhalte in einem Studienfach konstituierte. Zeitgleich entwickelte der Professor für Theaterwissenschaften Sawyer Falk an der »Syracuse University« im Bundesstaat New York den Kurs »Cinema Appreciation«, der erstmals den Film als eigenständige Kunstgattung begriff und visuelle Besonderheiten des Mediums herausstellte, Dramatisierung und Dialoge aber vernachlässigte.35 Die Film- und Drehbuchautorenausbildung wurde erst in den 1960er Jahren schrittweise in den Kanon der Geistes- und Sozialwissenschaften aufgenommen. Bis dahin hatte die Filmwissenschaft und mit ihr das Drehbuchschreiben in den USA als wissenschaftliche Disziplin einen randständigen Status.36 Ein Grund dafür, dass die Institutionen der höheren Bildung sich vorerst wehrten, den Film in ihr Lehrprogramm aufzunehmen, und das Fach Filmwissenschaft nur fakultativ als Zusatzqualifikation anboten, war, dass die Filmherstellung und auch das Drehbuchschreiben von Wissenschaftlern seit jeher als eine Angelegenheit der Filmindustrie angesehen wurde. Der Film mit seinem 32 | Vgl. Polan, Dana, Young Art, Old Colleges. Early Episodes in the American Study of Film, hier S. 93f. 33 | Vgl. Slansky, Peter C., Filmhochschulen in Deutschland, S. 51. 34 | Vgl. Field, Alice Evans, Hollywood, USA. From Script to Screen, New York 1952, S. 63f. 35 | Vgl. Polan, Dana, Young Art, Old Colleges. Early Episodes in the American Study of Film, S. 97-99. 36 | Vgl. ebd., S. 97-99.
Drehbuchautorinnen im Studiosystem
schematischen narrativen Auf bau und seinen unterhaltenden Genres galt nicht im klassischen Sinn als Kunstwerk.37 In den 1930er und 1940er Jahren kamen die Versuche, die Filmwissenschaft zu akademisieren, nicht wirklich voran, da maßgebliche Teile der gesellschaftlichen und kulturellen Elite den Film als populäres Unterhaltungsgut. Erst im Zweiten Weltkrieg wurde Film verstärkt zu einem wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand – nun allerdings der Sozialwissenschaften. Soziologen und Psychologen untersuchten seine Propagandawirkung und massenpsychologischen Effekte.38 Die Grenzen zwischen filmpraktischer und theoretischer Auseinandersetzung mit dem Medium Film und damit auch mit der Behandlung des Drehbuchs im Curriculum blieben fließend. Drehbuchautoren standen weder fachspezifische Studiengänge an Universitäten noch klare Ausbildungs- und Qualifikationswege für den Beruf zur Verfügung. Wichtige Qualifikationsmöglichkeit blieben somit die beratende Funktion der Berufsverbände und die Ratgeberliteratur, die meist extern von privaten Schulen für Drehbuchautoren herausgegeben wurde. Für Drehbuchautoren wurde das Problem einer geregelten Ausbildung und Qualifikation in den 1930er und 1940er Jahren noch nicht gelöst. Praktische berufliche Erfahrungen und die eigenständige Aneignung von Wissen im Filmbetrieb oder an privaten Schulen standen weiterhin im Vordergrund.
D rehbuchautorinnen im S tudiosystem Die späten 1920er Jahre waren zu einer harten Bewährungsprobe für die Drehbuchautorinnen geworden, denn mit Aufkommen des Tonfilms hatten sich die Berufsaussichten und Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen im Filmbusiness verschlechtert. Als Regisseurinnen wurden Frauen auch kaum angestellt.39 In den 1930er Jahren konnten sich immerhin einige Drehbuchautorinnen etablieren und längerfristig im Filmbusiness behaupten. Sie waren vorwiegend als scenario editor oder reader tätig.40 Die scenario editors waren für die Vorauswahl der Stoffe verantwortlich und bekamen ein Team von readern an die Seite gestellt.41 Die continuity writer brachten die Drehbücher in eine verfilmbare Form und arbeiteten technische Anweisungen ein.42 Diese neuen, vorrangig technischen, rou37 | Vgl. Palmer, Frederick, Inspiration versus Craftmanship, in: The Photoplaywright, Bd. 2 (July-August 1920) H. 4, S. 4. 38 | Vgl. Smoodin, Eric, The History of Film History, in: Lewis, Jon / Smoodin, Eric (Hrsg.), Looking Past the Screen. Case Studies in American Film History and Method, Durham 2007, S. 1-34, insb. S. 5f. 39 | Vgl. Mahar, Karen Ward, Women Filmmakers in Early Hollywood, S. 1-3. 40 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls, S. 5-26. 41 | Vgl. Brady, Jasper Ewing, The Necessity of Original Photoplay Material, S. 11f. 42 | Vgl. Freeburg, Victor Oscar, The Art of Photoplay Making, New York 1918, S. 273f.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
tinierten und eher handwerklichen Angestelltenberufe nahmen dem Regisseur und Drehbuchautor einige ihrer ursprünglichen Aufgaben und Arbeitsfelder im rationalisierten Großbetrieb ab. Die berufliche Differenzierung und Spezialisierung in den Drehbuchabteilungen ging mit einer Verringerung des Frauenanteils im eigentlichen Drehbuchautorenberuf einher. Mitte der 1930er Jahre lag dieser nur noch bei circa 15 Prozent. Die männlichen Berufsvertreter kamen in das gut bezahlte Drehbuchsegment, während Frauen vielfach in einfache Hilfstätigkeiten abgedrängt wurden.43 In der wettbewerbsorientierten Studio-Atmosphäre der 1930er Jahre kam es mitunter zu engen Allianzen zwischen Drehbuchautorinnen und Schauspielerinnen. Besonders bei MGM schrieben die Drehbuchautorinnen meist die Charakterrollen der weiblichen Filmstars.44 So wurden auch aus Deutschland emigrierte Drehbuchautorinnen in Los Angeles erfolgreich. Unter ihnen Vicki Baum, die mit ihrer der Verfilmung ihres Romans Menschen im Hotel (engl Titel: Grand Hotel 1932) bereits vor 1933 für großes Aufsehen in Hollywood gesorgt hatte und dort seit 1932 als Drehbuchautorin arbeitete.45 Fortan hatte sie Verträge bei MGM und Paramount.46 Baums erster Vertrag mit Paramount wurde allerdings nach sechs Monaten gekündigt, da das Studio der Meinung war, dass die Autorin weder einen Sinn für Filmtechnik noch visuelle Vorstellungskraft besäße. Baum wurde dann für 2.000 Dollar wöchentlich beim Konkurrenten MGM angestellt, um das Treatment für Grand Hotel auszuarbeiten. Dieser Studiowechsel bedeutete für sie empfindliche finanzielle und soziale Einbußen, denn bei Paramount hatte sie 500 Dollar mehr verdient. Baum versuchte, sich an die amerikanischen Gepflogenheiten und den Schreibstil Hollywoods anzupassen, aber bewahrte sich gleichzeitig 43 | Noch in den 1910er und 1920er Jahren war das quantitative Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Beruf ein völlig anderes gewesen: »Half of all the films copyrighted between 1911 and 1925 were written by women.« Vgl. Beauchamp, Cari, Without Lying Down. Frances Marion and the Powerful Women of Early Hollywood, 2. Aufl., Berkeley-Los Angeles 1998, S. 11 und Bielby, Denise D. / Bielby, William T., Women and Men in Film. Gender Inequality among Writers in a Culture Industry, in: Gender and Society, Bd. 10 (1996) H. 3, S. 248-270, hier S. 252f. 44 | Vgl. Francke, Lizzie, Script Girls. Women Screenwriters in Hollywood, London 1994, S. 29-36. 45 | Zu Vicki Baums Schaffen in der Weimarer Republik und ihre Ikonisierung als »neue Frau« in der Moderne vgl. King, Lynda J., The Image of Fame. Vicki Baum in Weimar Germany, in: The German Quarterly, Bd. 58 (1985) H. 3, S. 375-393 und Makela, Maria, Rejuvenation and Regen(d)aration. Der Steinachfilm, Sex Glands, and Weimar-Era visual and Literary Culture, in: German Studies Review, Bd. 1(2015) H. 38, S. 35-62. 46 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, in: Spalek, John M./ Strelka, Joseph (Hrsg.), Deutsche Exilliteratur seit 1933. Kalifornien, Bd. 1 Teil 1, Bern-München 1976, S. 676-714, hier S. 702.
Drehbuchautorinnen im Studiosystem
ihre eigene künstlerische Freiheit. Als sie sich endgültig zum Bleiben in den USA entschieden hatte, handelte sie einen Vertrag aus, der es ihr erlaubte, sechs Monate im Jahr an ihren eigenen Büchern und Geschichten zu arbeiten. Dafür nahm sie weitere Gehaltseinbußen in Kauf. Mit einem Einkommen von 1.750 Dollar pro Woche konnte sie nach eigenem Bekunden ihren gesellschaftlichen Status in Hollywood nur knapp halten, da sie ständig übertrieben teure Feste geben und an Repräsentationen teilnehmen musste.47 Vicki Baum sah den Drehbuchautorenberuf vorrangig als harte Arbeit. Grundsätzlich habe sie von der Umstellung auf den Tonfilm profitiert: »Mit anderen Worten: die vom Stummfilm zum Tonfilm überwechselnde Filmindustrie suchte dringend neue Stoffe und Autoren, die mit dem Wort arbeiten, Charaktere lebendig machen und Dialoge schreiben können.« 48
Andere nach Hollywood eingewanderte Drehbuchautorinnen waren Salka Viertel und Victoria Wolff, die in Los Angeles damit begannen, hauptberuflich Drehbücher oder Filmideen zu verfassen.49 Diese Schriftstellerinnen hatten offenbar weniger mit Sprach- und Anpassungsproblemen zu kämpfen und waren teilweise erfolgreicher als ihre emigrierten männlichen Schriftstellerkollegen.50 Viertel wurde zur Spezialistin für Greta-Garbo-Filme und eine enge Freundin des Schauspielstars. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs organisierte sie rettende Visa, finanzielle Unterstützung und soziale Zusammenkünfte für die vom NS-Regime verfolgten deutschsprachigen Exilanten.51 Victoria Wolff verfasste, nach ihrer Ankunft in Los Angeles im Sommer 1941, vorrangig Novellen, Romane und Drehbücher für MGM und 20th Century-Fox.52 Sie war recht erfolgreich und verdiente wöchentlich bis zu 800 Dollar, obwohl viele ihrer Filmgeschichten es dann doch nicht auf die Leinwand schafften. Für Wolff endete ihre Karriere in Hollywood abrupt und unfreiwillig im Jahr 1949. 47 | Vgl. Baum, Vicki, Es war alles ganz anders, S. 430-449. 48 | Ebd., S. 427 49 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, hier S. 698. 50 | Vgl. Bahr, Ehrhard, Weimar on the Pacific, S. 295-297. 51 | Vgl. Gersch, Wolfgang, Antifaschistisches Engagement in Hollywood. Filmemigranten und Emigrantenfilm, in: Middell, Eike (Hrsg.), Exil in den USA. Mit einem Bericht »Schanghai-Eine eine Emigration am Rande«, Leipzig 1983 (=Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933-1945 in sieben Bänden, 3. Bd.), S. 509-544, hier S. 514-517 und Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, in: Spalek, John M. / Strelka, Joseph (Hrsg.), Deutsche Exilliteratur seit 1933. Kalifornien, Bd. 1 Teil 1, Bern-München 1976, S. 676-714, hier S. 699. 52 | Vgl. Stern, Guy / Sumann, Brigitte V., Women’s Voices in American Exile, in: Quack, Sibylle (Hrsg.), Between Sorrow and Strength. Women Refugees of the Nazi Period, Cambridge 2002, S. 341-352, hier S. 348-350.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Sie hatte für die Anerkennung ihres geistigen Eigentums am Drehbuch zu Case History über fünf Jahre prozessiert und sich schließlich in allen Instanzen gegen das Studio MGM durchgesetzt. Die Filmstudios arbeiteten nicht mehr mit ihr zusammen, da sie als streitbar galt. Wolff wandte sich danach wieder ihren schriftstellerischen Wurzeln zu. Sie griff Stile, Genres und Geschmacksvorlieben des Gastlandes in ihren Werken auf und versuchte, sich den Gepflogenheiten ihres neuen Heimatlandes anzupassen. Gleichzeitig blieb sie ihrer Heimatstadt Heilbronn jahrzehntelang fest verbunden und berichtete in den dortigen Zeitungen nach dem Kriegsende über Hollywood. Zwar kam für sie eine Rückkehr nach Deutschland nach dem Kriegsende nicht infrage, aber sie reflektierte aus der ihr eigenen Emigrantenperspektive als eine Art Kulturvermittlerin über beide Filmländer.53 Eine weitere bekannte Drehbuchautorin dieser Jahre war Frances Marion, die zu einer Art Hausautorin weiblicher Schauspielerinnen wie Greta Garbo oder Mary Pickford aufstieg. Marion hatte bereits 1926 angemerkt, dass das Starsystem von Autoren verlange, Filme und Rollen mit Blick auf das gewünschte Image der Darsteller anzulegen und die Geschichten im Sinne der Stars anzupassen.54 Marion war eine der wenigen Drehbuchautorinnen, die von der Öffentlichkeit als Star-Autorin bei MGM wahrgenommen wurde.55 Produzent Samuel Goldwyn erhöhte ihr Gehalt schon 1925 auf 3.000 Dollar pro Woche, was sie zu einer Spitzenverdienerin der Filmindustrie machte. 1932 gewann ihr Drehbuch zu The Champ den Oscar für die beste Originalgeschichte. Sie verfasste im Laufe ihrer Karriere über 325 Drehbücher und schrieb für alle gängigen Genres.56 In den 1930er Jahren übernahm Marion dann zusammen mit ihrem Kollegen Dudley Nichols zentrale Funktionen in der »Screen Writers’ Guild«.57 Nichols galt neben Nunnally Johnson als erfolgreichster Drehbuchautor des »goldenen Zeitalters« und Tausendsassa, der in vielen Genres zu Hause war.58 Er erregte Aufsehen, als er 1936 die Annahme des »Academy Awards« für das beste Drehbuch zu The Informer mit folgenden Worten ablehnte:
53 | Vgl. Heimberg, Anke, »Emigration ist eine Entziehungskur«. Leben und Werk der Exilschriftstellerin Victoria Wolff, in: Spalek, John M. u. a. (Hrsg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. USA, Bd. 3 Teil 5, Zürich-München 2005, S. 271-301, hier S. 286f. 54 | Vgl. Marion, Frances, Why Do They Change the Stories in the Screen? (1926), in: Lant, Antonia / Periz, Ingrid (Hrsg.), Red Velvet Seat. Women’s Writings on the First Fifty Years of Cinema, London-New York 2006, S. 648-651. 55 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 140-144. 56 | Vgl. Beauchamp, Cari, Without Lying Down, S. 10f. 57 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 76-80. 58 | Vgl. Torok, Jean-Paul, Le Scénario. Histoire, Théorie, Pratique, Paris 1988, S. 38-46.
New Deal und die Radikalisierung in Hollywood »To accept would be to turn my back on nearly a thousand members of the Writers’ Guild [...] and to invalidate three years’ work in the Guild [...].« 59
Diesem Ereignis vorausgegangen waren lange andauernde Grabenkämpfe zwischen der »Screen Writers’ Guild« und der produzentenfreundlichen »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« (Academy) hinsichtlich der Frage, wer legitimer Vertreter der Drehbuchautoren in Hollywood sein sollte. Nun erst begünstigte das politische Klima des New Deals die Bildung und Anerkennung von Gewerkschaften und die Durchsetzung kollektiver Vergütungsregeln auch im Filmbereich. Erst jetzt konnten bessere Arbeits- und Vertragsbedingungen für die künstlerischen Mitarbeiter beim Film mithilfe von Rahmentarifverträgen erkämpft, berufsständische Autonomie erreicht und die Vorherrschaft der Produzenten eingedämmt werden.
N e w D e al und die politische R adik alisierung der D rehbuchautoren in H olly wood Die Weltwirtschaftskrise hatte 1932, mit einigen Jahren Verzögerung, auch den Filmsektor erfasst. Die Filmstudios reagierten darauf mit Lohnkürzungen und der Einstellung sogenannter junior writers, die anstatt mit der üblichen, ohnehin niedrigen Bezahlung von 75 Dollar pro Woche, mit nur noch 25 Dollar vergütet wurden. Im Jahr 1933 initiierte Präsident Franklin D. Roosevelt das Anti-Krisenprogramm New Deal. Dieses war nicht nur für den Fortbestand der Filmindustrie bedeutsam, sondern auch für die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und beruflichen Verhältnisse in Hollywood.60 Das 1933 von Roosevelt unterzeichnete Gesetz »National Industry Recovery Act« (NIRA)61 sollte die Produktion regulieren, Überproduktion verhindern und unfaire Löhne stoppen, um Arbeitsplätze zu schaffen und den Konsum zu steigern.62 Diese Regulationen der wirtschaftlichen Sphäre durch die politischen Vertreter betrafen besonders die Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie von kollektiven Vertretungen der Angestellten und Arbeiter.63 Zur Ausführung
59 | Vgl. Nichols, Dudley, An Award Worth Winning, in: The Screen Guilds’ Magazine, Bd. 3 (1936) H. 1, S. 1. 60 | Vgl. Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 425-430. 61 | Vgl. Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood. Politics in the Film Community 1930-60, 4. Aufl., Urbana-Chicago 2004, S. 20-40. 62 | Vgl. Jacobs, Meg, S. 133-135. 63 | Vgl. Gordon, Colin, New Deals. Business, Labor, and Politics in America, 1920-1935, Cambridge 1994. S. 194-200.
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und Überwachung des Gesetzes wurde die »National Recovery Administration« (NRA) gegründet.64 Im Unterschied zu deutschen Gewerkschaften waren in den USA company unions üblich, die in den einzelnen Betrieben als unabhängige Vertretungen fungierten. Sie konnten exklusiv sogenannte Lohnzulagen und Sonderleistungen (fringe benefits) wie Rentenansprüche, Arbeitslosenversicherungen und Urlaubstage für ihre Mitglieder aushandeln. In anderen Industrienationen wie Deutschland waren diese Ansprüche meist durch gesetzliche und wohlfahrtsstaatliche Programme geregelt. In den USA verstanden sich Gewerkschaften als unabhängige Vertragspartner und auch in der Filmindustrie wurden in der Folge Lohnverhandlungen und Sonderleistungen zu einem wichtigen Ziel des Drehbuchautorenverbandes.65 Der in unserem Zusammenhang wichtigste Gesetzesabschnitt des NIRA war Abschnitt 7a, welcher den Arbeitern und Angestellten ermöglichte, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Diese Interessenvertretungen der Arbeiter und Angestellten konnten in Tarifverhandlungen (collective bargaining) mit den Produzenten treten und Rahmentarifverträge mit Mindestlöhnen und einer maximal erlaubten Arbeitszeit aushandeln. Die Filmproduzenten lehnten allerdings diese gewerkschaftlichen Forderungen vehement ab.66 Die Schaffung einer gewerkschaftlichen Arbeitnehmervertretung für Drehbuchautoren in Hollywood scheiterte zunächst daran, dass gutgestellte Autoren die 1927 gegründete »Academy« als Berufsvertretung der Kreativsparten in Hollywood betrachteten.67 Dies führte zu einer politischen Radikalisierung der kreativen Angestellten Hollywoods. Die Produzenten mussten aufgrund des Gesetzes kollektive Verträge mit ihren Arbeitnehmern aushandeln. Sie zogen es aber vor, diese nicht mit dem Drehbuchautorenverband »Screen Writers’ Guild« abzuschließen, sondern mit der paritätischen und produzentenfreundlichen »Academy«, die sich seit Einführung des Tonfilms kaum um faire Arbeitsrechte und bessere Vertragsbedingungen der Drehbuchautoren in der Filmindustrie gekümmert hatte. Sie galt als Organisation der etablierten Drehbuchautoren, die aufgrund ihres Leistungsvermögens individuell fähig waren, gute Honorare auszuhandeln. Die seit 1932 auch in der Filmindustrie spürbare wirtschaftliche Krise und Unsicherheit hatte ihre Wurzeln im Boom zuvor, da die Studios seit 1927 ihre Investitionen verstärkt in die neue Tonfilmtechnik gesteckt hatten. Dieses Kapi64 | Vgl. Filippelli, Romnald, S. 182f. 65 | Vgl. Zieger, Robert H., American Workers, American Unions. 1920-1985, Baltimore-London 1986, S. 149f. 66 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, S. 3-6 und Filippelli, Ronald, Labor in the USA. A History, New York 1984, S. 178-185 und S. 235f. 67 | Vgl. Lovell, Hugh / Carter, Tasile, Collective Bargaining in the Motion Picture Industry und Izod, John, Hollywood and the Box Office, S. 95-110.
New Deal und die Radikalisierung in Hollywood
tal hatten sie von den Banken der Ostküste geliehen, welche nun in Zeiten der Rezession eine Rendite verlangten oder ihre Investitionen rückgängig machen wollten. Der Tonfilm hatte zu einer Überexpansion der Filmindustrie geführt; umso mehr, als wichtige Auslandsmärkte aufgrund fehlender Synchronisationsfassungen noch nicht erschlossen werden konnten.68 So konnten amerikanische Tonfilme anfänglich in Deutschland nicht aufgeführt werden. Patentstreitigkeiten und die Inkompatibilität mit den Vorführgeräten behinderten vorübergehend die Marktexpansion.69 Die Filmindustrie hatte Ende der 1920er Jahre finanziell noch gut dagestanden; aber dies gelang ihr nur, weil die eigenen Mitarbeiter Lohneinbußen in Kauf nahmen. Die »Academy« war als Branchenvertretung mit den herrschenden Einschnitten grundsätzlich einverstanden, was in der Folge bei vielen Mitgliedern auf herbe Kritik stieß. Als im Juli 1927 die Produzentenvereinigung »Association of Motion Picture Producers« (AMPP)70 Gehaltskürzungen durchsetzen wollte, verzichtete sie im letzten Moment darauf, da die technischen Angestellten mit einem Streik drohten. In der Folge reklamierte die »Academy« das als ihren Erfolg. Der Berufsverband »Screen Writers’ Guild«, der sich nicht eindeutig für oder gegen die Gehaltskürzungen positioniert hatte, verlor an Attraktivität. Die Autoren wanderten von der Drehbuchautorengilde zur Konkurrenzorganisation »Academy« ab.71 1932 konnte die »Academy« als einen weiteren beachtlichen Zwischenerfolg kollektive Vergütungsverträge für Drehbuchautoren verhandeln. Mit Zustimmung der Produzenten wurde ein code of practice vereinbart.72 Der Normalvertrag trat im Mai 1932 in Kraft, legte erstmals allgemein gültige Regeln für die Namensnennung fest und behandelte Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien. Spezielle Verfahren und finanzielle Belange sollten weiterhin durch individuell ausgehandelte Verträge geregelt werden. Das Abkommen wurde als großer Schritt in Richtung der Verbesserung der Beziehung zwischen Autoren und Produzenten 68 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 45-52. 69 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office. 1895-1986, S. 72-83 und Jacobs, Lewis, The Rise of the American Film, S. 419-430. 70 | Seit 1924 existiert die Produzentenvereinigung, die heute unter dem Namen »Alliance of Motion Picture and Television Producers« bekannt ist. Vgl. Paul, Alan / Kleingartner, Archie, Flexible Production and the Transformation of Industrial Relations in the Motion Picture and Television Industry, in: Industrial and Labor Relations Review, Bd. 47 (1994) H. 4, S. 663-678, hier S. 665f. 71 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 58-63 und Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement, S. 318-320. 72 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 64-68.
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gewertet, obwohl die meisten Ziele der Drehbuchautorengilde aus den 1920er Jahren aufgegeben worden waren. Zumindest war dieser code of practice ein Teilerfolg für die Drehbuchautoren, der zur Folge hatte, dass diese im Abspann nicht mehr unter den technischen Angestellten, neben Dekorateuren oder Elektrikern, aufgelistet wurden.73 Das Abkommen zwischen Produzenten und Drehbuchautoren stellte den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar. Die Drehbuchautorengilde blieb jedoch skeptisch, denn sie sah die »Academy« nicht als ernstzunehmende Arbeitnehmervertretung, sondern als Spielball der Produzenten: »The Academy was founded by them (den Produzenten, Anm. d. Verf.) as an instrument to frustrate self-directed efforts of the talent classes in the industry to obtain equitable conditions.« 74
Als die Filmstudios Paramount und RKO Anfang 1933 ihren Bankrott ankündigten, waren einige überrascht. Viele hatten aber aufgrund der Weltwirtschaftskrise mit dieser Entwicklung gerechnet. Der Produzent Samuel Goldwyn wollte zwecks Kosteneinsparung deshalb die festen Verträge zwischen Autoren und Produzenten auflösen und die Drehbuchautoren nur noch als freie Mitarbeiter anstellen. Mithilfe der Re-Aktivierung der »Screen Writers’ Guild« im Jahr 1933 gelangten immer mehr Drehbuchautoren zu der Überzeugung, dass kollektiv ausgehandelte Vergütungsverträge und gewerkschaftsähnliche Arbeitnehmerorganisationen wirkliche Veränderungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen herbeiführen könnten. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und im Rahmen des NIRA organisierten sich politisch umtriebige Autoren in der »Screen Writers’ Guild«.75 Der »Screen Writer s Marching Song« zeugte vom neuen Selbstbewusstsein und der Kampf bereitschaft der Drehbuchautoren: ‘
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«Arise, ye movie writers, and cast away your chains! Executives are human after all! Shall they rewrite our scripts, the children of our brains? And shall we be a supervisor’s thrall? NO! NO! NO! NO! A million million no’s! Not in vain our fountain pens are filled! The writers all will join and executives will join! To monkey with the Screen Writers’ Guild!« 76
73 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars, S. 89f. 74 | Screen Writers’ Guild, Death Rattle, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1934) H. 5, S. 2. 75 | In den 1930er Jahren wurde von einer Reorganisation der Drehbuchautorengilde gesprochen und die Vorläuferorganisation zumindest erwähnt. Vgl. Screen Writers’ Guild, The Screen Writers’ Guild and the N.R.A., in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 2, S. 3-5. 76 | Myers, Henry, Screen Writers’ Marching Song, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1934) H. 5, S. 29.
New Deal und die Radikalisierung in Hollywood
Die 1933 wiederbelebte »Screen Writers’ Guild« wollte eine junge Generation der Drehbuchautoren ansprechen und vertreten, deren Arbeitsbedingungen sich in den 1930er Jahren zunehmend verschlechtert hatten.77 In den offiziellen Darstellungen des bis heute existierenden Nachfolgeverbandes »Writers’ Guild of America, West« wird seitdem als Gründungsjahr des Berufsverbandes 1933 angegeben. Tatsächlich waren viele Ziele und Forderungen schon vor 1933 formuliert worden. Im Kontext des New Deals und der politisch-gewerkschaftlichen Radikalisierung wurden sie nun zugespitzt und mit mehr Energie vertreten.78 Als die »Academy« 1933 nochmals versuchte, Einkommenskürzungen bei den kreativen Angestellten in Hollywood von bis zu 50 Prozent durchzusetzen, verloren die Drehbuchautoren jegliche Hoffnung, dass die »Academy« ihre materiellen Interessen adäquat vertreten könne.79 Sie betrachteten nun mehrheitlich die »Screen Writers’ Guild« als legitime Berufsvertretung aller Drehbuchautoren Hollywoods. Diese sollte allgemeine Vergütungsregeln mit den Studios aushandeln. Das geschah vor dem Hintergrund, dass die Arbeitsbedingungen für Drehbuchautoren im Studiosystem der 1930er Jahre unterdessen – nach Ansicht vieler – unzumutbar geworden waren: »[...] there were no agreements in Hollywood to cover minimum wages or minimum periods of employment. Writers could be fired without notice or laid off for short periods without pay-although still ‘under contract’. Their material could be scrapped, rewritten, retained for future action, and even attributed to someone else. If it made into a profitable film, the writer took no share of the profits.« 80
Mit dem NIRA wurden nämlich die bisherigen Antikartellgesetzgebungen teilweise zurückgenommen, um auch der Filmbranche zu mehr Prosperität zu verhelfen. Dadurch wurden unfaire Geschäftspraktiken wie das block-booking wieder legalisiert. Eine Entwicklung, die die Drehbuchautoren kritisierten. Dalton
77 | Vgl. Screen Writers’ Guild, The Academy Writer-Producer Agreement. Another Attempt to Destroy the Guild, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 8, S. 1-2. 78 | Die neugegründete Berufsvertretung erkannte zwar hier und da ihre Wurzeln vor 1933 an, sprach den Vorgängern aber grundsätzlich ab, überhaupt substanzielle arbeits- und vertragsrechtliche Forderungen formuliert zu haben. Die Vorläuferorganisation hatte mehr als nur ein Clubhaus zu bieten und arbeitete für eine geplante Fusion mit der Autorengewerkschaft »Authors League of America« in New York, die aber scheiterte. Vgl. Heath, Percy, The Screen Writers’ Guild, in: The Photodramatist, Bd. 3 (July 1921) H. 2, S. 17-18; Screen Writers’ Guild, The Academy Writer-Producer Agreement. Another Attempt to Destroy the Guild, S. 1-2 und Screen Writers’ Guild, The Academy Writer-Producer Agreement. Another Attempt to Destroy the Guild, S. 1-2. 79 | Vgl. Ross, Murray, Stars and Strikes, S. 52-60. 80 | Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 92.
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Trumbo machte deshalb 1933 auf die schwierige Situation bei der Namensnennung aufmerksam: »[...] the all important question of screen credits: who actually wrote what? Writers tended to be paid according to the credits they had managed to amass, but these credits were often awarded either arbitrarily or corruptly, or were so ‘shared out’ as to be almost meaningless.« 81
D ie G eburt der »S creen W riters ’ G uild « aus dem G eiste der G e werkschaf tsbe wegung 1933 Am 3.2.1933, kurz nach Bekanntgabe weiterer Gehaltskürzungen durch die Studios, trafen sich zehn Drehbuchautoren, die für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen eintraten, um die »Screen Writers’ Guild« neu zu gründen. Im Knickerbocker Hotel in Hollywood versammelten sich unter anderem Lester Cole, John Howard Lawson, Samson Raphaelson und John Bright, also eine Gruppe erfolgreicher linker Drehbuchautoren. Die Drehbuchautoren, die nun die Drehbuchautorengilde zu einer gewerkschaftlichen Organisation umbauen wollten, stammten aus der New Yorker Theater- und Schriftstellerszene. Sie waren mit Streiks und Arbeitskämpfen wie dem Battle of Broadway vertraut. Bright war einer der Mitbegründer der »Kommunistischen Partei« in Hollywood gewesen.82 Seit Februar 1933 wurden zehn Meetings in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung abgehalten. Die losen Zusammenkünfte wurden von konservativen Republikanern nicht gern gesehen, die der Gruppe sogar die Planung einer »Stalinisierung der Studios« vorwarfen, um sie in der antikommunistischen Öffentlichkeit zu diffamieren.83 John Howard Lawson wurde am 6. April 1933 zum Präsidenten der »Screen Writers’ Guild of the Authors League of America« gewählt.84 173 Neumitglieder konnte die Drehbuchautorengilde in der Gründungsphase aufnehmen.85 Erst einen Tag vor Lawsons Wahl hatten sich konservative wie linke Mitglieder auf seine Person einigen können. Lawsons umjubelte Antrittsrede mit dem Titel »The writer is the creator of the motion picture« 86 wies auf die schlechten Arbeitsbedin-
81 | Zitiert nach Hamilton, Ian, Writers in Hollywood. 1915-1951, London 1990, S. 91. 82 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 15-20. 83 | Vgl. Humphries, Reynold, Hollywood’s Blacklist, S. 32-35. 84 | Der Präsident wurde für die Dauer von einem Jahr gewählt. Stempel, Tom, Framework, S. 138f. 85 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 21-25. 86 | Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, hier S. 27.
Die Gebur t der »Screen Writers’ Guild« 1933
gungen hin und beklagte die fehlenden künstlerischen Freiheiten und die mangelnde kreative Mitbestimmung der Drehbuchautoren.87 Weitere angesehene Autoren wie Frances Marion oder Dudley Nichols übernahmen Funktionen im Drehbuchautorenverband, der einen neuen code of practice, also für alle Mitglieder bindende Verhaltensregeln, erarbeitete, der den Verbandsmitgliedern verbot, neue Verträge mit Studios abzuschließen, weil die Gilde später einen Tarifvertrag für alle Drehbuchautoren aushandeln wollte. Der Kodex enthielt darum auch ein Verbot der Zusammenarbeit mit Nicht-Verbandsmitgliedern. Im Februar 1934 konnte die Drehbuchautorengilde bereits 343 aktive Mitglieder vorweisen, wohingegen die »Writers Branch« der »Academy« zu dieser Zeit nur noch eine Handvoll Autoren als Mitglieder zählte.88 Der Vorsitzende des Drehbuchautorenverbandes war seit 1932 Ralph Block gewesen, der im Jahr 1935 von Ernest Pascal abgelöst wurde.89 Mit Frances Marion wurde im selben Jahr die bestbezahlte Drehbuchautorin seit Bestehen der Filmindustrie zur Vize-Präsidentin des Verbandes gewählt.90 Wie sehr sich der »neue« Berufsverband »Screen Writers’ Guild« an die Forderungen seiner Vorläuferorganisationen von der Ostküste anlehnte, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der geplante neue Name für die Organisation eigentlich »Dramatists’ Guild of Screen Writers« lauten sollte.91 Die Mitbegründer bezogen sich klar auf ihre Verbindung zu und ihre Wurzeln in der »Dramatists’ Guild« in New York. Dort holten sie sich immer wieder Rat, denn die Dramatiker hatten bereits in den 1920er Jahren einen eigenen Normalvertrag ausgehandelt.92 Der Abschluss eines Minimum Basic Agreements für alle Drehbuchautoren erschien der Drehbuchautorengilde in den 1930er Jahren als erfolgversprechendstes Mittel zur Anhebung der beruflichen und materiellen Standards.
87 | Lawson wurde 14 Jahre später bekannt, weil er mit anderen Drehbuchautoren als Teil der Original Hollywood Ten ein Schicksal auf der Anklagebank bei den antikommunistischen Anhörungen des »Untersuchungsausschusses für unamerikanische Umtriebe« (HUAC) teilte und daraufhin eine Gefängnisstrafe verbüßen musste und auf die »Schwarze Liste« gesetzt wurde. 88 | Vgl. Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, S. 28. 89 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 80-85; Pascal, Ernest, Publicity Campaign Launched, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 5, S. 4 und o. A., To Our Members. Editorial, in: The Screen Writers’ Magazine, Bd. 1 (1934) H. 1, o. S. 90 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 202. 91 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 76-80. 92 | Vgl. Walsh, Thomas J., Playwrights and Power. The Dramatists Guild’s Struggle for the 1926 Minimum Basic Agreement, in: New England Theatre Journal (2001) H. 12, S. 51-78.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Im Zeitalter des sogenannten collective bargaining,93 also der Aushandlung kollektiver Vergütungsregeln, waren gewerkschaftliche Strategien in Hollywood für die talent class, die kreativen Angestellten, eine Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den Produzenten geworden. Der Gegensatz zwischen talent und craft, also den kreativ-künstlerischen Arbeitnehmern und den technischen, handwerklichen Angestellten, wurde aber auch von den Produzenten forciert, um zu verhindern, dass kreative Angestellte eigene gewerkschaftliche Vertretungen gründeten, weil den kreativ-schöpferischen Mitarbeitern angeblich ein freiberuflicher, autonomer Status zukam. In der arbeitsteiligen Massenproduktion Hollywoods war dieser Gegensatz eingeebnet worden und die Drehbuchautoren verstanden sich vielmehr als talent-for-hire.94 Der Streit darüber flammte im Berufsverband allerdings nun wieder auf, da nicht jedes Mitglied eine gewerkschaftliche Arbeitnehmervertretung als adäquate Lösung für die Probleme der Drehbuchautoren ansah. Nachdem der erste Normalvertrag der Drehbuchautoren von 1932 noch durch die »Academy« ausgehandelt worden war, wollte die »Screen Writers’ Guild« nach ihrer Neugründung ein neues Writer-Producer-Agreement beschließen. Dazu war es nötig, möglichst alle Drehbuchautoren zu vereinen und auch rechtlich als Berufsvertretung durch das »National Labour Relations Board« anerkannt zu werden. Den angestellten Drehbuchautoren war seit Anfang 1933 klar, dass Lohnkürzungen jederzeit möglich waren und die Produzenten ihre bisherigen Verträge nicht als bindend ansahen. Bisher waren Gewerkschaften von kreativen Angestellten in der Filmindustrie von Los Angeles unbekannt gewesen. Die finanzielle Besserstellung der talent crafts war noch nie konsequent mittels gewerkschaftlicher Strategien eingefordert worden.95 Erst der »National Industrial Recovery Act« (NIRA) ermöglichte den Arbeitnehmern, sich frei für eine Berufsvertretung zu entscheiden und einer Gewerkschaft beizutreten, die dann für die Mitglieder stellvertretend Tarifverhandlungen übernehmen konnte.96 Im Rahmen des NIRA, also der Gesetze, die der US-Industrie wieder zu Prosperität verhelfen sollten, wurden gewerkschaftliche Zielsetzungen in Hollywood greif barer und die Drehbuchautorengilde versuchte fortan, als alleinige Berufsvertretung anerkannt zu
93 | Vgl. Kocka, Jürgen, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie, S. 296-300 und Lovell, Hugh / Carter, Tasile, Collective Bargaining in the Motion Picture Industry, o. S. 94 | Vgl. Conor, Bridget, Screenwriting, S. 28f; Mann, Denise, Hollywood Independents: The Postwar Talent Takeover, Minneapolis 2008, S. 198 und Screen Writers’ Guild, Death Rattle, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1934) H. 5, S. 3. 95 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 1-4. 96 | Vgl. Senate and House of Representatives of the United States of America, National Industrial Recovery Act, 1933, http://www.ourdocuments.gov/doc.php?doc=66&page=transcript, eingesehen am 28.1.2013.
Die Gebur t der »Screen Writers’ Guild« 1933
werden, um notfalls streiken zu können. Dabei wurde die korrekte Durchführung des NIRA durch die »National Recovery Administration« (NRA) überwacht.97 Die »Screen Writers’ Guild« brauchte viele Mitglieder, um von den Produzenten als legitime Berufsvertretung der Drehbuchautoren ernst genommen zu werden und Tarifverträge aushandeln zu können. Im Oktober 1934 zählte sie bereits 750 Mitglieder. Damit waren allerdings auch wieder viele gut vergütete kreative Angestellte im Boot, die eine allzu große Nähe zu Gewerkschaften ablehnten und von einem kämpferischen Vorgehen abrieten.98 Die Produzenten lehnten diese gewerkschaftlichen Mittel und Ziele ab und versuchten, die Drehbuchautoren mit einer Salamitaktik hinzuhalten, indem die Forderungen nur sehr zurückhaltend und aufgrund gesetzlichen oder politischen Drucks erfüllt wurden. Die Drehbuchautoren konnten zwar Vorschläge zum industrieweiten Entwurf eines NRA Fair Code of Practice machen, der im Rahmen des NIRA als industrieweites Abkommen zwischen Produzenten und Drehbuchautoren gültig sein würde, wurden aber nicht in die Vorbereitungsarbeiten einbezogen. In der Folge machten sie eigene Vorschläge dazu, wie sie sich eine faire Arbeitspraxis vorstellten und entwarfen ihren eigenen Kodex.99 Da nur einer der Vorschläge industrieweit verbindlich werden konnte, forcierten die Berufsverbände ihre Bemühungen im März 1933. Die Produzenten legten die Bestimmungen des NIRA über Monopol- und Kartellbildung für ihre Zwecke aus und vernachlässigten den Absatz 7a, in dem es um Tarifverträge und Gewerkschaftsgründungen ging. Die Drehbuchautorengilde wollte auf jeden Fall verhindern, dass die »Academy« für die Kreativsparten der alleinige Verhandlungspartner der Produzenten werden könnte.100 Die Produzenten hatte nämlich die »Academy« zu Verhandlungen eingeladen, nicht aber die Drehbuchautorengilde. Als der erste Entwurf des code of practice Ende August erschien, wurde klar, dass das Misstrauen der »Screen Writers’ Guild« gerechtfertigt gewesen war. Die Produzenten zielten darauf ab, die »Academy« zu ihren Gunsten zu beeinflussen, andere Berufsverbände zu unterminieren und weitere Lohnkürzungen durchzusetzen.101 Im Oktober 1933 formierte sich die »Screen Actors’ Guild« als Berufsvertretung der Schauspieler, die fortan mit der »Screen Writers’ Guild« eng zusammenarbeitete, da sie ähnliche Ziele vertrat. Repräsentanten beider Verbände trafen sich am 15. Oktober 1933, um das weitere Vorgehen bezüglich industrieweiter Tarifverträge für die Schauspieler und Drehbuchautoren in Hollywood zu besprechen. Bei dem großen Meeting der Verbände nahmen 1.200 Mitglieder und Inte97 | Vgl. Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, S. 28f. 98 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 80-85. 99 | Vgl. Clark, Danae, Negotiating Hollywood. The Cultural Politics of Actors’ Labor, Minneapolis 1995, S. 47-51. 100 | Vgl. Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, hier S. 38-30. 101 | Vgl., ebd., S. 29f.
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ressierte teil.102 Sie gaben seit März 1934 eine gemeinsame Zeitschrift heraus, die zuerst als The Screen Player veröffentlicht wurde und seit August 1934 als gemeinsames Organ mit dem Titel The Screen Guild’s Magazine erschien.103 Die Verhandlungen wurden immer wieder durch die Produzenten verzögert, die aus Protest nicht zu Treffen mit der Drehbuchautorengilde erschienen und darauf hinwiesen, dass sie bereits 1932 mit der »Academy« eine Vergütungsvereinbarung getroffen hätten. Sie nutzten den NIRA-Kodex zu ihren Gunsten aus.104 Die Drehbuchautoren wollten als Verhandlungspartner auf Augenhöhe angesehen werden und nicht nur gut gemeinte Vorschläge unterbreiten dürfen, über die andere entschieden. Sie bereiteten sich mit ihren Mitstreitern aus der Schauspielergewerkschaft »Screen Actors’ Guild« auch auf einen möglichen Streik vor. Sie beschwerten sich bei der »National Recovery Administration« und deren Mitarbeiter Sol A. Rosenblatt, der als »Deputy Administrator of the Motion Picture Code« für die Überwachung der Einhaltung des Code of Fair Competition for the Motion Picture Industry zuständig war.105 Als das umstrittene NIRA-Gesetz im Jahr 1935 für verfassungswidrig erklärt und durch den »Wagner Act« oder »National Labor Relations Act« ersetzt wurde, welcher die Rechte der Arbeitnehmer schützte und die Rolle der Gewerkschaften als Verhandlungspartner für kollektive Vergütungsverträge stärkte, kamen auch die Mitarbeiter der Filmindustrie ihren Zielen näher.106 So förderte der NIRA die Macht der Gewerkschaften und brachte erste Verhandlungen für faire Arbeitsbedingungen voran: »During the tenure of the NRA (National Recovery Act, Anm. der Verf.) and its demise in 1935, industry and the New Deal turned the prevailing approach to anticompetitive and recovery policies inside out. Industrial regulations became less a matter of establishing competitive standards than of empowering those who were expected to enforce those standards: industrial unions.«107 102 | Vgl. Segrave, Kerry, Film Actors Organize. Union Formation Efforts in America. 19121937, Jefferson-London 2009, S. 134. 103 | Vgl. Cantor, Eddie, The Wedding, in: The Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (August 1934) H. 5, S. 3. 104 | Durch den NIRA wurden zudem Anreize zur Kartell- und Monopolbildung wiederbelebt, welche die Filmstudios schon seit ihrem Bestehen immer wieder kultiviert hatten. Die Anti-raiding-Klausel verhinderte einen schnellen Wechsel zu anderen Studios und die fristlose Vertragskündigung wurde legalisiert, was dazu genutzt wurde, die Löhne möglichst niedrig zu halten. Vgl. Screen Writers’ Guild, The Screen Writers’ Guild and the N.R.A., in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 2, S. 3-5 und Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 86-97. 105 | Vgl. Screen Writers’ Guild, Death Rattle, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1934) H. 5, S. 3, 26-27. 106 | Vgl. Humphries, Reynold, Hollywood’s Blacklist, S. 36-38. 107 | Gordon, Colin, New Deals, S. 202.
Die Gebur t der »Screen Writers’ Guild« 1933
Als den Drehbuchautoren 1935 immer noch kein Durchbruch bei den Verhandlungen im sogenannten »Five-Five Committee« (auch: »Writer-Producer Code Committee«)108 mit den Produzenten gelungen war, versuchte Rosenblatt, der persönlich nach Hollywood gefahren war, zu vermitteln und einen guild shop für die Drehbuchautoren erreichen, der den Produzenten vorschrieb, nur Drehbuchautoren einzustellen, die Mitglieder der »Screen Writers’ Guild« waren. Dafür hätte die Drehbuchautorengilde einen Organisationsgrad von mindestens 80 Prozent haben müssen.109 Festzuhalten bleibt: Die »Screen Writers’ Guild« wollte seit 1933 als alleiniger kollektiver Verhandlungspartner der Drehbuchautoren anerkannt werden. Nur die Gilde sollte weisungsbefugt sein und die Mitglieder rügen können. Die Verträge sollten nur noch schriftlich ausgearbeitet und das Vertragsende im Voraus schriftlich durch die Produzenten angezeigt werden. Die Drehbuchautorengilde schlug die Einführung eines praktikablen Systems der Namensnennung (Unterteilung in »Screenplay by« und »Original Story by«) vor. Außerdem sollte es der Gilde überlassen werden, nach welchem Schlüssel die credits vergeben würden. Autoren sollten benachrichtigt werden, wenn andere Autoren am selben Stoff arbeiteten und Vertragskonflikte sollten durch verbandsinterne Schiedssprüche entschieden werden.110 Die Forderungen wurden durch die Produzenten vorerst nicht erfüllt. Der damalige Präsident der Drehbuchautorengilde, Ernest Pascal, mahnte deshalb noch im Jahr 1936: »Without a Guild shop we remain a purely defensive machine [...].«111 Erst Anfang der 1940er Jahre gab es ein Einlenken seitens der Produzenten.
108 | Vertreter der Drehbuchautoren in dem seit 1934 bestehenden Gremium waren Ralph Block, John Emerson, James Gleason, Dudley Nichols und Waldemar Young. Vertreter der Produzentenseite waren Irving Thalberg, Darryl Zanuck, I. Chadwick, Henry Henigson und Sol Wurtzel. Vgl. Screen Writers’ Guild, Writer-Producer Code Committee Disagrees. Writers Present Recommendations and Brief to Washington, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1935) H. 2, S. 3-4 und 17, hier S. 3 und Screen Writers’ Guild, Death Rattle, hier S. 27. 109 | Vgl. o. A., Mr. Rosenblatt Visits Hollywood, in: The Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (April 1935) H. 2, S. 5, 18-20, hier S. 18-20. 110 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 170-173. 111 | Pascal, Ernest, ONE Organization for ALL American Writers, in: The Screen Guilds’ Magazine, Bd. 3 (April 1936) H. 2, S. 3, 15-17, hier S. 15.
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D ie »S creen W riters ’ G uild « und ihre K onkurrenten Die Probleme der »Screen Writers’ Guild« wurden durch die Gründung eines neuen Berufsverbandes, der »Screen Playwrights, Inc.«, weiter verschärft. Obwohl der »Wagner Act« von 1935 die Gründung von Gewerkschaften förderte und Tarifverhandlungen ermöglichen sollte und das neue Gesetz die Diskriminierung von Angestellten durch »Schwarze Listen« verbot, drohten Filmschaffenden, die in Gewerkschaften organisiert waren, Repressalien.112 Besonders junge Autoren wurden regelmäßig unter Druck gesetzt, sich von Organisationen wie der »Screen Writers’ Guild« fernzuhalten. Drehbuchautoren, die sich in einer Gewerkschaft organisierten, waren bei manchen Produzenten schlecht angesehen. Die politische Radikalisierung und beginnende Lagerkämpfe spalteten und schwächten den Drehbuchautorenverband, der nun ständig im Visier der »Academy« stand, die mit den Produzenten eilig einen neuen Normalvertrag verabschiedete.113 Das vermeintlich neue Writer-Producer-Agreement legten »Academy« und Produzenten den Drehbuchautoren im September 1935 zur Kenntnisnahme vor. Dabei stellte sich heraus, dass nur auf wenige Forderungen des Drehbuchautorenverbandes aus dem gescheiterten »Five-Five Committee« eingegangen worden war.114 Die »Screen Writers’ Guild« wollte Verträge in allen Fällen schriftlich fixieren lassen. Die »Academy« hingegen schlug vor, dass nur Punkte des Vertrags, die dem Grundlagenabkommen widersprachen, dem Drehbuchautor schriftlich vorzulegen seien. Im Fall des »spekulativen Schreibens« (writing on spec), wo Drehbücher und Filmideen ohne klaren Auftrag und Abnahmegarantie verfasst wurden, votierte der Verband für ein generelles Verbot dieser üblichen Praxis, es sei denn, es handelte sich um Honorarverträge, die vom Autor explizit gewünscht gewesen waren. Die »Academy« dagegen meinte, dass Originalfilmstoffe durchaus ohne feste Abnahmegarantie anzufertigen seien. Optionsvereinbarungen in Verträgen waren für die Drehbuchautorengilde nur legal, wenn diese auch die genaue Zeit und die Art der Optionen umfasste, während die »Academy« in ihrem Abkommen mit den Produzenten die Optionsvereinbarung generell ohne zeitliche Schranken zuließ. Auch über die Frage der Mitteilungspflicht bei Kündigungen und den sogenannten Freistellungsperioden innerhalb der Vertragslaufzeit 112 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 41-55. 113 | Vgl. ebd., S. 26-40. 114 | Das Academy Writer-Producer Agreement war klar von der Motivation geprägt, andere Arbeitnehmerorganisationen klein zu halten. Nachdem die Verhandlungen zwischen Produzenten unter dem NIRA gescheitert waren, versuchte man, das alte Writer-Producer Agreement von 1932 zu revitalisieren und Mitglieder der »Screen Writers‘ Guild« zum Austritt zu bewegen. Vgl. Screen Writers’ Guild, The Academy Writer-Producer Agreement. Another Attempt to Destroy the Guild, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 8, S. 1-2.
»Screen Writers’ Guild« und ihre Konkurrenten
(lay-off ) waren sich die Verbände nicht einig. Die »Academy« sah von einer Regelung ab und wollte die Mitteilung über das Vertragsende nur bei Angestellten zulassen, die für mehr als 120 Wochen und für weniger als 500 Dollar wöchentlich angestellt waren. Die Drehbuchautorengilde hingegen drängte darauf, dass Autoren mit wöchentlichen Verträgen spätestens eine Woche vor deren Ablauf benachrichtigt werden sollten. Auch votierte die Gilde für die Gewährung von Reisekosten für etwaige Drehortbesichtigungen, lehnte eine »Schwarze Liste« ab und insistierte darauf, dass Streitigkeiten von einem verbandsinternen Gremium geschlichtet werden sollten. In Fragen der credits wurde das Verfahren, welches die »Screen Writers’ Guild« vorgeschlagen hatte, grundsätzlich anerkannt, allerdings nicht das verbandsinterne Schlichtungsverfahren, was die Verteilung der Namensnennung bei Streitigkeiten de facto wieder in die Hände der Produzenten legte.115 Als die »Writers Branch« der »Academy« inhaltlich wie personell stark geschwächt war, trat eine neue Organisation in Konkurrenz zur Drehbuchautorengilde, nämlich die 1936 gegründete »Screen Playwrights, Inc.«, die sich anschickte, die neue Berufsvertretung für Drehbuchautoren in Hollywood zu werden.116 Ein wichtiger Grund für die Abspaltung einiger Filmautoren von der Drehbuchautorengilde und die Formierung einer neuen, konkurrierenden Berufsvertretung war die Idee des amtierenden Präsidenten der »Screen Writers’ Guild«, mit den Autorenverbänden der Ostküste zusammenzuarbeiten. Im Zuge der neu aufgerollten Verhandlungen für einen Mindestvergütungsvertrag für Drehbuchautoren im Jahr 1936 fragte der Vorsitzende der Drehbuchautorengilde, Ernest Pascal, den Präsidenten der »Dramatists’ Guild« in einem eiligen Nachttelegramm um Rat: »Screen Writers’ Guild wishes to felicitate the Dramatists’ Guild on the sound philosophy underlying its new Minimum Basic demands which will establish forever the creators ownership in his own creation stop this principle delves at the very root of all writer troubles and clearly points the way to the solution of all differences between writers in every field and those who live at the exploitation of author creativeness stop [...]«117
115 | Vgl. Screen Writers’ Guild, Comparison of Guild Demands and The Academy’s Proposed Revised Writer-Producer Agreement, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 2 (1935) H. 8, S. 4-5. 116 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 86-97 und Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, S. 20-46. 117 | Pascal, Ernest, Night Letter von Ernest Pascal an Sidney Howard 26.3.1936, Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library Los Angeles Unprocessed WGA Historical Materials 1930s-1950s, S. 1.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Pascals Grundidee war die Errichtung einer Organisation, die Autoren aller Branchen vereinte und den Schutz des geistigen Eigentums in ihren Mittelpunkt stellte. Romanciers und Dramatiker sollten aufgrund ihrer eigenen schöpferischen Leistungen weitgehende Kontrolle über ihr Werk und seine Verwendung bekommen. Die Dramatiker hatten aus dieser Forderung heraus beim Battle of Broadway Mitte der 1920er Jahre ihren Normalvertrag erstreiten können. Nun wollte Pascal die Idee eines Minimum Basic Agreements auf die Drehbuchautoren ausdehnen, um ihnen Mindestlöhne, bessere Arbeitsbedingungen und Kontrolle über ihre schöpferischen Leistungen zu sichern. Die Stellung der »Screen Writers’ Guild« musste gestärkt werden, um die Produzenten zu zwingen, den Verband als Alleinvertretung anzuerkennen. Die Vertreter der Drehbuchautorengilde bereiteten mit Funktionären der »Authors’ League« und ihrer Gilden »Dramatists’ Guild« und »Authors’ Guild«, einen Plan für die Fusion der Drehbuchautorengilde unter dem Dach der New Yorker »Authors’ League of America« vor.118 Die Mitglieder der »Screen Writers’ Guild« sollten am 2. Mai 1936 darüber abstimmen. Das Votum beinhaltete, dass Verbandsmitglieder ab sofort keine Verträge mit einer Dauer von mehr als zwei Jahren abschließen durften, um möglichst viele Drehbuchautoren hinter den Neuverhandlungen zu vereinen und eventuell einen guild shop, also die gewerkschaftliche Pflichtmitgliedschaft in der »Screen Writers’ Guild«, zu erreichen. Dadurch würden Drehbuchautoren geschlossen in die Verhandlungen über einen kollektiven Tarifvertrag eintreten können.119 Nur so könnten die Produzenten letztendlich dazu gezwungen werden, von ihrer Ablehnung gegenüber der Drehbuchautorengilde abzurücken und dem lange ausstehenden kollektiven Vergütungsvertrag zuzustimmen. Die Drehbuchautorengilde benutzte bewusst Strategien der Gewerkschaftsbewegung, was dem konservativen Flügel der Drehbuchautoren missfiel, der die Gilde vorrangig als Prestigeorganisation und elitäre Berufsvertretung Kreativer in Abgrenzung zu einfachen Arbeitern und Angestellten in der Filmindustrie betrachtete.120 Konservative und gemäßigte Filmschaffende störte auch, dass sich das politische Klima in Hollywood zunehmend radikalisierte. Die progressive Linke und kommunistische Mitglieder des Drehbuchautorenverbandes formierten eine neue Generation Filmschaffender, die nicht mehr aus der gehobenen Mittelschicht der New Yorker Intellektuellenkreise stammte, sondern im fordistischen Filmbetrieb Hollywoods kämpferische und gewerkschaftliche Ziele ar-
118 | Vgl. Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement, S. 355f. 119 | Vgl. Pascal, Ernest, ONE Organization for ALL American Writers, in: The Screen Guilds’ Magazine, Bd. 3 (April 1936) H. 2, S. 3, 15-17. 120 | Vgl. Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement, S. 318-320.
»Screen Writers’ Guild« und ihre Konkurrenten
tikulierte, während zeitgleich die antikommunistisch eingestellte Hearst-Presse gegen die angebliche »kommunistische Gefahr« aus Hollywood hetzte. Als Antwort auf die angebliche kommunistische »Unterwanderung« der »Screen Writers’ Guild« durch wenig erfahrene Ostküstenliteraten und radikale Linke gründete der konservative Flügel der Drehbuchautorengilde am 4. Mai 1936121 die Konkurrenzorganisation »Screen Playwrights, Inc.« (davor: »The Screen Writers of Hollywood«).122 Diese war ganz in der Manier der »Academy« geplant worden und sollte verhindern, dass die Drehbuchautorengilde zur alleinigen Repräsentation der Berufsgruppe wurde. Die zurückgebliebenen Autoren im Drehbuchautorenverband warfen der »Screen Playwrights Guild« vor, dass diese von Produzenten gekaufte und ferngesteuerte Marionetten seien. Besonders die Moskauer Schauprozesse und die dadurch stimulierte mediale Hetzkampagne gegen kommunistische Filmschaffende in den USA führten seit 1936 jedoch dazu, dass ein Großteil der konservativen Autoren im Juni der neuen »Screen Playwrights, Inc.« beitrat.123 Die Produzenten begannen sogleich mit dem neuen Verband zu kooperieren, sodass die Drehbuchautoren in den »Screen Playwrights, Inc.« in kürzester Zeit mehr erreichten als die »Screen Writers’ Guild«. In der Folge sanken die Mitgliederzahlen der »Screen Writers’ Guild« rapide; umso mehr, als die Filmstudios den Gildenmitgliedern mit der Kündigung drohten.124 So bekam die »Screen Playwrights, Inc.« Unterstützung von MGM und durfte deren Räumlichkeiten nebst Studioinventar für ihre Treffen nutzen, um die Organisationsbestrebungen der Gruppe voranzutreiben. Autoren, die der neuen Organisation beitraten, bekamen vergleichsweise generöse Langzeitverträge und mehr künstlerische Mitbestimmungsrechte.125 Wieder wurde die »Screen Writers’ Guild« daran gehindert, als alleinige Vertretung der Drehbuchautoren in Hollywood anerkannt zu werden. Nun war es die »Screen Playwrights, Inc.«, die einen Alleinvertretungsanspruch für sich reklamierte und für die Drehbuchautoren kollektive Vergütungsregeln aushandeln wollte. Der neue Verband war eine elitäre Berufsorganisation und protegierte etablierte Autoren. Um Mitglied zu werden, mussten Drehbuchautoren drei Namensnennungen vorweisen können. Deswegen hatte der Verband auch nie
121 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 109-118. 122 | Vgl. Perry, Louis B. / Perry, Richard S., A History of Los Angeles Labor Movement, S. 356. 123 | Vgl. Stempel, Tom, Framework, S. 138. 124 | Vgl. Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, S. 30-46 und Block, Ralph, Newspaper Guild Blazes Trail for Writers and Actors, in: Screen Guilds’ Magazine, Bd. 1 (1935) H. 2, S. 5 und 15. 125 | Vgl. Stempel, Tom, Framework, S. 140f.
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mehr als 125 Mitglieder.126 Diese waren der Ansicht, dass Drehbuchautoren keine handwerklichen Angestellten, sondern Künstler seien und deswegen keiner gewerkschaftlichen Vertretung bedurften. Am 19. April 1937 konnte die »Screen Playwrights, Inc.« sogar einen Normalvertrag mit den Produzenten aushandeln, der alles Bisherige übertraf.127 Dieser Normalvertrag beinhaltete eine Mindestvergütung von 125 Dollar wöchentlich. Trotz der hohen Zugangsvoraussetzungen war der Vertrag für junge Autoren ein Meilenstein, weil die festgesetzte Mindestvergütung besonders den schlechter gestellten Autoren zugute kam. Die »Screen Playwrights, Inc.« wollte aber dezidiert nicht möglichst viele Berufsvertreter aufnehmen, wie eine Gewerkschaft, sondern eine gewisse Exklusivität und Monopolstellung, im engeren Sinn von Gilde, repräsentieren.128 Im Grunde enthielt der von ihr 1937 vereinbarte Writer-Producer Code of Practice viele Forderungen, die die »Screen Writers’ Guild« schon seit den 1920er Jahren immer wieder gestellt hatte. Der Kodex, der für die Drehbuchautorenabteilung der »Academy« und für die Mitglieder der »Screen Playwrights, Inc.« verbindlich war, enthielt nur wenige wegweisende Neuerungen wie die Mindestvergütungsregel und die Informationspflicht in Fällen, in denen mehrere Drehbuchautoren an demselben Stoff schrieben. Freischaffend arbeitende Drehbuchautoren mit Wochenverträgen sollten mindestens 24 Stunden vorher über das Vertragsende informiert werden. Das spekulative Verfassen von Drehbüchern war ebenso verboten wie der Abschluss von Verträgen, die Drehbuchautoren nur Entlohnung versprachen, wenn der Film tatsächlich produziert wurde. Was die Namensnennung betraf, wurden die credits auf höchstens drei pro Film beschränkt, um sie nicht zu entwerten, wenn sie auf mehr beteiligte Autoren verteilt würden. Über die Namensnennung entschieden die Produzenten nach folgenden Kriterien: Ab einem künstlerischem Beitrag von 50 Prozent wurde man als alleiniger Drehbuchverfasser genannt. Dazu kamen eventuell zwei zusätzliche Autoren, die je einen Schreibanteil von 25 Prozent nachweisen mussten. Die Produzenten waren jetzt im Abkommen zu Fairness verpflichtet, allerdings hatten Autoren nur zwei Tage Zeit, die Namensnennung anzufechten. Sie waren auf den »Goodwill« des Produzenten angewiesen, da die Kriterien im Vertrag nur vage formuliert waren.129 Die Frage der Pflichtmitgliedschaft in der Gilde als Voraussetzung für die 126 | Vgl. Ceplair, Larry / Englund, Steven, The Inquisition in Hollywood, S. 40-46 und Humphries, Reynold, Hollywood’s Blacklist, S. 36-38. 127 | Vgl. O. A., The Writer-Producer Codes of Practice Effective April 19, 1937. Complete Text of the Academy Agreement Continuing in Force with Amendments adopted by the ACADEMY WRITERS BRANCH. Complete Text of the Agreement Now in Force Between Producing Companies and SCREEN PLAYWRIGHTS 19. April 1937, Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library Los Angeles, Unprocessed Material History of Screen Writers Guild, S. 3-8. 128 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 90-110. 129 | Vgl. O. A., The Writer-Producer Codes of Practice Effective April 19, 1937, S. 1-10.
»Screen Writers’ Guild« und ihre Konkurrenten
Beschäftigung in einem gewerkschaftspflichtigen Betrieb (closed shop) wurde von der »Screen Playwrights, Inc.« nicht gestellt, um den Produzenten entgegenzukommen. Diese Zugeständnisse machten es möglich, dass Mindestlöhne erreicht werden konnten und zugleich die gewerkschaftliche Strategie der »Screen Writers’ Guild« unterminiert wurde. Die Minimalvergütung war für die meisten Mitglieder der »Screen Playwrights, Inc.« ohnehin zweitrangig, da sie als etablierte Drehbuchautoren mehr verdienten. Insofern waren die 125 Dollar pro Woche eher ein Lockangebot, um Neumitglieder zu gewinnen. Auch hinsichtlich der Namensnennung, die von großer Wichtigkeit für die Karriere der Drehbuchautoren war, war der Fortschritt eher graduell. Aus Sicht der gewerkschaftlichen Verbände war besonders prekär, dass der guild shop, der die Drehbuchautoren zu Verhandlungspartnern auf Augenhöhe gemacht hätte und ihnen eine Streikmöglichkeit eingeräumt hätte, ad acta gelegt wurde. Die »Screen Playwright, Inc.« war ein Berufsverband für etablierte Drehbuchautoren, der von den Produzenten protegiert wurde.130 Fast die gesamte Drehbuchautorenabteilung von MGM wechselte zur neuen Organisation. Die »Screen Writers’ Guild« dagegen stand am Abgrund. Als Dorothy Parker, Dudley Nichols und andere im Sommer 1936 die Drehbuchautorengilde als gewerkschaftliche Vertretung reaktivierten, stießen sie bei den Produzenten auf heftigen Widerstand.131 Das Hin und Her ging weiter, als im Oktober 1937, mithilfe von Anhörungen im Hinblick auf die Verabschiedung des »Wagner Act«, die die Frage geklärt werden sollte, welche konkurrierenden Organisationen die legitime Vertretung der Drehbuchautoren seien.132 Die Anhörung ergab, dass es sich bei den Drehbuchautoren um Angestellte handelte, die keinen Einfluss auf das jeweilige Endprodukt und deshalb gesetzlich ein Recht auf eine Gewerkschaftsvertretung hätten. Die »Screen Writers’ Guild«, die mittlerweile als in Kalifornien eingetragene »Screen Writers’ Guild Inc.« firmierte und eine anerkannte Zweiggesellschaft der »Authors League of America« war, verfügte immer noch über 502 Mitglieder, wohingegen die »Screen Playwrights, Inc.« zu dieser Zeit nur 102 zählte.133 Das »National Labour Relations Board« (NLRB) entschied, dass die Drehbuchautoren selbst abstimmen sollten, wer sie in Zukunft bei kollektiven Verhandlungen vertreten sollte. Aufgrund der geheimen Wahl wurde der »Screen Writers’ Guild« am 4. Juli 1938 durch das NLRB bestätigt, dass sie als alleinige anerkannte Berufsvertretung für Drehbuchautoren in Hollywood handeln und für Drehbuchautoren kollektive Vergütungsverhandlungen führen könne.134 Dies 130 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 90-110. 131 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 80f und Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 130-135. 132 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 120-130. 133 | Vgl. o. A., Guild v. Playwrights, in: Time Magazine, 11.7.1938, S. 50. 134 | Von 311 Wahlberechtigten Drehbuchautoren stimmten 247 für die »Screen Writers’ Guild« und nur 24 für die »Screen Playwrights«. Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
war eine späte Genugtuung nach diversen Rückschlägen und Grabenkämpfen seit den 1920er Jahren. Nun konnte die Drehbuchautorengilde die Verhandlungen mit den Produzenten rechtskräftig wieder aufnehmen und versuchen, ein Minimum Basic Agreement mit den Produzenten auszuhandeln. Die Verhandlungen zogen sich allerdings weitere vier Jahre hin, da der verhandelte Normalvertrag zwischen Produzenten und der »Screen Playwrights, Inc.« aus dem Jahr 1937 noch bis 1942 Gültigkeit hatte und alle Autoren in den Tarifvertrag einbezogen werden sollten.135
D as M inimum B asic A greement von 1942 Die Aushandlung eines industrieweiten Tarifvertrages durch die »Screen Writers’ Guild« erfolgte in zahlreichen Verhandlungen zwischen 1938 und 1941, worüber sich in den Archiven kaum mehr Informationen finden. Diese Verhandlungen führten zum Minimum Basic Agreement von 1942 über die arbeits- und vertragsrechtliche Besserstellung der Drehbuchautoren, das eine hohe Strahlkraft auf andere Bereiche künstlerischer und kreativer Arbeit in der Filmindustrie besaß. Das Abkommen garantierte, dass jeder Drehbuchautor durch eine Gewerkschaft repräsentiert werde und ein Recht auf Mindestvergütungen verhandelt werde. Durch seinen Abschluss wurden der Fortbestand und die Macht der »Screen Writers’ Guild« und ihrer Nachfolgeorganisation »Writers’ Guild of America« bis zum heutigen Tage gesichert. Die Drehbuchautorengilde erreichte 1942 ihr Ziel, weil der Kriegseintritt der USA und die veränderte gesellschaftspolitische Situation den Produzenten im Rahmen der Kriegsmobilisierung eine patriotisch motivierte Einigung in der gesamten Filmindustrie nahelegte.136 In den 1938 begonnenen Verhandlungen waren strittige Punkte unter anderem der plötzliche Abzug eines Drehbuchautors von einem noch nicht beendeten Projekt und die Neueinsetzung bei einem anderen; die Frage, inwieweit das Skript ohne Rücksprache mit dem Drehbuchautor geändert werden konnte; und die Frage, ob die Entscheidung über die Namensnennung in die Hände der Drehbuchautoren gelegt und wie bisher zweigeteilt vergeben werden sollte, nämlich nach »Screenplay by ...« und »Original Story by …«. Da der alte Vertrag zwischen Produzenten, »Academy« und »Screen Playwrights, Inc.« bis 1942 gültig war, zierten sich die Produzenten lange, die Drehbuchautorengilde tatsächlich als gleichrangigen Verhandlungspartner anzuerkennen und den Vertrag mit der of the Screen Writers’ Guild (1920-1942), S. 136-147. 135 | Vgl. Humphries, Reynold, Hollywood’s Blacklist, S. 36-38 und Stempel, Tom, Framework, S. 140f. 136 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Statement of Policy and Program of Action, 31.8.1943, Margaret Herrick Library, Screen Composers Association Records, Special Collections folder 67, S. 1-27.
Das Minimum Basic Agreement von 1942
»Screen Playwrights, Inc.« zu beenden.137 Daraufhin wurden die Produzenten nach Washington zitiert und mussten sich wegen Verletzung des »Wagner Acts« vor dem NLRB rechtfertigen.138 Die Produzenten boten dreieinhalb Jahre Vertragsdauer an und wollten Neuverhandlungen erst nach sieben Jahren zulassen, was die Drehbuchautoren ablehnten, da sie rasch bessere Bedingungen festlegen wollten. Sie bestanden darauf, dass sie einen Organisationsgrad (guild shop) von 80 Prozent anstelle der bisherigen 70 Prozent zugesichert bekamen. Auch über die arbeitsfreien Zeiten (lay-off ) gab es Uneinigkeit, so dass die Verhandlungen im März 1939 vorübergehend nicht vom Fleck kamen.139 Im Februar 1940 wurde der alte Vertrag, den noch die »Screen Playwrights, Inc.« ausgehandelt hatte, auf Wunsch des Verbandes selbst für ungültig erklärt, weil diese nur noch 29 Mitglieder besaß.140 Darauf folgte 1940 eine Art Übergangsabkommen, das »Producers-Screen Writers’ Guild Inc. Basic Agreement«, das nur sechs Monate gültig war. Es legte für die »Screen Writers’ Guild« einen 80-prozentigen guild shop fest, das heißt, dass 80 Prozent aller in Hollywood angestellten Drehbuchautoren Mitglied im Drehbuchautorenverband sein mussten. Viele freischaffende Autoren, die nicht gewerkschaftlich organisiert waren, konnten nun immer seltener legal für die Filmindustrie arbeiten, da die Arbeitgeber Gewerkschaftsmitglieder bevorzugten.141 Der anvisierte Mindestvergütungsvertrag verbot, dass ein Produzent sich selbst als Drehbuchautor im Abspann aufführen ließ, wenn er nicht das vollständige Drehbuch verfasst hatte. Die Produzenten kamen den Autoren entgegen, indem sie in Fragen der Namensnennung die gewünschte Zweiteilung der Drehbuchautorengilde anerkannten und vorläufige sogenannte tentative credits ablehnten. Ein wichtiger Streitpunkt war auch das Ver-
137 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 147-153. 138 | Besonders fragwürdig schien die Taktik der Produzenten, weil sie den vorgeschlagenen Vergütungsvertrag der Schauspieler ohne große Gegenwehr, wohl aus der Angst vor einem möglichen Streik, bereits 1936 angenommen hatten, aber im Fall der Drehbuchautoren und Regisseure geschlossen gegen ein solches Abkommen votierten. Das Minimum Basic Agreement der »Screen Directors’ Guild« wurde erst nach Streikandrohungen im Jahr 1939 anerkannt. Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (1920-1942)., S. 128-135. 139 | Vgl. ebd., S. 154-160. 140 | Vgl. ebd., S. 159f. 141 | Ein 100-prozentiger guild shop wäre dann ein sogenannter closed shop. Dieser wurde erst seit 1950 von der Drehbuchautorengilde favorisiert. Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., SWG Wins NLRB Election By Whopping 83% Vote. Way Paved for 100% Guild Shop, in: Bulletin of the Screen Writers’ Guild, Inc. (September-Oktober 1950) H. 7, S. 1.
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bot des spekulativen Schreibens und die Einigung auf ein Schlichtungskomitee, welches von der »Screen Writers’ Guild« personell besetzt wurde.142 Nach Ablauf des Übergangsvertrags im April 1941 waren die Produzenten zunächst gegen eine neue Abmachung. Erst als die Drehbuchautoren mit einem Streik drohten, für den sie bereits 50.000 Dollar gesammelt hatten, war die Produzentenseite zu Neuverhandlungen bereit. Am 16. Juni 1941 wurde ein Siebenjahresvertrag beschlossen, der am 2. Mai 1942 in Kraft treten sollte.143 Er erfüllte die wichtigsten Anliegen der Drehbuchautoren. Die strittige Frage der Gewerkschaftspflicht und des Organisationsgrads wurde für beide Seiten durch eine Staffelung akzeptabel gelöst. So sollten die Filmautoren in den ersten sechs Monaten 80 Prozent guild shop, dann für die Dauer von zweieinhalb Jahren 85 Prozent und darauf 90 Prozent zugesichert bekommen.144 Dies stellte einen wichtigen Etappensieg auf dem Weg zur Sicherung der Machtstellung der Filmautoren innerhalb der Filmindustrie dar. Wenn 90 Prozent der Drehbuchautoren in der »Screen Writers’ Guild« Mitglied waren, dann konnten sie die Produzenten nach Ablauf der siebenjährigen Vertragslaufzeit unter Druck setzen, um ein neues, verbessertes Abkommen abzuschließen. Des Weiteren mussten Produzenten den Autoren von nun an auf Nachfrage mitteilen, wenn sie andere Autoren für denselben Filmstoff angeheuert hatten. Bei den herrschenden Unklarheiten über unbezahlte Freistellungen innerhalb der Vertragslaufzeit wurde ein Kompromiss erzielt. Drehbuchautoren mussten mindestens 26 Wochen für einen Produzenten gearbeitet haben und konnten dann höchstens drei Wochen unbezahlt freigestellt werden.145 Das spekulative Schreiben wurde als unfaire Praxis verboten und etwaige Reisekosten mussten von nun an durch die Produzenten getragen werden. Auch die Mitteilung über die Kündigung musste nun eine Woche vor Vertragsende erfolgen, allerdings nur bei Autoren, die bereits zwei Monate beim Studio angestellt waren. Ein Meilenstein war die Festlegung einer Mindestvergütung der einmaligen Honorare oder sogenannten flat deals. Der Autor erhielt bei Action- oder Westernfilmen für ein Drehbuch mindestens 1.000 Dollar minimum aggregate compensation, bei anderen Genres auch 1.500 Dollar.146 Für einen ersten Drehbuchentwurf gab es 600 Dollar und für die Ablieferung des drehfertigen Manuskripts mindes142 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Producers-Screen Writers Guild Agreement 10. October 1940, Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library, Unprocessed Material zur Screen Writers’ Guild History, S. 1-6. 143 | Vgl. Wheaton, Christopher Dudley, A History of the Screen Writers’ Guild (19201942), S. 161-169. 144 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Producer-Screen Writers’ Guild Inc. Minimum Basic Agreement of 1942, 1. Mai 1942, Margaret Herrick Library, Pam 892, S. 3-19, hier S. 3. 145 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Producer-Screen Writers’ Guild Inc. Minimum Basic Agreement of 1942, hier S. 5. 146 | Vgl. ebd., S. 10.
Das Minimum Basic Agreement von 1942
tens 1.000 Dollar.147 Für angestellte Drehbuchautoren, die wöchentlich bezahlt wurden, war nach einem Jahr Laufzeit des Abkommens eine Minimalvergütung von 125 Dollar wöchentlich vorgesehen. Im Vergleich zu den bis dahin üblichen 75 Dollar Wochenverdienst war das eine erhebliche Verbesserung.148 Das Abkommen unterschied zwischen dem Umschreiben (rewrite) und dem Polieren (polish) eines Drehbuchs. Da das Umschreiben mehr Zeit in Anspruch nahm, wurde es besser vergütet. Davor hatten die Produzenten das Umformulieren (rewrite of a final script) eines Drehbuchs meist schlechter bezahlt, weil es als einfacher polishing job eingestuft wurde. Das »Schedule A« enthielt Regeln für die Vergabe der Namensnennung und credits und verwies auf die Existenz des internen Schlichtungskomitees (»Guild Arbitration Committee«).149 So konnte die Originalstory von höchstens zwei Autoren verfasst werden und die Nennung als Drehbuchautor von drei Drehbuchautoren oder je zwei Autorenteams beansprucht werden. Man wollte so die Wichtigkeit der Namensnennung betonen.150 Im Vergütungsvertrag wurde der professional writer wie folgt definiert: »[…] a person who offers himself for employment or is employed by the Producer primarily for the purpose of creating and writing stories, adaptations, treatments, scenarios, continuities, dialogue scripts or screenplays for the use in the production of motion picture photoplays.«151
Das wohl größte Zugeständnis der Autoren und wohl einer der Gründe, warum die Produzenten letztendlich einlenkten, bestand darin, dass die Gilde sich gemäß Artikel 11 des Abkommens verpflichtete, während der Laufzeit keinen Streik auszurufen.152 Das am 1. Mai 1942 in Kraft getretene erste Minimum Basic Agreement war für die Drehbuchautoren Hollywoods der Durchbruch nach Jahren der Instabilität und internen wie externen Streitigkeiten. Es markierte den Wendepunkt in der gewerkschaftlichen Verberuflichungsstrategie mit einem Tarifvertrag und festen Mindestvergütungssätzen. Rechtskräftig war die Vereinbarung in Kalifornien abgeschlossen, faktisch erfasste sie alle US-Drehbuchautoren, da ein Großteil der amerikanischen Filmindustrie im Raum Los Angeles ansässig war. Nachdem der Vertrag 1942 mit den großen Studios abgeschlossen worden war, verabschiedeten die Drehbuchautoren im Dezember 1943 einen ähnlichen Normalvertrag mit
147 | Vgl. ebd., S. 11. 148 | Vgl. ebd., S. 14. 149 | Vgl. Rapf, Maurice, The Credits Question, in: The Screen Writer, Bd. 1 (1946) H. 9, S. 25-30, hier S. 28. 150 | Vgl. ebd., S. 17-19. 151 | Ebd., S. 15. 152 | Vgl. ebd., S. 6.
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den unabhängigen Filmproduzenten.153 Die kreativen Mitarbeiter in Hollywood rückten so immer mehr vom Berufsbild des individuell tätigen, schöpferischen freien Schriftstellers ab und lehnten sich insgesamt an die Arbeitskampfstrategien der Gewerkschaften an. Mithilfe der »Screen Writers’ Guild« konnten Drehbuchautoren in der Folge ihren Status und ihre wirtschaftliche Lage und Position innerhalb des Studiobetriebs nachhaltig festigen. Die beschriebenen Vergütungsregeln führten zu einer angemessenen und vergleichsweise hohen Entlohnung der Drehbuchautoren, denen dadurch ein Stück weit ihre fehlende kreative Autonomie abgekauft wurde. In der Folge wurden gemeinsame Vergütungsregeln und Tarifabkommen nicht nur für die Drehbuchautoren, sondern auch für andere talent guilds der Filmindustrie üblich.154 Die Vergewerkschaftung wurde zu einem wesentlichen Element der Professionalisierungsstrategie. Die Mindestvergütungsregeln unterschieden sich von den herkömmlichen Tarifverträgen dahingehend, dass sie die Option auf die Erhöhung des Minimalgehalts durch individuelle Absprachen oder »Personal Service Contracts«155 beinhalteten. Dadurch erhielten bekannte Drehbuchautoren eine exklusive Behandlung und die Zusatzleistungen waren nachträglich verhandelbar. Die Drehbuchautoren waren sich bewusst, dass sie zu den Above-the-line-Mitarbeitern gehörten und wollten sich so ein Stück weit von den Arbeitergewerkschaften Hollywoods distanzieren. Noch 1938 hatte die »Gewerkschaft der Bühnentechniker« (IATSE)156 sich bemüht, auch die Drehbuchautoren aufzunehmen, was heftige Gegenwehr seitens der Autoren, Regisseure und Schauspieler hervorgerufen hatte.157 Diese Spannungen zwischen der talent class und den Arbeitern im Filmbetrieb waren bereits in den 1920er Jahren aufgetreten, als versucht worden war, Gewerkschaftsstrategien des Battle of Broadway von der Ostküste zu importieren.
153 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Special Bulletin to Members of the Screen Writers’ Guild, 15.12.1943, Writers Guild Foundation Library, Unprocessed WGA Historical Materials 1930s-1950s, S. 1. 154 | Vgl. Reber, Nikolaus, »Gemeinsame Vergütungsregelungen«, S. 9-16. 155 | Vgl. Jones, Edgar A., JR, The Interplay of Collective Bargaining Agreements and Personal Service Contracts, in: Loyola Entertainment Law Journal, Bd. 11 (1991), S. 11-22. 156 | Die Arbeitergewerkschaft der Bühnentechniker wurde bereits 1890 gegründet und hatte Ende der 1930er Jahre ca. 40.000 Mitglieder. Vgl. Schatz, Thomas, The Prewar Era, in: Schatz, Thomas (Hrsg.), Boom and Bust. American Cinema in the 1940s, 2. Aufl. , Berkeley-Los Angeles-London 1999, S. 11-79, hier S. 33. 157 | Vgl. o. A., Screen Writers to Make Job Study, in: Citizen News, 23.3.1938, o. S.
Filmemigranten, Zensur und Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg
E uropäische F ilmemigr anten , Z ensur und M obilisierung im Z weiten W eltkrieg In den 1930er Jahren fand die Filmbranche Lösungen für ihre strukturellen Konflikte und organisatorischen Probleme. Seit den späten 1930er Jahren wurde ihre Entwicklung stärker durch die internationalen politischen Verhältnisse bestimmt. Aus Europa kamen Kultur- und Filmschaffende, die von den faschistischen Diktaturen vertrieben worden waren, nach Hollywood. Sie flohen in ein Land, das ihnen das Leben und Überleben in Demokratie und Freiheit ermöglichte, zugleich aber den fortschrittlichsten Stand der Kulturindustrie aufwies. In der Hierarchie der Hollywoodstudios wurde ein im Filmbusiness unerfahrener Schriftsteller mit Lebensrettungsvertrag erst einmal als Drehbuchautor in einer untergeordneten Stellung eingestuft. Die Schriftsteller mit emergency visa waren als Ideenlieferanten aber beliebt. Diktaturen und totalitäre Systeme schränkten die Handlungsrechte der Kultur- und Filmschaffenden ein, die Studios in Hollywood hingegen agierten als kapitalistische Großunternehmen und Banken. Die Immigranten nahmen zunächst vor allem die neuen Formen der betrieblichen Organisation und strikten Arbeitsteilung wahr, aber verstanden nicht wirklich, dass die US-amerikanischen Drehbuchautoren in den 1930er Jahren mithilfe ihrer gewerkschaftlichen Normalverträge und Kollektivvereinbarungen schon ein Stück weit sozial und professionell unabhängig geworden waren. Sie nahmen die Kritik der Schriftsteller von der Ostküste auf, die über die Schreiberlinge populärer Filme in Hollywood spotteten, statt ihr eigentliches Talent und ihre künstlerische Bestimmung zu realisieren, für bare Münze. Die Polemiken über die »Hölle Hollywoods«158 und den »Autor als Sklave der Studios«159 bezogen sich auf den Verlust kreativer Integrität und Seriosität der Schriftsteller, die nun als angestellte Drehbuchautoren arbeiteten.160 Europäische Emigranten wie Bertolt Brecht griffen diese Kritik auf und radikalisierten sie in der Form einer marxistischen Herrschafts- und Kapitalismuskritik. In Brechts »Hollywood-Elegien«, die von Hanns Eisler vertont wurden, hieß es:
158 | Vgl. Asper, Helmut G., Hollywood – Hölle oder Paradies? Legende und Realität der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Exilautoren in der amerikanischen Filmindustrie, in: Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch, Bd. 10 (1992), S. 187-199. 159 | Vgl. Prover, Jorja Manos Jeane, Culture-Makers. Hollywood Writers as an American Elite, S. 37. 160 | Vgl. Fine, Richard, Hollywood and the Profession of Authorship, S. 1-17 und 139-159.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich »Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen Gehe ich auf den Markt, wo Lügen gekauft werden. Hoffnungsvoll Reihe mich ein zwischen die Verkäufer.«161
Brecht drückte mit diesen Zeilen seinen Unmut gegenüber seiner Schaffensperiode in Los Angeles aus, während der er sich künstlerisch unterfordert fühlte und den Beruf Drehbuchautor nur als Broterwerb ansah. Brechts Beispiel zeugt von den Schwierigkeiten und Anpassungsproblemen, mit denen die Exilschriftsteller in den USA konfrontiert waren. Gleichzeitig handelt es sich um eine grundsätzliche Kritik der Entfremdung beziehungsweise des Verlustes von Freiheit in der marktwirtschaftlich organisierten Filmindustrie. Dass diese Haltung die soziale Wirklichkeit selektiv und nicht die Erfahrung aller Exilschriftsteller darstellte, soll im folgenden Abschnitt erörtert werden. Los Angeles wurde nach 1933 und insbesondere nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ein begehrtes Ziel und war oftmals die letzte Rettung für Flüchtlinge. Etwa 70 Prozent der in die USA immigrierten Filmschaffenden waren Juden.162 Es entstand eine Exilgemeinschaft, die als »Weimar unter Palmen« bekannt wurde und eine spezifisch europäische Perspektive auf den Kulturbetrieb Hollywoods warf.163 Für die deutschsprachigen Exilschriftsteller, die besonders nach 1938 und teils unter höchster Not aus Europa, meist über Lissabon, flüchteten, gestaltete sich ein literarischer Neuanfang an der Ostküste meist schwierig.164 Als gestandene Schriftsteller, Dramatiker oder Journalisten hatten sie zwar Einreisevisa erhalten und meistens nach ihrer Ankunft in New York Kontakt mit bekannten und ehemaligen Kollegen geknüpft, allerdings fiel es den meisten aufgrund sprachlicher Unzulänglichkeiten schwer, in ihrem angestammten Metier weiter zu arbeiten. Viele zogen darum weiter an die Westküste und kamen rasch mit der Filmindustrie in Berührung. Als Drehbuchautoren konnten sie zumindest genug für den Lebensunterhalt verdienen. Zudem lockte die Schriftsteller die mögliche Aussicht auf langfristigen Erfolg und Verträge bei den großen Studios. Unter den nun beim Film arbeitenden immigrierten Schriftstellern waren solche, die keine filmpraktische Erfahrung besaßen, während andere sich beispielsweise in Berlin schon mit dem Drehbuchschreiben vertraut gemacht hatten. In der Forschung wurden die Exildrehbuchautoren bisher nur am Rande untersucht. Die traditionelle Literaturwissenschaft hielt diese oftmals für triviale 161 | Zitiert nach Mittenzwei, Werner, Das Leben des Bertolt Brecht oder Der Umgang mit den Welträtseln. Erster Band, Weimar, 1986, S. 51. 162 | Vgl. Bahr, Ehrhard, Weimar on the Pacific, S. 3-18. 163 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, German Hollywood Presence and Parnassus. Central European Exiles and American Filmmaking, in: Rocky Mountain Review of Language and Literature, Bd. 39 (1985) H. 2, S. 123-136. 164 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, hier S. 678.
Filmemigranten, Zensur und Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg
Unterhaltungsliteraten.165 Von der neueren Filmgeschichte, den Kulturwissenschaften und der historischen Exilforschung wiederum sind wichtige Impulse ausgegangen, diese Drehbuchautoren, ihr Wirken, ihr Leben und ihr Werk in Hollywood zu rekonstruieren.166 Im folgenden Abschnitt interessieren vor allem die Exilschriftsteller, die in Hollywood seit 1933 als Drehbuchautoren arbeiteten.167 Dabei ist eine sozialhistorische Betrachtung der Transfers von künstlerischen und technischen Anforderungen des Berufs und Selbstbildern des Drehbuchautors von Europa in die USA, besonders durch das universell und global verbreitete Filmmedium, aufschlussreich. Des Weiteren kann die Migration europäischer Filmschaffender in die USA nicht nur durch die vereinfachten Vorstellungen von Assimilation und Entwurzelung beschrieben werden, vielmehr lassen sich der kreative Beitrag und die Einstellung der Exilanten als »[…] culturally open to hybridization« beschreiben.168 Die Filmexilanten brachten nicht nur mehr oder weniger filmpraktisches Vorwissen, sondern auch bestimmte Vorstellungen vom Drehbuchautorenberuf nach Los Angeles mit. Sie standen unter großem Anpassungsdruck. Einige konnten sich eine neue Karriere in Hollywood auf bauen. Von jedem Fünften der circa 250 aus Deutschland und Österreich vor der nationalsozialistischen Kulturdiktatur und Willkürherrschaft geflüchteten Autoren, die sich zeitweise als Drehbuchautoren betätigt hatten, wurden Werke nach ihrer Einwanderung in die USA tatsächlich in Hollywood verfilmt. Neben den hauptberuflich arbeitenden Drehbuchautoren erhielten daneben 30 noch unerfahrene Filmschriftsteller Arbeitsverträge, aus denen sich durchaus Hollywoodkarrieren entwickelten.169 1939 reisten noch einige Drehbuchautoren von Europa in die USA aus,170 um der unerträglich gewordenen politischen und rechtlichen Lage in Deutschland 165 | Vgl. Asper, Helmut G., Hollywood-Hölle oder Paradies?, S. 187-199. 166 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, S. 676-714; Spies, Bernhard, Konstruktionen nationaler Identität(en) – Exilforschung und Postcolonial Studies, in: Bannasch, Bettina / Rochus, Gerhild (Hrsg.), Handbuch der deutschsprachigen Exilliteratur, Berlin-Boston 2013, S. 75-95; Horak, Jan-Christopher, Exilfilm. 1933-1945, in: Jacobson, Wolfgang / Kaes, Anton / Prinzler, Hans Helmut (Hrsg.), Geschichte des deutschen Films, 2. akt. u. erw. Aufl. Stuttgart-Weimar 2004, S. 99-116 und Gemünden, Gerd, Continental Strangers. German Exile Cinema, 1933-1945, New York 2014, insb. S. 4-18. 167 | Vgl. Gersch, Wolfgang, Antifaschistisches Engagement in Hollywood, hier S. 509-511. 168 | Giovacchini, Saverio, The Joys of Paradise. Reconsidering Hollywood’s Exiles, in: Rose, Peter I. (Hrsg.), The Dispossessed. An Anatomy of Exile, Amherst-Boston 2005, S. 281-308, hier S. 283. 169 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Exil-Drehbuchautoren in Hollywood, hier S. 74. 170 | Circa 15 Prozent der Filmemigranten, die von 1933-1945 nach Los Angeles gingen, wanderten vor 1938 ein. Vgl. Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood. Eine Dokumentation zur Filmemigration nach 1933, 2. erw. u. korr. Aufl., Münster 1986, S. 19f.
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und in den faschistischen Staaten in Europa zu entkommen. Die meisten flüchteten zuerst ins europäische Ausland und gelangten erst später, vielfach mit letzter Kraft, in die USA. Vicki Baum und Walter Reisch zum Beispiel emigrierten beide in die USA, um dort als Drehbuchautoren an der Verfilmung eigener Romane zu arbeiten, wofür sie gut dotierte Verträge angeboten bekommen hatten.171 George Froeschel und Felix Jackson (Joachimson) erhielten Drehbuchautorenverträge bei Filmstudios, weil ihr schriftstellerisches Talent für sie sprach. Zuletzt kamen europäische Flüchtlinge mit den sogenannten Lebensrettungsverträgen und Not-Visa in die USA; die Filmstudios arbeiteten eng mit dem »Emergency Rescue Committee« zusammen, welches in Kooperation mit dem »European Film Fund«, der seit 1938 in den USA existierte, auf der Flucht befindliche Schriftsteller mit sogenannten emergency visa und finanzieller Hilfe unterstützte.172 Diese Visa waren meist an einen sogenannten Lebensrettungsvertrag der Filmstudios gebunden, der ein Jahr gültig war und 100 Dollar Einkommen pro Woche für die Exilanten bereitstellte, wenn diese als Drehbuchautoren arbeiteten. Neben den Visa brauchten die Flüchtlinge noch eine Bürgschaft, ein Affidavit eines US-Amerikaners, um einreisen zu können. Wenn man bedenkt, dass in den USA zu Kriegszeiten bereits scharfe Debatten über Einreisestopps geführt wurden, ist es erstaunlich, dass es den genannten Initiativen trotzdem gelang, relativ viele gefährdete meist jüdische Künstler in die USA einreisen zu lassen und damit deren Leben zu retten.172 Zahlreiche Autoren erhielten Lebensrettungsverträge von Filmstudios. Diese erwarteten nicht wirklich eine produktive Mitarbeit am Studiobetrieb, sondern sahen dies als mildtätige Geste und Hilfeleistung für die Verfolgten. Manchmal entwickelte sich daraus jedoch auch eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit. Grundsätzlich wurden die Drehbuchautoren den Studios pauschal zugeteilt. So kamen Leonard Frank, Heinrich Mann, Alfred Neumann und Friedrich Torberg zu Warner. Zu MGM gelangten Alfred Döblin, Jan Lustig, Walter Mehring, Alfred Polgar und Wilhelm Speyer. Lion Feuchtwanger und Franz Werfel verzichteten auf ihren Drehbuchautorenvertrag, da sie genug Einkommen durch den Verkauf ihrer Bücher auf dem US-Markt zur Verfügung hatten.173 Ein Vergleich des Drehbuchautorengehalts von 100 Dollar pro Woche mit dem durchschnittlichen wöchentlichen Einnahmen eines deutschen Exilanten in Los Angeles oder den Bezügen von Journalisten an der Ostküste zeigt, dass die Studios durchaus großzügig waren, denn im Westen der USA verdiente ein durchschnittlicher Arbeitnehmer sonst nur etwa 19 Dollar in der Woche.174 In Chicago bekam der ein171 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood, S. 19-21 und Horak, Jan-Christopher, Exilfilm. 1933-1945, in: Jacobson, Wolfgang u. a. (Hrsg.), Geschichte des deutschen Films, 2. akt. u. erw. Aufl., Stuttgart 2004, S. 99-116, hier S. 106f. 172 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, hier S. 678. 173 | Vgl. ebd., hier S. 678. 174 | Vgl. ebd., hier S. 679.
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gewanderte ehemalige Ullstein-Chefredakteur George Froeschel als Betreuer der Bildredaktion des Magazins Coronet nur 15 Dollar wöchentlich.175 Zwar wurde im Berlin der Zwischenkriegszeit kontrovers über Hollywood debattiert, aber die UFA und andere Filmstudios produzierten zu dieser Zeit bereits in einem ähnlich großbetrieblichen Ausmaß und sahen das Hollywoodsystem als Vorbild an. Zudem bestanden bereits industrielle und finanzielle Verflechtungen zwischen Mitteleuropa und den USA.176 Die Frage, warum einige Drehbuchautoren in Los Angeles künstlerisch und finanziell erfolgreich wurden, während dies anderen nicht gelang, hängt eng mit der eigenen Einstellung zur Schriftstellerei und zum Drehbuchautorenberuf zusammen. Das US-amerikanische Exil nicht nur als Zwischenstation, sondern als neue Heimat anzusehen, der Wunsch, in einer anderen Sprache zu denken und sich kreativ auszudrücken zu können, war dabei hilfreich. Zuerst stellten die Studios den deutschen Autoren meist einen versierten amerikanischen Dialogautor zur Seite, der sie nach Kräften in der neuen Sprache unterstützte. An dieser Stelle soll exemplarisch auf drei Exil-Persönlichkeiten genauer eingegangen werden, die unterschiedliche Anpassungsprobleme und Erfolgsstrategien repräsentieren. Zu den Autoren, die in Hollywood frustriert wurden oder scheiterten, gehörten Alfred Döblin und mit Einschränkungen auch Bertolt Brecht. Zu denjenigen, die sich im Studiosystem durchsetzten und gut in die amerikanische Kultur einlebten, gehörten Victoria Wolff sowie Jan Lustig (auch genannt Hanns G. Lustig).177 Ferner George Froeschel, Walter Reisch und Alfred Neumann.178 Jan Lustig war nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten ins französische Exil gegangen und 1940 in die USA ausgewandert. Der 1902 in Brünn geborene Lustig hatte mit Anfang zwanzig begonnen, als Journalist zu arbeiten, und war unter anderem für die Vossische Zeitung als Feuilletonredakteur und Film175 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, George Froeschel, in: Spalek, John M. / Strelka, Joseph (Hrsg.), Deutsche Exilliteratur seit 1933. Band 1 Kalifornien, Teil 1, Bern-München 1976, S. 720-730, hier S. 721. 176 | Die »European Film Alliance« (EfA) war 1921 von Famous Players-Lasky und ehemaligen UFA-Angestellten (u. a. auch von Ernst Lubitsch) gegründet worden und vereinte Produktion, Distribution und Aufführung. Die amerikanischen Verleiher bekamen die weltweiten Vertriebsrechte für deutsche Filme; die USA im Gegenzug deutsche Filme für den Inlandsverleih. Vgl. Horak, Jan-Christopher, Sauerkraut & Sausages with a Little Goulash. Germans in Hollywood 1927, in: Film History, Bd. 17 (2005) 2/3, S. 241-260 und für das Beispiel Parufamet-Vertrag vgl. Saunders, Thomas J., Hollywood in Berlin. American Cinema and Weimar, Germany, Berkeley-Los Angeles-London 1994, S. 159f. 177 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, S. 692-695. 178 | Zu Alfred Neumann vgl. Scholz, Juliane, Deutsche Drehbuchautoren in Hollywood (1933–1945), in: Löhr, Isabella / Middell, Matthias / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Kultur und Beruf in Europa, Stuttgart 2012, S. 61-67.
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kritiker in Berlin beschäftigt gewesen. Bekannt war Lustig unter anderem wegen seiner negativen Besprechung des Fritz-Lang-Films Die Frau Im Mond (Filmvorlage: Thea von Harbou) aus dem Jahr 1929, der ihm einen Streit mit seinem Verlagshaus einbrachte und ihn dazu veranlasste, sich stärker auf Theaterkritiken zu konzentrieren. Später söhnte sich Lustig mit Lang aus und zwischen den beiden entwickelte sich eine Freundschaft.179 In seiner Zeit beim Berliner Ullstein Verlag arbeitete Lustig eng mit Billy Wilder zusammen.180 Beide entwarfen 1932 ein Drehbuch unter dem Titel Mauvaise Graine, das von der UFA angenommen, aber aufgrund der Entlassung des für die Realisierung vorgesehenen jüdischen Filmpersonals nach 1933 nicht weiterverfolgt wurde. Die Verträge von Wilder und Lustig wurden von der UFA annulliert. Lustig musste seine Arbeit für den Ullstein Verlag im Jahr 1933 beenden und reiste 1935 weiter nach Paris, weil er als Jude in Deutschland massiv diskriminiert wurde.181 In Paris konnte Lustig zusammen mit Wilder für das amerikanische Filmstudio Tri-National das von der UFA abgelehnte Filmmanuskript produzieren. Das brachte Lustig die erste Nennung als Drehbuchautor im Abspann ein.182 Nach dem Einmarsch der Nazis in Paris floh Lustig zusammen mit seiner Ehefrau Lotte, die als Sekretärin mit dem Drehbuchautor Robert Liebmann zusammengearbeitet hatte, über Figueira da Foz und Lissabon in die Vereinigten Staaten. Die Ausreise hatte Liesl Frank vom »Emergency Rescue Committee« veranlasst. Nach der Ankunft auf Staten Island Ende Oktober 1940 reisten die Lustigs mit der Bahn nach Los Angeles, wo sie von engen Freunden wie Billy Wilder empfangen wurden. Jan Lustig hatte einen Lebensrettungsvertrag beim Filmstudio MGM und war der einzige Exildrehbuchautor, dessen Jahresvertrag verlängert wurde. Lustig halfen dabei seine sehr guten Englischkenntnisse, seine bisherigen beruflichen Erfahrungen und nicht zuletzt die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Wilder.183 Zu Beginn stellte man Lustig einen englischen Muttersprachler als Dialogautor zur Seite. Lustig selbst entwarf die Filmideen, Treatments, die erste Drehbuchfassung und gemeinsam mit dem Autorenteam die drehreife Endfassung. Zunehmend wurde er auch als script doctor engagiert. Später, als er mit dem Englischen besser vertraut war, verfasste er selbstständig Drehbücher. Nach Ablauf seines Einjahresvertrags bekam Lustig, obwohl er ein wertvolles Mitglied im Autorenkader von MGM geworden war, wöchentlich nur 100 Dollar und im folgenden Jahr nur 150 Dollar Gehalt. Seine Lohnerhöhungen verliefen 179 | Vgl. Boewe, Karl-Heinz W., Jan Lustig, in: Spalek, John M. / Strelka, Joseph (Hrsg.), Deutsche Exilliteratur seit 1933. Band 1 Kalifornien, Teil 1, Bern-München 1976, S. 780788, hier S. 780. 180 | Vgl. Frey, Erich A., Nachwort, in: Lustig, Jan, Ein Rosenkranz von Glücksfällen. Protokoll einer Flucht, Bonn 2001, S. 127-142, hier S. 128f. 181 | Vgl. Boewe, Karl-Heinz W., Jan Lustig, hier S. 781. 182 | Vgl. Frey, Erich A., Nachwort, hier S. 130f. 183 | Vgl. Boewe, Karl-Heinz W., Jan Lustig, hier S. 783.
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schleppend, denn das Studio war der Meinung, sein großzügiger einjähriger Rettungsvertrag müsse nun von seiner Seite abgearbeitet werden. Erst Anfang der 1950er Jahre erhielt Lustig erstmals eine leistungsgerechte Vergütung und einen unkündbaren Siebenjahresvertrag.184 Nachdem er 1946 die US-Staatsbürgerschaft angenommen hatte, blieb er die meiste Zeit exklusiv bei MGM unter Vertrag. 1959 kehrte er, nach dem Tod seiner Ehefrau, nach Deutschland zurück, wo er in München Drehbücher, Adaptionen und Theaterstücke schrieb, allerdings anfänglich schwer in seine Muttersprache zurückfand. Er prangerte die mangelhafte Vergangenheitsbewältigung der Bundesrepublik und die unkritische Haltung gegenüber der NS-Vergangenheit an. Seit den 1970er Jahren verfasste er kaum mehr Auftragsarbeiten, sondern eigene Erzählungen, die er während seiner Arbeit in Hollywood lange nicht hatte weiterführen können.185 Festzuhalten bleibt, dass Lustigs neunzehnjährige Karriere bei MGM herausragend war. Dabei halfen ihm zuvörderst seine Anpassungsfähigkeit, sein Sprachgefühl und seine filmpraktischen Erfahrungen, aber auch seine Bereitschaft, nicht nur in angestammten literarischen Arbeitsfeldern und Genres zu verharren, sondern sich auch im scheinbar trivialen Massenmedium Film schriftstellerisch zu engagieren. Alfred Döblin konnte im Filmbereich nie wirklich Fuß fassen; nur zwei Szenenentwürfe von ihm wurden in eine letzte Drehbuchfassung eingearbeitet. Keine seiner Filmideen wurde verwirklicht und sein Lebensrettungsvertrag bei MGM nach Ablauf des Jahres nicht verlängert.186 In Briefen an Freunde und Kollegen äußerte sich Döblin negativ über die Arbeitsbedingungen in den Drehbuchabteilungen, die Künstler zu Angestellten degradierten: »Tun tut man nichts. Absolut nichts. [...] Wir erledigen unsere Korrespondenz, telefonieren, lesen Zeitung, schreiben unsere eigenen Sachen – was man so in Sitzhaft tun kann. [...] jetzt fängt es hier langsam an zu regnen. Vielleicht entwickelt sich eine Sintflut und ertränkt die Filmindustrie samt ihrer Autoren.«187
Diese »Sitzhaft« von 10 bis 17 Uhr im Büro umschreibt das alltägliche Leben eines europäischen Exilschriftstellers, der sich als geduldeter Flüchtling im arbeitsteiligen Filmsystem wiederfand, recht treffend. Die Studios waren oft nicht an einer engeren und wirklichen Mitarbeit der Exilautoren interessiert. Döblin selbst hätte lieber an der Ostküste Amerikas gelebt und gearbeitet, denn er hielt die Künstler
184 | Vgl. ebd., S. 784f. 185 | Vgl. Frey, Erich A., Nachwort, hier S. 141f und Boewe, Karl-Heinz W., Jan Lustig, hier S. 787f. 186 | Vgl. Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, hier S. 704f. 187 | Döblin, Alfred, Brief an Hermann Kesten vom 11.12.1940 aus Hollywood, in: Kesten, Hermann (Hrsg.), Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933-1949, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1973, S. 133-134, hier S. 133.
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der Ostküste für bessere Menschen, da diese sich nicht an den Film verkauften.188 Für Döblin wurde das Exil in Hollywood künstlerisch und finanziell zu einer Bewährungsprobe, wie er 1943 in einem Brief an Herrmann Kesten bemerkte: »Lieber Herr Kesten, Sie klagen über die ‚Eingesperrtheit‘ in New York; nun, hier ist es nicht viel anders; man ist eingesperrt nicht in einem Hotelzimmer, sondern in einer Bretterbude, die sich hier bungalow oder flat nennt; und in der Tat, man ist viel und ausgedehnt im grünen, – bin ich aber eine Kuh? Und wie soll man irgendwo hinkommen? (Wenn man kein Auto haben kann.) Außerdem, wo soll man hin? Exil, lieber Leidensgefährte, Exil zehnmal präciser als Paris, waschechtes Exil.«189
Nachdem Döblin von MGM entlassen worden war, erhielt er bis zum Mai 1942 Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 18 Dollar pro Woche.190 Dazu kamen Spenden von 50 Dollar pro Woche von Liesl Frank und den Helfern ihres Rettungskomitees. Döblin war Schriftsteller durch und durch; er fand keinen Sinn darin, Drehbücher zu entwickeln, und empfand die Anstellung bei MGM als vertane Zeit. So ähnlich sah das auch Bertolt Brecht, der allerdings im Unterschied zu Döblin ein ganzes Drehbuch, nämlich für Fritz Langs Antinazi-Filmklassiker
188 | Vgl. Döblin, Alfred, Brief an Hermann Kesten vom 12.3.1943 aus Hollywood, in: Kesten, Hermann (Hrsg.), Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933-1949, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1973, S. 179-180. 189 | Döblin, Alfred, Brief an Hermann Kesten vom 18.5.1943, in: Kesten, Hermann (Hrsg.), Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933-1949, 2. Aufl. , Frankfurt am Main 1973, S. 185-186, hier S. 186. 190 | Vgl. Döblin, Alfred, Brief an Hermann Kesten vom 30.1.1942 aus Hollywood, in: Kesten, Hermann (Hrsg.), Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933-1949, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1973, S. 156 und Schnauber, Cornelius, Brecht und Lang. »Hangmen Also Die«. Ein Bericht, in: Asper, Helmut G. (Hrsg.), Wenn wir von gestern reden, sprechen wir über heute und morgen. Festschrift für Marta Mierendorff zum 80. Geburtstag 9, Berlin 1991, S. 191-206.
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Hangman Also Die, mitverfasste.191 Brecht hat in seinem Arbeitsjournal192 über seine Zeit in Kalifornien pointiert Zeugnis abgelegt. Von 1941 bis 1947 war er in Los Angeles und schrieb in dieser Zeit über 50 Treatments, Entwürfe und auch fertige Drehbücher, von denen jedoch nur das vorgenannte verfilmt wurde.193 Dabei kam es allerdings zum Konflikt mit Co-Autor John Wexley, der am Ende der Zusammenarbeit vor der »Screen Writers‘ Guild« die Namensnennung für das Drehbuch einklagte und Recht bekam. So musste Brecht ohne credit für den Film auskommen. Dabei wäre dies eine Notwendigkeit zum Überleben gewesen, denn die »Brotarbeit« beim Film war für ihn genauso wichtig wie für Döblin und Heinrich Mann194 nachdem ihre Einjahresverträge bei den Filmstudios ausgelaufen waren.195 Gleich nach seiner Ankunft in den USA im Jahr 1941 plante Brecht einen Film über den sogenannten »Brotkönig« Joe Fleischhacker. Das Drehbuch mit dem Arbeitstitel Der Brotkönig Lernt Backen (The King’s Bread), das Brecht mit Ferdinand Reier (John Ryher) verfasste, war den Filmstudios zu kritisch und zu wenig genrekonform. Es behandelte Klassenunterschiede in Chicago, anstatt einer typischen Liebesgeschichte, außerdem war der Filmentwurf mit marxistischer Kapitalismuskritik gespickt.196 Brecht konnte sich schlecht an die formelhaften Filme gewöhnen und versuchte, das Publikum gemäß seiner Theorie des epischen Theaters zu erziehen. Das war ein Anspruch, mit dem er in den USA scheiterte. Allerdings war es keineswegs so, dass er sich, auf hohem Ross sitzend, nicht mit den Gepflogenheiten des Films auseinandersetzen wollte. In Deutsch191 | Zu Hangman Also Die und zur sozialistischen Deutung, wie viel Brecht zum Drehbuch beisteuerte. Vgl. Gersch, Wolfgang, Der Fall »Hangmen Also Die«. Brechts Mitarbeit an einem antifaschistischen Hollywood-Film, in: Knietzsch, Horst (Hrsg.), Kino- und Fernsehalmanach 3, Berlin 1972, S. 217-235; Walsh, Martin, Brecht and the Film, in: Sight and Sound, Bd. 43 (1974) H. 4, S. 222-227; Wallace, Ian, Hangmen Also Die. Varieties of Collaboration, in: O’Dochartaigh, Pól / Stephan, Alexander (Hrsg.), Refuge and Reality. Feuchtwanger and the European Émigrés in California, Amsterdam-New York 2005, S. 43-56 und Lyon, James K., »Das hätte nur Brecht schreiben können«. Zur Entstehung und Verfilmung von HANGMEN ALSO DIE, in: Martin, Thomas / Wizisla, Erdmut (Hrsg.), Brecht plus minus Film. Filme, Bilder, Bildbetrachtungen, Berlin 2004, S. 26-36. 192 | Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal. 1938-1955, Berlin-Weimar 1977, S. 188-286. Vgl. Gemünden, Gerd, Brecht in Hollywood. »Hangmen Also Die« and the Anti-Nazi-Film, in: The Drama Review, Bd. 43 (Winter 1999) H. 4, S. 65-76, hier S. 65f. 193 | Vgl. Gemünden, Gerd, Brecht in Hollywood. »Hangmen Also Die« and the Anti-Nazi-Film, in: The Drama Review, Bd. 43 (Winter 1999) H. 4, S. 65-76, hier S. 65f. 194 | Brecht meinte, Heinrich Mann würde im Dezember 1942 auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen sein und 18,50 Dollar pro Woche bekommen. Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal, S. 198f. 195 | Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal, S. 188. 196 | Vgl. Lyon, James K., Bertolt Brecht in America, Princeton 1982, Vgl. S. 48-53.
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land hatte er schon Erfahrungen bei der Verfilmung von Die Dreigroschenoper gesammelt – nicht nur gute. Brecht war in den USA zudem auf den Film als Einnahmequelle angewiesen. Er arbeitete mit Salka Viertel an einem recht konventionellen Liebesfilm, für Kortner an der Skizze zu Boys on Fire197 und mit Robert Thoeren an der dem Entwurf für die ebenfalls unvollendete Filmkomödie Bermuda Troubles.198 Der erfolgreiche Thoeren bewunderte Brecht für seine Gabe, ohne nachzudenken realistisch zu sein und durchdachte Filmstoffe abliefern zu können.199 Brechts Problem war, dass sich sein Verständnis von individueller Autorschaft und schöpferischer Originalität nur schwer mit dem Angestelltendasein eines Drehbuchautors in Hollywood vereinbaren ließ.200 Brechts relative Erfolglosigkeit in Hollywood ist nicht nur auf fehlende Anpassungsfähigkeit und die ablehnende Haltung gegenüber dem Massenmedium zurückzuführen. Er verstand durchaus die Mechanismen hinter den Genrefilmen und die nötigen Anforderungen, versuchte aber, diese hier und dort zu brechen. Was beim Antinazifilm an gesellschaftspolitischer Kritik und Härte erwünscht war, war bei Komödien, durch die verschärften Zensurvorgaben seit dem US-Kriegseintritt, nicht gern gesehen. Dazu kam, dass Brechts Theaterstücke und dramatischer Stil in den USA nie viel Anklang gefunden hatten, sodass er sich nicht auf diese Einnahmequelle verlassen konnte. Das Exil bedeutete für ihn den finanziellen Ruin und sozialen Abstieg. Brecht stellte Anfang 1942 ernüchtert in seinem Tagebuch fest: »die regisseure und schauspieler hier suchen stories mit einer ‘message’, dh einer moral, einem metro-goldwyn-mayer-evangelium für den kleinen mann (sic).« 201
Die Maßstäbe bezüglich Filmideen und Stories waren nicht die, die Brecht an gute Literatur anlegte. Auch der ständige Drang, etwas anbieten oder parat haben zu müssen, war Brecht zuwider. Einmal, so erzählte er, sei ihm sogar eine Filmidee, die er zwei Amerikanern erzählt habe, um deren Meinung zu hören, gestohlen und an eine Filmfirma verkauft worden.202 Insofern klingen Brechts Arbeitsjournaleinträge umso verbitterter, je länger er in Hollywood war.
197 | Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal, S. 206. 198 | Vgl. Mittenzwei, Werner, Das Leben des Bertolt Brecht oder Der Umgang mit den Welträtseln, S. 198f. 199 | Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal, S. 198f. 200 | Vgl. Scholz, Juliane, Deutsche Drehbuchautoren in Hollywood (1933–1945), S. 61-67. 201 | Ebd., S. 218. 202 | Vgl. ebd., S. 225.
Filmemigranten, Zensur und Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg »die sitte hier verlangt, daß man alles, von einem achselzucken bis zu einer ‘idee’, zu verkaufen sucht, dh, man hat sich ständig um einen abnehmer zu bemühen, und so ist man unaufhörlich käufer oder verkäufer, man verkauft sozusagen dem pissoir seinen urin (sic).« 203
Als Brecht später produktiv mit Fritz Lang an Hangman Also Die arbeitete, bemerkte er, dass Lang viel eher an Wendungen und kruden Überraschungen der Geschichte und weniger an wirklicher Spannung und menschlichen Konflikten interessiert war. Brecht sollte für diese »Brotarbeit« 5.000 Dollar Honorar bekommen und für seine weitere Mitarbeit nochmals 3.000 Dollar. Der zweite Drehbuchautor beim Projekt Hangman Also Die war John Wexley, der sich mit Brecht das Büro bei United Artists teilte. Wexley bekam 1.500 Dollar wöchentlich.204 Brecht mochte den links eingestellten Wexley zwar, war sich aber bewusst, dass dieser an den Manuskripten trickste, denn Wexley versah die von beiden Autoren erarbeiteten Seiten, die er zum Abtippen an die Sekretärin weiterreichte, nur mit seinem Namen. Brecht selbst wurde die Arbeit beim Film bald zu »primitiv«. Er notierte in seinem Tagebuch, dass sie mit einem Minimum an Humor, Erfindung und Intelligenz auskomme. Das Publikum werde für dumm gehalten.205 Er mochte sich an die Gegebenheiten beim Film nicht recht anpassen und zog einen anderen Arbeitsstil vor. Das Drehbuchschreiben sei für den geistigen Arbeiter eine Enttäuschung, da dessen Produkt verstümmelt und seiner Kontrolle entrissen werde.206 Wie schon bei der Verfilmung von Die Dreigroschenoper in den 1920er Jahren in Deutschland, wo er sich als Drehbuchautor über zu wenig künstlerische Einflussname auf das Endprodukt und über von ihm nicht autorisierte Änderungen beklagt hatte, war er auch im Fall von Hangman Also Die verärgert darüber, dass Szenen, die die beiden Drehbuchautoren längst gestrichen hatten, trotzdem verfilmt wurden. Die Rolle der Gemüsefrau wollte Brecht stumm belassen und mit seiner Lebensgefährtin Helene Weigel besetzen. Beide Bedingungen wurden von Lang und den Studios ignoriert.207 Am Ende erhielt Brecht vor dem Schlichtungskomitee der »Screen Writers’ Guild« nicht einmal die Namensnennung für das Drehbuch zuerkannt. Brecht notierte am 20.1.1942 dazu frustriert: »der anblick geistiger verstümmelung macht mich physisch krank (sic).«208 Er war sich bewusst, dass eine Namensnennung ihm leicht einen neuen Auftrag verschafft hätte. Er fühlte sich zu Recht ausgebootet. Hinzu kamen politische Probleme mit seinem Gastland. Brecht galt, aufgrund seiner deutschen Herkunft und politischen Einstellung, seit 1942 als »feindlicher 203 | Ebd., S. 220. 204 | Vgl. Lyon, James K., Bertolt Brecht in America, S. 62-67. 205 | Vgl. Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal, S. 282-295. 206 | Vgl. ebd., S. 300. 207 | Vgl. ebd., S. 307-312. 208 | Brecht, Bertolt, Arbeitsjournal, S. 320.
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Ausländer« und wurde 1947 vor das »House Committee on Un-American Activities« (HUAC) zitiert, wo er zu seiner Haltung zum Kommunismus befragt wurde. Kurz nach diesem Kreuzverhör kehrte er nach Europa zurück, wo er sich in der Schweiz aufhielt, denn die Einreise in die westlichen Sektoren Deutschlands blieb ihm verwehrt. Seit 1948 betätigte Brecht sich dann als Dramatiker an der Volksbühne Berlin in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise der späteren DDR.209 Für Brecht und Döblin war das Exildasein eine entbehrungsreiche und künstlerisch wenig erfolgreiche Schaffensperiode geblieben. Sie selbst sahen sich in erster Linie als Schriftsteller und weniger als professionelle Drehbuchautoren und kehrten nach Kriegsende rasch wieder nach Europa zurück. Sie wollten Künstler sein, die sich durch Autonomie und Originalität auszeichneten, nicht abhängig beschäftigte, handwerklich tätige Drehbuchautoren. Die recht große Konkurrenz auf dem Filmmarkt und die politische Stimmung machten eine erfolgreiche Filmarbeit für Brecht in seinem Gastland, in dem er seine politischen Ansichten nicht frei äußern und entfalten konnte, unmöglich. Politisch ging es ihm ähnlich wie den Drehbuchautoren und anderen Filmschaffenden Hollywoods, die seit den 1930er Jahren für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, mehr Rechte und Gerechtigkeit kämpften und dafür immer wieder als »Kommunisten« beschimpft wurden.210 Der Kommunismus-Vorwurf war damals eine beliebte Strategie, um linke Kräfte zu brandmarken und an den Pranger zu stellen. Die Anti-Hitler-Koalition der »Anti-Nazi-League« und die »Hollywood War Mobilization« (HWM), die seit dem Angriff auf Pearl Harbour existierte, verbanden dann die Filmschaffenden aller politischer Lager zumindest in Kriegszeiten. Die Drehbuchautorengilde ordnete in ihrem Aktionsprogramm von 1943 die Rechte und Pflichten der Mitglieder ganz dem Kriegseinsatz der USA unter.211 215 Mitglieder der »Screen Writers’ Guild« kämpften bereits in den Streitkräften der USA und die verbliebenen Autoren sollten an der »Heimatfront« ihren Teil zu den Kriegsanstrengungen beisteuern.212 So wirkten Drehbuchautoren im Rahmen der »Writers’ Mobilization« zum Beispiel in der »Hollywood Canteen« mit, einem Amüsierbetrieb, in dem seit Anfang 1942 bekannte Schauspieler und Komödianten auftraten. Für US-Soldaten, die im Raum Los Angeles stationiert waren und von dort in das pazifische Kriegsgebiet geschickt wurden, war der Eintritt frei.213 209 | Vgl. Walsh, Martin, Brecht and the Film, hier S. 224. 210 | Vgl. Gemünden, Gerd, Brecht in Hollywood, hier S. 67f. 211 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Statement of Policy and Program of Action, 31.8.1943, Margaret Herrick Library, Screen Composers Association Records, Special Collections folder 67, S. 1-27, insb. S. 4f. 212 | Vgl. ebd., S. 4-6. 213 | Vgl. Starr, Kevin, Embattled Dreams. California in War and Peace, 1940-1950, Oxford et al. 2003, S. 166-170 und Screen Writers’ Guild Inc., Statement of Policy and Program of Action, insb. S. 9-11.
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Die Drehbuchautorengilde kooperierte mit der Regierung und rief ihre Mitglieder – egal in welchem Gesundheitszustand und Alter – dazu auf, freiwillig im Dienste des Landes zu schreiben.214 Durch die Veröffentlichung von Confessions of a Nazi Spy 1939, dem ersten politisch motivierten und dezidiert antifaschistischen Film in Hollywood, für dessen Drehbuch unter anderem John Wexley verantwortlich war, wurde der Antinazifilm salonfähig. Während der Produktionszeit stand der Film noch unter Propagandaverdacht und wurde erst nach 1940 mit einer Reihe von bisher unveröffentlichten Antinazifilmen herausgebracht (u. a. The Mortal Storm und Four Sons). Das »Office of War Information« (OWI) und die seit 1934 immer strikter regulierend eingreifende »Production Code Admission« (auch: »Hays Office«) überwachten inhaltliche, politische und moralische Standards der Filmindustrie. Die Filmindustrie unterstand nun direkten Weisungen der Regierung und sollte die Kriegsführung der USA unterstützen. Die Filme mussten dem »Hays Office« zur Abnahme vorgelegt werden, das nun dem OWI und dem dortigen »Bureau of Motion Pictures« untergeordnet war, welches das Verbindungsglied zwischen Politik und Filmbranche darstellte.215 Das OWI war seit Juni 1942 ein zusätzliches Instrument für die inhaltliche Steuerung der Filmproduktion, wofür es die Lizenzen verwaltete.216 Hollywood und dessen kreative Mitarbeiter beeinflussten die aktuelle weltpolitische Lage und mitunter verarbeiteten sie diese in innovativen und originellen Filmwerken. Aber es entstanden auch xenophobe Filme wie Little Tokio, USA aus dem Jahr 1942, der eine Hexenjagd gegen japanischstämmige Bürger beschwor.217 Der Film wurde deshalb vom OWI stark kritisiert, kommentierte aber die aktuelle politische Lage der USA. Roosevelt hatte im Februar 1942 angekündigt, dass 120.000 japanischstämmige Einwohner an der Westküste – in der Folge des japanischen Angriffs auf Pearl Harbour – interniert werden sollten. Das ursprüngliche Little Tokio, ein Stadtteil von Los Angeles, wurde nach dieser Verhaftungswelle zur Geisterstadt. Little Tokio schürte diese Vorurteile gegenüber den japanischen Mitbürgern.218 Darüber hinaus wurden in Filmen immer wieder antisemitische und antikommunistische Vorurteile und Klischees dargestellt, die
214 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Statement of Policy and Program of Action, insb. S. 9-14. 215 | Vgl. Koppes, Clayton R., Regulating the Screen. The Office of War Information and the Production Code Administration, in: Schatz, Thomas (Hrsg.), Boom and Bust. American Cinema in the 1940s, 2. Aufl., Berkeley-Los Angeles-London 1999, S. 262-284, hier S. 262f. 216 | Vgl. Hamilton, Ian, Writers in Hollywood, S. 210-235. 217 | Vgl. Koppes, Clayton R., Regulating the Screen, hier S. 270f. 218 | Vgl. Little Tokio Historical Society, Los Angeles’s Little Tokyo, Charleston 2010, S. 79-81.
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sich im Grunde gegen die vielfach jüdischen Filmproduzenten der Studios selbst richteten.219 Um dies zu verhindern, wurde ein Komitee aus je sechs Filmautoren und sechs Produzenten nach dem Angriff auf Pearl Harbour eingerichtet. Dieses »Motion Picture War Advisory Board« entschied, auf welche Autoren man verzichten könnte und welche weiter in Hollywood arbeiten sollten. So war es Autoren verboten, sich zum Kriegsdienst zu melden, wenn sie Mitglied der Kommunistischen Partei waren oder in FBI-Dossiers als »Premature Antifacist« eingruppiert worden waren. Die Drehbuchautoren, die an der »Heimatfront« kämpften, produzierten so viele Filme wie nie zuvor, allerdings rückte das künstlerische Schaffen des Einzelnen hinter der allgegenwärtigen Kriegspropaganda in den Hintergrund.220 Hollywoods linke Basis wurde durch die Selbstauflösung der »Communist Party« 1944 und die Gründung der rechtskonservativen Gruppe der »Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals« nachhaltig erschüttert. Die letztgenannte Gruppierung war es, die dem »Komitee für unamerikanische Umtriebe« (HUAC) nach dem Krieg empfahl, die »Screen Writers’ Guild« und »Hollywood Writers’ Mobilization« genauer zu untersuchen und Kommunisten unter den Drehbuchautoren an den Pranger zu stellen.221 Die »Hollywood Writers’ Mobilization« war als Teil der allgemeinen Kriegsmobilisierung des Landes speziell für exilierte Schriftsteller und Wissenschaftler im Dezember 1941 gegründet worden. Die Vereinigung der Kreativen und Wissenschaftler in Hollywood gegen den Faschismus unterstützte die alliierten Truppen. In Zusammenarbeit mit dem »War Department’s School for Special Services« und anderen militärischen Organisationen wie den »Marines« sorgte sie für die Truppenmoral und machte mit Antinazifilmen Stimmung gegen Deutschland und seine Verbündeten.222 Auf Seiten der Drehbuchautoren und Exilschriftsteller gab es eine breite Front gegen Hitler und aktive Beteiligung an der Mobilmachung. Der am 1. Oktober 1943 einberufene »Writers’ Congress« an der »University of California« in Berkeley sollte Autoren aller Genres dazu bringen, im Sinne der Kriegspropaganda zu schreiben und mit den bewaffneten Truppen zu kooperieren. Das internationale Treffen wurde mit Abgesandten aus der Sowjetunion, China, Großbritannien und Südamerika abgehalten. Im Vordergrund stand die Frage, wie der Einfluss 219 | Vgl. Koppes, Clayton R., Regulating the Screen, hier S. 264 und Arnheim, Rudolf, Film, in: Kaznelson, Siegmund (Hrsg.), Juden im Deutschen Kulturbereich, 3. Aufl., Berlin 1962, S. 220-241, hier S. 220. 220 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 173-200. 221 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 204-219. 222 | Vgl. Writers’ Congress Continuations Committee of the Hollywood Writers’ Mobilization (Hrsg.), Writers’ Congress. The Proceedings of the Conference held in October 1943 under the Sponsorship of the Hollywood Writers’ Mobilization and the University of California, Berkeley 1944, S. 2-5.
Filmemigranten, Zensur und Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg
von Autoren auf Massenmedien wie Fernsehen, Radio und Film, Cartoons und Musik vergrößert werden könnte.223 Die wichtigste Funktion während des Krieges nahmen die Unterhaltungsfilme ein, die zur Wahrung der freiheitlich demokratischen Ordnung und genuin amerikanischer Werte beitragen sollten.224 Auf dem Kongress in Berkeley allerdings forderten besonders deutsche Exilschriftsteller eine Hinwendung zu ungeschminkten, wahren und realistischen Filmen, anstatt Ablenkungsfilme und reine Propagandastreifen abzuliefern.225 Lion Feuchtwanger bot ein Panel über Arbeits- und Anpassungsproblemen von Exilschriftstellern in den USA und über den Charakter der Deutschen und der Nazis an. Thomas Mann referierte über sein Verhältnis zu Deutschland und erzählte von seinen Erfahrungen als emigrierter Schriftsteller. Er wies nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, Frieden herzustellen und Deutschland zu befreien.226 Nicht wenige Exilschriftsteller und emigrierte Drehbuchautoren hatten mit den politischen Spannungen zu kämpfen, die in Hollywood seit Kriegsbeginn herrschten. Dazu kamen rigide Zensur und Inhaltskontrollen der Filme durch konkurrierende Zensurorgane, die nun politische Fragen beurteilten und nicht mehr nur Verstöße gegen die Moral tadelten.227 Unter den Bedingungen des Zweiten Weltkriegs waren die Drehbuchautoren Hollywoods mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Nicht mehr der Berufsverband »Screen Writers’ Guild« und seine Machtstellung in Hollywood hatten Priorität, sondern die patriotische Mitarbeit an Kriegsfilmen und Schulungsfilmen für die Armee. Drehbuchautoren, die selbst nicht an der Front kämpften, schufen zusammen mit den geflohenen Exilschriftstellern aus Europa ein neues Genre, den Antinazifilm, der ein wichtiges Propagandamittel, aber auch Lehrstück über die faschistische Bedrohung in ganz Europa und der Welt war. Politische Ziele im Dienste des Allgemeinwohls drängten die sozialpolitischen Anliegen der Berufsgruppe in den Hintergrund, umso mehr, als die »Screen Writers’ Guild« im Zuge des Kriegseintritts der USA endlich den lang erkämpften Vergütungsvertrag hatte abschließen können und die Produzenten den Berufsverband als legitime Vertretung der Drehbuchautoren anerkannt hatten. Somit waren arbeitsrechtliche und vertragsrechtliche Belange in den Händen der Drehbuchautorengilde, die für eine gute Bezahlung und günstige Vertragskonditionen sorgte.
223 | Vgl. ebd., S. 5-10. 224 | Vgl. ebd., S. 35. 225 | Vgl. ebd., S. 32f. 226 | Vgl. ebd., S. 425-430. 227 | Vgl. Gemünden, Gerd, Brecht in Hollywood, hier S. 67f.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Z usammenfassung – D ie ge werkschaf tliche S tr ategie der US-D rehbuchautoren 1933 bis 1945 Mit der Neugründung des Berufsverbandes »Screen Writers’ Guild« im Jahre 1933 änderte sich die Agenda der Drehbuchautoren in Hollywood tiefgreifend. Die Gilde hatte im Zuge des Krisenprogramms New Deal die Möglichkeit, mit gesetzlichem Rückhalt kollektive Mindestvergütungsregeln mit den Produzenten auszuhandeln. Da Gewerkschaften und ihre Arbeitskampfstrategien in Hollywood nicht gern gesehen waren, versuchten die Produzenten die Anerkennung der »Screen Writers’ Guild« als legitime Berufsvertretung aller Drehbuchautoren zu verhindern. Dabei griffen sie auf die produzentenfreundliche »Academy« zurück, deren Drehbuchautorenabteilung von den Studiobossen akzeptiert und als Verhandlungspartner angesehen wurde. Obwohl staatlicherseits Druck auf die Produzenten ausgeübt wurde, endlich faire Arbeits- und Vertragsbedingungen mit den Drehbuchautoren zu verhandeln, wurde die Machtposition der »Screen Writers’ Guild« weiter geschwächt. 1936 formierte sich aus den Reihen der konservativen Drehbuchautoren ein Berufsverband namens »Screen Playwrights Guild«, der versuchte, als legitime Berufsvertretung der Drehbuchautoren gegenüber den Produzenten aufzutreten. Nach einigen Rückschlägen wurde die »Screen Writers’ Guild« schließlich 1938 als offizielle Berufsvertretung aller Drehbuchautoren in Hollywood anerkannt. Dies war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer professionellen Berufsvertretung, die in der arbeitsteiligen, hochkonzentrierten und mit viel Kapitaleinsatz operierenden Filmbranche nun mit gewerkschaftlichen Strategien einen industrieweiten Mindestvergütungsvertrag für Drehbuchautoren aushandeln konnte. Dieses Minimum Basic Agreement aus dem Jahr 1942 regelte die Namensnennung, das interne Schlichtungskomitee und legte eine Mindestvergütung für angestellte Drehbuchautoren fest. Darüber hinaus wurden arbeitsrechtliche Belange und die Position der Drehbuchautoren in der Studiohierarchie nachhaltig gestärkt. Dies legte den Grundstein für den weiteren Erfolg und die Machtstellung der Drehbuchautorengilde. Die Mindestvergütungsregeln wurden zum Vorbild für andere berufliche Sparten der Filmindustrie. Der Kriegseintritt der USA verstärkte die politische Einflussnahme und Zensur in der Filmindustrie. Die daheimgebliebenen Drehbuchautoren ordneten sich der Kriegspropaganda unter und stellten sich im Rahmen des »Hollywood War Mobilization«-Programms den militärischen Befehlshabern und dem »Office of War Information« zur Verfügung. Dieses steuerte von nun an die Filminhalte, war aber auch genauso für die Herstellung von newsreels (Wochenschauen), Schulungsfilmen für das Militär, Unterrichtsfilmen und Propaganda zuständig. Die 1930er Jahre waren in den USA eine von hoher Unsicherheit für Drehbuchautoren und von permanenten Kämpfen um die Zukunft des Berufsverbandes »Screen Writers’ Guild« geprägte Dekade. Die Drehbuchautoren setzten gewerkschaftliche Strategien ein und erreichten einen Organisationsgrad von 90
Zusammenfassung – US-Drehbuchautoren 1933 bis 1945
Prozent. Diese Strategie der Aushandlung gemeinsamer Vergütungsregeln, die an Tarifverträge in anderen Industriesektoren erinnerten, war von nun an das Erfolgskonzept der kreativen Berufe in Hollywood. Schauspieler, Regisseure und andere Berufsgruppen eiferten den Drehbuchautoren nach und sicherten so ihre Machtstellung als kreative Angestellte in einer weitestgehend rationalisierten und kommerzialisierten Branche der modernen Kulturindustrie. Von 1935 bis 1948 beruhten nunmehr fast zwei Drittel der Filme auf Originaldrehbüchern.228 Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich der Drehbuchautorenberuf in Hollywood in den 1930er Jahren standardisiert und zu einem professionellen Kreativberuf entwickelt hatte. Drehbuchautoren wurden im Rahmen eines kapitalistischen Großbetriebs zunehmend zu einer betrieblichen Mittelklasse und zum Träger strategischer, technischer und spezieller Qualifikationen, die sie für den Betriebsablauf unentbehrlich machten.229 Gleichzeitig war ihre Stellung und Position nicht fixiert, sie waren zu einem gewissen Grad austauschbar, da sie routinierte, fast handwerkliche Aufgaben und weniger schöpferische Leistungen erbrachten. Sie handelten dabei zwar durchaus autonom und unabhängig, mussten sich aber immer wieder den Weisungen der Produzenten, Regisseure oder den Ergebnissen der Drehbuchkonferenzen unterordnen. Mit der Stärkung ihres Berufsverbandes konnten ein höherer Grad an beruflicher Autonomie und bessere finanzielle Absicherung gewonnen werden. Das brachte den Drehbuchautoren eine Aufwertung ihrer beruflichen Position ein, die sich damit durchaus der gesellschaftlichen Stellung klassischer Professionen wie Ingenieuren oder Anwälten annäherte.230 Insofern bestand der Drehbuchautorenberuf in den 1930er Jahren in den USA aus unterschiedlichen beruflichen und sozialen Funktionen, Rollen und Ansprüchen, die im beruflichen Alltag immer neu verhandelt werden mussten. In der starren Studiostruktur überwog die betriebsförmige Organisation des Berufs im Sinne eines Kreativarbeiters und eines abhängigen Angestellten beziehungsweise Auftragsarbeiters, dessen craft oder »Handwerk« technische und künstlerische Fertigkeiten und Fähigkeiten kombinierte. Dies soll unter anderem anhand der Auseinandersetzungen um die Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzfrist für Autoren, die Anfänge eines Normal-
228 | Vgl. Field, Alice Evans, Hollywood, USA. From Script to Screen, New York 1952, S. 63f. 229 | Vgl. Welskopp, Thomas, Der Wandel der Arbeitsgesellschaft als Thema der Kulturwissenschaften. Klassen, Professionen und Eliten, in: Jaeger, Friedrich / Rüsen Jörn (Hrsg.), Handbuch der Kulturwissenschaften. Themen und Tendenzen, Bd. 3, Stuttgart-Weimar 2004, S. 225-246, insb. S. 240-242. 230 | Vgl. Storper, Michael, The Transition to Flexible Specialisation in the US Film Industry. External Economies, the Division of Labour, and the Crossing of Industrial Divides, in: Cambridge Journal of Economics, Bd. 13 (1989), S. 273-305.
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vertrags und die Zentralisierung der Ausbildung für Drehbuchautoren analysiert werden. Im Mittelpunkt stehen außerdem einzelne Drehbuchautorenpersönlichkeiten und ihre Rolle im faschistischen Deutschland. Können diese generell als willfährige »Kultursoldaten Adolf Hitlers«231 bezeichnet werden oder sind ambivalente und oppositionelle Haltungen im Filmbereich möglich gewesen? Inwieweit konnten künstlerische und ästhetische Ansprüche der vielfach bildungsbürgerlich geprägten Kulturschaffenden im Rahmen der proklamierten »Volksgemeinschaft« erhalten werden?232
231 | Aussage von Hanns Johst Anfang 1933. Vgl. Richard, Lionel, Deutscher Faschismus und Kultur. Aus der Sicht eines Franzosen, 2. Aufl., Berlin 1982, S. 123. 232 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 57-60.
5. Drehbuchautoren zwischen Gleichschaltung, Vertreibung und Anpassung im nationalsozialistischen Deutschland
Im ersten Jahr der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland wurde das Kino vom neu ernannten »Reichsminister für Volksauf klärung und Propaganda«, Joseph Goebbels, zum wichtigen Kunst- und Kulturgut und zum maßgeblichen Propagandamittel erklärt 233 Die Nationalsozialisten setzten in der Folge auf drei Strategien, um die Filmindustrie politisch-ideologisch unter ihre Kontrolle zu bringen. Erstens versuchten sie, durch inhaltliche Zensur und drakonische Berufsverbote für nicht systemkonforme oder jüdische Filmkünstler unliebsame Kulturschaffende auszuschalten. Zweitens wurden die bisher autonomen Berufsverbände und Vereine in NS-Massenorganisationen integriert und als »Berufsgemeinschaften«234 in der Reichskulturkammer (RKK) gleichgeschaltet und zwangskorporiert. Drittens wurden strategisch bedeutsame Positionen innerhalb der Filmindustrie mit linientreuen Nationalsozialisten besetzt und wichtige Organisationen der Filmproduktion verstaatlicht oder zumindest wirtschaftlich unter nationalsozialistischen Einfluss gestellt.235 Die Schaffung der Reichskulturkammer als berufsständischer Organisation im September 1933 mit ihrer Unterabteilung Reichsfilmkammer236 war Ausdruck der Gleichschaltung des gesamten deutschen Kulturbetriebs. Zu den weitrei233 | Vgl. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Filmrechtsfrage. Wer ist Urheber des Filmwerks? Frage, ob Drehbuchautoren auch Filmurheber sind. AG Deutscher Filmschriftsteller, 1936-1937, BArch, R-56 V/86, S. 107-192, hier S. 107-116. 234 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer. Die »Berufsgemeinschaft« als Instrument kulturpolitischer Steuerung und sozialer Reglementierung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 34 (1986) H. 1, S. 53-84, insb. S. 65. 235 | Vgl. Faulstich, Werner, Filmgeschichte, Stuttgart 2005, S. 97. 236 | Vorläufige Gründung am 14.7.1933, dann eingegliedert als Reichsfilmkammer in die RKK im November 1933. Vgl. Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood. Eine Dokumentation zur Filmemigration nach 1933, 2. erw. u. korr Aufl., Münster 1986, S. 6-8.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
chenden Kompetenzen, die Joseph Goebbels in seinem »Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda« an sich zog, gehörte die Umwälzung der Auffassung von Kunst und Kultur weg von einem individualistisch-bürgerlichen hin zu einem völkisch-rassischen Verständnis. Dazu diente ganz zentral die Reichskulturkammer mit ihren Abteilungen für die verschiedenen Kunstsparten.237 Die Kontrolle und Steuerung der Kulturpolitik lag in den Händen überzeugter NSDAP-Anhänger und die Zuständigkeit für Kulturberufe beim Propagandaministerium. Die Nationalsozialisten setzten auf eine rasche Verstaatlichung und Zentralisierung der Filmbranche an ihren Hauptfilmstandorten Potsdam-Babelsberg, Berlin und München.238 Im vorliegenden Kapitel soll aufgezeigt werden, wie die politischen Eingriffe der NS-Kulturpolitik die Verberuflichung der Drehbuchautoren nachhaltig bestimmten und ihre Autonomie einschränkten. Drehbuchautoren wurden wie Schriftsteller und andere Kulturberufe in die hierarchisch organisierte, dem Führerbefehl unterstehende berufsständische Organisation der Reichskulturkammer eingegliedert. Dabei war zuerst nicht klar, ob sie der Film- oder Schrifttumskammer angehören sollten oder ob eine faktische Doppelmitgliedschaft möglich sei. Da der Film als Propagandamittel für Goebbels besondere Priorität genoss, waren die Drehbuchautoren nun in einem weiteren Sinne auch politische Auftragskünstler, die völkisch-rassistisches Gedankengut verbreiteten. Gleichzeitig wurde ihr Beruf im arbeitsteiligen UFA-Studiobetrieb zu einem spezialisierten Kreativberuf. Zu fragen ist, inwieweit Drehbuchautoren auf der einen Seite graduell künstlerische Freiheit und berufliche Autonomie bewahren konnten und wie sie auf der anderen Seite mit der politischen Einflussnahme und den politisch-ideologischen Anforderungen umgingen.239 Die darzulegende Geschichte beginnt damit, dass das nationalsozialistische Regime nach rassistischen, politischen und ideologischen Kriterien sortierte. Jüdische oder nicht systemkonforme Drehbuchautoren wurden entlassen, diskriminiert und vertrieben. Das heißt, nicht nur die Menschen- und Bürgerrechte wurden missachtet, sondern auch die beruflichen Ansprüche und Rechte. Schon in der ersten Welle der »Arisierung« der Kultur- und Filmschaffenden wurde viel professionelles Wissen ausgegrenzt und verdrängt. In der Folge ging das Leben äußerlich in seinen wirtschaftlichen, beruflichen und rechtlichen Bahnen weiter.
237 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 56. 238 | Vgl. Faulstich, Werner, Filmgeschichte, S. 90-92. 239 | Vgl. Steinweis, Alan E., Art, Ideology & Economics in Nazi Germany. The Reich Chambers of Music, Theater, and the Visual Arts, Chapel Hill-London 1993, hier S. 1f.
Gründung der Reichskulturkammer und Gleichschaltung
D ie G ründung der R eichskulturk ammer und die G leichschaltung des K ulturbe triebs Die Filmproduktion im Nationalsozialismus kann vereinfacht in primär unterhaltende Werke ohne explizite antisemitische, antikommunistische oder rassistische Propaganda und in vorrangig politische Propagandafilme mit völkisch-rassistischer Blut-und-Boden-Ideologie sowie offen antisemitischen Tendenzen eingeteilt werden. Die Grenzen waren fließend und die sogenannten unpolitischen Unterhaltungsfilme transportierten vielfach unterschwellig ideologische Rhetorik und propagandistische Semantiken. Die NS-Filmproduktion besteht aus insgesamt 1.094 Spielfilmen.240 Der Anteil propagandistischer Filmwerke stieg nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs signifikant an. Nach der Schlacht um Stalingrad 1943 dominierten wieder die heiteren Komödien, die sogenannten Ablenkungsfilme, mit einem Marktanteil von 55 Prozent den Filmmarkt.241 Im NSFilm wurde bis zum Ende des Regimes eine heile Welt vorgegaukelt. Insgesamt waren die im »Dritten Reich« produzierten Filme weder besonders originell noch künstlerisch bemerkenswert. Dem Regime kam die Tatsache entgegen, dass das deutsche Kino seit seinem Beginn nationalisiert gewesen war und Geschichten, Motive und Denkfiguren transportierte, die schon seit der Kaiserzeit tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelt waren.242 Die NS-Führung übernahm die Grundideen des arbeitsteilig kommerzialisierten Studiosystems in Hollywood, das die UFA bereits in den 1920er Jahren umgesetzt hatte. Seit 1933 intervenierte sie direkt und mit staatlichen und gesetzlichen Maßnahmen in die Filmindustrie.243 Der politische und wirtschaftliche Einfluss der Nationalsozialisten auf die Filmindustrie hatte schon vor 1933 eingesetzt, als Goebbels seit 1930 die »Reichsfilmstelle« auf baute und seit 1932 alle NSDAP-Filmaktivitäten kontrollierte. Außerdem zentralisierte die »Spitzenorganisation der Filmwirtschaft« (SPIO) die Produktion, Distribution und Aufführung, um der Rezession entgegenzuwirken. Die SPIO hatte sich als Vertretung der Filmberufe und Filmbranche verstanden und mit der Gründung der Reichskulturkammer 1933 wurden alle Kulturberufe in speziellen Branchenabteilungen zusammenge240 | Vgl. Koch, Gertrud, Der NS-Film-Institutionen, Genres und Ästhetik, in: Sösemann, Bernd (Hrsg.), Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Einführung und Überblick, Stuttgart-München 2002, S. 210-220, hier S. 214. 241 | Hier wurde die Darstellung der Einteilung von NS-Filmen in vier Kategorien nach Gerd Albrechts vereinfacht. Albrecht spricht von A-Filmen (aktionsbetonte mit latent politischer Funktion), E-Filmen (ernste Filme wie Dramen, Biografien, latent politisch), H-Filmen (Komödien, latent politisch) und P-Filmen (politische Propagandafilme). Vgl. Koch, Gertrud, Der NS-Film – Institutionen, Genres und Ästhetik, S. 215. 242 | Für die bildende Kunst und die Frage des (Anti-)Modernismus der Nationalsozialisten vgl. Richard, Lionel, Deutscher Faschismus und Kultur, S. 70-75. 243 | Vgl. Faulstich, Werner, Filmgeschichte, S. 90.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
führt und hierarchisch und zentral gesteuert. Die Reichskulturkammer bestand aus sieben Kammern (Film, Literatur, Theater, Musik, Presse, bildende Kunst und Radio). Die Reichsfilmkammer hatte ihrerseits 10 Unterabteilungen.244 Zudem baute die »Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation« (NSBO) seit 1933 alle Sphären der Filmproduktion um und gründete sogenannte NSBO-Zellen, die in allen Berufssparten (Hersteller, Verleiher, Filmvertreter, Komponisten, Requisiteure und Produktionsleiter) und in den Verbänden wichtige Positionen mit Nationalsozialisten besetzten.245 Im Mai desselben Jahres wurden alle noch bestehenden unabhängigen Verbände und Gewerkschaften verboten. Das betraf auch den Dachverband der künstlerischen Angestellten DACHO, der in einer NSBO aufging. Diese beginnende nationalsozialistische Überformung246 der deutschen Kultur war zuvor bereits vom »Kampf bund für deutsche Kultur« vorangetrieben worden, der seit 1928 gegen Kulturverfall und für konservative kulturelle Werte stand. Sein Gründer Alfred Rosenberg brachte im Kampf bund das nationalsozialistische bildungsbürgerliche Milieu mit nationalsozialistisch-völkischen Kreisen im Kampf gegen die kulturellen Einrichtungen der Weimarer Republik zusammen.247 Der Kampf bund um Rosenberg schaffte es nie, eine wirkliche Massenorganisation zu werden, da er elitär war und in erster Linie nationalkonservative und völkische Strömungen vereinheitlichen wollte. Er zählte nie mehr als 2.000 Mitglieder und stellte anfangs kein offizielles Parteiorgan der NSDAP dar, obgleich Inhalte und Programme sich deckten. Seit 1933 übernahm der Kampf bund eine wichtige Rolle in der Reorganisation und Instrumentalisierung der Künste. Viele NS-Funktionäre hatten sich im Kampf bund das kulturpolitische Wissen für ihren späteren Einsatz an den Schaltstellen der NS-Kulturpolitik angeeignet; so der spätere Präsident der Reichsschrifttumskammer Hanns Johst sowie der Geschäftsführer der Reichkulturkammer Hans Hinkel.248 Der Kampf bund hatte dennoch bald die vermeintlichen »Zersetzer« der deutschen Kunst ausgemacht.249 Zu diesen gehörten Schriftsteller wie Thomas Mann, Bertolt Brecht, Alfred Döblin oder Erich Kästner. Mann und Döblin verließen die »Preußische Akademie der Künste« im März 1933, nachdem Gottfried Benn eine Loyalitätsurkunde mit dem NS-Regime vorgelegt hatte. Obwohl die Schriftsteller
244 | Vgl. Welch, David / Winkel, Roel Vande, Europe’s New Hollywood? The German Film Industry under Nazi Rule. 1933-45, in: Winkel, Roel Vande / Welch, David (Hrsg.), Cinema and the Swastika. The International Expansion of Third Reich Cinema, Houndmills-Basingstoke-Hampshire-New York 2007, S. 6-24, hier S. 6-9. 245 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood, S. 6-8. 246 | Vgl. Richard, Lionel, Deutscher Faschismus und Kultur, S. 60f. 247 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 57. 248 | Vgl. Steinweis, Alan E., Art, Ideology & Economics in Nazi Germany, S. 23-28. 249 | Vgl. Richard, Lionel, Deutscher Faschismus und Kultur, S. 60-64.
Gründung der Reichskulturkammer und Gleichschaltung
Franz Werfel und Leonard Frank auch unterschrieben hatten, wurden sie im Mai vom Präsidenten der Akademie aus der Sektion Dichtung ausgeschlossen.250 Rosenberg galt lange Zeit als »Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP«251 und war seit 1934 als Reichsleiter für Kultur tätig, dann wurde er in einen Machtkampf um kulturpolitische Kompetenzen mit Goebbels verwickelt, in dem er zurückstecken musste.252 Im Kompetenzstreit zwischen Goebbels, der die Reichskulturkammer als korporative Zwangsorganisation seinem Propagandaministerium unterstellen wollte, und Rosenberg, der mit dem »Kampf bund« und der »Reichsstelle zur Förderung des Deutschen Schrifttums« die Kulturpolitik kontrollieren wollte, verlor der »Kampf bund« im weiteren Verlauf an Macht und Einfluss. Umso mehr, als mit der »Deutschen Arbeitsfront« (DAF) unter Robert Ley ein dritter kulturpolitischer Akteur ins Spiel drängte, der die Gewerkschaften und die Berufsverbände der Kulturschaffenden in seine Massenorganisation überführen wollte.253 Die Rivalitäten zwischen Ley, Rosenberg und Goebbels führten schon während der Gründung der Reichskulturkammer zu ständigen Konflikten über Kompetenzen und Einflussbereiche, die teils politisch, teils durch die Gerichte entschieden wurden.254 Erst im Januar 1937 wurden die Streitigkeiten zwischen Ley und Rosenberg schließlich mit einer »Vereinbarung zur Bereinigung der Meinungsverschiedenheiten« beigelegt.255 Seitdem war die Organisationsstruktur der Reichskulturkammer stabil. Die RKK war als berufsständische Organisation aller Kulturschaffenden für die Vereinheitlichung und Zentralisierung der kulturellen Sphäre zuständig.256 Sie sollte die vorhandenen Milieu-, Berufs-, Schicht- und Klassenunterschiede auflösen, um den Kulturbetrieb gleichzuschalten und in den Dienst des Führers und der »Volksgemeinschaft« zu stellen. Da Künstler und Autoren in unterschiedlichen Stellungen und Branchen arbeiteten, fiel es der NS-Führung anfänglich nicht leicht, diese zu kontrollieren. Deshalb griff das NS-Regime seit 1933 verstärkt auf bestehende Berufsverbände zurück, deren Führung und Mitgliedschaft »gesäubert« wurde. Berufsangehörigen wurde zu Beginn versprochen, dass die Berufsverbände weiterhin für die
250 | Vgl. Piper, Ernst, Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 386-397. 251 | Bollmus, Reinhard, Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, München 2006, insb. S. 59. 252 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 71-84. 253 | Vgl. Piper, Ernst, Alfred Rosenberg, S. 386-397. 254 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 61f. 255 | Vgl. Piper, Ernst, Alfred Rosenberg, S. 386-397. 256 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 56-60.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
soziale Absicherung sowie für die Hebung von Status und Prestige zuständig sein würden. Tatsächlich wurden sie Teil der Reichskulturkammer.257 Goebbels ging beim Eingriff des Staates und der NSDAP in die Filmindustrie schrittweise vor, da er wusste, dass viele Filmschaffende eine direkte politische Einmischung in ihre Arbeit ablehnten.258 Seit dem 1.4.1933 wurden Juden von der Mitwirkung im Filmwesen ausgeschlossen, im Sommer gab es fast keine jüdischen Mitarbeiter beim Film mehr.259 Einige aus rassistischen oder politischen Gründen diskriminierte Filmschaffende emigrierten ins europäische Ausland. Einige fanden von Europa aus den Weg nach Übersee und versuchten, in Hollywood ihre Karriere neu zu beginnen.260 In Deutschland mussten sich die Drehbuchautoren derweil den Vorgaben der nationalsozialistischen Gesellschafts- und Kulturpolitik anpassen und politisch und ästhetisch systemkonforme Auftragskunst für die »Volksgemeinschaft« erschaffen. Die Gleichschaltung des deutschen Films261 wurde am 14.6.1933 mit dem »Gesetz zur Errichtung einer vorläufigen Filmkammer« beschlossen.262 Die berufsständische Organisation des Kinobetriebs war eine staatlich geregelte Zwangsorganisation, die Mitgliedschaft für alle professionellen Filmschaffenden in der Filmkammer war obligatorisch.263 Ihr gehörten Unternehmer, Hersteller, Produktionsleiter, Regisseure, Komponisten, Manuskriptverfasser, musikalische Leiter, Musiker, Aufnahmeleiter, Architekten, Kameraleute, Tonmeister, Haupt- und Nebendarsteller, Kleindarsteller, und Komparsen an.264 Zuerst wurden hier auch die Drehbuchautoren eingegliedert. Der Vorstand der Filmkammer, die seit dem 22.9.1933 Reichsfilmkammer hieß, wurde direkt vom Propagandaminister Goebbels bestellt. Auch die Satzung musste von diesem genehmigt werden. Das Gleiche galt für die Satzungen der der Filmkammer angeschlossenen Unterverbände.265 Die Filmkammer umfasste die 257 | Vgl. Steinweis, Alan E., Art, Ideology & Economics in Nazi Germany, S. 10. 258 | Vgl. Welch, David / Winkel, Roel Vande, Europe’s New Hollywood?, S. 8f. 259 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood, S. 6-8. 260 | Vgl. Scholz, Juliane, Deutsche Drehbuchautoren in Hollywood (1933-1945), in: Löhr, Isabella / Middell, Matthias / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Kultur und Beruf in Europa, Stuttgart 2012, S. 61-67. 261 | Vgl. Glaser, Hermann, Film, in: Benz, Wolfgang u. a. (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 3. Aufl., Stuttgart 1997, S. 172-176, hier S. 172. 262 | Vgl. Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 14.7.1933, in: Reichsministerium des Inneren (Hrsg.), Deutsches Reichsgesetzblatt Teil 1, Berlin 1933, S. 483. 263 | Vgl. Steinweis, Alan E., Art, Ideology & Economics in Nazi Germany, S. 38-40. 264 | Vgl. § 3 Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 14.7.1933, S. 483. 265 | Vgl. § 4 und § 6 Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 14.7.1933, S. 483.
Gründung der Reichskulturkammer und Gleichschaltung
Filmkredit-Bank sowie alle Berufsgruppen des Filmgewerbes. Sie untergliederte sich in sogenannte Fachschaften, die den ehemaligen beruflichen Fachverbänden entsprachen. Die Durchführungsverordnung vom 22.7.1933 zum Filmkammergesetz machte deutlich, dass die Aufnahme in der Filmkammer mit der Befugnis der Beschäftigung im Filmgewerbe verknüpft war und somit obligatorisch für alle Berufsgruppen der Filmindustrie wurde.266 Gleichzeitig war nun nach Artikel 3 des Filmkammergesetzes die Mitgliedschaft zwingend, um einen Beruf im Filmbereich auszuüben.267 Mit der Entscheidung, die »Spitzenorganisation der deutschen Filmindustrie zu Berlin« in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umzuwandeln,268 wurde auch der Berufsverband der Filmhersteller direkt in die Filmkammer überführt. Die »Gleichschaltung« der Kulturberufe und deren Unterstellung unter das »Führerprinzip« wurde dann mittels des Reichskulturkammergesetzes vom 22.9.1933269 und dessen erster Durchführungsverordnung vom 1.10.1933 verschärft. Nun konnten Mitglieder der RKK ausgeschlossen werden, wenn »der Antragsteller die für die Ausübung des Filmgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.«270 Der Pauschalbegriff der »Zuverlässigkeit« ermöglichte alle Formen willkürlicher Diskriminierung durch das NS-Regime. Mit der Errichtung der sieben Unterabteilungen der RKK war der korporative Aufbau des deutschen Kulturapparates und des Kulturbetriebs vollständig unter die Kontrolle des Propagandaministeriums gebracht worden, das mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet war. Zu Beginn waren das Reichsinnenministerium und Reichsarbeitsministerium noch wenig von den Planungen einer RKK überzeugt gewesen, da sie in der obligatorischen Kammerorganisation eine Gefahr für die freie Marktordnung und Unmut der Berufsstände befürchteten. Goebbels indes versprach, dass die Filmkammer auch für den wirtschaftlichen Aufschwung der Filmindustrie sorgen würde, woraufhin sich das Wirtschaftsressort etwas zurücknahm. Das Reichsfinanzministerium konnte Goebbels mit der Zusicherung für sich einnehmen, dass die Länder und Gemeinden finanziell nicht zusätzlich durch das Reichskulturkammergesetz belastet würden. Die Kosten für die Reichskulturkammer würden größtenteils ganz im Sinne des berufsständi266 | Vgl. § 3 und § 6 in Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels, Verordnung über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 22.7.1933, in: Reichsministerium des Inneren (Hrsg.), Deutsches Reichsgesetzblatt Teil 1, Berlin 1933, S. 531f. 267 | Vgl. § 1 in Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels, Verordnung über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 22.7.1933, S. 531f. 268 | Vgl. ebd., S. 531f. 269 | Vgl. Reichskanzler Adolf Hitler / Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels, Reichskulturkammergesetz vom 22.9.1933, in: Reichsministerium des Inneren (Hrsg.), Deutsches Reichsgesetzblatt Teil 1, Berlin 1933, S. 661-664. 270 | § 10 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels, Verordnung über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 22.7.1933, S. 531.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
schen Auf baus ohnehin durch die Mitgliederbeiträge gedeckt.271 Berufsverbände wie der »Reichsverband Deutscher Schriftsteller« wurden als Reichsschrifttumskammer inkorporiert (daneben Theater, Musik, Presse, bildende Kunst, Rundfunk 272 und eben Film) und die Ernennung der Präsidenten der Einzelkammern in die Hände von Joseph Goebbels gelegt.273 Die Reichsfilmkammer kontrollierte mit ihren zehn Abteilungen die gesamte deutsche Filmindustrie. Kreativität und künstlerische Freiheit wurden der NS-Ideologie untergeordnet, die jedoch auch auf einige filmische und ästhetische Traditionen zurückgriff. So hatte Drehbuchautorin Thea von Harbou schon vor der Machtübernahme nationalistische Helden-Mythen verfasst und rassistische Stereotype mit der verklärten Kampf bereitschaft deutscher Soldaten in ihren ersten Filmarbeiten der Stummfilmzeit verbunden.274 Ihre bekannten Nibelungen-Filme aus den 1920er Jahren zählten zu Hitlers Lieblingswerken.275 Goebbels versuchte, den Filmstandort Berlin und somit die UFA zu stärken. Die Münchener Bavaria sollte nach ihrem Konkurs durch das Propagandaministerium übernommen werden. Diese Zentralisierung diente nicht nur der wirtschaftlichen Effizienzsteigerung der deutschen Filmwirtschaft, sondern auch der politischen Kontrolle. Mithilfe der NS-Verbände der künstlerischen Angestellten in der UFA und der Übernahme des Dachverbandes der Filmunternehmer (SPIO) konnten die Nationalsozialisten ihre Macht ausbauen. Im Jahr 1937 wurde die UFA endgültig verstaatlicht und sollte von nun an im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie massentaugliche Unterhaltungs- und Propagandafilme produzieren. Seit 1938 wurde die Bavaria Filmkunst GmbH vom NS-Regime voll kontrolliert. Die meisten Anteile besaß die Cautio-Treuhandgesellschaft, die dem Reichsbeauftragten für Filmfragen, Max Winkler, unterstand. Als neuer UFA-Personalchef wurde der linientreue Nationalsozialist und ehemalige Gau-Propagandaleiter Wilhelm Müller-Scheld eingesetzt. Mit der Fusion der UFA mit den verbliebenen größten deutschen Filmproduktionsfirmen zum UFI-Konzern im Jahr 1942 brachte das NS-Regime die gesamte Filmbranche unter ihre Kontrolle. Parallel zu den Berufsverboten für »Nichtarier« und politisch Andersdenkende wurde die inhaltliche Zensur der Filmindustrie mit dem revidierten »Reichslichtspielgesetz« von 1934 vorangetrieben. Die Änderung des »Reichslichtspiel271 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 65-68. 272 | Die Rundfunkkammer wurde im Oktober 1939 bereits wieder aufgelöst. 273 | Vgl. § 1, § 2 und § 11 in Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels, Verordnung über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 22.7.1933, S. 531f. 274 | Vgl. Bruns, Karin, Kinomythen 1920-1945. Die Filmentwürfe der Thea von Harbou, Stuttgart-Weimar, S. 12-14 und Bruns, Karin, Talking Film. Writing Skills and Film Aesthetics in the Work of Thea von Harbou, in: Schönfeld, Christiane (Hrsg.), Practicing Modernity. Female Creativity in Weimar Republic, Würzburg 2006, S. 139-152, insb. S. 148. 275 | Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, München 2002, S. 204-207.
Ausschluss der Juden aus den kulturellen und filmischen Berufen
gesetzes« vom 13.12.1934 sah vor, dass ein sogenannter Reichsfilmdramaturg mit der Herstellung, Unterstützung und Förderung von Drehbüchern betraut wurde. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag auf der Prüfung von Drehbüchern, die vor der Herstellung von der »Reichsfilmprüfstelle« begutachtet wurden. Dazu mussten Filmexposé, Inhaltsangabe sowie das vollständige, drehfertige Filmmanuskript eingereicht werden. Den Änderungswünschen und Weisungen des Reichsfilmdramaturgen war unverzüglich Folge zu leisten. Obwohl es keine unmittelbare Pflicht zur Vorlage bei der Filmprüfstelle gab, war diese unabdingbar, wenn eine finanzielle Förderung des Films gebraucht wurde.276 Die Filmprüfstelle fungierte also als Instanz der Vorzensur und der Auswahl der Filmstoffe. Das Prädikatsystem und Preisverleihungen ermöglichten weitere Zensurmaßnahmen durch das Versprechen von Steuererleichterungen.277 Bereits im ersten Jahr des Gesetzes wurden über hundert Filmwerke verboten.278 Seit Mitte der 1930er Jahre wurden gesetzliche Vorhaben für die Stärkung der Urheber- und Persönlichkeitsrechte der Drehbuchautoren diskutiert, die dazu dienen sollten, die »wahre« NS-Filmkunst voranzubringen. Autoren sollten an Gewinnen beteiligt und Honorare erhöht werden, um ihnen einen Ansporn zu geben, dem Reichsfilmdramaturgen künstlerisch einwandfreie Werke vorzulegen.279
D er A usschluss der J uden aus den kulturellen und filmischen B erufen Juden und andere nicht systemkonforme Filmmitarbeiter und Schriftsteller wurden spätestens seit 1934 systematisch aus der RKK ausgeschlossen. Bevor die Nationalsozialisten in der RKK den »Arierparagrafen« offiziell einführten, waren jüdische Kulturschaffende unter Bezug auf die »Zuverlässigkeit« aus den Verbänden ausgeschlossen worden oder wurden gar nicht erst aufgenommen.280 Der rassistische Charakter des Wortes »Jude« hatte sich schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik verfestigt und entfaltete nun seine Wirkung mithilfe eines politisch-mystischen Begriffs, der die Juden zu Staatsfeinden degradierte und aus der »Berufs- und Volksgemeinschaft« ausschloss. Dabei war die 276 | Vgl. o. A., Änderung des Lichtspielgesetzes, in: Der Kinematograph, Bd. 28 (1934) H. 243, S. 1-2. 277 | Vgl. Welch, David / Winkel, Roel Vande, Europe’s New Hollywood?, S. 6-24, S. 10. 278 | Vgl. Glaser, Hermann, Film, S. 172. 279 | Vgl. o. A., Umbau der Filmverbände, in: Der Kinematograph, Bd. 28 (1934) H. 243, o. S. 280 | Vgl. Barbian, Jan-Peter, Zwischen Anpassung und Widerstand. Regimekritische Autoren in der Literaturpolitik des Dritten Reiches, in: Kroll, Frank-Lothar / Voss, Rüdiger von (Hrsg.), Schriftsteller und Widerstand. Facetten und Probleme der »Inneren Emigration«, Göttingen 2012, S. 63-98, hier S. 66.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Definition des »Judenbegriffs« im Nationalsozialismus umstritten und durchaus wandelbar.281 Bis 1935 war für Juden die Ausübung künstlerischer Berufe prinzipiell möglich.282 So meinte der erste Präsident der Reichsschrifttumskammer, Hans Friedrich Blunck, dass die jüdischen Deutschen, die sich um den Staat verdient gemacht hatten, in der Kammer verbleiben sollten. Auch weil viele bekannte Künstlerpersönlichkeiten jüdischer Herkunft waren, sich selbst als Juden verstanden oder mit einem jüdischen Partner verheiratet waren, sprach sich Blunck für eine Aufnahme von Juden auf. Allerdings sollte dafür gesorgt werden, dass der Nachwuchs eingeschränkt würde.283 Es durften nicht mehr Juden aufgenommen werden, als ihr prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachte. Deshalb begrenzte der »Reichsverband deutscher Schriftsteller« (RDS) die Aufnahme von Juden auf fünf Prozent.284 Ab 1935 verschärfte der Schriftstellerverband die Zugangsbestimmungen, indem auch sogenannte »jüdisch versippte« Autoren, die mit einem Partner jüdischer Herkunft verheiratet waren, sowie sogenannte »Mischlinge« Berufsverbot bekamen und von der Mitgliederliste gestrichen wurden. Im Sommer 1935 waren von den 1.688 Mitgliedern des Schriftstellerverbandes 96 Prozent »Arier«.285 Bluncks ambivalente Haltung zur sogenannten Judenfrage und der Umstand, dass er erst spät Mitglied der NSDAP geworden war, machten ihn bald untragbar für Goebbels, der sich selbst innerparteilichen Angriffen wegen seines angeblichen »Liberalismus« ausgesetzt sah. Goebbels wurde vorgeworfen, er verschleppe die »Arisierung« der Reichskulturkammer. Daraufhin beurlaubte sich Blunck selbst vom Amt des Präsidenten der Schrifttumskammer und zog im März 1935 wieder nach Holstein, um dort schriftstellerisch tätig zu sein. Im Oktober 1935 wurde der nationalsozialistische Dramatiker Hanns Johst als neuer Präsident der Reichsschrifttumskammer eingesetzt.286 Als Mitbegründer des »Kampf bundes für deutsche Kultur«, Dramaturg am Schauspielhaus Berlin und Präsident der »Union nationaler Schriftsteller«, die sich als Konkurrenzorganisation zum international agierenden »PEN-Club« betrachtete, hatte er bereits 281 | Vgl. Piper, Ernst, Alfred Rosenberg, S. 477-496; Przyrembel, Alexandra, »Rassenschande«. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus, Göttingen 2003, S. 19 und 36; Hering Torres, Max Sebastián, Rassismus in der Vormoderne. Die »Reinheit des Blutes« im Spanien der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2006, S. 244 und Bollmus, Reinhard, Das Amt Rosenberg und seine Gegner, S. 368. 282 | Die RKK und der »Reichsverband Deutscher Schriftsteller« führten Listen über ausgeschlossene und nicht angenommen »Nichtarier«. Vgl. Dahm, Volker, Das jüdische Buch im Dritten Reich, 2. überarb. Aufl., München 1993, S. 50f. 283 | Vgl. Barbian, Jan-Peter, Literaturpolitik im NS-Staat, S. 194f. 284 | Vgl. Dahm, Volker, Künstler als Funktionäre, S. 196. 285 | Vgl. Dahm, Volker, Das jüdische Buch im Dritten Reich, S. 49-51. 286 | Vgl. Dahm, Volker, Künstler als Funktionäre, S. 90f.
Ausschluss der Juden aus den kulturellen und filmischen Berufen
einige Kulturfunktionen ausgeübt. Er genoss die volle Unterstützung von Goebbels und Hitler. Johst erhielt zahlreiche Preise für sein literarisches Schaffen. Darunter waren der »Deutsche Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft« – die NS-Alternative zum Nobelpreis – im Jahr 1939 und der »Kantate Preis« der Stadt Leipzig im Jahr 1941.287 Im Oktober 1935 wurde auch der damalige Präsident der Reichsfilmkammer und Stifter des Reichsfilmarchivs, Fritz Scheuermann, als »Nichtarier« und Rechtsanwalt für Juden denunziert und durch Oswald Lehnich, einen absolut linientreuen Nationalsozialisten, ersetzt.288 Die Unterzeichnung der Nürnberger Rassengesetze im selben Jahr verschärfte die Situation für jüdische Filmkünstler in der Reichskulturkammer. Goebbels besetzte die Geschäftsführung der Reichskulturkammer mit drei sogenannten »Reichskulturwarten« (Hans Hinkel, Franz Moraller und Hans Schmidt-Leonardt), die die noch bestehende Autonomie der Berufsverbände weiter beschneiden und diese in Fachschaften umwandeln sollten. Dafür sollten sie mit einer personellen »Reinigung« der Kammern nach politischen, rassistischen und völkischen Kriterien vorangehen.289 Noch 1935 wurden unter anderem Ludwig Fulda, Julius Bab, Heinrich/Henrik Galeen und Kurt Pinthus aus dem »Reichsverband deutscher Schriftsteller« (RDS) ausgeschlossen.290 Pinthus hatte in den 1910er Jahren mit dem »Kinobuch« eine erste Publikation zum Verhältnis von Film und Autorschaft vorgelegt. Fulda war Vorsitzender des »Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller« gewesen. Galeen hatte die Drehbücher für die erfolgreichen Filme Der Golem (1914) und Nosferatu (1922) verfasst.291 Zuständig für die »Entjudung der Kulturberufe« war die Dienststelle »Volkskulturelle Aufgaben« im Ministeramt des Reichspropagandaministeriums, die von 1937 bis 1938 speziell mit der Aufgabe der »Arisierung« der Einzelkammern des Reichskulturministeriums betraut wurde.292 Schon 1935 sollten sich jüdische Kulturschaffende im »Reichsverband jüdischer Kulturbünde« zusammenschließen.293 Spätestens mit der »Anordnung der Reichskulturkammer betreffend Reichsverband jüdischer Kulturbünde« vom 6.8.1935 und der »Anordnung der 287 | Vgl. ebd., S. 92f. 288 | Vgl. ebd., S. 94f und Bollmus, Reinhard, Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, München 2006, S. 79. 289 | Vgl. ebd., S. 86. 290 | Vgl. Barbian, Jan-Peter, Literaturpolitik im NS-Staat, S. 198. 291 | Vgl. ebd., S. 198. 292 | Vgl. Sösemann, Bernd, Schaubilder und Statistiken, in: Sösemann, Bernd (Hrsg.), Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Einführung und Überblick, Stuttgart-München 2002, S. 347-362, hier S. 356. 293 | Vgl. o. A., Anordnung der Reichskulturkammer betr. Reichsverband jüdischer Kulturbünde vom 6.8.1935, in: Ihde, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch der Reichsschrifttumskammer, Leipzig 1942, S. 276.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Reichskulturkammer über die Teilnahme von Juden an Darbietungen der Deutschen Kultur« vom 12.11.1938 stellten die Herrschenden klar, dass Juden weder in der Kulturproduktion noch als Kinozuschauer erwünscht waren. Die mit Berufsverbot belegten jüdischen Kulturschaffenden waren seit 1933 im »Kulturbund Deutscher Juden« isoliert, der bis 1941 geduldet wurde. In einer Anordnung der Reichskulturkammer vom 12.11.1938 hieß es: »[…] Nachdem der nationalsozialistische Staat es den Juden bereits seit über 5 Jahren ermöglicht hat, innerhalb besonders jüdischer Organisationen ihr eigenes Kulturleben zu schaffen und zu pflegen, ist es nicht mehr angängig, sie an Darbietungen der deutschen Kultur teilnehmen zu lassen. Den Juden ist daher der Zutritt zu solchen Veranstaltungen […] mit sofortiger Wirkung nicht mehr zu gestatten.« 294
Im Jahr 1938 erhielten 34 erstrangige Autoren und Autorinnen von Goebbels persönlich eine Sondergenehmigung, die aber jederzeit widerrufen werden konnte.295 Durch Berufsverbote, Verfolgung, Vertreibung und spätere Vernichtung »nicht arischer« Kulturschaffender gingen vielfältige kreative Impulse deutscher Kultur verloren. In der Filmbranche traf der künstlerische Kahlschlag auch die Drehbuchautoren, die für die Ideen und Stoffentwicklung zuständig waren. Kriterien wie Professionalität und künstlerische Leistung wurden im Nationalsozialismus durch rassische oder völkische Zugehörigkeit verdrängt. Damit bekamen deutsche Künstler, die in der Weimarer Republik wenig Erfolg gehabt oder in der zweiten Reihe gestanden hatten, eine neue Chance. Wer sich ethisch und politisch korrumpieren ließ und anpasste, konnte auf Unterstützung des Regimes hoffen und sich persönliche Vorteile verschaffen. Der Nationalsozialismus versprach den Kultur- und Filmschaffenden einen Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise und aus den politischen und kulturellen Krisen, wofür die Weimarer Republik verantwortlich gemacht wurde. Die professionellen Interessenverbände engagierten sich für Sozialversicherungsprogramme und rechtliche Beratung der Mitglieder. Mit dem Ende der Weimarer Republik waren diese Wohlfahrtsprogramme in die Krise geraten. Traditionelle Unterstützungen sozialer bürgerlicher Netzwerke fielen weg und die Nationalsozialisten behaupteten die Erfolglosigkeit der Berufsverbände und Gewerkschaften, um die Angehörigen der Kultur- und Filmberufe in den Zwangskorporationen zu versammeln und der großen Politik unterzuordnen.
294 | O. A., Anordnung der Reichskulturkammer über die Teilnahme von Juden an Darbietungen der Deutschen Kultur vom 12.11.1938, in: Ihde, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch der Reichsschrifttumskammer, Leipzig 1942, S. 276. 295 | Vgl. Barbian, Jan-Peter, Zwischen Anpassung und Widerstand, S. 69f.
Stellung des Drehbuchautors in der NS-Kulturpolitik
S chrif tsteller oder F ilmschaffender – D ie S tellung des D rehbuchautors in der NS-K ulturpolitik Da viele der hauptberuflichen Drehbuchautoren nicht zu den fest angestellten Mitarbeitern einer Produktionsfirma gehörten, wurden sie nicht in der »Reichsfachschaft Film« der Reichsfilmkammer organisiert.296 Im Juli 1933 waren die Drehbuchautoren noch als »Manuskriptverfasser«297 der vorläufigen Filmkammer zugeordnet worden, seit September 1933 wurden sie dann aber in die Reichsschrifttumskammer eingruppiert. Ihre Stellung innerhalb der Reichskulturkammern blieb allerdings umstritten. Die meisten Schriftsteller und Dramatiker betätigten sich in verschiedenen Genres und Sparten. Das Verfassen von Drehbüchern, literarischen Adaptionen und das Erstellen von Filmexposés war nicht pauschal dem Schrifttum oder Film zuzuordnen. Aus diesem Grund teilte der Präsident der Reichstheaterkammer, Otto Laubinger, Joseph Goebbels in einem Brief sein Unbehagen über die Frage der Zugehörigkeit der Filmautoren mit. Er legte dar, dass die Drehbuchautoren in der Reichsschrifttumskammer und nicht in der Reichsfilmkammer eingruppiert werden sollten. Offenbar seien fälschlicherweise bei einigen Autoren die Mitgliedschaftsgebühren für beide Kammern erhoben worden.298 Da die Reichskulturkammer ihren Unterverbänden ein Monopol für bestimmte Berufe und Sparten zuordnete, musste in jedem Fall unterschieden werden, was die Haupttätigkeit eines Autors und in welcher Funktion und Branche er vorrangig tätig war. Die Einzelkammern der RKK waren in Fachverbände und Fachschaften untergliedert, die Reichsschrifttumskammer beispielsweise in die Gruppen der Buchhändler, Verleger und Schriftsteller. Die Mitglieder der Fachverbände waren zugleich automatisch Mitglieder der jeweiligen Einzelkammer sowie der Reichkulturkammer,299 die das wichtigste politische Instrument zur geistigen Lenkung der Kulturproduktion darstellte. Aus dem Schriftstellerverzeichnis der Reichsschrifttumskammer des Jahres 1942 geht hervor, dass von den 10.118 erfassten Schriftstellern 874 hauptberuflich oder gelegentlich für den Film tätig waren. Unter den erfassten Autoren waren nur 144 weiblich.300 Auch professionelle Drehbuchautoren wie Thea von Harbou 296 | Vgl. Drewniak, Bogusław, Der deutsche Film 1938-1945. Ein Gesamtüberblick, Düsseldorf 1987, S. 72f. 297 | Vgl. § 3 Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 14.7.1933, S. 483. 298 | Vgl. Reichstheaterkammer, Brief des Präsidenten der Reichskulturkammer Dr. Joseph Goebbels an den Präsidenten der Reichstheaterkammer Otto Laubinger vom 26.3.1934, 1933-1935, BArch R-56/III 1449. 299 | Vgl. Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 72. 300 | Zudem wurden Decknamen angezeigt, denn es war möglich, unter Pseudonym zu schreiben. Allerdings konnte die Verwendung des Decknamens abgelehnt werden, wenn
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
und Carl Mayer waren in diesem Schriftstellerverzeichnis aufgelistet.301 Die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer bedeutete für die Drehbuchautoren, dass ihr Beruf als literarisch schriftstellerische Tätigkeit angesehen wurde und in Verbindung zur Schriftstellerei stand, die von vielen Drehbuchautoren neben ihrer Arbeit beim Film weiterhin betrieben wurden. Im Januar 1935 wurde die Reichsfilmkammer nochmals umorganisiert. Die Hersteller- und Vertriebsverbände wurden in einem »Gesamtverband für Filmherstellung« zusammengeführt und die bis dahin bestehenden Verbände liquidiert. Die neuen Abteilungen des »Gesamtverbandes für Filmherstellung« hießen Spielfilmherstellung, Atelierbetrieb, inländischer Filmvertrieb, Einfuhr und Ausfuhr und Filmbearbeitung. Dem Vorsitzenden des Gesamtverbandes Regisseur Carl Froelich oblag nun die gesamte Kontrolle der Filmindustrie.302 Froelich war wie Oskar Messter ein Stummfilmpionier gewesen und hatte bereits in der Weimarer Zeit angesehene Werke gedreht und produziert. Er arbeitete während des »Dritten Reichs« mit Filmstars wie Hans Albers, Zarah Leander oder Heinz Rühmann als Regisseur oder Produzent zusammen. Seit 1933 war er NSDAP-Parteimitglied und stieg 1939 zum Präsidenten der Reichsfilmkammer auf. Er arbeitete bis zu seinem Tode 1953 im Filmbetrieb weiter. Goebbels setzte sich also mit seiner korporatistischen Reorganisation der Kultur gegen seine Konkurrenten durch. Er gruppierte die Kunst- und Kulturschaffenden ungeachtet ihrer jeweiligen Qualifikation, Funktion und Stellung obligatorischen Kammern zu, die dem Propagandaministerium unterstellt waren.303 Er schloss so an eine lange berufsständische Tradition an, die in der Weimarer Republik in die Krise geraten war, um den Kulturbetrieb unter die Kontrolle von Staat und Partei zu bringen. Die staatlichen Eingriffe unterminierten die Autonomie der Professionen und die Vereinsfreiheit. Sie waren die nationalsozialistische Alternative zur liberalen Professionalisierung und zu den gewerkschaftlichen Modellen des späten Kaiserreichs beziehungsweise der Weimarer Republik.304 dieser zu »fremdländisch« klang. Vgl. o. A., Amtliche Bekanntmachung Nr. 44, Anordnung über die Verwendung von Decknamen, in: Ihde, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch der Reichsschrifttumskammer, Leipzig 1942, S. 252. 301 | Vgl. Reichsschrifttumskammer (Hrsg.), Schriftsteller-Verzeichnis, Leipzig 1943, S. 254f. 302 | O. A., Umorganisation der Fachverbände der Reichsfilmkammer. Gesamtverband der Filmherstellung und Filmverwertung, gegründet, in: Der Kinematograph, Bd. 29 (1935) H. 14, o. S. 303 | Vgl. Steinweis, Alan E., Art, Ideology & Economics in Nazi Germany, S. 17-20. 304 | Vgl. Siegrist, Hannes, Professionalization as a Process. Patterns, Progression and Discontinuity, in: Michael Burrage Michael / Torstendahl, Rolf (Hrsg.), Professions in Theory and History. Rethinking the Study of Professions. London-Newbury Park-New Dehli 1990 (=The Swedish Collegium for Advanced Study in the Social Sciences), S. 177-202, insb. S. 193f.
Stellung des Drehbuchautors in der NS-Kulturpolitik
Der professionelle Drehbuchautor war im Nationalsozialismus ein fachlich qualifizierter, spezialisierter Schriftsteller, der eine ideologische und politisch kontrollierte berufliche Funktion ausübte. Die Jüngeren waren durch ihre Ausbildung an der Filmhochschule nationalsozialistisch geprägt.305 Im Gegensatz zur in die Krise geratenen literarischen Branche und zum Rundfunk, der immer geringere Honorare für Autoren zahlte, war die Filmbranche für Schriftsteller ein lukrativer Zweig geworden. Drehbuchautoren, Romanciers und Theaterautoren, deren Rechte an den Film verkauft wurden, gehörten zu den Gewinnern des NS-Systems. Einige verdienten jährlich mehr als 100.000 RM, ihre Einkünfte waren damit im Gegensatz zu denen ihrer literarischen Kollegen sehr hoch. Der Großteil der Schriftsteller wurde in die erste oder zweite »Einkommensgruppe« der Reichsschrifttumskammer eingestuft, deren jährlicher Bruttoverdienst zwischen 1.200 RM und 2.400 RM lag.306 Für sie war die Filmarbeit also eine willkommene Ergänzung ihres ansonsten recht geringen und unregelmäßigen Einkommens. Die Auftrag- und Arbeitgeber der Drehbuchautoren waren linientreue Parteifunktionäre, die mithilfe komplexer Kontroll- und Zensurmechanismen die Stoffentwicklung der Filme überwachten und steuerten. Zu den Aufgaben der Kulturkammern gehörte es, die »Art und Gestaltung der Verträge zwischen den von ihnen umfassten Tätigkeitsgruppen«307 festzulegen, wodurch die Höhe des Gehalts und die Arbeitsbedingungen des Drehbuchautors geregelt wurden. Die RKK und ihre Branchen- und Berufsverbände lehnten ein elitäres, bildungsbürgerliches Verständnis von Kunst und Künstler ab und versprachen, die Kunst für die »Volksgemeinschaft« fassbar zu machen und den Kunst- und Kulturschaffenden für seine Leistung finanziell abzusichern.308 Mitunter begründete die berufliche Solidarität auch politikfreie Nischen. Innerhalb der Filmproduktionsgesellschaft Tobis hatte sich 1937 unter Leitung des Chefdramaturgen Edlef Köppen die »Arbeitsgemeinschaft der Filmschriftsteller« gegründet. Köppen veröffentlichte Rezensionen und Artikel unter dem Pseudonym »Joachim Felde«, da er sich weigerte, mit der NSDAP zusammenzuarbeiten, und mit einem Veröffentlichungsverbot belegt war. Bis zur nationalsozialistischen Übernahme der Tobis, die dem Vorbild der Bavaria in München im Jahr 1937 folgte, unterstützten Köppen und seine Arbeitsgemeinschaft junge
305 | Vgl. Beyrau, Dietrich, Bildungsschichten unter totalitären Bedingungen. Überlegungen zu einem Vergleich zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion unter Stalin, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 34 (1994), S. 35-54, hier S. 45f. 306 | Vgl. ebd., S. 403. 307 | § 25 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels / Reichswirtschaftsminister Dr. Schmitt, Erste Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetz vom 1.11.1933. Reichsgesetzblatt 1933, in: Reichsministerium des Inneren (Hrsg.), Deutsches Reichsgesetzblatt Teil 1, Berlin 1933, S. 797-800. 308 | Vgl. Beyrau, Dietrich, Bildungsschichten unter totalitären Bedingungen, S. 52-54.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Filmschriftsteller. Die Arbeitsgemeinschaft wurde später in der Reichsschrifttumskammer gleichgeschaltet.309 Der politisch neutrale, größte deutsche Schriftstellerverband »Schutzverband deutscher Schriftsteller« wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in den »Reichsverband Deutscher Schriftsteller« überführt und die Autonomie und Freiheit des Berufsverbandes zerschlagen. Insgesamt wurden über 3.000 Schriftsteller310 in die Reichsschrifttumskammer inkorporiert und politisch kontrolliert.311 Die Reichsschrifttumskammer war seit 1935 in neun sogenannte Reichsfachschaften312 gegliedert, in der auch Film- und Rundfunkschriftsteller aufgenommen worden.313 Formal blieben Verbände wie die »Arbeitsgemeinschaft der Filmschriftsteller« oder der »Verband deutscher Filmautoren« in der Reichsschrifttumskammer erst einmal bestehen, allerdings wurden sie den NS-Prinzipien und der zentralen Verfügungsgewalt Goebbels und Hitlers unterstellt und ihre Vorsitzenden durch die Parteileute eingeengt. Laut ihrer Satzung aus dem Jahr 1934 war die Reichsschrifttumskammer, als »Körperschaft öffentlichen Rechts« die »berufsständische Vertretung« der Schriftsteller, Händler und Verleiher, auch für »Sonderaufgaben« des Propagandaministeriums zuständig.314 Die Drehbuchautoren wurden 1934 endgültig in die Abteilung II bei den Schriftstellern eingruppiert.315 Die bis dahin bestehenden Fachverbände, also die ehemaligen autonom agierenden Berufsverbände, wurden in die staatlich kontrollierten NS-Fachschaften und Fachgruppen überführt und somit ihrer individuellen Handlungsfreiheiten beraubt. Der Präsident der Kammer ernannte für jeden NS-Gau einen ehrenamtlichen Vertrauensmann, der die inkorporierten Verbände und Vereinigungen überwachte, um der Kammer eine 309 | Vgl. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Filmrechtsfrage, S. 190f. 310 | Ausgeschlossen waren wissenschaftliche Autoren, Beamte wie Professoren und Schulbuchautoren, die im Ministerium für Erziehung und Bildung untergliedert waren. 311 | Vgl. Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. 1914-1949, 4. Bd., 2. Aufl., München 2003, S. 833. 312 | Die Berufsverbände wurden 1934 mit Eingliederung in Fachschaften innerhalb des »Reichsverbandes deutscher Schriftsteller« obsolet. 313 | Vgl. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Filmrechtsfrage, S. 190. 314 | Vgl. o. A, Amtliche Bekanntmachung Nr. 46, Satzung der Reichsschrifttumskammer 15.9.1934, in: Ihde, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch der Reichsschrifttumskammer, Leipzig 1942, S. 38-42. 315 | Dafür spricht auch, dass nach der Auflösung der Verbände innerhalb der Reichsfilmkammer Anfang 1935 Drehbuchautoren im Gesamtverband »Filmherstellung und Filmverwertung« nirgends erwähnt wurden. Vgl. o. A., Umorganisation der Fachverbände der Reichsfilmkammer. Gesamtverband der Filmherstellung und Filmverwertung gegründet, in: Der Kinematograph, Bd. 29 (1935) H. 14, o. S.
Stellung des Drehbuchautors in der NS-Kulturpolitik
»einheitliche Stoßkraft« zu geben.316 Die Reichsschrifttumskammer und deren Landesleiter waren nun wie das gesamte Deutsche Reich nach Gauen gegliedert. Die Landesleiter bekamen eine Vertrauens- und Überwachungsfunktion zugewiesen. Der »Verband deutscher Filmautoren«, der ohnehin seit 1928 durch Einführung des gewerkschaftlichen Verbandes »Dachorganisation der filmschaffenden Künstler Deutschlands« (DACHO) verdrängt worden war und durch den paritätischen Branchenverband »Spitzenorganisation der Filmwirtschaft« (SPIO) unter Druck geraten war,317 wurde erst verboten und dann als »Verband deutscher Tonfilm-Autoren« wieder gegründet.318 Noch 1932 waren im Fachmagazin der Kinoschaffenden Der Kinematograph die Tonfilmautoren für ihre Organisationsschwäche kritisiert worden. Sie seien zu wenig straff organisiert und würden in Honorarfragen nicht geschlossen auftreten.319 1933 wurde der Verband innerhalb der Reichskulturkammer gleichgeschaltet und nach seiner Neugründung als »Verband deutscher Tonfilm-Autoren« in die Fachschaft für Schriftsteller der Reichsschrifttumskammer überführt. Die »Deutsche Arbeitsfront« (DAF) war in einzelne nationalsozialistische Betriebszellen untergliedert, in die auch der »Dachverband der Filmschaffenden« (DACHO) und damit kurzerhand die künstlerischen Angestellten beim Film eingegliedert wurden.320 Die institutionellen und organisatorischen Reformen betrafen auch die »Verwertungsgesellschaft für literarische Arbeiten«, die für die Regelung des Autorenhonorars zuständig war. Nach deren Umbenennung in »Deutscher Verein zur Verwertung von Urheberrechten an Werken des Schrifttums« im Jahr 1937 war es die einzige Verwertungsgesellschaft für Literatur. Ihr Vorsitzender wurde Hanns Johst, der nun zusätzlich die wichtigen Tarif- und Honorarabkommen, die Autoren mit dem Rundfunk und anderen Verwertern abschlossen, kontrollierte.321
316 | Amtliche Bekanntmachung Nr. 46, Satzung der Reichsschrifttumskammer 15.9.1934, S. 38. 317 | Der »Verband deutscher Filmautoren« wurde in einem Aufsatz um 1928 zu Honorarfragen künstlerischer Angestellter in den USA und Deutschland noch explizit erwähnt. Vgl. Kohler, Arnold, Some Aspects of Conditions of Employment in the Film Industry, in: International Labour Review, Bd. 23 (1931) H. 6, S. 773-804, hier S. 780-788. 318 | Vgl. Kasten, Jürgen, Zur Geschichte der Drehbuchautorenverbände in Deutschland, in: Drehbuchautoren-Scriptguide, 1992/1993, S. 1-4. 319 | Vgl. o. A., Urheberrecht ohne Urheber, in: Der Kinematograph, Bd. 26 (1932) , H. 236, S. 1f. 320 | Vgl. Slansky, Peter C., Filmhochschulen in Deutschland. Geschichte-Typologie-Architektur, München 2011, S. 8f. 321 | Vgl. o. A., Deutscher Verein zur Verwertung von Urheberrechten an Werken des Schrifttums, in: Ihde, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch der Reichsschrifttumskammer, Leipzig 1942, S. 74.
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Die Drehbuchautoren hatten besondere Probleme, da ihre Honorare und Tantiemen nicht gesetzlich oder arbeitsvertraglich einheitlich geregelt waren. Filmautoren kritisierten, dass Komponisten, die ein Originalstück an den Film verkauften, ein Vielfaches an Tantiemen verdienten. Sie selbst bekämen nur einmalige Honorare. Deshalb sollten die Filmautoren sich am besten den Schriftstellern und Erzählern anschließen, um ihre Interessen zu wahren.322 Vorsitzender des nach 1933 neugegründeten und konformen Tonfilmautorenverbands war Erich Ebermayer,323 der sein erstes Drehbuch für das Sittendrama Traumulus (1935) schrieb, das er mit Regiestar Carl Froelich verfilmte. Traumulus war das meistgespielte Theaterstück vor dem Ersten Weltkrieg gewesen und behandelte die obrigkeitshörige Gesellschaft im Kaiserreich und die Abkehr von »alten« Werten, charakterisiert durch die Rolle eines Professors, hin zu den »neuen« Werten seines Schülers. Der Film war bei näherem Hinsehen eine Huldigung nationaler und nationalsozialistischer Ideen. Er förderte Narrative des faschistischen »neuen Menschen«, der sich gegen verkrustete bürgerliche Moralvorstellungen des Kaiserreichs wehrt. Seit 1942 wurde die gesamte deutsche Filmproduktion noch straffer organisiert und noch konsequenter gleichgeschaltet. Die Reorganisation sollte sicherstellen, dass die Filmherstellung im Krieg mit weniger Personal und Mitteln weitergeführt werden konnte. Es kam in der Folge zu Funktionsdopplungen und Ämterüberschneidungen: Der Reichsfilmdramaturg zum Beispiel wirkte gleichzeitig in der Geschäftsleitung der UFA als Dramaturg und bestimmte über die Filmvorhaben und Filmstoffe. Die Dramaturgen der einzelnen Filmbetriebe arbeiteten als fest angestellte Arbeitnehmer, Heinz Pauck bei der Tobis (später bei der UFA) und Wolff von Gordon seit 1944 bei der Terra-Produktionsgesellschaft. Die Dramaturgen der einzelnen Filmproduktionsfirmen des seit 1942 bestehenden UFI-Konzerns berieten die Drehbuchautoren, ohne selbst eigene schöpferische Beiträge zum Drehbuch hinzuzufügen. Innerhalb der einzelnen Filmproduktionsfirmen gab es eigenständige Produktionsgruppen, die über eine gewisse Autonomie verfügten. An deren Spitze stand ein Produktionsgruppenleiter, der die Fäden zusammenhielt und für Drehbuch, Filmidee aber auch die Darstellerauswahl verantwortlich war. Der Produktionsgruppenleiter war das Bindeglied zwischen künstlerischen Mitarbeitern und der Unternehmensleitung und besaß das Vertrauen der Produktionsfirma.
322 | Vgl. o. A., Filmautoren-Probleme, in: Der Kinematograph, Bd. 27 (1933) , H. 14, S. 1f. 323 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben. Eine Geschichte des Drehbuchs, Wien 1990, S. 121.
Innere Emigration, Oppor tunismus und Par teitreue
D as B erufsbild des D rehbuchautors z wischen innerer E migr ation , O pportunismus und Parteitreue Im folgenden Abschnitt soll es um die Schriftsteller gehen, die während des NS-Regimes in der gleichgeschalteten Kulturpolitik regelmäßig für den Film tätig waren und dem NS-Regime durch ihre Mitarbeit auf vielfältige Weise als loyale Kulturschaffende dienten. Viele von diesen Drehbuchautoren hatten seit der Machtübernahme von der »Arisierung« profitiert und sich hinter das neue Regime gestellt. Vielfach schrieben diese Autoren keine vordergründigen Propagandafilme, sondern arbeiteten an Unterhaltungsfilmen, die keine direkte politische Botschaft verbreiteten. Trotzdem war ihre Gestaltungsfreiheit durch Zensur und andere Kontrollmaßnahmen des Regimes eingeschränkt. Durch ihre Mitarbeit stützten sie direkt und indirekt die NS-Kulturpolitik. Dabei reichte das Spektrum dieser Drehbuchautoren von »Parteisoldaten« über opportunistische Mitläufer bis zu den Autoren, die sich in die »innere Emigration«324 zurückzogen. Die ambivalente Haltung der in Deutschland tätigen Autoren, die weder die enge Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten noch die tatsächliche Emigration als Lösung wählten, war mit zahlreichen Schwierigkeiten und Repressionen verbunden. Die innere Emigration manifestierte sich in verschiedenen Spielarten und »reichte von verhaltenem Anpassungswillen […] bis hin zur eindeutiger Regimekritik«325. Die Kluft zwischen der »inneren« und der »äußeren Emigration« als »[…] Opposition gegen Nationalsozialismus extra et intra muros […]«326, wie sie Thomas Mann im Jahr 1938 noch umschrieb, vergrößerte sich seit 1939 zunehmend. Beide Gruppen machten sich gegenseitig Vorwürfe und waren davon überzeugt, sich moralisch richtig verhalten zu haben. Die Diskussion kumulierte 324 | Der Begriff »innere Emigration« wurde erstmals 1946 von Karl O. Petel in seinem Werk zu anti-nationalsozialistischen Zeugnissen aus Deutschland verwendet, um dem Vorwurf der Täterschuld der gesamten deutschen Bevölkerung entgegen zu wirken. Ihre Rolle als Schriftsteller im Nationalsozialsozialismus wurde seit Mitte der 1960er Jahre verstärkt kritisch hinterfragt. Nach 1945 kam es zu einer regelrechten Spaltung emigrierte Autoren und derer, die im Land geblieben waren und meist nach 1945 im Literaturbetrieb erfolgreich blieben. Vgl. Schmollinger, Annette, »Intra muros et extra«. Deutsche Literatur im Exil und in der inneren Emigration. Ein exemplarischer Vergleich, Heidelberg 1999 (=Beiträge zur neueren Literaturgeschichte Bd. 161), S. 3-6, 18f, 27f und Kroll, Frank-Lothar, Intellektueller Widerstand im Dritten Reich. Möglichkeiten und Grenzen, in: Kroll, Frank-Lothar / Voss, Rüdiger von (Hrsg.), Schriftsteller und Widerstand. Facetten und Probleme der »Inneren Emigration«, Göttingen 2012, S. 13-44. 325 | Kroll, Frank-Lothar, Intellektueller Widerstand im Dritten Reich, S. 20f. 326 | Zimmermann, Hans Dieter, »Innere Emigration«. Ein historischer Begriff und seine Problematik, in: Kroll, Frank-Lothar / Voss, Rüdiger von (Hrsg.), Schriftsteller und Widerstand. Facetten und Probleme der »Inneren Emigration«, Göttingen 2012, S. 45-63, hier S. 45.
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nach 1945 in der »großen Kontroverse« um Thomas Mann, der die im nationalsozialistischen Deutschland gebliebenen Autoren kritisierte und gleichzeitig den Ruf, nach Deutschland zurückzukehren, ablehnte.327 Zur Gruppe der inneren Emigranten zählte auch der Schriftsteller Frank Thiess, der den Begriff bereits 1933 für sich reklamiert hatte328 und als Nationalkonservativer gegen emigrierte Kollegen wetterte. Er relativierte seine Ansichten zur moralischen Überlegenheit der »Daheimgebliebenen« auch nach 1945 kaum. Damit verspottete er die Not der geflohenen Intellektuellen. Er unterstellte diesen, sie entspannten sich an französischen Badeorten, während in Deutschland Nazi-Aufmärsche tobten. Thiess war seit 1933 immer wieder mit dem NS-Regime in Konflikt geraten: 1933 wurden zwei seiner Werke bei der Bücherverbrennung vernichtet und sein Roman Das Reich der Dämonen verboten. Am bekanntesten dürften seine Drehbücher zu den Filmen Der Weg zu Isabel (1939) und Der Grüne Kaiser (1939) gewesen sein. Der Weg zu Isabel war nach der Romanvorlage von Thiess entstanden, die Verfilmungsrechte und das Drehbuch brachten ihm hohe Honorare ein.329 Gleichwohl sah er das Drehbuchschreiben als Pflichtübung an, die ihn von seinem schriftstellerischen Schaffen abhielt. Er beklagte sich über den Boykott seiner Bücher, war jedoch stolz, dass er im Film zu den Spitzenautoren zählte. Thiess übernahm nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik diverse Ehrenämter und Funktionen. Er war beispielsweise Vize-Präsident der »Deutschen Akademie der Wissenschaften«. Er wurde von der Kritik, meist von alten Weggefährten wie dem Drehbuchautor Walther von Hollander, für sein literarisches Schaffen gelobt.330 Neuere Forschungen zeigen, dass die meisten seiner Werke während des Nationalsozialismus ungehindert im Verkehr waren und in relativ hohen Auflagen erschienen.331 Mit Hans Friedrich Blunck, dem Präsidenten der Reichsschrifttumskammer und einem der erfolgreichsten NS-Autoren, war er freundschaftlich verbunden gewesen. Andere Autoren der inneren Emigration wie der mit Publikationsverbot belegte Erich Kästner wurden 1933 sofort aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Das Drehbuch zum bekannten aufwändigen Jubiläumsfilm der UFA, 327 | Vgl. Schmollinger, Annette, »Intra muros et extra«, S. 20-23. 328 | Vgl. Van Linthout, Ine, Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik. zugl. Univ. Diss., Berlin-Boston 2012, S. 248f und Schütz, Erhard, Frank Thiess – Skizze eines nationalrevolutionären Erfolgsautors, in: Zeitschrift für Germanistik (1998) H. 1, S. 65-82, hier S. 65. 329 | Vgl. Schütz, Erhard, Lebensführer zum Gott-Tier. Frank Thiess – Skizze eines nationalrevolutionären Erfolgsautors, S. 65. 330 | Vgl. Zimmermann, Hans Dieter, »Innere Emigration«. Ein historischer Begriff und seine Problematik, S. 57. 331 | Mit Ausnahme der erst verbotenen und 1933 wieder freigegebenen Titel F rauenraub und D ie V erdammten . Vgl. ebd., S. 67-71.
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Münchhausen (1942), verfasste er unter dem Pseudonym »Berthold Bürger«. Durch eine Ausnahmegenehmigung des Propagandaministeriums war es ihm möglich, weiter zu veröffentlichen. Kästners literarisches Talent und seine Drehbuchautorentätigkeit waren für das System nützlich. Goebbels und der Herstellungsgruppenleiter des Filmstudios, Eberhard Schmidt, waren voll des Lobes für seine Arbeit. 1947 stellte Kästner dann Schmidt einen »Persilschein« aus. Die Arbeit am Filmset war für Kästner notwendiges Übel und willkommener Zusatzverdienst. Da seine Mutter schwer krank war, kam für ihn die Flucht aus Deutschland nicht infrage. Kästner hatte bereits 1931 an einigen Drehbüchern zu Das Ekel und Dann schon Lieber Lebertran mitgearbeitet. Zu Beginn seiner Drehbucharbeit hatte er noch künstlerisches Mitspracherecht geltend machen können. Verfilmungen seiner Werke wie Emil und die Detektive (1931) wurden zu Kassenerfolgen. Im Jahr 1934 und 1935 konnte Kästner zumindest Verfilmungsrechte seiner Romane ins Ausland verkaufen, nachdem die Verfilmung von Das Fliegende Klassenzimmer zunächst von den Nazis unterbunden worden war.332 Als Hitler erfuhr, dass Kästner unter Pseudonym beim Film arbeitete, kritisierte er Goebbels für seine nachgiebige Haltung und belegte Kästner im Jahr 1943 mit einem erweiterten Publikationsverbot für das Ausland und unterband seine Tätigkeit als Drehbuchautor. Die Reichsschrifttumskammer entzog Kästner daraufhin die Schreiberlaubnis.333 Am Kriegsende setzte sich Kästner mit seinem Filmteam, deren Familienmitgliedern und Herstellungsleiter Schmidt zu angeblichen Dreharbeiten nach Tirol ab und konnte somit dem direkten Kriegsschauplatz in Berlin entkommen.334 Im Folgenden sollen die Drehbuchautoren Erich Ebermayer und Thea von Harbou als zwei herausragende ideologisch konforme Vertreter des Drehbuchautorenberufs während des Nationalsozialismus näher vorgestellt werden. Beide passten sich an das NS-Regime auf ihre Weise an und blieben diesem bis zuletzt treu. Harbou hatte in ihren Romanen und Drehbüchern schon während des Ersten Weltkrieges der nordischen Rasse und ihrer Kampf bereitschaft unter Nutzung von Blut-und-Boden-Analogien gehuldigt.335 Mit dem Zweiteiler Die Nibelungen (1924) nahm sie ihre pathetisch-nationalistischen Großfilmprojekte der NS-Zeit vorweg. Harbous Werke nach 1933 wurden im Sinne der NS-Weltanschauung angefertigt.336 So verfasste Harbou das Drehbuch zum Fridericus-Rex-Film Der Alte und der Junge König (1935), der das »Führerprinzip« anschaulich illustrierte. Sein Regisseur Hans Steinhoff inszenierte den propagandistischen 332 | Vgl. Tornow, Ingo von, Erich Kästner und der Film, München 1998, S. 8f. 333 | Für Bühnenstücke benutzte Kästner das Pseudonym Eberhard Förster. Vgl. Van Linthout, Ine, Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik, S. 9-11. 334 | Vgl. Tornow, Ingo von, Erich Kästner und der Film, S. 11f. 335 | Vgl. Bruns, Karin, Kinomythen 1920-1945, S. 12-17. 336 | Vgl. Bruns, Karin, Talking Film. Writing Skills and Film Aesthetics in the Work of Thea von Harbou, S. 139-152.
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Jugendfilm Hitlerjunge Quex (1933). Harbou arbeitete regelmäßig mit Vorzeigeregisseuren des NS-Regimes wie Veit Harlan (Der Herrscher) zusammen. Aus der eigentlich unpolitischen Vorlage von Hauptmanns Vor Sonnenuntergang wurden durch Harbou ein NS-Propagandafilm und eine Ode an den Kriegseinsatz. Harbous Dialoge waren im NS-Jargon geschrieben und rühmten die deutsche »Volksgemeinschaft«. Harbou war in ihrer Funktion als »Spielleiterin«, also Leiterin der Dramaturgie-Abteilung, eine wichtige Figur bei der Verbreitung der NS-Ideologie und galt als linientreue Schriftstellerin. Die Filmprüfstelle verwies bei strittigen Zensur-Fragen gern auf die Vorzeige-Drehbuchautorin, wenn es darum ging, Passagen in systemkonforme Formulierungen umzuarbeiten.337 Ihre herausragende Stellung im NS-Staat drückte sich bereits deutlich in ihrem Spitzengehalt von mehr als 100.000 Reichsmark pro Jahr aus.338 Harbou war 1941 angeblich nur in die NSDAP eingetreten,339 um sich um kriegsgefangene Inder kümmern zu können, denn ihr zweiter Ehemann Ayi Tendulkar war selbst indischer Herkunft. Das Urteil über Harbous Beteiligung am NS-System ist jedoch eindeutig: »Zweifel am NS-System kamen der selbst zweimal Ausgebombten dabei nicht, denn hauptberuflich lieferte Thea von Harbou dem Regime bis zuletzt Drehbücher zur geistigen Kriegsführung. Sie gehörte damit zu jener – allerdings im Schwinden begriffenen – Gruppe offizieller, dennoch streng kontrollierter Filmautoren, die der Leiter der Filmabteilung im Propagandaministerium noch Ende 1944 glaubte, ermahnen zu müssen: ‚Nicht lockerlassen, sondern unermüdlich auf die geringe Zahl geeigneter Autoren und Dramaturgen einwirken und diese Kreise schärfstens sieben!‘ […].« 340
Harbou bezog noch im April 1945 ein Honorar für ihr Drehbuch am bis heute verschollenen, letzten Film des »Dritten Reichs« mit dem vielsagenden Titel Das Leben geht Weiter. Nach einer Internierung im Juli 1945 wurde sie mit einem Berufsverbot belegt und arbeite zeitweise als Bauhelferin. Seit 1949 arbeitete sie wieder im Filmgeschäft mit.341 Als 1954 auf den IV. Berliner Filmfestspielen Fritz Lang und Harbou mit einer Retrospektive gewürdigt wurden, wollte Harbou nach der Vorführung von Der Müde Tod eine Dankesrede halten. Dabei stürzte sie unglücklich und verstarb zwei Tage später an inneren Verletzungen.342 337 | Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, München 2002, S. 234-237. 338 | Vgl. ebd. S. 238-242. 339 | Vgl. Schlatter Binswanger, Georg H., ‚Harbou, Thea (Gabriele) von», in: Feilchenfeldt, Konrad (Hrsg.), Deutsches Literaturlexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisches und bibliographisches Handbuch, Bd. 14, Berlin-New York 2010, S. 166-170. 340 | Sigmund, Anna Maria, S. 243. 341 | Vgl. ebd., S. 243-246. 342 | Vgl. Keiner, Reinold, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, 2. Aufl., Hildesheim-Zürich-New York 1991 (=Studien zur Filmgeschichte Bd. 2), S. 306.
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Preise und Prädikate sollten für Drehbuchautoren Anreize schaffen, dem NS-System künstlerisch und ideologisch zu dienen. Im Jahr 1936 erhielt der Film Traumulus den »Nationalen Filmpreis« und galt somit als politisch und künstlerisch besonders wertvoll. Der Fall des Traumulus-Drehbuchautors Erich Ebermayer steht für einen Künstler mit einer bemerkenswert opportunistischen Haltung inklusive ambivalenter Zwischentöne. Der Werdegang Ebermayers zeugt von Anpassungsversuchen mithilfe persönlicher und sozialer Kontakte und von diversen Unsicherheiten bezüglich der Zensurpraxis in der Anfangsphase der NS-Diktatur. Ebermayers Romane waren im Nationalsozialismus durchaus umstritten und seine persönliche Haltung nach dem Ende des »Dritten Reichs« war von dem Versuch geprägt, sich selbst als Opfer der Diktatur zu stilisieren. Gegen diese Opferthese spricht, dass Ebermayer nach 1945 als Verteidiger von Emmy Göring auftrat, Gustaf Gründgens als Hauptentlastungszeuge juristisch beriet und Emil Jannings, dem Hauptdarsteller in Ohm Krüger, einen Persilschein ausstellte.343 Ebermayer wurde 1900 geboren und stammte aus großbürgerlichem Hause. Im Jahre 1921 wurde er einer der jüngsten Anwälte Deutschlands. Die Familie unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu den Manns, zu Gerhard Hauptmann und zur Filmwelt.344 Ebermayer arbeitete als freischaffender Schriftsteller und wurde später Drehbuchautor. Seine politische Einstellung dürfte dabei eher demokratisch gewesen sein. Er lebte recht offen homosexuell mit einem festen Partner zusammen. Obwohl er vom Schwarzen Korps, der Zeitung der NS-Schutzstaffeln, wegen seiner sexuellen Orientierung angegriffen wurde, konnte er im »Dritten Reich« als Schriftsteller und Drehbuchautor beinahe unbehelligt arbeiten. Seit der Machtergreifung war Ebermayer zwar gefährdet, wurde aber durch seine familiären Bande geschützt, denn sein Vetter Phillip Bouhler arbeitete in der Leitung der Reichskanzlei des »Führers«. Diese guten Beziehungen brachten Ebermayer schließlich eine Anstellung als Drehbuchautor bei der UFA ein.345 Schon während seiner juristischen Dissertation im Jahr 1923 zum italienischen Strafrecht hatte Ebermayer regelmäßig Dramen und Novellen veröffentlicht, bis er 1928 die Aufmerksamkeit des Verlegers Paul Zsolnay weckte, der ihn unter Vertrag nahm. So erschien 1929 der Roman Kampf um Odilienberg, der noch von der bayerischen Staatspolizei in der Weimarer Republik, wohl wegen seiner zu expliziten Schilderungen, beschlagnahmt wurde. Auch das nächste Werk Jürgen Ried oder die tiefe Kluft stand 1935 auf der »Ersten Liste des unerwünschten und schädlichen NS-Schrifttums« und begründete den Ruf Ebermayers als »Asphalt-Lite343 | Vgl. Klee, Ernst, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 125. 344 | Vgl. Haury, Harald, Urlaub vom Kopfe? Johannes Müller (1864-1949) und die religiös-politische Wirkung Elmauer Sommerfrischen, in: Graf, Friedrich Wilhelm (Hrsg.), Intellektuellen-Götter. Das religiöse Laboratorium der klassischen Moderne, München 2009, S. 56f und Klee, Ernst, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 125. 345 | Vgl. Klee, Ernst, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 125.
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raten« in NS-Kreisen.346 Sein dritter Roman Werkzeug in Gottes Hand kam zwar nicht auf den NS-Index,347 allerdings entwickelte sich Ebermayer zu einem Problemkind des Verlags, denn er war politisch unter Beschuss geraten und versuchte offensiv, mittels seiner persönlichen Kontakte seine NS-Gesinnung und Linientreue zu beweisen. Nach dem Kriegsende versuchte Ebermayer aus diesem Umstand heraus seine »Opferrolle« und innere Emigration zu begründen, wobei er aber verschwieg, dass er alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um die Indexierungen und politischen Anfeindungen während des Nationalsozialismus gegen ihn rückgängig zu machen.348 Zum bevorstehenden Verbot seines Romans Fall Claasen schrieb Ebermayer danach an seinen Verleger: »Sobald ich Nachricht betreffs des Buchhändler-Börsenblattes habe, werde ich mich direkt an Herrn Reichsminister Goebbels und an Reichsleiter Bouhler wenden, da ja von diesen beiden Stellen ausdrücklich der Abdruck meines Romans für völlig unbedenklich erklärt wurde […].« 349
Im Anschluss daran versuchte Ebermayer, seinen indexierten Roman Kampf um Odilienberg mit stichhaltigen Argumenten wieder verkehrsfähig zu machen. Er fühlte sich offenbar durch seine persönlichen Kontakte sicher und wandte sich mit seinem Anliegen Ende 1935 persönlich an die Reichsschrifttumskammer mit der Bitte, das Buch gründlich überarbeiten zu dürfen. Nach der negativen Antwort und dem Verbot für eine Neuauflage unternahm Ebermayer keine weiteren Schritte mehr.350 Erst nach 1938 setzte sein literarischer Erfolg wirklich ein. Seine wichtigsten Drehbücher waren Vorlagen für die Filme Traumulus (1935) und Madame Bovary (1937) gewesen. Insgesamt war die Karriere Ebermayers im »Dritten Reich« nicht gerade stromlinienförmig verlaufen. Er lieferte meist Vorlagen für Komödien und Lustspiele, die nicht in die Kategorie der politischen Propaganda fielen. Generell war nach 1933 zu beobachten, wie sehr Ebermayer versuchte, sich an die neuen Gegebenheiten und Zensurvorschriften zu halten und im Sinne Goebbels und des Propagandaministeriums zu agieren. Ein Verhalten, das aus Sicht eines Autors durchaus verständlich war, der alles darum gab, seine Werke doch noch veröffentlichen zu können. Nachdem er seit 1933 als Dramaturg am Leipziger Schauspiel gewirkt hatte, stieg er 1936 beim Film ein, wo er bis 1944 blieb. Seine Position 346 | Vgl. Hall, Murray G., Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil, Tübingen 1994 (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur Bd. 45), S. 589. 347 | Vgl. ebd., S. 597-600. 348 | Vgl. ebd., S. 603-608. 349 | Ebd., S. 611. 350 | Vgl. ebd., S. 612.
Innere Emigration, Oppor tunismus und Par teitreue
als Vorsitzender des gleichgeschalteten »Verbandes deutscher Tonfilm-Autoren« erscheint in der Rückschau wie eine Wiedergutmachung für die Indexierungen und ein Versuch der Ruhigstellung des zwar umstrittenen, aber persönlich gut vernetzten und mit hohen Auflagen belohnten Schriftstellers. Ebermayer kann als typischer Opportunist und anpassungsfähiger Funktionär charakterisiert werden. Er selbst arrangierte sich schnell mittels persönlicher Beziehungen im NS-Regime und war spätestens seit 1938 dessen Nutznießer, als er beim Filmbetrieb als Drehbuchautor zu arbeiten begann und Kulturfunktionär wurde. Er verdiente etwa 20.000 Reichsmark pro Drehbuch. Homosexuelle Kulturschaffende wie Ebermayer waren in der NS-Filmindustrie ein durchaus bekanntes Phänomen und wurden geduldet, wenn sie ihre Sexualität im Verborgenen auslebten und nicht von der Polizei erwischt wurden. Grundsätzlich wurde Homosexualität von den Machthabern als »dekadentes Verhalten« und »Krankheit« eingestuft und sexuelle Handlungen zwischen Männern nach Paragraf 175 als Straftat geahndet.351 Die Reichskulturkammer verfuhr jedoch gegenüber Homosexuellen nicht mit drakonischen Maßnahmen. Trotz Schuldspruchs oder verhängter Ordnungsstrafen wurden sie nicht aus der jeweiligen Kulturkammer ausgeschlossen.352 Interne Direktiven des Propagandaministeriums informierten die Vorsitzenden der Kammern darüber, dass Künstler mit Straftatbeständen bezüglich des Paragrafen 175, die mit Strafen unter sechs Monaten geahndet worden waren, in der Reichskulturkammer verbleiben dürften. Die Kulturkammern entwickelten ein eigenständiges Disziplinarverfahren, welches je nach Schweregrad des Vergehens bestimmte Maßnahmen ergriff. So wurde auch die Homosexualität des Regisseurs und Schauspielers Gustaf Gründgens als offenes Geheimnis zumindest toleriert, um dem Regime kein peinliches öffentliches Exempel zu liefern. In diesem Sinne erließ Heinrich Himmler im Oktober 1937 eine Direktive, die besagte, dass die Polizei ihn um seine Zustimmung zu bitten habe, bevor sie einen Künstler auf Basis des Paragrafen 175 festnehmen wollte.353 Der Werdegang Ebermayers zeigt, dass die NS-Kulturpolitik durch einen hohen Grad an struktureller und organisatorischer Unsicherheit, durch Unkalkulierbarkeit und »politische Improvisationskunst«354 geprägt war, was dem Regime gerade in seiner Frühphase durch die Mischung aus drakonischen, undurchsichtigen Zensurmaßnahmen, widersprüchlichen Zuständigkeiten und persönlichen Begünstigungen eine gewisse Stabilität verliehen hatte. Die Künstler waren von den radikalen Umbrüchen und wechselnden Anweisungen offenbar genauso 351 | Der Paragraf 175 des deutschen Strafgesetzbuches existierte vom 1.1.1872 bis zum 11.6.1994. Die Problematik wurde bereits 1919 im Film Anders als die Andern (Drehbuch: Magnus Hirschfeld und Richard Oswald) aufgegriffen. 352 | Vgl. Steinweis, Alan E., Art, Ideology & Economics in Nazi Germany, S. 129. 353 | Vgl. ebd., 129f. 354 | Dahm, Volker, Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer, S. 83.
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überrascht wie die Kulturfunktionäre. Eine Überlebensstrategie war dabei die von Ebermayer, der versuchte, durch persönliche Seilschaften und die Bekundung guten Willens ein Arrangement mit dem NS-Regime zu erreichen. Diese Elastizität der Reichskulturkammer, die auf dem schwammigen Kriterium der »arischen Zuverlässigkeit« beruhte, wurde in diesem Fall offensichtlich. Andere Drehbuchautoren, die sich ähnlich wie Ebermayer in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt hatten, waren Felix Lützkendorf und Gerhard Menzel. SS-Obersturmführer Lützkendorf war seit 1936 Chefdramaturg der Berliner Volksbühne. Mit seinem polenfeindlichen Stück Grenze von 1933 und Drehbüchern zu … über Alles in der Welt oder dem propagandistischen Fliegerepos Stukas war er ein herausragender Mitarbeiter der NS-Filmindustrie und insbesondere für den politischen Propagandafilm zuständig.355 Gerhard Menzel unterzeichnete bereits 1933 das Treuegelöbnis »88 deutsche Schriftsteller für Adolf Hitler«. Er verfasste das Drehbuch zum Kriegsfilm Morgenrot (1933), der in Hitlers Anwesenheit uraufgeführt wurde, und verarbeitete im Drehbuch zu Flüchtlinge (1933) das Schicksal der geflüchteten Wolgadeutschen und Chinesen während der Mandschurei-Krise, die von einem deutschstämmigen Offizier in chinesischer Uniform nach Peking begleitet und vor den Russen beschützt werden. Weitere Arbeiten Menzels waren die Skripte zu Mutterliebe (1939) und zu Heimkehr (1941), letzteres sollte den Überfall auf Polen rechtfertigen. Wegen seiner Verdienste um den NS-Film vergab Goebbels an Menzel im Dezember 1940 50.000 Reichsmark Extrahonorar. Nach dem Kriegsende arbeiteten Menzel und Lützkendorf in der Bundesrepublik weiter. Nach dem Krieg erlangte Menzel durch sein Buch zum Skandalfilm Die Sünderin (1950) nochmals öffentliche Aufmerksamkeit.356 Es ist in der Rückschau schwer auszumachen, ob ein Filmautor linientreuer Nationalsozialist war oder nur wegen des politischen Drucks und zu seinem persönlichen Schutz Auftragsarbeiten für Propagandafilme annahm. Da die unterhaltenden Filme zahlreicher waren als genuine Propagandafilme, blieben Spielräume. Tatsächlich transportierten auch Unterhaltungsfilme unterschwellig ideologische Botschaften. Ob und wie diese beim Publikum rezipiert wurden, ist auf der Medienwirkungsebene kaum rekonstruierbar. Allerdings waren der Film wie auch das Radio für Goebbels die wesentlichen Massenbeeinflussungs- und Propagandamittel und somit in ihrer Funktion als Ablenkungs- und Unterhaltungsmittel besonders seit Kriegsausbruch die wichtigsten Medien, um die deutsche Gesellschaft hinter der politischen Führung zu einen.357
355 | Vgl. Klee, Ernst, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 381. 356 | Vgl. ebd., S. 405. 357 | Vgl. Van Linthout, Ine, Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik, S. 39f.
Innere Emigration, Oppor tunismus und Par teitreue
Wenn Hanns Johst als Präsident der Reichsschrifttumskammer Schriftsteller als »Kultursoldaten Adolf Hitlers«358 bezeichnete, so war das eine Aufforderung und ein Wunsch. Neben den opportunistischen Autoren und einer großen Gruppe fanatischer NS-Schriftsteller blieben jene, die die innere Emigration als Lösung ihres Dilemmas gewählt hatten. Viele der im NS-Regime tätigen Schriftsteller benutzten diese Begründung nach Kriegsende, um nicht gesellschaftlich geächtet zu werden. Bei manchen ist in der Rückschau allerdings fraglich, ob sie in die innere Emigration gegangen waren. Für hauptberufliche Drehbuchautoren zwischen 1933 und 1945 war es jedenfalls im Grunde unmöglich, keine propagandistischen Auftragsarbeiten anzufertigen. Andernfalls hätten sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Viele Autoren mussten sich nicht besonders verbiegen, denn nationalistische und rassistische Einstellungen waren spätestens seit dem Ersten Weltkrieg im gesellschaftlichen und kulturellen Leben Deutschlands verwurzelt.359 Wenn die Schriftsteller sich dieser NS-Doktrin nicht unterordnen wollten, blieb ihnen nur die Aufgabe des Berufs oder das Exil. Erhebliche persönliche Folgen hatte die Gleichschaltung des Kulturbetriebs zum Beispiel für den ehemaligen Syndikus des »Verbandes deutscher Filmautoren« Wenzel Goldbaum, der sich als Urheberrechtspezialist um die Drehbuchautoren, Dramatiker, Komponisten und deren geistiges Eigentum verdient gemacht hatte. Goldbaum floh 1933 mit seiner Familie nach Paris und wanderte von dort nach Ecuador aus. Bis zu seinem Tode im Jahr 1960 veröffentlichte er regelmäßig zu internationalen Urheberrechtsfragen in der Zeitschrift der Berner Urheberrechtskonvention droit d’auteur und vertrat Ecuador auf der copyright convention in Washington im Jahr 1946.360 Einige in Deutschland gebliebene Berufsvertreter arbeiteten nur noch nebenberuflich als Schriftsteller und verdienten ihr Geld mit anderen Tätigkeiten. Es war unter Schriftstellern jedoch Usus, für nationalsozialistische Presseerzeugnisse zu schreiben, um die eigene materielle Existenz zu sichern.361
358 | Richard, Lionel, Deutscher Faschismus und Kultur, S. 123. 359 | Vgl. ebd., S. 125f. 360 | Biografische Daten: Eintrag, »Goldbaum Wenzel«, in: Munzinger-CD-ROM-Archiv, Internationales Biographisches Archiv 38/1960 vom 12.9.1960. Wichtige Werke Goldbaums waren unter anderem Goldbaum, Wenzel, Tonfilmrecht, Berlin 1929 und Goldbaum, Wenzel, Derecho de Autor Panamericano. Estudio Comparativo, Quito 1943. 361 | Vgl. ebd., S. 211-213.
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K ontrolle der D rehbuchautorenausbildung und F ilmzensur 1934 beschäftigte sich eine mehrteilige Reihe im Fachmagazin Der Kinematograph mit der Geschichte des Filmmanuskripts.362 Der Autor der Reihe, Rudolf Kurtz, nannte als wichtigen Wegbereiter des Drehbuchautorenberufs Phillip Wegner, der das Szenarium zu Der Student von Prag, einem der ersten Autorenfilme Deutschlands, entworfen hatte.363 Kurtz war selbst Drehbuchautor und hatte bereits 1915 mit Regisseur Max Mack als Dramaturg am Film Der Katzensteg gearbeitet. 1917 verfasste er die Drehbücher für den Abenteuerfilm Das Rätsel von Banglador und Der Weisse Schrecken. In den 1920er Jahren arbeitete er vorwiegend als Kritiker und Essayist, war Chefredakteur der Lichtbild-Bühne und beschäftigte sich mit dem expressionistischen Kino.364 In seiner Reihe gab er eine gute Übersicht über die technische wie inhaltliche Entwicklung des Filmmanuskripts. Seit der Umstellung auf den Tonfilm seit Ende der 1920er Jahre zeichnete sich eine Spezialisierung der Drehbuchautoren im Rahmen der arbeitsteiligen Filmherstellung ab. Einige Autoren konzentrierten sich wie in den USA auf Dialoge, andere mehr auf die Ideenentwicklung und Handlungskonstruktion. Seit 1931 entwickelte sich die Tätigkeit des Tonfilm-Manuskriptschreibers zu einer besonderen Tätigkeit oder beruflichen Spezialität, die sehr gut bezahlt wurde.365 Der erste deutsche Tonspielfilm Das Land ohne Frauen wurde am 30. September 1929 uraufgeführt.366 Doch bis Mitte der 1930er Jahre war es offenbar keine Selbstverständlichkeit, einen hauptberuflichen Drehbuchautor heranzuziehen. Seit 1930 zeichnete sich eine Tendenz zu Massen- und Kostümfilmen ab. Die Filmfirmen griffen häufiger als sonst auf erfolgversprechende literarische Vorlagen zurück 367 und adaptierten mehr Werke als zuvor. Das hing bis zu einem gewissen Grad mit der durch politische Unsicherheit bedingten Vermeidung zeitgenössischer Stoffe zusammen, um etwaigen Eingriffen der Zensur zu entgehen.
362 | Die achtteilige Serie beginnt mit folgendem Beitrag: Kurtz, Rudolf, Filmhistorische Rundschau. Die Geschichte des Filmmanuskripts (1. Teil der Reihe), in: Der Kinematograph, Bd. 28 (1934) H. 55, o. S. 363 | Vgl. Kurtz, Rudolf, Filmhistorische Rundschau. Die Geschichte des Filmmanuskripts (4. Teil der Reihe), in: Der Kinematograph, Bd. 28 (1934) H. 60, o. S. 364 | Vgl. Kurtz, Rudolf, Expressionismus und Film. Nachdruck org. Ausgabe von 1926, Zürich 1965 (=Filmwissenschaftliche Studientexte Bd. 1). 365 | Vgl. Boehmer, Henning von / Reitz, Helmut, Der Film in Wirtschaft und Recht. Seine Herstellung und Verwertung, Berlin 1933, S. 22-25. 366 | Vgl. Eckert, Gerhard, Gestaltung eines literarischen Stoffes in Tonfilm und Hörspiel, Berlin 1936, S. 13f. 367 | Circa 50 Prozent der 1935 gedrehten Filme waren Adaptionen literarischer Werke. Vgl. Eckert, Gerhard, Gestaltung eines literarischen Stoffes, S. 43-45.
Kontrolle der Drehbuchautorenausbildung und Filmzensur
Grundsätzlich fehlte es seit 1933 an Originalmanuskripten und hauptberuflichen Drehbuchautoren, die den Film als eigenständige Kunstgattung weiterentwickeln und ihn aus seiner Nähe zur Literatur lösen konnten.368 Der Mangel an filmischem Personal hatte durch die »Arisierung« des Filmbetriebs Mitte der 1930er Jahre einen neuen Tiefstand erreicht. Zudem fehlte es an neuen, systemkonformen Stoffen, denn die Liste sogenannter »schädlicher« Literatur wurde immer länger. Die Tatsache, dass insgesamt 477 deutschsprachige Filmkünstler seit 1933 in die USA ausgewandert waren und davon circa 85 als haupt- und nebenberufliche Drehbuchautoren, Stoffentwickler oder auch Drehbuchverfasser dort tätig waren, lässt die Tragweite der Vertreibung der überwiegend jüdischen Filmschaffenden aus Deutschland ermessen. Etwa die Hälfte der emigrierten Schriftsteller begannen erst im Exil im Filmbereich zu arbeiten, weil das Drehbuchschreiben als Beruf eine leichte Einstiegsmöglichkeit in die Filmbranche Hollywoods darstellte. Regie-, Kamera- und Produzentenstäbe waren hingegen durch feste Vertragsarbeiter der Studios besetzt. Von 85 exilierten Filmautoren waren schätzungsweise 40 bis 50 schon vor der Übersiedlung in die USA als Drehbuchautoren in der deutschen Filmindustrie tätig.369 Unter den emigrierten deutschsprachigen Filmkünstlern, die bereits haupt- oder nebenberuflich als Drehbuchautoren370 in Deutschland und Österreich gearbeitet und schöpferische Beiträge für den Film geliefert hatten, mussten insgesamt knapp 50 auswandern.371 Darunter waren prägende Koryphäen wie Carl Zuckmayer, Franz Schulz, Albrecht Joseph, Heinz Goldberg, Adolf Lantz, Walter Reisch, Vicki Baum, Arnold Lippschütz, Curt Siodmak, Willy Haas und Robert Liebmann gewesen.372 Der etablierte Drehbuchautor und UFA-Dramaturg Robert Liebmann wurde allerdings schon im von den Nationalsozialisten besetzten Frankreich festgenommen und 1942 in Auschwitz ermordet. Diese vor allem jüdischen Schriftsteller, die für die Stoffentwicklung nötig waren, mussten nun durch qualifizierten Nach-
368 | Vgl. ebd., S. 20f. 369 | Vgl. Boehmer, Henning von / Reitz, Helmut, Der Film in Wirtschaft und Recht, S. 22-25. 370 | Arnheim zählt etwa 20 jüdische Manuskriptautoren auf, die sich besonders um den deutschen Film verdient gemacht hatten. Vgl. Arnheim, Rudolf, Film, in: Kaznelson, Siegmund (Hrsg.), Juden im Deutschen Kulturbereich, 3. Aufl., Berlin 1962, S. 220-241, hier S. 237f. 371 | Die Zahlen beruhen auf einer Auswertung der Bio-Filmografie im Anhang von Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood, S. 46-154. 372 | Die Zahlen ergeben sie aus einer quantitativen Auswertung der Einträge bei Weniger, Kay, ‚Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …‘. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, Hamburg 2011 und Arnheim, Rudolf, Film, S. 237f und Offermanns, Ernst, Die deutschen Juden und der Spielfilm, Frankfurt am Main 2005, S. 108f.
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wuchs oder linientreue Autoren der zweiten Reihe ersetzt werden, damit die deutsche Filmindustrie gegenüber Hollywood konkurrenzfähig blieb. Um die personelle Lücke auszufüllen, mussten Drehbuchautoren professionell und strukturiert ausgebildet werden. Eine formalisierte Ausbildung im Nationalsozialismus sollte technische, künstlerische und ideologische Kenntnisse vermitteln. Dafür plante Goebbels die Errichtung der »Deutsche Filmakademie«, die zukünftig den künstlerischen Nachwuchs für den Film zentral und politisch konform liefern sollte. Seit 1938 wurden an der Akademie 23 Kurse angeboten, zu denen auch das Drehbuchschreiben gehörte. Die Hochschulausbildung an der Filmakademie sollte einen hohen Grad an Expertise und Fachwissen zentral bereit stellen, um Deutschland in Europa die technische wie kommerzielle Vorherrschaft auf dem Gebiet des Films zu sichern und zumindest mit den USA auf Augenhöhe zu bleiben.373 Die »Deutsche Filmakademie« am Standort Potsdam-Babelsberg blieb die einzige zentrale Kunsthochschule, die von den Nationalsozialisten initiiert wurde und unterstrich die herausragende Rolle der Filmproduktion. Die Pläne dafür stammten von der nicht realisierten »Deutschen Filmhochschule« in Berlin, dem »Centro Sperimentale di Cinematografia« in Rom und der Filmhochschule VGIK in Moskau. Goebbels hatte bereits 1938 angekündigt, nach demselben Muster eine »Reichstheaterakademie« und eine »Reichsrundfunkhochschule« zu planen.374 Die Filmakademie sollte die Qualität deutscher Filme anheben und vereinheitlichen. Sie besaß drei Fakultäten: für Filmkunst, Filmtechnik und Filmwirtschaft. Im künstlerischen Bereich wurde Darstellung, bildende Kunst, Spielleitung, Dramaturgie und Filmmanuskript gelehrt. Das Aufnahmeverfahren war komplex und mehrstufig. An der künstlerischen Fakultät bestand die Lehrgruppe Dramaturgie, die unter anderem Filmdramaturgen und Filmautoren ausbildete. Grundsätzlich wurde zwischen den ordentlich Studierenden und Gasthörern unterschieden. NS-Größen wie Fritz Hippler, der als Regisseur gemeinsam mit Autor und NS-Kulturfunktionär Eberhard Taubert den antisemitischen Dokumentarfilm Der ewige Jude verantwortete, und Thea von Harbou sollten den NS-Filmnachwuchs ideologisch einwandfrei erziehen.375 Der Besuch der Akademie garantierte jedoch keinen Anspruch auf Anstellung. Die Hochschule war nicht dem Kultusministerium, sondern Goebbels Propagandaministerium direkt unterstellt. Ende 1942 wurde die Arbeit an der Filmakademie wegen der hohen finanziellen Belastungen des Krieges eingestellt.376 Die Absolventen hatten bis dahin kaum größere Bedeutung erlangt, ebenso wenig wie die Hochschule selbst, die bereits 1943 in
373 | Vgl. Welch, David / Winkel, Roel Vande, Europe’s New Hollywood?, S. 19-21. 374 | Vgl. Slansky, Peter C., Filmhochschulen in Deutschland, S. 123-128. 375 | Vgl. Drewniak, Bogusław, Der deutsche Film 1938-1945, S. 67-69. 376 | Vgl. Slansky, Peter C., S. 148-150.
Kontrolle der Drehbuchautorenausbildung und Filmzensur
einem UFA-Bildband nicht mehr erwähnt wurde.377 Die »Deutsche Filmakademie« war die erste Ausbildungsstätte mit einem Stipendiensystem, das eine Ausbildung im Sinne der NS-Elitenbildung für die Qualifizierung und Zulassung professioneller und ideologisch angepasster Filmkünstler entwickelte. Durch ihre Einrichtung lag neben der Berufsausübung auch die Berufsausbildung der Drehbuchautoren in der Hand des totalitären Staates. Nachdem 1942 die UFA mit den verbleibenden fünf Filmfirmen (Terra, Tobis, Bavaria, Wien-Film und Berlin-Film) zum UFI-Konzern fusioniert worden waren, unterwarf Goebbels den Film einer totalen Kontrolle.378 Die Drehbuchautoren waren schon länger Problemen mit der Vorzensur und den wechselnden Ansprüchen an ihren Beruf ausgesetzt. Laut UFA waren 1934 circa 95 Prozent der eingesandten Drehbücher unbrauchbar. Außerdem kamen die Autoren den Anforderungen und Vorschriften der Filmprüfstelle nicht nach und gaben nur halbfertige Drehbücher ab. Neben den Missständen, die offenbar in der Gestaltung der Drehbücher lag, rügte der »Reichsverband deutscher Schriftsteller« den schlechten Umgang mit den Drehbuchautoren. Es sei eine Zumutung, dass diese vielfach Bearbeitungen ihres Manuskripts hinnehmen müssten.379 Die beklagten Mängel sollten durch ein neues Filmautorenrecht behoben werden, das den Drehbuchautoren eine prozentuale Beteiligung an den Gewinnen der Filme einräumen würde. Man erhöhte so die Motivation, künstlerisch einwandfreie Werke zu schaffen.380 Das »Zuckerbrot« war also die versprochene Erhöhung der Vergütung und eine in Aussicht gestellte Tantieme anstelle eines einmaligen Honorars, die »Peitsche« war die Zensur, die die künstlerische Freiheit unterband. Die Forderung nach einer Tantieme für Filmautoren wurde von Erich Ebermayer, Justus Koch und weiteren siebzig Drehbuchautoren eingefordert, aber von Goebbels zurückgewiesen.381 Mit der Verstaatlichung der gesamten Filmproduktion und ihrer Ausrichtung auf das »Führerprinzip« wurde seit 1942 der »Reichsfilmintendant« als künstlerischer Leiter der nationalen Filmwirtschaft eingesetzt. Diese Position wurde zuerst von Fritz Hippler und seit 1944 von Hans Hinkel wahrgenommen.382 Letzterer hatte an führender Stelle an der sogenannten »Entjudung« der Reichskulturkammer mitgewirkt. Seit 1942 bedrohte er als Leiter der Filmabteilung unter anderem den Schauspieler Joachim Gottschalk mit der Deportation seiner Familie, wenn 377 | Vgl. ebd., S. 165-170. 378 | Vgl. ebd., S. 128-135. 379 | Vgl. o. A., Drehbuch, Regie und Filmdichter, in: Der Kinematograph, Bd. 28 (1934) H. 243, o. S. 380 | Vgl. o. A., Umbau der Filmverbände, in: Der Kinematograph, Bd. 28 (1934) H. 243, o. S. 381 | Vgl. o. A., Tantiemen. Ein halbes Jahr durchhalten, in: Der Spiegel (1951) H. 28, S. 39-40. 382 | Vgl. Welch, David / Winkel, Roel Vande, Europe’s New Hollywood?, S. 21.
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dieser sich nicht von seiner jüdischen Frau Meta scheiden ließe. Dieser Druck trieb das Ehepaar Gottschalk mit ihrem Sohn im November 1941 in den Suizid. 1947 hat Kurt Maetzig dieses tragische Schicksal auf der Grundlage von Hans Schweikarts Erzählung Es wird schon nicht so schlimm in dem Nachkriegsfilm Ehe im Schatten eindrucksvoll bebildert und damit einen der wenigen deutschen Nachkriegsfilme geschaffen, die sich explizit mit dem Thema der Judenverfolgung im Nationalsozialismus auseinandersetzten.383 Der Reichsfilmintendant konnte während des Krieges für die Produktion dringend benötigte Autoren von Wehreinsätzen freistellen. Auf der Liste der freizustellenden Autoren fand sich 1944 auch Thea von Harbou.384
D rehbuchautoren auf dem W eg zu einem N ormalvertr ag Obwohl Drehbuchautoren in Deutschland bereits eine anerkannte Berufsgruppe waren, standen sie immer wieder vor speziellen arbeits- und vertragsrechtlichen Problemen, die sich aus der arbeitsteiligen Herstellung des Films ergaben. Ähnlich wie ihre US-amerikanischen Kollegen klagten sie über niedrige Einmalzahlungen und Abgeltungshonorare sowie fehlende künstlerische Anerkennung ihrer Tätigkeit. In einer 1942 entstandenen Abhandlung zum Verhältnis von Drama und Spielfilm in der Froelich-Inszenierung Heimat (1938), an dessen Drehbuch auch der einstige Vorsitzende des Drehbuchautorenverbands Hans Brennert mitgewirkt hatte, wurde der Drehbuchautor gar als zweitrangiger Zuarbeiter und lediglich als Ideengeber hinter dem großen Regie-Genie Carl Froelich dargestellt. Der Drehbuchautor sei zwar »schöpferisches Individuum«, aber sein Produkt sei noch nicht als Form des Films anzusehen, dieser werde erst im Atelier durch den Regisseur gefertigt.385 Diese Argumentation war im Grunde rückschrittlich und vorausschauend zugleich. Sie huldigte der traditionellen Idee eines Alleskönners, der in der Frühzeit des Films noch die Rollen von Regisseur, Kameramann und Szenarist in einer Person vereinte und der wir in der Figur des Autor-Regisseurs dann im Autorenfilm der 1960er und 1970er Jahre wieder begegnen. In beiden Spielarten wurde die Existenz des Drehbuchautors und dessen künstlerischer Anteil am Filmwerk verleugnet oder zumindest hinter den Regisseur zurückgestellt, der nun zum eigentlichen »Filmautor« aufstieg.
383 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen einer »doppelten Bewältigung« des Nationalsozialismus. Der deutsche Spielfilm der Nachkriegszeit als Medium der Konstruktion des kollektiven Gedächtnisses. Ein historischer Vergleich, Ravensburg 2008, S. 39-42. 384 | Vgl. Reichsverband Deutsche Presse (RDS), Liste zugelassener Filmautoren, 1944, BArch R-103/93. 385 | Vgl. Rast, Josef, Drama und Spielfilm. Eine Studie, Olten 1942, S. 19f.
Drehbuchautoren auf dem Weg zu einem Normalver trag
Seit Mitte der 1920er Jahre forderten Schriftstellerverbände wie der »Verband deutscher Bühnenschriftsteller«, die urheberrechtliche Schutzfrist in Deutschland von dreißig auf fünfzig Jahre zu verlängern,386 um sie damit international zu harmonisieren387 und an die Richtlinien der revidierten »Berner Übereinkunft« anzupassen.388 Im Dezember 1934 wurde in Deutschland nach heftigen Debatten eine internationale Harmonisierung und Verlängerung der Schutzfristen auf fünfzig Jahre post mortem auctoris gegen den Widerstand der Verleger, des »Börsenvereins des deutschen Buchhandels« und der »Preußischen Akademie der Wissenschaften« durchgesetzt.389 Eigentlich sollte das gesamte Urheberrecht reformiert werden, über die Verlängerung der Schutzfrist hinaus wurden allerdings keine Fortschritte erzielt.390 Diese war jedoch für Autoren besonders wichtig, die nun länger Tantiemen auf ihre Werke bekommen konnten und deren Erben davon profitierten. Die Filmindustrie war dagegen an einer kurzen Frist interessiert, um Werke möglichst ohne finanzielle Entschädigung der Urheber nach deren Übergang in die Gemeinfreiheit verwenden und verfilmen zu können.391Grundsätzlich tendierten die Verfasser juristischer Abhandlungen zum Filmurheberrecht während des Na386 | Vgl. Alte Reichskanzlei, Eingaben betreffend den Schutz des geistigen Eigentums. Verband dt. Bühnenschriftsteller. Schutzfrist UrhR 30 oder 50 Jahre?, BArch R-43 I/824, S. 27-33. 387 | Vgl. Fischer, Ernst, Urheberrecht, in: Fischer, Ernst / Füssel, Stephan (Hrsg.), Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Die Weimarer Republik 1918-1933, Teil 1, München 2007, S. 83-97, hier S. 83 und Copinger, Walter Arthur, Law of Copyright. In Works of Literature, Art, Architecture, Photography, Music and the Drama, 7. Aufl., London 1936, S. 318-325. 388 | Seit dem 19. Jahrhundert hatte sich die Sichtweise, dass Autoren als Urheber ihrer kreativen Leistungen geistiges Eigentum immaterieller Güter geltend machen konnten, zunehmend durchgesetzt. In Deutschland führte das zu einer recht späten Kodifikation in zwei Urheberrechtsgesetzen, da die Einzelstaaten bis 1871 teils konkurrierende Verfahren benutzten. Vgl. Bettig, Ronald V., Copyrighting Culture. The Political Economy of Intellectual Property, Boulder 1996, S. 220-226 und Löhr, Isabella, Auf dem Weg zu einer global governance kultureller Güter. Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte in neuen Strukturen internationaler Zusammenarbeit (1886-1952). zugl. Univ. Diss., Leipzig 2008, insb. S. 42-44. 389 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, 30 oder 50? 50!, 1927, BArch, R 43 I/824, S. 48-200, hier S. 197-200 und Vogt, Ralf-M., Die urheberrechtlichen Reformdiskussionen in Deutschland während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, zugl. Univ. Diss., Frankfurt am Main-Berlin-Bern-Wien 2004, S. 301-311. 390 | Vgl. Kron, Friedhelm, Schriftsteller und Schriftstellerverbände. Schriftstellerberuf und Interessenpolitik 1842-1973, Stuttgart 1976, S. 138-146. 391 | Vgl. Koehne, Fritz, Verlängerung der Schutzfristen im Urheberrecht. Ihre Bedeutung für die Filmindustrie, in: Der Kinematograph, Bd. 29 (1935) H. 34.
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tionalsozialismus dazu, den Drehbuchautoren eine besondere Individualität und Urheberechtspersönlichkeit und die damit verbundenen moralischen Rechte abzusprechen. Eine prominente Forderung war, Drehbücher als »Betriebserfindungen« zu betrachten, die durch Werkverträge geschaffen würden.392 NS-Juristen wie Henning von Boehmer wandten sich gegen eine Überschätzung der Urheberrechtspersönlichkeit und warnten vor dem Einfluss der individualistischen Autorenvorstellung, die als französisch bezeichnet wurde.393 Der Jurist Boehmer hatte in der Rechtsabteilung der UFA gearbeitet, deren Geschäftsführer Alfred Hugenberg sein Schwiegervater war. In diesem Anstellungsverhältnis war Boehmer 1933 im Rahmen der nationalsozialistischen Arisierungswellen unter anderem für die Entlassung von »nicht-arischen« Mitarbeitern in der UFA verantwortlich gewesen. Um die soziale und wirtschaftliche Lage der Kulturschaffenden zu stärken, war seit Ende der 1920er Jahre die sogenannte »Reichskulturabgabe«394 im Gespräch.395 Dafür sollte der Buchverkaufspreis bereits gemeinfreier Werke um fünf Prozent erhöht und der Ertrag an die Autorenverbände und die Reichsregierung zwecks Kulturförderung ausgeschüttet werden. Diese Idee hatte sich trotz des massiven Einsatzes des »Schutzverbandes deutscher Schriftsteller« schon in der Weimarer Republik nicht durchgesetzt,396 da der »Börsenverein des deutschen Buchhandels« dagegen massiven Widerstand leistete.397 Die »Reichskulturabgabe« wurde durch Goebbels 1934 während der Diskussion um die Verlängerung 392 | Ähnlich der »Betriebserfindung«, die Ingenieure als Auftragsarbeit anfertigten und für die sie auch eine »Erfinderehre« beanspruchten. Vgl. Gispen, Kees, Die Patentgesetzgebung in der Zeit des Nationalsozialismus und in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland, in: Boch, Rudolf (Hrsg.), Patentschutz und Innovation in Geschichte und Gegenwart, Frankfurt am Main 1999, S. 85-99 und Seckelmann, Margit, Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich. 1871-1914, Frankfurt am Main 2006 (=Recht in der Industriellen Revolution Bd. 2), S. 380-398. 393 | Vgl. Boehmer, Henning von / Reitz, Helmut, Der Film in Wirtschaft und Recht. Seine Herstellung und Verwertung, Berlin 1933, S. 22-25 und 92-120. 394 | Das Konzept erinnerte an heute gemachte Vorschläge für eine »Kulturflatrate«, die seit den Streitigkeiten um Urheberrechte, halblegale Streaming- und Downloadportale für Serien und Filme immer wieder von Künstlern, Rechtswissenschaftlern und Politikern eingefordert wird. Insbesondere gefordert wurde die »Kulturflatrate« als monatliche Abgabe über den Internetprovider von den Grünen und der deutschen Piratenpartei. Vgl. Gehlen, Dirk von, Kopierfrieden durch Kulturflatrate, in: Süddeutsche Zeitung, 16.4.2012. 395 | Jene domaine public payant oder Urhebernachfolgevergütung war eine Kopfgeburt des 19. Jahrhunderts und wurde auch in Frankreich diskutiert. Vgl. Fischer, Ernst, Urheberrecht, hier S. 85f. 396 | Vgl. Reichskunstwart, Not in der Kunst und Wissenschaft und Reichskulturabgabe, 1920-1924, BArch, R-32/470. 397 | Vgl. Fischer, Ernst, Urheberrecht, S. 83-97, hier S. 85f.
Drehbuchautoren auf dem Weg zu einem Normalver trag
der Schutzfrist auf 50 Jahre kurzzeitig verfolgt. Die Sondersteuer wäre eine Möglichkeit gewesen, der schwierigen finanziellen Lage der Autoren Herr zu werden und gleichzeitig die Forderung einer verlängerten urheberrechtlichen Schutzfrist mit einer allgemeinen Abgabe zu umgehen. Die Kulturabgabe hätte das Propagandaministerium dann selbst eingezogen und wieder ausgeschüttet. So sollten die Einnahmen der Urheberrechtsinhaber oder ihrer Erben nach Ablauf der Schutzfrist von Lebenszeit plus dreißig Jahren zentral abgeschöpft werden. Diese Idee, die prinzipiell eine Erweiterung der privatrechtlichen Sphäre darstellte und die »Volksgesamtheit« wirtschaftlich belastet hätte, widersprach jedoch der neuen juristischen Stoßrichtung des NS-Staates und seiner Kulturpolitik. In einer auf Nivellierung und Gleichschaltung abzielenden Kulturpolitik wurde eine »Sonderbehandlung« der vermeintlich »bürgerlich-dekadenten« Künstler ungern gesehen.398 Eine umfassende Reform der Urheberrechtsgesetze setzte sich im NS-Deutschland letztlich nicht durch. 1928 entbrannte ein neuer Streit um die Urheberrechte am Tonfilm, die dem Hersteller des Films zugesprochen wurden. Die Autoren waren gegen dieses alleinige Unternehmerurheberrecht und versuchten, mithilfe der Autorenverbände ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.399 So beschäftigte sich der Verwaltungsrat der Filmkammer in seiner Sitzung vom 15. September 1933 nach einem Empfang bei Goebbels mit dieser Frage. Dort wurde noch einmal unterstrichen, dass das Urheberrecht am Film unteilbar dem Produzenten beziehungsweise Hersteller gehöre, da dieser die künstlerischen Leistungen des Kameramanns, des Drehbuchverfassers und Regisseurs zusammenfasse. Eine Aufteilung und anteilige urheberrechtliche Regelung für alle schöpferisch am Film Beteiligten wäre demnach nicht möglich.400 Die Rechtsprechung und Rechtspolitik beschäftigte sich mit dem Thema Urheberrechte am Tonfilm während der gesamten 1930er Jahre. Insbesondere in der »Akademie für deutsches Recht« und im »Ausschuss für Filmrecht« wurden urheberrechtliche Belange des Films in die allgemeine Debatte zur Reform des Urheberrechts eingebettet und permanent diskutiert. Im September 1936 wurde ein erster Bericht vorgelegt und ein Arbeitsprogramm beschlossen. Zwei Jahre später waren die Vorarbeiten für eine Reform des Urheberrechtsgesetzes beendet. In diesem Ausschuss wurde jedoch die Frage, wer Filmurheber sei, umgangen und an die Filmkammer delegiert, da unklar war, wie einzelne künstlerische Beiträge im Film in einem Verteilungsschlüssel genau gesplittet werden sollten. Da die künstlerischen Beiträge in der Kollektivschöpfung Film von Fall zu Fall unterschiedlich waren, scheiterte die Kommission daran, eine befriedigende Lösung 398 | Vgl. Hockerts, Hans Günter, Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler. Band II 19331938. Teilbd. 1.8.1934-1.5.1935, Dokumente Nr. 1-168, München 1999, S. 188f. 399 | Vgl. Fischer, Ernst, Urheberrecht, S. 91f. 400 | Vgl. o. A., Urheberrecht für Tonfilme. Hauptpunkt der ersten Filmkammer-Verwaltungsratssitzung, in: Der Kinematograph, Bd. 27 (1933) H. 181, o. S.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
zu erarbeiten.401 Im Bericht der »Akademie für deutsches Recht« wurde dann darauf hingewiesen, dass die einzelnen »Berufsstände« selbst Normalverträge aushandeln sollten: »Es wird die Aufgabe der Berufsstandsorgane sein, durch Schaffung von Normalverträgen dafür zu sorgen, dass eine Vereinheitlichung der Vertragsbedingungen unter Wahrung der Interessen aller Beteiligten erfolgt. Die Aufgabe bekommt nach Gesetzesentwurf die Reichskulturkammer.« 402
Dies war eine typische Anweisung, um den Berufsverbänden wieder ein Stück Handlungsfreiheit und Autonomie zurückzugeben, nachdem sie diese aufgrund der Zwangskorporation in der Reichskulturkammer verloren hatten. Diese Autonomie und berufliche Selbstverwaltung war allerdings nur vorgetäuscht. Denn die eigentliche Diskussion um den Drehbuchautorennormalvertrag wurde von NS-Funktionären, nicht aber von Berufsvertretern, geführt. Im Kommissionsbericht wurde danach wiederholt auf die schwierige wirtschaftliche Lage der nebenberuflichen Drehbuchautoren verwiesen, die im Gegensatz zu den Regisseuren beim Film nicht fest angestellt waren. Zur Hebung des Standes der Drehbuchautoren sollte, ganz im Sinne der geplanten »Reichskulturabgabe«, eine Mark pro Vorstellung an den Autor abgeführt werden. Ein Beitrag in der Deutschen Allgemeinen Zeitung von 1937 verwies darauf, dass der Drehbuchautorenberuf zu wenig geachtet sei, was nicht zuletzt daran abzulesen sei, dass Drehbuchautoren vielfach nicht als Dichter, sondern als Filmstückverfasser, Literaten oder Filmautoren bezeichnet werden. Der Film solle nicht zur Milchkuh des literarischen Schaffens verkommen und nur noch dem Broterwerb der Schriftsteller dienen. Vielmehr sollten Drehbuchautoren als professionelle Filmschaffende anerkannt, ihre Autorenhonorare angehoben werden und eine prozentuale Beteiligung an den Filmeinnahmen erfolgen, sodass die Schriftsteller hauptberuflich als Drehbuchautoren arbeiten konnten.403 Die herrschende rechtliche Auffassung im Nationalsozialismus betrachtete, wie in den Dekaden davor, den Filmunternehmer als Urheber des Films. Manuskript und Drehbuch wurden gesondert als urheberrechtlich geschützte Schriftwerke erfasst, sodass dem Drehbuchautor ein Miturheberrecht am Film nicht zustand. Das rief erneute Diskussionen über eine Beteiligung der einzelnen
401 | Vgl. Akademie für Deutsches Recht, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Filmrecht, September 1938, BArch, R-56/86, S. 76-193, hier S. 77f. 402 | Akademie für Deutsches Recht, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Filmrecht, S. 84. 403 | Vgl. R. H., Hilfe für die Filmautoren, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 552-553, 27.11.1937 und Muster eines Tonfilmmanuskriptvertrags Absatz 4 bei Goldbaum, Wenzel, Tonfilmrecht, Berlin 1929 (=Stilkes Rechtsbibliothek Nr. 90), S. 105-107.
Drehbuchautoren auf dem Weg zu einem Normalver trag
Filmkünstler hervor.404 Eine uneinheitliche Gesetzeslage und die Tatsache, dass der Tonfilm in der Novelle des Literaturschutzgesetzes im Jahr 1910 noch nicht integriert gewesen war, verkomplizierte die Lage.405 Der Film war jedoch seit Anfang der 1930er Jahre eine synchrone Werkeinheit aus Bild und Ton und machte eine Neuregelung des Urheberrechts und besonders der Filmurheberschaft dringend notwendig.406 Seit 1936 wurden die Diskussionen um die urheberrechtliche Stellung des Films und die Schaffung eines Normalvertrags für Drehbuchautoren im »Ausschuss für Filmrecht« geführt. Trotz dieser drängenden Fragen wurden die bestehenden zwei deutschen Urheberrechtsgesetze erst im Jahre 1965 reformiert und vereinheitlicht. Auf seiner Sitzung vom 28.1.1938 berichtete der »Ausschuss für Filmrecht«, der sich aus dem Vorsitzenden Oswald Lehnich (Reichsfilmkammer), Juraprofessoren, Anwälten, Spielleitern, Gästen der Reichsfilmkammer und des Justizministeriums, Vertretern der Reichskulturkammer sowie der »Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte« (STAGMA) zusammensetzte, dass die deutsche Urheberrechtsreform und die Lösung filmrechtlicher Fragen vordringliche Aufgaben seien.407 Nachdem der Film als urheberrechtlich schützenswertes Werk und als Kunst- und Kulturgut anerkannt worden war, sollte er innerhalb der Reichsfilmkammer als Kulturgut und nicht nur als wirtschaftliches Gut behandelt werden. Das Drehbuch wurde als vorbestehendes literarisches Werk eingeordnet und damit vom Filmwerk abgegrenzt. Deshalb konnten Drehbuchautoren auch keine Filmurheber oder Filmschöpfer werden, sondern allenfalls als Miturheber des Filmwerks angesehen werden. Da weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Regelung in diesem Fall erfolgversprechend erschien, einigte man sich auf eine Zwischenlösung. Man trennte die Verwertungsseite des Films von der Urheberschaft am Film und machte somit den Filmhersteller zu seinem Urheber.408 Unter den Berichten des Filmrechtsausschusses befindet sich auch ein Plädoyer dafür, dem Drehbuchverfasser eine finanzielle Beteiligung am Urheberrecht und der Verwertung des Films zuzuerkennen, um die Stellung des Filmautors zu stärken und Herstellern zu verbieten, Drehbücher eigenmächtig zu ändern. In diesen Eingaben verwendeten die Interessenverbände wie die »AG Deutscher Filmschriftsteller« anstelle des gängigen Begriffs »Manuskriptverfasser« die Be404 | Vgl. Gentz, Günther, Um die Grundprinzipien des neuen Urheberrechts, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (1939) H. 170, S. 573-575. 405 | Vgl. Goldbaum, Wenzel, Tonfilmrecht, Berlin 1929 (=Stilkes Rechtsbibliothek Nr. 90), S. 7f. 406 | Vgl. o. A., Das Filmrecht und die Frage seiner Reformbedürftigkeit. Randbemerkungen zu dem Buche von Dr. Roeber, in: Der Kinematograph, Bd. 27 (1933) H. 60, o. S. 407 | Vgl. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Filmrechtsfrage. Wer ist Urheber des Filmwerks?, S. 107-116. 408 | Vgl. ebd. S. 107-116.
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zeichnungen »Filmdichter« für den Drehbuchautor und »Filmdichtung« für das Drehbuch.409 Drehbuchautoren wurden zu dieser Zeit mit etwa 9.000 bis 22.500 Reichsmark honoriert, was im Vergleich zu den Honoraren der literarischen Autoren ein sehr guter Verdienst war. Diese bekamen meist nur etwa 1.000 bis 2.000 Reichsmark Honorar für eine literarische Filmvorlage.410 Für die Drehbuchautoren und deren professionelle Entwicklung wurde 1938 die Aufstellung eines Normalvertrags bedeutsam. In einer geheimen Tagung des »Ausschusses für Filmrecht« vom 12. Dezember 1938 wurden diese Pläne konkretisiert. Die Sitzungsteilnehmer waren Lehnich, in seiner Funktion als Reichsfilmkammerpräsident, zwei Mitglieder der Propagandaleitung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, Vertreter des Justizministeriums, Vertreter der STAGMA und der Reichstheater- und Reichsmusikkammer.411 Die Belange der Drehbuchautoren betrafen also vielfältige kulturpolitische Institutionen. Auf der Tagungsordnung des Ausschusses stand neben der Reform des Urheberrechts und gegenwärtigen Rechtsfragen bezüglich des Anschlusses an Österreich auch die Schaffung eines Normalvertrags für Drehbuchautoren. Da das Urheberrecht für Drehbuchautoren vertraglich auf den Filmhersteller übertragen wurde, sollte nun eine arbeits- und vertragsrechtliche Lösung der Tantiemenfrage gefunden werden. Dabei orientierte man sich an der STAGMA. In Abgrenzung zur bisherigen Praxis sollten fortan nicht die berufsständischen Interessenverbände autonom Formularverträge herausgeben, sondern unter Aufsicht der einzelnen Kulturkammern einheitliche Normalverträge entworfen werden. Dieses Vorgehen wurde bereits im November 1933 durch den »Normal-Verlagsvertrag für Schriftsteller und Verleger« erfolgreich praktiziert.412 Die Agenda sah vor, Typenverträge für die einzelnen Berufsstände anzufertigen und diese analog zu den bereits existierenden Verträgen der Reichsmusikkammer für die gesamte Berufssparte verbindlich zu machen.413 Nachdem ein neuer Gesetzesentwurf des Urheberrechts eingereicht wurde, plante man, weitere Normalvertragsentwürfe zu verfassen und Verhandlungen für einen Drehbuchautoren-Normalvertrag später wieder aufzunehmen.414
409 | Vgl. ebd., insb. S. 153 und 163f. 410 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Reform Urheberrechtsgesetz 1933-1939, Stellungnahme Interessengruppen, 1939, BArch, R-56 V/83, S. 1-309, hier S. 47-49. 411 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Tagung des Ausschusses für Filmrecht der Akademie für Deutsches Recht am 12.12.1938, BArch, R-56 V/86, S. 48-70, hier S. 49-53. 412 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Anordnung über einen Normal-Verlagsvertrag zwischen Schriftstellern und Verlegern, 3.7.1935, StA-L, Börsenverein (II), Akte Nr. 335, o. S. 413 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Tagung des Ausschusses für Filmrecht der Akademie für Deutsches Recht am 12.12.1938, BArch, R-56 V/86, S. 48-70, hier S. 56-59. 414 | Vgl. ebd., S. 66f.
Drehbuchautoren auf dem Weg zu einem Normalver trag
Die Idee des Normalvertrags war nicht neu und wurde von der Reichsschrifttumskammer bereits seit 1935 angestrebt.415 Konkretisiert wurden die Pläne allerdings erst 1944, als in den Kriegswirren zumindest noch der Versuch unternommen wurde, einen Normalvertrag für Drehbuchautoren zu entwerfen. Noch kurz vor Kriegsende wurden mehrere Entwürfe des Normalvertrags für Filmschriftsteller zwischen den Stellen der Reichskulturkammer hin und her gesandt, diskutiert, fortlaufend korrigiert und abgeändert. Daraus resultierte ein Entwurf des Drehbuch-Normalvertrags von 1945.416 Der Briefwechsel zwischen Dr. G. C. Klaren, dem Vertreter der Filmautoren in der DACHO, und dem kommissarischen Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer Günther Gentz zeigte in der Folge, dass die Tantiemenfrage aufgrund des Krieges zurückgestellt wurde und die Überarbeitung des Normalvertrags auf die Zeit nach Kriegsende vertagt werden sollte.417 Der genannte Entwurf des »Normalvertrags für das Filmdrehbuch« sah vor, dass die Filmfirma den Inhalt des Buches ändern konnte, allerdings nur wenn die Urheberrechtspersönlichkeit des Drehbuchautors nicht verletzt würde. Aus den Anmerkungen dazu ging jedoch hervor, dass dieser Passus bei Bedarf gänzlich gestrichen werden könne. Im Grunde läge somit das geistige Eigentum vertraglich wieder beim Filmhersteller und der Drehbuchautor hätte keine Möglichkeit gehabt, gegen etwaige Änderungen oder Verstümmelungen seines Werkes rechtlich vorzugehen. Ein Lichtblick für die Filmautoren war, dass sie an den Bruttogewinnen prozentual beteiligt werden sollten, wenn die Filmfirma ihre Rechte weiter verkaufte.418 Positiv im Sinne der Drehbuchautoren wirkte sich auch der Hinweis auf eine Erhöhung der Tantieme durch eine etwaige Prädikatverleihung des Films aus. So konnten ideologisch und politisch einwandfreie Werke entstehen, deren Hersteller dadurch einen zusätzlichen monetären Anreiz hatten.419 Der Präsident der Reichsfilmkammer wies in seinem Anschreiben vom 30.8.1944 an die Reichsschrifttumskammer darauf hin, dass der Normalvertrag auch unter den Gesichtspunkten des totalen Krieges eine dringend nötige Angelegenheit sei. Allerdings müsse man wegen des Kriegseinsatzes erst einmal von weiteren Besprechungen absehen.420 So blieb es letztlich bei einem vorläufigen Normalvertragsentwurf, der weder die Höhe der Vergütung für Drehbuchautoren festlegte noch die Frage der Beteiligung im Rahmen einer Tonfilmtantieme klär415 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Reform Urheberrechtsgesetz 1933-1939, Stellungnahme Interessengruppen, 1939, BArch, R 56-V/83, S. 1-309, S. 150. 416 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Drehbuchautoren-Normalvertrag, 1945, BArch, R-56 V/179, S. 29-38. 417 | Vgl. Reichsschrifttumskammer, Briefwechsel und Diskussion um Normalvertrag für Filmschriftsteller, 1945, BArch, R-56 V/179, S. 1-44, hier S. 1-7. 418 | Vgl. ebd., S. 7-13. 419 | Vgl. ebd., S. 39. 420 | Vgl. ebd., S. 28.
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te. Dennoch ist es beachtlich, dass in Zeiten, in denen der »Reichsverband Deutsche Presse« (RDP) von der Ausbombung seiner Geschäftsstelle und Flucht nach Ingolstadt berichtete, der Schriftverkehr zu dieser Frage rege blieb und sogar eine Liste der von Wehreinsätzen freizustellenden Drehbuchautoren angehängt wurde.421 Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Einberufung von vierzig Prozent des männlichen Filmpersonals waren Drehbuchautoren, die auch mit der technischen Seite ihres Berufs vertraut waren, gesucht. Die Reichsschrifttumskammer veröffentlichte nach Kriegsausbruch eine Liste der Drehbuchautoren, die sie für künstlerisch und technisch fähig erachtete, drehfertige Bücher und Bearbeitungen abzuliefern. Unter ihnen waren Thea von Harbou, Erich Ebermeyer, Wolfgang Goetz, Otto Ernst Hesse, Gerhard Menzel, Heinrich Spoerl und Fred Angermayer.422 Neben Thea von Harbou waren Bobby E. Lüthge, Walter Wassermann und Philip L. Mayring wohl die bekanntesten Filmautoren der NS-Zeit. Viele dieser Autoren hatten ihre Tätigkeit erst nach der Gleichschaltung des Filmbetriebs 1933 aufgenommen.423 Zu den 1944 vom Propagandaministerium als »geeignet« angesehenen Berufsvertretern zählten insgesamt 77 Drehbuchautoren und 18 Autorinnen.424 Das war ein relativ dürftiger Frauenanteil, trotz der eingezogenen oder bereits gefallenen Soldaten. Arbeitende Frauen waren im Filmfach – mit Ausnahme der populären Regisseurin Leni Riefenstahl und einiger Schauspielerinnen wie beispielsweise Zarah Leander oder Drehbuchautorin Thea von Harbou – immer noch nicht gern gesehen und sollten im Sinne des NS-Frauenbildes als »Volksgenossin« ihren Anteil an der Nation durch Ehe, Mutterschaft und Familie statt im Beruf unter Beweis stellen.425 Trotz des Krieges glich die Aufstellung den Zahlen vor 1933, wobei personelle Verschiebungen durch die Vertreibung und Vernichtung jüdischer Schriftsteller bedacht werden müssen. Die Honorare für gesuchte Autoren wie Thea von Harbou waren üppig, aber auch sonst verdienten Schriftsteller beim Film relativ hohe Summen. Harbou erarbeitete sich für Filmvorlage und Drehbuch zu Erzieherin Gesucht (gedreht 1944-45, Erstaufführung 1950) beispielsweise jeweils 25.000 Reichsmark. Der Schriftsteller Heinrich Spoerl, der mit seinem Roman Die Feuerzangenbowle berühmt wurde, bekam 1939 für seine Filmarbeit ein Bruttogehalt von 50.719 Reichsmark. Dazu kamen noch einmal mehr als doppelt so viele Einnahmen durch seine anderen schriftstellerischen Tätigkeiten. Im Vergleich dazu verdiente 421 | Vgl. Reichsverband Deutsche Presse (RDS), BArch, R-103/93. 422 | Vgl. Reichsverband Deutsche Presse (RDS), BArch, R-103/93. 423 | Vgl. Drewniak, Bogusław, Der deutsche Film 1938-1945, S. 140f. 424 | Vgl. ebd., S. 142f. 425 | Vgl. Heinsohn, Kirsten, Kampf um die Wählerinnen. Die Idee der »Volksgemeinschaft« am Ende der Weimarer Republik, in: Steinbacher, Sybille (Hrsg.), Volksgenossinnen. Frauen in der NS-Volksgemeinschaft, Göttingen 2007, S. 29-47, hier S. 44f.
Zusammenfassung – Drehbuchautoren im Nationalsozialismus
ein Facharbeiter durchschnittlich 2.500 Reichsmark, ein Staatssekretär 20.000 Reichsmark jährlich.426 Drehbuchautoren waren im »Dritten Reich« also eine aufstrebende professionelle Berufsgruppe. Die »Arisierung« und Gleichschaltung des Filmbetriebs führte dazu, dass vorher zweitrangige Schriftsteller, Journalisten und Theaterautoren nun beim Film Karriere machen konnten. National-konservative und Nationalsozialisten besetzten die Schaltstellen des Kulturbetriebs. Wer ideologisch stromlinienförmig war und sich an die NS-Ideologie anpasste, konnte durchaus einen gut bezahlten und angesehenen Beruf ausüben.
Z usammenfassung – D rehbuchautoren als ideologisch konforme A uf tr agskünstler während des N ationalsozialismus Für den Nationalsozialismus wurde der Begriff des Künstlers »neuen« Typs geprägt, der gemäß der NS-Doktrin nicht mehr individuelle Erfahrungen ausdrücken sollte, sondern an »Volksgemeinschaft« und Nation als einer Blut- und Seelengemeinschaft gebunden war. Im Grunde wurde damit die traditionelle Auffassung des bildungsbürgerlichen, autonomen Kunstschaffenden,427 der an Kriterien wie schöpferische Originalität und Verfügungsgewalt über die eigenen symbolischen Ausdrucksformen gebunden war, eingeebnet und durch das Leitbild des ideologisch geschulten, handwerklich-routinierten Auftragskünstlers ersetzt. Der Künstler im Nationalsozialismus sollte ein treuer Staatsbürger sein. Sein Auftraggeber war das NS-Regime, dessen ideologischen Prämissen er zu gehorchen und dessen Weltanschauung er zu verbreiten hatte.428 So entstand ein unter politischer Kontrolle und ideologischem Einfluss stehender geistiger Auftragsarbeiter, der beruflich spezialisiert und hoch qualifiziert war. In diesem Verständnis waren Drehbuchautoren professionelle Staatskünstler, die aber nur sehr beschränkt künstlerische Handlungsfreiheit besaßen. Da der Film als Volksbeeinflussungsmittel besonders wichtig war, was auch die frühe Schaffung der Filmkammer Anfang 1933 vor der Errichtung der gesamten Reichskulturkammer im September desselben Jahres belegt, wurden Drehbuchautoren zu staatlichen Auftragskünstlern gemacht, die sich von Fall zu Fall ein gewisses Maß an berufsständischer Autonomie bewahrten. Unter den herrschenden kulturpolitischen Bedingungen waren die Drehbuchautoren nicht 426 | Vgl. Drewniak, Bogusław, Der deutsche Film 1938-1945, S. 93 und 151. 427 | Vgl. Siegrist, Hannes, Autonomie in der modernen Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst (18. bis 20. Jahrhundert), in: Ebert, Udo / Riha, Ortrun / Zerling Lutz (Hrsg.), Menschenbilder – Wurzeln, Krise, Orientierung, Stuttgart-Leipzig 2012, S. 75-92, hier S. 76. 428 | Vgl. Beyrau, Dietrich, Bildungsschichten unter totalitären Bedingungen, S. 35-54 und Richard, Lionel, Deutscher Faschismus und Kultur, S. 76-78.
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bloß eine »unfreie Profession«, wie die Akademiker im Nationalsozialismus von Jarausch bezeichnet wurden. Sie hatten durchaus mehr Handlungsspielräume als die zwischen »[…] ‚erzwungener‘ Anpassung und ‚freiwilliger‘ Kooperation […]«429. So existierten im Nationalsozialismus drei Typen von NS-Drehbuchautoren: Erstens der professionelle Auftragskünstler, der hauptberuflich linientreue NS-Filme verfasste; darunter Vertreter und Vertreterinnen wie Harbou und Lützkendorf. Zweitens der opportunistische, anpassungsfähige Filmautor aus der zweiten schriftstellerischen Reihe, der mit dem Regimewechsel erfolgreich wurde und nun als Drehbuchautor arbeitete und ab und zu in Konflikt mit den Zensurvorgaben geriet; als Beispiel kann Erich Ebermayer angeführt werden. Drittens der »innere Emigrant«, der, repräsentiert durch Erich Kästner und Frank Thiess, dem Regime teils kritisch gegenüberstand und den Drehbuchautorenberuf als nebenberufliche Tätigkeit zum Broterwerb wahrnahm, da er ansonsten sein literarisches Schaffen im Nationalsozialismus kaum mehr weiterverfolgen konnte. Die Nähe und Zusammenarbeit mit dem NS-Regime war jedoch auch hier fließend und vielgestaltig. Die neokorporative Regelung der Kulturberufe, womit Goebbels unter Rückgriff auf organisatorische Traditionen des Kaiserreichs die Kultur- und Unterhaltungsindustrie unter seine Kontrolle zu bringen versuchte, begann mit der Schaffung der Filmkammer Anfang 1933 und wurde dann in der Reichskulturkammer Ende desselben Jahres – gegen parteipolitischen und ministeriellen Widerstand – erfolgreich durchgesetzt. Die Drehbuchautoren bedienten sich einer berufsmäßigen, professionellen Strategie, indem sie als Interessengruppe innerhalb der Reichsschrifttumskammer die gesamten 1930er Jahre hindurch für bessere Arbeits- und Vertragsrechte kämpften. Das war kein regimekritisches Verhalten, wie Vertreter der inneren Emigration nach 1945 oftmals betonten. Vielmehr zeigen sich hier Professionalisierungstendenzen, wie sie zur gleichen Zeit bei den Drehbuchautoren in den USA zu beobachten waren. Auch in Deutschland versuchte der Beruf – wenn auch unter anderen politischen Vorzeichen – eine gehobene soziale Stellung zu erreichen. Hier wie dort wollten die Drehbuchautoren einen Normalvertrag durchsetzen, der ihnen kollektive Mindestvergütungsregeln verschafft hätte. Bis gegen Ende der Weimarer Republik verlief die Verberuflichung deutscher wie amerikanischer Drehbuchautoren durchaus parallel und in ähnlichen Zyklen. Wegen der fehlenden strukturellen und institutionellen Autonomie des Berufs, den politischen Einflussnahmen und der berufsständischen Zwangsorganisation RKK setzte sich in Deutschland zwischen 1933 und 1945 keine erfolg429 | Jarausch, Konrad, Die unfreien Professionen. Überlegungen zu den Wandlungsprozessen im deutschen Bildungsbürgertum 1900-1955, in: Kocka, Jürgen (Hrsg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich. Band 2 Wirtschaftsbürger und Bildungsbürger, Göttingen 1995, S. 200-220, hier S. 200.
Zusammenfassung – Drehbuchautoren im Nationalsozialismus
reiche Professionalisierungsstrategie der Drehbuchautoren durch. Die künstlerische Handlungsfreiheit der Autoren wurde maßgeblich durch Gleichschaltung, Vertreibung und Vernichtung der nicht konformen oder jüdischen Schriftsteller behindert. Eigene kreative Autonomiespielräume mussten der NS-Kulturpolitik untergeordnet werden. Im Vergleich zur Zeit bis 1933 war das eine De-Professionalisierung, denn die in Deutschland verbliebenen Drehbuchautoren konnten unter dem Nationalsozialismus weder ihre beruflichen Aufgaben, Ziele und Funktionen selbst regeln noch wurde die Ausbildung, Qualifizierung oder der Berufszugang durch die Berufsangehörigen selbst gesteuert. Außerdem war durch Massenemigration und Vernichtung jüdischer Filmkünstler künstlerisches und professionelles Knowhow stark eingeschränkt worden. Wichtige filmästhetische Traditionslinien – wie beispielsweise der Expressionismus – wurden verboten oder verdrängt. Die korporative Strategie der Kulturberufe wurde in der Folge für die verbliebenen Drehbuchautoren als die bessere Option angesehen, da kommunistische und liberale Strategien zur Besserstellung von Künstlerberufen in der Weimarer Republik zuerst nicht zum Erfolg geführt hatten. Dieser kulturpolitische »Sonderweg« des Nationalsozialismus war für die Drehbuchautoren jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Weder wurden ein Normalvertrag noch Mindestvergütungen oder vorteilhaftere Regelungen für die Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte durchgesetzt. Die NS-Kulturpolitik war auf die Kontrolle und schrittweise Aberkennung berufsständischer Autonomie ausgerichtet. Sie führte zur Überlagerung und Verschleierung der bisherigen professionellen Errungenschaften der Kulturberufe durch die NS-Ideologie. Tatsächlich profitierten weder die Filmindustrie noch die Drehbuchautoren vom personellen Kahlschlag und stetiger ideologischer Durchdringung und Steuerung der Produktion. Sieht man von einigen hochrangigen Funktionären und bekannten Drehbuchautorenpersönlichkeiten ab, leitete der Nationalsozialismus nicht nur eine künstlerische Mittelmäßigkeit, sondern auch das Ende einer autonomen Berufsvertretung ein. Seit 1933 erfolgte ein Bruch mit der autonomen Aushandlung berufsständischer Kompetenzen, der Berufsqualifikation und der Qualitätsstandards des Drehbuchautors. Diese professionellen Fähigkeiten und Fertigkeiten wurden nicht mehr vom Berufsverband und den Berufsangehörigen selbst bestimmt, sondern von der Politik organisiert und kontrolliert. Diese Prozesse hinderten die deutschen Drehbuchautoren daran, ähnlich wie ihre Berufskollegen in den USA eine autonome berufsständische Organisation aufzubauen. Seit der großbetrieblichen, arbeitsteiligen Organisation des Filmbetriebs in Deutschland in den 1920er Jahren hatte sich ein eigener beruflicher Habitus des Drehbuchautors mit internalisierten Funktionen, Rollen und Werten ausgebildet. Der Drehbuchautor war nach der Tonfilmumstellung zu einem einträglich vergüteten, anerkannten Kreativberuf aufgestiegen. Die Jahre von 1933 bis 1945 bildeten jedoch eine Zäsur von der sich der Drehbuchautorenberuf in Deutschland
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erst eine halbes Jahrhundert später langsam erholen sollte. Bis in die Gegenwart versuchen Drehbuchautoren in Deutschland an den Professionalisierungserfolg ihrer US-Kollegen anzuknüpfen.
6. Der Drehbuchautorenberuf im geteilten Deutschland und in den USA von 1945 bis 1960
In der Nachkriegszeit kamen in den USA und Europa neue filmästhetische Strömungen auf, die die Produ 6. Der Drehbuchautorenberuf im geteilten Deutschland und in den USA von 1945 bis 1960 ktionsbedingungen und Konventionen Hollywoods zunehmend infrage stellten. Das Fernsehen wurde ein neuer ernstzunehmender Konkurrent für das Kino.430 Der Hollywoodfilm musste deshalb um seine ökonomische und ästhetische Vorherrschaft in Europa kämpfen.431 Im Jahr 1948 läutete eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA das Ende der Studioära Hollywoods ein, denn von nun an war die Konzentration der Produktion, des Verleihs und der Aufführung in der Hand eines Studios aufgrund des Wettbewerbs- und Kartellrechts verboten.432 Im wieder aufgebauten Nachkriegseuropa entstanden andere filmische Produktionskontexte, die für die Drehbuchautoren neue berufliche Anforderungen schufen und den traditionellen Studiogroßbetrieb wirtschaftlich unter Druck setzten. Deshalb fusionierten die Filmstudios in den folgenden zwei Dekaden zu Medienkonzernen und international verflochtenen Medienimperien. Sie ebneten aber auch den Weg für die Ära der unabhängigen Produzenten, die fernab der großen Studios Filme herstellten.433 430 | Vgl. MacKaye, Milton, The Big Brawl: Hollywood vs. Television, in: Saturday Evening, 2.2.1952, S. 30 und 100-102. 431 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen. Kunst – Technik – Sprache – Geschichte und Theorie des Films und der neuen Medien, 5. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2004, S. 314f. 432 | Auch Hollywood Antitrust Case of 1948 genannt. Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, 3. Aufl., Boston et al. 2009, S. 82f. 433 | Vgl. Die großen Studios machten seit den 1950er Jahren diverse Fusionen durch wurden seit den 1980er Jahren von Medienkonzernen aufgekauft. Die sogenannten seven sisters sind seitdem unter den Namen Columbia Pictures/TriStar Pictures als Tochterunternehmen von Sony Pictures Entertainment; Walt Disney Pictures/Touchstone Pictures als Tochterunternehmen von The Walt Disney Company; 20th Century Fox Film Corporation
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Dies führte in den Nachkriegsjahren in Verbindung mit den gestiegenen Produktionskosten und der filmästhetischen Auf bruchstimmung in Europa zu einer Krise des US-Kinofilms. Die für Kriegszwecke entwickelte transportable 16-mm-Schmalfilmtechnik434 wurde weiterentwickelt und machte günstigere Filmproduktionen möglich. Vor allem in Europa, besonders in Italien und Frankreich, wurden so neue ästhetische Strömungen ins Kino gebracht.435 Die Filme des Italienischen Neorealismus versuchten, die Erfahrungen des Faschismus und Nationalsozialismus zu bewältigen und durch eine realistische Filmästhetik den Alltag der Menschen und deren Probleme abzubilden. Filmhistorisch bedeutsam wurden der Italienische Neorealismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit und die französische Nouvelle Vague seit den 1950er Jahren. Deren filmtheoretisches und ästhetisches Konzept wurde später in den 1960er Jahren in den USA unter dem Signum New Hollywood rezipiert.436 Das vorliegende Kapitel stellt die organisatorischen und strukturellen Umwälzungen des Drehbuchautorenberufs in der BRD und in den USA dar und widmet sich in einem Teilkapitel den Drehbuchautoren in der staatssozialistischen DDR, wo die Drehbuchautorenausbildung an der staatlichen Filmhochschule der DDR institutionalisiert wurde und der Dramaturg eine Schlüsselrolle in der sozialistischen Filmindustrie bekam. Dramaturgen und Drehbuchautoren übernahmen in der DDR-Filmindustrie eine zentrale Stellung und ideologische Funktion, dergegenüber der Anspruch auf kreative Eigenständigkeit zurücktrat. Es wird zu zeigen sein, wie Drehbuchautoren, die sich im klassischen Studiosystem der 1930er und 1940er Jahre vorrangig als angestellte Auftragskünstler in einem arbeitsteiligen Großbetrieb verstanden hatten, nun durch veränderte Organisation der Filmindustrie neue Strategien zur Aufwertung ihrer Berufsals Tochterunternehmen von News Corporation; Metro-Goldwyn-Mayer/United Artists als Tochterunternehmen von MGM Holdings; Paramount Pictures als Tochterunternehmen Viacom; Universal Studios als Tochterunternehmen von NBC Universal und Warner Bros. Pictures als Tochterunternehmen von Time Warner bekannt. Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 82; Dale, Martin, The Movie Game. The Film Business in Britain, Europe and America, London 1997, S. 8-29; Schatz, Tom, The Studio System and Conglomerate Hollywood, in: McDonald, Paul / Wasko, Janet (Hrsg.), The Contemporary Hollywood Film Industry, Malden-Oxford-Carlton 2008, S. 13-41 und Decherney, Peter, Hollywood and the Culture Elite. How Movies Became American, New York 2005, S. 206-220. 434 | 16-mm-Film kann für die Projektion auf Kinoleinwänden auf den damals üblichen Standard von 35 mm vergrößert werden, dabei wird zwar eine verminderte grobkörnige Qualität erreicht, allerdings wird dieser Nachteil durch niedrige Produktionskosten wettgemacht. Vgl. Borstnar, Nils / Pabst, Eckard / Wulff, Hans Jürgen, Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft, 2. Aufl., Konstanz 2008, S. 83f, 100f und 129f. 435 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen, S. 314f. 436 | Vgl. Madsen, Axel, The New Hollywood. American Movies in the ’70s, New York 1975, S. 53f.
Der Drehbuchautorenberuf im geteilten Deutschland und in den USA
und Statusrolle nutzten. Der Fokus liegt auf der strukturellen, organisatorischen Entwicklung der Drehbuchautoren seit 1945 bis zum Aufkommen des Autorenfilms um 1960. Dabei wird im Falle der BRD besonderes Interesse auf die Entnazifizierungsbestrebungen, personellen Kontinuitäten in der Filmindustrie nach 1945 und die Wirkung der remigrierten Exilautoren im Nachkriegsdeutschland gelegt. Für die USA steht die Reorganisation der »Screen Writers’ Guild« zur »Writers’ Guild of America« im Jahr 1954 ebenso im Fokus wie der Film Noir und der Einfluss deutscher Exilanten auf diese filmästhetische Stilrichtung in der Nachkriegszeit. Alle filmhistorischen Entwicklungen seit 1945 müssen zudem unter den Vorzeichen des Kalten Krieges und der sich zuspitzenden Blockkonfrontation kontextualisiert werden. Die verstärkte politische Einflussnahme auf die Filmindustrie hatte in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg begonnen und wurde nun zunehmend im Rahmen einer antikommunistischen Politik weiterbetrieben, die für linke Drehbuchautoren und ihre gewerkschaftsähnliche Organisation zu einem Problem wurde. Dies hatte weitreichende Folgen für die Drehbuchautoren in Hollywood, von denen manche auf die »Schwarze Liste« gesetzt wurden und Berufsverbot bekamen. Zensurbestrebungen beeinflussten auch die Drehbuchautoren im staatssozialistischen System der DDR und schränkten deren kreative Autonomie ein. Sogar die Ausbildung der Drehbuchautoren wurde von staatlicher Seite organisiert und nach sowjetischem Vorbild zentralisiert. Der Drehbuchautor wurde im kommunistischen Europa in der Folge zu einem wichtigen Angriffspunkt, wenn es um staatliche Kontrolle, politische Lenkung und Vorzensur der Filmproduktion ging. Auch in der Bundesrepublik war das Filmsystem zumindest strukturell und finanziell von staatlichen Eingriffen wie der Filmförderung abhängig. Das folgende Kapitel versucht einen Bogen von der Nachkriegszeit und den vielfältigen politischen wie organisatorischen Umstrukturierungen der Filmindustrie in den USA und im geteilten Deutschland bis in die 1960er Jahre hinein zu schlagen. Dabei stehen insbesondere politische Einflussnahmen, neue filmästhetische Konzepte und organisatorische Umstrukturierungen im Produktionsprozess und deren Auswirkungen auf den Beruf des Drehbuchautors im Mittelpunkt.
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E ntna zifizierung und personelle K ontinuitäten im N achkriegsdeutschl and Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 begann der Wiederauf bau der deutschen Filmindustrie. Nur zwei ehemalige UFA-Produktionsstätten in Tempelhof und im Münchener Geiselgasteig, die innerhalb der US-Besatzungszone lagen, hatten den Zweiten Weltkrieg überstanden.437 Da 80 Prozent der Filmproduktionsstätten auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) lagen, wurden in Niedersachsen und Hamburg neue Produktionsstandorte errichtet.438 Als die Amerikaner am 7. Juli 1945 Berlin eroberten, befanden sich auf dem zur US-Besatzungszone gehörenden Gelände des ehemaligen UFI-Konzerns nur noch einige 35-mm-Kameras und wenig anderes technisches Gerät zur filmindustriellen Verwertung.439 Die sowjetischen Truppen hatten bereits einen Teil der Einrichtung und Apparate als Reparationsleistungen abmontiert und nach der Gründung des vorläufigen »Filmaktivs« mit der neu ins Leben gerufenen Produktionsfirma ihrer Besatzungszone, »Deutsche Film-AG« (DEFA), im Mai 1946 den ersten Nachkriegsfilm Die Mörder sind unter uns (1946) produziert. Den Amerikanern wurde die UFI zugesprochen, dennoch begann die Eigenproduktion nicht sofort, da sie Filme aus Hollywood importierten, um sie in der amerikanischen Besatzungszone aufzuführen. In der SBZ reorganisierten die Besatzer derweil mithilfe von sowjetischen Subventionen die Filmwirtschaft. In den westlichen Besatzungszonen wurde ein marktwirtschaftliches System nach dem Vorbild Hollywoods installiert, welches besonders personell auf den Einsatz von remigrierten jüdischen Filmschaffenden setzte.440 So wurde Billy Wilder vorübergehend zuständiger Filmoffizier in der amerikanischen Besatzungszone.441 Seit 1946 wurde diese Position dann von Produzent Erich Pommer ausgefüllt. Politisch und organisatorisch war für die gesamte Filmindustrie der Westzonen seit Juli 1945 Dwight D. Eisenhower zuständig. Direktiven und Gesetze verboten in der Folge jede Betätigung deutscher Staatsbürger im Filmwesen. Seit 437 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen einer »doppelten Bewältigung« des Nationalsozialismus. Der deutsche Spielfilm der Nachkriegszeit als Medium der Konstruktion des kollektiven Gedächtnisses. Ein historischer Vergleich, Ravensburg 2008, S. 10f. 438 | Vgl. Stettner, Peter, Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik. Die »Junge Film-Union« 19471952, Hildesheim 1992, S. 1f. 439 | Zu den Beschlagnahmungen der Roten Armee gehörten der Rohfilm des AIFA-Kopierwerks, dessen gesamte technische Ausrüstung sowie die 2.500 Kurz- und 3.500 Spielfilme aus Goebbels Reichsfilmarchiv im Babelsberger Bunker. Vgl. Theuerkauf, Holger, Goebbels’ Filmerbe. Das Geschäft mit unveröffentlichten UFA-Filmen, Berlin 1998, S. 113f. 440 | Vgl. ebd., S. 125f. 441 | Vgl. Bathrick, David, Billy Wilder’s Cold War Berlin, in: New German Critique, Bd. 37 (2010) H. 2, S. 31-47.
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dem 12. Mai 1945 wurden Lizenzen für die Filmproduktion verteilt, die nach der schriftlichen Erlaubnis der Besatzungsbehörden genehmigt wurden.442 Die Kontrolle der Filmwerke und deren Zensur lagen in den Händen der Besatzungsmächte. Durch die Vergabe der Lizenzen seit Mitte 1946 wurde das Filmsystem der westlichen Besatzungszonen schrittweise reorganisiert. Maßgebliches Kriterium für die Lizenzvergabe war die politische Eignung, wobei die fachliche Qualifikation sekundär war. Mittels eines zweisprachigen Fragebogens versuchte die Besatzungsbehörde, geeignete Kandidaten zu ermitteln.443 Eine der ersten alliierten Lizenzen erhielt die »Junge-Film-Union« die seit Anfang 1947 bis zur Währungsreform eine der kapitalkräftigsten Spielfilmunternehmen im nordwestdeutschen Raum wurde.444 Nachdem 1947 das NS-Lichtspielgesetz formal aufgehoben und der interzonale Filmaustausch durch den Alliierten Kontrollrat erlaubt worden war, konnten wieder heimische Filme produziert werden. Die britischen Kontrollbehörden verzichteten seit 1948 auf die gängige Vorzensur. Somit konnten wieder Filme beliebigen Inhalts produziert werden, wenn deren Finanzierung sichergestellt war. Die »Junge-Film-Union« veranstaltete zwischen September 1948 und März 1949 ein viel beachtetes Preisausschreiben für Filmideen. Der erste Preis war die Verfilmung des Drehbuchs und ein Sachpreis von 12.000 DM, der an den professionellen Drehbuchautor P. A. Müller ging. Der Haken an der Ausschreibung war, dass sich die Firma schon vor der Preisverleihung den Stoff für den Gewinnerfilm auf Basis des Romans Gesellschaftsreise – Alles Inbegriffen gesichert hatte und Studiochef Rolf Meyer das Drehbuch von Ernst Keienburg und Kurt E. Walter eigenhändig für das Preisausschreiben eingeschickt hatte, da er den Stoff durch seine Arbeit bei der UFA vor Kriegsende bereits kannte. Die UFA hatte die Verfilmungsrechte schon 1941 angekauft und der wenig bedeutende Schwank Dreizehn unter einem Hut lief im Februar 1950 in bundesdeutschen und ein halbes Jahr später in Ostberliner Kinos an. So ermöglichte die Ausschreibung zwar die Sichtung neuer Filmideen, endete jedoch in personellen Verstrickungen aus der NS-Zeit und wirkte sich deshalb nur wenig auf die tatsächliche Förderung junger Drehbuchtalente im Nachkriegsdeutschland aus.445 Die Prüfungen und Zensurregelungen der einzelnen Besatzungszonen waren uneinheitlich, gerade wenn es um Zulassung und Verbot älterer Werke ging. In der US-Besatzungszone wurden 845 Filme geprüft und alle freigegeben. Gut 442 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 12. 443 | Vgl. Larsen, Egon, The Emergence of a New Film Industry, in: Hollywood Quarterly, Bd. 3 (1948) H. 4, S. 387-394, hier S. 390. 444 | Seit 1952 dann Real-Film. Gründer war Regisseur Rolf Meyer, der spätere Produzent von M enschen in G ot tes H and (1948) und Die Sünderin (1950). Der Sitz der Firma war Hamburg, die Ateliers wurden südlich der Stadt in Bendestorf aufgebaut. Vgl. Stettner, Peter, Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik, S. 7-15. 445 | Vgl. ebd., S. 60f.
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1.000 Filme wurden allerdings wegen der strengen Auflagen und ihres problematischen Inhalts gar nicht erst eingereicht und der Prüfung unterzogen. Die Briten prüften überhaupt nur 339 Filme, von denen 110 nicht beanstandet wurden. Strenger zensierten die französischen Besatzer, die von 888 Kinofilmen 309 nicht freigaben.446 Grundsätzlich orientierten sich die Briten und Franzosen an den inhaltlichen Maßstäben der Amerikaner und setzten nach den Prüfungen meist ähnliche Werke auf ihre »Schwarzen Listen«. Die Politik und Agenda der Besatzungsmächte lag auf den Schwerpunkten reeducation und denazification. Deshalb wurden besonders Filme verboten, welche sich glorifizierend und idealisierend dem Militarismus, Nationalsozialismus und der Verherrlichung deutscher Geschichte widmeten.447 Grundsätzlich versuchten die westlichen Besatzungsmächte, den staatlichen Einfluss auf die Filmindustrie auszuschalten, indem kleinen Verleih- und Produktionsfirmen Lizenzen zugesprochen wurden. Viele dieser Produktionsfirmen gingen aber, aufgrund der Wirtschaftslage oder wegen fehlender fachlicher Eignung der Betreiber, schon um 1949 in Konkurs. Das Lizenzierungsverfahren war außerdem zu kompliziert und deshalb zu langwierig.448 Das Entnazifizierungsprogramm der Amerikaner wurde anfangs weniger durch importierte Unterhaltungsfilme unterstützt, als durch die starke inhaltliche Kontrolle der Printmedien gewährleistet. Versuche, die deutsche Bevölkerung mit den Gräueltaten der Nazis direkt zu konfrontieren, waren meistens nicht von Erfolg gekrönt. Der halbdokumentarische Aufklärungsfilm Die Todesmühlen (1945) startete zwar mit einhundert Kopien, wurde aber kritisch oder ablehnend aufgenommen. Das Werk zeigte die Befreiung der Konzentrationslager und legte die Verbrechen der Nazis schonungslos offen, zudem wurde der deutschen Bevölkerung eine kollektive Schuld unterstellt. Nach einer Umfrage von Anfang 1946 hatten nur zwölf von hundert Befragten den Film überhaupt gesehen.449 Auch die erzieherischen und politischen Untertöne der von US-Amerikanern und Briten in den Bavaria-Studios hergestellten Wochenschau Welt im Film kam nicht gut an, sodass die Amerikaner sich seit etwa 1947 eher auf die Umerziehung durch leichte Unterhaltungsfilme konzentrierten, die bestenfalls unterschwellig demokratisch-humanistische Werte transportierten.450 Bis zum Frühjahr 1946 eröffneten in der US-Zone 350 Kinos. Bis 1949 stieg deren Zahl auf 3.000.
446 | Vgl. Pleyer, Peter, Deutscher Nachkriegsfilm. 1946-1948, Münster 1965 (=Studien zur Publizistik Bd. 4), S. 25f. 447 | Vgl. ebd. S. 27. 448 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 13. 449 | Vgl. Kutsch, Arnulf, Einstellungen zum Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit, in: Publizistik (1995) H. 10, S. 415-447, hier S. 438. 450 | Vgl. Reichel, Peter, Erfundene Erinnerungen, Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater, Frankfurt am Main 2004, S. 164f.
Entnazifizierung und Kontinuitäten in der Nachkriegszeit
Die für die Filmpolitik zuständige »Information Control Division« und die für den Filmimport aus Hollywood verantwortliche »Motion Picture Export Association« wählten die zur reeducation der Deutschen geeigneten Filmstoffe aus. Dabei ging es spätestens seit 1947 weniger um Propaganda oder Schuldzuweisungen wie in Die Todesmühlen als darum, Unterhaltungsfilme mit demokratischen Untertönen in der deutschen Bevölkerung zirkulieren zu lassen. Bereits 1945 wählte man dafür 32 infrage kommende Filme aus, die weder die Schuldfrage noch NS-Verbrechen direkt thematisierten, allerdings die amerikanische Kultur und demokratische Werte positiv inszenierten.451 Die Neuordnung der deutschen Filmbranche wurde maßgeblich vom Produzenten Erich Pommer gesteuert. Pommer hatte bereits in den 1920er Jahren für die UFA in Deutschland die amerikanische Produktionsweise eingeführt. Gefürchtet waren seine Storykonferenzen, die meist erst nach Arbeitsschluss gegen neun Uhr abends begannen und bis spät in die Nacht dauerten.452 Bekannt wurde Pommer als Produzent von teuren historischen Epen und Kostümfilmen oder künstlerisch anspruchsvollen Filmen wie Metropolis. Mit dem urbanen Großprojekt, dessen Kosten schon während der Produktion falsch kalkuliert waren, führte er damals die UFA beinahe in den Ruin. Deswegen war Pommers Vertrag 1926 in Potsdam-Babelsberg nicht verlängert worden. Paramount nahm den fähigen Produzenten Pommer gerne in Hollywood auf. Nach zwei Filmen wurde Pommer allerdings von der UFA erneut abgeworben und ging 1927 wieder nach Deutschland zurück. Die UFA bot Pommer ein Jahresgehalt von 300.000 Reichsmark und dazu noch zehn Prozent Gewinnbeteiligung, außerdem sollte er Produktionsleiter werden.453 Während seiner Rückkehr nach Deutschland entdeckte er Marlene Dietrich und drehte mit ihr Der Blaue Engel (1930), der ihr zu einer Weltkarriere verhalf. Pommer war zudem an der Umstellung auf den Tonfilm und die Anfertigung deutscher Sprachfassungen beteiligt, bis er, wie alle jüdischen Mitarbeiter der UFA, im März 1933 entlassen und zur Emigration gezwungen wurde. In seiner kurzen deutschen Schaffensphase war es Pommer gelungen, die deutsche Filmproduktion zu einem gewissen Grad zu »amerikanisieren«, indem neben dem Kunstwert immer der Profit eines Films im Blick bleiben sollte. Außerdem war ihm zu verdanken, dass sich die gleichmäßig-kontrastarme Ausleuchtung (high-key) der Hollywoodfilme und der detaillierte Drehplan standardmäßig durchsetzten und bis in die 1950er Jahre in Deutschland verwendet wurden. Die 451 | Vgl. Borchers, Hans, Hollywood as Reeducator. The Role of Feature Films in U.S. Policies Directed at Postwar Germany, in: Paedagogica Historica, Bd. 33 (1997) H. 1, S. 301-317, hier S. 310-315. 452 | Vgl. McGilligan, Pat, Backstory 2. Interviews with Screenwriters of 1940s and 1950s, Berkeley-Los Angeles-Oxford 1991, S. 210-218. 453 | Vgl. Hardt, Ursula, From Caligari to California. Erich Pommer’s Life in the International Film Wars, Providence-Oxford 1996, S. 106-108.
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UFA orientierte sich als »deutsches Hollywood« zunehmend am US-Produktionsstandard.454 Pommer war es bereits in den 1920er Jahren gelungen, rationalisierte Produktionsprinzipien aus Hollywood in die deutsche Filmproduktion zu transferieren. Die UFA war seitdem zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten Hollywoods aufgestiegen. Nach verschiedenen Stationen in Frankreich und Großbritannien arbeitete Pommer seit 1939 mit mäßigem Erfolg in den USA und kehrte 1945 als oberster Filmoffizier in sein Heimatland zurück, um die deutsche Filmindustrie wieder nach demokratischen Grundsätzen aufzubauen. Pommer, der seit 1944 bereits die US-Staatsbürgerschaft besaß, blieb bis 1949 Filmoffizier der Amerikaner und wirkte als Filmproduzent in der Bundesrepublik bis 1956.455 Der große Erfolg seiner Anfangsjahre blieb jedoch aus und wegen zunehmender gesundheitlicher Probleme kehrte Pommer wieder nach Los Angeles zurück, wo eine zweite TV-Karriere scheiterte und er 1966 verstarb.456 In der frühen Nachkriegszeit war vom einstigen Glanz der deutschen Filmstudios nicht mehr viel übrig. Die technischen Gerätschaften der UFA, TOBIS und AIFA wurde in sowjetische Hände übereignet. Die Amerikaner bekamen zum Ausgleich die liquidierte Bavaria zugesprochen. Besonders kritisch wurden von den Alliierten die sowjetische Strategie der Weiterverwertung alter, beschlagnahmter UFA-Produktionen und deren Neuaufführung in den Blockstaaten des Warschauer Pakts betrachtet. Die Briten und Amerikaner vertrieben ihrerseits strittige Filme, die sogenannten Überläufer, also Filme, die bis zum 8. Mai 1945 produziert, aber während des Nationalsozialismus nicht fertiggestellt worden waren. Beliebt waren auch Reprisen, die im »Dritten Reich« erstellt und nach Prüfung durch die Alliierten zur Aufführung freigegeben worden waren. Diese wurden über die jeweiligen Militärverleiher der Besatzungsmächte vertrieben und brachten schnell Gewinne, da sie vom deutschen Publikum gern gesehen wurden.457 In den westlichen Zonen wie in der SBZ waren Filmkünstler tätig, die bereits zur Zeit des Nationalsozialismus gearbeitet und dort wichtige kulturpolitische Funktionen bekleidet hatten. Diese personelle Kontinuität lief dem propagierten politischen Neuanfang zuwider, war aber nötig, um überhaupt eine funktionierende Filmindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg aufzubauen. Ein Drittel der Drehbuchautoren, die seit Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre in der SBZ/ DDR tätig waren, arbeiteten zugleich in den westlichen Besatzungszonen bezie-
454 | Vgl. ebd., S. 108-111. 455 | Vgl. Hardt, Ursula, From Caligari to California. Erich Pommer’s Life in the International Film Wars, S. 172-180. 456 | Vgl. Jacobsen, Wolfgang, Pommer, Erich, Neue Deutsche Biographie Bd. 20 (2001), S. 612f. 457 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 19.
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hungsweise der Bundesrepublik.458 Noch 1960 war jedes zweite Filmdrehbuch von einem ehemaligen NS-Autor verfasst.459 Vom 6. bis 9.6.1947 wurde für die Filmschaffenden ein gesamtdeutscher interzonaler »Erster Film-Autoren-Kongress« in Potsdam-Babelsberg abgehalten, der die Anstrengungen und Aufgaben der Filmindustrie erörterte.460 Damals wurden das Nachwuchsproblem und die Ausbildung der Drehbuchautoren angesprochen. Die Kongressteilnehmer kritisierten fehlende Filmmanuskripte und Filmideen. Die jungen Drehbuchautoren müssten im Atelier und in der Praxis arbeiten, um ihr Handwerk zu erlernen. Vor allem wurde die personelle Kontinuität als drängendes Problem angesehen. In einer Phase, in der die Zukunft Deutschlands unklar erschien und die politische Systemkonkurrenz sich zuspitzte, wurde ein filmischer mit einem gesellschaftlichen Neuanfang verknüpft. Nachdem in den ersten Nachkriegsjahren noch eine relative zonenübergreifende Zusammenarbeit geherrscht hatte, kam es seit der doppelten Staatsgründung im Jahre 1949 zur Blockkonfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion. Das Genre Spionagefilm spiegelte das wachsende Misstrauen der politischen Lager wider. So wurden in der Bundesrepublik und den USA antikommunistische Inhalte und auf Seiten der DDR sogenannte antiimperialistische und antibürgerliche Filmthemen populär. In der Zeit vor dem Wirtschaftswunder wurden in den deutschen Besatzungszonen wichtige filmästhetische Nachkriegsströmungen wie der Italienische Neorealismus mit Regisseuren wie Vittorio De Sica und Roberto Rossellini kaum gewürdigt. Aufgrund der Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit stießen sie auf breite Ablehnung seitens Kritik und Publikum.461 Der Neorealismus entstand in Italien in einer wirtschaftlichen Krisenzeit und wurde in den Trümmern der europäischen Großstädte gedreht. Das Genre arbeitete mit Laiendarstellern und sollte psychologische Tiefenwirkung beim Publikum durch realistische, am Dreh improvisierte Handlung und Dialoge erzeugen. Die 16-mm-Schmalfilmund mobile Kameratechnik ermöglichte mobile Aussendrehs, was den Filmen das semidokumentarische Äußere und die recht dunkle Ausleuchtung verlieh. Im Grunde bildeten neorealistische Werke die ästhetische und stilistische Gegenbewegung zu den überzeichneten, perfekt ausgeleuchteten Hollywoodfilmen.462 Wegweisende Werke wie Roma città aperta (1945), Ladri di Biciclette (1948) 458 | Vgl. Ivanova, Mariana, Die Prestige-Agenda der DEFA. Koproduktionen mit Erich Mehls Filmfirma Pandora (1954-1957), in: Wedel, Michael / Byg, Barton / Räder, Andy et al. (Hrsg.), DEFA International. Grenzüberschreitende Filmbeziehungen vor und nach dem Mauerbau, Wiesbaden 2013, S. 217-232, hier insb. S. 219. 459 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben. Eine Geschichte des Drehbuchs, Wien 1990, S. 128-144. 460 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 17f. 461 | Vgl. ebd., S. 78-82. 462 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen, S. 316f.
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oder Deutschland im Jahre Null (1948) waren beim deutschen Publikum – in Ost und West – jedoch recht unbeliebt. Die Filme zeichneten sich zudem durch eine enge Kooperation der Regisseure mit den Drehbuchautoren aus. Oftmals schrieben Rossellini und De Sica selbst an Passagen der Manuskripte mit. In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der 1950er Jahre 90 Prozent der Spielpläne von Hollywoodfilmen und britischen Produktionen – aber kaum von neorealistischen Werken – bestimmt. Für die Filmzensur waren dabei drei Institutionen zuständig: die seit 1949 existierende »Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft« (FSK), die »Filmbewertungsstelle Wiesbaden« (seit 1951) sowie der »Interministerielle Filmprüfungsausschuss« (seit 1954). Letzterer prüfte insbesondere Filme aus den sozialistischen Ländern. Auch im Filmverleih herrschte zwischen dem Ost- und Westteil Deutschlands ein reger Austausch, der auch durch personelle Verflechtungen und internationale Koproduktionen besonders im Segment des Genres unterhaltender Filme offenbar wurde.463 Im Hinblick auf die Gründung der Bundeswehr sollten im Jahr 1954/55 durch Filme die heroischen soldatischen Ehren in Militärfilmen wie Canaris, Der 20. Juli oder Des Teufels General wiederhergestellt werden. Die Wehrmacht wurde dabei in ein positives Licht gerückt. Der ehemalige NS-Kulturfunktionär Erich Ebermayer schrieb für Canaris das Drehbuch und arbeitete zusammen mit dem Antifaschisten Falk Harnack für den Film Der 20. Juli, der zum zehnjährigen Jubiläum des Hitlerattentats herausgebracht wurde. Die kargen Nachkriegsjahre und die Zerstörung der Produktionsstandorte sowie die politisch-ideologische Teilung Deutschlands machten es nötig, Kompromisse einzugehen.464 So konnte die deutsche Filmindustrie auf keinen professionellen Filmschaffenden verzichten. Die ersten zwei Jahre westdeutscher Filmproduktion bis 1948 wurde deshalb größtenteils von ehemaligem UFA-Personal 463 | Beispielsweise wurden DEFA-Koproduktionen mit der CSSR seit Beginn der 1950er Jahre vorangetrieben. Die von der Bundesrepublik aus operierende Filmfirma Pandora wurde in Stockholm gegründet, um die Produktionsbeschränkungen zu umgehen und trotzdem mithilfe west- und ostdeutscher Filmemacher weiterhin Filme herzustellen. Vgl. Ivanova, Mariana, Die Prestige-Agenda der DEFA, S. 217-232 und Skopal, Pavel, Reisende in Sachen Genre – Von Barrandov nach Babelsberg und zurück. Zur Bedeutung von tschechischen Regisseuren für die Genrefilmproduktion der DEFA in den 1960er und 1970er Jahren, in: Wedel, Michael / Byg, Barton / Räder, Andy et al. (Hrsg.), DEFA International. Grenzüberschreitende Filmbeziehungen vor und nach dem Mauerbau, Wiesbaden 2013, S. 249-266. 464 | Demokratisierung war zuerst nur ein untergeordnetes Ziel der amerikanischen Besatzungspolitik gewesen. Man lenkte zu Beginn des Kalten Krieges ein und erkannte, dass positive Anreize mehr in der Mentalität der Deutschen veränderten als strikte Verbote. Vgl. Jarausch, Konrad H., Amerikanische Einflüsse und deutsche Einsichten. Kulturelle Aspekte der Demokratisierung Westdeutschlands., in: Bauerkämper, Arnd (Hrsg.), Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und die kulturelle Öffnung Westdeutschlands 1945-1970, Göttingen 2005, S. 57-84, hier S. 61f.
Entnazifizierung und Kontinuitäten in der Nachkriegszeit
bestritten.465 Der viel beschworene Neuanfang wurde bald vom bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder abgelöst. Nach Jarausch war das eigentliche Wunder der Nachkriegszeit jedoch nicht der wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik, sondern der schrittweise Mentalitätswechsel der Deutschen hin zur Demokratie.466 Trotzdem: Noch lange konnten ehemalige NS-Drehbuchautoren weiter tätig sein und dem NS-Regime treue Filmkünstler wurden vielfach rehabilitiert. Weiterhin fand in den ersten Nachkriegsjahren trotz der wachsenden Systemkonkurrenz ein reger Austausch zwischen dem Filmpersonal der Besatzungszonen statt. Falk Harnack hatte im Jahr 1951 für die DEFA am Drehbuch für Das Beil von Wandsbek mitgeschrieben und damit den ersten Filmzensurfall der noch jungen DDR herauf beschworen. Nun schrieb er Militärfilme in der Bundesrepublik. Praktische wie wirtschaftliche Erwägungen waren gegenüber politischen Schuldzuweisungen in den Vordergrund gerückt. Im Klima des beginnenden Kalten Krieges verbot der westdeutsche »Interministerielle Filmprüfungsausschuss« kritische DEFA-Filme wie Der Untertan, der erst Ende der 1950er Jahre für das westdeutsche Publikum in einer gekürzten Fassung im Kino zu sehen war.467 Das Primat der Unterhaltung, der Darstellung einer heilen Welt in idyllischen Heimatfilmen und Melodramen machte experimentelles oder kritisches Genrekino in der Bundesrepublik bis in die 1960er Jahre hinein beinahe unmöglich. Daneben waren Spionagefilme populär, die die Angst vor der »Roten Gefahr« schürten und somit der paranoiden Mentalität während des Kalten Krieges Vorschub leisteten. Diese antikommunistischen Tendenzen waren in den USA schon bemerkbar gewesen und traten nun im westdeutschen wie im US-Kino zutage. Wichtig für beide deutsche Staaten war, dass bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit Filme mit politischem Impetus herauskamen, die den Unterhaltungswert des Kinos überlagerten. Beispielhaft wird dies deutlich, wenn man die künstlerisch ambitionierten Filme des Italienischen Neorealismus und seines sozialistischen Pendants, des Kritischen Realismus, und deren Rezeption im Nachkriegsdeutschland betrachtet. Filme, die sich mit der Schuldfrage der deutschen Bevölkerung in einer pessimistisch-kritischen Grundhaltung beschäftigten und Antihelden propagierten, wurden in der BRD wie DDR vom Publikum, von der Kritik und der Zensur strikt abgelehnt.468 Auch der pessimistische Grundtenor des genuin deutschen »Trümmerfilms« der ersten Nachkriegsjahre war beim Publikum eher unbeliebt.469 So wurden Filme, die mit der nationalsozialisti465 | Vgl. Göttler, Fritz, Westdeutscher Nachkriegsfilm, in: Jacobsen, Wolfgang / Kaes, Anton / Prinzler, Hans Helmut (Hrsg.), Geschichte des Deutschen Films, Stuttgart-Weimar 2004, S. 171-210, hier S. 177. 466 | Vgl. Jarausch, Konrad H., Amerikanische Einflüsse und deutsche Einsichten, S. 78. 467 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 21f. 468 | Vgl. Habe, Hans, Rossellini sieht Deutschland, in: Süddeutsche Zeitung, 28.9.1949, S. 2. 469 | Vgl. Göttler, Fritz, Westdeutscher Nachkriegsfilm, hier S. 177.
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schen Vergangenheit besonders kritisch umgingen und die Nazis als Sadisten und das personifizierte Böse zeigten, zwar produziert, aber vom Publikum kaum geschätzt. Das betraf durchaus sehenswerte Werke wie Morituri470 und Lang ist der Weg. Ersteren sahen nur etwas mehr als 400.000 Zuschauer, wobei ein durchschnittlich erfolgreicher Film damals einige Millionen Kinozuschauer anzog. Auf den meisten Kinospielplänen wurde er bereits nach zwei Wochen wieder vom Spielplan genommen. Weiterhin wurde Morituri – trotz der sowjetischen Hilfe während seiner Produktionsphase im September und Oktober 1947 – nach seiner Fertigstellung in der ostdeutschen Parteizeitung Neues Deutschland heftig kritisiert und in der SBZ überhaupt nicht aufgeführt. Die staatssozialistischen Organe polemisierten besonders gegen die Mitarbeit des im NS-Regime bewährten Drehbuchautors Gustav Kampendonk, der es nun nicht lassen könne, seine Finger in die NS-Thematik zu stecken. Der gewaltsame Widerstand der polnischen Partisanen war dem Rezensenten zu ambivalent, er passe nicht in das idealtypische Bild eines heldenhaften kommunistischen Widerstandskämpfers. Am Ende des Films stand ein junger Wehrmachtssoldat als Retter der Partisanengruppe, nicht aber die Sowjetarmee, im Mittelpunkt.471 Besonders diese Wendung wurde von der ostdeutschen Filmkritik bemängelt. Das war eine Argumentation, die besonders gegen Filme vorgebracht wurde, die den sogenannten »bürgerlich-dekadenten« Kritischen Realismus darstellten und deren ambivalente, teils gebrochene Helden nicht in das »neue«, sozialistische Deutschland passten.472 So wurde auch Das Beil von Wandsbek in der DDR als »degenerierte« Version des Kritischen Realismus abgelehnt und schließlich verboten. Erwünscht war der politisch konforme, positive Held des Sozialistischen Realismus 473.
470 | Arbeitstitel: Die Namenlosen. Der Film wurde von Artur Brauner mit der CCC Filmkunst produziert und war der erste deutsche Nachkriegsfilm, der sich explizit mit dem Holocaust auseinandersetzte. 471 | Vgl. Thiele, Martina, Publizistische Kontroversen über den Holocaust im Film, 2. Aufl., Berlin 2007, S. 151-153. 472 | Zur »Formalismusdebatte« in der SBZ/DDR siehe Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 84-90. 473 | Die einzige gültige Kunstdoktrin der Sowjetunion und damit auch der DDR. Sie unterstrich positive Helden der Arbeiterklasse oder werktätige Bauern, die zwar Intelligenz und Schwächen besaßen, aber nicht innerlich zerrissen waren wie die Helden des Kritischen Realismus. Zur Zufriedenheit der politischen Machthaber wurde die Vorstellung des Sozialistische Realismus in der Nachkriegszeit nur in zwei antiimperialistischen Filmen umgesetzt: in Das Verurteilte D orf und in der expressionistisch anmutenden IG-Farben-Abrechnung von Kurt Maetzig – D er R at der G öt ter . Vgl. Axen, Hermann, Konferenz der Filmschaffenden in Berlin. Hermann Axen sprach zu theoretischen und organisatorischen Fragen des deutschen Films, in: Neues Deutschland, 17.9.1952, S. 3.
Entnazifizierung und Kontinuitäten in der Nachkriegszeit
Die Judenvernichtung und der Holocaust sowie die Schicksale der Vertriebenen und displaced persons 474 wurden im unmittelbaren deutsch-deutschen Nachkriegskino bis Ende der 1950er Jahre deshalb kaum sichtbar.475 Erst mit der Bruno-Apitz-Verfilmung Nackt unter Wölfen aus dem Jahr 1963 näherte man sich auch bei der ostdeutschen DEFA einer differenzierten Betrachtung der Holocaust-Thematik. In der Bundesrepublik hingegen kritisierte das Publikum an Morituri die anklagende Grundhaltung, die nun, nachdem ein Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit gezogen werden sollte, nicht mehr erwünscht war.476 Nach der Währungsreform und Gründung der Bundesrepublik konnte die westdeutsche Filmindustrie wieder aufgebaut werden. Dabei wurden neben den deutschen Filmkünstlern, die schon vor oder erst im NS-Regime gewirkt hatten, die wenigen remigrierten jüdischen Filmschaffenden zunehmend wichtiger. Im Folgenden soll der Einfluss zurückgekehrter Filmexilanten, insbesondere der Drehbuchautoren, in den Blick genommen werden. Diese konnten vielfach nicht an ihre erfolgreiche Zeit vor dem Exil anknüpfen und fanden in den Wirren der Nachkriegszeit, in der es an Rohfilmmaterial mangelte und Lizenzen mühsam beantragt werden mussten, nicht zu ihrer Leistungsfähigkeit zurück.477 Fritz Lang gehörte 1956 zu den bekanntesten Heimkehrern des Filmbusiness. Auch der Autor und Regisseur Robert Siodmak führte seit 1952 in Deutschland wieder Regie. Seine Verfilmung von Hauptmanns Die Ratten (1955) wurde auf der Berlinale mit dem »Goldenen Bären« ausgezeichnet. In Hollywood hatte Siodmak mit Filmen wie The Spiral Staircase den Film Noir mitbegründet. Sein Bruder Curt Siodmak führte seine Karriere als freischaffender Drehbuchautor in Hollywood weiter. Er war auf B-Movies aus dem Bereichen Science-Fiction und Horror spezialisiert.478 Andere Exilanten wie Billy Wilder waren in den USA sehr erfolgreich und kehrten in US-amerikanischer Uniform nach Deutschland zurück. Wilder schnitt die Dokumentation Die Todesmühlen und produzierte zwei Filme über 474 | Heimatlose, zivile Kriegsflüchtlinge, die meist aus dem östlichen Europa nach Deutschland vor den Nazis geflohen waren. Aufgenommen wurden die meist ehemaligen Zwangsarbeiter in Auffanglagern, wo ihr Status erst einmal unklar war. Etwa die Hälfte der 12 Millionen displaced persons wurde nach dem Kriegsende schnell repatriiert, ein Teil sollte zum Beispiel in Israel neu angesiedelt werden. Vgl. Jacobmeyer, Wolfgang, Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer. Die Displaced Persons in Westdeutschland 1945-1951, Göttingen 1985 (=Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 65), S. 14-18. 475 | Einzige Ausnahme blieb Kurt Maetzigs E he im S chat ten (1947), der die Verfolgung jüdischer Filmkünstler portraitierte. 476 | Vgl. Thiele, Martina, Publizistische Kontroversen über den Holocaust im Film, S. 154f. 477 | Vgl. Göttler, Fritz, Westdeutscher Nachkriegsfilm, S.182. 478 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Fluchtpunkt Hollywood. Eine Dokumentation zur Filmemigration nach 1933, 2. erw. u. korr Aufl., Münster 1986, S. 30-32.
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Nachkriegsdeutschland von Hollywood aus: A Foreign Affair (1948) und den komödiantischen Kalten-Kriegs-Klassiker One, Two, Three (1961).479 Zu den prominentesten, gleich nach dem Krieg remigrierten antifaschistischen Intellektuellen in der DDR gehörten Anna Seghers und Alfred Döblin. Döblin hatte in den USA versucht, als Drehbuchautor Fuß zu fassen.480 Für Drehbuchautoren, die aus dem Exil zurückkehrten, dürften neben dem Wunsch nach Rückkehr in ihre ehemalige Heimat wirtschaftliche, politische oder soziokulturelle Interessen eine Rolle gespielt haben.481 Doch nur ein kleiner Teil der geflohenen Drehbuchautoren, wie Hans Jacoby, Friedrich Kohner, Peter Berneis, Hans Paul Rameau, Fritz Rotter und Robert Thoeren (gebürtig Thorsch) kam nach 1945 wieder nach Deutschland, um dort beim Film zu arbeiten.482 Andere, wie Vicki Baum, bereisten in der Nachkriegszeit Europa, ließen aber Deutschland konsequent aus.483 Victoria Wolff hingegen pflegte regen Kontakt mit der Bundesrepublik und besuchte regelmäßig ihre Heimatstadt Heilbronn. Eine völlige Rückkehr nach Deutschland kam für sie als amerikanische Staatsbürgerin jedoch nicht infrage.484 Thoeren und Rameau waren in den USA angesehene, gut bezahlte Drehbuchautoren gewesen. Thoeren ging 1950 nach London, um dort an einem Drehbuch zu arbeiten, und verfasste später wieder Drehbücher in der Bundesrepublik. Für Banditen auf der Autobahn (1955) lieferte er seine erste Filmvorlage in deutscher Sprache ab. Thoeren hatte seine Filmkarriere auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in Frankreich mit der Mitarbeit am Manuskript von Le Dompteur (1938) in den 1930er Jahren begonnen und im Exil nur Drehbücher auf Englisch 479 | Vgl. Bathrick, David, Billy Wilder’s Cold War Berlin, in: New German Critique, Bd. 37 (2010) H. 2, S. 31-47. 480 | Döblin kam als einer der ersten Remigranten in französischer Uniform im November 1945 nach Deutschland. Nachdem er in den USA keinen Erfolg gehabt hatte, versuchte er nun in der Bundesrepublik literarisch tätig zu sein, allerdings isolierte er sich im Kulturbetrieb, weil er Thomas Mann ablehnend gegenüberstand. Er emigrierte 1957 wieder nach Frankreich. Vgl. Müller-Salget, Klaus, Verfehlte Heimkehr. Alfred Döblin im Deutschland der Nachkriegszeit, in: Koebner, Thomas / Rotermund, Erwin (Hrsg.), Rückkehr aus dem Exil. Emigranten aus dem Dritten Reich in Deutschland nach 1945, Marburg 1990, S. 55-65, hier S. 55f. 481 | Vgl. Kleiner, Piritta, Jüdisch, Jung und Jetzt. Identitäten und Lebenswelten junger Juden in München, München 2010, S. 43f. 482 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Exil-Drehbuchautoren in Hollywood, S. 76. 483 | Vgl. Lube, Barbara, »Nirgends mehr zu Hause«. Vicki Baums ungestilltes Heimweh, in: Koebner, Thomas / Rotermund, Erwin (Hrsg.), Rückkehr aus dem Exil. Emigranten aus dem Dritten Reich in Deutschland nach 1945, Marburg 1990, S. 43-53, hier S. 52. 484 | Vgl. Heimberg, Anke, »Emigration ist eine Entziehungskur«. Leben und Werk der Exilschriftstellerin Victoria Wolff, in: Spalek, John M. u. a. (Hrsg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. USA Bd. 3, Teil 5, Zürich-München 2005, S. 271-301, hier S. 289f.
Entnazifizierung und Kontinuitäten in der Nachkriegszeit
und Französisch verfasst.485 Rameau war 1951 wieder nach Berlin gekommen und verfasste bis Anfang der 1960er Jahre Vorlagen und Drehbücher zu diversen österreichischen Komödien wie Du bist Musik (1956) oder Sabine und die hundert Männer (1960) mit. Rameau arbeitete häufig mit dem Filmproduzenten Artur Brauner und dessen Gesellschaft CCC zusammen. Für ebenjene Produktionsfirma steuerte Friedrich Kohner das Drehbuch für die zweite Verfilmung von Vicki Baums Erfolgsroman Studentin Helene Willfüer (1956) bei. Wirklich erfolgreich und prägend in der BRD wurde nur Hans Jacoby, der seit 1957 diverse Drehbücher für Heinz-Rühmann-Komödien und die Filmversion der tschechischen literarischen Ikone Der brave Soldat Schwejk (1960) verfasste.486 Nur wenige Rückkehrer wurden in der bundesrepublikanischen Filmindustrie dauerhaft erfolgreich, denn die etablierten Filmkünstler, die schon während des Nationalsozialismus gewirkt hatten, besetzten immer noch wichtige Positionen. Selbst Thea von Harbou arbeitete seit 1949 nach ihrer Entnazifizierung bis zum Tode im Jahr 1954 als Drehbuchautorin weiter. Sie wirkte zudem an der deutschen Synchronfassung des Nachkriegsklassikers The Third Man mit.487 Fritz Lang verfilmte später erneut ihren Roman Der Tiger von Eschnapur in einer großangelegten europäischen Koproduktion im Jahr 1958, sodass insbesondere an diesem Punkt die personelle und thematische Kontinuität im Film der Bundesrepublik augenfällig wird. Für viele andere Drehbuchautoren waren die Jahre nach dem Kriegsende ein Überlebenskampf. Häufig arbeiteten sie wieder beim Theater oder übten andere Brotberufe aus. Der deutsche Film geriet in den 1950er Jahren in die Krise und lieferte fast nur oberflächliche, unterhaltsame Massenware in Form von Heimat-, Revue-, Ärzte- und Kriegsfilmen. Diese Hinwendung zu formelhaften, immer gleichen Genrefilmen hatte mannigfaltige Ursachen, wie die fehlende Infrastruktur und strukturelle Neuorganisation der Filmindustrie, die Dezentralisierung und der Verlust wertvoller Produktionsstandorte, die Konkurrenz durch die zahllosen importierten Filme, die mangelnde Integration der Remigranten und die personelle Kontinuität. Die fehlende Vergangenheitsbewältigung der Kriegsgeneration und die Priorität für unterhaltende massentaugliche Genrefilme machten filmische 485 | Vgl. Weniger, Kay, »Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …« Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, Hamburg 2011, S. 372. 486 | Vgl. ebd., S. 259f. 487 | Harbou wurde 1945 kurz im Lager Staumühle interniert, bekam ein Aufenthaltsverbot für die Stadt Berlin ausgesprochen und war bis 1949 kurz eine sogenannte »Trümmerfrau«. Vgl. Sigmund, Anna Maria, Die Frauen der Nazis III, München 2002. Zur Entzauberung des Mythos von der »Trümmerfrau« und seiner Wirkmacht im kollektiven Gedächtnis vgl. Treber, Leonie, Mythos Trümmerfrauen. Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes, Essen 2014, S. 432f.
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Innovationen fast unmöglich. Die Filmemacher der Adenauer-Ära knüpften weder an neorealistische Traditionen noch an den amerikanischen Film Noir an, sondern produzierten blasse Unterhaltungsfilme im UFA-Stil, die der Bevölkerung eine heile Welt auf der Leinwand vorgaukelten. Die Filmindustrie arbeitete nach Hollywooddiktum und stellte Fließbandprodukte her, die zwar handwerklich ordentlich waren, aber selten künstlerisch oder mit einer besonderen Filmidee überzeugten. Ein Neuanfang und ästhetischer wie inhaltlicher Auf bruch wurde erst mit einer neuen Generation von Filmemachern im Gefolge des Oberhausener Manifests von 1962 möglich. Im Neuen Deutschen Film seit 1960 erhielt der Autorenfilm seine typisch bundesrepublikanische Prägung.488
R olle , F unk tion und S tellung des D rehbuchautors in der DDR Die Filmsysteme in der DDR und in der Bundesrepublik hatten ähnliche Probleme mit personellen Kontinuitäten und waren zunächst mit dem Wiederauf bau der Filmindustrie beschäftigt. Die DDR proklamierte einen antifaschistischen Neuanfang. Diesem sollte auch das Massenmedium Film mit seiner zentralisierten Kontrolle der Filmproduktion durch die strikte Planung und Vorzensur in der Stoffentwicklung dienen. Zu den beruflichen Aufgaben der Filmschaffenden gehörte immer auch die ideologische Erziehungs- und Bildungsfunktion. So begriff der DEFA-Chefdramaturg Hans-Robert Bortfeldt489 den Drehbuchautor als »sozialistischen Vordenker« und »Wegbereiter des fortschrittlichen deutschen Films«.490 Der Spielfilm sollte als lebendiges Kunstwerk der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Volkes Rechnung tragen und zum Träger des Fortschritts werden. Seit etwa 1951 waren antifaschistische und antibürgerliche Inhalte sowie die Kunstdoktrin des Sozialistischen Realismus im DDR-Film zwingend vorgeschrieben. Bortfeldt schwor die DEFA auf thematische Planerfüllung ein, damit die Drehbuchautoren sich von der Macht Hollywoods unabhängig machen konnten.491 In den ersten Nachkriegsjahren ersetzte die DDR ihre Kulturfunktionäre und ihr Filmpersonal in leitenden Positionen schrittweise durch SED-Mitglie-
488 | Vgl. Göttler, Fritz, Westdeutscher Nachkriegsfilm, S. 208-210. 489 | Bortfeldt war seit 1933 Drehbuchautor und Dramaturg der UFA gewesen und hatte mit Falk Harnack das Drehbuch zu Das B eil von Wandsbek geschrieben. Als SED-Mitglied ersetzte er seit 1950 den parteilosen Chefdramaturgen Wolff von Gordon im DEFA-Vorstand. 490 | Vgl. Bortfeldt, Hans-Robert, Einige Bemerkungen zur Dramaturgie des Spielfilms, in: Deutsche Film-AG (Hrsg.), Auf Neuen Wegen. 5 Jahre Fortschrittlicher Deutscher Film, Berlin 1951, S. 69-73. 491 | Vgl. ebd., S. 69.
Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR
der oder parteipolitisch loyale Filmkünstler. Von der Gründungsbelegschaft der DEFA blieb nur Kurt Maetzig übrig. Seit 1947 fungierte die Filmdramaturgie als bedeutungsvollste Instanz bei der Überwachung und Kontrolle von Filmvorhaben. Der Dramaturg erhielt eine bedeutende administrative, organisatorische, aber auch ideologische Steuerungsfunktion bei der Auswahl und Planung der Filmstoffe. Seine herausgehobene Stellung in der DDR-Filmproduktion war nur mit der Rolle des Dramaturgen in der Tschechoslowakei zu vergleichen. In anderen sozialistischen Filmländern wie in Polen übernahmen die Regisseure und Filmproduzenten dessen Aufgaben, weshalb dieser kein zentraler Beruf war.492 Die Parteiführung der SED war, seit 1947 vertreten durch die »DEFA-Filmkommission«, für die Abnahme der Drehbücher und die Zulassung der Filme verantwortlich.493 Die 1946 gegründete DEFA wurde mehrfach reorganisiert und ihr Gesamtkapital 1950 vom SED-Betrieb »Zentrag« erworben.494 Nachdem das Führungspersonal bereits 1949 ausgetauscht und der Parteifunktionär Sepp Schwab zum neuen DEFA-Direktor495 ernannt worden war, stand sie unter direkter politischer Weisung und Kontrolle der SED, die mittels der »DEFA-Kommission« die Zensur-Funktionen der einstigen sowjetischen Besatzungsmacht übernahm.496 Die DEFA steuerte als führende Filmproduktionsstätte der DDR unter der Vorgabe des Marxismus-Leninismus die ästhetische wie inhaltliche Ausgestaltung des Sozialistischen Realismus und damit die gesamte staatlich subventionierte DDR-Filmwirtschaft. Dabei kam es immer wieder zu wirtschaftlichen wie ästhetischen Konflikten und Krisen.497 Seit 1953 war die DEFA ein volkseigener Betrieb498 und damit dem »Staatlichen Komitee für Filmwesen« und seit 1954 der »Hauptverwaltung Film« (HV Film)499 beim Kulturministerium unterstellt. Die HV Film fungierte gleich492 | Für die Rolle des Drehbuchautors und Dramaturgen in der Tschechoslowakei vgl. Szczepanik, Petr, How Many Steps to the Shooting Script? A Political History of Screenwriting, in: Iluminace, Bd. 25 (2013) H. 3, S. 73-98. 493 | Vgl. Schittly, Dagmar, Zwischen Regie und Regime. Die Filmpolitik der SED im Spiegel der DEFA-Produktionen, Berlin 2002, S. 32f. 494 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR. Daten Fakten Strukturen, Potsdam 2009, S. 15. 495 | Bis 1952 DEFA-Direktor, dann Leiter des »Staatlichen Komitees für Filmwesen«. 496 | Vgl. Scholz, Juliane, Wechselseitige Bezugsrahmen, S. 17-19. 497 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 16. 498 | Das »DEFA-Studio für Spielfilme« führte Dramaturgie, Produktion, Atelier und Technik als Organisationsstruktur zusammen und stellte eine eigene juristische Person, einen wirtschaftlich selbstständigen Betrieb dar. Die Beschäftigten waren Angestellte und in Betriebssozialorganisationen organisiert. 499 | Zentralisierung seit Gründung des »Ministeriums für Kultur« 1954, das in der »Hauptverwaltung Film« alle filmleitenden Einrichtungen zusammenfasste und über Lizenz und Zulassung der Filme bestimmte. Seit 1964 wurde der Stellvertreter des Kulturministers
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
zeitig als zentraler staatlicher Auftraggeber für Drehbuchautoren und Dramaturgen. Bis 1960 nahmen die Chefdramaturgen eine herausragende Stellung bei der thematischen Stoffentwicklung für die Filmproduktion ein. Sie waren diejenigen, die Stoffe und Themen planten, an mögliche Drehbuchautoren verteilten und die einzelnen Arbeitsstufen der Drehbuchentwicklung überwachten. Sie arbeiteten eng mit dem eigentlichen Drehbuchautor zusammen und führten ihn durch die politischen Reglements und Anweisungen, ohne selbst schöpferisch tätig zu sein.500 Grundsätzlich arbeiteten in der neugegründeten DDR bis in die 1950er Jahre hinein fast ein Drittel westdeutsche Filmautoren und bis zum Mauerbau waren Koproduktionen mit Filmstudios in Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik – also nicht nur mit denen der »sozialistischen Bruderländer« – Normalität. Zudem wurden bis in die 1960er Jahre gezielt ausländische Filmschaffende beispielsweise aus den Barrandov-Studios in Prag angeworben, um den eigenen Kader an Filmschaffenden und das eigene Know-how bei unterhaltenden Genrefilmen zu stärken.501 Zur Spielfilmabteilung der DEFA 502 , der seit 1952 verschiedene selbstständige Studios, Betriebe und verschiedene Einrichtungen angehörten,503 zählten vier Dramaturgengruppen, die sich zusammen mit dem Lektorat ein Gebäude teilten und im ständigen Kontakt mit circa 50 freischaffenden Drehbuchautoren und Schriftstellern standen.504 Jede Produktionsgruppe (seit 1959 »Künstlerische Arbeitsgruppen«, kurz: KAG505) besaß vier bis sechs fest angestellte Dramaturgen, die im Auftrag der DEFA Filmstoffe entwickeln sollten und neue talentierte Drehbuchautoren für den Betrieb anwarben. Besonders einflussreich wurde Klaus Wischnewski, der seit 1960 als Chefdramaturg bei der DEFA angestellt war und die DDR Wirklichkeit in den von ihm gleichzeitig Leiter der »HV Film« und als »Filmminister« vereinte er Funktionen eines Aufsichtsrats, Parteifunktionärs und Filmproduzenten. Vgl. ebd., S. 74f. 500 | Vgl. Bortfeldt, Hans-Robert, Einige Bemerkungen zur Dramaturgie des Spielfilms, S. 70f. 501 | Vgl. Ivanova, Mariana, Die Prestige-Agenda der DEFA. Koproduktionen mit Erich Mehls Filmfirma Pandora (1954-1957), S. 217-232 und Skopal, Pavel, Reisende in Sachen Genre – Von Barrandov nach Babelsberg und zurück. Zur Bedeutung von tschechischen Regisseuren für die Genrefilmproduktion der DEFA in den 1960er und 1970er Jahren, S. 249-266. 502 | Es gab in der DDR auch andere lizenzierte, selbstständige Filmproduktionen wie Phoenix-Film (1946-1951) oder Film-Union. Vgl. ebd., S. 189f. 503 | Vgl. ebd., S. 116. 504 | Vgl. Bortfeldt, Hans-Robert, Einige Bemerkungen zur Dramaturgie des Spielfilms, S. 72. 505 | Künstlerische Leiter der KAG waren Regisseure, unterstützt von Hauptdramaturgen. Seit 1967 weitergeführt als »Dramaturgengruppen« und später wieder zentral gelenkt. Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 131.
Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR
verantworteten Filmen kritisch beleuchtete. Nach dem berüchtigten Kahlschlagplenum, welches Filme wie Spur der Steine mit einem Aufführungsverbot belegte, wendete sich Wischnewski vom Film ab und arbeite bis 1984 beim Deutschen Theater.506 Auch der von der KAG »Heinrich Greif« 1965 produzierte Film Fräulein Schmetterling wurde beim 11. Plenum verbotenen. Auf Grundlage eines Szenariums von Christa und Gerhard Wolf inszenierte Kurt Barthel einen poetischen Abgesang auf Fortschrittsgläubigkeit und Modernisierungswahn zwischen freiheitlicher Selbstbestimmung und staatlicher Bevormundung. Der Film wurde erst 2005 nach einer umfassenden Rekonstruktion wieder aufgeführt und verknüpft dokumentarische Szenen mit fiktionalen Sequenzen. Das sozialistische Primat, welches die Arbeit und Werktätigkeit der Menschen fetischisierte und das Kollektiv über das menschliche Individuum stellte, wird in Fräulein Schmetterling schrittweise dekonstruiert. Die Weise Helene Raupe (Melania Jakubisková) verweigert sich deshalb die ihr vom Staat vorgeschlagenen Arbeitsstellen wie ein Roboter auszufüllen bis schließlich Ihre jüngere Schwester aufgrund ihrer angeblich unangepassten und unsteten Lebensweise bei der ungeliebten Tante untergebracht wird.507 Auch dieser DDR-Verbotsfilm wurde dramaturgisch von Klaus Wischnewski begleitet, der die künstlerische Intention der Filmschaffenden in seiner Stellungname vom 4.2.1966 noch einmal verteidigte, als es bereits darum ging die praktischen wie künstlerischen ‚Fehler‘ der Rohschnittfassung zu untersuchen: »Wir wollten einen Film machen, der auf unkonventionelle, poetische Weise von der realen Tatsache und notwendigen Erkenntnis erzählt, daß jeder einzelne Mensch seinen Weg in ein nützliches, kluges und erfülltes Leben in der Gesellschaft suchen und finden muß, daß er seine Träume prüfen und aktiv werden muß (Helene) – und daß andererseits jeder dem anderen dabei helfen kann, wenn er ihn wirklich kennt (Frau Fertig). Ich bin nach wie vor der Meinung, daß das ein positives und aktives Anliegen sozialistischer Kunst, daß es ein Thema der Entwicklung unserer Gesellschaft zur großen sozialistischen Menschengemeinschaft sein kann. Ich bin auch der Meinung, daß Märchen, Märchenelemente, Traum und Poesie mögliche Gestaltungsmittel im sozialistischen Film sein können.« 508 (Hervorh. im Orig.)
506 | Schenk, Ralf, Zum Tod des Filmautors und Dramaturgen Klaus Wischnewski. Schritte ins Offene, Berliner Zeitung, 3.5.2003. 507 | Filmaufführung F räulein S chmet terling , Goethe-Institut Washington, D. C., 6.10.2015. 508 | DEFA-Stiftung, Materialien zur Fräulein Schmetterling DEFA-Studio für Spielfilme 1965/66, Schnittfassung im Auftrag des Bundesarchiv-Filmarchivs und der DEFA-Stiftung 2005, http://www.defa-stiftung.de/Docs/Attachements/f5962238-9649-4fea-afce 3f54106648db/Fraeulein_Schmetterling.pdf, S. 4, letzter Zugriff am 22.10.2015.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
In der Filmproduktion überwachte auch das Lektorat die einzelnen Phasen der Stoffentwicklung und stellte das Bindeglied zwischen Spielfilmproduktion und den Literaturschaffenden der DDR, den Regisseuren und den Verlagen dar. Die monatlichen Berichte der Lektoratsabteilung klärten über den Stand der Stoffentwicklung der durchschnittlich 80 parallel in Planung befindlichen Filmprojekte auf. Autoren, die Filmideen ablieferten, bekamen für ein 20-seitiges Exposé ein Honorar und traten alle geistigen Eigentumsrechte ab. Dann wurde entschieden, ob diese Idee zu einem Treatment und schließlich zu einem Drehbuch beziehungsweise zu einem sogenannten literarischen Szenariums weiterentwickelt werden sollte.509 Das literarische Szenarium war ursprünglich eine Erfindung der sowjetischen Filmpolitik gewesen. Es diente dazu, die Stoffentwicklung bereits vor der Herstellung des Films den parteipolitischen Wünschen der SED anzupassen und direkten politischen Einfluss auf die Ausgestaltung des Drehbuchs zu institutionalisieren. Das literarische Szenarium war eine eigene literarische Gattung und unterschied sich vom Regiebuch beziehungsweise dem eher technisch detaillierten continuity script. Das literarische Szenarium galt als »in Stein gemeißelte« Filmgrundlage und enthielt alle Dialoge und Visualisierungen in nummerierten Szenen. Es sollte in seiner definitiven Form als Blaupause für den Film dienen und stellte die letzte Stufe der Drehbuchentwicklung in der DDR dar. In der DDR wurde der Beruf des Drehbuchautors von den inszenatorischen Aufgaben des Regisseurs zwar organisatorisch getrennt, aber Regisseure arbeiteten am Regiebuch mit und eng mit den Drehbuchautoren und Dramaturgen zusammen. Der wichtigste Grund für die Einführung des literarischen Szenariums seit Ende der 1940er Jahre war jedoch die Möglichkeit der politischen Vorzensur am feststehenden Filmmanuskript.510 Durch die Aufteilung in Produktionsgruppen, die meist einen festen Stab hatten, bildeten sich enge persönliche Verbindungen und künstlerische Kooperationen, die mitunter zu einer ästhetisch eigenständigen Handschrift führten. Die wohl bekanntesten »Künstlerischen Arbeitsgruppen« (KAG) waren die seit 1959 existierende Gruppe »Roter Kreis« mit Kurt Maetzig als künstlerischem Leiter sowie Günter Reisch und Erich Engel als verantwortlichen Dramaturgen. Die KAGs spezialisierten sich auf bestimmte Filmgenres und Publikumssegmente. Beispielsweise stellte die Gruppe »Roter Kreis« die Abenteuer- und Indianerfilme sowie Science-Fiction-Werke her.511 Die KAG »Heinrich Greif« arbeitete, geleitet 509 | Vgl. Schönemann, Sybille, Stoffentwicklung im DEFA-Studio für Spielfilme, in: Blunk, Harry / Jungnickel, Dirk (Hrsg.), Filmland DDR. Ein Reader zu Geschichte, Funktion und Wirkung der DEFA, Köln 1990, S. 71-81, hier S. 71-76. 510 | Vgl. Szczepanik, Petr, How Many Steps to the Shooting Script?, S. 87f. 511 | Vgl. Wedel, Michael / Byg, Barton / Räder, Andy et al., Einleitung, in: Wedel, Michael / Byg, Barton / Räder, Andy et al. (Hrsg.), DEFA International. Grenzüberschreitende Filmbeziehungen vor und nach dem Mauerbau, Wiesbaden 2013, S. 9-23, Hier S. 14.
Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR
von Konrad Wolf, mit den Dramaturgen Wolfgang Kohlhaase, Dieter Schargenberg und Marielouise Steinhauer an Gegenwartsdramen.512 Kohlhaase ist bis heute einer der bekanntesten deutschen Drehbuchautoren. Seine Drehbücher zu den Konrad-Wolf-Filmen Ich war Neunzehn (1968), Der Nackte Mann auf dem Sportplatz (1974) oder Solo Sunny (1980) machten den DDR-Nationalpreisträger auch in wiedervereinigten Deutschland zu einem gefragten Spezialisten, der mit Regisseuren wie Volker Schlöndorff oder Andreas Dresen zusammenarbeitete. Organisatorisch und strukturell erinnerte die arbeitsteilige Stoffentwicklung nach Plan an die goldenen Zeiten der UFA und der Hollywoodstudios der 1930er Jahre. Einen wichtigen Unterschied bildeten jedoch der politische Einfluss, die strenge Vorzensur und thematische Planerfüllung im sozialistischen Modus der Filmproduktion.513 Insgesamt waren pro Spielfilm circa 12.000 Mark Budget für die gesamte Abteilung Stoffentwicklung vorgesehen. Obwohl es die meisten Filmideen nicht in die eigentliche Filmherstellung schafften, bekamen die Autoren eine recht hohe Vergütung von 1.000 bis 4.000 Mark für ein ausgereiftes literarisches Szenarium von 30 bis 50 Seiten Länge. Davor musste das Buch durch den Hauptdramaturgen abgenommen und zur Diskussion mit den verantwortlichen Filmemachern gestellt werden. Diese Diskussionsrunden glichen den Drehbuchkonferenzen der Hollywoodstudios. Nachdem das Szenarium vom Chefdramaturgen und von der Parteiführung grünes Licht bekommen hatte, konnte ein geeigneter Drehbuchautor mit der Erstellung eines detaillierten Drehbuchs inklusive Dialoge beauftragt werden und die endgültige Fassung, das Regiebuch mit technischen Anweisungen für die Szenenfolge, erstellen.514 Regisseure bekamen oftmals einen Beratervertrag, der sie dazu verpflichtete, schon während der Stoffentwicklung am Drehbuch mitzuarbeiten. Die Dramaturgen überwachten den gesamten Stoffentwicklungsprozess. Den 21 festangestellten Drehbuchautoren der DEFA-Filmstudios wurden Ideen und thematische Vorgaben in der Form von Auftragswerken vorgelegt. Ein gutes Drittel der DEFA-Produktionen waren Literaturadaptionen, der Rest basierte auf Originaldrehbüchern und benötigte professionelle Drehbuchautoren, die Stoffe für den Film umschrieben oder selbst neue Ideen entwickelten. Das Gehalt der angestellten Drehbuchautoren verpflichtete diese – ähnlich wie in Hollywood – zu einer bestimmten Anzahl Seiten, die wöchentlich abzuliefern waren.515 Filmstoffe mussten von der Zensurinstanz »DEFA-Kommission«516 und seit 1954 von 512 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 135f. 513 | Vgl. Szczepanik, Petr, How Many Steps to the Shooting Script?, S. 77f. 514 | Vgl. Wolf, Dieter, Gruppe Babelsberg. Unsere nicht gedrehten Filme, Berlin 2000, S. 12f. 515 | Vgl. Schönemann, Sybille, Stoffentwicklung im DEFA-Studio für Spielfilme, S. 77-81. 516 | Seit 1949 dem Politbüro untergeordnet, Vorsitzende Anton Ackermann seit 1949 und Hermann Axen seit 1951. Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 37.
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der »Hauptverwaltung Film im Ministerium für Kultur« und dem DEFA-Direktor beziehungsweise dem DEFA-Vorstand517 bestätigt werden. Bis Ende der 1950er Jahre waren Filmstoffe zudem dem »Politbüro des ZK der SED« zur Begutachtung vorzulegen.518 Zunächst gab es Zentralisierungsbestrebungen, die allerdings bald wieder zugunsten der Arbeit einzelner Künstlergruppen gelockert wurden. Die inhaltliche Kontrolle der Filme hatten der künstlerische Leiter des Studios, der Chefdramaturg und, mit zunehmender Dezentralisierung der DEFA, die »Künstlerischen Aktionsgruppen« inne. Sie arbeiteten eng mit den Regisseuren zusammen und besaßen durch diese Kompetenzverschiebung kurzzeitig mehr künstlerische Autonomie, wodurch sie weniger staatlicher Einflussnahme ausgesetzt waren. Das stärkte zudem die Bindung zwischen Regisseuren und Drehbuchautoren als kreatives Team.519 Die eingeschriebene politische Kontrollfunktion der KAG versagte jedoch in den Augen der DDR-Staatsführung. Dieser Vorwurf gipfelte im »Kahlschlagplenum«520 des Zentralkomitees der SED im Dezember 1965. Dort wurden die künstlerischen Freiheiten der Filmschaffenden erneut stark beschnitten und die Verantwortung für die Spielfilmherstellung wieder an den künstlerischen Direktor und an den Chefdramaturgen der DEFA übertragen.521 Die Hauptdramaturgen der DEFA waren für die Kontrolle der Produktion und Stoffentwicklung zuständig und prüften, ob die kulturpolitische Doktrin in den Filminhalten realisiert wurde. Sie beaufsichtigten die Dramaturgen und mussten sich gegenüber dem Chefdramaturgen beziehungsweise der Studioleitung verantworten.522 Sie nahmen seit Mitte der 1960er Jahre eine herausragende Stellung innerhalb der DDR-Spielfilmproduktion ein. Sogenannte »Alltags-« oder »Gegenwartsfilme« und literarische Adaptionen, die vielfach das Arbeiter- und Bauernsujet bedienten, wurden von der zentralen Produktionsplanung besonders gefördert und stie-
517 | Die Studioleitung bestand aus Haupt- beziehungsweise Generaldirektor, Fachdirektoren, Hauptbuchhalter und Chefdramaturg. 518 | Vgl. DEFA-Stiftung, Dokumentation. Film- und Lichtspielwesen. Produktion. Spielfilm, http://www.defa.de/cms/DesktopDefault.aspx?TabID=1012, eingesehen am 12.6.2013. 519 | Vgl. Wolf, Dieter, Ideologische Leitlinien und Produktionsbedingungen, in: Zimmermann, Peter / Moldenhauer, Gebhard (Hrsg.), Der geteilte Himmel. Arbeit, Alltag und Geschichte im ost- und westdeutschen Film, Konstanz 2000, S. 255-265, hier S. 259-261. 520 | Verbot von 10 angeblich »schädlichen«, DDR-kritischen »Kaninchenfilmen« (nach Maetzigs Das K aninchen bin ich, D ie G latzkopfbande (1962/63); K arla (1965/66), S pur der S teine (1965/66) und Jahrgang 45 (1966; Verbot vor der Fertigstellung)). 521 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 129f. 522 | Vgl. ebd., S. 130.
Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR
gen nach dem 11. Plenum im Jahr 1965, das zu einer Entliberalisierung der Kulturproduktion führte, zu »Hauptplanpositionen« auf.523 Seit Bestehen der DEFA fungierte das Drehbuch als zentrales Element im staatlich reglementierten Produktionsplan. Waren im Drehbuch Änderungen nicht detailliert festgehalten, konnte dies zur Ablehnung des gesamten Filmvorhabens durch den DEFA-Vorstand führen. Auch die Kostenplanung wurde durch ein abgenommenes Drehbuch gewährleistet. Grundsätzlich unterschied die DDR-Filmproduktion das literarische Szenarium524 vom eigentlichen Regiebuch525. Das Regiebuch entstand in enger Zusammenarbeit des Autors und Regisseurs. Das literarische Szenarium enthielt nicht nur die Handlung und berührte organisatorische Fragen der Filmindustrie, sondern bildete die Grundlage politischer Steuerung und Zensur der Filmindustrie. Zwar sollte die »endgültige« Drehbuchfassung als Blaupause verwendet werden, in der Praxis wurde diese jedoch während des Drehs häufig geändert und improvisiert. Drehbuchautoren und Regisseure hatten also kleine Autonomiespielräume.526 Im Rahmenvertrag für Filmautoren, der vom »Deutschen Schriftstellerverband« für die DEFA am 24. Januar 1955 entworfen worden war, wurden die verschiedenen Schritte der Stoffentwicklung differenziert aufgelistet und erklärt. Gleichzeitig definierte der Rahmenvertrag die Beziehung zwischen den Drehbuchautoren und der Spielfilmabteilung und hielt Mindestvergütungssätze fest.527 Die sogenannte »literarische« Filmarbeit war in fünf Schritte unterteilt, wobei die ersten drei optional waren. Im Einzelnen gliederte sich der Prozess der Stoffauswahl in Skizze (schildert Konflikt, 5 Seiten), Exposé (Motive und Charaktere, 20 Seiten), Filmerzählung (epische Form des Konflikts und Dialoge, 50 Seiten), Szenarium und Drehbuch. Für das Szenarium hielt der Rahmenvertrag fest, dass dieses auf das Gemüt und Bewusstsein der Massen zu wirken habe und den Helden herausarbeiten solle. Gleichzeitig sollten die Szenenbilder dramaturgisch an den Film angepasst und in einem extra angefertigten Szenariumsvertrag die Ausgestaltung aufwändiger und kostspieliger Massenszenen und der Schauplätze festgehalten werden, an die sich der Drehbuchautor bei der Abfassung zu halten hatte. Die nächste Stufe, das eigentliche Drehbuch, war im Grunde die direkte in523 | Wolf, Dieter, Ideologische Leitlinien und Produktionsbedingungen, S. 263f. 524 | Vgl. Bortfeldt, Hans-Robert, Einige Bemerkungen zur Dramaturgie des Spielfilms, S. 71. 525 | Vgl. DEFA-Stiftung, Dokumentation. Film- und Lichtspielwesen. Produktion. Spielfilm Spielfilm, http://www.defa.de/cms/DesktopDefault.aspx?TabID=1012, eingesehen am 12.6.2013 und Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 130. 526 | Vgl. Beutelschmidt, Thomas / Wrage, Henning, Das Buch zum Film – der Film zum Buch. Annäherung an den literarischen Kanon im DDR-Fernsehen, Leipzig 2004 (=MAZ Materialien Analysen Zusammenhänge Bd. 9), S. 153f. 527 | Für eine gedruckte Version des Rahmenvertrags vgl. Haupt, Stefan, Urheberrecht und DEFA-Film, Berlin 2005, S. 153f.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
szenatorische Vorlage für den Regisseur und beinhaltete die optische Gestaltung der Handlung in einzelnen Einstellungen.528 Das Originaldrehbuch, welches eigens für das Filmmedium entwickelt worden war, wurde von Stoffen, die auf Grundlage fremder literarischer Vorlagen verfasst wurden, unterschieden. Die gesellschaftspolitische Aufgabe der Drehbuchautoren wurde im Rahmenvertrag folgendermaßen definiert: »Das Ziel des Autors ist es, in der Arbeit für einen Film eine künstlerische Absicht zu verwirklichen, die den Forderungen unserer Gesellschaft entspricht.« 529
Die DEFA-Leitung war daran interessiert, dass die einzelnen Phasen der Stoffentwicklung von einem Autor oder einem Autorenkollektiv verwirklicht wurden. Ein Passus legte fest, dass Drehbuchautoren, die die ideologischen Anforderungen oder die Änderungswünsche des Auftraggebers, also der SED, nicht erfüllten, ersetzt werden konnten.530 Wenn ein Drehbuchautor allerdings jede der fünf Stufen Stoffentwicklung zur Zufriedenheit der Gremien absolvierte und der Film am Ende zur Produktion freigegeben wurde, konnten zusätzliche Erfolgshonorare ausgezahlt werden. Diese Zusatzhonorare in Höhe von 50 Prozent des Grundhonorars bildeten einen starken finanziellen Anreiz, sich den politisch-ideologischen Weisungen und Änderungswünschen zu unterwerfen. Dabei konnten sich die Honorarsätze531 für DDR-Verhältnisse sehen lassen. Ein fertiges Szenarium konnte 3.000 bis 6.000 Mark, ein Drehbuch bis zu 10.000 Mark mit Aussicht der Erhöhung um das Erfolgshonorar bei Abnahme einbringen. Das heißt, dass ein Drehbuchautor, im Vergleich zu einem durchschnittlichen monatlichen Haushaltseinkommen in der DDR im Jahr 1955 in Höhe von 403 Mark,532 ein sehr ansehnliches Honorar erhielt, von dem er etwa ein halbes bis ganzes Jahr lang sehr gut leben konnte. Die Honorarordnung richtete sich nicht nur nach der Qualifikation und Bedeutung des jeweiligen Autors, sondern auch nach der kulturpolitischen Bedeutung des Filmstoffes.533 Der 1955 eingeführte Rahmenvertrag wurde 1974 durch die »Allgemeinen Bedingungen für Filmautorenleistungen«534 ersetzt, die nur noch drei Stufen der Stoffentwicklung (Skizze, Exposé und Szenarium) festhielten. Aufgrund des lite528 | Vgl. ebd., S. 154-156. 529 | Ebd., S. 156. 530 | Vgl. ebd., S. 156f. 531 | Grundhonorare in DM: Skizze 250-1.000; Exposé 1.000-4.000, Erzählung 3.0006.000, Szenarium 4.000-20.000, Drehbuch 5.000-10.000. Vgl. ebd., S. 158f. 532 | Vgl. Schwarzer, Oskar, Sozialistische Zentralplanwirtschaft in der SBZ/DDR. Ergebnisse eines ordnungspolitischen Experiments 1945 bis 1989, Stuttgart 1999 (=Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte Bd. 143), S. 179. 533 | Vgl. Haupt, Stefan, Urheberrecht und DEFA-Film, S. 159. 534 | Abdruck der Bedingungen für Filmautorenleistungen vgl. ebd., S. 172-184.
Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR
rarischen Szenariums erarbeiteten Regisseur, Kameramann und Produktionsleiter unter Beratung des Autors das endgültige Regiebuch. Im Grunde wurde somit die technisch handwerkliche Anfertigung eines continuity scripts oder Regiebuchs von der schriftstellerischen, intellektuellen Tätigkeit des Drehbuchautors abgekoppelt. Auch wurde die Rolle der unter McCarthy verfolgten Drehbuchautoren in Hollywood in der DDR-Filmpublizistik diskutiert. Der alle zwei Wochen erscheinende Filmspiegel widmete den Hollywood Ten und den grassierenden »Schwarzen Listen« im Jahr 1972 eine vierteilige Interview-Serie und druckte ein Gespräch mit den US-Drehbuchautoren Alvah Bessie und Lester Cole, welches zuvor im New Yorker Magazin Film Culture erschienen war. Die Einleitung betonte die arbeitsrechtlichen Errungenschaften und den gewerkschaftlichen Organisationsgrad der US-Drehbuchautoren, der auch viele linke und liberale Autoren angehörten, und schlussfolgerte: »[…] große Filmstreiks legten 1946 10 der bedeutensten Filmateliers still«535. Tatsächlich handelte es sich 1945 und 1956 um Streiks der »International Alliance of Theatrical Stage Employees« (IATSE) und der »Conference of Studio Unions (CSU)«. Die Drehbuchautoren selbst streikten jedoch nicht, weil innerhalb der »Screen Writers’ Guild« noch eine Streikverbotsklausel aktiv war, sodass sich die Mitglieder, im Gegensatz zur »Screen Actors Guild«, nur vereinzelt mit den Streikenden solidarisierten.536 Eine Besonderheit der DDR-Filmindustrie waren ihre künstlerischen Arbeitsgruppen, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Autor forcierten. Beide Parteien wurden gleichberechtigt im Filmvorspann aufgeführt und arbeiteten in den Arbeitsgruppen eng und meist langfristig zusammen. Drehbuchautoren forderten – ganz ähnlich wie ihre amerikanischen Kollegen – auch in der DDR eine Garantie, dass im späteren Film nicht von ihrer literarischen Vorlage abgewichen werden sollte, und sie beanspruchten die Verfügungsmacht über ihr künstlerisches Werk und ihr geistiges Eigentum. Das verzahnte die Funktionen von Regisseur und Drehbuchautor, die ansonsten funktional verschiedene Aufgabenbereiche innehatten. Inszenierung und Stoffentwicklung waren ineinander verschränkte Arbeitsfelder geworden, die besonders durch die enge Zusammenarbeit von Regisseur und Drehbuchautor sowie die Planung und Kontrolle der Dramaturgen nicht mehr ohne Weiteres unterscheidbar waren.537 Im Jahr 1971 wurde eine landesweit gültige »Honorarordnung Film« geschaffen, die in Absprache mit dem »Verband der Film- und Fernsehschaffenden«, 535 | M. H. / K. L., Schwarze Listen in Hollywood (1), in: Filmspiegel (1972) H. 11, S. 1011, hier S. 10. Weitere Teile der Serie im Filmspiegel Nr. 13, 16 und 19 desselben Jahres. 536 | Vgl. Dunne, Philip, SWG – Trade Union or Writers’ Protective Association?, in: The Screen Writer, Bd. 2 (Oktober 1946) H. 5, S. 5-10. 537 | Vgl. Beutelschmidt, Thomas / Wrage, Henning, Das Buch zum Film – der Film zum Buch. Annäherung an den literarischen Kanon im DDR-Fernsehen, Leipzig 2004 (=MAZ Materialien Analysen Zusammenhänge Bd. 9), S. 154f.
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dem »Verband Deutscher Komponisten«, dem »Zentralvorstand Gewerkschaft Kunst« und dem »Amt für Arbeit und Löhne« verabschiedet wurde. Damit wurden die Vergütungshöhe für Autoren, künstlerisches und künstlerisch-technisches Personal und sonstige filmtypische Leistungen auf dem Gebiet des Films in nebenberuflicher oder freiberuflicher Tätigkeit für Filmbetriebe festgelegt. Der kollektive Vergütungsvertrag sollte der Effektivität und der sparsamen sozialistischen Wirtschaftsführung unterliegen. Die einzelnen Honorarsätze wurden mithilfe der Einteilung in eine der verfügbaren Vergütungsgruppen von der »Hauptverwaltung Film« festgelegt, die neben der Qualität der erbrachten Leistung die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit als Bemessungsgrundlage einbezog. Die Honorarsätze waren je nach Qualifikation individuell verhandelbar und ließen sich bei besonderen Leistungen erhöhen.538 Der Rahmenvertrag und die späteren kollektiven Vergütungssätze waren ganz ähnlich wie das Minimum Basic Agreement der Drehbuchautorengilde in den USA. Angestellte wie freischaffend arbeitende Drehbuchautoren nahmen in der DDR eine wichtige gesellschaftliche Stellung ein, ihre Tätigkeit war sehr gut bezahlt, aber inhaltlich stark reglementiert. Für Lohnfragen des technischen und künstlerischen Personals der Betriebe war seit 1951 prinzipiell die »Gewerkschaft Kunst« zuständig. Die Vergütungshöhe des künstlerischen Personals wurde allerdings nicht über den »Betriebskollektivvertrag« der Gewerkschaft geregelt. Erst seit 1974 wurden gemeinsame Vergütungsregeln in der »Honorarordnung Film« für das gesamte Filmwesen und auch für die künstlerischen Angestellten festgelegt.539 Bei einer späteren Neufassung des Rahmentarifvertrags wurde die Position des Autors erneut gestärkt. Dieser konnte aus künstlerischen Beweggründen eine weitere Mitarbeit ablehnen und ihm stand nun auch der normale Rechtsweg offen, sollte die interne »Gütekommission« versagt haben.540 Für die Vergabe der urheberrechtlichen Nutzungsrechte außerhalb der DDR war seit 1956 das »Büro für Urheberrechte« zuständig, das dem »Ministerium für Kultur« und seit 1963 der »Hauptverwaltung Buchhandel und Verlage« direkt unterstand. Es übernahm zudem die inhaltliche Ausgestaltung von Verträgen und agierte auch als Verwertungsgesellschaft, wenn es um internationale Lizenzgebühren und den Transfer von Autorenhonoraren in die DDR ging.541 Bei Problemen und Konflikten zwischen Künstlern und Studioleitung schalteten sich die »Künstlerischen Räte« als Vermittlungsinstanz ein. Allerdings hatten die Räte keinerlei Weisungsbefugnis, was die Filmabnahme oder thematische Ausrichtung der Filmproduktion anging. Sie schlichteten interne Konflikte.542 538 | Vgl. Haupt, Stefan, Urheberrecht und DEFA-Film, Berlin 2005, S. 109-114. 539 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 257. 540 | Vgl. Wolf, Dieter, Gruppe Babelsberg. Unsere nicht gedrehten Filme, S. 14. 541 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR, S. 258 und Keiderling, Thomas, Geist, Recht Und Geld. Die VG Wort 1958-2008, Berlin 2008, hier S. 122-124. 542 | Vgl. ebd., S. 131.
Rolle, Funktion und Stellung des Drehbuchautors in der DDR
Die DDR stellte die Berufsverbände unter staatliche Aufsicht. Besonders der »Club der Filmschaffenden« (1953-1967) und der »Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR« (VFF) (1966-1989) sollte zwischen Studioleitung, Staat und Verbandsmitgliedern vermitteln. Diese vom Staat initiierten Verbände übernahmen soziale und wirtschaftliche Aufgaben. Die Ideologie stand im Mittelpunkt, während die eigentlichen beruflichen Interessen und Qualifikation der Filmschaffenden nachrangig behandelt wurden. Der VFF war formell demokratisch und wie ein nichtstaatlicher Berufsverband organisiert. Faktisch war er jedoch der Abteilung Kultur des Zentralkomitees unterstellt und musste dieser Bericht erstatten. Im Alltag hatte der Verband der Filmschaffenden vielfach die Rolle einer professionellen und exklusiven Berufsstandesvertretung oder eines geschlossenen Zirkels für Auserwählte, in den nur Filmschaffende Zutritt hatten, die von zwei Bürgen empfohlen worden waren. Erst seit 1977 wurde aus dem exklusiven Berufsverband VFF schrittweise eine allgemeine kollektive Vertretung der Berufsgruppe, die auch Nachwuchsfilmschaffende aufnahm. Grundsätzlich war die Arbeit des Verbandes eine Gratwanderung zwischen politischer Kontrolle und selbstverwalteten kreativen Räumen für die Kulturschaffenden. Diese verschiedenen Ansprüche machten ihn zeitweise arbeitsunfähig. Gleichzeitig war der VFF für Honorar- und Vertragsfragen, kollektive Tarifverträge oder bei Urheberrechtsfragen wichtiger Ansprechpartner. Der Verband zählte 1972 etwa 450 Mitglieder, wobei ein Zehntel von ihnen Freiberufler waren.543 Für die Ausbildung der Dramaturgen in der DDR war seit 1954 die »Deutsche Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg« zuständig, die dem Kulturministerium direkt unterstellt war. Die Studiengänge Dramaturgie, Regie, Kamera, Produktion, Film- und Fernsehwissenschaft waren jeweils als eigener Fachbereich organisiert.544 Einen Studiengang für Drehbuch oder Szenarium gab es dagegen nicht. Die Ausbildung war auf die zentralisierten Produktionseinheiten in der DDR-Filmlandschaft mit ihrer hierarchischen Struktur abgestellt. Dramaturgen standen im Zentrum der Organisation und Überwachung der Stoffentwicklung und kooperierten mit den freischaffenden Drehbuchautoren, die sich meist aus ausgebildeten Journalisten, Romanciers oder Theaterautoren rekrutierten. Schriftsteller wie Wolfgang Kohlhaase kamen meist über Dramaturgie-Assistenzstellen zum Film und konnten sich dort bewähren. Die freischaffenden Drehbuchautoren waren meist zeitgleich Schriftsteller und arbeiteten für mehrere Medienformate. Grundsätzlich war die Hochschule im Sinne des Moskauer Vorbildes VGIK als eine zentralisierte Vollinstitution geplant worden, in der alle filmrelevanten Berufe seit 1962 ausgebildet wurden. Die geografische Nähe zum Studiobetrieb in Babelsberg unterstrich den Bezug zur Praxis und den Fachschulcharakter der Filmhochschule. Seit dem Auf kommen des Fernsehens und der damit einher543 | Vgl. ebd., S. 243-246. 544 | Vgl. ebd., S. 272.
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gehenden nötigen Nachwuchsausbildung nannte sich die Hochschule seit 1969 »Hochschule für Film und Fernsehen« (HFF).545 Die Qualifikation und Ausbildung des Filmpersonals im Staatssozialismus sollte ein Garant für ideologiekonforme Filme sein. Die Zusammenarbeit der Filmstudios mit Nachwuchsautoren wurde deshalb vom Kulturfonds der DDR gefördert. Die Stoffentwicklung und Recherchetätigkeit wurde schon vor der eigentlichen Drehbucharbeit honoriert und sicherte damit freischaffenden Autoren wie Lyrikern oder Dramatikern, die nicht von ihren Tantiemen leben konnten, ein zusätzliches Einkommen.546 Die professionelle Ausbildung zum Drehbuchautor erfolgte zwischen 1966 und 1969 in eigens eingerichteten Sonderstudiengängen. Das Ausbildungsprogramm Szenarium/Regie/Kamera wurde als externer Lehrgang für Szenaristen in den Jahren 1966 und 1977 angeboten.547 Seit 1963 wurde die Fachrichtung der Hochschule dann gänzlich in »Dramaturgie/Szenaristen« umbenannt, um beiden Berufsbildern Rechnung zu tragen. Der Dramaturg wählte die Filmstoffe aus und kümmerte sich um den Spielplan und die Pressearbeit, nachdem der Film gedreht worden war. Im VEB-Studio für Spielfilme galten die 20 festangestellten Dramaturgen bald als »Herzstück der Filmproduktion«548 der DEFA. Der Dramaturg war ein Gatekeeper der ideellen und ökonomischen Anforderungen des Kulturministeriums. Seine Kontrollfunktion beeinflusste insbesondere die kreative Arbeit des Drehbuchautors. Die kreativen Spielräume des Drehbuchautors waren nicht nur durch politische Eingriffe, sondern aufgrund der Unterordnung unter den Dramaturgen und den Regisseur, die weitreichende Befugnisse hatten, eingeschränkt. Die soziale Stellung und die beruflichen Aufgaben des Drehbuchautors waren von politischen Weisungen und Produktionsplänen abhängig und eng an den sozialistischen Gesellschaftsauftrag der Filmproduktion geknüpft.549
545 | Vgl. ebd., S. 276f. 546 | Vgl. Wolf, Dieter, Gruppe Babelsberg. Unsere nicht gedrehten Filme, S. 7. 547 | Vgl. Jordan, Günter, Film in der DDR. Daten Fakten Strukturen, S. 273f. 548 | Wolf, Dieter, Gruppe Babelsberg. Unsere nicht gedrehten Filme, S. 5f. 549 | Vgl. ebd., S. 7.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood
D as E nde der S tudioär a und die V erfolgung kommunistischer D rehbuchautoren in H olly wood 1945 bis 1960 Während ein Teil des Hollywoodpersonals nun in US-amerikanischer Uniform die Filmbranche im Nachkriegsdeutschland neu auf baute, ging in Hollywood im Jahr 1948 das Zeitalter der großen Studios zu Ende.550 Der US-Bundesgerichtshof verbot den Studios, eigene Filmtheaterketten zu betreiben. Dadurch wurde deren Monopol in Verleih, Produktion und Aufführung von Kinofilmen nachhaltig erschüttert. Es wurden Preisabsprachen, der Verleih von Filmpaketen als Blockbuchung (block-booking) und dadurch teils der Verleih unbekannter B-Filme minderer Qualität (blind-selling) unterbunden.551 Eigentlich hatte man auf Seiten der Regierung schon in den 1930er Jahren versucht, die vertikale Integration der Filmstudios auszuschalten, dies war aber mit zweifelhaften Absprachen zwischen Politik und Industrie verhindert worden. 1948 wurde der Fall nochmals vor dem Obersten Gerichtshof aufgerollt und führte zum juristischen Erfolg für die unabhängigen Filmproduzenten, die von nun an im Wettbewerb mit den großen Studios konkurrenzfähig wurden.552 Die Antitrust-Gesetzgebung führte nach der Rechtsprechung im Paramount-Urteil 1948 zur Zerschlagung der Kartelle der etablierten Studioketten. Dadurch wurden unabhängige Filmproduzenten und in der Folge besonders Fernsehproduktionen zur ernstzunehmenden Konkurrenz für das Kino.553 Der Drehbuchautor Budd Schulberg erklärte das Ende der Studioära auch mit der fehlenden künstlerischen Innovation und Beliebigkeit der Hollywoodgenrefilme, die den Wandel der Nachfrage ignorierte: »The fault lay in a system of production that was the logical expression of American commerce in a period when the average family went to the movies – any movies – two or three times a week, and each of the major studios was grinding out fifty to sixty pictures a year (Hervorh. im Org.).« 554
Seit 1948 befand sich Hollywood im Wandlungsprozess. Nach den organisatorischen Neuerungen durch die Öffnung der Filmindustrie für unabhängige Autor-Regisseure wie Billy Wilder oder Joseph L. Mankiewicz und deren Verleiher 550 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 82. 551 | Die unabhängigen Kinobesitzer mussten vertraglich zusichern, alle Filme der Studios ungesehen zu erwerben. 552 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents: The Postwar Talent Takeover, Minneapolis 2008, S. 4f. 553 | Vgl. Stempel, Tom, Framework, S. 155. 554 | Schulberg, Budd, The Writer and Hollywood, in: Kazin, Alfred (Hrsg.), Writing in America. A Special Supplement, Harper’s Magazine 219, 1959, S. 133-138, hier S. 135.
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United Artist wurden Filme abseits der Konventionen prinzipiell möglich. Allerdings blieben sie inhaltlich durch den 1965 umfassend reformierten, strengen Produktionskodex und die politische Einflüsse des Kalten Krieges begrenzt. Der Kodex war jedoch seit 1952 schrittweise gelockert worden, sodass das Prüfzeichen nicht mehr für alle Filme obligatorisch war.555 Seit 1945 drängten unabhängige Filmemacher und Firmen556 aus dem Dunstkreis der 1941 gegründeten »Society of Independent Motion Picture Producers«557 auf den Filmmarkt. Die Filmemacher entstammten größtenteils der Produktionsfirma United Artists. Sie hatten mit ihrer Klage gegen Paramount die Ära der großen Studios beendet und den Grundstein für größere kreative Autonomie und den Erfolg des New Hollywood ab den 1960er Jahren gelegt.558 Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs machten auch das US-Kino düsterer und gewalttätiger. Der Stil des Film Noir559 passte mit seinen brutalen Detektivgeschichten, die auf sogenannten Pulp Fiction-Romanen basierten, in die unmittelbare Nachkriegszeit und zeigte die menschlichen Abgründe männlicher Anti-Helden und Frauen als Femme Fatale.560 Die dunklen und brutalen Gangsterfilme wie Gilda (1946), The Asphalt Jungle (1950) und The Big Heat (1953) belebten bis Ende der 1950er Jahre den formelhaften, glatten Hollywoodstil.561 Eingewanderte deutsche Exilanten fühlten sich im Film Noir zu Hause und prägten den Filmstil entscheidend mit. Etwa 27 Prozent der jüdischen Exilanten kehrten nach 1945 nach Europa zurück.562 Die verbliebenen Filmschaffenden prägten in den USA den Film Noir, der als amerikanisierte Version des Weimarer Expressionismus und als Antwort auf den Italienischen Neorealismus zu verstehen ist. Leigh Brackett war eine besonders anpassungsfähige und über Jahrzehnte erfolgreiche Drehbuchautorin, die in den 1940er Jahren zum Film gekommen war. Sie war die erste Frau, die erfolgreich Science-Fiction-Geschichten verfasste. Mit Faulkner verfasste sie 555 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office. 1895-1986, Houndmills-Basingstoke-Hampshire-London 1988, S. 132-140. 556 | Jene, die keinen eigenen Verleih besitzen oder von großen Studios anteilsmäßig besessen werden. Vgl. ebd., S. 122f. 557 | Mitglieder waren unter anderem Charlie Chaplin, Orson Welles, Samuel Goldwyn, David O. Selznick, Walt Disney und Alexander Korda. 558 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents, S. 1-3. 559 | Es ist bis heute umstritten, ob es sich um ein eigenes abgrenzbares Genre oder um eine eigene filmische Stilästhetik handelt. Vgl. McDonnell, Brian, Film Noir Style, in: Mayer, Geoff / McDonnell, Brian (Hrsg.), Encyclopedia of Film Noir, Westport 2007, S. 70-84, hier S. 70f. 560 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen, S. 316f. 561 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 220-225. 562 | Vgl. Giovacchini, Saverio, The Joys of Paradise. Reconsidering Hollywood’s Exiles, in: Rose, Peter I. (Hrsg.), The Dispossessed. An Anatomy of Exile, Amherst-Boston 2005, S. 281-308, hier S. 301.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood
das Drehbuch zum Dashiell-Hammetts-Roman The Big Sleep, einem zentralen Film Noir. Ihr Drehbuch zum Film Star Wars: The Empire Strikes Back aus dem Jahr 1980 wurde ihr erfolgreichstes Projekt.563 Die »Screen Writer’s Guild« hatte sich indes als professioneller Berufsverband etabliert und seine Mitgliederzahl von 588 im Jahr 1936 auf 1.410 im Jahr 1946 fast verdreifacht. Die Idee war, die Guild zu einem öffentlich sichtbaren professionellen Verband heranreifen zu lassen, der nicht nur einmal im Jahr eine teure Party gab, sondern auch als Gewerkschaft angesehen wurde.564 Eine leichte Erhöhung der Tariflöhne war beschlossene Sache und Verhandlungen mit unabhängigen Produzenten bezüglich eines eigenen Tarifvertrags wurden initiiert.565 Außerdem waren unfaire Produktions- und Arbeitsbedingungen wie das spekulative Schreiben und Produzenten, die den Rahmenvertrag nicht achteten, im Code of Working Rules für Drehbuchautoren nun allgemein verpönt.566 Jedoch wuchs der Druck antikommunistischer und konservativer Kräfte in der US-amerikanischen Gesellschaft zunehmend, sodass der Berufsverband bald vor neue politische Herausforderungen gestellt wurde. Besonders einschneidend für Drehbuchautoren waren die durch die Regierung eingesetzten Untersuchungsausschüsse, die eine angebliche Unterwanderung Hollywoods mit kommunistischem Gedankengut nachweisen sollten.567 Mehrfach waren die in der »Screen Writers’ Guild« organisierten Autoren schon in den 1930er Jahren mit dem Kommunismus-Vorwurf konfrontiert worden. Der Zweite Weltkrieg hatte diesen latenten Konflikt überdeckt; er trat aber nach Kriegsende wieder an die Oberfläche. Das »Komitee für unamerikanische Umtriebe«568 (»House Un-American Activities Committee«, kurz: HUAC) wollte 1947 eine angebliche kommunistische Unterwanderung der Drehbuchautorengilde nachweisen. Dies führte zur Anfertigung Schwarzer Listen, die ein Arbeitsverbot der beschuldigten – real oder angeblich – kommunistischen Filmschaffenden 563 | Vgl. McGilligan, Pat, Backstory. The Hollywood Screenwriters of the Hollywood’s Golden Age, Los Angeles, 1986, S. 18-20. 564 | Vgl. Estabrook, Howard, Confidential Report on the Future of the Screen Writers’ Guild, 28.1.1946, Margaret Herrick Library, Howard Estabrook Papers, F. 869, S. 1-6. 565 | Vgl. Screen Writers’ Guild, Brief des Executive Board an die Mitglieder der SWG betreffend Erhöhung der Minimallöhne für Drehbuchautoren, 28.8.1946, Magaret Herrick Library, John Huston Papers, F.1691, S. 1. 566 | Vgl. Screen Writers’ Guild, Screen Writers’ Guild Code of Working Rules, 1947, Margaret Herrick Library, Screen Composers Association Records, Special Collections folder 67, S. 1-2. 567 | Vgl. Fried, Albert, McCarthyism. The Great American Red Scare. A Documentary History, Oxford et al. 1997, S. 1-30. 568 | Wurde 1934 gegründet, um nationalsozialistische Umtriebe festzustellen, der Ausschuss wurde seit 1937 von Martin Dies Jr. geleitet. Nach 1945 konzentrierte sich der ständige Ausschuss auf Hollywoods Kommunisten.
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nach sich zogen, welche fortan nur noch unter Pseudonym schreiben konnten. Vorausgegangen waren zwei Ereignisse: Auf der einen Seite die Auflösung der »Kommunistischen Partei« in Hollywood, die sich, um sich von den Hardlinern abzugrenzen, als »Communist Political Association« neu gründete, um mit demokratischen Kräften koalieren zu können. Auf der anderen Seite die Gründung der »Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals«,569 eines Bündnisses des konservativ republikanischen Flügels der Filmindustrie, der dem HUAC empfahl, sich im Hinblick auf kommunistische und faschistische Unterwanderung besonders die Drehbuchautorengilde und die »Hollywood War Mobilization« anzusehen.570 Da sich aber die »Screen Writers’ Guild« damals nicht am industrieweiten Streik der »Conference of Studio Unions« von Anfang bis Herbst 1945 beteiligte, lenkte der Untersuchungsausschuss sein Augenmerk erst einmal auf »unamerikanisches« Fehlverhalten in der Wissenschaft, genauer an der »University of California Los Angeles«.571 Doch schon 1947 waren wieder Drehbuchautoren zur politischen Zielscheibe des HUAC geworden, da der Drehbuchautorenverband Roosevelt und die 1948 gegründete »Progressive Party« unterstützte.572 Die inhaltliche Kontrolle der Filmproduktion wurde durch den bestehenden Produktionskodex bestimmt. Dieser wurde als »Production Code Office« nun neu geregelt.573 Neben der eigentlich freiwilligen Selbstzensur der Filmstudios wurden der politische Druck und die inhaltliche Selbstzensur durch das Hearst-Presseimperium oder das »Hays Office« weiter forciert. Nachdem bekannte Persönlichkeiten der »Screen Actors’ Guild«, wie deren Vorsitzender Ronald Reagan (1947-1952), vor den Untersuchungsausschüssen als friendly witnesses ausgesagt hatten, dass die kommunistische Unterwanderung der Filmbranche eine ernstzunehmende Gefahr sei, wurde der Antikommunismus plötzlich für viele Filmkünstler zur bitteren Realität. Sogenannten unfriendly witnesses, also jenen Angeklagten, die sich weigerten, über ihre politischen Aktivitäten vor dem HUAC Auskunft zu geben, und nicht wie die sogenannten friendly witnesses sofort kooperierten, drohten Arbeitsverbote und Gefängnisstrafen.574 Schwartz geht sogar so weit, das Jahr 1947 als »Hollywood Holocaust«575 zu bezeichnen, denn durch Spitzel, Vertrauensbrüche und die Anhörungen seien viele berufliche Karrieren nachhaltig zerstört worden. 569 | Mitglieder waren unter anderem Gary Cooper, Cecil B. DeMille, Walt Disney, Howard Hawks, Fred Niblo, Ronald Reagan, Ginger Rogers, King Vidor und John Wayne. Die MPA existierte bis 1975 und löste sich gleichzeitig mit den Nahfolgeorganisationen des HUAC auf. 570 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, New York 1982, S. 204-219. 571 | Vgl. ebd., S. 204-219 und 220-230. 572 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents, S. 199. 573 | Vgl. Schwartz, Nancy Lynn, The Hollywood Writer’s Wars, S. 250-270. 574 | Vgl. ebd. S. 204-219, S. 281-289. 575 | Ebd., S. 288.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood
Besonders betroffen von dieser antikommunistischen Schlammschlacht waren die Drehbuchautoren. Neun von zehn genannten Filmkünstlern auf der Hollywood Blacklist waren Drehbuchautoren. Sie wurden vom Ausschuss vor Gericht zitiert, um dort auszusagen, ob sie Kommunisten seien. Auch gegen Bertolt Brecht und den Komponisten Hanns Eisler wurde ermittelt. Brecht ging vermutlich hauptsächlich wegen dieser Anschuldigungen bereits 1947 zurück nach Europa.576 Aus der Gruppe der Hauptangeklagten verweigerten die als Hollywood Ten577 bekannt gewordenen Filmkünstler ihre Aussage über eine Mitgliedschaft in der »Kommunistischen Partei«. Darunter waren die Drehbuchautoren Lester Cole, Ring Lardner Jr., John Howard Lawson, Dalton Trumbo, Alvah Bessie, Herbert Biberman, Albert Maltz, Samuel Ornitz, Adrian Scott und Regisseur Edward Dmytryk. Alle wurden nach den Anhörungen zu 6 bis 12 Monaten Haft verurteilt, die sie auch absaßen. Nach ihrer Entlassung wurden die meisten von ihnen mit einem Berufsverbot in Hollywood belegt. Weder die Arbeitgeber, also die Studios, noch die Berufsvertretung »Screen Writers’ Guild« setzten sich für eine Verteidigung ihrer Mitglieder und vor allem ihrer ehemaligen Vorsitzenden John Howard Lawson und Lester Cole ein. Dadurch sollte das Ansehen Hollywoods wiederhergestellt und der fragile Frieden im Berufsverband aufrechterhalten werden.578 Dalton Trumbo sah die antikommunistischen Vorwürfe als reelle Bedrohung für die betroffenen Drehbuchautoren, die extreme Einkommens- und Statusverluste nach sich zogen: »It is not alone loss of income or a property that hurts: the more terrible wound is the loss of a profession to which one’s entire life has been dedicated.« 579
Die in Ungnade gefallen Autoren konnten bei unabhängigen Studios beschäftigt werden oder unter einem Pseudonym schreiben. Doch bis 1953 konnte den Drehbuchautoren, die sich auf der »Schwarzen Liste« befanden, die Namensnennung im Vor- oder Abspann verweigert werden. Von 1948 bis 1950 wuchsen die Schwarzen Listen weiter und wurden um neue Namen von Schauspielern, Radiomodera576 | Vgl. Walsh, Martin, Brecht and the Film, in: Sight and Sound, Bd. 43 (1974) H. 4, S. 222-227, hier S. 224. 577 | Auf dieser ersten Blacklist befanden sich elf unfriendly wittnesses, allerdings hatte sich Brecht im Laufe seines Verhörs dazu entschieden, dem Ausschuss zu antworten und zu kooperieren, da er einem Rechtsstreit in seinem Gastland aus dem Weg gehen wollte. Er verneinte aber, Mitglied der Kommunistischen Partei eines Landes gewesen zu sein. Siehe das Transkript der offiziellen Audioaufnahme seiner Anhörung unter Wikisource, Brecht HUAC Hearing (1947-10-30) Transcript, http://en.wikisource.org/wiki/Brecht_HUAC_hearing_%281947-10-30%29_transcript, eingesehen am 20.5.2013. 578 | Vgl. Stempel, Tom, Framework. A History of Screenwriting in the American Film, S. 148-152. 579 | Trumbo, Dalton, Blacklist=Blackmarket, in: Nation, 4.5.1957, S. 385.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
toren und Journalisten ergänzt. Das hieß allerdings noch nicht, dass die Autoren nicht mehr erfolgreich arbeiten konnten. Dalton Trumbo schrieb beispielsweise unter dem Pseudonym »Robert Rich« von Mexico aus und erhielt 1956 den »Academy Award«.580 Schwierig wurde es als für Michael Wilson, der im Juni 1950 auf die »Schwarze Liste« gesetzt wurde, als sein Drehbuch A Place in the Sun 1951 den »Academy Award« gewann. Bei seiner Drehbucharbeit zu Friendly Persuasion (1956) wurde ihm aus politischen Gründen eine Namensnennung im Abspann versagt. Die »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« hatte 1956 kurz vor der Oscarverleihung für diese Fälle eine neue Vorschrift erlassen, die es nicht erlaubte, Preise an Personen zu vergeben, wenn diese ihre Aussage vor dem HUAC verweigert hatten. Als die Drehbuchautorengilde protestierte, dass die kreative Leistung, nicht aber die Weltanschauung der Drehbuchautoren zählte, bekam Wilson den »Writers Guild of America Award« für »Best Written American Drama« zugesprochen.581 Wilson arbeitete bis Anfang der 1960er Jahre von Mexiko aus und erhielt für keines seiner Drehbücher in dieser Zeit eine Namensnennung. 1996 wurde ihm rückwirkend der credit zu Friendly Persuasion zuerkannt. Preisverleihungen für Drehbücher und die Namensnennung waren für Drehbuchautoren immens wichtig, um ihre professionelle Karriere weiterzuverfolgen. Die Schauprozesse des HUAC verbauten deshalb vielen Filmautoren diese Möglichkeit über Jahrzehnte.582 Als das Studiosystem durch die Zerschlagung der Kartelle im Jahr 1948, die steigende Konkurrenz des neuen Mediums Fernsehen und die öffentliche kommunistische Hetzkampagne in Mitleidenschaft gezogen wurde, blühten die unabhängigen Studios auf. Drehbuchautoren waren fortan nicht mehr exklusiv an ein Studio als Arbeitgeber gebunden und wurden seltener fest angestellt.583 Der Beruf bekam zunehmend wieder den Charakter einer freien Profession. Gleichzeitig wuchs die Macht von Agenten, die Drehbuchautoren an die meistbietenden Filmstudios vermarkteten.584 Einflussreiche Talentagenturen forderten das althergebrachte Starsystem Hollywoods in der Nachkriegszeit heraus. Insbesondere die »Music Corporation of America« (MCA) revolutionierte die Beziehung der neuen unabhängigen kreativen Talente Hollywoods mit den Studioproduzenten. Sie ver-
580 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter. Interviews with Six Celebrated Screenwriters, New York 1981, S. 16-19. 581 | Vgl. Poe, Elizabeth, Credits and Oscars, in: Nation, Bd. 184 H. 13, 30.3.1957, S. 267-269. 582 | Vgl. English, James F., The Economy of Prestige. Prizes, Awards and the Circulation of Cultural Value, Cambridge-London 2005, hier S. 1-17 und 324-333. 583 | Vgl. Stempel, Tom, Framework. A History of Screenwriting in the American Film, S. 170f. 584 | Vgl. ebd., S. 183f.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood
trat freischaffend tätige Schauspieler oder auch bekannte Drehbuchautoren, die nicht mehr exklusiv an ein Studio gebunden waren.585 Doch zuerst mussten sich die Drehbuchautoren im Klima der sogenannten »Roten Gefahr« und in den neuen Organisationsstrukturen Hollywoods behaupten. Die »Screen Writers’ Guild« hatte bereits vor dem Krieg in der Gunst der Produzenten nicht besonders hoch gestanden.586 Bisher war das Minimum Basic Agreement im Jahr 1942 mit großen Studios und eines im Jahr 1943 mit unabhängigen Produzenten abgeschlossen worden.587 Am 8. September 1947, kurz vor dem Auslaufen dieser Verträge, stellte die »Screen Writers’ Guild« ein Wirtschaftsprogramm mit einer neuen Strategie vor. Da das gewerkschaftsfeindliche, antikommunistische Nachkriegsklima in Los Angeles588 die Stellung der Drehbuchautoren nachhaltig gefährdete, wollten die Drehbuchautorengilde verstärkt mit anderen Filmkünstlern und ihren Berufsvertretungen kooperieren. Dabei waren in den Augen der Drehbuchautorengilde eine prozentuale Gewinnbeteiligung sowie Folgezahlungen bei der Auswertung eines Films in anderen Medien wie im Radio oder Fernsehen den Einmalhonoraren vorzuziehen. Im Allgemeinen betonte der Wirtschaftsplan des Berufsverbandes, dass die Drehbuchautoren nicht wie herkömmliche Angestellte entlohnt werden könnten. Der Durchschnittsverdienst eines aktiven Mitglieds lag zu dieser Zeit bei 2.437,50 Dollar pro Jahr, da eine Mehrzahl der Drehbuchautoren nun bei unabhängigen Produzenten arbeitete, mit denen es noch keinen Tarifvertrag gab, und die großen Studios sich ständig unterboten. Dazu kamen die vielen arbeitslosen Autoren, die eine ernstzunehmende Konkurrenz waren. Drehbuchautoren verdienten im Vergleich zu den Gesamteinnahmen des Films wenig. Durchschnittlich betrugen die Lohnkosten circa ein Prozent der Gesamteinnahmen der Filmindustrie. Deshalb schwenkte die Gilde anstelle einer Minimalvergütung und der möglichen individuellen Aushandlung besserer Konditionen nun auf die Forderung einer prozentualen Gewinnbeteiligung um.589 Von den circa 1.000 aktiven Drehbuchautoren in Hollywood in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren bereits etwa 350 bei unabhängigen Studios beschäf585 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents, S. 31 und 49f. 586 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood. Das Drehbuch im Studiosystem, S. 245-253. 587 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., Special Bulletin to Members of the Screen Writers’ Guild. Mitteilung an SWG-Mitglieder, dass nun ein MBA mit den Independents abgeschlossen wurde, 15.12.1943, Writers Guild Foundation Library, Unprocessed WGA Historical Materials 1930s-1950s, S. 1. 588 | Eine Kulturgeschichte der Stadt und ihrer gewerkschaftsfeindlichen Mentalität bei Brook, Vincent, Land of Smoke and Mirrors. A Cultural History of Los Angeles, New Brunswick-New Jersey-London 2013. 589 | Vgl. Screen Writers’ Guild, SWG Bulletin. The Economic Program, in: The Screen Writer, Bd. 3 (October 1947) H. 5, S. 40-44, insb. S. 42.
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tigt. Die anfangs strikte Trennung zwischen A-Autoren – jene bei den majors angestellten Filmautoren – und den B-Autoren – also den freischaffend Beschäftigten und nur zeitweise angestellten – wurde mehr und mehr aufgehoben. Die Drehbuchautorengilde wollte die Autoren unabhängiger Studios in die kollektiven Vergütungsregeln einbeziehen und die zahlenmäßig wachsende Gruppe der freischaffenden Autoren innerhalb der Gilde stärker berücksichtigen.590 Deswegen verwendeten sie nun nicht mehr nur die gewerkschaftsähnliche, kollektive Strategie, um sich Ansehen und Prestige sowie Gewicht in den Verhandlungen mit den Studios zu verschaffen. Neben dem gewerkschaftlichen Prinzip wurden auch wieder die Werte von Freiberuflichkeit und autonomer künstlerischer Leistung betont. Diese Strategie wurde durch den Verband an die Mitglieder kommuniziert und zusätzlich in den Selbstdarstellungen der Gilde hervorgehoben. Da die Dominanz des Hollywoodstudiosystems mit seinen angestellten Autoren gebrochen war, befanden sich Drehbuchautoren wieder auf dem freien Markt und die Gilde musste mit neuen Strategien versuchen, ihre Mitglieder, die in heterogenen Arbeitsverhältnissen und verschiedensten beruflichen Stellungen beschäftigt waren, zu vereinen. Diese Entwicklungen waren in den Mittelklassen der USA seit den 1950er Jahren verstärkt aufgetreten. Besonders die oberen Mittelklassen und klassischen Professionen versuchten so, ihre unsicher gewordene gesellschaftliche Position wiederherzustellen, und kultivierten einen kapitalistischen, freien »Unternehmergeist«.591 Von diesem gesellschaftlichen Wandel profitierten auch angestellte und freiberufliche Drehbuchautoren. Die talent guilds reagierten auf die veränderte Rolle der Mittelklassen, da sich der Status der Arbeiter und Angestellten immer mehr vereinheitlicht hatte, was zu ökonomischen Spannungen zwischen den Schichten führte. Da ein klarer Klassengegensatz im Lohnniveau nicht mehr sichtbar war, mussten nun durch Kollektivverträge auch besondere Exklusivleistungen (benefits) wie Renten- und Arbeitslosenversicherung neu geregelt werden. Diese gefühlte Marginalisierung der Mittelklassen – wie sie Meg Jacobs beschreibt – führte in den USA unter anderem dazu, dass die Drehbuchautoren gewerkschaftliche Regelungen und individuelle wie elitäre Konzepte zur Hebung des sozialen Status ihrer Profession verwendeten.592
590 | Vgl. Trumbo, Dalton, Editorial, in: The Screen Writer, Bd. 1 (1946) H. 9, S. 31-32. 591 | Vgl. Siegrist, Hannes, From Divergence to Convergence. The Divided German Middle Class, 1945-2000, in: Zunz, Olivier / Schoppa, Leonard / Hiwatari, Nobuhiro (Hrsg.), Social Contract Under Stress. The Middle Classes of America, Europe, and Japan at the Turn of the Century, New York 2003, S. 21-46, hier S. 28f; 592 | Vgl. Jacobs, Meg, Inflation. »The Permanent Dilemma« of the American Middle Classes, in: Zunz, Olivier / Schoppa, Leonard / Hiwatari, Nobuhiro (Hrsg.), Social Contract Under Stress. The Middle Classes of America, Europe, and Japan at the Turn of the Century, New York 2003, S. 130-153, hier S. 133-135.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood
Das wird auch in einem Grundsatzpapier mit dem Titel »What is an Author?« des ehemaligen Präsidenten der Drehbuchautorengilde, Ernest Pascal von 1948, deutlich. Er bezog damit zu den neuen Herausforderungen des Berufs in der Nachkriegszeit Stellung.593 Pascal konstatierte die schlechte ökonomische und soziale Lage der Drehbuchautoren nach 1945, die darüber hinaus nun politischen Angriffen ausgesetzt waren. Er schätzte, dass nur 40 Prozent der Drehbuchautoren noch eine feste Anstellung hätten. Er zeichnete die Geschichte des Berufs nach, dessen Angehörige sich in der Frühphase des Kinos meist aus Theaterautoren rekrutiert hätten, und argumentierte, dass jene Dramatiker nie Angestellte, sondern unabhängige Vertragspartner der Theater gewesen seien, die für ihre Stücke Lizenzen vergeben hätten. Dann sei das System der Tantiemen durch das System des wöchentlichen Angestelltengehalts abgelöst worden, das den Autor in Hollywood zu einem einfachen Angestellten degradierte. In diesem Dienstverhältnis habe mancher Drehbuchautor zwar mehr als ein freiberuflicher Journalist oder Schriftsteller verdient, sei aber den Weisungen des Produzenten unterstellt gewesen und habe seine eigene schriftstellerische Ader kaum ausleben können. Dies war – so Pascal – keine angemessene Stellung für Drehbuchautoren, die doch vornehmlich kreative Mitarbeiter und Künstler seien. Er schloss: »Better writers will never be employees.«594 Damit wurde die »Kragenlinie« zwischen dem handwerklich-technischen Personal und den besser verdienenden, kreativen Mitarbeitern Hollywoods wieder betont. Die Drehbuchautoren versuchten, mithilfe einer individualistischen Strategie ihrer Forderung nach mehr beruflicher Autonomie und künstlerischer Kontrolle Nachdruck zu verleihen. Anstelle eines Angestelltengehalts sollte nun ein prozentuales Beteiligungshonorar ausbezahlt werden, welches gleichzeitig unterstrich, dass die Drehbuchautoren sich von den Arbeitern und einfachen Angestellten abgrenzten. Zugleich wurden zunehmend Urheberpersönlichkeitsund Moralrechte zur Festigung ihrer beruflichen und sozialen Stellung genutzt. Im Gegensatz zu Europa, wo in Frankreich595 oder Deutschland Drehbuchautoren zwar formal urheberrechtliche Befugnisse und moralische Autorrechte besaßen, ihnen aber eine starke gewerkschaftliche Berufsvertretung fehlte, wurde in den USA nun der Ruf nach stärkeren Autorrechten und künstlerischer Kontrol-
593 | Vgl. Pascal, Ernest, What IS A Screen Writer?, in: The Screen Writer, Bd. 3 (April 1948) H. 11, S. 2-4. 594 | Pascal, Ernest, What IS A Screen Writer?, in: The Screen Writer, Bd. 3 (April 1948) H. 11, S. 2-4, hier S. 4. 595 | Die Urheberrechtsreform von 1957 besagte, dass ein Film folgende Urheber habe: den Autor der Adaption, den Komponist und den Regisseur. Mitautor war zudem der Autor des vorbestehenden literarischen Werkes und der Produzent, wenn er einen signifikanten schöpferischen Beitrag geleistet hatte. Vgl. Silverberg, Herbert T., Authors’ and Performers’ Rights, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 23 (1958) H. 1, S. 125-164, hier S. 136f.
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le lauter.596 Das droit moral sollte den Autoren Urheberpersönlichkeitsrechte und die künstlerische Kontrolle über den Inhalt und die Form ihrer Werke sichern und die Eigentums- und Vermögensrechte des US-amerikanischen copyrights ergänzen.597 Sie sollten die Zerstörung, Verstümmelung und Änderung von Kunstwerken verhindern, die Integrität des Werkes wahren und die vermögensbezogenen Eigentumsrechte des Urheberrechts zusätzlich stärken.598 Die Verwertung von Filmstoffen im Fernsehbereich machte es nötig, die Urheber des Drehbuchs in diese Autorschaftsansprüche mit einzubeziehen. So wurden Folgevergütungen (residuals) immer wichtiger für die nun primär freischaffend tätigen Drehbuchautoren, deren Arbeitsverträge projektbasiert und oftmals als work-for-hire, also durch weisungsabhängige Auftragsarbeit, angefertigt wurden. Das gesamte geistige Eigentum wurde an Produzenten übertragen.599 Grundsätzlich waren, trotz ähnlicher Struktur der Filmindustrie, die europäischen Drehbuchautoren damals finanziell schlechter gestellt und öfter in prekären Arbeits- und Vertragsverhältnissen beschäftigt als ihre US-Kollegen, weil sie über keine Mindestvergütungsregeln oder Normalverträge verfügten. Einzig die deutschen Komponisten hatten durch die deutsche Musikverwertungsgesellschaft GEMA kollektive Vergütungsregeln aushandeln können, bevor ihr Berufsverband durch die Nationalsozialisten gleichgeschaltet wurde. Der Versuch, in Deutschland für Schriftsteller ein Pendant zur GEMA, der »Gesellschaft für die Verwertung literarischer Urheberrechte« (GELU), zu etablieren, schlug im Jahr 1958 noch fehl, wurde aber im Gefolge des Urheberrechtsgesetzes von 1965 eingeführt.600 Die alten Standardverträge, die Ende des Zweiten Weltkriegs für die Drehbuchautoren ausgehandelt worden waren, waren rechtlich noch in Kraft und die Filmverträge wurden nach ihrem Muster aufgebaut. Die Hauptgründe für die finanzielle Misere der bundesrepublikanischen Drehbuchautoren waren
596 | Eine vergleichende Übersicht zu den einzelnen urheberrechtlichen Stellungen von Drehbuchautoren in den USA und Europa bei Silverberg, Herbert T., Authors’ and Performers’ Rights, S. 125-164 und bei Baldwin, Peter, The Copyright Wars. Three Centuries of Transatlantic Battle, S. 15-52. 597 | Vgl. Fischer, W. William, Geistiges Eigentum-Ein ausufernder Rechtsbereich. Die Geschichte des Ideenschutzes in den Vereinigten Staaten, in: Siegrist, Hannes / Sugarman, David (Hrsg.), Eigentum im internationalen Vergleich. 18.-20. Jahrhundert, Göttingen 1999, S. 265-293. 598 | Vgl. DaSilva, Russel J., Droit Moral and the Amoral Copyright. A Comparison of Artists’ Rights in France and the United States, in: Bulletin of the Copyright Society, Bd. 28 (1980) H. 1, S. 1-58, hier S. 2-4 und Siegrist, Hannes, Strategien und Prozesse der »Propertisierung« kultureller Prozesse und Beziehungen. Leible, Stefan / Ohly, Ansgar / Zech, Herbert (Hrsg.), Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum, Tübingen 2010, S. 3-36, hier S. 26. 599 | Vgl. Silverberg, Herbert T., Authors’ and Performers’ Rights, S. 125-128. 600 | Vgl. ebd., 138-142.
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die Verarmung infolge des Krieges und das Fehlen eines schlagkräftigen Berufsverbandes. In den USA hingegen versuchte der Drehbuchautor James M. Cain ein zentrales Verwertungsmodell nach Vorbild der Verwertungsgesellschaft der US-Komponisten (ASCAP) zu propagieren. Cain reichte dem »Executive Board« der Drehbuchautorengilde im Juli 1946 seine Vorstellungen eines kollektiven Vergütungssystems für Drehbuchautoren unter der Bezeichnung »American Authors’ Authority« als Handlungsempfehlung ein.601 Die »Screen Writers’ Guild« stand zuerst geschlossen hinter Cains Plan und wehrte sich gegen die in diesem Zusammenhang erhobenen Kommunismus-Vorwürfe.602 Cain argumentierte ganz ähnlich wie Pascal in seinem Grundsatzartikel und betonte die künstlerischen Aspekte der Tätigkeit und die wichtige Rolle der Autoren bei der Filmproduktion, die sich im Gehaltsgefüge der Studios nicht widerspiegelte. Beim Film seien die Rechteübertragung und der Ausverkauf der geistigen Eigentumsrechte durch Buy-out-Klauseln nicht mehr hinnehmbar.603 Cain verwies auf das eigentliche Grundproblem, nämlich die fehlenden urheberrechtlichen Regelungen, die die Persönlichkeitsrechte des Drehbuchautors schwächten und diesem die Kontrolle über sein Werk lebenslang entziehen konnten. Bei den gängigen Werkverträgen gehe das copyright für ein Drehbuch automatisch komplett an den Filmproduzenten über.604 Cain wollte weiterhin aufzeigen, dass die »American Authors’ Authority« keineswegs die Befugnisse der Drehbuchautorengilde wie die Regelung der Arbeitsbedingungen und Honorarhöhe beschnitt, sondern einen zentralen Verwertungspool von Filmrechten schuf, der die Verfilmungsrechte der Drehbücher dann verwalten und lizenzieren sollte.605 Das vorgeschlagene prozentuale Beteiligungsprinzip wurde von einigen unabhängigen Produzenten schon länger genutzt, weil sie dadurch besser kalkulieren konnten und im Falle eines Flops keine hohe Einmalvergütung an den Drehbuchautor zu zahlen war, was im schlimmsten Fall den Ruin des Unternehmens bedeutet hätte. Die Autoren sollten laut Cain dann aufgrund eines Verteilschlüssels aus einem Verwertungspool vergütet werden. Ihre Rechte und ihr Einfluss könnten so gezielt gestärkt werden, weil sie selbst über ihre Gewinnverteilung und Verwertungsrechte bestimmen könnten.606 Viele Theaterbesitzer, Produzenten und Verleger bezeichneten Cains Vorschlag als kommunistisch und monopolistisch. Der Plan führe zu einer »Diktatur 601 | Vgl. Cain, James M., An American Authors’ Authority, in: The Screen Writer, Bd. 2 (July 1946) H. 2, S. 1-18. 602 | Vgl. o. A., Editorial, in: The Screen Writer, Bd. 2 (September 1946) H. 4, S. 3-6. 603 | Vgl. Cain, James M., An American Authors’ Authority, hier S. 1-5. 604 | Vgl. ebd., S. 10f. 605 | Vgl. Lavery, Emmet, A Time for Action, in: The Screen Writer, Bd. 1 (Mai 1946) H. 12, S. 1-5. 606 | Vgl. Cain, James, S. 13-18.
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des Copyrights«607. Cain bezog sich mit seinen Forderungen umgekehrt auf die in der Nachkriegszeit grassierende Arbeitslosigkeit unter freischaffenden Autoren. Diese hätten noch keine Lobby und müssten von der Drehbuchautorengilde erst organisiert und unterstützt werden. Die Kontroverse um die »Authors’ Authority« reflektierte nicht nur die Frage nach dem Status des Drehbuchautors, sondern traditionelle Muster von Patronat und Mäzenatentum, die nun in der Nachkriegszeit in den ambivalenten Arbeitsbeziehungen und differenzierten beruflichen Rollen der Drehbuchautoren wieder durchschienen.608 Cain arbeitete eng mit Morris Cohn, dem Rechtsberater der Drehbuchautorengilde, zusammen, der wie Cain ein Verfechter der Lizenzierung und Beteiligung anstelle des Ausverkaufs literarischer Eigentumsrechte war. Die Lizenzierung von Verfilmungsrechten an einem Drehbuch sollte sicherstellen, dass der Drehbuchautor609 seine moralischen und persönlichen Eigentumsrechte zurückbehielt und die kreative Kontrolle wieder wahrnehmen konnte.610 Obwohl die Drehbuchautorengilde zuerst hinter Cains Plan stand, wurde dieser wegen des großen öffentlichen Echos und des Umkippens der allgemeinen politischen Lage nicht realisiert.611 Zwischen Mai und Juni 1947 änderte sich die Stimmung und die Hollywood Ten wurden im Klima des Kalten Krieges zu öffentlichen Angeklagten. Daraufhin lehnten die »Authors’ League of America« und die mit ihr assoziierten Verbände Cains Vorschlag plötzlich ab. In einem Bericht hieß es, dass das von Cain erdachte Autorenkartell den Drehbuchautoren nicht viel mehr als die bereits bestehende professionelle Berufsvertretung bieten könne. Der Präsident der Drehbuchautorengilde wurde zur betreffenden Sitzung, in der die folgenreiche Entscheidung gefällt wurde, erst gar nicht eingeladen.612 Cains Idee wurde also nicht realisiert. Im Nachhinein ist zu vermuten, dass das konzentrierte Vorgehen des »House Committee on Un-American Activities« (HUAC) gegen die Drehbuchautoren auch den Zweck hatte, diese autorenfreundlichen Regelungen zu sabotieren.613 Der Rechtsberater der Drehbuchautorengilde Morris Cohn versuchte daraufhin, verbandsintern das Vorbild europäischer Autorrechtsvorstellungen zu 607 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars. From Edision to the Internet, New York 2012, S. 89. 608 | Vgl. Fine, Richard, James M. Cain and the American Authors’ Authority, Austin 1992, S. 5-9. 609 | Vgl. Cohn, Morris E., What Is a Liscence of Literary Property?, in: The Screen Writer, Bd. 3 (September 1947) H. 4, S. 27-28. 610 | Vgl. Fine, Richard, James M. Cain and the American Authors’ Authority, S. 84-88. 611 | Eine Sammlung von Diskussionsbeiträgen zur »American Authors’ Authority« befindet sich in der Zeitschrift der Drehbuchautorengilde. Vgl. The Screen Writer’s Special Supplement on the AMERICAN AUTHORS’ AUTHORIT Y, Bd. 2 (1947) H. 10. 612 | Vgl. Fine, Richard, James M. Cain and the American Authors’ Authority, S. 123-132. 613 | Vgl. ebd., S. 236f.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood
propagieren. So sollten Verletzungen und Verstümmelungen eines Werkes unterbunden und dessen künstlerische Integrität gesichert werden. Man könne in den USA moralische Rechte an Autoren vergeben, diese müssten aber vertraglich vereinbart werden, da sie innerhalb des gesetzlich geregelten copyrights nicht vorgesehen waren.614 Im Grunde unterstrichen Cohn und Cain eine romantische Vorstellung von Autorschaft, die die geistige Schöpfung mit dem eigentlichen Urheber eng verknüpfte.615 Beide benutzten in ihrer Argumentation Semantiken eines bürgerlich freischaffenden, autonomen Künstlerideals, welche den Drehbuchautoren zu einer besseren Vergütung verhelfen sollten. Der Berufsverband hatte zwar Minimalvergütungen erstritten, aber die Beschäftigungsverhältnisse wandelten sich zunehmend in Richtung freischaffender Arbeitsverhältnisse. Auch die Drehbuchautorengilde und ihr Präsident Lester Cole sahen keinen Interessenkonflikt darin, Minimalhonorare und eine prozentuale Beteiligung bei anderen Nutzungsarten zu fordern: »We want to get more money for the writer after he has worked as well as while he is working.« 616
Die von Cain angedachte »American Authors’ Authority« wäre ein guter Mechanismus gewesen, um die fehlende kreative Kontrolle und künstlerische Autonomie der Drehbuchautoren in der Filmbranche nach dem Vorbild der US-amerikanischen, französischen und deutschen Verwertungsgesellschaften für Komponisten zu unterbinden und den Autor prozentual an den Gewinnen zu beteiligen.617 Insbesondere das Aufkommen des Fernsehens618 machte es nötig, die Lizenzierungspraxis zu vereinheitlichen und die Vergütungsfrage für Auto614 | Vgl. Cohn, Morris E., Author’s Moral Rights. Film and Radio, in: Hollywood Quarterly, Bd. 1 (1945) H. 1, S. 69-79, hier S. 69. 615 | Vgl. Klorer, John, Writing for Percentage, in: The Screen Writer, Bd. 1 (1946) H. 9, S. 7-10. 616 | Cole, Lester, Majority Report on an Economic Program Represented at Membership Meeting Screen Writers’ Guild on August 14, 14.8.1947, Margaret Herrick Library, John Huston Papers, F. 1691, S. 1-8, hier S. 6. 617 | Gemeint sind »American Society of Composers, Authors and Publishers« (ASCAP), »Société des Auteurs, Compositeurs et Éditeurs des Musique« (SACEM) und »Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte« (GEMA). Vgl. Cohn, Morris E., Literary Works. A Question of Ownership, in: Hollywood Quarterly, Bd. 2 (1947) H. 2, S. 184-190 und Trebesius, Dorothea, Künstlertum, Autorschaft und Professionalisierung. Komponisten in Frankreich und der DDR, in: Müller, Dietmar / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Professionen, Eigentum und Staat. Europäische Entwicklungen im Vergleich – 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2014, S. 253-271, insb. S. 257f. 618 | Vgl. Streeter, Thomas, Broadcast Copyright and the Bureaucratization of Property, in: Cardozo Arts and Entertainment Law Journal, Bd. 10 (1991-1992) H. 2, S. 567-590.
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ren bei der Neu- und Zweitverwertung von Filmen im Fernsehen zu stellen.619 So forderte die Drehbuchautorengilde 1950 die Teilung der Nutzungsrechte und die Beteiligung an Gewinnen, die aus neuen Nutzungsarten entstanden waren: »[..] law is based on the crystal clear realization that the product of a man’s mind belongs to him, and that its use, each use, must be paid for (Hervorh. im Orig.). [...] The studio, in purchasing material, becomes the owner in perpetuity of the work of both groups (das heißt der freischaffenden und angestellten Autoren, Anm. d. Verf.).« 620
Die Gilde rief dazu auf, nicht das gesamte Bündel von Verwertungs- und Nutzungsrechten pauschal an die Produzenten zu übertragen, sondern die Rechte einzeln zu lizenzieren.621 Seit 1952 vertrat die Drehbuchautorengilde auch die Fernsehautoren und versuchte, für diese kollektive Vergütungsregeln und Mindesthonorarsätze mit Gewinnbeteiligung zu erreichen. Ein erster Versuch einiger Schriftsteller an der Westküste, ohne die Hilfe der »Authors’ League of America« ein Minimum Basic Agreement für freischaffende Autoren beim Fernsehen auszuhandeln, schlug jedoch fehl.622 Die Produzenten hatten sich mit den Autoren auf einen Kompromiss geeinigt, der Wiederholungsvergütungen für Nutzungen nach einer bestimmten Anzahl Ausstrahlungen zusicherte.623 Umgesetzt wurde diese Absprache erst, nachdem die Drehbuchautorengilde im August 1952 zu einem Streik aufgerufen hatte. Der Präsident der »Authors’ League«, Rex Stout, forderte die Drehbuchautoren dringend dazu auf, kein Filmmaterial an die »Alliance of Television Producers« zu verkaufen.624
619 | Vgl. Cohn, Morris E., Old Licenses and new Uses. Motion Picture and Television Rights, in: Law and Contemporary Problems (1954) H. 2, S. 184-202, insb. S. 193-199. 620 | Screen Writers’ Guild, Draft on »White Paper« on Separation of Rights, 1950, Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library, S. 1-18, hier S. 2. 621 | Vgl. Screen Writers’ Guild, Draft on »White Paper« on Separation of Rights, S. 4-10. 622 | Vgl. Burkey, Evelyn F., TV MBA Stymied. Unaffiliated Cast Group Seeks Recognition as Bargaining Agent, in: The American Writer, Bd. 1 (1952) H. 3. 623 | Vgl. Screen Writers’ Guild Inc., In TV. No Strike, But Lengthy Negotiations Ahead, in: SWG Bulletin (March 1952) H. 21, S. 1 und Screen Writers’ Guild Inc., Crisis Looms in TV Contract Fight, in: SWG Bulletin (July 1952) H. 1. 624 | Vgl. Authors’ League of America, Interim Restraining Order, Persönliche Mitteilung des Präsidenten der Authors’ League of America Rex Stout an die Mitglieder, 7.8.1952, Writers Guild Foundation Shavelson-Webb Library Los Angeles, WGA Historical Materials Correspondence and Papers.
Ver folgung kommunistischer Drehbuchautoren in Hollywood »This is a crucial test of willingness and ability of American authors to act jointly to protect and advance their common interests. Television is already a major source of income to many members of the League [...]. It is of vital importance to all writers to establish in television practice the principle that a writer owns what he writes and that therefore he may properly claims the profits and privileges of that ownership.« 625
Die »Screen Writers’ Guild« teilte sich am 30. Oktober 1954 in die beiden Regionalverbände »Writers’ Guild of America, East« und »Writers’ Guild of America, West« (kurz: WGA) und vertrat nun die Autoren der Film-, Fernseh- und Radiobranche.626 Grundsätzlich war damit die Phase der Neuorganisation und Etablierung der Drehbuchautorengilde als professioneller Berufsvertretung abgeschlossen. Die »Writers’ Guild« existiert bis heute als einflussreiche gewerkschaftliche Berufsvertretung für Drehbuchautoren in den USA. In der Expansionsphase des Fernsehens in den 1950er Jahren wurden viele Autoren schlecht bezahlt und in der Regel mit einer Einmalzahlung von 2.500 Dollar für ein Skript vergütet. Selbst wenn, wie üblich, vier Skripte pro Jahr produziert wurden, lag das Honorar der Fernsehautoren weit unter den damals üblichen Vergütungen für einen Autor. Zu dieser Zeit waren die heute üblichen Fernsehspiele mit einer Dauer von 60 Minuten eine Seltenheit, vielmehr dominierten 90-minütige Dramen und Unterhaltungssendungen den Markt. Bis zur Erfindung und Durchsetzung der Magnetaufzeichnung wurden TV-Fernsehspiele ähnlich wie Radiohörspiele live aufgeführt, geschnitten und ausgestrahlt.627 Die Autoren wurden beispielsweise bei der bekannten Reihe des Fernsehspiels Philco Television Playhouse mit in den Produktionsprozess einbezogen.628 Da das Verfahren bei Fernsehverwertungen von Filmen immer noch nicht einheitlich geregelt war, kam es bei Verhandlungen um die neuen Nutzungsarten629 1960 schließlich zu einem sechsmonatigen »Writers’ Guild«-Streik. Die Drehbuchautoren erkämpften so die vertraglich gesicherte Beteiligung bei der Mehrfachauswertung ihrer Filme im Fernsehen.630
625 | Ebd., o. S. 626 | Vgl. Herbert, F. Hugh, Brief von F. Hugh Herbert an Adolph Deutsch betreffend der Formierung der Writers’ Guild of America am 30.10.1954, Margaret Herrick Library, Screen Composers Association Records, Special Collections folder 67. 627 | Vgl. Bourjaily, Vance, The Lost Art of Writing for Television, in: Kazin, Alfred (Hrsg.), Writing in America. A Special Supplement, Harper’s Magazine 219, 1959, S. 151-157, hier S. 152f. 628 | Vgl. ebd., S. 154f. 629 | Vgl. MacKaye, Milton, The Big Brawl. Hollywood vs. Television, in: Saturday Evening, 2.2.1952, S. 30 und 100-102. 630 | Vgl. Stempel, Tom, Storytellers to the Nation. A History of American Television Writing, 2. Aufl., Syracuse N.Y. 1996 (=The Television Series), S. 195-198.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Für Filme, die nach 1960 produziert wurden, bekamen die Autoren nach dem Streik nun zwei Prozent des Gewinns bei Fernsehausstrahlungen. Das System der Drehbuchautorenvergütung der »Writers’ Guild« wurde seit den 1960er Jahren auf das residual system umgestellt. Das heißt, es wurden Mindesthonorarsätze bezahlt und dazu eine vertraglich festgelegte Beteiligung an den Gewinnen aus anderen Nutzungsarten vereinbart.631 Durch die neuen Arbeitsmöglichkeiten für Drehbuchautoren beim Fernsehen konnten mehr Filmstoffe und Formate als beim kostenintensiven Spielfilm erprobt werden. Bald darauf forderte auch das Publikum eine ästhetische und inhaltliche Erneuerung des amerikanischen Genrekinos. Einflüsse der französischen Autorenfilmer der Nouvelle Vague wurden im US-Kino langsam spürbar.632 Durch das Auf brechen der starren Hierarchien in den Studios und die Herauslösung der Drehbuchautoren aus den festen Arbeitsverhältnissen kam es zu einer Hinwendung zu Originalfilmstoffen und flexibleren Produktionsstrategien. Für den Drehbuchautor waren das Ende der Studioära und die Reformierung der betrieblichen Strukturen in der Stoffentwicklung besonders wichtig.633 Drehbuchautoren arbeiteten seit 1945 vermehrt in freischaffenden, projektbasierten Arbeitsverhältnissen. Sie forderten ihr geistiges Eigentum und die Urheberpersönlichkeitsrechte ein, da sie den kreativen Aspekt ihrer Tätigkeit hervorhoben. Die Drehbuchautorengilde vertrat diese Forderungen seit 1946 mit Energie, ohne zu politischen Entwicklungen und zur antikommunistischen Verfolgung ihrer Mitglieder Stellung zu beziehen.
Z usammenfassung – D ie beruflichen und künstlerischen S tr ategien der D rehbuchautoren in der N achkriegszeit Der Drehbuchautorenberuf entwickelte sich seit 1945 im geteilten Deutschland und in den USA in unterschiedliche Richtungen weiter. Alles in allem wandelte er sich stärker zu einem zentralen Kreativberuf, dessen Inhaber sich, aufgrund der strukturell organisatorischen Wandlungen der Filmindustrie der Nachkriegszeit, neu verorten musste. Seit 1945 standen in Deutschland als dringendste Probleme der Wiederauf bau und die Gefährdungen von Status und Prestige aufgrund des 631 | Vgl. Christopherson, Susan, The Origin of Fragmented Bargaining Power in Entertainment Media, in: Somers, Gerald G. (Hrsg.), Collective Bargaining in the Public Service. Proceedings of the 1966 Annual Spring Meeting, Milwaukee, Wisconsin, Mai 6-7 1966, Madison, Wisconsin 1992, S. 10-17. 632 | Vgl. Ayer, Douglas / Bates Robert E. / Herman Peter J., Self-Censorship in the Movie Industry. A Historical Perspective on Law and Social Change, in: Kindem, Gorham Anders (Hrsg.), The American Movie Industry. The Business of Motion Pictures, Carbondale-Edwardsville 1982, S. 215-253. 633 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood, S. 197-201.
Zusammenfassung – Drehbuchautoren in der Nachkriegszeit
politischen Wechsels im Mittelpunkt. Nach der Konsolidierung der Filmindustrie und der doppelten Staatsgründung 1949 kam es im Zuge der Blockkonfrontation wieder zur stärkerer politischer Kontrolle und Indienstnahme der Drehbuchautoren. In den deutschen Staaten wie in den USA wurde die berufliche Autonomie der Drehbuchautoren durch Eingriffe der Politik oder Wirtschaft bestimmt. Dies mündete in antikommunistische Hetzjagden wie in den USA oder in die politische Indoktrination der Stoffentwicklung in der staatssozialistischen DDR. In der BRD verhinderten zunächst die personellen Kontinuitäten aus der Zeit des Nationalsozialismus und die Folgen des Krieges die professionelle Weiterentwicklung und Erneuerung des Drehbuchautorenberufs. In den USA wurden nach 1945 zunehmend künstlerische Aspekte der Tätigkeit betont, die als wichtiges Argument für eine alternative Professionalisierung galten. Dabei traten die kollektiv gewerkschaftlichen Zielsetzungen in den Hintergrund, wurden aber bei Bedarf revitalisiert, um bessere Honorare und Beteiligungsquoten im Fernsehbereich zu erkämpfen. Die Forderung nach mehr künstlerischer Freiheit und der Verfügungsgewalt über das geistige Eigentum wurde im Sinne individualistischer künstlerischer Berufsvorstellungen umgedeutet. Die bisher bewährten gewerkschaftsähnlichen Strategien der Aushandlung von Mindestvergütungssätzen wurden mit der neuen alternativen Strategie erfolgreich verknüpft. Durch die organisatorische Zusammenfassung von Film-, Radiound Fernsehautoren in der Drehbuchautorengilde seit 1954 konnte die »Writers’ Guild of America« ihre Machtposition nachhaltig festigen. Trotz der unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in Europa und den USA lassen sich strukturelle Ähnlichkeiten der Verberuflichung festhalten. Aufgrund der Konkurrenz des Fernsehens gerieten die Filmindustrien nach dem Zweiten Weltkrieg in eine wirtschaftliche Krise. Der Kinofilm musste sich neu positionieren und sollte mittels eines Generationenwechsels verjüngt werden. Im Falle der DDR erfolgte die Erneuerung mithilfe der zentralisierten Nachwuchsausbildung der Drehbuchautoren, durch die Aufwertung des literarischen Szenariums und des Dramaturgen, der die Stoffentwicklung überwachte. Der Dramaturg wurde zur Schlüsselfigur politischer Kontrolle und zum gatekeeper an der Schnittstelle zwischen Stoffentwicklung, Filmproduktion und Politik. Drehbuchautoren wurden in der DDR durch Rahmentarifverträge sehr gut bezahlt. Sie mussten sich in den »Künstlerischen Arbeitsgruppen« gegenüber den Weisungen der Produzenten, Dramaturgen und Regisseure behaupten und ihr Schaffen war eng mit einem gesellschaftlichen Auftrag und politisch ideologischen Funktionen verbunden. Der Drehbuchautorenberuf galt in der DDR als wichtiges Bindeglied zwischen Schriftstellern und Filmproduktion. Wegen der politischen Weisungen und institutionalisierten Zensur- und Kontrollgremien war die künstlerische Autonomie allerdings ständig gefährdet. Mit der systematischen Qualifizierung ihres filmischen Personals an der zentralen Filmhochschu-
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le HFF in Potsdam betrieb die DDR die professionelle Ausbildung ihrer Filmschaffenden unter sozialistischen Vorzeichen. In der Bundesrepublik waren die Drehbuchautoren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs politisch diskreditiert und standen ohne autonomen Berufsverband da. Auch der Einfluss einiger remigrierter Filmschaffender konnte dem Beruf nicht zu hohem gesellschaftlichen Ansehen verhelfen. In der Filmindustrie dominierten – trotz des propagierten Neuanfangs – ehemalige NS-Filmmitarbeiter. Die Drehbuchautoren bekamen seit den 1960er Jahren im Zuge der globalen Autorenfilmbewegung und mit der Aufwertung des Regisseurs einen neuen Konkurrenten. Die Auswirkung des Autorenfilms auf die Professionalisierung des Drehbuchautors bis in die 1990er Jahre wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein.
7. Herausforderung und Marginalisierung des Drehbuchautors durch die Autorenfilmbewegung seit den 1960er Jahren
Für Drehbuchautoren ergaben sich nach den organisatorischen Umstrukturierungen der Studios und wegen der veränderten Publikumsansprüche an das Kino zunächst große neue Chancen, den Beruf mit neuen Funktionen und Inhalten zu füllen sowie Prestige und Einfluss zu gewinnen. Durch die Autorenfilmbewegung drängte dann seit Ende der 1960er Jahre der Regisseur zudem als Autor des Films in den Vordergrund. Das stellte die beruflichen Funktionen und die Identität des Drehbuchautors vor neue Herausforderungen. Der Autor-Regisseur beanspruchte vielfach Aufgaben in der Stoffentwicklung, die bisher im Tätigkeitsbereich des Drehbuchautors gelegen hatten. Im Kampf um Macht und Einfluss in der Kulturindustrie versuchte er, den Drehbuchautor zu verdrängen. Der Drehbuchautor wurde so bisweilen zum wenig beachteten Ideenlieferanten, der den Regisseur mit Filmstoffen versorgte. Der Autor-Regisseur untermauerte seine tragende Rolle in der Filmkultur nicht nur selbst, das Publikum und die Filmkritik halfen eifrig mit. Im Folgenden sollen die Auswirkungen der erstarkten globalen Autorenfilmbewegung für den Drehbuchautorenberuf in den USA und in der Bundesrepublik bis in die Gegenwart untersucht werden. Um zu verstehen, wie sich der Autorenfilm in den USA und in Deutschland seit den 1960er Jahren ausbreitete und traditionelle Produktionskontexte der Filmindustrie beeinflusste, wird zuerst auf die französische Autorenfilmbewegung, die Nouvelle Vague, eingegangen, die als Prototyp des Autorenfilms weltweit in andere Filmländer transferiert wurde. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie sich das theoretische Konzept der politique des auteurs auf das Selbstverständnis des professionellen Drehbuchautors in Deutschland und in den USA auswirkte. In den europäischen Filmindustrien kam es zu dieser Zeit zu einer Aufwertung der beruflichen und öffentlichen Rolle des Regisseurs und einer Verbindung seiner professionellen Aufgabenbereiche mit denen, die zuvor spezialisierte Drehbuchautoren erledigt hatten.
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Zu dieser Fokussierung trugen auch die staatliche Filmförderung und ihre Institutionalisierung durch Gesetze und Filmförderprogramm seit Kriegsende bei. Dem vorausgegangen waren Umstrukturierung der nationalen Filmindustrien und die Etablierung des künstlerisch innovativen Programmkinos, welches sich als Gegenpol zu Hollywood verstand. Im folgenden Abschnitt sollen die Bedeutungsverschiebung vom französischen Autorenkino hin zu einer globalen Autorenfilmbewegung in der bundesrepublikanischen und US-amerikanischen Filmlandschaft und ihre Auswirkung auf den Beruf des Drehbuchautors rekonstruiert werden. Anhand des Vergleichs der verschiedenen implementierten Autorenfilmkonzepte in den untersuchten Filmländern kann aufgezeigt werden, inwieweit das französische Konzept und seine theoretischen Ideen nach Deutschland und in die USA exportiert, dort umgedeutet und in das bestehende Filmsystem eingepasst wurden.
D er fr anzösische A utorenfilm Der europäische Autorenfilm wurde ausgehend von Frankreich und seiner weltbekannten Filmbewegung junger Kinomacher, der Nouvelle Vague, in den 1960er Jahren zu einem globalen Phänomen. Das Ganze begann damit, dass einige professionelle Filmkritiker filmtheoretische Überlegungen darüber anstellten, welche Traditionslinien das »neue« französische Nachkriegskino bedienen sollte und wie es wirtschaftlich gesunden könnte. Es sollten bessere Filme produziert werden und diese sollten sich vor allem von den Genres und Konventionen der Hollywoodimporte abgrenzen. Die Filmkritik übernahm die Rolle des Kulturkritikers und erklärte den auteur zum schöpferischen Urheber des Films. Diese Rolle wurde bald den jungen Regisseuren zugeschrieben beziehungsweise von diesen beansprucht; von Regisseuren, die ihre inszenatorische Funktion mit einer Autorschaftsfunktion verbanden und mit dem Anspruch auftraten, ein besseres, anderes und innovatives französisches Kino zu schaffen. Diese Aufwertung des auteurs verhinderte jedoch schrittweise die Aufwertung des Drehbuchautorenberufs. Dessen Ansehen übertrug sich allerdings auf den Regisseur, der zum kreativen Schöpfer des Films und zum Mittelpunkt der Filmproduktion wurde. François Truffaut forderte in seinem Konzept der politique des auteurs dazu auf, dem Regisseur nicht nur inszenatorische Aufgaben zu übertragen. Dieser sollte gleichzeitig der Stoff- und Ideengeber des Films sein und als überwachender Autor-Regisseur die Stoffentwicklung und Inszenierung leiten.634 Der Autorenfilm war somit kein in arbeitsteiliger Kooperation Vieler hergestelltes Genrewerk mehr, sondern lebte durch seine emotionale Wirkung und die persönliche Handschrift seines Regisseurs, der als auteur nun verschiedene, 634 | Vgl. Lux, Claudia, Die Abkehr vom traditionellen Kino in den Filmen der Nouvelle Vague. Unter Berücksichtigung der Darstellung der Frau, Coppengrave 1995, S. 19-22.
Der französische Autorenfilm
zuvor differenzierte berufliche Funktionen in einer Person vereinte. Nach dieser Idealvorstellung des Autorenfilms wurden kanonische Filmwerke und bisher unbekannte nationale Filmemacher wieder belebt und von einer neuen »Tradition der Qualität« geleitet.635 Der Begriff Nouvelle Vague wurde 1958 von der Journalistin und Drehbuchautorin Françoise Giroud durch ihr Buch La Nouvelle Vague – Portraits de la Jeunesse3636geprägt. Sie hatte sich darin mit Jugendkulturen in der Nachkriegszeit auseinandergesetzt. Das politische Umfeld im Nachkriegsfrankreich gestaltete sich dabei günstig für filmästhetische Experimente. Filmtheoretische Überlegungen wurden angestrengt, da ein traditioneller cineastischer Kanon französischer Filme zwar existierte, aber die jungen Filmemacher, mangels Ausbildungsmöglichkeiten und fehlenden Wissens über die nationale Filmgeschichte, diese kaum rezipiert hatten. In Frankreich stand wie in Deutschland der künstlerische Wert eines Films im Mittelpunkt und wurde von der Filmkritik gewürdigt. Den Filmkritikern kam nun die Aufgabe zu, eine neue Generation jugendlicher Filminteressierter mit den historischen Abläufen und der Filmgeschichte des Landes vertraut zu machen. Besonders in Zeitschriften wie Positif oder Cahiers du Cinéma 637 veröffentlichten Filmkritiker ihre filmtheoretischen Abhandlungen und halfen dabei, die gesellschaftliche Rolle des Kinos neu zu bewerten. Die ersten Autoren der cineastischen Magazine wurden später selbst zu Protagonisten der Nouvelle Vague.638 François Truffaut stellte seinen kritischen Ansatz und seine Forderungen an ein reformiertes nationales Kino in einer Ausgabe der Cahiers im Jahr 1962 unter der Bezeichnung Nouvelle Vague vor. Dabei verwies er auf über 160 junge, hoffnungsvolle Filmemacher, die er zur Bewegung zählte.639 Die französische Autorenfilmbewegung hatte ihren Höhepunkt zwischen 1958 und 1970. Sie prägte das filmische Wirken der Protagonisten teilweise bis
635 | Vgl. Gerstner, David A., The Practices of Authorship, in: Gerstner, David A. / Staiger, Janet (Hrsg.), Authorship and Film. Trafficking with Hollywod, New York-London 2003, S. 3-27, hier S. 5-8. 636 | Davor waren Aufsätze von Giroud im L’Express 1957 erschienen, die den Zeitgeist und die Aufbruchstimmung in der Alltagskultur von jungen Menschen beschrieben. Vgl. Giroud, Françoise, La Nouvelle Vague. Portraits de la Jeunesse. L’Air du Temps, Paris 1958 und Arenas, Fernando Ramos, Der Auteur und die Autoren. Die Politique des Auteurs und ihre Umsetzung in der Nouvelle Vague und in Dogme ‘95, Leipzig 2011 (=Media Studien Bd. 15), S. 46-51. 637 | 1951 gegründet von André Bazin. 638 | Vgl. Lux, Claudia, Die Abkehr vom traditionellen Kino in den Filmen der Nouvelle Vague, S. 17. 639 | Vgl. Salokannel, Marjut, Film Authorship in the Changing Audio-Visual Environment, in: Sherman, Brad; Strowel, Alain (Hrsg.), Of Authors and Origins. Essays on Copyright Law, Oxford 1994, S. 57-77, S. 64f.
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in die Gegenwart.640 Der filmische Stil wurde weltweit kopiert und vielfach aufgegriffen. Gemeinhin gelten Claude Chabrols Le Beau Serge, Jean-Luc Godards À Bout de Souffle, Truffauts Les 400 Coups und Alain Resnais’ Hiroshima Mon Amour als die zentralen Filmwerke der Welle. Mitte der 1960er Jahre zerfaserte die Nouvelle Vague zunehmend und ließ kaum noch eine einheitliche Stilistik und Programmatik erkennen.641 Den jungen Filmemachern war gemeinsam, dass sie als Nachkriegsgeneration ihre ersten filmischen Erfahrungen durch die Beschäftigung mit der Filmtheorie und Filmgeschichte machten und aus dem Hobby Kino bald eigene, professionelle Filmprojekte erwuchsen. Ihnen war die Vorherrschaft Hollywoods in Europa unerträglich geworden. Sie wussten, dass der europäische Film in seiner Vergangenheit ein bedeutsames, künstlerisches Œuvre geschaffen hatte, an welches sie nun anknüpften. Regisseure mit eigener, ästhetischer Handschrift wie Fritz Lang, Alfred Hitchcock, Roberto Rossellini, Max Ophüls, Akira Kurosawa oder Jean Renoir wurden zu Vorbildern der jungen Filmemacher. Auch Hollywoodregisseure wie Nicholas Ray oder Howard Hawks waren bei den jungen Regisseuren beliebt.642 Die frühesten Werke des französischen Autorenfilms stammten von cineastischen Enthusiasten, die bisher kaum professionelle Erfahrungen im Filmbereich gesammelt, sondern in Filmclubs und Kinos alte Klassiker und internationale Filmmeisterwerke rezipiert und analysiert hatten.643 Ein wichtiger ästhetischer Vorläufer der Nouvelle Vague war das Konzept der Caméra Stylo.644 Hier wurde die Kamera wie ein Stift oder Kugelschreiber interpretiert, der die Bilder des Films »zeichnet«. Der Schwerpunkt lag auf der Komposition des Bildes. Statt überladenen Glamours und üppiger Ausstattung wurde natürliches Licht beim Außendreh bevorzugt. Außerdem betonten die Filmemacher die Rolle des Regisseurs, der als auteur seines Films gleichzeitig die geistige Urheberschaft und Schöpferfunktion beanspruchte.645 640 | Vgl. Lux, Claudia, Die Abkehr vom traditionellen Kino in den Filmen der Nouvelle Vague, S. 1. 641 | Vgl. Thompson, Kristin / Bordwell, David, Film History. An Introduction, New York 1994, insb. S. 521-554. 642 | Vgl. Rohmer, Eric, Rediscovering America (Christmas 1955), in: Hillier, Jim (Hrsg.), Cahiers du Cinéma. Vol. 1 The 50s: Neo-Realisme, Hollywood, New Wave, London 1985, S. 88-93. 643 | Vgl. Godard, Jean-Luc, From Critic to Filmmaker. Godard in Interview (December 1962), in: Hillier, Jim (Hrsg.), Cahiers du Cinéma. Vol. 2. 1960-1968: New Wave, New Cinema, Re-evaluating Hollywood, London 1986, S. 59-67, hier S. 61. 644 | Der Begriff geht auf Filmtheoretiker, Regisseur und Drehbuchautor Alexandre Astruc zurück. Vgl. Schmid, Birgit, Die literarische Identität des Drehbuchs. Untersucht am Fallbeispiel »Agnes« von Peter Stamm, Bern 2004, S. 253. 645 | Vgl. Lux, Claudia, Die Abkehr vom traditionellen Kino in den Filmen der Nouvelle Vague, S. 10f.
Der französische Autorenfilm
Die Rolle des Drehbuchautors war für die Autorenfilmer eine eher randständige, wie Jacques Doniol-Valcroze, einer der Gründer der Zeitschrift Cahiers und selbst Autor-Regisseur, im Interview bemerkte: »[…] i.e. the influence of the scriptwriters, what is recognizable in the French cinema since the Liberation, is the emergence of a number of directors who are more or less auteurs and who have could been the cinema’s equivalent of the Paris School in painting.« 646
Der neuen filmischen Bewegung kam zugute, dass der französische Präsident De Gaulle in ausländischen Filmimporten eine kulturelle Bedrohung der Nation sah und den nationalen Filmmarkt durch Subventionen und kulturpolitische Steuerung gezielt zu fördern versuchte. Auch in Frankreich war das Fernsehen zur neuen Konkurrenz für den Kinofilm geworden. Aus Kostengründen konnte das aufwändige französische Qualitätskino mit seiner pompösen Ausstattung und den teuren Stars nicht weiter expandieren.647 Im Zuge dessen wurde 1959 die Filmförderung L’Avance sur recette eingeführt und das »Centre national du cinéma et de l’image animée« (CNC) gegründet. Die staatliche Filmförderung wurde durch die Abgabe von einem Centime auf ein Kinobillet finanziert. Die Erträge wurden für die Unterstützung junger Filmemacher und ambitionierter Projekte verwendet und kamen so der heimischen Filmindustrie zugute.648 Die Nouvelle Vague war keine homogene künstlerische Schule. Sie bestand vielmehr aus heterogenen Ästhetiken und wurde getragen von einer Generation von Jungfilmern mit verschiedenen cineastischen und politischen Ansätzen und Ansichten. Eine explizite einheitliche Programmatik fehlte, aber es lassen sich im Werk der fünf Hauptprotagonisten Jean-Luc Godard, François Truffaut, Jacques Rivette, Eric Rohmer sowie Claude Chabrol stilistische und thematische Ähnlichkeiten finden. Diese Regisseure hatten alle die Filmtheorie André Bazins649 rezipiert und bereits Rezensionen und Beiträge zu diesem Thema in den Cahiers veröffentlicht. Sie legten Wert auf die Gestaltung der Mise en Scène,650 also die Gestaltung des Bildraumes, und waren im weitesten Sinne der Idee einer 646 | Antwort von Doniol-Valcroze in Bazin, André / Doniol-Valcroze, Jaques / Leenhardt, Roger u. a., Six Characters in Search of auteurs. A Discussion about the French Cinema (May 1957), in: Hillier, Jim (Hrsg.), Cahiers du Cinéma. Vol. 1, The 50s: Neo-Realisme, Hollywood, New Wave, London 1985, S. 31-46, hier S. 34. 647 | Vgl. Lux, Claudia, Die Abkehr vom traditionellen Kino in den Filmen der Nouvelle Vague, S. 8f. 648 | Vgl. Thompson, Kristin / Bordwell, David, Film History. An Introduction, S. 521-554. 649 | Die wichtigsten Zeitschriften für Cineasten waren L’Écran Française und Revue du Cinéma, die bis zu Beginn der 1950er Jahre das Kino beeinflussten. Diese wurden dann von Positif und Cahiers du Cinéma abgelöst. Im L’Écran erschien 1946 auch Astrucs Aufsatz zur Geburt einer neuen Kino-Avantgarde und Kamera als Füllfederhalter Vgl. ebd., S. 50f. 650 | Die Ausgestaltung des Bildraumes in der filmischen Szene.
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eigenständigen inszenatorischen Handschrift verpflichtet. Bestenfalls sollte die literarisch Vorlage des Films oder das Drehbuch vom Regisseur selbst verfasst werden.651 Deswegen ist die Bezeichnung Autorenfilm für die filmische Bewegung auch missverständlich. Noch um 1913 verwendeten Filmproduzenten den Begriff Autorenfilm in Deutschland und Frankreich für Filme, deren Drehbücher auf Originalfilmstoffen basierten, die von etablierten Schriftstellern verfasst worden waren. Im Endeffekt war der französische Autorenfilm eine Aufwertung des Regieberufs, der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wurde und nun im Mittelpunkt der Filmherstellung und der Rezeption filmischer Werke in der Öffentlichkeit stand. Berufe wie der Drehbuchautor standen im Schatten der Autor-Regisseure. Die deutschen und europäischen Drehbuchautoren erholten sich nur langsam von der professionellen Leerstelle, die der Nationalsozialismus hinterlassen hatte. Die weltweite Dominanz des Autorenfilms hatte ihrem Beruf weiteren Schaden zugefügt. Regisseur Wim Wenders verwies auf dieses Problem in seiner Eröffnungsrede auf der Konferenz der »Federation of Screenwriters in Europe« im Jahr 2006. Er meinte, dass der Siegeszug des Autorenfilms die einzelnen Funktionen und Arbeitsbereiche in der Filmindustrie, vor allem die des Drehbuchautors, in ihrer professionellen Entfaltung stark zurückgeworfen habe. So sei die Aura des Drehbuchautors mit dem Autorenfilm zerstört worden: »[…] the new German Cinema, of which I am a prod uct, in the ‘70s really refined that process in which the writer and the author, and sometimes even the producer, were one person. I grew up in cinema like that, doing all these jobs at once – in a way thinking that was the only way to make movies. As you all know the Author Principle sort of crumbled in the ‘80s and fell apart and lost its strength. I myself, I had to unlearn that principle myself and learn how to work with writers and producers. And now there is nothing more pleasant for me in the whole filmmaking process than those relationships. On my last two films, ‘Land of Plenty’ and ‘Don’t Come Knocking’, I finally realised my biggest dream. I had my writer with me on the set, and we were working every day on the script – and there was a produc er, too. It was like a big re-discovery, because a lot of the European film industry had neglected the profession of the screenwriter. For a lot of screenwriters that I knew, writing was a way to become a producer or a director or something else, or going to novels. A lot of them were not happy just to remain screenwriters, because maybe the aura of the profession had disappeared.« 652
651 | Vgl. Monaco, James, The New Wave. Truffaut, Godard, Chabrol, Rohmer, Rivette, New York 1976, insb. S. 1-12. 652 | Wim Wenders Eröffnungsrede ist abgedruckt bei Federation of Screenwriters in Europe, First Conference of European Screenwriters in Thessaloniki, 21.-22.11.2006, http:// www.scenaristes.org/pdfs/textconf2006_HR.pdf, eingesehen am 31.12.2013, S. 2.
Der französische Autorenfilm
Das »alte« Kino hatte sich noch mit Literaturadaptionen und konventionellen Genrefilmen begnügt, nun war eine neue Zeit angebrochen, die das Filmmedium künstlerisch weiter profilieren sollte und nach alternativen Gestaltungsmitteln suchte. Dieses Ziel konnte in der filmischen Praxis kaum umgesetzt werden. Nicht alle Regisseure der Bewegung waren zugleich begabte Drehbuchautoren und Schriftsteller. Truffaut beispielsweise adaptierte gern literarische Stoffe wie bei Jules et Jim (1962), dessen Romanvorlage von Henri-Pierre Roché stammte. Gleichzeitig machte er seinen schöpferischen Einfluss geltend, denn er arbeitete an der Drehbuchvorlage des Films mit und führte Regie. Durch die finanziellen Schwierigkeiten der Filmindustrie seit 1945 waren aufwändige Studiogroßproduktion und die kommerzialisierte Massenproduktionsweise erschwert worden. Darum wurden seit langem filmische Allroundtalente gesucht, die mithilfe staatlicher Förderungen preiswerte Filme herstellten. Der Filmschöpfer sollte nicht mehr hinter den Genrekonventionen und der filmischen Massenproduktion zurücktreten, sondern im Film sichtbar werden. Außerdem darf das Moment des kreativen Neuanfangs nach Kriegsende nicht unterschätzt werden und muss in enger Verbindung mit dem erstarkten nationalen Filmkanon und den neuen filmästhetischen Konzepten des Autorenfilms gelesen werden. Die Abgrenzung vom verstaubten Hollywoodgenrekino inkludierte allerdings auch einige wenige Meisterregisseure, die als Vorbilder galten. Die Filme der Nouvelle Vague waren idealerweise geprägt durch eine persönliche künstlerische Handschrift ihres Machers, die sich beispielsweise in der speziellen Kameraführung ausdrückte. Für die junge Nachkriegsgeneration war das Moment der Jugend auch für die Inhalte ihrer Filme entscheidend, sodass oftmals politisch aufrührerische Filme jenseits formelhafter Dialoge oder klassischer Hollywooddramaturgie entstanden. Die Protagonisten waren oft Antihelden, Außenseiter oder vereinsamte Großstädter. Die Filme waren emotional, psychologisch tiefgründig, ohne dabei moralisierend und belehrend zu wirken. Gleichzeitig sagten sich die Autor-Regisseure von den erzählerischen Konventionen und den filmischen Regeln des Hollywoodkinos los. Sie setzten Laiendarsteller ein, wie es Rossellini bereits in Italien vorgemacht hatte, und improvisierten Dialoge. Sie brachen die 180-Grad-Regel und das Kontinuitätsprinzip. Kontinuität wird erzeugt, indem Szenen mit einem standardisierten Schuss-Gegenschuss-Verfahren montiert werden. Das heißt, dass im klassischen Hollywoodstil eine Szene üblicherweise mit einer Totalen eröffnet wird und die Kameras sich immer auf der Handlungsachse zwischen beiden Protagonisten bewegen, die sich in einem 180-Grad-Winkel um die Handlungsachse herum befinden. Wird dieser 180-Grad-Winkel durchbrochen, kommt es zum sogenannten »Achsensprung«, der die Kontinuität der Montage zerstört und den Zuschauer zunächst irritiert. Godard war bekannt für seine experimentellen Schnitte und einen eigenwilligen Montagestil, der aus jump cuts, also Bildsprüngen oder sichtbaren Schnit-
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ten, sowie unvermittelten Bildeinfrierungen in langen Plansequenzen bestand.653 Dass diese Experimente im Falle Godards meist viel vom Publikum abverlangten und als »Kunstfilme« vorrangig von intellektuellen, bürgerlichen Schichten dechiffriert werden konnten, war im eigenen Anspruch der Cineasten begründet. Die Nouvelle Vague war kein kompatibles Massenkino. Die Filmemacher wollten zurück zum innovativen, ambitionierten, unabhängigen Filmen, in denen der Regisseur möglichst die gesamte kreative Kontrolle besaß und bestenfalls sogar die wirtschaftliche Seite der Produktion steuerte. Die Wirkung der französischen Autorenfilmbewegung ließ nach 1962 schnell nach. Infolge der Reorganisation und wirtschaftlichen Gesundung der gesamten französischen Filmindustrie kamen vermehrt Genrefilme und Filme im klassischen Hollywoodstil heraus, die auch schon vorher den französischen Markt entscheidend geprägt hatten. Außerdem etablierten sich Protagonisten wie Chabrol oder Truffaut nach 1962 vorrangig durch ein eher klassisches Genrekino, in dem die narrativen Konventionen Hollywoods und deren technische Regeln – wenn auch vielfach mit einem Augenzwinkern und bitterbösem Humor – bedient wurden. Deswegen ist es problematisch, einen einheitlichen filmischen Epochalstil oder gar ein programmatisches Gesamtkonzept für alle Regisseure der Nouvelle Vague zu entwerfen.654 Trotzdem begründete die knapp fünf Jahre alte Bewegung eine Revolution des Kinos, die bis heute nachwirkt. Noch 1995 wurden Ideen der Nouvelle Vague durch die dänische Dogma-Bewegung aufgegriffen.655 Der filmtheoretische Diskurs der politique des auteurs und die daraus entstandene »Filmschule« Nouvelle Vague betrachteten den Regisseur als auteur oder kreativen Schöpfer des Films. Durch staatliche Subventionen und dank leichten technischen Equipments konnten junge Filmemacher plötzlich recht günstig Filme drehen, die sich vom Genrekino aus Hollywood abhoben. Die französischen Kinofilme entwickelten sich bald zu einer weltweit bekannten und besonders in Intellektuellenkreisen gefeierten Marke, die die Vorstellungen eines individuellen, romantischen Autorenideals wiederbelebte656 und an die Filmindustrie zurückband. Die Huldigung des individuellen Filmkünstlers in der Person des Regisseurs, der als Allrounder alle Fäden der Filmproduktion zusammenführte, war zuvor durch die arbeitsteilige Kinoproduktion in Hollywood verhindert worden.
653 | Vgl. Freybourg, Anne Marie, Ein Versuch aufs Ganze. Montagekonzepte bei Jean-Luc Godard, in: Kunstforum International (2001) H. 155, S. 283-288. 654 | Vgl. Monaco, James, Film Verstehen, S. 331-335. 655 | Dänische Filmemacher wie Lars von Trier und Thomas Vinterberg verabschiedeten 1995 »zehn Gebote«, in denen sie ihre Programmatik festlegten. Auch hier wurde wie bei der Nouvelle Vague der Regisseur zum eigentlichen Filmautor stilisiert. Vgl. Arenas, Fernando Ramos, Der Auteur und die Autoren, S. 265-268. 656 | Vgl. ebd., S. 36-41 und 57f.
Die Auteur Theory in den USA – New Hollywood und die Folgen
Der Drehbuchautor kam im Konzept des Autorenfilms indes kaum bis überhaupt nicht mehr vor. Schon Alexandre Astruc wies darauf hin, dass in den Filmen die Unterteilung in auteur (Drehbuchautor) und réalisateur (Regisseur) keinen Sinn mehr mache und der Autor-Regisseur die Zukunft des Kinos sei, nicht aber die Zusammenarbeit oder gar eine Arbeitsteilung zwischen Drehbuchautor und Regisseur.657 Ein wenig erinnerte diese Verschmelzung beider beruflicher Aufgabenbereiche an Entwicklungen in der DDR, wo der Regisseur an der Endfassung des Regiebuchs mitwirkte. Allerdings hatte dort der Drehbuchautor ein spezialisiertes, differenziertes berufliches Tätigkeitsprofil, das sich von der inszenatorischen Leistung des Regisseurs nicht nur graduell, sondern qualitativ und funktional unterschied. In der DDR wurde der Drehbuchautor aber zunehmend durch die herausgehobene Rolle des Dramaturgen eingeengt und seine künstlerische Autonomie durch die politische Kontrolle bedroht. In Frankreich hingegen überlagerte der individuelle schöpferische Beitrag einer Einzelperson (Regisseur) die filmische Praxis der Arbeitsteilung und Spezialisierung kreativer Mitarbeiter. Nach dieser Auffassung wurde der Drehbuchautor zu einer randständigen Figur innerhalb der Kinoproduktion und allenfalls als Autor der Vorlage, nicht aber als Vordenker und Verfasser einer Blaupause für das finale filmische Werk angesehen. Der durch die Nouvelle Vague eingeleitete Triumphzug des Regisseurs als auteur oder Autorenfilmer wurde besonders durch die Filmkritik vorangetrieben, die den Regisseur zum Filmkünstler stilisierte. Dieses Konzept setzte sich als herrschendes Prinzip durch und wurde zunehmend als Qualitätsmerkmal für spezielles Programmkino kommerziell vermarktet und dadurch kulturpolitisch in Förderprogrammen verankert. Für die professionelle Entfaltung des Drehbuchautors war dies ein herber Rückschlag, denn von nun an stand er im Schatten des Regisseurs oder war durch die Person des Autor-Regisseurs seiner spezialisierten beruflichen Funktionen und Fähigkeiten entbunden.
D ie A uteur Theory in den USA – N e w H olly wood und die F olgen Die Verbreitung des französischen Autorenfilms und seiner Produktionsweise im Gefolge des 1948 andauernden strukturellen und organisatorischen Umbruchs in Hollywood führte dazu, dass die angestammte Rolle des Kinofilms in den USA herausgefordert wurde. Etablierte Genres brauchten eine neue kommerzielle Strategie, um weiterhin neue Zuschauer ins Kino zu locken. Das europäische Konzept des Autorenfilms wurde in den USA von Filmkritikern und Filmtheoretikern modifiziert und an die herrschenden Produktionsbedingungen angepasst. Daraus 657 | Vgl. Lux, Claudia, Die Abkehr vom traditionellen Kino in den Filmen der Nouvelle Vague, S. 11.
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entstand auch eine neue Werbestrategie für das heimische Kino. Dabei hat die Rezeption des europäischen Autorenkinos in den USA die Bedeutung und die Rolle des Drehbuchautors innerhalb des filmischen Produktionsprozesses nachhaltig beeinflusst. Im Folgenden wird deshalb auf das US-amerikanische Autorenkino, seine theoretischen Konzepte und New Hollywood 658 in den 1970er Jahren eingegangen. Es soll aufgezeigt werden, wie sich die Rolle des Drehbuchautors im Produktionsprozess verschob, und gefragt werden, ob seine Professionalisierung durch einen Rückgriff auf die Autorentheorie verhindert oder vorangetrieben wurde. Wie beim französischen Vorbild lag auch dem Kino New Hollywoods eine Autorentheorie zugrunde, die in den 1960er Jahren durch den Filmkritiker Andrew Sarris in den USA verbreitet wurde.659 Sarris hatte an der »Columbia University« in New York studiert. Seine erste Filmkritik erschien 1960 zu Hitchcocks Psycho. 1965 und 1966 gab er die englische Ausgabe der Cahiers du Cinéma heraus. 1966 war er Mitbegründer der »National Society of Film Critics«, die seitdem jährlich den Kritikerpreis »NSFC Award« in diversen Kategorien verteilte. Sarris veröffentlichte 1968 das Werk »American Cinema. Directors and Directions 1929-1968«, welches in den USA breit rezipiert wurde. Er postulierte, dass das künstlerische Potential des amerikanischen Kinos nicht auf die Organisationsstruktur und den Grad der Arbeitsteilung Hollywoods, sondern auf einzelne stilprägende Regisseure und ihre Œuvre zurückzuführen sei.660 In den USA setzte sich daraufhin zunehmend eine auteur theory nach französischem Vorbild durch, die allerdings um kommerzielle Aspekte angereichert wurde und mehr Wert auf die Person beziehungsweise den Kultfaktor und Marktwert des Regisseurs legte. Dabei waren filmästhetische Elemente und die persönliche Handschrift der Regisseure wichtig, die vielfach mit unabhängigen Produzenten oder kleinen Studios arbeiteten. Sarris bezog sich direkt auf den Vater der politique des auteurs André Bazin und forderte, dass die Filmkritik mehr auf den visuellen Stil und den Regisseur und weniger auf den Drehbuchautor gerichtet werden sollen. Die Filmkritik sollte auch in den USA zur neuen Qualitätskontrolle und Messlatte des Kinos werden, indem die ästhetischen Gestaltungsmittel, die Filmtechnik und der persönliche Stil des Regisseurs in den Fokus rückten.661 In diesem Sinne war die »Autorentheorie« im Kino der Nachkriegszeit ein globales Phäno658 | Vgl. Nystrom, Derek, Hard Hats and Movie Brats. Auteurism in the Class Politics of the New Hollywood, in: Cinema Journal, Bd. 43 (2004) H. 3, S. 18-41. 659 | Vgl. Caldwell, John Thornton, Production Code. Industrial Reflexivity and Critical Practice in Film and Television, Durham-London 2008, S. 198f. 660 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars. From Edision to the Internet, New York 2012, S. 124. 661 | Vgl. Sarris, Andrew, Notes on the Auteur Theory in 1962, in: Sitney, P. Adams (Hrsg.), Film Culture Reader, New York-Washington 1970, S. 121-135, hier S. 131-133.
Die Auteur Theory in den USA – New Hollywood und die Folgen
men, welches sich gleichzeitig mit einer Institutionalisierung der Filmkritik als wichtiger geschmacksbildender Einrichtung in der filmischen Verwertungskette etablierte. Die Aufwertung des auteurs als geistigem Urheber des Films wurde an die Person des Regisseurs gekoppelt. Das Konzept der individuellen Autorschaft wurde seit der Moderne mit dem Anspruch auf Verfügungsrechte oder Besitzansprüche am geistigen Werk verknüpft. Diese Entwicklung verstetigte sich seit dem späten 19. Jahrhundert mit der Einführung bilateraler, später multilateraler Urheberrechtsabkommen wie der »Berner Übereinkunft« im globalen Rahmen.662 Der Verweis auf einen individuellen, freischaffenden Autor klammerte nun spezialisierte Berufe wie den Drehbuchautor aus der öffentlichen Meinung und Wahrnehmung der Zuschauer und Kritik zugunsten des Regisseurs aus:663 »The emergence of the director as creative focal point has left older writers bitter and young scripters itching to become directors.« 664
Im US-Autorenfilmmodell wurden der Einflussverlust der etablierten major studios, der herrschende Produktionsmodus und die kreative Kontrolle der Produzenten betont.665 Obwohl sich die Studios schon seit den 1920er Jahren durch ihre jeweils eigene Handschrift zumindest graduell unterschieden hatten, wurde in der Nachkriegszeit sehr viel Wert auf Differenz, Einzigartigkeit und Unabhängigkeit vom konventionellen Produktionsmodus als Abgrenzungsstrategie gelegt.666 Seit der Transformation des Studiosystems Ende der 1940er Jahre versuchte Hollywood, angesichts sinkender Zuschauerzahlen neue Publikumssegmente zu erschließen. Da die Filmzensur gelockert worden war, diese allerdings im TV-Bereich noch sehr streng gehandhabt wurde, kam es dazu, dass primär Kinofilme sexuelle und gewalttätige Inhalte abbilden durften. Das Kino sollte ganz allgemein wieder ein Hort für künstlerisch ambitionierte Stoffe werden, die sich an
662 | Vgl. Siegrist, Hannes, Strategien und Prozesse der »Propertisierung« kultureller Prozesse und Beziehungen. Die Rolle von Urheber- und geistigen Eigentumsrechten in der Institutionalisierung europäischer Kulturen (18.-20. Jh.), in: Leible, Stefan / Ohly, Ansgar / Zech, Herbert (Hrsg.), Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum, Tübingen 2010, S. 3-36, hier S. 7f. 663 | Vgl. Blamberger, Günter / Bohnenkamp, Björn, Autor/Star, in: Liebrand, Claudia / Schneider, Irmela et al (Hrsg.), Einführung in die Medienkulturwissenschaft, Münster 2005, S. 245-256, insb. S. 245-248. 664 | Madsen, Axel, The New Hollywood. American Movies in the ‘70s, New York 1975, S. 57. 665 | Vgl. Caldwell, John Thornton, Production Code, S. 198. 666 | Vgl. ebd., S. 199.
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experimentelle Geschichten heranwagten, um insbesondere jüngere Menschen in die Kinos zu locken.667 Die europäischen Importe bewiesen, dass die Filme aus Europa nicht nur niedrige Produktionskosten aufwiesen, sondern der künstlerische Anspruch von Regisseuren wie Truffaut durchaus neue Zuschauersegmente erreichen konnte.668 Ein wichtiges Moment für den Transfer der europäischen Autorenfilmidee in die USA war also die kommerzielle Strategie der Studios, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befanden. Darum wurde das ideologische Programm der französischen Nouvelle Vague im Sinne von Nützlichkeitserwägungen propagiert, um Filme letztendlich besser vermarkten zu können.669 Je nach Bedarf der Produzenten waren die Konzepte von Autorschaft in den 1960er Jahren nicht einheitlich, sondern diffus und stützten sich mal mehr, mal weniger auf die französische Programmatik der politique des auteurs. Den amerikanischen Konzepten ist gemeinsam, dass der Regisseur als autonomer Schöpfer des Films eine immense Aufwertung erfuhr und die kreative Kontrolle von den großen Studios an kleine Produktionseinheiten wie unabhängige Produzenten oder an den Regisseur selbst delegiert wurde.670 Drehbuchautoren, die ihr spezialisiertes Handwerk professionell verfolgten, verfluchten die französische Autorentheorie und bemängelten, dass der eigentliche auteur eines Films der Drehbuchautor sei. Sie verstanden nicht, warum die ureigenen beruflichen Funktionen und Rollen nun plötzlich wieder von Regisseuren eingenommen werden sollten. Zwar würden Autor-Regisseure wie John Huston, Francis Ford Coppola oder George Lucas jenen Anspruch eines auteurs in sich vereinen, allerdings werde das kollektive Moment, die Teamarbeit im filmischen Schaffensprozess, damit vollkommen ausgeblendet.671 Drehbuchautoren versuchten unter dem Eindruck des Autorenfilms dennoch ihren Beruf mit dem Rückgriff auf Werte wie künstlerische Schaffenskraft, kreative Kontrolle und schöpferische Autonomie aufzuwerten. In den USA deutete sich diese individualistische berufliche Auffassung schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs als alternative Strategie an und konnte nun in Verbindung mit kommerziellen und wirtschaftlichen Erwägungen für die Drehbuchautoren zu einer neuen erfolgversprechenden Verberuflichungsstrategie heranreifen. Aus der 667 | Vgl. Ayer, Douglas / Bates Robert E. / Herman, Peter J., Self-Censorship in the Movie Industry. A Historical Perspective on Law and Social Change, in: Kindem, Gorham Anders (Hrsg.), The American Movie Industry. The Business of Motion Pictures, Carbondale-Edwardsville 1982, S. 215-253, hier S. 22 668 | Vgl. ebd., S. 223f. 669 | Vgl. Corrigan, Timothy, Auteurs and the New Hollywood, in: Simpson, Philip / Utterson, Andrew (Hrsg.), Film Theory 2, London-New York 2004, S. 82-102, hier S. 82f. 670 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars, S. 122f. 671 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter. Interviews with Six Celebrated Screenwriters, New York 1981, S. 80 und 426f.
Die Auteur Theory in den USA – New Hollywood und die Folgen
Konkurrenzsituation zwischen Drehbuchautoren und Regisseuren entwickelte sich eine selbstbewusste Haltung der Drehbuchautoren, die besonders die Kontrolle über ihr geistiges Eigentum geltend machen wollten: »Screenwriters are underrated, and their jealousy of directors and intense desire to establish creative identity are understandable if not legitimate.« 672
In den 1960er Jahren wurde von der Organisation der Drehbuchautoren diese kollektive Strategie des Arbeitskampfes nun um künstlerische Kontrolle und Autonomie erweitert. Gleichzeitig war das in die kommerzielle Krise geratene Hollywood an neuen Filmideen und frischen Herangehensweisen an das Filmmedium interessiert.673 Die Figur des Autor-Regisseurs trat deshalb in den Mittelpunkt und konnte für das entpersonalisierte Massenmedium Identifikationspotentiale stiften und dadurch neue Publikumsschichten erreichen. Das eigentliche Verdienst von Filmtheoretikern und Kritikern wie Sarris war es, die systematische Filmgeschichtsschreibung Hollywoods auf Personen und Akteure, insbesondere auf den Regisseur als Schöpfer des Films zu konzentrieren und teils vergessene Genres sowie kaum etablierte Filmemacher zu kanonisieren, die bisher im kommerziellen Studiosystem schlichtweg wenig Beachtung gefunden hatten. Dabei wurde die Diskussion um eine amerikanische auteur theory auch im Rahmen strukturalistischer und poststrukturalistischer Debatten geführt, wobei die Autorenfunktion beim Film nicht nur dem Regisseur, sondern durchaus dem Drehbuchautor zuerkannt wurde.674 Filmtheoretiker wie Richard Corliss oder Berry Gaut haben in der Folge eine Art Antithese zu der von Sarris postulierten Autorentheorie entwickelt und den Drehbuchautor im Rahmen eines kollektiven filmischen Produktionsprozesses stärker in den Fokus gerückt.675 Den Filmtheoretikern war gemein, dass sie die Rückbesinnung auf den Kunstcharakter eines Films und dessen individuellen geistigen Schöpfer betonten. Anstelle der kreativen Gesamtleistung eines Teams wurde die künstlerische Vision und charakteristische Handschrift Einzelner hervorgehoben.676 Diese war durch den klassischen 672 | Madsen, Axel, The New Hollywood, S. 56f. 673 | Vgl. Boultenhouse, Charles, The Camera as God, in: Sitney, P. Adams (Hrsg.), Film Culture Reader, New York-Washington 1970, S. 136-140. 674 | Vgl. Corliss, Richard, Talking Pictures. Screenwriters of Hollywood, Newton-Abbtot-London 1975, S. xviif. 675 | Auch als politique de collaboration bezeichnet. Vgl. Crofts, Stephen, Authorship and Hollywood, in: Hill, John / Gibson, Pamela Church (Hrsg.), American Cinema and Hollywood. Critical Approaches, Oxford 2000, S. 84-98, hier S. 89; Corliss, Richard, Talking Pictures, S. 149-172. 676 | Vgl. Corliss, Richard, The Hollywood Screenwriter, in: Mast, Gerald / Cohen, Marshall / Braudy, Leo (Hrsg.), Film Theory and Criticism. Introductory Readings, 4. Aufl., New
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Stil der Hollywoodproduktionen der 1930er bis 1950er Jahre unterminiert und in das Segment der Low-budget-Filme abgedrängt worden. Als auteur eines Films hat sich letztlich nicht der Drehbuchautor und seine spezifische berufliche Tätigkeit, sondern die inszenatorische Leistung des Regisseurs durchgesetzt.677 Die in die USA transferierten europäischen Autorschaftskonzepte wurden in Hollywood jedoch auch umgedeutet und neu interpretiert. Das Moment der Kreativität und die Betonung der einzelnen am Film beteiligten Akteure wurden sichtbarer.678 Weniger Beachtung fanden kritische Reflexionen über die arbeitsteilige Massenproduktion und die Bedingungen für Kulturschaffende innerhalb der Kulturindustrie. Der Versuch, dem einzelnen Filmkünstler eine prägende künstlerische Vision zuzuerkennen, die sich trotz arbeitsteiliger, kommerzieller Produktion im fertigen Filmwerk aufspüren ließ, war jedoch seit den 1970er Jahren auch in Hollywood geläufig. Den Anfang dazu hatten die Filmexilanten gemacht, die seit den späten 1930er Jahren den Antinazifilm und Film Noir entscheidend voranbrachten. Günstiger stellte sich die Situation für die Drehbuchautoren dar, die beim Fernsehen arbeiteten. Dort waren vorrangig Produzenten als zentrale Figuren für die Stoffentwicklung zuständig, die eine enge Zusammenarbeit mit den Drehbuchautoren anstrebten. Grundsätzlich wurde dort seit den 1960er Jahren die individuelle Autorschaft gestärkt.679 New Hollywoods Autor-Regisseure forderten daraufhin mehr kreative Kontrolle über das Endprodukt ein und wollten sich nicht mehr vom Studio in ihre kreative Arbeit hineinreden lassen.680 Nicht nur Autorschaft, sondern auch Urheber- und davon abgeleitete Persönlichkeitsrechte beanspruchten die Regisseure für sich. Diesen Anspruch unterstützend betonte auch die US-Filmkritik die Leistung der Autoren, wenn es um Qualitätszuschreibungen und Urteile ging.681 Die Debatte um die Filmautorschaft oder Auteur-Funktion wurde unter anderem in Magazinen wie Sight & Sound ausgetragen.682 Viele theoretische Arbeiten favorisierten dabei nicht einen einzigen Filmurheber, sondern
York-Oxford 1992, S. 606-613. 677 | Andere Autorschaftskonzepte sahen den Produzenten, den Schauspieler oder den Drehbuchautor als Filmurheber. Für eine Diskussion von Autorschaftskonzepten im Film vgl. Crofts, Stephen, Authorship and Hollywood, S. 20f. 678 | Einführung zu Autorschaftskonzepten im 20. Jahrhundert und zu poststrukturalistischen Theorien von Metz, Barthe oder Foucault bei Gerstner, David A., The Practices of Authorship, in: Gerstner, David A. / Staiger, Janet (Hrsg.), Authorship and Film. Trafficking with Hollywod, New York-London 2003, S. 3-27. 679 | Vgl. Caldwell, John Thornton, Production Code, S. 199. 680 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter, S. 15-19. 681 | Vgl. Crofts, Stephen, Authorship and Hollywood, hier S. 85f. 682 | Vgl. Gerstner, David A., The Practices of Authorship, S. 8-10.
Die Auteur Theory in den USA – New Hollywood und die Folgen
betonten, wie Berry Gaut, das Moment der Zusammenarbeit in der spezialisierten Film- und Fernsehindustrie.683 Seit den 1960er Jahren nahmen gerichtliche Fallentscheidungen zu Urheberrechtsverletzungen im Filmbereich sprunghaft zu. So klärte ein Gericht im Jahr 1982 die Frage, ob der italienische Hai-Horrorfilm Great White684 (1981) ein Plagiat des Films Jaws (1975) darstellte.685 Hier hatten der Regisseur Steven Spielberg und seine Produktionsfirma Universal im italienischen Film Great White Ähnlichkeiten gesehen und den Prozess schließlich gewonnen. Bis heute ist es verboten, das Plagiat in Nordamerika aufzuführen oder den Film zu vertreiben.686 In gewisser Weise hatte die Aufwertung des Regisseurs zur Folge, dass dieser mit dem Drehbuchautor in Konflikt geriet, weil es zu Kompetenzüberschreitungen der Aufgabenbereiche beider Berufe kam. Das wiederum schweißte aber die Drehbuchautoren untereinander wieder enger zusammen. Sie mussten nun ihre professionellen Aufgabenbereiche klar definieren und von der inszenatorischen Seite der Filmherstellung abgrenzen und forderte eine einheitliche akademische Drehbuchautorenausbildung. Die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der Drehbuchautoren hatten sich seit ihrem ersten kollektiven Vergütungsvertrag 1942 schrittweise verbessert.687 Drehbuchautoren waren spätestens seit Mitte der 1950er Jahre zunehmend freischaffend für mehrere Produzenten tätig und organisierten ihre Vertragsabschlüsse mithilfe von Agenten und Talentagenturen. Für die Schauspieler bildete das Originaldrehbuch, welches den Produzenten durch Agenturen angeboten wurde, die feste Entscheidungsgrundlage. Für die großen Studios waren nach der Paramount-Gerichtsentscheidung 1948 eigentlich zwei Arten von A-Filmen interessant: erstens die Kunst- beziehungsweise Programmfilme im mittleren Budgetsegment, die erwachsene Zuschauer mit eher veränderten Sehgewohnheiten und mit gesellschaftskritischen Inhalten ansprechen wollten, und zweitens genretypische, klassische Erzähltraditionen bedienende Blockbuster, die für ein Massenpublikum bestimmt waren. Die B-Filme waren indes für die großen Studios kaum mehr von Interesse.688 Für das Nachkriegskino der USA und das spätere
683 | Vgl. Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood. Das Drehbuch im Studiosystem, Berlin-Wien 2008 (=Filmwissenschaft Bd. 4), S. 8-22. 684 | Lief auch unter dem Titel: T he L ast Jaws – D er weisse K iller . Originaltitel: L’ultimo squalo . 685 | Universal City Studios, Inc. v. Film International Ventures Inc. 543 vgl. Biederman, Donald E. et al. (Hrsg.), Law And Business of the Entertainment Industries, 5. Aufl., Westport 2007, S. 310-315. 686 | Vgl. Decherney, Peter, Hollywood’s Copyright Wars, S. 136. 687 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter, S. 15-19. 688 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents: The Postwar Talent Takeover, Minneapolis, 2008, S. 121f.
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New Hollywood stellte aber das Nebeneinander kommerzieller und künstlerischer Filme ein spezifisches Charakteristikum dar: »Hollywood Renaissance filmmakers, like their 1950s art-cinema counterparts, were not necessarily interested in emulating [...] European or other foreign auteurist models. Ultimately, what distinguishes the American art cinema most from those of other nations is rooted in Hollywood filmmakers’ acute, perhaps ingrained awareness of the commercial realities driving the U.S. film industry. Hollywood Renaissance and New Hollywood independents alike, if each in their own way, sought to balance two traditions, art and mainstream, either by alternating between one or the other type of film […].« 689
Es entstanden neue kreative Arbeitsbeziehungen auf freiberuflicher Grundlage.690 Erfolgreiche Drehbuchautoren versuchten vielfach im Filmbereich aufzusteigen und zu sogenannten »Bindestrich-Berufsmenschen« (hyphenates) wie writer-director-producer zu werden, die unterschiedliche berufliche Funktionen und Anforderungen sowie weitreichende Entscheidungskompetenzen kombinierten.691 Die Produzenten lockten Drehbuchautoren mit der neuen unternehmerischen Freiheit, indem sie argumentierten, dass sie den Autoren mehr kreative Autonomie und größere Einnahmen einbringen werde. Sie sollten auch spekulativ, also ohne konkreten Auftrag, schreiben. Das unternehmerische Risiko, das sie mit den Drehbuchautoren teilten, konnte den unabhängigen Produzenten im Falle eines Überraschungserfolgs mehr Geld einbringen.692 Der neue Produktionsmodus in Hollywood war das package unit system.693 Dieses unterschied sich vom vertikal integrierten producer unit system dahingehend, dass nun unabhängige Produzenten ihre Filmprojekte den großen Filmstudios zur Realisierung anboten694 und dafür ein kreatives Team zusammenstellten, sodass die kreativen Mitarbeiter nun über kurze Projektverträge für diverse Produktionsfirmen arbeiteten.695 Talentagenten unterstützten den neuen unabhängigen Produzenten, indem sie die Drehbücher auswählten und den möglichen Stab re689 | Ebd., S. 251. 690 | Vgl. Conor, Bridget, Screenwriting. Creative Labor and Professional Practice, New York 2014, S. 29f. 691 | Vgl. Madsen, Axel, The New Hollywood, S. 58. 692 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents, 2008, S. 198. 693 | Dieser Begriff geht auf Janet Staiger und ihre Phasen des Produktionsmodus zurück. Vgl. Maras, Steven, Screenwriting. History, Theory and Practice, London-New York 2009, S. 37. 694 | Vgl. Jahn-Sudmann, Andreas, Package-Unit-System. Lexikon der Filmbegriffe, http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5159, eingesehen am 23.5.2013. 695 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents: The Postwar Talent Takeover, Minneapolis, 2008, S. 243f.
Die Auteur Theory in den USA – New Hollywood und die Folgen
krutierten. Der Grad der Autonomie und künstlerischen Kontrolle konnte durch die kreativen Teams bei jedem Projekt neu ausgehandelt werden.696 Die Produzenten entschieden anhand der Erfolgsaussicht und Güte des Drehbuchs. Da die Zeit der massenhaften Studioproduktionen vorbei war und die Herstellung der Filme höhere Budgets verschlang, bildeten ein gutes Drehbuch und ein gewiefter Agent, der die Besetzung vorschlug, die wichtigste Voraussetzung für die Entscheidungen des Produzenten.697 Der Blick richtete sich auf Frankreich, wo die Nouvelle Vague junge, neue, unverbrauchte Talente mit künstlerisch ambitionierten Filmen angezogen hatte. Der Diskurs um den auteur in den USA förderte spätestens seit den 1970er Jahren junge Regisseure, die, obwohl sie weniger experimentierten als die französischen Filmemacher, zu erfolgreichen Filmemachern avancierten. Das Roadmovie Easy Rider (1969) avancierte zum Inbegriff New Hollywoods und zeigte eine von Kriegstraumata in Gewaltexzesse getriebene Gesellschaft. Auch die verstaubt anmutenden Genres Hollywoods erfuhren in einem neuen politisch kritischen Kontext eine Wiederbelebung. So interpretierten Arthur Penns Bonnie and Clyde (1967) und Little Big Man (1970) das Gangster- und Westerngenre neu. Das amerikanische Kino setzte seit Ende der 1960er Jahre zunehmend auf teure Prestigeproduktionen.698 Einige davon wurden von der ersten Generation der Absolventen privater Filmhochschulen gedreht,699 die heute zu den Altmeistern der Regie im Kino zählen und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Medium entscheidend geprägt haben. Die Filmschulabsolventen stellten einen Pool professioneller Filmschaffender dar, aus denen die Filmindustrie je nach Bedarf schöpfen konnte. Im Jahr 1967 boten circa 200 US-Universitäten und Colleges etwa 1.500 Kurse im Bereich Film und Fernsehen an. Zehn Jahre später gab es bereits an über 1.000 Hochschulen Filmkurse. Die Studiengänge an der »University of California« (UCLA) in Los Angeles und der »University of Southern California« (USC) waren beliebter denn je.700 Los Angeles gedieh zum Zentrum der Drehbuchautorenausbildung, als im Jahr 1965 an der »School for Theater, Film and Television« ein »Screenwriting Program« an der UCLA eingeführt wurde.701 Zum ersten Jahrgang dieses akademischen Ausbildungspro696 | Vgl. Mann, Denise, Hollywood Independents, S. 250f; Zelenski, David, Talent Agents, Personal Managers, and their Conflicts in the New Hollywood, in: Southern California Law Review (2002-2003) H. 76, S. 979-1002 und Kemper, Tom, Hidden Talent. The Emergence of Hollywood Talent Agents, Berkeley-Los Angeles-London 2010, S. xf. 697 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter, S. 20-27. 698 | Vgl. Izod, John, Hollywood and the Box Office. 1895-1986, Houndmills-Basingstoke-Hampshire-London 1988, S. 171-198. 699 | Vgl. Brady, John, The Craft of the Screenwriter, S. 20-27. 700 | Vgl. Belton, John, American Cinema / American Culture, S. 366. 701 | Vgl. Stempel, Tom, Framework. A History of Screenwriting in the American Film, S. 197f.
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gramms gehörte unter anderem Francis Ford Coppola (Apocalypse Now), der den Studiengang 1967 abschloss. Regisseur George Lucas studierte an der USC. Ein weiteres bekanntes Ausbildungszentrum war das 1969 gegründete »Center for Advanced Film Studies« des »American Film Institute« (AFI) in Los Angeles, zu deren ersten Absolventen David Lynch, Terrence Malick und Paul Schrader zählten. Das AFI ist heute eine der prestigeträchtigsten Einrichtungen dieser Art in den USA. Das zweijährige Masterprogramm des AFI bildet unter anderem in den Bereichen cinematography, directing und screenwriting aus und ist gegenwärtig unter dem Namen »America’s Conservatory for Filmmakers« bekannt.702 Heute etablierte Drehbuchautoren wie Paul Schrader (Taxi Driver, 1976), John Milius (Apocalypse Now, 1979) und David S. Ward (The Sting, 1973) gehörten zu den ersten Drehbuchautoren, die eine strukturierte akademische Ausbildung durchlaufen hatten. Grundsätzlich wurde der kreative Beitrag Einzelner, allen voran des Regisseurs, in Hollywood seit den 1960er Jahren immer stärker gewürdigt. Der Aufstieg des künstlerischen Autorenfilms in Hollywood bedingte allerdings gleichzeitig eine Abwertung des Drehbuchautorenberufs. Dieselbe Entwicklung war auch in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren eingetreten. Seit Aufkommen des Neuen Deutschen Kinos musste sich der Drehbuchautor neben dem Regisseur neu positionieren. Dieses soll im folgenden Kapitel näher erläutert werden.
»D er alte F ilm ist tot« 703 – D er N eue D eutsche F ilm und der D rehbuchautor in der B undesrepublik 1960 bis 1982 Die 1960er Jahre begannen in der Bundesrepublik mit einer handfesten Kinokrise. Die Herstellungskosten der Filme konnten nur noch zu 75 Prozent eingespielt werden, der Anteil deutscher Filmproduktionen sank sogar kurzzeitig auf unter 30 Prozent. Neben den ökonomischen Schwierigkeiten, die unter anderem auf mangelnde Filmförderung und Nachwuchsausbildung zurückzuführen waren, kam es auch qualitativ zum Niedergang des Filmmediums. 1961 konnte der »Deutsche Filmpreis« nicht vergeben werden, stattdessen prämierte die Jury eine Theaterproduktion. Die Jury der Berlinale nahm im selben Jahr von den 80 pro-
702 | Beispielsweise Stipendien speziell für Einwanderer oder Frauen. Vgl. http://www.afi. com/Conservatory/#, eingesehen am 26.8.2015. 703 | Auszug aus dem Oberhausener Manifest vom 28.2.1962, abgedruckt in Pflaum, Hans Günther / Prinzler, Hans Helmut, Film in der Bundesrepublik Deutschland. Der neue deutsche Film. Von den Anfängen zur Gegenwart. Mit einem Exkurs über das Kino zur DDR, 2. erw. Aufl., München-Wien 1992, S. 9.
Der Neue Deutsche Film und Drehbuchautoren in der BRD
duzierten heimischen Filmen nur zwei in ihr Wettbewerbsprogramm auf.704 Das deutsche Kino hatte nicht mehr viel zu bieten. Daraufhin proklamierten 26 junge Filmemacher auf den 8. »Oberhausener Kurzfilmtagen« am 28. Februar 1962 das Oberhausener Manifest und legten so den Grundstein für die Erneuerung des deutschen Kinos. Im Anschluss an die Kulturkritik der »Frankfurter Schule« bezüglich der Massenmedien forderten sie, dass der Film ohne kommerziellen Druck, Genrekonventionen oder staatliche Bevormundung zu neuen Ausdrucksmitteln finden sollte. Es sollten insbesondere Kurzfilme und Debüts staatlich gefördert werden. Vor allem Alexander Kluge setzte sich schon auf der Podiumsdiskussion zum Oberhausener Manifest für eine nachhaltige staatliche Kulturförderung und Reform der Subventionspolitik ein. Die Erklärung aus Oberhausen spaltete die deutsche Filmindustrie in die »neue« und die »alte« Generation von Filmemachern. Zwei Jahre später führte die Bundesrepublik eine auf den Regisseur zugeschnittene Produktionsförderung ein, die als Darlehen zurückgezahlt werden musste. Bis dahin hatte man die staatliche Förderung am Drehbuch orientiert. Kluge profitierte von der neuen Finanzierung und ließ seinen ersten Langspielfilm Abschied von Gestern, der sich mit den Nachwirkungen der unbewältigten NS-Vergangenheit beschäftigte, mit den ersten durch die Politik bereitgestellten Fördermitteln unterstützen. Als das anfängliche Förderkapital des Bundes in Höhe von fünf Millionen Deutsche Mark im Jahr 1969 aufgebraucht war, wurde die Filmförderung an die Bundesländer übergeben, die für den nationalen Filmfonds jährlich 750.000 Deutsche Mark bereitstellten. Das 1968 eingeführte »Filmförderungsgesetz« führte zu einem pauschalen »Filmgroschen«, der anteillig auf jede Eintrittskarte erhoben wurde. Gleichzeitig wurden Filmbesuche zur Hälfte von der zehnprozentigen Mehrwertsteuer befreit, was zu erheblichen finanziellen Entlastungen der Filmindustrie führte.705 Ähnlich wie im Frankreich der 1950er Jahre wurde der Staat in Deutschland zum zentralen Förderer und Mitinitiator der Reform und Transformation des Filmwesens auf wirtschaftlicher und organisatorischer Ebene. Mithilfe des durch Kluge initiierten »Film- und Fernsehabkommens« von 1974 wurden auf freiwilliger Basis für filmische Koproduktionen mit ARD, den Dritten und ZDF fast sieben Millionen Deutsche Mark Zuschüsse akquiriert. Außerdem erhielten die TV-Sender die begehrten Ausstrahlungslizenzen, wenn sie die Kino-Spielfilme mitproduzierten. Das »Film- und Fernsehabkommen« schuf die Grundlage für die Förderung junger Filmemacher.706 Von den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests, die von der französischen Nouvelle Vague und dem Britischen Free Cinema der 1950er Jahre beeinflusst waren, konnten sich als Filmemacher und Regisseure in der Bundesrepublik nur Al704 | Vgl. Castendyk, Oliver, Die deutsche Filmförderung. Eine Evaluation, Konstanz 2008, S. 33. 705 | Vgl. ebd., S. 34-36. 706 | Vgl. ebd., S. 40.
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exander Kluge und Edgar Reitz erfolgreich im Film- und Fernsehbereich etablieren. Der wirkliche Umschwung im deutschen Filmschaffen vollzog sich seit 1966 mit dem Generationswechsel und wurde durch das neu eingerichtete »Kuratorium junger deutscher Film« 707 gefördert. Durch das Startkapital konnten Alexander Kluge und Werner Herzog Erstlingswerke produzieren. Allerdings wurden durch das Kuratorium eher »Kunstfilme« oder unabhängige Programmkinofilme gefördert, die außerhalb jeglicher bekannter kommerzieller Vertriebsabläufe realisiert wurden. Die Filme wurden international nur auf wenigen Filmfestivals gezeigt und erfuhren alles in allem wenig Resonanz. Das dem Innenministerium unterstellte deutsche Filmfördersystem sollte sowohl künstlerische Qualität als auch wirtschaftliche Verwertbarkeit garantieren.708 Doch am zweiten Ziel scheiterte der bundesrepublikanische Film zunehmend. Allerdings konnte ambitionierten Talenten wie Werner Herzog eine finanzielle Unterstützung zugesichert werden.709 Die Förderung und Ausbildung der deutschen Filmschaffenden waren allerdings nicht professionell genug organisiert, um den deutschen Film wieder international konkurrenzfähig zu machen. Die vom Kuratorium unterstützten Regisseure hatten ihre Ausbildung in der Regel nicht in Studios oder Universitäten erhalten, sondern in der Praxis durch eigene Kurzfilme, experimentelles und autodidaktisches Vorgehen selbst erworben oder durch Praktika im Ausland erlernt.710 Erst seit 1965 wurden in München an der »Hochschule für Film und Fernsehen« und in Westberlin an der »Deutschen Film- und Fernsehakademie« Filmstudiengänge eingerichtet.711 Einen obligatorischen Berufszugang durch einen qualifizierenden Hochschulabschluss für eine Mitarbeit in der Filmindustrie, wie er in der DDR üblich war, gab es in der Bundesrepublik nicht.712 Seit den 1990er Jahren bieten weitere Filmhochschulen wie die in Köln oder Ludwigsburg filmpraktische Studiengänge an. Die jungen deutschen Regisseure wollten den Film beleben und sich von der alten Generation, die durch den Nationalsozialismus geprägt war, abgrenzen. Von der Vergangenheit und der nicht vollzogenen Vergangenheitsbewältigung, die die Protagonisten immer wieder einholte und verfolgte, zeugt eindrucksvoll Kluges Debüt Abschied von Gestern, eines der zentralen Werke des »jungen« deutschen Films, der seit den 1970er Jahren unter der Bezeichnung Neuer Deutscher Film auf internationalen Filmfestivals auftrat und von Regiepersönlichkeiten wie 707 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, München 1994, S. 46. 708 | Vgl. ebd. S. 56f. 709 | Vgl. ebd., S. 57f. 710 | Vgl. Pflaum, Hans Günther / Prinzler, Hans Helmut, Film in der Bundesrepublik Deutschland, S. 9f. 711 | Vgl. Rentschler, Eric, American Friends and New German Cinema. Patterns of Reception, in: New German Critique (1981) H. 24/25, S. 7-35, hier S. 12. 712 | Vgl. Pflaum, Hans Günther / Prinzler, Hans Helmut, Film in der Bundesrepublik Deutschland, S. 194f.
Der Neue Deutsche Film und Drehbuchautoren in der BRD
Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und Werner Herzog geprägt wurde.713 Diese verhalfen dem deutschen Film wieder zu internationaler Anerkennung. Die amerikanische Filmkritik trug entscheidend dazu bei, dass die deutschen Filme auf amerikanischen Filmfestivals rezipiert wurden.714 Allen voran in der Kulturszene New Yorks wurde der deutsche Autorenfilm als Gegenstück zum formelhaften Hollywoodkino begrüßt.715 In Deutschland selbst war dagegen die Filmkritik seit jeher weniger auf Ästhetik und Form 716 als vielmehr im Sinne von Siegfried Kracauer auf den Inhalt und die politische Botschaft der Werke ausgerichtet und so taten sich viele zunächst schwer mit der unkonventionellen Ästhetik der Jungfilmer. In der Bundesrepublik gab es im Unterschied zu Frankreich weder ein Zentrum von Filmclub-Netzwerken noch filmtheoretische Zeitschriften wie die Cahiers oder eine gut strukturierte funktionierende Filmförderung. Nicht einmal auf traditionelle Filmemacher oder kanonisierte Filmwerke konnte sich unbelastet berufen werden, denn diese waren entweder tot oder verschollen oder hatten sich in den Dienst des NS-Regimes gestellt. Erst Filmhistoriker und Kritiker wie Enno Patalas zeigten in den 1970er Jahren deutsche Stummfilme im Filmmuseum München, sammelten Filme und veranstalteten Retrospektivem in der »Stiftung Deutsche Kinemathek« oder im »Bundesarchiv Abteilung Filmarchiv« 717 in Berlin. So wurde das deutsche Filmkompendium vor 1933 öffentlich zugänglich gemacht und als Kanon für die jungen Filmemacher bereitgestellt. Nach Anfangserfolgen machte sich in der ersten »Generation Oberhausen« Anfang der 1970er Jahre jedoch eine gewisse Skepsis breit. Kluge hielt 1973 den deutschen Film für international nicht konkurrenzfähig. Elsaesser zufolge hätten die Debütfilme, die bei den weltweiten Filmfestivals Preise abräumten, eine Erwartungshaltung generiert, die nun nicht mehr zu halten sei, da die Filmförderung darauf abziele, nur kommerzielle Filme zu unterstützen, weil sie sich an Mindesteinspielergebnissen orientiere.718 Die zweite Generation junger Filmemacher in der Bundesrepublik war auch stark vom New Hollywood geprägt. Die Werke von Alfred Hitchcock oder John Ford beeinflussten Fassbinders Liebe ist
713 | Vgl. Hake, Sabine, German National Cinema, London-New York 2002, S. 168. 714 | Vgl. ebd., S. 154-157. 715 | So zeigte das New Yorker MOMA im Frühjahr 1972 12 Spielfilme und 17 zeitgenössische westdeutsche Kurzfilme. Vgl. Rentschler, Eric, American Friends and New German Cinema, insb. S. 8f und 11f. 716 | Vgl. Olenhusen, Irmtraud von / Olenhusen, Albrecht Götz von, Siegfried Kracauer – Zur Entwicklung der professionellen Filmkritik in der Weimarer Republik, in: Löhr, Isabella / Middell, Matthias / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Kultur und Beruf in Europa 2, Stuttgart 2012, S. 116-122. 717 | Bestand seit 1953, Expansion 1978 und seitdem nationales Filmarchiv. Vgl. Hake, Sabine, German National Cinema, S. 162. 718 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, S. 49.
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Kälter als der Tod (1969) oder Schlöndorffs Mord und Totschlag (1967).719 Neben Gangsterfilmen wurde auch der Heimatfilm als Genre neu entdeckt. Allerdings wurde dieser ironisch als pastiche zitiert, also der Stil des als veraltet und überkommen geltenden Genres nachgeahmt und in einen neuen, meist kritisch reflektierenden Kontext eingebettet. Dafür stand Peter Fleischmanns umstrittener Anti-Heimatfilm Jagdszenen aus Niederbayern (1968). Seit Mitte der 1970er Jahre verlegten sich viele Regisseure auf Literaturverfilmungen, die besonders im Fernsehen regelmäßige Aufträge einbrachten und auch als Anschauungsmaterial in der Schule eingesetzt werden konnten. Die Rede von der »Literaturverfilmungskrise« zeugte bald davon, dass neue Ideen und besonders Originaldrehbücher in der deutschen Filmlandschaft Mangelware waren. Die strukturellen und politischen Rahmenbedingungen sowie das Fehlen einer zielgerichteten Drehbuchförderung führten zu selektiver Vorauswahl der Filmstoffe durch die Filmförderanstalten und verstärkten den Eindruck, dass die Politik dadurch zumindest indirekt in die Filmproduktion eingriff.720 Die damals gängigen Literaturadaptionen stellten eine Zwischenlösung der filmischen Krise dar, waren allerdings nicht nur als Rückschritt zu werten, denn die Literaturverfilmungen alter literarischer Klassiker waren mitnichten behäbige Historiendramen, sondern durchaus experimentelle Avantgardewerke, wie Fassbinders Fontane Effi Briest und Schlöndorffs Die Blechtrommel bewiesen. Elsaesser hat für den Neuen Deutschen Film den Begriff »Kino der Erfahrung« 721 geprägt, da ihn uneindeutige, heterogene Identifikationsangebote bestimmten, die nicht wie das klassische Hollywoodkino eine Eskapismusfunktion besaßen, sondern als Selbsterfahrung für bisher wenig beachtete Besucherschichten wie Arbeiter und Frauen fungierten. Mittels dokumentarischer Ansätze und essayistischer Erzählformen wurde also ein neues Publikum erschlossen, das je nach persönlichem Kontext die Filmerfahrung unterschiedlich deutete. Neben diesen ästhetischen Neuerungen waren in organisatorischer Hinsicht erste Interessenverbände für Filmmitarbeiter entstanden. Die wirtschaftliche Lage des festangestellten Filmpersonals wurde seit 1959 durch einen Tarifvertrag zwischen dem »Verband Deutscher Filmproduzenten e. V.« und »Deutsche Union der Filmschaffenden« in der »Gewerkschaft Kunst« des DGB geregelt. Filmdramaturgen, die mindestens sechs Monate in einem Anstellungsverhältnis bei den Fernsehsendern waren oder an mindestens drei Filmen pro Jahr arbeiteten, kamen in den Genuss einer Mindestvergütung, traten aber alle Urheber-, Leistungsschutz- und Eigentumsrechte an den Filmhersteller ab. Damit verpflichteten sich 719 | Vgl. Pflaum, Hans Günther / Prinzler, Hans Helmut, Film in der Bundesrepublik Deutschland, S. 18f. 720 | Vgl. Hake, Sabine, German National Cinema, S. 160f. 721 | Im Gegensatz zur »Erfahrung des Kinos« im Sinne der Voreingenommenheit des Publikums durch die gewohnte Rezeption von Genrefilmen bei Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, S. 18.
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auch Drehbuchautoren, ihre Rechte nicht an Dritte, insbesondere nicht an Verwertungsgesellschaften abzutreten, und legten die künstlerische Ausgestaltung ihrer Arbeit in die Hände des Filmherstellers. Dieser durfte zwar Änderungen durchsetzen, allerdings ohne das künstlerische Ansehen der Dramaturgen zu verletzen.722 Die »Deutsche Union der Filmschaffenden«, die 1959 aus der 1949 neu gegründeten »Dachorganisation der Filmschaffenden« hervorgegangen war, ging 1968 in der »Rundfunk-Fernseh-Film-Union« und später 1998 in der »Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände e. V.« auf. Da der »Verband der Filmschaffenden« eher das technische Filmpersonal wie Kostümbildner, Requisiteure oder Beleuchter vertrat, organisierten sich die kreativen Berufsgruppen wie Dramaturgen, Drehbuchautoren oder Regisseure nicht in Gewerkschaften, sondern gründeten seit den 1970er Jahren zunehmend eigene Berufsverbände. 1975 gründete sich beispielsweise der »Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure in Deutschland e. V.«. Neben dem bürgerlich-akademischen und dem studentischen Milieu, das die neuen Erzählformen begrüßte, wurde der Neue Deutsche Film der 1970er in feministischen Kreisen der Frauenbewegung rezipiert. Die sogenannten »Frauenfilme« waren Werke von Frauen, die angebliche »Frauenthemen« wie Sexualpolitik, Emanzipation, Kritik an der patriarchalischen Gesellschaft und sozialer Ungleichheit erschlossen.723 Für diese, oft mit dem Attribut »feministisch« versehenen Filmwerke der 1970er und 1980er Jahre galt, dass sie die Probleme der Frauen in der Gesellschaft nun erstmals im Kino ansprachen. Frauen nahmen als Filmemacherinnen nun eine aktive Rolle vor und hinter der Kamera ein. Bedeutend wurden Helke Sander, die Autor-Regisseurin Helma Sanders-Brahms (Deutschland Bleiche Mutter 1980) und Jutta Brückner. Helke Sander war als Absolventin der Filmakademie Berlin im Jahr 1969 zum Film gekommen und war Organisatorin des »Ersten internationalen Frauenfilmseminars« 1973 in Berlin gewesen. Zudem gründete sie die erste noch heute existente Zeitschrift, die sich mit Film und Feminismus beschäftigt und den Titel Frauen und Film trägt. Sander war politisch aktiv 724 und wurde mit TV-Dokumentationen wie Macht die Pille frei? und Männerbünde bekannt. Ihr Film Die Allseitig Reduzierte Persönlichkeit – Redupers (1977) gewann auf den Filmfestspielen in Brüssel den »Prix de l’Age d’Or«. Jutta Brückner arbeitete zusammen mit Volker Schlöndorff an dessen Drehbuch zu Der Fangschuss (1976) und war vorwiegend 722 | Vgl. Haupt, Stefan, Urheberrecht und DEFA-Film, Berlin 2005, S. 88-91. 723 | Vgl. Hake, Sabine, German National Cinema, S. 165. 724 | Vgl. Herminghouse, Patricia / Mueller, Magda, Introduction. Looking for Germania, in: Herminghouse, Patricia / Mueller, Magda (Hrsg.), Gender and Germanness. Cultural Productions of Nation, Providence-Oxford 1997, S. 1-20, hier S. 13 und Kosta, Barbara, Rape, Nation and Remembering History. Helke Sander’s Liberator Take Liberties, in: Herminghouse, Patricia / Mueller, Magda (Hrsg.), Gender and Germanness. Cultural Productions of Nation, Providence-Oxford 1997, S. 217-231, hier S. 217f.
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als Regisseurin und Drehbuchautorin für das Fernsehen tätig. Ihr erstes Werk war der 16-minütige TV-Film Tue Recht und scheue Niemand – Das Leben der Gerda Siepebrink (1975). Dieser beschäftigte sich mit der Biografie ihrer Mutter und montierte semibiografische Fotos eines Frauenlebens seit der Jahrhundertwende. Ab 1986 war Brückner als Professorin an der »Universität der Künste« in Berlin beschäftigt. Monika Treut kann als Angehörige der Nachfolgegeneration dieser ersten feministischen Filmemacherinnen angesehen werden. Treut lieferte mit Filmen wie Die Jungfrauenmaschine (1988) oder der Dokumentation Gendernauts (1999) wichtige Beiträge zum sogenannten New Queer Cinema,725 das seit den 1990er Jahren etablierte und LGBTQI-Themen 726 aufgriff. Der deutsche »Frauenfilm«,727 der in den späten 1980er Jahren im Niedergang begriffen war, verhalf Monika Treut zu einer beachtlichen internationale Filmkarriere.728 Für den deutsch-deutschen Vergleich sei angemerkt, dass der erste Film zum Thema Homosexualität in der DDR von Heiner Carow stammte, der 1989 mit Coming Out im Grunde einen frühen Beitrag zum New Queer Cinema gedreht hatte, welcher am 9. November 1989, also am Tag des Mauerfalls, in Berlin uraufgeführt wurde. Den weiblichen und männlichen Filmemachern des Neuen Deutschen Films der 1970er Jahre war gemeinsam, dass sie als Allrounder, also als Autor, Regisseur und gar Produzent ihre Filme von der Stoffauswahl bis zur Aufführung betreuten und damit das Konzept des Autorenfilms aus Frankreich übernahmen.729 In der Bundesrepublik führte dies aber nicht zu einer solch dauerhaften und fruchtbaren filmkünstlerischen Welle wie in Frankreich, sondern eher zu einer Isolierung und zur Konkurrenz unter den Filmschaffenden, die sich weniger als Angehörige einer Bewegung verstanden, sondern sich als individuelle Künstlerpersönlichkeiten etablieren wollten.730 Im Sinne einer »doppelten Autorenfunktion« verstanden sich diese Filmemacher als schöpferische Künstler, die zudem als Organisatoren
725 | Das Jahr 1992 gilt als Auferstehung des unabhängigen schwul-lesbischen Kinos. Auf dem Filmfest in Toronto wurde Gregg Arakis The L iving E nd und in Berlin Ang Lees W edding B anque t mit Preisen ausgezeichnet. Gleichzeitig wurden Filme wie B asic I nstinct (1992) für ihre einseitige Darstellung der Frauenfigur kritisiert. Vgl. Rich, Ruby B., The New Queer Cinema, in: Benshoff, Harry / Griffin, Sean (Hrsg.), Queer Cinéma. The Film Reader, New York 2004, S. 53-60. 726 | Abkürzung für Lesbian Gay Bisexual Transgender Queer Intersexual. 727 | Von Elsaesser schlicht als »Problemfilme« zusammengefasst. Vgl. Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, S. 91. 728 | Vgl. Rich, Ruby B., The New Queer Cinema, hier S. 55 und Hake, Sabine, German National Cinema, S. 165. 729 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, S. 13. 730 | Vgl. Pflaum, Hans Günther / Prinzler, Hans Helmut, Film in der Bundesrepublik Deutschland, S. 16f.
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das Filmprojekt strategisch betreuten.731 Der Staat wurde durch die kulturpolitischen Filmförderinstitutionen zum indirekten Auftraggeber der Filmschaffenden, die deswegen um die Aufrechterhaltung von künstlerischer und beruflicher Autonomie insbesondere bei Fernsehkoproduktionen kämpfen mussten. Der Autorenfilm konnte deshalb als Kunstfilmbewegung auch den Filmschaffenden eine neue Referenz bieten und kann auch als »Ideologie der Selbstverwirklichung« 732 gedeutet werden. Wie in Frankreich und den USA wurden die kreativen Berufe in der Bundesrepublik mit Vorstellungen von individueller Autorschaft verbunden. Die Charakteristik dieser individuellen beruflichen Strategie war, dass den Autor-Regisseuren vollständige künstlerische Autonomie zugesprochen wurde. Die Verteidigung des künstlerischen, beinahe bildungsbürgerlichen Habitus bezog sich auf freie Berufsvorstellungen und inkludierte deshalb auch Drehbuchautoren, die ihre Werke mit Originalität verbanden, anstelle die funktionale Arbeitsteilung in der Praxis der Film- und Fernsehindustrie zu betonen. Dabei wurden die beruflichen Funktionen des Drehbuchautors immer mehr überlagert.733 In dieser Rhetorik war für einen spezialisierten Drehbuchautorenberuf kaum mehr Platz. Der Drehbuchautor war in die Figur des Autor-Regisseurs integriert und als einzelner spezieller Berufszweig kaum mehr erkennbar. Wie schon in Hollywood und Frankreich war mit der Aufwertung der »Autorenfunktion« im Film mitnichten die Aufwertung der Berufsrolle des Drehbuchautors gemeint, es sei denn das Drehbuch stammte vom Regisseur selbst. Dann wurde dieser als Autor-Regisseur in seiner doppelten Auteur-Funktion anerkannt. Der Regisseur verstellte dabei vielfach den Blick auf die Stoff- und Drehbuchentwicklung. Andere kreative Mitarbeiter beim Film wurden zu Erfüllungsgehilfen des Regisseurs, wie Edgar Reitz einmal treffend bemerkte.734 Das wird auch im Namen des Filmverleihs »Filmverlag der Autoren« offensichtlich, der schon sprachlich die Beziehung zwischen Verleger und Autor (oder Regisseur) andeutet. Diese Verbindung erinnert an das Mäzenatentum und damit an das Abhängigkeitsverhältnis des Autors. Der Staat wurde außerdem mit seinen vielfältigen Eingriffen und politischen Filmförderinstrumenten zum Patron. Die Spezialisierung der einzelnen kreativen Berufsfelder im Film wurde aufgelöst und durch ein künstlerisches Allroundtalent ersetzt, dem darüber hinaus die Funktion des Produzenten zugeschrieben wurde.735 Bei wirtschaftlichen Krisen wurde dem Drehbuchautor oftmals unterstellt, für den Misserfolg der Filme verantwortlich zu sein. Mit dem globalen Erfolg des 731 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, S. 16. 732 | Ebd., S. 77. 733 | Vgl. ebd., S. 78. 734 | Vgl. Brauerhoch, Anette, Zwischen Literatur und Fernsehen. Konzepte des Autorenfilms, Siegen 1991 (=Arbeitshefte Bildschirmmedien Bd. 28), S. 14f. 735 | Vgl. Elsaesser, Thomas, Der Neue Deutsche Film, S. 79-80.
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Autorenfilms richteten Kritiker ihr Augenmerk nun auf die inszenierende Person und die Inszenierung selbst, weniger auf die eigentliche Idee und die zugrunde liegende Geschichte. Viele etablierte deutsche Autor-Regisseure verfassten ihre Filmideen selbstständig, allerdings blieb der Beruf des Drehbuchautors innerhalb der auteur-Konstruktion weiterhin bestehen. Er fristete jedoch ein Schattendasein in der kollektiven Filmherstellung. Obwohl bei den meisten Filmförderinstitutionen das Drehbuch die Grundlage der Beurteilung war, konnten Drehbuchautoren nicht an ihren gehobenen Status in der Filmbranche der Kaiserzeit und Weimarer Republik anknüpfen. Da kaum etwas für eine strukturierte, professionelle Ausbildung der Drehbuchautoren getan wurde, konnte auch die staatliche Drehbuchförderung kaum greifen und zu langfristigen Erfolgen führen. Die systematische Drehbuchförderung der »Filmförderanstalt« (FFA) war kein Garant für innovatives oder besseres Kino. So wurde 1990 keines der durch die FFA geförderten 10 Drehbücher produziert. Im Jahr 2006 lag der Anteil der Drehbuchförderung bei nur 1,68 Prozent am Gesamtfördervolumen, denn ein Großteil wird seither durch die Produktionsförderung abgedeckt, die die Drehbuchentwicklung bis zur Realisation des Films umfasst. Die Drehbuchförderung wurde zudem von der Projektförderung abgespalten, was bedeutete, dass ein Großteil der spekulativ verfassten Drehbücher nie produziert wurde. Im Vergleich zur Filmförderung in Großbritannien736 machte die deutsche Förderanstalt keinen Unterschied zwischen etablierten Filmschaffenden und Neueinsteigern.737 Das lag auch an der wenig strukturierten und kaum institutionalisierten Ausbildung für Drehbuchautoren. Die berufliche Qualifikation der Drehbuchautoren in Deutschland wurde erst seit den 1990er Jahren schrittweise institutionalisiert, indem akademische Ausbildungsprogramme an den Filmhochschulen angesiedelt wurden. Es war wie in den USA das Fernsehen, das die Funktion und Rolle des Drehbuchautors seit den 1960er Jahren aufwertete. Formate wie das fiktionale Fernsehspiel, das auf Originaldrehbüchern beruhte, wurden für die Drehbuchautoren zu einer einträglichen Erwerbsquelle. In der Bundesrepublik war die arbeits- und vertragsrechtliche Situation für Angestellte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorteilhafter als die für freischaffende Drehbuchautoren. Als Arbeitnehmer-Urheber 738 gewann der Drehbuchautor eine hohe finanzielle Sicherheit sowie Ansehen. Der »Verband der Bühnenverleger«, der auch als Vertretung dramatischer Auto736 | Vgl. Conor, Bridget, Subjects at Work. Investigating the Creative Labor of British Screenwriters, in: Szczepanik, Petr / Vonderau, Patrick (Hrsg.), Behind the Screen. Inside European Production Cultures, New York 2013, S. 207-220. 737 | Vgl. Castendyk, Oliver, Die deutsche Filmförderung, S. 184-198. 738 | Angestellte Urheber oder arbeitnehmerähnliche Personen, die schöpferische Werke und Leistungen im Medienbereich anfertigen, bspw. Autoren, Journalisten oder Redakteure. Vgl. Olenhusen, Albrecht Götz von, Der Journalist im Arbeits- und Medienrecht. Ein Leitfaden, München 2008, S. 159 und Olenhusen, Albrecht Götz von, Der Arbeitnehmer-Urhe-
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ren fungierte, konnte gar einen Rahmentarifvertrag mit den Rundfunksendern unter der Bezeichnung »Regelsammlung Bühnenverlage/Rundfunkanstalten« abschließen. Damit knüpfte der Verband an die Errungenschaften des »Verbandes Deutscher Filmautoren« und der »Filmgewerkschaft« zu Zeiten der Weimarer Republik an. Er regelte vertragsrechtliche Fragen im Sinne der Drehbuchautoren. 1974 verbesserte das »Co-Produktionsabkommen« mit den Fernsehanstalten die arbeitsrechtliche Stellung der angestellten Drehbuchautoren weiter und regelte die Beziehung von Drehbuchautoren und Rundfunk. Die Drehbuchautoren waren zwar kaum öffentlich bekannt, hatten als Angestellte aber eine monatliche Mindestvergütung und klare Arbeitsverhältnisse. Die Stellung des Drehbuchautors im Fernsehbereich war ganz ähnlich wie die in der Zwischenkriegszeit. Drehbuchautoren mussten in einem arbeitsteiligen Produktionssystem wöchentlich Material für Fernsehserien abliefern und wussten nicht, was davon realisiert wurde.739 Diese Konzeption der massenhaften Herstellung von Kulturprodukten in Arbeitsteilung unterschied sich deutlich von der Konzeption des Neuen Deutschen Films. Eine mögliche Lösung für diese prekäre Situation hätte die Reform des Urheberrechts bieten können, die aus dem noch gültigen Literaturschutz- und Kunstschutzgesetz ein modernes einheitliches Urheberrecht für die Bundesrepublik schaffen sollte. Die Grundsatzfrage, wer Filmschöpfer im urheberrechtlichen Sinne sein sollte, wurde allerdings umgangen. Im Grunde blieb man bei der rechtlichen Erklärung, dass der Film aus diversen schöpferischen Werkbeiträgen bestehe und das Filmurheberrecht auf den Filmhersteller übertragen werden sollte.740 Die Frage, welche Urheberrechte der Drehbuchautor am fertigen Film hatte, blieb auch im reformierten Urheberrecht von 1965 ungeklärt. Faktisch wurde sie im Rahmen des Arbeitsvertragsrechts geregelt. Drehbücher waren dem Film vorgehende eigenständige literarische Werke, die für sich Urheberrechtsschutz genossen. Außerdem waren die fertigen Filmkopien vor unerlaubter Verbreitung geschützt.741 In den letzten Jahrzehnten waren 85 bis 90 Prozent der »Kreativen« im Medienbereich als abhängig Beschäftigte, sogenannte »Arbeitnehmer-Urheber«,
ber im Spannungsfeld zwischen Urheber-, Vertrags- und Arbeitsrecht. Vortrag im Rahmen der Arbeitssitzung des Instituts für Urheber- und Medienrecht am 19.3.2010 in München. 739 | Vgl. Kasten, Jürgen, Film schreiben. Eine Geschichte des Drehbuchs, Wien 1990, S. 151-160. 740 | Vgl. Homann, Hans-Jürgen, Praxishandbuch Filmrecht. Ein Leitfaden für Film-, Fernseh- und Medienschaffende, Berlin-Heidelberg 2009, S. 5-44. 741 | Vgl. Bohr, Kurt, Die Urheberrechtsbeziehungen der an der Filmherstellung Beteiligten, Berlin 1978 (=Schriftenreihe der UFITA, Heft 57), S. 1-5 und 11-33 und Gloy, Wolfgang, Das Urheberrecht des Angestellten. Unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse bei Film- und Gruppenwerken, Hamburg 1962, S. 42-59.
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tätig.742 Drehbuchautoren im Rundfunk- und Fernsehbereich sind meist abhängige Angestellte, deren Rechte und Pflichten individuell und kollektiv im Arbeitsvertrag festgelegt sind. Für Drehbuchautoren im Film dagegen fehlen heute allgemeinverbindliche Tarifverträge oder minimale Vergütungssätze. Kollektive Vergütungsregeln, wie sie die Drehbuchautorengilde in Hollywood Anfang der 1940er Jahre durchsetzen konnte, blieben den Drehbuchautoren in der Privatwirtschaft bisher verwehrt, weil diese Berufsgruppe lange kein klares Ziel hatte und ihr eine starke Organisation fehlte.743 Grundsätzlich war die Machtposition der nach 1945 gegründeten deutschen Schriftstellerverbände, in der sich manche Drehbuchautoren organisierten, gering.744 Die Drehbuchautoren hatten von 1933 bis 1986 überhaupt keine eigene berufliche Interessenvertretung mehr. Von 1933 an hatten die Nationalsozialisten ihren Verband unterworfen und instrumentalisiert. Nach 1945 waren viele Drehbuchautoren zu Recht skeptisch gegenüber allen berufsständischen Organisationsversuchen. Diese Erfahrungen ließ die Gründung von Berufsverbänden für Drehbuchautoren nach Kriegsende zweitrangig erscheinen. Erst in den 1980er Jahren wurde der Versuch unternommen, an die Zwischenkriegszeit und den 1919 gegründeten »Verband deutscher Filmautoren« anzuknüpfen.
D er »V erband deutscher D rehbuchautoren « und seine B eziehung zur »W riters ’ G uild of A merica« seit den 1980 er J ahren Als sich Mitte der 1980er Jahre die Videokassette 745 als neues Speichermedium durchsetzte, sank die Zahl der Kinozuschauer in Deutschland weiter. Der Abwärtstrend, der mit dem Fernsehen eingesetzt hatte, verschärfte sie nun auch, weil die neu eingeführten dritten Programme der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und das durch Werbung finanzierte Privatfernsehen vermehrt Spielfilme ausstrahlten und selbst in Auftrag gaben. Bis Ende der 1980er Jahre hatten circa 43 Prozent aller bundesrepublikanischen Haushalte Videorekorder und der Umsatz des Videomarktes glich dem der Kinos.746 742 | Vgl. Olenhusen, Albrecht Götz von, Der Arbeitnehmer-Urheber, o. S.. 743 | Vgl. ebd., o. S. 744 | Vgl. Kron, Friedhelm, Schriftsteller und Schriftstellerverbände. Schriftstellerberuf und Interessenpolitik 1842-1973, Stuttgart 1976, S. 136-148. 745 | Im sogenannten »Formatkrieg« setzte sich seit Mitte der 1980er Jahre der von JVC entwickelte VHS-Standard gegenüber dem von Sony eingeführten Betamax-Standard im Heimvideobereich durch. Vgl. Bettig, Ronald V., Hollywood and Intellectual Property, in: McDonald, Paul / Wasko, Janet (Hrsg.), The Contemporary Hollywood Film Industry, Malden-Oxford-Carlton 2008, S. 195-207. 746 | Vgl. Castendyk, Oliver, Die deutsche Filmförderung, S. 42f.
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»Verband deutscher Drehbuchautoren « und »Writers Guild of America « Diesen Wandel hin zu einem Heimkinomarkt bekamen sowohl die deutschen als auch die US-amerikanischen Drehbuchautoren zu spüren, deren Lage und Status ohnehin schon durch die Autorenfilmbewegung angeschlagen war. Die deutschen Drehbuchautoren versuchten mit der Gründung des Berufsverbandes »Arbeitsgemeinschaft der Drehbuchautoren e. V.« (AGD)747 im Dezember 1986 dagegenzuhalten. Sie wollten die anstehende Reform des Filmfördergesetzes aktiv mitgestalten. Ihr Beruf sollte aus dem Schatten des Regisseurs heraustreten und gesellschaftlich mehr Anerkennung gewinnen.748 Die Filmschaffenden der 1960er und 1970er Jahre hatten meist keine enge Zusammenarbeit und langfristige Beziehung zu den Drehbuchautoren auf bauen können, wie es in der DDR durch die »Künstlerischen Produktionsgruppen« zur gängigen Praxis geworden war. Produzenten und Regisseure waren kaum daran interessiert, die Produktion durch eine trennscharfe Definition der Aufgabengebiete und Berufe zu verbessern. Der Drehbuchautor galt nicht als gleichberechtigter, kreativer Partner, sondern als Gehilfe des Regisseurs.749 Durch die Gründung der AGD wurde die Drehbuchförderung zu einem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema, womit zugleich der Berufsstand aufgewertet werden sollte. Seit 1987 hatte Jürgen Kasten den Vorsitz der AGD inne und führte Symposien zu den Arbeitsbedingungen von Drehbuchautoren und ihrem gesellschaftlichem Stellenwert sowie zu Herausforderungen neuer medialer Formen wie dem Fernsehspiel durch. Die AGD engagierte sich für den Ausbau der noch lückenhaften professionellen Ausbildung für Drehbuchautoren. Die »Berliner Drehbuchwerkstatt« bot von 1988 bis 1993 eine Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeit an und wurde vom AGD getragen.750 Seit 1989 erschien dazu das Handbuch Drehbuchautoren-Guide. Ein Jahr zuvor wurde zudem bundesweit ein Förderpreis für das beste Drehbuch eingerichtet und die Differenzierung der Berufsfelder Regie und Drehbuch angeregt. Daneben führte die Berufsvertretung die professionelle Rechtsberatung für seine Mitglieder ein. Die Ziele der Arbeitsgemeinschaft orientierten sich stark am Weimarer Berufsverband »Verband deutscher Filmautoren« und hatten neben einer Rechtsberatung für Drehbuchautoren auch tarifliche Fragen wie Mindesthonorare, Normalverträge sowie die Aus- und Weiterbildung auf der Agenda. Seit 1989 gibt die Arbeitsgemeinschaft ihr eigenes Magazin The Script751 747 | Gründungsmitglieder waren Jochen Brunow, Renke Korn, Alfred Behrens, Hartman Schmige, Wolf Dieter-Bölke, Lienhard Wawrzyn und Regina Werner. Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Kein Weg zurück. Interview mit Jochen Brunow, in: The Script (Winter 2006), S. 6-12, hier S. 7. 748 | Vgl. Kasten, Jürgen, Zur Geschichte der Drehbuchautorenverbände in Deutschland, in: Drehbuchautoren-Scriptguide, 1992/1993, S. 1-4, hier S. 3. 749 | Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Kein Weg zurück, S. 7f. 750 | Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Über den VDD. Geschichte des VDD, http://www.drehbuchautoren.de/der-vdd/ueber-den-vdd, eingesehen am 27.8.2015. 751 | Erscheint seit 2007 viermal jährlich als Online-Ausgabe.
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heraus. 1991 benannte sie sich in »Verband Deutscher Drehbuchautoren« (VDD) um.752 Insgesamt fand seit Ende der 1980er Jahre eine erneute Re-Professionalisierung des Drehbuchautors in Deutschland statt. Seit Anfang der 1990er Jahre gibt der deutsche Drehbuchautorenverband Musterverträge für seine Mitglieder heraus. Er beteiligte sich an der Debatte um die Urheberrechtsnovelle und Vereinheitlichung der Urheberpersönlichkeitsrechte durch die Europäische Union. Seit 1995 erhebt der VDD statistische Daten zur Honorarhöhe und über mögliche Vertragsinhalte, um über die grassierenden Buyout-Verträge aufzuklären und für eine verbindliche Vergütungstabelle für Drehbuchautoren zu werben. Tarifrechtliche Probleme bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten werden seit 1995 im Rahmen des Kooperationsvertrags mit der »Deutschen Angestelltengewerkschaft«, die heute »Ver.di« angehört, diskutiert. Für freischaffende Drehbuchautoren ist der VDD seither die wichtigste berufliche Interessenvertretung. Seit Ende der 1990er Jahre wird über die 1958 gegründete Verwertungsgesellschaft »VG Wort« für Drehbuchautoren, die an einen Verlag gebunden sind, eine Vergütung für Ausstrahlungen im ausländischen Fernsehen gezahlt. Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch den Drehbuchautorenverband initiiert und konnte im Rahmen einer Änderung des Urheberrechts und seiner Bestimmungen zur Kabelweiterleitung im Jahr 1998 geregelt werden.753 Die 1958 gegründete »VG Wort« ist das Pendant zur seit 1933 bestehenden Musikverwertungsgesellschaft GEMA und heute die zentrale Verwertungsgesellschaft für Wortbeiträge. Sie entspricht in Grundzügen der nach dem Zweiten Weltkrieg heiß diskutierten und nie realisierten US-amerikanischen »American Authors’ Authority«. Seit dem Jahr 2000 verstärkte der VDD seine Internationalisierungsbestrebungen. Er trat dem europäischen Dachverband »Federation of Screenwriters in Europe« 754 (FSE) bei, um angemessene Folgevergütungen bei Pay-TV-Ausstrahlungen für Drehbuchautoren europaweit einheitlich zu regeln. Zeitgleich wurden Kommissionen zur Digitalisierung und für die Beteiligung von Autoren bei der Verwertung von Beiträgen in neuen Medien eingerichtet. Der Verband versuch752 | Vgl. Kasten, Jürgen, Zur Geschichte der Drehbuchautorenverbände in Deutschland, S. 161f. 753 | Seit dem 4. Urheberrechtsänderungsgesetz im Jahr 2007 bekommen auch nicht an einen Verlag gebundene Drehbuchautoren eine Kabelausschüttung durch die »VG Wort« ausgezahlt. Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Über den VDD. Geschichte des VDD, http://www.drehbuchautoren.de/der-vdd/ueber-den-vdd, eingesehen am 4.6.2013 und Keiderling, Thomas, Geist, Recht Und Geld. Die VG Wort 1958-2008, München 2008, S. 126f. 754 | Die FSE besteht europaweit aus 9.000 Mitgliedern und 21 Unterverbänden. Vgl. Federation of Screenwriters in Europe, First Conference of European Screenwriters in Thessaloniki, 21.-22.11.2006, http://www.scenaristes.org/pdfs/textconf2006_HR.pdf, S. 1, eingesehen am 27.8.2015.
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»Verband deutscher Drehbuchautoren « und »Writers Guild of America « te aktiv, Folgevergütungen für Internetausstrahlungen zu erreichen. Seit 2003 wurden verstärkt Anstrengungen unternommen, gemeinsame Vergütungsregeln zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft »Ver.di« einzuführen. Die freiberuflichen Drehbuchautoren kämpften für einen Rahmentarifvertrag mit festgesetzter Mindestvergütung. Im Gegensatz dazu befürworteten die Produzenten auch im Jahr 2004 noch das Buyout-Modell, also die Abgeltung aller möglichen Folgevergütungen und kommenden Nutzungsrechte durch eine Einmalzahlung. Der deutsche Drehbuchautorenverband schlug daraufhin ein Lizenzierungs-Modell vor und konnte zumindest mit dem Privatsender Sat.1 einen Rahmenvertrag über die Gewährung von Folgevergütungen bei Pay-TV-Ausstrahlungen aushandeln.755 Im Rahmen der Novellierung des deutschen Urheberrechts 2002 versuchte der deutsche Drehbuchautorenverband seine Verhandlungsposition zu stärken, indem er mit dem europäischen Screenwriters Manifesto 756 während des Filmfestivals »Berlinale« im Jahr 2007 auf die Situation der Drehbuchautoren aufmerksam machte. Ende desselben Jahres unterstützten die deutschen Autoren ihre US-Kollegen beim industrieweiten Streik der »Writers’ Guild of America«.757 Der Drehbuchautor und Mitbegründer des VDD Hartmann Schmige war damals der Meinung, dass in Deutschland ein Streik der Drehbuchautoren wie in den USA kaum möglich wäre, da es für Autoren weder Zwangsmitgliedschaft im Berufsverband gäbe noch die Machtposition der Berufsvertretung für diesen radikalen Schritt ausreiche.758 Die Diskussion um das geistige Eigentum und die wirtschaftliche Lage der deutschen Drehbuchautoren kehrt darum periodisch wieder. Anlässlich der Umbenennung in »Verband Deutscher Drehbuchautoren« im Jahr 1991 blickten die deutschen Drehbuchautoren neidvoll auf die einflussreiche Position der US-amerikanischen Drehbuchautorengilde. Jochen Brunow, einer der Mitbegründer der 1986 gegründeten »Arbeitsgemeinschaft der Drehbuchautoren«, bemerkte zum Verhältnis der US-amerikanischen und deutschen Autoren:
755 | Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Über den VDD. Geschichte des VDD. 756 | Federation of Screenwriters in Europe, Policy Paper 2007, http://www.drehbuchautoren.de/files/filmpolitik/international/fse/02_FSE_Policy_Paper.pdf, eingesehen am 27.8.2015. 757 | Vgl. o. A., Hollywoodstreik. US-Autoren marschieren groß auf, Der Spiegel, 21.11.2007. 758 | Vgl. Schmige, Hartmann, Mit den Entscheidern verhandeln, in: Script (Winter 2007), S. 7-8.
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich »[…] und zwar haben wir uns gleich das größte Vorbild gesucht, das es gibt, und haben geschaut, wie die Autoren das in Amerika machen. Wie geht das in Hollywood? Zusammen mit Ray Müller habe ich damals die Zentrale der WGA in Los Angeles besucht. Dabei haben wir gemerkt, dass die Situation dort zwar wunderbar ist und wir das auch gern so hätten, dass es so aber nie bei uns sein wird. […] denn in Amerika ist die Writers Guild eine Gewerkschaft und zwar mit einer Zwangsmitgliedschaft. […] Das heißt, es wurden in den Gründerjahren Studios bestreikt und den Streikbrechern wurde die Kniescheibe zertrümmert. Es war ein durchaus gewalttätiger Prozess. Unser Weg war und ist ein eher intellektueller, der im ersten Moment auch entsprechend weniger bewegen konnte.« 759
Die Argumentation von Brunow in Bezug auf eine amerikanische Differenz zwischen Zwangsmitgliedschaft in der Gewerkschaft »Writers’ Guild« und der deutschen »Intellektualität« ist bemerkenswert. Nicht nur wurde die Entstehung der US-Drehbuchautorengilde und ihre gewerkschaftliche Strategie vereinfacht dargestellt; die Geschichte der »Writers’ Guild« in Hollywood erscheint aus der Sicht Brunows als eigenständiger, spezieller Sonderweg, der der deutschen Strategie des Drehbuchautorenverbands nicht entspricht. Die berufsständischen Traditionen der deutschen Drehbuchautoren sind Brunow offensichtlich nicht bekannt. Die autonomen, korporativen Traditionen zur Zeit der Weimarer Republik werden von ihm nicht erwähnt. Dabei waren bis etwa 1933 die Probleme und strukturellen Bedingungen für Drehbuchautoren in den USA und Deutschland durchaus ähnlich und haben um 1920 zur Gründung der ersten beruflichen Interessenvertretungen in beiden Ländern geführt. Die Ziele beider Verbände waren die Anerkennung der Berufsvertretung und die Aushandlung kollektiver Vergütungsregeln. Offensichtlich waren die Nazis mit ihrer Gleichschaltungsstrategie von 1933 bis 1945 so erfolgreich gewesen, dass der Berufsverband »Verband deutscher Filmautoren« sogar aus dem kollektiven Gedächtnis der Drehbuchautoren in der Bundesrepublik verschwunden war. Im Jahr 2008 wurde zum ersten Mal das beste Drehbuch auf der »Berlinale« mit einem eigenen Preis ausgezeichnet. Dabei war die Preisverleihung selbst beim »Deutschen Filmpreis« lange Zeit nicht die gängige Praxis. Obwohl dieser prinzipiell hätte verliehen werden können, wurde er erst auf Druck des VDD hin im Jahr 1988 vergeben.760 Die späte Akademisierung der Drehbuchautorenausbildung war auf das fehlende öffentliche Ansehen und die marginale Rolle dieses Berufszweigs in der Filmindustrie zurückzuführen. An der »Deutschen Film- und Fernsehakademie« in Berlin (DFFB) wurde 1997 ein zuerst zweijähriges, später dreijähriges Drehbuchstudium in das Akademie-Programm aufgenommen. Die gesonderte Drehbuchabteilung VI der HFF in München wurde zum Wintersemester 2005/06 als eigenständiger Studiengang gestartet. Das Drehbuchschreiben war 759 | Verband Deutscher Drehbuchautoren, Kein Weg zurück, hier S. 8. 760 | Vgl. ebd., S. 11.
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»Verband deutscher Drehbuchautoren « und »Writers Guild of America « an der Münchener Hochschule zuerst kein eigener Fachbereich gewesen. Einer der wenigen Absolventen, die den Sprung von der akademischen Ausbildung in München nach Hollywood geschafft haben, ist Wim Wenders.761 Der Deutsche Drehbuchautorenverband startete zur Hebung des Ansehens auch verschiedene PR-Kampagnen, beispielsweise »Kein Drehbuch. Kein Film«,762 die von bekannten deutschen Schauspielern unterstützt wurde. Dank der gestiegenen medialen Präsenz bei internationalen Preisverleihungen und der Lobbyarbeit des Drehbuchautorenverbands im Rahmen der Urheberrechtsnovellen und des Rahmenvertrags mit Kabelnetzbetreibern gewann der Drehbuchautor seit den 1990er Jahren wieder an Ansehen.763 Die internationale Kooperation mit den US-Kollegen wurde durch die Formierung des europäischen Dachverbands seit 2008 vorangetrieben. 2008 zählte der VDD circa 420 aktive Mitglieder. Besonders drängende Probleme sind bis heute der Abschluss eines Normalvertrags mit Mindestvergütungsregeln im digitalen Bereich764 und die Frage der Beteiligung von Drehbuchautoren an noch »unbekannten Nutzungsarten«.765 Zwar wurde durch die Reform des Urheberrechts eine »angemessene Vergütung« festgelegt, diese musste aber gegen gängige Buyout-Vertragsklauseln mühsam erstritten werden und wurde in der Praxis oftmals nicht umgesetzt.766 Die Mitglieder des Drehbuchautorenverbands waren in der Mehrheit dafür, dass sich der Berufsstand nicht gewerkschaftlich organisieren sollte, denn sie hatten mit der Berufsvertretung »Verband deutscher Schriftsteller« (VS)767 teilweise schlechte Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich wollten die Drehbuchautoren nicht vom »Deutschen Gewerkschaftsbund« (DGB) vertreten werden, weil sie sich als freie Mitarbeiter und nicht
761 | Vgl. Pflaum, Hans Günther / Prinzler, Hans Helmut, Film in der Bundesrepublik Deutschland, S. 40f. 762 | Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Über den VDD. Geschichte des VDD. 763 | Vgl. Gangloff, Tilmann P., Kein Drehbuch – Kein Film. Von amerikanischen Zuständen in Deutschland weit entfernt 2008, http://mmm.verdi.de/archiv/2008/03/film/kein_ drehbuch_kein_film, eingesehen am 31.12.2013. 764 | O. A., Drehbuchautoren fordern Beteiligung an digitalen Verwertungserlösen. Die Sender bestimmen Produkt, Entwicklung und das Geschäft, Interview mit Katharina Uppenbrink, in: Pro Media, (2011) H. 2, S. 42f. 765 | Vgl. Haslob, Fabian, Drehbuchautor / Urheber vorbestehender Werke, in: Haupt, Stefan (Hrsg.), Urheberrecht für Filmschaffende. Einführung in die Urheber- und Vertragsfragen 6, München 2008, S. 33-56, hier S. 55. 766 | Vgl. Huber, Heidrun, Filmrecht für Drehbuchautoren, Konstanz 2004 (=Praxis Film Bd. 19), S. 99. 767 | Gründung 1969, im Jahr 1989 als Gewerkschaft »IG Medien« neugründet und 2001 mit vier Gewerkschaften zu »Ver.di« fusioniert.
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als abhängig Beschäftigte betrachteten.768 Das machte allerdings den geplanten Zusammenschluss mit der »Deutschen Angestellten Gewerkschaft« eher problematisch. Hier kam die »Kragenlinie« zwischen Arbeitern und Angestellten wieder zur Geltung, die in Deutschland in der Zwischenkriegszeit sehr prominent diskutiert wurde. Die deutschen Drehbuchautoren wollten nicht als einfache Angestellte behandelt werden, sondern sahen und sehen sich als freischaffende Künstler. Gleichzeitig hatte sich die Mitgliedsstruktur des Verbandes so verändert, dass man nicht mehr von einer homogenen Beschäftigungsstruktur wie noch in den 1990er Jahren ausgehen konnte. In diesem Sinn wurde die Debatte um gewerkschaftliche Strategien und gemeinsame Vergütungsregeln mit Mindesttarifen seit 2000 erneut angefacht.769 Die zunehmende Spezialisierung des Drehbuchautorenberufs in Deutschland wurde seit den frühen 1990er Jahren virulent. Die Gründung des »Verbandes für Film- und Fernsehdramaturgie« (VeDRA) trug dieser Entwicklung Rechnung.770 Der Dramaturgenverband wurde im Juli 2002 gegründet und ist die Berufsvertretung für freie und angestellte Dramaturgen (script consultants), Lektoren, freie und angestellte Produzenten (developer/creator) und script doctors.771 Einerseits zeigt die Berufsvertretung VeDra, dass sich die Stoffentwicklung und der Akt des Drehbuchschreibens in diversen »heterogenen« oder hybriden Berufsfeldern, -funktionen und -rollen manifestiert hatte. Andererseits wird deutlich, dass neben Drehbuchautoren auch Produzenten, besonders im TV-Bereich, wieder kreative Aufgaben wie die Entwicklung von Programminhalten übernehmen.772 Besonders aufwändig produzierte Qualitätsserien, wie sie im US-amerikanischen Pay-TV-Bereich entstehen, haben dem Kinomarkt seit einem guten Jahrzehnt immer mehr Zuschauergruppen entzogen. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist der Sender HBO, der mittlerweile in die Länder Ostmitteleuropas wie Ungarn expandiert ist und mit eigenproduzierten Serienformaten wie Breaking Bad, True Blood oder Game of Thrones erfolgreich ist. HBO stellte nach der Ver768 | Vgl. Verband Deutscher Drehbuchautoren, Kein Weg zurück, S. 11f. 769 | Vgl. Reber, Nikolaus, »Gemeinsame Vergütungsregelungen«, S. 9-16. 770 | Im Regiefach gibt es den Beruf »Script/Continuity«, der organisatorische Aufgaben des Regieassistenten mit der Aufschlüsselung und Überwachung von Anschlüssen vereint. Vgl. Schopp, Monika, Script/Continuity. Ein aussterbender Beruf? 12 Thesen 2001, www. regieverband.de/de_DE/magazine/17877/jobs_education, eingesehen am 27.8.2015. 771 | Vgl. VeDRA, Berufsbilder und Beitrittsvoraussetzungen, http://www.dramaturgenverband.org/verband/berufsbilder, eingesehen am 27.8.2015. 772 | Vgl. Messenger Davies, Máire, Quality and Creativity in TV. The Work of Television Storytellers, in: McCabe, Janet / Akass, Kim (Hrsg.), Quality TV. Contemporary American Television and Beyond, London-New York 2007, S. 171-184 und McCabe, Janet / Akass, Kim, Sex, Swearing and Respectability. Courting Controversy. HBO’s Original Programming and Producing Quality TV, in: McCabe, Janet / Akass, Kim (Hrsg.), Quality TV. Contemporary American Television and Beyond, London-New York 2007, S. 62-76.
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»Verband deutscher Drehbuchautoren « und »Writers Guild of America « breitung digitaler Heimkinotechnik seine ursprüngliche Programmstrategie von Kinofilmen ohne Werbeunterbrechung um und entwickelte in den späten 1990er Jahren eigene Serienkonzepte, die so unterhaltsam und innovativ waren, dass beispielsweise The Sopranos oder Oz stilprägend für neue dramatische Konzepte und Formate wurden und diese Strategie rasch von anderen Kabelsendern nachgeahmt wurde.773 Neuerdings werden eigene, äußerst erfolgreiche Serienformate auch von reinen Internetsendern wie Netflix produziert, der seit September 2014 auch auf dem deutschen Video-on-demand-Markt vertreten ist.774 Die von Netflix und Amazon Prime bereitgestellten digitalen Abonnements machten zugleich Neuregelungen der Vergütungs- und Beteiligungssätze für die Drehbuchautoren nötig.775 Grundsätzlich wurden durch die Veränderung im Fernsehbereich und die vielfältigen neuen Formatmöglichkeiten in den neuen Medien auch die Aufgaben des Drehbuchautorenberufs im arbeitsteiligen kreativen Schaffensprozess neu definiert und modifiziert. Die angesprochenen US-Qualitätsserien im Kabelfernsehen und die Serien der Dienstleister wie Netflix werden dabei in real time produziert. Ein festes Autorenteam, das vom creative producer angeleitet wird, entwirft parallel zur Ausstrahlung der Staffel die Figuren und Handlungen der Serie.776 Dabei kann es vorkommen, dass Fanreaktionen in sozialen Netzwerken die Arbeit des Kreativteams beeinflussen und somit die Weiterentwicklung der Charaktere interaktive, transmediale Querverweise annimmt 777 und auf Reaktionen der Fans in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook direkt Bezug nimmt. Jene Umwälzungen des digitalen Programmangebots der angestammten Fernsehsender und Internetdienstleister sind in Zukunft auch in Deutschland denkbar. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Veränderungen hier nicht – wie in den USA – zuerst vom Pay-TV-Markt ausgehen, sondern sich die Angebotsstruktur der digitalen Video-on-demand-Plattformen im Internet dem US-amerikani773 | Vgl. Dreher, Christoph, Perspektiven der Autorenserie. USA, Skandinavien und Deutschland, in: Dreher, Christoph (Hrsg.), Autorenserien II. Quality TV in den USA und in Europa, Paderborn 2014, S. 15-49. 774 | Netflix begann 1997 als Art Online-Videothek und produziert als digitaler Fernsehsender seit 2011 eigene Serienformate wie H ouse of C ards . 775 | Vgl. Cohen Blatter, Lucy, Residuals Are as Easy to Explain as Difficult to Calculate, in: Video Age International, Bd. 33 (2013) H. 3, o. S. 776 | Vgl. Cantor, Michael G., The Hollywood TV Producer. His Work and his Audience, 2. Aufl., New Brunswick-Oxford 1988, S. 99-103. 777 | Eine ähnliche Strategie verfolgte die TV-Serie D efiance (2013) des US-Senders Syfy, die zeitgleich mit dem gleichnamigen Computerspiel startete und in denen sich die Handlungsstränge über mediale Grenzen hinweg ergänzten. Vgl. Rittmann, Tim, Wer das Game spielt und die Serie sieht, hat mehr davon, 12.4.2004, http://www.zeit.de/digital/ games/2013-04/defiance-transmedia-storytelling/komplettansicht, eingesehen am 25.8.2015.
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schen Trend anpassen und zu komplexen eigenproduzierten Serienformaten und innovativen narrativen Konzepten jenseits des horizontalen Erzählens und des monsters of the week führen wird. Eine alternative Tendenz jenseits des althergebrachten Format-Fernsehens zeichnet sich im öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Programm ab, das mit Spartenkanälen wie ZDF.Neo 778 oder experimentierfreudigen Sendern wie Tele 5 779 zumindest in Ansätzen Publikumsschichten im Alter zwischen 18 und 45 adressiert. Die klassischen seriellen Erzählelemente wurden in den USA bereits seit Ende der 1990er Jahre durch das Kabelfernsehen revolutioniert. Es entstanden fiktionale Serien mit komplexen Handlungssträngen, einer großen Menge an ambivalenten Protagonisten gepaart mit hohem Erzähltempo. Neben der gewachsenen Bedeutung der DVD- und BluRay-Auswertung hat sich damit auch die Arbeitsweise der writing teams von Serien grundlegend verändert.780 Viele etablierte deutsche Drehbuchautoren beneiden diese Entwicklung und die Freiheit der US-amerikanischen Drehbuchautoren bei Netflix und anderen. In Deutschland ist diese Fernsehrevolution so nicht eingetreten und auch in naher Zukunft nicht erwartbar, weshalb manche Drehbuchautoren in das Romanfach wechseln, weil sie dort mehr erzählerische Freiheit und kreative Mitbestimmung erwarten als bei den ewig gleich formatierten TV-Produktionen.781 Es bleibt zu fragen, ob im hochgradig arbeitsteiligen Prozess der Herstellung von Fernsehserien der kreative Produzent oder der einzelne Drehbuchautor mehr Prestige und Anerkennung bekommen wird. Fakt ist, dass Serienschöpfer beziehungsweise showrunner wie Vincent Gilligan (Breaking Bad) zum Vorbild junger Autoren wurden und ein neues System der kreativen Zusammenarbeit entwickelt haben, das vielfach an die Studiokonferenzen im Hollywood der 1930er Jahre erinnert, jedoch flache Hierarchien und mehr kreative Mitbestimmung für 778 | Vgl. Jan Böhmermanns seit 2013 wöchentliche Sendung N eo M agazin, das seit Anfang 2015 als N eo M agazin R oyale im Hauptprogramm des ZDF gesendet wird. 779 | Vgl. Oliver Kalkofes erfolgreiche Sendung K alkofes M at tscheibe R ek alked. Das Format startete in den 1990er Jahren als Programm des Radiosenders Radio ffn, wurde als TV-Sendung 1994-1998 auf Premiere ausgestrahlt, lief dann 2003-2008 auf Pro7 und ist seit 2012 auf Tele 5 zu sehen. 780 | Messenger Davies, Máire, Quality and Creativity in TV. The Work of Television Storytellers, S. 171-184, hier S. 173-176 und McCabe, Janet / Akass, Kim, Sex, Swearing and Respectability. Courting Controversy. HBO’s Original Programming and Producing Quality TV, S. 62-76. 781 | Vgl. Gohlis, Tobias / Nicodemus, Katja, Alle Macht den Autoren!, in: Die Zeit, 6.11.2014, S. 64f und DJ Frederikson (Pseud.), Die ausbleibende Revolution. Eine Analyse, was die Qualität der neuen US-Serien eigentlich ausmacht und warum genau diese Qualität im deutschen Fernsehen auf unbestimmte Zeit nicht zu sehen sein wird, www.d-trick.de/ wp-content/uploads/die_ausbleibende_revolution.pdf, 32 S., 4.2.2014, eingesehen am 27.8.2015.
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»Verband deutscher Drehbuchautoren « und »Writers Guild of America « Drehbuchautoren der Serien verspricht. Allerdings zeigt die Person des kreativen Produzenten auch, dass die vielen Drehbuchautoren wieder hinter dem spezialisierten und rationalisierten Herstellungsprozess der Fernsehserien verschwinden.782 Dieser Schreibprozess im Team, der auch writing-by-commmitee, collective oder disposable authorship 783 genannt wird, wird von einem Produzenten kreativ überwacht und angeleitet.784 Besonders prägend war in dieser Rolle seit den 2000er Jahren Jenji Kohan, die Serien mit einem hohen Anteil an diversity wie Weeds auf Showtime oder Orange is the New Black auf Netflix zu Publikumserfolgen machte. Inwiefern sich diese neuen arbeitsorganisatorischen Entwicklungen langfristig auf die Drehbuchautoren beim Fernsehen und bei den digitalen Produktionsfirmen auswirken, muss weiter beobachtet werden. Jedenfalls führte die Frage nach der Anerkennung des geistigen Eigentums und der Beteiligung an Mehrfachverwertungen in den USA zu zwei Streiks der Drehbuchautorengilde in den Jahren 1988 und 2007. Der bisher längste Streik der »Writers’ Guild« im Jahr 1988 kostete die Filmindustrie nach eigenen Angaben schätzungsweise 500 Millionen US-Dollar. Die Drehbuchautoren traten in den Streik, um die Beteiligung an den Gewinnen aus dem Heimvideomarkt und an VHS-Einnahmen im Ausland und Wiederholungshonorare für die Mehrfachauswertungen durchzusetzen. Beim Streik der »Writers’ Guild of America« vom 5. November 2007 bis 12. Februar 2008 ging es um die Höhe der Tantiemen und die Frage, wie Autoren bei den Einnahmen von DVD-Verkäufen und bei digitalen Ausstrahlungen ihrer Sendungen beteiligt werden sollten.785 Nach 1960 und 1988 griffen die Drehbuchautoren zum dritten Mal zum Mittel des Streiks, um ihren Verhandlungen mit der »Alliance of Motion Picture and Television Producers« Nachdruck zu verleihen.786 Da die gültigen Regelungen zu Folgevergütungen noch aus den 1980er Jahren stammten, sich die Medienlandschaft durch das Internet und Heimkino aber extrem verändert hatte, wollten die Drehbuchautoren 2007/08 höhere Vergütungssätze bekommen. Die alten Beteiligungsquoten waren nach der Gewinnspanne von Videoproduktionen berechnet gewesen. Seitdem waren die Produktionskosten für die DVD aber erheblich gesunken und durch das Internet können Me782 | Vgl. Kohn, Nathaniel, Standpoint: Disappearing Authors. A Postmodern Perspective on the Practice of Writing for the Screen, in: Journal of Broadcasting & Electronic Media, Bd. 43 (1999) H. 2, S. 443-449. 783 | Caldwell, John Thornton, Production Code, 211f. 784 | Vgl. ebd., S. 215f. 785 | Vgl. Reber, Nikolaus, Beteiligung der Kreativen an neuen Medien aus Sicht des Streiks der Drehbuchautoren in den USA 2007/2008, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (2008) H. 10, S. 798-806. 786 | Vgl. Paul, Alan / Kleingartner, Archie, Flexible Production and the Transformation of Industrial Relations in the Motion Picture and Television Industry, in: Industrial and Labor Relations Review, Bd. 47 (1994) H. 4, S. 663-678, hier S. 667-670.
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dieninhalte fast ohne Zusatz- und Materialkosten bereitgestellt werden.787 Umso ärgerlicher war es für die Drehbuchautoren, dass sie von den Einnahmen jener Nutzungsarten wenig oder wie im Falle des Internets überhaupt nichts bekamen. Im Ergebnis des Streiks aus dem Jahr 2007/08 wurden US-Drehbuchautoren Beteiligungen an digitalen Nutzungsarten und der DVD- und Videoverwertung zugesprochen, außerdem eine Mindestvergütung für die sogenannten web series, also kurze Serienformate auf Portalen wie You Tube.788 Die Streiks der »Writers’ Guild« zeigen, dass besonders die Serienproduktion von den Drehbuchautoren abhängig war und sich deren Verhandlungsstärke denen der Produzenten angenähert hatte.789 Seit Mitte der 1960er schwenkten die Drehbuchautoren in den USA von einer einmaligen Tantieme hin zur prozentualen Beteiligung an Folgevergütungen um.790 Seitdem spielte die Frage, in welchen Medien und über welche Verbreitungskanäle Filme und Serien verwertet werden konnten, wieder die Hauptrolle bei den Verhandlungen mit den Produzenten.791 Jene Machtposition der US-Drehbuchautorengilde konnten die deutschen Drehbuchautoren mit ihrem Verband bisher nicht erreichen. Der Streik der US-Drehbuchautoren im Winter 2007 und 2008 wurde von den deutschen Kollegen jedoch unterstützt und verfolgt.792 Die Honorare der deutschen Drehbuchautoren sind in den letzten zwei Jahrzehnten immer weiter gesunken und die Autoren sind seither mehr denn je auf Auftragsarbeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen angewiesen.793 Die deutschen Drehbuchautoren versuchten zwar, ihre Forderungen und Ziele öffentlichkeitswirksam zu bewerben, konnten aber keine Schlagkraft wie ihre streikenden US-Kollegen entwickeln.794
787 | Vgl. ebd., S. 798f. 788 | Festgeschrieben wurden die neuen Mindesthonorare im »Minimum Basic Agreement«, vgl. Writers Guild of America / Alliance of Motion Picture and Television Producers, 2008 Writers Guild of America Theatrical and Television Basic Agreement. Effective February 13, 2008 through May 1, 2011, http://www.wga.org/uploadedFiles/writers_resources/contracts/MBA11.pdf, eingesehen am 27.8.2015. 789 | Vgl. Wilson, Jan, When Hollywood Strikes, in: Labor Law Journal, Bd. 41 (1991) H. 10, S. 693-704. 790 | Vgl. August, John, Why Writers Get Residuals? 2007, http://johnaugust.com/2007/ why-writers-get-residuals, eingesehen am 14.11.2011. 791 | Vgl. Banks, Miranda J., The Picket Line Outline, S. 31f. 792 | Vgl. Schmige, Hartmann, Mit den Entscheidern verhandeln, in: Script (Winter 2007), S. 7-8. 793 | Vgl. Reber, Nikolaus, Beteiligung der Kreativen, hier S. 804f. 794 | Vgl. Banks, Miranda J., The Picket Line Outline. Creative Labor, Digital Activism, and the 2007-2008 Writers Guild of America Strike, in: Popular Communication, Bd. 8 (2010) H. 1, S. 20-33, hier S. 20f.
Zusammenfassung – Die verlorene Aura des Drehbuchautors
Der deutsche Verband war seit 2000 besonders im Rahmen des europäischen Dachverbandes »Federation of Screenwriters Europe« (FSE) aktiv und versuchte hier die Errungenschaften der Drehbuchautorengilde in Hollywood aufzugreifen. Erstes Ergebnis war das Screenwriters Manifesto mit dem Forderungskatalog europäischer Drehbuchautoren, die sich in Thessaloniki 2006 zur FSE zusammengeschlossen hatten.795 Der europäische Dachverband wollte damit die schlechte Verhandlungsposition bei Vertragsabschlüssen stärken und die pauschale Übertragung aller geistigen Eigentumsrechte an der Filmvorlage an die Produzenten stoppen. Kritisiert wurde, dass den Drehbuchautoren seit der Autorenfilmbewegung nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteilwurde, da im Grunde nur sogenannte possessory credits796 pauschal vergeben werden, die dem Regisseur die alleinige Urheberschaft an einem Film zuschreiben. Zumindest konnte für die deutschen Drehbuchautoren ein Etappensieg erreicht werden, denn mit der Novellierung des deutschen Filmförderungsgesetzes im Juni 2013 steht den Kreativen endlich ein Sitz im Präsidium der »Filmförderanstalt« zu.797 Der Drehbuchautor sollte allgemein durch Preisverleihungen, Filmkritik oder in Programmheften stärker gewürdigt werden. Er sollte als Miturheber und geistiger Schöpfer des Films anerkannt und es sollten Minimalverträge nach US-Vorbild mit ihm verhandelt werden.798
Z usammenfassung – D ie verlorene A ur a des D rehbuchautors in den USA und in D eutschl and seit den 1960 er J ahren Der Drehbuchautorenberuf wurde in diesem Kapitel im Spannungsfeld der sich verändernden Produktionskontexte und neuer Medienlandschaften wie dem Fernsehen als Kulturberuf verortet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert wandelte sich das berufliche Ansehen, weil der global erfolgreiche Autorenfilm den Regisseur in den Mittelpunkt der Filmproduktion rückte. Seit den 1960er Jahren orientierten sich Drehbuchautoren zunehmend an künstlerischen Rollenvorbildern und definierten sich als autonomer und schöpferischer Filmkünstler-Beruf. Die Idee einer Autorenfunktion im Film, die in 795 | Vgl. Federation of Screenwriters in Europe, Policy Paper 2007, http://www.drehbuchautoren.de/files/filmpolitik/international/fse/02_FSE_Policy_Paper.pdf, eingesehen am 25.8.2015. 796 | »Directors’ Guild of America« kann in Hollywood die Namensnennung in Extra-Verträgen für Autor-Regisseure fest zuschreiben. Bspw. mit »Ein Film von…«, »A Film by …« oder »Alfred Hitchcock’s Psycho«. 797 | Die Urheberverbände VDD, Regieverband BVR, AG Kurzfilm und AG Dok erhielten einen gemeinsamen Sitz. 798 | Vgl. Federation of Screenwriters in Europe, Policy Paper 2007.
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der Folge durch den Regisseur wahrgenommen wurde, galt als Abgrenzung vom standardisierten und konventionellen Hollywoodfilm und spiegelte die moderne Kulturkritik. Das heißt, dass der Beruf des Drehbuchautors sich wieder am Vorbild des freischaffenden, bürgerlichen Künstlers mit Verfügungsgewalt über die eigene kreative Leistung anlehnte. Mittels dieser individuellen, berufsmäßigen Strategie wurde bis in die Gegenwart versucht, professionelle Handlungsräume selbst zu regeln und zu steuern. Dabei wurde diese berufsförmige und teils individualistische Strategie in den USA mit der bewährten gewerkschaftlich-kollektiven Professionalisierungsstrategie verknüpft. Daraus ergaben sich zwei parallel existierende, mitunter verschränkte Verberuflichungsstrategien des Drehbuchautors in den USA und in Deutschland. Diese richteten sich auch gegen die Aufwertung des Regisseurs als auteur des Films. Die Autorenfilmbewegung ging nämlich auch mit einem gewissen Status- und Prestigeverlust für Drehbuchautoren einher. In den USA und in Europa avancierte der Autorenfilm zu einem erfolgreichen Phänomen, der sich ausgehend von Frankreich zu einer globalen Filmbewegung entwickelte. Nouvelle Vague, New Hollywood oder Neuer Deutscher Film entwickelten sich zu Markenzeichen eines neuen innovativen Kinostils und zum Ausdruck eines veränderten Organisations- und Produktionsprinzips. So hatte in Deutschland und in den Vereinigten Staaten seit den 1960er Jahren eine künstlerische Aufwertung des Regisseurs eingesetzt, der nun als auteur oder als Autor-Regisseur angesehen wurde. Diese Entwicklungen warfen die Professionalisierung, Spezialisierung und Akademisierung des Drehbuchautorenberufs aber allgemein wieder zurück, da dessen ureigene professionelle Aufgabengebiete durch die Regisseure besetzt wurden. Es zeigte sich, dass der Drehbuchautor von der künstlerischen Aufwertung des Autorenfilms kaum profitierte und bis in die 1980er Jahre besonders in Deutschland ein berufliches Schattendasein fristete. Erst in den 1980er Jahren wurde in der Bundesrepublik durch die Neugründung des »Verbandes Deutscher Drehbuchautoren« das professionelle Berufsethos und die Tätigkeit des Drehbuchschreibens wieder zu einem eigenständigen anerkannten Berufszweig, der an Hochschulen als eigener Fachbereich angesiedelt war. Deutsche Drehbuchautoren operierten mit einer künstlerisch-berufsmäßigen Strategie, um ihren Status und ihre Lage zu verbessern. Da Gewerkschaften hier nicht als Berufsvertretung akzeptiert wurden, ist es bis heute nicht zu einem Abschluss allgemeinverbindlicher Mindestvergütungsverträge für die deutschen Drehbuchautoren gekommen. In den USA war seit Beginn der 1940er Jahre die Machtposition der Drehbuchautoren durch die kollektive, gewerkschaftliche Strategie mittels Streiks weiter gestärkt worden. In beiden Ländern bediente man sich seit 1945 zunehmend einer individuell-berufsmäßigen Rhetorik hinsichtlich der Begründung professioneller Anliegen. Der Drehbuchautorenberuf ist bis heute durch hybride berufliche Rollenbilder und unterschiedliche Aufgabenbereiche charakterisiert, die zwischen den
Zusammenfassung – Die verlorene Aura des Drehbuchautors
Polen eines angestellten, handwerklichen Auftragsarbeiters in der arbeitsteiligen Kulturindustrie und eines autonom künstlerisch agierenden, freischaffenden Schriftstellers oszillieren.
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8. Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick Die vorliegende Arbeit hat den Beruf des Drehbuchautors aus sozialgeschichtlicher Perspektive betrachtet. Seine Berufsgeschichte im 20. Jahrhundert wurde vergleichend für die Vereinigten Staaten und für Deutschland untersucht. Es wurde gezeigt, wie sich der Drehbuchautor zu einem spezialisierten Kulturberuf im Bereich der kommerzialisierten, großbetrieblichen und rationalisierten Filmindustrie entwickelte. Als methodischer Zugang diente die historische Professionalisierungsforschung, die die heuristischen Kategorien für eine Berufsgeschichte des Drehbuchautors lieferte. Im Rahmen einer allgemeinen Sozial- und Kulturgeschichte des Films konnte die Studie ferner Aufschluss über den Status sowie die mannigfaltigen Beziehungen zwischen Medienberufen und ihren beruflichen wie sozialen Rollen, Identitäten, Werten und Vorstellungen in modernen Gesellschaften geben. Der Drehbuchautorenberuf bildete sich seit den 1910er Jahren im Zuge der Entwicklung einer großbetrieblichen, industriellen Produktionsweise mit rationalisierter Arbeitsteilung heraus. Anfänglich waren die beruflichen Anforderungen und Tätigkeitsfelder in der Filmproduktion noch unscharf und wenig ausdifferenziert. In Deutschland wie in den USA war die Tätigkeit des Szenaristen durch vielfältige berufliche Funktionen und Aufgaben geprägt. Die Durchsetzung des fiktionalen Langspielfilms führte seit Mitte der 1910er Jahre zu einer Spezialisierung des Berufs. Der Szenarist oder Manuskriptschreiber verfasste Szenarien, (Zwischen-)Titel oder Dialoge für Stummfilme.1 Grundsätzlich waren Szenarien knappe, prosaische Szenenbeschreibungen für die noch kurzen Spielfilme, deren literarische Vorlagen aus vielfältigen literarischen Erzeugnissen oder aus der Presse stammten. Das Szenarium besaß bis in die 1920er Jahre noch keine standardisierte oder kodifizierte Form, da die Ein- oder Zweiakter der Stummfilmzeit meist durch Improvisation vor der Kamera entstanden und aufgrund ihrer Kürze noch keiner detaillierte Niederschrift des plots oder ausformulierter Dialoge bedurften. 1 | Der Begriff Stummfilm ist eigentlich irreführend, denn »Stummfilm war niemals stumm». Lensing, Jörg U., Sound-Design, Sound-Montage, Soundtrack-Komposition. Über die Gestaltung von Filmton, 2. Aufl., Berlin 2009, S. 152.
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Erst seit der Einführung des Tonfilms um 1927 und mit zunehmender Filmlänge, die zu einer Steigerung des arbeitsorganisatorischen wie finanziellen Aufwands der Filmproduktion führte, wurden lange »Filmtexte«, also niedergeschriebene Erzählungen, als Blaupause und planerische Komponente in der Filmherstellung unverzichtbar. Das Drehbuch wurde zu einer kodifizierten, eigenständigen, literarischen Gattung, die von professionellen Autoren mit speziellem Wissen und besonderen Kenntnissen angefertigt wurde. Davon lässt sich allerdings keine geradlinige Entwicklung hin zu einer Standardisierung der Anforderungen an Drehbücher in den USA und Deutschland ableiten, sondern je nach Funktion, Aufgabe und den herrschenden Produktionskontexten war die äußere Gestaltungsweise und Funktion von Drehbüchern durchaus verschieden. Drehbücher konnten in Form einer prosaartigen Kurzgeschichte wie beim literarischen Szenarium gehalten sein; aus ein, zwei oder mehr Spalten bestehen oder mehr oder weniger detailreiche, technische Anweisungen für den Regisseur und Kameramann auflisten. Welche »Form« für ein Drehbuch favorisiert wurde, hing mit den Bedürfnissen der Produzenten, den herrschenden Zensurvorgaben sowie politischen Weisungen zusammen. Außerdem war es ein Unterschied, ob die Drehbuchautoren abhängig beschäftigt oder freiberuflich tätig waren. Drehbuchautoren bedienten sich traditioneller Vorstellungen von Kunst- und Kulturberufen. Sie zelebrierten Werte der freien Schriftsteller und veränderten diese zugleich. Vorstellungen und Ideen des Schriftstellerberufs wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder herausgefordert. Berufliche Autonomie, künstlerische Freiheit und schöpferische Originalität waren Idealvorstellungen freiberuflicher Tätigkeit, die in dem arbeitsteiligen Produktionsprozess der Filmstudios seit den 1920er Jahren kaum zum Tragen kamen. Der Drehbuchautor wurde zu einem angestellten, routinierten, »handwerklichen« Auftragsschreiber, der zeichenbearbeitende, planerische und vorbereitende Funktionen in der Stoffentwicklung übernahm und oft weniger autonom als weisungsabhängig handelte. Drehbuchautoren galten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts als angestellte Auftragsarbeiter in den hierarchischen und rationalisierten Filmunternehmen. Als Angestellte waren sie zwar grundsätzlich mit der Stoffentwicklung, also mit einer kreativen, schriftstellerischen Tätigkeit betraut, aber sie konnten im arbeitsteiligen Filmbetrieb die Integrität und Kontrolle über ihr geistiges Werk oftmals nicht bewahren. Spätestens in den 1930er Jahren war der Drehbuchautor zu einem spezialisierten Vollzeitberuf geworden, der in den arbeitsteiligen Hollywoodstudios oder in der deutschen UFA als Angehöriger einer betrieblichen, kreativen Mittelklasse mit strategischen Qualifikationen und einer gewissen Expertise in der arbeitsteiligen Filmproduktion unverzichtbar geworden war. In den Drehbuchautorenabteilungen der Studios wurden die zahlreichen künstlerischen und schöpferischen Beiträge der writing teams in der Stoffentwicklungsphase koordiniert und Drehbuchautoren arbeiteten sogar, ohne voneinander zu wissen, an derselben Filmhandlung oder Dialogpassage. Sie wussten,
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
dass sie ihre beruflichen Handlungsregeln nicht selbst bestimmen konnten. Viele arbeiteten wie jeder Angestellte im Betrieb von 9 bis 17 Uhr und gaben die Drehbuchseiten an die Sekretärin weiter. Das geistige Eigentum am Drehbuch ging automatisch in den Besitz der Studioproduzenten über. Es war also keineswegs sicher, ob der erdachte Film je produziert würde und inwieweit er später der eigentlichen filmischen Vorlage glich. Aus dieser Diskrepanz heraus und aus dem Umstand, dass die Drehbuchautoren in der klassischen Studioperiode in den 1920er bis 1940er Jahren ihre Arbeits- und Vertragsverhältnisse in der einen oder anderen Weise als ungerecht und unangenehm empfanden, erwuchs eine große Unzufriedenheit innerhalb der Berufsgruppe. Vielfach wurde Drehbuchautoren ihr durch Leistung begründetes Anrecht auf Namensnennung im Vor- oder Abspann abgesprochen. Namensnennungen wurden immer wieder willkürlich vergeben. Die angestellten Auftragsarbeiter verloren so ihr berufliches Ansehen und mussten in Drehbuchkonferenzen ihre beruflichen Handlungsspielräume gegenüber den Produzenten mühsam erkämpfen. Aus diesen Gründen entschieden sich Schriftsteller manchmal freiwillig dagegen, namentlich im Abspann ihrer geschriebenen Filme genannt zu werden. Um ihre künstlerische Integrität zu wahren, wollten sie ihren Namen nicht für Filme zur Verfügung stellen, die sie nicht verantworteten. Viel häufiger kam allerdings das Gegenteil vor: Drehbuchautoren wurde die Namensnennung verweigert, da der Produzent sie einem befreundeten Autor, sich selbst oder dem Regisseur zugesprochen hatte oder die Nennung des tatsächlichen Verfassers aufgrund schwarzer Listen nicht mehr möglich war. Analog zu den klassischen Professionen konnten US-Drehbuchautoren ihren Status und ihre soziale Lage dennoch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs schrittweise verbessern. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Professionalisierung war die Gründung von Berufsverbänden, die 1919 in Deutschland und 1920 in den USA mit ähnlichen Zielsetzungen ins Leben gerufen wurden, nämlich um die beruflichen Interessen kollektiv zu vertreten. Seit 1933 schlugen die Berufsverbände in beiden Ländern unterschiedliche Richtungen ein. Der deutsche Verband wurde in der Reichskulturkammer gleichgeschaltet. Die Nationalsozialisten brachten den gesamten Kulturbereich schnell unter ihre Kontrolle und vertrieben oder ermordeten »nicht-arische« oder kritische Filmschaffende. Der deutsche Filmautorenverband wurde in die Zwangskorporation der Reichsschrifttumskammer aufgenommen, die nun über die Berufsausübung der Drehbuchautoren wachte. Nach 1945 konnten Drehbuchautoren in der Bundesrepublik bis in die 1980er Jahre hinein keinen neuen Berufsverband gründen. Strategisch waren sie seit den 1960er Jahren aufgrund der Strahlkraft der Autor-Regisseure gehemmt. In der Nachkriegszeit wurde in beiden deutschen Staaten eine differenzierte und kritische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Berufs – wie in so vielen anderen Berufsfeldern auch – unterlassen, sodass viele ehemalige NS-Kulturfunktionäre und Drehbuchautoren in der BRD unbehelligt weiterwirkten. So konnte auch die
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überzeugte Nationalsozialistin Thea von Harbou bis zu ihrem Tode 1954 weiter Filmmanuskripte verfassen. Erst Anfang der 1990er Jahre gelang mit der Gründung des »Verbandes deutscher Drehbuchautoren« ein Anschluss an die US-amerikanische Entwicklung und an den durch die Nationalsozialisten unterbrochenen historischen Pfad einer deutschen berufsständischen Organisation. Der Transfer der französischen Autorenfilmbewegung in die Bundesrepublik und in die USA führte zu einer Renaissance der berufsförmigen, künstlerischen Strategie der Drehbuchautoren. Die Betonung künstlerischer Aspekte im Kino anstelle primär unterhaltender Funktionen und standardisierter Hollywood-Genrefilme war als Verkaufsstrategie besonders für die Regisseure des New Hollywood in den 1970er Jahren vielversprechend. Dies hatte allerdings für den Drehbuchautor zur Folge, dass der Beruf in der öffentlichen Meinung und Gesellschaft zunehmend in den Schatten der Autorenfilmer, also der Regisseure, geriet. Den Autor-Regisseuren wurde nun nicht nur eine inszenatorische, sondern eine schriftstellerische Auteur-Funktion zugedacht. Ausgehend von der Frage, welche Stellung und Position Drehbuchautoren in der arbeitsteiligen Filmindustrie innehatten, zeigte sich, dass diese in Deutschland und in den USA unterschiedliche Professionalisierungsstrategien benutzten, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, einen höheren sozialen Status und eine vorteilhaftere berufliche Stellung zu erreichen. Es wurde dargelegt, wie und wann sich die Berufsgruppe mit welchem Verberuflichungsmodell erfolgreich durchsetzte und wie sich der Beruf innerhalb der arbeitsteiligen Kulturindustrie zu einem anerkannten professionellen Kreativberuf wandelte. Die Drehbuchautoren agierten mit zwei grundlegenden Strategien der Verberuflichung: erstens der kollektiven, gewerkschaftsähnlichen Strategie, deren Ziel es war, gemeinsame, tarifliche Mindestvergütungssätze sowie bessere Arbeitsund Vertragsbedingungen mittels einer starken gewerkschaftlichen Organisation durch Streiks oder zumindest Streikandrohungen zu erreichen. Zweitens mithilfe einer berufsförmigen, individuell-künstlerischen Strategie, die, angelehnt an die freien oder bürgerlichen Berufe und deren professionalistische Strategien, die fachlichen und künstlerischen Aspekten der Tätigkeit betonte und die Autorrechte der Drehbuchautoren stärken sollte. Die gewerkschaftliche, kollektive Strategie verfolgten Drehbuchautoren besonders zwischen 1920 und 1950, als sie vorwiegend in abhängigen Angestelltenverhältnissen in großbetrieblichen Produktionsfirmen tätig waren. Diese Strategie wurde bevorzugt, wenn Drehbuchautoren eher handwerkliche, vorstrukturierende, routinemäßige Tätigkeiten als Auftragsarbeiter ausführten. Die Strategie des collective bargaining wurde deshalb genutzt, um die kreative Klasse der Drehbuchautoren in der Filmindustrie weitestgehend arbeits- und vertragsrechtlich zu stärken. Dadurch wurde der kreative Anspruch des Drehbuchautors als Angestellter der betrieblichen Mittelschicht zu einem gewissen Grade nivelliert und die Tätigkeit weniger als künstlerischer, freier Schriftstellerberuf mit professionellen Sonderrechten, wie die klassischen Professionen sie innehatten, be-
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
trachtet. Die arbeits- und vertragsrechtlichen Sonderbestimmungen der talented class in Hollywood wurden durch ein hohes Honorar und nach oben offene Mindestvergütungsregeln ergänzt, um die Sonderstellung der kreativen Mitarbeiter in den Filmstudios im Gegensatz zu den einfachen Angestellten/Arbeitern zu betonen. Diese kollektive, gewerkschaftsähnliche Strategie war eine Besonderheit der Drehbuchautoren in den USA, die sich in Deutschland nie in diesem Maße entfalten konnte. Diese abhängige Beschäftigung und Teamarbeit wurde besonders im arbeitsteiligen Studiobetrieb in Hollywood bis 1950 zum Leitmotiv der kreativen Angestellten in der modernen Kulturindustrie. Hollywood wurde daneben von der deutschen UFA als arbeitsorganisatorisches Vorbild angesehen. Im kommerziellen Studiogroßbetrieb lag es nahe, dass auch die talent guilds arbeits- und vertragsrechtliche Forderungen der einfachen Angestellten und Arbeiter nachahmten und weniger auf individuelle Autor- und Moralrechte oder geistige Eigentumsrechte setzten. So konnten die amerikanischen Drehbuchautoren 1942 ihre ersten industrieweiten Mindestvergütungsregeln (Minimum Basic Agreement) aushandeln. Diese ähnelten gewerkschaftlichen Tarifverträgen mit dem Unterschied, dass es zusätzlich die Möglichkeit gab, höhere Honorarsätze festzulegen. Diese kollektive gewerkschaftliche Strategie hatten die Drehbuchautoren von ihren Berufskollegen an der Ostküste abgeschaut, wo bereits die Schauspieler Ende der 1910er Jahre beim Battle of Broadway gestreikt und die Dramatiker 1926 eigene Mindestvergütungsregeln ausgehandelt hatten. Die gewerkschaftliche Strategie der Drehbuchautoren wurde nicht nur von den Schriftstellern der nordamerikanischen Ostküste, sondern auch von den deutschsprachigen Exilschriftstellern in Los Angeles zunehmend hinterfragt. Es war keineswegs von Anfang an klar, dass die fest angestellten Drehbuchautoren in Hollywood diesen Weg einschlagen würden, denn Ende der 1920er Jahre hatte sich die »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« als konkurrierender Berufsverband für alle Kreativsparten in Hollywood etabliert. Außerdem waren die Produzenten gegen eine gewerkschaftliche Organisation der Kreativen, da sie Tarifverträge und mögliche Streiks abwehren wollten. Demzufolge waren die, von einem Teil der Autoren favorisierten, gewerkschaftlichen Strategien ein rotes Tuch für viele Berufsvertreter, denn sie sahen sich als Above-the-line-Angestellte beziehungsweise Künstler und wollten sich nicht auf eine Stufe mit den proletarischen Arbeitern und dem technisch-handwerklichen Personal stellen. In Hollywood existierte wie auch in Deutschland die sogenannte »Kragenlinie« zwischen den besser gestellten Angestellten und den Arbeitern. Sie führte sogar dazu, dass sich 1936 ein konservativ-elitärer Konkurrenzverband zur »Screen Writers’ Guild« gründete und sich die Anerkennung der Drehbuchautorengilde als legitime Berufsvertretung aller Drehbuchautoren in Hollywood um zwei Jahre verzögerte. Diese Aushandlungsprozesse innerhalb der Berufsgruppe spiegeln die vielgestaltige, differenzierte berufliche Identität der Drehbuchautoren wider. Deren be-
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rufliche Anforderungen, Funktionen und Wissensbestände waren inkonsequent und die eigene berufliche Rolle und Funktion glich einer Mischung aus angestellten, mit »handwerklichen« Tätigkeitsabläufen, zeichen- und informationsverarbeitenden Auftragsarbeitern und freiberuflichen Schriftstellern. In Deutschland etablierte sich der Drehbuchautorenberuf ebenfalls Mitte der 1910er Jahre. Das Ringen um eine berufliche Interessenvertretung wurde mit der Gründung des Berufsverbandes »Verband deutscher Filmautoren« im Jahr 1919 entschieden. In den 1920er Jahren versuchte der Drehbuchautorenverband – eine Dekade früher als sein Pendant in den USA – Anschluss an die allgemeine Gewerkschaftsbewegung zu finden und sich in der »Deutschen Filmgewerkschaft« zu organisieren. Hier schlug der Versuch, mit der Gewerkschaftsbewegung zu paktieren, fehl. Obwohl die geistigen Arbeiter Ende der 1920er Jahre stark von der Wirtschaftskrise betroffen waren, konnten sie ihre divergenten Berufsvorstellungen nicht mit den Zielen der Gewerkschaftsbewegung verbinden. In der Weimarer Republik war die »Kragenlinie« noch stärker ausgeprägt und politisiert als in den USA. Sie verhinderte ein fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den bildungsbürgerlich orientierten Autoren und den organisierten Arbeitern, die ihrerseits wenig Gemeinsamkeit mit den Intellektuellen entdecken konnten und diese bald nach der Revolution 1919 nicht mehr in die eigenen Reihen aufnehmen wollten. Diese strikte Trennung hatte ihre Ursache auch darin, dass das deutsche Kino von Beginn an mit einem humanistischen Bildungsideal verknüpft wurde und von Politikern und Vertretern der Elite weniger als Ort populärer Unterhaltung galt, sondern eher als Lehranstalt bürgerlicher Moralvorstellungen. Als beispielsweise etablierte Schriftsteller zu Autorenfilmern in den 1910er Jahren wurden und den traditionellen Literaturkanon verfilmen sollten, galt die filmische Stoffentwicklung als ein Mittel gegen den grassierenden „Schund und Schmutz« im Kino. Die Szenaristen waren für die Verbesserung der Qualität des Kinos und die Erziehung der Zuschauer verantwortlich und sollten Filme für bürgerliche Schichten herstellen. Das Berufsbild des Drehbuchautors blieb in Deutschland stärker den Auffassungen der freien Schriftstellerberufe verhaftet und löste sich nur langsam von bildungsbürgerlichen Vorstellungen. Ein weiterer Grund war, dass die deutsche Filmindustrie vielerorts noch länger dezentral und kleinbetrieblich organisiert war und deshalb eine großbetriebliche und rationalisierte Massenproduktion später als in den USA einsetzte. Drehbuchautoren waren grundsätzlich entweder hauptberufliche Studioangestellte oder freiberuflich tätig. In Deutschland überwog das Freiberufler-Modell. Dadurch wurde der Drehbuchautor an den Kriterien schöpferischer Originalität und kreativer Autonomie gemessen und oftmals mit Dramatikern oder Schriftstellern verglichen, was dann das »Filmstück« in die Nähe des bürgerlichen Theaters rückte. Zugleich wurde eine spezialisierte, berufsmäßige Professionalisierungsstrategie verzögert und erschwert. Die Idee, bildungsbürgerliche Werte im Kino zu transportieren und damit mehr bürgerliche Zuschauer für das mutmaßlich »proletarische Medium« zu interessieren, überwog bis in die 1920er Jahre.
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
Allgemein wurde der Beruf des Drehbuchautors in Deutschland in die gesamtgesellschaftliche Diskussion über den »Kunstwert« des Kinofilms und die Nationalisierung der Kinoindustrie eingebettet. Szenaristen sollten besser ausgebildet und qualifiziert werden, um mithilfe des Drehbuchs als »quasi-literarischer« Filmvorlage der deutschen Kinoindustrie mit Blick auf die starke europäische oder US-amerikanische Konkurrenz zu weltweitem Erfolg zu verhelfen. Diese enge Bindung an literarische Traditionen behinderte in den 1920er Jahren den Anschluss der Drehbuchautoren an die Gewerkschaftsbewegung. Reformpädagogische und moralisierende Diskurse bestimmtendie sogenannte »Kinofrage«. Die Nationalsozialisten zerstörten die Anfänge einer selbstbewussten gewerkschaftsmäßigen Organisation der deutschen Filmautoren. Der »Verband deutscher Filmautoren« war seit seiner Gleichschaltung 1933 nicht mehr in der Lage, die berufsständischen Interessen der Drehbuchautoren autonom zu vertreten und ein professionalistisches Standesbewusstsein zu erzeugen, obwohl die Forderungen und Entwicklung der Drehbuchautorenverbände in den USA und Deutschland ursprünglich recht ähnlich gewesen waren. In der Nachkriegszeit kam es schließlich zum Zusammenbruch des Studiosystems in den USA. Seit 1948 gewannen unabhängige Filmproduzenten mehr Einfluss. Drehbuchautoren wurden »freigesetzt« und waren nunmehr freiberuflich, projektbasiert tätig. Die US-amerikanischen Drehbuchautoren versuchten auf dieses Problem mithilfe einer alternativen Professionalisierungsstrategie zu reagieren. Sie kämpften mittels künstlerischer und individualistischer Berufsvorstellungen obwohl sie bis dahin von der gewerkschaftlichen, kollektiven Strategie profitiert hatten. Nun war eine künstlerische Rhetorik gefragt, die Originalität, Filmurheberschaft, Autor- und Moralrechte sowie Verfügungsgewalt über das eigene Werk und kreative Handlungsfreiheit als maßgebliche Kategorien des Berufs betonte. Diese künstlerischen Konzepte und Argumentationsmuster wurden ebenso von angestellten Drehbuchautoren benutzt und standen nicht mehr nur den freiberuflichen Schriftstellern zur Verfügung. Drehbuchautoren, die keine festen Arbeitsverträge besaßen, waren häufig auf Aufträge angewiesen, bei denen Agenten als Vermittler fungierten. Sie mussten Geldgebern ihre Filmideen unterbreiten und spekulativ schreiben, ohne dass die Abnahme und Herstellung des Drehbuchs gesichert war. Obwohl in den USA bereits die kollektive, gewerkschaftliche Verberuflichungsstrategie erfolgreich eingeschlagen worden war, wurde eine Adaption der individuell-künstlerischen, berufsbezogenen Strategie seit Ende des Zweiten Weltkriegs als vielversprechende Alternative angesehen, die den neuen Produktionsbedingungen der Drehbuchautoren in der Nachkriegszeit und in der Ära des Autorenfilms entgegenkam. Betrachtet man die Qualifizierung und Ausbildung der US-Drehbuchautoren, so kann man feststellen, dass weder die Ausbildung noch die fachliche Qualifikation formalisierten Regelungen und strengen Zugangsbeschränkungen unterlagen und bis heute unterliegen. Wer sich als professioneller Drehbuchautor be-
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zeichnen wollte, musste Mitglied in der »Writers’ Guild of America« werden. Die berufliche Vorbildung und Qualifikation war zweitrangig, denn die Drehbuchautorengilde nahm jeden als Mitglied auf, der einen Vertrag für ein Drehbuch mit einem Filmunternehmen abgeschlossen hatte oder bei einem Filmunternehmen angestellt war, welches das Mindestvergütungsabkommen mit der Gilde unterzeichnet hatte.2 Seit den 1960er Jahren war besonders die Rolle des Regisseurs durch die Autorenfilmbewegung aufgewertet worden. Dies stellte in der Folge ein Problem für die Drehbuchautoren dar. Filmkritiker und Zuschauer verstanden unter dem Signum Autorenfilm eine Erneuerung des Nachkriegskinos und eine Alternative zum standardisierten, konventionellen Hollywoodfilm der Studioära. Die gestiegene Bedeutung des Autor-Regisseurs3 wurde als Garant für die Erneuerung der Kinokultur verkauft. Problematisch war die Tatsache, dass der Siegeszug des Autorenkinos im Grunde einen Gewinn für den Regisseur darstellte, während Drehbuchautoren und die gesamte Stoffentwicklung zunehmend marginalisiert wurden. Der Drehbuchautor stand in der Ära des New Hollywood und des Neuen Deutschen Films im Schatten der von der Filmkritik und Filmwissenschaft gelobten Person des Filmschöpfers beziehungsweise des auteurs, der vorrangig als Regisseur zugleich mit Stoffentwicklung und Inszenierung des Films betraut wurde und neue innovative Filme fernab der Hollywoodstandards hervorbrachte beziehungsweise hervorzubringen versprach.4 Wenngleich auch die US-amerikanischen Drehbuchautoren vermehrt im Schatten der Regisseure standen, wurde ihr Beruf in den USA vergleichsweise gut vergütet. Die beruflichen Regeln und Beziehungen der Berufsangehörigen werden bis heute durch den mächtigen Berufsverband »Writers’ Guild of America« und seine Errungenschaften geprägt. Insofern kann konstatiert werden, dass sich die US-Drehbuchautoren ihre berufliche Freiheit und kreative Selbstbestimmung durch hohe Honorare zu einem gewissen Grad abkaufen ließen.
2 | Die WGA legt 24 »writing units« zugrunde, um Vollmitglied zu werden. Wobei ein Drehbuch 24 Einheiten und eine Woche Anstellung beim Film zwei Einheiten entsprechen. Vgl. Writers Guild of America West (Hrsg.), Guide to the Guild, http://wga.org/uploadedFiles/ who_we_are/fyi09.pdf, eingesehen am 27.8.2015, S. 16f. 3 | Zur Auteur-Funktion des Regisseurs vgl. Blamberger, Günter / Bohnenkamp, Björn, Autor/Star, in: Liebrand, Claudia / Schneider, Irmela et al. (Hrsg.), Einführung in die Medienkulturwissenschaft, Münster 2005, S. 245-256, hier S. 248f und Gaut, Barry, Film Authorship and Collaboration, in: Allen, Richard / Smith, Murray (Hrsg.), Film Theory and Philosophy, Oxford 1997, S. 149-172. 4 | Vgl. Crofts, Stephen, Authorship and Hollywood, in: Wide Angle. A Film Quarterly of Theory, Criticsm and Practice, Bd. 5 (1983) H. 3, S. 16-22 und Tieber, Claus, Schreiben für Hollywood. Das Drehbuch im Studiosystem, Berlin-Wien 2008 (=Filmwissenschaft Bd. 4), S. 18-22.
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
Die historische Entwicklung des Drehbuchautors in Deutschland nahm seit 1933 Jahren einen anderen Verlauf. Die Autoren mussten seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten einen steinigen Weg mit vielen Rückschlägen zurücklegen. Die politisch-ideologische Beeinflussung des Berufs durch die Nationalsozialisten führte zur Einebnung der künstlerischen und beruflichen Freiheiten. Damit wurde nicht nur die autonome Berufsausübung unterminiert und diese der völkisch rassistischen Ideologie unterstellt. Der Drehbuchautor wurde zu einer unfreien Profession.5 Mehr als das: Nicht systemkonforme und jüdische Berufskollegen wurden vertrieben oder getötet. Die systematische Kontrolle durch die Reichskulturkammer und die zentrale Stellung des Films im Propagandaministerium führten dazu, dass die Drehbuchautoren im Nationalsozialismus als kulturelle Auftragsarbeiter und willfährige Ideologievertreter im Sinne der NS-Führung die staatliche Filmindustrie und ihre Propagandafunktion direkt oder indirekt unterstützten. In diesem perfiden System von Macht, Kontrolle und Zensur konnten künstlerische Handlungsfreiheit oder ein autonomes Berufsverständnis kaum aufrechterhalten werden. Viele Drehbuchautoren im Nationalsozialismus waren parteinahe Konformisten und Nutznießer der gleichgeschalteten Filmindustrie sowie der »Arisierung« der Branche. Allerdings waren nicht alle NS-Berufsvertreter glühende Anhänger des Nationalsozialismus. Einige verschrieben sich einer inneren Emigration, manche übten fortan andere Brotberufe aus, um nicht in Konflikt mit dem Regime zu geraten, doch der eigene Handlungsradius wurde so eng, dass eine Opposition gegen das Regime aus dem Beruf heraus beinahe unmöglich war. Viele jüdische Schriftsteller flohen ins Ausland und gelangten in letzter Sekunde durch rettende Visa in die USA, wo sie oftmals beim Film in Hollywood als Drehbuchautoren unter Vertrag genommen wurden.6 Einige der emigrierten Autoren, die in Hollywood ein Weimar unter Palmen7 schufen, waren erfolglos und konnten sich nicht an die Arbeitsbedingungen der großbetrieblichen Studios gewöhnen. Die Arbeitsteilung, die Anonymität sowie die Stechuhrmentalität zwangen die Autoren, ihre bisherigen Vorstellungen von Schriftstellerei zu hinterfragen. Sie mussten sich an die Regeln einer großbetrieb5 | Vgl. Jarausch, Konrad, Die unfreien Professionen. Überlegungen zu den Wandlungsprozessen im deutschen Bildungsbürgertum 1900-1955, in: Kocka, Jürgen (Hrsg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich. Band 2 Wirtschaftsbürger und Bildungsbürger, Göttingen 1995, S. 200-220. 6 | Vgl. Horak, Jan-Christopher, Exilfilm. 1933-1945, in: Jacobson, Wolfgang / Kaes, Anton / Prinzler, Hans Helmut (Hrsg.), Geschichte des deutschen Films, 2. akt. u. erw. Aufl., Stuttgart 2004, S. 99-116. 7 | Vgl. Bahr, Ehrhard, Weimar on the Pacific. German Exile Culture in Los Angeles and the Crisis of Modernism, 2. Aufl., Los Angeles-London 2008, S. 3-18 und Gumprecht, Holger, »New Weimar« unter Palmen. Deutsche Schriftsteller im Exil in Los Angeles, Berlin 1998.
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lich organisierten Kulturindustrie anpassen und lernen, den Drehbuchautorenberuf als Brotberuf, nicht aber als eine künstlerische Berufung zu betrachten.8 Im kommunistischen Europa und in der DDR dominierten staatliche Organe die Berufsausübung und das Berechtigungswesen und übten dadurch direkten Einfluss auf die Funktion, die Aufgabenbereiche und die Inhalte des Drehbuchautorenberufs aus. Aus dem vornehmlich kreativen Spezialisten des Drehbuchautors wurde ein vorstrukturierender, planender, politisch konformer Auftragskünstler, der Weisungen der Zensurinstitutionen und staatliche Planvorgaben erfüllen musste. In der DDR wurden Drehbuchautoren durch die politischen Vorgaben der SED-Parteiführung und des Ministeriums für Kultur auf eine ideologische und politische Funktion reduziert. Drehbuchautoren wurden in der herrschenden Ideologie zu Vordenkern eines »neuen« sozialistischen Filmschaffens im Sinne des propagierten Diktums des Sozialistischen Realismus. Ihre soziale Stellung war recht hoch und ihr Beruf sehr gut vergütet, doch wurden Honorare und Gehälter nur nach Abnahme der Drehbücher oder seiner Vorstufen ausgezahlt. Drehbuchautoren konnten jederzeit entlassen werden, wenn ihre Arbeit nicht den politischen oder ästhetischen Ansprüchen der Zensurgremien genügte.9 Für die DDR konnte gezeigt werden, dass der politische Einfluss gar ein eigenes, am sowjetischen Vorbild orientiertes Drehbuchgenre und eine neue Berufsgruppe innerhalb der Filmindustrie hervorbracht hatte. Das sogenannte literarische Szenarium galt in der DDR als jene »endgültige« Drehbuchfassung, die durch eine institutionalisierte Vorzensur und politische Gremien abgesegnet wurde. Zugleich wurde der Beruf des Dramaturgen als hauptberuflicher Organisator und Kontrolleur der Stoffentwicklung aufgewertet sowie die zentralisierte, formalisierte professionelle Ausbildung für Filmschaffende an der Film- und Fernsehhochschule verwirklicht. Die herausgehobene Stellung des literarischen Szenariums und des Dramaturgen wurde zu einem Alleinstellungsmerkmal der größeren, kommunistischen Filmindustrien in Europa, also der DDR, Sowjetunion oder der Tschechoslowakei.10 Im Hollywood der Nachkriegsjahre war dagegen eine rege antikommunistische Agenda in der Gesellschaft und Politik der Grund dafür, dass linke Dreh8 | Vgl. Scholz, Juliane, Deutsche Drehbuchautoren in Hollywood (1933–1945), in: Löhr, Isabella / Middell, Matthias / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Kultur und Beruf in Europa, Stuttgart 2012, S. 61-67 und Moeller, Hans-Bernhard, Exilautoren als Drehbuchautoren, in: Spalek, John M. / Strelka, Joseph (Hrsg.), Deutsche Exilliteratur seit 1933. Band 1 Kalifornien, Teil 1, Bern-München 1976, S. 676-714. 9 | Vgl. Schönemann, Sybille, Stoffentwicklung im DEFA-Studio für Spielfilme, in: Blunk, Harry / Jungnickel, Dirk (Hrsg.), Filmland DDR. Ein Reader zu Geschichte, Funktion und Wirkung der DEFA, Köln 1990, S. 71-81. 10 | Der state-socialist mode of production bei Szczepanik, Petr, How Many Steps to the Shooting Script? A Political History of Screenwriting, in: Iluminace, Bd. 25 (2013) H. 3, S. 73-98.
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
buchautoren Ende der 1940er Jahre vor den Untersuchungsausschuss des »Komitees für unamerikanische Umtriebe« (»House Committee on Un-American Activities« HUAC) vorgeladen wurden und Filmschaffende zu ihrem Verhältnis zur Kommunistischen Partei und ihren politischen Einstellungen aussagen mussten. Viele der vorgeladenen Filmkünstler waren Drehbuchautoren, die wegen Aussageverweigerung oder Sympathie mit der kommunistischen Ideologie mit einer Gefängnisstrafe und Berufsverboten belegt wurden.11 In der Bundesrepublik geriet der Drehbuchautorenberuf spätestens seit dem Oberhausener Manifest 1962 erneut ins Hintertreffen, denn seine beruflichen Funktionen und Arbeitsbereiche wurden verstärkt vom Regisseur übernommen. Zwar war die bundesrepublikanische Filmförderung, die vielversprechende Projekte herausfiltern sollte, auch auf gute Drehbücher ausgerichtet, in der Öffentlichkeit und Filmkritik wurde aber meist die inszenatorische Leistung des Regisseurs gewürdigt. Die Drehbuchautoren hatten lange Zeit keine so starke Berufsvertretung wie in den USA und waren nicht durch einen Mindestvergütungsvertrag abgesichert wie in der DDR. Ihre berufliche Qualifikation wurde recht spät formalisiert und akademisiert. Filmhochschulen, die zuerst die Regieausbildung und dann den Drehbuchautorenberuf regelten, wurden erst seit den 1990er Jahren eingerichtet. In den USA hatte diese Akademisierung der praktischen Drehbuchautorenausbildung bereits in den 1910er Jahren zaghaft begonnen und wurde erst seit den 1960er Jahren institutionalisiert. Die angeführten Beispiele zeigen die verschiedenen Problemlagen, denen der Drehbuchautor im Laufe des 20. Jahrhunderts ausgesetzt war. Sie offenbaren, dass die zwei vorgestellten Verberuflichungsstrategien historisch gesehen nur annähernd dem abstrakten Idealtyp der Professionalisierung entsprachen und je nach gesellschaftspolitischem Kontext in verschiedenartigen Ausprägungen vorkamen. Äußere Eingriffe in die Berufsausübung, wie kulturpolitische Weisungen, wirtschaftliche Zwänge oder filmästhetische Entwicklungen, wirkten sich auf die Filmindustrie und ihre Mitarbeiter unterschiedlich aus und forderten das berufliche Selbstverständnis der Drehbuchautoren immer wieder heraus. Die aktuellen Themen der europäischen Drehbuchautoren erinnern indes an Kampagnen der ersten Berufsverbände aus den 1920er und 1930er Jahren. Im Jahr 2007 forderten über 9.000 in der »Federation of Screenwriters Europe« (FSE) organsierten Drehbuchautoren in ihrem Screenwriters Manifesto, dass sie als alleinige Filmurheber anerkannt werden und mehr kreative Kontrolle im Produktionsprozess ausüben sollten. In den USA wurde sogar eine Festanstellung für die freiberuflichen Autoren gefordert.12 In Europa erklärten die Drehbuchautoren seither die in den USA bewährte gewerkschaftliche Strategie zum geeigneten 11 | Vgl. Humphries, Reynold, Hollywood’s Blacklist. A Political and Cultural History, 2. Aufl., Wiltshire 2010, S. 32-35. 12 | Vgl. Peterson, Lowell, Time to Think Creatively about the Future of Screenwriting, 2012, http://www.wgaeast.org/blog/?p=581, eingesehen am 30.12.2012.
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Mittel zur Erreichung der anvisierten Ziele. So sollte eine bessere Verhandlungsposition für Drehbuchautoren erreicht werden, denn der jährliche Einkommensdurchschnitt der US-Drehbuchautoren lag 2007 immer noch vier- bis fünfmal höher als der ihrer europäischen Kollegen.13 Beide Verberuflichungsstrategien standen je nach Kontext, beruflicher Rolle und Funktion in einem Spannungsverhältnis zueinander. So dominierte die berufsmäßige, individuell-künstlerische Strategie in beiden Ländern etwa bis zur Einführung des Tonfilms Ende der 1920er Jahre. Darüber hinaus wurde die Hinwendung der deutschen Drehbuchautoren zur Gewerkschaftsbewegung seit der Revolution 1918/19 deutlich, die allerdings schon Mitte der 1920er Jahre wieder zugunsten individuell-berufsständischer Konzepte zurückgefahren wurde. Die US-Drehbuchautoren hingegen operierten seit den 1930er Jahren mit einer kollektiven, gewerkschaftlichen Strategie, die den Drehbuchautoren im Rahmen der betrieblichen Angestelltenschicht zum Aufstieg als kreative Mittelklasse mit speziellen Sonderrechten in Hollywood verhalf. Jene Erfolgsgeschichte einer kollektiven, autonom agierenden Berufsvertretung konnten die deutschen Kollegen seit 1933 nicht verfolgen, denn ihr Beruf wurde von den Nationalsozialisten zwangskorporiert und in der Reichskulturkammer gleichgeschaltet. Die deutschen Berufsvertreter kehrten erst seit den 1980er Jahren wieder auf diesen organisationshistorischen Pfad ihres Berufs zurück und verglichen sich zunehmend mit der amerikanischen Drehbuchautorengilde. Die heuristische Perspektive der historischen Professionalisierungsforschung und die davon abgeleitete Kategorienbildung erwiesen sich als äußerst hilfreich für eine vergleichende Kultur- und Sozialgeschichte des Drehbuchautorenberufs im 20. Jahrhundert. Die Berufsgeschichte zeigte, dass die Merkmale klassischer Professionen für den Drehbuchautor stellenweise praktikabel waren, aber immer wieder von den speziellen Anforderungen der arbeitsteiligen Filmwirtschaft und politischer Einflussnahme durchdrungen und mit den Vorstellungen freier, bürgerlicher Berufe und denen klassischer Professionen vermischt wurden. Einige Merkmale klassischer Professionen fanden sich an verschiedenen Stellen der Berufsgeschichte: Dazu gehörten die Gründung autonomer Berufsverbände oder gewerkschaftlicher Organisationen, der steigende Einfluss der Politik auf die Berufsausübung, Qualifikation und Ausbildung der Drehbuchautoren, die besonders in autoritären oder diktatorischen Gesellschaften vorherrschte, die Formierung einer professionellen Ethik und eines beruflichen Standesbewusstseins, die Forderungen nach arbeits- und vertragsrechtlicher Besserstellung und einer allgemeinen Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage für die Berufsangehörigen. 13 | Vgl. Forderungen auf der Homepage der FSE http://www.scenaristes.org/manifesto. htm, eingesehen am 27.8.2015; http://www.drehbuchautoren.de/files/filmpolitik/international/fse/02_FSE_Policy_Paper.pdf, eingesehen am 27.8.2015, S. 10 und Alberge, Dalya, Give Us the Credits We Deserve, Say Film Writers, in: The Times, 30.6.2007.
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
Ferner können als Professionalisierungsmerkmale die Hinwendung zur Akademisierung des Berufs und die Formalisierung der Wissensbestände durch Weiterbildungsangebote und spezielle Ratgeber gelten. Da die Berufsausübung bis heute nicht an spezielle Titel oder einen höheren, akademischen Abschluss gebunden war, konnten professionelle Schließungsmechanismen und ein autonom geregelter Berufszugang nur ansatzweise beobachtet werden. Der Drehbuchautorenberuf gilt wegen seines wenig formalisierten Berufszugangs und seiner kaum einheitlich geregelten Ausbildung bis heute als möglicher Einstieg in eine Filmkarriere. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts entwickelte sich der Berufszweig zunehmend in spezialisierte, kleinteilige Berufsfelder wie Dialogautor, Dramaturg, script doctor, script editor, polisher oder creative producer. Die Stoffentwicklung entfernte sich immer weiter von den beruflichen Aufgaben des Regisseurs. Besonders durch das Fernsehen entstanden neue spezialisierte Tätigkeitsbereiche. Ausgehend von den Anforderungen an eine tägliche Serienproduktion und ihre kontinuierliche Stoffentwicklung wurde beispielsweise die Drehbuchentwicklung in daily soap operas in einer hierarchischen chain of command in Autorenteams arbeitsteilig organisiert. Beim Fernsehen wurden Drehbuchautoren wieder vermehrt den Weisungen eines kreativen Produzenten unterworfen, hatten aber innerhalb dieses kreativen Teams beträchtliche Handlungsspielräume.14 Deshalb waren Fernsehserien, besonders die seit den 1990er Jahren etablierten Qualitätsserien privater Kabelkanäle sowie die television dramas, auf teamfähige Drehbuchautoren und ihr Know-how angewiesen: »American television drama is of very high quality and is totally writer-driven. It is sometimes argued that feature films produced in Hollywood do not carry cultural values which are specifically American, but are rather produced by an international workforce for an international audience.«15
In großbetrieblich organisierten Kulturindustrien waren und sind kreative Mitarbeiter zwischen ihren beruflichen und kreativen Ansprüchen und den wirtschaftlichen Zwängen des Mediums hin- und hergerissen. Die gegenwärtige Dominanz der US-amerikanischen Film- und Fernsehproduktionen auf dem weltweiten Markt und die Versuche, an deren finanziellen Erfolge anzuknüpfen, zeigt, dass es sinnvoll wäre, weitere kreative Berufsgruppen in der Film- und Fernsehbranche historisch-vergleichend zu erforschen und dazu Erkenntnisse der historischen Professionsforschung und der allgemeinen 14 | Vgl. Neukirchen, Dorothea, Vom Script Editor und anderen neuen Berufsbildern beim Drehbuchschreiben, in: Drehbuchautoren-Scriptguide, 1996/1997, S. 17-22. 15 | Federation of Screenwriters in Europe, Policy Paper 2007, http://www.drehbuchautoren.de/files/filmpolitik/international/fse/02_FSE_Policy_Paper.pdf, eingesehen am 25.8.2015, S. 7
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Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, der Angestellten sowie der Gewerkschaftsbewegung einzubeziehen, um medienhistorische Fragestellungen zu erweitern und diese Berufsgruppen als historisch gewachsene Akteure zu verstehen. Angrenzende Forschungsprojekte könnten sich der historisch-systematischen Untersuchung weiterer Kreativ- und Medienberufe in Film und Fernsehen wie dem Regieberuf oder Produzentenberuf widmen. Darüber hinaus könnte die Berufsgeschichte in weiteren areas für mediale Berufe fruchtbar gemacht werden. Gleichzeitig wären mehr empirische, beziehungs- und transfergeschichtliche Fallstudien in diesem Themenbereich, besonders für ostmitteleuropäische oder südosteuropäische Staaten, wünschenswert.16 Außerdem sollten, im Sinne einer global history der Kulturberufe, auch Filmregionen in Asien, Afrika und Südamerika berücksichtigt werden, um eine differenzierte und vor allem eine vergleichende Erforschung der Probleme und Herausforderungen von Kreativberufen in der modernen und digitalen Kulturindustrie zu eröffnen.
16 | Vgl. Scholz, Juliane, Professionalisierung des Drehbuchautors – Kommunistisches Europa und Hollywood im Vergleich, in: Müller, Dietmar / Siegrist, Hannes (Hrsg.), Professionen, Eigentum und Staat. Europäische Entwicklungen im Vergleich, 19.-20. Jahrhundert, Göttingen 2014, S. 298-327.
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L iste der F ilme , S erien und F ernsehproduk tionen *Film nicht erhalten …Über Alles in der Welt (D 1940/41, R: Karl Ritter, D: Karl Ritter, Felix Lützkendorf) À Bout de Souffle (FR 1960, R: Jean-Luc Godard, D: François Truffaut)
Liste der Filme, Serien und Fernsehproduktionen
A Foreign Affair (USA 1948, R: Billy Wilder, D: Charles Brackett, Billy Wilder, Richard L. Breen) Anders als die Andern (D 1919, R: Richard Oswald, D: Magnus Hirschfeld, Richard Oswald) A Place in the Sun (USA 1951, R: George Stevens, D: Michael Wilson, Harry Brown) Abschied von Gestern – Anita G. (BRD 1966, R: Alexander Kluge, D: Alexander Kluge) Adressatin Verstorben (D 1911, R: Adolf Gärtner, D: Luise del Zopp) Apocalypse Now (USA 1979, R: Francis Ford Coppola, D: John Milius, Francis Ford Coppola) Banditen auf der Autobahn (BRD 1955, R: Géza von Cziffra, D: Robert T. Thoeren, Géza von Cziffra, Wolfgang Neuss) Ben Hur (USA 1907, R: Harry T. Morey, Sidney Olcott, Frank Rose, D: Gene Gauntier, Lew Wallace) Bonnie and Clyde (USA 1967, R: Arthur Penn, D: David Newman, Robert Benton, Robert Towne) Breaking Bad (USA 2008-2013, Idee: Vince Gilligan) Canaris (BRD 1954, R: Alfred Weidenmann, D: Erich Ebermayer, Herbert Reinecker) Citizen Kane (USA 1941, R: Orson Welles, D: Herman J. Mankiewicz, Orson Welles) Coming Out (DDR 1988, R: Heiner Carow, D: Wolfram Witt) Confessions of a Nazi Spy (USA 1939, R: Anatole Litvak, D: Milton Krims, John Wexley) Dann schon lieber Lebertran (D 1931, R: Max Ophüls, D: Emeric Pressburger, Max Ophüls, Erich Kästner) Das Beil von Wandsbek (DDR 1951, R: Falk Harnack, D: Hans Robert Bortfeldt, Falk Harnack) Das Cabinet des Dr. Caligari (D 1920, R: Robert Wiene, D: Carl Mayer, Hans Janowitz) Das Ekel (D 1931, R: Franz Wenzler, Eugen Schüfftan, D: Emeric Pressburger, Erich Kästner) Das Fliegende Klassenzimmer (BRD 1954, R: Kurt Hoffmann, D: Erich Kästner) Das Indische Grabmal (zwei Teile, D 1921, R: Joe May, D: Thea von Harbou, Fritz Lang) Das Kaninchen bin ich (DDR 1964/65, R: Kurt Maetzig, D: Kurt Maetzig, Manfred Bieler Das Land ohne Frauen (D 1929, R: Carmine Gallone, D: Ladislaus Vajda) Das Leben geht Weiter* (D 1944/45, R: Wolfgang Liebeneiner, D: Gerhard Menzel, Thea von Harbou, Wolfgang Liebeneiner, Karl Ritter) Das Rätsel von Banglador (D 1917/18, R: Alexander von Antalffy, Paul Leni, D: Rudolf Kurtz, Paul Leni)
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Das Verurteilte Dorf (DDR 1951, R: Martin Hellberg, D: Jeanne Stern, Kurt Stern) Defiance (USA 2013-, Idee: Kevin Murphy, Rockne S. O’Bannon, Michael Taylor) Der 20. Juli (BRD 1954, R: Falk Harnack, D: Werner Jörg Lüddecke, Günther Weisenborn, Falk Harnack) Der Alte und der Junge König (D 1934/35, R: Hans Steinhoff, D: Thea von Harbou, Rolf Lauckner) Der Andere (D 1912/13, R: Max Mack, D: Paul Lindau) Der Blaue Engel (D 1929/30, R: Josef von Sternberg, D: Robert Liebmann, Karl Vollmoeller) Der brave Soldat Schwejk (BRD 1960, R: Axel von Ambesser, D: Hans Jacoby) Der ewige Jude-Dokumentarfilm über das Weltjudentum (D 1940, R: Fritz Hippler, D: Eberhard Taubert) Der Fangschuss (BRD/FR 1976, R: Volker Schlöndorff; D: Geneviève Dormann, Margarethe von Trotta, Jutta Brückner) Der Golem (D 1914, R: Henrik Galeen, Paul Wegener, D: Paul Wegener, Henrik Galeen) Der Grosse Gatsby (USA 1974, R: Jack Clayton, D: Francis Ford Coppola) Der Grüne Kaiser (D 1938/39, R: Paul Mundorf, D: Géza von Cziffra, Frank Thieß [ungenannt]) Der Herrscher (D 1936/37, R: Veit Harlan, D: Thea von Harbou, Curt J. Braun) Der Katzensteg (D 1915, R: Max Mack, D: Adolf Lantz) Der Kongress Tanzt (D 1931, R: Erik Charell, D: Norbert Falk, Robert Liebmann) Der Kurier von Lyon/Le Courrier de Lyon (FR 1911, R: Albert Capellani, D: Louis-Mathurin Moreau, Paul Siraudin) Der Letzte Mann (D 1924, R: F.W. Murnau, D: Carl Mayer) Der Lustige Ehemann (D 1903, Tonbild, Produzent: Oskar Messter) Der Müde Tod (D 1921, R: Fritz Lang, D: Thea von Harbou, Fritz Lang ) Der Nackte Mann auf dem Sportplatz (DDR 1974, R: Konrad Wolf, D: Konrad Wolf) Der Rat der Götter (DDR 1949/50,R: Regie: Kurt Maetzig, D: Friedrich Wolf, Phillipp Gecht) Der Student von Prag (D 1913, R: Stellan Rye, D: Stellan Rye, Hanns Heinz Ewers, Paul Wegener) Der Tiger von Eschnapur (BRD/FR/IT 1958/59, R: Fritz Lang, D: Werner Jörg Lüddecke, Fritz Lang [ungenannt]) Der Untertan (DDR 1951, R: Wolfgang Staudte, D: Wolfgang Staudte, Fritz Staudte) Der Weg zu Isabel (D 1939/40, R: Erich Engel, D: Géza von Cziffra, Frank Thieß) Der Weisse Schrecken (D 1917, R: Harry Piel, D: Harry Piel, D: Harry Piel, Rudolf Kurtz)
Liste der Filme, Serien und Fernsehproduktionen
Des Teufels General (BRD 1955, R: Helmut Käutner, D: George Hurdalek, Helmut Käutner, Gyula Trebitsch) Deutschland bleiche Mutter (D 1979/80, R: Helma Sanders-Brahms, D: Helma Sanders-Brahms) Deutschland im Jahre Null (IT/D [West] 1947/48, R: Roberto Rossellini, D: Roberto Rossellini, Carlo Lizzani [ungenannt]) Die Allseitig Reduzierte Persönlichkeit-Redupers (BRD 1977, R: Helke Sander, D: Helke Sander) Die Blechtrommel (BRD 1978/79, R: Volker Schlöndorff, D: Jean-Claude Carrière, Volker Schlöndorff, Franz Seitz) Die Dreigroschenoper (D 1930/31, R: G. W. Pabst, D: Léo Lania, Ladislaus Vajda, Béla Balázs) Die Frau im Mond (D 1928/29, R: Fritz Lang, D: Thea von Harbou) Die Glatzkopfbande (DDR 1962/1963, R: Richard Groschopp, D:Lothar Creutz, Richard Groschopp) Die Jungfrauenmaschine (BRD 1987/88, R: Monika Treut, D: Monika Treut) Die Legende von der heiligen Simplicia (D 1920, R: Joe May, D: Thea von Harbou) Die Macht der Jugend (D 1912, R: Max Mack, D: Heinrich Lautensack) Die Ratten (BRD 1955, R: Robert Siodmak, D: Jochen Huth) Die Sünderin (BRD 1950, R: Willi Forst, D: Gerhard Menzel) Die Todesmühlen (D [West]/USA 1945, R: Hanus Burger, D: Hanus Burger) Die Verworfenen (D 1917, R: Regie: Hubert Moest D: Ruth Götz) Dr. Mabuse-Der Spieler I: Der grosse Spieler. Ein Bild der Zeit (D 1921/22, Regie: Fritz Lang D: Thea von Harbou, Fritz Lang [ungenannt]) Dreizehn unter einem Hut (BRD 1949/50, R: Johannes Meyer, D: Kurt E. Walter, Ernst Keienburg) Du Bist Musik (D 1956, R: Paul Martin, D: Paul Martin, Hans Rameau, Tibor Yost, Johann von Vásáry) Easy Rider (USA 1969, R: Dennis Hopper, D: Peter Fonda, Dennis Hopper, Terry Southern) Ehe im Schatten (D 1947, R: Kurt Maetzig, D: Kurt Maetzig) Ein Fehltritt-Die Tragödie einer Geächteten (D 1911, R: Adolf Gärtner, D: Luise del Zopp) Emil und die Detektive (D 1931, R: Gerhard Lamprecht, D: Billy Wilder, Paul Frank [ungenannt]) Enoch Arden (zwei Teile, USA 1911, R: D.W. Griffith, D: Linda Arvidson, Alfred Lord Tennyson) Erzieherin Gesucht (D 1944/45, R: Ulrich Erfurth, D: Thea von Harbou) Flüchtlinge (D 1933, R: Gustav Ucicky, D: Gerhard Menzel) Fontane Effi Briest (BRD 1972-74, R: Rainer Werner Fassbinder, D: Rainer Werner Fassbinder)
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Four Sons (USA 1940, R: Archie Mayo, D: John Howard Lawson, I.A.R. Wylie, Milton Sperling) From the Manger to the Cross (USA 1912, R: Sidney Olcott, D: Gene Gauntier) Friendly Persuasion (USA 1956, R: William Wyler, D: Jessamyn West, Jessamyn West [ungenannt], Michael Wilson [ungenannt]) Game of Thrones (USA 2011-, Idee: David Benioff, D.B. Weiss) Gendernauts-Eine Reise durch die Geschlechter (USA/D 1999, R: Monika Treut, D: Monika Treut) Gilda (USA 1946, R: Charles Vidor, D: E.A. Ellington, Jo Eisinger, Marion Parsonnet, Ben Hecht [ungenannt]) Gone With The Wind (USA 1939, R: Victor Fleming, George Cukor [ungenannt], Sam Wood [ungenannt], D: Margaret Mitchell, Sidney Howard, Oliver H.P. Garrett, Ben Hecht [ungenannt], Jo Swerling [ungenannt], John Van Druten, [ungenannt]). Grand Hotel (USA 1932, R: Edmund Goulding, D: Vicki Baum) Great White/L’ultimo squalo, (IT 1981, R: Enzo G. Castellari, D: Ramón [ungenannt], Vincenzo Mannino, Marc Princi, Ugo Tucci) Hangman Also Die (USA 1943, R: Fritz Lang, D: Bertolt Brecht, Fritz Lang, John Wexley) Heimat (D 1928, R: Carl Froehlich, D: Carl Froelich, Harald Braun, Hans Brennert, Otto Ernst Hesse, Hermann Sudermann) Heimkehr (D 1941, R: Gustav Ucicky, D: Gerhard Menzel) Herzensrecht (D 1913, R: unbekannt, D: Viggo Larsen) Hilda/Mathilde (FR 1913, R: Emile Chautard, D: Eugène Sue [Autorin der lit. Vorlage]) Hiroshima Mon Amour (FR/JP 1959, R: Alain Resnais, D: Writer: Marguerite Duras) Hitlerjunge Quex (D 1933, R: Hans Steinhoff, D: Bobby E. Lüthge, K.A. Schenzinger, Baldur von Schirach) House of Cards (USA 2013-, Idee: Michael Dobbs, Andrew Davies, Beau Willimon) Ich war Neunzehn (DDR 1968, R: Konrad Wolf, D: Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf) Jagdszenen aus Niederbayern (BRD 1968/69, R: Peter Fleischmann, D: Peter Fleischmann ) Jahrgang 45 (DDR 1966, R: Jürgen Böttcher, D: Klaus Poche, Jürgen Böttcher) Jaws (USA 1975, R: Steven Spielberg, D: Peter Benchley, Carl Gottlieb, Peter Benchley) Jules et Jim (FR 1962, R: François Truffaut, D: François Truffaut, Jean Gruault) Kalkofes Mattscheibe Rekalked (D 2012-, Idee: Oliver Kalkofe) Karla (DDR 1965/66, R: Herrmann Zschoche, D: Herrmann Zschoche)
Liste der Filme, Serien und Fernsehproduktionen
Ladri di Biciclette (IT 1948, R: Vittorio De Sica, D: Cesare Zavattini, Luigi Bartolini, Oreste Biancoli, Suso Cecchi D’Amico, Vittorio De Sica, Adolfo, Gherardo Gherardi, Gerardo Guerrieri, Cesare Zavattini) Lang ist der Weg (D [West], R: Herbert B. Fredersdorf, Marek Goldstein, D: Karl Georg Külb, Israel Beker) Laughing Sinners (USA 1931, R: Harry Beaumont, D: Kenyon Nicholson, Bess Meredyth, Edith Fitzgerald, Martin Flavin [ungenannt]) Le Beau Serge (FR 1958, R: Claude Chabrol, D: Claude Chabrol) Le Dompteur (FR 1938, R: Pierre Colombier, D: Yves Allégret, Károly Nóti, René Pujol, Robert Thoeren, Jacques Viot) Les 400 Coups (FR 1959, R: François Truffaut, D: François Truffau, Marcel Moussy, François Truffaut) Liebe ist Kälter als der Tod (BRD 1969, R: Rainer Werner Fassbinder, D: Rainer Werner Fassbinder) Little Big Man (USA 1970, R: Arthur Penn, D: Thomas Berger, Calder Willingham) Little Caesar (USA 1931, R: Mervyn LeRoy, D: W.R. Burnett, Robert N. Lee, Francis Edward Faragoh) Little Tokio, U.S.A. (USA 1942, R: Otto Brower, D: George Bricker) Macbeth (USA 1916, R: John Emerson, D: John Emerson, Anita Loos) Macht die Pille frei? (BRD 1973, R: Helke Sander, Sarah Schumann, D: Helke Sander, Sarah Schumann) Madame Bovary (USA 1937, R: Gerhard Lamprecht, D: Erich Ebermayer, Hans Neumann) Madame DuBarry (D 1919, R: Ernst Lubitsch, D: Norbert Falk, Hanns Kräly) Männerbünde (BRD 1973, R: Helke Sander, Sarah Schumann, D: Helke Sander, Sarah Schumann) Mauvaise Graine (FR 1934, R: Alexander Esway, Billy Wilder, D: Max Kolpé, Jan Lustig, Claude-André Puget, Billy Wilder) M - Eine Stadt sucht einen Mörder (D 1931, R: Fritz Lang, D: Thea von Harbou, Fritz Lang) Menschen in Gottes Hand (D [West] 1948, R: Rolf Meyer, D: Gustav Kampendonk) Metropolis (D 1926, R: Fritz Lang, D: Thea von Harbou, Fritz Lang [ungenannt]) Mord und Totschlag (BRD 1967, R: Volker Schlöndorff, D: Volker Schlöndorff, Gregor von Rezzori, Niklas Frank, Arne Boyer) Morgenrot (D 1933, R: Vernon Sewell, Gustav Ucicky, D: Freiherr v. Spiegel, Gerhard Menzel) Morituri (D 1948, R: Director: Eugen York, D: Artur Brauner, Gustav Kampendonk) Münchhausen (D 1942/43, R: Josef von Báky, D: Erich Kästner [als Berthold Bürger]) Mutterliebe (D 1939, R: Gustav Ucicky, D: Gerhard Menzel)
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Nackt unter Wölfen (DDR 1963, R: Frank Beyer, D: Frank Beyer) Neo Magazin/Neo Magazin Royale (D 2013- , Idee: Jan Böhmermann) Nibelungen-Reihe (2 Teile, D 1922-24, R: Fritz Lang, D: Thea von Harbou) Nosferatu-Eine Symphonie des Grauens (D 1922, R: F.W. Murnau, D: Henrik Galeen) Ohm Krüger (D 1941, R: Hans Steinhoff, D: Harald Bratt, Kurt Heuser) One, Two, Three (USA 1961, R: Billy Wilder, D: Billy Wilder, I.A.L. Diamond) Orange is the New Black (USA 2013- , Idee: Jenji Kohan) Oz (USA 1997-2003, Idee: Tom Fontana) Philco Television Playhouse (USA 1948-1956) Rip Van Winkle (8 Filme, USA 1895/86, R: William K.L. Dickson, D: Washington Irving [ungenannt]) Rita macht alles (D 1916, R: William Karfiol, D: Ruth Götz) Roma Città Aperta (IT 1945, R: Roberto Rossellini, D: Sergio Amidei, Federico Fellini, Roberto Rossellini) Sabine und die hundert Männer (D 1960, R: Wilhelm Thiele, D: Curth Flatow, Hanns Kräly, Hans Rameau) Scarface (USA 1931, R: Howard Hawks, D: Ben Hecht, Seton I. Miller, John Lee Mahin, W.R. Burnett) Skippy (USA 1931, R: Norman Taurog, D: Joseph L. Mankiewicz, Don Marquis, Norman Z. McLeod, Sam Mintz) Solo Sunny (DDR 1980, R: Konrad Wolf, D: Konrad Wolf, Wolfgang Kohlhaase) Spur der Steine (DDR 1965/66, R: Frank Beyer, D: Karl Georg Egel) Stars Wars: The Empire Strikes Back (USA 1980, R: Irvin Kershner, D: Leigh Brackett, Lawrence Kasdan, George Lucas) Studentin Helene Willfüer (BRD 1955/56, R: Rudolf Jugert, D: Friedrich Kohner) Stukas (D 1941, R: Karl Ritter, D: Felix Lützkendorf, Karl Ritter) Taxi Driver (USA 1976, R: Martin Scorsese, D: Paul Schrader) The Asphalt Jungle (USA 1950, R: John Huston, D: Ben Maddow, John Huston) The Big Heat (USA 1953, R: Fritz Lang, D: Sydney Boehm) The Big Sleep (USA 1946, R: Howard Hawks, D: William Faulkner, Leigh Brackett, Jules Furthman) The Champ (USA 1932, R: King Vidor, D: Frances Marion, Leonard Praskins, Wanda Tuchock) The Front Page (USA 1931, R: Lewis Milestone, D: Ben Hecht, Charles MacArthur, Bartlett Cormack, Charles Lederer) The Great Train Robbery (USA 1903, R: Edwin S. Porter [ungenannt], D: Scott Marble [ungenannt], Edwin S. Porter [ungenannt]) The Informer (USA 1935, R: John Ford, D: Dudley Nichols) The Jazz Singer (USA 1927, R: Richard Fleischer, D: Samson Raphaelson, Herbert Baker, Stephen H. Foreman) The Last Tycoon (USA 1976, R: Elia Kazan, D: F. Scott Fitzgerald, Harold Pinter)
Liste der Filme, Serien und Fernsehproduktionen
The Late Show With David Letterman (USA 1993- ) The Living End (USA 1992, R: Gregg Araki, D: Gregg Araki) The Mortal Storm (USA 1940, R: Frank Borzage, D: Claudine West, Hans Rameau [als Andersen Ellis], George Froeschel) The Sopranos (USA 1999-2007, Idee: David Chase) The Spiral Staircase (USA 1945, R: Robert Siodmak, D: Mel Dinelli, Ethel Lina White) The Sting (USA 1973, R: George Roy Hill, D: David S. Ward) The Suburbanite (USA 1904) The Third Man 1949 (USA 1949, R: Carol Reed, D: Graham Greene) Three Comrades (USA 1938, R: Frank Borzage, D: F. Scott Fitzgerald,Edward E. Paramore Jr., Joseph L. Mankiewicz [ungenannt]) Three Jolly Girls and the Fun They Had with the Old Swing (USA 1897) Traumulus (D 1935, R: Carl Froelich, D: Robert A. Stemmle, Erich Ebermayer) True Blood (USA 2008-2014, Idee Alan Ball) Tue Recht und scheue niemand-Das Leben der Gerda Siepebrink (BRD 1975, R: Jutta Brückner, D: Jutta Brückner) Underworld (USA 1927, R: Josef von Sternberg, D: Charles Furthman, Howard Hawks [ungenannt], Ben Hecht, Robert N. Lee, George Marion Jr.) Veritas Vincit (D 1919, R: Joe May, D: Ruth Goetz, Richard Hutter) Wedding Banquet (USA 1993, R: Ang Lee, D: Ang Lee, Neil Peng, James Schamus) Weeds (USA 2005-2012, Idee: Jenji Kohan) When a Woman Sins (USA 1918, R: J. Gordon Edwards, B Beta Breuil, E. Lloyd Sheldon) Winter Carnival (USA 1939, R: Charles Reisner, D: Lester Cole, F. Scott Fitzgerald [ungenannt], Maurice Rapf, Budd Schulberg) Witchcraft (USA 1916, R: Frank Reicher, D: Robert Ralston Reed, Margaret Turnbull) Zweimal Gelebt* (D 1912, R: Max Mack, D: Heinrich Lautensack)
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Personenregister Albers, Hans 224 Atherton, Gertrude 109 Bab, Julius 87, 221 Baker, Hettie Gray 62 Ball, Eustace Hale 69 Barthel, Kurt 273 Baum, Vicki 117, 168-169, 196, 239, 268-269 Bazin, André 305, 310 Beach, Rex 65 Beranger, Clara 44-45 Berneis, Peter 268 Bessie, Alvah 279, 287 Biberman, Herbert 287 Bierbaum, Otto Julius 70 Block, Ralph 177 Blunck, Hans Friedrich 220, 230 Bortfeldt, Hans-Robert 270 Bouhler, Phillip 233-234 Brady, Jasper Ewing 54 Brecht, Bertolt 152, 193, 197-200, 214, 287 Brennert, Hans 83, 94-99,148, 242 Breuil, Breta 44 Brückner, Jutta 323 Cain, James M. 293-295 Carow, Heiner 324 Carr, Catherine 44 Chabrol, Claude 304-305 Chaplin, Charlie 284 Cliften, Wallace C. 62 Cole, Lester 176, 279, 287, 295 Coppola, Francis Ford 312, 318 Dayton, James 62, 117 De Sica, Vittorio 263-264 DeMille, Cecil B. 45, 286 Dietrich, Marlene 261 Dmytryk, Edward 287 Döblin, Alfred 196-200,204, 214, 268 Doniol-Valcroze, Jacques 305
Dresen, Andreas 275 Dupont, Ewald André 85, 134 Ebermayer, Erich 228, 231-236, 241, 252, 264 Eisler, Hanns 193, 287 Eisner, Kurt 94 Engel, Erich 274 Ewing, C. E. 62 Faragoh, Francis 163 Fassbinder, Rainer Werner 321-322 Faulkner, William 163, 284 Feuchtwanger, Lion 196, 201,207 Fitzgerald, F. Scott 111, 162 Fleischmann, Peter 322 Ford, John 321 Frank, Leonard 196, 215 Frank, Liesl 198, 200 Freeburg, Victor Oscar 49-52 Froelich, Carl 224, 228, 242 Froeschel, George 196-197 Fulda, Ludwig 221 Galeen, Heinrich/Henrik 221 Garbo, Greta 169-170 Gauntier, Gene 39, 44, 48, 59 Gilligan, Vincent 336 Glaß, Max 137 Glyn, Elinor 109 Godard, Jean-Luc 304-308 Goebbels, Joseph 211-213, 215-223, 224, 226, 231, 234, 236, 240-241, 244-245, 252, 258 Goetz, Ruth 91, 250 Goldbaum, Wenzel 97, 144-149, 237 Goldberg, Heinz 239 Goldwyn, Samuel 109, 170, 174 Göring, Emmy 233 Griffith, David Wark 38, 46-47, 62-63 Gründgens, Gustaf 233, 235 Haas, Willy 239
Sach- und Personenregister
Harbou, Thea 28-29, 89-90, 137, 198, 218, 223, 231-232, 240-242, 250, 269, 346 Harnack, Falk 264-265, 270 Hasenclever, Walter 29, 81 Hayes, Will H. 123 Hearst, William Randolph 126 Hecht, Ben 111-112, 161-165 Herzog, Werner 320-321 Hinkel, Hans 214, 221, 241 Hippler, Fritz 240-241 Hitchcock, Alfred 304, 310, 321, 339 Hitler, Adolf 150, 204, 206, 210, 215, 218, 221, 226, 232, 236-237 Hollander, Walther 230 Hugenberg, Alfred 136, 244 Hughes, Howard 109 Hughes, Rupert 109, 121 Huxley, Aldous 163 Hyan, Hans 81 Ince, Thomas 27, 41-43, 51, 62, 107-109, 116-126, 159 Jackson (Joachimson), Felix 196 Jacoby, Hans 268-269 Jannings, Emil 233 Johst, Hanns 214, 220-221, 227, 237 Jones, Marc Edmund 62 Kästner, Erich 214, 230-231, 252 Kazan, Elia 128, 163 Kesten, Herrmann 200 Kluge, Alexander 319-321 Koch, Justus 241 Kohan, Jenji 337 Kohlhaase, Wolfgang 275, 281 Kohner, Friedrich 268-269 Lang, Fritz 90, 137, 198, 203, 232, 266-269, 278, 304 Lantz, Adolf 239 Lardner Jr., Ring 287 Laubinger, Otto 223 Lautensack, Heinrich 81 Lawson, John Howard 163, 176-177, 287 Leander, Zarah 224, 250
Lehnich, Oswald 221, 247-248 Ley, Robert 215 Liebmann, Robert 137, 198, 239 Lippschütz, Arnold 239 Loos, Anita 44-48, 133 Lucas, George 312, 318 Lustig, Jan 196-199 Lüthge, Bobby E. 250 Lützkendorf, Felix 236, 252 Lynch, David 318 Mack, Max 81-83, 116, 238 Macpherson, Jeanie 44-45, 53 Maddow, Ben 164 Maetzig, Kurt 242, 266-267, 271, 274 Malick, Terrence 318 Maltz, Albert 287 Mankiewicz, Herman J. 111-112 Mankiewicz, Joseph L. 114-115, 283 Mann, Heinrich, 198, 201 Mann, Thomas 207, 214, 229-230, 268 Marion, Frances 44, 48, 116, 133, 170, 177 May, Joe 90-91 Mayer, Carl 137, 224 Mayring, Philip L. 250 McCardell, Roy L. 36, 40 Mehring, Walter 196 Menzel, Gerhard 236, 250 Milius, John 318 Müller-Scheld, Wilhelm 218 Murray, John 163 Neumann, Alfred 196-197 O’Hara, John 163 Ornitz, Samuel 287 Palmer, Frederick 53-55 Parker, Dorothy 163,187 Pascal, Ernest 177, 181, 183-184, 291, 293 Patterson, Frances Taylor 51-52 Penn, Arthur 317 Pinthus, Kurt 221 Polgar, Alfred 196
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Der Drehbuchautor: USA und Deutschland – Ein historischer Vergleich
Pommer, Erich 258, 261-262 Pordes, Victor E. 86 Porten, Henny 145 Rameau, Hans Paul 268-269 Reisch, Günter 274 Reisch, Walter 196-197, 239 Riefenstahl, Leni 250 Ritchey, Will M. 62 Rivette, Jacques 305 Roberts Rinehart, Mary 109 Rohmer, Eric 305 Rosenberg, Alfred 214-215 Rossellini, Roberto 263-264, 304, 307 Rotter, Fritz 268 Rühmann, Heinz 224, 269 Sander, Helke 323 Sanders-Brahms, Helma 323 Sarris, Andrew 310, 313 Schargenberg, Dieter 275 Scheuermann, Fritz 221 Schlöndorff, Volker 275, 322-323 Schmidt, Eberhard 231 Schmidt-Leonardt, Hans 221 Schrader, Paul 318 Schulberg, B. P. 111, 114, 165 Schulberg, Budd 114, 162-163, 165, 283 Schulz, Franz 239 Scott, Adrian 287 Selznick, David O. 162, 284 Siodmak, Curt 15, 239, 267 Siodmak, Robert 267 Smith, Russell E. 62 Speyer, Wilhelm 196 Steinhauer, Marielouise 275 Sullivan, Crawford Gardner 42 Taylor, William Desmond 126 Thalberg, Irving 46, 111, 116-118, 159, 181 Thiess, Frank 230, 252 Thoeren, Robert 202, 268 Treut, Monika 324 Truffaut, François 303-308, 312 Trumbo, Dalton 176, 287-288, 290
Turnbull, Margaret 42, 52 Turszinsky, Walter 81 Viertel, Salka 169, 202 Ward, David S. 318 Wassermann, Walter 250 Weber, Lois 62 Wegner, Paul 140 Wegner, Phillip 238 Wenders, Wim 306, 321, 333 Werfel, Franz 196, 215 West, Nathanel 163 Wexley, John 201, 203, 205 Wilder, Billy 198, 258, 267, 283 Willis, Richard 62 Winkler, Max 218 Wolf, Christa 273 Wolf, Gerhard 273 Wolf, Konrad 275 Wolff, Victoria 169-170, 197, 268 Woods, Frank E. 62-63, 121, 129 Zopp, Luiese, 91 Zsolnay, Paul 233 Zuckmayer, Carl 239
Histoire Alexander Simmeth Krautrock transnational Die Neuerfindung der Popmusik in der BRD, 1968–1978 Juni 2016, ca. 390 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3424-2
Dae Sung Jung Der Kampf gegen das Presse-Imperium Die Anti-Springer-Kampagne der 68er-Bewegung Juni 2016, ca. 360 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3371-9
Debora Gerstenberger, Joël Glasman (Hg.) Techniken der Globalisierung Globalgeschichte meets Akteur-Netzwerk-Theorie Mai 2016, ca. 310 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3021-3
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Histoire Alban Frei, Hannes Mangold (Hg.) Das Personal der Postmoderne Inventur einer Epoche 2015, 272 Seiten, kart., 19,99 €, ISBN 978-3-8376-3303-0
Pascal Eitler, Jens Elberfeld (Hg.) Zeitgeschichte des Selbst Therapeutisierung – Politisierung – Emotionalisierung 2015, 394 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3084-8
Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hg.) Lexikon der »Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 2015, 494 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2366-6
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